Skip to main content

Full text of "Archäologische Studien über altchristliche Monumente"

See other formats


Google 



This is a digital copy of a book that was prcscrvod for gcncrations on library shclvcs bcforc it was carcfully scannod by Google as pari of a projcct 

to make the world's books discoverablc online. 

It has survived long enough for the Copyright to expire and the book to enter the public domain. A public domain book is one that was never subject 

to Copyright or whose legal Copyright term has expired. Whether a book is in the public domain may vary country to country. Public domain books 

are our gateways to the past, representing a wealth of history, cultuie and knowledge that's often difficult to discover. 

Marks, notations and other maiginalia present in the original volume will appear in this flle - a reminder of this book's long journcy from the 

publisher to a library and finally to you. 

Usage guidelines 

Google is proud to partner with libraries to digitize public domain materials and make them widely accessible. Public domain books belong to the 
public and we are merely their custodians. Nevertheless, this work is expensive, so in order to keep providing this resource, we have taken Steps to 
prcvcnt abuse by commercial parties, including placing lechnical restrictions on automated querying. 
We also ask that you: 

+ Make non-commercial use ofthefiles We designed Google Book Search for use by individuals, and we request that you use these files for 
personal, non-commercial purposes. 

+ Refrain fivm automated querying Do not send automated queries of any sort to Google's System: If you are conducting research on machinc 
translation, optical character recognition or other areas where access to a laige amount of text is helpful, please contact us. We encouragc the 
use of public domain materials for these purposes and may be able to help. 

+ Maintain attributionTht GoogXt "watermark" you see on each flle is essential for informingpcoplcabout this projcct and hclping them lind 
additional materials through Google Book Search. Please do not remove it. 

+ Keep it legal Whatever your use, remember that you are lesponsible for ensuring that what you are doing is legal. Do not assume that just 
because we believe a book is in the public domain for users in the United States, that the work is also in the public domain for users in other 
countries. Whether a book is still in Copyright varies from country to country, and we can'l offer guidance on whether any speciflc use of 
any speciflc book is allowed. Please do not assume that a book's appearance in Google Book Search mcans it can bc used in any manner 
anywhere in the world. Copyright infringement liabili^ can be quite severe. 

Äbout Google Book Search 

Google's mission is to organizc the world's Information and to make it univcrsally accessible and uscful. Google Book Search hclps rcadcrs 
discover the world's books while hclping authors and publishers rcach ncw audicnccs. You can search through the füll icxi of ihis book on the web 

at |http: //books. google .com/l 



Google 



IJber dieses Buch 

Dies ist ein digitales Exemplar eines Buches, das seit Generationen in den Realen der Bibliotheken aufbewahrt wurde, bevor es von Google im 
Rahmen eines Projekts, mit dem die Bücher dieser Welt online verfugbar gemacht werden sollen, sorgfältig gescannt wurde. 
Das Buch hat das Uiheberrecht überdauert und kann nun öffentlich zugänglich gemacht werden. Ein öffentlich zugängliches Buch ist ein Buch, 
das niemals Urheberrechten unterlag oder bei dem die Schutzfrist des Urheberrechts abgelaufen ist. Ob ein Buch öffentlich zugänglich ist, kann 
von Land zu Land unterschiedlich sein. Öffentlich zugängliche Bücher sind unser Tor zur Vergangenheit und stellen ein geschichtliches, kulturelles 
und wissenschaftliches Vermögen dar, das häufig nur schwierig zu entdecken ist. 

Gebrauchsspuren, Anmerkungen und andere Randbemerkungen, die im Originalband enthalten sind, finden sich auch in dieser Datei - eine Erin- 
nerung an die lange Reise, die das Buch vom Verleger zu einer Bibliothek und weiter zu Ihnen hinter sich gebracht hat. 

Nu tzungsrichtlinien 

Google ist stolz, mit Bibliotheken in Partnerschaft lieber Zusammenarbeit öffentlich zugängliches Material zu digitalisieren und einer breiten Masse 
zugänglich zu machen. Öffentlich zugängliche Bücher gehören der Öffentlichkeit, und wir sind nur ihre Hüter. Nie htsdesto trotz ist diese 
Arbeit kostspielig. Um diese Ressource weiterhin zur Verfügung stellen zu können, haben wir Schritte unternommen, um den Missbrauch durch 
kommerzielle Parteien zu veihindem. Dazu gehören technische Einschränkungen für automatisierte Abfragen. 
Wir bitten Sie um Einhaltung folgender Richtlinien: 

+ Nutzung der Dateien zu nichtkommerziellen Zwecken Wir haben Google Buchsuche Tür Endanwender konzipiert und möchten, dass Sie diese 
Dateien nur für persönliche, nichtkommerzielle Zwecke verwenden. 

+ Keine automatisierten Abfragen Senden Sie keine automatisierten Abfragen irgendwelcher Art an das Google-System. Wenn Sie Recherchen 
über maschinelle Übersetzung, optische Zeichenerkennung oder andere Bereiche durchführen, in denen der Zugang zu Text in großen Mengen 
nützlich ist, wenden Sie sich bitte an uns. Wir fördern die Nutzung des öffentlich zugänglichen Materials fürdieseZwecke und können Ihnen 
unter Umständen helfen. 

+ Beibehaltung von Google-MarkenelementenDas "Wasserzeichen" von Google, das Sie in jeder Datei finden, ist wichtig zur Information über 
dieses Projekt und hilft den Anwendern weiteres Material über Google Buchsuche zu finden. Bitte entfernen Sie das Wasserzeichen nicht. 

+ Bewegen Sie sich innerhalb der Legalität Unabhängig von Ihrem Verwendungszweck müssen Sie sich Ihrer Verantwortung bewusst sein, 
sicherzustellen, dass Ihre Nutzung legal ist. Gehen Sie nicht davon aus, dass ein Buch, das nach unserem Dafürhalten für Nutzer in den USA 
öffentlich zugänglich ist, auch für Nutzer in anderen Ländern öffentlich zugänglich ist. Ob ein Buch noch dem Urheberrecht unterliegt, ist 
von Land zu Land verschieden. Wir können keine Beratung leisten, ob eine bestimmte Nutzung eines bestimmten Buches gesetzlich zulässig 
ist. Gehen Sie nicht davon aus, dass das Erscheinen eines Buchs in Google Buchsuche bedeutet, dass es in jeder Form und überall auf der 
Welt verwendet werden kann. Eine Urheberrechtsverletzung kann schwerwiegende Folgen haben. 

Über Google Buchsuche 

Das Ziel von Google besteht darin, die weltweiten Informationen zu organisieren und allgemein nutzbar und zugänglich zu machen. Google 
Buchsuche hilft Lesern dabei, die Bücher dieser We lt zu entdecken, und unterstützt Au toren und Verleger dabei, neue Zielgruppcn zu erreichen. 
Den gesamten Buchtext können Sie im Internet unter |http: //books . google .coiril durchsuchen. 



I 






^^^RA^Vt'"' 



ARCHÄOLOGISCHE STUDIEN 

Ober ^_-I- — 

ALTCHRISTLICHE MONUMENTE 



VICTOR IpHULTZE 



MIT »6 HOLZSCHNITTEN. 



WILHELM BRAUMULLER 

R. a, HOP- UND mnVBBSrrlTBBlICBHiNDLEB. 



VORREDE. 



M 




ie nachstehend veröffentlichten Aufsätze sind zum 
grÖssten Theil in Rom in unmittelbarer Anschauung 
der behandelten Monumente entstanden. Das^ unter 
n. III mitgetheilte wichtige Sarkophag- Relief war bisher noch 
nicht publicirt. Auch die Abhandlungen über die Marienbilder 
der altchristlichen Kunst (n. VI) und über die Katakomben 
von Syrakus (n. IV) dürften sich als solche ausweisen, die 
eine Lücke der kirchlich- archäologischen Forschung ausfüllen. 
Dagegen liegt über die Fresken der Sakramentskapellen (n. II) 
und über den bekannten Sarkophag aus S. Paolo fuori le 
mura (n. V) bereits eine reiche Literatur vor. 

Wenn diese werthvollen Denkmäler trotzdem hier wiederum 
einer eingehenden Untersuchung unterzogen sind, so geschah es 
in der weiterhin, vor Allem in den Prolegomena, zu recht- 
fertigenden Ueberzeugung, dass die nach den Interpreten des 
siebzehnten Jahrhunderts orientirte herkömmliche Art und Weise, 
diese und die altchristlichen Bildwerke überhaupt auszulegen, 
V auf unrichtiger Vorausetzung beruhe. 

(v^ Das angeschlossene Verzeichniss der figurirten altchristlichen 

Monumente des Museo Kircheriano in Rom wird der archao- 

:i logischen Forschung willkommen sein. Die gegenwärtig in der 

klassischen Alterthums -Wissenschaft in grossem Umfange geübte 



ä 



IV VORREDE. 

Katalogisirung der Denkmäler dürfte sich auch auf unserm 
Gebiete empfehlen. 

Das Studium der altchristlichen Monumente steht gegen- 
wärtig mehr, als zu irgend einer andern Zeit der Fall war, im 
Vordergrunde, und die Ueberzeugung, dass der Theologie, um 
derentwillen die kirchlich- monumentale Forschung überhaupt da 
ist, durch dieses Studium ein reicher Quellenschatz zugeführt 
werde, bewährt sich unter unsern Augen stets von neuem und 
hat längst auch ausserhalb des Kreises der Fachgenossen Zu- 
stimmung gefunden. Um so dringender erhebt sich die Forde- 
rung, durch das Mittel archäologischen Forschens und Erkennens 
in Beziehung auf den vorliegenden Monumenten -Komplex das- 
jenige Mass richtiger Anschauung und Beurtheilung zu erwirken, 
welches die unumgängliche Voraussetzung einer theologischen 
Verwerthung der Denkmäler bildet. Auf diesen Zweck zielen 
diese Untersuchungen, denen, sobald Zeit und Umstände es 
gestatten, weitere folgen sollen. 

Leipzig, im Januar 1880. 

Der Verfasser. 



I N H A LT. 



Seite 

I. Prolegomena über die Symbolik des altchristlichen Bilderkreises i 

II. Die Fresken der Sakramentskapellen in S. Callisto . . ... 22 

III. Ein Sarkophag mit Juno Pronuba in Villa Ludovisi 99 

IV. Die Katakomben von Syrakus 121 

V. Ein Sarkophag aus S. Paolo fuori le mura 146 

VI. Die Marienbilder der altchristlichen Kunst ... 177 

VII. Das Grab des Petrus . . 220 

VIII. Die altchristlichen Bildwerke des Museo Kircheriano in Rom . . 256 



ARCHÄOLOGISCHE STUDIEN 



ÜBER 



ALTCHRISTLICHE MONUMENTE 



I. 

PROLEGOMENA ÜBER DIE SYMBOLIK DES ALT- 
CHRISTLICHEN BILDERKREISES. 

Fidacia Christianoram 
resurrectio mortuorum. 

Der altchrisdiche Bilderkreis begreift die Summe der bild- 
lichen Darstellungen, welche innerhalb der altchristlichen Kunst- 
epoche von christlichen Künstlern für Christen, aus dem Geiste 
der neuen Religion und mit bestimmter Ausprägung desselben 
geschaffen worden sind. Ausserhalb dieses Cyklus fallen dem- 
nach sowohl diejenigen Bildwerke, welche aus nicht-christlichen 
Kreisen hervor- und in den Gebrauch der Christen über- 
gegangen sind (Odysseus und die Sirenen, Nereiden- und 
bacchischer Cyklus, Ornamentation u. A. m.), sowie solche, die 
von Christen für nicht-christlichen Gebrauch angefertigt* wurden 
(TertuU., De idol. c. 5 ff.). . Dagegen sind die durch die vor- 
christliche Kunst bereits erworbenen, aber in der Gemeinde 
entweder mit hinzugegebenem specifisch christlichen Inhalte 
(Palme, sogenannte Todtenmahle, Anker u. s. w.) oder ohne 
einen solchen reproducirten Sujets (Granatapfel, Pfau, Eros und 
Psyche, phonetische Symbole u. s. w.) dem altchristlichen Bilder- 
kreise als Appendices zuzuschreiben derart, dass der wesent- 
liche Unterschied dieser Gruppe von dem . genuin-christlichen 
Cyklus anerkannt und festgehalten wird. 

Abgesehen von den rein ornamentalen Stücken, sowie von 
vereinzelten historischen Darstellungen, wird diesem Ganzen 
von den Auslegern seit Bosio-Severano ein symbolischer 
Charakter übereinstimmend zuerkannt, und zwar findet sich 

Rcliultz c, ArcliUologlscIie Studien. 1 



2 PROLEGOMENA ÜBER DIE SYMBOLIK 

derselbe näher dahin bestimmt, dass es vor,, Allem die Grund- 
gedanken von Sunde, Gesetz und Erlösung seien", welche in 
den Darstellungen Ausdruck gewonnen haben ^). 

Aringhi vergleicht in diesem Sinne die Bildwerke Büchern 
und Schriftstücken und nennt ihre Sprache von derjenigen 
♦ der Prediger nur formell, nicht sachlich unterschieden 2)^ und 
in neuerer Zeit hat Martigny die Anschauung der modernen 
Exegese in den Worten ausgedrückt: „Die ganze Religion, ihre 
Dogmen, ihre Ethik, ihre Hoffnungen und Verheissungen sind 
in hieroglyphischer Sprache, in einem umfassenden, scharfsinnig 
organisirten symbolischen System bildlich niedergelegt^).*' 

Auch die Spuren kirchlicher Zeit- und Streitfragen, die 
vorübergehend die Theologen und die Gemeinde bewegten, 
sind in dem altchristlichen Bilderkreise gefunden worden^), und 
es wird als eine werthvoUe Errungenschaft der neueren For- 
schung gerühmt, den inneren Zusammenhang aneinandergereihter 
Darstellungen, die fortlaufende, einer Homilie vergleichbare 
Sprache der Monumente erkannt und aufgezeigt zu haben ^). 

Als Aufgabe der Interpretation ergibt sich demnach, aus 
dem einzelnen Bilde die Summe der in demselben verborgenen 
Beziehungen und Zwecke zu eruiren und zu begreifen^); als 
Hilfsmittel dazu dienen die heilige Schrift und die kirchliche 



1) F. Piper, Ueber den christlichen Bilderkreis, Berlin i852, S. ii. 

2) P. Aringhi, Roma subterranea novissima, Romae i65i, lib. V, 
S. 461; vgl. lib. VI, S. 465, bes. n. 3. 

3) Martigny, Dict. des antiq. chr^t. Paris 1877, S. 728, Discipline 
du secret; vgl. auch S. 35o Images n. II, S. 751 Symb. chr^t., ferner Raoul- 
Rochette, Deuxieme M6m. sur les antiq. ehret., S. 202; Roestel in d. 
„Beschreibung d. Stadt Rom" v. Bunsen und Platner, Stuttg. i83o, Bd. I, 
S. 412; Munter, Sinnbilder, Altona 1825, S. i5, 7; Bellermann, Die 
altchristlichen Begräbnissstälten u. s. w. Hamb. 1839, S. 2g. Piper a.a.O.; 
Garrucci, Storia delT arte crist. vol. I, S. 33; Englische Roma sotterranea 
von Northcote und Brownlow, in deutscher Bearbeitung von F. X. 
Kraus, Freib. 1879, S. a34 fF., u. A. m. 

*) Deutsche Roma sott., S. 274 (Novatianer), S. 286 (Gnostiker), 
Martigny a. a. O. S. 440 (Manichäer), Garrucci a. a. O , S. 47 (Dona- 
tisten und Arianer) u. s. w. 

ö) Garrucci a. a. O., S. 33. 

6) Bosio-Severano, Roma sotterranea, Roma i632, S. 602 f.; 
Aringhi a. a. O., t. II, S. 465 f. 



DES AliTCQRISTLICHEN BILDERKREISES. 3 

» 

Literatur. „Die Gewissheit einer gegebenen Erklärung wächst 
in dem Masse, wie sich die Zahl und Klarheit der beige- 
brachten Texte, sowie das Gewicht der angeführten Schrift- 
steller mehrt" (Deutsche R. S., S, 235). 

Aus der Anwendung dieses formalen Princips folgt un- 
mittelbar die Anerkennung einer Mehrheit symbolischer Bezie- 
hungen in derselben Darstellung, insofern die kirchlichen Schrift- 
steller in der typischen Auslegung nicht durch eine bestimmte 
Norm geleitet werden, sondern subjektiver, nur durch eine 
allgemeine Tradition regulirter Willkür folgen. Nach diesem 
Massstabe wird z. B. in der Darstellung Adam's und der Eva 
eine Erinnerung an die Neuschöpfung der Menschheit in Christo, 
ein Protest gegen gnostische Häresie, ein Zeugniss für die zweite 
Busse und eine Warnung vor Ungehorsam gegen das göttliche 
Gesetz erkannt (Deutsche R. S., S. 286; Marttgny, Dict. Adame). 

Das so orientirte Interpretationsschema hat Aringhi am 
konsequentesten zur Anwendung gebracht und demselben d^irch 
den Einfluss seines weitverbreiteten, in Paris und Leyden nach- 
gedruckten und in das Deutsche .übertragenen Werkes allgemeine. 
Anerkennung erwirkt. Die nachfolgenden Exegeten verhalten sich 
dem von ihm gebotenen umfangreichen patristischen Material 
gegenüber zwar eklektisch, interpretiren aber nach denselben 
Grundsätzen, so dass von i632 bis heute die principielle Gleich- 
heit des Verfahrens nirgends durchbrochen erscheint. 

Wenn den altchristlichen Bildwerken ein der biblischen 
und der kirchlichen Literatur konformer Inhalt zuerkannt wird, 
so erklärt sich daraus die gegenwärtig besonders hervortretende 
Scheidung in katholisches und in protestantisches Interpre- 
tationsverfahren. Während von jener Seite aus die christliche 
Alterthumswissenschaft, vor Allem die auf die römischen 
Monumente gerichtete Forschung, als ein „Gegenmittel gegen so 
viele und viele Irrungen'' bezeichnet wird und aus den Monu- 
menten die Transsubstantiation, die Lehre vom Messopfer, der 
Primat des Petrus, der Marienkultus, die Bilderverehrung und 
andere specifisch römisch-katholische Dogmen erwiesen werden *), 



*) De Rossi, Bull, di archeol. crist. i863 Prefaz. — Roma sott* I,^ 
S. 348 f.; II, S. 337 ff.; S. 343; Bull, di archeol. crist. i863, S. 80; 1864,^ 

1* 



4 PROLEOOMENA ÜBER DIE SYMBOLIK 

SO ist von protestantischer Seite aus das Rom unter der Erde 
gegen das Rom auf der Erde zum Zeugniss aufgerufen, und die 
Behauptung ausgesprochen worden, ,,dass das Zeugniss der 
Katakomben mehr als alles Andere den ungeheuren Kontrast 
zwischen dem Urchristenthum und dem modernen Romanismus 
aufweise"*). 

Durch die Abhängigkeit von einem in mehr als vier Jahr- 
hunderten geschaffenen, in sich nicht einheitlichen Literaturganzen 

r • 

und unter der Einwirkung einer durch konfessionelle Gegensätze 
bestimmt gerichteten Forschung ist die Disciplin der wissen- 
schaftlichen Behandlung des altchristlichen Bilderkreises in hohem 
Masse verwirrt und kontrovers geworden, wie die einschläglichen 
Schriften zeigen. Diese Uebelstände aber sind nicht etwa aus 
falscher Anwendung eines richtigen Princips hervorgegangen, 
sondern ergeben sich unmittelbar und konsequent aus der oben 
skizzirten Voraussetzung, mit welcher die Interpretation der 
Bildwerke, soweit dieselben symbolischen Charakters sind, unter- 
nommen wird, wonach dogmatisch -lehrhafte und paränetisch- 
praktische Zwecke als Motive der einzelnen Darstellungen gesetzt 
werden. 

Demnach hat die in Folgendem zu führende Untersuchung, 
welche den Zweck verfolgt, einerseits die Unhaltbarkeit des 
modernen Interpretationssystems aufzuzeigen , andererseits dem 
in diesen Abhandlungen bei der Erklärung der Bildwerke 
befolgten Verfahren eine allgemeine Grundlage und Recht- 
fertigung zu erwirken, davon auszugehen, festzustellen, ob jene 



S. i5. — Roma sott., IL, S. 33i f.; III. S. 448; Bull. i865, S. 76 f.; Roma 
sott., I, S. 347 fF.; Imag. selectae, Text, S. i ff. Ich verweise ferner auf: 
P. Maurus Wolter, Die römischen Katakomben und ihre Bedeutung ftlr 
die kathol. Lehre von d. Kirche, Frankf. 1866. — Die röm. Katak. u. d. 
Sakramente d. kath. Kirche, Frankf. 1866; Grillwitzer, Die bildl. Darst. 
i. d. röm. Katak. als Zeugen f. d. Wahrheit u, s. w., Freib. 1874; Georg 
Ott, Die ersten Christen über und unter der Erde u. s. w., Regensb. 1878; 
Cosimo Stornajuolo, DelP importanza delle ultime scoperte ne* cimit. 
crist. di Roma, Napoli 1876 u. A. Die „Storia dell* arte crist." des Jesuiten 
Garrucci hat durchgehends diese polemische Richtung. 

') Rivista cristiana 1877, S. 53 f. — Withrow, Catacombs of Rome, 
a. Aufl., London 1877, S. 6. Vgl. auch Marriott, Testimony of the Cata- 
eombs, London 1870. 



DfiS ALTOHRiaTLICHEN BILDERKREISES. 5 

Voraussetzung an den thatsächlichen Verhältnissen sich bewährt 
oder durch andere Massstäbe zu ersetzen ist. 

Seit der Mitte des vierten Jahrhunderts lässt sich die Werth- 
' Schätzung der christlichen Bildwerke, genauer der biblischen 
Darstellungen und der Märtyrerscenen, als Hilfsmittel zu sittlich- 
religiöser Erziehung aus einer Reihe von Zeugnissen der 
orientalischen wie der occidentalischen Kirche nachweisen ^), 
und die so gerichtete Beurtheilung wird gemeiniglich auch auf 
das Bewusstsein und die Praxis der früheren Jahrhunderte 
zurückgetragen. 

Während jedoch einerseits in der vorkonstantinischen 
Zeit der christliche Bilderkreis nirgends unter einen solchen 
Gesichtspunkt gestellt erscheint^ also der bezeichnete Rück- 
schluss nicht ohne Weiteres zu vollziehen sein dürfte, ist 
andererseits bei jenem Verfahren ausser Acht geblieben, 
dass die Beurtheilung der Erzeugnisse der christlichen Kunst 
als solcher, welche auf pädagogische Zwecke hinzielen, 
niemals auf die Bildwerke der Cömeterien geht, welche mit 
ganz vereinzelten Ausnahmen den Gesammtbestand der alt- 
christlichen Kunst ausmachen, sondern den bildlichen Schmuck 
der Kirchen und sonstiger oberirdischer Bauten mit kirchlichem 
Charakter berücksichtigt, wie aus den vorliegenden Quellen 
deutlich zu ersehen ist. Damit steht auch in Ueberein- 
stimmung, dass die Sujets, soweit dieselben sich angegeben 
finden, einen Cyklus repräsentiren, welcher von dem cöme- 
terialen Bilderkreise in gleichem Masse sich entfernt, wie er 
den aus den Monumenten bekannten Kirchenschmucks -Dar- 
stellungen sich nähert. Dadurch aber wird verwehrt, an beide 



1) ßasil. Ma^n., Hom. XIX in sanct. quadrag. Mart. (t. 11« S. 210, 
ed. Garnier, Paris i838): „"A ifdp 6 Xd^og t"^? latopta^ 8ta rrj^ ^o-^^ wapioTTQat, 
taöxa Ypacptx*}) owonwoa 8td |xt|jLT^aeu)5 Setxvootv"; Greg. Nyss., De s. Theod. 
Mart. (t. III, S. 738 f. opp. ed. Migne): „olSe y^p ^^«^ TP^'f^ otwicwaa Iv 
toi^C]) XaXsIv %a\ xä fx^ifioTa wcpeXcTv*'; Nilus, Epist. lib. IV, ep. 61 ed. Rom. 
1668; Paulinus NoI., Poema XXVI. carm. IX. v. 341 ff.; Epist. XXXII ad 
Severum; Gregor. Magn. Epist. lib. IX, 9: „quod legentibus scriptura, 
hoc idiotis praestatpicturacernentibus'*; epist. 1 11 (al. 1 16) lib. VII: 
„idcirco picturainecclesiisadhibetur, uthi, quilitterasnesciunt. 
saltem in parietibus videndo legant,quae legere in cödicibus 
non valent". 



6 PROLEQOMENA UBEE DIE SYMBOLIK 

Gruppen denselben Massstab zu legen und ihre Zwecke von 
demselben Gesichtspunkte aus zu begreifen. 

Ferner aber leuchtet jene unmittelbare Zweckbestimmung 
der Bildwerke in kultischen oder solchen Gebäuden wohl ein, 
die grösseren und regelmässigen gottesdienstlichen Versamm- 
luhgen dienen , leidet aber keine Uebertragung auf die cöme- 
terialen Darstellungen, insofern diese zum Theil in kleinen, von 
dem CÖmeterialganzen abgeschlossenen Privatgrabkammern sich 
finden oder in Galerien^ die allein zu sepulkralen Zwecken 
gedient haben und in ihren einzelnen Theilen von Privaten 
besessen und dekorirt wurden, so dass nicht anzunehmen ist, 
dass diese Oerllichkeiten, die entweder nur von einer ganz 
beschränkten Zahl von Personen, den Angehörigen der Todten, 
privatim oder aber von der Gemeinde als solcher, aber dann 
nur an ganz vereinzelten Tagen, an den allgemeinen Todten- 
festen nämlich, besucht wurden, durch die in denselben an- 
gebrachten Darstellungen der Erbauung und Belehrung gedient 
haben sollten. 

Die als kirchliche Versammlungslokale zu erweisenden 
grösseren Räume in den Katakomben, welche indess nur in 
seltenen Fällen eine Gemeinde von 40 bis 5o Personen , im 
Allgemeinen aber nur eine weit geringere Zahl zu umschliessen 
geeignet sind, gehören ausnahmslos der konstantinischen oder der 
nachkonstantinischen Zeit an ^) und weisen eine Dekoration auf, 
welche, mit dem altchristlichen Bilderkreise nur lose zusammen- 
hängend, ihr Vorbild vielmehr in dem gleichzeitigen Kirchen- 
bilderschmuck hat. 

Die dem cömeterialen Cyklus supponirte Zweckbestimmung 
hätte also nur gelegentlich und nur bei einer geringen Anzahl 
von Gemeindegliedern wirksam werden können. Es ist aber 
nicht denkbar, dass ein so intensiver und allgemeiner Aufwand 
künstlerischer Thätigkeit auf ein von vorneherein klar liegendes 
Minimum wirklichen Erfolges hin unternommen und Jahrhunderte 
hindurch geleistet worden sei, in einer Gemeinschaft ausserdem, 
welche praktische und wirkungsreiche Mittel und Anstalten der 



1) J. P. Richter, Der Ursprung der abendlAnd. Kirchengebdude, 
Wien 1878, S. 4 ff. 



DES ALTGHRISTLICHEN BILDERKREISES. "] 

Belehrung in ausreichender Zahl besass und darum nicht das 
Bedürfniss gefühlt haben kann, jenes unvollkommene Verfahren 
sich noch dazu anzueignen. 

Die Motivirung aber dieser Einkleidung kirchlicher Lehre 
in eine nur dem Eingeweihten verständliche Symbolik durch 
die Arkandisciplin, genauer durch das Streben, „den Augen der 
Profanen, die sich heimlich in die Krypten einschleichen könnten, 
die heiligen Geheimnisse zu verhüllen" (Marti gny a. a. O. 
Secret, S. 728; Deutsche R. S., S. 307 und sämmtliche älteren 
Ausleger) ist darum unzulässig, weil die Arkandisciplin sich nur 
auf die Tauf- und die Abendmahlsfeier erstreckt, diejenigen 
Darstellungen also, welche keine Beziehung auf diese Sakramente 
nehmen, d. h. fast der gesammte cömeteriale Bilderkreis ausser- 
halb dieser Sphäre fallen und in seiner Existenz unerklärt bleiben 
würde. Auch ist die Arkandisciplin vor dem Ende des zweiten 
Jahrhunderts nicht nachweisbar; bei ihrem Auftreten war demnach 
der Grundstamm des altchristlichen Bilderkreises bereits gegeben. 
Zudem ist wenig wahrscheinlich, dass NichtChristen die Cömeterien 
betreten haben, und wenn dies doch stattgefunden haben sollte, 
jedenfalls nicht, um den Glauben der Christen hier auszuspioniren. 

Auch widerstreitet der traditionellen Auffassung der 
Charakter dieses Bilderkreises, insofern die Wiederholung des- 
selben Sujet in derselben Galerie, in demselben Kubikulum 
und in dicht aneinanderschliessenden Gräbern, sowie der scharf 
abgegrenzte Cyklus, der dem durch die heiligen Schriften 
gebotenen reichen Material nur wenige Stücke entnimmt und 
festhält, und zwar solche, die den geforderten Zwecken durch- 
schnittlich gar nicht oder nur in beschränkter Weise zu dienen 
geeignet sind, darauf hinweisen, dass es nicht darauf ankam, 
eine allgemeine Kenntniss christlicher Glaubens- und Sitten- 
lehren oder kirchengeschichtlicher Facta zu erwirken. Wenn 
schliesslich, was nicht bestritten wird, die Anwendung bildlichen 
Schmuckes in den christlichen Begräbniss-Stätten in der gleich- 
zeitigen griechisch-römischen Sitte ihre Wurzel hat, so legt 
sich die Vermuthung nahe, dass das Moment des Belehrens und 
Ermahnens ebensowenig Motiv und Inhalt der christlichen Bild- 
werke gewesen sei, wie der diesen parallel stehenden antiken 
Sepulkraldarstellungen. 



8 PROLEGOMENA ÜBER DIE SYMBOLIK 

Aus diesen Erwägungen ergibt sich die Unhaltbarkeit der 
herrschenden Auffassung und Werthschätzung des altchristlichen 
cömeterialen Bilderkreises als eines dogmatischen und ethischen 
Kompendiums. 

Es erübrigt nun den wirklichen Zweck und Inhalt dieses 
Cyklus positiv zu entwickeln. 

Die griechischen Grabsteine älterer Epoche sind durch 
eine reiche Mannigfaltigkeit von Darstellungen sowohl einzelner 
als in Gruppen zusammengeschlossener Figuren ausgezeichnet, 
durch welche ein einzelner Moment oder eine bestimmte Seite 
des Lebens des Verstorbenen zum Ausdruck zu bringen und 
in der Erinnerung zu festigen bezweckt wird. Krieger in 
vollem Waffenschmucke, Knaben, die sich untereinander oder 
mit Thieren necken, Jünglinge, welche sich vom Staube der 
Palästra reinigen, Familiengenossen, in ruhiger Gemächlichkeit 
zusammensitzend und -stehend oder zu heiterem Mahle gelagert, 
und ähnliche Darstellungen erwirken, indem sie den Beruf, die 
Thärigkeit, die Zustände des Lebens repräsentiren , den Ein- 
druck der Fortdauer der Verstorbenen mit den Verhältnissen 
desselben. „Der Künstler hat mit mehr oder weniger Geschick 
nur die einfache Gegenwart der Menschen hingestellt, ihre 
Existenz dadurch fortgesetzt und bleibend gemacht" (Goethe, 
ital. Reise). 

Dieselbe Anschauung tritt, wenn auch verkümmert, auf 
späteren römischen Sarkophagen entgegen. Auch hier ent- 
faltet sich das Leben des Menschen in seinen Hauptmomenten 
und in seiner individuellen Richtung: Geburt, Kindheitspflege, 
Hochzeit, Landleben, Jagd, Circusrennen, Palästra- Uebungen, 
Musendienst, Leichenbestattung, Todtenklage und was sonst 
noch in einem. Einzelleben oder im Menschenleben überhaupt 
denkwürdig ist, oder in bestimmten Fällen so galt, erscheint 
.monumental fixirt. .. 

Die christliche Kunst ist dieser Sitte gefolgt. Ihre Monu- 
mente zeigen in gleicher Weise den Todten in einem einzelnen 
Momente seines Lebens oder in der gewohnten Ausübung 
seines Berufes. So finden sich auf christlichen Epitaphien: 
Schmiede, die in der Esse arbeiten, ein Bildhauer, der seinen 
Gesellen präsidirt, ein Möbelschreiner vor einem kunstvoll aus^ 



DES ALTGHRISTLIGHEN BILDERKREISES. g 

gelegten Tische, ein Wirth, der einen Kyathos kredenzt, ein 
Gladiator in Kampfstellung, Fossoren mit der Picke, dem 
Insigne ihres Handwerkes, rudernde Schiffer, Lastträger, be- 
rittene Krieger, Kinder, die mit Thieren spielen, Scenen des 
Jagd- und Landlebens, Tauf- Darstellungen, Magistrats -Personen 
in Ausübung amtlicher Functionen, eine christliche Familie, 
die sich um den vorlesenden Hausvater gesammelt hat u. A. m. ^). 
Vor Allem aber sind als Parallelen wichtig die sogenannten 
Mahle der Todten ^). 

Ein bekanntes Fresko in S. Doraitilla von höchstem Alter 
zeigt Gatte und Gattin auf einem Ruhebette zusammensitzend, 
von einem Sklaven bedient. 

Gewohnlich aber ist die Zahl der Gastmahlsgenossen 
grösser: Männer, Frauen und Kinder, sitzen oder liegen sie 
in fröhlicher Gemeinschaft um den mit Speisen besetzten Tisch 
und schmausen und trinken , während ihnen Diener und 
Dienerinnen aufwarten. Ein mächtiger Krater steht zuweilen 
im Vordergrunde, und es finden sich die Inschriften: IRENE 
DA CALDA („J., bringe warmes Wasser''), AGARE MISCE 
MI („A., mische mir"), IRENE PORGE (= porrige) CALDA 
(„J., reiche warmes Wasser"). Es sind Darstellungen voll 
köstlicher Naivetät und heiterer Fröhlichkeit, unberührt von 
dem Schatten trüben Abschiedsschmerzes, Bilder, unmittelbar 



*) Vgl. dazu Perret, Catacombes, t. V, pl. LH, Sg; pl. LH, 38; 
LXXII, i; de Rossi, R. S. II, tav. 37, 29; Boldetti, S. 367; Lateranmus. 
Pil. XIV, 33; de Rossi, R. S. II, tav. 45,55; Fabretti, Inscript., JS. 587 ; 
O. Marucchi, Di un ipogeo scoperto nel cimit. di S. Sebastiane, Roma 
1879, ^^^* ^^^ (^* ^7 ^' unrichtig symbolisch erklärt, wogegen die realistische 
Fassung der Figur). Bottari, Pitt, e scult , tav. 57 (vgl. tav. 184); GarrucCi 
a. a. O., II, 88; IV, 298; 296, 4; Bottari, tav. i55, 20, 42, i63; Garrucci, 
Vetri ant., 2. Aufl., tav. 26 ff.; O. Marucchi, Di una rariss. epigr. crist., 
Roma 1875, S. i ; 8. (Das von Bottari tav. 160 und neuerdings von Garrucci 
tav. 68, 2 als christlich mitgetheilte Fresko mit einem triumphus circensis 
gehört einem heidnischen Kubikulum an.) — Sarkophag in Ancona: eine 
zwei Schreibern diktirende Magistratsperson. 

2) Bottari, 106; 119, 127; 129; 141; 148; Bull, di archeol. crist. 
i865, S. 42; F. Becker, Die Darstell. Christi unter d. Bilde d. Fisches, 
Bresl. 1866, S. 121; vgl. auch Fig. i5; Bull. 1866, S. 41, 3; Deutsche 
R. S., S. 268 f. (Das S. 267 abgebildete Fresko gehört nicht hierher, da es 
eine Darstellung der Hochzeit zu Kana ist.) 



10 FROLEQOMENA ÜBER Dm SYMBOLIK 

aus dem Leben genommen und vor jeder Beziehung auf den 
Tod bewahrt. 

In den letzten Zeiten griechischer Kunst, unter dem Ein- 
flüsse fremden, römischen Geistes, beginnt die stille Ein- 
fachheit der sepulkralen Darstellungen zu schwinden; die Scenen 
werden überladener, unruhiger, und es kommt zugleich ein 
neues Verfahren auf, das Leben des Todten darzustellen und 
in der Erinnerung festzuhalten, die Verwendung mythologischer 
Sujets. „An die Stelle der Menschen sind jetzt Götter und 
Heroen getreten. Der Grundgedanke blieb sich aber immer 
gleich: es sind Handlungen des täglichen Lebens der Alten 
nur in symbolisch-mythologischen Umhüllungen. Peleus' und 
Thetis' Liebeskampf finden wir, wo einst schlicht und natürlich 
sich uns ein liebendes Paar zeigte, Jason's und Medea's 
Abenteuer schmücken den Sarkophag einer frühverstorbenen 
Neuvermählten, Meleager's Jagdabenteuer nimmt jetzt die Stelle 
einfacher Jagdscenen ein, Pelops und Oenomaos als mythische 
Gründer der olympischen Spiele sind die Vertreter der palästri- 
schen Uebungen ^)." 

Ueber diese mythologisch umhüllten individuellen Be- 
ziehungen aber führen hinaus Darstellungen, welche, wie die- 
jenigen der Persephone, des Ganymed, des Mars, der sich 
Rhea Silvia, der Selene, die sich Endymion naht, das Sterben 
allgemein, gewöhnlich ohne directen Hinweis auf eine bestinimte 
Einzelperson, als Uebergang in ein Dasein heiterer Götterfreude 
und-gunst charakterisiren, oder, wie die liebliche Gruppe von Eros 
und Psyche, das Wiedersehen nach der Trennung symbolisiren, 
während die beliebten bacchischen Scenen mit Anknüpfung an 
die Idee des Dionysos Zagreus, des Repräsentanten der im 
Jahreswechsel sterbenden und ' erstehenden Natur, das Er- 
blühen neuen Lebens aus dem Tode andeuten. Der Zug der 
Nereiden, die mit flatternden Gewändern auf phantastischen 
Seethieren über die Wellen dahinjagen, von Tritonen, Eroten 
und Delphinen begleitet, umschliesst einen ähnlichen Inhalt 
wie der bacchische Thiasos. „Es liegt aber auch zugleich etwas 



*) PervanoglUy Das Familienmahl auf altgriecbischen Grabsteinen, 
Lpz. 1872, S. 9 f. 



DES ALTCHRISTLIGHEN BILDERKREISES. I I ; 



Geheimnissvolles im Wasser, besonders im Meere, denn un- 
erforscht sind dessen Tiefen, wie unerforscht geheimnissvoll 
der Tod ist*).'* Lässt sich nun freilich nicht behaupten, dass 
sämmtliche mythologischen Darstellungen auf antiken Grab- 
monumenten eine bestimmte Beziehung auf das Leben, das 
Sterben und den Zustand nach dem Tode nehmen, oder dass 
dieselbe immer und überall erkannt worden sei, so fällt damit 
nicht die übrigens auch allgemein zugestandene These, dass 
der überwiegenden Zahl dieser mythologisch -sepulkralen Dar- 
stellungen die angegebenen Zwecke wirklich zu Grunde liegen. 

Wie nun in dem zuerst skizzirten Stadium antiker Sepulkral- 
sitte die griechisch-römische und die christliche Kunst, wie 
gezeigt wurde, .parallel gehen, so lässt sich auch eine direkte 
Beeinflussung der letztern durch die mythologisch -sepulkralen 
Darstellungen der Antike an einer Reihe von Beispielen auf- 
zeigen, wobei es für unsere Untersuchung ganz gleichgiltig 
bleibt, ob die aus nichtchristlichem Kunstkreise recipirten Sujets 
mechanisch oder als inhaltslose Ornamente übernommen oder 
mit einem wesentlich neuen Inhalte versehen worden sind oder 
endlich ihre ursprüngliche Bedeutung beibehalten haben. 

Es kommt vielmehr nur darauf an, zu erkennen, ob und 
in welcher Weise die antike und die christliche Kunst auch 
auf dieser Fläche sich berühren. 

Die auf antiken Grabmonumenten beliebte Gruppe von 
Eros' und Psyche wird auch durch christliche Sarkophag- 
reliefs und Fresken mehrfach repräsentirt, und die Inschrift: 
AVR • AGAPETILLA || ANCILLA • DEI • QVE DORMIT IN PAGE 
u. s. w., sowie zwei weibliche Oranten erweisen einen in 
S. Agnese bei Rom gefundenen Sarkophag mit der Darstellung 
einer bacchischen Scene als christlich. 

Wenn sich nun leicht begreift, dass der Geist der christ- 
lichen Religion der Aufnahme solcher Darstellungen entgegen 
war, so hat diese Reaktion nicht hindern können, dass aus 



^) Pervanoglu a. a. O., S. 12; vgl, O. Müller, Handb, d. Archäol. 
d. Kunst, 3. Aufl., §. 397 Anm. 2; Petersen in d. Annali delP Instit. 
archeol. 1860, S. 357 ff.; Gerhard in d. Beschreib, d, Stadt Rom v. Bunsen 
u. Fiat n er, Bd. I, S. Big ff.; Stephani, Der ausruhende Herakles, Petersb. 
1854, S. 42 f. 



I 2 PROLEQOMENA ÜBER DIE SYMBOLIK 

dem bacchischen Bilderkreise wenigstens vereinzelte, aus einem 
grössern Zusammenhang gerissene Elemente in den christ- 
lichen Bildercyklus hinüberflossen, so der Panther, allein oder 
einen Eros tragend, der Ziegenbock, der Thyrsos, die Masken 
und die Handpauke ^). 

Besonders charakteristisch sind aber die Figuren, welche 
der Nereiden cyklus an den altchristlichen Bilderkreis abgegeben 
hat. Nicht nur der Delphin und das Seepferdchen, zuweilen 
mit dem Haupte des (bacchischen) Steinbocks finden sich häufig 
auf christlichen Monumenten, sondern zwei Sarkophage, der 
eine in Leyden, der andere in Arles, zeigen blasende Tritonen, 
und ein dritter, erst kürzlich an der Via Latina vor Rom 
(Roma vecchia) entdeckter ist mit Eroten, die auf Seepferdchen, 
darunter zwei mit Pantherköpfen, reiten, verziert 2). Auch der 
Fisch der Jona-Scenen gehört hieher 3), wie auch das Haupt des 
Oceanus in einem Kubikulum von S. Callisto (de Rossi, R-. S. 
t. II, tav. 27). Wenn ferner ein im Jahre 1844 in Arles auf- 
gefundener Saricophag ursprünglich christlich ist, wie Le Blant 
wohl mit Recht annimmt ^), so hätten wir sogar auf einem christ- 
lichen Monumente die beiden Dioskuren, die Repräsentanten 

*) V. Schultze, Die Kat. v. S. Gennaro, Jena 1877, tav. IV, V, vgl. 
S. 36; Garrucci, tav. 97; 98; 3o6, 2; Bottari t. 99; loi; 120; 174; de 
Rossi, R. S. III, tav. 14. 

2) Bottari, t. 67, 91; de Rossi, R. S. I, tav. 9; 3o, 3, 7; 3i, i ;. 
II, tav. 43, 53; 45, 10; Schultze, a. a. O. Taf. IV, V; Garr. a. a. O., 
tav. 97, 98; de Rossi, Inscript. christ., t. I, S. 72 n. 118; Fabretti, 
Inscript., S. 587; Oudendorp, Brevis vet. monum. a Papenbroek. legat, 
descript , S. 3i n. 35; Mi 11 in, Voyage dans le midi de la France, t. III 
pl. 67, 2 (Es herrscht neuerdings das Streben vor, die Delphin- Darstel- 
lungen mit dem IX0YC in Verbindung zu bringen, wogegen die treffende 
Bemerkung Piper's a. a. O., I, S. 223); Bull, crlst. 1876, tav. XII, vgl. S. 32 ff. 
Auf einem afrikanischen, jedoch nicht sepulkralen Monumente (Bull, crist. 
1876, S. 88) findet sich eine auf einem Seepferdchen reitende Nereide mit 
christlichen Emblemen unmittelbar verbunden. 

8) Vgl. Clarac, Mus^e de Sculpture, t. III, pl. 208. n. 195; pl. 224 
n. 82, 83; pl. 206 n. 194; pl. 207 n. 198. S. S. 76. 

*) Gazette arch^ol. 1878, pl. I. (vgl. S. i ff.): Auf der durch Säulen 
getheilten Langseite links und rechts am Ende einer der beiden Dioskuren, 
in den beiden Mittelfeldern links die Desponsatio des Verstorbenen, rechts 
der Abschied von der Gattin. An den beiden Schmalseiten specifisch christ- 
liche Reliefs. 



DES ALTGHRISTLIGHEN BILDERKREISES. 1 3 

von Tag und Nacht, von Leben und Tod, und was besonders 
beachtenswerth ist (s. S. 14) mit den Porträtzügen des Ver- 
storbenen. Auch Sirenen, deren sepulkrale Bedeutung auf 
antiken Monumenten gesichert ist, finden wir auf» christlichen 
Sarkophagen *). 

Schliesslich sei noch erwähnt, dass auf christlichen Monu- 
menten ebenfalls das Medusenhaupt 2), das Symbol des Todes- 
schreckens, und Genien mit gesenkter Fackel begegnen^). 

Kann somit eine Einwirkung sepulkral- mythologischer Dar- 
stellungen auf den altchristlichen Bilderkreis nicht in Zweifel 
gesetzt werden, so liegt auf der andern Seite ebenso klar, dass 
dieser Einfluss nur partiell wirksam werden konnte, da das 
Ganze, welchem die recipirten Theile entstammen, dem Geiste 
und dem Idealzwecke der christlichen Kunst direkt entgegenlief. 
Wenn aber diese letztere da, wo es sich um Darstellungen des 
realen Lebens auf Grabmonumenten handelt, die Antike nach- 
ahmt und ferner durch Herübernahme von Gruppen und ein- 
zelnen Stücken mythologisch -sepulkralen Inhaltes aus der 
griechisch-römischen Kunst ihre Vorliebe für und ihr Streben 
nach solchen Sujets deutlich genug dokumentirt, so liegt der 
Schluss nahe, dass, wie die antike Kunst aus dem Mythen- 
schatze des Alterthums, so die christliche aus der heiligen 
Geschichte den Stoff entnommen habe, um bestimmte Vor- 
stellungen von Tod und Auferstehen oder bestimmte Be- 
ziehungen auf den Todten in einem der Antike parallelen Ver- 
fahren bildlich auszudrücken, dass also die Scenen der heiligen 
Geschichte, welche in der altchristlichen Kunst zur Verwendung 
gekommen sind, aus ebensolcher Ueberlegung hervorgegangen 
sind, d. h. einen sepulkral-symbolischen Inhalt haben. 
Dieser Schluss, welcher durch das Verhältniss der christlichen 

*) De Rossi, R. S. I, tav. 3o, 5 (jetzt im Lateran -Museum). Ein 
anderer Sarkophag mit ähnlicher Darstellung in der Kallist-Katakombe. Beide 
Monumente stammen sehr wahrscheinlich aus heidnischen Magazinen, aber 
worauf es hier ankommt, ist, dass dieselben von Christen ausgewählt und 
benutzt wurden. 

*) Bott., t. gi; Sarkophag in Villa Ludovisi. Fig. 20. 

3) Garr., t. 296, 2; 297, i, 2; 299, 2. — Auf einer antiken Lampe 
(bei Bartoli, Lucerne anziehe, p. II, tav. 8) erscheinen sie zu den Füssen 
des Pluto. 



1 4 PROLEGOMENA ÜBER DIE SYMBOLIK 

ZU der antiken sepulkralen Kunst, wie sich dasselbe uns dar- 
gestellt hat, gefordert wird, erhält eine definitive Bestätigung 
durch folgende Erwägungen. 

Die biblischen Scenen erscheinen in unmittelbarer Ver- 
bindung sowohl mit Darstellungen der Todten oder mit solchen 
Symbolen, deren sepulkraJer Charakter keinem Zweifel unter- 
liegen kann (Pfau, Maske, vier Jahreszeiten, Granatapfel u, s. w.) ^). 
Dieser äussern einheitlichen Zusammenordnung muss aber eine 
Einheit des Inhaltes entsprochen haben, da dieselbe, insofern sie 
allgemein durchgeführt und nach einem gewissen Schema her- 
gestellt erscheint, als Produkt des Zufalls oder gedankenloser 
Willkür nicht begriffen werden kann. In gleicher Weise trifft 
man in römischen Grabkammern mythologische Scenen mit Dar- 
stellungen des realen Lebens, sowie mit einzelnen Sepulkral- 
Symbolen zusammengeordn'et ^j. 

Noch deutlicher aber tritt die Congruenz der antik- 
römischen und der christlichen sepulkralen Kunst in der 
eigenthümlichen Sitte hervor, in den mythologischen, bezie- 
hungsweise .biblischen Scenen die Verstorbenen, für welche 
die einzelne Darstellung bestimmt ist, im Gewände der durch 
die heilige Geschichte gegebenen Personen vorzuführen. Wie 
dort z. B. Meleager, Selene, Ariadne, Adonis, Endymion 
die Züge des oder der Verstorbenen tragen 3), so findet sich 
in der christlichen Kunst der in der Arche stehende Noah 
durch ein Weib oder durch einen Jüngling oder durch einen 
Knaben, welche eben die Todten sind, ersetzt^), und erscheint 



^) Vgl. Bott. t, 127: Todtenmahl, Jona-Scenen, Guter Hirt (ähnlich 
Garr.y tav. 56, 6). — Garr., tav. 65, 2: Adam und Eva, Guter Hirt, Daniel, 
Todtenmahl, Orans. — Garr., t. 69, 2: Lazarus, Orans, drei Männer im 
feurigen Ofen, Daniel, Orans. — Garr, t. 73, 2: Vermehrung der Brode, 
Huldigung der Magier, eine aus drei Personen bestehende christliche Familie 
(Oranten), Noah. — Bott., t. 11 5; i25; Garr., t. 64, 2; Schul tze, Taf. V. 

2) Bartoli, Gli antichi sepolcri, Roma 1697 tav. 20; Bellori, Le 
pitture antiche del. sepolcro dei Nasoni, Roma 1680, tav. 21, und sonst z. B. 
in den Gräbern vor der Porta Latina bei Rom. 

3) O. Jahn, Archäol. Beiträge, S. 298, Anm. i3i; Gazette archdol. 
1878, S. 3 fF. 

*) Sarkophag im Lateranmus. unter Pil. XY: Neben der Arche noch- 
mals die Verstorbene als Orans und der Name IVLIANE (nach d. deutsch. R. S., 



DES ALTGHRI8TLI0HEN BILDERKRBISES. I 5 

die Figur des Jona zuweilen zu einem erwachsenen oder 
halberwachsenen Knaben reducirt. Eine gleiche Beobachtung 
lässt sich an den Lazarus- und Daniel-Darstellungen machen ^). 
Dadurch aber werden diejenigen biblischen Scenen jedenfalls^ 
in welchen diese Eigenthümlichkeiten entgegentreten, als 
Trägerinnen sepulkral - symbolischer Gedanken und Zwecke 
erwiesen. 

Diese auf Grund und aus Beobachtung der Monumente 
gezogenen Schlussfolgerungen werden weiterhin durch eine 
Reihe von Zeugnissen der altkirchlichen Literatur bestätigt und 
sicher gestellt. 

Der Glaube an die Auferstehung des Fleisches, in der alten 
Kirche ein Fundamentalartikel 2) und ein Hauptkontroverspunkt 
zwischen dieser und dem Heidenthume, aus welchen beiden 
Thatsachen sich die reiche Literatur über dieses Dogma erklärt, 
wurde in erster Linie durch den Nachweis begründet, dass Gott 
sowohl die Macht als auch den Willen habe, die Todten auf- 
zuerwecken (vgl. auch Phil. 3, 21; I. Corinth. i5, 5y). In Be- 
ziehung auf jene berufen sich die Apologeten, ausser auf die 
allgemeinen Allmachtsthalen Gottes in der Natur, durchgängig 
auf die biblischen Wunder, besonders auf die von Gott 
durch Christum gewirkten. Zu einem doppelten Zwecke offen- 
barte nach Justin d^ M. Christus seine Wundermacht: um die 
alttestamentlichen Weissagungen zu erfüllen , und um den 
Gläubigen eine Garantie ihrer zukünftigen Auferstehung zu 
geben 5). Vorzüglich die Heilung körperlicher Gebrechen wird von 



S. 279, findet sich diese Umsetzung auch sonst; mir ist nur dieses eine 
Beispiel bekannt); Bott., t. 63; 123 (vielleicht ein junges Mädchen); 171 
172; M äff ei, Museum Veron., S. 279, i; Allegranza, Monum. crist. d. 
Milano, tav. 5; Garrucci, t. III, tav. 3o2, i. Andere zweifelhafte Fälle lasse 
ich unerwähnt. 

») Bull, crist. 1866 S. 46, 3 u. 4; de Rossi, R. S., t. II, tav. 20; 14; 
Bott., t. 116; 127; Gori, Inscript. antiquae, t. III, tab. 8, 2; Garrucci 
tav. 67, 2; Revue de Tart chr^t. 1875, pl. S. 137. 

2) Just. M. Dial. c. Tryph. c. 80 (S. 280 ed. Otto, Jenae 1848): „'Effw 
hl xal tX Ttves elotv bp^ö^viufioves xaxa iravxa Xpioxtavol v.a\ oapxög dvdotaotv 
YevYjoeoä-at Iwtotafi.EÖ'a." 

3) Just. M., De resurr, fragm. n. 4 (S. 221 ed. Otto): „06 ^dp sföov 
(sei. adversarii) Ik\ t^$ fq^ T0fk6b<; ävaßXsKovia^, xü>Xou§ «epiTCatoövta^ T<j> 



I 6 PROLEGOMBNA ÜBER DIE SYMBOLIK 

ihm von diesem Gesichtspunkte aus beurtheilt *). Genau mit der- 
selben Zweckbestimmung als Hinweis und Bürgschaft der Auf- 
erstehung erscheinen die Heilungswunder bei Irenäus: „Q.uam 
enim causam habebat (sei. Christus) carnis membra curare 
et restituere in pristinum characterem, si non habebant 
salvari, quae ab illo curata fuerant? Si enim temporalis 
erat ab eo utilitas, nihil grande praestitit his,- qui ab 
60 curati sunt .... Qui curationem confert, hie et 
vitam, et qui vitam, hie et incorruptelam circumdat 
plasmati suo" (V, 12, 5, vol. II, S. 354 ed. Harvey). Ebenso 
wird die Auferweckung der Tochter des Jairus, des Sohnes 
der Witwe und des Lazarus als in der Absicht vollzogen vor- 
gestellt ,,ut ejus (sei. Christi) de resurrectione quoque 
credatur sermo*' (V, i3, i, vol. II, S. 355 a. a. O.). 
Dieselbe Werthsehätzung der Wunder Jesu, besonders der Auf- 
erstehungswunder, findet sieh bei TertuUian, Cyrill von Jeru- 
salem, Chrysostomus Epiphanius, Ambrosius, Augustin 2) und 



8ta TÄv i:pO'f7]Tu>v «epl a^toö . . ., exi hl xal et^ ictottv, Stt Iv x^ avaoTacei 
"^ oap5 6XoxXrjpo5 dvaoriQoeTat. El ^ä.p Ik\ ty]^ tpr^^ tag äo^eveiac ty]^ aapxö^ 
tdoaxo xa\ öXdxXirjpov Itcoiyjoe xh au>{JLa, tcoXX(J) jxäXXov Iv fj Ävaoxaoei xoöxo 
«otiQoet, (üoxe xa\ äxepaiov xal 6XoxXTQpov ävaoxYjvat xf^v oapxa." 

*) Just. M., Dial. c. Tryph. c. 69 (S. 241): „«.... Xpiox?)? o§ xat Iv 
x<j) Ysvet 5|jLü>v icecpavxat xa\ xobc 1% •^^^txri^ v.a\ xaxA xyjv oapxa irtjpob^ xat 
xu>'^ob^ xa\ /ti>Xob( laaaxo. x&v p.^v (SXXcad'Oi'., x&v S^ xa\ äxoueiv, x^v hl xa\ 
6pav X(j) XdY(|) auxij) itoti^oa?* xa\ vexpob? hl ävaoxTjoag xal C'^v Troti^aa^ . . . 
Aüx6§ 8^ xa\ xaöxa IkoUi iztid-ioy xat xob^. Iit'a'jxöv irtoxs6etv jxeXXovxai, Sxt 
x'av xtg, iv X(oßip xiv\ oa>[i.axo^ ÖTcotp^^wv, cpoXa? xwv iraOaSeSojxevwv 6ir'al>xoö 
8t8aYp.axü>v oTCOipS'fl, öXdxXyjpov a5xov Iv x^ Seoxepa a'jxoö icapooaia [lexa xoö xat 
d^avaxov xal Scp^apxov xa\ öiXütciqxov iroiYiaat ävacx-^oet. — De resurr, fragni. 
ri. 9 (S. 239): Et et§ p.Y]S^v e^^piflCe t-^? oapxö^, xt xal lö-epatceüoev aüx*?jv; 
xal xö «avxüiV to)(Dpdxepov, vexpob^ äveariQoe. Ttvo^ Ivextv; Oh-^ Iva Set^TQ xyjv 
dvdoxaotv, oTa p.eXXEt ^tveod-at;" 

2) Tert., De resurr, carnis c. 38: „Post dicta Domini facta etiam ejus 
quid sapere credamus de capulis, de sepulcris mortuos resuscitantis? Cui 
rei istud? Si ad simplicem ostentationem potesiatis aut ad praesentem gratiam 
redanimationis, non adeo magnum illi denuo niorituros suscitari. Enimvero 
si ad fidem potius sequestrandam futurae resurrectionis, ergo et illa cor- 
poralis praescribitur de documenti sui forma . . . Atque adeo secundum 
nostram veri aestimationem exempla illa mortuorum a Domino suscitatorum 
commendabant quidem et carnis et animae resurrectionem, ne cui substantiae 



DES ALTGHRISTLICHEK BILDERKREISES. I n 

sonst, ein Beweis, dass diese Argumentation der gesammten 
alten Kirche geläufig war. Aber auch die alttestamentlichen 
Wunder werden unter eine gleiche Werthschätzung gestellt ^). 
Das Quellwunder des Mose, die Himmelfahrt des Elia, die 
Ezechiel- Vision von den Todtengebeinen, die Errettung der drei 
Ebräer aus dem feurigen Ofen, des Daniel aus der Löwengrube, 
des Jona aus dem Bauche des Fisches werden in diesem Sinne 
als Beweismittel und Garantien künftiger Auferstehung von 
Irenäus, Terlullian, Cyrill von Jerusalem, Chrysostomus, Ambro- 
sius, Hieronymus, Augustin u. A. angeführt'-^). Diese sämmt- 
lichen Wunder sind der altchristlichen Kunst Darstellungsmotive 
geworden. Vor Allem werthvoU aber ist für unsere Untersuchung 
ein Zeugniss im fünften Buche der apostolischen Constitutionen, 
welches bekanntlich noch dem dritten Jahrhundert angehört: 

„6 xal AdCapov ^yaon^aa^ TetpaiQ^iepov xal t^jv bxi'^fj.'zi^fx 'laeipoo xal t^v 
ülöv t5)$ Th^^ ^*^ IttüTÖv TCpooxoc]fpLatt Tou itttTpö^ StA Tptu>v i^fJLepÄv dve^etpac, 
6 appaßutv r^$ avaoxaoeo)^ "^H-wv, 6 töv "'Iwvav 8iÄ tpiwv :^fj.epü>v (juivta xa\ 
aicaO^ \%tc{o:\^^ ^x tyj^ xoiXia^ toö xiqtoü§ xa\ Tob§ tpelg itolSag Ix xapiivoo 
ßaßuXa>via9 xal töv Aavi-TjX Ix oTop.ato^ Xedvtcav, oux dicopiQasi Suva^iEui^ xal 
•^piag ave^etpat. — '0 töv napaXuxix^v oü>ov av^Y^^'p^i^ "J^al xiv l5Y]pajxev7]V 
e)rovta rJjv X^^P* laoocjisvo^ xal tö XeTitov jJLepo? Iv Tcj) Ix ^evct^g mrjpij) Ix 
YtJ? ^ctt oteXoi) ditoSob^, 6 a^xö^ xal f]|J.a? äveyepel' 6 Ix irevte apTU)V xal Soö 
tx^uiuv icevtaxi^x^^^'ot)^ xopsaa^ xa\ icepiaoeuaa^ BwBexa xocpivou^ xal 1$ uSaxo^ 
olvov p.exa7coc-iQaa^ xal Ix OTOjxaTO^ \ybviO% otatiQptt $i^l|xou nstpou xoT? airat- 



negaretur hoc donum.*' — Cyrill. v. Jer, Catech. XVIII de carnis resurr. n. i6 
(S. io35 ed. Migne). — Chrysost., In princip. Act. (tom. III, p. i, S. io6 f. 
ed. Migne); In Acta apost. hom. i n. 4 (t. IX, S. 18 f.) — Epiphanius, 
Ancorat. C. 96 (t. II, S. 98 ed. Colon. 1682): 6 yAp Ö-eö^ 15 dvaoxaaeüD^ 
vexptiiv xcj> Tcaxpl xöv nalSa icapaSiSob^ Cu>vxa IXniSa IxTjpuaaev* vgl. c. 102 
(a. a. O., S. io3). — Ambros., De fide resurr. c. 77 — 84 (vol. I, S. ii54 f. 
opp. ed. Maur. Par. 1690). — Augustin., Tractat. XLIX in Evang. Job. 
c. 10 (t. III, S. 449 f. ed. Bened.); de Trinitate lib. IV, c. 3 u. s. Ö. 

*) Chrysost., Exposit. in Psalm. CXVII (t. V, S. 234): „xal irpö xyjs 
Katvij? Iv xoT§ irapa8o5ot5 xivSovoig V(\% ävaoxdoew^ x^v elxova TcpoSioYpa'fwv 
(sei. 6 Küpto?) . . ." 

2) Irenaeus, V, 5, 1 (S. 33o); V, 5, 2 (S. 332); V, i5, i (S. 363 f.). — 
Tert., De resurr. c. 29; 32; adv. Marcion. V, c. 10. — Cyrill. v. Jer. 
Catech. XIV de resurr. n. 17 (S. 846 f.). — Chrysost. a. a. O. — Ambros. 
a. a. O. c. 74. — Hieron. in Sacharj. II, 9. — Augustin., Sex quaest. c. 
pag., quaest. VI, 3i, 32 (t. II, S. 216 f. ed. Bened.). 

Schnitze, ArcliXolot^Bche Studien. 2 



I 8 PnOLEGOMENA ÜBER DIE SYMBOLIK 

Toöot xf^voov dicooteiXa?, 6 aoxhq xal Tob^ vexpob? ave^epet'* (hb. V, 7, 

S. i33; 137 f. ed. Lagarde). In der Reihe der hier auf- 
geführten Wunder haben nur zwei (Auferstehung Christi, 
Heilung der verdorrten Hand) in dem altchristlichen Bilder- 
kreise Aufnahme nicht gefunden. Andererseits ist in der 
Aufzählung der Constitutionen keine der beliebteren Dar- 
stellungen unerwähnt geblieben. Es liegt also offenbar hier 
wie dort dieselbe eigenthümliche Zweckschätzung der Wunder 
vor, und die Kunst hat nur den Gedanken Ausdruck ver- 
liehen, welche bereits Besitz des christlichen volksthümlichen 
Glaubensbewusstseins waren. Denn wenn sowohl nach Aussen 
wie nach Innen die Wunderthaten Gottes und Christi der 
Kirche als zuverlässige Garantien und Zeugnisse ihres Auf- 
erstehungsglaubens galten, und sie demgemäss darauf bedacht 
sein musste, dieselben ausserkirchlichen Meinungen gegenüber 
als Waffen und der innerkirchlichen Ueberzeugung gegenüber 
als Bürgschaften geltend zu machen, so ist klar, dass diese 
Gedankenwelt in der Gemeinde heimisch und dem Einzelnen 
vertraut werden musste. Die Möglichkeit also, dass die Kunst, 
welche nicht eine kirchliche Institution, sondern die un- 
mittelbare Schöpfung des christlichen Volksgeistes ist, jene 
Ideen aufnehme und zur Darstellung bringe, lag jedenfalls vor. 
Wenn derselben nun die Aufgabe gestellt wurde, Begräbniss- 
stätten, in welchen die Gedanken allein dem Todten, dem Tode 
und der Auferstehungshoffnung gelten, und bei allen Völkern 
gegolten haben, auszuschmücken, so konnte diese Aufgabe nur 
so gelöst werden, dass diejenigen Stücke der heiligen Geschichte, 
welche die Gemeinde als Typen der Wiedererweckung aus dem 
Tode zu fassen gewohnt war, als Motive verwendet wurden. 
Daraus erklärt sich, dass der vorkonstantinische Bilderkreis fast 
ausschliesslich aus Wunderdarstellungen sich zusammensetzt, 
und dass unter diesen diejenigen überwiegen, welche sich auch 
in der kirchlichen Literatur zu dem oben bezeichneten Zwecke 
ausgewählt finden: die Auferweckung des Lazarus, Daniel in 
der Löwengrube und die Jona-Scenen. Wie ferner in der kirch- 
lichen Literatur aus der Gesammtheit der als Auferstehungs- 
argumente gefassten göttlichen Wunderthaten eine bestimmte 
Anzahl ausgewählt und mit Vorliebe benutzt erscheint (vgl. die 



DES ALTCmUSTLIGHEN BILDERKREISES. IQ 

angeführten Stellen), so hat auch die Kunst darauf verzichtet, 
den Cyklus alt- und neutestamentlicher Wunder vollständig 
auszuschöpfen, sondern nur eine bestimmte Zahl derselben recipirt, 
und zwar, in fast vollständiger Uebereinstimmung mit dem 
Verfahren der altkirchlichen Schriftsteller und offenbar von der- 
selben Ueberlegung aus, solche mit Vorliebe, die durch ihren 
individuell geschichtlichen Verlauf den erstrebten Gedanken in 
besonders anschaulicher und wirksamer Weise auszuprägen ge- 
eignet sind, wie die Auferweckungswunder, Daniel in der 
Löwengrube, Jona u. a. m.^) 

Neben diesen Darstellungen biblischer Wunder besitzt die 
altchristliche Kunst eine Anzahl von Sujets, wie das Opfer 
Kain's und Abel's, das Empfangen des Dekalogs seitens des 
Mose u. s. w., die nicht unter diese Rubrik fallen und deren 
sepulkrnl- symbolischer Charakter nicht immer mit Sicherheit 
zu erweisen ist. Mehrere derselben, wie die heilige Familie, 
Susanna, die Tribunals-Scene in S. Callisto, lassen sich nur als 
rein historische Stücke begreifen. Sie sind äusserst selten in 
vorkonstantinischer Zeit und erst durch die Sarkophagskulptur, 
welche den symbolischen Cyklus der älteren Kunst allseitig zer- 
sprengt hat, auf eine grössere Zahl gebracht worden, und zwar 
vielfach in der Weise, dass die älteren symbolischen Darstel- 
lungen zum Ausgangspunkt weiterer Scenen, die mit jenen 
sachlich oder chronologisch zusammenhängen, gemacht wurden. 
So erwuchs z. B. aus dem „Quellwunder" der demselben vorher- 
gehende ,, Aufruhr gegen Mose" und aus der Gruppe „Adam 
und Eva" die „Vertreibung aus dem Paradiese" und das „Opfer 
Kain's und Abers". 

Noch mehr erscheinen die Darstellungen der Goldgläser, 
deren Fabrikation diejenige der Sarkophage bis in die zweite 

^) Die Genesis des altchristlichen symbolischen Bilderkreises würde 
uns noch weit versländlicher sein, wenn aus den ersten Jahrhunderten der 
Kirche eine grössere homiletische Literatur auf uns gekommen wäre. Denn 
dass die Künstler ihren Stoff vorwiegend durch die Predigt erhielten, kann 
nicht zweifelhaft sein. Die Bedeutung der Predigt für die Ausbildung des 
frühmiitclalterlichcn Bilderkreises hat kürzlich Prof. Springer (Lieber die 
Quellen d. Kunstdarst. im Mittelalter; in d. Berichten d. phil.-hist. Klasse 
d. königl. Sachs. Gesellsch. d. Wissensch. v. 23. April 1879) in interessanter 
Weise beleuchtet. 



20 PROLEGOMENA ÜBER DIE SYMBOLIK 

Hälfte des fünften Jahrhunderts begleitet, von dem älteren 
symbolischen Cyklus losgelöst. Denn während die Sarkophage 
noch direkt sepulkralen Zwecken dienen, hat eine cömeteriale 
Verwendung der Goldgläser zwar stattgefunden, aber weder 
allgemein, noch so, dass die ursprüngliche Bestimmung derselben 
in dieser Richtung sich bewegte. Vielmehr erscheinen die dem 
älteren sepulkral-symbolischen Cyklus entstammenden Theile nur 
als unverstandene Erbstücke, wie u. A. aus der planlosen Zer- 
stückelung einzelner Scenen erhellt. 

Das Aufkommen historischer Stücke innerhalb des sepulkral- 
symbolischen Ganzen hat ohne Zweifel seinen Grund darin, 
dass die altchristliche Kunstthätigkeit vor Konstantin d. G. 
in den sepulkral-symbolischen Darstellungen der Cömeterien 
sich fast erschöpfte, und daher der Versuch, diesen Kreis 
durch Einfügung historischer Stücke zu durchbrechen, noth- 
wendigerweise auf demselben Gebiet Statt haben musste, wenn 
auch damit in das feste Schema ein fremdes Element getragen 
wurde. 

Klarer liegt in den meisten Fällen die Bedeutung der Sach- 
und Thiersymbole (Palme, Anker, Oelzweig, Phönix, Pfau 
u. s. w.), insofern dieselben fast ausnahmslos der antiken Kunst 
entnommen sind und ihren ursprünglichen Inhalt gar nicht auf- 
gegeben oder nur unwesentlich geändert haben. Ebenso bietet 
die Interpretation der in der altchristlichen Kunst recipirten 
sepulkral-mythologischen Elemente und Gruppen (Odysseus und 
die Sirenen, Eros und Psyche, Figuren des bacchischen Thiasos 
u. s. w.) im Allgemeinen keine Schwierigkeit. Das seit Bosio- 
Severano bei den Auslegern beliebte Verfahren, diesen Darstel- 
lungen einen christlichen Inhalt zu imputiren, z. B. die Dar- 
stellung des an den Sirenen vorbeifahrenden Odysseus als ein 
Bild des für die Versuchungen der Welt unzugänglichen Christen 
zu fassen, übersieht, dass diese Symbole Trümmerstücke eines 
andersartigen Ganzen sind und nur im Zusammenhang mit 
diesem verständlich gemacht werden können. 

Wenn nicht in Abrede gestellt werden kann, dass der 
sepulkral-symbolische altchristliche Bildercyklus im Laufe der 
Zeit, besonders vom vierten Jahrhundert ab, sich mit Elementen 
versetzt hat, die dem ursprünglichen Ganzen inhaltlich fern 



DES ALTGHRISTLIGHEN BILDERKREISES. 2 I 

Stehen, und wenn eine Reihe von Sujets uns ihre Bedeutung 
noch nicht erschlossen hat, so bleibt dadurch das Ergebniss, 
zu welchem die Untersuchung geführt hat und welches in den 
folgenden Aufsätzen den leitenden Grundgedanken bildet, 
unberührt: die vielstimmige Sprache dieser Monumente tönt in 
dem Worte zusammen, mit welchem die Schrift TertuUian's, 
De resurrectione carnis, beginnt: „Fiducia Christianorum 
resurrectio mortuorum." 



II. 

DIE FRESKEN DER SAKRAMENTSKAPELLEN IN 

S. CALLISTO. 

Die erste Area der eigentlichen Kallist-Katakombe hat, wie 
Michele de Rossi im Einzelnen und überzeugend nach- 
weist '), ihren Anfang von zwei fast parallel laufenden Galerien aus 
genommen, welche die Langseite des zum ßegräbnissplatz be- 
stimmten Ackerstückes in der Richtung von Ost nach West 
begleiten. 

Die längs der Verbindungsstrasse zwischen der Via Appia 
und der Via Ardeatina (bei de Rossi Via Appio-Ardeatina) hin- 
streichende Galerie wird an ihrer rechten, d. h. nördlichen 
Seiten wand sechsmal durch die Eingänge kleiner Kubikula 
durchbrochen, die, an Ausdehnung nur wenig von einander 
unterschieden 2)^ fast mit ihrem ganzen Flächenraume in dem 
Areal der genannten Strasse liegen, in folgender Anordnung: 



1 1 



• • • I • • 



ji II II II 



Das chronologische Verhältniss dieser sechs Grabkammern, 
für welche Marchi den nicht unpassenden Namen ,, Sakraments- 

t- 

^) De Rossi, Roma sotterranea, Bd. II, Anhang, S. 20 ff. 

2) Kubik. B misst 27 Meter Tiefe, 2*8 Meter Breite und 2*45 Meter 
Höhe. Da die Masse der übrigen Kammern nur unbedeutend von einander 
abweichen, so unterlasse ich es, dieselben besonders anzugeben. 



DIE FRESKEN DER SAKRAMENTSKAPELLEN IN S. CALLISTO. 



23 



kapellen'* aufgebracht hat, zu einander konnte durch architek- 
tonische Untersuchungen genau bestimmt werden. Darnach sind 
die drei am weitesten östlich liegenden Kubikula {A, -B, C) 
als der ersten Ausgrabungsperiode angehörig anzusehen ; die 
übrigen folgen sich in der Reihe von West nach Ost *). 

Kein einziges dieser sechs Kubikula , die sämmtlich mit 
Fresken dekorirt waren^ hat die ursprüngliche Malerei intakt 
bewahrt. In A sind nur einige Demarkationslinien übrig ge- 
blieben^ so dass dieses Kubikulum in nachfolgender Darstellung 
ganz unberücksichtigt bleiben wird; in jpist ausser dem Decken- 
gemälde Unbedeutendes erhalten. In den übrigen Räumen da- 
gegen fehlen nur vereinzelte Stücke, die indess eine für die Auf- 
fassung des Ganzen entscheidende Bedeutung nicht besessen zu 
haben scheinen. 

Die Untersuchung dieses Bilderkomplexes hat, im Gegen- 
satz zu dem Verfahren de Rossi's, dessen Interpretation mit C 
beginnt, von dem Kubikulum B auszugehen, weil dieses chrono- 
logisch unmittelbar an A anschliesst und, wie weiter unten zu 
zeigen ist, von C, /% Ey D vorausgesetzt wird. 



Schiff im Sturme. 



Taufe. 



Männl. Figur. 



JC 

Cd 



u 
w 

o 



Kubikulum 

B. 



(0 

cd 

N 



F ssor. 



Männl. Figur. 



1) Mich, de Rossi a. a. O., S. 36—40; vgl. S. 344 ff. des Haupttheiles. 



24 



DIB FRESKEN DER SAKRAMENTSEAPELLEN IN S. CALLISTO. 



Die links von dem Eintretenden 
liegende Seitenwand weist, neben zwei 
Ornamentstücken , drei äusserlich 
kaum von einander geschiedene figür- 
licheDarstellungenauf: Moses, einen 
Fischer und ein Mahl (Fig. i). Der 
Prophet ist als junger Mann gefasst 
und mit kurzer Tunika, bekleidet; 
seine Rechte führt einen dünnen Stab, 
mit welchem er den Felsen berührt 
und einen reichet! Wasserquell hervor- 
ruft. Sein Gesicht wendet sich halb 
nach rechts dem Beschauer entgegen, 
der linke Arm ist halb ausgestreckt. 
Daran schliesst sich (ob unmittelbar, 
lässt sich nicht sehen, da ein Stück 
der Wandbekleidung ausgebrochen 
ist) ein auf einen Felsen an Ufersrand 
sitzender unbärtiger Mann, der auf 
seinem Haupte einen breiten Hut^) 
(Fragment) trägt und über den Ober- 
schenkel ein kleines Gewandstück 
geworfen hat; sonst ist er völlig un- 
bekleidet. Mit der Rechten zieht er 
vermittelst einer Angelschnur einen 
Fisch aus dem Wasser. Das Mahl, 
welches das rechts anschliessende, 
durch eine Demarkationslinie scharf 
abgesonderte Feld zeigt, wird von 
sieben männlichen jugendlichen Per- 
sonen gefeiert, die in idealer Nackt- 
heit gebildet sind. Jeder der Gast- 
mahlsgenossen streckt einen Arm nach 
zwei grossen, auf Schüsseln vorge- 
legten Fischen aus, während sie — 
zwei ausgenommen — den anderen 

^) Vgl. Pittare antiche di Ercolano, 
Nap. 1760, t. II, S. 277. 






* .♦/ 



'■<' 






Li- 



7l 



DIB FRESKEN DER SAKRAMENTSKAPELLEN IN S. C ALLIST O. 



25 




Arm in lebhaftem 
Gestus erheben. Vor 
dem Tische sind die 
oberen Theile von 
sieben brodgefüllten 
Körben erhalten. 
Die Hinterwand hat 
als Hauptbild ein 
Schiff im Sturme 
(Fig. 2). Das Hinter- 
theil des Fahrzeuges 
ist auf einen Felsen 
aufgefahren; es hat 
sich gehoben, wäh- 
rend das Vordertheil 
von denWellenüber- 
fluthetwird. Von der 
Mannschaft befinden 
sich nur noch zwei 
Personen auf dem 
Verdecke. Die eine, 
auf die Handhabung 
des Steuers verzich- 
tend, breitet die 
Arme aus, um sich 
in's Meer zu stürzen 
und, wie ein Ge- 
fährte, der seitwärts 
bereits mit den Wel- 
len ringt, sich durch 
Schwimmen zu ret- 
ten. Eine gleiche 
Absicht hat ofifenbar 
der Jüngling, der, 
imVordergrunde ste- 
hend, die Hauptfigur 
des Bildes repräsen- 
tirt: er ist ebenfalls 



26 



DIE FBESEEN DER SAKRAUEHTSK AFELL BN II 



dicht an den Rand des Schilfes herangetreten und schickt 
sich, die Arme und Augen betend emporhebend, an, sich dem 
tosenden Meere anzuvertrauen, lieber ihm in der Höhe er- 
scheint inmitten eines kreisförmigen Gewandstreifens der nackte 

Fig. 3. Fig. 4- 




Oberkörper eines durch einen Strahlennimbus ausgezeichneten 

Jünglings, der die rechte Hand schützend auf das Haupt des 

Fig, s. 




Betenden legt. Ringsum stürmen die Fluthen. — Auf derselben 
Wand, doch in tieferer Linie, findet sich ein Taufakt dargestellt 
(Fig. 3): ein in Toga gekleideter Mann, dessen linke Hand 
eine Rolle bfilt, legt die Rechte auf das Haupt eines nackten 



DIE FRESKEN DER SAKUAMENTSKAFELLEN IN S. CALL1ST0. 



27 



Fig. 6. 



Knaben, der bis an die Knie im Wasser steht. — Rechts von 
dieser, durch zwei Ornamente eingefassten Darstellung sieht 
man einen auf einem sehr regelmässig gezeichneten Felsstücke 
sitzenden Mann (Fig. 4), der mit der Rechten einen Redegestus 
macht. Das Pallium, das er trägt, ist so gefaltet, dass der 
halbe Oberkörper unbedeckt bleibt. 

Die rechte Seitenwand des Kubiku- 
lums zeigt die Auferweckung des 
Lazarus (Fig. 5) mit der Eigenthüm- 
lichkeit, dass der vor der Grabesthür 
erscheinende Auferweckte in Gewandung 
und Ausdruck mädchenhaft gefasst ist. 
Die fragmentarische Figur mit der nack- 
ten Schulter ist Christus. — Die übrigen 
Bilder*) dieser Wandfläche — zwei Ara- 
besken und zwei Delphine — sind blosse 
Ornamentstücke. 

Der Cyklus schliesst mit der Figur 
eines aufrecht stehenden Mannes 
(Fig. 6) an der rechten Thürwand, der, wie die Richtung des 
Armes andeutet, irgend eine Anweisung gibt, und zwar scheint 
dieselbe an eine auf der entgegengesetzten Thürwand abgebil- 
dete Person gerichtet gewesen zu sein, welche de Rossi in dem 
Fig. 7. Fragmente eines mit beiden Händen die 

Picke schwingenden Fossors (Fig. 7), das 
am Boden gefunden wurde, mit Recht zu 
erkennen geglaubt hat. 

Die Malereien der Decke (de Rossi, tav. 
XI; Garrucci, tav. IV, 2) gruppiren sich um 
das Bild des Guten Hirten, der ein Schaf 
auf der Schulter trägt und von zwei anderen 
Schafen begleitet wird. Um ihn herum 
schliessen sich in kreisförmigen Feldern stilisirte Blumen, Vasen, 
vier Pfauen und ausserdem drei Gruppen an, die inhaltlich den 
Fresken der Seitenwände zugehören: über der Hinterwand ein 
Tisch (Fig. 8, S. 29), dessen drei Füsse in Hufe auslaufen und 





*) De Rossi, R. S. 11, tav. XV; Garrucci, Stör, delParte crist. II, tav. 5. 



28 



DIE FRESKEN DER SAKRAMENTSK AFELLEN IN S. CALLISTO. 



dessen Platte zwei Brode und einen Fisch trägt; links daneben 
stehen am Boden vier^ rechts drei gefüllte hohe Brodkörbe; 
über der rechten Thürwand Jona, unter der Laube ruhend 
(Fig. 9, S. 3o); über der linken Seitenwand eben derselbe, wie er 
von dem See-Ungethüme an das Land geworfen wird. 

Was das Kolorit anbetrifft, so sind die Fleischpartien mit 
röthlich-braunem Tone auf einem lichten Grunde aufgetragen; 
zur Schattirung ist eine tiefere Tinte desselben Kolorits ver- 
wandt; die Umrisse, sowie Mund, Nase und Augen der Figuren 
sind mit schwarzen Contouren gezogen. Dieselbe Grundfarbe 
bewahrt fast durchgehends die Gewandung; die Lichter sind 
mit einem in's Gelbliche oder in's Bläuliche spielenden Weiss 
aufgesetzt. Für das Wasser, den Himmel, sowie die Bauchseite 
der Fische ist ein helles Blau zur Anwendung gekommen ; eben 
dasselbe bildet die Grundfarbe des Tisches. Dunkles Grün, 
mit Hellbraun und Blau gemischt, ercheint als Farbe des Grab- 
hauses, sowie des Steines, auf welchem der Fischer sitzt, und 
vereinzelt auch sonst. Die Deckenfarben sind blau, braun und 
gelb. Dieselbe Farbentönung wiederholt sich im Allgemeinen in 
den Malereien der übrigen Kubikula. 

Reicher und besser erhalten sind die Fresken in C 

Jona ruhend. 
Männl. u. weibl. Fig. Mahl. Abrah. u. Isaak. Fossor. 



ttt 

JB 

u 



J3 

O 

• •'^ 

u 

CO 

00 



4> 
V 

«SS 
ce 

°^ 

a 
o 



kl 
«> 

U 
I« 



Kubikuluxn 

c. 



a 

u 
O 

CO 

« 

ti 

B 
O 



Moses. 



Wasserschöpfend. Mann. 
Sitzende Figur. 



DIE FRESKEN DER SAKRAMENT8KAFELi:,EN TN 8, CALLISTO. 



29 



Die Darstellung des Quellwunders (Fig. lo, S. 34) an 
der linken Thürwand entspricht dem Parallelbilde in B; nur 
ist die Bewegung weniger lebendig und die Schattirung härter. 
Längs des oberen Saumes der drei Hauptseiten wände folgen 
sich drei Scenen aus dem Leben des Propheten Jona. Auf 
der linken Seitenwand 
(Fig. 11, S. 35) ist der 
Augenblick dargestellt, 
wo der Prophet in das 
Meer gestürzt wird; die 
Person, welche diese 
That soeben vollbracht 
hat, steht dicht hinter 
dem Über den Schiffs- 
rand vornüber Fallen- 
den, während der 
Schiffsherr, am Steuer 
sitzend, seiner Befriedi- 
gung Über das Gesche- 
hene durch einen Gestus 
Ausdruck verleiht. Ihm 
gegenüber stehtaufdem 
Schiffsvordertheil eine 
vierte Person, welche 
die Arme halb erhebt. 
Von rechts kommt das 
See-Ungethüm in ra- 
scherBewegung herbei- 
geschwommen, um den 
Propheten aufzuneh- 
men. Sämmtliche Per- 
sonen sind unbekleidet. 
— An diese Scene 
schliesst, nicht räum- 
lich, aber chronologisch, die Darstellung der rechten Seitenwand 
(Fig. 12, S. 36;: der Prophet wird von dem Seethiere wieder 
ausgeworfen, und zwar in der Richtung auf ein thurmartiges, 
bläuliches, mit Braun schattirtes Gebäude, das mitten im 




3o 



DIE PRESKFN DER SAKRAMENTSKAPBLLBN IN S. CALLISTO. 



Wasser steht und eine Thur hat. — Die Hinterwand endlich 
(Fig. i3, S. 37) zeigt Jona, auf einem blau getönten Grunde 
ruhend, die Hand auf das Haupt gesenkt. Parallel dieser Bilder- 
reihe läuft tiefer eine zweite. Sie beginnt auf der linken Seiten- 
wand mit der Darstellung eines Fischers (Fig. 14, S. 38), 
der einen Fisch aus dem Wasser zieht, wie in B. Daran schliesst 
sich unvermittelt die Darstellung eines Taufaktes, in ähn- 
licher Anordnung wie in B^ indessen ist hier der Taufende 
bis auf ein Schurzfell unbekleidet. Rechts schliesst sich der 
sein Bett tragende geheilte Gichtbrüchige an, von rechts 
nach links schreitend, durch eine Linienumrahmung von den 
übrigen Bildern derselben Wand geschieden. — Als Mittelbild der 
Hinterwand erscheint die Darstellung eines Mahles, ähnlich wie 



Fig. 9. 



-^^^^^— — d^fSi 












in B disponirt; doch ist der Gestus eingeschränkt, und die Gast- 
mahlsgenossen tragen die Tunika und sind auf ein halbkreis- 
förmiges Ruhepolster (Styiia lntaxXtvov) halb gelagert. Die Körbe 
— acht — sind vollständig erhalten; die gepolsterte Kline hat 
eine intensiv blaue Farbe. — Dieser in eine Umrahmung ein- 
geschlossenen Gruppe stehen rechts und links zwei Nebenscenen 
zur Seite, Abraham und Isaak, die Hände zum Gebet er- 
hebend (rechts), und ein Mann und ein Weib (links) neben einem 
dreifüssigen Tische, auf welchem ein Fisch und Brodstücke 
liegen (Fig. i5, S. 39). Weiterhin folgt links und rechts neben 
dieser Totalgruppe ein Fossor in Tunika und mit Picke (R. S. II, 
tav. XVII; Garr., tav. VII, 3). — Das Hauptbild der rechten 
Seitenwand ist ganz zerstört; ausser der eben beschriebenen 



DIE FBESKEN DER SAKRAMENTSKAPELLEN TN S. OALLISTO. 



3l 



Jona-Scene haben sich nur vereinzelte Ornamentspuren erhalten 
(R. S. a. a. O., tav. d^aggiunta C). — Auf der rechten Thür- 
wand ist hoch eine sitzende männliche Figur mit kurzem Barte 
gemalt (Fig. i6, S. 40), die in einem aufgerollten Papierstreifen 
liest; etwas tiefer, links, aber in demselben Felde, eine jugend- 
liche männliche Person (Fig. 17, S. 41), welche aus einem über- 
quellenden Brunnen mit einem Eimer Wasser schöpft. 

Den Mittelpunkt des Deckengemäldes (R. S., t. XVIII, i; 
Garr., t. VI, i) bildet, wie in B, der Gute Hirte; um ihn 
herum ordnen sich Blumenornamente, vier Pfauen, und weiterhin 
flatternde Tauben und Blumenvasen. Die vier Ecken werden 
von vier schwebenden Eroten eingenommen. Wie oben bemerkt, 
gehören die Kubikula B und C noch der ersten Ausgrabungs- 
periode an. 

Die Reihe der später hergestellten Grabkammern leitet i) ein. 



c 
u 
I 

a 
o 



Q 



Kubikulum 

D. 



Lazarus. 



X3 
CS 



Moses. 



Zum zweitenmale begegnet hier an der linken Thürwand die 
Auferweckung des Lazarus (R. S., t. XIV; Garr., t. IX, i), 
von der Darstellung in B darin abweichend, dass der Erweckte 
als Knabe und in seltsamer Position, mit gespreizten Beinen, 
entworfen ist. In einiger Entfernung von ihm steht rechts 
Christus und erhebt den rechten Arm gegen ihn, während die 
Linke den thaumaturgischen Stab führt. Das Grabmal hat, wie 



32 



DIE FRESKEN DER SAKRAMENTSKAPELLEN IN S. GALLI8TO. 



in J5, die Form einer antiken aedicula. — Ebenso wiederholt 
die Malerei der linken Seitenwand mit geringen Abweichungen 
die drei Jona-Scenen (R. S., t. XIV; Garr., t. IX, 2), welche 
indess, im Unterschiede von C, in eine einzige Darstellung zu- 
sammengeschoben sind und sich von rechts nach links folgen. 
Die Darstellung des Mahles (Fig. 18, S. 44) auf der rechten 
Seitenwand weicht nur darin von dem Paralielbilde in C ab, 
dass auf den Tisch drei Schüsseln (die mittlere fast ganz zer- 
stört) gesetzt sind, und dass die Brodkörbe — es sind zwölf — 
nicht vor dem Tische, sondern, gleich getheilt, links und rechts 
neben demselben stehen. — Der Mose schliesslich an der 
rechten Thürwand (R. S., t. XIV; Garr., t. IX, 4), welcher den 
Felsen, im Gegensatz zu B und C, zur Linken hat, nähert sich 
mehr der Auffassung in B als in C. — Von den Malereien der 
Hinterwand und der Decke ist nichts erhalten. 



Weibl. Kopf. 



Weibl. Kopf. 



cd 



Kubikulum 

E. 



et 

G 
O 



u 
a 

9 



Die anstossende Kammer E weist nur noch zwei grössere 
Darstellungen auf: an der linken Seitenwand wiederum das 
Mahl (Fig. 19, S. 45), mit Anschiuss an C, doch mit der 
Differenz, dass die zwei Fische nebst Brodstücken auf einen 
Teller gelegt sind, und auf dem Tische ausserdem einzelne 
Brocken zerstreut liegen. An der rechten Seitenwand ruhender 
Jona, wie in C (R. S., t. XII; Garr., t. VIII, 6). Dazu kommen 



DIB FRESKEN DER SAKRA MBNTSKAPELLEN IN S. GALLISTO. 



33 



noch zwei hübsche jugendliche Köpfe mit blauem Nimbus, von 
Pflanzengewinden getragen, welche das jetzt zerstörte Haupt- 
bild der Hinterwand begleiteten, und einige andere unbedeutende 
Ornamente (R. S., Garr. a. a. O.). — Die Decke wurde in 
späterer Zeit erhöhl, und dadurch die Dekoration vollständig 
zerstört. 

Noch ärmer an Malereien ist das letzte in der Reihe dieser 
Kubikula, F(R. S., t. XIII, 2, vgl. XVIII, 3, 4; Garr., t. VIII, 1 , 2, 3). 



Weibl. 


Grans. 




Weibl. 


Grans. 




- 


Kubikulum 










F. 







Fossor. 



Fossor. 



Dasselbe weist ausser dem Deckengemälde mit der Dar- 
stellung des Guten Hirten nebst Blumenornamenten und zwei 
Jona-Scenen (der Prophet von dem Fische ausgeworfen und 
unter der Laube ruhend) nur die F'ragmente zweier weiblicher 
Orantenauf (Hinterwand) und zwei Fossoren, die mit ihren 
Picken Felsstucke bearbeiten (Thürwände). 

Die zahlreichen Berührungen, welche die Darstellungen der 
fünf Kubikula aufweisen, die besonderen Eigenthümlichkeiten, 
die diesen Malereien vor allen übrigen eigen und charakteristisch 
sind, berechtigen dazu, in ihnen einen eigenartigen Bilder- 
komplex zu sehen und sie in Beziehung auf und in Vergleich zu 
einander zu interpretiren. Da sie indessen zeitlich aus einander 
liegen, so erwächst der Untersuchung als erste Aufgabe, das 



Scliultzc, Arcbftologische Studien. 



3 



H 



DIE FRESKEN DER SAKRAMENTSKAPELLEN IN S. CALLISTO. 



chronologische und sachliche Verhältniss der einzelnen Gruppen 
zu einander zu bestimmen, den Einfluss der einen auf die 
Bildung der anderen aufzusuchen, und so eine feste Grundlage 
für die Auffassung und Werthschätzung dQs Ganzen zu ge- 
winnen, ein Verfahren, das die bisherige Interpretation einzu- 
schlagen unterlassen hat. 

Dass die längs der Via A'ppio-Ardeatina hinlaufende Galerie 
in der Richtung von Ost nach West angelegt wurde, ist, wie 
bereits erwähnt, durch architektonische Untersuchungen sicher- 

Fig. 10. 




gestellt, ebenso, dass Z), £*, Feiner späteren Periode angehören 
als Ay B, C In welche Reihenfolge dagegen diese drei letzteren 
kubikuJa zu ordnen sind, lässt sich architektonisch nicht be- 
stimmen, denn die Kammern sind nicht zugleich mit der 
Galerie entstanden, in welchem Falle die Frage leicht zu ent- 
scheiden wäre, sondern von der bereits fertigen Galerie aus 
eröffnet worden. Aber wenn schon an sich wahrscheinlich ist, 
dass diese Anlagen nicht von einem willkürlich bestimmten 
Punkte aus in der Tiefe des Korridors ihren Anfang nahmen, 



DIB ritESKEN D 




sondern von der Nähe des Ein- 
ganges aus in der Fol^c A,B, C 
eingerichtet wurden, so wird 
durch einen Vergleich der Male- 
reien von B und C das höhere 
Alter von B zweifellos gesetzt, 
wie andererseits die in Bezie- 
hung auf das chronologische 
Verhältniss von D, E, F unter 
einander und zu A, B, C durch 
die architektonische Unter- 
suchung gewonnenen Resultate 
durch die archäologische For- 
schung bestätigt werden. 

Die Fresken in B zeigen 
einen guten Stil; die Umriss- 
linien der Figuren sind leicht 
gezogen, die Behandlung des 
Nackten verräth eine geschickte 
Hand, und die Ausführung des 
Faltenwurfs, welcher der christ- 
lichen Kunst im Allgemeinen 
misslingt, steht den besseren 
Leistungen der Antike kaum 
nach. Das Kolorit hat einen 
milden Ton, die Schattirungen 
sind vorsichtig und leicht auf- 
gesetzt, und die einzelnen Fi- 
guren zeigen eine energisch 
heraustretende Individualität. 
Besonders das Schiff im Sturme 
mit seiner mächtigen Scenerie 
und seinen wirkungsvollen Kon- 
trasten ist eine meisterhafte 
Schöpfung, welcher sich in der 
altchristlichen Kunst nur wenige 
gleichwerlhige werden zur Seite 
stellen können. 



36 



DIE FRESKEN DER SAKRAMENTSKAPELLEN IN S. C \LLISTO. 



Eine andere Hand war mit der 
Dekoration von C betraut. Dieser 
Künstler, dem die Gabe, Neues zu 
schaffen, nur ärmlich zugetheilt war, 
stand den Malereien in B reflektirend 
gegenüber. Ihre Vollendung und sein 
eigenes Unvermögen drängte sie ihm 
als Vorbilder auf, aber er meistert 
an ihnen, sei es, um seine eigene 
Unfreiheit und Ungeschicktheit zu 
verhüllen, sei es — was indess ferner 
liegt — weil seine Inferiorität ihn 
irre leitete. Der leicht gehobene Arm 
des Mose in B liegt in C steif am 
Körper, und die ganze Figur tritt 
härter gebildet auf. Der Fischer 
wird von der rechten Seite auf die 
linke gerückt, erhält eine steife Arm- 
und Beinstellung und erhebt jetzt den 
gefangenen Fisch ganz über die Ober- 
fläche des Wassers, Veränderungen, 
durchweiche das Vorbild rein karikirt 
wird. Aber durch diese Umbildungen 
schimmert das Original deutlich 
durch; so ist z. B. das auffallend 
regelmässig gezeichnete F'elsstück aus 
5 unverändert herübergenommen. — 
In B schliesst an den Fischer auf 
derselben Wand das Mahl , und 
weiter auf der Hinterwand die Tauf- 
darstellung an; in C ist diese Reihen- 
folge umgekehrt: Fischer, Taufe, 
Mahl; und die beiden letzteren Dar- 
stellungen sind in ähnlicher Weise 
umgebildet wie die Figuren dQs Mose 
und des Fischers. Der Taufende, 
in B links neben dem Täuflinge und 
bekleidet, steht jetzt rechts und ist 



ob 




IQ 




K 



DIB FRESKEN DER SAKRAMENTSKAPELLEN IN S. CALLISTO. By 

bis auf ein Schurzfell entkleidet. Andererseits sind die sieben 
Gastmahlsgenossen mit Gewandung versehen. Man sieht, der 
Künstler hat genau überlegend seine Veränderungen ange- 
bracht. Auch auf das ,, Schiff im Sturme** hat er sein systema- 
tisches Verfahren angewandt, und zwar so, dass er dasselbe in 
eine ganz andere Scene übersetzt: es wird bei ihm zu dem 
Schiffe, aus welchem Jona in das Meer gestürzt wird. Das Fahr- 
zeug bewahrt durchaus seine äussere Ausstattung, nur ein Segel 
ist hinzugefügt, und das Banner hat eine andere Form erhalten. 
Ebenso erscheint im Widerspruch mit dem Schrifttexte, aber 
in bewusster Opposition gegen die Darstellung in B das Meer 
beruhigt. Die betende Gestalt auf dem Schiffsvordertheile erweist 
sich als eine unbedachte Nachahmung von -B, die hier keinen Sinn 
hat. Ebenso entsprechen sich die sitzenden Figuren in JS und C. 
Wahrscheinlich stellte auch das jetzt zerstörte Hauptbild 

Fig. i3. der rechten Seitenwand 

von B die Aufer- 
weckung des Lazarus 
dar, welche in B an 
derselben Stelle als 
Pendant des Quellwun- 
ders steht. 

Diese Thatsachen setzen klar, dass die Malereien in C durch 
diejenigen in B inspirirt und in ihrer Gesammtauffassung be- 
stimmt worden sind; gerade die Abweichungen bezeugen, wie 
sehr sich der Künstler durch diesen Einfluss befangen fühlte, 
noch mehr die Unvollkommenheit und Armuth der von ihm 
selbst zugegebenen Figuren und Scenen, die sich deutlich von 
den überkommenen Sujets abheben. Ueberhaupt repräsentirt 
der Bilderkomplex dieses Kubikulums einen entschiedenen Rück- 
schritt von der Vollkommenheit der Malereien in B. Die freie 
Bewegung ist eingeschränkt (Moses, Mahl), die Zeichnung ge- 
bunden und zuweilen fehlerhaft, die Schattirung hart, der Aus- 
druck monoton und unfreundlich. Die Reminiscenzen an B klingen 
wohl noch durch, aber sie sind von der eigenwiUigen Hand doch 
zu sehr zurückgestellt und verdeckt, um den Eindruck des 
Ganzen umzugestalten; so wie sie sind, wirken sie etwa wie edle 
Skulpturfragmente, die in gemeines Mauerwerk verbaut sind. 




38 



E FRBSRBH DER SAKttAMEM'SKAPBLLEN IN e 



Ein gleiches Verhältniss wie 
das von C zu B lässt sich bei D 
gegenüber B und C beobachten. 

Die Jona-Scenen in B gehören 
der Decke an; in C rücken sie an 
den Saum der Wandfläche herunter, 
in£> endlich steigen sie bis zu dem 
Mittelranm der Wandfläche herab. 
Das Mahl befindet sich in B an 
der linken Seitenwand, in C auf 
der Hinterwand, in D ist es noch 
weiter, bis zur rechten Seiten- 
wand vorgeschoben. Auch das 
Quellwunderund die Auferweckung 
des Lazarus erhalten einen Platz, 
den sie in B und C nicht haben. 
Das Schiff in der Jona-Scene in D 
ist eine Koraposilion aus den 
parallelenDarstellungeninSundC; . 
das Mahl d^igcgen ist allein nach l 
dem Vorbilde in C entworfen, aber 
mit nicht unerheblichen Verände- 
rungen an den Beiwerken. Indess 
sind die Malereien in D von den- 
jenigen in C stilistisch kaum unter- 
schieden, so dass die Anfänge 
dieser beiden Kubikula nicht wohl 
weit auseinander gerückt werden 
dürfen. 

Die geringen Bilderresie, wel- 
che £ und i^ aufweisen, scheinen 
mehr durch die Dekoration von B 
und Cals von D beeinflusst zu sein. 

Bei dieser Sachlage kann, wie 
auch allgemein zugestanden wird, 
kein Zweifel darüber sein, dass 
die Ausschmückung der einzelnen 
Kubikula durch verschiedeneHände 




DIB FRESKEN DER SAKR \MENTSKAPELLBN IN S. CALLISTO. 



39 







=r4ii 





f 





vollzogen wurde. Ob indessen 
eine Arbeit von fünf Künstlern 
anzunehmen ist, oder ob, was mir 
wahrscheinlicher dünkt, C mit Z), 
und £ mit F zusammenzufassen 
ist, mag dahingestellt bleiben. Die 
Frage lässt sich weder mit an- 
nähernder Sicherheit entscheiden, 
noch ist die Lösung derselben von 
Bedeutung für die Interpretation. 

Die Reihe der biblischen Dar- 
stellungen des Kubikulums B be- 
ginnt mit dem Quellwunder 
des Mose und schliesst mit der 
Auferweckung des Lazarus, 
und zwar in der Weise, dass diese 
beiden Bilder als Pendants einander 
gegenüber zu stehen kommen. Die 
unmittelbare Verbindung dieser 
Scenen oder das Inbeziehungsetzen 
der einen zu der andern ist eine 
sehr häufig zu beobachtende Eigen- 
thümlichkeit altchristlicher Kunst- 
darstellung. Die Fresken zeigen 
Mosegewöhnlich bartlos, in Tunika 
und Pallium gekleidet und vor dem 
vierten Jahrhundert allein. Die 
Skulptur erst hat die Scene mit 
weiteren Personen ausgestattet. 
Auch hier trägt Mose jugendliche 
Züge, aber seine Gewandung ist, 
in Abweichung von der gewöhn- 
lichen Auffassung, die leichte 
Exomis, die den rechten Arm un- 
bedeckt lässt und nur bis zu den 
Knien reicht. Die Richtung des 
Gesichtes und derGestus des linken 



40 



DIE FRESKEN DER SAKRAMENTSKAPBLLEN IN S. GALLISTO. 



Armes weisen dem Volke gegenüber, das hier durch den Be- 
schauer ersetzt wird, auf das Wunder als auf eine vollzogene 
Thatsache hin. 

Der ßuell, welcher aus dem Felsen hervorsprudelt, wird 
in die folgende Scene hineingeleitet, um dort in einer ganz 
andern Darstellung benutzt zu werden, als das Wasser nämlich, 
aus welchem der am Ufersrande sitzende Mann den Fisch 
hervorzieht. Die Interpretation dieses so eigenartig an die erste 
Scene angeschlossenen Bildes ist für die Gesammtauffassung 
dieses Cyklus von grösster Wichtigkeit. Soweit ich sehe, wird 
diese Scene von den Auslegern mit der vorhergehenden zu- 
sammengefasst, als die Fortsetzung derselben betrachtet, und 
damit der durch de Rossi gegebenen Interpretation, dass der 
aus dem Felsen strömende Quell das pig. i6. 

Taufwasser darstelle, aus welchem der 
durch den Fisch symbolisirte Mensch 
wiedergeboren werde, eine gewisse 
Stütze gegeben. Denn in diesem Falle 
liegt es nahe, den Fisch in dem Sinne 
des Tertullian'schen ,,pisciculus'* (de 
bapt. c. i) zu fassen und dem aus dem 
Felsen strömenden Wasser eine mystische, 
sakramentale Bedeutung zuzuerkennen. 
Lässt sich dagegen diese Scene als ausser- ^. 
halb jedes Zusammenhanges mit dem ^ — 
Quellwunder stehend und als ein für sich existirendes Stück 
erweisen, so wird damit die herkömmliche Auffassung hinfällig, 
und für die Auffassung des Ganzen ein durchaus andersartiger 
Gesichtspunkt gewonnen. 

Die im dritten Bande des „Spicilegium Solismense" von 
Dom Pitra aus der christlichen Literatur gesammelten, über die 
symbolische Bedeutung des 1X0 YC, piscis Aufschluss gebenden 
Stellen zeigen, dass der Fisch von den Kirchenschriftstellern 
4n den verschiedensten Bedeutungen genommen wurde; er 
repräsentirte ihnen nicht nur Christus und den Christen, sondern 
auch den Armen, den Hilflosen, den Neugierigen, den Häretiker, 
-Ja sogar den sündigen Menschen. Die altchristliche Kunst aber 
hat, und das ist beachtenswerth , mit Ausnahme der einzigen 




DIE F«BSKBS DER SARRAUENT8KAPBLLRN IN 8, 0ÄLL18TO. 4I 

Beziehung auf Christus diesen ganzen Symbolismus zurück- 
gewiesen. Wo immer sie den Fisch mit symbolischem Inhalte 
bildet, geschieht es allein in Beziehung auf Christus. Es ist 
freilich die allgemeine Meinung, dass auf altchristlichen Monu- 
menten auch der Gläubige durch den Fisch symbolisirt werde, 
aber wenn schon von vornherein schwer denkbar ist, dass die 
heilige Tessera des IX0YC, deren mystischer Inhalt in der 
Gemeinde ein inniges Verständniss und eine allgemeine Ver- 
breitung gefunden hatte, bereits am Anfange des dritten 
Jahrhunderts auch mit einem andern Gepräge cirkuJirl habe, 
das sich zu dem ur- 
sprünglichen doch nur 
als eine Degradation 
verhalten konnte, so 
beweisen ausserdem 
die Monumente nicht 
das, woför sie an- 
gerufen werden. 

Man beziehr sich 
darauf, dass häufig 
auf Epitaphien wie 
auf Gemmen zwei 
Fische dargestellt 
sind, womit eine Er- 
^ Weiterung der ur- 
:: sprünglichen Symbo- 
lik unmittelbar ge- 
geben werde. Dagegen ist zu bemerken , dass diese Ver- 
doppelung sich entweder nur da findet, wo der Fisch mit 
einem andern Symbol, z. B. mit dem Anker in Verbindung 
tritt'), oder wenn eine Beziehung auf die wunderbare Speisung 



I) Bull, di arch. crist. 1870, tav. IV, i5; Boldetti, S. 3Ö6, 370; 
Costadoni, II pesce simbolico Tafel, n. V, VII {bei Calogera, Raccoliä 
d'opusc. scient., Venezia 1749, i. XVI, S. n5); OMvieri, Marmors Pisaur. 
n. CLXXV; Wüklter, Syll. epigr. graec, S. ii5. — Hieher gehört auch 
eine Lampe bei Cosladoni (n. XIII], deren Diskus links und rechts neben 
der Oeft'nung zum Eingiesscn des Oeles einen Fisch zeigt, vorausgesetzt, dass 
es sich Oberhaupt um ein Symbol und nicht um ein blosses Ornament 



42 DIE FRESKEN DER SAKRAMENTSKAPELLEN IN S. CALLISTO. 

mit Brod und Fisch vorliegt ^). In letzterem Falle erklärt sich 
die Zweizahl aus der biblischen Erzählung, in ersterem beruht 
sie, wie bereits Costa doni (a. a. O., S. 299) richtig gesehen 
hat, auf einem künstlerischen Motive, auf dem Streben nach 
symmetrischer Anordnung, ohne dass dadurch die ursprüngliche 
Idee aufgegeben würde, wie die diesen Darstellungen häufig 
beigefügten Inschriften 1X0 YG ZQNTQN (Marchi, Monum., 
S. 70) IHCOY (Munter, Sinnb. Taf. I, 4), IHGOYC XPEICTOC 
(Lupi, Opp. posth. I, 233) u. a. m. bezeugen. Daher werden 
die Fische zuweilen durch Delphine ersetzt (Spicil. Sol. III, 
S. 576 n. 75; S. 574 n. 23; Miliin, Voyage dans le midi de 
la France pl. XXXVIII, 8), in welchen Niemand eine Symbo- 
lisirung der Gläubigen finden wird, oder erscheinen auf Epita- 
phien, die Einzelgräbern angehören 2), sind also zum mindesten 
ohne Beziehung auf den Verstorbenen. 

Der Ring des Bischofs Ademar von Angouleme mit der 
Darstellung eines von einem kleinen Fische begleiteten Delphins 
(Bull, 1870, tav. IV, 6) kann für die Frage nicht in Betracht 
kommen, da der christliche Ursprung des Gegenstandes nicht zu 
erweisen ist. Auch die von de Rossi im Bull. 1870, tav. IV, 10 
nach Gostadoni reproducirte Gemme mit zwei- Fischen und der 
Inschrift IX II GQ THP II 0V (sie) ist ein nichtchristliches, erst 
später mit dieser Inschrift versehenes Monument, wie schon 
Montfaucon (Palaeographia Graeca, S. 335) mit palaeogra- 



handelt. Ueber die seltsamen Erklärungsversuche Lupi *s (Epit. S. Sev., S. 64 
Anm.), der in dieser Verdoppelung einen Hinweis auf eheliche Gemeinschaft 
fand, sowie Dom Pitra*s (Spicil. Sol. I, 559), dem die beiden Fische die 
beiden Naturen in Christo andeuten, vgl. de Rossi, Spicil. Sol. III, 562 f. 

*) Bul 1. crist. i865, S. 76. Cavedoni, de Rossi und Becker beziehen 
diese Darstellung auf die durch das Brod der Eucharistie genährten Gläu- 
bigen, aber ein Epitaph im Museo Kircher. (Perret, t. V., pl. XLVII, 18) 
mit der Darstellung von fünf Broden und zwei unter denselben nach links 
gerichteten Fischen, ebenso zwei Brode und zwei Fische auf einem andern 
Epitaph (Spicil. Sol. III, S. 575, n. 63), und die Fische in Verbindung mit 
Broden in den Sakramentskapellen, erweisen auch die originelle Darstellung 
des modeneser Epitaphs — sieben Brode und zwei Fische — als eine Illu- 
stration der Erzählung von der wunderbaren Speisung. 

2) Boldetti, S. 366, 370; Olivieri a.a.O.; F. Becker, Die Darstel- 
lung Christi unter dem Bilde des Fisches, S. 70, 71 (wo doch offenbar auch 
nur ein Todter), 72. 



DIE FRESKEN DER SAKRAMBNTSKAPRLLBN IN S. CALLISTO. 48 

phischen Mitteln erwiesen hat. Christus unter der Gestalt 
eines stacheligen Fisches — denn ein solcher ist der grössere 
Fisch — wäre ausserdem eine seltsame Symbolisirung. Die 
Zeichnung ferner auf dem Achatringe des Bischofs Arnulph von 
Metz (Spicil. Sol., tab. III, n. 4) ist rein genrehaft und ohne 
symbolischen Inhalt, und die Fische auf dem Fragmente eines 
Goldglases (Gar rucci, vetri tav. X, 10) auf die Gläubigen zu be- 
ziehen, verbietet die fragmentarische Beschaffenheit des Monu- 
mentes; ausserdem hat auch dieses Bild ein durchaus genrehaftes 
Gepräge. Somit durchbricht die Exegese, welche dem Symbole 
des Fisches eine andere Beziehung als auf Christus gibt, damit 
einen festgeschlossenen Kreis, ein Verfahren, das in dem vor- 
liegenden F'alle umsoweniger berechtigt ist, da die angerufenen 
patristischen Stellen jener Auslegung der Darstellung in B direkt 
entgegenstehen. Denn Tertullian spricht in seiner Schrift de 
baptismo c. i nicht nur nicht von einem Fangen der pisciculi, 
sondern schliesst dieses Bild geradezu aus. „Sed nos pisciculi," 
sind seine Worte, „secundum IX0YN nostrum Jesum Christum 
in aqua nascimur nee aliter quam in aqua permanendo 
salvi sumus. Itaque ilja monstrosissima .... optime norat 
pisciculos necare de aqua auferens". Auch die Berufung auf 
De resurrectione c. LH ') ist nicht statthaft, da hier Tertullian 
I Cor. XV, 39 ff. in einer so gesuchten Weise ausdeutet, dass 
diese Auslegung als sein eigenes momentanes Gedankenprodukt 
niclft verkannt werden darf. Ebensowenig wie man im Anschluss 
an diese Stelle im altchristlichen Kunstgebiete die Vögel für 
Symbole der Märtyrer, die Sterne für Sinnbilder des Judenthums 
erklären und die Kirche unter dem Bilde des Mondes dargestellt 
finden wird, ist man berechtigt, in dem Vergleiche der Fische 
mit denen, „welchen das Taufwasser genügt", mehr als einen 
rein persönlichen, durch den Augenblick eingegebenen Gedanken 
Tertullian^s zu sehen. Von einem Fisch fange ist ausserdem 
auch hier nicht die Rede. Dagegen wird ein solcher in einem 



') „Alia caro hominis, id est servi Dei, qui vero homo est, alia jumenti 
id est ethnici . . . alia caro volatilium, id est martyrum, qui ad superiora 
conantur, alia piscium, id est quibus aqua baptismatis sufficit . . . Alia solis 
gloria, id est Christi, et alia lunae, id est ecclesiae, et alia stellarum, id est 
seminis Abrahae." 



44 DIE l'HESKBN DER SAKRAMEKraKA PELLEN IN S. 

dem Clemens von Aiexandrien zu- 
geschriebenen Hymnus ausdrücklich 
erwShnt (Schluss des Paed.): 

'AUeü [leponiuv 

TülV (I[llCo|tSVülV 

nEXiTfou; vaKto; 

rXuKEp^ Ciu^ Be^euCiuv. 

Es ist dies die einzige Stelle, 
welche aus den Kirchenschriftstellern 
der drei ersten Jahrhunderte für die 
Meinung de Rossi's sich anführen 
lässt; indess ist auf der andern Seite 
wohl zu beachten, dass das Wasser, 
aus welchem der Fisch gezogen und 
gerettet wird, in dem Hymnus als « 
verderbliches, böses Element gedacht ^ 
ist, also nicht das Taufwasser sym- 
bolisiren kann. 

Aber auch der Verfertiger der 
Malereien in C hat den Fisch nicht 
im Sinne des TertuUian'schen pisci- 
culus genommen, denn wenn dieser 
Fischfang ihm Bild der Taufe ge- 
wesen wäre, so bleibt unverständlich, 
warum er den wirklichen historischen 
Taufakt unmittelbar daneben an- 
brachte. Doch gewiss nicht, wie be- 
hauptet wird, ,,um grösserer Deut- 
lichkeit willen", denn eine solche 
Mischung von Symbolik und Realis- 
mus kann nur verwirrend wirken, 
ebensowenig ,,per tener un ordine 
esatto nella tela della mistica com- 
positione" {de Rossi R, S, II, 33 r). 



DIE FRESKEN DER SA KRAMBNTSK APELLEN IN S. CALLISTO. 



45 



denn der Künstler, welcher die Bilder in B hergestellt hat und 
für solche Rücksichten gewiss feinfühliger war als sein Kopist, 
hat die historische Taufdarstellung an einer ganz andern Wand 
angebracht, also offenbar von einem gleichartigen Inhalte beider 
Scenen kein Bewusstsein gehabt. So bezeugt sowohl die un« 
mittelbare Verbindung der beiden Scenen in C als auch die 
Auseinanderrückung derselben in B, dass der Fischfang mit 
der Taufe in keinerlei Beziehung stehend gedacht wurde, wie 
denn auch in beiden Kammern, und zwar in B noch mehr als 
in C, die taufende Person sich äusserlich von dem Fischer unter- 
scheidet. Damit werden auch die Verknüpfung des Bildes mit 
dem Quellwunder und die daraus gezogenen Schlüsse hinfällig. 

Fig. 19. 




Insbesondere lässt sich gegen die gegnerische Ansicht noch 
das Verfahren des zweiten Künstlers — der Ausdruck sei 
der Kürze halber gestattet — anführen. Derselbe reisst das 
Quellwunder von der Verbindung mit dem Fischfange los und 
gibt dem Fischer eine solche Stellung, dass zwischen diesem 
und dem Quell nichts Anderes als festes Land gedacht werden 
kann. Es ist freilich oben im Einzelnen gezeigt worden, wie 
dieser Künstler seinen Vorbildern gegenüber und mit denselben 
verfuhr, aber er hätte gewiss nicht solche Veränderungen vor- 
genommen, durch welche ein von ihm oder von dem Besitzer 
der Grabkammer klar erkannter innerer mystischer Zusammen- 
hang zerrissen, und eine einheitliche Komposition zerstückt 
worden wäre. Auch ein der Darstellung des Fischers in B 
und C genau entsprechendes Bild in S. Domitilla (Bull. i865, 
S. 44), vom höchsten Alter, ist nicht etwa mit dem Quellwunder, 



46 DIE FRESKEN DER SA.KRAMENTSKAPELLEN IN S. CALLISTO. 

sondern mit dem Guten Hirten in unmittelbare Verbindung 
gebracht. 

Diese Erwägungen drängen dazu, die innere Verbindung, in 
welche das Quell wunder und der Fischfang von der Exegese 
gebracht werden, zu lösen und das letztere Bild als ein für 
sich existirendes und als solches zu interpretirendes anzuer- 
kennen. Die äussere Verknüpfung der beiden Scenen kann 
dieser Auffassung nicht hinderlich sein, da jene in C zerrissen 
erscheint, also nicht wesentlich gewesen sein kann, und die alt- 
christliche Kunst auch sonst Gruppen, die in gar keinem direkten 
inneren Zusammenhang stehen, in dieser Weise aneinander- 
schliesst *). 

Die Scene des Fischfanges ist in der altchristlichen Kunst 
nicht selten. Zu den bekanntesten Darstellungen gehört der 
Fischer auf einem Sarkophage im Lateran-Museum (ßott., tav. 
• XLII); er trägt die kurze Tunika, hält am linken Arme ein 
kleines Körbchen und zieht an einer Schnur einen Fisch aus 
dem Wasser. Ein nackter Knabe stützt ihm dabei den Angel- 
stock. Die Scenerie bildet ein felsiges Meeresufer mit Schnecken, 
einem grossen Vogel (Reiher?) und einem mächtigen Seekrebse. 
Das Meer selbst, welches zugleich einer Jona- Scene dient, ist 
von Fischen belebt. An dem andern (linken) Ende des Sarko- 
phags erscheinen dieselben Personen wieder, und zwar in der 
Anordnung, dass der nackte Knabe aus der Hand des Fischers 
das Körbchen, welches dieser in der ersten Scene am Arme 
trug, in Empfang nimmt. — An eine biblische Scene ist hier 
nicht zu denken, denn, abgesehen davon, dass dieser in aller 
Gemächlichkeit sein Gewerbe ausübende Mann in der alt- und 
der neutestamentlichen Erzählung sich nirgends unterbringen 
lässt, trägt die ganze Darstellung einen so durchaus realen 
Charakter und entspricht in solchem Grade antiken Parallelen 2), 



*) Vgl. z. B. Garrucci, Sioria, tav. 69, 2: Auferweckung des Lazarus, 
Orans, drei Jünglinge im feurigen Ofen, Daniel, Orans; Bottari, t. 167: 
Quellwunder, ruhender Jona, Daniel; ferner Garrucci, tav. 67, 2; 73, 2 
und das bekannte alexandrinische Fresko (Bull. i865). 

2) Maffei, Gemme antiche, t. II, tav. 34; Panofka, Bilder antiken 
Lebens, Taf. XV; Museo Borb. VI, 55; Revue archdol. 1876, pl. XVll, 
und sonst sehr häufig. 



DIB FRESKEN DER SAKRAMENTSKAPBLLEN IN S. CALLISTO. 47 

dass sie sich nicht anders, denn als eine einfache ländliche 
Scene ohne irgend welchen religiösen oder historischen Inhalt 
fassen lässt. Auch weisen antike Sarkophage häufig diese Dar- 
stellung auf, wahrscheinlich mit Beziehung auf eine Lieblings- 
beschäftigung oder auf das ländliche Leben des Verstorbenen *). 
Demselben Genre gehört der Fischer auf einem christlichen 
Sarkophage aus Ostia 2) (jetzt im Lateran-Museum) an, ebenso die 
Darstellung einer von Costadoni (a. a. O. n. VIII) mitgetheilten 
Gemme, wenn auch auf letzterer neben dem an der Angelschnur 
hängenden Fische sich die Inschrift IX0YC findet, da es nicht 
zweifelhaft sein kann, dass diese, welche die ganze Darstellung 
räthselhaft macht, von anderer Hand nachträglich hinzugefügt 
ist. Schliesslich erwähne ich einen vor nicht langer Zeit in der 
Nähe von Marseille gefundenen Sarkophag, dessen Photographie 
in der Sitzung der römischen „Accademia di archeologia 
cristiana" vom 12. Mai 1878 von de Rossi vorgelegt und be- 
sprochen wurde. Das Monument ^) zeigt links einen Fischer 
in Exomis, der in der Linken einen Korb und in demselben 
einen Fisch trägt; einen zweiten zieht er mit der Rechten 

*) Vgl. Jean l'Heureux, Hagioglypta, S. 1 10, ed. Garrucci: „et in 
sarcophagis reperias quaedam otiosa et ad ornandum vel potius implendum 
locum: ul in sarcophago in hortis Pincianis Mediceis, cernitur quidam 
piscans." 

*) Martigny, Dict., S. 622. Besser Garrucci, Storia, t. 807, 3. Das 
Monument zeigt im Mittelfelde Orpheus; auf dem obern Randgesims läuft 
die Inschrift: YRMI DVLCIS ANIMA SANGT. 

3) Ich kann das Relief indess nicht für chrisilich halten. Es findet sich 
auf demselben zwar auch eine Orans und ein bärtiger Hirt, der ein Schaf 
auf der Schuller trägt, aber das leider theilweise zerstörte Mittelstück zeigt 
eine Darstellung, die bis jetzt auf christlichen Monumenten beispiellos, auf 
griechischen Grabstelen dagegen häufig anzutreffen ist: eine sitzende Matrone, 
vor welcher eine kleine Figur steht. Ausserdem sieht man am rechten Ende 
einen sitzenden Mann mit völlig cniblösstem Oberkörper, welcher in der 
Linken einen langen Stab führt, offenbar eine Gottheit, wie auch de Rossi 
zugibt. Die Reliefs sind ausserdem so vorzüglich gearbeitet, dass die Ver- 
sammlung dieselben einstimmig für ein Werk des zweiten Jahrhunderts er« 
klärte, wo es aber noch keine christliche Sarkophagbildnerei gab. Auf sonstige 
Einzelheiten unterlasse ich einzugehen, da die Publikation des interessanten 
Monumentes in naher Aussicht steht, verweise aber im Voraus auf einen 
vielfache Analogien bietenden heidnischen Sarkophag im Museo lapidario 
von Ravenna (Photographie in der Sammlung Ricci n. 394, Rav. 1877). 



48 DIE FRESKEN DER SAKRAMENTSKA.PELLEN IN S. CALLISTO. 

vermittelst einer Angelschnur aus dem Wasser. Auch diese 
Darstellung hat einen durchaus genrehaften Charakter. Dagegen 
liegt die Illustration einer biblischen Scene in einem Fresko ^) 
vor, das zwar nicht die Handlung des Fischfanges selbst, 
aber eine unmittelbar daran anschliessende Scene vorführt und 
das für die Interpretation der Bilder in B und C von Wichtig- 
keit ist. 

Die Darstellung setzt sich aus zwei Scenen zusammen. 
Rechts erhebt ein in Toga gekleideter Mann den rechten Arm 
zu einem Gestus, der ein Befehlswort begleitet und an einen 
Jüngling in kurzer Tunika geht, der seinerseits mit lebhafter 
Armbewegung seine Bereitwilligkeit und Zustimmung manifestirt; 
in der zweiten, links geordneten Scene tritt die erstere Person 
wieder auf, aber in ruhiger Haltung; eine nackte männliche 
Gestalt, die einen Fisch in der Hand trägt, eilt hastig auf sie 
zu und hält ihr denselben hoch empor entgegen. Dass die 
beiden Scenen zusammengehören und in der einen ein Befehl 
ertheilt und in der andern ausgeführt wird, ergibt sich un- 
mittelbar aus der Darstellung. Garrucci findet in dem Bilde 
den Fischfang des Tobi illustrirt. Diese Interpretation ist indess 
mit dem Schrifttexte nicht in Einklang zu bringen. Das Bild 
lässt sich, wie bereits Marangoni^) richtig erkannt hat, nur 
aus Matth. XVII, 24 ff. erklären 3), wobei nicht auffällig er- 
scheinen kann , dass in der zweiten Scene Petrus in idealer 
Nacktheit gebildet ist, da die altchristliche Kunst auch sonst 
nackte Gestalten aufweist, die als solche wohl künstlerisch, aber 
nicht historisch motivirt sind. Auch die Figur eines unbekleideten 
Mannes auf einem Deckengemälde der Katakomben, der in der 
Rechten an einer Schlinge einen kleinen Fisch hält, lässt sich 
nur an der Hand der genannten Erzählung der evangelischen 
Geschichte verstehen, denn der Stab, welchen der Mann führt, 



*) Garrucci, t. 73, 2. Der Holzschnitt Martigny's (Dict., S. 760) ist 
vollständig unbrauchbar. 

2) Marangoni, Acta S. Victorini, S. 65. 

3) Zu vgl. auch eine Darstellung in dem bekannten syrischen Codex 
der Biblioteca Laurenziana in Florenz (6. Jahrh,), wo Petrus, kniend und 
mit dem rechten Arme einen Angelstock haltend, mit beiden Händen dem 
von rechts herbeischreitenden Herrn den gefangenen Fisch präsentirt. 



DTE FRESKEN DER SAKRAMENTSKAPELLEN IN S. OALLISTO. 49 

ist ein Angelstock, nicht ein Wanderstab, wie Bottari meint, 
der mit Anschluss an Bosio und Aringhi die Darstellung auf 
die Geschichte des Tobi bezieht. Garrucci (a. a. O., S. 32) 
findet in dem Gemälde den Fischerberuf Christi und der Apostel 
dargestellt, als ob die christliche Kunst zu solcher Symbolik 
sich je nackter Figuren bedient hätte! 

Die Frage, ob der Fischfang in B und in C der Klasse der 
Genrebilder einzufügen sei, oder einen bestimmten historischen 
Inhalt habe, kann nicht kontrovers sein: der ernste Charakter 
des Bilderkomplexes schliesst eine gemächliche, idyllische Scene 
des gewerblichen Lebens von vornherein aus; ausserdem weicht 
die äussere Ausstattung des Fischers von derjenigen, welche die 
Genrebilder übereinstimmend aufweisen, erheblich ab, indem 
auf die kurze Tunika und den Korb, welche auf heidnischen 
wie auf christlichen Monumenten den gewerbsmässigen Fischer 
charakterisiren, verzichtet ist. So bleibt nur übrig, das Bild 
symbolisch zu begreifen, beziehungsweise es an einen biblischen 
Text anzuknüpfen. Die Annahme, dass es den dem galiläischen 
Mahle unmittelbar vorhergehenden Fischzug darstelle, empfiehlt 
sich durch die Reihenfolge in £, wo das Mahl der Sieben direct 
anschliesst, lässt sich aber mit dem johanneischen Berichte, 
nach welchem die Jünger mit einem Netze fischen und in 
welchem die grosse Menge der gefangenen Fische nachdrücklich 
hervorgehoben wird, nicht in Einklang bringen. Ohne Schwierig- 
keit dagegen fügt sich die Darstellung der Erzählung von der 
Entrichtung des Zinsgroschen ein, welche, w4e wir sahen, auch 
sonst durch altchristliche Monumente illustrirt wird. Denn 
Christus befiehlt dem Petrus, also einer Person: ^ßaXe «Y'^toTpov 
xa\ TÖv ävaßavTtt icpwTov ly^ö-bv äpov" (Matth. 17,27), Wenn nun dieser 
Scene durch die Eingliederung in eine Reihe symbolischer Dar- 
stellungen, sowie durch eine bestimmte Angabe der apostoli- 
schen Constitutionen*) ein sepulkral- symbolischer Inhalt ge- 
sichert wird, so fragt sich, wie dieser näher zu bestimmen ist. 

In den Darstellungen aus dem Leben des Jona, die den- 
selben zeigen, wie er in das Meer gestürzt und wie er aus 
demselben errettet wird, symbolisirt die Wassertiefe, in welche 



^) Constit. apost. V, 7; vgl. S. 18. 

Selinltce, ArohKologiicbe Studien. 



So DIB FRESKEN DER SAKRAMENTSKAPELLEN IN S. CALLISTO. 

der Prophet versinkt und aus welcher er ersteht, die geheimniss- 
volle Todesmacht und das unerforschte Todesreich, aus dessen 
Banden den Menschen allein die Hilfe Gottes herausführt. In 
gleicher Weise vergegenwärtigt die Darstellung des aus den 
Wogen des Schilfmeeres an das Land geretteten Israels den 
durch die Auferstehung aus des Todes Tiefe zu Gott befreiten 
Menschen. Die Wurzel dieser Vorstellung ist ohne Zweifel 
im Alten Testamente zu suchen, in welchem der Vergleich 
geistiger und leiblicher Noth mit verschlingender Meereswoge 
und stürmender Fluth beliebt ist. Worte wie: „HarcsaxetXev 

(sei. h ^%h^ \% &<{;oug 'Ka\ eXaße fj.e, icpoaeXaßexd p,8 !§ 6BaTU)V icoXXü>v'* 
(Ps. 17, bzw. 18, 17) oder: „HeXoö [i.e xa\ pöoat jxs 15 öSattov tcoXXwv" 
(Ps.143, bzw. 144, 7), ferner: „Sf^XO-ofiev 8ia icopö? yal SBatos xa\ I5t^T"T^? 
f/^ag el? ftvar{<t)XT^v"(Ps. 65, bzw. 66, 12) und ähnliche*) konnten leicht 
sepulkral gefasst werden und haben auch ohne Zweifel jene 
Symbolik mit motivirt. Aber auch die Möglichkeit der Einwir- 
kung einer antiken Vorstellung, welche das Geheimniss der 
Meerestiefe mit dem Geheimniss des Todes und des Jenseits 
zusammenbrachte (S. 10 f.), muss offen gelassen werden. 

Der gleiche Gedanke scheint mir nun der hier in Frage 
stehenden Darstellung zu Grunde zu liegen: das Herausziehen 
des Fisches aus der Tiefe symbolisirt die Errettung der Seele 
aus der Gewalt und dem Reiche des Todes zu einem neuen 
Dasein. Das Bild steht also den beiden eben bezeichneten 
Scenen aus der Geschichte des Jona und des Volkes Israel 
durchaus parallel. 

Durch diese Interpretation werden die oben gegebenen 
Ausführungen über die Symbolik des Fisches nicht berührt: 
nur der Vorgang als solcher kommt hier in Betracht, wie auch 
sonst in den symbolischen Darstellungen christlicher und ausser- 
christlicher Kunst, nicht die einzelnen Factoren der Handlung. 

Auf die Scene des Fischfangs folgt, aber durch eine Grenz- 
linie von ihr geschieden, das Mahl der sieben Jünger am 
galiläischen Meere. 



*) Vgl. ferner II. Sam. 22, 17. Ps. 3i, ö; 41, 8; 68, i ff." Sg, 3; 71, 20; 
93, 3; 124 (nach LXX) und sonst; Jona 2,6: irepte^^oönr] [j.01 5B(Dp lu>^ ipu^^Yjg. 
Die Psalmen haben auch dem frühmittelalterlichen Bilderkreise eine reiche 
Fülle von Stoff zugeführt, worüber z. vgl. Springer a. a. O. S, 12 ff. 



DIE FRESKEN DER SAKRAMENTSKA PELLEN IN 8. CAIXISTO. 5 I 

De Rossi (BulL i865, S. 45 f.; Spicil. Sol. III, S. 568) hat 
die Gastmahls-Darstellungen der altchristlichen Kunst in drei 
Gruppen geschieden, deren erste die Bilder mit wechselnder 
Personenzahl (Männer und Frauen) umfasst, während die 
zweite Klasse die von sieben männlichen Personen gefeierten 
Mahle begreift; eine dritte bilden ihm die sogenannten eucha- 
ristischen Tische, Dreifüsse mit Brod und Fisch, denen entweder 
zwei Personen, wie in C, oder eine Reihe von Brodkörben, 
wie in jB, links und rechts zur Seite geordnet sind. Diese 
letztere Gruppe indess kann, wie im Voraus bemerkt sei, nicht 
als besondere Klasse auftreten. Die Scheidung dagegen der 
ersten Gruppe von der zweiten ist durchaus berechtigt. 

Die Darstellung des Mahles mit sieben männlichen Gästen 
knüpft unmittelbar an das Schlusskapitel des vierten Evange- 
liums an, aber der Umstand, dass Christus, der in der Erzäh- 
lung das Centrum der Handlung bildet, fehlt, dass die Gäste 
ferner die Speise selbst ergreifen, während es im Texte heisst: 
„xal 8t8ü)otv aüToV (Joh. 21, 1 3), und dass die Zahl der Speisestückc 
wechselt, und die Fische (in -ß), gegen Joh. 21, 9, allein aut 
getragen werden, bezeugen, dass sich die Künstler der evange^ 
lischen Erzählung frei gegenüber stellten. Die hergerichtete 
Tafel ferner ist der von de Rossi als erste Klasse bezeichneten 
Gruppe entnommen, während die vor (B, C, £) oder seitwärts 
(D) von dem Tische aufgestellten Körbe direkt an das Brod* 
vermehrungswunder erinnern. Diese mosaikartige Zusammen- 
setzung des Bildes erklärt, dass die Auffassung desselben noch 
durchaus kontrovers ist; zugleich aber wird dadurch bestimmt 
darauf hingewiesen, dass dieses Gemälde nicht eine Darstellung 
des historischen Mahles am galiläischen Meere ist, sondern eine 
symbolische Komposition im eigentlichsten Sinne des Wortes. 

Die Untersuchung hat damit zu beginnen, festzustellen, ob 
die verschiedenen, das Bild konstituirenden Theile sich um ein 
bestimmtes Centrum gruppiren, und ob dieses Centrum ein 
blos ideales oder ein in dem Gemälde selbst auch ausserlich 
gegebenes ist. Die Bejahung der ersten Frage ist selbstver- 
ständlich. 

Die Art und Weise, wie diese Elemente ausgewählt und 
geordnet sind, die strenge Innehaltung dieser Ordnung seitens 

4* 



5 2 DIE FRESKEN DER SAKRAMENTSK APELLEN IN S. CALLISTO. 

der späteren Künstler, diei sich in diesem Punkte nur un- 
wesentliche Aenderungen gestatten, machen es zweifellos, dass 
dem Bilde nicht nur ein einheitlicher Gedanke zu Grunde liegt, 
«ondern dass dieser auch von den Kopisten genau erkannt und 
respektirt wurde. Ausserdem bürgt die Meisterschaft des 
Künstlers dafür, dass seine Komposition keine mechanische, 
gedankenlose war. Weniger klar scheint das Verhältniss zu 
liegen, auf welches sich die zweite Frage bezieht; aber auch 
hier sind, dünkt mich, die Monumente selbst die sichersten 
Führer. In -B, C, D besteht das Mahl nur aus Fischen, und 
auch in F kommen neben diesen die kleinen zerstreuten Brod- 
stücke nur schwach zur Wirkung. Um den Fisch als Mittel- 
punkt ordnen sich in B, C, E die Gastmahlsgenossen und die 
Reihe der Körbe; nach ihm strecken sich die Hände aus, und 
selbst da, wo die sieben Personen fehlen, ruht er gross und 
sichtbar auf dem dreifüssigen Tische zwischen den links und 
rechts aufgestellten Körben (Deckenfeld in -B), wie auch der 
Mann, der in C neben dem Dreifusse steht, den Fisch mit der 
Hand ergreift. Erwägt man ferner, dass dieses 'Symbol die Zeit 
beherrschte und unter den Christen als eine heilige Tessera ging, 
so wird die durch die Monumente nahegelegte Muthmassung, 
dass in diesen Darstellungen der Fisch alles Andere als blos 
Accessorisches um sich gruppire, zur Gewissheit erhoben: er 
kommt nicht mit den übrigen Stücken als Theil zur Wirkung, 
sondern koncentrirt den Inhalt und die Beziehungen der Theile 
auf sich als den einheitlichen, realen Mittelpunkt. Diese centrale 
Bedeutung des Fisches wird misskannt, wenn der Bilderkomplex 
mit Anschluss an die sonstigen Gastmahls-Darstellungen der alt- 
christlichen Kunst dahin verallgemeinert wird, dass nur der 
Zweck, „die Freude des Mahles im Allgemeinen auszudrücken", 
als leitendes Motiv anerkannt wird^). Dieser Ansicht gegenüber 
hat bereits de Rossi ^) die oben angegebene Theilung mit Recht 
geltend gemacht. Zudem wird es schwer sein, diesen Bildern 
den Charakter festlicher Freude zu vindiciren, insbesondere, 
wenn man vergleicht, in welcher Weise auf den nicht kontro- 
versen Gastmahls-Darstellungen diese Freude von den Künstlern 

• — ' — 

*) Ferd. Becker a. a. O., S. 120 ff. 

2) De Rossi, R. S. II, S. 341, vgl. Bull. i865, S. 45. 



DIE FRESKEN DER SAKRAMBNTSKAPELLEK IN S. CALLISTO 53 

zum Ausdruck gebracht erscheint. Ueber diesen Bildern lagert 
vielmehr ein feierlicher Ernst, eine erhabene Monotonie, die 
ihnen ein hieratisches, ceremonielles Gepräge gibt. Die Haltung, 
der Gestus, die Gesichtsbildung der Feiernden ist ernst 
parallel entworfen, und das geringe Mass von Bewegung, 
welches ihnen in B gestattet ist, klingt auf den späteren Bildern 
mehr und mehr aus. Daher sind in C dem Bilde als feierliche 
Nebetiscenen Oranten links und rechts zur Seite gestellt, und 
auf dem Deckenfelde in B fehlen die Gastmahlsgenossen ganz, 
ein Beweis, dass sie nicht als der Mittelpunkt der Handlung 
angesehen wurden. Unverrückbar dagegen behauptet der 
1X0 YC seine principale Bedeutung; er ist und bleibt das 
Centrum, in welchem die Nebenmomente sich sammeln. Die 
Auffassung des Ganzen erscheint daher an die Symbolik des 
IX0YC geknüpft. 

Die Symbolik des „Fisches'* ist bekannt. Ursprünglich ein 
Bekenntniss (IHCOYC XPICTOC 0EOY YIOC CQTHP) in- 
volvirend, erhielt derselbe in den bildlichen Darstellungen und, 
wahrscheinlich erst unter der Rückwirkung derselben, bei den 
Kirchenschriftstellern eine tiefere mystische Bedeutung, die sich 
aus dem Fische als Nahrungsmittel und aus der dogmatischen 
Vorstellung von der Selbstmittheilung Christi an die Gläubigen 
im Abendmahle zusammenwebte. Die schwimmenden Fische in 
S. Lucina, die ein Körbchen mit Wein und Brpd tragen (R. S. I, 
tav. VIII), die beiden Fische, welche auf einem Mosaik in S. 
Apollinare nuovo in Ravenna vor den Abendmahlsgenossen 
liegen, bedeuten dasselbe, was die Epitaphien des Abercius und 
des Pectorius in Worten ausdrücken — die reale Gegenwart 
Christi in den Elementen des Abendmahls*). 

Mit diesem letzteren Inhalte erscheint das Symbol in dem 
Gemäldecyklus der Sakramentskapellen. Die Verbindung des 
Fisches mit dem Mahle und die Hinzufügung des Brodes 
machen die Beziehung auf das Abendmahl zweifellos. Wie der 
Künstler auf der Hinterwand des Kubikulums B den Taufakt 



*) Man darf sich wundern, dass dieses Zeugniss der Monumente, durch 
welches die Vorstellung von einem realen Genüsse des Leibes und des Blutes 
Christi als Besitzstück der altchristlichen Gemeinde unanfechtbar erwiesen 
wird, noch nicht verwerthet worden ist. 



54 I>IB FRESKEN DER SAKRAMENTSKAPELLEN IN 8. CALLISTO. 

malte, s obrachte er an der linken Seiten wand das Sakrament 
des Altars an *). Die durch Schriftsteller des zweiten und des 
dritten Jahrhunderts bezeugte Vorstellung, dass durch dieses 
Sakrament dem Gläubigen ein „cpapjjiaxov Ä^avaoia?, ein avtiSoxos 
Toö jjLTj ftiroO-avelv" dargereicht werde 2), erklärt hinreichend das Vor- 
handensein eines solchen Bildes an einer Grabstätte, Wenn aber 
der Künstler auf die Darstellung der Abendmahlsfeier selbst ver- 
zichtete und das Abschiedsmahl des Herrn am galiläischen Meere 
zum Träger jenes Gedankens machte, so leitete ihn dabei offen- 
bar eine Reflexion, welcher ein späterer Schriftsteller in den 
Worten Ausdruck verliehen hat: ;, . . . piscem magnum, qui 
satiavit ex se ipso in littore discipulos et toti se obtulit mundo 
IX0YN, cujus ex interioribus remediis quotidie illuminamur et 
pascimur" (Pseudo-Prosper Aquit., De prom. et praed. Dei 

p. II, 39). 3) 

Die dem Mahle beigefügten Körbe sind dem Wunder der 
Brodvermehrung entnommen, und zwar in J5 der Erzählung 
Matth. XV, 32 ff., in D dem Berichte XIV, i3 ff. Die acht 
Körbe in C und F konstatiren eine Abweichung, die sich auch 
sonst auf Fresken^), besonders aber auf Sarkophagen und Gold- 
gläsern nachweisen lässt. Diese Brodkörbe, durch Joh. XXI, 
9 motivirt und nur in ihrer äusseren Gestaltung an die 
„wunderbare Speisung" angeschlossen, sind bestimmt, das 
feierliche Symbol des tx^b? seinem Inhalte nach und in seiner 
Wirkung zu steigern, insofern sie den parallelen Gedanken 
andeuten: „^av xt? fa^ifl l"*- toö epioö aptoo, C^Qoet et^ tov atwva" (Joh, VI, 
5i,.vgl. V. 58b). 



^) Von den von der römisch-katholischen Kirche ausserdem als Sakra- 
mente beurtheilten heilif^en Handlungen findet sich in dem altchristlichen 
Bilderkreise keine Darstellung. 

2) Ignat., Ad Eph. c. 20; Iren., Adv. haer. V, 2, 2: „xa YjfJLexepa 
owfjiaxa, 15 aüXYJs (sei. eü)^aotoxta<) xpe'fo^sva xa\ xed-svxa et$ x^^v Y'^jv ^^ 
BtoXü^evxa Iv aux^, avaaxYjoexai Iv xij) I5i(i) xatp<{)."- — IV, 18, 4: ,,xdi otopiaxa 
:J2[JLu>v {jLexaXajxßdvovxai xyj? e5)fapioxia^, fiVjxext etvai «p^apxd, x^^v iXniSa xij? 
zXq aiwva dlvaaxaoeu)^ e^^ovxa." Vgl. -Gregor. Nyss., Orat. catech., c. 37; 
Chrysost., In Joh. evangel. XLVI, c. 3; in Matth. hom. LXXXII, c. 5; de 
poenit. hom. IX. 

^) Vgl. August., Tract. i23 in Ev. Joh.: „piscis assus Christus est.** 

*) Boit. t. 53; ii5; ii3 u. ö. 



DIE FRESKEN DER SAERAMENTSEA PELLEN IN S. CALLISTO. 55 

Dieselbe Idee liegt der Darstellung des dreifüssigen Tisches 
mit links und rechts geordneten Brodkörben zu Grunde (Fig. 8, 
S. 29); nur ist das Bild genrehaft entworfen, und seine Sym- 
bolik dadurch versteckt geworden. Es ist eine verkürzte Wieder- 
holung des grösseren Gemäldes und verdankt seine Miniaturform 
dem Umstände, dass der Künstler nur über einen beschränkten 
Raum zu verfügen hatte. Auf einem von mir im Museum zu 
Spalato aufgefundenen geschnittenen Steine ist diese Reduktion 
noch radikaler durchgeführt; derselbe zeigt nur einen drei- 
füssigen Tisch und auf demselben einen Fisch (Delphin). Somit 
können diese verkürzten Nachbildungen nicht als eine eigene 
Klasse auftreten. Sie sind vielmehr als Annexe der eben bespro- 
chenen Gastmahls-Darstellungen zu beurtheilen. 

An die Darstellung des Mahles schliesst als Hauptgemälde 
der Hinterwand das Bild einer Taufe. Der Täufling, ein Knabe 
von circa zwölf Jahren, ist unbekleidet und steht bis an die Knie 
im Wasser; die Handlung vollzieht sich also durch Immersion, 
für deren Anwendung aus dieser Zeit auch schriftliche Zeug- 
nisse vorliegen. Das in der Kopie in C von dem Haupte des 
Knaben herabfallende Wasser hat de Rossi zu der Annahme 
verleitet, dass hier eine Mischform aus Immersion und Asper- 
sion vorliege (R. S. IL, S. 334). Ein solcher Ritus aber hat 
in Wirklichkeit nie existirt und erweist sich durch die Erwägung 
als illusorisch, dass die Aspersion nichts Anderes als das Sub- 
stitut der Immersion ist und sich aus letzterer erst allmälig 
entwickelt hat. Die ersten Spuren der Aspersion finden sich 
bei Gnostikern, und dieser Umstand, sowie der Tadel, welchen 
Irenaeus für den Ritus hat, sind ein Beweis, dass die Kirche 
im dritten Jahrhundert die Aspersion noch nicht adoptirt hatte. 
Besonders wenn man mit de Rossi die Taufbilder zur Zeit 
TertuUian's entstanden sein lässt, ist über die Natur dQs Ritus 
kein Zweifel gestattet, denn TertuUian kennt nur die Taufe per 
iramersionem *). In C ist die Handlung in dem Augenblicke 



1) Tert. De Corona mil., c. 3: „ter mergimur"; de bapt., c. 7: 
„...q.uod in aqua mer gi mur"; de resurr., c. 8; de bapt., c. 4. Mil Unrecht 
beruft sich de Rossi auf de bapt. c. 12, wo es von den Aposteln heisst, sie seien 
damals getauft worden, als sie, „fluctib-us adspersi operti sunt", den^n 
die Stelle lautet vollständig: „JWVi plane satis coacte injiciunt, tunc apostolos 



36 DIE FRESKEN DER SAKRAMENTSKAPELLEN IN S. GALLISTO. 

gefasst, WO der Täufling sich aus dem Wasser erhoben hat; 
daher die um sein Haupt herunterfallenden Wasserstrahlen. 
Wäre Aspersion gedacht, so dürfte man doch das Vorhanden- 
sein eines Gefasses erwarten, sei es in der Hand des Taufenden, 
wie auf späteren Jesus -Taufen, sei es über dem Täuflinge 
schwebend, wie z. B. auf zwei dem Ende des dritten Jahr- 
hunderts angehörenden Darstellungen (Bull. 1876, tav. 1). 

Das Taufbild in C ist realistischer und historischer gehalten 
als dasjenige in JB. Der Taufende ist, wie es ohne Zweifel den 
thatsächlichen Verhältnissen entsprach, fast ganz entkleidet, 
während er in B in voller Gewandung und mit dem Zeichen 
seiner höhern Stellung innerhalb der Gemeinde, der Rolle, 
auftritt; denn j,dandi quidem (sei. baptismum) habet jus 
summus sacerdos, qui est episcopus. Dehinc presbyteri 
et diaconi, non tamen sine episcopi auctoritate'* (Tert., 
De bapt., c. XVII, vgl. Ignat., Ad Smyrn., c. VIII). Dass es 
sich auf beiden Bildern um den Taufakt, nicht um die Hand- 
auflegung als gesonderten Vorgang handelt, ist gegen Garrucci 
(Storia dell' arte, S. 12) festzuhalten, denn die Cheirothesie 
fand, wie sich aus den wenigen darüber vorliegenden Andeu- 
tungen erweisen lässt, erst nachdem der Täufling das Taufwasser 
verlassen hatte, und nach einigen andern Handlungen statt *); 
dagegen zeigen beide Bilder den Täufling noch im Wasser 
stehend. Es wird vielmehr der Augenblick vorgeführt, wo der 
administrirende Kleriker, das Haupt des Täuflings berührend, 
die Namen des Vaters, des Sohnes und des Geistes über ihn 
ausspricht 2). 

Die Darstellung der Taufe nimmt unter den Fresken in B 
unstreitig den hervorragendsten Platz ein. Es entspricht dies der 
hohen Werthschätzung dieses Sakraments in der christlichen 



baplismi vicem implesse, cum in navicula fluctibus adspersi operti sunt. . . . 
Ut opinor autem aliud adspergi vel intercipi violentia maris, aliud tingui 
disciplina religionis" — beweist also das gerade Gegentheil. 

1) Tert., De resurr., c. 8; "de bapt., c. 7. Die Reihenfolge; Taufakt, 
Salbung, Bezeichnung mit dem Kreuze, Cheirothesie, ist gesichert, unbe- 
stimmt dagegen, wo der Genuss der „mellis et lactis societas" (de cor. mil. , 
c 3; de bapt. a. a. O.) einzufügen. 

2) Just., Apol. I, c. 61; Tert., Adv. Prax., c. 26. 



DIE FRESKEN DER SAKRAMENTSKAPELLEN IN S. GALLISTO. 5j 

Gemeinde^). Das Gemälde stellt selbstverständlich einen histo- 
rischen Akt dar, die Taufe wahrscheinlich des Erbauers und 
Besitzers dieser Grabkammer. Das bestätigt die an derselben 
Wand befindliche Figur eines sitzenden Mannes, welche auf 
der rechten Thürwand wiederkehrt und dort als Gegenstück 
einen in voller Thätigkeit befindlichen Fossor hatte. Da auf der 
Hinterwand das Ergänzungsbild fehlt, so hat die Untersuchung, 
um auf sicherem Wege vorzuschreiten, von den beiden Dar- 
stellungen links und rechts an der Thür auszugehen. 

Der Mann, hier aufrecht stehend, macht mit der Rechten 
einen Gestus, der unverkennbar einen ertheilten Befehl her 
gleitet; sein Gesicht wendet sich der linken Thürwand zu, wo 
sich der arbeitende Fossor befand. So drängt sich unmittelbar 
der Gedanke auf, dass die Person rechts der Besitzer des 
Grabes sei, welcher dem Fossor für die Herstellung desselben 
Anweisungen gibt. Es lässt sich freilich für eine solche Ver- 
bindung der beiden Personen kein Beweis führen, aber dieselbe 
ergibt sich so ungesucht, und der stehende Mann ist so indi- 
viduell gefasst, dass diese Annahme sich wohl behaupten dürfte, 
umsomehr, da eine bessere Interpretation bis jetzt nicht gegeben 
ist. Denn dass der stehende Mann ein kirchlicher Lehrer sei, 
der für den ausführenden Künstler den Gemäldecyklus ent- 
worfen habe (de Rossi, R. S. a. a. O., S. 346), lässt sich 
schwer wahrscheinlich machen. 

Die besonders von Martigny (Dict., S. 35 1) vertretene 
Meinung, dass die Künstler unmittelbar unter der Aufsicht der 
kirchlichen Behörde gearbeitet hätten, widerspricht zu sehr 
den thatsächlichen Verhältnissen, als dass sie aufrecht erhalten 
werden könnte. Das Eindringen heidnischer Sujets im ganzen 
Verlaufe der altchristlichen Kunstepoche, das Jahrhunderte 
hindurch andauernde Schwanken einzelner Typen und die 
vielfachen Widersprüche der Bildwerke gegen die biblische 
Erzählung schliessen die Existenz einer solchen Aufsichts- 
behörde aus. 



^) Hermae Pastor III, 9, 16; Tert., De bapt^ bes. die Schlussworte: 
benedicti (sei. catechumeni). quos gratiä Dei expectat, cum de illo sanc- 
tissimo lavacro u. s. w.; Clement., Horo. IX; X; Gregor Naz., Orat. 
40; Cyrill V. Jerus., Cat. XVII, 87, vgl. III, 3; XIX; XX u. ö. 



58 DIE FRESKEN DER SAKRAMENTSKAPELLEN IN S. CALLISTO. 

Was insbesondere die Malereien in B betrifft, so fügen sich 
dieselben y wie die Untersuchung gezeigt hat, nicht als Glieder 
eines einheitlichen Ganzen aneinander, sondern stellen mit ge- 
ringen Ausnahmen für sich selbst existirende Theile dar, so 
dass kein Grund vorliegt, ihre Anordnung, als über die Lei- 
stungsfähigkeit des Künstlers hinausgehend, auf einen ,,dottore" 
(de Rossi a. a. O.) zurückzuführen. 

Die sitzende Figur auf der Hinterwand, welche mit der 
erwähnten identisch ist, macht mit der Rechten einen ähnlichen 
Gestus des Unterweisens. Leider ist das Wandstück, welches 
das Komplement trug, ausgebrochen. Ich vermuthe, dass dieses 
den Künstler darstellte, der betreffs der Dekorirung des Kubi- 
kulums von dem Besitzer Anweisungen erhielt, wodurch für 
die Bilder an den Thürwänden eine passende Parallele gewonnen 
würde. 

Wie die linke Seiten wand mehrere Scenen aufweist, so 
auch die ihr gegenüberliegende Wand, aber nur ein Fragment 
hat den Ruin überdauert. Dasselbe stellt die Auferweckung 
des Lazarus dar. Vor dem Grabe, das, im Widerspruche mit 
dem Texte, als Grabeshaus mit Fries und auf drei (?) Stufen 
sich erhebend, gebildet ist ^), steht Lazarus mit mädchen- 
haften, kindlichen Zügen und in ein lang herabfallendes Ge- 
wand, ähnlich dem Doppel-Chiton griechischer Frauen, gekleidet, 
so dass die beiden leicht am Körper anliegenden Arme unbe- 
deckt bleiben. Neben ihm sieht man den nackten Oberkörper 
einer männlichen Gestalt, welche den rechten Arm in einem 

1) Denn „omfjXatov" (Joh. ii, 38) bezeichnet eine natürliche oder künst- 
lich hergestellte Höhle, Grotte, in diesem Falle eine in den Felsen ge- 
hauene Krypte, wie auch ein Fresko (Bott., t. 187) und drei GoldgUser 
(Garr., Vetri VIII, i, 6, 8; I, 2) zeigen. Die Mehrzahl der Darstellungen 
dagegen hat ein eigentliches tempelartiges, mit Stufen versehenes Grabhaus, 
dessen Eingang zuweilen zwei Säulen begleiten (Bott., t. 128; 129 IX; Garr, 
Vetri VIII, 7), und dessen Längenwand Fensteröffnungen durchbrechen (Bott., 
t, 128; 175). Als besondere Anomalie ist zu verzeichnen, dass einmal 
die ThOr an der Langseite sich findet (t. 140). und das Haus die Form 
einer testudo arietaria annimmt (t. :53); einmal auch ist in der Scene das 
Grab ganz weggefallen (t. 186). Für das Grabeshaus lassen sich antike 
Vorbilder nachweisen (Annali dell* Inst, archeol. 1849, tav. d' agg. M.); 
besonders charakteristisch ist eine Darstellung bei Ov erb eck, Galerie 
heroischer Bildw. Atlas, Taf. XXXIII, 20. 



DIE FRESKEN DER SAKRAMENTSKAFELLEK IN S. GALUSTO. 5 9 

Stumpfen Winkel nach innen gebogen hat; es ist das Fragment 
eines Christus, der das Pallium in gleicher Weise gefaltet trug, 
wie der Besitzer des Grabes in demselben Kubikulum. Der 
rechte Arm führte wohl einen dünnen Stab; so legt wenigstens 
die Parallele in D nahe; die Linke dagegen lässt sich nicht 
nach dieser Parallele restauriren. Denn dieselbe erhoben zu 
denken, hat keinen Sinn. Entweder lag der Arm ganz unbe- 
schäftigt am Körper oder w^ar leicht gebogen oder hielt das 
Gewand; für jede dieser drei Möglichkeiten lassen sich Beispiele 
nachweisen. 

Die Darstellung in Z), welche ich gleich hier anknüpfe, 
ist offenbar derjenigen in B nachgebildet, mit Abweichungen 
indess^ die sie weit unter das Original stellen. Das Gewand 
des Lazarus ist verkürzt, die Arme verstecken sich unter den 
Falten, wodurch etwas Hartes in die P'igur kommt, welchem 
die gespreizten Beine noch ein komisches Moment beifügen. 
Das Grabeshaus ist zusammengedrückt, sein Dachgiebel mit 
Palmetten versehen, und das Mauerwerk durch dicke Linien 
markirt. Christus vollzieht, im Gegensatze gegen die Mehrzahl 
dieser Darstellungen, aber" mit Anschluss an den Text, das 
Wunder durch das gesprochene Wort, wie die Handbewegung 
zeigt, aber der Stab ist dennoch der Handlung pleonastisch 
beigegeben. 

Dieser gertenartige Stab, den Christus bei der Auferweckung 
des Lazarus und sonst führt, ist das eigentliche Zeichen seiner 
thauraaturgischen Thätigkeit und fehlt daher bei Darstellungen 
von Wundern nur sehr selten ^); zuweilen deutet der Stab allein 
an, dass Christus im Vollzuge eines Wunders gedacht ist 
(Garrucci, Vetri VII, 5, 6, 7 — 15). 

Das Attribut ist ausserchristlichen Ursprunges, entweder 
die virgula divina, mit welcher heidnische Thaumaturgen 
zu operiren pflegten^), oder, was wahrscheinlicher, eine Nach- 
bildung des Kerykeion (caduceus) des Hermes, des Symbols 
der einschläfernden und der erweckenden Kraft des Seelenführers, 



1) Z. B. Garr., tav. XXXI, i; XXX; Marchi, Monum., tav. XLVII 
(wo indess Raumenge die Auslassung verursacht zu haben scheint); im 
Allgemeinen aber auf spätem Bilderwerken. 

2) Odyss. X, 237 ff.; 3i6 ff. 



60 DIE FRESKEN DER ti AKRAMEN TSKAFBLLEN IN S. CALLISTO. 

welchem dasselbe auch bei magischen Verwandlungen diente *). 
Die Vermuthung, dass der Stab eine direkte Nachahmung des 
Herrscherstabes der Alten sei, wird dadurch ausgeschlossen, 
dass derselbe vorwiegend kurz und dünn, gertenförmig gebildet 
ist und gerade dem thronenden Christus fehlt 2). 

In der spätem Kunst nimmt der thaumaturgische Stab die 
Form eines Kreuzes an ^). Der sepulkral- symbolische Charakter 
der Darstellung bedarf keines Erweises. TertuUian bezeichnet 
die Auferweckung des Lazarus als ^,primum resurrectionis 
exemplum" (De resurr, carn., c. LH). Im Uebrigen vgl. S. i5 ff. 
. Von der Voraussetzung ausgehend, dass die rechte Seiten- 
Wand des Kubikulums C früher eine Darstellung der Auferweckung 
des Lazarus getragen habe, ist der Schluss gemacht worden, 
dass diese Scene, weil sie in der genannten Grabkammer an 
das Wunder der Brodvermehrung anschliesse (?), und diese 
letztere eine direkte Beziehung auf die Eucharistie habe, als 
eine ,,nothwendige Ergänzung der Darstellung der heil. Eucha- 
ristie" anzusehen sei (Deutsche R. S., S. 32 1 f.). Es ist in der 
That nicht unwahrscheinlich, dass das zerstörte Bild der rechten 
Seitenwand von C die Auferweckung des Lazarus zeigte, aber 
dasselbe würde, den günstigsten Fall gesetzt, dass es unter 
den Gruppen dieser Wandfläche (denn dieselbe trug mehrere, 
jetzt zerstörte Darstellungen) der Hinterwand am nächsten sich 
befunden habe, immerhin durch drei gesonderte Felder von der 
Brodvermehrung, beziehungsweise dem Mahle getrennt gewesen 



*) II. XXIV, 343: T^ x'dvBpwv opi^axa O-eXyet <Sv ^d'sXei, tob^ S* auxe 
xal uitvwovta^ lyetpet. Antonin. Liber. 10, i5, 21, 23. Vgl. Justin M., 
Dial. c. Tryph. c. 69: „öl 81 xa\ taüta (die Wunderthaten Jesu) 6pu)VtE^ 
YtvojJLeva «pavxaoiav fj.a'K'tx'rjv ^tveo^at eXe^ov * v.a\ yap jJ.aifov elvat aoxöv IxoXpiaiv 
Xe^etv". 

2) Richtig schon l'Heureux a. a. O., S. 85: «Virga quam dant pictores 
Christo, non cujusvis imperii Signum est, sed ejus quod morbos, iniirmitates, 
mortem ipsam abigit et jussis obtemperare cogit.*' Ebenderselbe hat auch 
den Zusammenhang der virga Christi mit der heidnischen virga erkannt, 
unrichtig aber kehrt er das Verhältniss um; „e qua (d. h. scriptura sacra) 
nescio an hauserint poetae gentiles, ut quibusdam, qui transmutationibus 
rerum dabant operam, virgas darent" (a. a. O.). 

3) Gori, Thesaurus vetl. dipt., vol. III, tab. VIII, XXIII, XXIV; Hahn 
Fünf Elfenbeirgefässe des früh. Mittelalt., Hann. 1862, Taf. III, 4,'und sonst. 



DIB FRESKEN DER SAKRAMBNTSKAPELLEN IN S. CALLIfiTO. 6 I 

sein, so dass es schwerlich mit diesem in direkten Ideennexus 
gestanden haben könnte. 

Die beiden Delphine an der rechten Seitenwand sind 
blosse Dekorationsstücke, wie auch sonst (Bott., t. 67; 91; 
R. S. II, t. 25); sie finden sich auf altchristlichen Monumenten 
zwar auch mit derselben Symbolrk wie der Ix^b? (Bull. 1870, 
S, 5o ff.), aber gerade, weil auf der gegenüberliegenden Wand 
zu diesem Z\yecke ein gewöhnlicher Fisch verwandt ist, scheint 
den Delphinen ein gleicher symbolischer Inhalt nicht zuerkannt 
werden zu dürfen. 

In grösserer Höhe als die bisher behandelten Gemälde, in 
der Lünette der Hinterwand, hat der Künstler sein Haupt- und 
Meisterstück, das Schiff im Sturme, angebracht. Er hat den 
Moment dargestellt, wo die letzte. Mannschaft das verloren gege- 
bene Fahrzeug zu verlassen und den bereits auf dem fluthenden 
Meer treibenden Gefährten zu folgen sich anschickt. Aber 
während der am Steuer stehende Mann durch nichts ausge- 
zeichnet ist, senkt sich zu dem Jünglinge im Vordergrunde 
eine schützende Hand von dem Himmel herab. Derselbe erweist 
sich leicht als die Hauptfigur des Bildes, die in den Vorder- 
grund gestellt und mit besonderer Sorgfalt ausgeführt ist. Auf 
seinem Antlitze leuchtet feste Zuvei^sicht, trotzdem die Wellen 
bereits um seine Füsse branden; ruhig, furchtlos, mit ver- 
trauensvollem Gebete ist er an den Rand des Fahrzeuges 
getreten, um dem tosenden Elemente, das dieses zerschmettert, 
sich anzuvertrauen. 

Wird die Situation in dieser Weise verstanden , und ich 
denke, anders lässt sich dieselbe nicht auffassen ^), so wird 
damit zugleich die Interpretation de Rossi's (a. a. O., S. 347) 

1) Wenn Richemont a. a. O., S. 374, mit französischer Phantasie 
ausfohrt: „Mais tandis qu'au dehors tout est trouble et pdril, l'int^rieur du 
vaisseau nous ofFre un ffappant contrast; la au contraire, tout est a Tespoir, 
et le speclacle principal est celui d'un fidele, qui diend les bras* avec la calme 
confiance de la pri^re" — so bewährt sich diese Auffassung an der Dar- 
stellung selbst nicht. Noch willkürlicher die deutsche R. S., S^ 323: „...ein 
Bild des Christen, der, durch das Taufwasser in das mystische Schiff ein- 
getreten (!), mit dem Himmelsbrode genährt, . . . durch das tosende Meer 
des Lebens hir>durcb dem ewigen Hafen : zueilt. Der Ertrin^tendie . (?) ist 
hinzugefügt, um das Los der Ur\gläubig^n zu symbolisireo.'^ r. : 



62 DIE FRESKEN DER SAKRA.MENTSKAPELLEN IN 8. CALLISTO. 

und Garrucci's (a. a. O., S. ii), welche das Bild zu der Kirche 
in Beziehung setzen, ausgeschlossen. Denn ein Schiff, das von 
den Wellen überfluthet und von seiner Mannschaft als rettungslos 
aufgegeben wird, kann unmöglich die Kirche symbolisiren *). 
Die Worte Hippolyt's: „Wir, die wir auf den Sohn Gottes 
hoffen, werden von den Ungläubigen verfolgt . . . Die Welt ist 
das Meer, auf welchem die Kirche, wie ein Schiff auf dem 
Ocean, von den Fluthen hin- und hcrgeschleudert wird, ohne 
verschlungen zu werden", welche man durch das Gemälde 
illustrirt findet, sind darum ein direkter Protest gegen diese 
Auffassung. 

Das Sujet ist vielmehr ein biblisches, der Schiffbruch des 
Paulus vor Malta. Der Darstellung des Fresko entsprechend heisst 

es Apostelgesch. XXVII, 41: „ireptweaoVTe? hl el^ tOTCOV Si^oXaooov 
InexeiXav rf^v vaov xal ii [ikv icp(j)pa Ipeiaaaa e{j.eivev ^oocXeoto^, tj 0^ Tcpo^va 
IXüeto üTci t^? ßia$." Auch das Vorhandensein eines Mastes ist 
ausdrücklich erwähnt (v. 40), und ebenso bemerkt, dass sich 
Alle durch Schwimmen, mit oder ohne Hilfe von Brettern an 
das Land retteten (v. 43 f.). Dass andererseits die Zahl der 
Mannschaft auf 276 Seelen angegeben wird (v. Sy), während 
das Gemälde nur drei Personen zeigt, kann nicht befremden. 
Eine solche durch künstlerische wie durch räumliche Motive 
bedingte Reducirung lässt sich bei heidnischen wie bei christ- 
lichen Künstlern nachweisen; das Schiff des Jona z. B. erscheint 
häufig nur mit einer, zuweilen mit zweien, selten aber mit 
mehr als drei Personen bemannt 2). Es kam in. erster Linie 
darauf an, die Hauptfigur wirkungsvoll hervortreten, zu lassen. 
Die in den Wolken sichtbar werdende Jünglingsgestalt, 
welche die bisherige Erklärung nicht zu bestimmen weiss 
(Richemont: „la vertu divine"), wird durch den Text der 
Apostelgeschichte klar bestimmt. Denn nach demselben sprach 
Paulus zu der Schiffsmannschaft: r'^oLpiarq ^ap fxot taü-ng t^ voxtI 
To5 ^eoo .... (hf(skoq XeY«>v * [jl-J] «poßöö, XlaüXe." Freilich ist dieser 
Vorgang von der auf dem Bilde dargestellten Katastrophe durch 
eine Reihe von Tagen geschieden (v. 27), aber in der Er- 
zählung selbst sind beide Ereignisse so dicht aneinander ge- 

1) Hippol., De Antichr.y c. 49 (Gallandi, Bibl. patr., t. II, p. 438). 
^) Bottari, t. 133; 143; 170; 56; 146; 354 und sonst. 



DDS FRESKEN DER SAKRAMENTSKAFELLEN IN S. CALLISTO. 63 

rückt, dass der Irrthum des Künstlers sich leicht erklärt, wenn 
nicht sogar anzunehmen ist, dass diese Verknüpfung zweier 
zeitlich geschiedener^^ Vorgänge eine bewusste war, in der 
Absicht ausgeführt, die bei der Rettung des Paulus wirksame 
göttliche Hilfe als Erfüllung eines vorher gegebenen Ver- 
sprechens energisch zu bezeichnen und zu begründen. Ebenso 
sind in Z), ohne dass indess irgend ein künstlerisches oder 
räumliches Motiv dazu drängte, drei Jona-Scenen zu einer 
Darstellung vereinigt, während doch zwischen der ersten und 
der zweiten ein Zeitraum von drei, zwischen der zweiten und 
der dritten von 40 -|- x Tagen liegt. 

Die Figur des Engels ist von dem Künstler in einer .Weise 
entworfen, welche für die Stellung der christlichen Kunst zu 
der antiken äusserst charakteristisch und lehrreich ist. Denn 
im ganzen Gebiete der altchristlichen Kunst begegnet allein hier 
die Anwendung des Strahlennimbus bei himmlischen Wesen, 
während derselbe sonst ein nicht ungewöhnliches Attribut 
Konstantin's des Grossen und seiner Nachfolger ist *), freilich 
in einer Mischform aus Diadem und Nimbus, wie sie nach 
griechischen Vorbildern frühzeitig von römischen Herrschern 
adoptirt wurde 2). 

Der das Haupt umleuchtende Nimbus ist eine künstlerische 
Reduktion des Lichtschimmers, von welchem sich das Alterthum 
die irdische Erscheinung der Götter umhüllt dachte ^), wie auch 
das Alte Testament den Herrn in Feuer und Flammen dem 
Menschen sichtbar werden lässt *) und den Engeln eine gleiche 
Erscheinungsform zuerkennt ^). 

Schwerlich indessen ist die Anwendung des Nimbus auf 
diesem Gemälde direkt auf alttestamentliche Vorstellung zurück- 
zuführen, so dass also die christliche Kunst selbständig einen 



*) Banduri, Numism. Iraperat.) t. II, S. 2i3; 225; 227. 

') Cohen, Med. imp^r. I, pl. IV; XII; XV vgl. Eckhel, Doctr. 
num., t. VI, S. 269 ff. 

3) Z. B. Homer, Hymn. V, 188 f.; Virgil., Aen. II, 588 ff.; II, 6i5 ff.; 
Valerius Fiaccus, Argon. V, i83. 

*) Gen. i5, 17; Exod. i3, 21; 19, 18; Num. 9, i5; Deut. 4, 12, 33, 36; 
Ezech. 8, 2 und sonst. 

^) Ex. 3, 2; Jud. i3, 20 ff. 



64 I>IB FRESKEN DER SAKRAMENTSKAPELLEN IN S. CALLISTO. 

der heidnischen durchaus parallelen Schritt gethan habe. Schon 
die Thatsache, dass in der altchristlichen Periode diese An- 
wendung sich auf ein einziges Beispiel beschränkt, steht jener 
Annahme entgegen, noch mehr aber die ganze Fassung der 
Figur, die direkt auf heidnische Vorbilder zurückgreift. 

So erscheint auf der Trajanssäule *) Jupiter, oder welche 
Gottheit es ist, als Helfer der Römer in den Wolken, von 
einem Gewandstreifen umhüllt, so dass nur der Oberkörper 
sichtbar ist, den Arm gegen die Feinde ausreckend. Ferner, 
das bekannte pompejanische Gemälde der Opferung Iphigenia's 2) 
zeigt uns Diana in ähnlicher Fassung, dazu mit einer Strahlen- 
krone. Noch näher aber steht die Nymphe, welche die Hirsch- 
kuh herbeiführt, in ihrer äusseren Erscheinung dem Engel unseres 
Bildes. Vgl. ausserdem Mus eo Capit, IV, 29; Raoul-Ro- 
chette, Monuments ined. pl. LXIX, i; Miliin, Monuments 
in^d. I, pl. 29; II, pl. 26; Gerhard, Antike Bildwerke, Taf. 81,6. 
Auch stellt die altchristliche Kunst, wo sie Engel bildet, die- 
selben niemals blos partiell dar, sondern immer in ganzer 
Figur, denn die aus den Wolken gereckte Hand, welche sich 
zu Abraham wendet oder Mose das Gesetz überreicht, gehört 
Gott an. Auch die verkürzende Umgrenzung einer Figur durch 
den kreisförmigen Gewandstreifen lässt sich sonst nur bei Typen 
nachweisen, die unverändert aus der heidnischen Kunst herüber- 
genommen sind, wie bei Sol und Luna ^). 

Wenn somit die Figur, als Ganzes betrachtet, ihre Parallelen 
allein in der Antike hat, so kann der Strahlennimbus ebenfalls 
kaum anders als durch unmittelbare Nachahmung gewonnen 
gedacht werden. Somit bietet dieses Fresko ein beachtenswerthes 
Beispiel dafür, dass die altchristliche Kunst nicht allein in rein 
ornamentalen Stücken oder in solchen Gruppen, die keinen 
eigentlichen religiösen Inhalt haben, sich die Formen dqr Antike 
angeeignet hat, wie de Rossi und seine Schule behaupten, 
sondern auch die äussere Erscheinungsform eines specifisch 



^) Pistolesi, Colonna Traj., Roma 1846, tav. XII. 

^) Heibig, Wandgemälde n. i3o4. 

3) Bottati 33; 42; 65. Dagegen zeigen Mosaiken des fünften Jahr- 
hunderts Gott in halber Figur ^vgl. Garrucci 2i5, i; 217, i; 219, 4), aber 
auch nur in Nachahmung der Antike. 



DIE FRESKEN DER SAKRAMENTSKAPELLEN IN S. CALLI8T0. 65 

christlichen himmlischen Wesens der religiösen und künstlerischen 
Vorstellung des Heidenthums nicht nachgebildet, sondern un- 
verändert entnommen hat. 

Dass aber andererseits eine solche Stellungnahme zu der 
Antike, wenn nicht auf einen Künstler, so doch auf . eine un- 
wesentliche Minderheit beschränkt blieb und niemals zu Einfluss 
gelangte, wird durch die Thatsache erwiesen, dass nicht nur 
diejenigen Künstler, welchen die Malereien in B als Vorlage 
dienten, dieser Figur gegenüber sich abweisend verhalten, 
sondern dass auf dem ganzen Gebiete der altchristlichen Kunst 
eine solche Darstellung nirgends wieder begegnet. 

Dass das Gemälde einen symbolischen Inhalt hat, kann 
nicht zweifelhaft sein. Wenn in der biblischen Erzählung die 
Errettung aus Schiffbruch und Wellennoth als eine wunder- 
bare Gottesthat geschildert und hervorgehoben wird (29, 20, 
2 3 f.), so wird damit das Ereigniss in die Reihe der biblischen 
Wunder und damit in die symbolische Werthschätzung derselben 
gestellt. 

Weil es sich aber in der Erzählung und in der Darstellung 
genauer um eine Errettung aus Wassertiefe und -Noth handelt, 
so erhält die Scene nach Massgabe des S. 49 f. Bemerkten noch 
einen individuellen Zug. Die Figur des Jünglings scheint ausser- 
dem Porträt zu sein, und hier also ein weiteres Beispiel des 
S. 14 f. erwähnten, von der Antike überkommenen Verfahrens 
vorzuliegen, in die biblisch -sepulkralen Scehen das Bild des 
Verstorbenen einzutragen. 

Die Malereien der Decke gruppiren sich, wie bereits bemerkt 
wurde, um die Figur des Guten Hirten, der ohne Zweifel 
beliebtesten Darstellung der altchristlichen Kunst ^). Sie lässt 

1) Als Fresko: Bottari, t. 48; 55; 64; 76; 77; 78; 79; 80; 81; 82 j 
91; 93; 97; 99; loi; io3; io5; 107; ii3; 116; 122; i25; 137; 143; 145; 
148; i5i; 154; i55; 162; i65; 167; 170; 172; 174; 179; i83; 187. De 
Rossi, R.S.I, tav. IX, X, XVI; II, tav. XI, XIII, 2, XVIII, i, XIX, i, XX, 2; 
III, tav. VIII, IX, XIV. Bull, crist. i863, S. 3; 1868, S. 75; 1873, tav. I- 
Garrucci, J. 91. Revue de Tart chr^t. 1877, pl. IX. Oraz. Marucchi, Di 
un ipogeo recentemente scoperto nel cim. d. S. Sebast. Roma 1879, tav. IIa. 

Als Relief: Bottari 33; 38,87; i3i; i63; De Rossi, R. S. III, tav. XL, 
XLI. Garrucci, t. 295, i, 2; 296,2, 4; 297, i, 2, 3; 298, i, 2, 3,v 299, i; 
3oo, I, 2, 3; 3oi, i, 2; 3o3, i; 304, 3, 4. Delamare, Explor. de TAlg^rie, 

Sobnltze, Areliftologiflclie Studien. 5 



66 DIE FRESKEN DER SAKRAMEKTSKAFELLEN IN S. GALLISTO. 

sich bereits am Anfange des zweiten Jahrhunderts nachweisen, 
gelangt im Verlaufe des dritten Jahrhunderts zu häufigster An- 
wendung und wird von der Skulptur und der Goldglasfabrikation 
bis hart an das Ende der altchristlichen Kunstentwicklung ge- 
tragen. Ja, die Darstellung greift verschiedentlich über diese 
Grenze hinaus. 

Im Allgemeinen bewahrt das Sujet eine bestimmte Form 
der Anordnung: der Hirt, in Tunika, mit kurzem Haar 
und bartlos, trägt auf seiner Schulter ein Schaf, dasselbe mit 
beiden Händen haltend; zwei andere, links und rechts neben 
ihm stehend, blicken zu ihm auf. Bäume oder Pflanzen deuten 
die Landschaft an. Dieser Typus wird, abgesehen von dem 
wechselnden Wurf des Gewandes, der verschiedenen Art und 
Weise j das Schaf zu tragen, und andern nicht näher anzu- 
gebenden Einzelnheiten, besonders dadurch verändert, dass der 
Hirt inmitten seiner weidenden Heerde sitzend oder stehend, 
oder in Gemeinschaft mit andern Hirten erscheint, wodurch 
das Bild ein genrehaftes Gepräge gewinnt. Diese Umgestaltungen 
treten indess erst verhältnissmässig spät auf. 

Ein Abhängigkeitsverhältniss der Darstellungen des Guten 
Hirten von den Bildern des Hermes xpidcpopo^, welches Bottari 



Paris i85o, pl. i56, 4. — Zweimal auf Sarkophagen in der (nicht öffent- 
lichen) Sammlung des Fürsten Torlonia in RomjMm Museum zu Spalato, 

Auf Epitaphien: De Rossi, R. S. I, tav. XIX, 11; XXI, i; II, tav. 
XXXIX 10, II, 38; XLIX, 17; III, tav. XXX, 45. Bull, crist. 1866, S. 86. 
Perret, V, pl. 48, 20; 43. Boldetti, S. 36r, 362, 364, 365, 366, 369, 377. 
Mehrere Beispiele in der Sammlung des Lateran und im Museo Kirch. 

Auf Goldglösern: Garrucci, Vetri, tav. I, 4; VI, i — 9; XXVIII, 4. 

Auf Lampen: Bottari II, S. 179; Bellori, Lucernae sepulchr., t. 28; 
Perret, IV, i3, i; 17, 3. Bull, crist. 1870, tav. I, VI. Revue arch^ol. 1876, 
pl. I. Einige Exemplare in der Vatikan. Sammlung, im Museo Kirch, und 
sonst häufig in römischen und ausserrömischen öffentlichen und privaten 
Sammlungen. 

Auf geschnittenen Steinen und Bronze -Medaillons: Perret IV, pl. 16, 
2, 5, 6, 8, 12, 19, 82 (?); pl. 20, 7. 

Auf einem Bleigefässe aus Tunis: Bull, crist. 1867, S. 88. 

Als Mosaik: Garrucci 270, i, 2; 233, 2. 

Als Statue: Perret V, pl. IV. Bull, crist. 1869, S. 46; Marti gny, 
Dict., S. 586. Revue arch^ol. 1876, S. 297. Mittheil, des deutsch, archäol. 
Instit. in Athen 1877, S. 358 n. i32. 



DIB FRESKEN DER SAKRAMENTSKAFELLEN IN S. CALLISTO. 67 

(Scult. e pitt.y t. I, S. 122) zuerst angedeutet und dann Raoul- 
Rochette zu begründen versucht hat, wird von der gegen- 
wärtigen Forschung noch rückhaltslos anerkannt, wie sehr die- 
selbe auch die Extravaganzen Rochette^s modificirt hat ^). Wenn 
man aber die grosse Seltenheit der Abbildungen des Hermes 
xpidcpopo^ in Betracht zieht und die bedeutenden Differenzen be- 
achtet, welche die antiken Darstellungen von den christlichen 
scheiden 2)^ sowie den Umstand, dass Hermes in seiner Eigen- 
schaft als Beschützer der Heerden dtr römischen Mythologie 
so gut wie unbekannt und als solcher auch in Griechenland 
lokal beschränkt war^), so dürfte die traditionelle Ansicht auf- 
zugeben sein. Eine genauere Parallele bieten die antiken Dar- 
stellungen von Hirten, und ihnen gegenüber ist mit Recht 
anerkannt worden ^), dass sie von den entsprechenden christ- 

^) Piper, Myth. u. Symb. I, 77 ff.; de Rossi, R. S. II, 353 f.; Boissie^r 
in der Revue des deux Mondes, i*' mars 1869, S. 49; Deutsche R. S., S. 229 f. 

2) Eine dem guten Hirten völlig gleiche Darstellung des Hermes 
xpiocpopo^ ist bis jetzt nicht nachgewiesen. Die Monumente, auf welche man 
sich stets wieder beruft, sind hauptsächlich: 

1. Clarac, pl. 658 n. i545. Statue desi bärtigen Merkur. Auf der Schulter 
trägt er einen Bock; über den Rücken fällt ein Gewand herunter; sonst ist 
die Figur völlig unbekleidet. Die Beine sind dicht aneinander geschlossen. 

> 

2. Inghirami, Museo Chiusino, t. I, tav. XXXV. Merkur, nur mit 
einem Mantel bekleidet, den caduceus führend, in rasch schreitender Bewe- 
gung, ein Schaf auf der Schulter tragend. 

Die Differenzen sind derart, dass sie die Annahme eines Abhängig- 
keitsverhältnisses des einen Typus von dem andern ausschliessen. Zudem 
ist zu beachten , dass Merkur als 'Epjj.'^g vojjiio^ von der Kunst vorwiegend 
so gefasst wird, dass nur ein Schaf oder eine Ziege in seiner Begleitung 
erscheint, oder so, dass er auf einem Widder reitet. Daher Pausan. II, 3, §.4: 
„xad-i^jxevo^ lottv 'EpftTJ^, «apeoTTjxe hh ol xptog". Vgl. die Abbildungen 
Müller & Wieseler, Denkmäler II, Taf. XXIX n. 320, 322, 323, 325; 
Tölken Verz. d. geschn. Steine d. königl. Samml. i8( n. 883—888, 895; 
Monum. ined. dell' Inst, di corr. archeol. 1862, tav. 67; Bellori, Lucernae 
sepulchr., tab. 18; Lucernae fict. Musei Passerini, t. loi, 102; Thesaurus 
gemm. ant. Fiorent. 1760, tab. 87, 88; Clarac, pl. 658 n. i545. 

3) Beuld, Mercure criophore, Paris 1862 (Extrait de la Revue archdol.), 
S. 4 ff. 

*) Steph,ani, Compte-rendu de la Comm. archeol. de S. Pdtersb., 
S. 28. Hieher gehören z. B. der Hirt auf dem jetzt in Paris befindlichen 
Sarkophage der LIVIA NICARVS, ein Graffito auf einer Grabstele im Museo 
lapidario in Ravenna und ein Sarkophag- Relief ebendaselbst. 

6» 



68 DIB FRESKEN DER S/iKRAMEKTSKAPELLEN IN S. GALLISTO. 

liehen nicht immer mit Sicherheit zu unterscheiden seien. Aber 
es liegt überhaupt kein Grund vor, die altchristliche Kunst in 
der Schöpfung dieser so einfachen Figur, für welche sowohl 
die Literatur (Luk. XV, 5, vgl. Tibull., Eleg. I, i v. 3i; 
Calpurn. Eclog. V, Sg), als auch die Wirklichkeit Anhalts- 
punkte genug bot, von der Antike abhängig zu stellen. Wenn 
die sardisch-phönikische Kunst selbständig eine widdertragende 
Figur schaffen konnte ^), so darf man diese Fähigkeit der christ- 
lichen Kunst gewiss nicht absprechen^ besonders der Anfangs- 
und Blüthezeit derselben. 

Die Darstellung des Guten Hirten ist nicht auf die Grab- 
monumente beschränkt geblieben: Lampen, Gemmen, Medaillons^ 
Goldgläser, Mosaiken zeigen sie und nach einer Angabe Ter- 
tullian's ^) wurde der Gute Hirte damals auf Becher (calices) 
gemalt. Auch besitzt die altchristliche Kunst Statuen des Guten 
Hirten. Immerhin aber ist die Darstellung nicht nur ihrem 
Ursprünge nach cömeterial, sondern erweist sich auch als 
solche durch die Art und Weise ihrer Verwendung auf Grab- 
monumenten. Denn der Gute Hirte wird mit. Vorliebe in das 
Centrum des Deckengemäldes gestellt, während die biblisch- 
sepulkralen Scenen oder auch Oranten oder Darstellungen, deren 
sepulkraler Charakter zweifellos ist, wie Pfauen, Steinböcke, 
Granatäpfel, um ihn herum geordnet sind und in ihm ihren 
Mittelpunkt finden. Wird der Gute Hirte auf den Wandflächen 
des Arkosoliums abgebildet, so erscheint er nicht selten in 
Begleitung von einer oder von zwei Oranten 3), die sich zu ihm 
hinwenden, oder in der Mitte von allegorischen Darstellungen 



*) Gaet. Cara, Idoli sardo-fenici, Cagliari iSyS, S. 287 und tav. III, i; 
vgl. auch ein Monument aus Theben bei Wiikinson, Manners and customs 
of the anc. Egypt., vol. III, S. i3, und eine Statue von Kypros bei Palma 
di Cesnola, Antiqu. of Cypros, London 1873, Taf. 25. 

2) Tert., De pudic, c. 7; 10. Es bleibt immerhin fraglich, ob unter 
den „calices" kirchliche oder Privat -Trinkgeschirre zu verstehen sind, da 
Tert. mit diesem Worte sowohl gewöhnliche Becher (de resurr. c. 16), 
als auch die Abendmahlskelche (de cor. mil. c. 3) bezeichnet. Jedenfalls 
waren die Becher von Glas, wie bereits du Gange (Glossar. Galix) richtig 
gesehen hat. 

3) Bottari, t. 79; i6g; 172; i25; Garrucci, t. 67, 2 und mehrfach 
auf Epitaphien. 



DIE FRESKEN DER SAKRA^NTSKAPELLEN IN 8. OALLISTO. 69 

der vier Jahreszeiten , die den Kreislauf und Wechsel des Lebens 
andeuten*). Schon hieraus resultirt, dass auf den Grabmo- 
numenten der Gute Hirte nicht anders zu fassen ist, als die 
Reihe der Darstellungen, innerhalb derer und mit denen ver- 
bunden er entgegentritt, d. h. sepulkral: Der Gute Hirte, 
das Schaf auf der Schulter tragend, und von Schafen 
begleitet, symbolisirt Christus, welcher die Todten 
um sich sammelt und heimführt. 

Ein in dieser Beziehung höchst wichtiger Sarkophag in Aire 
(Departement de Landes), welchen Garrucci jüngst veröfifent- 
licht hat 2), bestätigt diesen Schluss. In der Mitte der Vorder- 
wand ist der Gute Hirt, ein Schaf auf der Schulter tragend, 
dargestellt. Links neben ihm steht eine in Stola und Palla ge- 
kleidete verschleierte Matrona, die sich dem Guten Hirten zu- 
wendet. Rechts von diesem, etwas zurück, erscheint eine zweite 
Matrone in gleicher Gewandung und in derselben Richtung nach 
der Mittelfigur hin und legt ihre rechte Hand auf die rechte 
Schulter eines vor ihr stehenden, circa zehnjährigen Mädchens, 
das ebenfalls nach dem Guten Hirten blickt. Daran schliesst 
links Daniel in der Löwengrube, rechts Adam und Eva. 

Deutlicher tritt die sepulkrale Bedeutung des Guten Hirten 
auf keinem altchristlichen Monumente hervor. Die Matrone, 
die von rechts zu ihm herantritt, und das Kind, welches, ohne 
Zweifel von seiner Mutter, zu ihm herangeführt wird, sind eben 
die Todten, die zu ihm sich sammeln^). So zeigt das Bild 
eine in hohem Grade eigenthümliche und interessante Mischung 
von realen und symbolischen Elementen, indem die Schafe zu 
Füssea des Hirten durch die durch sie symbolisirten Personen 
ersetzt werden, das auf der Schulter getragene aber bei- 
behalten wird. 



*) Bottari, t. 48, 55; Bull, crist. i863, S. i u. s. w. 

2) Garrucci, Storia deir arte crist., vol. V, t. 3oi, 3. Vgl. auch Minasi 
in den l^tudes relig. phil. arch. par les Peres de la C. de J., 1872, S. 607 — 55 1 
und in der Revue de Part cbr^t. 1875, S. i23 ff. 

3) Garrucci (a. a. O., S. 11) erklärt die rechts stehende Figur für 
die Kirche, die Matrone im Hintergrunde für eine vornehme Dame, „la 
quäle secondo T uso delle grandi case consacra i primi anni della sua prole 
innocente al culto divino**. Aehnlich Minasi, Revue de Tart. chr^l. a. a. O.» 
S. 144 ff. 



70 



DIE FRESKEN DER SAKRAMENTSKAFELLBN IN S. CALL.ISTO. 



Ein ähnlicher Gedanke scheint einem aus Salona stam- 
menden, jetzt in Spalato aufbewahrten Sarkophag -Relief*) zu 
Grunde zu liegen. Da mir indess der christliche Ursprung des 
Monumentes nicht ganz ausser Zweifel steht, so unterlasse 
ich es, mich auf dasselbe zu stützen. Doch sei noch ein 
römisches Fresko ^) erwähnt, welches den Guten Hirten zeigt, 
welcher mit einer einladenden Handbewegung zwei links und 
rechts stehende Oranten, d. h. Verstorbene, zu sich heran- 
winkt, also deutlich als der gastliche „Vielempfänger' (S. y3) 
gekennzeichnet wird. 

Wenn endlich feststeht, dass, wie ein Säulen- oder Kande- 
laberpaar, so auch ein Baumpaar in der altchristlichen Kunst 
den Eingang in das Paradies bezeichnet ^), so ist der Gute Hirt 
sehr häufig — vielleicht sogar meistens — zwischen zwei Bäume 
gestellt *) und dadurch als derjenige charakterisirt, welcher die 
Todten in die himmlische Wohnung einführt. Diese Bäume 
für landschaftliche Staffage zu erklären, liegt kein Grund vor; 
gegen landschaftliche Scenerie ist die altchristliche Kunst immer 
sehr gleichgiltig gewesen, und es wäre seltsam, dass sie 
z. B. bei den Darstellungen Adam's und Eva's, des Opfers 
Isaak's und sonst vegetatives Beiwerk verschmäht, die Dar- 
stellung des Güten Hirten aber mit Vorliebe mit solchem 
ausstaffirt habe. So sieht man auch öfters den erhöhten 
Christus zwischen zwei Bäumen stehend *), offenbar in der- 
selben Symbolik. 

Auch die auf altchristlichen Sarkophagen nicht seltenen 
Darstellungen der adoratio, npooTtDVTjotg 6) zeugen für die vor- 
getragene Auffassung des Guten Hirten. Denn Christus, vor 
welchem sich die dargestellten Personen niederbeugen oder 
niederwerfen, ist nur das Substitut des Guten Hirten, wie die 

*) Garrucci a. a. O., t. 299, i f.; Gonze, Rom. Bildwerke, Wien 1872, 
L Heft, tav. II, III. 

2) Aringhi, R. S. I, 327. 

5) Martigny, Dict. Parad., S. 575; deutsche R. S., S. 264, 

*) Z. B. Aringhi a. a. O. I, 197, 187, 23[, 33i, 325, 309, 327; II, 
3o— 35, 38, 41, 43, 45, 47, 49, 83, i3o; Garrucci, Vetri VI, i, 3, 6. 
^) Aringhi I, i85, 195 u. s. m. 

6) Vgl. Bottari, t. 25, 28; Miliin a. a. O., pl. 58, 5; 37, 2; Ga- 
zette arch^ol. 1875, pl. 19; Clarac, pl. 227 n. 358. 



DIE FRESKEN DER SAKRAMENTSKAPBLLBN IN S. OALLISTO. 7 I 

links und rechts neben ihn angereihten Apostel an Stelle der 
Schafe getreten sind, die sonst in der Zwölfzahl ihm zur Seite 
stehen. Darum werden auch die Adorirenden durch Schafe 
ersetzt *), und dieser majestätische Christus nimmt das Centrum 
der Relief- Darstellungen ein, d. h. den Platz, welcher in der 
Regel dem Guten Hirten zukommt. 

Weiterhin sei das Fragment eines Goldglases der vati- 
kanischen Bibliothek (G-arrucci, Vetri I, 6) erwähnt, welches 
eine unter dem ausgestreckten rechten Arme des Hirten stehende 
Orans zeigt, jenen also als Schützer dieser, d. h. der Todten 
bezeichnet. 

Endlich ist noch die Vision der Perpetua anzuführen, welche, 
in den Himmel entrückt, in einem grossen Garten Christus „in 
habitu pastoris'' sitzen sieht, um ihn herum aber „candida- 
tos milia multa", d. h. die Seligen. Und sie wird in gleicher 
Weise freundlich von ihm empfangen 2), wie auf den Fresken 
(siehe die oben angeführten Beispiele) die Todten von ihm will- 
kommen geheissen und freundlich eingeladen werden. 

Diese Auffassung Christi als des Herrn und Schirmers 
der Todten hat ihre Wurzel nicht sowohl im Neuen als im 
Alten Testament. Im ersteren klingt dieselbe allein Matth. 
XXV, 32 ff. durch, aber nur unbestimmt und ganz allgemein. 
Stellen dagegen, wie Joh. IX, 12 ff., Luk. XV, 5 f., können, 
da es sich um ein sepulkrales Bild und eine sepulkrale Vor- 
stellung handelt, gar nicht in Betracht kommen. Vielmehr hat 
die Idee des Christus -Hirten, welche die Monumente darbieten, 
ihre Wurzel im Alten Testament. Bei Ezechiel (c. XXXIV) be- 
zeichnet sich Gott als den grossen Hirten, der seine Völker 
zusammensucht aus der Heiden Mitte und sie hinführt auf die 
Gebirge Israels: dort werden ihre Ställe sein und daselbst, 
werden sie „schlafen" (xötjjLTQ^Yjoovxat v. 14) und ,,ruhen" 
(«ivaitaöoovtat; vgl. h((h dvöHraooü) aäxÄ V. 1 5). Wenn schon <lieses 
Bild als Ganzes eine Umdeutung in sepulkralem Sinne, eine 



1) Bottari, t. 21, 22, 5o. 

2) Ruinart, Acta sine, S. 82: „Et vidi spatium horti immensum et 
in medio horti sedentem hominem canum, in habitu pastoris, grandem, oves 
mulgentem, et circumstantes candidatos milia multa. Et levavit caput et 
adspexit me et dixit mihi: bene venisti, tegnon." 



72 



DIE FRESKEN DER SAKRAMENTSKAPELLEN IN S. CALLISTO. 



Beziehung auf das Einführen und Eingehen zu ewigem Frieden 
nahelegt, so sind weiterhin die Verba notpLäoö-at und ävaKaooao'd'ai, 
von der Septuaginta natürlich im Sinne äussern Ruhens 
gebraucht, die eigentlichen Bezeichnungen für ,, Sterben" *). 
Dass Psalm XXIII, in welchem das Bild des Gott -Hirten 
fast durchgängig festgehalten wird und Ausdrücke sich finden, 
wie „Itc\ 58aTo§ dvairaooew^" (v. 2), „Iv jjiaw oxta^ ^avatoo" (v. 4), in 
der That sepulkral gefasst worden ist, "bezeugt ein griechisches 
Epitaph 2), welches anhebt : „K(6)ptö5 itotji'iQv(e)t |ie xa\ o58ev \lz 
6oTep'iQo(e)t". Auch Psalm LXXX, in welchem der ,,Hirt Israels" 
angerufen wird, Leben und Rettung zu verleihen (v. v. 2; 19; 
20), gestattet leicht eine solche Umdeutung. Vgl. ausserdem 
Psalm XLVII: „ahxh^ irot^avel -^{xa? el^ xob? alü)va§" (Gegensatz 
Psalm XL VIII: „«-avaTo? 7iöi|xaveT akob^"); XLIX, i5; LXXIX, i3; 
LXXX, 2; XCV, 7 u. s. w. 

Die angeführten Stellen lassen sich leicht vermehren. Ihr 
Komplex bildet einen hinreichenden Erklärungsgrund für die 
Entstehung der oben nach Massgabe der Monumente entwickelten 
sepulkralen Vorstellung von Christo als dem Guten Hirten, 
welcher die altchristlichen Gemeinden in ihren coemeterialen 
Bildwerken Ausdruck verschafft haben. Die Substituirung 
Gottes durch Christus erklärt sich leicht aus der Selbst- 
bezeichnung Jesu als des Guten Hirten (wozu zu vgl. Jesaia 
LIII, 6) und aus der Scheu der älteren Kunst, Gott bildlich 
darzustellen. Eine weiter unten zu interpretirende Reliefgruppe 
bietet für eine solche Uebertragung ein weiteres interessantes 
Beispiel. 

Die grosse Beliebtheit und häufige Wiederholung der Dar- 
stellung hat Kugler aus dem artistischen und ästhetischen Werthe 
derselben motiviren wollen, F. X. Kraus daraus, „dass in dem 
Guten Hirten die Idee der gesammten Heilsordnung zum Aus- 
druck gelange" (Deutsche R. S., S. 273). Wenn letztere Meinung, 
als eine auf unrichtiger Zweckbestimmung des altchristlichen 
Bilderkreises (vgl. die Prolegomena) beruhende, gar nicht in 

1) So schon im A. T.; im N. T. vgl. Matth. 27, 52; Joh. 11, n; 
I Kor. 7, 39 u. s. ö. Ferner sehr häufig auf Inschriften. Vgl. auch den 
Namen „xotp.7]Trjptov, coemeterium". 

2) C. J. G. IV n. 9153. 



DIE FRESKEN DER SAKRAMENT 8E APELLEN IN S. GALLISTO. ^ 3 

Betracht kommen kann, so genügt auch die Ansicht Kugler's 
nicht vollständig, jene Thatsache verständlich zu machen. Denn 
wenn unzweifelhaft in der altchristlichen Kunst bei der Aus- 
stattung und Anordnung einzelner Sujets ästhetische und arti- 
stische Rücksichten vielfach wirksam waren (z. B. bei den Jona- 
Scenen und bei den Darstellungen Daniel's in der Löwengrube), 
so widerstreitet es doch dem Charakter der altchristlichen Bild- 
werke, in welchem der Inhalt, nicht die Form das Entschei- 
dende ist, ein derartiges Motiv als ausschliessliches zu setzen. Dass 
es mitwirkend gewesen sei, wird sich freilich kaum in Abrede 
stellen lassen. Will man überhaupt versuchen, die häufige An- 
wendung des Bildes auf eine bestimmte Intention zurückzuführen,' 
so dürfte noch am ehesten eine parallele antike religiöse Vor- 
stellung in Betracht zu ziehen sein, welche die aus dem Heiden- 
thume Kommenden für das Sujet empfänglich und die Dar- 
stellung beliebt gemacht habe, die Vorstellung nämlich von 
Hades, dem Beherrscher der Unterwelt. Als finster und un- 
nahbar, als einen Feind der Menschen und nicht zu erweichen 
durch Opfer oder Gebet beschreibt ihn die ältere Sage. Aber 
eine spätere Zeit hat dieses Bild freundlich gemildert. Sie nennt 
ihn den „Wohlwollenden*' (EoßoXo^), den Vielempfänger (IIoXi>8eYjwöv, 
noXoSexTiQ?), in dessen weitem Reiche sich die Todten sammeln, 
und die er dort alle gastreich aufnimmt (Aeschyl., Suppl. i38: 
„Tov icoXu5ev<ötavov Z-^va twv xexjjLYjoTmv") und insgesammt bettet 
(üa^xotr»]?). Und da bei ihm Aller Seelen eingehen, heisst er der 
*AYeot7.ao5 ('ÄYTQoiXa^), der Völkerführende, und man stellte sich 
ihn unter dem Bilde eines seine Schafe weidenden Hirten vor 
•(Find., Ol. IX, 33)^). Diese antik mythologische Vorstellung 
tritt auf einem Mosaik im Mausoleum der Galla Placidia in 
Ravenna, welches dem Guten Hirten die Erhabenheit und Maje- 
stät des königlichen Herrschers zufügt, deutlich hervor. 

Milcheimer, Tasche, Stab und andere pastorale Utensilien, 
mit welchen zuweilen der Gute Hirte ausstaffirt erscheint, sind 
inhaltslose Adiaphora, die nur dazu dienen, das Bild zu individua- 
lisiren. Moderne Exegeten, besonders Richemont und Martigny, 
haben freilich auch in diesen Zuthaten einen symbolischen 

>) Vgl.' Weicker, Griech. Götterlehre II, S. 482; Preller, Griech. 
Myth., 3. Aufl., S. öSg ff. 



y4 ^I^ FRESKEN DER SAKRAMENTSE AFELLEN IN S. CALLISTO. 

Inhalt erkannt und denselben mit Aufwand von Phantasie 
entwickelt und specialisirt, aber man darf sich der Aufgabe, 
auf jenes Verfahren näher einzugehen, wohl entziehen. 

In späterer Zeit, etwa seit der Mitte des dritten Jahr- 
hunderts, tritt die Darstellung des Guten Hirten aus den Grenzen 
des coemeterialen Cyklus heraus, mit Aufgeben oder wenigstens 
mit Abschwächung ihres sepulkralen Inhaltes. 

So findet sich dieselbe z. B. auf geschliffenen Steinen, auf 
einem Bleigefässe aus Tunis (Bull, crist. 1867, S. 88) und 
auf den Gläsern, welche TertuUian (vgl. S. 68) erwähnt. 
Aber daneben dauert die sepulkrale Verwendung fort bis tief 
in das fünfte Jahrhundert hinein, wo das Sujet bereits selten 
geworden ist. 

An der linken Thürwand des Kubikulums C, zu welchem 
wir nun übergehen, begegnet zuerst die Darstellung des Q.uell- 
wunders mit den oben notirten Abweichungen von B. Das 
Gegenstück derselben, die Auferweckung des Lazarus, das man 
auf der rechten Thürwand suchen möchte, befand sich sehr 
wahrscheinlich an der rechten Seitenwand, wie bereits erwähnt 
wurde. 

Eine neue Bilderreihe tritt am oberen Saume der linken 
Seitenwand auf und entfaltet sich in drei Gruppen, von denen 
jede Hauptwand eine trägt, und mit welchen ich aus äussern 
Gründen die beiden Bildchen am Plafond des Kubikulums B 
und die gleichartigen Darstellungen in D zusammenfjasse. Es 
sind sämmtlich Scenen aus dem Leben des Propheten Jona, 
die in C unchronologisch, in B vielleicht (das Bild, welches 
entscheiden könnte, fehlt) chronologisch, in D von rechts nach 
links aufeinander folgen. 

Die linke Seitenwand von C bringt den Augenblick zur 
Anschauung, wo der Prophet aus dem Schiffe gestürzt wird. 
Von den drei Personen der Mannschaft, die in idealer Nacktheit 
gebildet sind, hat eine soeben diese That vollbracht, wie der 
vorwärts gerichtete Oberkörper und die ausgestreckten Arme 
zeigen; eine zweite sitzt am Steuer, eine dritte steht am ent- 
gegengesetzten Ende des Fahrzeuges und erhebt die Hände in 
der Weise eines Betenden, hier aber offenbar nur als Ausdruck 
stark erregter Theilnahme an dem Vorgange, aufweichen auch 



DIE FRESKEN DER SAKRAMENTSKAPEUiEN IN S. CALLISTO. y5 

ihre Augen gerichtet sind , wie auch das Gesicht des am Steuer 
Sitzenden. Rechts eilt das See-Ungethiim herbei, um den Pro- 
pheten aufzunehmen. 

In D ist das Schiff nur von zwei Personen bemannt: die 
eine sitzt am Steuer, die andere schaut dem über Bord fallenden 
Propheten in ruhiger Haltung nach. Es fehlt also ein durch- 
aus nothwendiger Faktor, der Mann nämlich, welcher Jona 
über den Schiffsrand stösst. Die Fortsetzung der Handlung 
erscheint auf der rechten Seiten wand in C; Jona wird von 
dem Monstrum ausgeworfen, und zwar auf ein thurmartiges 
Gebäude mit hoher Eingangsthür hin, das mitten im Wasser 
sich zu erheben scheint. Da sonst ein kegelförmiges Felsstück 
sich dieser Scene beigefügt findet^), ist wahrscheinlich, dass 
der Künstler mit dem Thurme in gleicher Weise das feste, städte- 
tragende Land hat anzeigen wollen, vielleicht sogar mit beson- 
derer Beziehung auf das Stadtthor Von Ninive. So legt 
wenigstens ein Relief aus Süd-Frankreich ^) nahe. Die Annahme 
Garrucci's (Storia, S. 12) — de Rossi berührt diese Frage nicht — 
dass dieser Thurm dem Hirten des Hermas entnommen s^ei, 
hat keinen Sinn. In D ist das Land gar nicht angedeutet, 
ebensowenig in B\ im Uebrigen bieten beide Darstellungen 
keine Besonderheiten. 

Auf der Hinterwand in C findet sich die Schluss-Scene der 
Handlung: Jona, die Beine leicht übereinandergeschlagen , lehnt 
sich, halb liegend, an ein niedriges Felsstück. Die rechte Hand 
lässt er auf seinem Haupte ruhen. Aehnlich ist die Darstellung 
in Bj D und jE*, nur erhebt sich in allen drei Fällen über dem 
Liegenden ein durch Stangen gestütztes Kürbisgewächs in Form 
einer Laube. Denn mit ,, Kürbis" übersetzt die Septuaginta 
das hebräische X\'^\>^T> (Jona 4, 6 ff.), und die Künstler haben 
durch sie das Wort erhalten, während die Vulgata ,,Epheu" 
hat. Die äusserliche künstliche Anordnung des Gewächses ist 
durch den Text nicht gegeben und gleichzeitigen Gartenanlagen 
entnommen ^). . 

^) Bottari, t. 118, 122. 
2) Buir. crist. 1866, S. 46 n. 3. 

^) Pitture antiche di Ercolano, NapoH 1760, t. II, S. 267; Bellori, 
Pict. ant. sepulcr., Romae 1750, tav. XXX. 



^6 DIE FRESKEN DER SAKRAMENTSEAPELLEN IN S. CALLISTO. 

Gewöhnlich sind der Jona-Scenen nur drei, eine vierte wird 
dadurch gewonnen, dass der Prophet, auf einem Felsstück 
sitzend, das Haupt nachdenklich mit der Hand stützend ab- 
gebildet wird, mit oder ohne Laube, eine Illustration zu Jona 
4, 5; eine fünfte endlich repräsentirt der am Ufer stehende 
Jona ^). 

Die Zusammenfassung sämmtlicher Scenen zu einem Bild 
mit Anschluss in wagrechter Linie, wie in Z), oder in pyra- 
midaler Anordnung, wie Bott. t. 148, i53, ist nicht häufig. 

Die Jona-Scenen gehören zu den am meisten kontroversen Dar- 
stellungen des altchristlichen Bilderkreises. Raoul-Rochette^) 
bringt dieselben mit einem Herakles-Mythus in Verbindung, de 
Rossi fasst mit Anschluss an Matth. 12, 40 f. den ganzen 
Cyklus als einen Typus der Auferstehung, während de Bück 3) 
durch denselben einen Protest gegen judenchristliche Engherzig- 
keit und zu Gunsten 'der Heidenmission ausgesprochen findet. 
Ihm hat sich Kraus**) angeschlossen, während Martigny. ^) 
die Hypothesen de Rossi's und de Buck's kombinirt und 
naich älteren Exegeten die Beziehung auf Verfolgungsnoth 
hinzufügt. 

Der von Rochette angezogene Mythus, nach welchem 
Herakles von einem See-Ungethüme verschlungen und nach drei 
Tagen wieder ausgespieen wurde, wird allein von zwei Scho- 
liasten dem Hellanikus (Fragm. CXXXVII, S. 145 ff., ed. Sturz) 
nacherzählt, war also jedenfalls nur in einem sehr engen Kreise 
bekannt, wie denn auch bildliche Darstellungen desselben bis 
jetzt nur ganz vereinzelt nachgewiesen worden sind. Eine Beein- 
flussung des christlichen Bilderkreises durch ein solches Sujet 
wird damit also so gut wie ausserhalb des Bereiches der Mög- 
lichkeit gestellt; ausserdem bestimmt die genannte Hypothese 
eine Scene als fundamentale, die es in Wirklichkeit nicht ist. 



1) Bottari, t. 56, 82, 122, 142 — 187. 

2) Raoul-Rochette, Prem. M^m. sur les antiq. chr^t., S. iii; Lcs 
Catacombes de Rome, S. 86 f. (der ital. Uebersetzung, Mailand 1841). 

3) V. de Bück in den l^tudes relig. bist, par les P. P. de la Comp, 
de J^sus XllPannde, t. II, 1868, S. 3oi ff. 

*) Deutscne R. S., S. 326. 
*) Martigny, Dict., Jonas. 



DIE FRBSKEN DER SAKRAMENTSKAFELLEN IN S. GALLISTO. 



77 



Aus demselben Grunde können die antiken Darstellungen der 
Befreiung der Andromeda nicht als formale Typen in Betracht 
kommen; zudem ist hier die äussere Uebereinstimmung ver- 
schwindend gering. Die Interpretation de Rossi\s ist ungenü- 
gend, da sie den ruhenden Jona ausschliesst, und die Ansicht 
de Buck's gründet sich auf die unrichtige Voraussetzung, dass 
die in der modernen römisch-katholischen Kirche am Oster- 
sonnabend üblichen Lektionen, wenn auch nicht der Form, so 
doch dem Inhalte nach der altchristlichen Liturgie entnommen 
seien. Auch haben in der Geschichte des Jona erst spätere Kir- 
chenschriftsteller, seit Hieronyraus, eine Begründung des Rephtes 
der Heidenmission gefunden. Wie ferner der Brief des römischen 
Clemens beweist, war der Ausgleich zwischen der judenchrist- 
lichen und der heidenchristlichen Partei in Rom am Ende des 
ersten Jahrhunderts jedenfalls bereits vollzogen; die ältesten 
Jona -Bilder aber gehören frühestens dem Anfange des zweiten 
Jahrhunderts an, und es hat keinen Sinn, gegen Verhältnisse, 
die in Rom wenigstens nicht mehr existiren, nachträglich und 
Jahrhunderte hindurch zu protestiren. Und selbst wenn man ?u 
dem angegebenen polemischen Zwecke bildliche Darstellungen 
hätte schaffen wollen, wie konnten die Künstler gerade auf 
diese Scenen verfallen? Ungeschickter hätten sie jenem angeb- 
lichen Proteste nicht Ausdruck verleihen können. 

Die Beziehung auf Verfolgungsnoth, welche Martigny dem 
Bilde als weiteren Inhalt gibt, theilt die Schwäche der Inter- 
pretation de Rossi's: sie schliesst den ruhenden Jona aus. 

Der Hauptmangel der bisherigen Untersuchungen über die 
Symbolik der Darstellung liegt darin, dass von vornherein mit 
den drei oder mehr Jona- Scenen als gegebenen Grössen zu 
rechnen angefangen wurde, ohne dass festgestellt war, wie 
diese einzelnen Gruppen chronologisch sich zu einander ver- 
halten, ob dieselben gleichzeitig in die Erscheinung getreten 
sind oder successiv sich entfaltet haben. Allgemein wird das 
erstere Verhältniss angenommen. Aber dieser Voraussetzung 
steht das Zeugniss der Monumente direkt entgegen; aus dem- 
selben erhellt vielmehr, dass eine jener Scenen, nämlich der 
ruhende Jona, als die Wurzel und der Ausgangspunkt der 
übrigen anzusehen ist. 



y8 Dlfi FRBSEEK DER SAKRAMENTSKAPELLEN IN S. CALLISTO. 

Scharf hebt sich der ruhende Jona von den übrige Scenen 
ab, so dass diese Darstellung nicht nur auf dem ältesten dieser 
Gruppe zugehörigen Bilde in S. Lucina und sonst sehr häufig 
ohne dieselben erscheint^), sondern auch dann, wenn sie mit 
diesen vereint ist, unverkennbar als die Hauptdarstellung sich 
dokumentirt, insofern im Gegensatz gegen die geschichtliche 
Folge der ruhende Jona zwischen die beiden Scenen der Aus- 
stossung und der Errettung eingeschoben ^) und mit grösseren 
Proportionen umrissen wird ^) und so die einzelnen Momente 
des Ganzen auf sich koncentrirt. In dem ruhenden Jona voll- 
endet sich die aus den verwandten Scenen gebildete Pyramide **), 
und auf einem Sarkophag -Relief tönt die Wellenschwingung 
einer Bilderreihe energisch in ihm aus ^). Die Komplement- 
gruppen werden verstümmelt und in ihrem Verständnisse von 
der Schluss-Scene abhängig gemacht^), und sogar nicht ver- 
wandte Scenen werden zu Begleitbildern des ruhenden Jona 
heruntergedrückt ''). Auf einem gallischen Sarkophage ®) reprä- 
sentiren zwei fast ganz übereinstimmende Darstellungen des 
ruhenden Jonas den gesammten Bilderschmuck. 

Ein solches Verfahren seitens der Künstler ist nur erklärlich, 
werfn in ihnen das Bewusstsein fortdauernd gedacht wird, dass 
diese Darstellung den ihr verwandten zeitlich und inhaltlich 
voranstehe, und diese erst durch jene gesetzt worden seien. 



1) Als Fresco: De Rossi, R. S. I, t. IX; Bull. 1876, t. VIII; Bottari, 
t. 65, 97 (?), io3, 116, 145, 167; Garrucci, Stör., t. 79, i. Als Relief: 
Bottari, tom. II, S. 181; Odorici, Monum. crist. di Brescia, t. V, 5; 
Miliin, pl. LVIII, 2; Coli. Simelli n. 22; ferner auf unedirten Reliefs in 
Villa Albani (an der Gartenmauer, mit n. 245 bezeichnet), in der Vorhalle 
von S. Maria in Trastevere, im Lateran -Museum; auf einem geschnittenen 
Steine bei Perret, IV, 5; auf einer Lampe bei Bartoli, Antiche lue, 
Roma 1691, p. 1 1 1 n. 3o, auf einem Goldglase bei Garrucci, Stor., t. 160, i. 

2) Kubikulum C und Z); Bottari, t. 177; Garrucci, t. 79, i. 

5) Bottari, t. io3, 120, 122, 127, 142, 154; Garrucci, t. 56, 5; 
BulL 1866, S. 46 n. 3. 

*) Bottari, t. 148, vgl. 5o, 86, i53. 
*>) Bottari, t. 42. 

6) Bottari, t. 5o. 

■') Bottari, t. 67 (zwischen Quellwunder und Daniel); Odorici a. a. O. 
(zwischen Orans und Daniel). 
8) Miliin, pl. LVIII, i. 



DIE FRESKEN DER SAKRAMENTSKAPELLEN IN S. GALLISTO. 



79 



Während ferner die erstem vielfach variiren und also damit 
eine noch flüssige Bildung verrathen, tritt die Darstellung des 
ruhenden Jona sofort in einer bestimmten, fest ausgeprägten 
Form auf, woraus auf eine längere Entwicklungsgeschichte und 
damit auf ein höheres Alter dieses Typus zu schliessen ist. 
Die Interpretation des Jona - Cyklus hat demnach den Inhalt 
dieser Scene zuerst zu begreifen zu suchen. 

Die biblische Erzählung gibt nicht den geringsten Anhalts- 
punkt, von welchem die Forschung ausgehen könnte. Wenn ich 
selbst früher dem Bilde einen negativen Inhalt zuwies, genauer 
dasselbe als eine Warnung vor unzufriedenem Murren wider 
Gottes Fügungen fasste, so hat sich mir bei genauerer Prü- 
fung der Originale diese Ansicht als unhaltbar erwiesen. Denn 
der ruhende Jona hat nirgends die Züge eines mürrischen, 
missmuthigen Menschen; die Mehrzahl der Bilder zeigt ihn 
vielmehr als einen gemächlich gelagerten Jüngling mit dem 
Ausdrucke milder Heiterkeit und hinträumender Selbstzufrieden- 
heit. Dieser charakteristische Zug aber, welcher nicht nur in 
direktem Widerspruch zu dem betreffenden biblischen Berichte 
steht, sondern auch durch die Gesammtauffassung des Pro- 
pheten seitens des Verfassers des Jona - Buches negirt wird, 
fordert, den Ursprung des Bildes anderswo zu suchen. 

Die griechische Sprache hat für ,, Sterben" u. A. den 
Ausdruck ava:ta6so^at „zur Ruhe kommen" ^), und in gleicher 
Anschauung wird in römischen Inschriften der Tod als ,,quies 
aeterna" bezeichnet und das Grab ein ,,quietorium, re- 
quietorium*' und das Sterben selbst ein ,,quietare'* genannt^). 
Diese Vorstellung, welche in dem Sterben ein Entschlummern, 
in dem Tode einen Schlaf, ein Ausruhen und Befreitwerden 
von den Mühen des Lebens sieht, hat aber erst in christlichen 
Inschriften den entschiedensten Ausdruck gefunden. Epitaphien 



^) C. J. G. n. 1973, 4623, 585o; Brunck, Anal, gr., t. III, 721, S. 307: 
'^v^aSe vöv %azä y^C otbjx'dvsTCauoe TCova)V. 

2) Gruter, S. 525, 6; 567, 8; 664, 10; Bio, 2; 954, i. C. J, L. III 
I n. 4458, vgl. auch n. 576: „ . . . requievit ab (h) umanis solli- 
citudinibus"; Virg. Aen. I, 253: „placida compositus pace quiescit"; 
Mural., Thes. III, S. 1732 n. 12: „In monumento meo, quo dormi- 
cendum et permanendum est." 



8o DnS FRESKEN DER SAERAMENTSKAPELLEN IK S. CALLISTO. 

wie VICTORIA DORMIT — ZOTICVS HIC AD DORMIENDVM 
(Bold., S. 395; 399; vgl. Lateran-Museum Pilast. XX, 8; 
XXI, 10, 20, 23, 27, 29 mit oder ohne IN PAGE), die Be- 
zeichnung xoijiao^ai, ol xot|j.Y]^svTe< im Neuen Testament und 
in der ausserbiblischen altchristlichen Literatur, der Name 
xotiAYjn^ptov für die Begräbnissstätte und die gesammte altkirchliche 
Lehranschauung lassen sich für die Allgemeinheit und die Inten- 
sivität dieser Vorstellung vom Tode anführen. Ja es scheint 
sogar, dass die Formel IN PAGE ursprünglich nur die Bedeu- 
tung eines Befreitseins von des Lebens quälender Unruhe im 
Sinne der ciceronianischen „laborum et miseriarum quies*' 
(Catil IV, 4, 7) gehabt habe: die häufige Verbindung mit DORMIT 
und Kombinationen wie IN SOMNO PAGIS, IN PAGE SOMNI, 
PAVSAT IN PAGE 1) lassen dies vermuthen; andererseits treten 
die Formeln IN PAGE GHRISTI, IN PAGE DOMINI, VIXIT 
IN PAGE und ähnliche, welche über diese Bedeutung hinaus- 
führen, erst verhältnissmässig spät auf. Auch die Verfluchungs- 
formeln auf christlichen Grab -Inschriften gehen im letzten 
Grunde auf die Auffassung des Todes als eines Schlafes zurück. 

Das heidnische Alterthum hat den Todesschlaf bildlich 
ausgedrückt, indem es den Verstorbenen gemächlich ruhend 
oder schlummernd darstellte oder den Gedanken des Ausruhens 
im Tode in einen mythologischen Vorgang kleidete. 

Wenn Dionysus zu Ariadne herantritt oder Mars sich Rhea 
Silvia nähert oder Diana zu Endymion herniedersteigt, so ist 
damit die Charakterisirung des Todes als eines vorübergehenden 
Schlafes mit frohem Erwachen, als eines dahinfliessenden Traumes 
mit dem Anbruche heiterer Wirklichkeit gegeben, wobei es 
für unsere Frage gleichgiltig bleibt, ob diese Darstellungen 
weiterhin den süssen Liebesgenuss im jenseitigen Leben, wie 
Stephani will 2)^ andeuten oder nach Jahn ^) als eine tröstliche 
Hinweisung auf das Wohlwollen der Götter den Menschen gegen- 
über zu fassen sind. 



*) Vgl. auch ijrecumbere in regno de!*' bei Tert., De resurr, 
carn. c. 35. 

^) Stephani, Der ausruhende Herakles. Petersb. 1854, S. 42 fF. 

') Jahn in den Sitzungsberichten d. königl. sächs. Ges. v. Wissensch. 
i855, S. 48. Vgl. Petersen in d. Annali delP Ist. archeol. 1860, S. 864 ff. 



DIE FRESKEN DER SAERAMENTSKAPELLEN IN S. CALLISTO. 8 I 

Wenn also die antike Kunst der Volksvorstellung vom 
Tode als einem Schlafe einen bildnerischen Ausdruck verliehen 
hat, so darf man von vornherein ein gleiches Verfahren seitens 
der christlichen Kunst voraussetzen, die sich einer weit inten- 
siveren und in der Kirche allgemein festgehaltenen und stark 
betonten Vorstellung ähnlichen Inhaltes gegenüber befand. 

Dass nun in der That die altkirchliche Kunst die Aufgabe, 
ein Sujet zu schaffen, welches den bezeichneten Gedanken 
auspräge, gelöst hat, zeigt mir die Figur des ruhenden 
Jona. Denn erst wenn das Bild von der eben entwickelten 
Idee vom Todesschlafe aus beurtheilt wird, tritt dasselbe aus 
seiner Unbestimmtheit heraus und wird seinem Inhalte wie 
seinem Zwecke nach klar erkannt. Die leicht hingegossene Gestalt 
mit den selig verklärten Zügen, durch das schattige Gewächs 
vor des Tages Hitze geschützt und da ruhend, als ob sie immer 
fortruhen möchte, ist nichts Anderes als ein Zeugniss desselben 
Geistes, in welchem der Gläubige auf den Grabsteinen den Tod 
seiner Lieben einen „friedevollen Schlaf, ein ,, Ausruhen in 
Frieden", ein sich ,, Niederlegen zum Schlafen'' nannte. 

Dieses Urtheil erhält eine weitere Bestätigung aus der Er- 
kenntniss der Art und Weise der Entstehung des Sujets. Es 
wurde bereits darauf hingewiesen, dass dasselbe in derjenigen 
Fassung, in welcher es vorliegt, mit der Erzählung des Jona- 
Buches nicht zu vereinbaren ist. 

Dagegen besitzt der antike Bilderkreis eine Figur, welche 
nach Form und Inhalt sich mit dem ruhenden Jona vollkommen 
deckt, die Gestalt des ruhenden Endymion i). Auf einem be- 
kannten Sarkophage der kapitolinischen Sammlung (Museo 
Capit. t. IV, tav. 29) z. B. sieht man Endymion genau in der- 
selben ruhenden Lage, mit gleicher Arm- und Beinstellung und 
mit demselben Gesichtsausdrucke, wie die Mehrzahl der Dar- 
stellungen den ruhenden Jona zeigt 2). Einige Eigenthümlich- 
keiten der letztern erklären sich nur aus den antiken Vor- 
bildern, so, dass die Laube zuweilen ganz fehlt oder die Form 
eines Baumes hat, besonders aber, dass der Prophet mit ge- 

^) S. den Quellennachweis bei Jahn, Archäol. Beiträge, S. 5i f. 
*) Besonders verweise ich noch auf eine im Besitze des Herrn Prof. 
Heibig in Rom befindliche Terracotta-F'igur. 

Schnitze, Archftologlsche Studien. 6 



82 DIE FRESKEN DER SAERAMEKTSEAPELLEN IN S. OALLISTO. 

schlossenen Augen dargestellt wird ^). Ein bereits früher er- 
wähntes Relief ferner in S. Maria in Trastevere, auf welchem 
Jona (schlafend) eine kurze Tunika und langes lockiges Haar 
trägt, genau wie Endymion^), zeigt die Figur eines Widders un- 
mittelbar mit der biblischen Scene verknüpft, eine Specialisirung 
der Gruppe, die sich nur aus den Endymion- Darstellungen 
erklären lässt, aufweichen sich sehr häufig um den Schlafenden 
die Heerde gruppirt (vgl. Jahn a. a. O.). 

Zudem war Endymion ein sehr beliebtes Sujet der römischen 
Kunst und ist äusserst häufig auf Sarkophagen dargestellt 
worden, musste also den christlichen Künstlern wohl bekannt 
sein. Die Idee ferner des Ruhens im Todesschlafe hat in dem 
schlummernden Endymion einen besonders edlen und künst- 
lerischen Ausdruck gefunden; das Bild empfahl sich also auch 
dadurch zur Nachahmung. 

Von diesen Voraussetzungen aus erhebt sich die Frage, 
ob die altkirchliche Symbolik den ruhenden Jona als ein Bild 
des im Tode friedlich ruhenden Gläubigen der Kunst über- 
mittelt, und dass diese letztere erst das Sujet formal der Figur 
des schlummernden Endymion angeschlossen habe, oder ob die 
Darstellung des Endymion überhaupt formal und inhaltlich der- 
jenigen des ruhenden Jona zu Grunde liege, und diese erst durch 
jene motivirt worden sei. Es wird kaum möglich sein, über 
diese Verhältnisse mit einiger Sicherheit zu entscheiden. Aber 
der Umstand, dass die hier in Frage kommende Erzählung des 
Jona -Buches für die geforderte Symbolik durchaus keinen An- 
haltspunkt bietet, und dass die Uebereinstimmung des antiken 
und des christlichen Typus eine fast vollständige ist, scheint 
mir darauf hinzuweisen, dass der ruhende Jona als eine Um- 
bildung und Umdeutung des schlummernden Endymion zu 
beurtheilen sei. 



\. 



1) Kubikulum C, de Rossi, R. S. L, t. IX; Bottari, t. 42; Bull, 
crist. 1866, S. 46 n. 3; Bartoli a. a. O. n. 29; Garrucci, t. 37, i; ferner 
auf dem erwähnten Relief in Villa Albani, woselbst Jona in tiefen Schlaf ver- 
sunken erscheint, ebenso auf dem Rehef in S.Maria di Trastevere; Bartoli 
a. a. O. n. 29; n. 3o. 

2) Clarac, pl. 170, 70; i65, 72; Museo Borb. XIV, 19; XIV, 3; 
Gerhard, Ant. Bildw. I, Taf. 37, 38. 



DIB FRESKEN DEB SAKRAMENTSKAPELLEN IN S. CALLISTO. 83 

Fast ganz frei von antiken Reniiniscenzen stellen sich da- 
gegen diejenigen Jona-Scenen dar, welche später an jene Grund- 
scene angesetzt sind: die Ausstossung des Propheten und die 
Rettung desselben. Nur der See-Drache, welcher Jona verschlingt, 
hat genaue antike Vorbilder^). Erwiesen sich diese accessorischen 
Scenen schon durch das Verhältniss der äussern Anordnung 
als jüngere Produkte, so werden dieselben von der Grundscene 
weiterhin durch ihre Symbolik geschieden. Denn während der 
ruhende Jona den Todeszustand als einen friedevollen, sanften 
Schlummer charakterisirt, verleiht der in das Meer gestürzte 
und an das Land gerettete Jona der Vorstellung Ausdruck, 
welche das Sterben als ein Versinken in den Abgrund des Todes, 
also als etwas Grauenerregendes fasst, von welchem Erlösung 
ersehnt wird (vgl. auch S. 49 f.). 

Auf dem Schiffe in C erhebt Einer von der Mannschaft 
die Arme in einem Gestus, welcher bei den ersten Christen 
das Gebet zu begleiten pflegte 2). Durch diese Uebereinstim- 
mung veranlasst, hat de Rossi (a. a. O., S. 347) diesen Mann 
als einen Orans, als das Bild eines betenden Christen bestimmt 
und das Schiff selbst für ein Symbol der Kirche erklärt. Diese 
Interpretation ist nicht zulässig. Abgesehen davon, dass da- 
durch einer Darstellung zwei ganz verschiedene Ideen über- 
wiesen werden, zeigen Beispiele auf Sarkophagen 3), dass dieser 
Gestus auch der Ausdruck lebhafter Betheiligung an irgend 
einem Vorgange sein kann. Hier ist also entweder die Aus- 
stossung des Propheten oder das Erscheinen des heranschwim- 
menden See- Drachen Ursache des Gestus, wenn derselbe über- 
haupt nicht in gedankenloser Nachahmung des ,, Schiffbruchs" 
in B seinen Grund hat, was sehr wahrscheinlich erscheint. 

Bemerkenswerth ist das Kreuz auf dem Schiffshintertheile 
des Fahrzeuges in D, Indessen wird es schwerlich als ein 

1) Vgl. z. B. Zogga, Bassirllievi I, 53 (Charybdis); Pitture antiche 
di Ercolano, Napoli 1760, II, S. 21; Museo Borbon. X, 34; Museo 
Capit. IV, S. 121. 

2) Tertull., Apol. c. 3o: „Illuc (ad caeliim) suspicientes Christian 
manibus expansis . . . precantes sumus." Clemens R., Epist. I ad Cor. n. II 
„ .-. . l^sTetvate xA^ X^^P*^ uji.u)V izph^ x6v icavioxpaiopa ö-eov." Vgl. I, Tim. 2, 8 
„ßoüXojAai o5v . . . liratpoVTft^ 601005 ^^tpa^." 

3) Bottari, t. 3i, 42; ig3; vgl. auch Kubikulum D. 

(5* 



84 I>IE FRESKEN DER SAKRAMENTSKAPELLEN IN S. CALLISTO. 

christliches Symbol zu fassen sein, da bei den Alten die Schiffs- 
flagge an derselben Stelle und an einer gleichen Kreuzstange 
sich nachweisen lässt ^). Ausserdem wurde das christliche Kreuz 
auch hier störend in die Symbolik der Gruppe eintreten und 
in seinem letzten Motive ein Räthsel bleiben, ganz abgesehen 
davon, dass es aus vorkonstantinischer Zeit keine Kreuzes- 
Darstellungen gibt. 

Die zweite ßilderreihe, die in geringerer Höhe an den 
Hauptwänden des Kubikulums hinläuft, beginnt jetzt (das erste 
Gemälde existirt nicht mehr) mit dem fischenden Petrus, woran 
sich das Taufbild schliesst. Da die Abweichungen dieser beiden 
Darstellungen von den Originalen in B bereits erörtert wurden, 
so kann die Untersuchung sofort zu dem dritten Bilde der 
linken Seitenwand, durch welches eine neue Scene, der sein 
Bett tragende Gichtbrüchige, eingeführt wird, übergehen. Der 
Paralytische ist als Jüngling gefasst, in eine kurze Tunika ge- 
kleidet und trägt auf seinem Rücken ein durchflochtenes Bett- 
gestell mit vier kunstvoll gedrehten Füssen. Die Darstellung ist 
nicht häufig; die älteren Bilder zeigen den Geheilten allein, 
die spätem in Verbindung mit Christus und einer oder meh- 
reren Begleitpersonen. Auch die Form des Bettes ist Schwan- 
kungen unterworfen, und der Jüngling selbst wird nicht selten, 
besonders auf Sarkophagen, zu einem Knaben umgebildet, in 
welchen Fällen wohl Porträts vorliegen. Die Darstellung Para- 
lytischer gehört der Klasse der Heilungswunder an, und die 
symbolische Bedeutung derselben ist durch die der letzteren 
(vgl, S. i5 ff.) gegeben. Darum erscheint die Figur zwischen 
dem Quellwunder und der Auferweckung des Lazarus und 
als Pendant zu Jona 2), Severano, Aringhi und Bottari und die 
Mehrzahl der neuern Erklärer sehen in dem Bilde eine Sym- 
bolisirung des Buss- Sakramentes. Es ist indess, ganz abgesehen 
von der unrichtigen Werthschätzung des altchristlichen cöme- 
terialen Bildercyklus, auf welche jene Ansicht sich gründet, bei 
Aufstellung derselben übersehen worden, dass in der evangelischen 

1) Antichith di Ercolano, t. V, S. 17 des Anhanges; vgl. Tert., 
Adv. Marcion. III, c. 18: „Nam et in antenna, quae crucis pars est ...**; 
ad nat. I., c. 12. Justin M. Apol. I c. 55. 

2) Bottari 187, 60, 106. 



DIE FRESKEN DER SAKRAMENTSKAPELLEN IN S. CALLI8T0. 85 

Erzählung (Matth. 9, 2 ff. und die Parallelen) die Heilung, 
bzw. das Forttragen des Bettes ein von der Sündenvergebung 
getrennter späterer Akt ist. 

Ebensowenig aber wird man de Rossi zustimmen, welcher 
in diesem Heilwunder eine Illustration von Joh. 5, 2—12 und 
eine Symbolisirung der durch die Taufe gewährten Sünden- 
vergebung erkennt, da auch diese Erklärung dem Texte 
keine Rechnung trägt, insofern nach demselben die Heilung 
am Teiche Bethesda stattfand (v. 8), das Wort Jesu aber 
von der Sündenvergebung erst später, im Tempel, erfolgte 
(v. 14), wo der Geheilte gewiss nicht mehr mit dem Bette 
beladen war. TertuUian, aufweichen sich de Rossi beruft, be- 
zieht sich, wo er von der ,, Piscina Bethsaida" spricht, nicht 
auf das Heilwunder Jesu oder seine Worte zu dem Ge- 
heilten, sondern vergleicht nur die Wirkungen des heilkräftigen 
Teiches ^). 

Wenn ausserdem von den Künstlern Christus allein oder 
mit anderen Personen neben den sein Bett tragenden Paralytischen 
gestellt wird 2)^ so ist damit eine Beziehung auf die Tempel- 
Scene ausgeschlossen. 

Die Hinterwand trägt als Hauptbild das Mahl, begleitet 
von zwei Gruppen und weiterhin von zwei Fossorengestalten, 
Letztere stellen offenbar, in Nachahmung von 5, die Personen 
dar, durch welche der Besitzer des Kubikulums dasselbe her- 
stellen liess. Sie führen als Zeichen ihres Handwerkes die 
Picke ; die lang herunterfallende Tunika dient dem Zwecke 
feierlicher Ausstaffirung; bei der Arbeit tragen sie dieselbe 
geschürzt ^). 

Solche Darstellungen sind nicht selten. Die Fossoren (fos- 
sores, xoTCtatal, copiatae) bildeten eigene CoUegia und übten 
die unmittelbarste Aufsicht über die Gömeterien aus. Im vierten 
Jahrhundert traten sie sogar in den Ordo' der Kleriker ein 



1) Tert., De bapt. c. 5: „Figura ista medicinae corporalis spiritalera 
enedicinam canebat . . . Qui vitia corporis remediabant, nunc spiritum 
medentur; qui temporalem operabantur salutem, nunc aeternam reformant; 
qui unum semel anno liberabant, nunc quotidie populos conservant." 

2) Z. B. Bottari, t. 3i, 36, Sg, 41, 88, 140. 

8) Vgl. Bottari, t. 98, 99, 171; dag. Garrucci, 41, i. 



86 DIB FRESKEN DER SAKRAMENTBKAFELLEN IN S. CALLISTO. 

und haben in Rom eine Zeitlang sehr weitgehende Macht- 
befugnisse ^). 

Näher der Mitte der Hinterwand sind die beiden inneren 
Begleitscenen der Hauptgruppe angebracht, und zwar links das 
Bild eines Mannes und einer Frau; zwischen ihnen ein drei- 
füssiger Tisch. Die männliche Figur trägt wulstiges Haar, das 
Gewand ist so umgeworfen, dass es die rechte Hälfte des 
Oberkörpers bis zu der Hüfte unbedeckt lässt, dagegen auf 
der linken Schulter sich aufbauscht und dann von derselben 
glatt herunterfällt. Die weibliche Gestalt ist in eine unter der 
Brust aufgegürtete Stola gekleidet, und hat das Haupt durch 
eine auf den Rücken herunterfallende palla verhüllt. Sie neigt 
sich leicht seitwärts nach dem Tische hin und erhebt betend 
die Arme. Der zwischen Beiden stehende Tisch hat die Form 
eines Dreifusses und ist mit Speisestücken, darunter Brod und 
Fisch, bedeckt. 

Letzterer und ein darunter liegendes Brod werden von der 
männlichen Person ergriffen. 

Das Bild hat durch die Zeit gelitten, aber es war von Anfang 
an ein sehr dürftiges, fehlerhaftes Werk. So sind die Arme der 
F'rau zu kurz, und an beiden Händen fehlt ein Finger; der 
rechte Armanschluss des Mannes ist falsch gezeichnet; die 
Schattirung dick, die Gesichtszüge stier und ohne Ausdruck. 

Dem Gemälde erkennt die moderne Exegese eine hohe 
Bedeutung zu. Soweit ich die hier einschlägliche Literatur 
überblicke, wird dasselbe übereinstimmend als eine Darstellung 
der Eucharistie gefasst, wobei die männliche Gestalt als kon- 
sekrirender Priester figurirt; die Orans aber soll die Kirche 
symbolisiren. 

Das Gewandstück, welches der nach der Speise greifende 
Mann trägt, ist das griechische Pallium (IfA-dnov, cpäpo?), welches, 
noch am Ende der Republik in Rom als eine eines römischen 
Bürgers unwürdige Kleidung durchaus zurückgewiesen 2), bereits 

1) Vgl. meine Dissertation „De veterum Christianorum rebus 
sepulcralibus", Gothae 1879, S. 19 ff., und de Rossi, R. S. III, S. 533 fF. 

2) Cicero, pro Rabir. c. 9, wo auch als Anklage erscheint „. . . pal- 
liatum fuisse, aliaque habuisse non Romani hominis insignia"; in Verr. V, Sa: 
„tu praetor in provincia cum tunica pallioque purpureo visus es." 



DIE FRESKEN DER SAKRÄ.MENTSKAFELLEN IN S. CALLISTO. 87 

unter Augustus in der Weise Mode wurde, dass der Kaiser den 
Gebrauch desselben einzuschränken sich veranlasst sah ^). 

Unter seinen Nachfolgern griff mit dem Verfall der alten 
Tracht diese neue Mode noch mehr um sich, so dass es sich 
leicht erklärt, wenn wir dieselbe auch in christliche Kreise 
eingedrungen finden. Die Art des Umwurfs indessen, welche 
das Bild in C zeigt, lässt sich sonst mit keinem Beispiele be- 
legen, und hat schwerlich in Wirklichkeit existirt und ist bei 
einem Christen umsoweniger vorauszusetzen, da eine solche 
Entblössung des Körpers die Grenze des Anstandes überschreitet. 
Von dem gewöhnlichen Pallium ist das Pallium der Philosophen, 
welches Tertullian in seiner bekannten Schrift vertheidigt, wohl 
zu unterscheiden, wie bereits Ferrari richtig beobachtet hat^; 
doch ist es irrig, wenn neuere Erklärer in diesem Philosophen- 
gewande, das sich hauptsächlich durch (übertriebene) Einfach- 
heit des Stoffes und Nachlässigkeit des Umwurfes von dem ge- 
wöhnlichen Pallium unterschied und die eigentliche Zunfttracht 
der Philosophen bildete 3), die Amtstracht der damaligen Geistlich- 
keit erkennen. Von Justin, dem Märtyrer, und dem Presbyter 
Heraklas, einem Schüler des Origenes, wird es als eine beson- 
dere Eigenthümlichkeit vermerkt^), dass sie nach ihrer Bekehrung 
zum Christenthum das pallium philosophicum nicht ablegten, und 
aus der Schrift Tertullian's ist deutlich zu entnehmen, einerseits, 
dass er diese Tracht durchaus als Privatperson und aus rein 
persönlicher Entschliessung adoptirt hat ^), andererseits, dass die- 
selbe den Karthagern als eine lächerliche Neuerung erschien und 
die Verspottung des Apologeten zur Folge hatte; sie kann also 
nicht schon längere oder kürzere Zeit Amtstracht christlicher 
Kleriker gewesen sein. Auch würde Tertullian gewiss nicht die 
Vertheidigung als eine persönliche Sache geführt haben, wenn 

^) Suet. in Aug. c. 40. 

2) Ferrari, De re vestiasia Pert. i685 p. II, lib. IV, S. iSg ff.; vgl. 
auch Salmasius, TertuUiani de pallio über Ludg. Bat. i656, S. 61 ff. 

3) Gellius, Noct. att. IX, 2: „video, inquit Herodes, barbam et pal- 
lium; philosophum nondum video." Es hatte häu6g ein schmutziges und 
abgetragenes Aeussere; s. Ferrari a. a. O., S. 174 ff. 

*) Eusebius, Hist, eccl. IV, 11; VI, 19. 

^) Dagegen Apolog. c. 42: »Quo pacto homines vobiscum degentes, 
ejusdem victus, habitus, instructus, ejusdem ad vitam necessitatis?** 



88 DIE FRESKEN DEB SAKRAMENTSKAPELLEN IN S. GALLISTO. 

mit ihm viele Andere von dem Spotte der Gegner betroffen 
worden wären. In Rom aber lagen die Verhältnisse schwerlich 
anders. Noch im Jahre 428 wird in einem Dekretale des Bi- 
schofs Gölestinus (Mansi IV, 464) gallischen Klerikern, welche 
die orientalische Mönchsgewandung (Pallium mit Gürtel) zu 
tragen anfingen, bemerkt: „Discernendi a caeteris sumus doc- 
trina, non veste, mentis puritate, non cultu." 

Wenn ferner Gyprian ^) den heidnischen Philosophen das 
Unanständige ihrer Kleidung — es war das Pallium — zum 
Vorwurfe macht und ihnen in dieser Beziehung die christlichen 
Lehrer als Muster hinstellt, so ist damit die Stellung der Kirche 
zu dieser Tracht klar genug bezeichnet. Denn die Kirche war 
damals bereits viel zu konservativ, als dass man mit de Rossi 
annehmen dürfte, sie sei innerhalb dreier bis vier Jahrzehnte 
von einer Anschauung zur entgegengesetzten übergegangen. 
Ueberhaupt aber ist unerwiesen, dass schon zu Tertullian's 
Zeit die Glieder des geistlichen Standes durch eine besondere 
Kleidung ausgezeichnet gewesen seien; der Unterschied zwi- 
schen Laien und Klerus war noch flüssig, und die Stellung 
der Kirche innerhalb der Heidenwelt empfahl die Vermeidung 
jeder öffentlichen Kundgebung des Christennamens 2). Selbst 
wenn zugegeben wird, dass bei kultischen Handlungen die 
Glieder des geistlichen Standes sich eines besonderen Gewandes 
bedienten, so ist dasselbe gewiss nicht in der Weise getragen 
worden, wie das Fresko in C zeigt; und selbst wenn die 
Behauptung dahin modificirt würde, dass dieser Ueberwurf eine 
künstlerische Umbildung des Priestergewandes sei, ist nicht 
anzunehmen, dass der Künstler einen Mann, der,* nach de 
Rossi, den konsekrirenden Priester darstellt und im Vollzuge 
des geheimnissvollen und feierlichsten Sakramentes begriffen ist, 
in solcher leichtfertiger, unziemlicher Gewandung vorgeführt 

1) Gyprian, De bono pat., S. 211 ed. Oxon. 1682: „apparet illic veram 
non esse patientiam, ubi sit insolens affectatae libertatis et exerti ac setni- 
nudi pectoris inverecunda jactantia. Nos autem, qui philosophi non verbis, 
sed factis sumus, nee vestitu sapientiam, sed veritate praeferimus u. s. w." 

2) Richtig Pelliccia (De Christ, eccl. polit., p. 1, S. 120): „Neminem 
latet, tribus primis aerae christianae saeculis Clericorum vestem nulla in se 
a communi laicörum discrepasse; maxime enim Clericorum intererat se 
Ethnicorum oculis subducere." 



DIE FRESKEN DER SAKRAMENTSKAPELLEN IN S. CALLISTO. 89 

habe. Die männliche Figur auf dem bekannten Marienbilde in 
S. Priscilla hat freilich das Pallium in ähnlicher Welse umge- 
worfen, aber das Gewand ist dicht unter dem Arme heraufge- 
zogen und nicht, wie hier, bis zu den Hüften fallen gelassen. 
Die rechts stehende Orans soll die Kirche illustriren. Nur 
ein einziges Beispiel lässt sich für diese Behauptung anführen, 
eine Orans mit der Ueberschrift ECCLESIA auf einem Codex 
des elften oder zwölften Jahrhunderts; denn die beiden Frauen- 
gestalten in S. Sabina auf dem Aventin (Anfang des fünften Jahr- 
hunderts), welche laut der Inschrift die ecclesia ex gentibus und 
die ecclesia ex circumcisione, die heidenchristliche und die 
judenchristliche Kirche, darstellen, sind nicht Oranten. Und doch 
liegen sie noch innerhalb der Entwicklung altchristlicher Kunst. 
Die weiblichen Oranten ferner auf Deckengemälden begünstigen 
nur scheinbar diese Auffassung, da sie entweder rein ornamen- 
tale Figuren sind, wie auf dem bekannten Deckengemälde in 
S. Lucina (de Rossi, R. S., t. I, tav. lo), oder weibliche 
Verstorbene darstellen (vgl. S. 171 f.). Lässt sich demnach den 
beiden Figuren, für sich betrachtet, die ihnen imputirte Be- 
deutung und Rolle nicht zuschieben, so steht der Auffassung 
de Rossi 's ferner der Umstand entgegen, dass auf dem Tische 
der Wein fehlt. Denn, wenn ein konsekrirender Priester auf- 
tritt, so wird damit die Handlung soweit in die Realität 
heruntergerückt, dass das eine Element unmöglich fehlen kann. 
Auf den zahlreichen Monumenten, welche den Fisch in Ver- 
bindung allein mit Brod oder Broden aufweisen, wird dieser 
Mangel nicht empfunden, da dieselben nicht die Handlung der 
Eucharistie vorführen, sondern sich auf die Illustrirung des 
eucharistischen Gedankens, des Genusses des tx^b^ ganz all- 
gemein beschränken. Dagegen wird in dem Epitaph des Aber- 
cius, welches die Feier des Abendmahles im Auge hat*), wie 
auch die Inschrift von Autun 2), neben dem Fische und dem 



^) V. II f.: » . . • TCavt\ 8'loxov 

s. Garrucci, Mdlanges d*Epigraphie ancienne, S. 2. 

*) V. 9 : „'Aoy av8te (TCCx)Tep tü)pL<|) xe (xa)pW[Jievs ^ajxip || Sbv fx(7])Tpl 
XpTJOT^, obv dSeX'f (et)owtv ip.oTotv || 1 {x^)(iOq Iv Betnvcj) [JLv(a>)eo üexiopioo || . — 
Garrucci, S. 47 und Tafel. 



90 DIE FRESKEN DER SAKRAMENTSKAPELLEN IN S. CALLISTO. 

Brode der Wein, und zwar ausdrücklich erwähnt^). Auch hat 
offenbar die Armstellung der männlichen Person nicht den 
Sinn, welcher ihr zuerkannt wird; der ganz ausgestreckte rechte 
Arm und der halbeingezogene linke bilden einen Gestus, der 
durchaus von demjenigen abweicht, mit welchem auf Sarko- 
phagen Christus bei der Konsekration von Brod und Fisch 
erscheint. Die Bewegung ist die ganz natürliche Jemandes, 
der einen Gegenstand mit zwei Händen vorsichtig angreifen 
will. Dazu stimmt auch die Beinstellung, die ein Vorwärts- 
schreiten ausdrückt; ein konsekrirender Priester aber ist nicht 
anders als ruhig stehend zu denken, wie auch Christus im Akte 
der Konsekration. 

Die stark ausgepägte Individualität der beiden Figuren 
schliesslich, die gewiss nicht dem Unvermögen des Künstlers, 
ideale Züge zu schaffen, zuzuschreiben ist, deutet auf bestimmte 
Personen hin. 

Die altchristliche Kunst bietet keine dieser analoge Gruppe; 
nur die Form des Tisches mit den Speisestücken lässt sich inner- 
halb und ausserhalb derselben zahlreich nachweisen. Der dreifüssige 
Tisch diente im heidnischen Alterthume sowohl zu kultischen 
als zu privaten Zwecken; in letzterer Beziehung findet er sich 
entweder als kostbares Ziermöbel zur Aufstellung von Nippes 
oder in mehr oder weniger einfacher Ausstattung als Tisch zur 
Aufnahme von Speisen oder Getränken (mensae vinariae) *). 
Diese Verwendung des Dreifusses lässt sich bei den sogenannten 
Todtenmahlzeiten heidnischer Monumente sehr häufig beob- 
achten ^) und in gleicher Weise auf christlichen Denkmälern. 
Eine, zwei oder mehrere Personen finden sich sitzend oder 
liegend neben solchen Tischen, auf welchen, ähnlich wie auf 
den heidnischen, Brod und Fisch aufgetragen ist^). 

1) Ebend. v. 21: ^olvov ypYjoxov eyoooa, xe^aojjia 8i8oöoa jJiex'apTOü.** 
Garrucci a. a. O., S. 3. 

2) Horat., Sat. I, 3, i3: 

„ ... Sit mihi mensa tripes, 

Concha salis puri et toga quae defendere frigus 

Quamvis crassa queat ** 

3) Clarac, Musde de Sculpture, n. 232 , 289, 338, 339, ^^4* ^4^> ^9'> 
pl. 159, 160, 161. 

*) Bottari 106, 127; Garrucci 56, 4; Bull. i865, S. 42. 



DIE FRESKEN DER SAKRAMENTSKAPELLEN IN 8. CALLISTO. 9 I 

Der symbolische Inhalt dieser Darstellungen liegt vollkommen 
klar: sie idealisiren das häusliche Familienmahl zu dem himm- 
lischen Festmahle, die irdische Freude zu der seligen, para- 
diesischen. Dieser Bildergruppe ist auch das in Frage stehende 
Fresko zuzuweisen. Zwei Verstorbene, Gatte und Gattin, wie auch 
auf dem bekannten Fresko in S. Domitilla*), schicken sich an, das 
häusliche Mahl zu begehen, indem sie dasselbe nach christlicher 
Sitte mit Gebet eröffnen. Der Künstler hat das Weib betend, den 
Mann die Speisen ergreifend gebildet, in der Absicht, den mit 
Danksagung verbundenen Genuss der Gaben darzustellen. Das 
ist das einzige neue Moment, welches durch dieses Gemälde 
in den bekannten Cyklus hineingetragen wird, aber dasselbe er- 
gibt sich so natürlich, dass daraus für die Erklärung keinerlei 
Schwierigkeiten erwachsen können. Das Gebetsleben der alten 
Christen wird ausdrücklich von den Schriftstellern hervorgehoben^); 
auch musste dem Künstler daran gelegen sein, den sieben 
sitzenden Figuren des Hauptfeldes die Personen der Neben- 
gruppen stehend zur Seite zu ordnen^); daher zeigtauch das 
rechte ßegleitbild, das Opfer Isaak^», diese Orantenstellung. 
Der Parallelismus also der einen und der anderen Scene liegt 
klar. Durch diese Orantenstellung wird natürlich dem Bilde 
ein feierlicheres Gepräge verliehen , und die festliche Freude, 



1) Bull. a. a O. Nachdem ich das Original genau untersucht, muss 
ich gegen de Rossi die links sitzende Figur fQr eine weibliche erklären. 

2) Tert, Apol. c. Sg. Ein Relief im Lateran -Museum bildet in dieser 
Beziehung eine sehr instruktive Parallele zu unserem Bilde, Auf demselben 
feiern rechts vier männliche Personen ein Gastmahl; vor ihnen liegt auf 
einem dreifüssigen Tische ein grosser Fisch. Links sitzt eine männliche 
Person auf einem Btcppog und liest aus einer Rolle. Vor ihr steht rechts eine 
weibliche Orans und ein nach links gewendeter Mann, der genau dieselbe 
Kleidung trägt, wie die männliche Person auf unserem Fresko. Hinter dem 
Stuhle steht eine zweite Frauengestalt, die den linken Arm erhebt, in der 
Rechten eine Rolle trägt und mit dem Gesichte sich zu dem sitzenden 
Manfle wendet. — Das Relief stellt, darüber kann kein Zweifel sein, zwei 
Familienscenen dar: rechts ein Mahl, links das Vorlesen aus der heiligen 
Schrift. Auch hier ist die Orans direkt nicht motivirt, aber dadurch, dass 
sie der Künstler eingeführt hat, kennzeichnete er diese Scene und diese 
Lektion als eine christliche. (Tertullian, Ad ux. II, c. 9). 

5) Stehende Figuren finden sich auch hinter dem dreifüssigen Tische 
heidnischer Todtenmahle, z. B. Clarac n. 390. 



g2 DIB FRESKEN DER SAKRAMENTSKAPBLLEN IN S. CALLISTO. 

die den christlichen Gastmahls - Darstellungen eigen ist, ver- 
kümmert in der ernsten, harten Zeichnung; aber es ist auf 
diese Eigenthümlichkeit kein Gewicht zu legen, da derselbe 
hieratische Zug auch die Opferung Isaak's auszeichnet und dort 
sogar zum Nachtheile der Gesammtwirkung bis auf die Bildung 
des Bockes sich erstreckt ^). Ebenso bezeugen die statuen- 
artigen Gestalten der beiden Fossoren in ihrer ceremoniellen 
Haltung und feierlichen Gewandung dieses Bestreben des 
Künstlers. 

Wie also schon früher der von de Rossi aufgestellten 
dritten Klasse der dreifüssige Tisch mit sieben Broden (in B) 
entzogen werden musste, so kann auch dieser Darstellung keine 
selbständige Bedeutung zuerkannt werden. Die Gastmahlsbilder 
reduciren sich demnach auf zwei Gruppen, deren erstere das 
von den sieben Jüngern gefeierte mystische Mahl, sowie den 
Speisetisch mit den sieben Brodkörben (in B) und die Dar- 
stellung der Salonitaner Gemme (S. 55), also im Ganzen fünf 
Darstellungen umschliesst, während die Familienmahle eine 
zahlreiche Klasse ausmachen. 

Links neben dem Mahle der Sieben stehen in kurzer Tunika, 
die Arme zum Gebete ausbreitend, Abraham und Isaak, weiter- 
hin rechts der Widder und ein einzelner Baum, neben welchem 
ein Holzbündel liegt. Die Scene findet sich häufig als Relief, 
selten als Fresko, und ist dadurch charakteristisch, dass sie sich 
nur lose dem biblischen Texte anschliesst. So begegnet Isaak, 
neben dem Altar kniend und mit verbundenen Augen, und der 
Engel, der nach der Schrift nur mit der Stimme in die Hand- 
lung eingreift, tritt in sichtbarer Gestalt auf und hält den Arm 
des zum Todesstreiche ausholenden Abraham zurück; daneben 
erscheint mit genauerem Anschluss an den Text, aber pleo- 
nastisch, die Hand Gottes aus den Wolken gereckt. Der Altar 
ist antiken Mustern nachgebildet, ja zuweilen mit heidnischen 
Emblemen versehen und bald mit, bald ohne Opferflammen. 

Der Vergleich des Opfers auf Morija mit dem Opfer 
auf Golgatha liegt zu nahe, als dass ihn die archäologische 
Exegese nicht gezogen hätte. Seit Bosio - Severano war man 



1) Vgl. «uch Bosio, S. 5o3. 



DIE FRESKEN DER SAERAMENTSKAPELLEN IN S. CALLISTO. 9 3 

darin einig, dass die altchristliche Kunst in der Opferung 
Isaak's den Kreuzes- und Opfertod Jesu symbolisirt habe, 
bis de Rossi dieser Ansicht entgegentrat und eine Be- 
ziehung des Bildes auf das unblutige Messopfer behauptete. 
Weil, so wird bewiesen (R. S II, S. 343), die Kirche des 
dritten Jahrhunderts das Messopfer in Zusammenhang mit 
dem blutigen Opfer auf Golgatha gebracht hat, und dieses 
seinerseits durch das Opfer Isaak's vorgebildet ist, so muss auch 
zwischen ersterem und letzterem eine Beziehung vorliegen ^). 
Ganz abgesehen davon, dass die erste Thesis unrichtig 
ist, erweist sich dieser seltsame Syllogismus, in welchem ein 
bekannter mathematischer Satz zur Anwendung kommt, dadurch 
als haltlos, dass die erste Thesis ein Verhältniss setzt, welches 
die Möglichkeit des Schlusssatzes von vorneherein ausschliesst, 
insoferne durch diesen und durch jene einer Darstellung, näm- 
lich dem Opfer auf Morija, zwei Ideen zugewiesen werden (die 
Idee des blutigen und des unblutigen Opfers), die sich direkt 
ausschliessen und nicht nebeneinander bestehen können. Wenn 
aber in dem Syllogismus der einen Idee die Priorität vor der 
anderen zuerkannt wird, so ist damit für diese letztere kein 
Raum gelassen. 

Aber auch die traditionelle Interpretation ist zurückzuweisen, 
denn da vorauszusetzen ist, dass von den Künstlern des dritten 
und des vierten Jahrhunderts die Symbolik des Bildes noch klar 
erkannt wurde, so geben diese späteren volleren Darstellungen 
dadurch, dass sie die Pointe der Scene auf den einen Gedanken 
göttlicher Intervention setzen, an, wie die Gruppe zu begreifen 
ist. Es lag, wie die späteren reicheren Scenen zeigen, nicht 
in der Absicht der Künstler, ganz allgemein die Opferung 

1) Hier sei eine Angabe der deutsch. R. S> berichtigt. S. Sig derselben 
heisst es zu diesem Bilde: „Darauf führt unfehlbar der Zusammenhang der 
Komposition, wenn sich auch nicht so viele Zeugnisse für die Beziehung 
des Opfers Abraham's auf das eucharistische Opfer beibringen Hessen." Dazu 
ist in der Anmerkung auf Garrucci, Vetri, 2. ed. p. 68, und Palmer, An 
introd. p. 33, verwiesen. Palmer ist mir nicht zur Hand, aber Garrucci 
führt nicht nur keine patristische Stelle an, sondern gibt seine Behauptung 
so vorsichtig, dass man sich nicht wundert, wenn er die Beziehung des 
Opfers Isaak's auf das Messopfer später entschieden abweist. (Storia dell* arte 
HI, S. 127.) 



94 DIB FRESKEN DER SAKRAMENTSKAPELLBN IN S. CALLISTO. 

Isaak's darzustellen, sondern einen bestimmten Moment inner- 
halb dieses Aktes, den Augenblick, wo das F'urchtbare sich zu 
vollziehen im Begriff ist, aber zugleich durch ein mächtiges 
Befehlswort Gottes, durch ein thätliches Eingreifen seines 
Engels in seinem Verlaufe gehemmt wird. In den Worten des 
Hebräerbriefes: IltoTs: itpooeviQvoxev 'Aßpadp. x^jvlaaax . . . Xo^iodiitvo^, 
oTt xa\ Ix vexpwv ly^ipetv Süvaxos ^ ^^o? (l J, 17 ff.) h^gt der SchlQssel 

zum Verständniss der Darstellung; es handelt sich in derselben 
nicht um die Opferung Isaak's, sondern um eine Rettungs- 
that Gottes, die ein nach menschlicher Berechnung dem 
Tode verfallenes Leben im entscheidenden Momente befreit 
und dem Dasein zurückgibt. Daher in schroffer Gegenüber- 
stellung auf der einen Seite der Altar, das Opfer, der Opferer 
bereit, und auf der anderen die Einhalt gebietende Stimme 
und Hand Gottes, und daneben pleonastisch das persönliche 
Eingreifen des Engels Gottes. 

So symbolisirt das Bild die aus dem Tode herausreissende 
Macht Gottes im Sinne von Psalm 49, 16, wie auch die Rettung 
Isaak's in der kirchlichen Literatur zu den Auferstehungs-Bürg- 
schaften gezählt wird. 

Die Orantenstellung der beiden Personen, im letzten Grunde 
artistisch motivirt, ist eine sinnvolle Kompletirung der bibli- 
schen Erzählung. Der Baum deutet den Ort der Handlung, die 
Bergeshöhe, an und hat keinen symbolischen Inhalt. 

Auf der rechten Seitenwand des Kubikulums C sind, neben 
der bereits besprochenen Jona-Scene, nur einige Ornamentstücke 
erhalten. Die rechte Thürwand dagegen hat ihre ursprüng- 
liche Malerei vollständig bewahrt. 

Auf einem würfelförmigen, regelmässigen Felsstück sitzt ein 
bärtiger, mit Tunika und Pallium bekleideter Mann und hält mit 
beiden Händen einen schmalen, langen, aufgerollten Papierstreifen. 
Sein Blick geht über den Rand desselben hinweg zu einer weiter 
unten befindlichen männlichen Person*) hin, die aus einem 
Brunnen mit überquellendem Wasser vermittelst eines Eimers 
geschöpft hat und nun beide Hände auf dem Henkel ruhen lässt. 

1) Garrucci erklärt dieselbe für eine weibliche, für die Samariterin 
am Brunnen; indess sind die ZQge wie die Kleidung entschieden die einer 
männlichen Person. 



DIB FRESKEN DER SAKRAMENTS KAPELLEN IN S. CALLISTO. g5 

Die sitzende Person erinnert sofort an die entsprechende Figur 
in B und ist schwerlich mehr als eine direkte Nachbildung der- 
selben. Man wird also auch in diesem Manne den Besitzer der 
Grabstätte zu erkennen haben, welcher nach einem festgesetzten 
Plane, wie die entfaltete Schriftrolle andeutet, die Anlage und 
Ausstattung derselben leitet. Grössere Schwierigkeiten bietet 
die Erklärung des wasserschöpfenden Mannes. Die Figur mit 
de Rossi ^) symbolisch zu fassen, wird dadurch verwehrt, dass 
beide Scenen ein Ganzes bilden, und also, wie der ersten, auch 
der zweiten ein realhistorischer Inhalt zukommt. Auch vollzieht 
der Mann die Aufgabe des Wasserschöpfens in so geschäftiger 
Eile und mit so handwxrksmässiger Geübtheit und ist in 
Haltung und Kleidung in dem Grade realistisch gefasst, dass 
in der Darstellung nicht mehr als eine Scene des alltäglichen 
Lebens, die sich irgendwie an die Katakomben anknüpft, 
erkannt werden kann. Nun lassen sich aber in fast sämmtlichen 
Katakomben Brunnen nachweisen 2). Besonders bekannt und 
interessant ist die Brunnenvorrichtung in den Eingangsbauten 
von S. Domitilla (Bull. i565, S. 96 f.); sie entspricht genau 
der Darstellung des Freskos, Auch in S. Callisto, in S. Pris- 
cilla und in anderen CÖmeterien finden sich Brunnen, wie es 
denn selbstverständlich ist, dass eine so ausgedehnte Anlage^ 
in welcher, abgesehen von den ständigen Aufsehern und den 
Fossoren, fast ohne Unterbrechung Personen ein- und aus- 
gingen, um Angehörige zu bestatten oder die bereits Bestatteten 
irgendwie zu feiern, mit Wasser versehen war. Die Sorgfalt, 
mit welcher der Brunnen in S. Domitilla ausgearbeitet und mit 
Reservoir und steinernem Waschbecken in Verbindung gesetzt 
ist, beweist zur Genüge, dass man einer solchen Einrichtung 
wohl bedurfte und dieselbe zu schätzen wusste. Bei dieser 
Sachlage aber begreift sich leicht, dass die Herstellung einer 
Cisterne auch einmal bildlich dargestellt werden konnte, wofür 



^) Mit Anschluss an de Rossl hat diesen Gedanken besonders de 
Richemont (Les nouvelles fitudes sur les Catacombes romaines, Paris i856, 
S. 419 ff.) aufgenommen und ausgeführt. Vgl. auch deutsche R. S., S. 322 f. 
und Gsell-Fels, Römische Ausgrabungen im letzten Decennium, Hildburgh. 
1870, S. 5i. 

^) lieber Brunnen heidnischer Areae vgl* OreUi n. 4466 b. 



96 DIE FRESKEN DER SAKRAMENTSKAPELLEN IN S. CALLISTO. 

mir eben dieses Gemälde ein Beispiel ist. Das kräftig über- 
sprudelnde Wasser bringt in besonderer Weise die reiche 
Fülle des Stoffes und den Segen dts Werkes zur Anschauung. 
In dem Kubikulum selbst freilich wird dieser Brunnen kaum 
zu suchen sein; für eine solche Anlage ist der Raum zu eng; 
vielleicht lag derselbe dem Eingange der Grabkammer gegen- 
über, wo innerhalb des Korridors, dadurch, dass eine Neben- 
galerie sich nach Südwesten abzweigt, ein grösserer Raum frei 
geworden ist. 

Die Malereien der Kammern D, E und F wurden, soweit 
sie in B oder C Parallelen hatten, mit diesen bereits behandelt, 
so dass nur noch Weniges hinzuzufügen bleibt. 

Die Jona-Scenen der linken Seitenwand von D folgen sich 
von rechts nach links und sind in dem Grade ineinander- 
geschoben, dass die Kürbislaube und der ruhende Jona auf 
die Meeresfläche selbst zu stehen kommen. Der Oberkörper des 
Jona ist höher als sonst aufgerückt und die Beinstellung un- 
schön gekünstelt. Die Gäste auf der rechten Seitenwand schliessen 
sich um eine Mittelfigur, die grösser gebildet ist, als die sechs 
Genossen, eine Anordnung, die indessen schwerlich auf einem 
anderen als künstlerischen Motive beruht, auf dem Bestreben 
nach pyramidaler Anordnung. Die Absicht, einen bestimmten 
Jünger vor den übrigen auszuzeichnen, liegt kein Grund vor, 
vorauszusetzen. Der Mose auf der rechten Thürwand vollzieht 
mit der Rechten vermittelst eines Stäbchens das Wunder; seine 
Linke weist auf das vollzogene hin. 

An der Hinterwand von E sind zwei hübsche weibliche 
Köpfe erhalten, die aus einer stilisirten Blume hervorwachsen 
und von einem grünen Nimbus umrahmt werden. Dieselben 
sind in der antiken Kunst beliebte Ornamentstücke und in dem- 
selben Sinne von der christlichen adoptirt ^). Die Malereien an 
der Decke gingen, als dieselbe in späterer Zeit erhöht wurde, 
zu Grunde. 

Auf den beiden Thürwänden in /^begegnen zwei Fossoren, 
die, im Arbeitskostüme, mit ihren Picken zwei freistehende 
Felsblöcke zerarbeiten. Ihnen gegenüber sind auf der Hinter- 



^) Schultze^ Die Katak. von S. Gennaro dei Poveri, Taf. V. 



DIE FRESKEN DER SAKRAMENTSE AFELLEN IN S. GALLISTO. gy 

wand die Fragmente zweier weiblicher Oranten erhalten, Por- 
träts der beigesetzten Personen. Während von den übrigen Seiten- 
wänden die Stuccobekleidung ganz oder theilweise sich abgelöst 
hat oder gewaltsamer Weise heruntergeschlagen ist, hat sich 
die Plafond-Dekoration fast intakt erhalten. Den Mittelpunkt 
bildet der Gute Hirte; links und rechts neben demselben ein 
ruhender Jona, wie in £*, und die Rettung desselben an das 
Land, wie in B. 

Der Verlauf der Untersuchung über den Inhalt der in 
diesen fünf Kubikula dargestellten Scenen, sowie über das Ver- 
hältniss der einzelnen Figuren und Gruppen zu einander hat 
gezeigt, dass es nicht zulässig ist, in diesen Bildwerken ein 
theologisches System verborgen zu glauben. Den Cyklus so zu 
verstehen, wie mit Anschluss an de Rossi z. B. die deutsche 
,,Roma sotteranea", heisst die Bedeutung und den Zweck se- 
pulkraler Darstellungen überhaupt verkennen. Die Malereien 
stehen durchaus innerhalb der Sitte und des Systems, welches 
die Forschung als den antiken Grabmonumenten eigen erkannt 
und erwiesen hat: mit den Scenen des realen Lebens, die 
hier den Verstorbenen in frischem, fröhlichem Wirken, noch 
nicht angekränkelt von Todes- oder Abschiedsschmerz, zeigen, 
dort aber mit der Gattin und mit den Brüdern in Erinnerung 
an und in Hoffnung auf den lebenspendenden 1X0 YC feierlich 
und ernst das heilige Mahl begehend, verknüpfen sich biblisch- 
sepulkrale Darstellungen, welche die tröstliche Zuversicht auf 
ein Erwachen und Erstehen aus dem Todesschlafe in geheim- 
nissvoller Sprache andeuten. Es ist ein Cyklus eigener Art, 
das lässt sich nicht bestreiten, aber nicht in dem Masse, 
um innerhalb des altchristlichen Bilderkreises eine eigene Gruppe 
zu konstituiren, da diese Gemälde, abgesehen von dem Mahle 
mit den sieben Gästen und dem von Brodkörben umgebenen 
dreifüssigen Tische, im Einzelnen wohl formal, aber nicht in- 
haltlich Neues vorführen. Für die Klassificirung der Bilder 
kann aber nur letzteres Moment in Betracht kommen. 

Ueber die Zeitbestimmung der Kubikula liegen im zweiten 
Bande der R. S. eingehende archäologische und architektonische 
Untersuchungen vor, mit deren Resultaten man sich im Allgemeinen 

Schnltse, ArohäologUche Studien. 7 



98 DIB FRESKEN DER SAKRAMENTSKAPELLEN IN S. CALLISTO. 

einverstanden erklären wird. Besonders, dass dem Kubikulum B 
das höchste Alter zuzuerkennen ist, scheint zweifellos. Dagegen 
wird, scheint es, von den Brüdern de Rossi C zu nahe an B 
herangerückt; der Stil der Malereien weist vielmehr auf einen 
Zeitunterschied von mindestens zwei Decennien und ordnet C 
eher der Gruppe DS. zu. Die Malereien in D, £*, F weichen 
nur unerheblich von einander ab und lassen sich recht wohl 
auf gleichzeitige Künstler zurückführen. Doch wie man sich 
auch im Einzelnen entscheiden mag, das durch archäologische 
wie durch architektonische Untersuchungen gewonnene Ergeb- 
niss, dass dieser gesammte Cyklus der ersten Hälfte des dritten 
Jahrhunderts angehört, scheint unanfechtbar. 



III. 

EIN SARKOPHAG MIT JUNO PRONUBA IN VILLA 

LÜDOVISL 

i' 

(Fig. 20). 

In der Villa Ludovisi in Rom ^) wird ein gegenwärtig als 
Blumenbehälter dienender altchristlicher Sarkophag 2) auf- 
bewahrt, der trotz seines einzigartigen Werthes der Forschung 
in dem Grade fremd geblieben ist, dass nicht einmal eine An- 
deutung der Existenz desselben aufzufinden war. 

Das Monument besteht aus italienischem Marmor, misst 
2*11 Meter Länge, r\2 Meter Höhe, r35 Meter Breite und 
war für die Aufnahme zweier Leichen eingerichtet. 

Die Höhe der Hauptfiguren des Mittelfeldes beträgt 
o*8i Meter. Auf der Vorderwand des Sarkophagkörpers — der 
Deckel existirt nicht mehr — sind sechs grössere und kleinere 
Felder für Reliefdarstellungen abgegrenzt; die übrige Fläche 
ist mit architektonischen Ornamenten und mit Wellenlinien 
(strigiles) bearbeitet. Seiten- und Rückwand sind glatt, lieber 
die Provenienz ist nichts bekannt. 

Das linke obere Eckfeld zeigt zwei aufrechtstehende, in 
Tunika und Pallium gekleidete männliche Figuren. Diejenige 
links (Kopf und rechter Unterarm sind abgestossen) wendet 
sich, mit der linken Hand das Gewand fassend, halb nach 



1) Genauer links an dem Pfade, welcher am Eingange der Villa links 
sich abzweigt. 

2) Die Zeichnung, deren Herstellung mit einigen Schwierigkeiten ver- 
knüpft war, da die Reliefs von einer Mooskruste Oberzogen sind, wurde 
unter meiner Aufsicht von einem mit solchen Arbeiten vertrauten römischen 

Künstler ausgeführt. 

7* 



I OO ALTCHRISTLICHER SARKOPHAG MIT JUNO PRONÜBA. 

rechts, während die Begleitfigur (Gesicht abgestossen) sich dem 
Beschauer zukehrt und in der halb emporgehobenen Linken 
eine Rolle trägt, deren obern Rand sie mit dem jetzt ab- 
gebrochenen Mittel- und Zeigefinger berührte. Zwischen Beiden 
steht, das Gesicht nach links wendend, eine flach ausgearbeitete 
Hintergrundsfigur. Weiter nach vorn liegt, mit dem Ober- 
körper aufwärts gerückt, und den Kopf zurückbeugend eine 
kleine nackte männliche Gestalt; daneben steht eine zweite, 
etwas kleinere^ ebenfalls unbekleidet. 

Ein zur Zeit Aringhi's ^) bei S, Sebastiano vor Rom aus- 
gegrabener, jetzt im Lateran-Museum befindlicher Sarkophag 
bietet eine ähnliche Gruppe: ein Jüngling, der in der Linken 
eine Rolle hält, berührt mit der Rechten vermittelst eines 
Stäbchens eine am Boden liegende nackte männliche Figur^ 
neben welcher eine zweite von derselben Grösse steht. Im 
Hintergrunde schaut ein bärtiger Mann dem Vorgange mit Auf- 
merksamkeit zu. Darnach ist also der abgebrochene Unterarm 
des linksstehenden Mannes auf dem Sarkophag-Relief in Villa 
Ludovisi zu restauriren. Die Figur ist vermittelst eines Stäb- 
chens die liegende Gestalt berührend zu denken. 

Was den Gegenstand der obigen Darstellung betrifft, so 
bezog Aringhi dieselbe auf die Auferweckung des Sohnes der 
Sunamitin durch Elisa (IL Kön. 4,32 ff.). Diese in der That 
durchaus unzulässige Interpretation hat bereits Bottari (a. a. O. 
III, i8i) zurückgewiesen und seinerseits vermuthet, dass die 
Gruppe die verschiedenen von Christo auferweckten Todten in 
eine Darstellung vereine. Eine solche Kombination und Kom- 
pilation aber ist in der altchristlichen Kunst beispiellos und an 
sich wenig wahrscheinlich. Auch stimmt die Zweizahl nicht 
mit den in den Evangelien berichteten Todtenerweckungen. 

Um die Scene und die gleichartige des Sarkophags in 
Villa Ludovisi ihrem Inhalte nach zu bestimmen, ist von einem 
im Lateran-Museum befindlichen Relief auszugehen. Auf dem- 
selben sieht man neben andern biblischen Scenen einen Jüngling, 
der, den Blick aufwärts gen Himmel gerichtet, mit einem 
Stäbchen eine ausgestreckt am Boden ruhende (nur der Kopf 



1) Aringhi, R. S., t. II, S. SgS; vgl. Bottari, tav. igS. 



V •> M > 






ALTCHRISTLIOHER SARKOPHAG MIT JUNO PRONÜBA. iQ | 

ist etwas aufgerichtet) nackte Gestalt berührt. Neben dieser 
letztern liegt ein menschliches Haupt und steht eine zweite 
männliche nackte Figur. 

Der mit dem Stabe operirende Jüngling ist rechts von 
einem bärtigen, links von einem jugendlichen bartlosen Manne 
begleitet. Beide wenden sich ihm zu. Aehnlich ist ein aus 
S. Agnese stammeiides, jetzt ebenfalls im Lateran-Museum be- 
findliches Sarkophag-Relief^). Auch hier begegnen die halb aus- 
gestreckte und die stehende nackte Figur, ebenso das mensch- 
liche Haupt, ausserdem aber ein Fuss und daneben eine dritte 
ebenfalls stehende nackte männliche Figur. Ein Jüngling, der 
mit der Linken das Gewand fasst und den rechten Arm (jetzt 
theilweise abgebrochen) nach links gerichtet hält, berührte ohne 
Zweifel ursprünglich in gleicher Weise wie auf dem Relief in S. 
Sebastiano mit einem Stäbchen die liegende Gestalt. Neben dem 
Jünglinge steht rechts ein bärtiger, aufmerksam zuschauender 
Mann. Endlich erscheint dieselbe Scene auf einem Sarkophage 2) 
aus dem vatikanischen Cömeterium (jetzt in der Sammlung 
des Lateran), doch mit der Abweichung, dass die liegende 
Figur und die beiden stehenden der den Stab führenden Person 
und dem Begleiter derselben an Grösse gleichkommen, und 
dass am Boden zwei Köpfe (der eine ein eigentlicher Todten- 
kopf) liegen. 

Diese sämmtlichen Reliefs stellen unzweifelhaft die Be- 
lebung der Todten durch Ezechiel dar. (Ezech. XXXVII, lofF.). 
Wenn nach dem biblischen Berichte diese Belebung auf das 
blosse Wort hin geschieht, hier aber der Prophet mit einem 
Stabe operirend erscheint, so kann nach dem, was früher über 
die Bedeutung der virgula ausgeführt wurde, diese Abweichung 
von dem Texte nicht auffallen. Die Reducirung aber der 
„oDvaYto-rt [leYaXY] o^poSpa" (Ezech. a. a. O.v. lo) auf zwei, beziehungs- 
weise drei, vier, fünf Personen beruht auf rein künstlerischen 
Motiven. 

Die Darstellung illustrirt speciell die Worte: „xal eCr^oav 
xä\ eoTTjoav lizi ti)V «o8u>v aöxcbv" (v. lo). 



1) Bottari a. a. O., tav. 134. 

') Bottari, t. 38; d*Agincourt, Sculpt. XII, 3. 



I 02 ALTCHRI8TLICHBR SARKOPHAG MIT JUNO PRONÜBA. 

Die übrigens seltene Scene hat eine eminent sepulkrale Be- 
deutung ^), und die Verwendung derselben in diesem Sinne 
seitens der Kunst wurde noch besonders dadurch nahegelegt, 
dass, nach dem Zeugnisse des Hieronymus 2), die Geschichte 
dieser Vision zu den regelmässigen kirchlichen Lektionen 
gehörte und allgemein gekannt wurde. 

Es ist zweifellos, dass die Darstellung des Sarkophags in 
Villa Ludovisi ebenfalls auf die Vision des Ezechiel sich 
bezieht. Die Anordnung der beiden nackten Figuren und der 
beiden Männer findet sich genau auf den angegebenen Reliefs, 
und drei am Boden liegende kurze Stäbe, auf welche der 
linke Fuss des das Wunder vollziehenden Mannes tritt, finden 
allein in der genannten Erzählung ihre Erklärung: es sind die 
von dem Propheten zu belebenden Todtengebeine. 

Die Gruppe könnte, wenn überhaupt anders, nur als Dar- 
stellung der Schöpfung der Eva erklärt werden. Diese Möglich- 
keit wird indess dadurch ausgeschlossen, dass beide nackte 
Gestalten männliche sind; zudem ist auf den Schöpfungsbildern 
der Schöpfer nie stehend dargestellt 3). 

Auffallend sind in diesen Gruppen die dem Propheten 
beigegebenen Begleitfiguren, die sich aus dem Texte nicht 
erklären lassen. Die Thatsache jedoch, dass die Figur des 
Ezechiel in Beziehung auf Gewandung, Gesichtszüge und 
Körperbildung genau der Gestalt des w^underverrichtenden 
Christus entspricht, also offenbar eine Abhängigkeit des einen 



*) Tert., De resurr. c. 29: „Ezechiel . . . nostram futuram resti- 
stutionem clare demonstrai", und die S. 17 citirten Stellen. 

2) Hieron. in Ezech. c. 87: „Famosa est visio et omnium ecclesiarum 
lectione celebrata." 

5) Auf einer solchen Verwechslung der „Ezechiel- Vision" mit der 
„Schöpfung der Eva" beruht die auch in die englische Roma sotterranea 
(Deutsche Ausgabe, S. 367, Anm. i) übergegangene Angabe Burgon's 
(Letters from Rome, XX), nach welcher auf den Reliefs der lateran. Samm- 
lung die Schöpfung der Eva elfmal sich finden soll. In Wirklichkeit zeigt 
dieselbe nur der bekannte Sarkophag aus S. Paolo fuori le mura am Auf- 
gange des Treppenhauses, S. 140 fF. Die Zahl 1 1 scheint aus diesem einen 
Beispiele und aus den Darstellungen der Ezechiel -Vision, sowie der „Auf- 
erweckung des jQnglings zu Nain" kombinirt zu sein. Das Verzeichniss 
Burgon*s ist Oberhaupt unzuverlftssig. 



ALTOHRISTLICHBR SARKOPHAG MIT JUNO PRONUBA Io3 

Typus von dem andern vorliegt, gestattet die Vermuthung, 
dass auch die Begleitpersonen des Ezechiel den neutestament- 
lichen Wunderscenen entnommen sind. Der Sarkophag-Skulptur 
ist überhaupt das Streben nach vollen Gruppen eigenthümlich 
(vgl. S. 19 f.). 

Das Sujet wird erst in der zweiten Hälfte des vierten Jahr- 
hunderts von der Bildhauerei aufgenommen; die altchristliche 
Malerei hat es nicht. 

Als passendes Pendant des ersten Bildes erscheint an der 
entgegengesetzten Seite des Sarkophags die Darstellung der 
Auferweckung des Lazarus. Die Gruppe ist ebenfalls ver- 
stümmelt, aber wegen des stereotypen Charakters, der diesen 
Darstellungen eignet, leicht zu restauriren. Die aufrechtstehende 
Figur (Kopf und rechter Unteram abgebrochen) führte in der 
Rechten 'den thaumaturgischen Stab, mit demselben den in der 
Grabesthür aufgestellten Lazarus berührend. Die rechts knieende 
Frauengestalt, Martha, ist in der Weise der Adorirenden klein 
gebildet und findet sich in dieser Anordnung häufig. Die Front 
des Grabes, dessen Form auf antike Muster zurückgeht, ist 
architektonisch reich verziert und mit zwei Säulen mit Kompo- 
sit-Kapitäl geschmückt, wie auch sonst. 

Die erste Darstellung der untern Reliefreihe des Sarkophags 
illustrirt die Heilung des Blindgeborenen. Christus, in der 
Linken die Rolle, das Zeichen seiner Würde und seines Amtes 
haltend, legte ursprünglich die Rechte (jetzt verstümmelt) auf 
das Haupt oder auf die Augen — Beides findet sich — des in 
Tunika vor ihm stehenden Knaben. 

Die beiden Begleitfiguren, offenbar Jünger, sind auch sonst 
dieser Scene beigefügt. An bestimmte Namen ist indess nicht 
zu denken. 

Auch die letzte der biblischen Scenen, das Quellwunder 
des Mose, bietet nichts von der gewöhnlichen Art und Weise, 
dieses Ereigniss darzustellen. Abweichendes. Nur die im 
Hintergrunde erscheinende nach links gewendete Begleitfigur ist 
selten^). Mose, bärtig, wie fast durchgehends in der Skulptur^ 
während die Malerei vorwiegend einen jugendlichen Typus ver- 



t) Vgl. Bottari, t 36; 84; 134. 



I04 



ALTCHRI8TLICHKR SARKOPHAG MIT JUNO PRONUBA. 



wendet, führte in der jetzt abgebrochenen Rechten den Stab, 
mit welchem er den Felsen berührte; seine Linke hält einen 
Streifen des Palliums. 

Als das Mittel- und Hauptstück der bildlichen Verzierungen 
des Sarkophags erscheinen die Porträts der beiden Ehegatten, 
welchen das Monument angehört. Sie reichten sich die Hand (bei 
Beiden jetzt abgebrochen) — „dextrarum junctio matrimonii 
causa". Die Gesichter sind abbozzirt. Der Mann, in Tunica 
laticlavia und Toga gekleidet, hält in der Linken das volumen 
nuptiale, die officielle Urkunde des legitim abgeschlossenen 
Ehebundes; die Gattin, in der züchtigen Tracht römischer Ma- 
tronen, wendet sich in ruhiger, sittsamer Haltung, das ihr Haupt 
bedeckende Flammeum („velatae ad virum ducuntur", 
TertulL, De virgg. vel., c. XI) mit der Linken fassend, dem 
Verlobten zu. Zwischen Beiden steht eine mit einem Diadem 
(oTepavY)) geschmückte weibliche Gestalt, die ihre Hände auf die 
rechte (linke) Schulter derselben legt, sie zusammenführend. 
Zu Füssen der Braut sieht man eine verstümmelte Psyche, 
deren Gewand bis auf die Hüfte heruntergesunken ist; sie 
wendet sich mit dem Oberkörper halb nach rechts, wo der sie 
umarmende Eros (jetzt weggebrochen; nur die Füsse sind 
erhalten) stand. 

Tiefer trägt ein abgegrenztes Feld die Darstellung eines von 
zwei Eroten geleiteten Hahnenkampfes. Der Eros rechts trägt 
in der Linken eine Palme und erhebt triumphirend die Rechte, der 
andei:e links treibt mit einer Handbewegung seinen unterliegen- 
den Hahn an. Die Siegespreise, zwei Kränze und ein pyramidal 
geformter Gegenstand, den ich nicht zu bestimmen weiss, 
liegen in Nachahmung der olympischen Spiele ^) auf einem mit 
Thierköpfen verzierten Dreifusse. 

Die uns erhaltenen antiken Hochzeits- und Ehedenkmäler 
sind sämmtlich aus spätrömischer Zeit; die griechische 
Kunst kennt sie nicht. Indessen ist in den meisten Fällen, 
wo Gatte und Gattin vereint erscheinen, nicht sowohl der 
einzelne Akt der Verlobung gemeint, sondern die eheliche 



*) Später wurde dazu ein kostbarer Tisch verwandt. „Tpaicetoj, icp'J 
irpoxt^evtat xot^ vixwaiv o\ otecpavot", Paus. V, 20, ij vgl. 12, 5. 



ALTCHRISTLICHBR SARKOPHAG MIT JUNO PRONUBA. io5 

Liebe und Gemeinschaft der Gatten dargestellt. Daher ist die 
Anordnung gewöhnlich so, dass die Gattin den linken Arm leicht 
auf der rechten Schulter des Mannes ruhen lässt und mit der 
rechten Hand seinen Arm ergreift, dicht an ihn geschmiegt 
und mit liebendem Blicke ihn anschauend ^). Von der römischen 
Kunst hat die christliche Kunst diese Gruppen überkommen. 
'Aber wie diese jener darin folgt, dass sie den Verlobungsakt 
nur in den seltensten Fällen abbildet, so geht sie über ihr 
Vorbild insofern hinaus, als ihre hierhergehörigen Denkmäler 
fast durchgehends auf die Trennung der Ehegatten durch 
den Tod und nicht auf die Gattenliebe im Allgemeinen sich 
beziehen, wie sich aus der Bewegung der Figuren und der 
stillen Trauer, die sie zeigen, klar ergibt. Ausgenommen 
sind folgende Monumente: 

I. Ein Sarkophag in Arles. Gazette arch^ol. 1878, pl. I, ; 
Estrangin, BuUett. di corrisp. archeol. 1844, S. 12; Revue 
arch^ol. 1844, S. 127; Cahier, Nouveaux m^langes, d^corat. 
d'eglises, S. 80. 

Die Vorderwand des Monumentes wird von fünf durch 
Bogen verbundene Säulen in vier Nischen getheilt. In der 
zweiten (von links aus gezählt) reicht ein jugendlicher unbärtiger 
Mann, der eine kurze Tunika und ein Sagum trägt, die rechte 
Hand (abgebrochen) einer vor ihm stehenden verschleierten 
Frau, indem er sie zärtlich anblickt. Diese, halb nach links ge- 
wendet, berührt mit der rechten Hand leicht die linke Schulter des 
Mannes 2). Ihr Gesichtsausdruck ist ernst. Links von der Gruppe 
in der ersten Nische steht ein jugendlicher Dioskur mit ge- 
zäumtem Rosse. In der dritten Nische gibt ein bärtiger, in 
Tunika und Pallium gekleideter Mann, en face, aber mit dem 
Oberkörper nach rechts gerichtet, seine Rechte einer verschleierten 
Frau in Stola und Palla. In der Linken hält er die tabulae 
nuptiales. Die Gesichter Beider zeigen stille Trauer. Rechts an die 



*) Bottari, t. 20; 84; 99; iSy. Miliin, a. a. O. pl. 67, i, 4; De 
Rossi, Inscript, Christ. I, 72 n. 118 (den christlichen Ursprung des Monu- 
mentes vorausgesetzt); Bull, crist. 1876, tav. IV. — Sarkophag in Syrakus. — 
Sarkophag aus S. Paolo fuori le mura (Fig. 22) u. a. m. 

2) Eine gleiche Darstellung auf einem antiken Sarkophage in Vigna 
Aquari (Porta latina) bei Rom; s. Bull. Municip. di Roma 1877, tav. XVIII. 



I o6 ALTCHRISTLICHBR SARKOPHAG MIT JUNO PRONUBA. 

Scene schliesst gleichfalls ein Dioskur, diesmal bärtig. Die 
Seitenwände tragen biblische Scenen. 

Der Inhalt der Reliefs ist klar: Die Gruppe in Nische 2 
stellt den Beginn der Sponsalia vor, begleitet von dem den Aufgang 
des Lebens symbolisirenden Dioskuren, dessen Züge diejenigen 
des Verlobten porträtiren. Die rechts anschliessende Gruppe zeigt 
dieselben Personen, aber in einem vorgerückteren Alter und im 
Begriff, von einander Abschied zu nehmen. Dieser Abschied 
wird weiterhin durch den den Tod repräsentirenden bärtigen 
Dioskuren, der ebenfalls Porträt ist, als ein durch das Hin- 
scheiden des Mannes bewirkter bezeichnet. 

2. Sarkophag in Villa Ludovisi. Die Vorderwand wird 
durch vier geriefelte Säulen mit Kompositkapitäl in drei Nischen 
getheilt. In der mittlem steht nach rechts gewendet eine Frau 
in Stola und Obergewand, welches letztere auch einen Theil 
des Hauptes bedeckt, und reicht ihre rechte Hand einem ihr 
gegenüberstehenden kurzbärtigen Manne, der in der Linken 
das Volumen nuptiale hält. Zwischen Beiden steht ein Hyme- 
näus mit erhobener Fackel. In der Nische links stehen zwei 
Frauen (Köpfe abgestossen), in der Nische rechts ein Togatus, 
der sich mit erhobenem Arme (grÖsstentheils abgebrochen) 
zu einem kurzbärtigen Manne wendet. Oben auf dem Deckel 
des Sarkophags ist ein Ehepaar gelagert. An den vordem 
Ecken des Pfeils ruhen zwei Eroten, denen je ein Delphin bei- 
gefügt ist. 

Das Monument gehört dem vierten Jahrhundert an und 
wird als christliches durch die Inschrift^) erwiesen: 

dmE)i 
varia avreli svo 

octabiana theodoriemi innocen 

g f conivgi nentissimae tissimofecit 

memoriaeviri 

depossio die 

iii -non- ivnias 

3. Sarkophag in Tolentino. Mabillon, Iter ital., S. 223, 2; 
Santini, Saggio delle Mem. eccl. di Tolent., Macerata 1789, 

^) Muratori IV, S. 889, 4; doch nicht ganz genau. 



ALTCHRISTLICHER SARKOPHAG MIT JUNO PRONUBA. IQ^ 

p. II, tav. HI, IV.; Colucci, Antich. Picene, vol. V, S. 257; 
260 f. Garrucci, Storia deir arte crist., tav. 3o3; 304. 

Die Rückseite des Sarkophags zeigt in halber Figur ein Paar 
in dextrarum junctio. Der Mann hält in der Linken die tabulae 
nuptiales, die Braut ist verschleiert. Die Gesichter sind jugend- 
lich und heiter. Ueber das Haupt Beider wird von einer Hand 
ein mit Schleifen verzierter Lorbeerkranz gehalten. Links und 
rechts daneben ist ein fünfschenkeliges Monogramm Christi mit 
a und 05 hinzugefügt, tiefer zwei Tauben auf Lorbeerzweigen 
stehend. Die Inschrift lautet: 

FL • IVL • CATERVIVS VC EX PRAEF PRAETORIO • QVI 

VIXIT CVM SEPTIMIA SEVERINA CF DVLCISSIMA 

CONIVGE ANNIS • XVI • MINVS D • XIII QVIEVIT IN PACE 

ANNORVM L • VI DIERVM XVIII • XVI • KAL • NOB • DEPO- 

SITVS EST • IUI • KL • DCB • SEPTIMIA • SEVERINA • CF^ 

MARITO DVLCISSIMO AC SIBI SARCOFAGVM 

ET PANTEVM CVM TRICORO DISPOSVIT 

ET PERFECIT 

Es lässt sich freilich nicht mit Bestimmtheit sagen , ob die 
dextrarum junctio hier als Verlobungs-Ceremonie oder als Aus- 
druck ehelicher Liebe und Gemeinschaft überhaupt zu betrachten 
sei. Die Parallelen auf Goldgläsern, die jugendlichen Züge 
des Paares, die Corona nuptialis machen indess Ersteres wahr- 
scheinlich. Die Hand, welche die Krone hält, ist diejenige 
Gottes. Auf Goldgläsern reicht Christus den Kranz dar (S. 108), 
wodurch ebenso wie auf diesem Relief der heidnische Ursprung 
der von den Christen beibehaltenen Bekränzung verdunkelt wird. 

4. Sarkophag in der Krypte von S. Ciriaco in Ancona. 

Zwischen zwei von einem Bogen überspannten Säulen Gatte 
und Gattin in dextrarum junctio. Die Matrone, in Stola und 
Flammeum, reicht die Rechte dem Gatten und legt die Linke um 
seinen Hals. Dieser, in Tunika und Toga laticlavia, hält in 
der Linken die tabulae nuptiales. Der Gesichtsausdruck Beider 
ist heiter. 

In grösserer Zahl weisen die Goldgläser Hochzeits- und 
Ehedarstellungen auf, und die Meinung, dass ein Theil dieser 
Fabrikate eigens zur Erinnerung an eheliche Verbindung, sei es 



I o8 ALTCHRISTLICHER SARKOPHAG MIT JUNO PRONÜBA. 

des Abschlusses derselben, sei es des durch dieselbe geschaffenen 
Familienlebens, hergestellt sei, darf als gesichert gelten. 
Ich führe folgende Monumente an: 

1. Die Verlobten in ganzer Figur reichen sich die Rechte. 
Zwischen Beiden steht ein schmaler hoher Altar, über welchem 
ein breiter Kranz schwebt. Die Umschrift lautet: 

VIVATIS IN DEO. 

Garrucci, Vetri 26, 11. 

2. Die Verlobten in ganzer Figur und in dextrarum junctio. 
Der Kranz ist durch das fünfschenkelige Monogramm Christi 
ersetzt. Links neben der Matrone das volumen nuptiale. Umschrift : 

MARTVRA- EPECTETE • VIVATIS. 

Garrucci, 26, 12. 

3. Gatte und Gattin in halber Figur, ohne dextrarum junctio. 
Darüber der Gute Hirte, rechts Paulus auf einem Diphros. Die 
linke Seite ist ausgebrochen. Umschrift: 

DIGnitas atniCORVM ROMANE • PIE ZESES i) GVM TVA 
NE. 

Garrucci, 28, 4. 

4. Gatte und Gattin, gleichfalls ohne dextrarum junctio 
und in halber Figur. Zwischen ihnen ein nackter Eros, der 
Beider Häupter mit der Hand berührt. Umschrift: 

NE • TZVCINVS BIBITE. 

Garrucci, 28, 6. 

Dazu zu vergleichen ein antiker Sarkophag in Palazza Giu- 
stiniani (Montfaucon, Antiqu. III, 2 pl. i3i), auf welchem 
zwei Eroten einen Kranz über das Haupt des Ehepaares halten. 

5. Gatte und Gattin in ganzer Figur, ohne dextrarum junctio. 
Ueber ihnen schwebt Christus, Jedem einen Kranz auf das 
Haupt setzend. Umschrift: 

SIRTCA LVCIFER VIVAS GVM TVIS FELIGITER. 

Garrucci, 29, 3. 

„Feliciter" ist Acclamation der Brautzeugen an die Neu- 
vermählten 2). 

*) PIE ZESES =s TCie, tTQoat^, vgl. Buonarruoti, Osservaz., S. 2o3 ff. 
2) Juven. II, I ig. 



ALTCHRISTLICHBR SARKOPHAG MIT JUNO PRONUBA. 1 09 

6. Gatte und Gattin in ganzer Figur, ohne dextrarum 

junctio; vor ihnen ein Knabe und ein Mädchen, denen sie die 

linke Hand auf die Schulter legen. Die Rechte lässt der Mann 

auf der Schulter der Matrone ruhen. Zwischen Beiden fünf- 

schenkeliges Monogramm Christi. Links und rechts ein Baum. 

Inschrift: 

POMPEIANE TEODORA VIBATIS. 

Garrucci, 29, 4; vgl. ferner i, 2; 19, 7; 27, 1—7; 
28, I, 2, 3, 5; 29, I, 2, 5; 3o, i — 6; 3i, 2, 3, 4; 33, 2, 3. 

Ausserdem seien noch erwähnt: 

Ein Elfenbein -Relief mit dem Brustbilde eines Ehepaares, 
darüber das fünfschenkelige Monogramm Christi. Um den Rand 
des eiförmigen Gegenstandes, dessen eigentliche Bestimmung 
nicht klar ist, läuft die Inschrift: 

DIGNITAS AMICORVM VIVAS CVM TVIS FELICITER. 

Boldetti, S. 5i4, n. 70. 
• Ein silbernes Siegel in Spalato ^) mit den Büsten des 
Ehepaares und der Umschrift: 

VI II VAS INltDllEO 
und eine Münze des Kaisers Marcianus (450—457): 

I. D NMARCIANVSP-F AVG. Brustbild des Kaisers. 

Revers: FELICITER • NVBTIIS. Links steht der Kaiser; mit 
doppeltem Nimbus und reicht der Pulcheria (mit einfachem 
Nimbus) die Rechte. Zwischen ihnen Christus (mit gespal- 
tenem Nimbus), die Hände auf Beider Schultern legend, in 
genauer Nachbildung antiker Darstellungen, welche Juno in 
dieser Stellung und Handlung zeigen; so Münzen Heliogabars 
und der Julia Paula (Cohen, Monn. rora. IH, pl. XVI, n. 8, 
vgl. pl. IV, 2; Eckhel VII, 14; 46; 107; Kehl, Supglem. 
ad numism. Imper. rom. Vind. 1767, S. 291; Eckhel VIII, 191). 

Den Irrthum Kehl's, dass die Mittelfigur der Patriarch 
von Konstantinopel, Antolios, sei, hat bereits Eckhel berichtigt. 



*) Im Juni 1878, als ich es sali, noch in Privatbesitz; jetzt wahr- 
scheinlich im Museum daselbst. 



I 10 ALTCHRISTLICHBR SARKOPHAG MIT JUNO PRONÜBA. 

Auf allen Goldgläsern, sowie auf der Münze des Kaisers 
Marcianus erscheint die Verlobte un verschleiert, woraus in- 
dessen nicht auf eine Aenderung der früheren Sitte zu schliessen 
ist, da die Sarkophage, welche diesen Monumenten ungefähr 
gleichzeitig sind, die Verschleierung der Braut noch zeigen. 
Das Wegfallen des Schleiers auf dem Haupte der Pulcheria 
wurde wohl durch den Nimbus veranlasst. 

Diese Darstellungen unterscheiden sich von den antiken 
Hochzeits- und Ehe-Monumenten dadurch, dass ihnen, ab- 
gesehen von dem S. io8, N. r mitgetheilten Beispiele, jedes 
mythologische Element fehlt. Während auf den römischen 
Denkmälern dieser Klasse sehr häufig Juno Pronuba zwischen 
die Verlobten gestellt ist, erscheint auf den Goldgläsern, ohne 
Zweifel in bewusster Opposition gegen die heidnische Sitte, 
Christus an Stelle derselben (Garr., a. a. O. 19, 7; 27, 4; 28, 4; 
29, I, 2, 3), wie auch auf der Münze des Kaisers Marcianus. 
Der Altar, welchen das Goldglas n. i mit sehr bestimmter 
Beziehung auf das sacrificium nuptiale noch hat, ist auf ^en 
übrigen Darstellungen weggefallen oder zu einer Säule, auf 
welcher ein Kranz ruht (a. a. O. 27, i) umgebildet. Anderer- 
seits weisen einige Einzelheiten in der Anordnung der Figuren, 
das Vorkommen der tabulae nuptiales und des Kranzes, sowie 
des Eros auf einen Zusammenhang mit den antiken Monu- 
menten hin. Zudem ist aus der patristischen Literatur bekannt, 
dass die Kirche ebenfalls die tabulae nuptiales forderte und 
dass in der Gemeinde die antike Sitte, die Braut zu bekränzen, 
nicht aufgegeben war^). In gleicher Weise sind osculum und 
dextrarum junctio als zum Akte der desponsatio gehörig be- 
zeugt 2). Diese sämmtlichen Gebräuche und Darstellungen aber sind 
derart, dass eine gesunde christliche Ethik daran nicht Anstoss 
nehmen konnte. 

lieber diese Grenze hinaus führt jedoch ein bekanntes, im 
Jahre 1793 in Rom gefundenes, jetzt in Paris befindliches 



*) Tert., Ad ux. II, 3; de virgg. vel. 12; August., Serm. XXXVII de 
proverb. 3i; Hieron., Epist. X ad Furium. — Tert., De Corona mil. i3; 
Clemens AI., Paed. II, 8, S. 212 ed. Potter. 

*) Tert., De virgg. vel. 11; de orat. 22; Gregor Naz., Epist. by ad 
Procop. 



ALTCHRISTLICHBR SARKOPHAG MIT JUNO PRONÜBA I i I 

Schmuckkästchen aus Silber, das der Erinnerung an eine Hoch- 
zeit bestimmt ist (vgl. d^Agincourt, Sculpt. pl. IX; Vis- 
conti, Lettera su di una antica argent. 2. Aufl., Roma i825; 
Piper, a. a. O. I, '188 ff. Deutsche Roma sott., S. 232 f.) 
Auf dem Deckel sieht man in einem von zwei Eroten gehal- 
tenen Myrtenkranze die Brustbilder eines Ehepaares, ohne dex- 
trarum junctio. Die Hinterwand stellt die deductio der Braut 
vor: sie wird von zwei Knaben (pueri patrimi et matrimi) 
dem mit Säulen verzierten Eingange eines Hauses zugeführt; 
ein dritter schreitet mit einem Spinnrocken von rechts herbei; ihm 
folgen zwei weibliche Gestalten mit Geschenken. Auf der Vorder- 
wand ist die Toilette der Venus abgebildet. Die Göttin, fast 
ganz unbekleidet, sitzt, in der Linken einen Spiegel haltend, in 
einer Muschel, welche zwei von je einem Eros begleitete Tri- 
tonen über dem Wasser tragen ^). Darunter läuft die durch ein 
dreischenkeliges Monogramm mit a und 00 eingeleitete Inschrift: 

SECVNDE ET • PROIECTA • VIVATIS • IN • CHRIsto 

Die rechte Seitenwand zeigt eine Nereide, die auf einem See- 
pferde reitet, daneben einen Eros, der sich an einen Delphin 
schmiegt; ebenso sieht man auf der linken Seitenwand eine 
Nereide, auf einem Seepferdchen ruhend und von einem Eros 
begleitet. Voraus schwimmen zwei Delphine. Auf den unteren 
vier Trapezfeldern erscheint, umgeben von Dienerinnen, die Neu- 
vermählte bei der Toilette, in Nachbildung der Toilette der Venus. 
Die Echtheit der Pyxis ist mit Unrecht in Zweifel gestellt 
worden, worüber zu vgl. Piper a. a. O. S. 192 f. Aber auch 
die Vermuthung des letztern (s. auch Napione bei Visconti 
a. a. O. S. 34 ff.), ,,dass diese mythologische Ausschmückung 
ausschliesslich auf Rechnung eines heidnischen Künstlers 
kommt, dem die Anfertigung der Hochzeitsgabe übertragen 
sein möchte, oder dass dies Geräth, früher in heidnischem 
Gebrauch, durch die Inschrift zu einem Geschenk für eheliche 
Gatten bestimmt wurde" (S. 193), ist ausgeschlossen. Die 
Monogrammform am Anfange der Inschrift kommt in Rom gegen 
das Ende des vierten Jahrhunderts auf, und derselben Zeit, viel- 

*) Die sich allgemein findende Angabe ^ dass der Triton rechts den 
Spiegel halte, ist unrichtig; vgl. auch entsprechende Abbildungen im Bullett. 
Municipale di Roma 1877, tav, XII— XIII. 



I I 2 ALTCHRISTLICHBR SARKOPHAG MIT JUNO PRONÜBA. 

leicht sogar dem Anfange des fünften Jahrhunderts i), gehören, 
wie aus der Gewandung und dem Stile unschwer zu ersehen 
ist, die Bildwerke des Schmuckkästchens an. 

Dass die christlichen Frauen jener Zeit auch sonst mit 
Venus verglichen zu werden liebten, bezeugt ein in der 
vatikanischen Sammlung befindliches Goldglas, welches eine 
gewisse Parthenope oder auch deren Tochter — es ist aus der 
Inschrift nicht mit Gewissheit zu entnehmen — als Venus zeigt, 
wie sie, völlig entkleidet, von zwei Eroten bedient wird, deren 
einer ihr einen Spiegel vorhält 2). 

Noch einen Schritt weiter in der durch das Schmuck- 
kästchen repräsentirten Richtung führt das Mittelrelief des 
Sarkophags in Villa Ludovisi, eine Darstellung, die nicht nur 
als solche auf christlichen Monumenten beispiellos ist, sondern 
zudem einer Idee Ausdruck verleiht, welche das Christenthum 
perhorresciren musste, die Stiftung und Protektion des Ehe- 
bundes durch Juno Pronuba. Römische Monumente zeigen die 
Göttin häufig zwischen den Verlobten stehend , und zwar ge- 
wöhnlich so, dass sie ihre Hände auf die Schulter Beider oder der 
Braut allein legt, in einem Gestus des Zuführens, Vereinigens ^). 

*) Auf mehreren mit der Pyxis zusammen gefundenen Silberschalen 
findet sich ein Monogramm , das mit Visconti wohl richtig in PROIECTA 
TVRCI aufzulösen ist. Ein L. Turcius Aspronius war Stadtpräfect von 
Rom i. J. 339 (C. J. L. VI, i n. i655), sein Sohn L. Turcius Aspronianus 
Asterius gleichfalls i. J. 363 (C. J. L. n. 1768; 1769). Aus der Inschrift n. 
1768 geht ferner hervor, dass dieser Letztere damals noch nicht Christ war, 
wie auch sein Bruder L. Turcius Secundus Asterius noch i. J. 376 als quinde- 
cimvir sacris faciundis erscheint. (Gruter 192, 3). Die Familie scheint also 
frühestens gegen das Ende des IV. Jahrhunderts zum Christenthum über- 
getreten zu sein. Auf ihre heidnische Gesinnung weist auch der Umstand, 
dass in den Märtyrer-Akten der Christenverfolger Turcius eine stehende Figur 
ist (vgl. Lipsius, Chronol. d. röm. Bischöfe, S. 179, Anm. 3). 

2) Vettori, Dissert. glypt., S. 41. Garrucci, 36, 3. Dass hier nicht 
eine wirkliche Venus, sondern eine Dame unter der Gestalt der Venus dar- 
gestellt ist, ergibt sich aus der Legende: parTENOPE CVM FAVSTINA 
FILIA ZESES, aus den Gesichtszügen, die entschieden Porträt sind, sowie 
aus der CoifTure und dem überladenen Goldschmuck; auch trägt die Figur 
eine buUa am Halse. 

3) Bottari II, 117; Lasinio, Raccolta, tav. loi; Gori, Inscript. 
antiquae III, tab. 34; Rossbach, Römische Hochzeits- und Ehedenkmäler, 
Lpzg. 1871, Taf. I. 



ALTOHRISTLIOHER SARKOPHAG MIT JUNO PRONÜBA. n3 

Nicht immer zwar ist diese Figur als Juno Pronuba zu fassen; 
im Allgemeinen entscheidet das Vorhandensein der 0Te<pavY), ob 
in der Frauengestalt eine göttliche oder eine menschliche Pro- 
nuba zu sehen ist (Rossbach a. a. O., S. i5). Dass hier aber 
Juno und nicht eine einfache Brautführerin gemeint ist, steilen 
ausser dem Diademe die idealen majestätischen Züge und die 
feierliche Haltung der Frauengestalt, sowie der nicht zu ver- 
kennende Typus ausser Zweifel. 

Zu den Füssen der Verlobten waren Eros und Psyche in 
Umarmung gebildet zum Zwecke der Symbolisirung ehelicher 
Liebe und Gemeinschaft. In der altchristlichen Kunst sind 
diese beiden Figuren nicht ungewöhnlich, aber, soweit. ich sehe, 
sind für diese Auffassung und Verbindung derselben nur drei 
Beispiele nachgewiesen; weit häufiger dagegen erscheinen Eros 
und Psyche ohne Umarmung. Die genannten drei Darstel- 
lungen sind: 

1. Ein Goldglas in der vatikanischen Bibliothek, nach 
Buonarruoti aus S. Priscilla stammend. Beide Figuren sind 
völlig unbekleidet. 'Die Umarmung geschieht sehr wenig decent, 
was besonders in der Art und Weise, wie Psyche sich mit 
einem Gewandstücke verhüllt, hervortritt. Am Boden Hnks 
Spiegel, rechts Köcher und Bogen. Umschrift: 

ANIMA DVLCIS FRVAMVR NOS SINE BILE ZESES. 

Buonarruoti, Osservaz. sopra alcuni framm. XXVIII, 3; 
Garrucci 35,4 (sehr ideahsirt). 

Der Ausdruck SINE BILE findet sich auf späten heidnischen 
wie auf christhchen Inschriften i); die Form und Schreibart 
ZESES dagegen ist nur auf christlichen Monumenten nachweisbar. 

2. Sarkophag aus S. Callisto, jetzt im Lateran -Museum. 
DeRossi, Roma sott. IL, S. 169 f.; Deutsche Roma sott., S. 352 
(Abbildung); Collect. Simelli n. 3i. 

In der Mitte das Medaillonbild des Verstorbenen, eines Jüng- 
lings von circa siebzehn Jahren, von zwei Eroten gehalten. Rechts 



1) Gruter, S. 1040, 3; Fabretti, S. 102 n. 238; Boldetti, Osservaz., 
S. 443; z. vgl. auch die Ausdrücke SINE FEL, SINE FELLE auf christL 
Epitaphien, z. B. de Rossi, Inscript. I, 421 n. gSy; Bull, crist. 1864, S. 12; 
Roma sott. II, tav. 87, 19 u. s. ö. 

Sohultse, Arch&ologisohe Studien. 8 



I 14 AliTOHRISTLIOHER SARKOPHAG MIT JUNO PRONUBA. 

Eros und Psyche in Umarmung, letztere mit einem Perizoma 
leicht verhüllt. Zwischen Beiden am Boden ein Fruchtkorb. Dicht 
daneben rechts der Gute Hirt, ein Schaf auf der Schulter tragend; 
ein zweites steht neben ihm am Boden. Zwischen den Füssen 
des Guten Hirten liegt ein umgestürzter F'ruchtkorb. Der 
Sarkophag trägt Spuren eines Kalkbewurfes, ein Beweis, dass 
die Darstellung Anstoss erregte; daher lässt de Rossi (a. a. O.) 
denselben in einem heidnischen Magazine verfertigt sein. Jedoch 
weist die überaus rohe Ausführung das Monument dem Ende 
des vierten Jahrhunderts zu, und die Figur des Guten Hirten 
in dieser Anordnung bestimmt dasselbe als ein christliches. 

Die Bedeutung der Gruppe auf diesem Sarkophage ist eine 
eigentlich sepulkrale; sie symbolisirt das Wiederfinden der Seele 
im Jenseits ^). 

3. Sarkophag aus S. S. Pietro e Marcellino (Via Labicana), 
im Jahre 1780 gefunden. D'Agincourt, Sculpt. IV, 3, 5. 

In der Mitte der Vorderwand auf einer geriefelten Säule 
mit Akanthuskapitäl Eros und Psyche in Umarmung, ähnlich 
wie auf unserm Sarkophage. Links an der Ecke ein kurzbärtiger 
Römer mit Volumen, rechts eine Matrone. Auf dem Deckel Jagd- 
scenen, links und rechts daneben je eine Maske. Die Inschrift 

ZACINIECES 
QVE IN PAGE 

ist weit Jünger als der Sarkophag selbst, der dem Ende des 
dritten Jahrhunderts anzugehören scheint und aus dem Magazine 
eines heidnischen Künstlers hervorgegangen ist. Das Monument 
kann deshalb nur indirekt in Betracht kommen. 

Ein ebenfalls aus den Katakomben stammendes Relief- 
Fragment mit den Köpfen von Eros und Psyche (Collect. 
Simelli n. 26) lässt sich seinem Ursprünge nach nicht mehr 
bestimmen. Die rohe Arbeit weist auf das vierte Jahrhundert. 

De Rossi vindicirt der altchristlichen Kunst einen , wie er 
es nennt, esoterischen Charakter, d. h. eine gewisse Accommo- 
dation an antike Darstellungen, jedoch mit genauer Innehaltung 
der Grenzen des durch die Rehgion Erlaubten und mit Fern- 



1) Jahn, Archflol. Beitrage, S. 172 f. 



ALTCHRISTLICHER SARKOPHAG MIT JÜNO PRONÜBA. I i 5 

haltung jedes mythologischen Elementes auf solchen Mo- 
numenten, die den Augen der „Profanen" wirklich ausgesetzt 
waren, oder doch der Möglichkeit, von diesen gesehen zu 
werden, näher lagen als andere Denkmäler ^). 

Von diesem Gesichtspunkte aus begreift er auch die be- 
kannte Darstellung von Eros und Psyche in einem Kubikulum 
in S. Domitilla. Es lässt sich freilich nicht in Abrede stellen, 
dass z. ß. in dem grossen Vorsaale der zweiten Galerie der 
neapolitanischen Katakomben (S. Gennaro) und auf einem 
Sarkophage im Lateran-Museum ^) die Figuren von Eros und 
Psyche fast ornamental verwendet sind, aber schon in dem 
Kubikulum in S. Domitilla, noch mehr auf einem Sarkophage 
aus dem vatikanischen Cömeterium ^) tritt der mythologische 
Inhalt der Gruppe energisch hervor; ganz unverhüllt aber zeigt 
sich derselbe, wenn, wie auf den angeführten Monumenten, Eros 
und Psyche in Umarmung dargestellt sind, mag man die Gruppe 
nun als Symbol süssen Liebesglückes oder in sepulkralem Sinne 
als Andeutung eines Wiederfindens im Jenseits fassen. 

Das dem Mittelrelief unten angefügte kleine Feld bietet 
eine Scene dar, die auf antiken Monumenten häufig begegnet 
und deren Vorhandensein durch die Vorliebe der Alten für 
Hahnenkämpfe hinreichend erklärt wird. 

Die betreffenden Monumente haben Roulez, Köhler und 
Jahn^) zusammengestellt. 

Von christlichen Darstellungen ist mir bekannt ein Sarkophag- 
Relief aus S. Agnese und ein von Boldetti als aus S. Callisto 
stammend mitgetheiltes Goldglas ^), das jetzt nicht mehr vor- 
handen ist®). Ersteres zeigt einen auf einem Felsstücke 

1) De Rossi, Bull, crist. i865, S. 98; Roma sott. II, S. 35 1 f. 

^) Schultze, Die Katakomben von S. Gennaro, Taf. V; Garrucci, 
Storia, tav. 3o2, i. 

*) Bottari, tav. 28; vgl. Piper a. a. O. I, 2i5 ff. 

*) Roulez, Mdlanges III, i ff.; Köhler, L'alectryonophore, S. Pdtersb. 
i835, S. i5 fF.; O. Jahn, Archftol. Beiträge, S. 437 ff. 

^) Bottari, tav. 137; Boldetti, S. 216, 2; Garrucci, t. 37, 11. 

ö) Eine von Maffei (Gemme antiche 11,217) aus S. Ciriaca an der Via 
Tiburtina stammende Gemme, mit der Darstellung eines Hahnenkampfes 
lasse ich unberQcksichtigt, weil der christliche Ursprung des Monumentes 
sehr fraglich ist. 

8» 



I 1 6 AliTCHRlSTLICHBR SARKOPHAG MIT JUNO PRONUBA. 

sitzenden Eros, der einen Hahn hält, welchem ein zweiter, 
neben dem ebenfalls ein Eros steht, den Fuss auf den Kopf 
setzt. Munter^), durch die fragmentarische Abbildung Aringhi's 
verleitet, stellte den christlichen Ursprung des Reliefs in Frage; 
indessen ist derselbe durch die Darstellung des Gespräches Jesu 
mit der Samariterin auf derselben Sarkophagwand gesichert. 

Während dieses Relief also den Kampf bereits entschieden 
zeigt, ist auf dem erwähnten Goldglase der Augenblick un- 
mittelbar vor dem Beginne desselben dargestellt: die Hähne 
stehen sich kampfbereit gegenüber, begleitet von zwei Eroten, 
von welchen der rechtsstehende einen Palmzweig über beide 
Kämpfer hält 2). Die Inschrift PIE ZESES, sowie die Pro- 
venienz erweisen (gegen Piper I, 356) das Monument als ein 
christliches. 

Auf dem Relief in Villa Ludovisi scheint der Kampf zwar 
noch nicht beendet, aber dem Ende nahe zu sein. 

Von Munter und neuerdings auch von Martigny ^) ist 
der Hahnenkampf auf christlichen Monumenten als eine Allegorie 
des Kampfes gefasst worden, den der Christ zu bestehen habe. 
Aber wie die klassische Archäologie mit Recht eine mystische 
Beziehung dieser Darstellungen auf die Kämpfe des Lebens 
oder auf das Schwanken des Glückes zurückweist, wird auch 
die christliche Alterthumswissenschaft diesen Scenen keinen 
Inhalt zuerkennen, dessen Berechtigung nicht zu erweisen ist, 
und der ausserdem alle Wahrscheinlichkeit wider sich hat. 
,,Es genügt daran zu erinnern, wie oft die Lieblingsbeschäftigung 
des Lebens auf dem Grabmal dargestellt wird, wo dann der 
Hahnenkampf seine nächsten Analogien in den Darstellungen 
anderer Kinderspiele, palästrischer Uebungen und ähnlicher Vor- 
gänge aus dem Jugendleben finden würde •*).'* 

Während somit die vier Eckfelder specifisch und aus- 
schliesslich christliche Bildwerke aufweisen, führt die Haupt- 



*) Munter, Sinnbilder I, 55. 

') Vgl. Tölken, Verz. d. geschnitt. Steine d. königl. preuss. Gemmen- 
Samml., S. 352 n. 82, 83. 

') MQnter a. a. O.; Martigny, Dict. Coq. 

*) Michaelis in der Archftol. Zeitung 1866, S. 146. 



ALTCHRI8TLICHBR SARKOPHAG MIT JUNO PRONUBA. 



117 



und Mittelgruppe eine Darstellung vor, die, abgesehen von der 
nur schwach zur Wirkung gelangenden Scene des Hahnen- 
kampfes, eine eigentlich mythologische ist, und welche durch 
die Begleitreliefs gleich entschieden negirt wird, wie diese durch 
«ie negirt werden. 

Der Widerspruch ist unlösbar. Die naheliegende Ver- 
muthung, dass die biblischen Scenen ein nachträgliches Annex 
seien, wird durch die vollkommene Einheit des Werkes, das 
nirgends die leiseste Spur einer fremden Hand verräth, aus- 
geschlossen: der Bilderschmuck des Sarkophags stellt sich als 
ein durchaus einheitlicher, von vornherein, so wie er vorliegt, 
disponirter dar. 

Auch die Annahme, dass das Vorhandensein der Juno 
Pronuba auf gedankenloser, mechanischer Nachahmung eines 
antiken Vorbildes beruhe, ist unzulässig. 

Die Reliefs bezeugen vielmehr, dass der Künstler, wenn 
er auch im Allgemeinen an bestimmte Typen anschloss, im 
Einzelnen doch durchaus selbständig arbeitete. Zudem er- 
scheint die Pronuba nicht als Nebenfigur, sondern die Haupt- 
gruppe findet in ihr den pyramidalen Abschluss. Die Dar- 
stellung lässt sich allein aus den eigenartigen Verhältnissen 
erklären, in denen und aus denen sie entstanden ist. 

Der Sarkophag gehört, wie sich aus der Ausführung mit 
Sicherheit bestimmen lässt, derjenigen Periode der altchrist- 
lichen Kunst an , in welcher die Sarkophag-ßildnerei fast die 
gesammte künstlerische Thätigkeit in Anspruch nahm, d. h. 
der zweiten Hälfte des vierten Jahrhunderts. 

Die Gruppirung ist sehr geschickt, der Faltenwurf leicht 
und geschmackvoll, und die Figuren stehen in lebendiger Be- 
ziehung zu einander. Die Ausführung im Einzelnen dagegen 
zeigt dieselbe Härte und Mangelhaftigkeit, welche den christ- 
lichen Monumenten jener Epoche eigen ist; besonders die Füsse 
und die untern Beinpartien der Figuren sind höchst roh und 
flüchtig gearbeitet, so dass das Monument näher dem Ende, 
als der Mitte des vierten Jahrhunderts liegen dürfte. 

Damals nun war das siegreiche Christenthum von ge- 
sicherter Stellung aus und mit überlegenen Waffen in der Hand 
dazu vorgeschritten, das Ende des im Todeskampf begriffenen 



I I 8 ALTCHRISTLICHER SARKOPHAG MIT JUNO PRONUBA. 

Heiden th ums gewaltsam zu beschleunigen ^). Unter diesen 
Umständen begreift es sich, dass die Noth der Verhältnisse 
der Kirche Schaaren von Neophyten zuführte, denen die 
neue Religion innerlich fremd war, und die, hier durch die 
Ungunst der Verhältnisse, dort durch Rücksicht auf Amt und 
Würde veranlasst der herrschenden Macht sich äusserlich unter- 
warfen 2). 

Damit traten sie aber zugleich in die Sphäre des Einflusses 
des Christenthums, und je mehr sich auf der einen Seite die 
Elemente des Paganismus absorbirten, und je imponirender sich 
die neue Religion aufdrängte, desto mehr musste ein nicht 
geringer Theil der nur nominell Gewonnenen in eine Zwitter- 
stellung gerathen, in eine Theokrasie, welche bereits früher 
einmal, als der Orient seine Kulte nach Rom importirte, in 
der römischen Religionsgeschichte aufgetreten war und in zahl- 
reichen Monumenten seinen charakteristischen Ausdruck ge- 
funden hatte. 

Daraus erklärt sich, dass fast die ganze Reihe altchrist- 
licher Monumente mit specifisch heidnischen Elementen dem 
abschliessenden vierten und dem anhebenden fünften Jahr- 
hundert angehört. Unter diesen wiederum repräsentiren die 
Hochzeits- und Ehedenkmäler eine verhältnissmässig grosse 
Zahl. Auch dieser Umstand ist nicht zufällig. V^ie sehr auch 
die Kirche schon vom Beginn des zweiten Jahrhunderts an die 
Ehe in das Gebiet ihrer Kontrole und Jurisdiction gezogen 
hatte, so war eine Reihe äusserer aus dem Heidenthume mit 
herübergenommener Bräuche doch unangetastet geblieben, trotz 
der Gegen bestrebungen einzelner Kirchenlehrer. Im Laufe des 
vierten Jahrhunderts aber, als das Heidenthum sich mächtig in 

1) Beugnot, Histoire de la destruction du paganisme en Occident, 
Paris i835, t. I, S. Siq iF.; vgl. Firmic. Matern., De errore prof. rel., 
S. ii8, ed. F. Munter, Hafn. 1826. 

2) Euseb., Vita Const. IV, 54; Libanius, Orat. pro templ., vol. II, 
S. 177, ed. Reiske; August., Tract. in Job. 25, 10 (t. III, S. 1602, ed. Migne): 
„alius negotium habet, quaerit intercessionem; alius premitur a potentiore, 
fugit ad ecclesiam; alius pro se vult interveniri apud eum, apud quem 
parum valet: ille sie, ille sie; impletur quotidie talibus ecelesia. Athanas., 
Hist. Arian. ad monach. 78 (t. I, S. 309, ed. Patav. 1777); Hieron., Comment. 
in Jesaiam lib. XVII u. s. ö. 



ALTCHBISTIilGHER SARKOPHAG BAT JUNO PRONUBA. 



119 



die Kirche drängte , und diese letztere selbst in Berücksichtigung 
der augenblicklichen Verhältnisse praktisch elastisch wurde, er- 
weiterte sich das Mass dieser ausserchristlichen Elemente in dem 
Grade, dass sich am Ende desselben Jahrhunderts die antiken 
Hochzeitsgebräuche in einer überraschenden Vollständigkeit 
bei den Christen eingebürgert finden. Nicht nur die cena 
nuptialis und die pompa mit Musik, Gesang- und Fackel- 
begleitung und mimischen Intermezzo's, und zwar mit schlimmen 
Ausschreitungen waren in Brauch *), sondern sogar die Fes- 
cennina wurden den Neuvermählten gesungen. 

Schon vorher aber hatte das Concil von Laodicea c. 53 
verordnet! „hxi oh Sei Xpiaxiavob^ el^ Ya|j.ou^ äicep^o^ievoo^ ßaXXi'C^iv r^ 
hpyizlad'ai^ und c. 64' „00 Sei lepaxixob^ r^ xXTjptxoo? xtva^ ^zoipiaq d-empelv 
Iv Y^H-ot? ^ SetTCVoi?, dXXa izpb xoö ecaepyeo^ai xob^ ^ufjieXtxob^ lyeipead-ai ri 
dva^^cjDpelv.*' 

Dass dieselben Missbräuche in der abendländischen Kirche 
herrschten, bezeugt bereits in der Mitte des dritten Jahrhun- 
derts Cyprian 2). 

Es ist aber anzunehmen, dass diese Unsitte im vierten 
Jahrhunderte unter den eigenartigen synkretistischen Verhält- 
nissen einen grösseren Umfang gewonnen habe. 

Wenn somit die Hochzeitsriten sich in dieser Weise aus 
heidnischen und christlichen Elementen zusammensetzten, so 
erklärt sich leicht, dass dieses Schwanken, diese unbestimmten 
farblosen Verhältnisse auch auf den diesen Akt feiernden 
Monumenten ihren Ausdruck gefunden haben, und dass mit 
dem Bildnisse des Ehepaars die Figur des Eros, des Hyme- 



*) Chrysost., Hom. XLVIII in Genes., S. 549, ed. Francf.; hom. LVI 
in Genes., S. 6o5; hom. XII in I Corinth. 

^) Cyprian, De habitu virgg., S. 160, ed, Oxon. 1682: „Quasdam non 
pudet nubentibus interesse et in illa lascivientium libertate sermonum coUo- 
quia incesta miscere, audire, quod non decet, quod non licet dicere, observare 
et esse praesentes inter verba turpia et temulenta convivia, quibus libidinum 
fomes accenditur, sponsa ad patientiam stupri, ad audaciam sponsus animatur.** 
Es wird freilich nicht ausdrücklich bemerkt, dass in christlichen Häusern 
eine gleiche Unsitte herrschte, aber der Umstand, dass christliche Frauen 
in der bezeichneten Weise an solchen Festlichkeiten sich zu betheiligen 
pflegten, setzt dies ausser Zweifel; zu vgl. auch die von Cyprian a. a. O. 
weiterhin gerügten Missbräuche. 



1 20 ALTCHRISTLICHER SARKOPHAG MIT JUNO PRONÜBA. 

naeus, die Gruppe Eros und Psyche, Venus ^) und schliesslich, 
was freilich in dieser Richtung den Höhepunkt bezeichnet, die 
Gestalt der Juno Pronuba, „cui vincla jugalia curae", ver- 
bunden werden konnte. 



1) Auch auf dem beschriebenen Schmuckkästchen und auf dem S. io5 
erwähnten Goldglase scheint mir die Darstellung der Venus eine Beziehung 
auf die sponsalia zu haben (Venus gen etrix), da dieselbe nicht selten die Juno 
Pronuba vertritt, worüber Rossbach a. a. O., S. 19, 60 f. zu vgl. 



IV. 

DIE KATAKOMBEN VON SYRAKUS. 

Die Anfänge des Christenthums in Sicilien entziehen sich 
der historischen Forschung. Die Lokal-Legende knüpft dieselben 
an clie Person der beiden Syrer Marcianus und Pancratius, die, 
in Antiochien durch Petrus für die neue Lehre gewonnen, der 
Erstere nach Syrakus, der Andere nach Tauromenum entsandt 
sein sollen. Die Zeit ihrer Ankunft in den genannten Städten 
hat Gaetano^) auf das Jahr 40 oder 41 berechnet. 

Die auf diese Legende Bezug nehmenden Akten und 
griechischen Menologien, welche sich bei Gaetano und den 
Bollandisten 2) verzeichnet finden, können indess für die Frage 
nach dem Ursprünge und der ersten Geschichte des Christen- 
thums auf der Insel nicht in Betracht kommen, weil diese 
sämmtlichen Schriftstücke, wenn sich auch die Zeit derselben 
nicht immer mit Sicherheit bestimmen lässt, doch jedenfalls 
erst Produkte des Mittelalters sind. 

Nicht mehr Werth für die Untersuchung hat ein Schreiben 
Innocenz' I. ^), in welchem die Insel als römisches Missions- 
gebiet in Anspruch genommen wird, ist aber immerhin als 



^) Ottavio Gaetano, Isagoge ad histor. sacram Sicul., Panormi 1707, 
cap. XIV (bei Graevius, Thesaurus antiquit. et bist. Sicil. vol. II, S. 2). 

2) Gaetano a. a. O. und Vitae S, S. Siculorum, Panormi i65i und 
1664, t. I., S. I — 7; Bolland., Act. Sanct. ad XIV Jun.; vgl. aucb ad 
III April; Canisius, Thesaurus monum. ecclesiast., t. III, S. 412 fF. (ed. 
Jac. Basnage, Antverp. 1725); Menologium Graecorum ad IX Febr. 
(Bd. II, S. 177 ed. Urbin. 1727). 

«) Innocent. I, Epist. XXV ad Decent. (Migne, Patrol. XX, S. 552). 



I 22 DIE KATAKOMBEN VON SYRAKUS. 

Ausdruck der Meinung des römischen Stuhles und durch seinen 
Gegensatz gegen die Lokal -Tradition bemerkenswerth. Die hier 
in Betracht kommende Stelle lautet: ,, . . . praesertim cum sit 
manifestum in omnem Italiam, Gallias, Hispanias, Africam 
atque Siciliam et insulas interjacentes nullum instituisse eccle- 
sias, nisi eos, quos venerabilis apostolus Petrus aut ejus suc- 
cessores constituerint sacerdotes . . . Oportet eos hoc sequi, 
quod ecclesia Romana custodit, a qua eos principium 
accepisse non dubium est/' Der Zusammenhang ergibt, dass 
hier eine Ordinirung seitens des römischen Petrus angenommen 
wird. Dasselbe setzt auch ohne Zweifel das Martyrologium Ro- 
manum voraus (ad XXI Mart., III April., XIV Jun.), wenn es 
sich auch nur unbestimmt ausdrückt. In der That hat die rö- 
mische Kirche schon frühzeitig in Sicilien gewisse Rechte bean- 
sprucht und ausgeübt^), aber die Existenz der der geschicht- 
lichen Auffassung des römischen Stuhles widerstreitenden Lokal- 
Legende beweist, dass diese Ansprüche unter dem Widerspruche 
der einheimischen Kirche sich geltend zu machen hatten. 

Während demnach die Lokaltradition zu jungen Ursprunges 
ist, um in der Frage nach den Anfängen der sicilischen Kirche 
irgendwie in Betracht kommen zu dürfen, ist die Meinung des 
römischen Stuhles, als auf einer ungeschichtlichen Voraussetzung 
beruhend, auf der Annahme eines bischöflichen Wirkens des 
Petrus in Rom und in andern occidentalischen Kirchen, eben- 
falls ausser Acht zu lassen. Ebensowenig ist der Angabe des 
Verfassers des Liber praedestinatus (haer. i6), dass zur Zeit 
des römischen Bischofs Alexander (Anfang des zweiten Jahr- 
hunderts) die sicilischen Bischöfe eine Provincialsynode gegen den 
Häretiker Herakleon veranstaltet hätten 2), ein Werth beizulegen. 



^) Vgl. Giovanni di Giovanni (Johannes de Johanne), De divinis 
Siculorum officiis. 

^) Die Worte sind: „Sextadecinia haeresis Heracleonitarum ab Heracleone 
adinventa est, quae baptizatum hominem, sive justum sive peccatorem, loco 
sancti computari docebat, nihilque obesse baptizatis peccata memorabat. dicens, 
sicut non in se recipit natura ignis gelu, ita baptizatus non in se recipit 
peccatum .... Contra hunc susceperunt episcopi Siculorum, Eustachius Üly- 
baeorum et Ponormeorum Theodorus [. . .], quique omnium, qui per Sici- 
liam erant episcoporum synodum exorantes gestis (sie) eum audire decreverunt 
et uoiversas adsertiones ejus dirigentes ad sanctum Alexandrum urbis episco- 



DIE KATAKOMBEN VON STRAKUS. I 23 

Denn der geschichtliche Herakleon, ein Schüler Valentin's, 
lebte in den letzten Decennien des zweiten Jahrhunderts, also 
lange nach Alexander. Auch hat schwerlich je ein Gnostiker 
die Meinung vertreten, dass der Empfang der Wassertaufe die 
Unmöglichkeit fernem Sündigens erwirke. Offenbar spielt hier, 
wie schon Sbaralea *) vermuthet hat und wozu auch Lipsius 2) 
neigt, eine Reminiscenz an den römischen Heraklius des 
vierten Jahrhunderts aus der Zeit des Bischofs Eusebius mit ein. 
Der Verfasser selbst freilich hat den bekannten Gnostiker im 
Auge 3). 

Das erste geschichtliche Dokument, welches ein organisirtes 
Kirchenwesen in Sicilien voraussetzt, ist ein von Eusebius 
(h. eccl. X, 5) mitgetheilles Schreiben Konstantin's an den 
Bischof Chrestus oder Crescens von Syrakus aus dem 
Jahre 3 14, durch welches dieser aufgefordert wird, sich zu der 
zur Beilegung des donatistischen Schisma's nach Arles zu 
berufenden Synode zu begeben. Ein Staatsschiff wird ihm zur 
Verfügung gestellt; zwei Geistliche und drei Diener sollen seine 
Begleitung bilden. Aus dieser Verfügung geht hervor, dass der 
Bischof von Syrakus auf der Insel angesehen und einflussreich 
war, ja vielleicht sogar dort die höchste kirchliche Autorität 
besessen hat. 

Von dieser Thatsache aus lassen sich auf das dritte Jahr- 
hundert ohne Zweifel noch sichere Rückschlüsse machen: es 
ist anzunehmen, dass die Gemeinde von Syrakus damals, als 
ihr Oberhaupt nach Arles berufen wurde, schon eine hundert- 
jährige Existenz hinter sich hatte. Zur Gewissheit aber wird 
diese Vermuthung erst durch die Monumente erhoben, welche 
die Gemeinde uns hinterlassen hat, und welche die Existenz 



pum rogaverunt, ut ad eum confutandum aliquid ordinaret. Tunc sanctus 
Alexander ad singula quaeque capita hydri singulos gladios Dei verbi de 
vagina divinae legis ejiciens, librum contra Heracleonem ordinans, ferven- 
tissimum ingenio Sabinianum presbyterum destinavit, qui et scriptis episcopi 
et adsertione sua ita eum confutaret, ut nocte media navis praeeidio fugeret 
el ultra ubinam devenisset penitus nuUus sciret.** 

^) Sbaralea, De sacris pravorum hominum ordinationibus, Florenz 
1760, S. 325; vgl. de Rossi, R. S. II, S. 207. 

2) Lipsius, Chronol. d. röm. Bischöfe, S. 253, Anm. 2, 

3) Vgl. des Näheren Lipsius a. a. O. 



124 



DIB KATAKOMBEN VON SYRAKUS. 



derselben nicht nur im dritten, sondern bereits im zweiten 
Jahrhundert sichern. 

Welche weitere Schlüsse sich aus diesen monumentalen 
Quellen sowohl für die Lokalgeschichte der syrakusanischen Ge- 
meinde als auch für die Geschichte der Christianisirung der 

Fig. 21. 




Situationsplan 
der 



Syrakus. 



9«. V. V.Sch^l^2C. 



J 



Insel überhaupt ergeben, sei weiter ausgeführt, nachdem die 
hierher fallenden Denkmäler analysirt worden sind *). 

*) Dieser Aufsatz verfolgt übrigens nicht den Zweck, eine minutiöse 
Beschreibung und erschöpfende Darstellung der syrakusanischen altkirchlichen 
Monumente zu geben; an ein solches Unternehmen kann erst dann gedacht 



DIB KATAKOMBEN VON SYRAKUS. I 25 

Der schmale Landstreifen, welcher das heutige Syrakus mit 
dem Festlande, verbindet, läuft nördlich in eine Ebene aus, 
die, im Westen durch niedrige Bodenerhebungen und Sumpf- 
land, im Osten durch das Meer begrenzt, in einer Entfernung 
von circa looo Meter durch die steil abfallenden Felswände 
eines durch einen Thaleinschnitt gespaltenen Plaieau's scharf 
abgeschnitten wird. Die Frage, ob diese fruchtbare Niederung 
in griechischer Zeit ausschliesslich dem ÖffentHchen Leben, 
Volksversammlungen und Festspielen, bestimmt und für Grab- 
Anlagen freigegeben gewesen sei, wie z. ß. Gavallari annimmt, 
oder ob dieselbe einen integrirenden Theil des Stadtgebietes 
der Achradina gebildet habe, wie die altern Topographen 
meinten, darf durch die Untersuchungen Schubring's *) als 
im letztern Sinne entschieden angesehen werden. Die historischen 
und topographischen Notizen der Alten weisen in Gemeinschaft 
mit den Monumentenresten darauf hin, dass Achradina von der 
Küstenlinie Tonnara — Kap Bonnagio bis hart an den Isthmus 
von Ortygia herunterstieg und die fragliche Ebene fast in 
ihrer ganzen Ausdehnung okkupirte. Indess wird immerhin 
zuzugeben sein, dass diese sudliche Niederung, wenn nicht 
ausschliesslich, so doch vorwiegend von Öffentlichen Gebäuden 
eingenommen und dem öffentlichen Leben bestimmt war, 
während das eigentliche Stadt- und Privatleben auf das nörd- 
liche Plateau beschränkt blieb. 

Diese Vorterrasse der Achradina ist in christlicher wie in 
vorchristlicher Zeit zur Anlage von unterirdischen Grabstätten 
benutzt worden, deren Hauptmasse in dem nordöstlichen Theile 
der Ebene, jenseits der Linie S. Giovanni — S. Lucia liegt 
und ihre Ausläufer bis hart an das Meeresufer aussendet. 



werden, wenn die zahlreichen noch verschütteten Galerien ausgeräumt sind 
was freilich nicht in naher Aussicht steht. Es kommt mir vielmehr hier nur 
auf eine allgemeine Charakterisirung dieser Denkmäler und auf Gewinnung 
zuverlässiger chronologischer Sätze für dieselben an. Dadurch hoffe ich 
wenigstens, die nebelhafte Unbestimmtheit, welche diese nicht unwichtigen 
Monumente der sicilischen Urkirche umhüllt, am ersten beseitigen zu 
können. Die beigefügte kleine Karte (Fig. 21) dient nur dem Zwecke all- 
gemeiner Orientirung. 

^) Schubring, Achradina, ein Beitrag zur Stadtgeschichte von Syrakus 
(Rhein. Museum f. Phil. XX, H. i). 



1 20 DIB KATAKOMBEN VON 8YRAKÜS. 

Moderne Steinbrüche an der Küste haben die dünne Scheide- 
wand vielfach durchgraben und von der Seeseite aus einen 
Zugang zu den Galerien eröffnet. Wo dagegen die westliche 
Grenzlinie läuft und in welcher Communication diese Anlagen 
im Einzelnen unter einander stehen, lässt sich nur ganz 
allgemein und nicht immer mit Sicherheit ermitteln.- 

Weder die ältere noch die neuere Literatur *) über die 
altchristlichen Monumente von Syrakus hat einen wissenschaft- 
lichen Werth. Daher ist dieselbe in nachstehender Darstellung, 
die auf eingehenden Studien an Ort und Stelle beruht, nur 
selten in Berücksichtigung gezogen. 

Die christlichen Cömeterien liegen sämmtlich innerhalb der 
Grenze der Vorterrasse der Achradina. Unter diesen nimmt in 
architektonischer Hinsicht die Katakombe S. Giovanni^) den 
ersten Rang ein. Nicht sowohl aus diesem Grunde, sondern weil 
diese Anlage sichere chronologische Anhaltspunkte bietet, möge 
die Behandlung derselben vorangehen. 

Das Cömeterium, in welchem im Anfange der Siebziger- 
Jahre unter der Leitung Cavallari's grössere Ausgrabungs- 
Arbeiten vorgenommen wurden, liegt am Nordrande der Ebene, 
nahe dem Eingange der Thalschlucht, welche die Plateaux von 
Achradina und Neapolis scheidet, neben der alten Kirche 
S. Marziano (S. Giovanni) ^), Die Felsart ist Kalkstein. Zwei 



*) Ich verzeichne: Mirabella, Iconographiae Syracusarum antiqu. expli- 
catio (bei Burmann, Thesaurus antiqu. Sicil., vol. XI); Gaetano, Isagoge 
ad historiam sacram Sicul. c. XXVIII (bei Burmann, vol. 11); Bonanni, 
Le antiche Siracuse , Palermo 1717; Capodieci, Antichi monumenti di 
Siracusa, Messina 1818; Bartolini, Catacombe di Siracusa, Sirac. 1847; 
Bellermann, Die altchristlichen Begräbnissstätten u. s. w., S. loi fF. 

2) Der ältere Plan von Mirabella reproducirt bei Boldetti, Cimit, 
S. 629. Neuere und bessere Grundrisse bei Wilkibs, Antiquities of Magna 
Graecia, S. 5o, und Osterwald, Voyage pittoresque en Sicile, Cah. 7. — 
Die Herstellung eines neuen Planes empfiehlt sich nicht, so lange das Cöme- 
terium noch nicht vollständig ausgegraben ist. 

3) Die Kirche ist in ihrer ursprOnglichen Bestimmung ohne Zweifel eine 
Martyrerkirche , zu Ehren des angeblich hier umgekommenen Evangelisten 
Marcianus erbaut. Der ursprüngliche Bau hat sich in späteren Restaurationen 
fast ganz verloren. Es wäre nicht unwichtig, das Alter des Monu- 
mentes zu wissen, und ich empfehle in dieser Beziehung das Denkmal den 
Untersuchungen Sachverständiger. — Die Kirche und die damit verbundene 



DIB KATAKOMBEN VON SYRAKÜS. 1 2y 

kurze, hochgewölbte, moderne Galerien, die rechtwinkelig an- 
einanderschliessen , führen zu dem antiken Hauptkorridor, der 
in einer Länge von circa 144 Schritt mit einer durchschnitt- 
lichen Breite von 3 Meter und einer (jetzigen) Höhe von 
2M Meter ziemlich genau von Südwest nach Nordost läuft und 
erst kurz vor seinem jetzigen Abschlüsse — er ist noch nicht 
vollständig ausgegraben — eine leichte Kurve nach Norden 
macht. Die Decke ist flach; das gegenwärtige Niveau erhebt 
sich circa i Meter über das ursprüngliche, wie sich aus der 
Berührung der Arkosolscheitel mit dem Fussboden erschliessen 
lässt. Die Luminarien haben hier, wie auch in den übrigen 
Theilen der Katakombe Quadrat- oder Cylinderform und liegen 
bald genau in der Achse der Galerie, bald unmittelbar neben 
der Schneidelinie der Decke und der Seitenwand oder in 
einiger Entfernung davon. 

Die anfangs vorherrschende Grabform ist der Loculus, zu 
welchem im weitern Verlaufe der Galerie, das Arkosolium tritt, 
um schliesslich seinerseits zu überwiegen ^). Beachtenswerth und 



Katakombe haben offenbar die griechischen Akten des beil. Marcianus im 
Auge, welche an der betreffenden Stelle (Holland, ad XIV Jun., tom. XXI, 
S. 788) melden, dass der Heilige seinen Wohnort genommen habe „ev ttot 
aicfikaioi^ Iv dixp(|) Tfi<; TCoXeu)^, lKikr(o\Li'^oi^ üeXontot^, Iv 0?^ vuv ri aeßaa}j.io( 
o^TOD ^oaopiCextti ^xy]." So hat schon Gaetano (Acta S. Sicul. Animadvers., 
S. 8) vermuthet. Die n&here Ortsbestimmung iv äxpcj) Tvj^ noXeu»^ freilich ist 
mit dieser Annahme nicht recht in Einklang zu bringen. Der Ausdruck 
aiaikaia entspricht der im mittelalterlichen Rom für die dortigen Cömeterien 
üblichen Bezeichnung cryptae. ÜeXoTcia, welchen Namen der eben genannte 
Gelehrte mit einem Architekten Pelops oder gar mit Peloponnesos in 
Verbindung bringen will, während derselbe nach den Bollandisten aus iziXo^ 
(schwarz) und o(|; (Gesicht) zusammengesetzt sein soll, ist sicherlich nur 
korrumpirt aus *£icinoXai. 

^) Die Meinung, dass das Vorherrschen oder überhaupt die Anwendung 
des Loculus oder des Arkosoliums einen chronologischen Massstab abgebe, 
ist trrthOmlich. Arkosolium und Loculus unterscheiden sich in ihrer An- 
wendung nur dadurch, dass jenes eine kunstvollere, luxuriösere und darum 
bei wohlhabenden Gemeindegliedern beliebte Grabform war, während der 
Loculus, wenn nicht örtliche Rücksichten ihn bedingten, fast ausschliesslich 
den ärmeren Klassen vorbehalten blieb. Die mit Anschluss an de Rossi 
neuerdings von J. P. Richter (Der Ursprung der abendländischen Kirchen- 
gebäude, Wien 1878, S. 29 ff.) geltend gemachte Hypothese, dass das Arko- 
solium als eine direkte Nachbildung des Grabes Christi zu betrachten sei, 



1 2^8 DIE KATAKOMBEN VON STRAKUS. 

bis jetzt im kontinentalen Italien nicht nachgewiesen ist die 
Form dieser Arkosolien: in der gewöhnlichen Bogen weite an- 
gelegt — eines derselben misst 174 Meter grösste Breite — 
dringen sie wie eine kleine in sich abgeschlossene Galerie oft 
bis zu 12 Meter in das Gestein ein; die Gräber sind fast 
gleichförmig in den Boden eingeschnitten. Offenbar vertreten 
diese Gräberkomplexe in vielen Fällen die in den römischen 
Cömeterien beliebten Privat- Kubikula. 

Die Loculi und Arkosolien, welche in den Seitenwänden 
zerstreut angelegt sind, gehören in der Haupt-, sowie in den 
Nebengalerien einer spätem Epoche an. 

In der Hauptgalerie sind einige wenige Reste von 
Malereien und Dipinti erhalten, die dem vierten Jahrhundert 
und theilweise einer noch spätem Zeit angehören. Ich notire 
eine Orans zwischen zwei von einem Kranze umrahmten Mono- 
grammen Christi, eine ebensolche zwischen zwei Tauben, und 
auf derselben Arkosolfläche Rebengewinde mit (vier?) Vögeln, 
nicht ohne Eleganz entworfen, aber durch das beigefügte drei- 
schenkelige Monogramm Christi als nachkonstantinisch bestimmt. 

Von der Hauptgalerie zweigen sich nach links fünf, nach 
rechts vier Nebenkorridore rechtwinkelig ab, die an Breite und 
Höhe jener ziemlich entsprechen. Sie haben Loculi und Arko- 
solien gemischt und fast durchgängig auch am Boden Gräber 
und stehen durch schmale, zum Theil kurvirende Gänge in 
direkter Verbindung. Innerhalb der linken Gruppe, genauer 
innerhalb des durch die beiden ersten (vom Eingange an ge- 
rechnet) flankirten Terrains, liegen zwei grössere Säle. Der 
eine derselben misst gegen 9 Schritt Durchmesser und weist 
noch einige Monogrammformen und Dipintireste des vierten Jahr- 
hunderts auf. Die zweite Kammer '), die sogenannte Rotonda 
d'Antiochia^), ist nur wenig geräumiger. Sie liegt einige Stufen 

erweist sich, abgesehen von Anderm (vgl. Zeitschr, f. Kirchengesch. 1879, 
S. 466 f.) dadurch als unrichtig, dass das Arkosolium schon in vorchristlicher 
Zeit im Abendlande, besonders in Sicilien, eine beliebte Grabform war. 
• *) Photographie im Bull. Sicil. 1873, tav. V. 
2). Der moderne Name rührt von dem Dipinto eines Grabes her, dessen 
noch erhaltenen Schlussworte lauten: 



AOYAHC GOY ANTIOXIAC. 



DIB KATAKOMBEN VON SYRAKUS. I 29 

unter dem Niveau der Hauptgalerie und hat als besondere 
Eigenthümlichkeit eine ringsum laufende Bank, welche den bei 
Gelegenheit der Todtenfeste zu gemeinsamem Mahle sich ver- 
sammelnden Familiengenossen diente. Wir haben demnach 
diesen Raum als eine christliche schola zu betrachten, wofür 
in Rom die Katakombe S. Domitilla ein weiteres Beispiel bietet. 
Solche geräumige Säle sind den sicilianischen Katakomben 
überhaupt charakteristisch. Dieselben haben entweder Geviert- 
form und flache Decke, oder, wie hier, Rundform und spiral- 
förmig sich verengende Decke oder endlich Geviertform mit 
Spiralplafond. Das Luminare ist gewöhnlich rund. Die Gräber 
sind entweder in die Wände oder in den Boden eingeschnitten 
oder als eigentliche Sarkophage mit freistehenden Wänden aus 
dem Gestein ausgehauen oder mit einzelnen Steinen am Boden 
aufgemauert. Diese Saalbauten stellen offenbar die Grab- 
kammern angesehener, vermögender Familien dar; der Gemeinde 
als solcher können sie darum nicht angehört haben, weil sich 
in diesem Cömeterium mehrere solcher Anlagen finden, und 
zwar von verschiedenem Umfange. 

Unter den rechts von der Hajuptgalerie geordneten Korri- 
doren sind drei nur eine kurze Strecke zugänglich, die vierte 
(die zweite vom Eingange an gerechnet) ist durch Cavallari 
fast in ihrer ganzen Ausdehnung ausgeräumt worden. Sie ist 
von mächtiger Breite, läuft anfangs in gerader Richtung, wendet 
sich dann scharf nach links ab und durchschneidet drei Rund- 
säle; der letzte derselben, die sogenannte Rotonda dei Sar- 
cofagi, ist durch mächtige Sarkophag-Gräber bemerkenswerth. 
Dieselben stehen ohne Ordnung durcheinander; eines misst 
2-6 Meter Länge, ri Meter Breite und ebensolche Höhe. Der 
mittlere Saal (Photogr. im Bull. Sicil. 1875, tav. IV) führt 
gegenwärtig nach dem hier gefundenen Sarkophage der Adelfia 
den Namen Rotonda di Adelfia. Von hier aus geht in süd- 
östlicher Richtung eine Strasse aus, an welche sich ein weiterer, 
durch drei grössere Kammern ausgezeichneter Gräberkomplex 
ansetzt. In dieser Region wurden mehrere Ampullen, worüber 

In der ersten Zeile ergänze ich nach schwachen Spuren : MNIC8HTI 
jJLVTQodifjxt) 6€0C. Die Formel findet sich auch sonst auf syrakusanischen 
Epitaphien. 

Schiiltee, ArcbKologisclie Studien. » 9 



I 3o DIE KATAKOMBEN VON SYRAKUS. 

weiter unten, gefunden; daher der Name Stanza delle sante 
Ampolle für den Hauptsaal innerhalb derselben. 

Die Dipinti, welche in diesen rechts von der Hauptgalerie 
geordneten Räumen sich finden, entsprechen durchaus den in 
den übrigen Theilen des Cömeteriums erhaltenen Malerei- und 
Inschriftenresten. 

Die Katakombe S. Giovanni besteht aus einem einzigen Stock- 
werke: vereinzelte Gräber und Grabkammern, die unter dem 
Niveau der Hauptgalerie liegen, z. B. die Rotonda d'Antiochia, 
oder über dasselbe aufsteigen, können kein besonderes Piano 
konstituiren. 

Südöstlich von S. Giovanni breitet sich in unmittelbarer 
Nähe von S. Maria, in der Vigna Cassia ein zweites Kata- 
kombennetz aus, das nur theilweise zugänglich ist, aber an 
Ausdehnung den Anlagen von S. Giovanni nicht nachgestanden 
zu haben scheint. Verschüttungen haben es in zwei Theile zer- 
schnitten, die mit A und B bezeichnet seien. A liegt westlich und 
hat noch seinen ursprünglichen, durch eine schmale Treppe 
von zwölf Stufen vermittelten Eingang. Dieselbe mündet in eine 
von Südosten nach Nordwesten laufende Galerie von 60 Schritt 
Länge, 2*3 Meter Höhe und i'5 Meter Breite. Kurz vor ihrem 
jetzigen Abschlüsse — sie ist jetzt nur erst theilweise aus- 
gegraben — wendet sie sich kräftig nach Osten. Die Decke ist 
flach und wird durch zwei Lichtschachte, der eine quadrat-, 
der andere spiralförmig, durchbrochen. Loculi und Arkosolien, 
letztere von gleicher Konstruktion wie in S. Giovanni, wechseln 
ungefähr gleichmässig ab. 

In der Tiefe der Galerie zweigt sich nach links ein gerad- 
laufender Nebenkorridor ab, in welchem die Arkosolform vor- 
herrscht. Hier befindet sich in einer Nische das kürzlich von 
de Rossi (BuUett. di arch. crist. 1877, tav. X, XI) publicirte, dem 
fünften Jahrhundert angehörende Fresko mit den Darstellungen 
Christi, der beiden Hauptapostel und einer Verstorbenen. In einer 
Tiefe von circa 22 Schritt biegt der Korridor scharf nach Norden 
um und verliert sich in kurzer Entfernung in zwei rechtwinkelig 
abspringende Galerien. Von diesen ist die Östlich laufende nur 
eine kleine Strecke zugänglich, die andere, ganz kurz, endet in 
einen spiralförmigen Brunnenschacht. Das Arkosolium überwiegt. 



DIE KATAKOMBEN VON SYRAKUS. I 3 I 

Kurz nach der Einmündung der Treppe in die Haupt- 
galerie wird diese letztere durch einen Korridor rechtwinkelig 
durchschnitten. Der nach links übergreifende Theil desselben 
hat in späterer Zeit vielfache Veränderungen erfahren; der rechts 
liegende, welcher in seiner- äusseren Form der Hauptgalerie 
entspricht, sendet einen Anfangs in südlicher Richtung gerad- 
linig laufenden, dann nach Osten kurvirenden Gang aus, welcher 
sehr primitive Bauformen und, abgesehen von vereinzelten, erst 
später eingefügten Arkosolien, nur Loculi aufweist. Die Galerie 
setzt sich bis dicht zu einem Brunnenschachte fort und erhält 
durch ein spiralförmiges Luminare Licht und Luft. 

Der Galerien-Komplex B ist gegenwärtig nur durch einen 
gegen 6 Meter tiefen Brunnenschacht, der in eine antike Wasser- 
leitung mündet, zugänglich. Am Boden desselben zweigen sich 
strahlenförmig drei Galerien ab; zwei sind ganz kurz, die dritte 
dringt circa 36 Schritt nach Westen vor. Von dieser letzteren 
führt ein Quergang zu einem Galerien-Komplexe von bedeutender 
Ausdehnung, den ich jedoch, da die Gänge vielfach verschüttet 
sind, unter den beschwerlichsten Umständen nur bis zu einem 
gewissen Punkte untersuchen konnte. 

Die Solidität und Einfachheit dts Baues, der strenge Cha- 
rakter der Anlage erwecken sofort den Eindruck, dass hier ein 
sehr altes Katakombennetz vorliege. Die hie und da erhaltenen 
Ornamentreste, Rosen und Blattwerk, von sehr guter Zeichnung 
und mit vortrefflichen Farben, sowie die Reste einer bis jetzt 
unbekannt gebhebenen metrischen Inschrift (Dipinto) erweisen 
dies weiterhin. 

Das Verhältniss von A und B kann kaum anders, denn 
als von zweitem und erstem Piano gedacht werden. Das zuletzt 
erwähnte, nach links sich abzweigende Galeriennetz liegt schon, 
soweit dasselbe jetzt zugänglich ist, im Terrain von B. Offen- 
bar gab es daher eine direkte Verbindung zwischen A und jB, 
die wieder aufzufinden die Aufgabe weiterer Ausgrabungen sein 
wird. Herr Cassia, der Besitzer der Vigna, hat bis jetzt nur in 
A einige Ausgrabungsversuche angestellt, scheint aber nicht ge- 
neigt zu sein, dieselben fortzusetzen, was umsomehr zu be- 
dauern ist, da dieses umfangreiche Cömeterium ohne Zweifel 

noch wichtige Schätze birgt. 

9* 



I 32 DIE KATAKOMBEN VON SYRAKUS. 

Eine kleine Katakomben -Anlage war früher auch hinter 
dem benachbarten Kloster S. Maria Gesü zugänglich; jedoch 
sind bei der Umwandlung des Klostergebäudes in eine Fabrik 
die Eingänge verschüttet worden. Ein eigenes Ganze scheinen 
übrigens diese Galerien nicht gebildet zu haben; sie dürften 
mit der Gruppe in Vigna Cassia zusammenzufassen sein. 

Ein kleines CÖmeterium ist ferner unter der südlich von 
S. Maria Gesü gelegenen Kirche S. Lucia erhalten. Dasselbe 
besteht in einem gegenwärtig nur bis zu einer Tiefe von 35 
Schritt zugänglichen Korridor, der in gerader Richtung von 
Südosten nach Nordwesten läuft. Die rechte Seitenwand hat 
drei Reihen quadratförmiger Kassetten, die zur Aufnahme von 
Aschen- Urnen dienten; dazwischen liegen einzelne Loculi spä- 
terer Konstruktion. An der linken Seitenwand dagegen herrschen 
umgekehrt die Loculi vor. Ein von dieser ausgehender kurzer 
Gang mündet in ein grosses, quadratförmiges Zimmer, welches 
nach Südosten und Nordosten je einen nur theilweise zugäng- 
lichen kurzen Korridor aussendet. In dieser Kammer und deren 
Annexa finden sich einige wenige Gräber zerstreut. Die Reste 
kleiner Röhrchen bestimmen die RäumHchkeit als ein Bad, oder, 
was wahrscheinlicher ist, als ein unterirdisches Wasserhaus. 

Die Krypte der heiligen Lucia liegt bedeutend unter dem 
Niveau dieses Cömeteriums, Ob dieselbe eine altchristliche An- 
lage ist, lässt sich nicht mehr erkennen. 

Eine ähnliche Mischform von Urnenkassetten und Gräbern 
ist in einer S. Lucia nahegelegenen, von Felswänden ein- 
geschlossenen Mulde zu beobachten. Unter den grösseren und 
kleineren Kubikula, die dort angelegt sind, befindet sich eines, 

* 

dessen Hauptraum 2 5 Schritt Breite und i8 Schritt Tiefe misst. 
Loculi, bis zu vier Reihen übereinandergeordnet, stellen die vor- 
herrschende Grabform dar; daneben erscheinen wenige Arkosolien 
von bedeutender Tiefe und Kassetten zur Aufnahme von Urnen. 

Ein anstossendes Kubikulum von demselben Umfange weist 
die gleiche Erscheinung auf. Jede dieser Kammern scheint mir 
zur Aufnahme von mindestens hundert Leichen geeignet. 

Weitere Grabanlagen lassen sich von hier aus bis zu der 
Latomie der Kapuziner nachweisen. Sie bilden einzelne, für 
sich abgeschlossene Ganze. Die Linie setzt sich dann von den 



DIE KATAKOMBEN VON 8YRAKUS. I 33 

Kapuzinern westlich fort bis zu der Thalschlucht, die Neapolis 
und Achradina scheidet, und in welche wahrscheinlich die 
Grenzmauer der Achradina einmündete. Ich beschränke mich 
auf diese allgemeine Angabe, da sich dieselben Grössenverhält- 
nisse und Anlagen wiederholen. Zum Schlüsse sei noch er- 
wähnt, dass auch in den Latomien vereinzeinte Gräber, vor- 
wiegend Arkosolien, sich finden. 

Ueber die Zeit der Entstehung der Achradina-Katakomben, 
speciell des CÖmeteriums S. Giovanni — denn die Forschung 
hat bis jetzt fast nur dieses berücksichtigt — liegen die diver- 
girendsten Meinungen vor, die ich im Verlaufe der Darstellung 
berühren werde. Vor Allem gehen die Ansichten in der Frage 
auseinander, ob die Anfänge von S. Giovanni in die vorchrist- 
liche, genauer in die griechische Zeit zurückreichen oder nicht. 
Dass diese Kontroverse so lange andauern konnte und bis heute 
andauert, erklärt sich allein daraus, dass Denen, welche über 
diese Fragen zu urtheilen unternahmen, von den in Betracht 
kommenden Monumenten nur eine oberflächliche Kenntniss zur 
Seite stand. Denn das Cömeterium S. Giovanni bietet der 
Untersuchung zuverlässige Handhaben genug, um über dieses 
Verhältniss mit vollkommener Sicherheit entscheiden zu können. 

Die Katakombe hat gegen neunzig Inschriften geliefert, 
die theilweise im Corp. Inscriptt. graec, Bd. IV, S. 5oi ff., 
theilweise von Carini *) und einzeln sonst gelegentlich veröffent- 
licht worden sind. 

Diese Epitaphien gehören in der Mehrzahl der zweiten 
Hälfte des vierten Jahrhunderts an; einige gehen bis in die 
Zeit des Theodosius und noch weiter hinab. Andererseits 
reicht eine gewisse Anzahl ohne Zweifel über die Mitte des 
vierten Jahrhunderts, Ja vielleicht bis in die ersten Regie- 
rungsjahre Konstantin's zurück, aber die Grenze des vierten 
Jahrhunderts überschreitet nach rückwärts sicherlich kein ein- 
ziger Titulus. Die Formulirung, die Orthographie, die Schrift- 
charaktere lassen hierüber keinen Zweifel. Wenn dem gegen- 



*) Is. Carini, Trentatre nuove iscrizioni delle Gatacombe di Siracusa, 
Palermo 1876 (Estratto dall' Archiv. Stör. Sic). — Nuove iscrizioni greche 
delle Gat. di Sirac, Pal. 1876. — Iscriz. rinvenute nelle Gat. di Sir., Pal. 
1873. Die Publikationen sind wissenschaftlich unbrauchbar, - 



I 34 I^IE KATAKOMBEN VON SYRAKUS. 

Über die kurze Fassung und die guten Schriftzüge einiger 
weniger Epitaphien die Vermuthung zu erwecken geeignet sind, 
dass dieselben Produkte des dritten oder gar des zweiten Jahr- 
hunderts seien, so führt der Umstand, dass diese Inscriptionen 
unter solchen sich finden und mit solchen zusammengehören, 
deren nachkonstantinischer Ursprung nicht zweifelhaft ist, 
oder auch mit Monogrammformen versehen sind, die nach- 
weisbar erst seit der Mitte des vierten Jahrhunderts auftreten, 
zu einem anderen Schlüsse ^). 

Das Alter der erhaltenen Malereien wurde bereits bei 
der Beschreibung des Cömeteriums nach zuverlässigen Judicien 
fixirt; dieselben stehen also chronologisch der Hauptmasse der 
Inschriften genau parallel, d. h. sie gehören der zweiten Hälfte 
des vierten Jahrhunderts an. Die grosse Zahl gemalter Mono- 
gramme Christi, welche schon die Aufmerksamkeit älterer Be- 
schreiber erregte, stellt neben dem Stile diese Datirung durch- 
aus sicher. Eine ältere Farbenschicht, welche später übermalt 
worden wäre, ist nirgends wahrzunehmen, so dass man berech- 
tigt sein wird, in diesen Resten die ursprüngliche Dekoration 
zu erkennen. 

Von den im Museum zu Syrakus aufbewahrten circa i5o 
altchristlichen Lampen sind gegen loo aus S. Giovanni ge- 
sammelt. Die Mehrzahl dieser letzteren trägt christliche Embleme, 
ein Beweis, dass diese Objekte Werke des vierten Jahrhunderts 
sind. Denn erst von konstantinischer Zeit an datirt eine specifisch 
christliche Lampenfabrikation. Die Lampen aus S. Giovanni 
weisen die Monogrammformen ^-p® auf, das lateinische und 
das griechische Kreuz mit dicken, am Ende stark auslaufenden 
Balken; ferner von biblischen Darstellungen die drei Hebräer 
im feurigen Ofen, von einem Engel beschützt, Daniel mit 
Perizoma bekleidet, einen Magier (?) mit Gaben, den Jona-Fisch 
— Formen und Figuren , die erst seit der Mitte des vierten 
Jahrhunderts zur Verzierung der Disken verwendet werden. Die 
Kreuzes -Abbildungen vollends führen tief in das fünfte Jahr- 
hundert hinein; indess ist möglich, dass die mit denselben ver- 

^) Diese Thatsache dürfte bei der chronologischen Fixirung undatirter 
römischer Inschriften zur Berücksichtigung zu empfehlen sein, besonders 
bei der Datirung der Dipinti in S. Priscilla. 



DIE KATAKOMBEN VON SYRAKUS. I 3 5 

sehenen Lampen bei Anlass späterer Märtyrer- oder Todtenfeste 
in die Katakombe gekommen sind, als diese selbst nicht mehr 
als Begräbnissstätte diente. 

Auch die Ampullen, welche bei den jüngsten Aus- 
grabungen zum Vorschein gekommen sind, und in welchen die 
einheimischen Archäologen ein sicheres Indicium höchsten Alters 
erkennen, beweisen nicht gegen diesen Schluss. Gleiche Schalen 
sind im vierten Jahrhundert und später noch in den Grabstätten 
deponirt worden (S. Agnese in Rom). Zur Klasse der sogenannten 
„phialae eruentae" gehören diese Gefässe nicht; der dunkle 
Bodensatz in ihnen rührt nicht etwa von einem früheren Blut- 
Inhalte her, wie geglaubt wird *), sondern gibt sich leicht als 
eine* Erdkruste zu erkennen. 

Wie also die durch das Cömeterium gebotenen Monu- 
mente ausschliessen, die Entstehung desselben über die ersten 
Decennien des vierten Jahrhunderts zurückzusetzen , so ergibt 
'sich weiterhin aus der Beurtheilung der Katakombe, als Ganzes 
betrachtet, dasselbe Resultat. 

Zur Zeit des Augustus war Syrakus eine heruntergekommene 
Stadt und so existenzunfähig geworden, dass ihr der Kaiser 
durch Absendung von Kolonisten aufhelfen musste. Die neue 
Kolonie okkupirte indes nur Ortygia und die an dieselbe an- 
schliessende nächste Niederung, wahrscheinlich nur die Vor- 
terrasse der Achradina 2), entwickelte sich aber bald zu einer 
gewissen Blüthe, wie wenigstens aus der Thatsache zu schliessen 
ist, dass im Jahre 58 die Syrakusaner sich die Erlaubniss erbaten, 
die gesetzlich bestimmte Zahl von Gladiatorenspielen über- 
schreiten zu dürfen^). Trotzdem wird man nicht zu tief greifen, 
wenn man die Einwohnerzahl im ersten christlichen Jahrhundert 



') In dieser Voraussetzung hat die Congregation der heil. Riten ein 
Exemplar dieser Ampullen in ihrem Archive deponirt. 

2) Strabo VI, 2, 4. Es heisst anfangs zwar: „icoXb ^epo^ xoö naXaioü 
xTtojJLaTo^ aveXaße", aber die nachfolgenden Worte: „aTcavxa p.lv 87) tov xüxXov 
Toöxov (d. h. die irevTaitoXt?') exirXiQpoöv ooS^v sBet, to hk auvotxö6jjL2Vov zh 
itpö§ T^ vYJoc}) TQ 'OpxüYta [xepo^ (pi^^ Selv otxioa'. ßsXxtov, aJtoXo'You itoXecu^ 
eyov Keptjiexpov" setzen, meine ich, ausser Zweifel, dass es sich allein um 
die Kolonisirung Ortygias und des zunächst anschliessenden Festlands- 
gebietes handelte. 

3} Tacit., Annal. XIII, 49. 



I 36 DIB KATAKOMBEN VON SYRAKUS. 

auf circa 20.000 Menschen berechnet *). Unter diesen gab es 
im Jahre 61, als Paulus dort ankam, noch keine Christen, 
jedenfalls noch keine, sei es auch noch so kleine, christliche 
Gemeinde, wie aus Apostelgeschichte 28, 1 1 ff. bestimmt hervor- 
geht. Angenommen nun, dass sich, was bei dem direkten Ver- 
kehr zwischen Sicilien und dem Oriente nicht unwahrscheinlich 
ist, gegen Ende des ersten Jahrhunderts eine kleine Kirche dort 
konstituirt habe, so ist doch nicht denkbar, dass diese Religions- 
Genossenschaft, die im zweiten Jahrhundert, den günstigsten 
Fall gesetzt, schwerlich mehr als ein Zehntel der Einwohner- 
schaft, also gegen 2000 Personen umfasst haben kann, einen 
so grossartigen Bau wie das Cömeterium S. Giovanni unter- 
nommen und ausgeführt habe. Die Gemeinde von Neapel; die 
ohne Zweifel weit günstiger gestellt war, hat dennoch zwei bis 
drei Jahrhunderte gebraucht, um die beiden Hauptgalerien von 
S. Gennaro dei Poveri zu schaffen, und doch lag ihr ein äus- 
serst günstiges, weiches Material (tufa litoide) vor, während 
S. Giovanni aus hartem, mühevoll zu bearbeitendem Muschel- 
kalk ausgehauen ist. Man könnte nun freilich dieses Cöme- 
terium als das Werk einer zwar kleinen, aber Jahrhunderte 
hindurch ununterbrochen an demselben thätigen Gemeinde sich 
denken, aber die Einheit der Anlage gestattet diese Annahme 
nicht. Perioden, die nicht Decennien, sondern Jahrhunderte 
umfassen, lassen sich, wie Jeder, der sich genauer mit der 
Architektur der Katakomben beschäftigt hat, weiss, immer un- 
schwer erkennen. Dieses Cömeterium zeigt aber von seinem 
ersten Anfange an die grossartigen Massstäbe, die ihm vor allen 
anderen gleichartigen Monumenten charakteristisch sind und in 
allen seinen Theilen hervortreten. Seine imposante Architektur 



^) Bekanntlich sind Schlüsse auf die Einwohnerzahl antiker Städte sehr 
unsicher. In diesem Falle aber scheint mir das römische Amphitheater von 
Syrakus einen zuverlässigen Anhaltspunkt zu bieten. Die Längenachse des- 
selben beträgt 70 Meter, die Breitenachse 40 Meter. Das Amphitheater in 
Pompeji aber misst 1 33*65 Meter grösste Länge und 104 Meter grösste 
Breite. Die Einwohnerschaft von Pompeji berechnet Nissen auf 20 — So.ooo 
Menschen (Fiorelli sogar nur auf 12.000). Demnach ergäbe sich für Syrakus 
eine Zahl von höchstens 20.000 Seelen. Damit stimmt auch überein, dass 
i m Jahre 2; 8 Syrakus mit leichter Mühe von einer der Gefangenschaft ent- 
wichenen Frankenschaar genommen und geplündert werden konnte. 



DIE KATAKOMBEN VON 8YRAKUS. \3j 

setzt eine Gemeinde voraus, die sich von irgend welcher ge- 
setzlichen Schranke und von einer Rücksichtnahme auf eine 
heidnische Majorität vollkommen frei wusste und das Bewusst- 
sein hatte, dass nicht nur die Zukunft, sondern bereits die 
Gegenwart ihr gehöre. 

Somit ist nur ein Zweifaches gegeben: entweder ist die 
Katakombe ein Werk des vierten Jahrhunderts, genauer der 
konstantinischen Zeit, als Syrakus vollständig oder grÖsstentheils 
christianisirt war, oder aber eine vorchristliche, griechische 
Anlage, welche sich die Christen später angeeignet Jiaben. 
Liesse sich letzteres erweisen, so bliebe, was hier gleich be- 
merkt werden mag, immerhin ausgeschlossen, dass die Nekro- 
pole schon vor dem vierten Jahrhundert in die Hand der Christen 
übergegangen sei. Die oben gegebenen Ausführungen würden auch 
in diesem Falle ihre Giltigkeit behalten. Ueberhaupt aber ist kein 
einziges Beispiel nachgewiesen, dass in der Zeit vor dem Unter- 
gange des Heidenthums die Christen alte Nekropolen und ein- 
zelne Gräber sich angeeignet hätten ^). 

Den vorchristlichen Ursprung des Cömeteriums S. Giovanni 
haben bedeutende Gelehrte, wie Quatremere de Q.uincy, 
Serradifalco, Hirt, Schubring, angenommen. Aber eine 
einzige Thatsache, die bisher nicht erkannt worden ist', be- 
seitigt diese Vorstellung, der Umstand nämlich, dass die Kata- 
kombe in eine antike Wasserleitung hineingearbeitet worden 
ist. Die in wechselndem Niveau laufenden Rinnen lassen sich, 
obgleich hie und da unterbrochen, noch heute genau verfolgen. 
In der Axe derselben liegen die oben (S. 127) erwähnten vier- 
eckigen Lichtöffnungen, die in Wirklichkeit nichts Anderes sind 
als Brunnenschachte und sich durch sorgfältige, saubere Aus- 
führung von den später hinzugefügten eigentlichen Luminarien 
von Cylinderform durchaus abheben. So begreift man auch die 
Schlangenlinie der Luminarienreihe: die späteren Luminarien 
hielten die Axe der geradlinigen Galerie inne, die älteren 



^) Im Uebrigen verweise ich auf meine Ausführungen in der Mono- 
graphie über die Katakomben vonS. Gennaro dei Poveri in Neapel, 
S. 59 ff. Beispiele sind u. A. zahlreiche Gräber im Val d'Ispica an der 
Südküste von Sicilien, sowie die Cömeterien von Palazzuolo (das alte Akra) 
westlich von Syrakus. 



I 38 DIB KATAKOMBEN VON SYRAKUS. 

Schachte folgten dagegen dem Laufe der kurvirenden Wasser- 
leitung. 

Die Vörterasse der Achradina besass ein weitverzweigtes 
Aquäduktennetz, zu welchem zahlreiche, zum Theile noch 
heute erhaltene Brunnenschachte herunterführen. Schubring ^) 
hat unter Anderem eine Wasserleitung konjicirt, die von den 
Südabhängen der Latomia di Venere dicht nördlich über 
S. Giovanni nach Osten gegangen sei. Wenn diese Kon- 
jektur, was mir sehr wahrscheinlich dünkt, richtig ist, so 
würde die durch die Katakombe durchbrochene Wasserleitung 
als eine südliche Abzweigung dieses Stranges zu betrachten sein. 

Es ist nun schlechterdings undenkbar, dass in griechischer 
Zeit ein Aquädukt, dessen Lauf durch die Brunnenschachte hin- 
reichend markirt war, um immer gewusst zu werden, und 
der, weil er die südlichste Niederung der Vorterrasse der Achra- 
dina, vielleicht sogar die Öffentlichen Plätze selbst mit Wasser 
versorgte, von grosser Bedeutung für den Stadttheil war, 
durch Anlage einer Nekropole, für deren Einrichtung an dieser 
Stelle überhaupt kein zwingender Grund vorlag, ausser Thätig- 
keit gesetzt worden sei. Das komplicirte Wasserversorgungs- 
System von Syrakus, dessen Trümmer heute noch mit Recht 
bewundert werden, lässt auf eine Verwaltung zurückschliessen, 
die gewiss nicht eine Zerstörung gestattet haben würde, welche 
einem ganzen Quartiere ohneweiters den Wasserzufluss ab- 
geschnitten haben würde. 

Demnach kann diese Katakombe erst dann angelegt sein, 
als dieser Theil der Achradina verödet und seine Wasserwerke 
in Verfall gerathen waren, d. h. in römischer Zeit, genauer 
im ersten Jahrhundert v. Chr., in welchem die Stadt den tiefsten 
Punkt ihres Sinkens erreichte. Eine heruntergekommene Be- 
völkerung aber baut nicht grossartige Nekropolen, und wenn 
die Kolonisation unter Augustus die Stadt auch bald wieder zu 
einer gewissen Blüthe brachte, so können wiederum die Grab- 
bauten nicht aus dieser Zeit, also etwa aus dem ersten christ- 
lichen Jahrhundert, herrühren, weil die Römer — denn der 



1) Schubring, Die Bewässerung von Syrakus (im Philologus XXII, 4, 
S. 596). 



DIE KATAKOMBEN VON SYRAKUS. l 3 9 

Zuzug erwirkte dem römischen Elemente das Uebergewicht in 
Syrakus — die Sitte, Nekropolen anzulegen, überhaupt nicht 
hatten. Auch ist zu beachten, dass die Griechen Siciliens schon 
seit mehreren Jahrhunderten vor Christi Geburt die Cremation 
übten, und dass diese im ersten Jahrhundert v. Chr. auch schon 
unter den latinischen Völkern, wenigstens in den Städten, fast 
allgemeiner Brauch war. 

Demnach lässt sich die Existenz dieser Begräbnissstätte nur 
begreifen, wenn man dieselbe als ein christliches Werk fasst, ge- 
nauer als ein Werk des vierten Jahrhunderts, wie oben bereits 
ausgeführt wurde. Damit wird zugleich die durch die Parallelen 
in Sparta, Megara und Tarent doch nicht ganz zu hebende 
Schwierigkeit beseitigt, die Stadt der Todten sich mitten in 
der Stadt der Lebenden zu denken. 

Nach dem Vorgange von Gaetano und Mirabella wird von 
neueren Beschreibern für den vorchristlichen Ursprung der 
Katakombe häufig noch die Thatsache geltend gemacht, dass 
in früherer Zeit in derselben Gegenstände gefunden und Malereien 
gesehen wurden, die man nicht anders, denn als heidnische 
Produkte fassen zu können glaubt, nämlich Fresken mit Vögeln, 
Bäumen, Rosen, und auf der anderen Seite Münzen und Vasen 
(d. h. wohl Thongeschirr überhaupt). Aus solchen Indicien 
wird kein Sachverständiger mehr auf den nichtchristlichen Ur- 
sprung eines C.Ömeteriums schliessen. Die Sitte, zu dem Todten 
Münzen in das Grab zu legen, lässt sich bis tief in das Mittel- 
alter hinein verfolgen und scheint im vierten Jahrhundert be- 
sonders geübt gewesen zu sein, so dass Hieronymus *) seine 
Stimme dagegen zu erheben sich veranlasst sah. Terracotta- 
Gefässe ferner von den verschiedensten Formen sind von Bosio 
(R. S., S. 201), Boldetti (S. i5obis iSy; 160) und Anderen^) 
sehr häufig in christlichen Cömeterien gefunden worden. Was 
endlich die von Gaetano notirten Malereien betrifft, zu welchen 
er ohne Zweifel auch die S. 128 erwähnte Darstellung einer 



^) Hieron., Epist. ad Eustach. de custod. virg. opp. ed. Basil. i5i6 I, 
S. 67. 

2) Vgl. Goch et, La Normandie souterraine, Paris, 1854, S. 199 ff.; 
pl: VII, XI. 



140 



DIE KATAKOMBEN VON SYRAKüS. 



Weinranke nebst Vögeln gerechnet hat, so bedarf die Möglich- 
keit eines christlichen Ursprunges derselben, den Resultaten der 
neueren Forschung gegenüber, keines Erweises mehr. 

Das Ergebniss der Untersuchung also ist: Das Cömeterium 
S. Giovanni gehört der römischen Periode der Stadt an und 
ist ein Werk der christlichen Gemeinde des vierten Jahrhunderts, 
als die Kirche, durch die staatliche Anerkennung an Macht und 
Selbstbewusstsein gehoben, ihre Existenz durch monumentale 
Bauten zu glanzvoller Erscheinung zu bringen den Trieb fühlte. 
So wurde in Neapel über das ursprüngliche Katakombennetz 
ein zweites von imposanter Architektur gelegt, und in Rom gab 
die Gemeinde die engen unterirdischen Begräbnissstätten, die 
sie wegen des wenig festen Materiales nicht grossartig ge- 
stalten konnte, lieber ganz auf und richtete ihre Cömeterien 
unter freiem Himmel ein. In gleicher Weise ist in Syrakus der 
mächtige Bau von S. Giovanni das Werk und das erste monu- 
mentale Lebenszeugniss der an Zahl und Mitteln plötzlich reich 
gewordenen Stadtgemeinde, die, indem sie die Ausführung jener 
Anlage übernahm, ein älteres, beengtes Cömeterium aufgab. 
Als dieses letztere ist das oben mit B bezeichnete tiefere Stock- 
werk des Gräberkomplexes in der Vigna Cassia zu betrachten. 
Auf den primitiven Charakter desselben ist schon bei der Be- 
schreibung hingewiesen worden: die Galerien sind schmäler 
und niedriger, der Loculus herrscht durchgehend« vor, die 
ganze Anlage ist von grosser Einfachheit, die Rundsäle z. B. 
fehlen ganz, was Alles auf eine an Mitteln arme, leistungs- 
unfähige Gemeinde hinweist. Die ebenfalls bereits erwähnten 
Ornament-Reste gehen mindestens über die Mitte des dritten 
Jahrhunderts zurück und sind auf einem vortrefflichen Stucco 
aufgetragen. Die metrische Inschrift schliesslich enthält viele 
Anklänge an heidnische Formeln und hat keinen einzigen spe- 
cifisch christlichen Terminus. So glaube ich, für den Grund- 
stamm dieses Galerien-Komplexes die zweite Hälfte des zweiten 
Jahrhunderts beanspruchen zu dürfen, gestehe aber zu, dass 
sich für diese Datirung kein eigentlicher Beweis erbringen lässt. 
Unter diesen Verhältnissen wäre es in hohem Grade wünschens- 
werth, wenn hier Ausgrabungen angestellt würden. Dass aber 
auch diese Anlage eine genuin christliche ist, ergibt sich daraus, 



DIB KATAKOMBEN VON SYRAKUS. 14I 

dass der Brunnenschacht, durch welchen allein gegenwärtig die 
Katakombe zu erreichen ist, in eine Wasserleitung mündet, die 
auch hier durch die Galerien zerchnitten wird. 

Das obere Stockwerk, welches wir mit A bezeichneten, hat 
zwar in seinem südöstlichen Annex noch ältere Theile, steht 
aber in seiner Hauptmasse dem Cömeterium S. Giovanni chro- 
nologisch parallel. Denn es begreift sich leicht, dass der alte 
Friedhof nicht auf einmal verlassen wurde, sondern neben dem 
neuen, den man sich wohl Anfangs als hauptsächlich von Neu- 
bekehrten benutzt zu denken hat, noch lange fortexistirte. 
Aber dass derselbe weiterhin nur von wenigen Familien benutzt 
wurde, und dass vom vierten Jahrhundert an S. Giovanni das 
eigentliche Haupt- und Gemeinde-Cömeterium wurde, beweisen 
eben die beiderseitigen Grössenverhältnisse. 

Ob die früher von S. Maria Gesü aus zugänglichen Galerien 
der älteren oder der jüngeren Gruppe des Cömeteriums in A^v 
Vigna Cassia angehören, wage ich nicht zu entscheiden, da die 
mir hierüber zugegangenen Notizen zu unbestimmt sind. 

Christliche Grabanlagen, die dem unteren Stockwerke der 
Katakombe der Vigna Cassia gleichzeitig oder vorzeitig wären, sind, 
soweit unsere Kenntniss reicht, nicht vorhanden. Die isolirten 
kleinen Kubikula mit Arkosolien und Loculi, die zwischen S. Lucia 
und der Latomie der Kapuziner liegen, und die den für einzelne 
Familien reservirten Appartements der römischen Katakomben 
entsprechen, könnten recht wohl christliche Grabstätten aus 
einer Zeit sein, als das Christenthum in Syrakus sich noch auf 
wenige Familien beschränkte; aber da sich dieselben von den 
Kapuzinern in westlicher Richtung bis über das Theater hinaus 
fortsetzen, um schliesslich in eine Gräberstrasse zu münden, 
werden sie richtiger als griechische Anlagen gefasst. 

Die oben erwähnte Mischung von Urnenkassetten und 
Loculi, beziehungsweise Arkosolien, in demselben Räume 
ist höchst eigenthümlich und bis jetzt fast nur in Etrurien 
nachgewiesen, und zwar in Gräbern, deren nichtchristlicher 
Ursprung keinem Zweifel unterliegt *). In Syrakus selbst, nörd- 
lich vom grossen Hafen, wurde im Jahre 1868 eine Anzahl so 



M Bull, di corrisp. archeol. 1843, S. 100; i856, S. i65. 



142 DIE KATAKOMBEN VON SYRAKÜS. 

eingerichteter Krypten entdeckt ^). So sind auch die nordöstlich 
von S. Lucia gelegenen Gräber in ihrem ganzen Umfange sehr 
wahrscheinlich ein heidnisches Werk aus der Zeit des Ueber- 
ganges von der inhumatio zur crematio. Von dem kleinen 
Cömeterium unter der Kirche S. Lucia scheint mir indess 
das Gegentheil gesichert: während der Umstand, dass die 
Katakombe in eine antike Wasseranlage eingerückt ist, den 
nachgriechischen Ursprung der ersteren zweifellos macht, ergibt 
sich weiterhin aus dem räumlichen und architektonischen Ver- 
hältnisse der Kassetten zu den Loculi, dass diese letzteren erst 
später zu den ersteren hinzugekommen sind. Damit aber werden 
wir in die christliche Zeit geführt, genauer in das vierte oder 
fünfte Jahrhundert. 



Die Resultate der bisherigen Ausführungen über die alt- 
christlichen Monumente von Syrakus, besonders über das Alter 
des Theiles B in der Vigna Cassia, sind für die Erkenntniss 
der Geschichte der alten syrakusanischen Gemeinde werthvoll. 
Die Existenz dieser letzteren bereits in der zweiten Hälfte des 
zweiten Jahrhunderts wird dadurch gesichert. In der gewiss 
richtigen Voraussetzung aber, dass ein so umfangreicher Monu- 
menten-Komplex, wie derjenige in der Vigna Cassia, auf eine 
bereits bis zu einem gewissen Grade erstarkte Gemeinde schliessen 
lässt, darf man die Anfänge des Christenthums ohne Zweifel bis 
zu den ersten Decennien des zweiten Jahrhunderts zurücktragen. 
Und diese Gemeinde ist gewiss im Verlaufe des dritten Jahr- 
hunderts bedeutend gewachsen, denn anders würde sie nicht so- 
fort nach dem Anbruche der Friedenszeit unter Konstantin d. Gr. 
an die Ausführung eines so grossartigen Baues haben gehen 
können, wie das Cömeterium S. Giovanni doch ist. Dass sie 
aber im Verlaufe des vierten Jahrhunderts durch den Zuzug von 
Bekennern aus dem Heidenthum in hohem Grade erstarkte, be- 
weist die Thatsache, dass die umfangreichen Räume von S. Gio- 
vanni nicht für hinreichend erkannt und auf dem Küstensaume 
zwischen S. Maria Gesü und der Latomie der Kapuziner neue 



1) Bull, di corrisp. archeol. 1869, S. 38 ff. 



DIB KATAKOMBEN VON SYRAKUS. 1 48 

unterirdische Friedhöfe angelegt wurden, von welchen in den 
letzten Jahren gelegentlich Spuren zunj Vorschein gekommen 
sind. Die einfache, nachlässige Konstruktion dieser letzteren, 
die durch Fundstücke als Werke des vierten und des fünften 
Jahrhunderts erwiesen werden, legt den Gedanken nahe, dass 
S. Giovanni vorwiegend den vornehmen Klassen reservirt war. 
Oben wurde ein Schreiben Leo's d. Gr. angeführt, in 
welchem der Ursprung der sicilischen Kirche an Rom geknüpft 
wird. Wenn die Unrichtigkeit der Behauptung in der Form 
wenigstens, in welcher sie bei Leo auftritt, dass nämlich die 
Succession der sicilianischen Bischöfe auf den römischen Petrus 
zurückgehe, sofort einleuchtet, so schliessen weiterhin die Mo- 
numente die Möglichkeit aus, die Christianisirung der Insel in 
irgend einer Weise an das christliche Rom zu knüpfen. Denn 
ganz abgesehen davon, dass die römische Gemeinde, nachdem 
sie kurz vorher der Schlag der neronischen Verfolgung zer- 
trümmert hatte, am Ende des ersten oder auch am Anfange 
des zweiten Jahrhunderts, schwerlich daran gedacht haben 
kann , in weiter Ferne Pflanzstätten des Christenthums zu 
gründen, so tragen die Monumente durchaus einen griechischen 
Charakter. Besonders die Inschriften erweisen sich als eine 
einzige Gruppe bildend mit den Tituli des Orients. Auch die 
Konstruktionsformen, die hier zur Anwendung kommen, sind 
vielfach ganz andere als die in den römischen Cömeterien be- 
gegnenden. In der That liegt es auch am nächsten, anzunehmen, 
dass der lebhafte Verkehr zwischen Orient und Occident, der 
in Sicilien seine Hauptstützpunkte hatte, wie nach Rom und 
nach Puteoli, so auch nach Syrakus das Evangelium gebracht 
habe. Damit steht in vollkommener Uebereinstimmung, dass 
die dem Orient zugewandten Theile der Insel, die Ost- und 
die Südküste, die zahlreichsten und ältesten Denkmäler besitzen. 
Vergleicht man diese einzelnen Monumenten-Komplexe unter 
einander, so ergibt sich wiederum die syrakusanische Gemeinde 
als diejenige, deren Monumente die zahlreichsten sind und in 
die älteste Zeit zurückgehen. Aus dieser Thatsache aber erwächst 
das Recht, zu schliessen, dass die Kirche von Syrakus in alt- 
christlicher Zeit die Hauptkirche der Insel gewesen sei und 
dass ihr, was unmittelbar daraus folgt, in der Missionirung 



144 ^^^ KATAKOMBEN VON SYRAKÜS. 

Siciliens eine wichtige, ja vielleicht die wichtigste Rolle zu- 
gefallen sei ^). Dagegen die Rom zugewandte Nordkuste ist 
ungemein arm an altchristlichen Monumenten und hat bis jetzt 
kein einziges vorkonstantinisches Denkmal geliefert. Was Syra- 
kus für die Süd- und Ostküste war, war für diese Gegenden 
Panormos. 



•) In Beziehung auf Girgenti (Agrigentum) steht mir dies fest. Das 
altchristliche Cömeterium daselbst theilt durchaus die Eigenthümlichkeiten 
der syrakusanischen Katakomben, so dass ein Abhängigkeits- Verhältniss 
zwischen der einen und der anderen Kirche nicht wohl zu verneinen sein 
dürfte. 



V. 
EIN SARKOPHAG AUS S. PAOLO FUORI LE MÜRA. 

(Fig. 22.) 

Bei den Arbeiten zur Herstellung des neuen Tabernakels 
in der Basilika S. Paolo fuori le mura in Rom entdeckte man 
im Jahre i838 in unmittelbarer Nähe der Konfession des Apo- 
stels einen altcRristlichen Sarkophag, der, weil er der neuen 
Fundamentirung hinderlich war, von seinem ursprünglichen 
Standorte entfernt und in dem anstossenden Kloster der Kassi- 
nenser von S. Paolo aufgestellt wurde. Von hier kam derselbe 
im Jahre 1854 in die von P. Marchi eingerichtete Sammlung 
des Lateran-Museums, wo er sich heute noch befindet. 

Das Monument — italienischer Marmor — misst 2*678 Meter 
Länge, r3 Meter Höhe und 0*678 Meter Breite. Das Gewicht 
beträgt nach P. Marchi 27.000 Pfund. Die Vorderwand zeigt 
ausser den abbozzirten Brustbildern eines Ehepaars zwei Reihen 
von Reliefdarstellungen, die an der rechten Schmalseite etwas 
verstümmelt sind; ebenso ist in der ersten Gruppe des unteren 
Feldes der Kopf des Jesusknaben abgestossen. Das Fehlende ist 
gegenwärtig dem Stile des Ganzen entsprechend geschickt ersetzt. 

Die Reliefs sind nie vollständig ausgeführt worden; die 
Hintergrundsfiguren sind nur in unbestimmten Umrissen ange- 
legt; eine ganze Scene des untern Feldes ist nur theilweise 
aus dem Material herausgearbeitet und im Einzelnen wie im 
Ganzen wird überall die letzte Hand vermisst. 

Abeken berichtete zuerst, soweit mir bekannt, im Tübinger 
Kunstblatt (i 838, S. 238) über den neuen Fund; ausführlicher und. 
mit besonderer Betonung und Berücksichtigung der dogmatischen 

Schultse, ArchKologisohe Studien. 10 



146 SARKOPHAG AUS S. PAOLO. 

Bedeutung der Bildwerkeist derselbe von Manch i und in Didron's 
Annales arch^ologiques behandelt. Aus neuerer Zeit sind unter 
Anderem ein Aufsatz de Rossi's und die an denselben sich an- 
lehnenden Ausführungen der englischen „Roma sotteranea*', sowie 
einige Paraphrasen Martigny's und Garrucci^s^) und eine aus- 
führliche, aber hauptsächlich auf die drei Schlussscenen gerichtete 
Untersuchung von Grimouard de Saint-Laurent zu nennen. 
Der Ort, an welchem der Sarkophag gefunden wurde, 
gestattet von vorneherein einen sicheren Schluss auf die Zeit, 
welcher derselbe angehört. Der Um- und Neubau nämlich der 
alten konstantinischen Basilika, bei welcher Gelegenheit allein 
die Aufstellung des Sarkophags in der Confessio denkbar ist, 
wurde im Jahre 386 durch ein Reskript der Kaiser Valenti- 
nianus II., Theodosius und Arcadius angeordnet (bei Baronius 
ad an. 386 n. 40), aber erst unter Honorius (395 bis 423) ab- 
geschlossen 2). Prudentius^) sah im Anfange des fünften Jahr- 

1) Marchi in d. Civiltä catt. Nov. 1854; an. V^, vol. VIII, S. 371 ff.; 
Di dron,' Annales arch^ol.,t. XXIV, S. 266 ff.; De Rossi, Bull. i865, S. 68 ff. 
(mit Anscbluss daran Sehn aase, Geschichte d. bild. Kunst. Düsseldorf 

1869, Bd. [MU, S. 90); Englische R. S., deutsche Ausgabe, S. 354 ff.; 
Martigny, Dict. Sarcophages, S. 717 und sonst verschiedentlich; Garrucci, 
Storia deir arte crist., t. I, S. 46 f; Grimmouard de Saint-Laurent, 
ifetude sur une s^rie d'anciens sarcophages (Revue de l'art chrit. 1876, 
S. 145— 161, 435 — 457). Vgl. auch desselben Verfassers „Guide de TArt 
chr^t.", t. II, S. 139; t. IV, S. 170, und Mozzoni, Tavole cronol. della storia 
della chiesa, Venez. i856 sect. IV, nota 28. 

2) Die Obrigens retaurirte Inschrift über dem Mosaik des Hauptbogens 
lautet: THEODOSIVS CEPIT PERFECIT ONORIVS AVLAM II DOCTORIS 
MVNDl SACRATAM CORPORE PAVLl. Vgl. ausserdem Nicolai, Della 
basilica di S. Paolo. Roma 181 5, S. 10. 

3) Prudent. Peristeph. XII, 45 ff. Die im bj. Jahre seines Lebens 
(Praef. i — 3) von ihm selbst veranstaltete Gesammtausgabe seiner Werke 
enthalt das „Peristephanon" als letztes Gedicht. Bei der Voraussetzung, dass 
der Dichter im Jahre 348 geboren, ergäbe sich also die Abfassung desselben 
vor5o5; aber es ist nicht wahrscheinlich, dass damals schon, wie Dressel 
(Prüd. Carm. p. V) und Ebert (Gesch. d. christl.-lat. Lit., S. 244, Anm. 2) 
annehmen, die verzeichneten Schriften dem Dichter fertig vorgelegen haben. 
Denn einmal ist jene Angabe sehr allgemein gehalten, dann aber ist sicher, 
dass die asketische Richtung bei Prudentius erst spät eintrat (Praef. v. 21 ff.). 
Es ist daher wohl anzunehmen, dass das „Peristephanon" im Jahre 5o5 dem 
Dichter erst noch in allgemeinen Umrissen vorlag und später als die Prae- 
fatio abgeschlossen wurde. 



SARKOPHAG AUS S. PAOLO. 



'47 



hunderts das neue Gebäude vollendet, aber es ist nicht unwahr- 
scheinlich, dass die abschliessenden Arbeiten noch in die letzte 
Hälfte der Regierungszeit des Honorius hineinreichen. 

Auf Grund der Beobachtung, dass der Sarkophag Spuren > 
unvollendeter Arbeit trägt, ist die Entstehung desselben genauer 
in das Jahr 410, in welches die Verwüstung Roms durch Ala- 
rich fällt, verlegt worden, aber dieses Datirungsverfahren wird 
dadurch ausgeschlossen, dass sowohl nicht-christliche wie christ- 
liche Sarkophage aus der Zeit tiefsten P'riedens mit mehr oder 
weniger unvollständig ausgeführten Rieliefs sich nachweisen 
lassen. Was insbesondere die abbozzirten Büsten der Eigen - 
thümer des Monumentes anbetrifft, so gründet sich diese Eigen- 
thümlichkeit auf die Sitte, die von dem Künstler im Atelier 
hur in rohen Umrissen entworfenen Köpfe erst später, nachdem 
der betreffende Sarkophag angekauft war. den Gesichtszügen 
derjenigen Personen, für welche derselbe bestimmt war, an- 
passen zu lassen. Dass dieses aber sehr häufig unterblieb, ist 
durch zahlreiche Monumente des römischen wie des christlichen 
Alterthums gesichert. Ohne Zweifel war der Sarkophag aus 
S. Paolo, als ihn einer der Ehegatten im Magazine des Künst- 
lers auswählte, in noch weit unfertigerem Zustande, als er jetzt 
ist und noch nicht zum Verkaufe ausgestellt. Der Bildhauer 
scheint sich in der Kürze der ihm gestatteten Zeit darauf be- 
schränkt zu haben, die Haupt- und Vordergrundsfiguren mög- 
lichst auszuarbeiten. 

Ueber Name und Stellung des in dem Sarkophage bei- 
gesetzten Ehepaares ist nicht einmal eine Vermuthung gestattet, 
aber mit Recht hat Marchi darauf aufmerksam gemacht, dass 
ein so hervorragender Platz in unmittelbarer Nähe des Apostel- 
grabes auf eine hochstehende Familie schliessen lasse. 

Die Reliefwand des Sarkophags wird der Länge nach durch 
ein schmales Band halbirt. Auf den dadurch gewonnenen zwei 
Feldern entfalten sich die von dem Künstler zur Darstellung 
gebrachten Gruppen, räumlich nur einmal, nämlich durch das 
Medaillonbild des Ehepaares von einander geschieden, aber 
durch ganz bestimmt von einander sich abhebende Scenen sach- 
lich auseinander gerückt. Nicht streng durchgeführt, aber vor- 
herrschend ist die Gruppirung zu drei Personen. 

10* 



148 SARKOPHAG AUS S. PAOLO 

Der Bildercyklus beginnt mitder Darstellung der Schöpfung 
des Weibes^). Drei Personen sind dabei beschäftigt, denn die 
weiter angedeuteten Umrisse gehören Hintergrundsfiguren an. 
Unter diesen drei Gestalten, die ohne wesentlichen Unterschied 
alt und bärtig gefasst sind, nimmt die sitzende Person den 
ersten Rang ein. In Tunika und Pallium gekleidet, erhebt sie 
feierlich den rechten Arm zu einer vor ihr stehenden unbeklei- 
deten weiblichen Figur, die ihr von einem der Begleiter vor- 
geführt wird. Haupt- und Barthaar ist barbarisch, der Gesichts- 
ausdruck blöd-freundlich. An den Füssen sind Sandalen ^be- 
festigt. Die äussere Erscheinung der beiden Begleiter ist wesent- 
lich dieselbe. 

Die bisherige Interpretation fasst die drei Personen als 
den Vater, den Sohn und den Geist, und sieht in dieser Scene 
das einheitliche Schöpfungswirken der Dreieinigkeit dargestellt. 
Wenn nun die sitzende Figur unzweifelhaft Gott repräsentirt 
und nicht den Logos, wie Garrucci geltend zu machen gesucht 
hat (wogegen de Rossi im Bull. i865, S. 68), so ist die 
Meinung, dass die rechts geordnete Person der Sohn und 
die hinter dem Throne stehende der Geist sei, unhaltbar. 
Denn in der anschliessenden Gruppe erscheint der Sohn un- 
bärtig und jugendlich. Es ist aber undenkbar, dass der 
Künstler so plötzlich von einem Typus zu einem andern über- 
gesprungen sei. Wie konnte er auf den gealterten bärtigen Logos 
unmittelbar die unbärtige, langlockige Jünglingsgestalt folgen 
lassen ? 

Die Malerei bietet wohl Beispiele eines solchen plötz- 
lichen Ueberganges, die sich indess aus der Natur der Fresko- 
malerei, die ein schnelles Verfahren erheischt, unschwer er- 
klären, aber in der Skulptur fehlen dieselben durchaus. Die an 
Marchi anschliessende Deutung der deutschen R. S. (S. 355), dass 
hier der Logos in dem Momente des Sündenfalles als der Same 
des Weibes verheissen, und diese Menschwerdung gerade durch 
den jugendlichen Typus ausgedrückt werde, kann diesen Wider- 



^) Diese Erklärung wird allein von Withrow, Catacombs of Rome, 
London 1877, ^* ^^^f beanstandet und statt dessen eine Beziehung auf das 
Unheil des Salomo vorgeschlagen, eine Interpretation, die einer Wider 
legung nicht bedarf. 



SARKOPHAG AUS S. PAOLO. 1 49 

Spruch nicht heben, denn in der Scene liegt nicht die geringste 
Andeutung einer Verheissung. 

Ueberhaupt kennt die altchristliche Kunst einen solchen 
Christuskopf nicht. Sie erscheint freilich in der letzten Periode 
ihrer Entwicklung im Besitze des bärtigen Christus -Typus und 
verwendet denselben mit Vorliebe, wo es sich darum handelt, 
eine Scene besonders feierlich auszustatten ^), aber nie zeigt 
jener Typus das plebejische Haupt, die blöden, ausdruckslosen 
Züge und das ungepflegte Haupt- und Barthaar dieses Reliefs. 
Nur eine Darstellung Hesse sich mit dieser in Vergleich setzen: 
der greisenhafte, kahle Christuskopf eines Goldglases des fünften 
Jahrhunderts'^), Aber es liegt hier offenbar nur ein Inschriften- 
oder Zeichnungsfehler vor, sonst würde die Darstellung wie ein 
unbegreifliches Räthsel in der Reihe der Christus -Typen stehen. 

Ebenso lässt sich keine Darstellung des heiligen Geistes in 
dieser Auffassung nachweisen; sie wäre schon an sich seltsam. 
Die altchristliche Kunst kennt den heiligen Geist allein unter 
dem Bilde der Taube, und es ist eine unstatthafte Ausflucht, 
mit Martigny (Dict., S. 283) hier „une repr^sentation tout-ä-fait 
exceptionelle" zu konstatiren. Auch die subordinirte Stellung, 
welche die hinter dem Stuhle stehende Figur einnimmt, dürfte 
ein Argument gegen die übliche Auffassung abgeben. Denn 
dieser Platz kommt auf antiken Monumenten nur Dienern und 
untergeordneten Personen zu^). Dass aber ein christlicher 
Künstler den heiligen Geist von dem Vater in dieser Weise habe 
unterscheiden können oder wollen, wird durch das Bewusstsein 
jener Zeit, welcher die Beschlüsse des Koncils von Konstantinopel 
vorlagen und die mit den Begriffen öjjlööüoio^, 6fiotoüotoc, dvdjjiotos wohl 
vertraut war, ausgeschlossen. 



^) Bottari, t. 21; 22; 23 fr. Immerhin aber blieb in der altchristlichen 
Kunst der bärtige Christus eine Ausnahme-Darstellung; noch am Ende des 
fünften Jahrhunderts lässt sich das Ueberwiegen des älteren Typus nach- 
weisen; so auf einem Veroneser Sarkophag (Maffei, Mus. Veron., S. 484), 
und besonders charakteristisch auf einem Relief bei Bugati, Memorie di 
S. Celso, Taf. des Anhanges; vgl. auch Bott, t. 23; 24; 34 u. s. 

2) Garrucci. Vetri, t. XVII, 2. 

3) Caylus, Recueil t. V, pl. XLIX, 3: L, i; Visconti, Museo Pio- 
Clem. V, 37; Raoul-Rochette, Monum. in^d., pl. LXXVII, i und sehr 
häufig auf pompejanischen Wandgemälden. 



I 5o SARKOPHAG AUS S. PAOLO. 

Aus diesen Gründen ist die gewöhnliche Interpretation 
zurückzuweisen. Es bleibt dann nur übrig, die beiden ßegleit- 
figuren als Engel zu fassen. 

Die Behauptung, dass die altchristliche Kunst die Engel 
ausnahmslos jung und bartlos gebildet habe (de Rossi), ist un- 
richtig. Dieser Typus herrscht freilich vor, aber er ist nicht der 
ausschliessliche. So bietet das Lateran-Museum zwei Beispiele 
von bärtigen Engeln in Darstellungen der Opferung Isaak's; sie 
halten in diesen Scenen den Arm dts zum Todesstreiche aus- 
holenden Abraham zurück. Ebenso wird die bärtige Figur, 
welche auf einem Sarkophage ebendaselbst das erste Menschen- 
paar aus dem Paradiese stÖsst, besser auf einen Engel als auf 
Gott bezogen, da auf gleichzeitigen und späteren Monumenten ') 
Gen. III, 23 f. als eine That des Engels Gottes verstanden ist. Auch 
die eine bärtige Figur, welche auf einem römischen und auf einem 
gallischen Sarkophag- Relief ^) neben dem thronenden Gotte steht, 
sowie die bärtige und die unbärtige Person, die einmal in der 
Umgebung Gottes erscheinen (Bott., t. 5i) lassen sich nur als Engel 
erklären. Der vorherrschende Typus ist indess, wie bemerkt, der 
jugendlich bartlose, aber gewiss nicht der ursprünglichere. Denn 
er bildet den Uebergang zu dem beflügelten Engel ^), welcher 
weiterhin zu der mit Nimbus ausgestatteten Figur sich ent- 
wickelt. Es ist aber unzweifelhaft, dass diese Weiterbildung 
durch die antiken Darstellungen der Genien und Eroten veran- 
lasst und getragen wurde, da in dem Masse, wie die beiden 
letzten Stufen der Engeldarstellungen sich herausbilden, die 
Genien und Eroten, die Anfangs noch ganz unbefangen und 
ziemlich häufig in der altchristlichen Kunst erscheinen, seltener 
werden, bis sie, nachdem der Bildungsprocess unter ihrer Ein- 
wirkung sich vollendet hat, fast ganz ausscheiden. In dieser 
unter dem Einflüsse der Antike sich vollziehenden Entwick- 
lung ist kein Platz für eine Auffassung, wie sie die erste 



1) Z. B. Bott. 5i; Ciampini, Vet. Mon. II, t. X, 9 (Krucif. d. 
sechsten Jahrhunderts). 

2) Bott. 137; Miliin, Voyage, pl. LXVII n. i; vgl. d. Text t. III, 
S. 534. 

3) Beispiele: d'Agincourt, peint. pl. VII, 3; Odorici, Mon. crist. di 
Brescia, t. VI, 19; Ciampini a. a. O. I, t. XLVI; II, t. XVII, XVIII, XIX. 



SARKOPHAG AUS S. PAOLO. I 5 I 

Gruppe des Sarkophags zeigt. Dieselbe muss daher ausser- 
halb dieser Umbildung, d. h. vor dieselbe oder parallel mit der- 
selben gesetzt werden. Für Ersteres spricht der Umstand, dass 
dieser Typus sich viel treuer an die biblischen, speciell alt- 
testamentlichen Vorstellungen anschliesst als die heidnischchrist- 
liche Mischform. Da aber bereits im vierten Decennium des 
fünften Jahrhunderts, in S. Maria Maggiore in Rom, die Engel 
mit Flügel und Nimbus dargestellt werden, so ist der Typus 
unseres Reliefs als eine neben der neueren Entwicklung ganz 
isolirt fortdauernde Reminiscenz an einen früheren Typus zu be- 
trachten. Solch vereinzeltes Uebergreifen einer früheren Epoche 
in eine spätere ist nicht beispiellos und besonders in der christ- 
lichen Kunst des fünften und sechsten Jahrhunderts zu beob- 
achten. 

Das antike Vorbild der originellen Schöpfungs-Scene ^) sind 
die Darstellungen der durch Prometheus vollzogenen Schöpfung 
des Menschen, deren bekanntestes Beispiel ein Sarkophag im 
kapitolinischen Museum^) bietet, in dessen Bilderkreis nach dem 
Vorgange von Böttiger und Kreuzer noch neuerdings Lübke ^) 
mit Unrecht eine Mischung heidnischer und christlicher Ideen 
erkannt hat. Neben der Gesammtanordnung der.Scene, der 
Haltung des Schöpfers, der Verkleinerung der erschaffenen 
Menschen , die ebenfalls zwei sind, beweist in diesem Falle für 
das Abhängigkeitsverhältniss insbesondere der Umstand, dass 
der Künstler den einen Engel die Hand auf das Haupt der 
Eva legen lässt, ein Gestus, der hier durchaus keinen Sinn hat 
und nur aus der Promotheus-Gruppe, in welcher Athene dem 
geschaffenen Menschen die Hand auf das Haupt legt, um ihm 
die Seele in Gestalt eines Schmetterlings mitzutheilen, verständ- 
lich wird. Der ruhende Adam schliesslich und die aufgerichtete 
Eva haben ihr genaues Vorbild in einem Relief des Museo Pio- 
Clementino^). 



*) Mir ist nur ein weiteres Beispiel im Museo Nazionale in Neapel 
bekannt. Ueber die unrichtige Angabe der deutsch. R. S. s. S. [02, Anm. 3. 

2) Museo Capit., t. IV, tav. XXV, vgl. auch Montfaucon, Antiqu., 
t. V par. II, tab. i38. 

3) Lübke, Gesch. d. Plastik, Leipzig i863, S. 266. 

*) Visconti, M. P. C. IV, 34; O. Müller, Denkm. II, 840. 



r 52 SARKOPHAG AUS S. PAOLO. 

Was die symbolische Bedeutung der Gruppe anbetrifft, so 
war die vergleichende Zusammenstellung der Schöpfung sowohl 
jedes einzelnen Individuums als auch des ersten Menschenpaares 
mit der Neuschöpfung des Leibes durch Gott in der Auf- 
erstehung ein beliebtes Argument der Kirche, um die Macht 
Gottes, die Wiederbelebung und Restitution der Todten zu 
vollbringen, zu erweisen^). 

Die Scene ist also der Reihe der sepulkral- symbolischen 
Bilder einzufügen. 

Die Darstellung basirt auf dem Berichte Gen. 2, 21 f. Gott 
hat soeben durch sein Wort aus dem schlafenden Manne das 
Weib gebildet und wendet sich mit prüfendem Auge (Gen. i , 4U. s.) 
und die Hand erhebend dem geschaffenen Wesen zu. Bemerkens- 
werth ist, dass der Stuhl, auf welchem der Schöpfer sitzt, nicht 
das antike Sölium, der Repräsentationsstuhl, beziehungsweise 
Thron ist, sondern die Cathedra, der einfache, bequeme 
Hausstuhl. Derselbe besteht aus Flechtwerk und ist mit dem 
üblichen Stragulum^) bedeckt. Sonst dient als Sitz Gottes 
auch ein nacktes Felsstück ^). 

Der Typus Gottes ist streng realistisch gehalten und ohne 
irgendwelche Reminiscenz an antike Göttergestalten, wie denn 
überhaupt die altchristliche Kunst in der Darstellung Gottes 
durchaus selbständig geht. 

Die zweite Gruppe des oberen Feldes setzt sich aus zwei 
Einzelscenen zusammen, die sich chronologisch von rechts nach 
links folgen: die Verführung durch die Schlange und die Zu- 
weisung der neuen Lebenssphäre an das erste Menschenpaar 
durch Christus. Die erstere Scene ist indess nur fragmentarisch 
und der zweiten bloss als erläuterndes Motiv beigeordnet. 



^) Justin., De resurr. carn. IX; Theophil., Ad Autolyc. I, 8; 
Athenag., De resurr. III; Iren., Adv. haer. V, i; TertuU., De resurr, 
carn. VII; IX; Min. Fei. XXXVIII u. s. ö. (Die betreffenden Stellen hat 
Teller in seiner Schrift: Fides dogm. de resurr, per IV priora saec. S. S. 85, 
90» 93, 97 ausgezogen.) 

') Museo Borb. IX, 38. Ghimentellius, Marmor Pisan. de hon. 
bis. 1662 nn. 2, 53; 54 der Abbildungen; vgl. Plinius, XVI, 37, 68 . . . can- 
didiores (sei. salices) . . . supinarum in delicias cathedrarum aptissimae. 

3) Bottari, t. 5i u. s. ö. 



SARKOPHAG AUS S. PAOLO. l53 

Heidnische Vorbilder der um den Baum gewundenen 
Schlange hat zuerst Piper') ausführlich nachgewiesen, während 
ältere Erklärer, wie Buonarroti und Odorici diesen Zusammen- 
hang nur flüchtig und ganz allgemein andeuten. Indessen ist 
sehr unwahrscheinlich, dass, wie Piper will, die Schlangen- 
Darstellungen des Hesperidenmythus zu den entsprechenden 
christlichen den formalen Typus abgegeben haben. Abbildungen 
des Drachen Ladon sind überhaupt selten, wie auch die an 
diesen anknüpfende spätere Gestaltung der Hesperidensage 
schwerlich in das eigentliche Volksbewusstsein eingedrungen 
ist, da dieses bereits durch eine geradezu entgegengesetzte Auf- 
fassung der Schlange, nämlich als eines dL^a^o^aiiio}^ voreingenom- 
men war 2). Ausserordentlich zahlreich dagegen und durch die 
eigentlich populäre Kunstthätigkeit geschaffen, sind die Abbil- 
dungen der Schlange mit sepulkraler Bedeutung auf Grab- 
monumenten ^). 

Dieselbe erscheint hier als Begleiterin des Todten oder als 
Hüterin des Grabes oder als sinnliche Manifestation des Verstor- 
benen, und zwar vorwiegend um einen Baum gewunden. Dass 
zwischen diesem Vorstellungsganzen und dem Hesperidenmythus 
kein Zusammenhang besteht, hat gegen Raoul-Rochette und 
O. Müller zuerst Friedländer^) überzeugend nachgewiesen. 

Es ist freilich nicht anzunehmen, dass, indem diese Dar- 
stellung der heidnischen Kunst entlehnt wurde, die derselben 
zu Grunde liegepde Idee in ihren Einzelheiten von der christ- 
lichen Gemeinde genau vorgestellt und festgehalten worden 
wäre, besonders da die Schlange in Verbindung mit einer bibli- 
schen Erzählung tritt, die solche Beziehungen ausschliesst, aber 
es scheint andererseits unzweifelhaft, dass die Darstellung eine 
allgemein sepulkrale Bedeutung bewahrt hat, wie auch z. B. 
der Granatapfel und die Figuren des Bacchus-Kreises in der christ- 
lichen Kunst und Symbolik zwar ihren ursprünglichen mytho- 
logischen Inhalt verloren, aber eine allgemeine, mehr oder 



*) Piper, Myth. u. Symb., S. 67 ff.; vgl. auch Bottari, t. I, S. 70 f. 
2) Plinius, Hist. nat. XXIX, 72; Seneca, De ira II, 3i; vgl. Ste- 
phan!, Der ausruhende Herakles. S. 63 f. 

8) Friedländer, De oper. anaglyph., Regiomont. 1867, S« ^9. 
*) A. a. O., S. 42. 



I 54 SARKOPHAG AUS S. PAOLO. 

weniger dunkle Beziehung auf das Sterben immer bewahrt und 
ausgedrückt haben und niemals zu blossen Ornamenten ver- 
flüchtigt worden sind. Auch ist es sonst schlechterdings unmög- 
lich, auf andere als gekünstelte Weise diesem Bilde einen In- 
halt und Zweck zu geben. 

Aringhi (II, 467 ff.) sieht folgende Gedanken und Beziehun- 
gen, die zur Charakteristik seiner Exegese überhaupt vollstän- 
dig hier wiedergegeben sein mögen, in der Darstellung des 
Sündenfalls ausgedrückt: i. Mortem necessario oppetendam esse 
cunctis hominibus. 2. Paterna Dei misericordia in Adamum. 
3. Rerum humanarum contemptus. 4. Honor ac gloria, quam 
mundus veneno mixtam propinat. 5. Adamus Christum dominum, 
Eva ecclesiam in figura designat. 6. Mariae virginis et Evae 
antithesis. 7. Ressurrectionis mysterium imagine Adami desig- 
natum. Diesen aus der patristischen Literatur zusammengelese- 
nen Stoff hat die moderne Interpretation ') auf vier Punkte 
rcducirt: 1. Erinnerung an die Neuschaffung des Menschen in 
Christo. 2. Protest gegen gnostische Irrlehrer, welche Gott die 
Schöpfung absprachen. 3. Gnade Gottes gegenüber menschlicher 
Schuld. 4. Verderbliche F'olge des Ungehorsams gegen das 
göttliche Gesetz 2). 

F"ür I. beruft sich Martigny auf ein von Buonarruoti ^) mit- 
getheiltes, jetzt in der vatikanischen Bibliothek befindliches 
Bronze-Medaillon, auf welchem der Gute Hirte mit der Scene des 
Sündenfalls in Verbindung gebracht sei. Diese Kombination 
kann aber nichts beweisen, da der Gute Hirte als Mittel- und 
Hauptfigur der Darstellung gefasst ist, und eine ganze Reihe 
biblischer Scenen und P'iguren, nämlich Noah, Adam und Eva, 
ruhender Jona, Opfer Isaak*s, Quellwunder, zwei weitere Jona- 
Scenen, Susanna (?), sich im Kreise um denselben ordnet. Es liegt 
demnach kein Recht vor, den Guten Hirten in ausschliessliche Be- 
ziehung zu Adam und Eva zu setzen. Ebensowenig lässt sich 



•) Martigny, Dict. Adam; darnach die d. R. S., S. 286. 

2) Deutsche R. S., S. 286: „Eine dritte (?) Erklärung endlich gibt Am- 
brosius (De parad. XIII), nach welchem der Baum das Gesetz Gottes darstellt; 
sind wir diesem ungehorsam, so werden wir gleich Adam und Eva naickt, 
d. h. der Gnade Gottes baar und unsern wie aller Andern Augen missfftllig." 

3) BuonarruotijOsservaz.sopra alcuni framm.,Firenze 1716, tav. V, n. i. 



SARKOPHAG AUS S. PAOLO. | 5 5 

für 3. eine Bestätigung auf einem geschnittenen Steine bei 
Mamachi*) finden. Diese höchst seltsame Gemme zeigt nämlich 
eine zu dem Menschenpaare sich herniederneigende Figur, in 
welcher Mamachi und Martigny Gott erkennen, der sich den 
Gefallenen wieder in Gnaden zuwende. Aber die Thiergestalten, 
(Seepferdchen, Fisch, Taube) auf derselben Gemme erklären 
deutlich, dass es sich um den Vorgang Gen. 2, 19 f. handelt. 
Ausserdem ist das Monument gar kein christliches, da die Ge- 
stalt Gottes, wie ich mich durch genaue Prüfung des Originals 
habe überzeugen können, in einen P'ischleib endigt, also zu der 
Klasse der sogenannten Abraxas-Gemmen gehört. Bei 2. ferner ist 
vergessen worden, dass Schöpfung und Sündenfall zwei verschie- 
dene Akte sind, und hier nur der letztere in Frage kommt. Was 
schliesslich 4. anbetrifft, so konnte sich wohl ein Kirchenschrift- 
steller zu einer so abstrusen Interpretation verirren, aber die 
altchristliche Symbolik hat sich auf solchen Bahnen nie bewegt. 

Auch die Erklärung, die sich sonst findet, dass das Bild dem 
Beschauer die Erinnerung an des Menschen Schuld habe lebendig 
erhalten sollen, misskennt den Geist dieser Kunst, die erst dann 
paränetisch- didaktischen Zwecken dienstbar wird, als ihre 
letzten Lebensregungen bereits* verkümmert sind. 

Zu der Darstellung des Sündenfalles treten im Laufe der 
Zeit, aber nicht vor dem Anfange des vierten Jahrhunderts, 
einige Scenen hinzu , welche auch der Schrifttext mehr oder 
weniger unmittelbar mit diesem Ereignisse verknüpft: die Zu- 
weisung der künftigen Lebenssphäre, die Ausstossung aus dem 
Paradiese, das Opfer Kain's und Abers. 

Diese Darstellungen, an den Grundstamm ansetzend und 
durch ihn allein rein äusserlich motivirt, beanspruchen keinen 
selbständigen Inhalt; sie sind in gewissem Sinne historische 
Stücke und repräsentiren die ersten entschiedenen Versuche 
der altchristlichen Kunst, den Rahmen der Symbolik zu durch- 
brechen. 

Die erstgenannte dieser Nebenscenen zeigt unser Sarkophag: 
Christus — denn an ihn allein ist hier zu denken 2) — weist 

1) Mamachi, Origines, t. III, S. 22. 

2) Piper a. a. O., S. 353, erklärt mit Anschluss an Abeken (a. a. O.) 
die Figur für eine weibliche, speciell für einen weiblichen Genius; indessen 



I 56 SARKOPHAG AUS S. PAOLO. 

Adam und Eva durch eine allegorische Handlung ihr neues Lebens- 
gebiet zu, den Ackerbau unter dem Bilde eines Aehrenbündels, 
das Hirtenleben unter der Gestalt eines Lammes. Die Gaben 
sind nicht zu scheiden, wie allgemein geschieht und wie Ab- 
bildungen bei Aringhi (I, 6i3; 621; 623) sowie eine Darstel- 
lung auf dem Sarkophage des Junius Bassus anzudeuten scheinen, 
als ob nämlich das Lamm auf die specielle Beschäftigung der 
Eva — Wollespinnen — hinweise, während die Aehren sich 
auf die ackerbauende Thätigkeit des Mannes beziehen, sondern 
der Umstand, dass das Lamm oder die Garbe zuweilen fehlt 
(zwei Beispiele im Lateran-Museum), und dass die griechisch - 
römischen Künstler Ackerbau und Viehzucht in gleicher Weise 
allegorisch darzustellen pflegten^), sowie einige altchristliche 
Reliefs, die Abel und Kain, mit Lamm und Aehren Gott sich 
nahend zeigen 2), setzen klar, dass diese Gaben dem Menschen- 
geschlechte als solchem, ohne irgendwelche Theilung zugewiesen 
gedacht sind, mit Beziehung auf dessen ackerbauende und vieh- 
züchtende Thätigkeit. Damit fällt auch die Unterstellung hin, 
als ob in dem Lamme das zukünftige Opferlamm vorgebildet 
werde, und die weitere Ausführung Garrucci's, der durch das 
Lamm das blutige, durch die Aehren das unblutige Opfer sym- 
bolisirt findet 3). 

Die übrigens nicht seltene Darstellung ist die einzige inner- 
halb des altchristlichen Kunstgebietes, welche Christum als prä- 
. existente Persönlichkeit zeigt; eine schriftliche Quelle, durch 
welche diese Scene motivirt wäre, ist nicht nachgewiesen. 
Wahrscheinlich hat hier die in jener Zeit in der Theologie be- 
liebte Identificirung Jahve's und des Engels Jahve's mit Chri- 
stus eingewirkt, wenn nicht geradezu ein Irrthum des Künst- 
lers anzunehmen ist. 

Die Erklärer gehen von dieser Gruppe direkt zu der ersten 

des unteren Feldes über, angeblich weil die Scenen in dieser Rich- 

ist die Identität mit den Christus -Figuren hier und sonst durch genaue 
Uebereinstimmung gesichert. 

^) Die Belege bei Stephan i im Compte-rendu de la Comm. arch^ol. 
de S. P^tersb. 1869, S. 5o, Anm. i. 

2) Bott., t. 5i, iSy; Miliin a.a.O., pl. LXVII n. i. 

3) De Rossi a. ä. O., S. 71. Deutsche R. S., S. 355 und, wie es 
scheint, auch Piper a. a. O., S. 352. — Garrucci a. a. O., S. 46. 



SARKOPHAG AUS S. PAOLO. 



.57 



tung aneinander schliessen. Ich schlage dieses Verfahren eben- 
falls ein, ohne jedoch dieser Motivirung zuzustimmen, ledig- 
lich aus äusseren Gründen, um die in der oberen und in der 
unteren Reihe zerstreuten Wunderdarstellungen zusammen be- 
handeln zu können. 

Die um Maria und den Jesusknaben sich gruppirende 
Scene ist in der späteren altchristlichen Kunst sehr beliebt. Die 
Dreizahl der Magier ist die vorherrschende; daneben finden 
sich zwei oder vier Magier. Die Kleidung, braccae und phry- 
gische Mütze, hat auf antiken Reliefs zahlreiche Vorbilder^) 
und weist auf die Herkunft der Männer aus fernen barbari- 
schen Ländern , wie auch die neutestamenlliche Erzählung 
will 2). Sie nahen sich dem Jesuskinde mit Gaben; die empor- 
geh9bene Rechte des Ersten in ihrer Reihe ist ein Gestus, der 
die Wahrnehmung begleitet, dass der wunderbare Stern stille 
steht. Die Geschenke lassen sich nicht mit Sicherheit bestimmen. 
Die Krone, welche der Erste darreicht, findet sich auch sonst, 
ebenso die Büchse des Zweiten und die Cista des Dritten. Es 
ist nicht unwahrscheinlich, dass die Krone als eine goldene 
gedacht ist, und in den beiden Gefässen Behälter von Weih- 
rauch und Myrrhen zu erkennen sind, aber da. auf Parallel- 
Darstellungen die Gaben unter Anderem in einem Taubenpaar, 
einem Ringe, einer Puppe und in Münzen bestehen 3), so bleibt 
immerhin zweifelhaft, ob der Verfertiger des Reliefs genau der 
evangelischen Erzählung gefolgt ist. 

Maria, auf einem thronartigen Stuhle mit Scabellum sitzend, 
ist in eine lange faltige Stola gekleidet; unter dem tief herunter- 
fallenden Kopftuche wird nur ein Theil ihres streng gescheitelten 
Haupthaares sichtbar. Die Haltung ist ernst und ceremoniell, 
der Blick fremdartig; um den Mund spielt ein blödes Lächeln. 
Dieser Fassung entspricht auch die Figur des theatralisch auf- 
gestutzten Knaben, der in künstlerischer Unfreiheit der Mutter 
parallel gebildet ist und die kindliche Naivetät und Freude 
über die dargebrachten Geschenke in unnatürlichen Ernst und 



1) Pistolesi, Colonna Traj., tav. i5, 16, 20, 21 u. s. 

2) Justinus M. und Tertullian lassen sie aus Arabien kommen, 
Clemens A. und die Mehrzahl der Kirchenschriftstcller dagegen aus Persien. 

3) Bottari, t. 22, 85, 86, i33; De Rossi, Imag. selectae, tab. V. 



I 58 SARKOPHAG AUS S. PAOLO. 

in gezwungene Würde gewandelt zeigt. Es ist ein Typus, der 
zum Byzantinismus überleitet und sich von der älteren Darstel- 
lungsweise durchaus losgelöst hat. 

Der Stuhl, auf welchem die Mutter mit dem Kinde sitzt, ist 
die römische cathedra in einfachster Form; auch hier also hat 
der Künstler das solium verschmäht, welches sich sonst zu- 
weilen (z. B. auf einem Sarkophage in Tolentino) als Sitz der 
Maria findet. 

Hinter dem Stuhle steht ein bärtiger Mann, dessen Phy- 
siognomie an die drei Personen der ersten Gruppe des oberen 
Feldes erinnert. Sein freundlich lächelndes Gesicht, sowie die 
sekundäre Stellung, die ihm zugewiesen ist*), leiten auf Joseph 
hin. Dagegen erklärt de Rossi mit Anschluss an Marchi und 
gegen Garrucci die Figur für den heiligen Geist, weil Joseph 
auf den römischen Monumenten und fast durchgehends auch 
ausserhalb Roms bis zum fünften Jahrhundert jung und bartlos 
dargestellt werde 2). Dieser Satz ist durchaus richtig, kann aber 
in dem vorliegenden F'alle nichts beweisen, weil der Sarkophag 
einer Zeit angehört, in welcher der neue Typus sich bereits 
gebildet hatte oder auf dem Wege sich zu bilden war, denn 
die ersten Beispiele des ältlichen bärtigen Typus fallen in die 
ersten Decennien des fünften Jahrhunderts ^). Zudem findet sich 
Joseph in dieser Stellung hinter dem Stuhle der Maria auch 
sonst häufig^). Auch begreift man nicht, was der heilige Geist 

^) Wie die kirchliche Literatur, so hat auch die Kunst die Person 
des Joseph ganz zurückgestellt. Seine Unbedeutendheit und untergeordnete 
Schätzung findet sich besonders charakteristisch ausgedrückt auf einem Relief 
bei d'Agincourt, Sculpt. pl. VIII, 3; vgl. aus späterer Zeit ebend. pl. 
XII, 14, 19. 

2) Z. B. Bugati, Memorie di s. Celso, Mil. 1782, tav. 1; vgl. S. 167 f. 
(wozu allerdings zu bemerken ist, dass Joseph wohl bartlos, aber durchaus 
nicht jugendlich erscheint. Auch gehört der Sarkophag dem fünften Jahr- 
hundert an); Ferrari, Monum. della basilica Ambros., S. 100 (wo mir 
indess die Identität Joseph's nicht hinreichend gesichert scheint); Bottari, 
t. 85; Museo Lat. Pil. XIV, i (Epitaph der Severa); ebenso auf gallischen 
Sarkophagen u. s. ö. 

^) Allegranza, Monum. di 'Milano, tav. IV; Mosaiken in S. Maria 
Maggiore in Rom u. s. ö. 

^) Z. vgl. auch ein Mosaik der alten Peterskirche aus dem achten Jahr- 
hundert in der Revue archdol. Sept. 1877, pl. XVII. 



SARKOPHAG AUS S. PAOLO. I 5q 

in dieser Position, bei dieser Gelegenheit und mit dieser haus- 
väterlich lächelnden Miene soll. Die altchristliche Literatur 
bietet nirgends auch nur die schwächste Motivirung einer 
solchen Komposition. Schliesslich sei an das S. 149 über die 
Darstellungsweisc des heiligen Geistes Bemerkte erinnert. 

Die schwach angedeuteten Hintergrundsfiguren der Gruppe 
sind die Hirten, die auch sonst mit dieser Scene verknüpft 
werden. 

Die Huldigung der Magier ist der Klasse der historischen 
Bilder einzureihen. Was Martigny (Dict. Mages, S. 440) und 
Garrucci (a. a. O. S. 47) als symbolischen Inhalt der Darstel- 
lung bestimmt haben (Anerkennung der göttlichen Mutterschaft 
Maria und des Rechtes der Heidenmission — Nahen des sün- 
digen Menschen zum Erlöser) ist der Exegese einer Zeit ent- 
nommen, welche um ein Jahrhundert hinter dem ersten Auf- 
treten dieses Sujets zurückliegt. Die gleichzeitigen Kirchenschrift- 
steller Justin, TertuUian, Clemens u. A. beziehen sich auf die 
biblische Erzählung als ein historisches Faktum ohne symbo- 
lischen Hintergrund. Dass ein schlechthin geschichtliches Bild 
in der altchristlichen Kunst so verhältnissmässig früh Eingang 
gefunden hat, erklärt sich sowohl aus der üppigen Literatur 
der Evangelia infantiae im zweiten und im dritten Jahrhundert, 
als auch aus dem Hervortreten der christologischen Frage in 
der Theologie und in den Gemeinden. 

Die anschliessende Scene stellt die Heilung des Blind- 
gebornen dar. 

Die „Blindenheilungen" sind der altchristlichen Malerei 
nicht unbekannt, aber nur vereinzelt und nicht vor dem dritten 
Jahrhundert von ihr aufgenommen^). Dagegen erscheinen diese 
Scenen als ein bevorzugtes Sujet der Sarkophag - Bildnerei, 
welche dieselben in ziemlich stereotyper Form durch den ganzen 
Verlauf ihrer Entwicklung hindurch bewahrt. Der Blinde ist, 
mit wenigen Ausnahmen, als Knabe gefasst; in kurzer Tunika 2) 
steht er rechts neben Christus, seine Arme hilfesuchend zu ihm 

') Bottari, t. 68; ro3. 

*) Eine nackte kniende Figur auf einem Fresko (Bottari t. 187); 
welcher Christus die Hand auf das Haupt legt, scheint mir ebenfalls, gegen 
Bottari und Garrucci, den Blindgebornen darzustellen. 



l62 SARKOPHAa AUS S. PAOLO. 

So auch hier. Die Zahl der Körbe schwankt in gleicher Weise 
wie die der Krüge, zwischen zwei und sieben^); die Brode sind 
durchgehends mit zwei sich kreuzenden Einschnitten versehen, 
wie man dieselben in römischen Bäckereien herzustellen pflegte. 
Während die Zweizahl der Fische einen genauen Anschluss 
an den Text bezeugt, sind die Künstler in Beziehung auf die 
Zahl der Brode von der evangelischen Erzählung, wo von fünf, 
beziehungsweise sieben Broden die Rede ist, durchaus abge- 
wichen. Denn die am Boden stehenden Körbe umschliessen, 
wie durch die Fresken ausser Zweifel gesetzt wird, nicht die 
nach der Mahlzeit gesammelten Reste, sondern die vor dem 
Wunder zur Verfügung stehenden Brode. Nicht selten erscheinen 
die Körbe an Höhe und Umfang bedeutend vergrössert. 

Die beiden Jünger, welche diese Speisetheile darreichen, 
lassen sich im Allgemeinen nicht mit einem bestimmten Namen 
bezeichnen, indess erinnert in diesem Falle die zur Linken 
Jesu stehende Figur unverkennbar an den späteren Typus des 
Petrus. Neben den beiden Jüngern treten ausserdem zuweilen 
zwei oder drei Begleitpersonen auf; auf unserem Relief sind 
dieselben nur ganz unbestimmt angedeutet, aber jedenfalls waren 
sie in dem Entwürfe des Künstlers gegeben. 

Die Auferweckung des Lazarus ist nur als Fragment 
erhalten. Mit dem Stabe, der hier nur in sehr seltenen Fällen 
fehlt, berührte Christus ursprünglich den als Mumie in der 
Thür des Grabhauses erscheinenden Lazarus, während Martha 
vor ihm niedersinkt und seinen Fuss küsst. 

Diese Form der adoratio (itpooxovYjot^), anfangs nur von 
einzelnen römischen Cäsaren gefordert, wurde unter Diokletian 
zuerst gesetzlich sanktionirt und ebenso den christlichen Kaisern 
erwiesen. Auch die sonst üblichen Formen der adoratio und 
der salutatio, das Küssen der Hand oder des Gewandes, 
finden sich in diesen Scenen^). 

Wie bereits erwähnt wurde, zeigen die Fresken Christum 
allein das Wunder verrichtend, die Skulptur dagegen füllt die 



^) Auf Goldglasern konstant sieben. 

2) Bottari, t. 36, 42, 49, 85; vgl. dagegen Miliin, pl. LXVl, i; 
R. S. III, tav. 40. 



SARKOPHAG AUS S. PAOLO. l63 

Scene durch weitere Figuren aus. Die letzte Grenze in dieser 
Richtung bezeichnet ein Sarkophag- Relief im Lateran-Museum 
(Bott. , t. 42), wo neben Christus und Lazarus noch zwei 
Frauen und zwei Jünger auftreten. 

Das Centrum des unteren Feldes und des gesammten hier 
dargestellten Bildercyklus überhaupt bildet unstreitig die Dar- 
stellung DanieTs unter den Löwen. Die fast unwandelbare 
Form der Komposition: eine aufrechtstehende Figur, welche 
betend und hilfesuchend die Arme erhebt und links und rechts 
von einem Löwen begleitet wird — erschwerte es, diese Gruppe 
unter andere zu mischen, obgleich dies einigemal, jedoch immer 
zum Schaden der Gesammtwirkung , geschehen ist. Das Sujet 
war bei den altchristlichen Künstlern ausserordentlich beliebt^), 
hauptsächlich wohl deshalb, weil dasselbe ihnen Gelegenheit 
gab, das Nackte darzustellen. Denn es ist charakteristisch für die 
altchristliche Kunst und ein beachtenswerthes Symptom ihres 
Zusammenhanges mit der Antike, dass die Figuren, welche man 
einmal in idealer Nacktheit zu bilden pflegte, wie Daniel und 
Jona, am häufigsten reproducirt wurden. Die spätere Zeit hat 
an dieser Freiheit Anstoss genommen 2), und so verschwinden 
die Jona-Scenen ganz. Daniel aber wird anfangs mit einem 
schmalen Perizoma, dann vollständig bekleidet, ja sogar mit 
Mantel und Mütze versehen^). 



*) Noch in dem vatikanischen Codex des Gosmas Indicopleustes aus 
dem sechsten Jahrhundert erscheint der ursprüngliche Typus bewahrt; auch 
merovingische Agraffen zeigen nicht selten die Darstellung (Le Blant, 
Inscript. chr^t. de la Gaule I, 498, 494, pl. n. 25 1 f.), und die moderne 
griechische Kirche verwendet das Sujet gegenwärtig noch (Di dron, Manuel 
d'iconographie chrdt,. S. 120). 

2) Wie auch die Kurie in neuester Zeit, indem sieden Daniel auf dem 
Sarkophage des Junius Bassus in der Krypta von S. Pietro mit einem dicken 
Gipsmantel bekleidete. 

3) Garrucci, i. 64, vgl. Bosio, S. 52 1, 527. Mit vollständiger Gewandung 
zweimal in den neapolitanischen Katakomben, auf einem Relief in Djemila 
(AI. Delamare, Explor. de TAlg^rie. Arch^ol. Paris i85o, pl. io5, 2), auf 
einem Sarkophage bei Garrucci, tav. 3oi, und mehrmals in Ravenna; ebenso 
im Codex des Cosmas Indicopleustes und in der Unterkirche von S. Clemente 
in Rom. Die Gewandung ist die phrygische. Eine seltsame Motivirung dieses 
Wechsels bei Minasi (Revue de Tart chrdt. 1875, S. i53): „quand le pro- 
phete est nu, c*est d'ordinaire pour signifier la lutle: vÄtu, il est vainqueur!" 

11* 



164 SARKOPHAG AUS S. PAOLO. 

Die Darstellung ist ziemlich schriftgemäss gehalten. Die 
knabenhafte Figur mit dem gefüllten Brodkorbe ist Habakuk, 
welchen nach der Erzählung ByjX x« Apaxwv der Engel des Herrn 
an den Haaren herbeitrug, den Daniel zu speisen ^). Die eigen- 
thümliche Ansicht de Rossi's, dass der Jüngling, dessen Hand 
noch auf dem Haupte des Propheten ruht, der göttliche Logos 
sei, hat ihren Grund in der Unterstellung, als kenne die alt- 
christliche Kunst keine bärtigen Engel. Die Unrichtigkeit 
dieser Behauptung erhellt in diesem Falle zudem aus einer 
von Le ßlant publicirten Lampe, deren Diskus rechts neben 
Daniel Habakuk, ein ßrod in der Hand haltend, zeigt, und 
links eine beflügelte Gestalt, d. h. einen Engel. Auch ist die 
Beziehung auf Habakuk inschriftlich verbürgt 2). Kontrovers ist 
ebenfalls die zur Rechten Daniel's stehende Figur. De Rossi 
erkennt in derselben den heiligen Geist, Martigny (Dict. Daniel) 
Gott. Aber in einer so sehr an den biblischen Text anschlies- 
senden Darstellung muss vor Allem versucht werden, ob sich 
für diese Figur in der Erzählung selbst eine Stelle finden lässt. 
Hier weist nun v. 40 ff. der genannten apokryphischen Schrift 
deutlich auf den König hin, der zu Daniel in der Grube heran- 
tritt, und, wie aus dem Gestus zu schliessen, in dem Mo- 
mente gefasst ist, wo er die Worte spricht: [xeYa? et, xopie x. t. X. 
Wenn nach der Erzählung der König erst dann erscheint, 
nachdem der Engel Habakuk wieder entfernt hat, so hat, 
scheint mir, der Künstler diese chronologische Folge dadurch 
angedeutet, dass er die Figur des Königs in den Hintergrund 
schob; andererseits ist ein Aufeinanderrücken zeitlich geschie- 
dener Scenen in der altchristlichen Kunst nichts Ungewöhn- 
liches. 

Eigenthümlich ist der Darstellung die Anwendung einer 
Basis für die drei Hauptfiguren. Dieselbe ist zu hoch angesetzt, 
und dadurch die Figur DanieFs verkürzt worden, was sehr 
störend wirkt. 

Moderne Ausleger finden in dem Bilde neben der Beziehung 
auf die Auferstehung den Zweck der Tröstung und Stärkung 

^) V. 36: „Kai liceXaßeto 6 Srf(tko^ xopiou r?]? xopo'fYj^ aötoö xäI ßaoraoa? 
-nj? xd{j,Y]^ vfi^ %zfpaV^q aötoö eö^xev auxöv i\q BaßuXwva Inaviu toö Xdxxöo." 
2) Revue de l*art chr^t. 1875, t. II, S. 79, pl. n. 2, vgl. S. 91. 



SARKOPHAG AUS 8. PAOLO. l65 

in Verfolgungsnoth gesetzt*). Diese Meinung erweist sich schon 
dadurch als unrichtig, dass das Bild einerseits alter ist als die 
Verfolgungen, andererseits dieselben weit überdauert und gerade 
in konstantinischer und nachkonstantinischer Zeit beliebt wird. 
Noch willkürlicher ist es, in dem von Habakuk dargereichten 
Brode eine Beziehung auf die Eucharistie zu finden, wie seit 
Bosio allgemein geschieht. Und zwar wird diese angebliche Be- 
ziehung in einer Weise individualisirt, wie sie einer ernsten For- 
schung wenig ansteht. So heisst es, mit Anschluss an de Rossi, 
in der deutschen R. S.: „Die gnadenvolle göttliche Heimsuchung 
des Propheten in der Grube deutete auf den Trost hin, welchen 
der seiner Hinrichtung harrende Märtyrer empfing, wenn der 
Priester ihn im Kerker mit der heiligen Eucharistie für den be- 
vorstehenden Kampf stärkte" (S. 357). Hier ist übersehen worden, 
dass der ganze Nebenapparat des Daniel-Bildes erst nachkon- 
stantinisch ist, wo die Verfolgungen aufgehört hatten. Noch 
grössere Phantasie entwickelt Martigny in seiner im Grunde auf 
Aringhi (II, 504) zurückgehenden Behauptung: „les aliments 
apport^s par Habacuc ä Daniel sont la figure du soulagement 
que les priores des vivants apportent aux ämes du purgatoire". 
(Dict. Daniel). Als wenn im vierten Jahrhundert der Glaube an 
das Fegefeuer bereits fertig und allgemein angenommen gewesen 
wäre ! Der gesammte Apparat, der um die Figuren Danielas und 
der beiden Löwen gestellt wird, ist vielmehr nichts Anderes als 
die Frucht des Strebens der Skulptur, die von der Malerei 
überkommenen Sujets im Einzelnen zu erweitern und auszu- 
bauen. Einen selbständigen symbolischen Inhalt haben diese 
Accessoria nicht. 

Die Verleugnung Petri, welche die folgende Gruppe 
zeigt, gehört zu den in ihrem Grundgedanken räthselhaftesten 
Bildern der altchristlichen Kunst. Denn die Darstellung führt 
ein Ereigniss vor, welches die biblische Erzählung in gleicher 
W^eise wie die altchristliche Welt immer als ein schmachvolles, 
als einen „Fall" beurtheilt hat, und steht in direktem Gegen- 
satz zu dem hohen Ansehen, welches in den Gemeinden 
die Apostel im Allgemeinen und Paulus und Petrus im Beson- 



*) Besonders Kellner in d. Tüb. Theol. Quartalschrift 1876 S. 247 f. 



I 66 SARKOPHAG AUS S. PAOLO. 

deren genossen. Ja, als das Bild im vierten Jahrhundert zuerst 
auftritt, hat die Petrus-Legende fast ihren Höhepunkt erreicht, 
\ind dasselbe erscheint somit als ein schneidender Widerspruch 
gegen diese. Das hat die Zeit, welche die Goldgläser producirte, 
wohl herausgefühlt und. die Scene abgewiesen, wie auch auf 
einem Sarkophage des fünften Jahrhunderts^) das Unbehagliche 
derselben durch die unmittelbar sich anschliessende Darstel- 
lung der Verleihung der Schlüssel des Himmelreiches an Petrus 
aufgehoben oder wenigstens gemildert erscheint 2). 

Der Meinung Bottari's (I, 8i), dass die Geschichte der 
Verleugnung Petri, weil sie in allen vier Evangelien berichtet 
werde, sehr bekannt gewesen und auf diese Weise in den christ- 
lichen Bildercyklus gekommen sei, steht entgegen, dass eine 
ganze Reihe von Thatsachen der evangelischen Geschichte, trotz- 
dem sich dieselben bei allen vier Berichterstattern verzeichnet 
finden, von der altchristlichen Kunst ignorirt worden ist. Mehr 
empfehlen dürfte sich dagegen die Annahme, dass der Abschnitt 
Matth, 26, 69 ff. und seine Parallelen zu der Zahl der kirch- 
lichen Lektionen gehört haben und aus diesem Grunde der 
Gemeinde sehr vertraut gewesen seien, welch letzterer Um- 
stand ohne Zweifel immer eine Vorbedingung der einzelnen 
biblischen Darstellungen bildete. 

Der Hahn zu den Füssen Beider deutet an, dass nicht die 
Ankündigung der Verleugnung gemeint ist, wie angenommen 
wird, sondern die Verleugnung selbst, genauer der Moment 
Luk. 22, 6 1 : xa\ oxpacpel^ 6 xopto^ lveßXei{;e tw Uixptp x. t. X. Daher Steht der 
Hahn zuweilen auf einer Säule zwischen Christus und Petrus, 
und der Palast des Hohenpriesters 3) bildet den Hintergrund 
der Scene. Damit erledigt sich zugleich die Behauptung, dass 
dem Petrus mit der Verleugnung zugleich die künftige Be- 
währung des Glaubens angekündigt werde*). 

1) Bottari, t. 21; vgl. Miliin, pl. LXVII, 2. 

2) Ein gleiches Gefühl veranlasste im Jahre 1763 den Veneiianer Giro- 
lamo Costantini zur Abfassung einer Schrift zum Erweise, dass der von 
Paulus in Antiochien zurechtgewiesene Kephas nicht der ApostelfDrst ge- 
wesen sei. 

5) Bottari, t. 84, 23; Odorici, Monum. di Brescia, t. V, 2; Bull, 
crist. i865, S. 76. 

*) Bull, crist. i863, S. 80. 



SARKOPHAG AUS S. PAOLO. 167 

Die Reihe der Darstellungen schliesst mit zwei Scenen aus 
dem Leben des Mose, von denen die letztere, das Quell- 
wunder in der Wüste (Fragment) die ältere und principale 
ist, an welche sich die andere erst später angesetzt hat. Darum 
sei jene zuerst behandelt. 

Der Führer Israels ist als kräftiger bärtiger Mann mit 
scharf ausgeprägten^ Zügen gebildet; mit der bis zur Handwurzel 
im Pallium verborgenen Rechten berührt er vermittelst eines 
Stabes den Felsen, aus welchem zu gleicher Zeit ein reicher 
Wasserquell hervorspringt. Zu diesem neigten sich, wie die er- 
haltenen Fragmente andeuten, zwei Personen, um das hervor- 
strÖmende Wasser begierig zu schöpfen. Bemerkenswerth ist 
das Kostüm der jüdischen Männer, das in der altchristlichen 
Kunst nur von der Skulptur und hier wiederum ausschliess- 
lich in drei Scenen aus dem Leben des Mose in Anwendung 
kommt *). Dasselbe entspricht den thatsächlichen Verhältnissen 
nicht. Barette und Beinkleider (anders die D^DD der Priester 
Ex. 28, 42; Lev. 6, 3; i6, 4) waren in Palästina unbekannt 
und finden sich auf dem Triumphbogen Konstantin's 2) als 
Tracht barbarischer Hilfsvölker. An eine Motivirung der Klei- 
dung durch Ex. 12, 11 (Martigny) ist nicht zu denken. 

Den S. 17 entwickelten symbolischen Inhalt der Darstellung 
hat die moderne Interpretation entweder ganz verneint oder 
doch in den Hintergrund geschoben und der Darstellung einen 
Zweck zugewiesen, welcher dieser in Wirklichkeit gänzlich 
fernliegt. 

Zuerst hat die Thatsache, das statt des bärtigen Mannes 
zuweilen ein bartloser Jüngling mit dem Stabe den Felsen be- 
rührt, die Behauptung veranlasst, dass in diesen Darstellungen 
Mose durch Christus substituirt sei^), und der Scene somit eine 
mystische, sakramentale Bedeutung zukomme 4). 

1) Bosio, S. 81, 91, 99, i55, 285, 287, 427; Miliin, pl. LVIII, 2; 
LXVI, 8 u. s. ö. 

2) Bellori, Veleres arcus August, Romae 1690, t. 46. 

3) De Rossi, R. S. III, S. 332; vgl. Bellermann, Die altchristlichen 
Begräbnissstätten, S. 34. 

*) Bull, crist. i863, S. 80: „simbolo della dottrina evangelica e della 
grazia battesimale." Dagegen Bull. i865, S. 71: „Pacqua e la fede e segna- 
tamente la grazia battesimale." 



r68 SARKOPHAG AUS S. PAOLO. 

Mit demselben Rechte könnte den circa vierundzwanzig 
unbärtigen Petrusköpfen der Goldgläser die Identität mit diesem 
Apostel, die durch Inschriften verbürgt ist, abgesprochen werden. 
Von Typen, die bestimmten Personen unwandelbar zukommen, 
weist die ganze Entwicklung der altchristlichen Kunst kein ein- 
ziges Beispiel auf, und wo immer der Einfluss einer bestimmten 
Tradition sich durchfühlen lässt, ist diese doch so schwach und 
trägt so allgemeine Züge, dass sie mit Leichtigkeit von den 
Künstlern durchbrochen wird. So finden sich durch die Gold- 
gläser allein vier verschiedene Paulus- und Petrus-Typen ver- 
treten: der unbärtige, der jugendlich-bärtige, der gealtert- bärtige 
und der greisenhaft - bärtige (kahlköpfige) Typus ^). 

Wenn also noch am Ausgange der altchristlichen Kunstent- 
wicklung — denn dieser Zeit gehören die Goldgläser an — wo 
stereotypisirende Tendenzen allgemein sich geltend machen, ein 
einzelner Typus solche Unentschiedenheit und Flüssigkeit zeigt, 
so ist dies in noch höherem Grade in einer weiter zurück- 
liegenden Periode begreiflich. 

Was speciell den vorliegenden Fall, die Substituirung des 
Mose durch Christum, anbetrifft, so zeigt, abgesehen von jener 
Thatsache, ein Fresko bei Bottari (tav. 164) mit Evidenz die 
Unrichtigkeit der üblichen Exegese. Denn auf demselben sind 
das Quellwunder und die Auferweckung des Lazarus dicht an- 
einander gerückt, und in beiden Scenen erscheinen die Vollzieher 
des Wunders jung und bartlos; aber sie sind dadurch unter- 
schieden, dass Christus mehr knabenhaft, mit tief herabfallen- 
dem Haar gebildet ist, während Mose die Züge eines jungen 
Mannes von circa fünfundzwanzig Jahren hat und das Haar 
kurz trägt. Ebenso findet sich in Darstellungen der Uebergabe 
des Gesetzes an Mose 2) durch Gott Jener unbärtig und mit 
jugendlichen Zügen. Demnach kann die Existenz dieses Typus 
nicht zweifelhaft sein. 



^) Garrucci, Vetri ant.: 
aj IX, 6; X, 5; XI, i, 2; XIV, 3, 4, 8 u. ö. 
bj X, 2; XIV, 6; XV, i; XX, 7. 
cj I, 3; X, I, 6, 8; XI, 3, 4; XII, i u. ö. 
d) X, 4, 9; XI, 7, 8; XII, 2, 3, 4, 5 u. ö. 

2) Bottari, t. 27, 29, und sehr häufig auf Fresken. 



SARKOPHAG AUS 8. PAOLO. 169 

Dagegen ist die Substituirung des Mose durch Petrus dreimal 
inschriftlich verbürgt: auf zwei Goldgläsern der vatikanischen 
Sammlung und auf einer in Podgoritza gefundenen, jetzt in 
einer Pariser Privatsammlung befindlichen Glaspatene. Die 
letztere^), eine rohe Arbeit und mindestens dem fünften Jahr- 
hundert angehörend, kann indessen nicht strikte als Bev^eis 
verwendet werden; denn da dieselbe über der Darstellung 
Adam's und Eva's die Worte hat: ABRAM ET FIFV || AM 
(Evam) , kann auch die Inschrift: Petrus virga perquodset 
fontis ciperunt quorrere (Petrus virga percussit, fontes 
coeperunt currere) recht wohl auf einem Lapsus calami oder 
auf Unwissenheit des Künstlers beruhen, besonders da die 
Worte an Num. 20, 1 1 anklingen. 

Die beiden Goldgläser ferner zeigen,, was in den Kopien 
nicht so sehr hervortritt, eine ausserordentliche Unvollkommen- 
heit der Zeichnung. Die Linien sind hart und breit gezogen, 
die Haltung der Figuren ist steif, hieratisch streng; besonders 
gilt dies von dem zuerst durch Boldetti publicirten Exemplare, 
auf welchem ausserdem der linke Fuss und die Finger arg ver- 
zeichnet sind. 

Ueberhaupt repräsentiren die kahlköpfigen Petrus-Typen, 
welche auch diese beiden Darstellungen aufweisen, die letzte 
Stufe der Periode, welche die Goldgläser schuf, d. h. die Mitte 
des fünften Jahrhunderts. Wie de Rossi die in F'rage stehenden 
Exemplare zu den besseren Erzeugnissen der Goldgläserkunst 
rechnen und ihre Entstehung dem Anfange des vierten oder 
dem Ende des dritten Jahrhunderts zuweisen kann, ist schwer 
verständlich: schon die idealisirten Garrucci'schen Copien zeigen 
klar die Unbegründetheit dieses Urtheils, noch mehr freilich 
die Originale. Ich berufe mich daher einfach auf die einen wie 
auf die andern. 

Aber selbst wenn die Exemplare der von de Rossi ange- 
gebenen Periode angehörten, so dürfte man sich nicht über die 
principale Stellung wundern, welche durch diese Darstellungen 
dem Petrus als zweitem Mose zuerkannt wird; eine solcher- 
gestalt gesteigerte Würdigung der Persönlichkeit und Stellung 



1) Bull, crist. 1877, lav. V, Deutsche R. S., S. 339 • ""^ Tafel VI, 2. 



ryO SARKOPHAG AUS S. PAOLO. 

des Apostelfürsten findet sich bei den gleichzeitigen Schrift- 
stellern fast allgemein, und diese Darstellungen sind also nichts 
als eine Illustration dieser in bestimmten theologischen und Volks- 
kreisen herrschenden Anschauung. Dass dieselbe aber noch 
weit entfernt war, Eigenthum der Gemeinde als solcher zu 
sein, beweist eben der Umstand, dass diese singularen Kunst- 
produkte als Ausnahmen auftraten und Ausnahmen geblieben 
sind, denn, soweit unser Besitz und unsere Kenntniss reicht, 
stehen diesen beiden Beispielen circa sechzig andere gegenüber, 
die eine Beziehung auf Mose nicht haben, und es müsste doch 
ein ganz besonderer Zufall sein, wenn die Zeit uns gerade 
dieses Genre von Petjus-Mosebildern vernichtet hätte. Somit 
dürfte die hohe dogmatische Werthschatzung dieser Bilder, die 
bei Marchi einen fast komischen Ausdruck gefunden hat^j, auf- 
zugeben sein. 

Dass aber von den genannten Darstellungen aus ein Schluss 
auf die Gesammtheit der Mose-Darstellungen gemacht und in 
dem das Quellwunder vollziehenden Mose ausnahmslos oder fast 
ausnahmslos Petrus erkannt wird, ist ein unberechtigtes un- 
wissenschaftliches Verfahren, welches durch nichts gestützt wird. 
Wenn sich de Rossi auf ein Fresko in S. Callisto beruft (Bull, 
crist. i568, S. 5; Abb. R. S. II, tav. d'aggiunta B.), welches 
links einen unbärtigen Jüngling (Mose) zeigt, der sich die 
Schuhe löst, rechts einen bärtigen Mann, der aus einem Felsen 
einen Wasserquell hervorruft (angeblich Petrus), so ist bereits 
früher darauf hingewiesen worden, dass die altchristliche Malerei 
nicht selten Beispiele eines ganz unvermittelten Ueberganges von 
einem Typus zu einem andern auf demselben Bilde zeigt. So 
erscheint auf einem Fresko bei Bottari (t. 164) bei dem Wunder 
der Brodvermehrung Christus bärtig, bei der Auferweckung 
des Lazarus Jugendlich und bartlos. Und doch sind beide 
Scenen dicht aneinander gerückt 2). Ein solcher Wechsel hat 
in der Natur der Freskomalerei oder auch- in der Nachlässigkeit 



1) Marchi in der Civiltä catt. a. a. O., S. 574: „11 primato di S. 
Pietro, a cui molte millioni d*uomini vivono ribelli, h qui espresso in un 
modo si chiaro, che conviene avere la superbia che tenga il luogo della 
fede per non persuadersene.** 

2) Vgl. auch Garrucci, Storia t. 33. 



SARKOPHAG AUS S. PAOLO. 



171 



des Künstlers seinen Grund und ist nicht die Frucht dogma- 
tischer Reflexion. Auch gehören sämmtliche Fresken, auf welchen 
diese Eigenthümlichkeit begegnet, einer späten Zeit an; insbe- 
sondere das Doppelbild in S. Callisto ist äusserst roh ausgeführt 
und offenbar ein Produkt des vierten Jahrhunderts. Ausserdem 
hat ein solcher Kopf mit tief herabfallendem Haar und lang- 
gezogenem Bart unter den Petrus-Typen keinen Raum. 

Es ist zu bedauern, dass man auf diese Weise durch Schein- 
gründe und dogmatische Vorurtheile sich verleiten Hess, die 
Zwittergestalt Mose- Petrus zu schaffen^) und in die Alterthums- 
Wissenschaft einzuführen. Dadurch wird die seit Marchi über die 
Darstellungen des Quellwunders gelegte nebelhafte Unbestimmt- 
heit nur verstärkt, und das Bild seinem Inhalte und seiner Be- 
deutung nach der subjektiven Willkür des Erklärers anheim- 
gegeben. 

Wenn es unlogisch ist, von einer verschwindenden Minorität 
aus ohneweiters einen Schluss auf ein grosses Ganze zu machen, 
so steht diesem Verfahren ausserdem das chronologische Verhält- 
niss entgegen, in welchem diese Bilder zu den Darstellungen 
der Verleugnung Petri sich befinden. Denn die Entwicklung 
kann naturgemäss nur in der Weise vor sich gegangen sein, 
dass auf die dem'üthigende Scene die glorificirende folgte, ent- 
sprechend der Weiterbildung und Steigerung der Vorstellung 
von -der Würde des Petrus in der römischen Kirche. Die ^Ver- 
leugnung" tritt aber erst in der Sarkophag-Skulptur und auf 
Fresken 2) entgegen, die derselben Zeit, dem vierten Jahrhundert, 
angehören. Hätte aber die Gemeinde schon längst vor dem 
vierten Jahrhunderte unter dem das Quellwunder vol ziehenden 
Manne Petrus verstanden, so hätte sie damit nicht nur die 
kirchliche Literatur anticipirt, die im dritten Jahrhunderte den 
Vergleich Petri mit Mose noch nicht kennt 3), sondern es bliebe 
in diesem Falle auch ein Räthsel, wie der Rückschritt zu den 
Darstellungen des „Falles" sich vollziehen konnte. Ebenso 



1) R. S. III, S. 448; „Mose-Pietro." 

2} Z. B. Bull, crist. i865, S, 76, woselbst Christus mit Doppelnjmbus. 

^yDer Erste, der diese Parallele zieht, ist Maximus von Turin in der 
zweiten Hälfte des fünften Jahrhunderts. (S. Maximi Taurin. opera, Romae 
1784, S. 219.) 



172 S ABKOPH AG AUS S. PAOLO. 

unmöglich ist der Gedanke, dass die christliche Kunst die Reihe 
der Petrusbilder mit der Identificirung dieses Apostels mit Mose 
begonnen habe: die vorkonstantinische Kunst kennt vielmehr 
Bilder des Petrus nur in Gemeinschaft mit denen der übrigen 
Apostel ^), und zwar gehören diese sämmtlich dem Ende des 
dritten und dem Anfange des vierten Jahrhunderts an. Bilder 
Pauli und Petri allein erscheinen, mit Ausnahme vielleicht des 
bekannten Bronze -Medaillons der vatikanischen Bibliothek 2), erst 
nach den ersten Decennien des vierten Jahrhunderts 3). 

Der Darstellung des Quellwunders fügt, was die Malerei 
unterlassen hatte, die Sarkophag -Bildnerei die Scene an, welche 
nach der alttestamentlichen Erzählung (Exod. 17, 2) jenes 
Ereigniss motivirte, die Misshandlung des Mose durch das 
unzufriedene Volk. Die beiden Scenen sind in ihrer unmittel- 
baren Verknüpfung fast stereotyp geworden; nur selten erscheint 
die eine ohne die andere, und die Nachahmung wird so ge- 
dankenlos und mechanisch, dass die beiden Gruppen sehr häufig 
die Reihenfolge wechseln^). 

Die Darstellung beansprucht keinen selbständigen Inhalt; 
sie ist eine rein äusserliche Erweiterung der Hauptgruppe. 

Die Mehrzahl der Erklärer sieht mit Anschluss an ältere 
Interpreten in dieser Scene die Gefangennahme des Petrus darge- 
stellt. Aber Martigny (Dict. Juifs) hat überzeugend nachgewiesen, 
dass die Beziehung auf Petrus unrichtig ist, und die Scene 
vielmehr dem Leben des Mose angehört. Seinen Ausführungen 
füge ich noch hinzu, dass ,, Quellwunder** und „Misshandlung'* 
in eine Gruppe zusammengezogen sich finden '^), wodurch die 
Frage ihre definitive Erledigung findet. 

^) Vgl. Garrucci, Storia 18, i 71, 3; 80, i. 

2) Obgleich gut gearbeitet, hat dasselbe, ganz abgesehen davon, dass 
seine Oberfläche abgerieben und verwischt ist, beiweitem nicht die feine, 
elegante Formung wie die Copien (z. B. deutsche R. S., Taf. VI, i) angeben, 
so dass immerhin fraglich bleibt, ob das Medaillon nicht als ein Werk des 
vierten Jahrhunderts anzusehen sei. 

3) Garrucci, 67, i (beideApostel mitNimbus); Perret, Catac.,t.I, pl.VIII. 
*) Bottari, t. 36, 40, 89. 

^) Bottari, t. 32, 49. Von links wird Mose durch das Volk bedrängt, 
während er mit dar Rechten das Wunder vollzieht oder auf dasselbe als 
eben vollzogenes hinweist. 



SARKOPHAG AUS S. PAOLO. 



173 



Der Stab in der Hand des Mose erklärt sich hinreichend 
aus Gen. 17, 5 ^). 

Es ist von Anfang an das Streben der Exegeten gewesen, 
diese elf Gruppen des Sarkophags wie ein aufgeschlagenes Buch 
zu lesen und aus ihnen die Hauptdogmen dQs christlichen, 
beziehungsweise römisch-katholischen Glaubens zu deduciren. 
So nennt de Rossi die Bilderreihe eine ,, sublime epopea del 
domma cristiano" und entwickelt aus den einzelnen Scenen und 
Figuren u. A. das Dogma von der Transsubstantiation, der 
Einheit der katholischen Kirche, dem Primate des Petrus. Am 
eingehendsten aber hat Garrucci die einzelnen Bildergruppen 
zu einem Ideen- Nexus zu verknüpfen sich bemüht 2). 

Einen wissenschaftlichen Werth haben diese mit grossem 
Aufwände von Phantasie angestellten Experimente nicht; sie 
werden^durch' den Ursprung und den Inhalt der einzelnen Dar- 
stellungen, wie er sich uns ergeben hat, in gleicher Weise aus- 
geschlossen, wie durch die Art und Weise, in welcher sich eben- 
dieselben und andere Gruppen auf altchristlichen Monumenten 
zusammengestellt finden. Der Komplex von Sarkophag -Reliefs^ 



^) Die Ausführungen der deutschen R. S., S. 356: „als ein bemer- 
kenswerther Umstand erscheint, dass sie (die Trabanten des Herodes) zwar 
Gewalt haben, den Apostel zu führen, wohin er nicht will, dass dieser aber 
seinen Stab nicht verliert, denn „das Wort Gottes ist nicht gebunden*'. Es 
schwebte bei dieser Darstellung dem altchristlichen Künstler wohl der 
Gedanke vor, dass die kaiserlichen Söldner, welche an Petri Nachfolgern 
so oft diese Scene erneuerten, ihnen niemals jenen Herrscherstab, mit dem 
die Stellvertreter Christi die Kirche regierten, zu entreissen vermochten" — 
werden, abgesehen von der unrichtigen Beziehung der Darstellung auf Petrus, 
dadurch hinfällig, dass die Mehrzahl dieser Bilder die Hauptfigur ohne 
Stab zeigt (Bottari, t. 36, 40, 84, i34, i35, S. 201 u. s. ö.). 

2) Garrucci, Storia, S. 46 f. „Der erste Theil stellt die Schöpfung 
des Menschen dar und seine Erhebung zu dem supranaturalen Zustande (?). 
Es folgt dann eine Gruppe, in welcher die beiden Stammeltern als bereits 
aus dem Zustande der Gnade und der justitia originalis gefallen vorgeführt 
werden; aber mit ihnen ist der verheissene Erlöser dargestellt, der in seiner 
Hand ein Lamm und ein Aehrenbündel trägt, beide Symbole seines P'leisches 
(simboti della sua carne) und des zweifachen Opfers: das blutige wird durch 
das Lamm, das unblutige durch die Aehren symbolisirt. In der unteren 
Reihe ist der zweite Theil dieser Rede (discorso) dargestellt. Die Voraus- 



174 SARKOPHAG AUS S. PAOLO. 

Über den wir verfügen, lehrt übereinstimmend, dass die Künstler 
sich fast ausnahmslos darauf beschränkten, aus den vorhan- 
denen ßesitzstücken eine bestimmte Zahl auszuwählen und diese 
gegebenen Sujets, ohne Rücksicht auf eine bestimmte einheit- 
liche Idee oder einen fortlaufenden Gedanken, einfach mechanisch 
aneinander zu ordnen. Sogar künstlerische Motive scheinen nur 
selten massgebend geworden zu sein; der Vergleich der ein- 
zelnen Gruppen mit einander erregt vielmehr die Vermuthung, 
dass allein das Streben nach Variation diese oder jene Bilder- 
folge geschaffen habe, deren Gedankenreihe die Ausleger be- 
harrlich und in besten Ueberzeugung zu erkennen sich ab- 
mühen. Denn eine Kunst- Epoche, die nur ganz Vereinzeltes 
neu zu schaffen weiss und dieses wiederum meistentheils nur 
mit ängstlichem Anschluss an ein bereits Gegebenes, Vorlie- 
gendes, kann nur eine Freiheit haben, die Freiheit, sich der 
einmal vorhandenen Besitzstücke nach Belieben und Auswahl 
zu bedienen. Die Sarkophag- Bildnerei wurde handwerksmässig 
betrieben, und die Mehrzahl der Künstler, unfähig, den über- 
kommenen Besitzstand zu erweitern, aber andererseits durch 
Rücksicht auf ihre Kundschaft gezwungen, neue Waare auf 

Verkündigung des Sohnes Gottes, des zukünftigen Erlösers, hat sich bereits 
erfüllt; die Jungfrau und ihr göttlicher Sohn haben der Schlange den Kopf 
zertreten. Der verlorene Mensch , dargestellt durch die drei Magier, wendet 
sich von seinen bösen Wegen ab und huldigt dem Erlöser. Der Glaube, 
der die Völker erleuchtet, ist durch den Blindgebornen dargestellt, der das 
Licht seiner Augen aus den Händen des erlösenden Messias erhält. Der 
Erlöser offenbart sich der Welt durch jene Zeichen, welche bereits von den 
Propheten geweissagt waren, nämlich durch seine Wunder — und das ist der 
zweite Theil dieser bewunderungswürdigen Composition. Unter den Wundern 
scheinen diejenigen gewählt worden zu sein, die den Anfang, die Mitte und 
das Ende der Predigt Christi anzeigen. Das erste ist das Wunder zu Kana, 
das letzte dasjenige in Bethanien, das mittlere das in der Wüste vollbrachte. 
Bei dieser Auswahl scheint der Künstler auch von dem schönen Gedanken 
geleitet gewesen zu sein, an die Auferstehung und an die Eucharistie, sei 
es als Opfer, sei es als Sakrament zu erinnern, welche beiden Dogmen 
der Angelpunkt sind, an denen unser Glaube und das Leben der Kirche 
hängt. Diese Kirche repräsentiren ausdrucksvoll die drei Darstellungen des 
vierten Theiles dieser dogmatischen Exposition. Dieselben beziehen sich 
sämmtlich auf Petrus, dessen Primat in der von Christo gegründeten Kirche 
das Lebensdogma der Kirche gerade in jener Zeit war, wo die donatistischen 
Schismatiker fabelten, dass nur unter ihnen die wahre Kirche zu finden sei." 



SARKOPHAG AUS S. PAOLO. 1 7 5 

den Markt zu bringen, trugen den Verhältnissen in der Weise 
Rechnung, dass sie die gegebenen Figuren und Gruppen auf 
mannigfache Weise aneinanderreihten und so ihren Produkten 
den Schein der Neuheit erwirkten. 

Es gab unter den christlichen Bildhauern gewiss auch 
solche, die ihren Beruf höher fassten als die mechanisch arbei- 
tende Zunft — das bezeugen vereinzelte Skulpturen mit Evidenz — 
aber die Masse dachte und arbeitete anders, und dass das 
Monument, mit welchem dieser Aufsatz sich beschäftigt, aus 
den Händen der letzteren hervorgegangen ist, legt- die That- 
sache klar, dass mit Ausnahme der ersten Gruppe sämmtliche 
Darstellungen in altern Fresken und Skulpturen ihre genaue 
Parallele haben. 

Auch die Ausführung kann, wenn man auch der Unfer- 
tigkeit des Ganzen Rechnung trägt, nicht anders als roh ge- 
nannt werden. Nur selten ist es dem Künstler gelungen, die 
Stimmung der augenblicklichen Situation in den Gesichtszügen 
seiner Figuren wiederspiegeln zu lassen; der Ausdruck ist fast 
durchgehends unnatürlich und durch ein blödes Lächeln ent- 
stellt. Die Haltung ist geziert, die einzelnen Gruppen entbehren 
des einheitlichen inneren Zusammenschlusses. Selbst da, wo 
ein heiteres Menschen -Antlitz gelingt, wie in der Darstellung 
Jesu, wird dieses unverrückt beibehalten, auch in Situationen, 
die, wie die Verleugnung Petri, einen Stimmungswechsel er- 
heischen. 

Dagegen war dem Verfertiger des Monumentes die Gabe 
geschickter Gruppirung in hohem Grade eigen, was noch mehr 
hervortreten würde, wenn die Hintergrunds -Figuren zur Aus- 
führung gelangt wären. Die Anfangs- und die Schluss-Scene 
der obern und der untern Reihe scheinen absichtlich parallel 
gesetzt zu sein. 

So charakterisirt dieser Sarkophag treffend das Kunstver- 
mögen der Zeit, die ihn hervorgebracht hat. Die antiken Remini- 
scenzen, welche bis nahe an das Ende des zweiten Jahrhunderts 
die christliche Kunst befruchtet und getragen und sie zu der 
Höhe und der .Kraft erhoben hatten, mit relativer Selbständigkeit 
in das zweite Säculum ihrer Existenz einzutreten, waren im 
Zeitalter Konstantin's des Grossen absorbirt, und damit der 



176 SARKOPHAG AUS S. PAOLO. 

weitern Entwicklung eine steil abfallende Richtung abwärts 
gegeben. Die Antike selbst, seit dem zweiten Jahrhundert auf 
dem Wege des Verfalls, hatte gegen den Beginn der kon- 
stantinischen Epoche hin fast ihre gesammte Lebenskraft ver- 
zehrt und war unfähig geworden, in irgend einer Weise an- 
regend zu wirken. 

Die altchristliche Skulptur war somit von vornherein sehr 
ungünstig gestellt; sie tritt wie mit bleiernem Gewichte be- 
schwert auf, ohne Streben und ohne Fähigkeit, sich zu entfalten, 
schon in ihrer ersten Kindheit mit dem Stempel einer greisen- 
haften Existenz und eines frühen Todes gezeichnet. 



VI. 



DIE MARIENBILDER DER ALTCHRISTLICHEN KUNST. 

Aus der altchristlichen Kunstperiode sind gegen fünfzig 
Marien -Darstellungen auf uns gekommen^), die in der Mehrzahl 
dem ausgehenden vierten und den ersten Decennien des fünften 
Jahrhunderts angehören. Diese Bilder gehen, wie allgemein 
anerkannt wird, weder auf ein wirkliches noch auf ein durch 
mündliche oder schriftliche Ueberlieferung gezeichnetes Porträt 
zurück: ein Wort Augustinus 2). noch mehr aber die Mannig- 
faltigkeit der Typen schliesst die entgegengesetzte Annahme, 
welche zudem alle geschichtliche Wahrscheinlichkeit wider sich 
hat, von vornherein aus. 

Die Darstellungen sind kunsthistorisch interessant, weil 
sie den jedesmaligen Stand der Kunstentwicklung besser und 
anschaulicher als irgend ein anderes Sujet wiederspiegeln und 
charakterisiren, dogmengeschichtlich aber werthvoU, insofern 
durch dieselben für das Aufkommen des Marien -Kultus in der 
Gemeinde ein chronologischer Anhaltspunkt gewonnen wird. 

Eine wissenschaftliche Monographie über den Gegenstand 
fehlt noch. Die gelegentlichen Ausführungen von Cavedoni, 



^) Das diesem Aufsatze angeschlossene Verzeichniss enthält 41 , bezie- 
hungsweise 42 Nummern. Wenn mir selbst zweifellos ist, dass dasselbe 
der Vollständigkeit entbehrt, so glaube ich doch mit gutem Grunde an- 
nehmen zu dürfen, dass von den Oberhaupt vorliegenden Marien-Darstellungen 
der ersten fünf Jahrhunderte mir nur wenige entgangen seien, und gewiss 
kein solcher Typus, der aus der Reihe der übrigen wesentlich heraustritt. 

2) August., De trinit. VIII, 5 (t. VIII, S. 962, ed. Migne): „Neque enim 
novimus faciem virginis Mariae.'* 

Sc hui t s 0, ArchSologUche Studien. ' 12 



f 78 MARIENBILDER DER ALTCHRISTLICHEN KUNST. 

Martigny, Northcote, Withrow u. A. sind ganz allgemeiner 
Natur und haben keinen kritischen Werth ^). Auch die Erläu- 
terungen deRossi'szu den im Auftrage der „Commissione di 
Sacra archeologla" im Jahre i863 veröffentlichten „Imagines 
selectae deiparae Virginis*' durchdringen den Stoff nur bis zu 
einem gewissen Grade und tragen der geschichtlichen E.ntwick- 
lung der Marienbilder nicht hinreichend Rechnung, Mängel, die 
indess nicht sowohl dem Verfasser zur Schuld fallen , sondern in 
dem Zwecke der Publikation, welche für ein grösseres Publikum 
bestimmt ist, ihren Grund haben. Auch werden in dem de 
Rossi'schen Kommentare nur vier Bildwerke, eben die in 
Chromo- Lithographie mitgetheilten , berücksichtigt. Demnach 
dürfte eine kritische Sichtung des Stoffes und eine eingehendere 
archäologische Bearbeitung des Gegenstandes nicht überflüssig 
erscheinen. 

Die erste Aufgabe der Untersuchung ist, die Grenzen des 
Gebietes festzustellen. 

De Rossi und bereits ältere Erklärer 2) haben zu den in- 
schriftlich oder sonst durch die Art der Ausstattung oder durch 
die Umgebung gesicherten Marien-Darstellungen einen Theil der 
weiblichen Orantenfiguren hinzugefügt, an denen die altchrist- 
liche Kunst in hohem Grade reich ist, Sie berufen sich hierfür 
auf die weiblichen Oranten der Goldgläser mit der Legende 
MARIA, MARA. In der Sammlung Garrucci's sind fünf solcher 
Exemplare verzeichnet (IX, 6, 7, 10, 11; XXII, 2) und schwer- 
lich existiren deren mehr. Aber von diesen wenigen und 
noch dazu sehr späten Darstellungen lässt sich kein Schluss 
auf die Gesammtheit oder auf die Mehrzahl der Orantenbilder 
machen. Zudem findet sich auf Goldgläsern auch die heilige 
Agnes, und zwar weit häufiger, nämlich zwölfmal, als Orans, 
und einmal eine einfache Matrone Namens Peregrina ^). Das 



*) Cavedoni, Sacra imagine della beata Vergine Maria, Modena i853 ; 
Martigny, Dict., Vierge; F. X. Kraus, R. S., S. 3oi (F.; Withrow, 
Catacombs of Rom, London 1877, S. 3o5 flF. 

') Das erste Beispiel einer solchen Identificirung finde ich in den Hand- 
zeichnungen desCiaconio (?) in der Bibliotheca Vallicell. (G. 6) in Rom, woselbst 
unter dem Bilde einer Orans die Worte stehen: „Virgodeipara r eparat rix." 

») Garrucci, Vetri XXI, i — 5; XXII, 1—7; XXI, 6 (vgl. XXV, 4). 



MARIENBILDER DER ALTCHRISTLICHBN KÜKST. 



79 



Graffito von S. Baume aber, welches Maria ebenfalls als Orans 
zeigt, knüpft, wie aus der Inschrift sich ergibt, unmittelbar 
an eine apokryphische Erzählung an, durch welche die Gebets- 
stellung gefordert wird ^) und Hegt ausserdem an der äussersten 
Grenze d^r altchristlichen Kunstentwicklung, wenn nicht schon 
diesseits derselben '^), kann also für die ältere Zeit nichts be- 
weisen. 

Auch der Syllogismus, dass, weil in der altchristlichen 
Kunst die Kirche durch die Orans symbolisirt werde, und der 
Vergleich zwischen der Maria und der Kirche bei den Vätern 
beliebt gewesen sei, auch eine Uebertragung der Symbolisirungs- 
form dieser auf jene sich als sehr wahrscheinlich darstelle (de Rossi), 
ergibt sich schon dadurch als haltlos, dass der Vordersatz nicht 
zu erweisen ist. Denn für die Meinung, dass die Orans Symbol 
der Kirche sei, lässt sich im Bereiche der altchristlichen und 
der mittelalterlichen Kunst nur ein Beispiel anführen, das 
Bild einer Orans mit der Ueberschrift ECCLESIA in einem 
Codex des elften oder zwölften Jahrhunderts ^). Selbstver- 
ständlich aber kann ein solcher Einzelfall bei der Entscheidung 
über ein acht bis neun Jahrhunderte zurückliegendes Verhältniss 
nicht in Frage kommen. 

Die weiblichen Oranlen ferner auf Deckengemälden können 
nicht als Beweis für jene Auffassung in Frage kommen; ein 
bekanntes Fresko in S. Lucina (D. R. S., Taf. IX) zeigt deutlich, 
zu welchem Zwecke solche Figuren hier und sonst auf den 
Deckengemälden verwendet wurden. Die beiden Oranten in 
S. Lucina erscheinen nämlich in der Umgebung von Genien und 
phantastischen Frauenköpfen, dienten also offenbar demselben 
Zwecke, d. h. als blosse Ornamente. Dies ergibt sich weiterhin 



*) Vgl. Tisch endorf, Acta apocrypha, S. i5 f., 117; Thilo, Codex 
apocr. N. T. I, S. 352 ff. 

2) Die Inschrift minister de tempulo statt „minister templi" (vgl. 
auch membra ad duos fratres, Le ßlant, Inscript. chr^t. n. 878) deutet 
bereits auf den Uebergang in das Romanische. Auch die Form Gerosale 
verräth eine sehr späte Zeit, ebenso die rohe Ausführung des Graffito. 
Das Monument wird sich kaum über das Ende des fünften Jahrhunderts 
zurückdatiren lassen. Aehnlich Le Blant, a. a. O., S. 383 f. 

3) De Rossi, R. S. I, S. 348. 

12* 



I 8o MARIENBILDER DER ALTCHRISTLICHEN KUNST. 

aus der Wiederholung, und der langgestreckten Form der 
Figuren, den allgemeinen, ausdruckslosen Gesichtszügen, vor 
Allem aber aus der gleichen Verwendung von weiblichen Oranten 
in der Antike ^). Das Auftreten von Oranten solcher Gattung 
in der altchristlichen Kunst begreift sich recht wohl in einer 
Zeit, wo diese von der Kunst des Heidenthums noch in hohem 
Grade abhängig stand. Daher verschwindet diese dekorative 
Figur, von welcher sich überhaupt nur zwei Beispiele nachweisen 
lassen 2), sehr bald oder wird durch Engelfiguren ersetzt (S. Vitale 
in Ravenna, S. Prassede in Rom), 

Wo aber die Orans der Deckengemälde nicht Orna- 
mentstück ist, entbehrt sie der symbolischen Bedeutung und 
ist als Porträt der Verstorbenen zu fassen. Wenn dagegen 
bemerkt worden ist 3), dass es schwerlich gestattet gewesen sei, 
an den Deckengemälden ,, persönliche oder individuelle Er- 
innerungen anzubringen", so ist übersehen worden, dass die 
Kubikula, deren Plafonds jene Orantenfiguren tragen, ein- 
zelnen Familien angehörten, also Privatbesitz waren und dem- 
nach recht wohl zu Trägern persönlicher Erinnerungen gemacht 
werden konnten und auch gemacht worden sind, denn nicht 
nur sind Beispiele von vereinigten männlichen und weib- 
lichen Oranten mehrfach vorhanden, sondern es finden sich 
auch in den Deckengemälden Porträts in Medaillonform *). 

Ebenso liegt kein Grund vor, die Orans, wo sie in Ver- 
bindung mit dem Guten Hirten erscheint, über die Beziehung 
auf eine Verstorbene hinauszurücken, wie Saint-Laurent ^) mit 
Zustimmung de Rossi's gethan hat, da diese Beziehung in- 



*) Vestigia delle terme di Tito, tav. 42) 44, 58 (vgl. auch tav. i4fF., 
6); Ciampini, Vetera monimenta, vol. II, tab. I (Mosaik); Montfaucon, 
L*Antiquit^, t. III, Suppl. pl. 58 (Fresko), vgl. t. V, pl. 9; 17. 

^) Ausser auf dem erwähnten Deckengemälde in S. Lucina, bei Aringhi, 
II, 3i5. 

8) D. R. S., S. 3o2. 

*) Bottari, t. 107, 99, 122, ii5; de Rossi, Bull. 1874 n. 3, t. VII. 
In gleicher Weise auf einem heidnischen Deckengemälde bei Bellori, Pic- 
turae ant., Romae 1750, tab. IV des Anhanges. 

^) Saint-Laurent, La pri^re de Marie et le bon pasteur, Paris 1862 
(Extrait de la Revue de Tart chrdt.). 



MA.RIBMBILDER DER ALTGHRISTLIGHEN KUNST. I 8 1 

schriftlich gesichert ist *). Daher erscheinen auch zwei weib- 
liche Oranten neben denn Guten Hirten (Bott., 78, 79). Die 
Orans ferner zwischen zwei Lämmern, wie sie ein Epitaph in 
S. Cailisto zeigt 2), in einer Stellung also, die sonst dem Guten 
Hirten eignet, findet ihre erklärende Parallele in der fragmen- 
tarischen Darstellung eines männlichen Orans zwischen zwei 
Lämmern, ebenfalls in S. Cailisto, welche de Rossi kürzlich 
publicirt hat^) und auf einem geschnittenen Steine bei Paciaudi'*). 
Auch ein später zu beschreibendes Relief des Museo Kircheriano 
ist hier anzuführen. 

Während sich also jene angebliche Symbolisirung der 
Kirche durch die Orans durch nichts erweisen lässt, sichern 
diejenigen Fälle, in welchen überhaupt eine Entscheidung mög- 
lich ist, den weiblichen Orantenfiguren eine persönliche, indi- 
viduelle Beziehung und machen mehr als wahrscheinlich, dass 
auch diejenigen Darstellungen, die uns durch kein inschrift- 
liches Zeugniss interpretirt werden, in derselben Weise zu be- 
greifen seien. 

Ausserdem sind aus der Reihe der Marienbilder drei Fresken 
zu streichen, welche die traditionelle Anschauung ebenfalls 
als solche beurtheilt, zwei Fresken in S. Priscilla, und ein 
drittes im Coemeterium Ostrianum. 



1) De Rossi, R. S. II, tav. Sg, 10: rechts Guter Hirle, links Orans, 
zwischen beiden die Inschrift: MOYCHC || ZQN |i €nOIHC€N || ATÖKAI || 
THrYN€KI. Ebendaselbst n. 1 1 : Links Guter Hirte, rechts Orans, dazwischen: 
PRISCA II ET II MVSES, und so ohne Z\vei fei auch die Fragmente n. 8 und 
tav. 49, 17; ferner zwei Beispiele bei Boldetti, S. 363, 369; und eines 
im Museo Kircheriano Boldetti, S. 377 ebenfalls «in m&nnlicher Orans 
neben dem Guten Hirten; ferner mehrere weibliche Gestalten neben dem 
Guten Hirten auf einem gallischen Sarkophage bei Garrucci, Storia V, 
tav. 3oi, 3. 

*) De Rossi, R. S. 11, tav. 49; d. R. S., S. 3o2. Das Epitaph ist 
Fragment; die jetzt fehlende Inschrift enthielt ohne Zweifel den Namen der 
Verstorbenen. 

3) R. S. 111, tav. 3o, 39. Die Inschrift lautet: 

. . ORIVS IN PAGE- 
I . IDVS OCTOB 

*) Paciaudi, De sacris Christianorum balneis, Romae 1758; Titelbild, 
S. XI der Praefatio, falsch erklärt als Guter Hirte. 



I 82 MARIENBILDER DER ALTCHRISTLICHEN KUNST. 

Das eine ^) der beiden ersteren befindet sich auf der Hinter- 
wand eines Arkosoliums und zeigt folgende Anordnung: Links 
sitzt auf einer Cathedra ein in Tunika und Pallium gekleideter 
Mann, nach rechts gewandt. Den rechten Arm streckt er nach 
rechts hin aus und gibt, wie es scheint, zwei vor ihm stehenden 
jugendlichen Gestalten, einem Jünglinge und einer Jungfrau, 
irgend eine Unterweisung. An der entgegengesetzten Seite der 
Bildfläche sitzt auf einem Stuhle von gleicher Form eine Frau 
und hält auf ihrem Schoosse einen nackten Säugling. Ihr Gesicht 
wendet sich halb nach links, dem Beschauer entgegen. Sie 
trägt eine lange gestreifte Tunika von weisser Farbe; das Haar 
fällt in kurzen Locken herab, die Füsse sind bloss. In der Mitte 
zwischen diesen beiden Gruppen, aber weiter nach vorn gerückt 
und grösser entworfen, steht eine weibliche Orans in gestreifter 
Tunika und mit Kopftuch. 

Bosio, der das Bild zuerst kopirte, erklärte die Orans für 
die heilige Priscilla und sah in der linken Gruppe den Akt der 
Konsekration einer Jungfrau 2), vielleicht der heiligen Praxedis oder 
der Pudentiana, und in der sitzenden Frau rechts die Jungfrau 
Maria. Aringhi stimmte dieser Erklärung zu, Bottari aber 
erklärte die sitzende Frau mit dem Kindlein für eine hier 
bestattete Verstorbene; in Beziehung auf die übrigen Figuren 
folgt er der Interpretation seiner Vorgänger. Die neuern For- 
scher ^) haben mit unbedeutenden Modifikationen die Erklärung 
Bosio's wieder aufgenommen. 

Da das vortrefiflich ausgeführte Gemälde unverkennbar dem 
zweiten Jahrhundert angehört, so ist von vornherein ausge- 
schlossen, auf demselben eine liturgische Handlung dargestellt 
zu finden, welche weit spätem Ursprunges ist^). Aber auch 

1) Bosio, S. 549; Aringhi II, S. 3o5; Bottari, t. 180; Garrucci, 
t. 78, i; Perret, t. III, pl. 28. 

') S. 327 der d. R. S. heisst es: „In S. Priscilla sah Bosio eine Scene, 
wo der Bischof einer Jungfrau den Schleier gibt," wozu bemerkt sei, dass 
das Bild heute noch existirt und das eben hier in Frage stehende ist. 

3) Z. B. Garrucci a. a.O., S. 83; Marti gny, Dict. Vierges chrdt., S. 794. 

*) TerlulIian z. ß. kennt verschleierte Jungfrauen als besondern Stand 
noch nicht, sonst würde er sich in seiner Schrift „de virgg. vell.** gewiss 
auf dieselben bezogen haben. Statt dessen sucht er mOhsam fernliegende 
Beispiele zusammen. 



MARIENBILDER DER ALTCURISTLICHEN KUNST. i83 

in dem Bilde selbst findet jene Deutung keine StQtze, denn 
das junge Mädchen hält nicht eine Mithra in der Hand, wie 
Garrucci meint, sondern eine aufgewickelte Rolle, und auf diese 
richtet sich der Fingerzeig, und beziehen sich demnach auch 
die Worte des sitzenden ältlichen Mannes. Ebenso ist es un- 
richtig, in dem hinter der Jungfrau stehenden Jünglinge einen 
Archidiakon zu erkennen, welcher den Schleier halte, mit dem 
jene verhüllt werden solle: ganz abgesehen davon, dass es 
Archidiakonen erst seit dem vierten Jahrhundert gibt, zieht in 
diesem Falle der junge Mann nur einen Zipfel seines eigenen 
Gewandes nach links herauf, wie auch Christus z. B. sehr 
häufig auf Fresken. 

Das Gemälde stellt irgend eine Familien-Scene dar, die zu 
verstehen uns freilich die Mittel fehlen, die aber in der antiken 
wie in der christlichen Kunst zahlreiche Parallelen hat *). Auf 
eine durch ein altchristliches Relief repräsentirte Vorlese-Scene 
wurde bereits S. 91 hingewiesen. Einen ähnlichen Inhalt hat 
ohne Zweifel diese Gruppe: sie scheint mir einen Vater und 
zwei Kinder darzustellen, die in erbaulicher Betrachtung der 
heiligen Schrift begriffen sind, mit bestimmter Beziehung auf 
die im Vordergrunde stehende Orans, welche wohl die hinge- 
schiedene Mutter dts Hauses ist. Auch die rechts sitzende 
junge Frau mit dem Kinde wendet sich dieser zu und erweist 
sich dadurch gleichfalls als ein Glied derselben Familie. Ausser- 
dem trägt sie durchaus individuelle Züge; und kurz ge- 
schnittenes Haar findet sich nie bei Idealgestalten wie Maria. 
Wahrscheinlich ist in der Figur mit Bottari eine ältere Tochter 
der betenden Matrone zu erkennen. Frauen, die Kinder auf dem 
Schoosse tragen^ erscheinen auf antiken Grab - Monumenten 
nicht selten 2). 

*) Ich führe nur ein mit n. 322 bezeichnetes Relief in der nicht öffent- 
lichen Sammlung des Fürsten Torlonia in Rom (Via della Lungara) an. 
Dasselbe stellt den Lebenslauf des Verstorbenen dar; die zweite Scene zeigt 
einen auf einem Stuhle sitzenden Greis, der die rechte Hand auf die Schulter 
eines vor ihm stehenden Knaben legt, welcher mit beiden Händen eine 
entfaltete Rolle hält und in derselben liest. Es handelt sich also um eine 
Unterweisung des Knaben seitens des älteren Mannes. 

2) Pervanoglu, Die Grabsteine der alten Griechen, S. 49 n. 6; S. 5o 
n. 12; S. 5i n. i5; S. 53 n. 26. 



I 84 MARIENBILDER DER ALTCHRISTLICHEN KUNST. 

Ebensowenig darf, glaube ich, ein zweites, ebenfalls in 
S. Priscilla befindliches Fresko ^) über die Bedeutung einer 
einfachen Familien - Scene hinausgehoben werden. Das Bild 
zeigt links eine auf einem Stuhle sitzende, in Tunika und 
Stola gekleidete Frau, die den rechten Arm auf der Stuhllehne 
ruhen lässt, den linken etwas erhebt. Ihr Gesichtsausdruck 
ist ernst. Wenn Martigny (Dict. Annonc, S. 5o) angibt: „La 
vierge donne des marques de surprise et la plus aimable timi- 
dite respire sur son visage", so scheint derselbe nach den Kopien 
von Bosio und Garrucci geurtheilt zu haben: das Original 
offenbart nichts von diesem Ausdrucke. Vor der Sitzenden 
steht eine jugendliche männliche Gestalt, die, im Begriffe, nach 
rechts (ortzugehen, sich zu jener hinwendet und die rechte 
Hand mit ausgestrecktem Zeigefinger (?) nach ihr hin erhebt. 

Bosio und Aringhi wussten für das Bild keine Erklä- 
rung; Bottari (S. 141) sprach zuerst schüchtern die Ver- 
muthung aus, dass das Fresko die Verkündigung darstelle, 
eine Ansicht, welcher die Neuern 2)^ soweit mir bekannt, 
übereinstimmend zugestimmt haben. Aber die Thatsache, 
dass die altchristliche Kunst erst in der zweiten Hälfte des 
fünften Jahrhunderts diese Scene aufnimmt, während dieses 
Gemälde spätestens der Mitte des dritten Jahrhunderts an- 
gehört, und dass die ältere Kunst bis zu dem Ende des vierten 
Jahrhunderts Maria nie ohne den Jesusknaben darstellt, ver- 
bietet es, dieser Interpretation mehr als den Werth einer 
Hypothese zuzuerkennen. Auch ist zu beachten, dass die Dar- 
stellung der Annunciation, wo sie zuerst in der altchristlichen 
Kunst auftritt, sich an eine apokryphische Quelle anlehnt. 
Andererseits bietet die antike Kunst vielfach Bildwerke von 
gleicher oder ähnlicher Anordnung; besonders ist an die 
sogenannten Abschieds -Scenen, bei welchen die weibliche Ge- 
stalt sehr häufig sitzt 3), zu erinnern. So scheint mir auch auf 



1) Bosio, S. 541; Garrucci, t. yS; Bottari, t. 176. 

2) Z. B. Garrucci, S. 81 ; Martigny, Dict. Annonc; Kraus, R.S., S.3o6. 

3) Maffei, Mus. Veron , S. 53 n. 10, i3; S. 49 n. 2 (vgl. n. 3); 
S. 5i n. I, II. Vgl. Friedländer a. a. O.; Pervanoglu, Die Gräbst, 
d. alt. Gr., S. 53 ff. n i, 2, 3, 4, 5, 9, i3, 17, 20 u. s. w., und Taf. I, 10; 
II, i3, 14. 



MARIENBILDER DER ALTCHRISTLICHEN KUNST. l85 

diesem Fresko der Verstorbene in dem Augenblicke dargestellt 
worden zu sein, wo er von der Mutter oder von der Gattin 
Abschied nimmt. Dass solche Abschieds- Scenen in der alt- 
christlichen Kunst nicht beispiellos sind*, geht aus dem oben 
(S. io5 f.) beschriebenen gallischen Sarkophag-Relief und andern 
Bildwerken hervor. 

Das dritte in Frage kommende Fresko ^), welches sich im 
Coemeterium Ostrianum findet und von ziemlich roher Aus- 
führung ist, wurde bereits von Bottari (t. III, S. 83) für das 
Bild einer Verstorbenen erklärt. Gegenwärtig aber ist man zu 
der Interpretation Bosio'ß (S. 471), der hier eine Darstellung 
der Maria erkannte , zurückgekehrt. 

Das Gemälde zeigt das Brustbild einer in Tunika und 
Stola gekleideten Orans, mit kostbarem Halsschmuck und tief 
herabfallendem Schleier. Sie trägt das Haar hinten aufge- 
bunden, hat ein rundes volles Gesicht und Augen von auf- 
fallender Grösse. Vor ihr sieht man den theilweise zerstörten 
Oberkörper eines Knaben mit frischen Gesichtszügen. Er hat 
die Orantenstellung nicht. Links und rechts von der Orans ist 
das Monogramm Christi gezeichnet, und zwar in dieser Form: 

±-±- 

De Rossi (a.a.O., S. i3f.) stützt seine Behauptung, dass 
hier ein Marienbild vorliege, auf folgende Gründe: i. Familien- 
mütter wurden in der altchristlichen Kunst niemals 
mit dem Kinde auf dem Schoosse abgebildet. Dagegen 
ist auf das S. 182 besprochene Fresko und auf ein Goldglas bei 
Garrucci, t. XXI, i 2) zu verweisen, welche beide Kinder zeigen, 
die von ihren Müttern auf dem Schoosse gehalten werden. Eine 
Orans freilich mit dem Kinde genau in dieser Stellung ist nicht 
nachgewiesen, aber ebensowenig wird man sonst eine Maria in 
dieser Auffassung aufzeigen können. — 2. Das Monogramm 
Christi mit dem nach innen gewendeten S weist auf den 
Erlöser hin. So schon Bosio. Ware dies richtig, so dürfte 



2) Imag. selectae, tab. VI; Garrucci, t. 66, ij deutsche R. S., S. 3o3. 

3) Nach dem Vorgange von Boldetti wird dieses Bild noch vielfach als 
Marien -Darstellung in Anspruch genommen; so früher auch von Martigny, 
wogegen bemerkt sei, dass auf dem Originale im Vatikane das Bambino 
unverkennbar weibliche Züge und weibliche Kleidung hat. 



l86 MARIENBILDER DER ALTCHRISTLICHBN KUNST. 

man sich wundern, dass das Monogramm nicht tiefer gesetzt 
ist, denn so, wie es gestellt ist, zeigt es direkt auf die Orans. 
Aber diese pleonastische Anwendung des Monogramms Christi 
ist wohl Symptom einer lebhaften religiösen Stimmung, aber 
keine besondere Auszeichnung für Christus oder auch für Maria. 
Denn dasselbe findet sich neben Aposteln und Heiligen (z. B. 
in den neapolitanischen Katakomben), wie neben einfachen 
Verstorbenen*) ohne Unterschied, ja auch in der Dreizahl ^j^ 
einmal sogar sechsmal (die heil. Felicitas in S. demente in Rom), 
und ebenso in der Form des rückwärts gewendeten Mittelbalkens 
(Bold., S. 345). — 3. Wenn hier eine gewöhnliche Ver- 
storbene gemeint wäre, so wäre der Bambino als Orans 
gezeichnet. Aber zwei Oranten in dieser Verbindung kommen 
überhaupt nicht vor, offenbar weil eine solche Anordnung dem 
künstlerischen Gefühle zu sehr widersprach, während andererseits 
die vorliegende Form der Darstellung, die innige Gemeinschaft 
zwischen Sohn und Mutter, welche letztere schützend und segnend 
über ihrem Lieblinge die Arme ausbreitet und ihn und sich in 
gläubigem Gebete Gott empfiehlt, tief empfunden zum Ausdrucke 
zu bringen geeignet ist. 

Die angeführten Gründe sind also nicht beweiskräftig. 
Andererseits dürfte Folgendes zu erwägen sein. 

Das luxuriöse Collier und die kostbaren Ohrringe passen 
wenig auf ein Marienbild des vierten Jahrhunderts. Man wird 
sich freilich nicht mit Bottari auf Hieronymus, Epist. II: „Cave 
ne aures ejus (sei. filiae) perfores, ne collem auro et margaritis 
premas, ne caput gemmis oneres" zu berufen haben, denn 
auch die späteren Goldgläser zeigen Maria mit Pretiosen, aber 
es ist beachtenswerth , dass auf letztern der Schmuck weit ein- 
facher und sparsamer sich findet, während man nach dem 
Vorgange des Fresko's im Coemeterium Ostrianum eine ent- 
gegengesetzte Weiterbildung erwartet. Auch diese Haarfrisur 
findet sich nirgends auf Marienbildern. Insbesondere aber 
schliessen die entschieden porträtartigen Züge, das breite volle 
Gesicht mit den mächtigen Augenöffnungen und die ausgewählt 
moderne Gewandung die Beziehung auf eine Idealgestalt aus. 

*) Marongoni, Acta S. Vict., S. 95. 
2) Garrucci, Vetri XXV, 3. 



MABIENBILDER DER ALTCHRISTLICHEN KUNST. 



187 



Wenn man ferner den in der ersten Hälfte des fünften Jahr- 
hunderts lebenden Christen ein Verständniss dieses Sujets nicht 
wird absprechen dürfen, so ist diesen wenigstens das Bild nicht 
als eine Marien -Darstellung erschienen. Denn das Fresko ist 
in jener Zeit durch die Anlage eines Loculus rücksichtslos zer- 
schnitten und in seinen untern Partien zerstört worden, was 

Fig. 33. 




schwerlich geschehen wäre, wenn man das Bewusstsein gehabt 
hätte, dass diese Darstellung der Mutter von Nazareth und 
ihrem Sohne gelte. 

Diesen Schluss bestätigen endlich die übrigen Malereien 
des Arkosoliums ^): an der rechten Innenwand ein bärtiger 

1) Bottari, t. i53. 



I 88 MARIENBILDER DER ALTGHRISTLIGHEN KUNST. 

Mann in betender Stellung mit echt römischem Typus und in 
reich verzierter Gewandung; diesem gegenüber an der linken 
Seite eine jugendliche weibliche Figur in gleicher Gewand- und 
Schmuckausstattung wie die Matrone auf der Hinterwand des 
Arkosoliums, und am Bogen des Arkosoliums das Medaillon- 
bild eines gelockten Jünglings. Alle diese Einzelfiguren können 
nicht anders denn als die Glieder einer Familie begriffen 
werden, deren Erbbegräbniss hier war. Parallelen hiezu lassen 
sich zahlreich nachweisen ^). 

Die Reihe der gesicherten Marien -Darstellungen der alt- 
christlichen Kunst beginnt mit dem (Fig. 23, S. 187; vgl. n. 1 des 
Verzeichnisses) in Umrisszeichnung wiedergegebenen Fresko. 
Das Original, das im Laufe der Zeit vielfach gelitten hat — 
die untere Hälfte ist fast ganz zerstört — befindet sich in 
S. Priscilla an der Seitenwand eines Kubikulums, in unmittel- 
barer Nähe der Decke, in folgender Anordnung: 

*) ^) Cd 

(Zerstört). Guter Hirt. ^'^ 



d) 
Drei Oranten. 



Loculus 



c) 
Einzelner Mann. 



Die Höhe der Figuren 6, c, d beträgt durchschnittlich 
o'3o8 Meter; a ist bedeutend grösser, wahrscheinlich auch das 
jetzt zerstörte Bild x. Die Figur des Hirten ist in kolorirtem 
Stucco ausgeführt, ebenso die beiden Baumstämme zur Seite 
desselben; die Aeste, Blätter und Früchte dagegen sind auf 
der glatten Wandfläche aufgemalt, wie auch b, c, d, 

Maria ist sitzend dargestellt und trägt Tunika und Stola. 
Ihr Haupt wird von einem Kopftuche bedeckt, unter welchem 
ein Theil des in der Mitte auseinandergescheitelten Haares 
hervortritt. Der Umwurf der Gewandung ist derart, dass fast 
der ganze linke Arm unbedeckt bleibt. Auf dem Schoosse hält 
sie mit beiden Armen den völlig nackten Knaben, der seine 
Rechte an die von der Mutter ihm gereichte Brust legt und 



*) Die Meinung Garrucci*s (Storia II, 69), dass die Figuren der Seiten- 
wände und Plafonds Jesus, Maria und Joseph seien, welche älterer Bücherweis- 
heit entstammt und Garrucci mit seinen eigenen anderweitigen Behauptungen 
in Widerspruch setzt, verdient keine ernste Berücksichtigung. 



MARIENBILDER DER ALTCHRISTLICHBN KUNST. I 89 

das Gesicht rückwärts dem Beschauer zuwendet. Maria neigt 
das Haupt leicht vornüber. Rechts von Beiden steht ein jugend- 
licher Mann in leicht umgeworfenem Pallium. Er wendet den 
Oberkörper nach Mutter und Kind hin und streckt beide Arme 
halb nach ihnen aus. Es ist nicht ein Gestus des Zeigens, 
wie de Rossi will, und wie seine in diesem Punkte ungenaue 
Copie angibt, sondern eine Bewegung, welche in der Kunst 
sehr häufig die Rede oder die direkte lebhafte Betheiligung 
an irgend einem Vorgange illustrirt ^), und welche darin be- 
steht, dass Mittel- und Zeigefinger ausgestreckt aneinander- 
gelegt und die übrigen Finger sämmtlich oder theilweise nach 
der inneren Handfläche zu geschlossen werden. Das Original 
zeigt deutlich, dass ein solcher Fall hier vorliegt, und die 
Lithographie Garrucci's, wie unvollkommen sie auch ist, hat 
in dieser Beziehung den Vorzug vor dem Farbendrucke der 
„Imagines selectae". 

In der Linken hielt die Figur eine Rolle, deren Umrisse 
jetzt nur noch undeutlich zu erkennen sind. Links seitwärts 
über Maria sieht man die schwachen Spuren eines Sternes. 

Das Fresko ist mit einem in's Bräunliche schimmernden 
Inkarnat angelegt, die Schattirung dunkelbraun ausgeführt. Die 
Gewandung hat eine schmutzig weisse Tönung. 

Während die Identität dts sitzenden Weibes und des 
Knaben mit Maria und Jesus allgemein mit Recht anerkannt 
wird, gehen in Beziehung auf die links stehende männliche 
Figur die Meinungen noch auseinander. De Rossi (a. a. O., S. 8) 
sieht in ihr den Propheten Jesaia, wie er den über Juda auf- 
gehenden Stern vorausschaue und mit der Hand zeige. Gegen 
diese Deutung spricht zuerst der eben erwähnte Umstand, dass 
der Mann nicht auf den Stern zeigt, sondern sich zu der ihm 
gegenüber befindlichen Gruppe wendet, wie auch aus der Rich- 
tung des Gesichtes und ganzen Körperstellung hervorgeht. Die 
Magier dagegen (vgl. Fig. 22), die auf den Stern mit der Hand 
hinweisen, erheben immer zugleich das Antlitz nach oben. 
Ausserdem liegt dieser Ansicht eine Verwechslung des Sternes, 
der die Magier führte, und des Sternes, der über Juda auf- 



*) Bottari, t. 20, 3; 21, 2, 4; 23, i; 39; 146; 71, i ; 89 u. s. ö. 



I gO MARIENBILDER DER ALTCHRISTLICHBN KUNST. 

gehen sollte, zu Grunde; dieser ist der Messias selbst, jener 
der Führerstern, der seine Geburtsstätte zeigt. Wo sich aber 
in der altchristlichen Kunst der Stern bildlich dargestellt findet, 
ist es immer der Stern Matth. 2, 2, 9, niemals der Stern, von 
welchem geweissagt wurde. Auch vergleicht Jesaia den zukünf- 
tigen Messias nicht mit einem Sterne, sondern schildert das 
Kommen desselben ganz allgemein wie aufflammenden Licht- 
glanz. Will man also überhaupt durch das Fresko eine alt- 
testamentliche Weissagung illustrirt finden , so ist jedenfalls 
richtiger, mit Garrucci auf Grund von Num. 24, 17 die Person 
als Bileam zu bestimmen. Aber es ist bei der Erklärung 
dieser Figur überhaupt auf alttestamentliche Personen zu ver- 
zichten. 

Die Beziehung zwischen Mutter und Kind einerseits und 
dem links stehenden Manne andererseits ist zu unmittelbar, als 
dass man die einen von dem andern zeitlich scheiden dürfe; 
es sind nicht zwei Scenen, die, wie wohl" sonst in der alt- 
christlichen Kunst, dicht aneinander gerückt sind, sondern die 
drei Figuren bilden eine einzige, einheitliche, in sich abge- 
schlossene Gruppe, die keine Auseinanderreissung leidet. Wie 
der Stern der Geburtsgeschichte angehört, so auch der Mann, 
welcher die Arme nach Mutter und Kind ausstreckt. In ihm 
einen Repräsentanten der Magier zu sehen, ist nicht statthaft; 
dieselben treten in der altchristlichen Kunst in ganz anderer 
Ausstattung auf und datiren erst vom Anfange des dritten 
Jahrhunderts. Auch an einen Hirten, der das neugeborene 
Jesuskind begrüsst, ist nicht zu denken, denn der Hirtenstab, 
der bei diesen Figuren nie vermisst wird, fehlt. Auch die 
Haltung und die ganze Fassung des Mannes, die sich mehr 
zutraulich und familiär als ehrerbietig und staunend nähert, 
spricht dagegen. So bleibt nur übrig, die Darstellung auf 
Joseph zu beziehen, der sich freudig dem neugeborenen Kinde 
zuwendet *). 



1) Wie ich aus der deutschen R. S., 2. Aufl., S. 3o5| Anmerkung i, 
ersehe, hat bereits Marriott (The testimony of the Catacombs, S. 24) in 
dieser Darstellung eine heilige Familie erkannt. Der Herausgeber der ge- 
nannten R. S. begnügt sich damit, diese Ansicht fOr „ganz unhaltbar** zu 
erkl&ren, ohne dieses Urtheil zu begründen. 



- •' L 



MARIENBILDBR DER ALTGHRISTLIGHBN KUNST. 



FQI 



Dieser Annahme entspricht auch der ganze. Charakter 
des Bildes. Es fehlt ihm das feierliche, ceremonielle Moment^ 
das ausnahmslos da zu bemerken ist, wo nicht zu dem 
Familienkreise gehörige Personen, Magier oder Hirten, in 
die Scene eintreten. Der Gesichtsausdruck der Mutter ist 
sympathisch und seelenvoll und hat noch nicht jenen fremd- 
artigen, ernsten Zug, der später in den Magier -Huldigungen 
stereotyp wird; auch der Knabe an ihrer Brust schaut sonst 
nirgends so keck und so kindlich naiv in die Welt hinein als 
hier. Die liebliche Gruppe vervollständigt Joseph^ der als 
Ausdruck lebhafter Freude nach dem Kinde hin die Arme aus- 
streckt und im Gegensatz zu dem Verfahren einer spätem 
reflektirenden Zeit, seinem Weibe und dem Kinde völlig gleich- 
stehend gefasst ist. 

Das stille Glück der heiligen Familie, eine eigentlich inner- 
häusliche Scene vorzuführen, war die Absicht des Künstlers, 
und er hat dieselbe so sehr innerhalb der Sphäre des rein 
Menschlichen und mit Vermeidung all' des feierlichen Apparates, 
durch welchen die Epigonen Mutter und Kind auszuzeichnen 
sich abmühen, vollzogen, dass allein der Stern diese Familie als 
die von Bethlehem kennzeichnet. 

Rechts neben der rechten Schmalseite des Loculus befindet 
sich die Darstellung einer stehenden männlichen Figur (c)y 
welche nach links gewendet in ebenderselben Richtung den 
rechten Arm ausstreckt; ihr gegenüber (d) stehen links drei 
Oranten (Fragment): ein Mann, ein Weib und ein Knabe. 
De Rossi (a. a. O., S. 8 ff.) erklärt die drei Oranten für Joseph, 
Maria und Jesus, den rechts stehenden zeigenden (?) Mann für 
den Propheten Jesaia, der, wie oben auf den Stern, hier auf 
die heilige Familie selbst hinweise. 

Gegen diese Deutung ist bereits von Garrucci (Storia II, 
S. 40), der damit zugleich seine frühere entgegengesetzte An- 
sicht (Hagioglypta, S. 174) zurücknimmt, bemerkt worden, 
dass die Darstellung Jesu als Orans undenkbar sei. In der 
That kommt, wie bereits ausgeführt wurde, in der altchristlichen 
Kunst die Orantenstellung fast ausnahmslos Verstorbenen zu, 
bei welchen dieselbe der Ausdruck der im Hinscheiden in ver- 
trauensvollem Gebete Gott sich hingebenden Gläubigen ist. 



1 92 MARIENBILDER DER ALTCHRISTLICHEN KUNST. 

Eine io dieser Weise motivirte Situation passt aber nicht 
für die heilige Familie, für eine rein historische Gruppe. 

Welche Scene aus dem Leben Jesu, wird man weiterhin 
fragen, stellt denn dieses Fresko dar? Nach de Rossi den 
Augenblick, wo der verloren geglaubte Knabe von den Eltern 
wiedergefunden wird. Aber auch da bleibt die Orantenstellung 
völlig räthselhaft. Dazu kommt, dass die männliche Figur 
bärtig ist; die christliche Kunst kennt aber bis über die Mitte 
des vierten Jahrhunderts hinaus Joseph nur jugendlich und 
bartlos, wie de Rossi selbst gezeigt hat^). 

Aus diesen Gründen ist die Erklärung de Rossi's zurück- 
zuweisen; die drei Oranten stellen vielmehr drei in diesem 
Gräberkomplex beigesetzte Verstorbene dar, wie auch auf dem 
bereits besprochenen Fresko, ebenfalls in S. Priscilla (Bottari, 
t. 82) und sonst 2). 

Der einzelne Mann mit der ausgestreckten Hand an der 
rechten Schmalseite ist offenbar Mose, entweder das Quell- 
wunder vollziehend oder aus der Hand Gottes das Gesetz em- 
pfangend. Für letzteres spricht eine instruktive Parallele bei 
d'Agincourt (Peint., pl. IX, 12). Indess lässt sich zwischen diesen 
beiden Möglichkeiten nicht mehr mit Sicherheit entscheiden, da 
vor der Handwurzel ein Stück der Wandbekleidung ausge- 
brochen ist. 

Die Frage nach dem Alter des Bildes hat de Rossi (a. a. O., 
S. 14 ff.) eingehend erörtert und als jüngste Zeitgrenze die 
Anfänge der Dynastie der Antoninen bestimmt. Das Gemälde 
liegt in der That der Mitte des zweiten Jahrhunderts nicht 
fern, kann aber unmöglich der Zeit der Flavier oder gar der 
Apostel, wozu de Rossi im Grunde neigt (S. 16), zugewiesen 
werden. Denn obgleich das Cömeterium der Priscilla ohne 
Frage eines der ältesten ist, so heben sich doch in dem Ganzen, 
wie auch allgemein anerkannt wird^ verschiedene Bauperioden 
scharf von einander ab. 

Das in Frage stehende Kubikulum nun gehört der ersten 
Bauperiode, welche durch die sogenannte Capella graeca 
und die umliegenden Räume repräsentirt wird, nicht an. 

1) Bull. i865. S. 25—32; 65 ff. 

2) Z. B. R. S. III, tav. I; Garrucci, tav. 69, 2. 



MARIENBILDE U DER ALTCHRISTLICHEN KUNST. 1^3 

Denn dasselbe liegt nicht nur von dieser Region ziemlich ent- 
fernt, wenn auch in demselben Piano, sondern weist ausserdem 
eine andere, unvollkommenere Architektur auf. Die Anlage ist 
unregelmässig, die Decke nachlässig gearbeitet und die Loculi 
entbehren der Korrektheit und des scharfen Schnittes, wodurch 
die älteren Räume ausgezeichnet sind. Es ist hier nicht der 
Ort, eine genaue Analyse der architektonischen Verhältnisse 
der einzelnen Theile des Cömeteriums zu einander zu geben, 
da eine solche in einem späteren Bande der ,,Roma sotterranea" 
zu erwarten ist; ich darf indessen mit gutem Grunde über- 
zeugt sein, dass eine sachverständige Forschung dieses Urtheil 
bestätigen wird. 

Dass die charakteristischen Zinnober- Inschriften in der 
Grabkammer selbst fehlen, beweist zwar nicht direkt gegen ein 
höheres Alter des Kubikulums, denn dieselben finden sich in 
unmittelbarer Nahe desselben und in Räumen, die diesem 
gleichzeitig sind, aber diese Inschriften sind überhaupt kein 
Indicium sehr hohen Alters; man trifft sie, worauf bereits 
aufmerksam gemacht worden ist, in gleicher Form, ja theil- 
weise noch in einfacherer Fassung in den neapolitanischen und 
in den syrakusanischen Katakomben , und zwar in Räumen, 
die dort der Mitte des zweiten, hier gar dem vierten Jahr- 
hundert angehören. Die Fragmente ferner einer umfangreichen 
griechischen Inschrift (unedirt), die in dem Kubikulum selbst 
gefunden wurden, weisen eher auf das dritte als auf das zweite 
Jahrhundert. Endlich das im Jahre i85i in der Nähe der 
Grabkammer von de Rossi aufgelesene zerstückte Epitaph : 

TITVS FLA 

VIVS FE 

LIGISSIMVS 

POSITVS EST 
kann nicht beweiskräftig sein, da der Name TITVS PTAVIVS 
sich noch im vierten Jahrhundert nachweisen lässt^). Auch ge- 
hört die Inschrift dem Kubikulum selbst nicht an. 

Die Resultate, welche Architektur und Epigraphik ergeben, 
finden ihre Bethätigung durch den Stil des Bildes. Dasselbe 



^) Vgl. Zeitschrift für Kirchengeschichte, 187g, S. 472 fF. 

Schaltse, ArchRologiiicIie Stadien. 13 



194 



MARIENBILDER DER ALTCHRISTLICHEN KUNST. 



gehört ohne Frage zu dem Besten, was die altchristliche Kunst 
geschaffen hat. Die Zeichnung ist leicht, die Farbentönung 
weich und harmonisch, und der Gegensatz zwischen der kräftig 
entworfenen Gestalt des Vaters und der milden Erscheinung 
der Maria von vortrefflicher Wirkung aber nichtsdestoweniger 
bleibt der Kunstwerth dieses und der übrigen Bilder des Kubi- 
kulums weit hinter der Höhe der Leistungen mittelmässiger 
pompejanischer Künstler zurück. Auch die Malereien in den 
römischen Gräbern an der Via Latina aus dem Ende des 
zweiten Jahrhunderts stehen hoch über den Fresken in S. Pris- 
cilla. Vor Allem drängt sich die Isolirtheit der Figuren, die 
ohne rechte Beziehung zu einander sind, als ein Mangel auf. Der 
Blick der Maria gleitet über den Knaben hinweg und, wie 
auch der des Kindes, auf ein Object, das in dem Bilde selbst 
nicht gegeben und nur schwer zu errathen ist. Die Körper- 
stellung Joseph's ferner entspricht nicht der Richtung seiner 
Arme, wodurch in die ganze Figur etwas Gezwungenes, Un- 
natürliches kommt. Auch das Gesicht ist ausdruckslos. Ebenso 
wäre auf dem Antlitze der Maria ein freundlicVier Zug der 
Situation angemessener gewesen als diese verschwommene, 
unbestimmte Milde. Ferner die Stucco- Reliefs in der Gruppe 
des Guten Hirten verrathen sich, wie sehr sie auch abgestossen 
sind, als ein mittelmässiges Werk, das nicht nur den Stucco- 
Arbeiten gegenüber in den genannten Gräbern an der Via Latina, 
sondern auch im Vergleich zu den unvollkommenen Reliefs der 
Capella graeca einen Rückschritt dokumentiren. Die Ornamente 
schliesslich, welche längs des Loculus sich hinziehen, zeigen 
ungelenke Linien und ein unerträglich hartes Kolorit. 

Lassen sich somit in den Bildwerken dieses Kubikulums 
die Einwirkungen griechisch-römischer Kunst nicht gänzlich 
verkennen, so offenbart sich andererseits in denselben weit 
entschiedener das Wesen einer auf eigener Bahn wandelnden 
christlichen Kunst, die in dem Masse, wie sie sich zu einer 
gewissen Selbständigkeit und Originalität durchgearbeitet hat, 
matt und unsicher geworden ist. Dies ist aber der Charakter- 
zug der Kunst der zweiten Hälfte des zweiten Jahrhunderts, 
während in der ersten Hälfte des Säculums die antiken Tra- 
ditionen noch als souverän bestimmend sich zeigen. Darnach 



MARIENBILDER DER ALTCHRISTLTCHEN KUNST. i 9 5 

wird das Marienbild frühestens in die Zeit von i5o bis 170 zu 
setzen sein ^). 

In der Gruppe von S. Priscilla haben wir den ursprüng- 
lichen Typus der Marien -Darstellungen. Das Charakteristische 
desselben ist der Ausdruck des rein Menschlichen, das aus- 
schliessliche Bestimmtsein durch künstlerische Motive und die 
vollkommene Unabhängigkeit von dogmatischer Reflexion. Ja 
es ist wahrscheinlich, dass dieses Fresko nicht einmal einen 
bestimmten religiösen Geäanken zur Voraussetzung hat, son- 
dern dass vielmehr die überaus zahlreichen antiken Vorbilder 
von gleicher Form, seien es Votiv-Statuetten, seien es Götter- 
bilder, wie des Jupiter lactans, der Isis u. A., zuerst den Ge- 
danken wachgerufen haben, den heidnischen Darstellungen eine 
christliche Parallele an die Seite zu setzen. Denn es lässt sich 
nicht leugnen, dass die Gruppe in S. Priscilla im Ensemble 
des Bilderkomplexes eine durchaus unfergeordnete Stellung 
einnimmt, worauf gegen Northcote zuerst Withrow (a. a. O., 
S. 3o8) aufmerksam gemacht hat: denn dieselbe ist nicht nur 
bedeutend kleiner entworfen als a (und jr?), sondern auch ganz 
abseits hoch an dem Saume einer schmalen Thürwand ange- 
bracht, als ob der Künstler sich erst nachträglich entschlossen 
habe, das Fresko auszuführen. An seinem bescheidenen Platze 
lässt sich dasselbe wie ein erster Versuch an, ein Sujet, das 
durch das religiöse ßewusstsein der Gemeinde noch nicht ge- 
fordert wurde, in den Bilderkreis einzuführen. 

Ferner stehen die antiken Parallelen in solcher bis in's 
Einzelne gehenden Uebereinstimmung mit diesem ersten Typus, 
dass man, wenn man überhaupt Berührungen zwischen profaner 
und christlicher Kunst anerkennt, nicht umhin können wird, 
hier Vorbild und Kopie zu konstatiren. Es ist überflüssig, Bei- 
spiele anzuführen; dieselben sind ausserordentlich zahlreich und 
hinreichend bekannt, aber auf eine von Garrucci in Präneste 
ausgegrabene Terracotta- Figur der Fortuna Primigenia 2) und auf 
eine kleine Bronze -Statuette der Isis mit dem kleinen Horus im 



^) Herr Dr. v. Duhn, der auf mein Ersuchen das Fresko in Augen- 
schein nahm, erklärte dasselbe auf Grund stilistischer Untersuchung sogar 
fQr ein Werk des dritten Jahrhunderts. 

2) Garrucci, Dissertazioni archeol., Roma 1864, tav. XII, i. 

13* 



I 96 MARIENBILDER DER ALTCHRISTLICHEN KUNST. 

Museo Nazionale in Neapel (zweiter Saal der grossen Bronzen) 
möchte ich als auf besonders interessante Prototypen aufmerk- 
sam machen. Nicht nur der überaus grosse Reichthum des Alter- 
thums an solchen Darstellungen, sondern auch der Umstand, 
dass christliche Künstler in heidnischen Götzenbild -Werkstätten 
arbeiteten ')> machen eine solche Nachbildung erklärlich und 
wahrscheinlich. Doch wird es dabei sein Bewenden haben 
müssen, dieselbe als eine rein äusserliche, formale zu fassen 
und auf das eine Beispiel in S. Priscilla zu beschränken, da die 
späteren Bilder einen veränderten Typus und eine Disposition 
haben, welche den antiken Darstellungen durchaus abgeht. 

Die ,,Imagines selectae'' lassen auf die eben besprochene 
Darstellung ein Gemälde in S. Domitilla (Fig. 2 5) folgen, 
welches nach der Ansicht des Herausgebers chronologisch an 
jene anschliesst. Diese Datirung ist indess, wie weiter unten 
nachzuweisen, zu verwerfen; die nächste Entwicklungsstufe illu- 
strirt vielmehr ein bereits durch ältere Publikationen bekanntes 
Fresko in der Katakombe S. Pietro e Marcellino an der Via 
Labicana (Fig. 24, n. 2 des Verzeichnisses). 

Die Jungfrau ist hier aus der Abgeschiedenheit des Fami- 
lienlebens herausgetreten; auf einem hohen thronartigen Stuhle, 
wie derselbe in den letzten Zeiten altchristlicher Kunst-Ent- 
wicklung für den lehrenden Christus hergerichtet wird, empfängt 
sie, den Knaben auf dem Schoosse haltend , die Huldigung der 
Magier. Eine an dem Halse eng anliegende weisse,, von zwei 
dunkelblauen Streifen (clavi) durchzogene Tunika mit geringem 
Faltenwurf reicht bis an die Knöchel ihrer nackten Füsse 
herab und schliesst an der linken Handwurzel mit einem weiten, 
an der rechten mit einem zusammengezogenen Aermel ab. Das 
Haupt ist unbedeckt, die Anordnung des über die Schläfen 
herunterfallenden und hinten zusammengenommenen dunkel- 
braunen Haares durchaus künstlerisch. Der Knabe zeigt ein 
frisches anmuthiges Kindergesicht. Er trägt gleichfalls eine 
weisse Tunika. 

Links und rechts von Mutter und Kind naht sich je ein 
Magier in der üblichen phrygischen Gewandung, Gaben herzu- 



*) Tert., De idolol., c. 8. 



R ALTCHBISTLICHBH KITHST. 



I gS MARIENBILDER DER ALTCHRISTLICHEN KUNST. 

tragend. Sie treten hier zum erstenmale in der altchristlichen 
Kunst auf. Die Dreizahl ist in der kirchlichen Literatur und 
Anschauung erst spät, wenn auch nicht erst zur Zeit Leo's 
des Grossen, zur Fixirung gelangt, und aus diesem Umstände 
allein lässt sich das numerische Schwanken in den Epiphanias- 
Darstellungen, das bis an das Ende des vierten Jahrhunderts 
andauert, erklären, nicht aber aus künstlerischen Motiven, 
aus dem Streben nach harmonischer Anordnung (de Rossi, 
S. 12). So bietet das Lateran -Museum allein vier Beispiele 
von einem, zwei und vier Magiern, die auf eine Seite neben 
Mutter und Kind geordnet sind. Die Graffitospuren aber auf 
einem gleich zu behandelnden Fresko in S. Domitilla, aus 
welchem de Rossi schliessen zu können glaubt, dass der 
Künstler anfänglich die Absicht gehabt habe, drei Magier dar- 
zustellen, dann aber um der Symmetrie willen zu der Vierzahl 
übergegangen sei, sind so verwischt und in ihrer Intention so 
unklar, dass ausgeschlossen wird, aus ihnen zu beweisen. Es 
ist endlich schwer denkbar, dass^ wenn einmal die Dreizahl 
kirchlich fixirt war, die Künstler noch zwei Jahrhunderte lang 
ihren eigenen Weg gegangen sein sollten, umsoweniger, da 
sie für harmonische Anordnung im Allgemeinen nicht fein- 
fühlig waren. 

Die Kleidung der Magier erscheint hier, wie gewöhnlich 
auf Fresken, um den Mantel vermehrt, welchen die Plastik, 
offenbar aus äusseren technischen Gründen, fast ausnahmslos 
zurückweist. 

Was den Gesammtcharakter des Bildes anbetrifft, so lässt 
sich nicht leugnen, dass die freie Ungezwungenheit, welche 
die Gruppe in S. Priscilla auszeichnet, hier einer reflek- 
tirenden Auffassung gewichen ist, und dass die traute Fami- 
lien -Scene sich in einen officiellen Akt gewandelt hat. Aber 
auf der anderen Seite wird diese Stufe der Entwicklung 
mit der ihr vorhergehenden durch einzelne Berührungen ver- 
knüpft. Die Züge von Mutter und Kind haben einen natür- 
lichen ungezwungenen Ausdruck: der verschämt zu Boden ge- 
richtete Blick der ersteren und das freie, offene Antlitz des 
Knaben wirken ausdrucksvoll neben einander. Auch das un- 
verschleierte Haupt der Jungfrau mit seinen edlen Linien und 



MARIENBILDER DER ALTCHRISTLICHKN KUNST. 



199 



die fein gezeichneten nackten Füsse bezeugen dem Künstler, 
dass die Entwicklung, in welcher die Kunst vorwärts ging, 
ihn noch nicht in dem Grade beeinflusste, um in ihm die 
Traditionen der Antike völlig ersticken zu können. So liess ihn 
auch sein inniges Verständniss für das Begehren und Wünschen 
einer Kinderseele von der evangelischen Erzählung darin ab- 
weichen, dass er die Schüsseln der Magier statt mit Weih- 
rauch, Gold und Myrrhen, mit einer Puppe und anderem 
kindlichen Spielzeug füllte. 

Den Eindruck des Ceremoniellen einer öffentlichen Hul- 
digung schliesslich schwächte er dadurch ab, dass er das Ge- 
sicht des einen Magiers dem Beschauer zuwendete. 

Die Behauptung, dass in dem Unverschleiertsein der Maria 
ein Hinweis auf ihre jungfräuliche Geburt liege — da die Jung- 
frauen der alten Kirche unverschleiert zu sein pflegten ^) — 
beruht auf einer Verwechslung von künstlerischen und dogma- 
tischen Motiven und lässt unbegreiflich, dass die Darstellungen 
einer spätem Zeit, in welcher die Kirche die jungfräuliche 
Geburt energischer betonte, Maria mit verschleiertem Haupte 
zeigen. Man müsste nach der genannten Ansicht das gerade 
Gegentheil erwarten. Auf einem gleichen Mangel an Verständ- 
niss für künstlerischen Takt beruht die Meinung Martigny's 
(Dict. Vetements, S. 786), dass die spätere Sitte, Maria mit 
Schuhbekleidung darzustellen, ein höher entwickeltes Anstands- 
gefühl dokumentire. 

Die Huldigung der Magier in S. S. Pietro e Marcellino be- 
zeichnet in der altchristlichen Kunstentwicklung den Punkt, 
wo alte und neue Auffassung der Jesus-Mariagruppe sich zum 
erstenmale berühren und mischen. Die in Aktivität tretenden 
neuen Einflüsse sind zwar noch nicht stark genyg, die leben- 
digen, durch die Macht ihrer künstlerischen Vollendung ge- 
stützten Elemente der bis dahin herrschenden Auffassung voll- 
ständig zu eliminiren, aber der Gesammtcharakter dieser syn- 
kretistischen Produktion, die jetzt in Thätigkeit tritt, trägt 
doch bereits entschieden das Gepräge einer mächtig aufdrin- 
genden neuen Strömung, die seit dem Ende des dritten Jahr- 



^) De Rossi, a. a. O., S. 20. 



200 



MARIENBILDER DER ALTCHRISTLICHEN KUNST. 



Hunderts die allein herrschende wird. 
Daher dürfte das Fresko den ersten 
Decennien dieses Jahrhunderts ange- 
hören, wie auch zwei Darstellungen in 
S. Domitilla und eine dritte ebenfalls 
in S. S. Pietro e Marcellino (n. 3, 4, 5 
d.Verz.),diedenselbenWiderstreit zweier 
entgegengesetzter Anschauungen zeigen. 

Die neue Richtung drängt rasch 
vorwärts; eine Magier- Huldigung (n. 6 
d. Verz.) in S. S. Trasone e Saturnino 
(Via Salaria nuova) zeigt sie im Besitze 
fast des ganzen Terrains: der Knabe 
wird ängstlich in die Gewandung ver- 
hüllt, über das Haupt der Mutter legt 
sich ein Schleier, und ihren Füssen 
wird das Suppedaneum untergerückt. 
Beider Antlitz nimmt einen Zug tiefen 
Ernstes an. Aber unbestimmte Reminis- 
cenzen an die alte Tradition schimmern 
auch hier noch durch , bis endlich die 
neue Auffassung ihren vollendeten Aus- 
druck findet in einem in S. Domitilla 
zwischen die Langseiten zweier Loculi 
eingeschobenen Fresko (Fig. 25; n. 7 
d. Verz.). 

Das Gemälde, welches etwas ge- 
litten hat, zeigt Maria auf einer Cathedra 
sitzend, in eine weite, von breiten 
dunkelgrünen Streifen durchzogene 
Dalmatika von gelber Farbe gekleidet. 
Das röthliche Haupthaar ist unter einem 
Schleier fast vollständig versteckt. Der 
rechte Arm erhebt sich halb zum Will- 
kommsgruss der Magier, wie auch 
Gesicht und Augen diesen und ihren 
Gaben zugewendet sind. In gleicher 
Richtung strecken sich die Arme und 



7>V> 



.F 



)\ 



I^^K 



\ 



■^5. 






N.£_tr> 






■•/A 



1 



V 



'A 



; 






■CT- 

V 



■©,-:- 




.^«■* 



MARIENBILDER DER ALTCHRISTLICHBN KUNST. 20I 

gehen die Blicke des Knaben , welchen eine lange, bis an die 
Knöchel reichende, straff angezogene Tunika mit engen Aermeln 
und mit Verzierungen von blauen und rothen Streifen und 
Stucken eng umschliesst. Zu dieser Gruppe tragen vier Magier, 
die links und rechts gleich vertheilt sind, auf grossen Schüsseln 
Gaben heran. 

Das Gemälde nimmt künstlerisch eine sehr tiefe Stufe ein. 
Die Zeichnung ist hart; die Magierpaare zu beiden Seiten der 
Mittelgruppe sind kaum mehr als Kopien. Faltenwurf findet 
sich nur selten und mager angedeutet, wodurch das Ganze 
ein schwerfälliges, unfertiges Aussehen erhält. Die Hände der 
Maria und des Kindes sind übergross und plump gebildet, die 
Füsse durch dicke Stoffschuhe unförmlich gemacht. Noch mehr 
trifft der Vorwurf der Unvollkommenheit das Kolorit. Für 
Harmonie der Farben scheint dem Künstler jedes Verständniss 
abgegangen zu sein: die Magier sehen wie mit zufälligen bunten 
Lappen behangene Faschings -Figuren aus, und die dicken 
grünen Streifen auf der gelben Dalmatika stechen von dem 
Untergrunde grell ab. Dazu ist das Kolorit herb, und der 
scharfe kupferfarbene Fleischton beleidigt das Auge. Der 
Schimmer stiller, seliger Mutterfreude , der jungfräulich ver- 
schämte Gesichtsausdruck ist ernsten, ausdruckslosen Zügen 
gewichen; aus dem Knabenbilde voll lieblicher Naivetät ist 
eine Kindesfigur mit altklugem Antlitz und räthselhaftem Aus- 
druck geworden. Dazu kommen noch die ceremoniell placirten 
Magier und die Scheidung der einzelnen Figuren durch Guir- 
landen, wodurch sich die feierliche pompöse Ausstaffirung des 
Bildes vollendet. 

Somit kann über das Alter des Gemäldes, speciell über 
das chronologische Verhältniss desselben zu der Darstellung in 
S. S. Pietro e Marcellino (Fig. 24) kein Zweifel sein, und man 
darf sich wundern, dass de Rossi dasselbe unmittelbar auf das 
Fresko in S. Priscilla folgen lässt. Dadurch wird eine bestimmte 
Entwicklungsreihe unterbrochen und ein Typus anticipirt, der 
das Aufkommen von Darstellungen wie n. 2, 3, 4, 5 d. Verz. 
unerklärlich macht. Das Bild leitet vielmehr in die Periode 
über, in welcher auch die Skulptur sich dieses Sujets zu be- 
mächtigen anfängt, d. h. es gehört dem Anfange des vierten 



202 MARIENBILDER DER ALTCHRI8TLICHEN KUNST. 

Jahrhunderts an. Dieser Zeit entsprechen auch die rohen 
Ornamentstücke, die sich auf den Wandflächen in der Nähe 
des Fresko's erhalten haben und diesem gleichzeitig sind. 

Den weitern Schritt auf dem Wege des Verfalles bezeichnen 
die Relief- Mariendarstellungen. Die Leistungsunfähigkeit der 
altchristlichen Bildhauerkunst tritt in keinem Sujet bemerk- 
barer hervor als in diesem. Aengstlicher Anschluss an die durch 
die Malerei gebotenen Muster, beharrliche Wiederholung des 
mühsam erworbenen Typus, Harte und Strenge der Form — 
das sind die Charakteristika dieser Produktionen, aus deren 
Höhenlage nur sehr wenige Exemplare, wie n. lo, 12, 16, 
heraustreten. 

Die Mehrzahl der Stücke zeigt Maria auf einem thron- 
•artigen Lehnstuhle mit Fussbank. Ein lang herabfallendes 
Kopftuch verhüllt Haar und Hals , und das über die Tunika 
geworfene Pallium reicht bis dicht an die Spitzen der beschuhten 
Füsse herab. Mit beiden Armen halt sie den auf ihrem Schoosse 
sitzenden, in Tunika gekleideten Knaben; ihr Gesicht, gerade- 
aus auf die Magier gerichtet, ist ohne Ausdruck oder durch 
ein grinsendes Lächeln entstellt. Der ganzen Figur fehlt Leben 
und Natürlichkeit. Vor ihr treten in geordnetem Zuge die 
Magier auf. Joseph ist beiseite, hinter den Stuhl gestellt und 
wird vorwiegend alt und bärtig gefasst, was beachtenswerth ist. 
Denn während das Fresko in S. Priscilla und auch ältere Reliefs 
Joseph als jungen Mann zeigen, wird von den letzten Decen- 
nien des vierten Jahrhunderts an, offenbar unter dem Einflüsse 
apokryphischer Schriften, wie der Historia Josephi (Tischen- 
dorf, Evang. apocr., S. 117), der entgegengesetzte Typus der 
vorherrschende und bald der ausschliessliche, und Joseph sinkt 
zu einer bedeutungslosen Nebenfigur, zu einer Staffage herab. 

Ein neues, durch den Relief- Cyklus eingeführtes Moment 
ist die Darstellung des in der Wiege ruhenden, von Ochs und 
Esel begleiteten Kindes. Maria sitzt in diesem Falle abseits 
auf einem Felsstücke (n. 10, i5, 3oa, 33). Das Vorhandensein 
von Ochs und Esel bezeugt den Einfluss einer ausserkanonischen 
Quelle, der auch bei dem unter n. 28 beschriebenen späteren 
Relief in S. Francesco zu Ravenna wirksam gewesen ist. Die 
Vervollständigung der durch die Fresken bereits überlieferten 



MARIENBILDER DER ALTCHRISTLICHEM KUNST. 2o3 

Magiergruppe durch Hinzufügung von Pferden oder Kameelen 
ist ein weiteres Symptom der schon mehrfach notirten Stellung- 
nahme der Bildhauerei zu den derselben vorliegenden Erzeug- 
nissen der Malerei. 

Die einzelnen Exemplare, sei es auch nur ganz allgemein, 
chronologisch zu ordnen, dürfte nicht möglich sein, da die 
Stilunterschiede zu unbedeutend sind. Reliefs wie n. lo, 12, 1 6 
mögen der Mitte des vierten Jahrhunderts nicht fernliegen, 
aber das Gros der Darstellungen gehört dem ausgehenden 
vierten und den ersten Decennien des fünften Jahrhunderts an. 
In diesem Zeitausschnitte ist in diesem Genre die Produktivität 
am grÖssten gewesen, wie sich aus dem Verzeichnisse ergibt. 
Der Grund hiefür lässt sich leicht aufzeigen. Die Formulirung 
des christologischen Dogmas, die Betonung und das Bekenntniss 
der ewigen Gottessohnschaft, welches aus dem wechselvollen 
Kampfe siegreich hervorging, mussten nothwendigerweise auch 
die Würde Derjenigen steigern, welche als Mutter des ewigen 
Gottessohnes erkoren war. ,,Je reicher sich die Herrlichkeit 
des Gottmenschen in dem kirchlichen Bewusstsein entfaltete, 
desto unwillkürlicher übertrug sich die Ehrfurcht vor ihm auch 
auf seine Mutter, die durch seine Empfangniss und Geburt den 
Akt seiner Menschwerdung vermittelt hatte, auf welchem doch 
sein ganzes Erlösungswerk ruhte." Und so darf angenommen 
werden, dass ein Theil dieser Reliefs, wenn auch nicht allein, 
so doch zugleich durch die Verehrung gegen sie motivirt sei. 
Unzweifelhafte Zeugnisse aber eines Marienkultus im eigent- 
lichen Sinne des Wortes sind erst die Darstellungen der Gold- 
gläser. Denn während sämmtliche bis jetzt in Frage gekom- 
menen Bildwerke, mit Ausnahme des sehr späten Reliefs von 
S. Francesco in Ravenna, die Jungfrau immer in Gemeinschaft 
mit ihrem Sohne zeigen, erscheint auf den Goldgläsern Maria 
ohne den Jesusknaben; die Pietät und Verehrung also, welche 
das betreffende Bild schuf, gilt ihr. Bei dieser Sachlage erscheint 
es werthvoU, für diese ersten monumentalen Zeugnisse der 
Mariolatrie genauere chronologische Daten zu haben. 

Seit Buonarruoti hat die Datirung der Goldgläser bedeu- 
tende Modifikationen erfahren. Während dieser dieselben aus- 
nahmslos dem dritten Jahrhundert zuwies, erweiterte Bianchini 



204 MARIENBILDER DER ALTCHRISTLICHEN KUNST. 

die Grenze bis Konstantin den Grossen, und Garrucci schliesslich 
erklärte die Mehrzahl der genannten Monumente für Werke 
des vierten Jahrhunderts. Ebenso und mit Anschluss an ihn 
Cavedoni *). 

Die Grenzlinie des vierten Jahrhunderts ist meines Wissens 
nie überschritten worden, im Gegentheil ist de Rossi von der- 
selben um einige Decennien wieder zurückgegangen ^). Der 
Charakter dieser eigenthümlichen Produkte christlicher Kunst 
drängt indess dazu, gerade in entgegengesetzter Richtung von 
den Resultaten Garrucci's sich zu entfernen. ' 

Die Goldgläser verzeichnen nämlich drei Märtyrer aus der 
diokletianischen Verfolgung: Marcellinus, Genesius und Lucas 
(Garrucci, Vetri, 2. Aufl., XIX, 3, 5, darnach auch in Folgendem 
citirt). Von diesen gehören die beiden Letztern Spanien an. 
Es ist aber schlechterdings undenkbar, dass in der grossen 
Zahl der Märtyrer jener Zeit sich vor Ablauf eines halben 
Jahrhunderts diese drei Männer zu einer solchen Anerkennung 
und Verehrung gelangt seien, dass die Goldgläser- Fabrikation 
sich ihrer bemächtigte und sie mit den längst berühmten und 
bekannten Namen der Apostel Paulus und Petrus, der heiligen 
Agnes u. A. zusammenschloss. Besonders gilt dies von den 
beiden Spaniern Genesius und Lucas, die nirgends in den 
Martyrologien besonders hervortreten. Auch die zahlreichen 
Kränze, welche auf den Goldgläsern den Zeugentod andeuten 
weisen auf eine Zeit hin, wo der Märtyrerdienst nicht erst 
anfing, sich zu entwickeln, sondern bereits in voller Blüthe 
stand , d. h. auf die zweite Hälfte des vierten Jahrhunderts. 
Vereinzelte Spuren ferner des Monogrammes ^ erscheinen zwar 
bereits seit den ersten Decennien des vierten Jahrhunderts, 
aber die reiche Anwendung desselben , die Verbindung mit 
a — cü, die Formen j^, ^ und andere Spielarten treten erst 
in der zweiten Hälfte des vierten Jahrhunderts oder am Anfange 
des fünften Jahrhunderts auf. Die letzten Ausläufer verlieren 



^) Buonarruoti, Osservaz., Prefaz., S. Xll f.; Bianchini, Demonstr. 
bist, eccl., t. I, p. II, S. 3o8; Garrucci, Vetri, S. IX f. und Storia delP arte 
crist., t. III, S. 65 ff.; Cavedoni, Osservaz. sopra alc. framm., Modena 
1859, S. 5. 

2) Bull. 1868, S. I ff.; R. S. III, S. 602. 



MARIENBILDER DER ALTCHRISTLICHEN KUNST. 20 5 

sich allmälig erst in den letzten Decennien des fünften Jahr- 
hunderts. 

In das fünfte Jahrhundert hinein führt ferner das Vor- 
kommen einer Marter- Scene (I, 3) und die Anwendung des 
Nimbus*). Nicht nur Christus trägt denselben (VII, 17; VIII, 
2, 7; XVI, 5; XVII, 6; XXIII, 4, 7), sondern auch die Apostel 
Petrus und Paulus (XIV, 6 ; vgl. auch die Kölner Glaspatene, 
deutsche R. S., S. 343), Maria (IX, 1 1), die heilige Agnes (XXII, 3), 
Hippolytus (?XXII, 5), Sixtus und Julius (XXV, i). Das sind 
untrügliche Indicien der zweiten Hälfte des fünften Jahrhun- 
derts, wenn nicht noch späterer Zeit. Dieser Periode entspricht 
auch das Vorkommen der Tonsur (XX, i), die überladene schwer- 
fällige Kleidung (XXX, i;XXII, 5, 6, 8; XXV), die gebundene 
stereotype Zeichnung, die besonders in den Parallelen (Xll, 3, 
4, 5; XIII, I, 3, 5, 6; XIV, i) hervortritt und die fratzenhaften 
Gesichtszüge, welche vielen dieser Bilder (XII, i, 2; XIII, 2; 
XVI, 2; XXVIII, 5; XXX, 2) eigen sind (vgl. auch den kahl- 
köpfigen Christus XVII, 2). Nicht nur das Gros der Sarkophag- 
Reliefs, sondern auch Fresken, wie die Abbildungen des Polycamus 
Sebastianus und Cyrinus in dem Kubikulum der heiligen Cäcilia 
(S. Callisto), welche den Restaurations-Arbeiten Sixtus' III. (erste 
Hälfte des fünften Jahrhunderts) angehören, zeigen einen weit 
bessern Stil als eine Reihe der Goldgläser. 



^) In S. Costanza in Rom (viertes Jahrhundert): Christus mit, die 
Apostel ohne Nimbus; in S. Pudenziana ebendaselbst (viertes Jahrhundert): 
Christus mit, Heilige und Engel ohne Nimbus; in S. Sabina (Anfang des 
fünften Jahrhunderts): Apostel und Engel ohne Nimbus; in S. Maria Mag- 
giore (aus derselben Zeit): Christus und ein Theil der Engel mit Nimbus. 
Maria und die Apostel ohne Nimbus; in einem Cambridger Codex frühe- 
stens aus dem Ende des fünften Jahrhunderts (Katalog Wanley n. 286) : 
Christus mit, Engel, Apostel und Maria ohne Nimbus; in S. S. Cosma e Da- 
miani in Rom (erste Hälfte des sechsten Jahrhunderts): Christus und die 
Engel mit, Petrus und Paulus ohne Nimbus. In der zweiten Hälfte dieses 
Jahrhunderts wird die Anwendung des Nimbus auch bei Aposteln und 
Heiligen allgemein. Auch de Rossi (Bull. 1868, S. 76) erklärt die Dar- 
stellung einer Heiligen mit Nimbus auf einer in Porto gefundenen, der 
zweiten Hälfte des fünften Jahrhunderts (oder dem sechsten Jahrhundert?) 
angehörenden Patene für das erste Beispiel dieser Art, freilich in Wider- 
spruch mit seiner Datirung der Goldgläser, welche auch die heilige Agnes 
mit Nimbus zeigen. 



206 MARIENBILDER DER ALTCHRISTLICHEN KUNST. 

Auch die Schriftzüge tragen vielfach den Stempel einer 
spätem Zeit. Die Buchstaben laufen breit und eckig aus, die 
Mittelstriche des M berühren nur selten die Fusslinie; der 
Bindestrich des A hat Würfelform und schliesst nicht an die 
beiden Schenkel an, das S lädt sich unförmlich dick aus und 
das N hat eine harte, rohe Gestaltung, Eigenthümlichkeiten, 
welche eine ganze Zahl von Goldgläsern von altern Fabrikaten 
mit guten Charakteren ablösen und als dem fünften Jahrhun- 
dert angehörig bestimmen. In den Kopien tritt dieser Unter- 
schied nicht so sehr hervor, wie denn überhaupt der künst- 
lerische Werth der Goldgläser nach den idealisirten Garrucci- 
schen Abbildungen nicht beurtheilt werden darf. Die Legenden 
endlich CRISTVS, ISTEFANVS, TEODORA, FILPVS, TOMAS 
deuten bereits auf den Uebergang in das Romanische. 

Diese Gründe drängen dazu, die Mehrzahl der Gold- 
gläser allerdings mit Garrucci dem vierten Jahrhundert zuzu- 
weisen, die Fabrikation aber eines Theiles der uns erhaltenen 
Exemplare in die Zeit von den Anfängen des fünften Jahr- 
hunderts bis circa 480 zu setzen. 

De Rossi hat bei Datirung der Goldgläser sich besonders 
auf den Umstand gestützt, dass dieselben tius den unterirdischen 
Grabanlagen stammten, diese aber seit dem Anfange des vierten 
Jahrhunderts mehr und mehr aufhörten, benutzt zu werden, also 
die Fondi d'oro nicht einer späteren Zeit angehören könnten. 

Es ist freilich unzweifelhaft, dass die Mehrzahl der Gold- 
gläser uns durch die Katakomben erhalten ist, aber die Pro- 
venienz vieler Exemplare ist durchaus nicht bekannt, und der 
Umstand, dass diese Fabrikate, wie zugestanden wird, sepul- 
kralen Zwecken von vornherein nicht bestimmt waren, zwingt 
dazu, auch die Möglichkeit offen zu lassen, dass der gegen- 
wärtige Besitzstand nicht ausschliesslich aus den unterirdischen 
Cömeterien beschafft sei. 

Erinnert sei in dieser Hinsicht an die Kölner Funde und 
an ein kürzlich in Aquileja zum Vorschein gekommenes Exem- 
plar^). Auch die in oberitalienischen öffentlichen und privaten 
Sammlungen anzutreffenden Fondi (z. ß. die an das britische 

^) JahrbOcher des Vereines fQr Alterthumsfreunde im Rheinland XXXVI, 
S. 128 f ; Bull, archeol. Triestino 1877. 



MARIENBILDER DER ALTCHRISTLICHEN KUNST. 2O7 

Museum übergegangene Kollektion Matarozzi aus Urbania) 
stammen schwerlich sämmtiich aus unterirdischen Grabanlagen. 
Aber selbst diejenigen Goldgläser, deren Provenienz aus Kata- 
komben gesichert oder wenigstens mit ziemlicher Sicherheit 
anzunehmen ist, sind damit noch nicht als den betreffenden 
Anlagen und Gräbern gleichzeitig erwiesen. 

Denn es steht fest, dass durch das ganze fünfte Jahrhundert 
hindurch und noch tief bis in das sechste Jahrhundert hinein 
die römischen Katakomben bei Gelegenheit von Heiligen- oder 
sonstigen kirchlichen Festen von der Bevölkerung aufgesucht 
und zum Schauplatz religiöser Feier gemacht wurden. Da nun 
aber ein grosser Theil der Goldgläser offenbar der Erinnerung 
an solche Festlichkeiten bestimmt ist (Deutsche R. S., S. 335 f.), 
so darf mit Sicherheit angenommen werden, dass bei solchen 
Gelegenheiten eine gewisse Anzahl derselben in den Katakomben 
deponirt worden sei. (Vgl. das gewiss auf einer allgemeinen Sitte 
beruhende Verfahren der Monica bei August., Conf. VI, 2; dazu 
August., Enarr. in Ps. LIX; Epist. XXIX ad Alyp. § 10. Paulin. 
NoL, Poema XXVI (XXXV) de Fcl. Carm. Nat. IX; Prudent., 
Peristeph. XI, i53 ff.) 

Was nun die Marien-Darstellungen der Goldgläser an- 
betrififr, so weist die Sammlung Garrucci's sechs Exemplare auf, 
mit der Legende MARIA oder MARA*). Fünfmal erscheint Maria 
als Orans, die Arme bald mehr, bald weniger erhebend (die 
schärfsten Gegensätze IX, 7 und IX, 6), und als solche zweimal 
IX, 6, 7) in Begleitung der Apostel Paulus und Petrus, in einer 
Stellung also, die auf den Goldgläsern vorwiegend Christus ein- 
nimmt (z. B. XII; XV, 3; XVIII, 4), ausserdem einmal der heilige 
Laurentius (XX, 7) und viermal die heilige Agnes (XXI, i, 3, 



1) Die IX, 8, 9 mitgetheilten Oranten können nicht in Frage kommen, 
da IX, 9 ohne die erklärende Legende ist, IX, 8 aber die Umschrift hat: 
DVLCIS . ANIMA . PIE . ZESES . ViVAS, wodurch jede Beziehung auf 
Maria ausgeschlossen wird. Ebensowenig kann die Orans I, 3 hier berücksichtigt 
werden. Garrucci, der in derselben Maria erkennt, stützt sich auf die der 
Orans vorhergehende Scene, die einen Mann zeigt, der die Hand zu einem 
Sonnenbilde erhebt. Diese Figur erklärt er für den Propheten Jesaia (ebenso 
de Rossi), der auf den Messias, die aufgehende Sonne, hinweise und zugleich 
auf die in dem anschliessenden Felde auftretende Jungfrau, die den Sohn 
gebären werde (a. a. O., S. 7 f. und Civilta catt., Serie V, t. I, S. 697). 



2o8 MARIENBILDER DER ALTCHRISTLICHEN KUNST. 

4, 6). Wenn man hierin eine besondere Auszeichnung zu 
erkennen geneigt ist, so findet sich dieselbe doch auch, und 
zwar Öfters der heiligen Agnes zuerkannt; diese letztere er- 
scheint sogar einmal zwischen Christus und Laurentius (XXII, 
6; XXII, 5 zwischen Vincentius und Hippolytus). Die Stelle 
der Apostel nehmen IX, ii zwei Baume und IX, lo (Fig. 26) 
zwei Bäume und zwei auf Säulen stehende Tauben ein. Auch 
hier ist hinzuzufügen, dass die heilige Agnes in derselben Um- 
gebung begegnet (XXI, 2, 5; XXII, 3, 4, 1,7). Tav. XXIl, 
2, 8 schliesshch zeigen Maria in Begleitung der Agnes, einmal 
(2) in ganzer Figur, das anderemal (8) in halber, in beiden 
Fällen aber zur Linken der Heiligen, 

Von diesen Darstellungen lässt sich mit Sicherheit IX, 1 1 
chronologisch bestimmen, weil hier Maria durch einen Nimbus 
ausgezeichnet erscheint. Die Behauptung de Rossi's (Bull. 1867, 

5. 44), dass diese Form des Nimbus der Maria bereits im 
vierten Jahrhundert zugetheilt werde, ist nicht begründet 
worden und stützt sich, wie es scheint, eben auf das hier in 
Frage stehende Beispieh Auch die Angabe der deutschen R. S. 

* 

(S. 224), „dass man zuerst dem Heiland, dann Maria mit den 
Engeln, ihnen zunächst den Aposteln und Evangelisten und 
endlich den übrigen Heiligen den Glorienschein zuerkannt habe", 
ist zu rectificiren. Die Entwicklung hat vielmehr (vgl. S. 2o5, 
Anm. i) den Gang genommen, dass zuerst Christus, dann die 
Engel, darauf die Apostel und Evangelisten und zuletzt Maria 
und die übrigen Heiligen mit dem Nimbus ausgezeichnet wur- 
den. Dieser letzte Schritt kann aber nicht vor der Mitte des 
fünften Jahrhunderts gethan worden sein, denn es lässt sich 
keine einzige Darstellung der Maria oder der Heiligen (aus- 
genommen natürlich Paulus und Petrus) nachweisen, die jenseits 

Aber die männliche Figur macht nicht einen Gestus des Zeigens, sondern 
des Befehlens, und zwar in sehr entschiedener Weise, kann also nur ent- 
weder Josua sein, welcher der Sonne Stillstand gebietet, oder Jesaia, der den 
Sonnenzeiger zurückgehen lässt. Auch ist undenkbar und beispiellos, dass 
der Messias unter dem Bilde der personificirten Sonne mit Strahlenkranz 
und Globus dargestellt werde. — Dagegen sind die oben angeführten sechs 
Darstellungen zweifellos Marienbilder, wenn auch damals MARIA bereits 
christlicher Name war (Boldett, S. 482, 647; de Rossi, R. S. III, tav. XX, 
55 und sonst). 



IST, 209 

dieser Grenze läge. Dadurch wird auch das Goldglas XI, 1 1 
zeitlich bestimmt, und dasselbe itann der durch die Monumente 
gestützten Regel umsoweniger entzogen werden, da hier Maria 
den Nimbus mit einer Gruppe von Heiligen theilt , welchen 
derselbe nach Übereinstimmendem Urtheil frühestens am Ende 
des fünften Jahrhunderts gegeben wurde. Auf die zweite Hälfte 
des fünften Jahrhunderts weist auch der Stil des Monumentes 
hin: die Zeichnung ist ungelenii, die hnke Hand zu gross und 
die rechte fehlerhaft. Die Augen haben einen mandelförmigen 




Schnitt und eine auffallend starke Pupille, Besonderheiten der 
spätem Madonnenbilder. 

Von diesem festen Punkte aus ist es nicht schwierig, die 
übrigen Marien -Darstellungen der Goldgläser chronologisch zu^ 
ordnen. Dass XXII, ü einer spätem Zeit als IX, [ i angehört, liegt 
klar: die kapuzenartige Kopfbedeckung weist bestimmt auf den 
Ausgang des fünften Jahrhunderts. Dagegen sind IX, 10 (Fig. 26) 
und IX, 6 aus älterer Zeit und dürften den ersten Decenniefi 



210 MARlEäNBILDBR DER ALTOHRIST LTCHEN KUNST. 

des fünften Jahrhunderts nicht fern liegen: die Gewandung ist 
geschickt disponirt, der Gesichtsausdruck mild und freundlich, 
und das volle lockige Haar künstlerisch geordnet. Mehr dagegen 
dem Stil von IX, ii nähern sich XXII, 2 und IX, 7 (mit über- 
ladener Gewandung und harter Zeichnung). Doch wie man 
sich im Einzelnen bei der Bestimmung des chronologischen 
Verhältnisses dieser Darstellungen zu einander entscheiden mag, 
die Thesis, dass dieselben der Zeit von cirka 430 bis 470 an- 
gehören, dürfte nicht zu erschüttern sein. Demnach ist es sehr 
wahrscheinlich, dass die Beschlüsse des Koncils von Ephesus 
und die denselben vorhergehende Kontroverse bei der Schöpfung 
dieser Marienbilder unmittelbar wirksam gewesen seien. Die 
Bäume in n. IX, 11 und die Bäume und Säulchen in n. IX, 10, 
zwischen welche Maria gestellt ist, bezeichnen, wie auch sonst 
in der altchristlichen Kunst, den Eingang des Paradieses und —- 
pars pro toto — dieses selbst. Daher findet man sehr häufig 
Verstorbene in dieser Umgebung ^), und nicht selten erwei- 
tert sich die Zweizahl der Bäume zu einem Bosquet oder 
wird durch Blumen und Zierpflanzen ersetzt 2). Die Tauben 
sind der Noah-Scene entnommen. Als Trägerinnen des friede- 
bringenden Oelzweiges specialisiren sie weiterhin das Paradies 
als Stätte friedevoller Ruhe. Offenbar also ist Maria hier als 
Diejenige vorgestellt, welche im Jenseits eine besondere Würde 
geniesst und durch deren Fürbitte der Zugang in das Paradies 
in gleicherweise erwirkt werden könne, wie durch die heilige 
Agnes und den Guten Hirten^). 

So leiten die Darstellungen der Goldgläser eine neue Epoche 
ein; sie sind die ersten monumentalen Zeugnisse des Marien- 
Kultus. Nicht mehr der Reflex, der von der Hoheit des mensch- 
gewordenen Gottessohnes, den ihre Arme tragen, ausgeht, gibt 
ihr den Glanz und die Feierlichkeit höherer Würde, sondern 
die Gottesmutter tritt jetzt für sich selbst Verehrung fordernd 
und geniessend auf. 



*) Aringhi I, 197; II, 45, 91 u. s. ö. Vgl. auch oben S. 70. 

2) Z. B. in dem bekannten Wandgemälde des Kubikulums der heiligen 
Soteris (deutsche R. S., S. 201) und häufig auf Mosaiken. 

3) Garrucci V, i, 3, 6; XXI, 2, 5; XXII, 3, 4; vgl. auch Aringhi I, 
187, 197, 23i, 33i, 327. 



MAHIENBTLDER DER ALTCHRISTLICHBN KUNST. 2 ! I 

In die durch die Goldgläser repräsentirte Entwicklung des 
Marien-Kultus tritt auch das bereits erwähnte Sarkophag-Relief 
aus Ravenna (n. 28), aus der Mitte des fünften Jahrhunderts, 
welches die Verkündigung darstellt, und das Graffito von 
S. Baume aus noch jüngerer Zeit (S. 179). Beide Darstellungen 
beruhen auf apokryphischen Quellen ^) und sind in dieser Be- 
ziehung interessant. 



Verzeichniss der altchrisilichen Marienbilder. 



I. Fresken. 

I. 

Fresko in S. Priscilla. 

Die unteren Partien des Bildes sind grösstentheils zerstört. Links steht 
eine jugendliche, unbärtige Gestalt in Pallium, mit unbedeckter rechter Brust 
und erhebt, nach rechts blickend, halb den rechten Arm in derselben 
Richtung. In der Linken hält sie eine Rolle. Sie wendet sich zu einer 
sitzenden Frau in Tunika und Kopftuch, die im Begriffe ist, einem nackten 
Knaben, der das Gesicht rückwärts wendet, die Brust zu reichen. Links 
über Mutter und Kind ein Stern. 

Bull, di archeol. crist. iSöS, S. 27; Imaginesselectae deiparae 
virginis, tab. 1; Garrucci, Storia dcU* arte crist., tav. 81, 2; Kraus, Roma 
sott., Tafel IV, i; oben S. 188, Fig. 23. 

2. 
Fresko in S. S. Pietro e Marcellino, 

Auf einem thronartigen Lehnstuhle sitzt nach links Maria in langer 
gestreifter Tunika und hält den bekleideten Knaben auf ihrem Schoosse. 
Ihre Füsse sind nackt, ihr Haupt ohne Schleier. Von links und von rechts 
naht sich ein Magier. Sie tragen phrygische Kleidung und in ihren Händen 
grosse Schüsseln mit Gaben, darunter eine Puppe. 

Imagines select., tab. V; Garrucci, tav. 58, 2; Kraus, R. sott., 
Taf. IV, 2; oben S. 196, Fig. 24. 



*) Dafür, dass die Verkündigung erfolgt sei, während Maria mit Spinnen 
beschäftigt war, wie das ravennatische Relief zeigt, weiss ich keine bestimmte 
Quelle anzugeben; wahrscheinlich ist jenes Moment individuelle Zuthat des 
Künstlers. Allgemeiner war die Vorstellung, dass der Engel zu Maria beim 
Wnsserschöpfen herangetreten sei. 

14* 



2 I 2 MARIENBILDER DER ALTCHRISTLICHEN KUNST. 

3. 
Fresko in S, Domitilla. 

Auf einem Lehnstuhle sitzt nach rechts gewendet eine weibliche 
Gestalt in Tunika und Palla, mit unverschleiertem Haupte und nackten 
FOssen. Sie hält auf ihrem Schoosse einen erwachsenen Knaben, welcher 
die Arme nach rechts halb ausgestreckt hat. Der rechte Theil der Wand- 
fläche, welcher die Scene vervollständigte, ist ausgebrochen. 

Bosio, S. 255; Aringhi I, 563; Bottari, t. 71; Garrucci a. a. O., 
t. 3o. 

4- 
Fresko in S, S. Pietro e Marcellino. 

Maria sitzt rechts, nach links gerichtet, auf einem Lehnstuhle. Sie 
trägt eine gestreifte langärmelige Tunika. Ihr Haupt ist unbedeckt, die 
FQsse, wie es scheint, nackt. Sie hält mit beiden Armen auf ihrem Schoosse 
den nackten Knaben. Links nahen sich drei Magier in phrygischer Kleidung 
(ohne Mantel) mit Geschenken. 

Bosio, S. 389; Aringhi II, 117; Bottari, t. 126; Garrucci, t. 55, 2. 

5. 
Fresko in S. Domitilla. 

Rechts sitzt Maria, nach links schauend, auf einem Lehnstuhle, in 
Tunika und Obergewand. Ihr Haar fällt lose herab. Sie hält mit den Händen 
den auf ihrem Schoosse sitzenden nackten Knaben und neigt sich leicht 
vornüber. Links drei Magier in phrygischer Kleidung (ohne Mantel) und mit 
Sporen. 

Bosio, S. 270; Aringhi, 1, 587; Bottari, t. 82, 2; Garrucci, 
t. 35, 2. 

6. 

Fresko in S. 5. Trasone e Saturnino. 

Rechts sitzt Maria, nach links gewendet, auf einem Stuhle mit Suppe- 
daneum. Sie trägt eine langärmelige Tunika und einen Schleier. Ihre 
FOsse sind nackt. Mit der Linken hält sie den auf ihrem Schoosse sitzenden 
Knabeti (in Tunika), die Rechte streckt sie nach den Gaben aus, welche 
die links aufziehenden Magier auf Schüsseln herbeitragen. 

Garrucci, t. 73, 2. 

7- 
Fresko in S. Domitilla, 

. Maria, halb links gewendet, auf einem Lehnstuhle. Sie trägt eine weite 
gestreifte Dalmatika und streckt den rechten Arm halb aus; mit dem linken 
hält sie den auf ihrem Schoosse sitzenden Knaben, der eine ähnliche Hand- 
bewegung macht. Von jeder Seite naht sich ein Paar Magier in vollständiger 
phrygischer Kleidung und mit Geschenken. 

Imag. select., tab. II; Garrucci, t. 36, i; oben S. 200, Fig. 25. 



MARIENBILDER DER ALTCHRISTLICHEN KUNST. 2 I 3 

8. 

Fresko in S. Sotere, 

Maria, in eine gestreifte Dalmatika gekleidet , rechts auf einem Throne, 
nach links blickend. Die Rechte streckt sie den drei Magiern entgegen, 
die auf Schüsseln ihre Gaben herbeibringen. Auf dem Schoosse der Maria 
der Knabe (sehr verwischt), wie es scheint, in Tunika. 

De Ros>si, R. S. t. III, tav. 8. 

9- 
Fresko in einem alexandrini sehen Cömeterium^). 

Darstellung der Hochzeit zu Kana. Im Vordergrund sitzend mehrere als 
TA IIAIAIA bezeichnete Personen, weiter zurück zwei fast gönzlich verwischte 
stehende Figuren. Neben derjenigen rechts die Inschrift: H AFIA MAPA. 

Bull, di arch. crist. i865, S. 6o; Kraus, R. S., S. ,252. 

II. Reliefs. 

10. 

Sarkophag- Relief aus S. 5. Pietro e Marcellino, Jet^t im Lateran- Museum. 

Rechts auf einem FelsstOcke sitzt Maria, halb nach rechts blickend. 
Sie trägt Tunika, Stola und Kopftuch und lässt die linke Hand leicht 
auf dem Felsstücke ruhen. ' Ihre Züge fein und sympathisch, Links Joseph 
und das in der Wiege ruhende Kind; daneben Ochs und Esel und drei 
Magier mit Gaben. 

Bosio, S. 63; Aringhi t. I, S. 296; Bottari, t, 22. 

II. 
Sarkophag-Relief. Ausgegraben in der Nähe von S. Costan\a im Jahre 1603, 

Im Lateran- Museum. 

Links sitzt Maria (in Tunika und Stola und mit Kopftuch) auf einem 
Lehnstuhle nach rechts und hält auf ihrem Schoosse den in Tunika ge- 
kleideten Knaben. Von rechts nahen sich drei Magier mit Kameelen; eben- 
daselbst auch Joseph, unbärtig. 

Bosio, S. 423; Aringhi, t. II, S. iSg; Bottari, t. i33*). 

1) Das Bild ist in vorhergehender Darstellung unberücksichtigt ge- 
blieben, weil die Figur, um die es sich handelt, so gelitten hat, dass nur 
noch die Umrisslinien erhalten sind, sich also nicht entscheidet! lässt, ob 
dieselbe dem ursprünglichen Gemälde (aus dem Ende des vierten Jahr- 
hunderts) oder der späteren Uebermalung (wahrscheinlich des sechsten Jahr- 
hunderts) angehört. 

2) Es ist zweifelhaft, ob in diesem Sarkophage des Lateran -Museums 
der von Bosio und seinen Nachfolgern an den verzeichneten Stellen repro- 
ducirte Sarkophag zu erkennen sei. Einige Differenzen sind vorhanden, aber 
mir scheinen dieselben nur als Ungenauigkeiten der Kopie zu beurtheilen 
zu sein. Indess lässt sich über diesen Punkt nicht mehr mit vollkommener 
Sicherheit entscheiden. 



214 



MARIENBILDER DER ALTCHRISTLIGHEN KUNST. 



12. 

Sarkophag-Relief, Im Lateran- Museum, 

Rechts Maria (Tunika, Stola, Kopftuch) auf einem Lehnstuhle mit 
Fussbank, nach links gewendet. Auf ihrem Schoosse in Tunika der Knabe. 
Links drei Magier mit Geschenken. Gute Arbeit, bei Bosio indess idealisirt. 

Bosio, S. 95; Aringhi, t. l, S. 327; Bottari, t. 38. 

Sarkophag- Relief aus S. S, Pietro e Marcellino, Im Lateran- Museum. 

Links Maria (Tunika, Stola, Kopftuch) auf einem Lehnstuhle mit 
Fussbank. Auf ihrem Schoosse der Knabe, nackt. Rechts drei Magier. 
Bosio, S. 99; Aringhi, I, 33i; Bottari, t. 40. 

14. 
Sarkophag- Relief, Von der Via Appia^). 

Links Maria (Tunika, Stola, Kopftuch) auf einem Lehnstuhle, nach 
rechts blickend. Auf ihrem Schoosse der Knabe in Tunika, Rechts die 
Magier, links hinter dem Stuhle Joseph mit leichtem Bartansatze. 

Bosio, S. 287; Aringhi, t. I, S. 6i5; Bottari, t. 85. 

i5. 
Sarkophag-Relief. Gefunden bei S, Sebastiano. 

Rechts sitzt Maria (Tunika, Stola, Kopftuch) auf einem FelsstQcke 
und blickt halb nach rechts (vgl. n. i). Links Joseph, bärtig und kahl- 
köpfig; neben der Wiege Ochs und Esel und die Magier. 

Bosio, S. 289; Aringhi, I, 617; Bottari, t. 86. 

16. 

Sarkophag-Relief. Im Lateran-Museum. 

Links Maria (Tunika, Stola, Kopftuch) auf einem Lehnstuhle, mit 
freundlichem nach rechts gewendeten Gesicht. Auf ihrem Schoosse der Knabe 
in Tunika. Rechts drei Magier. 

Sarkophag-Relief. Von der Via Appia, 

Rechts Maria (Tunika, Stola, Kopftuch) auf einem durchflochtenen 
Stuhle. Auf dem Schoosse hält sie aufrecht das in Windeln gewickelte Kind. 
Links drei Magier. 

Bosio, S. 588; Aringhi, II, 395; Bottari, t. 193. 

i) Bosio und seine Nachfolger geben S. Callisto an, aber bekanntlich 
verstanden diese Gelehrten darunter den ganzen Katakombenkomplex an der 
Via Appia, 



MARIENBILDER DER ALTCHRIS TLICHBN KUNST. 2 I 5 

i8. 
Sa rkophag' Relief, 

r.inks Maria (Tunika, Stola, Kopftuch) auf einem durchflochtenen 
Stuhle. Auf ihrem Schoosse steht der in Tunika gekleidete Knabe. Rechts 
drei Magier. 

Bosio, S. 93; Aringhi, I, 325; Bottari, t. 3j, 

19. 

Sarkophag-Relief. Im Lateran- Museum, Fragment, 

In der Mitte sitzt (nach rechts) Maria auf einem verhüllten F.ehnstuhle 
mit grossem Schemel. Kleidung: Tunika, Stola, Kopftuch. Auf ihrem 
Schoosse der Knabe (Kopf abgestossen). Rechts ein Magier; der zweite 
(für drei ist offenbar der Raum zu eng) ausgebrochen. 

20. 

Sarkophag- Relief. Im Lateran-Museum. 

Rechts Maria (Tunika, Stola, Kopftuch) auf einem durchflochtenen 

Lehnstuhle (nach links). Auf ihrem Schoosse steht nach vorn geneigt das 

Kind, gewickelt. Links drei Magier in schreitender Bewegung mit zwei 

Kameelen. 

20a. 

Sarkophag-Relief im Klosterhof von S. Paolo fuorile mura, Fragment, 

Dem vorigen ganz entsprechend. 

21. 

Sarkophag-Relief, Lateran-Museum. Fragment, 

Maria in Tunika und Stola auf einem Lehnstuhle. Der Kopf ist ab- 
gestossen, ebenso derjenige des Knaben, der auf ihrem Schoosse sitzt. 

22. 

Sarkophag-Relief, Im Lateran-Museum, Fragment, 

Maria (Tunika, Stola, Schleier) auf einem f.ehnstuhle. Der Kopf des 
Knaben, welcher auf ihrem Schoosse sitzt, abgestossen. 

2 3. 

Sarkophag- Relief. Im Museo Kircheriano, Fragment, 

Maria, nach rechts schauend, auf einem Lehnstuhle mit Suppedaneum. 
Kleidung: Stola und Pallium, letzteres zugleich als Kopftuch verwandt. Auf 
ihrem Schoosse, nach rechts blickend, in Tunika der Knabe. Rechts ein 
Magier (die übrigen ausgebrochen). Hinter denf Stuhle links Joseph, unbärtig. 

24. 

Sarkophag-Relief. Capitolinisches Museum. 

Rechts Maria auf einem Lehnstuhle. Kleidung wie oben. Auf ihrem 
Schoosse, in Tücher eingewickelt, der Knabe. Links, nach rechts schreitend, 
drei Magier. 



2 1 6 MARIENBILDER DER ALTCHRISTLICHEN KUNST. 

.25. 

Sarkophag-Relief in der Kathedrale \u Tolentino. 

Links Maria, auf einem Diphros mit kunstvollem Suppedaneum , in 
Tunika, Stola und Kopftuch. Auf ihrem Schoosse der Jesusknabe in Tunika, 
mit lockigem Haar. Rechts drei Magier. Gute Arbeit, 

Santini, Saggio delle mem. eccl. di Tolent. 1789, part. II, tav. 111, 

IV; Garrucci, t. 3o3. 

26. 

Sarkophag-Relief in Arles. 

Links sitzt Maria, wie es scheint, auf einem Felsstücke, halb nach rechts 
blickend, in Tunika, Stola und Kopftuch. Rechts Krippe mit dem Kinde. 
Im untern Felde drei Magier. 

Miliin pl. LXVI, 4; vgl. Clair, Les monuments d' Arles, S. 257. 

27. 

Sarkophag-Relief. In S. Vitale in Ravenna, 

Maria sitzt links mit übereinander geschlagenen Beinen auf einer Sella 
ohne Lehne. Sie hält mit nach vorn ausgestreckten Armen den Jesusknaben, 
welcher in Tunika und Pallium vorne auf ihren Knieen sitzt und den 
monogrammirten Nimbus hat. Kleidung wie oben. Links in der Höhe ein Stern. 
Rechts drei Magier. 

Ciampini, Vetera monim., t. 11, tab. lll G. und S. 7; Collection 
des photographies de Ravenne, n. 35. 

28. 
Sarkophag- Relief. In S, Francesco in Ravenna, 

Maria (in Stola und mit Kopftuch) sitzt links auf einem Schemel, nach 
rechts gerichtet, und hält in der halb emporgehobenen Linken einen Spinn- 
rocken (theilweise abgebrochen); in der Rechten (jetzt ganz ausgebrochen) 
hatte sie ohne Zweifel ursprünglich die Spindel. Vor ihr zu ihren Füssen 
steht ein rundlicher Korb mit Wollstreifen. Von rechts naht sich ihr ein 
beflügelter Engel, der den rechten Arm (jetzt abgebrochen) im Redegestus 
erhob. Das Monument gehört dem Anfange des fünften Jahrhunderts an; es ist 
die älteste Darstellung der Annunciation. 

29- 
Sarkophag-Relief in Ravello (bei Amalfi). Fragment. 

Rechts Maria auf einem Lehnstuhle. Kleidung wie oben. Auf ihrem 
Schoosse, das Jesuskind. Links drei Magier. 
Bull, di archeol. crist. 1868, S. 94. 

3o. 
Sarkophag in Syrakus aus der Katakombe S. Giovanni. Im Museum :[u Syrakus. 

In der Mitte des untern Feldes sitzt auf einem verhüllten Stuhle 
Maria (nach links). Kleidung wie oben. Auf ihrem Schoosse der Knabe (in 
Tunika). Links drei Magier. 



MARIENBILDER DER ALTCHRISTLICHBN KUNST. 



217 



Isidoro Carini, Annotazioni sul sarcof. rinvenuto in Sirac. (im Bull, 
della comm. di antich. di Sicilia i865 n. 5, tav. IV); Gazette arch^ol. 
5ieme livr., pl. 25; Revue archdol. D^c. 1877. 

3oa. 

Sarkophag-Deckel in Syrakus ') aus der Katakombe S. Giovanni. Im Museum 

\u Syrakus. 

Rechts Maria auf einem FelsstOcke sitzend, nach links blickend; links 
Joseph, und weiterhin das Jesuskind in der Wiege ruhend, daneben Ochs 
und Esel, sowie drei Magier mit Geschenken. 

Vgl. die Literatur unter n. 3o. 

3i. 
Sarkophag-Relief in der Basilica Ambrosiana in Mailand, 

Rechts sitzt, nach links gewendet, Maria auf einem FelsstQcke. Kleidung 
wie oben. Auf ihrem Schoosse, in Tunika, der Knabe (Kopf abgestossen). 
Links ein Hirte und drei Magier. 

Allegranza, Monum. crist. di Milano tav. IV; Ferrari, Monu- 
menti della basilica di S. Ambrogio, S. 100; Bull, di archeol. crist. 1866, S. 64. 

32. 

Sarkophag-Relief aus der Nähe von Sutri. Fragment. 

Maria sitzt links auf einem Lehnstuhle in Kleidung wie oben. Auf 
ihrem Schoosse der Knabe, hinler dem Stuhle Joseph (bärtig). Er legt die 
Rechte auf die Lehne desselben, mit der Linken hält er einen Streifen seines 
Gewandes. Ueber der Gruppe die Inschrift: HlC SITVS . . . 

Bull, di archeol. crist. i865, S. 27. 

33. 

Sarkophag- Relief im Lateran-Museum. Fragment. 

Links .Krippe, in welcher der gewickelte Jesusknabe liegt. Daneben 
Kopf eines Esels. Rechts auf einer natörlichen Erhöhung sitzend Maria mit 
Kopftuch und in Palla. Sie blickt nach links und stützt mit der rechten 
Hand das Kinn. Rohe Arbeit. 

34. 

Sarkophag-Relief in Ancona. In der Krypte der Kathedrale S. Ciriaco. 

Maria sitzt links, ihr Haupt mit dem linken Arme stützend, auf einem 
FelsstQcke. Kleidung wie oben. Ihr Gesichtsausdruck ist ernst. Rechts 
steht die Wiege mit dem gewickelten Knaben, daneben Ochs und Esel 
nebst Hirten. Von rechts nahen sich die Magier, mit Gaben. 



•) Dieser Deckel, der mit der unter n. 3o beschriebenen Area zusammen- 
geschlossen war, rührt von einem andern Künstler her und war für diesen 
Sarkophag ursprünglich nicht bestimmt. 



2 I 8 MARIENBILDER DER ALTCHRISTLl CHEN KUNST. 

III. Graffiti. 

35. 
Graffito lyi Lateran-Museum. 

Rechts sitzt (nach links) Maria auf einem durchtiochtenen Lehnstuhle, 
in Tunika inferior, mit blossen FOssen, in anmuthiger Haltung. Auf ihrem 
Schoosse der Knabe, nackt. Von links nahen sich drei Magier mit Gaben. 
Hinter dem Stuhle steht Joseph, jung, unbärtig, den rechten Arm nach links 
ausstreckend, den Magiern entgegen. Links die Inschrift: SEVERA IN 
DRO VIVAS. 

Museo Lateran. Pil. XIV, i; D' Agincourt, Sculpt. pl. VII, 
Perret, t. V, pl. XIL 

35 a. 

Graffito in S, Baume in Südfrankreich. 

Eine Jungfrau mit aufgelöstem, lang über die Brust herabfallendem 

Haar. Die Kleidung lässt sich schwer bestimmen; dieselbe scheint aus einer 

Tunika und aus einem Obergewande zu bestehen. Die Figur breitet betend 
die Arme aus. Ueber dem Haupte die Inschrift: 

MARIA VIRGO 
MINESTER DE 
TEMPVLO GEROSALE 

Gazette arch^olog., 4ieme livr. 1877, pl. 22 in Originalgrösse. 
Le Blant, Inscript. chr^t. de la Gaule, pl. 72, n. 433 (vgl. die ebenda- 
selbst Bd. II, S. 277 , verzeichnete ältere Literatur). 

lY. Fondi d'oro. 

36. 

Goldglas in der vatikanischen Bibliothek. 

Maria als Grans zwischen zwei Bäumen und zwei Tauben, die auf 
kannelirten Säulen stehen. Sie trägt Ohrringe, Halsband und Stola; auf 
dem Haupte eine Art Diadem. Ihre FOsse sind nackt. Ueberschrift: 

MARIA. 

Aringhi, t. II, S. 689; Perret, t. IV, pl. XX; Garrucci, Vetri 
tav. IX, n. 10; oben S. 209, Fig. 26. 

37. 

Goldglas, angeblich aus S, Agnese. 

Maria mit Halsschmuck und in Stola, steht, die Arme halb erhoben, 
zwischen Paulus (links) und Petrus. Ihr Haupthaar fällt lose herunter. Die 
FOsse sind nackt. Ueberschrift: 

PAVLVS MARIA PETRVS. 

Bianchini, Ad Anast. biblioth. II, 247; Garrucci a. a. O., tav. 
IX, n. 6. 



MARIENBILDER DER ALTCHRISTLICHEN KUNST. 2 IQ 

38. 

Goldglas. Original in der vatikanischen Bibliothek. 

Maria als Orans, mit Nimbus. Die Kleidung besteht, ausser in Stola 
und Pallium, in einem eng anschliessenden Ueberwurf ('xüiraootg?). Links 
und rechts ein Baum. Ueberschrift : 

MARA.' 
Garrucci, tav. IX, n. ii. 

39. 
Goldglas. Original im Museo Borgiano di Propaganda. 
Maria als Orans, zwischen Petrus (links) und Paulus. Kleidung: Tunika, 
Stola, Palla und Kopftuch. Ueberschrift: 

MARIA. 
Perret, t. IV, pl. XXXII, i; Gavedoni, Sacra imagine della b. 
verg. Maria; Garrucci, t. IX, n. 7. 

40. 
Goldglas. 

Maria in Tunika und Palla, in Begleitung der heiligen Agnes (links). 

Umschrift: 

ANNE MARA. 

Garrucci, tav XXII, n. 2. 

41. 

Goldglas. Original in Bologna. 

Brustbild der Maria, zusammen mit demjenigen der heiligen Agnes 
(links). Kleidung ähnlich wie oben. Sie trägt eine Kapuze. Umschrift: 

AGNES MARIA. 
Garrucci, tav. XXII, n. 8. 



VII. 

DAS GRAB DES PETRUS. 



I. Das Goemeterium Yaticanum. 

Dem Aventin gegenüber, aus der Ebene in der Nähe der 
Porta Portuensis aufsteigend, schiebt sich der Mons Janiculus 
nordwärts bis hart an den Punkt heran, wo der Tiber seine 
nordwestliche Richtung nach Osten abbricht, und fällt hier, 
gegenwärtig unter dem Namen Monte Vercelli, in eine Nie- 
derung ab, die, nach Norden offen, im Süden und Westen von 
den durch zwei schmale Thaleinschnitte durchbrochenen Höhen- 
zügen des Mons Vaticanus umrahmt wird. Die östliche Grenze 
der Ebene bildet das Tiberufer. 

Die in dieser Weise umschlossene Niederung stellt das 
Areal des Ager Vaticanus im engern Sinne dar, insofern 
nämlich dieser Name von Plinius^) auch auf die ganze nörd- 
lich anschliessende rechtsseitige Flussebene bis zur Feldmark 
von Veji ausgedehnt wird, und deckt sich ungefähr mit dem 
Gebiet der heutigen Cittä Leonina. Die Ebene war im Alter- 
thume als sumpfig und ungesund und als schlechtes Acker- 
land verschrieen 2) und blieb, während die in frühern Zeiten 
ebenfalls gemiedene rechte Flussebene längs des Janiculus 
gegen Ende der Republik mit Leuten niedern Standes sich 
bevölkerte und der verachteten Judenkolonie als Quartier 
angewiesen wurde, unbewohnt und ausserhalb des Stadt- 
umringes. Nur einige Töpfereien scheinen sich an den Abhängen 



1) Plin., Hist. nat. VIII, 5; vgl. Gellius, Noct. att. XIX, 7, i. 

2) Tacitus, Hist. II, 93; Cicero, De lege agr. II, 35; vgl. M art., VI, 92. 



DAS GRAB DES PETRUS. 221 

des Mons Vaticanus befunden zu haben*). Dagegen erscheint 
das Terrain bereits in der ersten Kaiserzeit von zwei kaiser- 
lichen Garten- und Villen-Anlagen okkupirt, von den unmittelbar 
an das Nordende des Janiculus anschliessenden „horti Agrip- 
pinae**, die der gleichnamigen Gemalin des Germanicus an- 
gehörten, und von den Gärten dtr Domitia („horti Domitiae"), 
der Vaterschwester des Nero, welche weiter nordwärts nach 
der grossen Flussebene zu lagen. Beide Landgüter sind durch 
umfangreiche Bauten ausgezeichnet worden, dasjenige der Domitia 
durch das Mausoleum des Hadrian, das andere durch den 
Cirkus, den der Sohn und Erbe der Agrippina, der Kaiser 
Cajus Caligula, herstellen Hess. Später kam diese letztere Be- 
sitzung an Nero, ebenso die Gärten der Domitia nach dem im 
Jahre Sg erfolgten Tode der Besitzerin. 

Die horti Agrippinae reichten Östlich mit einem Villenbau 
bis dicht an den Tiber heran ^), lehnten sich im Süden und 
Westen an die Abhänge der umschliessenden Höhenzüge und 
dehnten sich nördlich ohne Zweifel bis zu dem Landgute der 
Domitia aus, so dass Nero später beide Besitzungen vereinigen, 
und dieser Komplex den Namen Horti Neronis erhalten konnte. 

Was den von Caligula erbauten Cirkus anbetrifft, so bieten 
die bei dem Abbruche der alten Peterskirche im Jahre 1616 
entdeckten, von dem päpstlichen Baumeister Grimaldi ge- 
messenen und beschriebenen Mauerreste eine Reihe von An- 
haltspunkten, um die Lage und die Verhältnisse des Gebäudes 
zuerkennen. Wenn freilich allgemein anerkannt wird, dass die 
Angaben Grimaldi's zuweilen der Zuverlässigkeit entbehren, so 
können doch in Beziehung auf die innerhalb der alten Peters- 
kirche gelegenen nördlichen Mauerreihen des Cirkus weder die 
Masse des päpstlichen Baumeisters noch die Richtigkeit seiner 
Beobachtungen in irgend einer Weise in Zweifel gestellt werden. 
Seine hierauf bezüglichen Worte 3) sind : „Extremus Basilicae paries 

*) Juvenal., Satir. VI, 344. 

^) Seneca, De ira III, 18: „Modo Caius Caesar . . . adeo impatiens 
fuit differendae voluptatis, quam ingens crudelitas sine dilatione poscebat, 
ut in Xysto maternorum hortorum, qui porticum a ripa separat, 
inambulans" u. s. w.; vgl. Philo, De virt., t. II, S. 572, ed. Mangey. 

3) Bei Marti nein, Roma sacra, Romae i653, S. 843 f., nach dem 
Manuscripte der Vaticana. 



222 DAS GRAB DBS PETRUS. 

et duplex columnatum Sanctissimi Crucifixi et S. Andreae 
fundatum erat super tres magnos parietes Circi Caji et Neronis 
supradicti. Similis erat Circo Caracallae, qui hodie pro majore 
parte exstat; altis utrinque parietibus cinctus erat, ternis ab 
una parte, super quibus exstabant dictae naves Crucifixi et 
S. Andreae, et ternis ab altera, ubi nunc est coemeterium 
Campi Sancti .... Inter utrumque parietem spatium latum 
p. (palmis) XLII semis erat .... Horuni parietum postremum 
in Circum respicientem, dum terra fundementi Chori egereretur, 
mensurandum curavi. Altus erat paries ipse ab area palmis 
XXXI semis, latus p. XIV, fundatus p. XXX." Die rechte 
Aussenwand der Basilika also und die beiden Kolonnaden des 
nähern rechten Seitenschiffes (navis S. S. Crucifixi) ruhten auf 
den Mauern des Cirkus, während die übrigen durch die rechte 
Seitenlinie des Hauptschiffes nördlich abgeschnittenen Theile 
ausserhalb des Umfanges desselben fallen, mit Einschluss also 
des Apostelgrabes , welches da nach der durchaus zuverlässigen 
Angabe Alfarano's die Breite des Hauptschiffes 106 Palmi be- 
trug, von der äussersten Einfassungsmauer des Cirkus 53 Palmi, 
entfernt gewesen sein muss. Dieses Ergebniss ist für die weitere 
Untersuchung von Wichtigkeit. 

Ausser dem Cirkus besassen die vatikanischen Gärten zu 
Nero's Zeit ein für den Kaiser eigens eingerichtetes Privat- 
Theater^), dessen genaue Lage indess unbekannt ist. Vielleicht 
gehörten demselben die Mauertrümmer an, die unter Paul V. 
in der Nähe der Nordseite des Cirkus zum Vorschein kamen 2). 
Durch Inschriften 3) verbürgt ist ferner die Existenz eines 
Heiligthums des Kybele-Kultus mit den wahnwitzigen Mysterien 
der Taurobolia und Kriobolia; doch reichen die Anfänge dieses 
Kultus nicht in das erste Jahrhundert zurück. Ob auf dem 
vatikanischen Gebiete auch eine Naumachie gewesen sei, wie 
mittelalterliche Schriftsteller berichten*), scheint sehr zweifelhaft. 



*) Plinius a. a. O. XXVII, 19: „Theatrum peculiare trans Tiberim 
in hortis**; vgl. dazu die Anm. der Ausg. v. Sillig. 

^) SeveranO) Memorie sacre delle sette chiese di Roma, Roma i63o, S. 8. 

3) Orel li- Henzen nn. 2322; 2i3o; 2355; 6041; Burkhard!, Kon- 
stant, d. Gr., S. 222 ff. 

*) Mirabilia Urbis XX; Anastas., Leo III., S. 3o6, ed. Blanch.; 



DAS GRAB DBS PETRUS. 223 

Die im „Curiosum Urbis" unter „Regio XIV. Transtiberim" 
aufgezählten beiden Naumachien gehören doch wohl der Tiber- 
Ebene des Janiculus an. Jedenfalls haben wir keine altern Nach- 
richten über eine solche Anlage in der Niederung des Mons 
Vaticanus; höchstens könnte man einer Notiz des Aurelius 
Victor*) über Wasserwerke, die Philippus Arabs jenseits 6qs 
Tiber herrichten Hess, diese Beziehung geben, wie auch Preller 2) 
gethan hat. Keinesfalls aber darf man den Cirkus des Cajus 
und die Naumachie identificiren mit Berufung darauf, dass 
auch sonst „in den Amphitheatern Roms, die zu diesem Zwecke 
unter Wasser gesetzt werden konnten, Seegefechte veranstaltet 
wurden" (Lipsius, Quellen der römischen Petrus-Sage, S. io3); 
denn der vatikanische Cirkus gehört nicht in diese Kategorie. 

Das Gebiet der vatikanischen Gärten ist jedenfalls als eine 
durchaus private kaiserliche Besitzung zu betrachten, deren 
Einrichtung, wenn man von dem Cirkus und dem Theater ab- 
sieht, von den sonst genauer bekannten Villen- und Garten- 
Anlagen römischer Grossen ^j nicht verschieden gewesen sein 
wird. Seinen dauernden Aufenthalt hat Nero hier nie genommen; 
nur die Gelegenheit des Cirkusspieles und der Theater- Auf- 
führungen führte ihn her. Wir haben also anzunehmen, dass 
ausser dem Verwaltungs- und Dienstpersonal hier nur solche 
wohnten, denen kaiserliche Gunst es gestattete, wodurch die 
Gärten natürlich nicht den Charakter eines kaiserlichen Do- 
maniums und eines für das Publikum unzugänglichen Bezirkes 
verloren. Das furchtbare Ereigniss aber des grossen Brandes 
änderte für einige Zeit diese Verhältnisse. 

Im Jahre 64, in der Nacht vom 18. auf den 19. Juli, 
als sich der Kaiser gerade in Antium befand, brach in der 
Thalsenkung zwischen Palatin und Caelius in den Bretterbuden 



Paschal. S. 323; Acta S. Petri : „ad locuni , qui appelalur Naumachia, in 
Vaticano". Daher noch im 17. Jahrhundert für die S. Peregrino nachstgelegene 
Gegend die volksthQmliche Bezeichnung Almachia, Almaccia (Severano, 
a. a. O. S. 11). 

i) Aurel. Victor, De Caesaribus XXVIU. 

2) Preller, Die Regionen der Stidt Rom, S. 206. 

3) Vgl. Friedländer, Sittengesch. d. Stadt Rom, 3. Aufl., II, 25i f.; 
Wüstemann, Ueber die Kunstgdrtnerei der alten Römer, S. 19 f. 



224 ^^^ GRAB DBS PETRUS. 

am Circus Maximus das Feuer aus. Nero kam in Rom an, als 
die Flammen im Begriff waren, seine Lieblingsschöpfung, die 
domus transitoria auf dem Palatin zu ergreifen; seine An- 
strengungen, hier und sonst in der Stadt dem furchtbaren 
Brande Einhalt zu thun, waren erfolglos; das Unglück vollendete 
sich in seinem ganzen Umfange und stellte binnen Kurzem 
dem Cäsar viele Tausende von Menschen gegenüber, die ohne 
Brod und ohne Unterkommen waren und ohne Zweifel das eine 
wie das andere von ihm verlangten. So wurden denn unverzüg- 
lich die öffentlichen Gebäude den Obdachlosen geöffnet,; ebenso 
die vatikanischen Gärten, und in diesen wi'e auf dem Marsfelde 
erstand rasch eine flüchtige Barackenstadt (Tacit. Annal. XV, 39). 
In der Tragödie dieses grossen Brandes figurirt bekannt- 
lich als Schlussakt eine grausame Vergewaltigung an dem Leben 
der römischen Christen. Es ist nicht Aufgabe dieser Unter- 
suchung, die Angaben des Tacitus hierüber nach ihrer Genauig- 
keit und Glaubwürdigkeit im Einzelnen zu prüfen: fest 
steht, dass die vatikanischen Gärten des Nero der Schauplatz 
des Vollzuges der furchtbaren Marter wurden, welche der 
Kaiser über die Verhafteten zu verhängen für gut fand. Aus 
der Reihe der gewiss sehr zahlreichen Opfer hat die kirch- 
liche Geschichtsschreibung die Namen zweier bedeutender 
Männer des Urchristenthums bewahrt — des Paulus und des 
Petrus. Der römische Presbyter Cajus, am Ende des zweiten 
oder am Anfange des dritten Jahrhunderts, gibt zuerst die 
xpoTcaia derselben genauer an: ^Av O-eXiQoiu^ äiceX^etv Irel xöv Baxtxavov 
Yj Itc\ rJ]V 6S6v tyjv 'Oottav, eöpi^oet^ xä ipdreata xäv xaoTYjv ISpuoajJieviov rJjv 
lxxX-iQotav.(Euseb. bist. eccl. II, 28, 7). Es ist längst anerkannt, 
und wird weiterhin aus nachfolgender Untersuchung sich er- 
geben, dass tpoirata nicht die Begräbnissstätten, sondern die 
Richtstätten beider Apostel bezeichnet^). Als Begräbnissstätte 
des Petrus wird der campus Vaticanus zuerst im catalogus Fe- 
licianus (vom Jahre 53o) genannt mit den Worten: qui et 

1) Vgl. dazu Prudentius, Peristeph. hymn. XII, 1190 (S, bby f., 

ed. Migne): 

Seit Tiberina palus, quae lambitur propinquo 

Binis dicatum cespitem tropaeis. 

Et crucis et gladii testis, quibus irrigans easdem 

Bis fluxit imber sanguinis per herbas. 



DAS GRAB DE9 PETRUS. 22 5 

sepultus est Via Aurelia in templo Apollonis juxta 
locum ubi crucifixus est juxta palatium Neronianum 
in Vaticanum in territorio triumphali Via Aurelia. 
Diese topographischen Details sind sehr eigenthümlich. Was 
zuerst das templum Apollonis anbetrifft, so hat bereits 
Bunsen ') in dieser Bezeichnung das oben erwähnte Heiligthum 
der Kybele wiedererkannt, dessen Inschriften nicht selten den 
Ausdruck SOL INVICTVS haben, wodurch jene Umsetzung der 
Lokalität zu einem templum ApoUinis leicht veranlasst werden 
konnte. Von einem Apollo-Tempel auf dem vatikanischen Gebiete 
wird jedenfalls nirgends berichtet, und schwerlich hat dort je 
ein solcher existirt. Wie aber bereits bemerkt wurde, gehört 
das Kybele -Heiligthum erst der Zeit nach Nero an; jene Ver- 
wechslung kann also erst dann stattgefunden haben, als der 
Kultus selbst aufgegeben war, und in der nunmehr christlichen 
Bevölkerung nur noch eine ganz unbestimmte Erinnerung und 
Vorstellung von demselben fortdauerte, d. h. im Verlaufe des 
fünften Jahrhunderts, denn die Inschriften des Heiligthums reichen 
bis in das Jahr 390 herunter. Die Ortsbestimmung ferner in 
territorio triumphali ist unrichtig, denn das territorium 
triumphale, welches durch den Lauf der Via triumphalis bestimmt 
wird, lag weiter nördlich von der Confessio. Richtiger sagt Hiero- 
nymus (Catal. script. eccles. I): ^juxla Viam triumphalem'*. 
Die Via Aurelia nova ist nicht mehr genau zu 
fixiren; sie scheint über den pons Aelius, links an S. Peter 
vorbei, durch die Porta Cavalleggieri nach dem Meeresufer 
gegangen zu sein. Die heidnischen Grabdenkmäler, die im Borgo 
nuovo und vecchio, sowie auf dem Petersplatze, besonders an 
der linken Kolonnade früher entdeckt worden sind, gehörten 
wohl zum Theil ihr, zum Theil einer hier durchschneidenden 
Verbindungsslrasse zwischen Via triumphalis und Via Aurelia 
an. Sie scheint also doch in ziemlicher Entfernung von der 
Konfession des Petrus abgebogen zu sein, so dass die topo- 
graphische Angabe des Felicianus zum mindesten ungenau ist, 
auch wenn man mit Canina *'^) annehmen wollte, dass die 



^) Beschreibung der Stadt Rom, II, i, S. 24. 

3) Canina, Indicaz. topogr. di Roma axitica, Roma i85o, S. 600. 

SchnltEe, ArcliXologUche Studien. 15 



226 DAS GRA? DES FBTRUS. 

Strasse an der ganzen Südseite des Cirkus hingegangen sei 
und erst bei S. Marta den vatikanischen Hügel erstiegen habe. 
Genauer und richtiger gibt Prokopios (bell. goih. I, 19, 
S. 94, ed. Dind.) an: „. . . ttqv ts A5pY]Xtav, ^ vSv Ilstpoo xoö 
Tu>v ^piatoö ÄiroaxoXiuv xopucpaioo, £x6 tcou icXiqoiov xeipisvoo^ ^icü>yop.d^ ^ativ.*' 

Ein Gleiches gilt von der Bestimmung juxta palatium Nero- 
nianum. Wenn hier palatium die ganze neronianische Besitzung 
bezeichnet, so lag das Grab des Apostels doch nicht neben, 
sondern innerhalb derselben. Ist dagegen mit dem Ausdrucke 
ein bestimmtes Gebäude in den Gärten gemeint, so lässt sich 
aus den S. 221, Anm. 2, angegebenen Worten des Seneca, 
sowie aus dem Beinamen „in palatiolo", welchen die Kirche 
S. Michele am Nordabhange des Janiculus führt*), mit Gewiss- 
heit schliessen, dass die Gartengebäude nach dem Tiber zu 
sich befanden, also dem Cirkus östlich vorgelagert waren, 
weshalb auch Tacitus von einem „clausum valle Vaticana spa- 
tium'* (Annal. XIV, 14) sprechen konnte. 

Bei diesem Charakter der topographischen Angaben des 
Felicianus kann nicht zweifelhaft sein, dass in dem betreffenden 
Passus des Katalogs nicht die Reproduktion einer altern Quelle 
vorliegt, sondern eine topographische Konstruktion des sechsten 
Jahrhunderts, in welcher durch Häufung der Ortsbestimmungen 
eine gewisse Auktorität affektirt wird. Besonders bezeichnend 
aber ist die Nichterwähnung des vatikanischen Cirkus, dessen 
Reste, soweit sie nicht in die Basilika verbaut waren, doch 
erst seit Konstantin dem Grossen abgetragen und verschleppt 
sein können. 

Topographisch noch konfuser und ganz unentwirrbar ist die 
Notiz des Felicianus im Leben des Bischofs Kornelius: „Beati 
Petri apostoli accepit corpus beatus Cornelius epi- 
scopus et posuit juxta locum, ubi crucifixus est inter 
Corpora sanctorum in templum ApoUinis in monte 
aureo in vaticanum palatii Neronis.*' Ein Gleiches gilt von 
der Angabe der katholischen Akten des Petrus und Paulus, c. 84: 

,,6Ö^xav ahxby brth rJjv xepeßcvö-ov irX7]Otov xoö vaupia^^tou tu; xotcov xaXo6p.evov 

Baxtxavöv". Dazu die lateinische Version: „et posuerunt eum sub 



1) So hcisst auch das Nordende des Janiculus selbst Palatiolum, in 
alatiolo, in* Palacina (Severano a. a. O., S. 9 f.). 



DAS GRAB DES PETRUS. 



227 



terebinthum juxta naumachiam in loco, qui appellatur Vatica- 
nus"'). Was unter Terebinthe zu verstehen sei, ist schlechter- 
dings nicht niehr zu sagen; die Vorstellung des spätem Mittel- 
alters hievon (Platner-Bunsen, Beschreibung der Stadt Rom, 
II, I, S. 40) kann nicht in Frage kommen. 

Dass eine Naumachie auf dem vatikanischen Gebiete nicht 
nachweisbar sei, wurde bereits oben gezeigt. Daher identificirt 
auch Baronius (Annal. ad ann. 69, n. 18) die hier bezeichnete 
Naumachie mit derjenigen des Augustus am Fusse des Jani- 
culus. Uebrigens gehört auch diese Noiiz erst den katholischen 
Akten an, also frühestens dem fünften Jahrhundert 2). 

Die literarischen Quellen über das vatikanische Grab des 
Petrus können demnach, wo es sich um zuverlässige Zeugnisse 
für die anfängliche Beisetzung des Petrus im campus Vaticanus 
handelt, gar nicht in Betracht hommen^). Sie sind in einer 
Zeit entstanden, welche über jenen Punkt keine historische 
Ueberlieferung besass, aber Gründe hatte, den Ort, über 
welchem die vatikanische Basilika entstanden war, als die erste 
Begräbnissstätte des Apostelfürsten zu fixiren. Daher die Häu- 
fung der topographischen Notizen, mit welchen das Nicht- 
wissen maskirt wird. Es fragt sich, ob die monumentalen 
Quellen Zuverlässigeres bieten. 

Torrigio, Severano und Andere, besonders Bosio**) 
und neuerdings Settele in der neuen Ausgabe von Dionigi's 
„Grotte Vaticane" reproduciren den grÖssten Theil des ein- 
schlägigen Materials; ausserdem sind die Sammelwerke römi- 
scher Inschriften, welche christliche Tituli berücksichtigen, zu 
vergleichen. Pa es zu weit führen würde, diese Monumente 
einzeln anzuführen und chronologisch zu fixiren, so bemerke 
ich nur, dass nach dem einstimmigen Urtheile ernster Forscher 



*) Tischendorf, Acta apostol. apocrypha, Lpz. i85i, S. Sy (die lat. 
Version, der sog. Marcellus bei Thilo, Acta Petri et Pauli, Halle i838). 

2) Lipsius, Die Quellen der röm. Petrus-Sage, S. 102; vgl. S. 54 f. 

3) Lipsius, Chronologie, S. 49fF. ; die Quellen der röm. Petrus-Sage, 
S. 95 ff. 

*) Torrigio, Le sacre grotte vaticane, 2. Aufl., Roma löSg; Seve- 
rano, Memorie sacre delle sette chiese di Roma, Bd. I; Bosio, R. S. 
S. 3i — 109. 

15* 



228 DAS GRAB DES PETRUS. 

dieselben fast in ihrem ganzen Umfange — die Ausnahmen 
berühre ich gleich — der konstantinischen und nachkonstan- 
tinischen Zeit angehören*). Ich berufe mich in Beziehung auf 
dieses Urtheil namentlich auf de Rossi (Bull. 1872, S. 19 f.). 
Diejenigen Denkmäler, für welche ein höheres Alter be- 
ansprucht wird, sind nach de WaaP) folgende: 

1. Eine in einem vatikanischen Grabe gefundene Zange. 
Dazu bemerkt de Waal; „Nun aber pflegten die alten Gläubigen 
nicht nur aussen am Grabe eines Märtyrers Inschriften und 
Bilder anzubringen, welche das Grab als Märtyrergrab kenntlich 
machten^), sondern man gab auch gerne, wo es möglich war, 
dem Blutzeugen die Instrumente selber, durch die er gemartert 
worden war, mit in die Gruft. . . So ist also auch jene in 
dem vatikanischen Grabe gefundene Zange ein solches Märtyrer- 
Werkzeug. . . Daraus folgt, dass der Todte, um nicht mehr 
zu sagen, jedenfalls in der vorkonstantinischen Zeit hier 
beigesetzt ist" (S. 14 f.). 

Gegen diese Beweisführung hat bereits Kraus (Theol. 
Literaturblatt 1872, n. 21) bemerkt, dass es immerhin zweifel- 
haft sei, ob die betreffende Zange als Märtyrerwerkzeug in 
dem Grabe deponirt wurde. In der That finden sich in Verein 
mit andern Werkzeugen Zangen nicht selten in antiken Gräbern, 
und die in dem vatikanischen Grabe entdeckte, von Bosio ge- 
zeichnete entspricht genau den sonst bekannten Exemplaren. 
Ueberhaupt aber ist die Behauptung, dass die alte Kirche die 
instrumenta suplicii zu den Todten in das Grab zu legen ge- 
pflegt habe, bis jetzt noch nicht erwiesen 4). 

2. „In den Jahren i5g6 und 1607 entdeckte man weiter- 
hin . . . eine Anzahl von Sarkophagen aus gebranntem Thon 
und fand zudem in einigen derselben Blutampullen. Um von 



1) Die datirten Inschriften sind aus den Jahren 352, SSg, 369, 38o, 382, 
384, 391, 403, 411, 412, 432, 435, 462, 493, 496, 5o2, 5 II, 5i6, 523, 532» 
536, 563, 578. Indessen sind unter diesen mehrere nicht cömeteriale Tituli» 

') De Waal, Des Apostelfürsten Petrus glorreiche Ruhestatte, Regens- 
burg 1871. 

^ In Wirklichkeit gibt es weder eine Märtyrer-Darstellung, noch eine 
Märtyrer-Inschrift aus vorkonstantinischer Zeit. 

*) Zeitschr. f. Kirchengesch. 1879, S. 278 f. 



DAS GRAB DES PETRUS. 



229 



den letztern abzusehen, da die Frage über diesen Gegenstand 
noch nicht ihre volle Lösung gefunden hat, so ist es bekannt, 
dass die Anfertigung von Särgen aus Terracotta zur Zeit 
Konstantin's nicht mehr üblich war'' (a. a. O. S. 1 5). Und 
dazu die Anmerkung: „Nach de Rossi (Bull. i865, S. 38) hörte 
der Gebrauch derselben gegen das Ende des zweiten Jahr- 
hunderts auf." 

Diese Beweisführung, die auch Kraus vertritt, ist nicht 
haltbar. In einer kleinen Katakombe des vierten Jahrhunderts 
in der Nähe von Prata (Provinz Avellino) habe ich zwei Terra- 
cotta - Sarkophage gefunden, deren einer die Inschrift 

S 
lOA : DOM : 

jrägt, welche sogar in das fünfte oder sechste Jahrhundert führt. 
Ebenso hat das CÖmeterium S. Sebastiano bei Rom, dessen 
Ursprung in konstantinischer Zeit feststeht (vgl. S. 347), einen 
Terracotta -Sarkophag (das Fragment im Klosterhofe daselbst) 
geliefert. Die Verwendung also eines Terracotta-Sarkophags ent- 
scheidet an sich noch nicht für ein hohes Alter des betreffenden 
Cömeteriums. 

3. Der in der Nähe der vatikanischen Basilika gefundene 
Titulus: 

D (Kranz) M 

IX0TC ZflNTflN 

(Fisch) (Anker) (Fisch) 

LICINIAEAMIATIBE 
NEMERENTIVIXIT 



Was zuerst den genauem Fundort anbetrifft, so berichtet 
Marchi, dass das Monument an dem Hügelabhange hinter 
S. Peter auf dem Terrain eines gewissen Vanutelli gefunden 
worden sei, d. h. also in einer solchen Entfernung von dem 
Apostelgrabe, dass entweder die Zugehörigkeit desselben zu 
diesem zu verneinen, oder aber auf dem vatikanischen Gebiete 
die Existenz eines umfangreichen Friedhofes anzunehmen ist. 
Dieses letztere aber wird durch die Spärlichkeit der auf diesem 
Boden zum Vorschein gekommenen Monumente entschieden 
ausgeschlossen. Ausserdem ist die^dortige Boden beschaffenheit 



2 3o DAS GRAB DES PETRUS. 

der Anlage unterirdischer Bauten ausserordentlich ungünstig. 
Die Anstrengungen des Damasus, von der Krypte des Petrus 
und den umliegenden Gräbern das eindringende Wasser fern- 
zuhalten, sind aus einer in S. Pietro jetzt noch erhaltenen 
Inschrift (Kopie bei Kraus, R. S., S. 388) bekannt. So ist es 
mehr als wahrscheinlich, dass jeqer Titulus einem besonderen 
kleinen CÖmeterium angehört habe. Doch wichtiger ist die 
Frage, wie das Monument chronologisch zu fixiren sei. Das 
D • M • wird zwar vom Anfange des dritten Jahrhunderts an 
selten, aber ebenso steht fest, dass die Sigla vereinzelt auch noch im 
vierten Jahrhundert zur Anwendung gekommen ist. Das Symbol 
des Fisches ferner tritt zwar besonders häufig im zweiten und 
dritten Jahrhundert entgegen und blüht von da an ab, aber wie 
eine datirte römische Inschrift aus dem Jahre 400 und mehrere 
Tituli des vierten Jahrhunderts beweisen, hat der Gebrauch 
dieses Symbols die konstantinische Zeit überdauert. Gallische 
Inschriften zeigen bis zu dem Jahre 474 den Fisch '). Während 
demnach das Epitaphium kein Indicium hat, das demselben 
ein hohes Alter unbedingt sichere, weist andererseits der Um- 
stand, dass zugleich mit demselben Monumente, aus später 
Zeit, darunter ein Titulus mit dem Datum 352, gefunden 
wurden, darauf hin, dass wir hier ebenfalls ein Denkmal des 
vierten Jahrhunderts haben. Auch die ziemlich guten Schrift- 
cliaraktere können gegen diesen Schluss keine Instanz bilden, 
da aus der vom zweiten Jahrhundert an absteigenden Linie 
nicht selten einzelne Beispiele heraustreten. Also ist man zum 
mindesten nicht berechtigt, die Inschrift als Zeugniss für den 
vorkonstantinischen Ursprung des betreffenden Cömeteriums 
anzurufen. Und doch liegt jenem Verfahren ein richtiges 
Moment zu Grunde. Aus einer genauen Prüfung nämlich des 
Titulus ergibt sich, dass derselbe die Spuren zweier Epochen 
trägt, genauer, dass die Worte IX0TC ZßNTflN von christ- 
licher Hand nachträglich einer heidnischen Inschrift hinzu- 
gefügt sind. 

Bei der Voraussetzung, dass die genannten Worte der 
ursprünglichen Inschrift angehören, und dass ebenso die Fische 



^) Le Blant, Manuel d*£pigr. chr^t., S. 37. 



DAS QRAB DES PETRUS. 23 I 

und der Anker von dem Künstler in der Bedeutung graffirt 
wurden, welche dieselben in der christlichen Symbolik haben, 
ist es schon schwer denkbar, dass mit diesem energischen christ- 
lichen Bekenntnisse, das aus dem Geleise des Gewöhnlichen 
durchaus heraustritt (die Inschrift IX0TC ZßNTON findet sich 
sonst nicht), das D- M* in Verbindung mit dem auf heidnischen 
Epitaphien ungemein häufigen bebänderten Kranze verknüpft 
sein sollte, und zwar noch dazu in der Weise, dass die Sigla 
des Heidenthums die hervorragendste Stelle erhält. Auch ergibt 
das Dazwischentreten des IX0TC ZßNTßN eine AnfüUung des 
einleitenden Theiles der Inschrift, die beispiellos ist. Vor Allem 
aber entscheidet ein Vergleich der ßuchstabenformen, dass die 
Worte IX0TC ZONTßN eine spätere Zuthat sind. X, C, N, T 
weichen in den getheilten Inschriften durchaus von einander ab, 
und, als Ganzes beurtheilt, steht das glatt und sauber ausge- 
führte IX0TC ZßNTflN in einem .scharfen Kontrast zu der 
weit weniger sorgfältig gemeisselten untern Inskription. End- 
lich sei noch auf die Form des Monumentes, welche an 
die Verschlussplatten der Urnenkassetten erinnert, aufmerksam 
gemacht. 

Auf Grund dieser Erwägungen erkenne ich in den Worten 
IX0TC ZßNTßN die spätere Zuthat einer christlichen Hand, 
veranlasst durch die Figuren der Fische und des Ankers, welche 
bekannte christliche Symbole sind, aber auch auf heidnischen 
Epitaphien sich finden, als Erinnerungszeichen an die gewerb- 
liche Thätigkeit des Verstorbenen oder seiner Familie, oder in 
Anspielung auf seinen Namen*). Dieser Zusatz aber kann erst 
in einer Zeit gemacht worden sein, wo man sich ungestraft 
heidnische Epitaphien aneignen konnte, d. h. im vierten Jahr- 
hundert, wohin auch, wie bereits bemerkt wurde, die mit 
diesem Titulus gefundenen Monumente weisen. 

Das Monument hat bei den Christen natürlich nicht 
als Epitaph gedient, sondern als Verschlussplatte eines Lo- 
culus. Daraus erklärt sich auch wohl, dass unten ein Stück 
der Tafel abgeschlagen ist. 



^) Letzteres scbeint mir hier der Fall zu sein, da AMIATI ohne 
Zweifel auf amia, amia s (ß^ua ä\ua^\ „Thunfisch" zurückgeht. 



232 DAS GRAB DBS PETRUS- 

4. „Von noch höherm Alter ist' der nahe beim Apostel- 
grabe des heiligen Petrus gefundene, jetzt in Paris befindliche 
Sarkophag der Livia Primitiva" (de Waal a. a. O.). 

Der in PVage stehende Sarkophag ist an der Vorderwand 
mit Strigiles bearbeitet, in welchen eine Tafel geebnet ist. Diese 
trägt die sehr schön und korrekt ausgeführte Inschrift: 

LIVIA NICARVS 
LIVIAE PRIMITIVAE 
SORORI FECIT 
Q- V- AN- XXIIII- M- Villi 

Darunter sind folgende Darstellungen graffirt: Links ein 
Fisch in vertikaler Richtung , in der Mitte ein Hirt in kurzer 
Tunika, von zwei Schafen begleitet, die zu ihm aufblicken, 
ein drittes trägt er auf der Schulter; an der rechten Seite 
ein Anker. 

ßosio, welcher das Monument zuerst mittheilte (R. S., 
S. 89) '), bringt dasselbe unter der ganz allgemeinen Rubrik: 
„Sarcofagi duo marmorei in Vaticano reperti'*, und so ist denn 
der genauere Fundort bis heute unbekannt geblieben. 

Die vortreffliche Ausführung der Inschrift hat zuerst Rei- 
nesius (Inscript. antiqu., S. 785, n. 8) veranlasst, den christ- 
lichen Ursprung derselben in Frage zu stellen; nach ihm sind 
Sarkophag wie Inschrift heidnisch; die Embleme dagegen seien 
später, als das Monument in christlichen Besitz und Gebrauch 
überging, hinzugefügt worden. Gegen diese Konjektur hat 
Bottari (Sculture e pitt., Bd. I, S. 140) mit Recht bemerkt, 
dass in diesem Falle das Zusammendrängen der Inschrift auf 
den obern Theil der Tafel und das Freilassen des untern Theiles 
unbegreiflich bliebe. Den Neuern gilt das Monument mit allen 
seinen Details allgemein als christlich. Trotzdem, glaube ich, 
liegt der Konjektur des Reinesius eine richtige Beobachtung zu 
Grunde. Denn wenn es Thatsache ist, dass erst seit dem Ende 
des dritten Jahrhunderts Sarkophage mit christlichen Emblemen 
begegnen, die Inschrift des vatikanischen Sarkophags aber einer 
mindestens ein Jahrhundert zurückliegenden Periode angehört 



1) Neuere und bessere Abbildungen im Bull, di archeol. crist. 1870, 
tav. V; Garrucci, Storia delT arte crist., tav. 297. 



DAS GRAB DES PETRUS. 233 

(de Rossi, Bull. 1870, S. Sg), wie mit ziemlicher Gewissheit 
behauptet w^erden kann, so ist in der That keine andere 
Lösung gegeben, als eine ähnlich derjenigen, welche Reinesius 
vorschlägt. Aber auch der Einwurf Bottari's wird nicht un- 
berücksichtigt bleiben dürfen. 

Es ist bekannt, dass die antike Kunst das Bild des ein 
Schaf tragenden Hirten ebenso wie die christliche besessen hat 
(S. 67). Was aber das hier in Frage stehende Graffito an- 
betrifft, so wird dasselbe durch zwei Eigenthümlichkeiten 
bestimmt als nicht -christlich erwiesen. Auf den christlichen 
Monumenten hält der Hirte das Schaf entweder mit beiden 
Händen oder mit einer Hand an zwei oder allen vier Beinen 
fest, oder das Thier liegt, ohne überhaupt gehalten zu werden, 
auf der Schulter ^), was in Wirklichkeit freilich eine Unmöglich- 
keit ist. Auf dem Sarkophage der Livia Primitiva aber hält 
der Hirt mit der Rechten die Hinterbeine des Schafes und 
umfasst mit der linken Hand den ganzen Hinterkörper, was in 
den so zahlreichen Darstellungen des guten Hirten sich nirgends 
findet. Ebenso ist in der christlichen Kunst beispiellos, dass die 
den Hirten umstehenden Widder mit den Geschlechstheilen 
abgebildet werden. In den neapolitanischen Katakomben finden 
sich zwar Fresken, welche Hirsche mit stark verlängertem 
Phallus zeigen, aber diese Gemälde sind blosse Ornament- 
stücke und Kopien heidnischer Muster; hier aber handelt es 
sich um eine allegorische, religiöse, specifisch christliche Dar- 
stellung. In solchen Fällen hat die altchristliche Kunst mit der 
entschiedensten Rigorosität das an sich Obscöne und Alles, was 
leicht obscön gewendet werden konnte, abgewiesen. Will man 
also hier nicht eine Ausnahmedarstellung anerkennen, so wird 
man sich dem Schlüsse nicht entziehen können, dass der Hirt des 
vatikanischen Sarkophag-Graffito's eine heidnische Darstellung sei. 
Diese Argumentation erhält eine entscheidende Bestätigung 
dutch die auch einem weniger geübten Auge leicht erkennbare 
Stilverschiedenheit, welche zwischen der mittlem Gruppe und 
den Seiten -Emblemen obwaltet. Die Mittelgruppe hat eine 
elegante Zeichnung und ist, wie sonst kein einziges altchrist- 



*) Bott., t. 3i, 55; Garrucci a. a. O. I, tav. 38. 



234 ^^^ GRAB DES PETRUS. 

liches Graffito, sorgfältig und sachverständig schattirt. Fisch 
und Anker aber haben unsichere Umrisslinien und gar keine 
Schattirung; der eine Arm des Ankers ferner ist unrichtig 
verkürzt, ein Fehler, der dem Verfertiger des Mittelgraffito's 
nicht wohl zuerkannt werden kann. Auch sind die Linien der 
Nebengruppen viel tiefer eingeschnitten als die des Hauptbildes, 
und jene treten in die geschmackvolle Anordnung dieses störend 
herein. 

Bei dieser Sachlage wird der Hirt des Sarkophags der 
Livia Primitiva als ein heidnisches Werk anzusehen und 
der Reihe jener Scenen des Hirtenlebens einzufügen sein, für 
welche die antike Skulptur und Malerei zahlreiche Beispiele 
bietet. Besonders ein von Bellori^) mitgetheiltes Fresko eines 
römischen Grabes ist als Parallele interessant 2). 

Heidnische Gräber auf dem vatikanischen Gebiete, genauer 
auf dem Petersplatze, wo wahrscheinlich eine Verbindungs- 
strasse zwischen Via triumphalis und Via Aurelia durchschnitt, 
hat Bosio selbst verzeichnet; er bemerkt ausdrücklich, dass 
ausser Inschriften auch reliefirte Sarkophage dort zum Vor- 
schein gekommen sind^). Aus Lampridius^) ferner ist bekannt, 
dass Heliogabal bei der Erweiterung des vatikanischen Cirkus 
eine Anzahl Gräber zerstören Hess. Dem entspricht, dass heute 
noch in der Krypte der Peterskirche ein antiker Sarkophag 
sich befindet, den ohne Zweifel das umliegende Terrain geliefert 

1) Bellori, Pictur. ant. sepulcr., Romae lySo, lav. III, 6 d. Anhanges. 

3) Jene Zeilen waren bereits niedergeschrieben, als Herr Berger, 
Secretär der theologischen Facultät in Paris, auf meine Bitte den Sarkophag 
auf diese Frage hin zu untersuchen unternahm. Derselbe theilte mir darauf 
mit: ,,Sans oser me prononcer sur la grande question de savoir si le poisson 
et Tancre sont postdrieurs au bon pasteur et aux deux b^liers, je remarque 
neanmoins que Tancre et le poisson paraissent moins finement dessinds et 
gravis; l'ancre surtout est boiteuse, et se place assez maladroitement derriöre 
un des b^Iiers. Je ne serais donc pas opposd a votre hypoth^se.** 

3) Bosio, R. S., S. 25: ^^i sono scoperte in diversi templ all* eta 
nöstra e de* nostri antichi molte nobili sepolture di Gentili nel Yaticano, 
con r occasione di cavar fondamenti della Basilica di S. Pietro; ed oltro ad 
un infinito numero dMscritioni sepolcrali si sono trovati Pili di marmo 

b ellissimi con figure di rilievo Dalle quali cose si raccoglie 

che usavano li nobili Romani di sepellirsi nel Vaticano." 

*) Lamprid., Vita Heliog., c. a3. 



DAS GRAB DBS PETRUS. 235 

hat, und dass der Campus Vaticanus als Fundort zahlreicher 
heidnischer Epitaphien genannt wird^). 

Wie bei dem oben besprochenen Titulus die beiden Fische 
durch die hinzugefügten Worte IX0TC ZftNTftN zu christlichefi 
Symbolen gestempelt wurden, so ist hier die Gestalt des Hirten 
durch die Zuthaten des Fisches und des Ankers christianisirt 
worden; und offenbar sind diese Nebengruppen in bewusster 
Intention beigegeben, um nämlich den heidnischen Ursprung 
des Monumentes, speciell des „Hirten" zu verdunkeln. Diese 
Besitzergreifung eines heidnischen Denkmals ist, wie schon 
mehrfach bemerkt, nur als im vierten Jahrhundert vollzogen zu 
denken. Gleiche Fälle liegen aus jener Zeit zahlreich vor. Auch 
ist zu beachten, dass die Verbindung des Guten Hirten mit 
Fisch und Anker sich nur auf Monumenten konstantinischer 
und nachkonstantinischer Zeit findet 2), also diese Komposition 
sehr wahrscheinlich damals erst aufgekommen ist. 

5. Das angebliche Epitaph des Bischofs Linus ^). 

Bereits im Jahre 1864 machte de Rossi (Bull, di arch. 
crist. 1864, S. 5o) auf eine im Anfange des 17. Jahrhunderts 
im vatikanischen Cömeterium ausgegrabene, aber seitdem in 
Vergessenheit gerathene Inschrift aufmerksam, die, wenn sich 
ihre Authentie bestätigen sollte, für die hier behandelte Frage 
in der That von weitreichender Bedeutung sein würde. Denn 
es handelt sich um nichts Geringeres, als um das Original- 
Epitaph des ersten Nachfolgers des Petrus, des Linus, über 
dessen Deposition der Liber Pontificalis berichtet: „qui et se- 
pultus est juxta corpus beati petri in vaticanum.'* De 
Rossi, dessen Sachkenntniss auf epigraphischem Gebiete keinem 
Zweifel unterliegen kann, hat sich bestimmt dafür entschieden, 
dass der in Frage stehende, LINVS lautende Titulus als die 
Grabschrift des „Papstes** Linus zu betrachten sei, und seine 



*) Dionigi, Crypta Vatic. monum. 2. Aufl., Romae 1828, t. I, tab. 48, 2. 

2) Vgl. die Abbild, bei Becker, Die Darstellung Jesu Christi unter 
d. Bilde d. Fisches, Breslau 1866, S. 83, n. 3i (Gemme); S. 91, n. by (Gemme); 
S. 47 (Epitaph); vgl. S. 81, n. 7. 

3) Der nachfolgende Abschnitt ist mit geringen Aenderungen die Wieder- 
gabe eines in den „Jahrb. f. protest. Theol." (1878, 8,486 — 491) mitgetheil- 
ten Aufsatzes. 



236 DAS GRAB DBS PETRUS. 

Autorität hat dieser Meinung innerhalb katholischer Kreise 
allgemeine Anerkennung verschafft, so dass neuerdings der 
protestantischen Forschung, speciell dem Verfasser der ^Chrono- 
logie der römischen Bischöfe" der Vorwurf gemacht worden ist, 
„diese Thatsache gar nicht in Erwägung gezogen zu haben"*). 

Bei dieser Sachlage ist besonders zu bedauern , dass das 
merkwürdige Epitaph nicht mehr existirt, wir also allein auf 
die auf dasselbe Bezug nehmenden Berichte angewiesen sind. 
Die nachstehende Untersuchung wird dieselbe umsomehr einer 
genauen Prüfung zu unterziehen haben, als dies bis jetzt von 
der Forschung unterlassen worden ist. -» 

Im Jahre i6i5 Hess Paul V. — nicht Urban VIII., wie 
de Rossi a. a. O. angibt — in der Peterskirche verschiedene 
Restaurationen vornehmen; u. A. wurde, um den Zugang zu 
der Konfession des Apostels Petrus zu erleichtern, das Terrain 
der Krypta vertieft. Bei diesen Arbeiten stiess man auf eine 
Reihe von Gräbern, über welche, so weit bekannt, zuerst der 
Canonicus Francesco Maria Torrigio (gest. 1649) in seiner 
1639 ^" zweiter unveränderter Auflage erschienenen Schrift 
„Le sacre grotte vaticane" Bericht erstattete. Seine Worte sind: 
„Ivi (d. h. vor der Konfession) furono trovati molti sepolcri 
de' Santi, come ancor io viddi, havendovi visto un Papa 
vestito con pianeta e pallio e dimostrava assai grande di statura. 
Non perö fu punto toccato per commandamento de' Superiori, 
ma subito si ricoprl. Vi furono trovati anco molti cadaveri 
infasciati con fasci larghe un deto all' uso antico in croce. Di 
piü in un bei pilo di tre palmi un cadavero d'un bambino, che 
ne anco furono tochi: ed in un altro, ove era scritto Linus, 
e da uno in particolare ne uscl tal odore che tutti i circostanti 
Thebbero per cosa maravigliosa, come mi hanno essi referito, 
che vi si trovarono presenti .... Qui furono trovati molte 
medaglie di metallo, ove era scolpito Costantino Magno ed una 
Croce ed in altre guise" (S. 61). — Aus dieser Relation geht 



*) F. X. Kraus, Roma sotterranea, Freiburg 1873, S. 68, Anm. 2; 
vgl. d e Waal, Des Apostelforsten Petrus glorreiche Ruhestätte, Regensb. 
1871, S. 16. In der neuen Auflage der R. S. (Freiburg 1879) ^** Kraus, 
S. 532, indess erklärt, dass er die Beziehung dieses Epitaphs auf Linus „fQr 
zu wenig begründet halte". 



DAS GRAB DES PETRUS. 237 

hervor: i. Torrigio war bei der Auffindung des Epitaphs nicht 
gegenwärtig. Denn der ganze Bericht gliedert sich scharf in 
zwei Theile, von denen der erste das enthält, was der Ver- 
fasser selbst beobachtet hat, dagegen der zweite mit „Vi furono 
trovati" anhebende das, was ihm von Andern berichtet wurde. — 
2. Die Kleidung, welche die von ihm als „Papa" bezeichnete 
Person trug, die Münzen mit dem Bildnisse Konstantin's des 
Grossen und dem Kreuzeszeichen (gemeint ist wohl das Mono- 
gramm Christi) weisen diesen Gräberkomplex der nachkonstan- 
tinischen Epoche zu. — 3. Der wunderbare Geruch, welcher dem 
einen Sarkophage entstiegen sein soll, zeigt, dass der Bericht 
bereits in der Form sagenhafter Umbildung zu ihm gelangt ist. 

So wird man sich zu hüten haben, durch diese Relation 
die Lesart I^INVS gewährleistet zu finden: wenn Torrigio schon 
in der Wiedergabe von Inschriften, die er selbst gesehen hat, 
ungenau ist^), so ist um so grössere Vorsicht geboten, wo er 
nach blossem Hörensagen berichtet. Er war überhaupt nicht 
archäologisch gebildet und hat sich in seinem Leben mehr mit 
Geschichten von Heiligen und verehrten Bildern, als mit ernsten 
Studien abgegeben. 

Der Oratorianer Severano, welcher nach ihm zuerst die 
Inschrift wieder erwähnt 2), war ihm jedenfalls an archäologischen 
Kenntnissen wie an kritischem Urtheil überlegen und gerade 
damals mit der Herausgabe der „Roma sotteranea" Bosio's be- 
schäftigt und dadurch auch zu epigraphischen Studien geführt. 
Das Buch Torrigio's hat ihm bei der Abfassung seiner „Me- 
morie" vorgelegen, da er S. 121 seine Leser ausdrücklich auf 
dasselbe verweist; auch decken sich seine Ausdrücke einige- 
mal mit denen Torrigio's^). Aber sein Bericht lautet gerade 
in dem Punkte, auf welchen es hier ankommt, wesentlich 
anders. Nicht nur bemerkt er ausdrücklich, dass sämmtliche 
Sarkophage ohne Inschriften gewesen seien, sondern er hat 
auch die Inschrift in der Form S. Linus, und fügt hinzu, 
dass sich dieselbe auf einer gesonderten, einzelnen Tafel 



1) Z. B. Epitaph des Junius Bassus, S. 47; vgl. auch S. 488 und dazu 
de Rossi, Inscript. I, n. 398, S. 441 und de Rossi n. 285. 

^) Severano, Memorie sacre delle chiese diRoma, Roma i63o, t.I, S. 120. 
5) Z. B. „nh e da tacere" bei S. und „non e da trapassare*' bei T. 



238 DAS GRAB DES PETRUS. 

befunden habe. „N6 e da tacere" sind seine Worte, „che in 
fabbricar detre scale ed aprir quel sito si trovarono alcuni 
Corpi in Pili separat! , vestiti e Jigati cpn fasce e einte in 
Croce , . . eccetto uno, il quäle era in habito Pontificale: e 
se bene non vi erano i nomi di essi, fu creduto perö molto 
probabilmente, che fussero di quelli dieci Santi Pontefici suc- 
cessori di S. Pietro, per essersi trovata particolarmente una 
tavola con Tlscrittione S. Linus'' (a. a. O. S. 120). Wer in 
der Lage ist, die beiden Berichterstatter nach ihrer wissen- 
schaftlichen Tüchtigkeit zu beurtheilen, wird nicht zweifelhaft 
sein, wem er grössere Glaubwürdigkeit zuzuerkennen hat. Wenn 
de Rossi sich für die Relation Torrigio's entscheidet, so ge- 
schieht es offenbar unter dem Drucke des Strebens, die römische 
Tradition zu stützen, während er doch selbst in den „Inscrip- 
tiones christianae'' die Unzuverlassigkeit Torrigio's mehrfach 
hervorhebt. Gerade daraus, dass sich Severano in- direkten 
Widerspruch mit seinem Vorgänger, dessen Bericht ihm vorlag, 
setzt, ergibt sich mit Evidenz, dass er eine zuverlässigere Re- 
lation zu haben glaubte, und gewiss auch hätte. Denn er war 
Secretär Paul's V., erfreute 'sich am päpstlichen Hofe einer 
ausserordentlichen Beliebtheit und galt für einen grossen Ge- 
lehrten, so dass nicht denkbar ist, dass man ihm das vermeint- 
hche, für die Polemik äusserst wichtige Epitaph nicht sofort 
mitgetheilt habe. 

Wird somit eine unbefangene Forschung den Bericht 
Severano's als den zuverlässigem anerkennen, so ist für die 
weitere Erklärung der Inschrift nur ein Zweifaches gegeben: 
entweder ist der Interpretation Severano's zuzustimmen, also 
S. Linus, d. h. sanctus Linus zu lesen, oder die Punktation 
ist zu verwerfen und die Inschrift als das Fragment eines 
Wortes, genauer eines Eigennamens, der auf .... SLINVS 
endigte, anzusehen. Im letzteren Falle müsste demnach die 
Beziehung auf Linus überhaupt aufgegeben, im ersteren die 
Inschrift als eine nachkonstantinische, durch die Pietät eines 
spätem Jahrhunderts geschaffene angesehen werden. Denn das 
Adjectiv „sanctus" im modernen Sinne vor dem Namen des 
Verstorbenen findet sich erst in nachkonstantinischer Zeit. Der 
Umstand, jedoch, dass nur dieses Epitaph, nicht aber diejenigen 



DAS GRAB DES PETRUS. 289 

der nächsten Nachfolger des Linus, deren Beisetzung im Coe- 
meterium Vaticanum der Liber Pontificalis ebenfalls berichtet, 
zum Vorschein gekommen sind, spricht für die Konjektur 
. . . . SLINVS als Schluss eines Eigennamens. 

Was aus der Inschrift seitdem geworden, ist unbekannt. 
Sie findet sich nirgends polemisch verwerthet. Bereits am 
Ende des 17. Jahrhunderts scheint sie nicht mehr existirt zu 
haben,, jedenfalls wird sie seit Severano nicht mehr genannt. 
Die verschiedenen Bearbeiter der „Roma sotterranea" verzeichnen 
sie nicht, ebensowenig der sehr genaue Ciampini^) und die 
erste Ausgabe von Bonanni's „Templi vaticani historia*'^). 
Auch die von Letzterem in der zweiten Ausgabe seiner Schrift 
(vom Jahre 1700) zuerst eingeführte Ortsbestimmung des Grabes 
des Linus gründet sich allein auf die Mittheilungen Torrigio's 
und Severano's und ist von späteren BTeschreibern, wie Dionigi, 
Sarti, Settele, wieder fallen gelassen worden. Es scheint, dass 
man an der Authentie des Epitaphs irre geworden ist. Dafür 
spricht der Umstand, dass Severano in der von ihm besorgten 
Ausgabe der „Roma sotteranea" Bosio's, in welches Werk er 
bekanntlich auch die Resultate eigener Studien einfügte, die 
Inschrift mit keiner Silbe erwähnt, obgleich er sich ziemlich 
ausführlich über das vatikanische CÖmeterium verbreitet und 
zwei Jahre vorher die genannten „Memorie" publicirt hatte. 

Die monumentalen Quellen ergeben demnach das Resultat, 
dass erst seit Konstantin dem Grossen angefangen worden ist, 
auf dem Campus Vaticanus, an der Stelle, wo Petrus das Mar- 
tyrium erlitten haben soll, eine Begräbnissstätte einzurichten. 
Denn es scheint schwerlich angenommen werden zu dürfen, 
dass ein Zufall den ganzen Komplex altchristlicher Monumente 
aus alter Zeit, der hier existirt haben könnte, uns habe ver- 



^) Ciampini, De sacris aedificiis, Romae i6g3. Der Grundplan der 
Confessio Petri, tab. XXV mit Angabe zahlreicher Gräber, wie denn der 
Verfasser verspricht, die „insigniora monumenta quae in eisdem extant 
cryptis hodieque visuntur" (S. loi) aufzuzählen. Das Schweigen betreffs des 
Grabes des Linus ist daher um so auffallender und beweist, dass dasselbe 
damals für nicht nachgewiesen galt. Auch der ältere Plan von Martino 
Ferraboscho vom Jahre 1620 verzeichnet es nicht (gegen de Rossi). 

*) Bonanni, Templi vaticani historia, Romae 1696. 



240 DAS GRAB DES PETRUS. 

loren gehen lassen. Stellt es sich somit aus diesem Grunde 
schon als sehr unwahrscheinlich dar, dass die Anfänge des 
Coemeterium Vaticanum in das erste Jahrhundert zurückreichen, 
so wird die Angabe des Catalogus Felicianus definitiv durch 
folgende Erwägung als unrichtig erwiesen. 

Bereits FiaminioNardini*) wusste sich nicht zu erklären, dass 
die Christen den Leichnam des Petrus in unmittelbarer Nähe 
des Cirkus hätten bestatten können. In der That, der Cirkus 
lag in den Gärten des Nero, die damals von provisorischen 
Baracken und von einer gewiss sehr zahlreichen Volksmenge 
okkupirt wurden. Diese Volksmenge ferner war, wie ausser 
Zweifel steht, dem Judenthume wie dem Christenthume feind- 
lich gesinnt, und diese Stimmung musste, sei es nun, dass die 
Verfolgung der Christen als angeblicher Brandstifter von dem 
Volke gefordert und von Nero blos concedirt wurde, sei es, 
dass der Kaiser die Schuld der Brandstiftung von sich auf die 
Christen schob, damals das gewöhnliche Mass weit über- 
schritten haben. Vorausgesetzt nun, dass die Verfolgung auch 
dem Petrus den Tod brachte, dass er ferner unter die Opfer 
gehörte, die in den vatikanischen Gärten oder im Cirkus um- 
kamen, und dass sein Leichnam den Christen ausgeliefert 
wurde, so ist jedenfalls ausgeschlossen, dass die Gemeinde den 
Todten in unmittelbarer Nähe des Cirkus, 53 Palmi von dem- 
selben entfernt (s. S. 222) habe bestatten wollen und können. 
Die Gärten waren kaiserlicher Privatbesitz und damals von einer 
gegen das Christenthum leidenschaftlich erregten Bevölkerung 
bewohnt, zwei Thatsachen, die jeden Gedanken, hier eine Grab- 
stätte herzurichten, ausschliessen mussten. Darnach ist die Zu- 
verlässigkeit der Angabe des Catalogus Felicianus zu messen, 
welche von Anenclei berichtet: „Hie memoriam beati Petri 
construxit et composuit, dum presbyter factus fuisset 
a beato Petro, ubi episcopi conderentur, ubi tarnen et 
ipse sepultus est**, und weiterhin die Notiz, dass sämmtliche 
Bischöfe von Petrus bis Victor (ausgenommen Clemens und 
Alexander), „juxta corpus beati Petri in Vaticanum" be- 



*) F. Nardini, Roma antica, Roma 1616, S. 338 f. der Ausgabe von 
Nibby. 



DAS GRAB DES PETRUS. 



241 



Stattet worden seien. Ausserdem bezeichnet „memoria'' im kirch- 
lichen Sprachgebrauch vorwiegend eine Grabkapelle, jedenfalls 
immer ein luxuriöseres Grabmonumenl*). Diese Schwierigkeiten 
lassen sich nicht durch die Erwägung beseitigen, dass die Un- 
verletzbarkeit der Gräber gesetzlich garantirt gewesen sei (de 
Rossi, R. S, I, 195), da es sich hier nicht um eine bereits 
existirende, sondern um eine erst anzulegende Grabstätte handelt. 
Und wenn jedenfalls anzunehmen ist, dass die römische Ge- 
meinde, als der Schlag der neronischen Verfolgung sie traf, 
bereits ein Cömeterium besass, so begreift man nicht, dass 
man, statt den Apostel in diesem beizusetzen, den Versuch 
gemacht haben sollte, inmitten einer feindseligen Menge und auf 
dem Privatbesitze dessen, welcher der Urheber dieser blutigen 
That war, eine Begräbnissstätte herzurichten. Ein zwingender 
Grund, dies zu thun, lag ausserdem schwerlich vor, und wenn 
ein solcher vorgelegen hätte, so konnte er nicht von dem Ge- 
wichte sein, die Christen zu zwingen, das Wagniss zu unter- 
nehmen, unter den Augen eines erbitterten PÖbels an einem 
offenen Orte — denn der Raum um den Cirkus herum pflegte 
frei zu sein — den Todten zu bestatten. 

Demnach ist die Tradition, welche die anfängliche Begräb- 
nissstätte des Petrus auf den Campus Vaticanus in die Nähe 
des Cirkus verlegt, als eine unhistorische zu beurtheilen und 
zu beseitigen. 

II. Das Coemeterium ad Catacumbas. 

In der Depositio Martyrum des Catalogus Liberianus 2) 
findet sich die Angabe: 

III Kl. Jun. Petri in catacumbas 

et Pauli Ostense Tusco et Basso cons. 

Die Depositio der beiden Apostel fand demnach im Jahre 
258, kurz vor Ablauf des Episkopates Xystus' IL statt. 



^) Wie auch im antiken Sprachgebrauche, vgl. Orelli, n. 4512: me- 
moria .... cohaerentibus cum aediculis ante et a retro; Bull, 
di archeol. crist. i863, S. gS ; Racca, Marmi scritti di Novara, S. 5o. 

2) Mommsen, Ueber den Chronographen des Jahres 354 0" den Ab- 
handlungen der königl. sächs. Gesellsch. der Wissensch., philol.-hist. Classe, 
Bd. I, i85o, S. 362). 

Scliultse, ArcbftologUcbe Studien. 16 



242 DAS GRAB DBS PETRUS. 

und zwar wurde Petrus in dem Coemeterium ad Catacumbas 
(S. Sebastiani), Paulus an der Via Appia beigesetzt. Die Konjektur 
von Kraus (Roma sott., S. Sgi f.), dass die Konsulatsangabe 
nur auf die Depositio des Paulus zu beziehen sei, ist nicht zu 
begründen und wenig wahrscheinlich. Wo die Gebeine früher 
sich befanden oder, richtiger gesagt, wo sie damals zuerst 
zum Vorscheine kamen, ist nicht bekannt. Eine anfängliche 
Beisetzung des Petrus auf dem vatikanischen Gebiete wird 
durch das Ergebniss der vorhergehenden Untersuchung aus- 
geschlossen. Ebenso fehlt, da die Notiz derüpdists üexpoü xa\IIa6Xou, 
nach welcher die Gebeine ein Jahr und sechs Monate in dem 
Cömeterium geruht haben sollen, keinen historischen Werth 
hat, eine genauere Angabe, wie lange die Gebeine des Petrus 
in dem Coemeterium ad Catacumbas geruht haben. Wenn aber 
Gründe vorliegen, anzunehmen, dass die Erbauung der vatika- 
nischen Basilika, welche das Vorhandensein der Gebeine des 
Petrus auf dem Campus Vaticanus voraussetzt, noch in die 
letzten Jahre Konstantin's des Grossen fallt, so wird diese 
Translation bald nachher stattgefunden haben, aber jedenfalls 
nicht vor dem Jahre 354, ^^^ der Chronograph die oben an- 
geführten Worte schrieb. Denn diese nehmen noch das Vor- 
handensein der Gebeine im Coemeterium ad Catacumbas an. 
Zur Zeit des Damasus (366 — 384) dagegen befanden sich die- 
selben nicht mehr dort, wie aus nachfolgender metrischer 
Inschrift, welche dieser Bischof in S. Sebastiano anbringen Hess, 
hervorgeht: 

HIC HABITASSE PRIVS SANGTOS COGNOSCERE DEBES 

LIMINAi) Q.VISQVE PETRI PARITER PAVLIQVE REQVIRIS 

DISCIPVLOS ORIENS MISIT QVOD SPONTE FATEMVR 

SANGVINIS OB MERITVM CHRISTVMQVE PER ASTRA SECVTI 

AETHERIOS PETIERE SINVS ET REGNA PIORVM 

ROMA SVOS POTIVS MERVIT DESCENDERE CIVES 

HAEC DAMASVS VESTRAS REFERAT NOVA SIDERA LAVDES. 

Diese Inschrift ist zugleich für die Entstehungsgeschichte 
einer weiter unten zu berührenden spätem Legende in hohem 
Grade werthvoll. Der Sinn derselben, an sich ausserordentlich 



^) So lese ich mit der römischen Ausgabe v. J. 1754 (S. 225 carm. 
VII) statt NOMINA; Migne: NVMINA. 



DAS QRAB DES PETRUS. 2^3 

einfach, ist nur dadurch verwirrt geworden, dass man die 
Vorstellung einer spätem Zeit gewaltsam in dieselbe hineintrug. 
Demgemäss übersetzte man v. 3: „Der Orient sandte Schüler, 
wie wir willig gestehen" (Kraus a. a. O. S. i34, Anm. i) und 
V. 6, wo man DEFENDERE statt DESCENDERE las: „Rom aber 
wurde gewürdigt, sie als seine Mitbürger sich zu bewahren" 
(ebendaselbst). Aber die Lesart „defendere" gibt keinen Sinn, 
da von einem aktiven Beschützen, Bewahren der Leiber auch 
in der spätem Legende nirgends die Rede ist. Entweder ist, wie 
einige Handschriften haben, „descendere" zu lesen im Sinne 
von y^deponere" („beisetzen"), welche Bedeutung das Verbum 
im Spätlatein annimmt, oder es ist einfach „deponere" zu 
emendiren. So scheint auch, wie gleich zu zeigen sein wird, 
Gregor der Grosse gelesen zu haben. Auf diese Weise wird 
überdies ersX das „meruit" desselben Verses verständlich, 
während die Kombination: „Roma meruit defendere" keinen 
Sinn gibt. Was ferner v. 3 anbetrifft, so hat im Gegensatz zu 
der jetzigen Interpretation des Verses der deutsche Bearbeiter 
der „Roma subterranea" des Paolo Aringhi, Christoph Bauman, 
im Jahre i668 die Worte richtig verstanden, indem er übersetzt: 
„Und wir gestehen gern, dass aus dem Morgenland uns dieses 
theure Paar der Lehrer zugesandt" '). In der That bildet v. 6 die 
Antithese zu v. 3: der Orient sandte die Jünger*-^), d. h. Paulus 
und Petrus; sie sind von Geburt Orientalen, das gestehen wir 
gern ein, aber (v. 6) Rom wurde durch den Himmel ge- 
würdigt (meruit), sie als seine Bürger, d. h. als solche, 
welche zu Bürgern Roms geworden waren, zu bestatten. 
Genau derselbe Gedanke begegnet in einem andern, einem 
unbekannten griechischen Märtyrer 3) gewidmeten Carmen des 
Damasus: 

Jamdudum, quod fama refert, te Graecia misit: 
Sanguine mutasti pairiam, 



^) Christoph Bauman, Abgebildetes unterirdisches Rom u. s. w. 
Arnhcim i668, S. 241. 

') Die Bezeichnung „discipulus" passt im Grunde nur auf Petrus, aber 
die Uebertragung derselben auch auf Paulus erklärt sich leicht daraus, dass 
beide Männer hier als ein Paar vorgestellt werden. 

') Damasi opera ed. Migne carm., XXII, S. SgS f. 

16» 



244 ^^® GRAB DBS PETRUS. 

Aehnlich heisst es in dem Gedichte auf den heiligen Satur- 
ninus (carm. XX a. a. O.): 

Sanguine mutavit patriam vitamque genusque 
Romanum civem Sanctorum fecit origo. 

Von Paulus aber hatte schon früher dasselbe Tertullian 
ausgesagt: „Tunc (d. h. in der Verfolgung des Nero) Paulus 
civitatis Romanae consequitur nativitatem, cum illic martyrii 
renascitur generositate'^ (Scorpiace, c. XV). Vv. 4 und 5 sind 
demnach als Zwischensätze zu beurtheilen. 

Wenn v. 3 a in der herkömmlichen Weise zu interpre- 
tiren wäre, was sollen dapn die Worte „quod sponte fatemur", 
d«ren Bedeutung doch klar liegt? Dieselben enthalten eben das 
Zugeständniss, dass die beiden Apostel . allerdings Ausländer 
gewesen und aus dem Auslande nach Rom gekommen seien. In 
V. 6 erhält dann dieses Zugeständniss sein stärkeres Gegen- 
gewicht. Endlich wenn Damasus denselben Vorgang hätte notiren 
wollen, welchen die spätere Legende beschreibt, so würde er 
sich Jedenfalls genauer ausgedrückt haben. Oder welchen Grund 
könnte er gehabt haben, jenes angebliche Faktum „möglichst 
vorsichtig zu berühren"? (Kraus a. a. O. S. 592.) 

Während also über den Sinn der Worte des Damasus 
kein Zweifel sein kann, sind dieselben dennoch nicht lange 
nach ihrer Abfassung bereits missverstanden und die Ver- 
anlassung zu einer Legende geworden, deren Ursprung bis jetzt 
nicht hat erkannt werden können. 

Es scheint für die Untersuchung am zweckmässigsten, 
diese Sage zuerst in derjenigen Form zu prüfen, in welcher 
dieselbe in einem Schreiben Gregorys des Grossen an die 
Kaiserin Konstantina fixirt erscheint, weil hier am genauesten 
noch sich die Fäden erkennen lassen, die von der damasinischen 
Inschrift zu derselben herüberführen. Der in Frage kommende 
Passus^) lautet: „De corporibus vero beatorum apostolorum quid 
ego dicturus sum, dum constet, quia eo tempore, quo passi sunt, 
ex Oriente fideles venerunt, qui eorum corpora, sicut civium 
suorum, repeterent? Quae ducta usque ad secundum Urbis 
milliarium , in loco qui dicitur Catacumbas coUocata sunt. Sed 



^) Gregorii M. ep. IV, 3o (opp. t. II, S. 710, ed. Benedict.). 



DAS GRAB DES PETRUS. 245 

dum ea exinde levare omnis eorum multitudo conveniens nite- 
retur, ita eos vis tonitrui atque fulguris nimio metu terruil 
atque dispersit, ut . talia denuo nullatenus attentare praesu- 
merenr. Tunc autem exeuntes Romani eorum corpora qui hoc 
ex domini pietate meruerunt levaverunt, et in locis quibus 
nunc sunt condita posuerunt." Die Rückbeziehung auf die 
damasinische Inschrift tritt klar in folgenden Punkten hervor: 

1. Discipulos Oriens misit — ex Oriente fideles 
venerunt. Also damals bereits sind jene Worte nicht mehr 
verstanden worden. 

2. Suos descendere civis — qui eorum corpora 
sicut civium suorum repeterent. Hier ist die Rückbezie- 
hung antithetisch: Die Orientalen betrachten Paulus und Petrus 
als ihre, Rom als seine Mitbürger. 

3. Roma meruit — Romani hoc ex domini pietate 
meruerunt. Der Zusatz Gregorys „ex domini pietate" ist nur 
eine pleonastische Ausführung, da „merere'' im kirchlichen 
Sprachgebrauch schon die Bedeutung hat: seitens Gottes einer 
Sache gewürdigt werden (Damasus, carm. XX, v. 8, S. 233 
a. a. O.). 

Auch Zeile i der damasinischen Inschrift erscheint in dem 
Briefe Gregorys aufgenommen durch die Worte: „quae ducta . . . . 
in loco qui dicitur Catacumbas coUocata sunt". Denn „coUocare" 
ist neben „deponere" sowohl im antiken wie im kirchlichen 
Sprachgebrauche ein beliebter Ausdruck für ^bestatten" ^). Ja 
es ist sogar nicht unwahrscheinlich, dass auch „ducere" von 
Gregor in der Bedeutung „im Leichenzuge (pompa funebris) 
zum Begräbniss führen", also = ducere funus, exequias ge- 
braucht sei. Wenn daher natürlich diese Depositio nur als 
provisorische vorgestellt wird, so ist doch jedenfalls das Ver- 
bleiben der Leichen in den Katakomben von Gregor als ein 
längeres gedacht; dasselbe besagen die Worte des Damasus: 
„hie habitasse prius u. s. w." 

Weit weniger genau schliesst an die damasinische Inschrift 
der Bericht der Ilpa^ei^ Uixpoo %a\ üaüXoo an , welcher einer nur 



1) Sueton. Aug. loo; Capitol. Antonin. P. i. 5: „reliquias ejus (Ha- 
driani) Romam pervexit atque in hortis Domitiae coUocavil". 



246 I>AS GRAB DES PETRUS. 

wenig mehr zurückliegenden Zeit, etwa der ersten Hälfte des 
sechsten Jahrhunderts, frühestens dem Ende des fünften Jahr- 
hunderts angehöri^). Derselbe lautet: Ta 8^ täv «Yitov äkootoXiov 

aü>p.aTa oüveßr^ hizb twv ÄvatoX'.xÄv lirap^vat xoo xo|iLtoat aOtd iv rj avaxoX^* 
l^sveto 81 oeiojjL^g H«^«? Iv t^ icdXei xal SpapLoVTe? ol Xaol twv P«)|ji.aioiV 
xaxeXaßov aorob? Iv ^(j) Xe^op-evo) Kaxaxoüixßa^ 68(j) ttj? 'Aicicta^ xf^^ ndXeu)^ 
xptTOü p.iX{ot> • xaxel l^oXa^^önrjoav xa owjxaxa xwv dyitov Ivtaoxov Eva xai 
jAYJva^ i?, pi-^XP' "^^^ xxto^vai afixoTi; xottoü^ Iv ot^ ftKOxe^'üiotv- . xal xö jj.lv 
xoö «^Y^'^^ üexpoo oa>[ia el^ xov Baxtxavov xoiiov hXt^oiov xoü vaujxaj^too jxexa 
8d4Y]5 xa\ 5[j.Vü)V dvexXtönr], xo 81 xoö dy^'^^ UaüXot) ec^ xyjv BoxiQotav 68dv. 
(Thilo, Acta Petri et Pauli, Halle i838, S. 29, nach den 
Pariser Handschriften 2). 

Das Missverständniss der Worte: „Discipulos Oriens misit*' 
begegnet auch hier, und ebenso wird mit Anschluss an Dama- 
sus' V. I und in Uebereinstimmung mit Gregor ein längeres Ver- 
bleiben der Apostel-Leiber in dem Coemeterium ad Catacumbas 
vorgestellt, mit der Singularität jedoch, dass diese Depositio 
nicht von den Orientalen, sondern von den Römern ausgeführt 
gedacht ist. Das ist auch ohne Zweifel die Vorstellung des 
Damasus gewesen, der von einer beabsichtigten Entführung 
der Reliquien nichts weiss und offenbar allein nach der oben 
mitgetheilten Angabe der Depositio Martyrum orientirt war. 
Sobald aber einmal die Worte v. 3 nicht mehr verstanden 
wurden, konnte der v. i erwähnte längere Verbleib der Apostel- 
Leiber entweder auf die Römer bezogen werden — so die 
npdSetg üexpoo xal DauXoD — oder auf die Orientalen, wie bei 
Gregor. Beide aber, der katholische Redaktor der genannten 
Akten wie Gregor der Grosse, haben die Vorstellung, dass so- 
fort nach der Hinrichtung der Leib des Petrus in das Coeme- 
terium ad Catacumbas kam und von dort aus nach kurzer 



*) Lipsius, Quellen der röm. Petrus-Sage, S. 64 (f., 102. 

2) Die lat. Uebersetzung (der sog. Marcellus, bei Thilo a. a. O.) lautet: 
„Sanctorum autem apostolorum corpora, dum a Graecis toHerentur ad Orien- 
tem ferenda, extitit terrae motus nimius et occurrit populus Romanus et 
comprehenderunt eos in loco qui dicitur catacumbas via Appia milliario III, 
et ibi custodita sunt coi'pora eorum anno uno et mensibus Septem, quous- 
que fabricarentur loca, in quibus sunt posita corpora eorum, et illic revo- 
cata sunt cum gloria et hymnorum canticu et posita sancti Petri in Vaticano 
Naumachiae et sancti Pauli in via Ostiensi." 



DAS GRAB DES PETRUS. 



247 



Zeit in das Coemeterium Vaticanum. Das dies eine künstliche 
Kombination ist, um eine zwiespältige Tradition auszugleichen, 
ist bereits von Lipsius (a. a. O. S. 99) bemerkt worden. Bei 
Damasus dagegen stehen beide Ueberlieferungen noch unver- 
mittelt einander gegenüber, und die Depositio Martyrum kennt 
nur die Beisetzung in dem Coemeterium ad Catacumbas unter 
dem Konsulate des Tuscus- und Bassus. 

Das genannte Cömeterium liegt an der rechten Seite der 
Via Appia am dritten Meilensteine, theilweise unter der Kirche 
S. Sebastiano. Während im Verlaufe des Mittelalters die alt- 
christlichen Grabstätten Roms allmälig in Vergessenheit ge- 
riethen, wurde diese ununterbrochen besucht. Es wird allgemein 
anerkannt, dass das Cömeterium einer sehr späten Zeit an- 
gehört; die datirten Inschriften sind aus den Jahren 348, 353, 
363, 387, 401, 404, 406, 408 u. s. f. Ein Monument, das über 
das vierte Jahrhundert zurückreicht, ist bis jetzt nicht zum 
Vorschein gekommen und wird schwerlich je entdeckt werden; 
die Anlage weist im Ganzen wie im Einzelnen auf die Zeit 
Konstantin's des Grossen. Demnach kann die Notiz der Depo- 
sitio Martyrum auf das eigentliche Cömeterium S. Sebastiano 
sich nicht beziehen, weil dasselbe im Jahre 258 überhaupt 
noch nicht existirte. Dagegen findet sich in unmittelbarer Nähe 
der Katakombe, aber ohne Zusammenhang mit ihr, eine kleine 
Grabanlage von höchstem Alter, welche seit Damasus, der 
hier die oben angeführte Inschrift anbringen Hess, als die vor- 
übergehende Ruhestätte der Apostel Paulus und Petrus gilt. 
Sie liegt rückwärts an der Kirche, gegen 5 Meter unter dem 
Niveau derselben und hat die Form eines nicht ganz regel- 
mässigen Kreisausschnittes, dessen Basis 11 Meter, und dessen 
Kreislinie ungefähr die doppelte Länge misst. Ringsherum läuft 
am Boden eine schmale aufgemauerte Bank; darüber sind in 
die Seitenwände dreizehn Nischen eingeschnitten, von der ge- 
wöhnlichen Arkosolform mit flacher Hinterwand. Die Innen- 
flächen tragen als Verzierung vortreffliche Stuccoreliefs, die 
leider grösstentheils abgestossen oder durch den in späterer 
Zeit aufgemauerten Arkosolboden verdeckt worden sind. Auf 
der Hinterwand kehrt in allen Arkosolien als Ornament eine 
Muschel wieder; daneben finden sich noch Reste von architek- 



248 DAS GRAB DBS PETRUS. 

tonischen Motiven und Pflanzenblättern. Ein auf der Rückfläche 
neben dem Muschelornament eingerahmtes Feld scheint figür- 
liche Darstellungen getragen zu haben; das Fragment einer 
weiblichen Gestalt, die den rechten Arm halb erhebt und den 
linken gesenkt hat, ist noch erhalten. Die Reliefs waren bemalt, 
wie aus dürftigen Spuren grüner und rother Farbe ersicht- 
lich ist. 

Die Krypte ist gegenwärtig durch zwei Treppen zugäng- 
lich, die aber beide modern sind und zwei Arkosolien durch- 
brechen, deren Zahl demnach anfänglich fünfzehn betrug. Der 
ursprüngliche Eingang befand sich, wie es scheint, nördlich in 
der Apsis, wo erst im Anfange des siebzehnten Jahrhunderts 
durch den Kardinal Borghese eine alte, innerhalb des Hypo- 
gaeums liegende Treppe beseitigt wurde ^). Die Deckenwölbung 
ist künsthch gemauert und wurde durch drei — gegenwärtig 
sind es nur noch zwei — schräg geschnittene Fensteröffnungen 
durchbrochen. 

Gegen 3*2 Meter unter dem Boden dieser Grabkammer 
liegt ein Sepulcrum bisomum. Es steht mit dem obern Räume 
durch einen viereckigen, von dem modernen Altare überbauten, 
gegen 60 Centimeter tiefen Schacht in Verbindung, welcher in 
die Decke mündet. Da dieses Doppelgrab jetzt nicht zugänglich 
ist, so beschreibe ich es im Folgenden nach den Worten und 
Zeichnungen Marchi's^), der dasselbe in den Dreissiger-Jahren 
betreten und untersucht hat. 

Die Seiten des fast genau quadratförmigen Raumes messen 
2*4 Meter. Die Höhe beträgt 2*7 Meter. In der Mitte der 
Bodenfläche ist eine 1*2 Meter hohe Scheidewand aus Marmor 
aufgerichtet, welche mit den gleich hohen vertikalen Wand- 
flächen zwei Särge bildet, über deren Höhenlinie ein Tonnen- 
gewölbe mit viermal eingezogener Bogenlinie ansetzt. Die 
Sarkophagwände sind mit Marmorplatten belegt, die übrigen 
Flächen mit Farben dekorirt, die sich noch ziemlich gut erhalten 
haben. Und zwar ist die Scheitelfläche des Plafonds mit vier- 



*) Giov. Severano, Memorie delle sette chiese di Roma, Roma iö3o, 
S. 443. 

2) Marchi, Monumenti delle arti crist. primit, Roma 1844, S. 210 fF.; 
tav. XXXIX, XL, XLl. 



DAS GRAB DES PETRUS. 249 

und sechseckigen Feldern^ kassetirt; ähnlich, aber einfacher 
stellt sich die Dekoration der übrigen Räume dar. Die Eleganz 
und Meisterschaft der Zeichnung und die Vortrefiflichkeit der 
Farben werden von Marchi hervorgehoben. Ebenderselbe aber 
hat beobachtet, dass an der ursprünglichen Malerei eine spätere, 
ungeschicktere Hand verändert hat. Es wurden nämlich nach- 
träglich in den an die Marmorbekleidung anstossenden Feldern 
sowie in den Flächen der Stichkappen auf die erste Farben- 
schicht Figuren aufgetragen, die, abgesehen von dem Stil, sich 
auch dadurch als später erweisen, dass sie in zwei Fällen die 
ältere Felderumrahmung durchbrechen. Es ist zu bedauern, 
dass Marchi keine Beschreibung dieser Bilder gegeben hat; 
indess lässt sich aus einer von ihm mitgetheilten Zeichnung 
mit Leichtigkeit schliessen, dass dieselben der nachkonstan- 
tinischen Zeit angehören. Das kopirte Stück stellt nämlich einen 
Apostel dar, der, wahrscheinlich am Eingange des Paradieses, 
eine andere männliche Person empfängt, ein Sujet, das be- 
sonders in den spätem Theilen der neapolitanischen Kata- 
komben beliebt und vor der Mitte des vierten Jahrhunderts 
nicht nachweisbar ist. Marchi freilich, der diese zweite Deko- 
rirung mit der von ihm angenommenen zweiten Bergung der 
Apostel-Leiber ad catacumbas in Verbindung setzen will, verlegt 
dieselbe demgemäss in die Mitte des dritten Jahrhunderts, eine 
chronologische Fixirung, welche der Widerlegung nicht bedarf. 

Genau da, wo der oben erwähnte kurze Schacht in die 
Decke des bisomum eintritt, fand Marchi in der Mauer einen 
kleinen schrankartigen Einschnitt von cirka 0*7 Meter Tiefe 
und 0-5 Meter Breite, welcher mit Ziegelsteinen und Kalk aus- 
gefüllt war. Es ist klar, dass diese Vertiefung nicht die Ver- 
bindung zu einem anliegenden Kubikulum gebildet haben kann, 
wie Marchi zu vermuthen scheint, denn sie endigt in der an- 
gegebenen Tiefe in dem natürlichen Gestein. Ebensowenig aber 
lässt sich dieselbe als Reliquien -Behälter oder gar als Standort 
für eine Lampe erweisen; sie ist vielmehr nichts Anderes als 
die Oeffnung, in welche ein zur Stütze der Treppe dienender 
Kragstein eingelassen war. 

Was das Alter dieser Grabanlage anbetrifft, so finde ich 
zuerst bei Panvinio in seiner i Syo in Rom erschienenen Schrift 



2 5ö DAS GRAT. DES PETRUS. 

^De praecipuis urbis Romae basilicis" in Beziehung auf den 
obern apsisartigen Raum die Ansicht ausgesprochen, dass das 
Apostelgrab, d. h. das eben beschriebene Sepulcrum bisomum 
in einem vorchristlichen römischen Hypogaeum angelegt sei^). 
Bosio und Aringhi^) bekennen sich zu derselben Meinung; 
doch hat man bald nach ihnen angefangen, die Stätte vielmehr 
als eine Anlage des frühesten Christenthums zu betrachten. 
Dieser Vorstellung trat zuerst Marchi mit der Behauptung ent- 
gegen, dass das obere Hypogaeum ein nachkonstantinisches, 
genauer damasinisches Werk sei (a. a. O., S. 2i5 f.). Er gründet 
seinen Schluss in erster Linie auf die Konstruktion des Baues, 
die ihm unregelmässig scheint, weiterhin auf die Stucco-Arbeiten, 
vsrelche den Charakter der Kunstleistungen des abschliessenden 
vierten Jahrhunderts ausprägen sollen. Der Raum ist allerdings 
nicht ganz regelmässig, aber dieser Umstand kann keine ab- 
solute Daxirungsnorm bilden, wie Jeder weiss, der sich mit 
der Konstruktion heidnischer und christlicher Grabmonumente 
aus den ersten Jahrhunderten unserer Zeitrechnung genauer 
bekannt gemacht hat. Andererseits aber sind die Stuccoreliefs 
von einer solchen Vortrefflichkeit, welche von christlichen 
Künstlern nie erreicht worden ist. Ich kann mich in dieser 
Beziehung auf das Urtheil de Rossi's selbst berufen, der über 
diese Anlage sagt: „Die Krypte, in deren Mitte die Grab- 
kammer (eben das Sepulcrum bisomum) liegt, die zum Ver- 
steck (der Apostel-Leiber) gedient hat, ist von eigenthümlicher 
Form, ziemlich geräumig, nicht aus dem Tuif ausgehöhlt, 
sondern ausgemauert und ringsum mit Arkosolien versehen, 



^) Seine Worte (a. a. O. S. 96) sind: „Catacumbae porro sive Caia- 
cumbae est vetustissimum Christianorum persecutionum tempore sacellum, 
in antiquo cujuspiam nobilis familiae Romanae sepulchri hypogeo, a s. 
Callisto Papa fabricatum, quando is corpora apostolorum Petri et Pauli 
transtuüt." 

2) Bosio, R. S., S. 176: „Chiara cosa e, che questa chiesa e anti- 
chissima e fabbricata (per quanto si puö vedere) sopra li fondamenti d*un 
antico edifizio di Gentili." — Aringhi, R. S., t. I, S. 461: „Subterraneus 
quidem locus est fornice desuper obductus ac semicirculari constructus forma 
et ut ex ipso aspectu credibile nobis fit, quoddam olim ethnicorum aedifi- 
cium extitit." 



DAS GRAB DES PETRUS. 25 I 

die mit farbigen Stuccoreliefs dekorirt sind. Die Reste derselben 
haben nicht die geringste Aehnlichkeit mit den in christlichen 
Grabkammern üblichen Dekorationen, entsprechen aber in 
hohem Grade denjenigen der Columbarien und der heidnischen 
Gräber. Ich füge hinzu, dass mir die Arkosolien hergestellt zu 
sein scheinen, um unter ihrem Bogen Sarkophage (urne mar- 
moree) aufzunehmen. Diese eigenthümlichen Verhältnisse, welche 
in den Krypten der christlichen Cömeterien gar keine Parallele 
haben, und vor Allem die Stuccoreliefs scheinen mir sehr be- 
deutsame Anzeichen höchsten Alters (indizj assai gravi di somma 
antichitä) zu sein (R. S. I, S. i88).'' 

De Rossi selbst indess hält an dem christlichen Ursprünge 
der Grabkammer fest, hat aber mir gegenüber geäussert , dass 
sich über die Frage , ob hier ein heidnisches oder ein christ- 
liches Werk vorliege, immerhin streiten Hesse. Es ist jedoch 
leicht zu zeigen, dass die Ansicht der altern Beschreiber nicht 
nur ein Recht hat, neben der gegenwärtig allgemein aufge- 
nommenen gehört zu werden, sondern dass dieselbe das vorlie- 
gende Monument, indem sie dasselbe als eine heidnische Anlage 
beurtheilte, durchaus richtig aufgefasst hat. 

Eine Grabkammer von dieser Form findet sich nirgends 
in christlichen Cömeterien, hat aber vielfache Parallelen in 
heidnischen Sepulkralbauten *). Ebensowenig haben wir weder 
in Rom noch anderswo ein christliches Kubikulum mit ge- 
mauerter Decke und mit Luminarien, die dicht an der Schneide- 
linie von Decke und Seitenwand liegen und dazu noch schräg 
eingefügt sind. Dagegen trifft man in Columbarien diese 
architektonischen Details sehr häufig 2). Die Stuccoreliefs ferner 
weisen nicht nur eine in den Katakomben beispiellose künst- 
lerische Vollendung auf, sondern zeigen ausserdem Bild- 
werke und Ornamente, welche die christliche Kunst nicht 
kennt. Die Muschel z. B. in der Mitte der Arkosolrückwand 
findet sich genau in derselben Anordnung in einem Grabe 



^) Canina, Via Appia, Roma i853, tav. VII; Bartoli, Gli antichi 
sepolcri, Roma 1721, lav. XXV. 

2) Campana, Diie sepolcri Rom., Roma 1840, tav. I; vgl. Canina 
a. a. O., tav. IX, 2; Bartoli a. a. O., tav. IX-, XLII. 



252 DAS GRAB DES PETRUS. 

an der Via Latina und sonst ^). Die weibliche Figur aber lässt 
sich in dem christlichen Bilderkreise nirgends unterbringen; ein 
Gleiches gilt von den Architektur- und Pflanzen -Ornamenten. 

Beachtenswerth erscheint auch, dass die Grabkammer 
völlig isolirt ist und in durchaus keinem Zusammenhange mit 
dem Katakombennetz unter S. Sebastiano steht. Auch diese 
Thatsache widerstreitet allem Brauche der altchristlichen Ge- 
meinden, die ihre Gräber um diejenige Stätte zu gruppiren 
pflegten, welche den Körper eines unter ihnen angesehenen 
und verehrungswürdigen Todten umschloss. Man kennt zwar 
Beispiele von isolirten Grabkammern, aber es ist völlig un- 
denkbar, dass neben einer solchen Grabkammer ein grösserer 
Galerienkomplex hergerichtet und ganz ausser Kontakt mit der- 
selben geblieben sei, wenn man damals gewusst hätte, dass 
jenes Sepulcrum bisomum eine Zeit lang die Gebeine der 
Apostel Paulus und Petrus umschlossen hätte und , wenigstens 
bis zum Jahre 354 noch umschloss. Der Wetteifer, in der 
Nähe der Heiligen „ad sanctos, in loco sanctorum", wie die 
epigraphischen termini technici lauten, zu ruhen, musste hier 
vor Allem ein Feld, sich zu bethätigen, finden. Weil aber 
diese Grabkammer nach jener Seite hin nicht nur nicht an- 
ziehend gewirkt hat, sondern von der spätem Katakombe 
offenbar absichtlich vermieden und niemals zu nachträglicher 
Anlage von Loculi benutzt worden ist, so folgt daraus, dass 
man in jener Zeit, wo das CÖmeterium des Sebastianus entstand, 
sich des heidnischen Ursprunges jenes bisomum noch wohl 
bewusst war. 

Hiezu kommt endlich, dass die Arkosolien offenbar zur 
Aufnahme von Aschenurnen bestimmt waren. Schon der Um- 
stand, dass man in späterer Zeit sich veranlasst gesehen hat, 
die ArkosolbÖden zu übermauern, erregt diesen Verdacht. Die 
kunstvolle Dekoration der Innenwände ferner scheint auszu- 
schliessen, dass dieselbe nur hergestellt sein sollte, um durch 
einen Sarkophag verdeckt zu werden. Entscheidend aber ist in 
dieser Hinsicht der Umstand, dass die Nischen zur Aufnahme 



^) Monum. inediti dell' Instit. di corrisp. archeol., vol. VI, tav. LI; 
Campana a. a. O., tav. X, II; Bartoli a. a. O., tav. VII; XV; XL. 



DAS GRAB DBS PETRUS. 253 

von Sarkophagen zu schmal sind. Folgendes sind die Masse der 
Bodenlinie der dreizehn Arkosolien: r52 Meter — 1*28 Meter — 
1*62 Meter — 1*82 Meter — i'52 Meter — 1*42 Meter — 
1*77 Meter — • 1*9 Meter — r65 Meter — r8 Meter — 
1*74 Meter — r8 Meter — 1*92 Meter. 

Zum Zwecke des Vergleiches wurden von mir dreiundsechzig 
Sarkophage des Lateran -Museums gemessen^ woraus sich fol- 
gende Verhältnisse ergaben: sieben massen i*5o Meter, vier 
r5o bis 1*90, wiederum vier 1*90 bis 2 Meter, der Rest, d.h. 
achtundvierzig über 2 Meter (letzteres auch durchschnittliches 
Längenmass heidnischer Sarkophage). Rechnet man dazu, dass 
in jenen Arkosolien die Bogenkrümmung sofort an der Boden- 
linie beginnt, also in der Höhe des Sarkophagdeckels der 
Raum jedesmal noch mindestens um 5 Centimeter verkürzt 
wird, so könnten von den von mir gemessenen dreiundsech- 
zig Sarkophagen nur elf in den Nischen untergebracht werden. 
Von diesen elf aber messen vier: o*86 Meter — 0*92 Meter — 
0*93 Meter — 0-97 Meter, d. h. sie waren für Kinder bestimmt, 
wie denn auch einer derselben die Inschrift trägt: QVI BISIS- 
ANIS DOBNS (sie)- MESIB VI, können demnach, wo es sich 
um ein Durchschnittsmass handelt, nicht in Betracht kommen. 
Auch zwei weitere Sarkophage, deren Länge i*\6 Meter und 
i'ii Meter beträgt, gehören ohne Zweifel dieser Klasse zu, 
so dass also von der Zahl dreiundsechzig nur fünf, und zwar 
mit den Massen 1*47, i*5, i'66, i-8, r85 Meter, bleiben. Es 
würde sich also das Verhältniss von 1:12 ergeben. Demnach 
dürften unter den dreizehn oder fünfzehn Nischen höchstens 
zwei an Breite weniger als 2 Meter betragen, während that- 
sächlich keine einzige dieses Mass erreicht. Und gibt man immer- 
hin für Kinder-Sarkophage einige Arkosolien zu, so bleibt die 
Schwierigkeit dennoch. — Durch ebendieselben Massverhältnisse 
aber wird die Vermuthung ausgeschlossen, dass diese Arkoso- 
lien zur Aufnahme von Leichen — ohne Sarkophag — bestimmt 
gewesen seien. Man wird also anzunehmen haben, dass in den 
Arkosolien Aschenurnen sich befunden haben, welche entweder 
in den Boden derselben eingesenkt oder auf der Bodenfläche 
aufgestellt waren. Für das eine wie für das andere Verfahren 
finden sich in antiken Grabmonumenten Beispiele. 



254 ^^S aRAB DES PETRUS. 

Wenn demnach der heidnische Ursprung der Grabkammer 
keinem Zweifel unterliegen kann, so gilt folgerecht ein Glei- 
ches von dem im Innern derselben befindlichen Sepulcrum bi- 
somum, welches nach Analogie anderer antiker Grabstätten, 
die irdischen Reste der Stifter und Gründer des betreffenden 
Kubikulums umschloss. Der Gedanke , dass dieses Doppelgrab 
in späterer Zeit, etwa bei Gelegenheit des Depositio beider 
Apostel, in dem heidnischen Monumente hergestellt sei, wird 
dadurch ausgeschlossen, dass eine Benutzung, beziehungsweise 
Erweiterung heidnischer Grabstätten seitens der Christen in 
Rom nie, in den Provinzen *) aber erst in nachkonstantinischer 
Zeit stattgefunden hat. In diesem Falle ferner war umsoweniger 
Veranlassung, ein heidnisches Grab in Anspruch zu nehmen, 
da im Jahre 258 an der Via Appia und sonst eine ganze 
Reihe christlicher Katakomben bereits existirte. Entweder also 
ist die Geschichtlichkeit der Notiz des Chronographen vom 
Jahre 354 fallen zu lassen oder aber das als catacumbae be- 
zeichnete CÖmeterium ist ein anderes als dasjenige, welches in 
späterer Zeit diesen Namen führt. Letzteres ist wahrschein- 
licher. Denn wenn das Wort catacumbae gewiss richtiger als 
ein Name, nicht des Cömeteriums S. Sebastiano allein, soxi* 
dern der in jener Gegend gelegenen Katakomben überhaupt 
gefasst wird 2), so kann der Chronograph ebensowohl ein an- 
deres der umliegenden Cömeterien, sei es der uns bekannten, 
sei es der bis zur Stunde noch unbekannten, gemeint haben. 
Sollte sich dagegen seine Angabe auf die Katakombe des 
Sebastianus allgemein oder auf die derselben nebengeordnete 



^) Z. B. in Palazzuolo, Val dMspica, Chiusi. 

2) Wenn der älteren, neuerdings von de Rossi acceptirten Erklärung 
des Wortes catacumba aus cata (= xax(^) und einem aus cubare gebildeten 
Substantive sich als richtig ergeben sollte, so erwächst hieraus dieser Mei- 
nung eine weitere Stütze. Denn im vierten Jahrhundert, wo sämmtliche 
römische Katakomben noch bekannt waren, hätte ein einziges und noch 
dazu unbedeutendes den Namen catacumbae, d. h. ad accubitoria, ad 
coemeteria gewiss nicht absorbiren können, wohl aber im Mittelalter, wo 
man kaum mehr als S. Sebastiano kannte. Demnach wird catacumbae rich- 
tiger als Gesammtname für jene Gegend beurtheilt, der seinen Ursprung 
darin haben mag, dass dort die ersten christlichen Begräbnissstätten an- 
gelegt wurden. 



DAS GRAB DES PETRUS. 255 

heidnische Grabstätte beziehen, so könnte dieselbe als eine 
unrichtige überhaupt nicht in Frage kommen. 

Das Zeugniss des Damasus kann aber die Identität der 
catacumbae und des CÖmeteriums S. Sebastiano nicht ent- 
scheiden; er hat oft geirrt und gerade in diesem Falle zeigt er 
sich von einer andern Tradition als der Chronograph des Jahres 
354 geleitet, weil er Paulus und Petrus gemeinsam in S. Se- 
bastiano ruhen lässt, dieser aber den Petrus allein. Dass so 
verschiedene Ueberlieferungen bereits damals fast gleichzeitig 
erstehen konnten, ist ausserdem ein Beweis, dass über jene 
Depositionen nichts Zuverlässiges bekannt war. 

Wir wissen also weder, wo Petrus, den Märtyrertod 
desselben in Rom vorausgesetzt, anfangs bestaltet wurde, noch 
wo im Jahre 258 unter Xvstus seine Gebeine zum Vorscheine 
kamen, noch wo dieser dieselben damals beisetzte. Die Vorstel- 
lungen, die darüber in Umlauf sind, schweben vollständig in 
der Luft und sind als rein subjektive Konstruktionen zu beur- 
theilen. Die wissenschaftliche Untersuchung, welche die in 
Betracht kommenden literarischen und monumentalen Quellen 
in gleicher Weise berücksichtigt und die einen durch die andern 
zu beleuchten versteht, wird nicht über das Geständniss hinaus- 
kommen, dass das Grab des Petrus eine unbekannte Grösse 
ist, welche zu bestimmen uns die Mittel fehlen. 



VIII. 

DIE ALTCHRISTLICHEN BILDWERKE DES MÜSEO 

KIRCHERIANO IN ROM. 

Das Museo Kircheriano in Rom ist eine Gründung des 
im Jahre 1680 daselbst verstorbenen Jesuiten Athanasius Kircher, 
Lehrers am Collegium Romanum. Ob von diesem bereits christ- 
liche Monumente in die Sammlung aufgenommen wurden, ist 
nicht bekannt, aber sehr wahrscheinlich. In der Schrift des 
Filippo Bonanni: „Musaeum Kircherianum descriptum et 
iconibus illustratum" (Romae 1709), werden mehrere christliche 
Lampen, und von Lupi (Epitaphium Severae Martyris, Panormi 
1734) eine Reihe von Inschriften der Sammlung angeführt. 
Ueber den epigraphischen Besitzstand im Jahre 1837 gibt 
Brunati: „Musei Kircheriani Inscriptiones ethnicae et christiariae'' 
Auskunft. In das grosse Werk von Louis Perret: „Les Gata- 
combes de Rome*' (Paris i85i) ist der grösste Theil der In- 
schriften und eine Anzahl sonstiger altchristlicher Monumente 
der Sammlung aufgenommen. 

Der eigentliche Organisator des Museums ist der vor einigen 
Jahren gestorbene P. Marchi, Erst vor einigen Jahren ist das 
Museum aus dem Besitze des Jesuitenkollegs in den des Staates 
übergegangen. 

Bei der Aufstellung des nachfolgenden Verzeichnisses 
wurde von vornherein darauf verzichtet, die Inschriften auf- 
zunehmen , da die Veröffentlichung derselben durch de Rossi 
in nächster Zeit zu erwarten ist, und überdies die wichtigsten 
derselben bereits publicirt worden sind. 



DIE ALTCHRISTLICHBN BILDWERKE ETC. 267 

Die Sammlung enthält neben specifisch christlichen Werken 
einige heidnische und jüdische Monumente. Was erstere betrifft, 
so sind dieselben entweder durch Zufall in die Katakomben 
gerathen und daselbst von den Sammlern aufgenommen, oder 
in heidnischen Magazinen von Christen erworben und zu sepul- 
kralen Zwecken benutzt. Da indess die Möglichkeit, in einzelnen 
Fällen das eine oder das andere Verhältniss zu konstatiren, nicht 
gegeben ist, so erwuchs daraus die Nothwendigkeit, sämmt- 
liche Monumente mit heidnischen Motiven in das Verzeichniss 
aufzunehmen. Die Berücksichtigung der Denkmäler jüdischer 
Herkunft bedarf keiner besonderen Rechtfertigung, 

Die den aufgeführten Bildwerken beigefügten kurzen Erläu- 
terungen verfolgen nur den Zweck allgemeiner Orientirung. 



I. Reliefs. 

Südwand. 
I. 

Sarkophag' Fragment. 

Marmor. Länge: o'8i Meter; Höhe: 0*275 Meter. 

Links halten- zwei Eroten (die Köpfe sind abgestossen, 
ebenso rechter Arm und rechtes Bein des Eros links) mit 
Chlamys auf Brust und Rücken ein quadratförmiges Gewand- 
stück, auf welchem das Brustbild eines bärtigen in Tunika und 
Pallium gekleideten Mannes hervortritt. Derselbe blickt gerade 
aus, hält in der Linken eine Rolle und berührt mit an einander 
gelegten ausgestreckten Mittel- und Zeigefinger der Rechten 
den obern Saum derselben. Daran schliessen sich rechts vier 
Jona-Scenen, zu zwei Gruppen in einander geschoben: der Pro- 
phet, wie er aus dem Schiffe stürzt und wie er von dem Seethiere 
verschlungen wird (i. Gruppe), und der Prophet, wie er an 
das Land geworfen wird und wie er unter der Laube ruht 
(2. Gruppe), Das Meer ist stürmisch bewegt. Die Mannschaft 
besteht aus drei Personen (sehr verstümmelt, ohne Köpfe): die 
erste sitzt am Steuer (nach links), die zweite (nach rechts) 
scheint mit dem Segelwerk beschäftigt, die dritte (nach rechts) 
stösst Jona aus dem Schiffe. Der Seedrache, der diesen auf- 

SchultKC, AreliSulogisehe btudieu. 17 



258 I>IB ALTCHRISTLICHBN BILDWERKE 

nimmt und an das Land wirft, ist mit Kopf und Armflossen 
sichtbar und hat die in der altchristlichen Kunst gewöhnliche 
Gestalt. Jona ruht, während seine Beine noch in dem Rachen 
des Fisches verborgen sind, mit geschlossenen Augen halb 
sitzend auf einem Felsen unter einem Kürbisgewächs, dessen 
Früchte tief herunterhängen. Der rechte Arm liegt am Haupte, 
der linke ist leicht gebogen. Die Gesichtszüge sind die eines 
friedlich Schlummernden. 

Das Relief ist mittelmässig gearbeitet; die Einschnitte sind 
tief. Fünftes Jahrhundert. 

Die BQste der linken Gruppe, welche den in dem Sarkophage Bei- 
gesetzten darstellt, findet sich in dieser Anordnung häufig auf altchristlichen 
Reliefs und ist ein Erbstück der Antike. Die Jona-Scenen koncentriren sich 
in dem ruhenden Jona, worüber zu vgl. S. 78. lieber die Verwendung der 
Eroten s. Piper, Symb. und Myth. I, 846 ff. 

2. 

Zwei Fragmente eines Sarkophags. 

a. 
Marmor. Länge: o*33 Meter; Höhe: 0*24 Meter. 

Huldigung der Magier: Maria sitzt, nach rechts schauend, 
auf einem thronartigen Stuhle mit Suppedaneum, in eine tief 
herabfallende Stola gekleidet. Darüber das zugleich als Schleier 
verwendete Pallium. Auf ihrem Schoosse, nach rechts blickend, 
in langärmeliger , faltiger Tunika der Jesusknabe. Beiden 
naht sich von rechts ein Magier in Tunika und Bracca, mit 
dem Zeigefinger der Rechten in die Höhe (auf den Stern) 
weisend, mit der Linken die darzubringende Gabe haltend. 
Hinter dem Sitze der Maria sieht man einen den Kopf rück- 
wärts nach rechts wendenden Eros in langem Chiton. Linker 
Arm und linkes Bein entblösst. Derselbe diente als Medaillon- 
träger, wie aus dem ausgestreckten linken Arm zu erschliessen. 

b. 
Länge: 0*29 Meter; Höhe: 0*225 Meter. 

Rechts eine tragische Maske, links eine jugendliche Gestalt 
en face, Joseph in Tunika gekleidet. Er hält in der Linken 
eine Rolle, die er mit dem Mittel- und Zeigefinger der Rechten 
berührt. 



DES MUSEO KIRCHBRIANO IN ROM. 2 59 

Beide Fragmente sind roh gearbeitet und gehören dem 
fünften Jahrhundert an. Das zwischen a und b herausgebrochene 
Stück vervollständigte die Magiergruppe. Ein entsprechendes 
Sarkophag-Relief bei Bottari, tav. i33. 

Der Typus des jugendlichen bartlosen Joseph beginnt am Ende des 
vierten Jahrhunderts selten zu werden und verschwindet im Laufe des 
fünften Jahrhunderts fast ganz. Vgl. S. 202 und Bull, di archeol. crist. i865, 
S. 25 — 32, 65 ff. Tragische Masken auf christlichen Monumenten bei Bot- 
tari, tav. 3i, 86; de Rossi, R. S. III, tav. 40; n. 7 und n. 21 dieses 
Verzeichnisses. Zu. vgl. auch die in römischen Cömeterien gefundenen Elfen- 
beinmasken, Boldetti, S. 5o2. 

3. 
Sarkophag 'Fragment, 

Marmor. Länge: 0*875 Meter; Höhe: o"2o5 Meter. 

Links Büste einer Frau mit doppeltem Gewände und Ba- 
rette auf einem Gewandstücke, welches zwei Eroten in Chlamys 
halten. Sie führt in der Linken eine Rolle und lässt die Rechte 
auf einem unter der Brust hergezogenen Tuchstreifen ruhen. 
Weiterhin rechts Joseph, bartlos und jugendlich, in Tunika und 
PaUium, nach rechts blickend und in derselben Richtung Mittel- 
und Zeigefinger der Rechten ausstreckend. Ferner drei Magier 
in schreitender Bewegung nach rechts, ganz parallel gebildet, 
in phrygischer Kleidung (doch ohne braccae, wie es scheint). 
Sie tragen in den Händen Geschenke und nahen sich Maria, 
die in langer Gewandung mit straff angezogenem Kopftuche 
auf einem hohen Stuhle mit Suppedaneum, nach links gerichtet 
sitzt. Sie hält das in Windeln gewickelte Jesuskind auf ihrem 
Schoosse leicht vornübergeneigt den Magiern entgegen. 

Das Relief scheint dem Ende des vierten Jahrhunderts oder dem An- 
fange des fünften Jahrhunderts anzugehören. Die Darstellung des in Windeln 
gewickelten Christuskindes ist selten. 

4- 
Sarkophag - Fragment, 

Marmor. Länge: 0*21 Meter; Höhe: 0*21 Meter. 

Adam (links) und Eva (rechts) in Frontstellung, das Ge- 
sicht einwärts gerichtet, mit den Händen die Scham bedeckend, 
schauen den zwischen ihnen stehenden Baum (ohne Schlange) 

17» 



26o DIE ALTGHRISTLICHBN BILDWERKE 

an. Links neben Adam ein nach rechts gewendeter Löwe, 
als Theil der ursprünglich anschliessenden Darstellung DanieTs 
in der Löwengrube. 

Das Relief ist gut gearbeitet, besonders der Löwe von vortrefFlicher 
Ausführung. Die Schlange fehlt oft auf Darstellungen des SOndenfalls. 
(Bottari t. 37; 126; i3i, iqS). 

5. 
Sarkophag - Fragtn ent. 

Marmor. Länge: 0*74 Meter; Höhe: 0'3 Meter. 

Auf einem Felsstücke sitzt nach links gewendet ein bart- 
loser Hirt in Exomis und kurzen Stiefeln. Seine Rechte führt 
ein Pedum, mit der Linken reicht er einem vor ihm sitzenden 
Hunde, der bittend die linke Pfote erhebt, ein Stück ßrod hin. 
Hinter dem Hirten steht nach rechts ein mächtiger Stier, links 
hat sich eine Ziege an einem Baume aufgerichtet und frisst von 
dem Blattwerk. Daneben zwei am Boden ruhende Ziegen. 
Rechts schliesst die Gruppe mit einem nur theilweise sichtbaren, 
aus Flechtwerk hergerichteten Stalle ab, durch dessen geöffnete 
Thür ein Schaf eingeht. Hier und dort einige Bäume und 
Sträucher. 

Das Motiv ist in der antiken Kunst häufig und nicht in christlichem 
Sinne umzudeuten. Aehnliche Scenen: Bottari, t. i63, Miliin, Voyage 
pl. 76, I, 2 ; in S. Maria in Trastevere; Clarac, pl. 144, i83; 166, 73; 
Benndorf und Schöne, Lateran-Museum, S. 244, n. 48; Visconti, 
Museo P. Gl. IV, 16 a und b, 

6. 

Sarkophag 'Fragment. 

Marmor. Länge: ri Meter; Höhe: 0-26 Meter. 

Links sind drei nackte Knaben mit Spielen beschäftigt. 
Der erste links hält mit der Rechten eine am Boden stehende 
Scheibe aufrecht. Das Gesicht ist nach rechts gewendet, der 
Körper in Frontstellung. Er hat die linke Hand an die linke 
Schulter gelegt und macht eine Pause im Spiel. Der zweite 
Knabe, nach rechts gewendet, hält in der ausgestreckten rechten 
Hand einen Ball und schickt sich an, denselben in die Höhe 
zu schleudern. Der dritte Knabe, beflügelt, in schreitender Be- 
wegung nach rechts, treibt mit einem Stäbchen eine Scheibe, 
indem er nach links rückwärts schaut. Weiterhin bilden rechts 



DES MUSEO KIRCHERIANO IN ROM. 26 I 

vier Knaben eine zweite Gruppe, Der eine, beflügelt, schreitet, 

das Gesiebt nach rechts wendend, nach links, indem er in der 

Rechten eine kleine dicke durchbohrte Scheibe trägt und in 

der Linken einen an die linke Schulter gelehnten Zweig. Neben 

diesem steht rechts ein zweiter Knabe, ebenfalls geflügelt. Den 

rechten Arm erhebt er halb nach oben, mit dem linken stützt 

er das Haupt. Der dritte trägt im Sinus der über die Brust 

fallenden Chlamys eine gleiche Scheibe wie der erste. Ein 

vierter endlich, welcher die Scene rechts abschliesst, schickt 

sich an, über eine aus zwei schmalen Leisten gebildete schiefe 

Ebene eine Scheibe herunterrollen zu lassen , indem er diese 

mit der Rechten aufsetzt. Mit der Linken hält er im Sinus 

eine zweite Scheibe. Am Boden links von dem Brettgerüst 

stehen fernerhin drei solche Scheiben. Zwischen diesen beiden 

Hauptgruppen von drei und vier spielenden Knaben befindet 

sich die Inschrift: 

ENOAAE 

KOIMATAI 

APTEMIAÖ 

PA EN EI 

PHNH 

Abgebildet bei Guattani, Monumenti inediti per Tanno 
1786, t. III. 

Das Relief führt drei verschiedene Spiele vor. Das Scheibentreiben 
entspricht dem beliebten Reifspiel (xpo^^o^); vgl. O. Jahn ad Pers. III, 5i; 
Berichte der sächsischen Gesellschaft der Wissenschaften 1854, S. 2 55. Eine 
ähnliche Darstellung im Lateran-Museum (Bennd. und Schöne n. 3o), eine 
andere im Klosterhof von S. Lorenzo in Rom. Für das von einer einzelnen 
Person ausgeführte Ballspiel (o5payca) ein weiteres Beispiel bei Panofka, 
Bilder ant. Lebens XIX, 8. Das dritte Spiel scheint eine. Variation des 
Nussspieles zu sein, worüber zu vgl. Friedländer in den Annali dell* 
Istit. di corr. archeol. 1857, S. 142 — 146, tav. d*aggiunta B, C. 

Die Darstellung ist der antiken Kunst entnommen, doch . weist die 
Inschrift darauf hin, dass das vorliegende Monument ein christliches (oder 
ein jodisches) ist. Anders Raoul- Rochette (Deuxieme M^m. sur les 
ant. chr^t., S. 27) auf Grund der Thatsache, dass xoi^aod'at Iv etpiqvTß, 
dormire in[pace sich auch auf heidnischen Epitaphien finde. Diese Fälle 
sind indess äusserst selten; zudem begegnet der Name Artemidora auf einem 
christlichen Titulus aus S. Callisto (R. S. III, S. 388), wie auch Scheiben 
treibende Knaben auf christlichen Monumenten sich nachweisen lassen 



202 DIB ALTCHRI8TLICHBN lULDWERKB 

(ebend. tav. XXX, 2, 3). Doch scheinen die gut gearbeiteten Reliefs aus 
einer heidnischen Werkstätte hervorgegangen und die auf eine spätere Zeit 
hinweisende mangelhaft ausgeführte Inschrift nachträglich hinzugefügt zu sein. 

7- 
Sarkophag - Fragm ent, 

Marmor. Länge: 0*74 Meter; Höhe: o'32 Meter. 

Darstellung eines Mahles. Drei männliche Personen liegen 
zu Tische. Die beiden links, jugendlich, stützen, während die 
Rechte unbeschäftigt auf dem Tische ruht, mit der Linken das 
Haupt und schauen liebevollen Blickes einen bärtigen Mann an, 
der in der linken Hand einen Becher hält und zu ihnen zu 
sprechen scheint. Sie tragen sämmtlich die Tunika. Vor dem 
Speisepolster liegen drei Brode. Links ist ein Diener — in 
Exomis — beschäftigt, aus einem hohen Korbe Brod zu nehmen. 
Links schliesst die Scene, deren Hintergrund durch ausgespannte 
Tuchstücke gebildet wird, mit der Darstellung eines Baumes 
und einer tragischen Maske ab, rechts mit einer jugendlichen 
männlichen Figur, die in der Rechten eine Hirtenflöte, in der 
Linken ein Pedum hält. Linkes Bein und ein Stück des Pedum 
abgestossen. Sie wendet das Gesicht nach rechts und trägt eine 
ärmellose Tunika. Von dem Bilde einer weiblichen Orans, die 
weiterhin rechts anschloss, ist nur ein Arm- und Gewandstück 
erhalten. Zu dieser scheint jener Jüngling als Begleit- Figur 
gehört zu haben. 

Das Relief ist sinnig entworfen und geschickt ausgeführt. 
Bemerkenswerth die zahlreichen Bohrlöcher. 

Die Figur der Orans erweist das Fragment als ein christliches, wäh- 
rend die übrigen bildlichen Darstellungen ebensowohl einem heidnischen 
Monumente angehören könnten. Aehnliche Gastmahls- Scenen finden sich 
nicht selten auf christlichen Reliefs wie auf Fresken. Vgl. d'Agincourt, 
Sculpt. pL VIII, 20; de Rossi, Bull. i863, S. 44. Becker, Darstellung 
Christi unter dem Bilde des Fisches, 1866, S. 121 f. Bosio, S. 349, 333, 
395, 447. Heidnische Parallelen Clarac pl. i55 ff. Vgl. S. 5i. 

8. 
Sarkophag - Fragment. 

Marmor. Länge: o*3 Meter; Höhe: o*3i Meter. 

In einem kesseiförmigen Ofen mit grossen Schüröffnungen 
steht ein Jüngling in phrygischer Kleidung; das Gesicht nach 



DES MUSEO KIRGHEBIANO IN ROM. 263 

rechts gewendet. Er breitet betend die Arnne aus (der linke 
Arm abgebrochen). Aus dem Ofen, dessen Rand bis an seine 
Hüfte reicht, schlagen rings um ihn die Flammen empor. 
Links kniet ein Diener, um das Feuer zu schüren. Er trägt 
ebenfalls phrygische Kleidung und wendet den Kopf nach links 
zurück zu einem bärtigen Manne in Pallium (König von Babel), 
der dem Vorgange zusieht und durch einen Gestus seine Zu- 
stimmung ausdrückt. Links neben ihm am Boden ein Bündel 
Holz. Die Wandfläche hinter dem Könige ist durch einen 
Teppich verhängt. 

Ahnliche, doch weniger realistische Darstellungen bei 
Bottari, t. 87; 169. 

Die Darstellung der drei Männer im feurigen Ofen findet sich auf 
Fresken ungefähr seit der Mitte des dritten Jahrhunderts (Bott., t. i58; 
169; 181; 186; Garrucci II, 81; 69 und sonst). Die Kleidung ist fast 
durchgehends die phrygische, nur selten (z. B. Bottari, t. i58) erscheinen 
die Männer unbekleidet. Die Nebenfiguren sind den älteren Darstellungen 
fremd. Die sepulkral- symbolische Bedeutung der Scene wird durch die 
apostolischen Constitutionen (V, 10), Irenaeus (V, 5, 2) und TertuUian (de 
resurr. c. 58) bezeugt. Vgl. S. 17. 

Sarkophag - Fragm ent. 

Marmor. Länge: i'23 Meter; Höhe: o*66 Meter. 

Links halten zwei Eroten in Chiton einen sie benarm igen 
Leuchter, welcher aus Kugeln zusammengesetzt ist und auf 
jedem Arme eine Thonlampe antiker Form trägt. Unter den 
Clipeus am Boden eine mit zwei LÖwenkÖpfen verzierte Kelter, 
in welcher drei, nur mit Perizoma bekleidete Junglinge (Xirjvoßatat) 
Trauben zertreten. Sie legen sich gegenseitig die Hand auf die 
Schulter; zwei von ihnen führen lange Stäbe mit gebogenem 
Griff. Weiter rechts am Boden reitet ein kleiner Eros auf 
einem Hasen (nach rechts), indem er dessen Hals mit beiden 
Armen umschlungen hält. Neben ihm ein Eros von der Grosse 
der Medaillonträger, in Chlamys, die, einen Theii seiner Brust 
bedeckend, über die linke Schulter auf den Rücken herunter- 
fällt. Er befindet sich in Frontstellung, wendet aber das Gesicht 
nach links und hält in der Rechten einen Korb mit Obst, in 
der Linken zwei Enten. Zu seinen Füssen reitet ein kleiner 
Eros auf einem Jagdhunde nach rechts. Die Gruppe schliesst 



264 I>JE ALTCHRISTLICHBN BILDWERKE 

rechts mit den Bein- und Flügelstücken eines grösseren Eros 
ab, der in der Linken einen Hasen (Kopf abgestossen) trägt. 
Die Figuren zeigen noch Spuren früherer Vergoldung. 

Der Leuchter erweist das Relief als ein für Juden gearbeitetes. Die 
übrigen figürlichen Darstellungen gehören dem heidnischen Bilderkreise an. 
Vgl. Claracpl. i36, 122; Zoega, Bassiril. tav., 26; Bottari, t. I, S. 12S; i; 
de Rossi, R. S. I, tav. 3o, i. 

10. 

Jl^jpei Sarkophag - Fragmente. 

a, 
Marmor. Länge: ri3 Meter; Höhe: 0.92 Meter. 

Die dargestellten Scenen vertheilen sich auf ein oberes 
und ein unteres Feld. Auf dem untern Felde links Christus 
(bärtig und in schmalem Ueberwurf), welcher seine Rechte auf 
das Haupt einer weiblichen Person legt, die, in Tunika interior, 
auf einem Felsstücke sitzt (nach rechts) und beide Arme vor 
sich hin ausstreckt. Links hinter ihr sind Fragmente einer 
stehenden männlichen Figur erhalten, die mit beiden Händen 
ein aufgeschlagenes Buch (Rolle?) hält und nach rechts ge- 
wendet ist. Unmittelbar daran schliesst sich rechts eine zweite 
Gruppe: Christus sitzt auf einem Felsen (Berg), hält in der 
Linken eine dicke Rolle und erhebt lehrend die Rechte (Mittel- 
und Zeigefinger ausgestreckt). Er trägt ein Pallium; seine ganze 
Brust ist entblösst und tritt starkknochig hervor. Der Gesichts- 
typus weicht von demjenigen der ersten Gruppe etwas ab und 
entspricht, wie auch die Bildung des Oberkörpers, dem Typus 
des thronenden Zeus. Zu seinen Füssen sitzen sechs männliche 
Personen in Tunika, welche in unnatürlicher Halsverdrehung, so 
dass die Stirn fast den Nacken berührt, zu ihm aufblicken und 
in der Reihenfolge von links nach rechts an Grösse zunehmen. 
Zur Linken Christi steht eine weibliche Figur mit edeln Zügen 
und griechischer Coiffure. Sie schaut zu ihm auf, indem sie 
zugleich Mittel- und Zeigefinger der Rechten nach rechts aus- 
streckt. Die dritte Gruppe zeigt einen nach rechts sitzenden 
Jüngling in Tunika, der beide Arme vor sich hin ausstreckt. 
Christus, in gleicher Gewandung wie in der zweiten Gruppe, 
steht vor ihm und legt die rechte Hand auf sein Haupt. Die 
linke hält ein Volumen. In der vierten Gruppe dagegen, die 



DES MUSEO KIRGHERTAKO IK ROM. 265 

rechts anschliesst, erscheint Christus wiederum in der Fassung 
der ersten Gruppe. Er steht nach rechts gewendet, führt in 
der Linken eine Schriftrolle und berührt mit der Rechten den 
Leib eines Jünglings, der, nur um die Hüften bekleidet, mit der 
Linken sich auf einen Stab stützt und mit der Rechten flehend 
den Arm Christi ergreift. 

Auf dem obern Felde sieht man links ein ruhendes Schaf 
(nach links) ; rechts daneben sitzen am Fusse einer felsigen Er- 
höhung vier Personen (sehr verstümmelt) in kurzer Tunika und 
blicken starr in die Höhe. Auf der Felshöhe selbst sind nur 
noch vier nackte Füsse und der untere Saum eines Gewandes 
erhalten. Weiter rechts stehen drei Männer (obere Extremi- 
täten abgestossen). Der erste und der dritte (von links nach 
rechts gezählt) sind in Tunika und Pallium gekleidet; dieser 
reicht jenem ein hohes Gefäss, dessen Rand abgebrochen ist. 
Zwischen Beiden steht ein Mann in blosser Tunika. Das Relief 
war früher mit Farbe und Vergoldung überdeckt, wovon noch 

Spuren wahrzunehmen sind. 

Die Erklärung der Darstellungen, die dem Ende des fünften Jahrhun- 
derts anzugehören scheinen, bietet einige Schwierigkeit. Die erste Gruppe 
lässt sich indess kaum anders denn zu Lukas i3, lo ff. in Beziehung setzen. 
Der niedergeschlagene Blick des Weibes illustrirt sehr passend die Worte: 
^p.*^ 8ova|j.eVTQ dvaxutj;ai et? xh navteXe^'* (v. ii). So erklären sich auch die 
hilfesuchend ausgestreckten Hände, und ebenso entspricht die Handauf- 
legung dem Texte. Der stehende Mann mit dem Buche schliesslich würde 
dadurch, dass die Scene in einer Synagoge spielt, und ein dp^iauvGeYu>']co^ 
ausdrücklich genannt wird (v. 14), motivirt sein. — Die zweite Gruppe zeigt 
den zum versammelten Volke redenden Christus (Bergpredigt). Die pom- 
pöse Anordnung entspricht der feierlichen Einleitung der Erzählung im 
ersten Evangelium (5, i f.). Die zur Seite Christi stehende Frau lässt sich 
aus dem biblischen Berichte nicht bestimmen. Dass sie der weiblichen Ge- 
stalt der ersten Gruppe parallel gebildet ist, zwingt nicht dazu, in ihr die- 
selbe Person zu sehen, da einem so mittelmässigen Künstler wie dem 
Verferiiger dieses Reliefs es nahe liegen musste, gleiche Figuren zu bilden. 
Entweder repräsentirt die Frauengestalt die weiblichen Begleiterinnen Jesu 
überhaupt, cder sie ist Porträt der in dem Sarkophage Beigesetzten. Der 
Typus Christi, welcher hier begegnet, findet sich sonst nirgends in der altchrist- 
lichen Kunst und ist, wie sciion bemerkt, antiken Zeusbildern entnommen. 
Vgl. bes. Clarac pl. 397, n. 666; pl. 401, n. 678 (auch die Aeskulap-Dar- 
stellungen ebend. pl. 347, n. ii54, ii55; pl. 649, n. 1157 u. s. m. bieten 
verwandte Züge). Die Stellung der Kirche zu solchen Nachbildungen spricht 
sich in der von Theophanes (Chronogr. ed. Bonn., vol. I, S. 174 ad annum 



206 DIB ALTCHRT8TLTCHBN BILDWBRKE 

455) bewahrten Sage aus: „Ttp S'a^Tij) sTei C<A>Yptt(poo tivö^ xöv owr^pa YP^4^tt^ 
ToX[j.iQottVTO^ xaö"' ojiotoTYjTa Tou Ato5, l^i^P^v^ 1^ )^etp u. s. w." Auch bei 
dem Entwürfe der weiblichen Gestalt scheint denn Künstler ein antikes 
Monument vorgelegen zu haben, da im fünften Jahrhundert die Skulptur 
unfähig war, mit eigenen Mitteln einen so klassischen weiblichen Kopf zu 
schaffen. Zudem ist die Gewandung roh ausgeführt. — Die folgende Gruppe 
schliesst sich genau an Lukas 18, 35 ff. an; nur die Handauflegung ist eine 
freie Zuthat des Künstlers, welche indcss auch sonst häufig bei Darstellung 
dieses Wunders sich beobachten lässt. — Die vierte Scene stellt die Heilung 
des Aussätzigen dar (Matth. 8, i ff. und die Parallelen). — Die Reliefs des 
obern Feldes scheinen als eine Gruppe gefassl werden zu müssen, deren 
Erklärung durch die rechts erhaltenen Figuren ermöglicht wird, insofern 
der von der einen Person dargereichte Behälter wohl den Korb bezeichnet, 
in welchem auf altchristlichen Bildwerken beim Speisungswunder Brod oder 
Fisch Jesu zum Segnen dargereicht wird. Die vier sitzenden Personen 
würden in diesem Falle das gelagerte Volk darstellen und die Figur des 
Schafes die Scene als eine in freiem Felde vor sich gehende charakterisiren. 
■ Das Fusspaar rechts gehört dann dem zweiten Jünger an, der in einem 
anderen Korbe das Brod, beziehungsweise die' Fische, nach rechts darreicht, 
dasjenige links einem andern aus der Begleitung Jesu. 

b. 
Länge: ri Meter; Höhe: o*58 Meter. 

Auch dieses Fragment scheidet sich in ein oberes und 
in ein unteres Feld. Auf letzterem links Christus (die unteren 
Partien sind zerstört), bärtig, in Tunika und Pallium, nach 
rechts schreitend; seine Linke führt eine Rolle, die Rechte ist 
nach vorwärts halb erhoben. Vor ihm schreitet nach rechts, 
sein Bett tragend, der geheilte Gicht brüchige, in Exomis. Im 
Hintergrunde zwischen Christus und dem Gichtbrüchigen wird 
der Kopf eines bärtigen Mannes (wahrscheinlich eines Jüngers), 
der nach rechts schaut, sichtbar. Die rechts anschliessende 
weitere Gruppe zeigt Christus und die Jünger, das Mahl am 
galiläischen Meere feiernd. Vier der letzten liegen zu Tische. 
Der erste links, bärtig, streckt den rechten Arm nach einem 
auf dem Tische liegenden Brodstücke aus, ebenso der zweite; 
der dritte, bartloSj trinkt aus einem Becher, der vierte, ebenfalls 
bartlos, kniet rechts am Ende des Tisches und schiebt mit der 
Linken dem zweiten Jünger ein Brod zu. Vor dem Tische 
stehen sechs gefüllte Brodkörbe. Hinter diesen Jüngern stehen 
vier bärtige Männer, von welchen die beiden links stehenden 



DES MUSEO KIRGHERIANO IN ROM. 267 

die Tunika, der dritte (von links nach rechts gezeichnet) Tunika 

und Pallium, der vierte die Exomis trügt. Dieser letztere ist 

Christus. In der Linken hält er eine Rolle; die Rechte legt er 

auf das Haupt des vierten (von links nach rechts) der zu Tische 

Liegenden. 

Darstellungen des galiläischen Mahles bieten ausserdem nur die Fresken 
der Sakramentskapellen in S. Callisto (vgl. S. 5i), aber in durchaus anderer 
Auffassung. Die Handauflegung, das Fehlen des Fisches, sowie der Umstand, 
dass nur vier Jünger am Mahle theilnehmen, sind Eigenthümlichkeiten 
dieser Darstellungen, deren Motiv sich schwer erkennen lässt. 

In der letzten Scene dieses Feldes erscheint wiederum der 
Gichtbrüchige, auf einer von vier Männern (nach rechts) ge- 
tragenen Bahre stehend. 

Chronologisch müsste diese Scene der oben erwähnten voranstehen, 
aber solche Verstösse gegen die wirkliche Zeitfolge der Begebenheiten sind 
in der späteren Kunst nicht selten. Auffallend aber ist, dass in direktem 
Widerspruch zu den evangelischen Berichten (Matth. 9, 2; Marc. 2, 4; Luk. 3, 24) 
der Paralytische auf der Bahre stehend dargestellt ist. Die Gruppe ist 
nicht vollständig erhalten; rechts befand sich wahrscheinlich Jesus, zu 
welchem der Zug sich hinbewegt. 

Von den Reliefs des obern Feldes sind nur einige Fuss- 
stücke erhalten. 

1 1. 

Sarkophag - Fragment. 

Marmor. Länge: 0*66 Meter; Höhe: 0*2 Meter. 

Zwei beflügelte Eroten mit Chlamys auf dem Rücken 
tragen eine viereckige Tafel mit der Inschrift: 

A ^ Q 

DDNN VAIENTE AVGVIE 
1 VAIENTINIANOITIRCOAS 
Villi KAL IVNIAS DIE lOVIS LVNA XII 
PICENTIVS QVl VIXIT ANNOS XXXIII 
MENSIS XI DIES XVI BENEMEREN 
TI IN PAGE 

(Dominis nostris Valente Augusto VI et Valentiniano 
iterum consülibus Villi Kai. Junias die Jovis luna XII Picentius 
u. s. w.) Vgl. de Rossi, Inscript. I n. 275. Das Epitaph wurde an der 
Via Appia gefunden und gehört dem Jahre 378 an. Ueber die chronologischen 
Angaben siehe de Rossi a. a. O. 



208 DIB ALTCHRISTLICHEN BILDWERKE 

Nordwand. 
12. 

Sarkophag -Fragment. 

Marmor. Länge: o*655 Meter; Höhe; o'3i5 Meter. 

Zwei streng entworfene nach links schreitende Schafe. 
Zwischen beiden ein Palm bäum. Unter diesem Felde die In- 
schrift: 

(sanct) VS (Palmzweig) lOHANIS EVAN. 

Darunter rechts Fragment eines Kopfes. Die Buchstaben 
und der Palmbaum und -zweig sind roth ausgelegt. 

Das Relief gehört schon der mittelalterlichen Kunstentwicklung an. 

i3. 
Sa rkophag - Fragment. 

Marmor. Länge: o'i8 Meter; Höhe: 0*54 Meter. 

Vollständig erhaltene Figur eines bärtigen Hirten in kurzer 
Tunika, nach rechts gewendet, mit linkem Spielbein. Er stützt 
sich« auf einen kräftigen Stab, den er mit der Rechten hält, 
während er den linken Arm leicht auf demselben ruhen lässt. 
Auf seinem Rücken trägt er in einem um den Hals geknoteten 
Tuche ein Lamm, dessen Kopf aus der Umhüllung hervorragt. 

Das Relief ist gut gearbeitet, das Motiv ein heidnisches, so dass es 
zweifelhaft bleibt, ob der Sarkophag christlichen Ursprunges ist. Jedenfalls 
hat die Darstellung keinen symbolischen Inhalt. 

14. 

Sarkophag - Fragment, 

Marmor. Länge: 0*42 Meter; Höhe: o'23 Meter. 

Links der Gute Hirte, in Tunika, die rechte Schulter ent- 
blösst, die Lenden gegürtet. Sein Gesicht ist nach rechts ge- 
wendet. Er ist bartlos und trägt kurzes Haar. Mit beiden 
Händen halt er einen auf seinen Schultern liegenden Widder. 
Rechts ein Baum und vor demselben ein Schaf in ruhiger 
Stellung, nach rechts gerichtet, wo das Fragment einer Orans 
erhalten ist. Am obern Saume des Reliefs läuft die Inschrift: 

SANCTISSIMAE .... 
lieber den Guten Hirten vgl. S. 63. 



DBS MUSEO KIRCHERIANO IN ROH. « 269 

l5. 

Sarkophag 'Fragment, 

Marmor. Ldnge: 0*3 Meter; Höhe: 0*22 Meter. 

Rechts zwei gezäumte nach links über einen umgestürzten 
Korb galoppirende Ziegenböcke, die einen Wagen zogen. Die 
Hand, welche die Zügel hält, ist rechts noch sichtbar. Auf 
dem rechts gespannten Ziegenbocke reitet ein Eros, der rück- 
wärts blickt; vor dem Gespann schreitet nach links, mit zurück- 
gewendetem Gesichte ein Jüngling in Exomis. In der Rechten 
hält er einen Zweig; in der Linken eine Leine, an welcher er 
das Thier, auf dem der Eros reitet, führt. Viele Bohrlöcher. 

Auf dem obern Gesimsstreifen des Reliefs die Inschrift: 
MARCELLINVS HlC DORMIT IN PAGE. 

Drittes Jahrhundert. Die Inschrift erweist das Epitaph als ein christ- 
liches ; das Motiv ist heidnisch. Vgl. Clarac, pl. 163, 88; pl. 181, i38; 
Heibig, Wandgemälde, n. 779; 787; 789; Buonarroti, Medaglioni, S. i. 

16. 

Sarkophag - Fragment. 

Marmor. Länge: 0*4 Meter; Höhe: o'26 Meter. 
Zwei Ochsen ziehen nach rechts einen zweiräderigen Kar- 
ren , auf welchen ein hoher Korb mit Früchten geladen ist. 
Hinter dem rechts gespannten Zugthiere steht ein Fuhrmann, 
der in der Rechten einen langen Stock führt, und die Linke auf- 
munternd erhebt. Ein zweiter, rechts stehend, schlägt das- 
selbe Thier, welches eine widerspänstige, rückgängige Bewe- 
gung macht, mit einem kurzen Stabe auf den Kopf. Beide 
Fuhrleute sind bärtig und in kurze Tunika gekleidet. 

Das Motiv ist heidnisch (Clarac, pl. i36, 122; 162, i23) und da 
auch die Ausführung des Reliefs auf das dritte Jahrhundert weist, so ist 
dasselbe als ein nicht-christliches Werk zu betrachten. 

Sarkophag 'Fragment, 

Marmor. Länge: 0*2 Meter; Höhe: 0*2 1 Meter. 

Ein Eros, mit Chlamys über der linken Brust, hält in der 
Linken einen mit Früchten (?) gefüllten Korb, in der Rechten 
einen Hasen. Sein Angesicht ist nach links gewendet, woselbst 



270 



« DTE ALTCHRISTLICHEN BILDWERKE 



von einer weitern Gruppe nur ein Fuss und ein Gewandstück 
erhalten sind. 

Personification des Herbstes. Heidnisches Motiv. Vgl. Benndorf und 
Schöne a. a. O., n. 198, S. 116; n. 38i, S. 267; Piper a. a. O., H, 
S. 323 ff. 

18. 

Sarkophag' Fragment. 

Marmor. Länge: 0*28 Meier; Höhe: 0*22 Meter. 

Neben einem Schilde mit der Inschrift 

•KAT- 

nPO • IZ • KAA • 

• ADPIAIÖN • 

steht rechts auf einer Säule eine tragische Maske und eine 
weibliche Figur (Kopf und linke Körperseite abgestossen), die 
in der Rechten eine Flöte hält (Euterpe). Heidnisches Motiv. 

19. 
Sarkophag 'Fragment. 

Marmor. Länge: o'52 Meter; Höhe: 0*4 Meter. 

Auf einem Gewandstück, welches links ein Eros, mit 
Chlamys auf dem Rücken, nach links blickend, hält, das 
Brustbild einer Frau von edlem Gesichtsausdruck. Sie trägt 
Tunika und Palla und blickt halb nach links. Der rechte Arm 
(der linke fehlt) ist zum Gebet erhoben. 

Vgl. Boldetti, S. 466; de Rossi, R. S., t, I, lav. XXX, 1 u. s. ö. 

20, 

Sarkophag - Fragment. 

Marmor. Länge: o'iy Meter; Höhe 0M9 Meter. 

Rechts ein Baumstamm. Davor links ein von einem Kranze 
umwundener Altar mit einer Herme (der obere Theil fehlt). 
Am Rande rechts von oben nach unten laufend die Inschrift: 

. . . CLE PELAGIO. 

Heidnisches Relief, das durch Zufall in eine christliche Katakombe 
geraihen ist. 



DES MUSEO KIRGHBRIANO IN ROM. 27 I 

Ostwand. 
21. 

Sarkophag - Fragment. 

Marmor. Länge: o*85 Meter; Höhe: 0*14 Meter. 
Drei Masken. Zwischen den beiden rechts geordneten die 

Inschrift: 

ENeAAE KEI 

TAI ^ATCTINA 
Darunter links Hörn, Kandelaber, Palmzweig, rechts 
Dl7tÖ. — Grabmonument einer jüdischen Schauspielerin, im 
vorigen Jahrhundert an der Via Appia gefunden. 

Lupiy Epit. Sev., S. 177; 

22. 

Epitaph 'Fragment. 

Marmor. Länge: o*3i Meter; Höhe: 0*29 Meter. 
Unter der theilweise unlesbar gewordenen Inschrift die 
Verstorbene als Orans (untere Partien zerstört). 

IL Graffiti- 

Südwand. 

o 

2D. 

Fragment einer Marmortafel, 

Breite: o*35 Meter; Höhe: 0*28 Meter. 

Theil einer Kreiszeichnung mit vier Radien, darunter 
• I • X • • Y • C •, weiterhin . . . LIORV . . . Vgl. de Rossi, 
Bull. 1873, tav. VIII, 3, wo das Fragment nach einer hand- 
schriftlichen Zeichnung d'Agincourt's ergänzt ist. 

Die Worte . . . LIORVM lassen sich kaum zu QVINTILIORVM ergän- 
zen, wie de Rossi will (a. a. O., S. 89 ff.). Wenn auch feststeht, dass 
in der Nähe des Fundortes (sogenannte „Roma vecchia" an der Via Appia) 
die Quintilier ein Landhaus besassen, so ist doch nicht wahrscheinlich, dass 
von der Zeit des Commodus an, der die Besitzer hinrichten Hess und ihre 
Güter konfiscirte, bis zum vierten Jahrhundert, welchem das Monument 
durch das Monogramm zugewiesen wird, der Name sich erhalten habe; 
ebensowenig ist eine Restituirung desselben im vierten Jahrhundert denk- 
bar, jedenfalls nicht nachzuweisen. Das Marmorstück scheint in irgend einer 
Weise als Ornament gedient zu haben. 



272 DIE ALTGHRISTLIGHEN BILDWERKE 

24. 

Marmor 'Epitaph. 

Verschiedenes Handwerkszeug — ein Richtmass, zwei 
spitze Instrumente (Meissel?) und ein Dreiecklineal — um zwei 
auf Zweigen sitzende Tauben geordnet. — Perret, Catac. 
pl. 47, 19. 

Embleme, die den Beruf des Verstorbenen anzeigen, sind auf christ- 
lichen, wie auf nichtchristlichen Epitaphien häufig. 

25. 

Marmor 'Epitaph. 

Fünf durch Linien gekreuzte Brode, darunter zwei über 
einandergeordnete, nach rechts schwimmende Fische. Perret, 
pl. 47, 18, Becker a. a. O., S. 74. Vgl. oben S. 42. Das Monu- 
ment stammt aus S. Ermete. 

26. 

Marmor 'Epitaph. 

In einem Kreisornamente der Gute Hirte in Tunika und 
gegürtet. Links neben ihm ein Schaf, rechts ein Bock, beide 
von ihm abgewendet. Ein Schaf trägt er auf der Schulter. Zu 
seiner Linken ein Baum, zu seiner Rechten das Monogramm [a]. 

27. 

Marmor 'Epitaph. 

Guter Hirte in Tunika und gegürtet, mit Hirtentasche. Er 
hält den rechten Arm ausgestreckt und führt in der Linken 
ein Peduir* Rechts neben ihm ein Bock, links ein weibliches 
Schaf, beide zu ihm hinblickend. Weiterhin links und rechts 
zwei Bäume und zwei Vögel. — D'Agincourt, Sculpt., 
pl. VII, 10. Perret, pl. 48, 20. 

28. 

Marmor 'Epitaph. 

Das Monument zeigt das Monogramm Christi mit 
A und fl, einen Kreis, eine Palme und die sogenannte crux 
gamma ta unmittelbar verbunden. 

Die crux gammata, in der indischen Religion das Zeichen des heiligen 
Feuers (svastika), Usst sich seit dem Ende des zweiten Jahrhunderts im 



DES MUSEO KIRGHERIANO IN ROM. 2^3 

christlichen Bilderkreise nachweisen, in welchen es nicht sowohl in be- 
wusster Reflexion Ober seine Achnlichkeit mit denn phönicischen Tau, d. h. 
das Kreuzeszeichen verhüllend aufgenommen wurde (deRossi, Bull. 1868, 
S. 91; Zöckier, Das Kreuz Christi, S. 141 ff. — Dagegen Zeitschrift fOr 
Kirchengeschichte 1879, S. 479), sondern um der allgemein mysteriösen 
Bedeutung willen, die man diesem Zeichen beizulegen sich gewöhnt hatte. 
Der Kreis — Bild der Ewigkeit — ist ebenfalls ein Symbol ausserchrist- 
lichen Ursprunges und tritt erst spfit in den christlichen Bilderkreis ein. 

29. 

Marmor 'Epitaph. 

Brustbild einer jungen Frau mit lockigem Haar und Perlen- 
schnur um den Hals, in gestreifter Tunika; links und rechts 
neben ihr je eine Säule, auf welcher eine Taube steht mit einem 
Zweige im Schnabel. Näher heran links und rechts Monogramm 
Christi. Dasjenige rechts mit tief herabgezogenem Mittelbalken. 

Abbildungen des Verstorbenen finden sich auf heidnischen wie auf alt- 
christlichen Epitaphien; vgl. nn. 3o, 3i, 46, 64 u. s. w. 

Die beiden Säulen stellen die Pforten des Paradieses dar; die Tauben 
mit dem Friedenszweige symbolisiren den durch den Tod und den Eingang 
in's Himmelreich errungenen p'rieden. Daneben finden sich die Tauben 
als blosses Ornament verwendet. Die Annahme, dass dieselben auch als 
Bild der Seelen der Verstorbenen zu fassen seien (de Rossi, Bull. 1864, 
S. 12 ff.; R. S. II, S. 3ii f.; Martigny, Dict. Colombes, und sdmmtliche 
alteren Erklärer), ist nicht zu begründen. 

3o. 
Marmor - Epitaph. 

Weibliche Orans in Stola und Palla, welcher links eine 
Taube mit einem Zweige entgegenfiiegt; rechtsmdas Mono- 
gramm Christi. 

Vgl. TertuU., Adv. Val., c. 2: „(columba) a primordio divinae pacis 
praeco." 

3l. 

Marmor 'Epitaph. 

Unter der Inschrift Palme, Siegeskranz und männlicher 
Kopf (Porträt). 

32. 

Marmor - Epitaph. 

Links neben der Inschrift ein Vogel (Taube?) auf einem 
Lorbeerzweige. Darüber Monogramm Christi. 

Sohultaa, Archäologliehe Studien. 1 8 



274 



DIE ALTCHRISTLICHBN BILDWERKE 



33. 

Marmor 'Epitaph. 

Unter der Inschrift: Herzblatt (Ornament), Anker, Taube 
auf einem Lorbeerzweige, Herzblatt. 

34. 

Marmor 'Epitaph. 

Zwischen der Sigla D — r M (dis manibus) ein Lorbeer- 
kranz mit Schleifen. Darunter IX0YC • ZßNTßN, und tiefer 
zwei Fische rechts und links, einem Anker zugewendet. Das 
Epitaph stammt aus dem vatikanischen Cömeterium. Marchi, 
Mon. prim., S. 70; Perret, pl. 43, 2; de Rossi, Bull. 1870, 
S. 59; Becker, S. 68. S. oben S. 229 fif. 

35. 
Marmor 'Epitaph. 

Guter Hirte in Tunika und gegürtet, von zwei Schafen, 
die zu ihm aufschauen, begleitet; ein drittes trägt er auf der 
Schulter. Rechts ein Baum; auf demselben eine Taube. Zwischen 
diesen Darstellungen die Inschrift zerstreut. Fundort S. Ermete. 

Lupi, Epit. S. Sev., S. iSy, Perret, t. V, pl. 43. 

Nordwand. 

36. 
Marmor 'Epitaph. 

Daniel, nackt, mit langem Haar; links und re(;hts ein 

Löwe von hundeähnlicher Gestalt, zu ihm aufblickend. Rechts 

ein Vogel auf einem Zweige sitzend und an dessen Frucht 

pickend. Rohes Graffito aus später Zeit. 

Ueber den symbolischen Inhalt dieser Scene vgl. S. 17. 

37. 

Marmor ' Epitaph. 
Zwei Handwerks- (Steinmetz-) Instrumente. Vgl. n. 24. 

38. 
Marmor' Epitaph. 

Verschiedene an einer Stange hängende Utensilien 
(Spiegel?). 



DES MÜSEO KIRGHERIANO IN ROM. 278 

39. 

Marmor 'Epitaph, 

Zwei Tauben links und rechts neben einem Kantharus. 
Darüber Monogramm Christi. 

40. 

Marmor - Epitaph. 

Kopf und Brust eines Hundes mit Halsband. Sehr rea- 
listisch gehalten. Ueber die Bedeutung vgl. n. 46. 

41. 

Marmor - Epitaph. 

Ein springendes Hündchen mit Halsband. S. n. 46. 

42. 
Marmor ' Epitaph. 
Zwei Tauben am Rande eines Kantharus sitzend. 

43. 

Marmor 'Epitaph. 

Noah, mit Tunika bekleidet, in einem Kasten stehend, 
der oben überdeckt ist und (links) einen Fuss hat. Links fliegt 
eine Taube mit Oelzweig herbei. 

44. 
Marmor 'Epitaph. 

Bärtiger Schäfer auf einem Felsstücke sitzend, in Tunika 

und Stiefeln. Er blickt nach rechts und hält in der Linken 

einen Stab, die Rechte nach einem vor ihm stehenden Schafe 

ausstreckend. 

Genrebild ohne symbolischen Inhalt. 

45. 

Marmor "Epitaph, 

Noah als Orans in einem überdeckten, ornamentirten 
Kasten. Gewandung wie n. 43. Links fliegt die Taube herbei, 
ohne Zweig. 

18* 



276 DIE ALTGHRISTLICHEN BILDWERKE 

Die Darstellung des Noah lässt sich seit dem Anfange des zweiten Jahr- 
hunderts in der christlichen Kunst nachweisen. Bei den Kirchenschriftsiellern 
(s. Aringhi, R. S^ 11, S. 472; vgl. I, Petrus 3, 19 f.) ist der Vergleich der 
Arche mit der Kirche beliebt; da es sich indess um eine sepulkrale Dar- 
stellung handelt, so ist es richtiger, den Inhalt derselben als eine Symbo- 
lisirung der aus dem Tode geretteten und des himmlischen Friedens theil- 
haftig gewordenen Seele zu fassen. Vgl. auch Hebr. 11, 7 und Christliches 
Kunstblatt 1879, S. 140 ff. 

46. 

Marmor 'Epitaph. 

Sitzendes Mädchen, in Tunika. In der Rechten hält sie 
einen Vogel, welchen sie an einer mit der Linken gehaltenen 
Traube picken lässt. Perret, pl. 52, 36. 

Das Motiv ist auf heidnischen Monumenten häufig. Man pflegte die 
Thiere, für welche die Verstorbenen eine besondere Vorliebe hatten, mit 
diesen abzubilden, oft in scherzhafter Situation. Clarac, pl. 170, n. 280; 
C. J. Gr., n. 2137; Benndorf und Seh., n. 344, S. 216; n. 448, S. 314; 
C. J. G., 3271; 3297; Annal. dell* Ist. 1837, S. i25; de Rossi, R. S., 
t. II, tav. XLIX, 7; Boldetti, S. 368, 365, 375; Fabretti, S. 574. 
Vgl. n. 40 und 41. 

47- 
Marmor - Epitaph, 

Eine Zange und ein anderes unbestimmbares Werkzeug. 
De Rossi, Inscript. christ. I, n. 243. 

Nach Brunati (Musei Kirch. Inscript., Mediol. 1837, S. 11 3) stammt 
das Epitaph aus einem Grabe „cum sanguinis vasculo'*; daher werden von 
ihm wie von Lupi (Epit. Sev., S. 98) die Graffitozeichnungen als Marter- 
werkzeuge gefasst. Indessen gehört laut der Angabe 

.... CON II GRATIANO III • ET EQVITIO 
das Monument dem Jahre 374 an. 

Ostwand. 
48. 

Marmor 'Epitaph. 

Links Monogramm Christi; rechts Taube mit Oelzweig. 
Perret, pl. 5i, 33. 

4^. 

Marmor' Epitaph. 

Ein Mann in enganschliessender, aufgegürteter Tunika ist 
beschäftigt, mit der Rechten Samen auszuwerfen; mit der 



DES MUSEO EIBGH£BIANO IN ROM. 



277 



Linken hält er einen kleinen geflochtenen Korb. Rechts ein 
(Palm-?) Baum. Perret, pl. 52, 38; Martigny, Dict. Instr., S. 379. 

Es handelt sich in dieser Darstellung schwerlich um die Parabel von 
dem Säemanne, sondern das Graffito stellt den hier Beigesetzten dar. Auf 
einen Mann aus niederem Stande weist auch die rohe Zeichnung. 

5o und 5i. 

Marmor 'Epitaph. 

Inschrift begleitet von zwei Masken und einem sieben- 
armigen Leuchter. Jüdisches Monument. 

52. 

Marmor 'Epitaph. 
Links Kranz, rechts Palme. Perret, pl. 46, i3. 

53. 

Votiv' Monument. 

Gross ausgeführter Fuss, aus S. Ermete. Perret,pl. 52,37; 
Lupi, S, 70. 

Gleiche Darstellungen finden sich auf heidnischen Monumenten; vgl. 
Lupi a. a. O.; Fabretti, Inbcript., S. 471 f. Der Votivzweck kann keinem 
Zweifel unterliegen; eine Umdeutung in specifisch-christlichem Sinne (z. B. 
Martigny, Dict. Pied. ; Bellermann, Die altchristlichen Begr&bnissstätten, 
S. 33; Lupi a. a. O.) ist nicht zulässig. 

54. 

Marmor - Epitaph. 

Ein Mann, in aufgelöster, gestreifter Tunika, hält in der 
Rechten ein Stäbchen empor und ergreift mit der Linken einen 
Krug, der vor ihm auf einem kunstvoll ausgelegten Tische 
steht. Perret, pl. 52, 39. 

Die Darstellung ist nicht mit Perret auf einen Agrimensor zu beziehen, 
sondern auf einen faber subaedanus (intestinarius), und der Tisch ist einer 
jener kunstvollen, mit kostbaren Holzarten ausgelegten mensae citreae, 
welche zur Zeit Cicero's in Rom in Mode kamen, worüber Plinius h. n. XIII, 
§. 92; Dio Cass., LXI, 10. Einen Weinkrug in der Hand des Verstor- 
benen sieht man auch sonst auf altchristlichen Monumenten (Boldetti, 
S. 208; Garr., Vetri, tav. 33, 2) in Anlehnung an heidnische Darstellungs- 
weise. Das^Stäbchen bezeichnet den Meister im Gegensatz zu den Gesellen. 
Andere Darstellungen aus dem Handwerksleben bei Fabretti, S. 587; 



27-8 ^^E ALTCHRI8THCHBN BILDWERKE 

Garrucci a. a. O.; de Rossi, t. 11, tav. 46, 55; im Lateran -Mus. 
Pil., XVI, 33 und sonst. 

55. 

Marmor- Epitaph. 
Links ein Rost (?), rechts ein Zweig (Palme?). 

Das Monument gehört der Gruppe n. 24 an. 

56. 

Marmor- Epitaph. 

Unter der Inschrift IRENEVS links ein von sechs Radien 
durchschnittenes Brod, daneben rechts ein nach links springender 
Hase; ferner ein Vogel, der einen Zweig im Schnabel trägt. 
Perret, pl. 47, 16. 

Die Bedeutung des Hasen, welcher auf heidnischen Monumenten vor- 
zugsweise eine Beziehung auf den Aphrodite-Kultus hat, ist im christlichen 
Bilderkreise nicht klar. In den Darstellungen auf Lampendisken scheinen 
nur mechanische Nachbildungen der Antike vorzuliegen. Auf Epitaphien 
lässt sich das Sujet am einfachsten aus der unter n. 46 erwähnten Sitte 
erklären, wenn nicht vielleicht sogar die Bedeutung von lepus als eines 
Schmeichelnamens (Plaut. Gas. i, 3o) hier in Betracht zu ziehen ist. Das 
Brod hat schwerlich eine Beziehung auf die Eucharistie, wie angenommen 
wird, sondern ist hier an die Stelle der Früchte getreten, an denen nagend 
Hasen und andere Thiere sonst sich dargestellt finden; vgl. de Rossi, 
Bull. 1873, tav. VI, 2; Passeri, Lucernae II, tav. 18; King, Antique gems, 
vol. II, 55, 5. 

57 und 58. 

Zn/ei Marmor 'Epitaphien. 

i. Palmbaum. — 2. • D • (Palmzweig) • M • (Palmzweig) 
•ß* (Baum). Perret, pl. 5i, 34; 46, 14. 

Palmzweig und Palmbaum stehen identisch: Beide bezeichnen den Sieg 
über den Tod. • B • ist in benemerenti aufzulösen oder, wohl richtiger, 
als Verschreibung für S (sacrum) anzusehen. 

59. 

Marmor- Epitaph. 

Gezäumtes Pferd, in schreitender Bewegung nach links. 
Darüber Palmzweig und rechts meta. Nach Boldetti (S. 461) 
aus S. Callisto, d. h. aus einem der Cometerien an der Via 
Appia. Lupi, S. Sj; Perret, pl. 5o, 28. 



DBS MÜSEO KIRCHERIANO IN ROM. 279 

Das Pferd auf altchristlichen Monumenten hat eine bestimmte persön- 
liche Beziehung auf den Verstorbenen, insofern dasselbe, wie auf heidnischen 
Epitaphien, entweder an den Namen .des Verstorbenen oder an seine oder 
seiner Familie sociale Stellung oder an einen in der Rennbahn erfochtenen 
Sieg erinnern soll. Vgl.Bellori, Picturae ant. crypt , S. 187, 190; Fabretti, 
S. 267, nn. 167, 168; Boldetti, S. 2i5. Daher befindet sich das Pferd auf 
christlichen Monumenten gewöhnlich in ruhiger Stellung (Lupi, S. 67, 2) 
oder langsam vorschreitend (de Rossi, R. S., t. III, tav. 38, und auf diesem 
Epit.), ferner blos gezäumt (Lupi, de Rossi a. a. O.) oder gesattelt 
(Bullett. 1873, tav. XI, 2), wodurch eine symbolische Bedeutung der Dar- 
stellung (Rennen nach der Krone des Lebens) ausgeschlossen wird. Ferner 
handelt es sich (I. Cor. 9, 24; II. Tim. 4, 7) nicht um ein Wettrennen zu 
Wagen, sondern um einen Wettlauf zu Fuss. Zur entgegengesetzten Ansicht 
vgl. Bull., 1837, S. i35 ff.; 1867, S. 82 ff ; Martigny, Dict. Cheval. — 
Das Pferd auf diesem Epitaph, welches einer VETTIA SIMPLICIA von 
ihrer Mutter errichtet ist, deutet an, dass ein Angehöriger dieser Familie im 
Cirkus Sieger gewesen ist (Palme und Meta), ein Ereigniss, das als ruhm- 
volle Familien -Tradition in Erinnerung gehalten zu werden pflegte. Das 
Abstutzen nnd Umwickeln des Schweifes, wie es das Graffito zeigt, war in 
spätrömischer Zeit sehr gebräuchlich (Sc blieben. Die Pferde des Alter- 
thums, Leipzig 1867, S, 139.) 

60. 

Marmor- Epitaph. 

Links Taube, einen Zweig tragend, daneben rechts männ- 
licher Orans in gestreifter Tunika, weiterhin Monogramm 
Christi und darüber Haupt eines bärtigen Mannes. Perret, 
pl. 45, 6. 

Das Epitaph ist einem Priscus von seinem Bruder gesetzt. Da der 
Orans nur erstem bezeichnen kann , so ist wohl der beigefügte Kopf als das 
Porträt des Stifters des Monumentes zu betrachten. 

61. 

Spott- Crucifix, 

An ein Kreuz ist eine menschliche Gestalt, in kurzer 
Tunika, mit Eselshaupt, geheftet. Sie blickt nach links, woselbst 
eine männliche Figur, nach rechts gewendet, ihr eine Kusshand 
zuwirft. Darunter die Inschrift: AAESAMENOC II GEBETE II 
©EON. Das Graffito, welches im Jahre i856 am südlichen 
Abhänge des Mons Palatinus entdeckt wurde, persiflirt einen 
Christen. Garrucci, II Crocifisso graffito in casa dei Cesari, Roma 
1857; Piper, evang.Kal. 1864, S. 78; Becker, Das Spott-Crucifix, 
Bresl. 1866; Kraus, Das Spott-Crucifix vom Palatin, Freib. 1872. 



28o I>rB ALTCHRISTLICHEN BILDWERKE 

III. Lampen 1). 

a) Specifisch christliche, 

62 — 78. Terracotta. Mit den auch sonst bekannten Monogramm- 
und Kreuzesformen. 

79. Terracotta. Mit einem gleichschenkeligen, auf einer säulen- 
artigen Basis stehenden Kreuz. Perret, pl. i3, 4. 

80. Terracotta. Die Rückkehr der Kundschafter aus dem ge- 
lobten Lande. Sie sind unbekleidet und tragen an einer 
Stange eine grosse Traube. 

81. Terracotta. Die drei Hebräer vor der Bildsäule des Königs 
von Babel. Sie tragen Tunika und phrygische Mütze und 
sind von einer vierten Person (König oder Trabant) begleitet. 

82. Terracotta. P'igur eines nur mit einem Perizoma bekleideten 
Orans. Derselbe blickt nach rechts. Daniel oder Adam. 

83. Terracotta. Guter Hirte, in Tunika, ein Schaf auf der 
Schulter tragend. 

84. Terracotta. Fragment einer Darstellung wie Nr. 81. 

85. Terracotta. Eine nackte Frauengestalt, welche mit der 
Linken die Scham bedeckt und die Rechte auf der Brust 
ruhen lässt. Eva (? oder heidnische Darstellung, vgl. Nr. 92). 

86. Bronze, Lampe, von zwei Kettchen getragen, mit Griff in 
Kreuzesform. Martigny, Dict. Lampes, S. 407. 

87. Bronze. Lampe, von zwei Kettchen getragen. Der Griff 
läuft in einen Drachenkopf aus. Vgl. Bull. 1868, S. 94. 

88. Terracotta (weissl. Thon). Aegyptischer Provenienz. Auf 
dem Diskus 

A N 

C 
= ANTONIOC. 

89. Aus demselben Material und ebenfalls ägyptischer Provenienz. 
Um den Diskus die mit schwarzer Flüssigkeit geschriebene 
Legende: 4- OArHOCCAKEPAOC.Brunatia.a.O.,S.ioi. 



^) Die kleine Sammlung umfasst mit Einschluss der Fragmente circa 
64 Exemplare, von denen die bemerkenswertheren in Folgendem aufgeführt 
sind. Einige andere Lampen mit Monogrammformen, die bei den Aus- 
grabungen auf dem Esquilin und dem Monte della Giustizia zum Vorschein 
gekommen sind, befinden sich, mit antiken gemischt, in dem Korridor der 
Inschriften und bieten nichts Besonderes. 



DES MUSBO KIRCHERIANO IN ROM. 28 I 

90. Aus demselben Material. Aegyptisch. Auf dem Diskus mit 
Schwarz geschrieben: X TOY AHOY II KHPYAAOY. 
Ueber die Bedeutung dieser Inschriften siehe de Rossi, 
Bull. 1866, S. 72. 

b) Mit antiken Sujets^). 

91. Terracotta. Hirt, unter einem Zeltdache sitzend und die 
Flöte blasend. Daneben ein Hund, der einen Hasen jagt. 

92. Terracotta. Nackte Frauengestalt, welche mit der Rechten 
die Scham bedeckt und die Linke auf das Haupt gelegt 
hat (Venus? vgl. Nr. 85). 

93. Terracotta. Nackte männliche Figur, die mit beiden 
Händen von sich ab eine Traube hält (vielleicht auch einer 
der Kundschafter, vgl. Nr. 80). 

94. Terracotta. Brustbild der Diana. 

95. Terracotta. Kopf eines Kriegers mit griechischem Helm. 

96. Terracotta. Jäger in Tunika und Mantel. In der Linken 
hält er einen Bogen, welchen er soeben abgeschnellt hat, 
wie die Bewegung des rechten Armes zeigt. Rechts 
springt ein Hund auf in der Richtung des abgeschossenen 
Pfeils. Vgl. Passeri, Lucernae I, tav. 18. 

97 und 98. Terracotta. Maske. 

99 und 100. Terracotta. Taube. Vgl. Passeri III, tav. 84. 

loi. Terracotta. Taube, welche eine Traube im Schnabel trägt. 

102. Terracotta. Delphin. 

io3 und 104. Terracotta. Fisch. 

io5. Terracotta. Springender Steinbock. 

106. Terracotta. Springender Löwe. 

107. Terracotta. Kantharus. 

108. Terracotta. Palmzweig. Vgl. Passeri III, tav. 42. 

c) Mit jüdischen Emblemen. 
109— III. Terracotta. Siebenarmiger Leuchter. Perret, pl. i3, 4. 

1) Ich führe Nr. 99 — loi unter dieser Rubrik auf, weil die Darstellung 
der Taube, wenn dieselbe auch im Laufe der Zeit eine echt christliche ge- 
worden ist, dem heidnischen Bilderkreise entstammt, und in diesen Fällen 
wohl letzterem angehört. Ein Gleiches gilt von Nr. 102 — 104, 108. 



282 DIB ALTOHRISTLICHBN BILDWERKE 

IV. Verschiedene Gegenstände. 

112. Terracotta-AmpuUe. Höheo-o85 Meter, Breite o'o65. Meter. 

Oben abgestossen. Auf der einen Seitenfläche der heilige 

Mennas als Orans^ in Soldatenkleidung; links und rechts 

neben seinem von einem Nimbus umrahmten Haupte ein 

Kreuz, tiefer links und rechts ein Kameel in fast vertikaler 

Stellung mit dem Kopfe nach unten gewendet. Auf der 

andern Seite der Ampulle ein mit Perlen besetztes und 

von einem Kranze umschlossenes Kreuz. 

Diese nicht seltenen Gefässe dienen zur Aufbewahrung des Oeles, 
welches die Pilger vom Grabe des heiligen Mennas in der Nahe von 
Alexandrien nahmen, und gehören dem sechsten oder siebenten 
Jahrhundert an. Vgl. Bull. 1869, S. 3i, f., 46; 1872, S. 3o. 

11 3. Zwei Fische, der eine aus Elfenbein mit durchbohrtem 
Auge, der andere grösser und aus Bronze mit Ring im 
Maule. 

Fische aus Bronze, Elfenbein, Krystall und sonstigem Material wurden 
von Heiden und Christen als Amulette getragen. Vgl. de Rossi, Bull. 
i863, S. 38; 1875, S. i38 ff.; Martigny, Dict. Poisson, S. Ö54. Die 
bekannte Symbolik (1X0YC) knüpft sich erst später an dieselben. 

114. Kleines Schaf aus Bronze. Dasselbe trägt auf dem Kopfe 
ein Kreuz und hat offenbar als Spielzeug gedient. 

Solche kleine Thierfiguren werden auch in antiken Gräbern häufig 
gefunden; Vgl. de Rossi, R. S. t. III, S. 586. 

1 15. Eine kleine Schnellwage aus Bronze von geschickter Aus- 
führung. Wahrscheinlich ebenfalls nur Spielzeug. 

1 16. Stück eines Bronze-Kandelabers in Form eines Pflanzen- 
stengels. 

1 17. Sechs Böden von Glasschalen und mehrere unbedeutende 
Fragmente von Fondi d'oro*). 

1 18 und 1 19. Zwei Mosaikstücke, das eine mit der Darstellung 
einer Qualle, das andere mit. derjenigen eines Fisches 
(Aal?). 
Gute Arbeit. Nichtchristlich. 



*) Von den von Garrucci im Jahre 1864 als im Museo Ktrcheriano be- 
findlich bezeichneten Goldgläsern (Vetri antichi, tav. I, i, 4; III, 4, VI, 8; 
XVII, 5, 8, 9; XXVr, II; XXXII, 2; XXXVI, 2; XXXVIII, i; XXXIX, 9; 
XI, 4) habe ich nur noch diese dürftigen Reste gefunden. Was aus den 
Qbrigen geworden ist, konnte ich nicht in Erfahrung bringen. 



DES MUSEO KIRGHERIANO IN ROM. 283 

I20. Vase aus schwarzem Marmor. Höhe (ohne Basis) 0*9 Meter; 
grösster Umfang cirka 0*79 Meter. Der obere Rand des 
Monumentes ist theilweise ausgebrochen, die Figuren sind 
sehr abgestossen. Die moderne Restauration ist, soweit 
sich sehen lässt, richtig ausgeführt. Die Aussenfläche der 
Vase, die im Jahre 1845 in Rom gefunden wurde, ist in drei 
ringsum laufende Felder getheilt. Die beiden untern, an 
deren Grenzlinie links und rechts ein Satyr köpf angebracht 
ist, weisen flach ausgearbeitete Akanthusblätter und stili- 
sirte Blumen auf; das obere zeigt in Hochrelief die 
Huldigung der Hirten vor Maria und Christum inmitten 
der Apostel thronend. Maria (Kopf, rechter Arm und 
linke Hand abgestossen), sitzt in Tunika und Stola gekleidet 
auf einem Throne, dem Beschauer entgegengerichtet. 
Ihre Füsse ruhen auf einem Scabellum. Auf ihrem 
Schoosse mit eingezogenen Beinen der nackte Knabe 
(Kopf und ein Bein fehlen), dem die Mutter, ihn mit 
beiden Händen haltend, die Brust reicht. Rechts neben 
dem Throne ist der Körper, der halbe rechte Arm, das 
linke Bein und der rechte Fuss eines nach links schrei- 
tenden Mannes erhalten, welcher kurze, enganschliessende 
Tunika, enge Hosen und Sandalen trägt. Ihm folgt ein 
zweiter (Kopf, Arme und Beine abgestossen) in gleicher 
Kleidung, ebenfalls nach links vorwärts schreitend. Links 
neben dem Throne sind nur noch die Fragmente zweier 
männlicher Figuren erhalten, eine dritte ist ganz ausge- 
brochen. Die andere Hälfte des obern Feldes nimmt die 
Darstellung des unter seinen Jüngern thronenden Christus 
ein. Christus (Gesicht, rechter Fuss und linker Unter- 
arm abgestossen) sitzt auf einem Stuhle, welcher dem- 
jenigen der Maria entspricht, in Tunika und Obergewand. 
In der halb gesenkten Linken hält er eine Rolle, Die 
Rechte scheint im Redegestus erhoben gewesen zu sein. 
Rechts neben dem Throne steht eine männliche Gestalt 
(Kopf, rechter Unterarm, linke Hand fehlen), in Tunika 
und Pallium. Die Rechte ist halb erhoben; über dem linken 
Arme liegt ein Gewandstreifen. Daneben eine zweite 
männliche Figur (Kopf und rechte Hand abgebrochen), 



284 I>IB ALTCHRI8TLICHBN BILDWERKE ETC. 

in Beziehung auf Gewandung und Auffassung der be- 
kannten Statue des Sophokles im Lateran -Museum ent- 
sprechend. Dicht hinter dieser Figur ist ein grosses 
Stück aus der Vase gebrochen. Der Raum erheischt vier 
Personen, wie auch richtig restaurirt ist. Von der links 
von Christus geordneten Gruppe sind drei Personen (bei 
sämmtlichen fehlen die Köpfe) erhalten. Demnach sind 
vier Figuren ausgebrochen. 

Die Reliefs sind gut gearbeitet und heben sich von der durch- 
schnittlichen Kunstleistung des fünften Jahrhunderts, dem sie anzuge- 
hören scheinen, durchaus ab: Die Darstellung des thronenden Christus 
erinnert an ein Mosaik in S. Apollinare nuovo in Ravenna (Garrucci, 
Storia IV, tav. 242 fF.). Die um Maria sich ordnende Gruppe ist als 
Huldigung der Hirten zu fassen, wenngleich die von links nach rechts 
herbeieilenden Männer die den Magiern eigenthOmliche Gewandung 
tragen, denn eine Sechszahl von Magiern ist in jenem Jahrhundert 
nicht denkbar; auch fehlen die üblichen Gaben. Vgl. Tübinger Kunst- 
blatt 1845, S. 416. Piper, Symb. und Myth. I, S. i63. 



REGISTER. 



ABRAM ET FIFVAM 169. 

Abraxas-Gemme i55. 

Achradina i25. 

Adam und Eva 259. 

Adoratio 70, 162. 

Aehren i5. 

AGARE MISCE MI 9. 

Ampullen 129, i33. 

Anker 229, 23 1, 274. 

Apostel 283. 

Arkandisciplin 7. 

Auferstehung, Beweise für die, i5. 

Aussätzigen, Heilung des, 264, 266. 

Bacchischer Cyklus 10, 11. 

Bergpredigt 264. 

Blinden, Heilung des, io3, 169, 265. 

Brode 272, 278. 

Brodkörbe 25, 3o, 32, 5i, 54, loi. 

Brunnen 94. 

Oassia, Vigna, i3o, 142. 
Cathedra i52, i58, 200. 
Cheirothesie 56. 
Chrestus (Crescens) i23. 
Christus, Typus 149, 264. 
Crux gammata 272. 

Daniel i63, 260, 274. 
Delphin 12, 55, 61, 106. 
Diana 281. 
Dioskuren 12, io5. 



Endymion 10, 80, 81. 

Engel i5o, 164. 

Eros und Psyche 11, 104, ii3. 

Eroten 106, 108, in, 11 3, i5o, 257, 

259, 263, 267, 268, 269. 
Eva, Schöpfung der, 148. 
Ezechiel, Vision des, 17, 10 1. 

Faber subaedanus 277. 

FELICITER 108. 

Fische 9, 27, 3o, 33, 57, 85, 96, 229, 

23o, 272, 281, 282. 
Fisch-Amulet 282. 
Fischer 24, 3o, 46. 
Fuss 277. 

Gebetsstellung 83, 178. 

Geist, heiliger, 148, 149. 

Genien i3. 

Gichtbrüchiger 3o, 84. 

S. Giovanni, Katakombe 126, 142. 

Goldgläser 204, 282. 

Gott, Typus 148, i52, 

Habakuk 164. 
Hades 73. 

Hahnenkampf 104, 11 5. 
Handwerkszeug 272, 274, 276. 
Hase 278, 281. 
Herakleon 122. 
Herme 270. 
Hermes 59, 66.