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3H0 Xf
I
ARISTOTELES UND ATHEN
VON
TJLEICH VON WILAMOWITZ-MOELLEIDOEEF
ZWEITER BAND
BERLIN
WEIDMANNSCHE BUCHHANDLUNG
1893
TC
Inlialt des zweiten bandes.
ZWEITES BUCH.
TJutersucliuiigen auf grrund der aristotelischen Politie.
Seite
1. Die quellen der griechischen geschichte 3
2. Die athenische politie von Kekrops bis Solen 34
3. Die athenische politie von Peisistratos bis Ephialtes 68
4. JlärQios TtoXireia 103
5. Die könige von Athen 126
6. Trittyen und Demen 145
7. Der athenische name 169
8. Der Areopag vor Ephialtes 186
3000 hopliten von Acharnai 201
Diobelie 212
Ttfirifiara naQs^öfievoi . 217
Aöyos und evd'vva 231
ÜQox^iQOTOvia 252
DRITTES BUCH.
Beilagen.
1. Die phratrie der Demotioniden 259
2. Der erste krieg mit Aegina 280
3. Die Chronologie der pentekontaelie 289
4. Solons gedichte 304
5. Die attische skoliensammlung 316
6. Pindaros siebentes pythisches gedieht 323
7. Der procefs der Eumeniden 329
8. Die zeit der Thesmophorlazusen 343
9. Die rede für Polystratos 356
10. Die paragraphe und Lysias wider Pankleon 368
11. Lysias wider die kornhändler 374
12. Isokrates Panegyrikos 100—114 380
IV Inhalt des zweiten bandes.
Seite
13. Die briefe des Isokrates 891
14. Demosthenes piooemium 55 400
15. Die gedichte des Aristoteles , 403
Sachregister 417
'^rriy.ä Tiolirixa ovöfiara • . . . 423
Stellenregister 425
ZWEITES BUCH.
Untersuchungen auf grund der
aristotelischen Politie.
V. Wilamowitz, Aristoteles. II.
1.
DIE QUELLEN DEE GEIECHISCHEN GESCHICHTE.
Die quellenkunde der griechischen geschichte ist eine discipUn, die
etwa vor einem menschenalter erfunden ist und am bequemsten in dem
verbreiteten abrisse von A. Schaefer studirt wird, da stehn mehr oder
weniger kümmerhche biographische und litterarische notizen über die
griechischen historilvcr bis ans ende des zweiten Jahrhunderts v, Chr., also
Diodor und Plutarch fehlen, um dafür in der römischen quellenkunde zu
figuriren. wenn sie für die eine quellen sind, wieso sind sie's für die
andere nicht? das buch trägt überhaupt sehr viel von der schuld, dafs
die Studenten meinen, man lernte die griechische geschichte wesentlich
aus den historikern.
Gleichzeitig ist mit einem sehr starken aufwände von arbeit, zumeist
allerdings anfängerarbeit, der versuch gemacht, die späteren berichte aut
ihre quellen zurückzuführen, dabei ist einiges wertvolle ermittelt; es
hat sich aber nachgerade herausgestellt, dafs dieses quellensuchen ein
recht schwieriges geschäft der litterarischen analysis ist. die historische
analyse hat zwar für die zeit nach Polybios viele und gute ausbeute ge-
liefert; vorher verschwindend wenig, als das wichtigste methodisch wie
praktisch gleich bedeutsame ergebnis darf man verzeichnen, dafs die be-
deutung der antiken sammler und forscher immer klarer hervortritt, leute
wie Tiraaios Tstros Hermippos Apollodoros Alexandres von Milet sind
ungleich kenntlicher geworden als Ephoros Theopompos Aristobulos.
ihre reste aber finden sich vornehmlich bei grammatikern und Philo-
sophen, in schoben und lexicis, also in Schriften, die unter den ge-
schichtsquellen nicht zu paradiren pflegen.
Die quellenkunde spottet ihrer selbst schon durch ihren namen.
was ist eine quelle? Schaefers abrifs antwortet: ein geschichthches buch
aus der zeit vor Polybios. der quellensucher antwortet: die vorlagen
meines autors, einerlei wer er ist. es gibt quellen des Suidas und
1*
4 II. 1. Die quellen der giiechisclien geschichle.
quellen der Odyssee, o wenn sie doch griechisch dächten! ycr^yr] oder
y.Qrjvr^l wenn ytQrjV)], dann ist auch Tzelzes eine quelle, wenn 7ci]yii],
dann ist auch Ephoros keine, die Htterarische forschung darf nicht so
vornehm sein wie Kallimachos der dichter (als forscher war er auch he-
schei(hier), sie niufs d^co zQi]ri]S yciveiv, mufs sich um alle hrunnen und
canäle und reservoirs kümmern, die historie dagegen prüft was sie
trinkt darauf, oh es 7Ci]yalov vöiog ist, avd-iyevig oder verschlammt,
durch den filier geschmacklos geworden, von der sonne halhverdunstel.
auch die ollyt] lißäg isl ihr genehm, wenn sie nur a-/.QOv atozov
ist, und was nach der (luelle schmeckt, das nimmt sie, einerlei wie ver-
mittelt.
Begiiff dci Ein jeder historiker ist schon vermittler, auch wenn er Thukydides
(iugHg
heifst. als quelle kann sein hericht nur gellen, so weit er zeuge ist;
sonst geht die geschichthche forschung über ihn weg, auf seine zeugen,
die Urkunden und die aussagen von zeugen, das sind erst quellen, oh
sie aber ihre aussagen mit der absieht gemacht haben, geschichtliche
künde zu übermitteln, d. h. geschichte geschrieben, ist nehensache. was
unserer tagespresse entspricht, reden flugschriften komoedien, alle pri-
vaten documente vom pindarischen siegesliede bis zum schlichten grab-
slein haben auf die geltung als quellen viel mehr anspruch als die com-
pendien später zeit, die der allgemeinen bildung oder, was dasselbe ist,
der allgemeinen Ignoranz dienen, eine quellenkunde, die von dem
richtigen begriffe der quelle ausgeht, tut der griechischen geschichte
allerdings not. erst durch sie erfährt sie, was sie überhaupt wissen
kann, sie erfährt sofort, dafs sie von vielen Jahrhunderten aus den
quellen keine geschichte schreiben kann, wenn diese forderung gestellt
wird, dann sind die bekannten striche bei der Heraklidenwanderung
oder der ersten Olympiade oder dem jähre des Solon noch viel zu früh:
dann müssen wir uns eingestehn, dafs erst das jähr des Pythodoros, 432,
das anfangsjahr der griechischen geschichte ist. denn vater Ilerodotos
hat auch das mit valer Homer gemein, dafs seine geschichte absurd
wird, wenn man sie pragmatisirt. die Hellenen sind ein eigenes volk.
ihre geschichle scheint, je besser sie erkannt wird, desto später an-
zufangen, während im Orient die Babylonier, von den Assyrern ganz zu
schweigen, und die Aegypler mit ihren künigslisten und den denksteinen
ihrer siege in fabelhafte fernen reichen, die konige der Ramessiden-
dynastie sind sogar leibhaft in ihren mumien vorhanden, so dafs man
ihre hohlen zahne zählen und ihre leibeslänge messen kann, aber der
korper ist tot, und die zahlen sind tot. leben hat allein die seele, und
Begriff der quelle, sage. 5
die seele der hellenischen geschichte redet zu uns von den lagen Homers
und der homerischen helden an. individuelle menschenseelen sind für uns
erst dann kenntlich, wenn sie selbst noch zu uns von ihrem Seelenleben
erzählen: die gibt es auf erden nicht vor Arnos und Jesaja, Archilochos
und Solon. aber typische menschen , durch dichterkraft zur individua-
lität erhoben, sind schon Jakob und Moses, Agamemnon und Odysseus,
und die historie, die mit ihnen nichts anfangen kann, weil sie Ufiythisch
sind oder geworden sind, ist die rechte Schwester der encheiresis na-
turae, die ihrer selber spottet — mögen sie sich auch alle beide ein-
bilden, heut zu tage zu regieren.
Wenn die meihode, aus den Urkunden die Wahrheit pragmatisch zu
ermitteln, für die alte zeit versagt und überhaupt nur so weit hinauf
berechtigt ist, als die Zeiten selbst für eine pragmatische auffassung und
bewahrung des geschehenden reif waren , so mufs eine andere methode
gefunden werden, um in die ähere zeit vorzudringen, deren gedächtnis
in anderer weise erhalten ist. auch hier gilt es die quellen zu finden ;
die ([uellen sind nur anderer art. zwar die steine, die der bürgen und
tcmpel und vollends die beschriebenen, und die gräber sind in gleicher
weise unmittelbare zeugen , und es fehlt auch nicht an einzelnen men-
schen, die noch zu uns unmittelbar reden: die hauptquellen der alten
zeit sind die dichter, nur seine poesie hat den menschen Solon im
gedächtnis erhalten, und dafs dieser kennthch ist, gibt auch die möglich-
keit, über sein politisches wirken zu urteilen: das hat Aristoteles be-
griffen, aber die Überlieferung im ganzen ist anderer art, und ihr mufs
sich notgedrungen die historische methode anpassen, nur so erfahren
wir, was wir wissen können, nur so vermeiden wir die Charybdis, an
jedem wissen zu verzweifeln , weil wir der Skylla , pragmatische fabeln
weiter zu pragmatisiren, entgehn wollen, die quellenkunde für die ältere
zeit ist in Wahrheit die einsieht in das werden und die geschichte der
historischen tradilion.
Vieler Jahrhunderte Überlieferung ist nur in der sage niedergelegt sage
und als solche überliefert , sehr verschieden , je nachdem sie sich nur
local von mund zu mund fortpflanzte oder durch die gestaltungskraft
des dichters feste form und weitere Verbreitung, dann aber auch ledig-
lich poetischen zwecken dienende Umbildung erhielt, an realen persön-
lichkeiten fehlt es fast ganz, und so weit sie zu gründe Hegen, verflüch-
tigt sich ihre leiblichkeit, dafür wird die summe einer geschichtlichen
enlwickelung gezogen und in idealer umdichtung stilisirt. wenn auch
in der form einer erzählung erfahren wir mit Zuverlässigkeit meist nur
6 H. 1. Die quellen der griechischen geschichte.
das ergebnis der ereignisse. dafür ist aber der sinn für das ganze und
grofse vorhanden, das epos ordnet die fülle der erscheinungen und er-
innerungen rückwärts schauend von dem was als resultat der geschicht(
vorhanden ist unter grofse gedanken und stellt einen Zusammenhang
her, der für die logik der zeit ein causalnexus und für die moral der
zeit die theodicee ist. das stemma, mit dem die Kataloge fles Hesiodos
begannen, ist ein bedeutendes product von historisch weit und scharf
bhckendem ordnendem urteil: für uns unmittelbar verständlich und un-
schätzbar als eine darstellung der vülkerverhältnisse und des bewufstseins
von stammesverwandlschaft und Verschiedenheit im siebenten Jahrhundert,
die von der poesie wenig umgestalteten sagen von den attischen königen
und die eponyme der yivy] cfgarglat q)vXal lehren schlechthin nichts
für personen und ereignisse; aber die institutionen und die geschicht-
lichen resultate reden in ihnen zu uns, und so sind sie eine ergiebigere
quelle als die urkundliche, in anderer art unschätzbare namenreihe der
Chronik, es wird der moderne immer erst nach langer Vertrautheit und
durch liebevolle hingäbe erreichen, jenen geschlechtern nachzuempfinden,
die selbst ihre eigensten erlebnisse nur in dem reflcxe schauen mochten,
den sie auf die heilige geschichte der lieben vorfahren warfen, lebendig
aber ist diese art zu empfinden in dem mutterlande von Hellas vieler
orten noch bis an das ende des fünften Jahrhunderts gebheben, und in
den immer mehr schemalischen und ausgeklügelten eponymen und Wande-
rungen hat auch noch die späteste zeit sich ein Surrogat der sage zu
schaffen versucht, wenn die herren der pindarischen gesellschaft es ver-
langen, dafs der sieg im faustkampfe, den einer der ihren erringt, mit
der geschichte der Stammesheroen in unmittelbare beziehung oder doch
in parallele gesetzt werde, so ist ihnen und dem Pindaros das keine
leere fiction. dem Euripides war es schwerlich mehr, als er am Schlüsse
des Ion die hesiodische Stammesgenealogie so umformte, dafs sie sich
den machtverhällnissen des altischen Reiches anpafste: aber die Athener
waren nicht aufgeklärte Sophisten wie er. es folgt hieraus, dafs die ge-
schichtliche ausnutzung der sagen vorab feststellen muf's, wie alt sie in
der form sind, die wir übermittelt erhalten, und dafs sie dann zunächst
nur für die zeit etwas lehren , der diese form angehört, alles weitere
ist ein rückschlufs, aufgebaut auf der kritik der aussagen, die jene be-
stimmte zeit durch die sage über ihre Vergangenheit macht.
Lovelle Der sage folgt ihre jüngere Schwester, die novelle; beide aber re-
gieren eine weile nebeneinander, so dafs sich die grenzen ihrer reiche
häufiof verwischen, die sa^e ist heilig und wahr oder will es doch sein.
Novelle, das erwachen der subjectivität in lonien. 7
ihre göttin ist die himmlische Muse, die tochter des Zeus, die später den
Philosophen, Parmenides und Piaton, die Wahrheit verkündet, dagegen
die Muse der novelle %oy.Ev xpsvöea tioKIo. /Jysiv Itu^wioiv of-ioia.
irdisch wie sie ist richtet sie ihren sinn auf das menschliche und zwar
auf die gegenwart, aber da sie die sage ablost, zieht sie zunächst die
götter oder doch die lieben vorfahren in ihre kreise, aber sie hat später
sogar die historischen namen für ihre träger abgeworfen ohne an reiz
zu verheren. sie verhält sich dann zur sage wie das menandrische lust-
spiel zu der athenischen tragoedie. auf dafs sie erstünde, mufste der
glaube der väter erschüttert und die freiheit der väter verloren sein,
so ist sie denn ein kind loniens aus der zeit der lydischen und per-
sischen fremdherrschaft, aber einmal aufgekommen wandert sie mit der
ionischen cultur hinüber in das mutterland. nun spiegeln sich die
Wikingerzüge und handelsfahrten der Milesier und Phokaeer nicht mehr
in den leiden der heimfahrenden Achaeer und dem zuge der Argo ; man
erzählt vielmehr von Bias und Thaies, Kroisos und Periandros, Solon
und Themistokles schöne geschichten: aber keineswegs um ihrer grofsen
taten willen und des erfolges, den di"ese für das Vaterland hatten, sondern
um ihrer merkwürdigen Schicksale und ihrer persönlichen tüchtigkeit
willen, der aQSTTj, die bis auf'Sokrates keinen morahschen Inhalt hat.
geschichtlich lernen wir von der novelle direct kaum etwas, denn ihr
ist nie zu trauen ; aber wenn wir ihre träger kennen, so wird der reflex
in der novelle auch ihr geschichtliches bild erhellen, wo das nicht der
fall ist, können wir kaum etwas besseres tun als uns vor dem trüge
der Zauberin hüten, zum entgelte gibt sie uns ein farbiges bild von dem
denken und empfinden, leben und treiben, wünschen und träumen einer
reichen zeit.
Sage und novelle sind autorlos. das heifst nicht, dafs auf den Das er-
dichter oder erzähler nichts ankäme, aber sie mischen ihre person nicht subjectivität
ein und beanspruchen nicht als personen autorität. das ändert sich, als
in lonien mit dem Staate auch die andern autoritäten fielen, die der
menschen Wildheit und trotz gebändigt hatten, in der tat, so wie die
alte gesellschaft gewesen war, im mutterlande um 500 noch zumeist war,
hiengen glaube und sitte, religion und Staat, das materielle und das
geistige leben so unlösbar mit einander zusammen , dafs der einzelne
seinen festen halt hatte, aber auch festgehalten ward, das änderte sich
für den lonier, als der Staat zertrümmert war, und auf dem colonialen
boden war die gesammte cultur immer mehr als eine gemachte denn als
eine gewachsene empfunden worden, nun versagte die macht der auto-
8 II. 1. Die quellen der griechischen geschichte.
ritäten, und der mensch kam gar bald dahin, sich ohne bände, aber
auch ohne stütze zu fühlen, er war frei; aber er mufste sich nun die
grundlagen seines lebens selbst zimmern, daher sehen wir sie alle ihren
selbstgesetzten zielen rücksichtslos zustreben, der tyrann und der phi-
losoph, der fahrende spielmann und die heläre treiben es ein jeder in
seiner weise, und die gesellschaft gestattet es ihnen allen, 'jeder wird
jeden rücksichtslos zur seile stofsen, um sich selbst den weg zu bahnen,
aber wer zum ziele kommt, den werden alle bewundern, damals ist es
denn geschehn, so viel wir wissen, zum ersten male, dals ein mensch
sein individuelles meinen über die geschichte seines volkes rücksichtslos
ausspricht, Ilekataios von Miletos, ein mann der die weit gesehen und
dann am staatsieben tätigen anteil genommen hatte, uns erscheint seine
Umformung der heldensage als altkluger rationalismus: in Wahrheit ist
es der Überschwang jugendlichster kritik') und verdient als solcher wol
einen platz neben dem eifern des Xenophanes wider die mytben Homers,
wie er die Zeitgeschichte behandelt hat, ob er es überhaupt ausführlicher
getan hat, ist unermittelt. eine wirkliche geschichtsschreibung konnte
bei den loniern nicht entstehen, weil sie keine geschichte erlebten.^)
Die befrei- Die erlebten die Athener seit 510 und alle Hellenen, auf die etwas
ungskriege
ankommt, seit 480. die gewaltige erschütterung des kampfes um die
existenz und dann die errichtung des Reiches hat in Wahrheit die geister
noch vielmehr als die leiber befreit, allein so unmittelbar konnte die
Wirkung nicht sein, dals die Überlieferung dieser Jahrzehnte eine wirk-
lich geschichtliche hätte werden können, sie trägt noch durchweg den
Stempel von sage und novelle. dafs die erste noch lebendig war, wird
der glücklichen Verbindung verdankt, dafs ein ernstes und frommes
Volk ungeheure aufgaben zu losen erhielt und zu losen vermochte; es
1) Er erfährt sie jetzt selbst an sich, da ihm seine Genealogien abgestritten
werden, sei es weil sie absurd wären, sei es weil in ihnen widerspräche steckten :
ganz so hatte er die heldensage geschulmeistert.
2) Dionysios von Milet hat vielleicht sein geschichtliches buch damals ge-
schrieben, das die gelehrten t« xarä Ja^slov benannt haben, so gut wie der
Karer Skylax für Dareios eine entdeckungsfahrt macht und in griechischer spräche
darüber berichtet, konnte ein persischer Untertan die persische geschichte auf grie-
chisch schreiben, dafs die ionische cultur und Wissenschaft in sehr vielem den
ersten platz unter den Völkern ihres reiches einnahm, haben die Perser nicht ver-
kannt und der hellenisirende einflufs ist vermutlich gerade damals, ehe es einen
nationalen gegensatz gab, sehr stark gewesen, die knnstgeschichte beginnt bereits
damit zu rechnen und wird, wie auf so vielen gebieten, auch hier die rechten pfade
der allgemeinen geschichte finden und erleuchten.
Die befreiuDgskriege. Herodotos. 9
liegt aber zum teil auch an der naivetät des Volkes, die grofsväter der
Marathonsieger hatten noch die falsche Alhena auf dem wagen des
Peisistratos angebetet, und das wunder oder vielmehr der glaube hat an
dem siege über die ungezählten barbaren einen starken anteil. die
Perser des Aischylos haben es vermocht, die geschichte der gegenwart
unmittelbar hinaufzuheben in die reine höhe der sage: das rehgiöse
festspiel erzählt uns die geschichte in seiner spräche, es ist für den
historiker der die seele der ereignisse sucht die beste quelle für die
Schlacht von Salamis, man denke sich aber nur die Ogur des listen-
reichen mannes, der bei Aischylos im hintergrunde bleibt, in den mittel-
punkt gerückt, so wird die sage vom siege des freien Pallasvolkes zu
der novelle von Themistokles. dem entspricht die gesammte Überlieferung
von der älteren geschichte Athens, der bericht über Marathon und über
den ersten aeginetischen krieg ist von der sage in das erhaben typische
stihsirt. auch in dem stürze der tyrannen spürt man das walten der
göttlichen gerechtigkeit wie in der tragoedie. weder Kleisthenes noch
Miltiades tragen individuelle züge. Solon und Peisistratos waren als
personen ganz verblafst; erst die spätere forschung hat jenen auf grund
seiner gedichte, diesen durch die sorgfältige Verfolgung bestimmter in-
dizien zu einer persou gemacht, dagegen Themistokles ist der rechte
held für die novelle, die nicht müde wird, mit immer neuen Stückchen
seine ctQsrrj zu illustriren. das hat oben eingehende erörterung ge-
funden (I s. 150), und ich habe gezeigt, wie verkehrt es ist, die Themistokles-
legende deshalb für historisch zu halten, weil Thukydides sie erzählt, die
Athener erzeugten in den zwei menscheualtern vor dem peloponnesischen
kriege tragoedie und komoedie : darin liegt, dafs sie für die pragmatische
historie noch nicht reif waren, die Athener machten in derselben zeit
aus ihrem ländchen, das kaum eine precäre Selbständigkeit errungen
hatte, die herrin des aegeischen nieeres und griffen nach der herrscher-
krone von Hellas: darin liegt, dafs sie noch keine zeit hatten, geschichte
zu schreiben, sie dachten an das morgen, erfreuten sich des heute: da
vergafsen sie des gestern, blickten sie zurück in einem momente der
Sammlung, so dankten sie gott für seine hilfe, oder erzählten sich ihre
oder ihrer führer heldentaten, wie es alte Soldaten tun. die aristo-
phanischen beiden und aristophanischen chorlieder geben die belege für
beides.
Aber Athen zog lonien in seine kreise, dort waren die geistigen
Vorbedingungen für die historie gegeben; es fehlte nur die geschichte.
die lieferte Athen: und so erstand das werk des Herodotos, so unver- iierodotos
10 11. 1. Die quellen der griecliischen gescliichte.
gleichlich aber auch so widerspruchsvoll wie die geschichtliche tradition
war und die Weltanschauung des loniers sein mufste, der in Athen das
Vaterland gefunden hatte, er selbst stammte aus einer Stadt, die auf
karischem gründe von Dorern erbaut längst die überlegene ionische
cultur angenommen hatte; so war er losgelöst von dem was ihm als das
Vorurteil und die beschränktheit eines an der schölle klebenden autoch-
thonentumes erscheinen mochte, er hatte die weite weit gesehen, durch-
aus frei von dem bornirten hochmut, der alles barbarisch findet was
nicht wie bei ihm zu hause ist, gleicherniafsen fähig die voa keiner cultur
gebrochene elementare naturkraft bei den freien Skythen anzuerkennen,
wie im Perserreiche die Überlegenheit einer älteren und reicheren
materiellen cultur. ihm imponirten die aegyptischen priester mächtig,
wenn sie ihm ihr "E^.hjveg a el nalö sg enigegenviefen.^) aber die weite
seines umblickes hatte ihn den Vorzug seines Vaterlandes nur richtig
schätzen gelehrt, dies Vaterland war das attische Reich, und sein Vorzug
3) Herodotos hat, weil er die Orientalen kannte, von denen dem reisenden
zumal nur recht Meltläufige und vorurteilslose begegneten, das urteil mit gröfster
Offenheit abgegeben, dafs man selbst bei den Athenern sehr viel mehr naivetäl fände
als bei den barbaren. 1, 60 erzählt er die list des Peisistratos mit Phye, die ihm
ganz unbegreiflich ist, "da ersinnen sie etwas, worin ich nur die kolofsalste naivelät
finden kann, die ich kenne, in der tat, die barbaren müssen sich schon früher von
den Hellenen darin unterschieden haben, dafs sie gewitzigter und freier von kin-
discher einfalt waren, wenn damals die Peisistratiden unter den Athenern, die doch
für die gescheidtesten der Hellenen gelten, folgendes ersinnen durften", der brave
mann erzählt die geschichte, wie er sie gehört hat und wir sie glauben dürfen, aber
wie er sie den Athenern, die er kennt, und die erst durch das letzte Jahrhundert
in den ruf der aofia (der Schlauheit und geschcidtheit) gelangt sind, nicht zutrauen
kann, so etwas war in Memphis und Sardes nicht möglich, das weifs er; dazu gehört
eine evT^d-eia, wie sie der sophist dem zuschreibt, der an vogelzeichen glaubt (Eur.
Hei. 747), oder dem der auf ein orakel hin seine tochter opfert (Andr. 625), oder
der wider die logik 7; xd^Sonos für ^ xaQSonrj sagt (Ar. Wölk. 125S): ihr gegen-
satz ist die Se^wt7]S, die alles gleich am rechten ende anpackt. Se^tov nennt der
athenische Komiker sein publicum, weil es seine anspielungen versteht (Ritt. 233),
Se^ios ist der Jtj/lios zu hause (dkcoTiey.os 'i^vtai ßaivEi sagt schon Solon), auf der
Pnyx sperrt er das maul auf (Ritt. 753), und der demagoge ist Se^ios (719), und
der dichter (Fr. 1009). unter diesen aocpol ''Ad-qvaioi lebte Herodotos, darum frap-
pirte ihn mit recht die Veränderung seit der tyrannenzeit. aber er fand slrid'eia
genug unter den Hellenen sonst, auch wol bei den Athenern alten Schlages, und den
racendünkel, den ihm jetzt der aberwitz der kritiker aufzwingt, kannte er nicht;
es machte ihm vielmehr ersichtlich vergnügen, den Athenern die Überlegenheit der
barbaren vorzurücken, ganz dieselbe Stimmung zeigt das zweite buch oft; der vater-
ländische stolz auf freiheit und demokratie ist mit ihr ganz gut verträglich.
Herodotos, Thukydides. 11
war die geistige und politische freiheit, laovofxirj, ioriyoqit]. so hatte
die Aveltgeschichte einen inhalt, die entwickelung ein ziel: er überschaute
sie mit dem äuge des tragischen dichters. der lonier, der den glauben
der Väter verloren hatte, hatte einen reineren glauben sich selbst er-
worben und den gott in der geschichte wiedergefunden, aber das war
sein gott. in seinem eigenen geiste liefs er die Zeiten sich bespiegeln
(was überhaupt erst den historiker macht), in sofern steht er dem
Hekataios und seinen sophistischen Zeitgenossen ganz gleich, es ist
seine subjectiye erkundung, von der er rechenschaft ablegt, es ist laTogirj
im ionischen sinne noch viel mehr als historie in unserm. er ist kein
regestenfabrikant und kein chronikschreiber; er hält von der acten-
forschung nichts und traut den äugen lieber als den obren, die kritik,
deren er bei der Verarbeitung von unzähligen erkundungen nicht ent-
raten kann, ist schlechterdings nichts als sein subjectives für wahr oder
wahrscheinlich halten. navTtov fiergov (xv&qwtcoq , d. h. 'HQoöorog,
gilt für ihn praktisch genau so wie theoretisch für Protagoras. dieser
Herodotos aber überkam hier eine anzahl sagen, dort novellen, hier ein
genealogisch-chronologisches gebäude, dort schaute er wunderbare deuk-
male, zu denen man ihm die alria berichtete, wie sollte er sich helfen?
was er erkundete, war eine unübersehbare menge von einzelnen ge-
schichten ohne Ordnung, sich viel häuflger widersprechend als ergänzend,
wie sollte er sie bewältigen? was ihm das ordnende prinzip war, war
der gedanke, den er in der Weltgeschichte fand: sein eigener r'0(;g voll-
zog die diax6o/.irjOig; ein anderer würde in einem chronologischen ge-
rüste oder einer logischen disposition ein objectives prinzip gesucht haben,
das einzelne aber beurteilt und verteilt er auch nach seinem subjectiven
ermessen, wo ihm denn bald die Skepsis des rationellen loniers, bald
der Zwillingsbruder des rationalismus , der aberglaube, in den nacken
schlägt, so ist sein buch, so bezaubernd es auf uns durch die naivetät
wirkt, die wir in ihm finden , im gründe durchaus nicht naiv gemeint,
sondern wird in allem durch seine Individualität bedingt, er steht zu
der geschichte wie die grofsen physiker loniens zu der natur. auch sie
geben eine doppelte Iotoqii], die objective darlegung des unendHch vielen
das sie erkundet haben, und die subjective antwort, die sie aus sich auf
die rätsei des lebens gefunden haben, vielleicht wagt jemand zu sagen,
das wäre eine sehr kindliche Vorstufe zu der erhabenheit wahrer wissen-
schaftlichkeit, die heute zu tage regiere, seit die methode gefunden sei.
ich aber meine, mit aller methode haben wir es nicht weiter gebracht,
die Wissenschaft als idee ist freihch weder in Hippokrates noch in
12 II. 1. Die quellen der griechischen geschichte.
Demokrit noch in Herodot incarniit ; aber auch in Aristoteles nicht, ge-
schweige denn in unser einem: wer aber nicht blofs in dem stände des
famuli Wagner beharren will, der muls sein subject in die schanze schlagen,
nicht blofs auf die gefahr hin, sondern mit der sicheren Zuversicht, im
drang nach wahrheil jämmerlich zu irren.
Tiiiiiiy.iides Noch ehe das buch des Herodotos erschien und doch (huxh dieses
angeregt fafste der junge Thukydides den plan, den entscheidungskampf
um die hcrrschaft in Hellas, der eben begann, darzustellen, der grofse
Vorgänger hatte ihn gereizt, nicht es ihm nachzumachen, sondern es
anders zn machen, ihm schien die Weltgeschichte erst recht anzufangen ;
die herodoteische tragoedie erschien ihm als eine dichtung, gut genug für
die erweckung erbaulicher hochgefühle an einem festläge, aber nicht als
nahrung für den geist des handelnden mannes. über dem werke Hero-
dots lag der verklärende Schimmer der poesic: Thukydides wollte das licht
und den schatten des tages festhalten, er vernieinte, dafs des grofsen
nicht eben sehr viel übrig bliebe, wenn man jenen Schimmer durch
ruhige krilik der Vergangenheit beseitigte: grofsartig dagegen erschien
ihm die cultur, die Athen besafs und für die es stritt, deren sieg er
erwartete, er selbst war ein nachkomme von barbaren zugleich und von
Philaiden. weder der stolz des autochlhonen noch der gegensatz gegen
die Alkmeoniden noch die furcht vor tyrannen und Medern hat ihm
irgendwie den blick getrübt, er fühlte sich als der moderne mensch
einer neuen grofsen weit, weder die novelle noch die sage wollte er
gelten lassen, weder die götter noch die individuen, sondern die poli-
tischen mächte sah er auf erden regieren, und ihre kämpfe wollte er
beobachten und erzählen, minder um ihrer absoluten bedeutung willen,
als zu nutz und frommen der künftigen politiker. das attische Reich war
auch notwendig gewesen, damit Herodotos schriebe; aber er sah in
ihm den abschlufs der geschichte. für Thukydides war seine existenz die
Voraussetzung, denn politische geschichtsschreibung setzt einen wirk-
lichen Staat mit grofsem politischem leben voraus. Thukydides fafste
den plan zu seinem geschichtswerke, während er sich anschickte in die
politische laufbabn einzutreten. Herodotos gehorte zu den anhängern
des d^ £10 Qy^r iY.bg ßiog. dafs ein junger reicher Athener der herrschenden
gesellschaft 432 die Zeitgeschichte hat schreiben wollen, verdient in
Avahrheit sehr viel gröfsere bewunderung als die ausführung dieses planes,
die der durch sein politisches geschick in den d-ecoQrjtiycdg ßiog hinab-
gestofsene nach 404 einigermafsen geleistet hat. erst die unfreiwillige
niufse hat ihn dazu getrieben, mit den mittein der neuen rhetorik ein
Thukydides. Stimmung nach dem falle des Reiches. 13
Stilistisches kimstwerk lieTern zu wollen, und so ist er in die gesellschaft
der kunstprosaiker geraten : nicht hlofs der historiker Avürde ungleich
reineren genufs von dem werke haben, wenn es fertig geworden wäre,
wie es begonnen war, in der ächten attischen rede des politischen lebens.
nur so weit es das programm von 432 erfüüt, ist es dem werke des
Herodotos ebenbürtig, denn nur so weit steht es wie dieses einzig da;
stilistisch war es eigenthch schon veraltet, als es erschien, einzig aber
musste es bleiben , weil die Voraussetzung des politischen geschichts-
werkes, der grofse Staat, nicht mehr vorhanden war. eben deshalb
hat kein griechischer Staatsmann mehr gescliichte geschrieben, mehr
als ein Jahrhundert lang, erst Hieronymos mag allenfalls verglichen
werden.")
Das menschenalter der kämpfe, deren ergcbnis die Zertrümmerung stimmuug
des nationalen Staates war, hatte in dem ringen der parteien auch die laiie des
historische schriftstellerei zu einer waffe geschmiedet; es konnte auch
nicht ausbleiben, dafs die schäm und der zorn über den stürz des reiches
und andererseits die Sehnsucht und die klage um das verlorene die
schriftstellerisch so unglaublich regsame zeit auf die geschichte des
grofsen Jahrhunderts hinführte, diese litteratur mit ihren flugschriften
über die beiden der guten allen zeit und die bösen demagogen, die das
Unheil gebracht, mit ihren epitaphien und panegyriken ist in anderem
zusammenhange (I cap. 6) besprochen.
Man hatte das gefühl, unter trümmern zu wohnen, und niemand
eigentlich war davon befriedigt, dafs die Staaten in den alten formen weiter
wirtschafteten, dennoch gelang eine reform oder revolution in Sparta und
Korinth so wenig wie in Athen, alle besseren stimmten in der negation
des bestehenden überein, nur fand sich nirgend auch nur ein realisirbares
Programm für einen neubau. weithin durch das volk gieng das gefühl,
0 dafs doch ein könig käme; aber dieses gefühl war von einer messia-
nischen Unbestimmtheit, mochten auch die litteraten bald nach Persien,
bald nach Syrakus lugen. Persiens schwäche war durch den zug der
Kyreer an den tag gekommen, und der diplomatische erfolg des königs-
friedens konnte diesen eindruck nicht verwischen, deshalb borgte man
von dort nur die romanfigur des alten Kyros. historische einkleidungen
4) Nur in Sicilien gab es dank der eneigie des Dionysios einen gröfseren
Staat, und dort schreibt auch der Staatsmann Philistos geschichte in der art des
Thukydides. aber wir wissen davon nur das factum von hörensagen, da wir weder
von der geschichte Siciliens noch von dem werke des Philistos eine wirkliche kenntnis
gewinnen können.
14 II. 1. Die quellen der griechischen geschichte.
für die gebikle der speculation wurden übeihaupt mode.^) gar nicht
unwitzig zeichnete Isokrates einen solchen utopischen künig in dem stil-
gemäls umgebildeten Buseiris, der immer ein mehr scurriler als schreck-
licher Oger gewesen war. aber derselbe Isokrates hatte noch mehr er-
folg, als er mit patriotisch ernster miene ein hild des demokraten-
konigs Theseus entwarf, das complement der Sehnsucht -nach einem
Weltenherrscher ist die Verleugnung von Staat und gesellschaft, die beide
dem Hellenen auf die würde des freien zum gehorchen und gebieten gleich
geschickten mannes gegründet schienen, das neue evangelium, dafs der
mensch erst frei und glücklich W'ürde, wenn er wie der hund lebte,
ward mit litterarisch nicht geringem erfolge verkündet; wenn die menge
von den extremsten ausschreitungen am meisten gepackt ward, so ge-
wann der egoistische oder auch der philanthropische individualismus bei
den gebildeten sehr viel terrain. aber diese negation des Staates kann
sich der einzelne in Wahrheit nur erlauben, so lange trotz ihm die ge-
sellschaft und der Staat weiter existiren und ihm die ruhige existenz
sichern, auf dafs er sie negiere. Piaton, gleich erhaben über die kümmer-
lichen Staatswesen der gegen wart wie über den schweine-") und den
hundestaat, auch den herden- oder militärstaat der speculation,, scheute
sich doch nicht vor den äufsersten consequenzen, als er von einem be-
griffe aus, dem der gerechtigkeit, den menschen als politisches wesen
und den Staat construirte. er scheute auch vor dem gedanken nicht
zurück, selbst mit dem gewaltmittel der tyrannis die weit zu der besten oder
bestmöglichen gesellschaftsordnung, zu tugend und glück zu zwingen, er
wagte sich auch an den litterarischen versuch, die summe der Weltgeschichte
5) Bisher sehr wenig erforscht sind die Umarbeitungen der alten heroensage,
und die novellen dieser zeit, werke wie das des Herodoros über Herakles, der
Dreifufs des Andron, die Nosten des Antikleides, der Abaris des Herakleides, es ist
sehr wenig damit erzielt, wenn man das eine zu der historie, das andere zur Phi-
losophie wirft, die pragmatisirung der Heraklessage kann sehr gut eine politische
tendenz wie die Kyropaedie oder eine philosophische wie der Herakles des Anti-
sthenes gehabt haben, die absieht zu unterhalten braucht den philosophen auch nicht
fern gelegen zu haben, der sokratische dialog und die isokrateische rede sind nicht
geniefsbar ohne eine stärkere Vorbildung: was hat damals das breite publicum an
lesestoff erhalten? diese frage fordert auch eine antwort.
6) Der schweinestaat, den er Pol. 2, 312'^ construirt, ist mit nichten der hunde-
staat des Antisthenes: sonst würde er so heifsen. es ist ein Staat auf der grundlage
des gemeinen materiellen bedürfnisses errichtet; was Piaton beweist, ist dafs selbst
ein solcher die herrschenden bilden mufs, und wenn sie bildung besitzen, verschiebt
sich von selbst die grundlage des Staates, der schweinestaat ist der staat des
Manchester-liberalismus.
Stimmung nach dem falle des Reiches, die Isokrateer. 15
in einem epos von dem kämpfe der kinder gottes mit den sühnen des
fürslen dieser weit zu ziehen, der troische nnd der medische krieg, an
denen er seine phantasie genährt hatte, sollte in diesem potenzirten
idealbilde zugleich mit den heiligen sagen seiner heimat verschmolzen
werden, das war ein unterfangen, dem selbst dieser dichter nicht ge-
wachsen war, der doch das epos der weltschüpfung als ersatz einer be-
schreibung des kosmos vollendet hat.
Eine solche zeit der speculation über die Voraussetzungen des Staat- Die
heben lebens, die sich ganz und gar in das utopische verlor, war der
politischen geschichtsschreibung ihrer nalur nach abgewandt, es ist
auch kein auch nur leidliches geschichtswerk über die Zeitgeschichte in
den beiden nächsten menschenaltern nach dem falle des Reiches ge-
schrieben.^) aber die dichtung mag wol die historie übertretfen : ersetzen
kann sie sie nimmermehr, und die phrasen der sophislik befrie-
digten auf die dauer selbst die bedürfnisse des immer stoffhungrigen
publicums nicht, so werden die führer der Sokratik eben so gut wie
die Sophisten von selbst auf die geschichte und die geschichtsschreibung
hingewiesen. Piaton und Isokrates lassen beide zumal in ihren späteren
werken erkennen, dafs sie über unverächtliche geschichtliche kenntnisse
verfügen, der sophist hat seinen bedeutendsten schülern die historio-
graphie, Weltgeschichte und Zeitgeschichte, zur aufgäbe gestellt; aus
Piatons schule ist der Verfasser der Politien hervorgegangen, das sind
leistungen, die mit nichten von einander abhängen, sondern den gegen-
satz der lehrer fortsetzen.
Theopompos von Ciiios hat von seinem rhetorischen lehrer nur die
form entlehnt, mit der er sich getraute sowol Herodotos wie Thukydides
wie Piaton zu überwinden, er war sophist geworden, weil er sein Vater-
land verloren hatte und benutzte seine kunst mit erfolg dazu eine ein-
7) Xenophons schriftstellerei hat, so wenig originale kraft der mensch besitzt,
doch den grofsen vorzug, dafs sie ganz auf seinen individuellen erlebnissen und be-
strebungen beruht, da er Wissenschaft in keiner form je wirklich begriffen hat, ist
er auch kein historischer forscher, und wenn er geschichte schreibt, so versteht man
diese erst, wenn man seine persönlichen antriebe und zwecke kennt, die Anabasis
ist klärlich eine Selbstrechtfertigung, was die Hellenika anlangt, so dürften auch
sie zur rechtferligung der politik verfafst sein, der es gedient hatte, und weil das
zu verschiedenen zelten eine verschiedene war, sind sie unmöglich ein einheitliches
werk, möchte doch jemand sich die aufgäbe stellen, nicht Hellenika oder Memo-
rabilien oder Agesilaos einzeln zu tractiren, sondern den menschen als menschen
ganz zu erfassen: erst dann können die vielen unbehaglichen probleme der lösung
wirklich entgegengeführt werden.
16 II. l. Die quellen der griechischen geschichte.
nulsreiclie rolle zu spielen, um heimzukehren und jjolilisch tälig zu werden,
darum suchte und pllegte er den verkehr mit den konigen und gewann
ein entschiedenes politisches urteil, es hat sich gezeigt, dafs er die po-
litischen parteischriften Athens genau wie Aristoteles auszunutzen ver-
stand (oben 1 s. 135). mit den philosophischen richlungen seiner zeit
hatte er so viel fiihlung, dals er das persönlich moralische iu der
Schilderung und heurteilung der personen in den Vordergrund rückte,
bei allerhand merkwürdigen erscheinungen auch der natur gern ver-
weilte und seine allgemeinen speculationen in der form von phantasti-
schen märchen vortrug, aber eine entschiedene politische tendenz und
eine energische individuahlät lassen ihn als einen stern von eigenem
lichte erscheinen.'*) er ist ein mann, der ganz seiner eigenen zeit gehört
und uns deshalb schon fast hellenistisch erscheint.
Ephoros von Kyme dagegen ist nichts als litterat und hat das
zweifelhafte verdienst die Weltgeschichte als das würdigste object epideik-
lischer beredsamkeit behandelt zu haben, also der vater jener auf-
fassung zu sein, die uns von Cicero und Livius her geläutig ist und den
begriff der geschichte eigentlich denaturirt. denn es gehört dazu der
Patriotismus der panegyriken, der Pragmatismus der allgemeinen bil-
dung und die moral des zu beiden gehörigen bildungsphilisters. wie
verschieden der Inhalt jenes Patriotismus auch scheinen mag, wie stark
sich der ballasl des loten wissens vermebrt und die moraHsche
lerminologie geändert hat: der bildungsphilister ist ganz derselbe ge-
blieben, und deshalb grassirt die ephorische historiograpbie. es ist die
zur zeit in Deutschland approbirle geistlötende und seelenvergifteude
"^geschichle' mit zugehöriger 'geographie', die in naiver Schamlosigkeit
ihre tendenz eingesteht, gesinnungslüchtigkeit und bildung zu züchten,
und Streber oder socialdemokraten erzieht, die personUchkeit des Ephoros
ist gleichgiltig ; auf sein urteil kommt nichts an: aber der stoff, den
8) Es ist gar nicht schwer, auf grund von einigen berührungen, wie sie die
lebendige regsamkeit und der austausch der gedanken in dem Athen des vierten
Jahrhunderts geben niufsle, Theopompos an eine philosophenschule anzugliedern: aber
das ist trügerisch; man blicke nur die ganze person und das ganze werk an. man
könnte das nämliche mit Ephoros versuchen, z. b. auf grund seiner erzählung vom
gaslniale der Sieben weisen, denen er den unverdorbenen nalurmenschen Anacharsis
und den spötter Aesop gesellt, auch ihn in das gefolge des modephilosophen Anli-
sthenes einrücken. — seitdem dieses geschrieben war, hat Rohde ausführlicher die
aufstellungen Hirzels (Rh. M. 47) über Theopompos bestritten, auf die ich zielte,
aber leider hat auch Schwarlz (Ind. Rostock. 93) in Ephoros den Kyniker wirklich
gefunden.
Die Isokrateer. die locale tradition. 17
wir ihm danken, ist recht beträchtUch, und mühe hat er sich wirklich
gegeben, diese anerkennung müssen wir ihm zollen, sein dickleibiges
buch ist ein reservoir für die wertvollste ältere Überlieferung geworden;
eben darin ist die analogie zu den peripatetischen Sammelarbeiten un-
verkennbar, sie verhalten sich in ihrem werte zu einander wie Piaton
und Isokrates, Wissenschaft und sophistik; der geist in ihnen ist also
ein sehr verschiedener, aber darin stehen sie einander gleich, dafs keine
forschung im eigenthchen sinne darin ist, folglich setzt ihre zusammen-
fassende tätigkeit mit zwingender notwendigkeit eine bedeutende litteratur
voraus, die ihnen den stoff zur Verfügung stellte.
Auf diese litteratur kommt es mir an, die hinter Ephoros und Ari- Die locaie
stoteles steht, ganz in demselben Verhältnis, wie es an der Atthis für
den grüfsten teil der athenischen Politie nachgewiesen ist. diese litte-
ratur kann aber meistens nur durch die qualität der berichte erkannt
werden, und es kommt auch viel mehr auf die anerkennung vieler lo-
caler Überlieferungen an als auf die restitution bestimmter Schriftwerke
oder Schriftsteller, gewifs IVeuen wir uns, wenn auch dieses einmal ge-
lingt, aber die aussieht ist gering, es stehen zwar eine anzahl schrift-
stellernamen zur Verfügung, mehr fast aus dem fünften Jahrhundert als aus
dem vierten, aber die zeit von nicht wenigen ist unsicher, und die
tradition selbst darf keinesweges nach der person oder zeit des zufaUig
benannten gewährsmannes abgeschätzt werden, die quellenkunde, die
von den namen der Schriftsteller ausgeht, ist genau so unfruchtbar wie
die forschung nach dem alten epos, die bis vor wenig jähren die trockenen
knochen Lesches und Arktinos benagte statt die heldensagen zu ver-
folgen, es gilt also die locale überheferung aufzusuchen und vorab
anzuerkennen, dafs diese vieler orten vor Ephoros und Aristoteles bereits
einen litterarischen niederschlag gefunden hat. und wahrhch, wie hätte
es anders sein sollen, als dafs eine litterarisch so regsame zeit das vor-
handene material an geschichtlicher tradition ausgenutzt hätte? in weiten
kreisen mochte das minder interessiren ; zu hause freute sich doch das
Volk an der aufzeichnung seiner eigenen geschichte. wer bezweifelt,
dafs jedes hellenische gemeinwesen ein reiches beet von sagen und
novellen war? Jahrhunderte lang hatten ihrer nur die einwohner selbst
gewartet, ab und an ein dichter eine blute gebrochen oder einige
Stauden in den grofsen garten des epos, später auch des dramas ver-
pflanzt: jetzt war die zeit der prosaischen litteratur gekommen, und
gerade weil die hohe poesie verstummte, mufste die bequeme form der
localgeschichte sich des bunten Stoffes bemächtigen, gewifs werden viele
V, Wilamowitz, Aristoteles. II. 2
18 I. 1. Die quellen der griechischen geschichte. b
werke geringe litlerarisclie Verdienste besessen haben ; aber wenn wir
z. b. die milesischen geschichten des Maiandrios oder die naxischen des
Aglaosthenes lesen könnten, so würden wir schwerlich den aesthetischen
genufs vermissen, notwendiger weise hatten diese localen erzeugnisse
eine sehr geringe lebenskrai't als einzelnes litterarisches prodnct: das
epos hatte sich ja auch lange zeit fortwährend umgestaltet, so ver-
drängte auch hier die spätere bearbeitung bald ihre eigene vorläge, und
als die Sammelwerke erschienen, taten sie ihnen wieder abbruch. der
procefs der aufzeichnung und Sammlung ist auch an verschiedenen orten
zu verschiedener zeit geschehen; die stilisirten geschiclitswerke machen
dieser litteratur so wenig ein ende, wie Aristoteles und Ephoros die
Atthiden beseitigen, gar manches ortes Überlieferungen mögen zuerst
oder mafsgebend erst im dritten Jahrhundert aufgezeichnet sein : das
ändert nicht viel an dem allgemeinen bilde und an dem Charakter dieser
gattung von nachrichten.
Sie selbst sind so verschiedener art, wie ihre natur mit sich bringt,
was wir vernehmen, ist die locallradition, wie sie in den einzelnen orten
im vierten Jahrhundert vorhanden war; setzen wir einmal diese zeit,
obwol wir an manchen orten hoch hinauf darüber emporsteigen, manch-
mal bis in das dritte sinken ; ich möchte selbst späteres nicht überall
aiisschliefsen, in dieser localtradition steckt sehr viel sage, steckt novelle;
das also ist in dem sinne auszunutzen, wie oben kurz ausgeführt,
daneben aber ist eine grofse menge antiquarischer tatsachen vorhanden,
culte und riten, staatliche Organisationen, Überlieferung von geschlechtern
und örtlichkeiten, orakel, Volksgebräuche, sprüchwörter und lieder. ^)
diese führen zu den Urkunden über, deren es in Wahrheit (unsere
eigenen funde lehren es) sehr viel mehr gab als ausgenutzt worden
sind, und endlich, was das wichtigste ist, es fehlte an vielen orten keines-
weges an Chroniken oder chronikartigen aufzeichnungen. hartnäckig
9) In den resfen der aristotelischen Politien sind diese spuren noch vielfach
kenntlich, ich will proben gehen, die fragmenfe nach Rose, nach demselben die
capitel des Herakleides, durch H. unterschieden, verschen, die man sei es als Volks-
lieder, sei es als sprüchwörter auffassen kann 485,496,545,553,557,571,574,576,
H. 71, orakel 544,561,565,596, H. 25. citirt werden Homer (H. 14. 15, beziehungen
auf ihn viel öfter), Hesiodos (H. 38), Archilochos (H. 14. 50), Simonides (H. 55), volks-
tümliche lieder eines später verschollenen Theodoros (515). das persönliche Inter-
esse für die litterarischen berühmtheiten, Homer Hesiod Archilochos Pherekydes
Aesop, ist auch nicht erst aristotelisch, wie Herodotos lehrt, ganz dasselbe bild
bieten die reste des Ephoros, mögen wir sie bei Diodor lesen oder in den fras-
menten, namentlich bei Strabon.
Die locale tiadition. Hellanikos. 19
sträuben sich die historiker dagegen, obwol die titel wqoi in vielen ioni-
schen und aeohschen orten, l€Q€iai'^'HQag/0?^vf.iTtiovlxai, KaQveoivuai
j^anz unzweideutig sind, dafür gefällt sich die quellenkunde darin, den
durch ein längst durchschautes misverständnis aufgebrachten namen
iogographen gedankenlos weiter zu geben, oder mit dem hintergedanken,
(ial's es mit der Überlieferung durch diese leute nicht viel mehr auf sich
hätte als mit den fabeln des loyonoiSg Aesop. die dumme fabel von
den Iogographen ist so entstanden, dal's die ungerechte und unfreund-
liche Wendung des Thukydides gegen Herodotos zum glaubensartikel
i^emacht und der name logograph auf die Schriftsteller übertragen ward,
die Dionysios von Halikarnass, ohne sie zu kennen, vor Herodotos rückt.
/.oyoTVoiog oder loyoyqäcpog heifst erzähler in prosa, und Hekataios
Herodot und Thukydides sind loyoyQacpot so gut wie wir. die ionische
schriftstellerei ist den litteraten der späteren hellenistischen zeit fast
durchweg vorattisch erschienen, weil sie einen archaischeren eindruck
machte als die attische kunstprosa. dafür liefert die hippokratische
Sammlung den beweis noch jetzt, es ist also auf jene zeitansätze wenig
verlafs: gerade Hellanikos lehrt das, den die modernen meistens als Iogo-
graphen mit an erster stelle führen, und der in Wahrheit seine hohe
bedeufung gerade darin hat, dafs er viel eher mit Ephoros und Ari-
stoteles verglichen werden mufs als mit den epichorischen autoren oder
den beiden grofsen XoyoyqarpoL Herodotos und Thukydides.
Hellanikos ist von diesen schon dadurch verschieden, dafs er viele Hellanikos
bücher über viele gegenstände verfertigt, ferner dafs er als der rechte
antipode Herodots an dem fremden materiale klebt, das er verarbeitet,
den Chroniken seiner heimat, von Argos, von Athen, der siegerliste der
lakonischen Karneen. obwol er kein festes chronologisches System überall
durchgeführt hat, hat er doch nach Synchronismen gestrebt und wirklich
die grundlage der Zeitrechnung gegeben : wir sind nun wol ziemlich alle
der ansieht, dafs Thukydides ihm die ausätze der boeotischen und hera-
klidiscben Wanderung entlehnt hat. mit ihm hat sich Ephoros denn
auch ganz besonders auseinander gesetzt, natürlich hat er auch volks-
tümliche novellistische erzählungen mitgeteilt, mufste sehr viel die für
ihn bedeutendste geschichte, die wir heroensage nennen, wiedergeben
und dabei zur ausgleichung am gewaltsamsten verfahren , aber er war
mehr ein compilator als ein loyortoiög^ wie er denn auch den Hero-
dotos beträchthch ausgenutzt hat. ^"j Thukydides däuchte sich schrift-
10) Er verdankt ihm nanieiUlicli Hxvd'i'/.ä, denn da sein fragment 173 Müll.
(Et. M. Said. Zöfiol^n) aus Herod. IV 93 ist, so ist damit auch das urteil über die
1*
20 I. 1- Die quellen der griechischen geschichle.
stelleiisch mit fug und recht weit über ilin erhaben ; aber er hat ihn
doch benutzt, er ist allerdings ein eckstein l'iir die geschichle der
tradition. denn wenn in dem letzten viertel des l'ünften Jahrhunderts
ein solcher compilator auftreten konnte, der chroniken des festlandes
herausgibt oder schreibt, so bezeugt er einmal direct die existenz dieser
Chroniken, indirect aber, dafs die ihm viel näher liegendtm ionischen
WQOL bereits edirt waren, wie ja auch überliefert ist. es versteht sich
ganz von selbst, dafs genau wie wir die prosaische erzählung an die
stelle des epos überall treten sehen, so auch die grüiidungssageu der
ionischen Städte in prosaischen büchern umlaufen mufsten ''), und es ist
sehr bezeichnend, dafs selbst die autornamen zum teil von den epen
auf die prosaischen Kilasig und wqol übergehn. '-)
Die Weisheitslehrer des fünften Jahrhunderts zogen herum, traten
auf und erklärten sich bereit auf alles rede zu stehn., wie sollte es
ausbleiben, dafs ihnen historische fragen, über die herkunft und das
alter der Städte und geschlechter, die bedeutung von namen und monu-
menten gestellt wurden? mochten sie sich oft mit autoschediasmen
helfen oder die kenntnis Homers und anderer anerkannter dichter ge-
iiippias schickt benutzen : sie brauchten doch eine gewisse geschichtliche kennt-
nis. so sehen wir denn einen von ihnen, Ilippias von EUs, auch in
der altertumskunde erfahren (Hipp. 1 285*^), der name uqy^aLoloyia fällt
hier zuerst, und derselbe Hippias hat die olympische chronik zuerst ver-
öffentlicht, so fühlt und befriedigt selbst die modernste bildung das be-
dürfnis geschichtlicher Studien.
geographischen coincidenzen gesprochen, athetiren wird die bruckstücke oder das
buch aus dem sie stammen, die vo/xi^ia ßa^ßa^md, niemand, der nicht im banne
der falschen Überlieferung über die lebenszeit des Hellanikos steht.
11) Epische nxiasn werden in den schriftenkatalogen z. b. des Xenophanes
genannt, sie sind an sich sehr glaublich, nur wimmeln diese kataloge von fäl-
schungen und irrtümern.
12) Die milesische chronik trägt den namen des Kadmos, des erfinders der
buchstaben, die ephesische den des epikers Kreophylos. das sind weder homonyme
menschen von fleisch und blut noch ihre angeblichen bücher fälschungen. es sind
nur recht bezeichnende beispiele für dieselbe erscheinung, die den nachlafs der
ITomeros Hesiodos Hippokrates ins unendliche vermehrt hat. Amelesagoras oder Me-
lesagoras von Athen und Eumelos von Korinth sind gleichen Schlages, über das
alter der bücher, die in Alexandreia oder sonst wo diese autornamen trugen, \^\
nicht mehr ausgesagt, als dafs sie selir alt zu sein beanspruchten. Delphika des
Melisseus (Tzetzes in der vorrede zu den Erga 29 Gaisf., aus seiner allegoriscln n
quelle) sind wol ganz apokryph. Melisseus ist der vater der i^iähaaiu, Amalthoi;i
Hippias. Nordgriechenland. 21
Doch die forschung nach büchern und autoren ist endlos und ziem-
hch unergiebig: nützHch aber wird ein umbhck über Hellas sein, zu
zeigen, wo eine solche ctoyaioloyia nachweisbar scheint, wo die historie
constatiren oder vermuten kann, dafs eine quelle auch für uns noch
Wasser gespendet hat. dabei wird mein äuge immer auch auf die aristo-
telischen Politien gerichtet sein , deren kümmerliche reste durch das
Hebt, das von dem nunmehr vorliegenden ersten buche auf sie fällt,
beträchtlich verständlicher geworden sind.
Die Atthis ist oben (I 8) eingehender behandelt, litterarische dar-
stellung hat sie erst erhalten, als die attische spräche vollkommen aus-
gebildet war. nicht viel später hat Megara in Dieuchidas, dann in Ilereas »legara
eine sehr bedeutende leistung der art auf den markt gebracht, reich an wirk-
Hch geschichtlicher Überlieferung, kostbarer antiquarischer belehrung
aus localsagen und legenden, und getragen von einer kräftigen politischen
tendenz.
Für die allgemeine geschichte ist Euboia ganz besonders wichtig; Euboia
eine grüfsere anzahl von schriftstellernamen sind bekannt, und ent-
sprechend der colonisalorischen bedeutung von Chalkis wächst sich die
localgeschichte zu büchern aus, die man -^rioiig oder TtsQi tvoXsojv
nennt. ^^) die pflanzstädte der Chalkidike gehören naturgemäfs mit der
mutterstadt zusammen; aber auch das benachbarte Keos dürfte hinzu-
gerechnet werden können, da Aristoteles recht viel über die insel weifs,
und mir wenigstens kein keischer localschriftsteller bekannt ist. ob es
eine chronik gegeben hat, die feste Zeitangaben in alte zeit hinauf ge-
stattete, mag fraghch sein, aber artige verschen ''') und alte documente'^)
sind sogar für uns noch nachweisbar.
Dagegen ist in Boeotien Phokis Lokris, in Thessalien und selbstver- Nord-
ständlich bei den wilden stammen der berge und des westens'®), so ° land
und ihrer Schwestern. Delphi aber hat keine alte chronik gehabt, die Pylhioniken
sind erst vom heiligen kriege ab glaubwürdig.
t3) Die titel dieser ganzen gattung von büchern sind natürlich nicht authen-
tischer als die der werke von Xenophon und Kleidemos, co^ot ^ifviav, lizd-is,
Idtriy-r, ^vy/oatpri, Mi?.Tjaiaxd , 'Iiofias, Xlov xTiais sind nicht falsch, aber darum
durchaus nicht von den Verfassern gegeben, jünger scheint nur die form tzs^I Osa-
aa?.oviy.r;s u. dgl. ZU sein.
14) Plutarch Erot. 17.
15) Urkunde aus dem heiligtum der Artemis in Amarynthos bei ApoUodor
(Strab. 448).
16) Uncivilisirt ist auch die südküste des korinthischen busens, Achaia. und
hier hat nicht einmal die zeit der politischen bedeutung den versuch einer Stammes-
22 I- 1- Die quellen der griechischen geschichte.
reich die mythen sind, nirgend auch nur eine spur einer älteren ge-
schichüichen überheferung. auch die specialschriften , wie Kineas und
Suidas über Thessahen, Aristophanes und Krates die Boeoter, sind
schwerlich älter als das dritte Jahrhundert, und Delphi, das dem Ilerodotos
so reiches nialerial geliefert hatte, dessen Pythioniken Aristoteles selbst
bearbeitete, ist bis in die spätere hellenistische zeit illitterat geblieben.
Argos Im Peloponnes erweist sich Argos durch die Herapriesterinnen und
eine grofse zahl von Chroniken in versen und prosa als die alle capi-
tale; die übrigen orte der Argolis dürften von ihm abhängen, nur
Trozen hat eine reichere antiquarische und genealogische tradition. dafs
die bedeutung des Asklepios von Epidauros verhältnismäfsig jung ist,
haben die ausgrahungen gelehrt, immerhin besafs selbst ein minder
bedeutendes heiligtum wie das des Poseidon von Kalaureia eine so
wichtige Urkunde wie die von Ephoros (Strab. 374) benutzte, die unsere
geschichte zur zeit noch ganz unvermögend ist zeitlich einzuordnen.
Arkadien Arkadien ist ganz barbarisch bis auf die hochebene des ostens.
doch hier hütete Tegea in seinem reichen tempel einen schätz von Ur-
kunden und tradiliouen; das früh demokratisirte Mautineia kam vielleicht
mehr noch für vöf-iot als für die 7ioliTtia in betracht. Aristoteles
konnte tegeatische Urkunden bereits benutzen (Plut. q\i. Gr. 5)''), auch
machen die reste der tegeatischen schriftsteiler Ariaithos (oder Araithos)
und Aristippos oder wenigstens der erste den eindruck des alters.'®)
Eiis Elis besafs, seit es Olympias herr und durch seine bauerndemo-
kratie zu macht gelangt war, eine grofse bedeutung und auffallend
starke geistige regsamkeit. seit Hippias die festchronik, die höher als
jede andere hinaufreichte, zuerst bearbeitet hat, gibt es eine so grofse
zahl von Schriftstellern wie kaum über eine andere landschatf ) und
geschichte erzeugt. Pausanias sah sich genötigt, die lücke zu verdecken, indem er
die ionische Wanderung erzählte, ein par Schriftsteller ■ne^l 'Ayaias sind obscur und
sicherlich nicht alt.
17) Epigramm eines Sodamos aus Tegea. schol. Eurip. Hipp. 264.
18) Teutiaplos, Komarchos, Ekephylidas, Apellas, lollas, Agaklytos, Istros,
Aristodemos, Polemon.
19) Die Arkadika des Pausanias geben eine geschlossene, aber besonders junge
und geringhaltige genealogie. wie früh dagegen von Tegea aus eine auf ganz Ar-
kadien berechnete aufgebracht war, lehrt das epigramm in Delphi, Pausan. X 9,
Pomtow Bcitr. zur Topogr. von Delphi t. XIV 39. Aristoteles stellte neben die
einzelpolitien die neue Organisation des Epaminondas, die xaivi, nohreia, die gar T
keine historische einleitung halte (Harpokr. fivQioi). von der Mavxiväcav ist zu-
fällig nichts erhallen, aber die Politik (Z 4) bezeugt sie.
Elis. Korinth. 23
durch die Urkunden des lempels mulste Olympia lur alle Helleneu,
insbesondere die Peloponnesier, eine Schatzkammer der wertvollsten tiber-
heferung sein, aus der nur leider zu wenig auf uns gerettet ist. die
Chronik der Olympioniken, die Timaios mit recht zur controlle der
städtischen Jahrzählungen heranzog, empfahl sich, weil sie überhaupt eine
Zählung statt einer benennung der jähre ermoghchte, und darum hat
sie Eratosthenes befolgt, im übrigen hat diese einführung einer rech-
nung, die strenggenommen statt des Jahres das quadriennium als einheit
einführt, die Chronologie mehr verwirrt als vereinfacht.-")
Eine ähnhche festchronik, des dortigen Pythions und dem entsprechend sikyon
wesentlich musischen inhaltes, besafs Sikyon, und sie ist schon vor Ari-
stoteles publicirt. die wenn auch erst bei späteren erhaltene konigsliste
zeigt, dal's eine wirkliche chronik mit ihr verbunden war. aber von der
reichen novellistischen überheferung , die Herodotos wiedergibt, scheint
nichts weiter aufgezeichnet worden zu sein.
Auch für Korinth bezeugen die hsten der konige, die stemmata der Koihuii
Bakchiaden, treffhche daten von koloniegründungen, herrschaftszahlen
der Kypsehden, eine reiche alte tradition, und an Periandros und seine
famihe hat sich eine fülle von novellen ganz den ionischen vergleichbar
angesetzt, nachdrückhch hat Aristoteles (im auszuge des Herakleides)
das andenken des Periandros wider die fabeln von dem tyrannen, die
Herodotos gibt, in schütz genommen, und wir werden ihm zu glauben
verpflichtet sein.-') aber dieser fülle, die der bedeutung Korinths, wie
sie die kunstwerke des sechsten Jahrhunderts lehren, entspricht, steht
das fehlen jeder korinthischen schrift aus den Jahrhunderten 5 — 3 schroff
gegenüber.^) es war eine reiche grofse Stadt der krämer und der huren.
20) Als Timaios ein greis war, ist in Athen ein auszug aus der olympischen
chronik auf stein publicirt (CIA 11 978), erst eine Übersicht der kampfspiele, nach
der zeit ihrer einführung geordnet, dann die attischen sieger. es sind nur die Olym-
piaden genannt, keine Synchronismen gegeben, also hat hierauf Timaios noch nicht
gewirkt.
21) Sprüchwörter wie /tios Kö^ivd'os, MeyaQicov SäxQva, di'/ßxai, v.al ßälov
IdlriTTii sind in aller munde, zum teil schon in sehr früher zeit, und stammen wirk-
lich aus korinthischer tradiüon.
22) Den namen Eumelos, den das korinthische epos trug, hat man auch einer
prosaischen schrift gegeben, die zum teil paraphrase des epos war, wie Pherekydes
oft den Hesiodos paraphrasirt. ein hellenistisches epos KoQivd'i.ay.d von Diodoros und
Schriften der dichter Euphorion und Musaios über die Isthmien gehören nicht hierher,
ein weifser rabe ist der skeptische philosoph Xeniades von Korinth, dessen ge-
däciitnis ausschliefslich durch Demokritos (Sextus 201 Bekk. u. ö.) erhalten ist.
24 !• 1. Die quellen der griechischen geschichte.
ov TtavTog ävÖQog eig KoQivd-ov tod-' b 7i?.ovg: Aristippos geht dahin
zu Lais, und Diogenes, natürhch: der Kapuziner gehurt in die Stadt der
Sünde. Byzantion und Tarent, auch dorische handelsstädte, zeigen das-
selbe abstofsende gesicht. wir wissen denn auch so gut wie nichts über
die spätere korinthische geschichte.
spana Über Sparta würde sich um 400 ein sehr schönes- buch haben
schreiben lassen ; die hstc der ephoren war seit der mitte des achten
Jahrhunderts aufgezeichnet, und dafs sie blofs aus den nakten namen
bestanden hätte, wird nicht leicht jemand probabel machen, alte Ur-
kunden fehlten nicht, wie die rhetra beweist^), eine reiche epichorische
poesie war erhalten, der cultus und die sitten selbst zeugten von der
ältesten zeit, aber, wie Thukydides klagt, wollten die herren des ver-
knöcherten adelsstaates das spartanische prestige durch das tiefste ge-
heimnis erhalten. Herodotos hat nur wenig in Pitane erfahren; dem
Hellanikos überHefs man die liste der Karneensieger'-^), sonst ist auch er
kärghch abgespeist, man spürt es in den lücken der spartiatischen
geschichte nur zu deutlich, dafs der adel das licht, das er selbst zu
scheuen grund hatte, auch seinen würdigeren ahnen entzogen hat. dafür
trat seit 400 die polemische litteratur der pamphlete ein, die für und
wider die Oligarchie geschrieben wurden: das ist die quelle für unsere
kenntnis der spartiatischen Verfassung, und sie war es schon für Ephoros
23) Unsere jetzige kenntnis zwingt uns, bei einem von diesen pamphletisten
die rhetra und die Inschrift des diskos zuerst aufgezeichnet zu glauben, dem sie
dann Aristoteles verdankt, jene pamphlete waren, nachdem Aristoteles und Ephoros
sie benutzt hatten, genau so verschollen wie der avfißovlsvTixcs des Theramenes.
wer das excerpl des Herakleides genau interpretirt, sieht, dafs Aristoteles damit anhob,
die Streitfrage zu erörtern, in wie weit die Verfassung lykurgisch wäre; dabei mufs
gelegentlich Alkman erwälmt sein, vermutlich bei einem citate. dann ward das per-
sönliche des Lyknrgos behandelt, wobei seine zeit durch den diskos bestimmt ward,
und vorsichtig abgehandelt, was man ihm von speciellen bestimmungen zuschrieb,
die ephoren waren nicht mehr darunter, endlich folgte eine Schilderung des ßios
Aaxcovixös. an welcher stelle die rhetra stand, kann ich nicht mehr erkennen.
24) Trotz E. Meyer kann ich nicht umhin diese für ein sehr altes actenstück
zu hallen, die Voraussetzung der elegischen metaphrase, und Babyka und Knakion
sollten das zu beweisen genug sein, erfand die verschollenen locale ein delphischer
Schwindler? mit dem dialekte zu operiren vermag ich nicht; dafs er nichts spe-
cifisch lakonisches oder delphisches hat, liegt auf der hand. eben so steht es mit
den elegien, für die schon ihre variirende fassung die herkunft aus dem volksmunde
garantirt. wenn vollends 'junge' Wörter wie SovXeia (Solon) i?,svd'sgia (Pindar,
Simonides) bjnoroia (Antiphon der sophist) orakel discreditiren sollen, so hört der
spafs auf. '
i
Sparta. Kreta. 25
und Aristoteles. -^) es ist bezeichnender weise hier wirkUch fast nur die
/coÄiTsla, um die sich alles dreht, von der geschichte erfahren wir kaum
etwas: denn Lykurgos und Theopompos kommen eben für die Verfassung
in betracht. erst im dritten Jahrhundert hat Sosibios^*^) seines Vater-
landes altertümer in sehr dankenswerter weise erläutert und auch die
geschichte zu ordnen versucht, aber die fehlende geschichthche Über-
lieferung vermochte der gelehrte sammler nicht mehr zu ergänzen, ich
wenigstens betrachte selbst die königshste als ein unzuverläfsiges ge-
machte auf gruud der herodoteischen genealogien.
Noch sehr viel mehr als Sparta hatte Kreta die fühlung mit der Kreta
hellenischen cultur verloren, die insel, welche weder das attische Reich
noch die lakonische Vorherrschaft in ihre kreise gezogen hatten, war von
der tyrannis und der demokratie, von der ionischen und sicilischen auf-
klärung verschont gebheben ; Platou wufste, dafs die Kreter noch um 360
den Homer kaum kannten, sie hatten aber auch keine eigene poesie,
wenigstens keine, die den Hellenen bekannt oder verständlich war. -^) man
25) Hellanikos hatte als Lesbier an seinem landsnianne Terpandros ein beson-
deres interesse und hat wol die Verantwortung der hohen Schätzung desselben zu
tragen , in der ihn die neueren noch weit übertreffen, diese haben sich nicht klar
■gemacht, dafs so ziemlich alles was sie von ihm hören auf combinalion beruht,
seine verse sind schon im altertum athetirt, über seine musikalischen compositionen,
die allein der berufene vSfios angeht, können wir nicht urteilen, weder was seine Ur-
heberschaft noch was seine Verdienste angeht, die SiaSoxy der musiker kann gar
keinen höheren wert beanspruchen als die der dichter oder philosophen. seine poli-
tische tätigkeit ist erweislich fabel. was bleibt?
26) Ich kann noch eben den irrtum berichtigen, dafs der Lakone Sosibios mit
dem lytiker identisch gewesen wäre, dank Wachsmuth {de Erat. Apoll. Sosibio
Leipzig 93). aber ihn für jünger als Eratosthenes zu halten, ist mir unmöglich,
nach der losreifsung der Eleutherolakonen, in dem verfallenen Sparta nach Nabis
scheint er mir undenkbar, und ich vermag auch keinen zwang in Wachsmuths wahr-
scheinlichkeitsbeweisen zu sehen. Sosibios pafst vielmehr vortrefflich in die zeit
des Kleomenes. dagegen stimme ich in der beurteilung des sosibischen gutes bei
Pausanias mit Wachsmuth überein, denke eher noch etwas skeptischer, namentlich
über die ersten capitel des dritten buches. directe benutzung wird er selbst nicht
annehmen.
27) Dieser mangel an contact mit der hellenischen cultur genügt allein dazu, dafs
man in dem Verfasser der Theogonie des Epimenides nicht einen wirklichen Kreter suche,
den kretischen Zeus, den sie verherrlichte, hatte doch Hesiodos auf dem Helikon
schon gekannt, und die figur des propheten sammt der fiction, die das gedieht zu-
sammenhielt, ist nach Kreta versetzt eben um des Zeus willen; übrigens stellen
barbarische gegenden, wie Akarnanien und Epeiros gerne die seher. Karnos (dessen
name nichts als der eponymos der Akarnanen ist) war ja auch ein seher.
26 •• 1. iJie quellen der griechischen geschichte.
möchte wol den iorschuDgsreisenden kenneu, der einmal dorthin gezogen
ist und von den halbharbaren gasthch aufgenommen^) in den silten und
der gesellschaftsordnung zustände fand, die er sich berechtigt hielt für
das originale Dorertum zu hallen, mit acht hellenischer heobachtungs-
gabe hat er geschildert ^vas er mit eben so ächter auffafsungsgabe
beobachtet hatte, und sein werk hat dem greisen Plalon die anregung
zu der fiction seiner Gesetze gegeben und dann dem Ephbros und Ari-
stoteles das material zu ihren Schilderungen gehefert. ich rede von einem
beiichterstatter, da die nachrichten, so weit sie die kretischen zustände
angehn, einen einheilhchen eindruck machen, mag es auch mehrere
darstellungen gegeben haben, den Althiden analog.^) kretische ge-
schichte konnte jener mann freilich nicht geben ^"^j, und als die Ptole-
maeer Kreta mit gewalt aus seiner Vereinzelung aufrüttelten, sahen sich
die nun erstehenden kretischen localhistoriker , Dosiadas und andere,
genötigt die lücke mit mythischen fabeleien zu füllen, denn selbst helden-
sage wufsten sie nicht zu linden, die insel aber gieng von der archaischen
naiven barbarei unheimlich schnell in die abscheulichste culturbarbarei
über, ihre wirkliche bedeutung liegt nur in der zeit des Minos.
Die Die kleinen dorischen iuscln Kvthera Melos^') Thera Anapiie^^)
dorischen
iiiscln
28) Die gastfreiheit hebt Aristoteles in der kretischen Politie hervor (Herakl.
am ende); in der Politik {B 12T'2'') gibt er mit feiner vvendung die begründung,
^evt^/.aacas i6 tiÖqqco Tisnoir/xtv.
29) Ephoros verweist auf mehrere entgegenstehende meinungen, operirt mit
arjuela, mit Sprüchwörtern {6 K^r^s -lijv d'd/.aaaav), Homerexegese u. dgl,, ganz wie
die Atthis des Aristoteles, da für ihn die vergleichung der kretischen Verfassung
mit der lakonischen ein hauptgeslchtspunkt war, und er beide ziemlich gleich dar-
stellte (Polybios VI 45), so liegt nahe zu glauben, dafs das Interesse für Spartas
Verfassung, das in der ersten hälfte des vierten Jahrhunderts so rege war, auch
jenen forschungsreisenden nach Kreta getrieben hat. aber wer war es?
30) Aristoteles und Ephoros operiren mit den epischen traditionen, Rliada-
manthys Minos Idomeneus. Althaimenes stammt aus argeiischer sage, Thaletas aus
lakonischer, die fragmente 518. 519 hat Rose ohne grund in die kretische Politie
gerückt, das erste geht dem chalkidisch thebanischen Rhadamanthys an, der den
Herakles erzogen hat, das andere erklärt eine angeblich heroische sitte (die pyr-
rhiche) aus einer kretischen, wie die Poetik (25) eine epische vocabel durch ihre
kretische epichorische bedeutung erläutern will, die evQtzai Kovqtjs und IIvQQiyos
(Strab. 480) wird Ephoros selbst erfunden haben.
31) Die angäbe über das alter der kolonie Melos kann Thukydides (5, 84) sehr
wol aus der pcloponnesischen tradiüon, also der von Argos, haben.
32) Die Argonautensage von Anaphe (Isyll. 92 Knaack Callimachea Stettin 87)
stammt nicht aus epichorischer aufzeichnung, sonst würde der gott wie in Anaphe
Die dorischen inseln. Grofsgriechenland. 27
Astypalaia haben weder eine originale noch eine nachge^vachsene chronik
und stellen sich so von selbst unter die kleinsten ionischen eilande,
Ikos Leros Sikinos. Aigina war zu Pindars zeit die blühendste statte
der archaischen cullur; damals war für prosaische schrifistellerei noch
iiidit die zeit, dann aber zerstörte Athen die gefährhche rivahn, und
die herstellung des Staates 403 ist nicht im stände gewesen, ihn lebens-
fähig zu machen, die geschlechter, auf denen er beruhte, waren zer-
sclilagen und zerstreut, ^^j die grofsen dorischen Inseln an der karischen
und lykischen küste sind geistig ionisirt ; aber wie für ihre politische
so auch für ihre geistige bedeutung war die centraMsation die not-
wendige Vorbedingung, die 411 die sladt Rhodos, 366 die Stadt Kos schuf.
erst beträchtlich später hat die gelehrsamkeit den reichtum von antiqua-
rischen alterlümern, der in den älteren orten erhalten war, erschlossen:
tiiie höher hinauf reichende geschichthche Überlieferung hat es nicht
L;ei,^cben.^'')
Auch das dorische Kyrene hätte wol eine localgeschichte haben Kyreue
können, hat sie aber nicht erzeugt. ^^)
Sicilien und Italien nehmen wie in allem auch in der historischen Giofs-
tradition eine Sonderstellung ein. so kurz nach dem tode des Herodotos, land
dafs er ihn nicht mehr benutzt haben kann, schreibt Autiochos von
Syrakus nicht etwa blofs die chronik seiner heimat, sondern die archaeo-
Äsgelatas heifsen. das hat ein ionischer forschungsreisender aufgebracht, ebenso
wie Herodotos die theräischen traditionen über Kyrenes gründung überliefert.
33) Die Pindarscholiasten haben über die aeginetischen faaiilien und heilig-
lümer die ersichtlich spätgrammatischen Schriften von Theagenes und Pythainetos
7t£^l Aiyivr^s mit wenig nutzen consuitirt. wenn ein Römer Bassus sich als nach-
ikomme der alten BaaaiSai, aufspielt (Kaibel epigr. 892), so kannte er sie aus dem
Pindar.
34) Aristoteles (Herakleides) kennt das auftauchen der insel Rhodos, das bei
Pindar steht, und einen nicht epichorischen namen "Ocpiovaaa. diese fabelhaften ur-
namen, die es für die meisten inseln und manche Städte gibt, und die bei den geo-
giaphen ein zähes leben führen, müssen einmal mit einem schlage aufgebracht sein,
keinesfalls sind sie ein jeder an seinem orte gewachsen, fgm. 569 hat Rose ohne
igrund in die Politie der Rhodier gesetzt; da es Diagoras angeht (wenn auch das
nähere nicht mehr kenntlich ist), so gehört es vielmehr in die olympische tradition,
was die Politik über Kos und Rhodos bringt {E 1302 und 1304) ist bisher un-
;genügend erklärt, seheint aber das vierte jahihundert anzugehn. die bedeutung der
synoikismen hat Aristoteles nicht politisch gewürdigt.
35) Aristoteles hat in dieser Politie vorwiegend den Herodotos benutzt, wie
der auszug lehrt, die Schriften ueqI Kv^^ir]s haben geschichtlich kaum etwas
L'iauchbares hinterlassen.
28 !• 1. Die quellen der griechischen geschichte.
logie des neuen Hellas, er stammt aus der Stadt, die von allen dorischen
allein die heimische mundart in poesie und prosa ausgebildet hat, und
doch schreibt er ionisch, in Wosthellas sind eben die träger der geistigen
cultur die chalkidischen Städte, und wer die fülle der Überlieferung über-
schaut, wird nicht bezweifeln, dafs chalkidische Chronisten dem Anlioclios
die anregung gegeben haben, mögen sie auch für uns verschollen sein.^^j
die ionischen Städte sind im westen gerade während des fünften Jahr-
hunderts erdrückt worden, aber sie haben von ihrem geiste den Achaeern
und Dorern , ja auch den Italikern mitgeteilt. Sybaris, acliaeisch der
race nach , aber mit Milet eng durch freundschaft verbunden , ist
schon im sechsten Jahrhundert zerstört, und doch kennt schon das
fünfte sybaritische geschichten als litteraturgattung. im westen, woliin
das epos nicht mehr gedrungen ist, hat sich die prosaerzählung früher
und stärker ausgebildet, und welche fülle von novellenfiguren tritt
uns hier entgegen, Euthymos und Milon, Smindyrides und Amyris,
Pylhagoras und Empedokles, Phalaris und Malakos. deutlicher als
irgend wo sonst sehen wir die mythischen gründungssagen, voll von
geschichtlicher erinnerung, und die urkundlichen daten neben einander
liegen, das ist direct freilich zumeist timaeisclies gut, aber der gelehrte
Sammler fufst auf älterer litteratur und beweist am besten, dafs die zeit
der aufzeichnuug für das alter der Überlieferung ein unzureichendes
kriterium ist. Aristoteles hat über den westen begreiflicher weise nicht
viel gegeben ^^), und wir hören davon wesentlich durch die erbitterte
kritik des Timaios. dagegen mufs er über die Städte des ionischen
meeres Epidamnos Apollonia Korkyra Itbaka Kophallenia ganz besonders
ergiebige von niemand sonst benutzte Überlieferung zur Verfügung ge-
habt haben; sowol die Politik wie die Politien lehren es, und selbst
Timaios ist ihm hier in manchem gefolgt, die euboeischen historiker
dürften die Vermittler gewesen sein, da Euboeer die Vorläufer der Korin-
ther im ionischen meere gewesen waren, während die achaeischen und
dorischen orte selbst fast culturlos waren. ^*)
36) Ein solcher name ist Hippys. das buch, das um 250 unter seinem iianien
gieng, war aber nicht mehr original, was gegen meine kiitik (Herm. 19) eingewandt
ist, scheint mir einer ernsthaften Widerlegung nicht zu bedürfen.
37) Was wir von seinen Politien der Geloer und Akragantiner hören, geht
vorwiegend die grofsen tyrannen an, stammt also aus der politischen geschichte.
über Rhegion weifs er ausgezeichnetes; natürlich gab es in der ionischen Stadt eine
Chronik.
3S) Der Chalkidier Dionysios (Plut. de malign. Herod. 22) kennt eine korky-
reische Urkunde, auch bei dem Epiroten Proxenos, der zu Pyrrhos zeit schreibt,
Massalia. lonien. 29
Aber Massalia im äufsersten westen ist eine loniersladt und hat Massalia
sich seiner herkunft würdig bewiesen, am besten beweisen es seine
grofstaten auf wissenschafthch geographischem gebiete, der alte peri-
plus, Eulhymenes und Pytheas. die altionischen gesetze waren auch
schriftheb fixirt und standen bis in späte zeit auf dem markte (Strab.
179), und es gab auch eine niassaliotische geschichte. die reizende
griindungsnovelle hat Aristoteles (bei Athen. XIII 576) nicht aus dem
volksmunde, und er ist auch in der Pohtik in der läge, über die ver-
liilsungsgeschichte melireres beizubringen.^^)
Nun endlich das östliche eigentliche lonien , das lonien Homers, lonien
die heimat des epos, der novelle, der philosophie. da braucht man nicht
zu suchen, da wird es vielmehr überflüssig auf einzelnes hinzudeuten.
!die namenthch und wenigstens zum teile zeitlich bekannten schrift-
>ieller reichen bis in das sechste Jahrhundert und einzelne wenigstens
haben sich in einer mehr als epichorischen geltung behauptet, wie
Charon und Maiandrios. wir sehen auch die berühmtesten und höchst
weist manches nach Euboia. der localliistoiiker Atlianadas von Ambrakia (Anton.
Liber. 4) schmeckt nach der art des Nikandros; älter als die Zerstörung durch
Acilius Glabrio wird er freilich sein, dafs Korkyra so ganz für die cultur ausfällt,
gleich seiner mutterstadt Korinth, ist sehr beherzigenswert, ein weifser rabe, der
tragiker Philiskos, beweist so wenig für seine cultur wie Alexandros für die von
iPleuron, und die gelehrte Agallis ist auch nicht zu hause ein blaustrumpf geworden,
hätte Korkyra seine Schuldigkeit getan, so gäbe es heute keine albanesische frage.
aber die entsetzlichen greuel, die Thukydides erzählt, stehen in grellem contraste
zu der berückenden weichen Schönheit der Phaeakeninsel. ohne AlSo'ts und Ji-z-ri
wachst eben selbst im paradiese nichts als obst.
39) In der Poetik 21, wo Aristoteles von einfachen und zusammengesetzten
nomina handelt, sagt er, es gäbe auch viele zusammengesetzte namen sicut viulta
de Massaliotis , Hermocaicoxanlhiis qui siipplicabatur domirmm caelorum (so die
arabische Übersetzung zur ergänzung unseres lückenhaften textes, Diels Ber. ßerl.
Akad. 19 jan. 1S88): darin kann ich nichts finden als eine weihinschrift 'Eguoxai-
y.i.htrd'oi ei^äfisvos Jii, und weifs nicht, wie Diels zu enavxeod'at, und Ju naroi
kömmt, ich kann also nur glauben, dafs bei den Massalioten verdrehte dreifach
componirte namen bestanden, und Aristoteles wird diese Inschrift irgendwo in Hellas
gesehen und belacht haben, oder seine Schüler haben davon erzählt, der name ist
veidrehl, aber EvSä/umTios, Ev^sviTtnoe, 'innuQuöScoQos sind es nicht minder und
geben auch drei glleder; wir sind nur an diesen lächerlichen stolz auf das ritter-
pferd, die fiction des adels, gewöhnt. KricpiaoSrjuos AvaiSrifios 0ovSrj/uos sind
auch an sich sinnlos, aber der athenische bürger hatte den demos gern in dem
namen seines kindes, weiter fragte er nicht dem namen nach, die massaliotische
ononiatologie ist uns unbekannt, und wir können unmöglich a priori sagen, wie sie
nicht war.
30 I. 1. Die quellen der griechischen geschichte.
gestellten die geschichte der eigenen heiniat zur aufgäbe wählen, luu, \
von Chios und noch den peripatetiker Duris von Sanios. die Aeoleri (
von Lesbos und Kyme '") stehen den loniern gleich, und diese zeigen
dieselbe regsanikeit auf den Kykladen, am Ilellespont und im Pontes ")
wie in den zwölfstadten der küste; am Pontos nimmt aber auch (iic
megarische pflanzstadt Herakleia einen ehrenplatz auf allen gebieten de.-
geistigen lebens ein."-) dafs wirklich zeitgenofsische chronikartige aui-
zeichnungen und viele alle Urkunden vorhanden waren , versieht sich
eigentlich von selbst, zufällig erhaltene stücke, wie über die grüudung
von Ephesos aus der dortigen und der siphnischen tradilion"^) oder
die Schiedssprüche im Athenatempel zu Priene, liefern auch greifbare
belege, für manchen ist vielleicht bezeichnender, dafs Aristoteles in (1( i
samischen Politie das erscheinen einer weifsen schwalbe, so grofs wie
ein rebhuhn, notirt.''^) aber die lust zu fabuliren, die freude an dem
spiele der phantasie und dem bunten leben, die lonien als erbe Homers i
besafs, ist für die rein geschicblliche Überlieferung verhängnisvoll ge-
worden, die schriftstellerei stand im zeichen der novelle, als sie die
geschichtliche Überlieferung zu behandeln begann, der subjectivismus und
ralionalismus trat hinzu, und so sind gerade die ionischen traditionen:
für den historiker mindestens viel schwerer verwendbar geworden alsi
die nakten namen und dalen aus anderen orten, schon wenn wir die;
lydische geschichte und die ionische, so weit sie herangezogen wird, bei
Ilerodotos lesen, werden wir oft bedenklich (obw^ol die schlacht bei Lade
40) Noch Menekrates von Elaia, ein schüler des Xenokrates, schreibt y.tiaeis
seiner aeolischen heimat (Strab. 572 u. ö., immer aus Demetrios von Skepsis).
41) Schriftsteller aus älterer zeit (wie später namentlich Demetrios von Kal-
lalis) kenne ich nicht, aber die gründungsdaten sind zum teil erhalten, und Aristo-
teles verfügt über historisches material selbst aus Phasis und Istros.
42) Hier steht im dritten Jahrhundert selbst die chronik des dichters Phere-
timos neben der des Staatsmannes Nymphis. da die Stadt erst in der mitte des
sechsten Jahrhunderts entstanden ist und dauernde nahe beziehnung zu Athen unter-
halten hatte, ist es nicht wunderbar, dafs sich gute Überlieferung in geschichtlicher
form erhalten hatte, bis sie aufgezeichnet ward, und schon vorher Aristoteles und
andere über die herakleotischen Verhältnisse orientirt waren, wie wichtig die Stadt
diesem erschienen ist, vgl. I 10.
43) (bQoi 'Efsaicov Athen. VII 361, ojqoi, ^ifvicov VI 267.
44) Herakl. 31 ecpävr] Xevy.rj x^Pudfov oix iXaTtcov Tis^Sixoi. der iambische
trimeter ist durch zufall entstanden; es ist keiner für allionische metrik. dieselbe
tatsache aus den anonymen öjuoi Uafnanoi bei Antig. Karystr. Parad. 120. das er-
scheinen der ersten weifsen tauben berichtete Charon in seiner lampsakenische»
Chronik, Athen. IX 394.
lonien. fortleben der novelle. 31
(ien eitidriick einer weit grüfseren glaubhaftigkeit macht als die bei den
Thermopylen). wie viel ängstlicher miifs uns nicht zu mute sein, wenn
wir etwa von Pindaros und Pythagoras von Ephesos oder den Gergithes
von Milet bei Aelian lesen? in der tat ist die altionische geschichte
für den historiker fast verloren, und noch scheint es nicht, als wollte
sie der boden uns zurückschenken, dafür ist sie in das reich der poesie
übergegangen und hat dort eine lebenskraft bewiesen, vergleichbar nur
der heldensage.
lonien hat gleich nach der befreiung durch Alexandros einen neuen Fortleben
anfschwung genommen, in einem bewufsten und berechtigten gegensatze nadiiion
zu der bevormundung durch Athen und seine litteratur. die schönste
blute dieser bewegung ist die erneuerung der elegie und des iambos.
die elegie aber griff auf die novellistisch gewordene geschichte, auf die
archaeologie zurück, diese romantische htteratur ist den Ttolirelai der
peripaletiker genau so analog, wie die wissenschaftlich philologische arbeit
des KaUimachos und Eratosthenes der wissenschafthch aesthetischen des
Aristoteles und seiner schüler. so sind denn auch ihre quellen oft geradezu
dieselben.'^) es gehn auch versuche nebenher das epos zu erneuern,
und die archaeologie ganzer landschaften oder einzelner städte so zu
verarbeiten. Mv^9^v^ivi]g ^Podov y.rlOEig, QetTali'/.a , 3l€oa7]viaxä:
das verhält sich zu den ahia des KaUimachos wie Ephoros zu Aristo-
teles, das zweite Jahrhundert bringt noch viele nachzügler auf allen
gebieten, Bt^vviaxd des Demosthenes, die schriftstellerei des Nikandros
iiher Aetoler Oetaeer u. dgl., ausgeartete Ttolirelai, wie seine verse aus-
geartetes epos sind, im ersten Jahrhundert gibt Alexandros von Milet
in höchst anerkennenswerter weise grofse compilationen über die ar-
(liaeologie von Karern Lydern Juden und andern hellenischen und halb-
hoUenisirten stammen, aber weder die poesie noch die wissenschaftliche
scliriftstellerei der gelehrten ist volkstümlich geworden, dagegen wuchert Fortleben
die novelle fort, mit dem aus einer ionischen wurzel erwachsenen Helle-
nismus bis nach Seleukeia am Tigris und Ptolemais am IVil verbreitet.
mitten in der schlimmsten zeit des ausgearteten barokslils begegnen uns
wieder die yLv6ia-/.ä des Skytobrachion. eine zeitgemäfse bearbeitung des
allen Xanthos wollten sie sein: es ist der historische roman, berechnet
lediglich auf das ergetzen des publicums. auch Müjr^aiaxa treten wieder
auf, von Aristeides, nicht mehr als geschichtsbuch , sondern als roman,
45) Die erhaltene erzählung- aus dem Apollon des Alexandros von Pleuren ist
sreradezu ein capitel der Milrjaiaxa so wol im sinne der alten königsgeschichte wie
in dem der erotischen novelle.
32 I< 1. Die quellen der griechischen geschichte.
mit einer erotik, die für einen derberen gaumen berechnet war als die
romantische elegie, und keinesweges deren lochten sie stammt vielmehr
genau so dircct und so rein von der alten novellistischen geschichte ab
wie die Ephesier, die sich dem Mithradates ergaben, von dem volke, das
unter den Basiliden gestanden hatte, ob sie schon durch Aristeides den
entscheidenden schritt getan hat, die mythischen namen ganz abzustreifen,
verstattet unsere kümmerliche Überlieferung nicht zu erkennen: bald ist
es jedenfalls geschehen, sonst würde Petrons matrone von Ephesos den:,
namen einer fürstin des siebenten oder sechsten Jahrhunderts tragen.'")
aller die herkunft der griechischen romane aus der alten erzählungs-
litteratur ist deutlich genug, wo die alten träger geblieben sind, wie^
r*ythagoras Aesop die Sieben weisen, liegt es auf der band, bei den
erotischen erzählungen verkennt man es leicht, die sophistik der kaiser-
zeit hatte sich eingebildet, eine neue veredelnde form gefunden zu haben,
und wie sie die motive der komoedie zu mehr oder minder albernen
briefen von hetären parasiten bauern und fischern verbrauchte, wobei
die locale attische färbe gar oft verloren geht, so bewahren ihre ero-
tischen erzählungen, berechnet für den öden salon einer vorkommenden
gesellschaft , nur hie und da ein par locale züge.''') so gerät man in
regiouen, die von aller historie ganz fern hegen, wenn man einen zweig
der geschichtlichen Überlieferung durch die Jahrhunderte lilterarisch ver-^
folgt, um so weniger wollen wir hier auf die metamorphosen einen
blick werfen, die die hellenistische novelle aufserhalb von Hellas erlebt hat.
zu Aristoteles Zeiten waren die BIih]aicr/.c'c noch durchaus historie, /.oyo-\
yQacpia, so gut wie das werk des Herodotos, vermutlich annalen, so guti
wie die Atthis,
Ergebnis Gelehrt hat dieser überblick der tradition vielleicht nur die etwas,
welche in der läge waren, sich bei der einzelnen Stadt oder land-
schaft die hauptsachen von der über sie erhaltenen Überlieferung ins
46) Nachdem dieses geschrieben war, ist in den resten von "AaavQiay.ü, oder
Baßvloiviaxä, wie immer der litel hiefs, die Wilcken veröffentlicht hat (Hermes 28),
ein erwünschter beleg hinzugetreten, da sind die träger der erotischen fabel, die den
späteren recht ähnlich ist, noch Ninos, Semiramis und ihre Umgebung, der roman
steht innerlich wie zeitlich zwischen der älteren historie und den sophistischen
i^(OTixai SiT;yi]asie. ich wüfste ihm nichts besser zu vergleichen als die reste der
ersten bücher des Nikolaos, die ihm auch zeitlich am nächsten stehn dürften.
47) Chariten fingirt die zeit des peloponnesischen krieges, der lateinische roman .
von Apollonius führt sogar die personen der diadochen ein: den Spätlingen waren i
jene Zeiten so ferne vorzeit wie Ninos und Kroisos der zeit des Nikolaos. das local
ist meistens die hellenische oslküsle des Mittelmeeres.
Ergebnis. 33
gedächtnis zurückzurufen, in diesen fall aber möge sich jeder setzen,
der mit der hellenischen geschichte mehr als sophistisches spiel treiben
will, so weit die historie erzählung der ereiguisse ist, krankt unsere
überheferung bis 432 wirkhch an einem unersetzhchen mangel an ma-
terial. so weit es aber die darstellung des zuständhchen und die er-
klärung gilt, wie dieses geworden sei, ist der mangel an material ein
mangel der methode. da mufs die Wissenschaft besser suchen lernen
und mufs die scheidekünste gegenüber dem gestein, das in unsern
schachten bricht, vervollkommnen, statt es als taub auf die halden zu
werfen, lernen wir die sagen, die novellen, die tendenzschriften besser
verstehn als Aristoteles, vor allen dingen aber begreifen wir und be-
herzigen wir die notwendigkeit den Zugang zu den besten, den wahr-
haften quellen zu eröffnen, der localen überheferung. Aristoteles ist
keine quelle mehr, er hat sich nur als ein canal herausgestellt; aber
was er bietet ist zum besten teile quellwasser, und heute wie Vorjahren
gebe ich die parole für die griechische geschichtsforschung aus: nicht
die Weltgeschichte des Ephoros, sondern die Politien des Aristoteles sind
das Vorbild für unsere eigene arbeit.
V. VVilamowitz, Aristoteles. II.
2.
DIE POLITIE DER ATHENER VON KEKROPS BIS SOLON.^
Die buig Die Steine der bürg von Athen erzählen uns von einer zeit, deren
der
Kekroper. selbst die sagc vergessen hat. hinter der gewaltigen ringmauer wohnten
die Kekroper in kleinen bauschen, und der palast ihres königs stand
etwa da, wo die zeit Rleophons das Erechtheion gebaut hat. die bürg
hatte keineswegs nur den zugang von westen, sondern es führte von
nordosten ein steiler aber breiter weg zum schlösse, und eine schmale
treppe stieg zur späteren Pansgrotte hinab (Euripides nennt diesen weg
liia/.Qai) und weiter zur Klepsydra. am nordfufse des burgfelsens rann
der flufs, an dem dieses Athen lag, der Eridanos, und sein "^reines nafs
schöpften^ die mädchen. an der ecke, wo das Erechtheion mit dem
Athenatempel zusammenstöfst, den Peisistratos erbaut hat, zeigt die wand
selbst, dafs der baumeister auf einen räum darunter rücksicht nahm, das
grab des Kekrops. kein zweifei, dafs dieses grab die gebeine eines alten
herren des Schlosses barg oder birgt, noch heute kann der andächtige
blick die male schauen, die der dreizack I'oseidons in dem burgfelsen
zurückgelassen hat, und ist auch Athenas Ölbaum verschwunden, so ist
doch die umfriedigung des gärtchens unverkennbar, in dem der tau der
Agrauliden seiner wartete, äuge und band kann fühlung nehmen mit
einer zeit, die eine verschollene urzeit war, als Peisistratos den alten
tempel baute, damals sprofs noch der beihge (ilbaum und stand noch
der hausaltar der alten könige des Schlosses, die continuität ist in
Athen niemals abgerissen, obwol die erinnerung nichts fest gehalten
hatte als die tatsache der continuität.
1) Es war undurchführbar, in den darstellenden capiteln 2—4 im einzelnen
auf die begründenden Untersuchungen zu verweisen, die im drucke auf sie folgen. ■
den ersatz liefern die register.
Die bürg der Kekroper. das volk Athenas. 35
Die bürg von Athen ist ihrer anläge und bauart nach ein erzeugnis
derselben periode wie die von Tiryns, Orchomenos, Arne und viele
andere, in Attika namenthch Eleusis und Thorikos. ihre herren haben
die kekropische ebene beherrscht; das ist nicht wenig für jene zeit der
vielen kleinen burgherren. aber wirkliche Staaten oder städle kannte
jene zeit noch nicht, jenseits der niederung im Südwesten, die damals
entweder meer oder lagune war (das aXLrcedov)^ erhob sich schon eine
andere solche bürg, Munichia, und an den abhängen des Parnes und
Brilettos werden sie nicht gefehlt haben, es hat der zeit und der arbeit
und der kämpfe vieler generationen bedurft, bis sich über den trümmern
difeser bürgen die Stadt Athen , und über den kleinen pohtischen ein-
heiten der staat der Athener erhob, auch diese Zeiten und kämpfe sind
verschollen, und auch von ihnen ist nur im gedächtnisse geblieben, dafs die
continuität nie abgerissen ist, während überall ringsumher, in Boeotien
und Eiiboia, Megara und Aigina, und im ganzen Peloponnes fremde
eroberer den geschichtlichen fortschritt bringen, in langem ruhigem
stillem Wachstum ist das edelste reis des hellenischen gartens auf dem
felsen Athenas gediehen.
In diesen zeiten des werdens ist das konigtum oder vielmehr die Das voik
1 • 1 11- . • 1 , r~ Athenas.
monarchie zu griinde gegangen und die souveränetät der gememde {drj(.iog)
entstanden, in die gemeinde aber sind die herrschaften alle aufgegangen,
die vorher neben einander in Atlika bestanden, auch die der bürg, und
sie am entschiedensten, denn sie hat sogar ihren namen eingebüfst. sie
heifst nun wie die gemeinde; die gemeinde aber ist die der "^Alhena-
j befohlenen \ und Stadt und bürg heifst nur nach der hohen himmels-
göttin, die ganz eigentlich in das alte fürstenschlofs eingezogen ist, die
wirkliche nachfolgerin der alten konige. ^Ad-iqvalog ist nicht anders
gebildet als "^EKazalog Jiovvoiog, und nur die gewohnheit, darin eine
ortshezeichnung zu hören , läfst die eminente bedeutung der tatsache
übersehen, dafs die "^Zugehörigkeit zu Athena' zugleich die herkunft aus
Athen bezeichnet, nur Piaton mit seinem gefühle für die religion seiner
Väter empfindet '^.^■/^i'ßtog wegen des göttlichen namens als eine ehrende
liezeichnung.^) dem namen der bürgerschaft entspricht der der Stadt,
2) Ges. I 626'', wo er den anonymen 'A&r^ralos einführt, der eben dadurch als
typus charakterisirt werden soll, dafs er "verdient ^Ad-rjvaXos zu heifsen', dafs
Athenas geist auf ihm ruht, sehr hübsch ist es, wie hundert jähre später daraus
gemacht ist, es gäbe in Athen zwei Sorten einwohner, die "Ad^rivaloi, die dem rühme
des alten namens entsprächen, und die l4Trixoi, die alle Übeln eigenschaften hätten,
die man den Athenern nachsagte (Herakleides der Kritiker 4). das land hiefs bei
3*
36 n. 2. Von Kekrops bis Solon.
^^d-rjvaL^), der statt einer ableitung wie 'HquIu, ^ArcoD-iovia nur den
plural des gottesnamens verwendet, und zwar in einer form, die in Athen
/AI gunsten der ableitung fallen gelassen ist, so dafs die göttin von den
Athenern nur 'göttin' oder " Athenerin' genannt wird, keine andere Stadt
in Hellas hat es vermocht, in dieser weise eine der grofsen gottheiten
zu ihrer Vertreterin zu machen, heroen wie Korinthos und Miletos,
Theba und Aigina, haben kaum etwas korperlichkeit erlangt; die Hera
von Argos, die Kora von Syrakus, die gotter der verschiedenen ApoUonia
haben nie das wesen der allgemeinen gotter beeinflufst, die vielmehr
alle nur nebenher diese und jene Stadt besonders vertreten. Athena
ist die jungfräuliche und streitbare stadtgüttin vieler orten rings um
Athen, in Aigina, Korinth, ja selbst bei den eingewanderten Boeotern,'')
wenn sie zu Athen ein so viel näheres Verhältnis gewonnen hat, so
vermag man sich der Vermutung nicht zu erwehren, dafs dabei ein be-
wufster wille tätig gewesen sei. die einigung der landschaft Altika ist die
Voraussetzung der athenischen geschichte, und sie ist erzielt, ehe unsere
den Umwohnern 'Axt/j (darüber mehr zu cap. 5), davon ist l/izrixös gebildet, und
die die gesinnung oder spräche Athens draufsen teilen cnrixi^ovaiv , und wie
die Weiterbildungen sonst sind, weil das tt aus y.r entstanden ist, tritt nirgend
(Tff dafür ein aufser bei solchen, die der spräche gewalt antun wie Euphorion 2".
der lautwandel fordert eine erläuterung, denn er ist anomal, ganz ebenso steht
iQtTTvs iQitröa für rgiy.Tvs, fos rer^rtxTvs, dies unter dem einflusse von tqittos
r^iaaSs, «TTtxos unter dem von './^ti?-!», einem ganz correcten hypokoristikon von
'Ad'Tjvais, das sehr alt sein mufs, da der letzte radical noch verdoppelt ist, als
mädchenname bei Sappho belegt, für athenisch, wie es scheint, erst bei Euripides.
Thukydides nennt die 'Attixt] avyy^ncpi^ des Hellanikos so, nicht l4r&is. bei
Hesych steht ^Arris l4d-T]vat: das hat wol ein künstelnder poet gesagt.
3) Die pluralbildung ist dieselbe wie in 0i-ßai TlXaraiai, aber nur grammatisch
dieselbe, denn neben diesen stehn auch die singulare in localer bedeutung, und die
ortsnymphen sind gegenüber den Städten secundär, während A&iivai. von ^A&r^vr]
gebildet ist, dem namen, den die nicht-ionischen Hellenen als A&ava festhalten und
auch die attischen dichter in gehobener rede anwenden, die brechung des a ist
Jünger als sein ersatz AnxchA&rjvaLa, in dem, wenn es nicht wirklich darin steckt,
der Athener wenigstens nur das ethnikon finden konnte, einerlei ob d^eös oder nuQ-
&evos dabei zu ergänzen ist.
4) Sie haben ihr bundesheiligtum am Athenatempel zu KoQcöveia, das am
KcoQuXios liegt, das ist Stadt und flufs der xo^r], xoodvt]. denn icn meine sowol
xoQCLVT] wie KoQcovis richtiger als früher zu fassen, wenn ich es nur als Weiter-
bildung betrachte. naQ&tvos heifst Athena oft, und TtaXläs bedeutet auch nur das
mädchen und ist wol bei Homer noch nicht toter eigenname. es gehört zu nälXa^
7iü),).ri^ naXXaxri naXXaxlvos. die Athenabilder heifsen naXXäSia, weil sie xö^ai,
sind, und auch andere weibliche idole können passend so heifsen. es ist wie xöqtj
auch nur ein fcmininum zu drSpiäs.
Das Volk Athenas. 37
geschichtliche iiberlieferuDg beginnt, es erscheint trotz allen regionalen
gegensätzen und kämpfen undenkbar, dafs sich der Aphidnaer oder
Brauronier anders denn als Athener fühlte, sie wollen wol alle herrschen,
aber über Athen und Attika. diesen ungeheuren fortschritt der pohti-
schen empfindung, den in Boeotien und lonien höchstens einzelne be-
deutende männer wie Epaminondas oder Hekataios für sich machen,
hat das attische volk so früh erreicht, das festjahr, das von den Kgövia,
dem gedächtnis der staatlosen zeit, zu den avvoixLa und Ilavad^^vaia
fortgeht, legt von ihm zeugnis ab, und das heiligtum der bürg ist wirk-
lich das gemeinsame für das ganze volk. sie glauben alle, dafs Athena
die guttin dieses Volkes und dieses volk ihr auservvähltes ist, was die
so zu sagen universale potenz der himmhschen Jungfrau und tochter des
Zeus noch nicht beeinträchtigt, diesem höheren einigenden glauben, der
AthenareHgion, hat sich die gesonderte Verehrung sowol der einzelnen
ortsgottheiten Avie der noch so bedeutenden 'andern götter^ selbst der
Nemesis von Rhamnus, der Athena von Pallene, der Artemis von Brauron
untergeordnet, wenn Athena von alters her die stadtgöttin der bürg
über dem Eridanos war, so hat ein localcult über alle andern triumphirt.
sie wohnt dort so lange, bis ihr Peisistratos ein eigenes haus baut, in
dem alten königspalast; sie hat um das land streiten müssen, und ihr
priestertum wird von dem geschlechte versehen, das in erster linie dem
Poseidon Erechtheus, ihrem gegner, dient, das alles und nicht zum
wenigsten, dafs die sage geflissentlich die berechtigung ihrer herrschaft
nachweist, führt zu der annähme, dafs sie von der bürg wirkHch erst
besitz ergriffen hat, als herrin des landes, als Vertreterin des gesammt-
staates, als die trägerin der neuen empfindung, der dann der alte local-
cult der bürg und ihr alter name weichen mufste.®)
5) Ein spiel, auch mit sehr scheinbaren einfallen, will ich nicht spielen, will
weder Koavaal aus Aristophanes als alten namen hervorholen noch der Verlockung
laum geben, dafs die Athena von Pallene, also auch die herren von Pallene
ihren cult auf die bürg verpflanzt haben und demnach die einiger Attikas sind,
aber dafs Athena von der bürg und von Attika erst als landesgöttin besitz er-
griffen hat, scheint mir nachweisbar, die sage vom streite mit Poseidon setzt
ihre besitzergreifung und die pflanzung der olive in das achte jähr des Kekrops,
den streit mit Poseidon in das sechsundzwanzigste (so bei Eusebius, dessen vorläge in
der attischen mythologie ganz mit der apollodorischen bibliothek geht, beiläufig:
dies Zeugnis entscheidet unzweideutig für die auffassung Roberts von der pflanzung der
olive wider Petersen), aber wir werden nicht bestreiten, dafs der felsspalt eher da
war als die fremde olive. Erechtheus ist eine person von ganz anderer consistenz
als Erichthonios, der pflegling Athenas, und die legende von dem kästchen, das die
38 II. 2. Von Kekrops bis Solon.
Die er- Diese Athena herrschte schon bis an das euboeische meer, als Eleusis
von Eieusis. mit seinem gebiete, der ebene jenseits des Aigaleos, noch selbständig
war. und die erinnerung ist nicht vergessen, dafs es schon polemarchen
gab, als es überwunden ward, so ist denn auch Eleusis nicht so fest
wie alles übrige mit dem gesammtstaate verwachsen, und in den schwer- ■
sten krisen setzt der regionalismus sich dort fest, die bevorzugungen, i
die der annexionsvertrag den herrschenden geschlechtern von Eleusis
zugestanden hatte, sind ihnen geblieben, nicht blofs die priestertümer in
Eleusis, sondern auch ein platz an der ülTentHchen lafel Athens, d. h.
eine pension für die abgelösten königlichen ehrengeschenke, und die
teilnähme an der ausrichtung der feste, der mysterien, denen der könig
von Athen mit zwei Athenern (die in der uns kenntlichen zeit frei vom
Volke gewählt werden) und zwei angehörigen der alten eleusinischen
geschlechter vorsteht.®) die Vermögensverwaltung der beiden göttinnen
ist auch in Eleusis geblieben, und wir hören nicht, dafs sie je für all-
gemeine slaatszwecke etwas gezahlt oder geborgt hätten, dagegen hat
ihnen ganz Attika von seinen kornerträgen gezehnlet. das ist die pension,
die ihnen Athena für die verlorene souveränelät zahlt, diese rudimente
früherer Ordnung mitten in dem demokratischen Athen sind äufserst
wertvoll, weil sie beweisen, dafs der anschlufs von Eleusis statt-
gefunden hat, als die geschlechterherrschaft bestand, nicht mehr das
königtum, als man noch in naturalien, nicht in geld zahlte, aber schon
so complicirte vertrage schlofs, dafs die schrift nicht wol entbehrt werden
^y^yQnvXiSee xö^at öffnen, ist, schon weil sie so ganz falsch das Aglaurion unter der
bürg motivirt, jung. Athenas Verbindung mit Hephaistos, die zu der schmutzigen
erzeugung des Erichthonios führt, kann erst aus der zeit stammen, wo die industrie
der töpfer von bedeutung war. Apoilon patroos als beider söhn ist vollends absurd
erfunden; immerhin liegt das richtige darin, dafs Athenas Verbindung mit Hephaistos,
die nur die Stadt angeht, älter ist als die reception des ApoUon, der die sammt-
gemeinde der Athener angeht, neben der Athena der bürg stehn unten mehrere
Palladia und die aoxr^yern ist sogar die 'Hcpaiaxia. Athena ist nicht in Athen geboren
wie Apoilon in Delos, Artemis in Ephesos, Hermes in Tanagra; ihr fest gilt durchaus
dem Staat, ihr schätz ist der Staatsschatz, so hat Athena wirklich erst einen an-
sprach auf Athen, seit sie landesgöttin ist, seit sie die olive schenkt, das liegt
weit vor der geschichtlichen zeit, aber schwerlich weiter als die einigung des landes.
dafs die alte bürg dann auch nicht von anfang lä&r^vai geheifsen hat, folgt mit not-
wendigkeit.
6) Die geistlichen traditionen, deren hüter das Eumolpidenhaus ist, sind so
sehr anerkannt, dafs der i^jjyrjXTjS ei Ev^olniBüv noch für Periklcs autorilät war;
der exeget aus dem städtischen hause der Eupatriden steht ihm in der Schätzung
nach, weil die Demeterreligion früh in den ruf besonderer geheimnisse gekommen ist.
Die erwerbung von Eleusis. 39
konnte, da Eleusis entweder zu Megara gehört hatte oder doch auch
von dort begehrt ward, auch seine grenzen sowol nach westen wie nach
norden^) unsicher und umstritten waren, endhch die erwerbung von
Salamis nunmehr für Athen eine lebensfrage ward, so ist auf den grofsen
erfolg der erwerbung von Eleusis eine lange zeit wechselvoller kämpfe
gefolgt, die das ganze siebente Jahrhundert und weiter bis auf Peisistratos
dauerten und erst durch ein lakonisches Schiedsgericht, das den Athenern
Salamis zusprach, Nisaia aber nahm (etwa 570 — 562), ein vorläufiges
ende fanden.
Von der erwerbung von Eleusis hat die sage wenigstens noch
einige erinnerung bewahrt, die entsprechenden kämpfe früherer zeit
reflectiren kaum noch aus einzelnen Institutionen und erzählungen.
dafs die schweren Völkerverschiebungen, die der einbruch nordischer
Stämme, Thessaler Boeoter Dorer Eleer, im gefolge hatte, eine an-
zahl vertriebener geschlechter, namenthch aus dem Peloponnes (des
Stammes, aus dem in Asien die lonier geworden sind), nach Attika
warfen, andererseits auch bewohner von Attika an den colonistenzügen
in das östliche und westliche meer teilnahmen*), ist eine durchaus glaub-
hafte überHeferung, erhalten in der tradition der einzelnen geschlechter,
die bevölkerung Attikas ist gewifs von vorn herein nicht eines Stammes
gewesen (die Zersplitterung, aus der der volkskörper erwächst, kann sich
der historiker im gegensatze zur Sprachvergleichung nicht stark genug
vorstellen); sie hat von den nördhchen nachbarn, der von den Boeotern
fast ganz zerriebenen alten bevölkerung dieses landes, von den Euboeern
und den vordorischen bewohnern der argohschen nordküste eine sehr
starke beeinflussuns erfahren, und doch ist die Verschmelzung zu einer
7) Die kleistiienische kreisordnnng, die ganz Eleusis zur küstenprovinz rechnet,
zieht Phyle zu diesem gebiete, das in der tat bedrohlich über der attischen ebene
liegt, um den besitz von Panakton und den eigentlichen Kithaironpafs ist dann
noch weiter gestritten worden, der zug des Theseus von Trozen nach Athen ist
gedichtet, als Athens gebiet noch nicht Eleusis umfafste, denn er mufs dort den
riesen Kerkyon bezwingen, das grenzland nach Megara zu gehörte den göttinnen
und hiefs Soyns, ein wort, das nichts mit ae^yos zu tun hat, sondern die l^ycäaa
yi] bezeichnet: wenn die ogyäs gleichwol wüst lag, so hat man es als grenzland der
bebauung entzogen.
8) Eine solche Verbindung geht von Athen nach Neapel; den Euboeern folgten
colonisten etwa aus der Tetrapolis so gut wie Eunostiden aus dem Graerlande. eine
andere hat den könig Kephalos von Thorikos nach Kephallenia gebracht, die Euboeer
haben einmal jene inseln des westmeeres besessen; auf Kephallenia und Ithaka
sind sie durch Peloponnesier, die vor den Eleern flüchteten, verdrängt worden, die
^vir Achaeer nennen. Dulichion gehört dann dem Phyleus, dem söhne des Augeias.
1
40 II. 2. Von Kekrops bis Solon.
race, einem wirklich einheitlichen und seiner einheit sich bewufsten
Volke mit ganz bestimmter spräche und Sinnesart vollzogen, bevor der
nebel der sage sich lichtet; auch Eleusis macht keine ausnähme, es ist
die einheit des 'Athenervolkes', des örjinog ^^^rjvaiiov.
Die alte Dem entspricht die Verfassung, wer sich an das wort hält, mufs
behaupten, dal's die demokralie Athens einzige Verfassung ist, mufs dann
aber dasselbe von Sparta sagen"), die Verfassungskämpfe drehen sich
darum, wer zum demos gehören soll, und in wie weit der demos seine
souveränetät selbst in der executive betätigen will oder auf die männer
seiner wähl, einzelbeamte oder collegien, übertragen, die entwickelung
geht dahin, den begriff des demos möglichst weit, seine regierung immer
unmittelbarer zu machen, die beamten aber, ursprünglich einzelne, be-
fugt sich ihre subalternen selbst zu ernennen^"), werden immer melir
gebunden und beschränkt durch die collegialität, durch die annuität,
durch die prüfung vor dem antritte auf ihre qualification , die prüfung
nach dem abtritte vor dem übergange in den Areopagitenrat, durch die
aufzeichnung ihrer instruction, der gesetze, endlich durch die bindung
ihrer richterlichen entscheidung an den wahrspruch eines beirates. diese
entwickelung hat schon manchen schritt zurückgelegt, aber um dem
wesen gerecht zu werden, müssen wir die Verfassung alles andere eher
als demokratisch nennen, denn der demos, der träger der souveränetät,
ist ein stand, der adel, und zwar bereits ein denaturirter adel, nicht
auf dem blute, sondern auf dem grundbesitze begründet, die formen
des Staates sind jedoch immer noch die des reinen geschlechterstaates.
der Zeitpunkt, wo Staat und gesellschaft leidlich klar vor uns liegen,
kann zur zeit noch nicht wol früher angesetzt werden als auf 683/2,
9) Isokrales (9, 61) hat es fertig gebracht, den rühm Spartas darin zu finden,
ort fiäXiaxa Sr]fioi(QaT:ovfievoi rvyxävovaiv. im Menexenos wird Athen als miisler
der ä^iaTox^aria hingestellt, mit Worten geht alles, in der tat ist die souveiii-
netät auch in Sparta bei dem Sä/uos. aber dieser Säjuos ist der stand, beschränkt
durch die forderung sowol des blutes wie der standesgemäfsen lebensführung, womit
auch ein gewisser besitz gefordert war. der däfios übt seine souveränetät fast
nur durch die wählen einiger behörden; könige und rat sind lebenslängliche amts-
stellen. die gesetze sind nicht aufgeschrieben, die beamten an keinen beirat ge-
bunden, die Wurzel ist also sehr ähnlich wie in Athen, aber das gewächs ist ein
anderes, und dem entsprechen die fruchte.
10) Das hat gedauert für die beisitzer der drei oberbeamten und für die sub-
alternofficiere, die der oberst ernennt, die ersteren aber haben beamtenqualität
sie zeugen also für das alte recht der oberbeamten. die vom Areopag ernannten
beamten waren mindestens zumeist auch wirklich seine Organe, später die des rates
der 500.
Die alte Verfassung, der könig. 41
das jähr der entscheidenden revolution. von da ab sind die drei ober-
ämter jährig und dürfen nur einmal bekleidet werden, es tritt zu ihnen
ein collegium von 6 'rechtssetzern' für die civiljudicatur. der rat wird
durch die abtretenden neun beamten ergänzt, also mittelbar von der
gemeinde besetzt, die die beamten wählt, hat aber das recht jeden ein-
zelnen vor dem eintritte einer prüfung zu unterziehen, dafs diese
neuerungen alle auf einmal eingeführt seien, wird man billig bezweifeln;
sie bestehen nur sicherlich seit 683, dem jähre der ersten jährigen ober-
beamten. aus der älteren zeit sind eine reihe wichtiger angaben er-
halten, aber zu wenig, um diese periode gesondert darzustellen oder
gar eine geschichtliche erzählung zu versuchen, wir können heute zu-
frieden sein , Avenn wir die vorsolonischen Institutionen einigermafsen
verstehn; hatte es doch weder die Atthis noch Aristoteles auch nur so
weit gebracht.
Obwol der archon vornehmer ist, hat doch der künig anspruch Der könis
auf den ersten platz, denn er ist der träger der continuität von der
nrzeit her: mit recht dürfen sich die Athener rühmen, niemals königs-
los gewesen zu sein.") noch bis gegen ende des achten Jahrhunderts
war das königtum dem angestammten *^fürstengeschlechte\ den Medon-
tiden, erbhch verbheben, in der weise wie auch später noch die ge-
schlechterpriestertümer. aber schon damals war der könig nur ein be-
amter, der sein amtshaus unterhalb der bürg neben denen der anderen
gewählten beamten hatte, die zeit, da könig Akastos das regiment an
den "^regenten' abgab, und feierlichste eide diese Constitution befestigten,
lag in unbestimmter ferne, nur den verkehr mit den göttern des Staates,
die von alters her öffenthchen cult erfuhren, hat der könig behalten,
ilenn die menschen konnten an diesem rechte nichts ändern, das war
immer noch sehr viel auch von dem was uns profan erscheint, da die
abgaben zum teil an die götter gezahlt wurden und das heihge recht
sehr weit griff, aber längst nicht mehr entschied der könig nach
eigenem ermessen, sondern es stand ihm der rat zur seite, die Ver-
tretung der gemeinde, und der wahrspruch des rates unter Vorsitz des
künigs richtete den mörder, den brandstifter, den gottesfrevler, um des
Verkehrs mit den göttern willen kommt auch die königin für den Staat
in betracht, und daraus folgt die forderung rechtmäfsiger ehe für den
künig. eine anzahl adhcher matronen steht als ysQaiQal^^) neben der
1 1) ßaai?.TJs ael j]tüv eiaiv sagt der platonische Menexenos 23S*' in einer vor-
züglichen Schilderung der Tiäroioi -jiohxsiu.
12) Wir sollten eigentlich ysoaioat schreiben ws fiöy.nioai. denn wie die form
42 II- 2. Von Kekrops bis Solon.
künigin, wie der rat neben dem künige. sie greift, so viel wir wissen,
nur in den Dionysoscultus ein, des gottes 'stier , den die "^rinderhirten'
ino Bovv.olelov üben.'^) dieser cultus ist also nicht mehr familienciilt,
sondern, wie früh auch immer, von der gemeinde aufgenommen;
Dionysos kommt zu schiffe oder zu wagen, in beidem hegt nur, dafs er
überhaupt gekommen ist. sein fest ist im Vorfrühling, das 'Blumenfest',
und es ist für uns uralt, da es auch in lonien begangen wird, aber
auch das fest am 'Kelterplatze', im winter begangen, steht unter dem
könige und kann nicht für jünger gelten.''') staatsfest sind auch die
f^ivaTTjQia, sowol in Athen wie in Eleusis gefeiert: es hat eben der Staat
Athen seinen beamten mit der Oberaufsicht des eleusinischen festes
betraut, als er die Stadt annectirte. aber eine rehgiöse bedeutung hat
die mitwirkung des königs hier nicht; sie ist den eleusinischen ge-
schlechtern geblieben, die Athenareligion ist in den bänden der priestei-
schaft. an Plynteria und Skira ist die beamtenschaft nicht beteiligt ;
das staatsfest der Panathenaeen ist von der tyrannis und demokratie so
sehr geändert, dafs seine alte form unkennthch ist. auch die athenische
Verehrung des gütterpares, Mutter und Tochter, vollzieht sich so, dals
keine künigin über dem drj/iiog yvvai7.u)v mehr steht, aber die geist-
liche machtvoUkommenheit des königs ist mit dem was er später be-
halten hat mit nichten erschöpft, wenn wir hören, dass er in Pallene
nach dem dortigen gebrauche an der spitze einer geistlichen körper-
schaft, zu der auch frauen gehörten, amtirt, wenn er die Apollonopter
yeQUQai secundär ist, ist es die anknüpfung an ysoagös. ein ye^a^ oder ytQnoi
liegt zu gründe, die yeoa sind die praecipua des königs oder des adeis, ehrenreclite,
elirengeschenke. davon heifsen diese frauen, niclit etwa 'die verehrenden', denn
ysQaiQBiv gilt nicht einem gotte.
13) &E6e TavQos ist in Thespiai geradezu bezeugt, Bull. Corr. Hell. 15, 629,
wie in dem liede aus Elis, dessen Diouysoscult dem atüschen sehr ähnlich ist. der
Dionysoscult stammt auch in dieser älteren form aus Boeoüen wie der jüngere
Eleuthereus. in Theben war der Thalamos der Semele das ßovyohJov, ein holz,
das man später mit erz bekleidete, war das symbol des gottes. Pausan. 9, 12, 4.
Clemens Strom. 418, der aus Euripides Antiope 203 citirt spSov [elSov'i) Si &aXä-
ftois ßovxüXcav v-v- Hiaatö xo^cövTa atiXov eviov d'eoi. denn dafs ich ßovtcöXov
richtig verbessere, kann nicht zweifelhaft sein, der redende berichtet die epiphanie
des gottes, die den zug der Dirke in das gebirge, vielleicht schon die flucht der
Antiope motivirt.
14) Der monatsname Ar,vaicüv ist in Athen durch den 'hochzeitsmond' ver-
drängt, aber er besteht bei den vettern in Asien fort, dafs der Dionysoscult reci-
pirt ist, ehe Anika geeinigt war, zeigen die demensagen von seiner einkehr in der
Epakria.
Der könig. der kriegsherr. 43
der Acharnischen parasiten überwacht, und diese einen h.rsvg gerste
nach der ernte (als Thargelia) zu zinsen haben, auch in Verbindung mit
der ßovüoUa stehn^*), so ahnen wir, wie vielerlei in der Instruction
des königs über alte cultverhältnisse zu lernen war, weil die Athener die
früh angeschlossenen landesteile noch unter die Oberaufsicht des königs
gestellt hatten, wir sehen einen Schimmer von den mafsnahmen, die
die einheit des örj(.iog \4d-rivauov durch die religion bewirkt haben,
wenn wir nur wüfsten, ob die culte der Tetrapolis, der Epakria, von
Brauron ohne königliche controUe geblieben sind, so könnten wir die
sichersten und wichtigsten Schlüsse ziehen, aber aus dem schweigen
der tradition darf nichts gefolgert werden.
Der kriegsherr, der die dritte stelle unter den oberbeamten hat, kann . Der
unmöglich jemals lebenslänglich ernannt worden sein, da er doch die
führung im kriege hatte, aus der beute hat einst einer das amtshaus
neu gebaut und nach sich "^ Epilykoshaus' benannt, wie in Rom die
curia Eostilia und viele ähnhch erbaute und benannte häuser standen.
der name war wol durch die weihinschrift erhalten, schwerhch ist das amt
älter als die mitte des achten Jahrhunderts, der name 7to)JjiiaQxog begegnet
in Boeotien und aufEuboia; er bezeichnet dort die oberbeamten, und es
gibt in den boeotischen Städten drei, in Erelria zwei, in jenen, die
niemals könige gehabt haben '®j, ist für den sacralen und eponymen aber
unpolitischen beamten der name qq^iov verwandt; die polemarchen
scheinen die executivbeamten überhaupt in älterer zeit gewesen zu sein.
e> dürften sich dort, in Athen und in Eretria die Verhältnisse sehr ver-
schieden aus sehr ähnlichen anfangen entwickelt haben, die bedeutung
des athenischen polemarchen ist durch die demokratie ganz besonders
i;f schmälert, die aufsieht über die landfremde eingesessene bevölkerung,
die ihm blieb, konnte ihn ehedem nicht viel beschäftigen ; aber vielleicht
hatte er die judicatur über alle (.iri f.iST€xovT£g Trjg rcolLreiag. im kriege
stand er an der spitze des ganzen heeres; aber die bürgerschaft war so
15) Atlien. VI 234. 235 aus den Urkunden, die leider schwer entstellt sind, in
den fassungen, die den grammatikern allein zugänglich waren, sind sie nicht älter
als die demokratie, aber sie zeugen selbst für das höhere alter der Institutionen,
wie recht ich habe, ^äofiiov ev IlaXXriviSos für Oefiiatov iv TlaXlr^vi^i zu schreiben,
hat Aristoteles gelehrt 16, 10 d'iafiia räSe 'Ad^rivalois (so richtig von Kontos er-
gänzt) y.aTa ra nuTQia: so richtig wir, denn d'iafiia y.al närgia ist falsch und
widersinnig, einerlei ob es überliefert ist.
16) Die könige der einzelnen orte gehen immer die vorboeotische bevölkerung
an, deshalb finden wir sie in verhältnismäfsig junge zeit nur in Plataiai herab-
geführt, wo diese am längsten widerstand geleistet hat.
44 II. 2. Von Kekrops bis Solon.
grofs, dafs ihr heer sich gliedern mufste, und die Führer der OTQaroi
waren immer schon sehr ansehnliche beamte, die reiterführer ebenso,
denn das ritterpferd machte zwar nicht den adlichen geradezu, wie auf
Euboia, aber es war der sehnlichste wünsch jedes bauern, eins zu halten
und den ritler zu spielen, die reiterobersten waren sicherlich immer
ständige beamte, da die cavallerie ihrer nalur nach eine stehende truppe
ist. namentlich mit rücksicht auf die aushebung werden es auch die
Strategen gewesen sein, dafs diese stellen durch wähl besetzt wurden,
des Volkes oder des heeres, ist nach hellenischer anschauung nicht zu
bezweifeln. Peisistratos hat IVisaia als Stratege erobert, und schon im
ersten heiligen kriege führt nicht der polemarch das athenische coii-
tingent.
Der regem. Der eigentlich politische beamte, der "^regent', mag einst ein walil-
könig gewesen sein ; jetzt waren ihm neben den hohenpriesterlichen auiii
die kriegsherrlichen functionen des monarchen entzogen, für die Chrono-
logie der culte ist es vom höchsten werte, dafs eine anzahl gemeindefeste
dem archon unterstehen und somit, auch nach der tradition, relativ jung
sind, von den grofsen Dionysien können wir absehen, da sie erst
Peisistratos, als er Athens herrschaft sicher besafs, 537 gestiftet hat.
sonst stehen unter dem archon die Apollonfeste , und dieser gott ist in
Athen zwar der "^väterliche' geworden, aber dafs er durch einen be-
stimmten act dazu gemacht ist, hat man dadurch immer eingestanden,
dafs sein athenischer cult als eine filiale von Delphi und von Delos gilt. '")
17) Apollon ist ein gott, den die alte bevölkeiung von Mittelgriecbenland ver-
ehrte, von der 'küsfe' oder besser dem 'vorgebirge' ("A^riov, ylavy-üsf Akarnaniens
bis zur Jiofve 'Delph' Euboias, von den bergen um die Tempe bis zum Ploion.
er ist ein gott des bochgebirges; grotten sind seine alten heiligtümer. JeXfoC, ein
stammname, und Jiqtpvs gehen zusammen, ztsltpivios ist eine bereits misdeutende
forlbildung; als seine Verehrer über die see fahren, geleitet er sie als delphin. das
tut er aber auch in der delphischen tradition, die gern diesen fremden zug aufnahm,
die Wanderung der alten bevölkerung jener gegenden hat den gott in den osten
getragen und in Delos, auf einem armseligen inselchen, weil es in der mitte lag
und an sich armselig war, das wichtigste heiligtum gegründet, an der küste, in
Klaros, bei den Branchiden (einem geschlechte, das aus Delphi stammen will), am
Triopion, in Lykien, auf Kypros haben wol ältere barbarische götter sich in den
zuwandernden verwandelt, dasselbe gilt sicherlich vom Peloponnes, dessen eigene
götter zum teil noch vor unsern äugen die grofsen nanien annehmen, wie die 'blinde
göttin' L^le« von Tegea und Mantineia Athena wird, der Pan des Lykaion Zeus,
Maleatas Apollon. der gott der grotte an der Kyllene hat sich ApoUons erwehrt,
ist aber Hermes geworden, aufserdem ist von den einwanderern, weil sie in apol-
linischer gegend längere zeit gewohnt hatten, der akarnanische gott der Kä^veia
Der regent. 45
es tritt also Athen durch seine receplion zugleich in die wichtigsten
internationalen beziehungen der alten zeit, das älteste dürfte die feier
I der Thargelien sein, das grofse siihnfest der gemeinde, dem in folge
I dessen der archon als gemeindehaupt vorsteht, zum sühnfeste ist es ge-
. worden , als der dienst des Oolßog sich nach der katharüschen seite
entwickelte ; da ^agyr^lia die ersten ährenbüschel bedeutet, die der gott
erhält, ist ein ursprünglich rein agrarisches fest zu tieferer ethischer
bedeutung erhoben. Thargelien feiern die lonier im weitesten sinne;
I da sie über Kyme auch nach Rom gekommen sind, dürfen wir sie auch
' den Euboeern zutrauen, dem kreise von Delphi sind sie fremd, gleich-
wol sind sie in Athen mit dem pythischen Apollon verbunden worden,
' der in dem volksbewufstsein der sühnung heischende und lehrende gott
! ist'*); er ist der TtarQioog der Athener geworden, der vater der vier
: phylenheroen, als solcher in den phratrien verehrt.*^) ich zweifele nicht,
i dafs die grotte in den Maxgal am burgfelsen schon früher dem grofsen
' fremden gotte zugewiesen war: aber erst durch die einführung des py-
j thischen gottes, dessen blitze man von dort beobachtete, als des väter-
I liehen ist Apollon ein staatsgott geworden, wir finden die archonten an
dem culte in der grotte beteihgt: die Vertreter des volkes.^") mit seiner
reception trat Athen in die delphische Amphiktionie, für die es einen
eigenen hohen beamten schuf, den hQOi.ivrif.io)v, und für die delphische
religion, die dem Staate immer die wichtigste künderin der zukunft ge-
blieben ist, trat nun ein besonderer exeget ein, vergleichbar den JIv^ioi
I Spartas, auch die beschickung des delischen festes, durch die Athen
mit dem meere und den loniern in Verbindung tritt, besorgt der archon.
da mit Delos das älteste stück der städtischen Theseussage zusammen-
liängt, die feste der ooxocpöqia und nvav6\pia, so wird dieser wichtige
und der Ilvd-aevs, Uvd'ios, mitgebracht worden; so steht es noch in Kreta, um
aufschlufs über das wesen des gottes und seine wurzel zu erhalten, mufs man also
in seiner heimat nachfragen, die delphische tradition, die ihn dem Dionysos sehr
nahe rückt, hat hohe bedeutung. die korykische grotte hat Dionysos von ihm geerbt,
als Apollon in die kastalische Schlucht hinabzog.
18) Dafs der Thargeliengott den Athenern später der pythische war, ist da-
durch sicher, dafs die dreifüfse der sieger in das Pythion kommen, die modernen
waren geneigt, den delischen vorzuziehn, was mit der falschen datirung des delischen
festes im Thargelion ohne weiteres forträllt.
19) Damit dürfte die Stiftung so vieler Pythien in Attika zusammenhängen,
wenn die Ikarier in ihrem abgelegenen talkessel ein IIv&iov 'ixaou'cov haben, so
ist die annähme unhaltbar, dafs die ni&ia mit den landstrafsen gegründet wären.
20) Köhler Mitteil. III 144.
46 11- 2. Von Kekrops bis Solon.
religiöse und politische fortschrilt sehr früh getan sein, eher als die
Wendung nach Delphi, denn es sind die delischen bezichungen der ost-
küste von der hauplstadt übernommen.'") Athena ist die vermittlerio
zwischen den cultstätten ihres bruders in Delphi und Delos: das war etwas
grofses, was der adelsstaat schon im siebenten Jahrhundert erreicht hat.
im heihgen kriege hat Solon die delphischen, später Peisistratos die
delischen Verbindungen ausgenutzt. ^'^)
Die politischen Obliegenheiten des archons sind die eines schirm-
herrn und Vertreters des herrschenden Standes: er ist der TiQoaTccTrjg
Tov öri/iiov im sinne des damaligen demos. seine erste amtshandlung
ist die proclamation, dafs er jeden einzelnen in seinem besitze lassen
und erhalten werde (66, 3). die fürsorge für die herrschenden familien
und ihren besitz ist der inhalt seiner aufsieht und judicatur. er ist der
Vormund der erbtüchter und der waisen von amls wegen, er entscheidet
in allen erbschaftssachen , und das familienrecht im weitesten umfange
steht unter ihm. in Athen aber hat der slaat in diese Verhältnisse über-
aus tief eingegriffen, wenn er die entmündigung eines greises, der
nicht mehr im stände ist, sein vermögen zu verwalten, aussprechen darf,
den einzelnen zur Verantwortung zieht, so er sein vermögen durch
Untätigkeit (ccgyla) verkommen läfst, auf die anklage eines beliebigen
bürgers die ' schlechte behandlung' (■/.dyiooig) von eitern oder gattin
ahndet, so hat selbst in unserer zeit der sich unfehlbar und allmächtig
dünkende Staat es noch nicht so weit gebracht, und die spätere attische
demokratie macht von diesen bestimmungen, obwol sie gelten, nicht
leicht gebrauch, in der tat mufs es eine sehr eigentümliche gesellschaffs-
ordnung sein, die sich diesen beamten gesetzt hat. ihr liegt an der
individuellen freiheit ungleich weniger als an der erhaltung des Standes,
und die fürsorge des archons gilt weit weniger dem vater oder söhne
als dem -/.IrJQog, der frau und erbtochter als der mitgift, der 7tQoi^.
auch noch in der aristotelischen zeit läfst sich das volk regelmäfsig über
die erledigten y.lrJQOL meidung machen, und heifst die hürgerrolle nach
den lriB,EiQ, den ' erbanfällen\ im attischen dient dasselbe wort für
21) Töpffer Herrn. 23 über Pythaislen und Deliasten. die Verfolgung der local-
culte gehört nicht hierher, störend würde es sein, wenn Hypereides, wie Töpffer
behauptet, den Delier als nar^^os bezeichnet hätte, aber das durfte Töpffer dem
rhetor Aristides nicht glauben: der allein sagt es.
22) An den Isthmien besitzt Athen die proedrie, und seine beziehungen zu
Korinth sind im sechsten Jahrhundert sehr gut. aber in höhere zeit hinauf als die
restitution der Islhmien kann man das schwerlich verfolgen.
Der regent. der herrschende stand. 47
'erbe', Mandgul' und Mos', und wenn der älteste söhn des vaters erbe
i antritt, so bezeichnet dasselbe vvort layxaveiv diese natürlichste art der
j besitzergreifung, wie wenn er bei einer Verteilung eroberter bauern-
' stellen ein los gezogen hätte, die gutsbesilzer zu Drakons Zeiten sind
yJ.riQoixoL wie die colonisten in Mytilene 427.
Wir haben keinerlei überheferung über die entstehung des privat- Der herr-
besilzes an grund und boden in Attika, und es wird kaum danach ge- ^stan"d!^
fragt, und doch deutet alles darauf hin, dafs dieser erst spät entstanden
ist, und dafs der herrschende stand der grundbesitzer und adhchen sich
eben dadurch von der stammverwandten niederen bevölkerung abgelöst
hat, dafs er einen teil des bodens zu seinem Privatbesitze machte, wäh-
rend vorher das land gemeindebesitz war. in sehr ausgedehntem mafse
ist das land in Athen immer noch in dem besitze ideeller personen, der
■ götter, phylen, phratrien, geschlechter, nicht zum mindesten der politischen
gemeinden und der gesammtgemeinde, des Staates, gebheben, was nicht
nachweislich einem einzelnen gehört, ist des Staates. ^^) die schätze in
i der erde gehören diesem.") auf vielen privaten grundstücken hat der Staat
noch fruchtbäume stehen , und er greift überhaupt stark in die freiheit
der bewirtschaftung ein. Privatbesitz gibt es strenggenommen nur durch
eine rechtsgillige Zuweisung von selten des Staates, und der besitz bleibt
gewissermafsen prekär, da etwaige bessere ansprüche immer vom Staate
berücksichtigt werden können.-^) das bewufstsein, dafs der Privatbesitz
an grund und boden durch occupation von ager publicus entstanden ist,
herrscht unter den demokraten, die von Solon eine neue landverteilung,
yi]g avadao(.ioi, verlangen, im gegensatze dazu verlangen die besitzenden,
deren vorfahren einst ein gutes oder überhaupt ein los erhalten haben,
23) Die ödländereien, z. b. die kaum als ziegentrift nutzbare kuppe des Bri-
lettos, waren sicherlich res nullius; wer wollte, mochte sie nutzen, aber als man
den marmor zu brechen anfieng, wurden die brüche Staatsgut.
24) Er ist durchaus besitzer der bergwerke, und Privatbesitz hat sich an ihnen
nicht herausgebildet, dafs aber die ganze superficies in den laureotischen bergen
dem Staate gehört hätte, ist schwer zu glauben, es hat vielmehr dem eigentümer
des bodens nur die superficies gehört.
25) Die interessante abhandlung von G. Leist über den attischen Eigentums-
streit (Jena 86) verdient eine grammatische ergänzung. es reicht nicht aus zu sagen,
die Athener haben kein wort für eigen tum, man mufs fragen, wie sie den gedanken
ausdrücken, und die bedeutungen von vifisiv, oixeiovv, xTr^fia, Zeis xrrjaioe, y.vQios,
KUQxs^ös, xoarelv erwägen, das zweite ist eine historische ergänzung, aber in
agrargeschichtlicher richtung: denn erst das immobiliarvermögen schafft ein wirk-
liches eigentumsrecht.
I
48 11. 2. Von Kekrops bis Solon.
(lafs der archon ihnen gleich am ersten tage den gegenwärtigen besitz- '
stand garantire.
Die sorge für den besitz hat in der edleren für den stand ihre
ergänzung. der adel des blutes ist ein würdigerer als der des gutes,
die Vorstellungen von der heiligkeit des blutadels haben den Athener
eigentlich immer beherrscht, und sie begleiten jeden einzelnen von dtr
wiege bis zur bahre, nicht als eine gottliche Ordnung um der mensch-
lichen gesittung willen (wie Kekrops sie nach Philochoros gestiftet hat)
ist die ehe heilig, sondern um des rechtes der familie und des erbes
willen, und nur weil das alte recht eine form der religion ist, hat sie
eine religiöse weihe, die bruderschaft erkennt den knaben als geschlechts-
genossen, die Jungfrau als tochter eines solchen an, fähig ebenbürtig;».'
zu gebären, nicht leicht verletzt ein Athener die sorge für die erhaltung
des 'hauses' {ot/.og, so genannt, statt yivog, seit auch die nicht adlichen
sich als adlich gebärden, weil sie gleich empfinden), die form der freien^ll
Vererbung ist die adoption, bei der die bruderschaft mitwirkt, in dem
culte der verstorbenen hausgenossen sieht der einzelne die garantie, dafs
auch er des grabcultes nicht entbehren werde, die garantie der eigenen
grabesruhe. das hegt allen am herzen, und der Privatbesitz an grund
und boden mufs die zahllosen grabhügel und brandslätlen {;ciQ/Miai)
schonen, noch zu Aristoteles zeit mufs jeder archon zwar kein ver-
mögen, geschweige denn grundbesitz, aber wol ein erbbegräbnis nach-
weisen, das Institut der erbtochter, im rechte von Gortyn denaturirt
zur emancipirung der vveiber (wie es in dorischen Staaten zu gehn
])tlegte), ist von dem athenischen gesetze ängstlich geschützt; sie wird
als die kostbare blume behandelt, aus der dem hause neuer same er-
weckt werden soll, wir müssen aber auch anerkennen, dafs der stand
das geistige und sittliche wolergehn und wolverhalten seiner genossen
ins äuge gefafst hat, und auch nach dieser seite den Staat und seine
Organe, archonten und rat, zum einschreiten autorisirt und verpflichtet
hat. der Standesgenosse hat als kind anspruch auf eine anständige er-
ziehung, als greis auf die pflege bei seinen nachkommen.-'') man hat
26) Kürzlich ist ein sehr merkwürdiges document für dieses seltsame familien-
recht in Mykene ans licht getreten ('£9?. a^x- 92, 67). es steht um eine runde basis,
auf der wol kein anderer stein, sondern ein anathem stand, st fis SaüiOQyia eis,
tos iaoofivdfiovas tos es TleQOs roli (verschrieben in roai) yoveiJat xotrl^as luev
y.a(T)xa ßErQsuiva. "falls kein ortsvorstand da ist, sollen die hieromnemonen die zum
Perseus gehn den eitern richter sein gemäfs dem was verordnet ist", also die
eitern sind in der läge wider ihre kinder (nur im Verhältnis zu denen sind sie eitern)
Der herrschende stand, der rat. 49
wol den müfsiggaug nicht blofs, weil er den yJ.rJQog verfallen liefs, ge-
ahndet, sondern auch weil er den stand entehrte, ganz wie ehebruch
und Vergewaltigung in jeder form, mag auch erst die tyrannis und die
demokratie die staatlichen turnplätze, badstuben, chöre u. a. eingerichtet
haben : ein analogen zu der Jugenderziehung der Spartiaten hat schwer-
lich in Altathen gefehlt, wie denn trotz der Stammesverschiedenheit der
adelsstaat bei beiden volkern ähnhches hervorbringen mufste.
Jederzeit und erst recht, wenn er seine Vorrechte bedroht sieht. Der rat.
wird ein stand sich nicht gern durch einzelbeamte vertreten lassen,
deren persönliche Vorzüge er fürchten mufs. ein coUegium, womögHch
eine Vertretung der geschlechter, ist die aristokratische form der magi-
stratur, die geronten stehn neben Agamemnon, die gerusia neben den
königen Spartas, so hatte auch der athenische adel dem könige, schon
als dieser noch ein wirklicher könig war, den rat zur seite gestellt,
der von dem amtshause auf dem Areshügel, wo er über mord zu ge-
richte safs, später benannt wird, dieser rat war der wahre herr Athens
gewesen, da seine mitgheder lebenslänglich blieben, sein recht der coer-
cition und multirung sich über bürger und beamte erstreckte, er die
niedern beamten selbst anstellte und controllirte und die finanzen ganz
iü seiner band hatte, aber die macht dieses rates ist zwar nicht ge-
setzlich, aber factiscb im siebenten Jahrhundert bereits so geschwächt,
dass er bei keiner gelegenheit eine rolle in unserer Überlieferung spielt;
das Kylonische attentat, die gesetzgebungen Drakons und Solons, die
I tyrannis des Peisislratos nimmt er scheinbar teilnahmlos hin. schon
I die einsetzung der thesmotheten , die der epheten, und noch mehr die
j schriftliche fixirung des geltenden rechtes durch Drakon und Solon
I mufste die lediglich auf dem herkommen beruhende gewalt des rates
j beeinträchtigen , und man wird nicht bezweifeln , dafs die neuerungen
! auch diesem zwecke gedient haben, nichts desto weniger lehrt die ver-
I fassung selbst, dafs der rat eine bedeutende rolle in der laufenden ver-
I waltung gespielt hat: denn die sphaeren der 9 beamten sind fest um-
zu klagen, und es gibt dafür eine mündliche instruction. recht spricht die politische
behörde: der name SauioQyoi gilt in Argos, Achaia und häufig, hier wird nun für
die politische behörde im notfalle eine religiöse deputation substituirt, die zu dem
heros von Mykene geht, ersichtlich ist die Inschrift gesetzt, als Mykene rechtlich
nicht mehr existirte, die alten bürger argivische nsSäfoixoi geworden waren, aber
ihre familienrechte weiter pflegten, der örtliche cult war mit dem orte zerstört:
es giengen nur noch iuQOfiväfiovss zum Perseus, und diese durften die alten siQT]-
fieva zu gunsten der klagenden eitern anwenden, man gedenkt auch dessen, dafs
die attischen EvnarQiSai, an Orestes den Mykenaeer angeknüpft wurden, den evnärcoQ.
V. Wilamowitz, Aristoteles. II. 4
50 H. 2. Von Kckrops bis Solon.
grenzt, das volk und später dessen rat treten erst recht nicht hervor,
und die niederen beamten bleiben durch die dokimasie und nomophylakie
des Areopages bis auf Ephialtes in dessen bänden, somit vermochte er
noch in der demokratie der groJseu zeit wieder eine ausschlaggebende
rolle zu spielen, dafs er das im siebenten und sechsten Jahrhundert
nicht tat, ist eine folge seiner crgänzung aus den archonten. denn so
lange diese je nach der gerade überwiegenden parteiriclltung gewählt
wurden, trugen sie die parteiungen des volkes in den rat hinein, zog
also eine katastrophe wie die der Alkmeoniden den rat in mitleiden-
schaft, machte ihn die tyrannis, die die wählen beherrschte, zu ihrem
gefügigen Werkzeuge, andererseits brachten die archontenwahlen 508 — 487
alle bedeutenden männer hinein, aber die schwäche des Areopages in
der zeit 683 — 594 ist allerdings die beste legitimalion der bestrebungen,
die auf eine reform an haupt und ghedern hinzielten.
bie phyieii Es war der souverän selbst, der dfjf.iog, dessen Organismus sich
überlebt hatte, der adel hat nur sinn, solange er acht ist und auf
götterblut beruht, die adhchen sind ^ewv Ttalöeg (Eur. Med. 825).
r/.raQ r]f.i€voi Jiog (A. Eum. 977 vgl. Niob. 162), dioysvüQ. ich habe
stellen attischer dichter des fünften Jahrhunderts angeführt, die allen
Athenern gelten, dieselbe zeit ist stolz auf ihr autocbtbonentum: alle
Athener sind kinder der Erde, die für sie allein im eigenthchen sinne
mutter ist, wie der platonische Menexenos rühmt, in der demokratie
sind alle Athener gleich, alle erdgeboren und alle gottgeboren, aber
das soll uns nicht darüber täuschen, dafs einst die göttersöhne stolz auf
die terrae filii herabsahen, wie es die Römer immer getan haben, die
autochthonie ist durchaus nicht als adel erdacht, aber wir erreichen
die zeit nur in fernster ferne, wo wirkhch götterblut die Zugehörigkeit
zum örif-iog bedingte, der staat aus ächten patriciern bestand, abgesehen
von den Zuwanderungen fremder, vielleicht wirklich adlicher geschlechter
mufste die einigung Athens, der Staatsbegriff, die legitimation ausschliefs-
lich durch das blut untergraben, so weit wir die attischen bruderscbaften
kennen, ist ihnen sogar der begriff des namens bruderschaft fast ver-
loren , ihre namen sind nicht mehr alle gentilicisch , und cultverbände
{oQyEiövEg) stehn neben den geschlechtern. die cultgenossenschaft, eine
form der Vereinigung die ebensowol eine gilde wie ein geschlecht um-
schUefsen kann, ist ein ersatz des adels, wie der religiöse begriff der
l4^i]valot ein ersatz des Stammbegriffes der Kekroper. entsprechend
der ausdehnung des Staates hat man einmal den künstlichen Schema-
tismus der vier adelsphylen und ihrer drittelungen {rqLTZvsg) eingeführt,
Die phylen, die steuerclassen. 51
(It'i- bis auf Kleisthenes gilt, aber seltsam wenig bervortritt, eben weil er
-inz künstlich war, während die alten geschlechter ihre lebendige macht
liewahrten. man hatte an die spitze der vier phylen könige gestellt, die
neben dem könige von Athen an mehreren blutgerichtshöfen sassen, ur-
sprünglich sein beirat sein sollten, im prytaneion vielleicht nicht blols für
sein geriebt, sondern überhaupt für seine regierung. aber diese künige
haben in der tradition, über die wir verfügen, ihre rolle schon ausgespielt.
die vier phylen, die keinen rangunterschied haben, waren wol schon
dazu bestimmt, innerhalb des adels die unterschiede der Vornehmheit
uiszugleichen. wir hören aufserdem von drei ständen, adhchen, grund-
>itzern und handwerkern, eiTtargidai, yeiof.wQOL oder ayQoly.oi,
oi^HLOVQyoL, und der zweite stand mufs wul die besitzer eines landloses
Ifzeichnen. alle diese drei stände stellen 5S0 arclionten''"j, besitzen
ilso vier ahnen, grundbesitz und adel. mit andern Worten, die namen
allein schieden noch die gentes minores: ^Jö^nciY sind sie alle, dem Staate
gegenüber gleichen rechtes, wenn wir mit lug und recht sagen, dafs
Kleisthenes die demokratie dadurch vollendet hat, dafs er durch eine
Itgalfiction alle Athener adlich machte, so hat dieser procefs früher be-
gonnen als die uns kenntliche geschichte Athens, die gentilicische
liction aber ist auch nach Kleisthenes niemals aufgegeben worden,
si indem hat für den bürgerbegriff immer gegolten.
Wenn der adel eigentlich schon durch die einfuhrung der phylen- nie steuer-
teilung eine sehr wirksame, aber doch eine fiction ward, hinter der
sich der bürgerbegriff zunächst in der form der gemeinsamen her-
l'itung von dem Säterlichen^ patricischen ApoUon barg, so ward der
liesitz, der census, allmählich das kriterium, das statt des blutes den
tictiven adel bestimmte, der besitz aber war grundbesitz: die quali-
tication des vollbürgers ward an den 'gott des eignen herdes\ den
/jus eQ'/.elog, neben dem Apollon Tiurgioog gebunden, diese Ordnung
zt den privaten grundbesitz voraus, damit stiefs die sammtgemeinde
M.' besitzlosen ohne ansehn ihres blutes in die rechllosigkeit der erden-
27) unsere Überlieferung von den drei ständen ist so ärmlich, dafs man fast auf
len verdacht kommt, die chroniknotiz über die archonten von 590 wäre ihre einzige
'I wähnung auch im altertum gewesen, dem ist schwerlich so, da die namen yeat/xÖQoi,
I tid ayodly.oi neben einander stehn, aber wir empfinden die lücken unserer kenntnis
leiht, wenn wir die drei stände, die 5S0 noch so viel bedeuteten, gar nicht weiter
liandelnd antreffen, da sie weder eponyme noch sagen aufweisen können, noch
^fiätere genossenschaften im anschlusse an sie bestehn, mögen sie allerdings 5S0
zum letzten male aufgetreten sein.
4*
52 11- 2. Von Kekrops bis Solon.
süline hinab, wer ein landlos hatte, konnte den heerdienst leisten: so-
fort aber erhob sich als ein stand im stände der ritter empor, der zu
plerde zu dienen begütert genug war. und wenn gegenüber dem ge-
burtsadel der mihtärische, gegenüber dem grundbesitz der Privatbesitz
ein unvermeidlicher culturfortschritt sein mag, so sah es vielleicht wie
eine art von gerechligkeit aus, dass die hochstbegülerten zu den ge-
meindclasten stärker herangezogen wurden, dann blieb aber die im laufe
der Zeiten unvermeidliche compensation von rechten und ])nichten nicht
aus: die höchstbesteuerte classe, eine ehte der ritter, qualificirte sich für
die gemeindeiimter in erster linie. als alle die welche 500 sthefTel ernteten
aus den rittern ausgesondert wurden, die über den spannfähigen bauern
und den Proletariern sich vorher erhoben hatten, war der Staat auf den
adel des gutes gegründet, es war nur noch eine frage der zeit, dafs die
beiden mittleren stände auch an einen festen census gebunden wurden,
wann das geschehen ist, in welcher reihenfolge diese verschiedenen fort-
schritte der phylen-, stände-, classenteilung gemacht sind, entzieht sich
unserer kenntnis: um 650 war alles längst vollzogen.
Wir sehen im siebenten Jahrhundert in Athen die rücksichtslose
herrschaft des adels am rüder, und dieser adel ist auf den besitz, schon
nicht mehr den grundbesitz, sondern ganz einfach auf das geld be-
gründet, diese herrschaft besteht zu recht, aber sie ist faul im kerne
und vermag nur geringen widerstand zu leisten, zwei mächte streben
darnach, sie zu stürzen, die demokratie und die tyrannis. diese beiden
sind einander feindhch, aber welche auch immer einen schritt vorwärts
tut, immer geschieht es auf kosten des bestehenden Vorrechtes der be-
sitzenden, der alte Staat ist dem Solon und dem Peisistratos ruhm-
los erlegen.
Die icfoim Einen sieg des demokratischen prinzipes stellt schon die reform
von 683 dar, indem die gemeinde, wenn auch irgendwie in der aus-
wahl gebunden^*}, neun jährige beamte erwählte und vermittelst dieser
2§) Da die archonten der demokratie die phylen vertreten und aus einer Vor-
schlagsliste derselben ausgewählt oder gelost werden, mufs ein analogon für die
ältere zeit bestanden haben, aber wir wissen nichts als die Verteilung auf die
stände im Jahre 580. selbst das los ist keineswegs undenkbar. Piaton sagt von
dem alten Sparta, dafs das doppelkönigtum, das ihren Staat begründet hat (wie er
im einklange mit Hellanikos angibt, 686), durch eine gnädige fügung die monar-
chische härte ausgeschlossen hätte, dann als gegengewicht der erblichen herrschaft
die gerusia zugetreten wäre (durch Lykurg, dessen namen er meidet, den er aber
durch (pvais rts av&^conivrj (lefisiyftsvT] d'eiq tlvI Svvdfisi deutlich bezeicluiet),
endlich ein r^iros acaxr^Q den zügel der ephoren dem Staate angelegt hätte, eyyvi
Die reform von 683. die naukrarien. 53
sogar die ratsstellen besetzte, für den hieromnemon -''), der nach Del-
phi gieng, eine repraesentation Athens im auslande, und für die militä-
rischen Chargen ist die directe volkswahl wol schon früher geübt worden,
das neugeschaffene amt der 6 "^rechtssetzer war vielleicht ursprünglich
als ein collegiuni gedacht, das unter Vorsitz eines der drei oberbeamten
das recht fände: selbst collegialisch zu richten sind sie nicht geschaffen,
sonst würde ihre zahl ungerade sein, die forderung, dafs der einzelne
magistrat nur unter Zuziehung eines beirates das urteil fällte, also die
perhorrescirung des einzelrichters und die bindung des einzelnen Ver-
waltungsbeamten, war sehr alt und schon vielfach in verschiedener weise
befriedigt, das coUegium der elf für die aburteilung manifester todes-
würdiger verbrechen , die blutgerichtsbarkeit des rates und der phylen-
konige unter Vorsitz des königs, wol schon die beiden 'beisitzer der
drei oberbeamten dienen dieser tendenz. ein sehr grofser schritt vor-
Avärts war die berufung der 51 epheten an die blutgerichtshüfe Palladion
und Delphinion, von denen der eine auch für jeden mord eines nicht-
bürgers competent war, also vielleicht jedes nicht zum stände gehörigen,
die zahl ist ungerade: der Vorsitzende könig stimmte also nicht mehr
mit. es kann nicht bezweifelt werden, dafs auch die civile judicatur
der neun beamten schon im siebenten Jahrhundert an die Zuziehung
von geschvvornen teils wirklich gebunden ward, teils nach der ansieht
der vorwärts drängenden partei gebunden werden sollte, der ausbildung
tiner mächtigen magistratur war das Standesinteresse der aristokratie
gleich wenig geneigt wie das demokratische streben nach einer möglichst
starken beteiligung aller.
Den eigentlichen anstofs zur Sprengung der ständischen Vorrechte oje nau-
gab die örtliche Verwaltung Attikas, das für das blofse hinterland der '''■^"^"*
liauptstadt zu grofs war. die sladt mufste wol der sitz der regierung
sein, und wer beamter ward, also in den rat auf lebenszeit trat, konnte
Ttjs y.lriQwxriS ayaydiv Svvä/uEcos (692). SO selbstverständlich ist für ihn das los
im besten Staate, er weifs, dafs die ephoren nicht erlost sind, aber sie entsprechen
den losbeamten Athens, unter denen er nur an die archonten denken kann.
29) Die delphischen Urkunden kennen nur Isoofirr^ftovss; dagegen Herodot
(S, 213) Plutarch (Them. 20) Strabon (IX 420) nur pylagoren. in demosthenischer
zeit wird in Athen ein hieromnemon erlost, auf den nichts ankommt, die drei pyla-
goren aber werden direct vom volke erwählt, erlöst ist schon Hyperbolos zum hiero-
mnemon (Ar. Wölk. 623), aber damals erstrebte ein demagoge das amt: es war
also nicht bedeutungslos, und er erreichte es: das los war also irgendwie durch eine
n:o6xQiais corrigirt. das ursprüngliche wird demnach ein erwählter hieromnemon ge-
wesen sein, der an der pylaia das wort selbst führte.
54: II 2. Von Kekrops bis Solon.
kaum vermeiden, in die Stadt zu ziehen, um seines amtes zu walten.'")
aber die landwirtschaft war doch die grundlage der gesammten Wirt-
schaft, den reichtum bildete wesentlich der grundbesitz, auch die vor-
nehmen wohnten gern auf dem lande, somit bedurfte man einer Orga-
nisation localer art, zunächst für die aushebung, dann für die frohndeu.
die steuern und den dienst mindestens der flotte, die gentilicische
Ordnung der phylen und trittyen reichte dazu nicht hin, und so hat
man sehr früh, wol noch im achten Jahrhundert, die 48 kreise geschafl'en
und an die spitze eines jeden bereits eine coUegialische behörde gestellt,
die gesammtheit der kreise aber nicht mehr unter die vier phylenkönige,
sondern unter die kreishauptleute, die vavxQaQwv fCQVTccveig. der name
vavy.QaQoi sammt seinen ableitungen lehrt, dafs die flotte den anstofs zu
dieser gründung gegeben hat: so hat die see schon von anbeginn Athen zur
demokratie getrieben, wir boren nicht viel von den leistungen jener flotte,
aber die Dipylonvasen zeigen uns ihre schiffe, sogar dieren, im kämpfe,
und der aufschwung des attischen handeis und die Verbindung mit Delos
sind nicht ohne sie denkbar, auch von den prytanen der naukraren
und von diesen selbst wissen wir allzuwenig: aber ihre existenz genügt
um zu zeigen, dafs sich neben den patricischen hehörden hier eine ganz
anderer art erhob, der Vorläufer der gemeindeordnung und gemeinde-
vertretung des kleisthenischen Staates, die drakontische Verfassung führt
auch bereits einen rat ein, gesondert von dem adelsrate des Areshügels,
den beirat der prytanen. mag nun Drakon diese locale Vertretung erst
geschafl'en haben, mag sie älter sein: in diesem rate lag die gefahr, dafs
eine völlige sociale Umwälzung, wie sie in Megara vor Theognis, in
lonien an manchen orten vorgekommen ist, den herrschenden stand zu
boden würfe, denn sobald der flottendienst eingeführt war, liefs sich
die wehrhaftigkeit in Drakons sinne, das orcXa TtaQSx^od^ai, als erfor-
dernis der politischen rechte nicht mehr auf die dauer halten, in den
48 naukrarien liefs sich die hcrrschaft der wenigen reichsten nicht so
zur geltung bringen wie in der Wahlversammlung des ganzen demos.
30) Der bürger heifst in der älteren spräche daroi, in der jüngeren tzoXittjs,
und der spätere Hellene hört in ersterem die Stadt, in diesem den Staat, aber es
wäre ein arger Irrtum, wollte man das auf die alte zeit übertragen, denn noXirr^s
ist der 'bürger' freilich, aber von der 'bürg' benannt, höchstens ein engerer lo-
caler begriff liegt ihm zu gründe. Polites ist ein alter eigenname; es führt ihn der
Priamossohn, der den wachtdienst übt, im B als späher auf einem hügel. im i? späht
Kassandra von einem türme, es leuchtet ein, dafs der eigenname nur den 'burgwart',
nicht den 'Staatsbürger' angehen kann.
Die naukiarien. Drakon. 55
wenn Drakon den rat in der weise zu bilden versucht, dals jeder be-
rechtigte in bestimmtem turnus hineinkommen mufs, und die active be-
teihgung aller durch schwere Ordnungsstrafen erzwungen wird, so hat er
die aufstrebende demagogie der einzelnen wol eher schon erfahren als
vorausgesehen.
Die tyrannis war die Skylla, der der Staat unentrinnbar zutrieb, versuche
der ty-
wenn er nicht von der demokratischen Charybdis verschlungen werden ramüs.
sollte, aller voraussieht nach konnte Athen dem geschicke von Sikyon
Korinth und Megara nicht eutgehn. die grofsen geschlechter innerhalb
des adels hatten das prestige des grofsen grundbesitzers, auch wol
das früherer selbständiger herrschaft, und die moderne gesellschafts-
ordnung sicherte und mehrte ihre macht, als die Wirtschaft capitalistisch
ward, in der chronik steht, dals schon vor der mitte des achten Jahr-
hunderts ein Alkmeon zwei jähre archon war, der dann verschwindet,
während gleichzeitig das amt zehnjährig ward, darin mag die erinne-
rung an einen tyrannischen versuch bewahrt sein, ein Alkmeonide
Megakles war archon, als Kylon, ein junger schöner mann, der 640 in
Olympia im dauerlaufe gesiegt hatte, sich durch einen gewaltstreich der
bürg bemächtigte, es gelang dem archon den aufstand niederzuschlagen.
er scheute sich nicht die fiihrer umbringen zu lassen , obwol sie sich
gegen Zusicherung des lebens ergeben hatten, und er hatte die macht,
so lange er lebte, die rechenschaft ,für diesen gottesfrevel zu hinter-
treiben, schliefslich erzwang die gemeinde doch eine abrechnung; aber
sie geschah bereits durch ein grofses ausnahmegericht von 300 standes-
genossen: der rat auf dem Areshügel hat sich um die blutschuld nicht
gekümmert, nun ward das ganze geschlecht der Alkmeoniden verjagt
und bildete im auslande eine gefahr für die herrschende partei. ledig-
lich weil die bedeutung der Alkmeoniden und ihre anfeindung als 'ver-
lluchte' noch bis in das fünfte Jahrhundert dauerte, sind diese ereignisse
im gedächtnisse gebüeben, so dals Kylons attentat das einzige scheint.
\\\r können aber unmöglich bezweifeln, dafs das siebente Jahrhundert
viele der art gesehn hat, da im sechsten trotz der solonischen Verfassung
die macht und begehrlichkeit der grofsen geschlechter um nichts ge-
mindert erscheint, Damasias kurze zeit, Peisistratos dauernd die tyrannis
erreicht, und die kämpfe, die Athen befreien, noch sehr stark den
Charakter des ringens der geschlechter um die herrschaft tragen, erst
nach Marathon bat sich das volk wirklich von ihnen frei gemacht.
Ein versuch aus den kreisen der regierung, durch eine reform des Drakon.
Staates sich vor diesen gefahren zu retten, ist die gesetzgebung Drakons,
56 n. 2. Von Kekrops bis Solon.
die dieser vielleicht als tliesmothet vornahm, schon die aufzeichnuiiy
des rechtes war eine bedeutende concession, und durch die auslosuni;
des rates und der niederen btamten aus der bürgerschaft ward der riit
des Areshügels weiter beschränkt, mochte er auch noch die controlle
der beamten behalten, also, wenn er einen einigen und festen willen
besafs, die eigentliche herrschaft behaupten können, durch künstliche
mittel sollte der rat der 401 und sein vorstand, die prytanen, gebunden
werden, und vor allem wurden die wahlbeamten auf die höchsten classen
in der art beschränkt, dafs das schuldenfreie vermögen statt des einkommens
den mafsstab des census abgab, dadurch trug diese reform lediglich zu
der Verschärfung der socialen gegensätze bei und trieb die verschuldeten
grundbesitzer, denen sie die höchsten stellen entzog, notwendig in das
lager der Umstürzler, erst in dieser Umbildung ward die einteilung der
classen nach dem census eine plutokratische. es dauerte nicht lange,
da ward Solon zum arclion gewählt, nicht sowol um Verfassungsgesetze
zu geben, als um die unerträghche sociale not zu beseitigen ; die meisten
erwarteten eine confiscalion und neuaufteilung des landes.
Dur Wirt- Es ist nicht leicht, die Ursachen dieser wirtschaftlichen not anzu-
"^notstanii. geben, die vornehmlich in der Verschuldung oder Vertreibung der kleineren
grundbesitzer bestanden hat. die erscheinung wiederholt sich in vielen
Staaten des altertums, aber nirgend in einer zeit, die wir durch hin-
reichende directe Zeugnisse mit eignen äugen kennen lernen könnten,
die erste Voraussetzung ist in der verwandelung des gemeinbesitzes in
den privaten gegeben, dann führt schon die natürliche Vermehrung der
bevölkerung zu schweren krisen, sobald eine Verteilung von neuen landlosen
niciit mehr möglich ist. in Athen war dieser zustand erreicht, nachdem
Eleusis erworben war. die par bergschluchten, die man den nördlichen
nachbarn abnehmen konnte, machten wenig aus; Salamis begehrte man
vergeblich; man mufsle auch noch oft den eleusinischen besitz verteidigen;
Tellos ist in einem solchen kämpfe gefallen, ein anderes hilfsmittel ist
die colonisation, und sie hatte früher geholfen, auch jetzt noch ist ge-
wifs ein teil der überschüssigen bevölkerung hinausgezogen, aber fast
immer unter fremder führung, so dafs sie die machtslellung des Vater-
landes nicht stärkte, eigene athenische colonien von bedeutung sind
im siebenten Jahrhundert nicht gegründet worden; selbst Sigeion war
von den Mytilenaeern so stark umstritten, dafs es nicht gedieh, die
planmäfsige Verbesserung des landbaus, um die renlabilität der guter zu
steigern, wird der moderne der vorsolonischen zeit nicht leicht zutrauen;
und doch ist gerade diese merkwürdige tatsache sicher, der adel hat
Der wirtschaftliche notstand. 57
in dieser richtung sehr viel mehr geleistet als die ganze zeit der demo-
kratie. die einfiihrung und Überwachung des ölbaus durch den Areo-
pagitenrat ist eine tat, deren folgen bis auf den heutigen tag währen,
und wir vermögen uns Attika ohne dieses geschenk seiner göttin gar
nicht zu denken, das wasserrecht in hinsieht auf brunnen cisternen und
vorflut ist von "" Solen geordnet: wer wollte bezweifeln, dafs er nur das
geltende recht aufzeichnete? mit den schufspraemien für die erlegung
der raubtiere steht es ebenso; schaf und Ziegenzucht mufs in den
attischen bergen den landbau ergänzen, daneben gehen die versuche
durch ausfuhrverbote dem eigenen volke die erzeugnisse des heimischen
teld- und gartenbaues zu erhalten, doch wol eine im interesse der con-
sumenten getroffene mafsregel; der name der sykophanten deutet freilich
mehr auf ein verbot der einfuhr fremder fruchte, und prohibitiv-
nialsregeln dieser art pflegen zum schütze der heimischen production
ersonnen zu werden, doch vermögen wir nicht abzuschätzen, welche
versuche die verschiedenen parteien in Athen gemacht haben: das wich-
tige ist, dafs der alte Staat auch auf wirtschaftlichem gebiete so vielerlei
unternommen hat.
Wichtiger als alles andere war der Übergang von der naturalwirt-
scliaft zu der herrschaft des geldes. die hypothek sagt noch heute durch
ihren namen , dafs sie eine erfindung der athenischen capitalisten oder
auch des attischen adels ist: das ist dasselbe, das gemünzte geld der
nachbarn, in Chalkis oder Aigina geschlagen, cursirte in Attika; das metall
war aber wol schon lange vorher das gesetzUche tauschmittel geworden,
und der Staat hatte das aeginetische gewicht angenommen, während zu
der zeit, da die steuerclassen eingeführt wurden, die steuern von dem
liruttoeinkommen gewifs eben so in natura abgeliefert wurden, wie der
künig noch im fünften Jahrhundert die gefalle der 'rinderhirtenschaft'
von den parasiten der Acharner eintrieb, ward nun die Zahlung in silber
vorgeschrieben, auf dem markte drängte sich das metall als vermittler
zwischen die producte des landnianns und des handwerkers. der bauer
j braucht das bare geld an jedem markttage; die einnahmen fliefsen ihm im
I jähre nur an ein par terminen zu. sehr rasch kommt er in den fall zu
i borgen , und sehr bequem erscheint es ihm , sein gut zum pfände zu
i setzen, ein beschriebener stein auf dem acker, das ist zuerst nichts
gefährhches. aber der zinsfufs steht im belieben des gläubigers, und
wenn der handel, der zuerst das '^gebären' des geldes gelehrt hat, mit
ungeheurem risico und entsprechendem gewinne rechnen mufs und daher
einen sehr hohen zinsfufs verträgt, so erliegt die landwirtschaft nur zu
58 H. 2. Von Kekrops bis Solon.
rasch einer solchen helaslung. der Staat aber erkennt eine jede hypo
thekarisclie schuld an und bietet seine organe zur beitreibung, und das
recht erstreckt die haftpflicht des gläubigers auf sein landlos und weiter
auf seinen leib und den der seinen, die capitalislen im lande sind in erster
linie die gotter, die bruderschaften und sonstigen ideellen personen
aber über diese cassen verfügen die herrschenden ki'eise, das sind eben
die capitalisten, die gläubiger, die vornehmen nützen nun ihren gol
denen und silbernen hausrat besser aus als ihre ahnen, die ihn zu toten-
niasken und allerlei zierrat verbrauchten, sie ziehen ein landlos nach
dem anderen an sich, wie rasch ist bei einer Verzinsung von 20 procent
der bauer gelegt; er muls zufrieden sein, wenn er nicht als sclave übers
meer verkauft wird, sondern auf dem erbe seiner väter weiter arbeiten
darl', fünf garben für den herrn , die sechste für sich, der herr aber
erhält so eine ganze schar von hörigen, trabanten für die gewaltherr-
schaft, die er hofft, die Verteilung des grundbesitzes scheint wieder zu
schwinden, sehr bedeutende teile müssen auch wieder gerueiubesitz in
irgend welcher form geworden sein; aber die gemeinde, die jetzt davon
nutzen zieht, ist auf die reichen beschränkt, der druck wäre kaum zu
ertragen, wenn das harte recht allein bestünde, aber Solon spricht un-
umwunden von den veruntr-euungen und der habgier der her-rschenden.
die gr'ausamkeit, die dem capitale von natur inne wohnt, pflegt von der
unredhchkeit begleitet zu sein, zur cpilagyvQta gehurt die v7CEQi](pavia.
tUtel yccQ ^oQog vßgig, eTtrjv no'/.vg olßog e/irjTai. diese erfahrungen
sind in dieser zeit gemacht, wenn dann vollends eine Verfassung ge-
geben wird, die die höchsten stellen der regierung den besitzern schulden-
freier guter vorbehält, so kann das geschrei nach einer neuen aufteilung
des ackers kauru für unber'echtigt erklärt werden.
Wenn die landwirtschaft wenigstens inr kleinbetriebe sich nicht mehr
halten kann, so soUte handwerk und handel und jeder städtische beruf
um so besser seinen mann nähren, so sollte man meinen, wir'klich
ist Athen durxh den peloponnesischen ki'ieg, der die attische landwirt-
schaft zerstörte, zu einer industr-iestadt geworden, aber der handel er*-
forderte in folge des risicos damals noch mehr als heute ein starkes an-
lagccapital. ihn trieben die besitzenden herren selbst, wie Solons beispicl
zeigt, das bandwerk in dem weiten sinne, den das wort ör^f.noiQyög
urnfafst, war in Attika so lange schon heimisch, dafs die ör](^LOVQyot im
geschlechter'slaate es zu der aner'kennung als adliche gebr'acht hatten,
und alte gilden wie /daiöaliöai Ald-aliöai zu geschlechtern gewor'deu
waren. Ilephaistos hatte sich zu Athena gesellt, der kostliche ton war
Der wirtschaftliche notstand. Solon. 59
lie erste gäbe des attischen bodens, die entdeckt ward: wir bewundern
lie riesengefässe, die auf den gräbern des siebenten Jahrhunderts standen.
üiid erkennen die echt attische typische auffassung des wirkhchen lebens
in den schildereien des Dipylonstiles. der treffhche Ergolimos trägt die
ehre der attischen arbeil im uamen; aber Klitias, der für ihn malte, war
kein Athener, wie wieder der name lehrt^*), und zu Kleislhenes Zeiten
-lehen neben wolhabenden attischen sehr viele fremde leute dieses hand-
werkes. es kann in der industrie der capitalist durch billige sclaven-
arbeit nur zu leicht den freien handwerker niederhalten, die hoffart der
ilorischen Weltanschauung kam dazu, die den hesiodischen spruch egyoi'
oldev oveidog in sein gegenteil verkehrt hatte. Drakon hat den töpfer
und den gerber ohne zweifei für einen banausen gehalten; Aristoteles
tut es ja auch, also schied der bauer, wenn er in die Stadt zog um
als handwerker seine familie vor der sclaverei zu schützen, aus der ge-
^^ellschaft aus. an dieser anschauung hat selbst die demokratie wenig
geändert.
So war der Staat und die gesellschaft Athens um 600, schwach
nach aufsen, schwach nach innen, die Verfassung durch vielfache Ver-
änderungen erschüttert, das erwerbslebeu schwer krank, die gesellschaft
durch die gegensätze der ehrgeizigen Parteiführer unter sich, des adels
und des volkes, der armen uud der reichen zerklüftet, die gotter schienen
Athen verlassen zu haben; auch wer noch für sich hoffte, rechnete mit
dem untergange mindestens des Staates Athen.
Da erweckte ihnen gott einen propheten: so würde es von Israel soion.
lieifsen. da erstand ihnen ein dichter, heifst es in der Stadt Athenas.
Solon, des Exekestides söhn aus dem blute des alten königshauses, war
ein wolhabender mann^^), der die erziehung seiner standesgenossen er-
halten und anteil an ihren Vergnügungen genommen hatte, dafs der
handel ihn über das meer führte, hob ihn auch noch nicht über
31) Man kann nur y.Uris vergleichen, das ein fremdwort der attischen dichter-
sprache ist.
32) Er ist unter der geltung von Drakons Verfassung archon geworden, gehörte
also zur classe der höchstbesteuerten, wenn Aristoteles ihn einen us<xos auch nach
dem vermögen nennt, so ist das seiner eigenen angäbe nach aus den gedichten ge-
nommen, in denen Solon wirklich übertriebenen reichtum nicht wünscht, er war
freilich kein mann von tyrannischem vermögen wie Kallias oder Hippokieides, er
hatte kein haus von überwältigender macht hinter sich wie Kleisthenes, aber nach
den anschauungen der späteren demokratie war er gewifs ein reicher und vor-
nehmer, und ein anderer hätte auch den Staatsstreich nicht in den gesetzlichen
formen durchführen können.
60 II. 2. Von Kekrops bis Solon.
ihre Vorurteile, aber er hat allerdings das ihnen zumeist fremd
ionische wesen in sich aufgenommen, wie er die aeginetische Währung
mit der chalkidischen vertauscht hat, so wendet er den attischen sinn vo
den dorischen zu den ionischen vof.iiC6ft€va überhaupt, er wird ei
dichter in der ionischen form der elegie und des iambus; er bemäch'
tigt sich dieses neuen organs, mit dem der lonier seine gedanken un
urteile und seinen willen dem publicum zu übermitteln gelernt hatte.]
damit gewinnt er über die massen die herrschaft, zwingt sie wie e;
zu empfinden und ihm zu folgen, die mundart der Athener stand dei
homerischen kunstsprache, die der lonier in den neuen mafsen der]
rede seines mundes anpafste, gewifs damals nicht näher als ein Jahr-
hundert später: die leistung des dichters Solon ist also eine bedeutende,
beginnt er doch die attische htteratur. aber ganz abgesehen von dem
formalen Studium, das seine gedichte zur Voraussetzung haben, hat er sein
ganzes denken und empfinden ionisch machen müssen, menschlich, modern^
für seine zeit, halten wir doch die attischen werke etwa der gleichen periodel
neben ihn : wie grofs ist der abstand, die küstliche darstellungsfreude,
mit der der bildner des Typhongiebels seine Scheusale in aller derbheit
aus seinem weichen stein schnitzt, das ist das alte Athen, dasselbe, das
ein par generationen früher leichenzüge und Seeschlachten mit kind-
lichen mittein auf die tonkrüge pinselte, ungeschlacht autochthonisch, aber
mit acht attischer IvägyeLCc. wir werden diese in den solonischen
Schilderungen des lebens nicht verkennen; der Athener ist dem trotz
aller caricatur schematischen Semonides weit überlegen, aber er hat
einen gebildeten stil, seine spräche ist überhaupt nicht archaisch, die
Franfoisvase entzückt uns durch die epische erzählungskunst ihrer bilder;
der abglanz der ganzen grossen sagenherrlichkeit ruht auf ihr, die im
mutterlande noch alle herzen beherrschte, in lonien war sie schon
verblafst; die demokratie hatte die nachkommen der heroen zurückge-
drängt, und Mimnermos konnte die sage bereits, ein Vorläufer der Alexan-
driner, zu spielendem schmucke verwenden, bei Solon tritt sie ganz
und gar zurück, dem pompösen wesen des rittertumes ist sein ein-
facher sinn vollends abgeneigt: er hat es in der beschänkung des
gräberluxus bewiesen, und in denselben gesetzen dem aberglauben ge-
steuert, über den er durchaus erhaben ist. aber die einfache attische
frömmigkeit hat er sich bewahrt, trotz allem menschlichen denken und
aller modernen Weisheit: auch für ihn hält die gottin schirmend ihre
band über ihrem Athen , so dafs der himmlische vater es gar nicht
untergehen lassen kann, und das vertrauen auf die gerechtigkeit des
Solon. 61
Weltenregiments ist ihm vollkommen unerschüttert, "gott hält sein äuge
!über dem ausgange aller dinge; er ist nicht rasch mit seinem zorne,
aber seine strafe suchet den schuldigen heim, sei es auch erst in seinen
Ikindern oder kindeskindern." so denkt er, wie hundert jähre später
Aischylos, und dieses denken gibt ihm die kraft und den mut zu seinem
^rofsen werke, der rechte nachfolger Homers und der rechte Athener
ist er vollends in dem was ihn von dem lonier Archilochos scheidet,
iilem unvergleichlich grüfseren aber an dem persönlichsten irdischen
klebenden dichter: der sinn für die durcharbeitung der zufälligen
Wirklichkeit zur typischen Wahrheit, wer in das Akropolismuseum tritt,
iler sieht in der gewaltigen bunten gruppe des stieres das schönste
werk altathenischer plaslik und ruft "das ist das verkörperte home-
irische gleichnis." da kündet sich die kunst an, die im Parthenonfriese
ilas attische volk, das ideal ihrer zeit, zu der für alle zeit typischen
(larstellung eines sich seiner gottheit am festlichen tage nahenden volkes
;vergeistigen konnte, als V. Hehn die darst eilung der naturformen des
menschenlebens bei Goethe veranschaulichen will , greift er nach ihrer
>childerung in Solons grosser elegie.^^)
So war der dichter und der weise, der seinen Athenern zu predi-
gen wagte: "haltet inne, kehret um auf eurem wege, sonst stürzt ihr
iwider gottes willen euer Vaterland in den abgrund." was er geifselte
war die begehrlichkeit, sowol der von unten drängenden masse wie die
der auf ihren besitz pochenden standesgenossen, diesen, die mit dem
jgute des Staates und der gotter unredlich umgehn , die macht zu der
'Vergewaltigung der rechtlosen misbrauchen, gilt sein zorn überwiegend,
gerechtigkeit in der Verteilung des besitzes, menschlichkeit und gleichheit
fordert er, frieden, eintracht und gesetzlichkeit (ftyOjtu'jy , worin sowol
die befolgung der gesetze, wie die herrschaft guter gesetze liegt) verheifst er.
von bestimmten praktischen vorschlagen hören wir nichts; das gehört
nicht in die poesie. aber der so redete, war kein dr^uiovQyog der dicht-
kunst, sondern ein angesehener und lebenserfahrener angehöriger des
33) Gedanken über Goethe 213. Hehn vergreift sich aber, wenn er Solon
einen vielerfahrenen und darum düsteren menschenkenner nennt, die erfahrung, dafs
des menschen kraft und kunst kein sicheres glück zimmern kann, sondern gott allein
das gedeihen gibt, hat seinen sinn nicht verdüstert, denn gott gibt das gedeihen,
wenn der mensch gerecht bleibt. Solon genofs das leben gern , aber der schönste
lebensgenufs war ihm das lernen, und darum bat er den Mimnermos, der nur den
isinnengenufs kannte und mit 60 jähren sterben wollte, flugs 80 zu schreiben, der
verachtete wahrlich die menschen nicht, der betrauert sterben wollte, er hat selbst
die politische enttäuschung durch seine poesie und sein reines gewissen überwunden.
62 II. 2. Von Kekrops bis Solon.
herrschenden Standes, der kein lielil daraus machte, dafs er seine ge-
danken praktisch verwirkhchen wollte, sein volk vertraute ihm, wählte
ihn zum archon und gab ihm die vollmacht die Verfassung neu zu
machen und das volk zu versöhnen.^')
Was er dem volke brachte, entschied sich schon am tage seines
amtsantrittes.^^) er hatte als archon die proclamation zu erlassen, dafs
er jedermann in seinem besitze schützen und erhalten wolle, statt
dessen erklärte er alle bestehenden hypothekenschulden für hinfällig
und die Verpfändung eines athenischen leibes überhaupt für ungesetz-
lich, dies letztere mit rückwirkender kraft, er verfügte auch über
mittel, obwol wir nicht wissen woher, die er zu dem rückkaufe der in
das ausländ verkauften Athener verwandte.^®) so wurden denn die
hypothekensteine, die sie belasteten, auf allen attischen ackern zer-
schlagen, und in allgemeinem jubel eine festfeier "der abgeschüttelten
bürde" begangen.^') es war ein sehr gewaltsamer eingriff in wolerwoi-
bene privatrechte, aber es ist kein versuch gemacht ihn zu hindern oder
zu redressiren ; die besitzenden mochten auf diese concession gefafst ge-
wesen sein und sich zu ihr verstehen um der drohenden confiscation ihres
34) Den titel ^ta^AaxTjys gibt die Atthis ausdrücklich, bei Ar. 5, 2 und Plut.
Sol. 14, 2. er kehrt 403 für die spartiatische versöhnungcommission wieder, die
unumschränkte macht bezeichnet Aristoteles 6, 1 mit xigioi xcov TtQay/närcov.
35) Sowol bei Aristoteles wie bei Plutarch sind die beiden acte, seisachthie
und gesetzgebung, deutlich gesondert, das wird durch das edictuvi praetoris 56, 2
ganz A'erständlich.
36) Da Solon selbst sich dieser befreiung der längst verkauften sclaven rühmt
(Ar. 12,4), so ist nur die modalität fraglich, öffentliche mittel können nicht gefehlt
haben, sowol in Staatsdomänen wie im schätze Athenas. aber die auslösung von
bürgern, die in der Sklaverei waren, galt auch für eine menschenpflicht, die viele
übten. yivaavSQOs und yivai&sos sind leute, die für einen menschen und einen!
gott (dessen bild oder gut oder schätz Ivr^a brauchte) die Xvtqu gezahlt haben, und
AvaiKQätris ytvaixXTJs AvatTtitoe Avaifäiv sind gedankenlos gebildete composita,
in denen doch dieses Ivsiv stecken mufs. Avaifiaxos Avaavias AvaloTgaTos sind
anderer art; das letztere nicht einmal notwendig.
37) Ar. 6, 1 ist überliefert « asiaäxd'eia xa?.ovaiv cos onoasiaüfisvoi ro ß<xQoe.
bei den änderungen, mit denen der corrector angefangen hat, und denen wir auch
gefolgt sind, ist mir nie sehr zuversichtlich zu sinn gewesen, ich möchte nicht fürfl;
unmöglich erklären, dafs die Athener der gegenwart den namen brauchten, weil sie
die befreiung von der last als eine ihnen selbst, dem unsterblichen Sijfios, zu teilv
gewordene erleichterung empfanden, und die form t« asiaäxd'eia kann ich nicht be- '
anstanden, freilich nicht für den act der legislative, aber wol für das dafür gebrachte
dankopfer, das Plutarch Sol. 16 erwähnt, dieses opfer könnte ich mir als eine dau-
ernde Institution denken, so dafs das praesens ganz eigenüich richtig wäre.
Solon. 63
I grundbesitzes zu entriDnen. immer noch konnten sie hoffen, dafs Solon,
ihr Standesgenosse und ein mafsvoller mann, die Standesherrschaft eher
j befestigen als schmälern würde, aber die gesetzgebung, die er natür-
I Heb erst am ende seines amtsjahres vor den souveränen demos bringen
} konnte, beseitigte nicht blofs die Verfassung Drakons, sondern begriiu-
i dete die demokratie.
I Alle Athener (jÄ&iqvaloL cLTiavteg, wie der ausdruck wol schon
i jetzt lautete) erhielten an der Staatsverwaltung anteil. für die volksver-
I Sammlungen, den rat und die geschwornenstellen ward hinfort kein
' census gefordert, für die beiden letzteren nur die zurücklegung des
I dreifsigsten lebensjahres; für den rat gieng aufserdem noch eine person-
I liehe prüfung der Würdigkeit dem eintritte vorher, eine ausnähme bil-
i deten die geschwornenstellen in den mordgerichten , wo die adligen
I epheten Drakons blieben, weil der sacrale Charakter dieser richtstätten
j die älteren formen sicherte, die teilnähme des ganzen Volkes an den
I Volksversammlungen verheb diesem das active Wahlrecht für die wahl-
j ämter, aber auch die wirksamste controlle selbst der archonten. denn
(He prytanen des rates, (über deren bestellung wir weiter nichts wissen)
\varen gehalten , in bestimmten (uns unbekannten) fristen eine Volks-
versammlung zu berufen, in der alle selbständig, nicht unter aufsieht
eines der rate, fungirenden magistrate neu bestätigt werden mufsten;
im falle ihrer Suspension kamen sie vor die thesmolheten , die ein ge-
richt von geschwornen zu berufen hatten, dasselbe hatte unbedingt
mit der rechenschaftsablage der feldherren zu geschehen, gegen die
anderen beamten konnte jeder bürger nach ablauf ihres amtsjahres an
eine commission des rates, die euthynen, eine beschwerde einreichen,
die erforderhchen falles von den thesmotheten in der nämlichen weise
vor ein volksgericht gebracht ward, die competenzen aller beamten
wurden in bestimmter weise abgegrenzt, so dafs sie höhere strafen, ins-
besondere leibesstrafen, nur unter Zuziehung eines gerichtes zuerkennen
konnten, die bestellung der beamten, so weit sie nicht direct gewählt
wurden, geschah durch das los aufgrund einer Vorschlagsliste, über
deren aufstellung genaueres nicht bekannt ist, als dafs sie durch wähl
in Unterabteilungen des volkes, phylen oder (für den rat) naukrarien
zu Stande kam. als qualification ward ein census, abgestuft nach den
alten drei classen, gefordert, die nun wieder ihre vordrakontische bedeu-
lung nach dem einkommen erhielten, ob an der competenz der einzelnen
beamten oder des oberen rates geändert worden ist, wissen wir nicht;
der Überlieferung nach ist da ziemUch alles beim alten geblieben.
64 II. 2. Von Kekrops bis Solon.
Solons augenmerk war offenbar zunächst nur auf die Schulden-
tilgung gerichtet gewesen, und im übrigen auf die beseitigung der dra-
koDtischen schranken, die durch die forderung der selbstequipirung
die Proletarier principiell ausschlössen, das schien ihm ein Widerspruch
mit der herrschaft des demos, und er spricht es selbst aus, dafs er diesem
seine rechte weder geschmälert noch vermehrt hätte: er hielt Drakons
Ordnung also für eine ungerechte neuerung. wirklich können wir wol
nicht anders urleilen, als dafs Solon in der Verfassung aufser diesem
demokratischen prinzipe kaum etwas bedeutendes erfunden hat, da ja die
ausdebnung des loses auf die archonten kein neues princip war, und
dessen bedeutung kann man nicht umhin , gerade für die wichtigsten
ämter gering anzuschlagen. Solon selbst und sein nachfolger Dropiths
sind trotz dem lose so gut wie gewählt: es hat sich die macht des
Volkswillens so stark fühlbar gemacht, dafs andere candidaten gar nicht
zur losung präsentirt wurden, wenn in den folgenden jähren so häuiig
gar keine archonten vorhanden sind, so mufs die losung aus der Vor-
schlagsliste durch den terrorismus der parteien verhindert sein, oder
aber es hat sich die majorität der lyrannei des Zufalls nicht unter-
worfen, wir haben schlechthin keine mittel uns vorzustellen, wie es in
Athen in solchen jähren der anarchie aussah ^^); aber die kritik mufs
sich Solon schon gefallen lassen , dafs er zwar das princip der demo
kratie zum siege geführt hat, aber gerade dadurch, dafs er die macht
der beamten möglichst vinculirte, zunächst seinem vaterlande den
kräftigen arm gelähmt hat, der es allein vor der tyrannis schützen
konnte, die der Vertrauensmann des volkes, der in directer wähl von
allen erhobene Stratege, und der nsid^iov tov OTQaxöv, der demagoge
der zum ganzen volke sprechen konnte, errungen hat.
Das denkwürdige amtsjahr lief ab. Solon stellte das geltende at-
tische recht auf vielen riesigen holztafeln verzeichnet aus, hefs es vom
demos nicht nur annehmen , sondern in feierlicher weise beschwören,
brachte am Jahresschlüsse das opfer au Zeus den erretter (die letzte
regelmäfsige amtshandlung des beamten^") und trat in das privatleben
zurück oder vielmehr in den Areopag hinüber, seine Athener werden
38) Selbst das ist nicht bekannt, ob in jähren der anarchie gar keine beamte
waren, oder etwa nur kein archon, oder ungesetzliche und cassirte archonten. der
fall, dafs ein archon fehlte und der könig für ihn eintrat, ist später vorgekommen.
39) Der cult des Zeus gehört zum markte als '/o^alos, dem wesen des markt-
rechtes entsprechend, aber auch als acory'jQ darf er Für alt gelten ; nur eXsv&s^ios
heifst er erst seit 4S0.
Solon. 65
zuerst die bewunderung seiner leistung, zu der die aufzeichnung der
gesetze, der kalender und die Ordnung von mafs und gewicht auch
gehörte, und die höhere bewunderung seiner Selbstlosigkeit und gesetz-
lichkeit haben vorwalten lassen, in der tat hat ihn niemand persönHch
angegriffen, aber wenn der dichter und der patriot geglaubt hatte, er
brauchte nur dem demos in den satte! zu helfen , reiten würde er von
selbst können, so folgte schhrame enttäuschung. dafs der bisher herr-
schende stand über die beseitigung der drakontischen Verfassung grollte,
mehr noch als über die capitalverluste der einzelnen, ist ebenso natür-
lich, wie dafs die theten, denen er zwar die freiheit und damit poli-
tische rechte, aber keinen materiellen gewinn und mit den rechten
pflichten gegeben hatte, nach dem ersten freudenrausche stark ver-
stimmt waren, weil sie arbeiten sollten wie immer, die neue maschine
liinctionirte mit einer allzuslarken reibung und stockte hier und da.
so rief man den Werkmeister sie wieder in gang zu bringen, er
vertraute seinem werke und der zeit, Idealist wie er war; aber eben
weil er es war, konnte ihm keine herbere krilik werden, als dafs von
lechts und links ihm zu verstehen gegeben ward, er hätte die tyrannis
selbst übernehmen sollen , wie es in der tat Pittakos von Mytilene in
ähnlicher Stellung getan hatte, das verekelte ihm seine Vaterstadt, und
nachdem er mit seiner einzigen waffe, der poesie, sich lebhaft aber ver-
geblich verteidigt hatte, zog er auf lange jähre hinaus in die fremde,
in Athen aber brachen die politischen kämpfe mit erneuter heftigkeit
los. die vorwählen für die losung zu den höchsten ämtern trugen die
poUtischen kämpfe auf das land; die Präsentation der candidaten für
den neuen rat fielen ohne zweifei den orthchen kreisen zu. so bil-
deten sich innerhalb des Volkes parteien, die sich nach den landesteilen
nannten, nicht etwa alten vortheseischen Städten, sondern den wirtschaft-
lichen Interessen der gegenwart entsprechend, die solonische demo-
kratie fand anklang in der küstenbevölkerung, die immer demokratischer
gesonnen war, und ihre führung ergriff Megakles, das haupt der Alkme-
oniden, die dem Solon die heimkehr dankten, in der ebene Athens
safsen die ältesten herrengeschlechter und war die vom Areopage be-
schützte landwirtschaft mafsgebend: sie wollte von der solonischen Wirt-
schaftspolitik nichts wissen, die Athen zu lonien hinwies, und das haupt
der Butaden stritt für die reaction. das bergige land, im nordosten und
Osten , sehr stark bevölkert von einem wehrhaften bauernstande und
stolz auf seine eigenart, drängte weiter auf der bahn der decentralisation,
durch die allein das land der Stadt gebieten konnte; es stellte den besten
T. Wilamowitz, Aristoteles. II. 5
66 II. 2. Von Kekrops bis Solon.
truppen einen geschickten fiihrer: hier war mau für einen krieg, der
neue landlose den hauernsuhnen schaffte, und die l'iihrer, Peisistratos
von Brauron und Miltiades der IMiilaide, hahen sie ihnen auch verschafft,
wir wissen im einzelnen last nichts über das menschenalter nach Solons
gesetzgebung, aber gerade soviel, um zu sagen, dafs es um den Innern
frieden traurig stand, und um den wolstand nicht besser als zuvor, bis
Peisistratos erst Salamis eroberte und dann sich zum herrn machte, und
das zweite wissen wir, dafs Solon heimgekehrt ist und in Athen un-
behelligt und verehrt aber einflufslos bis 560/59 gelebt hat. er hat
noch gedichtet, sein volk gemahnt um Salamis zu kämpfen und vor
Peisistratos sich zu hüten; sie horten wol seine verse, aber es waren
ihnen nur die verse eines dichters: politisch war Solon ein totermann,
seit er dem Zeus oioti]q am letzten skirophorion 593 das dankopfer
gebracht hatte.
Die götter verwöhnen ihre lieblinge nicht; der frühe tod ist der
preis, um den die schönste kröne des heldentumes feil ist, für Rleobis
und Biton, für Achilleus und Alexandros. dje kröne der Weisheit aber
erhält der greis für ein leben voller enttäuschung, und entsagung lehren
auch die weisesten, die das vollste meuschenleben gelebt haben, Piaton
und Goethe, als Solon zu sterben kam, war sein Athen in der band
des tyrannen, und der Stifter der demokratie hatte eingesehen, dafs
seine Athener jeder einzeln ein schlauer fuchs, aber auf der pnyx eine
herde schafe wären, nach den wölken des demagogischen Weihrauchs,
die ihm im vierten Jahrhundert von denen gespendet wurden, die be-
sagte herde hüteten und schoren, wird den weisen wenig gelüstet haben ;
dafs er ein grofser Staatsmann gewesen wäre, wird sein gewissen ver-
neint haben, so gut wie wir es verneinen müssen, und doch hat Ari-
stoteles ihn einen einzigen unter allen Staatsmännern genannt, der allein
das wol des ganzen zur richtschnur sich genommen, und doch hat er
in der tat die demokratie Athens, wenn auch nur als Vorläufer des
Kleisthenes, und die athenische poesie, wenn auch nur als Vorläufer des
Aischylos begründet, dafs er beides vermochte, dafs seine person sowol
den Drakon wie den Peisistratos, ja noch den Kleisthenes in den schat-
ten gestellt hat, das dankt er der Muse, ihn allein von ihnen horte
die nachweit und boren auch wir noch, ein grofser dichter war er
nicht, aber ein weiser und frommer und guter mensch, was denn doch
mehr ist.
Verblafst ist sein bild gar bald in den büchern der geschichte; aber die
poesie ist ihm gerecht geworden, nicht daheim, aber. in lonien hat sie
I
Solon. 67
die schönste novelle gedichtet, in der er dem Hellenen seine Giüq)QOOvvrj
repräsentirt. auf dem güldenen throne sitzt der barhar in seiner ma-
teriellen herrlichkeit mit all dem dunkel abergläubischer gottwolgefällig-
keit und ruft "sehet mich an, ich bin glücklich und goltgesegnet"
(o/.ßiog und €vSc(i/.uov). der weise im schhchten bürgerkleide belehrt
ihn, dafs das höchste menschenglück das des schlichten bürgers ist,
wie es die natur dem menschen gewähret, mit weih und kind, acker
und vieh, gesundheit und gedeihen, und zur krönung dem seligsten tode,
dem tode des kriegers fürs Vaterland, vergebens belehrt er den bar-
baren, vergebens mahnt er ihn, dafs den tag vor dem abend niemand loben
dürfe. Kroisos verlacht die mahnung, das Schicksal ereilt ihn, und das
gedächtnis an des weisen wort ist das einzige was ihn errettet.
So steht Solon da, der typus des Hellenentums, des Athener-
tumes, sich bewufst der menschenschwäche und des menschenadels, de-
mütig vor der natur, demütig vor gott, aber nur vor dem ewigen
demütig, so lernen unsere kinder den weisen Solon kennen: nicht den
vater der demokratie, aber den hellenischen propheten, den dichter und
den weisen, die unsterbliche seele Solons und seines Volkes ruft uns
alle noch heute auf zu der seisachthie des götzendienstes dieser weit.
Doch ich vergesse, unsere kinder sollen den weisen Solon nicht
mehr kennen lernen, die moderne selbstgerechtigkeit und hoffart sitzt
als ein protziger barhar auf ihrem throne, opfert götzendienerisch ihrer
eigenen herrhchkeit und ihren lüsten und weist den hellenischen mahner
an Selbstbescheidung und demut unwillig von sich, soll sie auch erst
auf den Scheiterhaufen steigen, um sich auf die hellenische Weisheit zu
besinnen? vielleicht, aber schwerlich wird ihr Zerstörer ein Kyros sein,
der sie um des Verzweiflungsrufes "Solon, Solon" begnadige.
3.
DIE POLITIE DER ATHENER YON PEISISTEATOS
BIS EPHIALTES.
Athen in der \\ er elzl auf der bürg von Athen wandelt, dem stellt sich als eine
tyrannen- , , , ,. i , , . . , ...
zeit. schone lösbare autgabe dar, das Athen der tyrannenzeit in seiner zu-
ständlichkeit zu schildern, leibhalt sieht man die menschen jener gesell-
schafl vor sich, und, was mehr bedeutet, man kann empfinden, wofür
sie leben, wo sie ihren schätz und ihr herz haben, es geht ihnen gut
und sie geniei'sen ihr leben, sie haben an ihrer eignen existenz l'reude
und suchen die evdaifiovia im okßog. es ist eine zeit, geschlagen in
enge fesseln der Convention und der mode; vielleicht merkt man nur
ex eventu, dafs vieles überlebte da ist, und ein neues leben sich zu regen
beginnt, das diese fesseln sprengen wird, den ungeheuren Umschwung
der Perserkriege und der demokratischen agerrj schätzt man nirgend
so richtig, wie wenn man im sechsten Jahrhundert wandelt, schon die
heroische naktheit des Harmodios erscheint wie ein protest gegen die
ceremoniose toilette eines Aristion. dafs die Jünglinge und mädchen
des Parthenonfrieses grofsmütter und väter gehabt haben sollen, die sich
anzogen wie die xogai, die unsere archaeologische Jugend so hübsch
als tanten bezeichnet hat, sich einen lockenkranz um die schlafen frisiren
liefsen und die arme mit ekelhafter grazie weit vom leibe hielten, damit
die geknifften fältchen der mantillenkanlen nicht zerknautscht würden,
mufs man sich mühsam klar machen, es riecht alles nach TQvq)ri
IwvLKri^ nach (ivqa und aßqbg ßiog.^) und doch wie sauber und
1) Das zwölfte buch des Alhenaeus handelt über die r^vfi]; historiker schon
des vierten Jahrhunderts, peripatetiker und andere philosophen sind die hauptquellen,
wer genauer zusieht, wird in sehr vielem lediglich den niederschlag der Sinnesart
finden, die mit den Perserkriegen aufkommt und der ganz besonders die tracht, aber
überhaupt die lebensführung der archaischen zeit als TQVfrj erscheint, in der traclit
gewisser stände, wie der priester und der musiker, im costume der tragoedie, dann
Athen in der tyrannenzeit. 69
solide baute jene zeit, wie gewaltig sind die fortschrilte der bildenden
künste, und wie tief im volke geht jene anspruchsvolle lebensführung,
da tüpfer walker und schuster an ihr teil nahmen, man sieht, wie viel
da war, das die Perser zerschlagen und rauben konnten : die opfer von
480 lernt man schätzen, und es wächst sowol die achtung vor Peisistratos
wie die bewunderung der freien bürgerschaft.
Doch das ist eine aufgäbe, die wirklich nur ein archaeologe lösen
kann, einer dem die funde auch in allen einzelheiten rede stehn, und weil
die aufgäbe gestellt ist, wird sich auch die archaeologische Jugend über
die unfruchtbaren stilriechereien und die wirkhch antiquirte suche nach
künstlernamen erheben, in um so mislicherer läge ist jeder der die
ereignisse jener zeit zu schildern unternimmt und nicht den Herodot
paraphrasiren will, sie sind verschollen, und was man einzelnes hört,
belehrt wenig, eben weil es nichts als nakte facta bringt, wir wissen
es nicht, wie sich die Situation Athens um 520 v. Chr. gebildet hat:
aber von dieser Situation kann man sich einigermafsen ein bild machen.
Als nach der gesetzgebung Solons statt des gehofften friedens der
parteihader nur gehässiger enthrann, war es das gröfste glück, dafs sich
der zum herrn machte, der seine tüchtigkeit durch die erwerbung von
bei einzelnen personen oder in abgelegenen gegenden hat sich die mode des sechsten
Jahrhunderts noch mehrere generationen oder auch dauernd erhalten , nicht ohne
dafs misverständnisse in derselben richtung vorkamen, Asien hat sich den neuen
athenischen mustern immer erst in einigem abstände gefügt, und deshalb den vor-
warf der xQvcpri schon von den Athenern des fünften Jahrhunderts erfahren, inner-
lich hat es den Umschwung des empfindens nie mitgemacht, so haben sich falsche
Werturteile über die archaische zeit gebildet, nun trieb aber der gegensatz zu den
barbaren dazu die einfachheit von haar und barttracht, des kurzen hemdes und des
simplen Überwurfes für echthellenisch auszugeben, also für uralt, und dann für do-
risch, ein wort, das den accent ins tüchtige, derbe, altangestammte zuerst in der
musik erhalten hatte (schon vor 500): das hat dann auch falsche geschichtliche ur-
teile erzeugt, die besten zeugen für die volksslimmung sind immer die dichter,
um so besser, je gröfser sie sind, in dem bilde, das das sechste Jahrhundert schon
von Dionysos geschaffen hatte, und das die tragoedie, sein spiel, fest hielt, war
jene alte tracht an haar und hart und kleidung festgehalten, und die art, wie der
gott sich offenbarte und seine Verehrer sich benehmen hiefs, schien die XQvcprj nur
noch mehr zu bestätigen, diesen conflict mit den modernen, kräftigen, dorischen
anschauungen empfand Aischylos innerlich, und doch war er dionysischer dichter,
so verkörperte er diese gegensätze in seiner Lykurgie ; die alte fabel hatte eine neue
bedeutung gewonnen, da zuerst nimmt der götterfeind an der weibischen tracht
des gottes nnstofs, zieht freche folgerungen und mufs es büfsen. Euripides hat
das schon als etwas fertiges überkommen; für ihn hat es keine innerliche bedeu-
tung mehr.
70 II. 3. Von Peisistratos bis Ephialtes.
Salamis bewiesen hatte, und der nicht den durch Solon gestürzten grofs-
grundbesitz, sondern die kleinen leute und die wehrhafte bauernschaft j
der Diakria hinler sich hatte. Peisistratos ward zwar alt und grau, ehe
er aus zehnjähriger Verbannung heimkehrend auf dem throne fest ward |
(541). dafür brachte er die anerkennung durch die bedeutendsten i
nachbarstaaten, Boeolion und Euboia, ein bündnis mit Argos und eignen i
besitz an der thrakischen küste mit. so konnte er frieden und wolstand, j
Ordnung und fortschritt auf sein panier schreiben, und mit ausnähme ■
der überwundenen adelsgeschlechter hatte er bald die Sympathie des {
Volkes gewonnen, so dafs sich bei seinem tode 528 nichts änderte, i
sondern seine beiden ehelichen sühne die nicht festumschriebene oder
beschworene aber tatsächlich anerkannte herrschergewalt fortführten, i
Hippias, schon ein reifer mann, war längst ein mitarbeiter an der polilik '
des vaters gewesen ; Ilipparchos, auch kein Jüngling mehr, ergänzte ihn i
für das prestige der tyrannis auf das glückhchsle. denn seine beziehungen i
zu den dichtem der zeit hatten eine sehr reale bedeutung. diese leisteten, i
was heute die presse besorgt, die beherrschung der ölfentlichen meinung. j
Orakelsprüche, wie sie damals besonders beliebt waren, haben mindestens I
I
eben so oft die ereignisse vorbereitet und bewirkt, wie sie später ex j
eventu verfertigt und umgeformt sind, wellkundige und allerorten wol- j
gelittene litteraten, wie Lasos und Simonides, formulirlen dem durch- |
Schnittshellenen, was er schön und gut finden sollte, und lebten davon, ;
sich von den mächtigen die parole dazu geben zu lassen, was sie also i
den leuten darstellen sollten, sie sind die Vorläufer der Sophisten, die I
breite masse aber bewunderte den herren von Athen, dessen lieblinge j
die Heder eines Anakreon verherrlichten wie die des Polykrates. das i
ist der lauf der weit; sie beugt sich dem glücklichen und nimmt an j
seinem 'glücke' anteil. es mufsle die sillliche erhebung einer grofsen zeit '
kommen, damit das glück des Polykrates im sinne des Herodotos, nicht '
in dem des Anakreon sprUchvvörtlich werden konnte.
Der attische bauer safs leidlich zufrieden unter seinem feigen-
baum und weinslock und schaute mit andacht auf das geschenk seiner
göttin, die olive, deren anbau der Staat jetzt wie von alters her ;
beförderte, so dafs dies wichtigste product der heimischen landwirt-
schafl immer mehr eintrug, dazu tat der friede das beste: es hieb
eben kein feind die Ölbäume um. Ordnung war auch im lande und ,
die rechlsprechung nahe und rasch zu haben, eine Steuer von fünf
procent lag allerdings auf dem ertrage, und das war eine mah-
nung, dafs ein herr da war. aber der bauer durfte doch alljährlich zu
Athen in der tyrannenzeit. Äufsere politik der tyrannen. 71
den wählen gehn, wol auch alhnonatlich zur Volksversammlung; die
formen der Selbstverwaltung in der naukrarie, auch der rat in der Stadt,
waren gewahrt, und so stimmte man gern für die candidaten der regie-
ruDg. es verdient alle anerkennung, dafs die Peisistratiden für den
ackerbau sorgten ; dennoch ist die Schilderung des Aristoteles schief, die
diese seite ausschlicfslich hervorhebt, um keine agrarier zu sein, dazu
besafsen sie schon genug wirtschaftliche einsieht: der mächtige auf-
schwung von Industrie und handel, der unter ihnen statt fand, ist für
uns selbst noch in seinen erzeugnissen kenntlich, und das friedliche
menschenalter 540 — 10 hat erst die ionische höhere cultur, zum teil
auch die von Argos und Aigina nach Athen geführt und das attische
w'esen erzeugt, das allen andern eben deshalb überlegen ward, weil es
alle anregungen aufgenommen und innerlich sich zu eigen gemacht hatte,
handel und Industrie setzen eine starke nicht angesessene, zum teil nicht
einmal eingeborene bevolkerung voraus, die wir denn auch antreffen,
und sie haben die städtische centralisation im gefolge. das prestige der
tyrannis erforderte neue tempel und neue feste, die Peisistratiden haben
ein neues Athen geschaffen, und nur dafs die Perser es verbrannten
und dann neue gebäude sich erhoben, hat bewirkt, dafs Athen nicht
dauernd die züge der tyrannenzeit getragen hat.
Dafs die tyrannen Athen diese friedliche zeit und dieses gedeihen Äutsere po-
verschaffen konnten, lag wesenthch darin begründet, dafs sie selbst nach tyrannen.
keiner seite übergreifen konnten noch wollten und durch persönliche
und familienverbindungen ein gutes einvernehmen mit den meisten
Staaten erhielten, mit der hilfe von Theben Eretria und Argos war
Peisistratos heimgekehrt; an der thrakischen küste besafs er eigenen
besitz; ein vertriebener adlicher von Naxos, dem er zum danke die
herrschaft in seiner heimat verschaffte, hatte sich an seiner seite be-
funden; auch die beziehungen zu dem thessahschen adel werden so alt
sein, diese Verbindungen sind zum teil noch über den stürz des Hippias
hinaus erhalten geblieben, es hegt freilich in dieser gruppirung der
mächte, dafs es eine gruppe ihnen gegenüber gab. wer nahe zu Argos
stand, Avar den Spartiaten und ihrem bunde verdächtig, wer Eretria
unterstützte, dem war Chalkis feind, und Korinlh, mit Chalkis und Sparta
zumeist verbunden, hat später seine feindliche gesinnung wider die
Peisistratiden bewiesen, es ist augenfäUig, dafs die herren Athens sich
von diesen hauptmächten des festlandes nicht nur fern halten, sondern
sich zu emanzipiren trachten, sie lassen keine pferde in Olympia und
Delphi rennen und stiften dort keine weihgeschenke, sie gründen viel-
72 !!• 3. Von Peisistratos bis Ephialtes.
mehr in Athen lihalen der dortigen culte, schmücken diese reichlich
und erweisen so zwar den hochgeehrten gOltern ihre ehrfurcht, aber
entziehen sich dem einflusse ihrer priesler. Delphi hat es ihnen nicht
vergessen, aber offiziell sind (He beziehungen zu dem peloponnesischeo
Staatenbunde durchaus freundUch. die tyrannen sind gaslfreunde Spartas:
die proxenie war aucb zwischen Athen und Dionysios, Athen und Phi-
hppos die form der offlciellen anerkennung, nicht mehr bedeutend, als
wenn die herrscher der alten monarchien einen Napoleon als bruder
angeredet haben.
Gestützt auf diese besonnene politik des friedens, glaubten die herreo
Athens weder eines stehenden heeres (aufser einer leibwache) noch einer
kriegsflotte zu bedürfen, die Sicherung der see, deren handel und Industrie
um so mehr bedurfte, als die front Athens jetzt nach osten gerichtet
war, ward auf anderem wege erreicht. Athen, das doch Naxos und
Rheneia erobert hatte, behielt keine insel in besitz, sondern versicherte
sich des wolwollens des delischen Apollon und der seemächtigen Staaten,
nur auf den wichtigsten punkt, den Hellespont, legten die tyrannen ihre
feste band, auch das nicht unmittelbar, aber durch befreundete oder
verwandte herrscher. in Sigeion, dem vielumstrittenen, safs ein halb-
bruder des Hippias; ein Schwiegersohn von ihm in Larapsakos, das sich
vorher lange mit allen mittein der attischen colonisation der gegenüber-
liegenden halbinsel widersetzt hatte, der Chersones mit den nächsten thra-
kischen inseln gehörte dem Philaiden Miltiades, der Athener geblieben
war, mindestens in einvernehmen mit den tyrannen.
Die grofsen Die FMiilaiden waren eines der uralten geschlechter Attikas, selbst
iiäusei. dazu zu vornehm, sich wie das alte königshaus und die Alkmeo-
niden auf die Pyhschen heroen zurückzuführen, geschweige wie jeder
schusler auf die phylenheroen. mit dem adel des Peisistratos ist
es schwerhch weit her gewesen; wir kennen den namen des ge-
schlechtes nicht, denn die Überlieferung des dialoges Hipparchos, die
es zu Philaiden macht, ist mit Herodot nicht vereinbar, ein Peisi-
stratos erscheint als archon von 669/68 in der chronik'): älter dürfte
der name nicht sein, da er aus dem späten epos stammt.^) jener Pei-
2) Pausan. II 24, 7 sicher ergänzt, da die Olympiade durch ihren Sieger
fixirt ist.
3) Es folgt daraus, dafs vor 700 die Telemachie in Athen bekannt war. denn
ihr dichter hat diesen Nestorsohn erfunden und ihm den namen gegeben, weil der
vater ineiae otquiCv. namen von Neleuskindern wie neiaiSiy.j] IleiarivcoQ sind
erst nachbildungen dieses redenden namens ; dessen erfinder schuf ein analogen zu
ThrjXifiaxos.
Die grofsen adelshäuser. 73
sistratos, wol der grofsvater des tyrannen, legte also wert auf seine
pylische herkunft, und anders als Peisistratiden heifst das tyrannen-
geschlecht später nie. sie wohnten dicht nehen den Philaiden in der
1 gegend von Brauron und beide gehörten also von haus aus zu derselben
j partei der Diakrier. fünf jähre nur vor der ersten tyrannis des Peisi-
! Stratos war ein Philaide Hippokieides archon gewesen und hatte den
j agon der Panathenaeen gestiftet, aber er war kein gefährlicher con-
! current, weil es ihm an ernst und stätigkeit fehlte, "darum keine
I sorgen, sagt Hippokieides" blieb ein geflügeltes wort, ein bedeutenderer
■ herr aus demselben hause hatte, wie es heifst unter mitwirkung des
delphischen orakeis, die besetzung des Chersones unternommen und dort
die wichtige herrschaft gegründet, im wesentlichen auf kosten von bar-
baren, denen er auch Lemnos und Imbros abnahm, unter allgemeiner
Sympathie der öffentlichen meinung von Hellas, weil es eben barbaren-
land war.'*) es ist zwar zwischen den Philaiden und Peisislratos nicht
4) Diese erwerbung richtig datirt und liciitig beurteilet zu haben, ist das ver-
dienst von E. Meyers aufsatz über die Pelasger (Philol. N. F. 2). im übrigen ge-
hört seine hypolhese nicht zu denen, die mich "so weit blenden, dafs ich aller
Überlieferung ins gesicht schlage", falsche conjecturen gemacht zu haben kann icii
nicht leugnen und suche mich zu bessern, gern bereit sie zurückzunehmen, aber
das conjiciren werde ich nie lassen, weil es nötig ist: und jede conjectur ist ihrer
natur nach eine ab weichung von der Überlieferung, ob man einen text oder einen
geschichtlichen Zusammenhang von einem glossem befreit, ist für diese procedur
einerlei, die hypolhese IIsXaoyiKov = storchnest ist ein einfall, der nicht längeres
leben hat als eine Seifenblase, c^yös weiß, aayXa, atyla (ein episches, in keiner
lebenden spräche nachgewiesenes wort) gehören alle zusammen. IleXnayoi s\nA an sehr
vielen orten die "urbewohner" genannt (vgl. Schwartz quaest. Herod. Rostock 1890),
so auch in Athen, ihnen hat man den bau der burgmauer zugeschrieben, die in
die unvordenkliche zeit gehörte, wie anderwärts den riesen oder hundertarmen, die
gegner im osten, die den stadtathenern auch sonst als wilde riesen erscheinen,
führen in einer geschichte den Pelasgernamen. diese geschichte ist dazu da, die
j Pelasger aus Athen zu vertreiben, d. h. den zustand der gegenwart zu erklären,
welche keine mehr in Attika kennt; um so sicherer waren sie in der älteren vor-
I Stellung gegeben, schon Hekataios hat das erzählt; aber von der ansiedelung der
! vertriebenen Pelasger auf Lemnos hat er nichts gewufst. diese ist (wer hätte das je
I verständigermafsen anders ansehn dürfen) nicht älter als die eroberung von Lemnos
I durch den attischen herrn der Chersones. und so haben in der tat nach Lemnos
j erst die Athener den Pelasgernamen gebracht, die dortigen barbaren wurden von den
loniern Tyrsener genannt, auch mit einem namen, der keine ethnologische bedeutung
hatte, wie denn der italische lonier in den burgbauenden Rasenern die Tvoarjvoi
i sah und ihnen, selbst für die Italiker mafsgehend, diesen namen gab; dafs sie damit
I gleich hiefsen wie die feinde seiner alten heimat, die Lyder oder Meoner, war ihm
' höchstens erfreulich, nuifste dann aber genau so sicher eine wandersage erzeugen, wie
74 n. 3. Vott Peisistralos bis Ephialtes.
immer freuiulschaft gewesen (Herod. 6, 103), aber das ende war gegen-
seitige aoerkennung. und selbst als das haupt der athenischen Phi-
laiden auf der slralse ermordet ward, und das gerücht die tyrannen ver-
antwortlich machen wollte, ist es nicht zum bruche gekommen.
Von den Vertretern des städtischen adels hört man kaum etwas;
die Buladen, welche an der spitze der schroffen aristokraten 560 ge-
standen hatten, verschwinden, in der schlacht von Pallene ist Leogoras
Stratege, aus einem unbekannten, aber auf Odysseus und Hermes zurück-
geführten, zweifellos hochvornehmen hause ^), und er kehrt erst mit den
dafs die Himeraeer ihre nachbarn, die Elymer, um des epos willen zu Troern machten,
die bewohnen von Lemnos waren, wie ihre schrift lehrt und wie im Homer steht, Thra-
ker, Sintier, verwandle der Saier von Samos nebenan, mit recht fand man ihre
spracliverwandten in manchem thrakischem winkel. weil sie nun aber von den
Athenern mit den Pelasgern ihrer sage, von den loniern mit den Tyrsenern identi-
ficirt waren, so gab es das knäuel von hypothesen, indem sie mit andern auto-
chthonen, die den Pelasgernamen, mit andern 'turmvölkern', die den Tyrsenernamen
führten, identificirt wurden, analog steht es mit diesen und andern namen an den
meisten orten, denn meine bezeichnung, die Pelasger sind ein relativer volksbegriff,
ist klar und richtig: deshalb bleibt jedes einzelne volk, das so genannt wird, für
sich ein concretum, und ich bezweifle auch nicht, dafs die 'schwarzweifsen' irgend
wo einmal ein concreter volksbegriff gewesen sind, vielleicht in Thessalien, wie o^
die Tyrsener auch gewesen sein werden, meinethalben die Turuscha.
5) Die vita des s. g. Plularch führt Andokides auf die Keryken zurück, und
diese ansieht wird von Dittenberger und Töpffer (Ath. geneal. 85) vertreten, während
Blafs und Lipsius sie verwerfen, für mich ist entscheidend, dafs Andokides über
Odysseus und Autolykos auf Hermes zurückgeführt wird, schon von Hellanikos,
während die genealogie der Keryken über Keryx auf Herse und Hermes zurückgeht,
das ist doch zweierlei, nur der göttliche ahnherr ist derselbe, und daher war ein
irrtum leicht möglich, dafs i.ivo)v Andok. 1, 132 auch lediglich dasselbe bedeuten
kann wie bei ApoUodor gegen Neaira 21 wird man nicht leugnen können, wenn
es auch nicht durchschlägt, und dafs weder der ankiäger des Andokides (Lys. 6,
wie ich glaube und einmal zu zeigen hoffe, Meletos), so viel er, der Eumolpide, sich
auch in hieratischen dingen bewegt, noch Andokides in der Verteidigung dieses bedeut-
same moment erwähnt haben sollte, wird mir auch schwer zu denken, er würde
eben nicht blofs oly.ia naaäv aQxonoxärri sagen (1,147), wenn er zum eleusinischen
adel gehörte, sein gegner sagt nicht nur, dafs er Eumolpide ist (wo wüfsten wir's
sonst her?), sondern er trieft von prieslerlicher Salbung, und sollte wol ein Keryke
gesagt haben ixprjfiaavxo KviQvy.es y.axa xov vofiov os eariv avroTs (1, 127, sicher
von Bekker aus o ianv airos hergestellt)? der Eumolpide redet (10) nicht selbst
in dritter person von den Eumolpiden, sondern citirt worte des Perikles. (beiläufig,
schon um dieses citates willen ist die rede keine späte rhetorenfälschung). der
nBime^^vSoxiST]s zeigt sein alter schon in der grammatischen form; er dürfte eigent-
lich der gesclilechtsname gewesen sein, denn dvSoxiSai kann wol nur 'die es auf
sich genommen haben' bedeuten; die tempelbaucnden Alkmeoniden sind avSoxiSai.
Die giofsen adelshäuser. stürz der tyrannis. 75
Alkmeoniden heim, auch iler Keryke KalUas steht feintUich zu Peisi-
stratos. aber man spürt nachher nichts von dieser Opposition; einzelne
mögen geflohen sein, die meisten duckten sich und frondirten höchstens
im stillen.
Nur die Alkmeoniden bheben auch in der Verbannung tätig und
gefährhch. sie waren an besitz macht und ansehn den Philaiden gleich,
hatten sich jene den korinthischen tyrannen verschwägert, so war Megakles,
der rival des Peisistratos, der eidam des fürsten von Sikyon, dessen namen
sein söhn führte, obwol am nordrande der attischen ebne angesessen,
führte Megakles die partei der Paraler und trat für die solonische Ver-
fassung ein, hatte auch versucht mit Peisistratos sich zu vertragen, aber
eine schwere persönliche kränkung hatte den zwist unversönHch gemacht,
ein attisches lied, nicht von einem der höfischen poeten, sondern ein
schlichtes Volkslied, wie man sie beim weine improvisirte, hat die er-
innerung an einen versuch der Alkmeoniden erhalten , mit gewafPneter
band Attika den tyrannen zu entreifsen. aber der versuch mislang, da
das Volk sich nicht erhob, für eine adelsfaction erwärmten sich nur
ihresgleichen, und wie man damals über die Alkmeoniden dachte, lehrt
eben das hed:
Weh Leipsydrion, verräterfeste,
hast verraten unsre kameraden,
wackre Streiter, adlich blut:
fochten, fielen würdig ihrer ahnen.
So lange sie ihre popularität behielt, war die tyrannis sicher, die stmz der
ja alles andere als eine gewaltherrsch aft war. sie verscherzte sie durch
eine an sich gleichgillige reiberei, die der bastardbruder der tyrannen
mit ein par adüchen aus Aphidna angefangen hatte. Harmodios und
Aristogeiton waren Diakrier wie die herrscher und verkehrten mit ihnen:
demokratische ideale lagen ihnen sehr fern, aber als sie beleidigt waren,
zettelten sie eine Verschwörung an, die zwar den tod der herrscher und
die revolution plante, aber schwerhch zu gunsten der demokratie. sie
kostete, obwol sie mislang, dem beliebten Hipparchos das leben und ver-
i bitterte den Hippias, der sein leben bedroht sah und zu scharfen mafs-
{ regeln schritt, das wandte die bevölkerung von ihm ab, vollends als er
tyrannis.
I der vater des feldherrn von Pallene Leogoras steht als Schatzmeister Athenas CIA
'IV p. 199: er hat die an sich lächerliche behauptung ad absurdum geführt, dafs das
{ geschlecht erst durch seinen letzten sprofs, der es vielmehr in schände brachte, no-
I bilitirt wäre, der töpfer Andokides ist natürlich ein dient des vornehmen hauses.
I sonst kenne ich den namen nur aus Thessalien Bull. Corr. Hell. XIV 243.
76 II. 3. Von Peisistratos bis Ephialtes.
mieiie machte, sich aufserhalb der Stadt in Munichia ein schlofs zu hauen,
immerhin erwehrte er sich ohne müiie einer pek)ponnesischen expedition,
die ihn zu stürzen kam, und wenn er nicht seihst die sache verloren
gegeben hätte und sich Heber auf seine sichere herrschaft Sigeion zu-
rückziehen mochte, würde er wol auch der zweiten invasion lange haben
widerstehn können.
Kieisthtiies. Es war die energie und rücksichtslosigkeil des RleistHenes gewesen,
die die autorität Delphis und die waffen Sparlas gegen Hippias aufge-
boten hatte, den gott hatte er durch eine geschickte Finanzoperation
auf seine seile gebracht, dals er Sparta den eintritt in dessen bund
versprochen hatte und gewähren mufste, wenn der Peloponnes ihm helfen
und ihn halten sollte, ist selbstverständlich, es scheint aber durchaus
nicht, dafs die Athener mit Kleislhenes stark sympalhisirten. die wirren
nach dem abzuge des Hippias, der friedhch von statten gieng, endeten
nach Jahresfrist damit, dafs ein mann der reactionären adelspartei zum
archon gewählt ward®), der ein regiment ganz in Spartas sinne einzu-
richten sich anschickte, die Alkmeoniden wieder vertrieb, und eine grofse
masse von familien, die unter den tyrannen zum bürgerrechte gelangt
waren, in den metokenstand zurückstiefs. Kleomenes von Sparta karnj,
seinem freunde Isagoras zu hülfe: Sparta schien gewonnen spiel zu
haben, jetzt erst erhob sich das volk, denn jetzt erst handelte es sich
um mehr als den hader der geschlechter, alles gute was Solon und
Peisistratos gebracht hatten stand auf dem spiele, da rief der rat der
400 die bauern und die handwerker auf, die schmierigen Peloponnesicr
aus der bürg der Jungfrau hinauszuwerfen') und nun tat Kleisthenes
I
6) Isagoras liatte unter Hippias in Athen gelebt, und schon weil er gegen
Kleisthenes war, mufsten die anhänger der Peisislraliden zu ihm stehn. es ist also
begreiflich, dafs er von Aristoteles ein freund der tyrannen genannt wird (20 1).
aber eine besondere Überlieferung wird das nicht sein: die parteigegensätze, die
Herodot gab, führten von selbst auf diesen schlufs. sein geschlecht ist unbekannt;
da sein familiencult der Zeve Kä^ios war, der boeotisch ist, möchte man an dia-
krische heimat denken; am liebsten möchte ich ihn den tyrannenmördern verwandt
glauben, sein vater hiefs TeiaavSoos, ein vornehmer aber viel verbreiteter name;
einen aus Aphidna nennt Piaton Gorg. 487«:. von den Parteigängern der tyrannen
kennen wir den Rhamnusier Antiphon, des redners grofsvater, auch einen Diakrier
(Antiph. fgm. 1).
7) Wundervoll gibt Aristophanes die Stimmung wieder, Lysistr. 275, unbeschadet
seiner eignen tendenz, die auf Versöhnung mit Sparta hinarbeitet, man denke sich
die hemdlosen zotlelbärte Spartas zwischen den geschniegelten loniern: die färbe
hat nicht der dichter ein Jahrhundert später erst aufgetragen.
Kleisthenes. Athen nach 507. 77
den entscheideuden schritt und erhob die fahne der demokralie.^) Kleo-
inienes mufste die hurg räumen; Isagoras ward vertrieben: der adel hieU
sich noch eine weile in Eleusis, das Kleomenes auf dem rüclimarsch
besetzt hatte, aber das volli war unwiderstehhch. Athen ward frei, die
igeschlechterphylen fielen und mit hilfe Apollons, dessen er sicher war,
begründete Kleisthenes das Staatswesen, das für alle zukunft mit dem
begriffe Athens verwachsen sollte, dieser aristokrat erst ist der vater
der demokratie.
Frei war Athen; aber seine läge kann wol die vergleichung mit Athen nach
der Tiberstadt herausfordern, die ziemlich zur gleichen zeit ihre etrus-
kischen herren verjagte, aber damit zunächst auch ihre politische Stellung
verlor, die auswärtigen hesitzungen waren in den bänden von Philaiden
und Peisistratiden. die nachbarn aber, jeder alten rücksicht quitt, fielen
iiber Altika her, Theben und Chalkis von der einen seite, Aigina von
der andern, und Sparta führte die Peloponnesier in die eleusinische
ebene, deren hauptstadt vielleicht noch in den bänden der adhchen emi-
i grauten war. es war nur die hälfte der gefahr abgewendet, als dieses beer
ohne geschlagen zu haben wieder abzog: in der damaligen hellenischen
Schätzung mufsten Theben und Chalkis einzeln den Athenern weit über-
legen dastehn. aber diese bewährten sich als der freiheil würdig, sie zogen
gegen die Boeoter und Chaikidier zu feld, schlugen sie am Euripos und
erwarben sich mit Oropos und Chalkis selbst einen ersatz für die verlornen
gebiete in der ferne. Aiginas konnte man sich freilich nicht erwehren,
so lange man keine flotte hatte, doch vergieng den nachbarn zunächst
die lust mit Athen anzubinden; Sparta verfiel sogar darauf, nun die
tyrannen zurück zu führen, was an dem Widerspruche Korinths gescheitert
sein soU.^) die Korinther hatten allen grund trotz der alten freundschaft
8) Die Zeitrechnung und die Verknüpfung der ereignisse gestatten beide nicht,
Kleisthenes vor dem jähre des Isagoras die demokratische phylenreform durchführen
zu lassen, vielmehr ist er zunächst bei dem versuche unterlegen, wie die wähl des
Isagoras beweist. Herodots darstellung ist, wie immer, läfslich im chronologischen
detail und ohne Würdigung des politischen Zusammenhanges, bei Aristoteles steht
es richtig; man müfste es aber auch ohne ihn finden.
9) Herod. 5, 72. 73. 90. Krateros im schol. Ar. Lysistr. 273. die Vertreibung
des Kleomenes von der bürg, die in das jähr des Isagoras notwendig fällt, wird
man 507 ansetzen: denn erst mufs Isagoras eine weile geherrscht haben, dann fällt
in das nächste frühjahr der zug der Peloponnesier in die eleusinische ebene , der
I resultatlos verläuft, also 506, in denselben sommer die schlacht am Euripos. im
nächsten frühjahr setzt Sparta überhaupt keinen zug gegen Athen mehr durch;
das ist also 505. drei frühjahrsfeldzüge der Spartaner, das pafst zu ihrer bekannten
78 II. 3. Von Peisistratos bis Ephialtes.
die beseitigung von Chalkis als selbständige macht im Interesse ihres see-
handels zu begrülsen und günnlen den Aegineten den hader mit Athen,
das ihnen in seiner schwäche zur see vorläufig noch gleichsam als eignes
hinterland erschien, dessen erzeugnisse sie zu verfrachten hätten, es
kann keinem zweifei unterliegen, dafs Athen aus dieser neuen und viel
schwereren gefahr nur so hat gerettet werden können, dafs es in den
peloponuesischen bund eintrat.*") erst so wird verständlich, dafs die ge-
schädigten nachbarn ihm ruhe liefsen. wie viele jähre diese consolidirung
der neuen demokratie nach aulsen gedauert hat, ist unbekannt, für die
innere ist das jähr des Hermokreon (wahrscheinlich 501/0) der abschlufs,
in dem die formel des ratseides festgestellt ward, die ohne zweifei die aus-
drückliche Verpflichtung auf die demokratie und die Verfluchung der
tyrannis, wahrscheinlich auch des anschlusses an Persicn enthielt, gleich-
zeitig beschloi's man auch in dem collegium der Strategen die Volksver-
tretung nach den neuen phylen durchzuführen; da die feldherrn immer
noch regimentscommandeure unter dem commando des polemarchen
blieben, die aushebung immer besorgt haben, so heilst das, dafs die,,
bildung des heerbannes nach der neuen gliederung des Volkes erst
jetzt eingeführt ward, es war das eine sehr bedeutende Stärkung der
demokratie. nun gab es keine kriegsgenossenschaft der Paraler mehr,
wie sie in richtiger wiedergäbe der alten zeit Euripides einführt, son-
dern der Eleusinier diente mit dem Dekeleer zusammen, der Aphidnaeer
mit dem Phalereer. das gemeingefühl der neuen regimenter ist rasch
erwachsen; es lebt in den leichensteinen des Kerameikos und in mat-
terem abglanze in den leichenreden : aber schon unsere berichte über
die Schlacht von Marathon unterscheiden die regimenter und Kleidemos ^
der atthidograph hat die besonderen Verdienste der Aiantis bei Marathon
und Plataiai so stark hervorgehoben, dafs man annehmen mufs, er hat
kriegführung. daran schliefst Herodot die Übersiedelung des Hippias nach Sigeion
und die definitive abwendung Athens von den Persern und lenkt in seine erzählungj
von der reise des Aristagoras durch Hellas wieder ein, die etwa 502 1 war.
10) Ich habe das früher aus den latsachen geschlossen (Kyd. 115) und lege ihnen
auch jetzt allein das entscheidende gewicht bei. aber manchem imponirt ein zeugnis
mehr. Thukydides läfst den Euphemos in Kamarina sagen (6, 82) rjfteie . . . üelo-
novvrjaiois . . . say.exjjäfied'a ox(o roönco r^xiara vnaxovaofied'a. xal fiEza ra Mr/- .
Sixa vavS xrrjaafisvoi rrjS fiev y/axedaifiovieov uqx^jS nal i^ysfiovias anrjXXäyTj^iBV,'
und er setzt dies Verhältnis dem gleich, in das die lonier zu Athen traten, bei-'
läufig, ein Euphemos stellt 453 ein amendement zu gunsten der Egestaeer CIA IV 139:;
deshalb ist dieser zum Sprecher in Sicilien ausersehn, übrigens ist er von Anti-i
sthenes (Athen 220^) unter die üblen genossen der Periklessöhne eingerückt.
Athen nach 5U7. Verwickelung mit Persien. 79
in ihr gedient, geschätzt hat man diese empfindungen schon früher
richtig; das aher haben wir erst durch Aristoteles erfahren, dafs die
schönen siege über die Boeoter und Chalkidier noch von den aUen, uns
unbekannten, heerverbänden geschlagen sind.
Die demokratie hat vielleicht schon 501 sich verschworen, mit den verwicke-
Persern keinen vertrag zu schhefsen , und es mag sein , dafs sie durch Persien,
das ansinnen, das ihr von jener seite gestellt war, den Hippias wieder
aufzunehmen, gereizt war. man vergafs es gern, dafs man im dränge
der not von 507 selbst zuerst dort hilfe gesucht und die gesandten
sogar die Unterwerfung Athens augeboten hatten, jenes vorgehn war
ganz begreiflich gewesen, als Athen von allen selten bedrängt, von Sparta
sogar mit der rückführung des Hippias bedroht war. eben so begreif-
lich war es, dafs man die gesandten desavouirte, sobald man zu Sparta
wieder leidlich stand, die politik des Staates Athen hatte eben binnen
wenig Jahren eine volle axendrehung gemacht, erst mit Sparta und den
Alkmeoniden gegen Hippias, dann mit Sparta gegen die Alkmeoniden,
dann mit den Alkmeoniden gegen Sparta und Hippias. jetzt war man
wieder auf dem Standpunkte von 510, Hippias aber hatte seinen rück-
lialt an seinem lehnsherrn dem Perserkönig, das wies den Athenern
für ihr verhalten gegen Persien die wege. es kam hinzu, und das
war ungleich wirksamer, dafs die demokratie sich gegen den beschützer
aller zwingherren , das hohe nationalgefühl der ältesten lonierstadt sich
i!en bedrückten stammesgenossen drüben zuwandte, und Persien drohte
wirklich, das begriff man im nördhchen Hellas eher als im Peloponnes, wo
Sparta und Argos ihre alten händel ausfuchten , ohne viel in die ferne
zu sehen, die parteien begannen sich zu scheiden, wenn Euboia und
Athen durch die Sympathie und auch durch ihr handelsinteresse zu den
jtädten Thrakiens und Asiens gewiesen waren , so mufsten Thessaler
und Boeoter mit den Persern gehn, und dann wieder die Phoker auf
die Seite, wo die bedrücker nicht waren, zwischen denen eingeklemmt
sie kaum leben konnten.
Erst könig Dareios hat die Perserherrschaft den Hellenen drückend
gemacht, weil er ihnen mit kraftvoller machtentfaltung eine wirkhche
Reichsgewalt vor äugen stellte, und bald gieng er planmäfsig zu der
Unterwerfung Europas vor. der zug gegen die Skythen mislang zwar,
aher das machte nicht viel aus; Aischylos bat ihn ganz und gar ver-
gessen können, um 515 dachte man noch wenig an Persien, und was
die ionischen Stadtherren an der brücke geredet haben mochten, kam nicht
ins pubUcum, das in der tat auch nicht viel Interesse daran hatte, ob dieser
80 II. 3. Von Peisistratos bis Ephialtes.
oder jener tyrann aufstieg oder fiel, aber das gieng alle an, dafs die
llellespontische gegend ganz und gar persisch ward, eine insel nach der
anderen unterworfen ward, feste Zwingburgen in der salrapie Thrakien
sich erhoben, am Strymon, wo die Hellenen nie vermocht hatten, handels-
städte zu gründen, die erzeugnisse des I'onlos erhielt Hellas fortan nur
durch die gnade der Perser"): zumal Athen mufste diese verhinderte Sach-
lage bitter empfinden, der Philaide Miltiades war vasall des grofsherrn so
gut wie llippias. diese tyranncn empfanden das straffere regiinent des
Dareios am peinlichsten, die tributzahlung auf grund einer landvermes-
sung durch königliche bcamte, die ständige conlrolle durch die Satrapen,
die nicht selten einzelne personen scharf treffende königliche allgewalt.
so machten sie den versuch, sich des steigenden nationalen bewufstseiiis
zu bedienen, das sie selbst nur heuchelten, und Aristagoras von Milet
kam selbst nach Europa um hilfe. Sparta, der vorort des hundes, wies
ihn ab. es verdient weder lob noch tadel, noch soll man nach andern
motiven suchen: Asien lag ganz aufserhalb seines gesichtskreises'^j: das
hat es noch nach Salamis bewiesen, aber die ionischen städte , Athen
und Eretria'^), liefsen sich verführen, und eine kleine schar ihrer bürger
beteiligte sich an der Verbrennung von Sardes (wahrscheinlich 499). nach
der niederlage bei Ephesos gab Athen die sache loniens verloren und
glaubte wol, dafs das unüberlegte vorgehen keine folgen haben würde,
die einsichtigen aber wufsten nun, dafs die existenz des Staates auf des
messers schneide stand.
Die demokratische zeit leitet sich in der besten und vornehmsten
weise damit ein, dafs die personen der führer hinter dem volke ver-
schwinden, die ersten glänzenden siege sind an keines feldherrn namen
geknüpft; von leitenden Staatsmännern hört man nichts, für die ein-
sieht in die Zeitgeschichte ist das bedauerlich, denn so wenig wie auch
11) Die anekdote (Heiod. 7, 147) spricht das gut so aus, dafs sie Xerxes die
getreideschifTe den Hellespont passiren läfst, weil sie in 'seine provinz' Hellas führen, i
12) Vollends eine Unmöglichkeit ist, dafs die Skythen sich um seine beihilfe
bemüht haben sollen, Herod. 6, 84. die entstehung dieser fabel hat Nöldeke richtige
beurteilt (Gesch. Irans 36). sie richtet sich schon dadurch, daTs sie in der erzählung ;
des Skythenkrieges selbst nicht berücksichtigt wird.
13) Eretria hat mindestens einen teil von Euboia beherrscht, die Perser
nehmen ja auch 490 zunächst Karystos, das durch den fall Eretrias frei wird und
sich gegen das attische Reich sträubt, aber auch die nächstliegenden Kykladen
werden unter Eretrias hoheit gestanden haben; Simonides hat zuerst für Eretrier
gedichtet, dafs es mit Athen gegen Chalkis gestanden hat und einen teil von der
beute erhalten, ist eine ganz sichere folgerung.
Verwickelung mit Persien. 81
die demokratie der führer entraten kann, so wenig verschwand die
macht der geschlechter damit, dafs sie im aufbau des Staates durch die
gemeinde ersetzt wurden, und ein staat mag in ein par jähren die
verschiedenste poHtische richtung versuchen : der einzelne wechselt nicht
so rasch seine Stimmung und seine ansieht. Kleisthenes zumal mufste
immer ein todfeind Spartas bleiben, seit dieses darüber aufgeklärt war,
von ihm glänzend dupirt zu sein, es hat das, wenigstens im hasse con-
sequent, den Alkmeoniden nie vergessen, er wird auch die annäherung
an Persien, deren man sich nachher so sehr schämte, zu verantworten
haben, was weiter aus ihm geworden ist, ist gänzlich unbekannt, die
fiihrung des geschlechtes gieng vielleicht zunächst auf seinen bruder
Hippokrates über, der geboren sein mufs, als der ältere Megakles mit
Peisistratos freundliche beziehungen suchte, denn er ist nach dem vater
des Peisistratos benannt, als er auch starb, übernahm sein junger
söhn Megakles die führung der partei, und dieser trat den ahen freun-
den des Hippias wirklich nahe, das war begreiflich, ohgarchische ten-
denzen hatten beide parleien nicht, und das gefühl, hoch über dem
demos zu slehu, obwol sie ihn beschützten, hatten sie beide, und
wenn die tyrannenfreunde vielleicht am ehesten mit Persien sympathi-
sirten, so gieng das mit der alkmeonidischen verfeindung mit Sparta
gut zusammen, wenn wir die archontenliste wenigstens noch vollstän-
dig besäfsen, so hefse sich hoffen, aus den namen etwas zu lernen,
denn seit dem stürze der tyrannen waren die wählen directe, und noch
immer galt der beamte, der das jähr benannte, für den einflufsreichsten.
Isagoras hat seine revolution als archon gemacht; dafs sich Kleisthenes
an seinen platz gestellt hat, ist eine kaum abweisbare Vermutung, und
das nächste jähr scheint einem Alkmeon zu gehören, dem vater jenes
Leobotes, der den Themistokles beim Areopage denunzirt hat. aber dann
fehlen viele namen und die bekannten sind für uns leer.'^) auch den
14) 504/3 'Ay.eaTOQiSr,i. der name kehrt 474/3 wieder, das war also ein vor-
nehmes haus damals, der name ^AxearcaQ steht in dem pherekydeischen stemma der
Philaiden; zu Aristophanes zeit heifst ein tragiker so, der in vornehmen clubs ver-
kehrt, aber für einen Skythen gilt (Wesp. 1221 mit schol.). es ist ein name von
zweifelhafter Vornehmheit, denn er bedeutet 'flickschneider'; aber die gentilicische
endung macht ihn vornehm. 501/0 'EQiionQtcov klingt sehr ionisch. 500/499 in'
uQxövroä MvQov oder Hfivqov ist corrupt (Dionys 5, 50. anoXoyCa vtisq Mvqqov ist
titel einer antiphontischen rede, aber auch diese form ist seltsam), vielleicht gehört
in diese zeit der erste Phainippos, denn der archon der Marathonschlacht führt das
distinctiv ro SsixeQov. der name erinnert an den vater des daduchen Kallias
(Herod. 6, 121). ferner Lakrateides (schol. Ar. Ach. 220), aus dem geschlechte der
V. Wilamowhz, Aristoteles. II. 6
82 II. 3. Von Peisistratos bis Ephialtes.
lührer der asiatischen expedition Melanthios kennen wir nicht weiter.**)
erst 496 wird es licht, da wählte das volk den Ilipparchos zum archon
und sprach damit entschieden aus, dafs es mit dem ionischen aufstände
nichts zu thun hahen wollte, der von Aristagoras verloren gegeben war,
aber von den Städten, nam(!nllich Byzantion, Chios, Miletos, um so
energischer geführt ward, die Stimmung des volkes schlug erst um,
als Milet gefallen und zerstört war. im frühjahr 493 war die regierung
(der rat) freilich noch stark genug, den tragiker Phrynichos in geld-
bufse zu nehmen, weil er mit seiner kunst für das gefallene Milet ge-
wirkt hatte.'") als aber der tyrann Miltiades um aufnähme in seinen
alten bürgerverband nachsuchte, ward ihm das trotz lebhaften Wider-
spruchs bewilligt , und zum archon ward Themistokles aus Phrear ge-
wählt, der mann der aclion.
Miltiades. Miltiades hatte die thrakischen inseln verloren, aber im Chersones
sich behauptet, wenn auch mühsam"), und an dem aufstände kaum anteil
genommen, dennoch wufste er, dafs die Perser mit den compromittirten
sladtherren aufräumten, und zog es vor, seine ungeheuren schätze**) in
Sicherheit zu bringen, gewillt, wenn die Perser ihn verfolgten, in Athen
. widerstand zu leisten, auch in Athen konnte man sich nicht verhehlen,
dafs seine aufnähme consequenzen hatte, aber der reiche tatkräftige
Eumolpiden (Isaios 7, 9, wo trotz der rasur der liandschrift die falsche form AaxQu-
riSrjs edirt wird, 'JSy. aQx., 86 niv. 3. beiläufig: das geschlecht bewahrt also eine
voratlische namenforra, wie Aä^a'/fti und Aa^ä^rfi). endlich Kißon, unter dem
der ^Equi]s dyoQaXos geweiht ward (vgl. Herrn. 21, 600).
15) Man denkt an den afthidographen (vgl. oben I S), und den tragiker, aber
es ist überhaupt ein gut attischer name und sicher ein alter, denn es ist ein ad-
jektiv, von Milav&os gebildet wie JioviawG Ano'/.Xcüvios Jios JT]ur^r^i,os von den
götternamen. MäÄav&os aber ist der vater des Kodros in der attische legende, in
Wahrheit der Dionysos von Melaiuai.
16) Vgl. über die juristische und politische berechtigung dieser mafsregel
Herakl. I 91.
17) 495 hatte ihn eine Invasion der Skythen auf kurze zeit vertrieben. Herod.
6, 40. die faselei des Nepos 3 kann nichts gegen Herodot ausmachen.
18) Sie ertrugen ohne sich zu erschöpfen eine geldstrafe von 50 talenten, ^
Herod. 6, 136. [Demosth.] 26, 6. auch hier darf die spätere fabel nicht beirren, das • I
eingreifen des reichen Kallias ist in dieser geschichte eben so fabelhaft wie in der
des Aristeides; erfunden hat es vermutlich der Sokratiker Aischines. Ephoros hat
den Kimon das geld durch eine andere heirat gewinnen lassen, ixrlaai avrov t«
v' rdXavra yi^fiavra inixXr^oov nXovaiov ßiov habe ich in der einleitung zum
Kimon des Aristides für ;'. yvvalxa TtXovainv aus einer römischen handschrifl
notirt. die worte befriedigen noch nicht; die geschichte ist zweifelhaft, obwol weder
die eben noch die descendenz Kimons meines erachtens zuverlässig bekannt sind.
Miltiades. Themistokles. 83
manu imponirte dem volke, mit der parle! der alten tyrannenfreunde
verbanden ihn die traditionen seines hauses, der actionspartei war der
]*erserfeind lieb, so trat er in den bürgerverband ein, in den demos der
Lakiaden, in dessen gemarkung sein vorstädtisches gut gelegen haben
wird : bezeichnend, dafs man ihn dem diakrischen demos, der nach dem
Philaidengeschlechte biefs, nicht zuschreiben mochte, die furcht vor dem
tyrannen war gewifs nicht unberechtigt; aber dafs Miltiades die führung
der antidemokratischen partei sofort übernommen hätte, ist gewifs nichts
als schematische geschichtsconstruction.
Der neue archon Themistokles hatte nur sein politisches genie ihemi-
einzusetzen , aber das war der höchste einsatz. gewifs hatte er die ®'°^*-
torderung längst aufgestellt und wufsten seine Wähler, was seine wähl
liedeutete: die gründung einer flotte und eines hafens. als archon
hat er den hafen gebaut, der als kriegshafen von vorn herein ge-
^edacht war, also die gründung der flotte prinzipiell einschlofs. in der
tat war Athen von der seeseite ganz offen : mit dem täglichen Seewinde
konnten die Aegineten in ein par stunden auf der rhede von Phaleron
sein; man hatte es noch jüngst erfahren, und da die stadt Athen längst
den allen mauerring gesprengt hatte, auch die befestigungen der bürg
nach 507 nicht wieder hergestellt waren ***), so mufste viel geschehen.
Themistokles fieng mit dem hafen an. die schiffe gehörten dazu, denn
die Sollstärke der kriegsmarine belief sich nur auf die alten 50 offenen
kähne, von einer construction, die schon in gebrauch war, als Theseus
nach Delos segelte oder, wie wir moderner sagen 'können , als man die
Dipylonvasen bemalte, die seestaaten waren aber längst zum bau von
trieren fortgeschritten oder hatten doch wenigstens gedeckte schiffe, auf
denen schützen und lanzenkämpfer über den köpfen der rüderer fechten
konnten, diese galeeren verlangten eine grofse zahl von menschen, ihr
bau also eine sehr bedeutende Steigerung der Wehrpflicht und damit
eine ungeahnte belastung der finanzen. und wenn die menschen auch
ülierreichhch zur Verfügung standen, weil ja die hopliten nur aus den
drei oberen steuerclassen genommen wurden, so bedingte die einstellung
der theten auf der flotte doch zweierlei: eine belastung der besitzen-
den; denn man darf annehmen, dafs die trierarchie als öffentHche last
mit dem trierenbau von vorn herein verbunden war; und eine Steige-
rung des Selbstgefühles, also auch der politischen aspirationen der theten.
19) 480 mufslen die Verteidiger sich mit türflügeln und balken die berufene
hölzerne mauer herstellen (Herod. 8, 51): also war die steinerne nicht im stände.
6*
84 n. 3. Von Peisistratos bis Ephialtes.
in der Volksversammlung hatten diese das Stimmrecht ; hei den wählen
wirkten sie mit: sohald sie sich zu gemeinsamem wollen vereinten,
konnten sie hier ihren willen durchsetzen, wurden dann aber auch ihrer
macht sich bewufst. so ward der slaat durch die sorge für seine existenz
gezwungen, sich dem nieere zuzuwenden, damit war die demokralie
notwendig verbunden, sie allein konnte Athen retten und hat es ge-
rettet, aber die rücksichten auf die staatsünanzen und auf die forde-
rungen der unbemittelten hürger mufste sie früher oder später auf die
bahn einer expansiven politik treiben, denn so lagen die Verhältnisse
immer noch, dafs das ideal, dem der unbemittelte zustrebte, ein eigner
bauernhof war. wie der demos sofort, als er Chalkis besetzte, 4000 land-
lose gemacht hat, so ist schon 476 die colonisation der Strymontales ver-
sucht worden, es gehörte keine Sehergabe dazu, diese consequenzen der
maritimen politik Athens zu ziehen ; aber gerade darum scheuten sich
viele davor, und dem klar erkannten ziele festen Schrittes zuzustreben
ist kein kleiner rühm, der moderne betrachter mufs in Themistokles
den fortsetzer des kleisthenischen Werkes bewundern und wird ihm den
nächsten platz unter den attischen Staatsmännern zugestehn, den er in
der Schätzung seines Volkes durch habsucht, eigenliebe und verrat ver-
scherzt hat. dafs er seine plane nicht ohne heftige parteikämpfe durch-
gesetzt hat, sagt uns mehr die natur der sache und die langsamkeit des
fortschritts als die Überlieferung, aus seinem amtsjahre wissen wir nichts
als den hafenbau. Miltiades, der sein gegner genannt wird, war es
hierin schwerhch -°) : denn ohne flotte war ein widerstand gegen Persieii
undenkbar.
Die Schlacht Im sommcr 490 kam der Perser. Miltiades, den man wol in der vor-
"^^'thon'.^ aussieht zum Strategen für die Oineis gewählt hatte ^'), erzwang den aus-
marsch und erzwang die schlacht, als offensivschlacht, weil die Perser den
20) Das erzählt Stesimbrotos (Plut. Th. 4), weiter nichts, deno Plutarch fügt
diesen wie den Piaton aus eigner lecture in eine eigne betrachtung über den nutzen
oder schaden der flottengründung. diese aber ist, wie das detail lehrt, die von 483,
kann also mit Miltiades nichts zu tun haben, dafs Stesimbrotos den n^oarärTis >
T(öv yvwQCfiojv Atiu TiQoataxijS lov Srjfiov in diesem cardinalen punkte widerstreben i
läfst, ist natürlich, und Marathon war ja auch eine landschlacht. aber die tiqo-
araoia icöv yvcogi/xcov ist von Kirnen auf seinen vater übertragen, der kaum drei
jähre in Athen gelebt hat.
21) Dafs Aristeides und Themistokles Strategen ihrer phylen Antiochis und ,
Leonlis gewesen wären, wie die spätere Überlieferung behauptet, ist unverbürgt,
glaubhafter noch von dem ersteren. die Jugendgeschichte von beiden ist völlig! ■
werllos. (
Die Schlacht bei Marathon. 85
angriff auf die in den defilöes vorteilhaft postirten Athener nicht wagten.
es ist der Unverstand und die misgunst allein, die diesem tage abstrei-
ten, dafs das schlichte vertrauen auf gott und die eigene tüchtigkeit
wider alle voraussieht menschlicher kleingläubigkeit den tapfern den
sieg gegeben hat.^^) das ist die hauptsache; ob die feinde alle in
schlachtreihe standen, wo die (fabelhafte) reiterei blieb, ob die Athener
im Sturmschritt oder im laufschritt vorgiengen -^), und wann das signal
"marsch! marsch!'^ gegeben ward, das sind schliefslich bagatellen. die
Perser fuhren ab , geschlagen , aber natürlich materiell im stände an
einem andern punkte Attikas mit überlegnen Streitkräften zu landen,
aber es ist mit dem moralischen eindruck etwas eigentümliches, sie
verspürten nach dieser erfahrung keine lust, wieder gegen Athener zu
fechten, noch 479 war es so. die Athener aber konnten die tragweite
ihres erfolges so bald nicht ermessen, als das lakonische beer, das aus
jener bequemen reHgiosität, die immer einen starken beigeschmack
von furcht und von bösem willen hat, zu spät eintraf und sich die ge-
fürchteten herren Asiens in pumphosen mit krummen säbeln und silbernen
felilbetten betrachtete, da entschuldigten sich die attischen bürgertruppen
l)ei den hochedlen Spartiaten, die nach dem glauben der zeit den waffen-
nihm allein acht und unverfälscht zu führen berechtigt waren, beinahe
wie klein Roland " ach edler vater, zürnt mir nicht, dafs ich erschlug den
groben wicht, die weil ihr eben schliefet." 479 aber meinten dieselben
Spartaner "kämpft ihr lieber mit den Persern; ihr kennt sie ja." vor
den Persern hatte man verlernt sich zu fürchten, aber vor verrat fürch-
tete man sich vielleicht schon auf dem schlachtfelde^), und schwerhch
22) T]igiaxov xaTatpvyrjv airols eis aviois fiovovS elvai y.nl rois d'eovs sagt
Platon Ges. 699'* von den Athenern von 480. zehn jähre früher pafst es noch besser.
23) Der fabelhafte lauf sollte niemanden quälen : Artemis hat ihnen die kraft
zu den ßoriSgo/uia gegeben und erhält zum danke das ziegenopfer, vermutlich auch
einen festlichen S^ojuos in waffen. vgl. I 7, anm. 132.
24) Die famose geschichte, dafs ein schild von Verrätern aufgesteckt wäre,
um die abfahrenden Perser nach der wehrlosen Stadt zu locken (Herod. VI 115, 127),
lichtet sich selbst, welche Verabredung sollte denn vorhergegangen sein, welche
Voraussetzungen gemacht, dafs die Schilderhebung den Persern verständlich geworden
wäre? und wohin ist der Verräter geklettert? etwa auf den Brilettos? die Perser
I fuhren nach Süden ab, die stadt war wehrlos: da war der rückmarsch für die Sieger
! ein gebot der klugheit und der not. es war ein hartes gebot, und es ist ein schönes
1 zeichen für die disciplin, dafs es erfüllt ward, wenn sich dann die sorge um die
i heimat und der Unwillen über den gewaltmarsch (einerlei, wie lange er dauerte) und
! die Wut wider die Verräter, deren treiben sie fürchteten, zu dem glauben verdichtet
liat, den Persern hätte ein abscheulicher mensch die fahrt eingegeben, und der oder
86 H. 3. Von Peisistratos bis Ephialtes.
ohne griind ; war doch ehen Eretria durch verrat gefallen, da der
kämpf mil Maralhon unmöglich zu ende sein konnte, war allerdings eine
consequentere politik notwendig, als man sie 499 — 94 getrieben hatte.
Die besei- in der ersten freude war Miltiades herr der läge und er nutzte sie
ligunj^ der
grofsen iu tyrannenart aus. sich selbst liefs er eme flotte mitgeben; was er
iKuisei. mit ihr machte, war seine saclie. das ist der weg zur tyrannis, man
kann's nicht anders nennen, sein zug gegen Faros, an sich wider das
Interesse Athens, scheiterte ; geschlagen und schwer verwundet kehrte er
heim, aber die Athener waren keine thrakischen Dolonker, die ihren
herrn freudig wieder aufgenommen hatten, als er von der flucht zurück-
kehrte. Xanlhippos, Ariphrons söhn, aus einem -vornehmen paraUschen
geschlechte ■■^), der schwager des Megakles, belangte ihn vor dem volke
als e^aTtar^aag rov öijiiiov in der nächsten regelmäfsigen Versamm-
lung, das Volk war so erbittert, dafs es wie später an den feldherren
im Argin usenprocesse selbst richter spielte, und nur das eingreifen des
Vorsitzenden bewahrte ihn vor der hinrichlung. die bufse von 50 ta-
leuten konnte das vermögen des tyranncn tragen; sein söhn ist ein
reicher mann geblieben. Miltiades selbst starb an der wunde.**^) zum
der hätte da oder da einen erliobnen scliild gesehn , gewifs hätte das was zu be-
deuten, u. s. w., so ist das ganz der Situation gemäfs. natürlich haben sie auch
gleich bestimmte personen bezichtigt, lediglich weil sie auf diese verdacht hatten,
aber damit ist die geschichte zu ende, eine sehr verkehrte kritik, aber ganz ia
seinem sinne, ist die des Herodotos, der das factum zugibt und die Alkmeoniden
von der schände reinwäscht, lediglich auf die probabilität hin, dafs die befreier un-
möglich mit den tyrannen conspiriren konnten, jetzt werden wir wol erleben, dafs
die Alkmeoniden bezichtigt werden, aber der schild preisgegeben wird: denn wer
selbst von Sunion heraufgefahren ist, selbst auf Brilettos und Lykabettos gestanden
und die äugen aufgemacht hat, mufs diese fabel durchschauen.
25) Der name ^AgifQcov war den Athenern unverständlich; die ostraka haben
'AoQifQcov (wie der Athener für 'AqaifQcav cos 'AQaCvoosAQaiTtnr) gesprochen hat),
in der tat ist diese vorsylbe nicht mehr attisch, es ist also einer der altererbten
namen. er steht auch unter den ältesten archonten oder königen. Perikles nannte seinen
zweiten söhn Paralos, daher habe ich seine heimat immer in der Paralia gesucht;
TlaQÜlios erscheint wirklich als name eines Anagyrasiers CIA II 660. sicherlich mit
unrecht hat TöpfTer das geschlecht in den Buzygen gesucht, was städtischen adel
ergeben würde, sein einziger beweis ist schol. Aristid. pi'o IFviris 472, 73 Ddf.
der scholiast aber hat einen offenbaren Irrtum begangen, da erden vers des Eupolis
ö Bov^vyrje aQiaros ahztj^ios auf Perikles deutet, während er den Buzygen Demo-
stratos angeht, der vers ist zudem eine antwort auf eine frage des Perikles, für
die eine bezeichnung herzlich schlecht passen würde, die auf Perikles selbst zuträfe.
26) Wir sind gehalten, nur auf Herodot und Piaton zu hören, datirt wird der
tod des Miltiades auf zwei jähre nach der schlacht in der einleitung der rede des
Aristides auf ihn. das ist trug, gemacht um des Schuldgefängnisses willen.
i
Die beseitigung der grofsen adelhäuser. die reform der archontenwahl. 87
archon für 489/8 ward Aristeides gewählt, auch er aus städtischem
adel-'), ein entschiedener demokrat, der mit Philaideu und Alkmeoniden
gleich wenig zu tun hatte, welche Stellung er sonst in dieser zeit
einnahm , ist nicht ersichtlich, es müssen aber jähre lebhaftester er-
regung gewesen sein, denn das volk griff zu der äufsersten waffe, zum
Scherbengericht, um einen festen curs zu bekommen, es war noch
Kleisthenes gewesen, der diese institutipn geschaffen hatte, die er ohne
zweifei fremdem vorbild, vielleicht den Argivern, entnahm, und die
solche wirren, wie sie 510 — 507 Athen fast um seine existenz gebracht
hatten , beseitigen sollte.^*) aber bislang war man so ausgekommen :
jetzt bejahte das volk die Vorfrage, und gleich mehrere jähre hinter ein-
ander. Hipparchos war der erste, der aus dem lande verwiesen wurde,
dann ein oder der andere seiner anhänger, dann Megakles, den die
Chronik zu den tyrannenfreunden rechnet, dann dessen schwager Xan-
thippos. so wurden nach einander die alten grofsen geschlechter besei-
tigt, Philaiden, Peisistratiden, Alkmeoniden. die welche blieben müssen
als die treibenden kräfte bei diesem vorgehn angesehn werden, die beiden
demokratischen führer, Aristeides und Themistokles. als sie das feld für
sich frei hatten, wurden sie natürhch rivalen, und Aristeides mufste
weichen.
Aber man stritt nicht nur um personen und dachte nicht nur an Die reform
Dareios. die demokratie machte in demselben jähre, wo der erste ostra- tenwahi.
kismos statt fand, einen grofsen schritt vorwärts, der archon und seine
27) Das folgt nicht aus dem demos Alopeke, in dem er ja nur 507 gewohnt
zu haben braucht, aber avoI daraus, dafs er sein landgut und sein familiengrab in
Phaleron hatte (Demetrios bei Plut. 1), den namen seines vaters Lysimachos führt
ein College des Schatzmeisters Andokides um 600 (CIA IV p. 199). dafs Aristeides
sich dem Kleisthenes angeschlossen hätte, ist erstens ein zug der Jugendgeschichte,
die bei diesen männern allen nichts anderes als freie fiction sein kann, zweitens soll
er damit im gegensatze zu Themistokles als conservativer Staatsmann bezeichnet
werden, wie diese grundfalsche Charakteristik in alter und neuer zeit mode ist. in
Wahrheit ist er TtQOtTrdTrjs rov S^uov, das zeigt seine politik.
28) Dafs Kleisthenes den ostiakismos mit einer spitze gegen die Peisistratiden
und speciell gegen Hipparchos eingeführt hätte, wie Aristoteles erzählt (22, 3),
ist falsch geschlossen, weder war diese gefahr 507 dringend, noch hätte Kleisthenes
dann sich gescheut, die gefährliche person so oder so anzugreifen, der ostrakismos
ist eine rohe aber praktische entscheidung des Volkes, ob es eine bestimmte person
noch haben will; er entspricht den 'mistrauensvota' parlamentarisch regierter länder.
deshalb ist immer, wo wir es controUiren können, einer da, für den der ostrakismos
die unbestrittene macht bedeutet, und die erfahrung mit Isagoras konnte dem
Kleisthenes allerdings dieses mittel empfehlen.
88 !!• 3. Von Peisistratos bis Ephialles.
collegen hatten, seit sie durch directe wähl hestelll wurden, eine über-
wiegende macht besessen; die wählen selbst müssen den zwist der parteien
alljährlich brennend gemacht haben, nun grifl' man auf den solonischen
wahlmodus zurück, die erlosung aus einer durch wähl festgesetzten can-
didatenliste. diese wähl der candidaten ward den gemeinden überwiesen,
ähnlich wie es beim rate geschah; man fragt vergeblich, wie denn die 50
candidaten, die auf eine phyle kamen, auf die gemeinden verteilt wurden ;
vermutlich ist die Präsentation durch phylenwahl bald eingetreten, die der
später üblichen erlosung von 10 präsentanden in der phyle vorher-
gegangen sein mufs. der erfolg der neuerung ist sofort ersichtlich, der
einflufs eines mannes, der sonst das volk bestimmt haben mochte,
konnte nun nicht einmal die phyle beherrschen, das amt, das so hoch
gehalten worden war, behielt den nimbus der höchsten Stellung noch
lange, hatte damals natürlich noch viele wichtige geschäfte, vor allem
eröffnete es die dauernde teilnähme an der regierung allein, weil es die
stufe zum Areopage war; aber die führenden männer verschwinden mit
einem schlage aus der archonlenliste, und wenn der polemarch Kalli-
machos bei Marathon noch eine wichtige person ist, so hört man schon
480 und 479 nichts mehr von dem polemarchen. der tag der Strategen
Aenderung Und rheloreu ist angebrochen, die Strategen mochten damals noch die
der ^irn.—
tegie. führung der zehn regimenter haben , obwol ihre Verwendung als
floltenführer und als deputirte Athens im Hellenenrate schlecht damit
vereinbar ist. dann hat es doch nicht lange gewährt, bis man den fol-
genreichen schritt tat, die führung der regimenter der neugeschaffenen
Charge der taxiarchen zu übertragen , die Strategen aber zu den exe-
cutivbeamten des volkes zu machen,-^} damit war eine magistratur ge-
schaffen , vergleichbar den consuln der römischen republik im zweiten
Jahrhundert v. Chr., und die vornehmen männer, die sich nicht gern
mit den handwerkern in den rat der 500 setzen mochten, fanden eine
legitime art dem volke zu dienen und doch ihr Standesgefühl zu be-
haupten.
483 stand Themistokles ohne rivalen da. er vollendete jetzt seine
plane für die gründung einer flotte; es mufs aber in dem Jahrzehnt
seit seinem archontenjahre mancher schritt vorwärts getan sein, die
notwendigkeit hatte sich auch sehr bitter fühlbar gemacht, in einem un-
glücklichen kriege, den Athen mit Aegina geführt hatte, dals dieser den
29) Die reform ist immer noch nach unten nur durch die anführung der taxi-
archen bei Aischylos frgm. 186 begrenzt.
Aenderung der Strategie, der aeginetische krieg. 89
liaiiptanlafs zu der flotteDgründung gegeben hat, wird allgemein berichtet.
wir können den krieg aber nur ungefähr datiren und hören wenig,
weil Athen ungern von ihm sprach.^")
Seit Athen an eine Seemacht dachte, war ihm die damals als eine per aegine-
hochburg des Dorertums blühende Stadt, die dem Pindaros die hebste
gewesen ist, ein dorn im äuge, und 491 hatte es eine günstige gelegenheit
gefunden, Aegina im Hellenenbunde zu discreditiren, weil seine herren,
an deren hellenischem Patriotismus seit Aiakos und Telamons Zeiten
kein zweifei war, dem könig Dareios gehuldigt hatten oder gehuldigt
haben sollten, die herren hatten auch an ihren handel zu denken, und
der Perser war weit; sie mochten die sache als eine leere höfhchkeit
ansehen, und es war vielleicht nicht mehr, aber der vorwand war vor-
züglich, und man meint das diplomatische geschick des Themistokles zu
spüren, wenn man hört, wie Sparta auf die attische anzeige bin ein-
schreitet und nach einigen Weiterungen durchsetzt, dafs eine anzahl der
angesehensten Aeginelen nach Athen als geisein für das wolverhalten
der Stadt, die ja zum peloponnesischen bunde gehörte, ausgeliefert wur-
den, Athen behielt dieses wertvolle pfand auch , als Kleomenes starb,
und in Sparta der wind umschlug, und es versuchte nun einen ent-
scheidenden schlag zu tun. auch in Aegina gab es, wie überall, eine
dem herrschenden adel abgeneigte partei, die unter der flagge der de-
mokratie zur herrschaft zu kommen strebte, mit dieser knüpfte Athen
an; es ward eine combinirte action verabredet, aufstand in der Stadt
Aegina und landung eines athenischen heeres. Athen verschaffte sich zu
dem behufe 20 schiffe von Korinth, da sein bestand für den transport der
hopliten nicht reichte, aber der plan mislang, weil der aufstand zu
früh losbrach, gleichwol konnten die Aegineten in der Verwirrung
die landung der Athener nicht hindern, die sich zu der belagerung der
Stadt von der landseite anschickten, und die sache wäre vielleicht doch
noch gelungen, wenn nicht ein freiwilligencorps von Argos gekommen
wäre, da die Korinther von dem zuge wufsten, konnte er auch in Argos
leicht bekannt werden, und der todfeind Spartas stand diesmal auch
wider Athen, die Argiver schnitten die Athener von ihren schiffen ab;
die Aegineten benutzten deren Verwirrung zu einem Seegefecht, und
wenn auch die meisten attischen schiffe heil nach hause kamen, so
konnten sich doch von dem beere nur ganz wenige retten, es war
ein starker schlag, den man namentlich im ehrgefühle noch lange
30) Ygl. die beilage 'der erste krieg mit Aegina'.
90 !'• 3. Von Peisistratos bis Ephialtes.
nicht verwand, dafs man nun die gefangenen losgeben raufste, zumal
die Aegineten schon vorher eine attische festgesandtschaft aufgegriffen
hatten, und sich mit den übermütigen nachbarn einigermafsen vertragen,
war nicht zu vermeiden, man dachte aber, aufgeschoben ist nicht auf-
gehoben, siedelte die aeginetischen demokraten, so viel ihrer hatten
Hieben können, in Sunion an und liefs sie auf eigene faust ihre lands-
U^ute durch seeraub belästigen, vor allem aber ward man nicht etwa
an den demokratischen führern irre, die zweifelsohne die sache ange-
stiftet hatten, sondern sah nur ihre alte forderung durch die tat ge-
rechtfertigt: Athen mufste eine flotte haben.
Die grün- Die zclt der niederlage von Aegina begränzt sich von selbst durch
Xnte.^' 489 und 484; dafs sie 30 jähre vor dem fall Aeginas, 457, stattgefunden
hat, ist überhefert und stimmt hierzu, aber die zahl ist rund, da auch
die zahl der attischen schiffe, 50, die normale der naukrarien ist, so
hilft auch das nicht, doch wird man nicht unter 487 hinabgehen, da
man doch für den flottenbau eine längere zeit braucht, und die hef-
tigkeit des parteikampfes in Athen sich gut erklärt, wenn die gemüter
durch eine solche niederlage erbittert waren. Themistokles hatte eben
manchen harten straufs zu fechten, aber 483 war er herr der Situation :
dafs er es war, verdankte er nicht zum mindesten der mahnung,
welche den Athenern der anblick des Zeusberges von Aegina täglich vor
äugen hielt.
Es wird in der neunten prytanie, mai 482, gewesen sein, dafs dem
Staate aus den Pachtgeldern einer neu erschlossenen silbermine ein
grofses capital zur Verfügung staud. da setzte er durch, dafs man dies
geld in dem bau von 100 trieren anlegte: sie sind es gewesen, die bei
Salamis die freiheit gerettet haben, die chronik, der Aristoteles folgt, hat
die merkwürdige, auch von Herodot (7, 144) nicht übergangene tatsache
in der form einer anekdote überliefert, von der die geschichte absehen
mufs. aber der beschlufs des trierenbaues auf antrag des Themistokles
ist ihre notwendige Voraussetzung, wir werden allerdings der voraus-
sieht und der energie des Themistokles unsere bewunderung nicht ver-
sagen: er benutzte die erbitterung Athens gegen Aegina um waffen
wider Xerxes zu schmieden, dessen rüstungen 482 längst begonnen
hatten, es war die höchste zeit gewesen. 481 schon gruben hunderte
an dem Athoscanal, schleppten die lastschiffe den proviant für tausende
in die festungen an der thrakischen etappenstrafse. im frühjahr 480
kamen die schifte und die zimmerleute, um den Hellespont zu über-
brücken; der grofskonig an der spitze des ungeheuren heeres durchzog
Die gi'iindung der flotte, die Vorherrschaft des Areopages. 91
Asien : unaufhaltsam, unentrinnbar wälzte sich die barharenmasse gegen
das kleine Hellas, und Apollon verkündete den Untergang der freiheit.
In der stunde der not (frühsommer 480) riefen die Athener die Themisto-
. , • I 1 ■ l^lßs und
landesverwieseneu zurück: wer nicht kam, war em Verräter, und dazu Aristeides.
ward nun der anhang der Peisistratiden. Aristeides, Xanlhippos, Megakles
kehrten heim und ordneten sich dem Themistokles unter, der die seele
der Verteidigung war. seine autorität entschied im kriegsrate des Hellenen-
bundes ebenso wie im rate des Areopages, und wo sie es nicht tat, fand
er meist mittel und wege, dennoch seinen willen durchzusetzen: er hat
sowol den Xerxes wie die Hellenen zur schlacht bei Salamis gezwungen.
im herbst 480 konnte er wirkhch das gefiihl haben, das ihm die anek-
dole leiht: "weifst du, dafs du über die Hellenen herrschest,^' sagte er
zu seinem buhen; "was du willst, tut die mutter, was die mutier will,
ich, und was ich will, Hellas." aber schon im frühjahre 479 konnte
er es nicht mehr sagen, seine rivalen waren wieder da, und seine aller-
dings ungeheure eigenwilUgkeit und rücksichtslosigkeit mufs das volk
kopfscheu gemacht haben, sie wählten Aristeides und Xanthippos zu
feldherrn, Myronides und Kimon zu gesandten nach Sparta. Themisto-
kles tritt 479 gar nicht auf, und dafs ohne ihn nicht minder glänzende
siege gelangen, in Aristeides aber das volk einen führer gewann, der bei
den Hellenen allerorten die vollste Sympathie erweckte und frei von
der av-d-ädetcc des Themistokles war, mufste trotz Salamis diesen noch
mehr in den schatten stellen, nur als es gilt, seinen alten plan der
halenbefestigung zu vollenden und die Stadt hineinzuziehen, ist er neben
Aristeides berater und ausführer; vielleicht reizte ihn noch mehr die
aufgäbe, die Spartaner, seine wärmsten Verehrer, zu dupiren. sonst
zehrte er von seinem rühme und verbrauchte ihn. vielleicht war er
gar nicht mehr so gefährlich, wie er sich stellte, aber er spielte min-
destens den gefährlichen und den Verräter, männer dieses Schlages
lassen sich nicht kalt stellen, er war allen unheimhch und auf seinen
ostrakismos folgte bald die acht.
Die aufgaben der auswärtigen politik, die erfolge, welche bald be- Dievorhen--
wirklen , dafs die beziehungen zu den ehemals dejm Perser dienenden Areopages.
Hellenen innerpolitische wurden, die einrichtung in dem eigenen neuen
hause und in dem weiten reiche, das Aristeides 478/7 gegründet hatte,
liefseu dem demos lange zeit keine mufse, über die Verfassung nachzu-
31) Xanthippos verschwindet mit dem jähre 479; lange hat er wol nicht mehr
gelebt, sein söhn leistet mitte der sechziger jähre die choregie, weitere anhalts-
punkte fehlen. Megakles führt eine dunkele existenz.
92 II. 3. Von Peisislratos bis Ephialtes. .
(lenken, in den kriegen, glücklichen und unglücklichen, waren Kimon
und andere wesenthch militärisch begabte oder doch tätige männer, wie
Leagros, Leokrates, Myronides, dauernd die führer; in den bundesan-
gelegenheiten Aristeides. wir hören von keinerlei parteiungen oder
Verfassungsänderungen, die leitenden männer gehören meistens den
alten familien an, aber die geschlechter- und clientelpolitik ist der ge-
nieindeordnung fast erlegen, nur die Philaiden mit ihrem reichtum
bilden noch eine partei im alten sinne, und der feldherr, der im aus-
lande über das geschick von vielen gemeinden und unzähligen indivi-
duen verfügen kann, gewinnt dadurch eine neue mächtige position,
schliefst gastverlräge, wird proxenos, vemittelt die entsprechenden ehren
in Athen , schliefslich zieht er fremde nicht blofs als metöken , sondern
selbst als bürger in die heimat.^^)
Die grüfse des horizontes, den jetzt die attische Staatsleitung um-
spannen mufste, forderte mehr einsieht, als der bauer sich füglich zu-
traute, selbst der feldherr, der auf einem punkte draufsen tätig war,
konnte nicht wol mehr als der arm Athens sein, die archonten safsen
nun zwar zu hause, aber sie hatten ihre festen Verwaltungsgeschäfte;
die grofse politik gieng sie nichts mehr an. das hirn Athens war der
Areopag, der zwar nicht die Verhandlungen mit den bündnern führte,
aber die controUe der beamten hatte, für ihre amtshandlungen be-
schwerdeinstanz war, in die meisten gebiete der Verwaltung eingriff,
kurz "wächter und bewahrer der Verfassung" war. aber die qualität
dieses hohen rates sank in folge des gesetzes von 486 immer tiefer,
damals safsen alle bedeutenden männer darin , die das vertrauen des
Volkes einmal zu beamten gewählt hatte; damals entsprach er dem
sullanischen Senate, oder vielmehr erst ein etwa nur aus den gewesenen?
curulischen beamten bestehender senat würde ihm entsprechen, das
verschob sich notwendiger weise von jähr zu jähr mehr, die namhaften
mitglieder wurden überständig oder starben, die neueintretenden hatten
weder die fähigkeit noch die autorität, die gegenüber der steigenden
schAvierigkeit der regierung und der steigenden bedeutung der Strategen
allein die Stellung dieses rates hätte behaupten können, es waren zwar
32) Vgl. die 0ovxvSiSai, Kefa).os Oovquvs. beiläufig, wenn man auf die
funde schon einen negativen schlufs bauen kann, so sind bürger abhängiger Reichs-
städte zu der würde des ji^S^svos l^i)'T]vaio)v nicht mehr zugelassen, und das ist
in der Ordnung, da sie ja ihren gerichtsstand in Athen so wie so haben, und nicht
der Untertan den vorort beschützen kann, für Lesbos Samos Chios gilt das natür-
lich so wenig wie für Thessalien oder Akarnanien.
Die Vorherrschaft des Areopages. Ephialtes. 93
leiUe der beiden obersten steuerclassen, und die erforderlichen sechs
alinen schlössen die gesammten neubürger immer noch aus; aber es
liefs sich doch niemand mehr so leicht zum archon praesentiren, der die
Strategen oder demagogencarriere einschlagen wollte, kein namhafter
mann begegnet in der liste mehr, wol aber die angehörigen der alten
adelshäuser; Praxiergos (471/70) und Demotion (470/69) werden den ge-
schlechtern angehören, deren namen sie führen. Konon (462/61) ist doch
wol der grofsvater des siegers von 394 aus Anaphlystos. Habron (458/7)
führt den namen von verwandten des Butaden Lykurgos. über andere
mag ich nichts vermuten, es war also natürlich und berechtigt, dafs
mijstände fühlbar wurden, und es so nicht weitergieng : die reform des
Areopagitenrates war eine notwendigkeit geworden, auf der andern seite
gewann der rat der 500 an Selbstgefühl und an bedeutung. mit ihm
verhandelten die gesandten der vielen untertänigen Städte, er sorgte für
die flotte, die dem volke diese macht verschafft hatte, und die einnahmen
aus den zollen giengen durch seine band, er empfand die concurrenz
des in so vielen stücken über oder nebengeordneten rates der Areopagiten
als einen unberechtigten druck, die demokratie konnte nicht wol anders
als die beseitigung des Areopages anstreben, es ist nicht schwer sich
manche modalitäten auszudenken, wie man dies oberhaus hätte erhalten
oder erneuern können, was für die Stetigkeit und besonnenheit der po-
litik dringend erwünscht gewesen wäre, aber das ist Spielerei: der weg,
der der entvvickelung Athens vorgezeichnet war, gieng dahin, den oberen
rat durch den unteren zu ersetzen. Athen war eine demokratie: der
demos wollte selbst den herren spielen.
Die herrschaft des Areopags, oder vielmehr der gesellschaftskreise,
die seit den Perserkriegen die regierung in den bänden hatten, war nicht
so leicht zu stürzen, sie hatten den erfolg der politik für sich, deren
Programm, krieg wider die barbaren und einvernehmen mit Sparta, see-
herrschaft aber verzieht auf die herrschaft in Hellas, einfach und ver-
ständHch war. und so wol die kleinen leute, die er durch seine libera-
lilät an sich fesselte, wie die alten Soldaten, die er stets zum siege ge-
führt hatte, hiengen an dem loyalen feldherrn der herrschenden partei,
an Kimon. die demokraten eröffneten den kämpf durch eine reihe von
rechenschaftsprocessen gegen mitglieder des Areopagitenrates, und es
wird nicht bestritten, dafs diese des unterschleifes schuldig waren, nocli
auch dafs ihr ankläger, Ephialtes dos Sophonides söhn, ein mann, dessen Ephialtes.
herkunft und vorleben uns gänzHch unbekannt ist, persönhch flecken-
los war. wir empfinden unsere mangelhafte kenntnis des geltenden
94 II. 3. Von Peisistratos bis Ephialtes.
rechtes sehr deiithch, denn wir müssen uns eingestehn, dal's weder er-
sichthch ist, wie einzelne Areopagiten Staatsgelder zu verwaUen hatten,
noch hei welcher gelegenheit und in welcher form sie von Ephialtes zur
rechenschaft gezogen wurden, wir müssen uns mit der allgemeinen
aufsieht des Areopages, wie sie später der rat ausübt, über den schätz
und die kolakretencasse begnügen; übrigens konnten die schuldigen
Areopagiten selbst noch finanzämter bekleiden, da der eiritritt in diesen
rat nicht zu andern iimtern disqualificirte. genug, es gelang dem
Ephialtes das ansehen des regierenden rates zu erschüttern, dann machte
man sich an Kimon, als er wegen seines thasischen krieges rechnung
legte, das erneute scheitern der colonisation Thrakiens mag die bürger
schwer verstimmt haben, und es mag sein, dafs der söhn einer thraki-
schen fürstentochter mit den barbaren des Pangaiou zu sanft verfahren
war. aber die beschuldigung, dals er geld genommen hätte, war doch
zu absurd bei dem manne, der geld nicht bedurfte und auch in bösen
dingen kein Themistokles war. aber vielleicht hatten auch die ankläger
seine freisprechung vorausgesehen, jedenfalls erlitten sie dadurch keinen
rückschlag, vielmehr gieng unmittelbar darauf das gesetz des EphiaUes
durch, das den Areopag prinzipiell aller Verwaltungsgeschäfte entkleidete,
und in dem processe seihst hatte sich in Perikles nicht ein gehässiger
ankläger compromittirt, sondern in durchaus vornehmen formen ein über-
legner Staatsmann eine neue und klare pohtik entwickelt, der söhn des
Xanthippos und neffe des Megakles war der geborne gegner der Phila-
iden : der aber hier auftrat, wollte sein, was seine ahnen aus Überzeugung
nie gewesen waren, TtgoavaTv^g rov dri(.iov. er versprach dem volke
der jungen, die den Mederkrieg als etwas vergangenes, das Reich als
etwas gegebenes ansahen, ihre politischen forderungen zu erfüllen : ihm
geborte die zukunft. das mochten sich viele sagen, dafs aber der de-
mokratie schon im folgenden jähre die gegenwart zufallen würde, ge-
schah seltsamer weise eben dadurch, dafs für einen augenblick Kimon
das übergewicht erlangte und die hilfe, um die die Spartaner flehentlich
baten, nach Ithome führen durfte. Sparta hat gewifs nichts weniger
gewünscht als die Athener zu brüskiren, aber ihre anwesenheit im Pelo-
ponnes war für sein prestige und die treue seiner bündner ungleich ge-
fährhcher als der aufstand der heloten. wir können auch glauben, dafs
nur die athenische Überlieferung die heimsendung Kimons als einen
schimpf darstellt, und Kimon selbst anders gedacht hat. für den erfolg
war das gleich, die spartanerfreundliche politik hatte abgewirtschaftet,
Kimon selbst verfiel dem Scherbengericht, und nun nahmen die allzu-
Ephialtes. die Vollendung der demokratie. 95
lange aufgestauten demokratischen wasser einen nur zu stürmischen lauf.
.s sind die eigenthch entscheidenden jähre für Hellas, in denen sowol die
(athenische demokratie ihre Vollendung erhalten hat wie auch das attische
Reich: beides ewig denkwürdige gebilde; gleichzeitig aber hat Athen so Die voiien-
viele und so schwere kämpfe nach aiifsen geführt, dafs es sowol dem demoUrafie.
ruin wie dem vollsten triumphe ganz nahe gekommen ist. es sind wie
die entscheidenden, so leider auch die am schwersten kenntlichen jähre;
obwol die Zeitrechnung der kriegerischen ereignisse sich mit befriedigen-
der Sicherheit feststellen läfst und eine anzahl politischer reformen nun-
mehr auch an bestimmte jähre gebunden werden kann, fehlt es nur zu
sehr an concreten tatsachen und gänzlich an einem zusammenhängenden
l)erichte. nur die grundlinien der entwickelung lassen sich ziehen.
An die stelle des Areopages trat als centralinstanz der Verwaltung
der rat der 500, die gemeindevertretung Athens, erst jetzt sind für
ihn die diaeten eingeführt, die einfach notwendig waren, wenn die
ratsherren das ganze jähr in der stadt leben ^^) sollten, im rate lag die
gesammte finanzverwaltung; nach wenig jähren zog man auch die
reichscasse nach Athen, dem rate fiel die controUe der beamten zu,
aller mit ausnähme der feldherren: die magistratur war zu einem organe
des rates geworden, die archonten, die candidaten zum Areopag, ver-
loren auch die letzte beschränkung durch den census: jeder waffen-
fähige, jeder bauer, der ein joch ochsen im stalle hatte, konnte sich zur
losung melden, diese neuerung hat besonders viel erregung verursacht,
aber sie war eine ganz gerechtfertigte consequenz der degradation der
magistratur und des Areopags. auch für die geschworenen ward ein
bescheidener sold bewilligt: das war die notwendige consequenz davon,
dafs man die privatprocesse der bündner nach Athen zog, und dafs die
grenze, bei welcher der magisirat nicht ohne Zuziehung von geschwornen
das urteil finden durfte, immer tiefer gesteckt ward; das einzelne ist uns
unbekannt, aber wol sehen wir, dafs ein neues gerichtshaus nach dem
andern gebaut werden mufs, und dafs in den Statuten, die Athen bei
der oder jener gelegenheit den einzelnen Reichstädten aufzwingt, die
33) Wenn man dem rate diaeten zugestand, so war das bediirfnis dazu hervor-
getreten, d. h. es hatten die ratsherren in folge der vermehrten geschäftslast zu
häufig gefehlt, ^ie prytanen, die doch wol schon eher in permanenz gewesen sind,
werden naturalverpflegung erhalten haben, es folgt, dafs der rat in älterer zeit
nicht nur nicht täglich, wie später, sondern selten Plenarsitzungen hielt, auch das
Volk wird erst jetzt regelmäfsig in jeder der drei zehntägigen wochen eine Sitzung
gehalten haben.
96 II. 3. Von Peisislratos bis Ephialles.
bestimmuDgen über die rechlspflege durch attische geschworne ein wich-
tiges capitel werden, man hat damals eine besondere behörde für die ein-
bringiing bestimmter befristeter processe geschaffen (die eiaaytoyfjg),
eine andere für die processe der seeleute, die nicht warten konnten
(die vavroöUai), denen man dann, wol für die zeit, wo die schiffer
nicht processiren konnten, auch andere beschäftigungen gab. man hat
auf die demenrichter des Peisistratos zurückgegriffen, um 'auf dem lande
eine rasche erledigung der rechtshändel zu gewähren und die städtischen
tribunale zu entlasten, dafs die gemeinden im ganzen 6000 männer
für den geschwornendienst praesentirten, aus denen in jedem falle die
notwendigen ausgelost wurden ^^), ist sicherUch eine ältere einrichtung
(mag auch die zahl erst jetzt so hoch gebracht sein), denn die auslosung
ist Sache der archonten, die bestimmung der gerichtstage und hofe der
thesmotheten. aber es wird erst jetzt der schritt getan sein, aus dem
richteralbum für eine reihe Obliegenheiten beamte zu erlosen, die dann
nur eine bestimmte kürzere zeit, aber mit fester besoldung tätig waren,
noch ganz anders als durch die magistrate führte so das volk selbst sein
geschälte, die städtische centralisation bezweckte man nicht, so wenig
es Peisistratos getan hatte, aber der wirtschaftliche aufschwung brachte
sie mit sich, jetzt wie damals, und an eines gieng man mit äufserster
energie, sobald man nach aufsen zu activer pohtik sich entschloss<'ii
hatte, man vollendete das niemals fallen gelassene, aber von der frü-
heren regierung absichtlich verschleppte werk des Themistokles, verband
Athen mit dem hafen und der see durch schenkelmauern, machte es zu
einer uneinnehmbaren festung, aber auch zu einer grofsstadt und zu
einer seestadt. nicht ohne grund sahen gerade hierin die "ansehnlichen
leute" den Untergang von Altathen, die leidenschaft in dieser durch
34) Die leute vom lande mufsten in die Stadt gehn, auch auf die gefahr hin,
dafs die thesmotheten keine gerichte hielten, und dann war es nichts mit dem
solde: so schildert es beweglich der Wespenchor 304. damals hatte das keine
gefahr. wenn kein festlag war, oder Volksversammlung, konnten die ausgelosten
auf den sold rechnen, und mit der üblen chance, dafs ihn das los nicht träfe,
rechnet auch der chor nicht, also fanden in der regel die erschienenen alle Ver-
wendung, die spätere complicirte procedur der losung existirte natürlich nicht,
nun denke man sich die ältere zeit, ohne diaeten, mit wenig processen. da kann
doch nur der einzelne heliast, der im albuni stand, von dem archon seiner phyle
citirt sein, oder es sind feste gerichtstage gehalten, dafs wir das nicht wissen, ist
ein deutliches zeichen, wie wenig man die alten Verhältnisse später sich auch nur
denken konnte; dafs man jetzt danach so wenig fragt, zeigt, wie wenig man sich
die dinge lebendig macht.
Die voUendun» der demokratie. 97
Kimons landesverweisung geschlagenen partei scheute nicht vor dem
nieuchelmord zurück, der den Ephialtes beseitigte, noch vor der con-
spiration mit dem landesfeinde, den sie freilich in den Spartiaten nicht
i sehen mochten und noch nicht zu sehen brauchten, aber die Vater-
landsliebe überwog denn doch im entscheidenden momente. als bald
nach der änderung der archontenwahl, kurz vor der Vollendung der
schenkelmauern ein peloponnesisches beer bei Tanagra an der grenze
Attikas erschien, hat die attische aristokratische partei, bei der Kimon
: selbst in ritterlicher weise seinen einflufs geltend machte, in kämpf und
tod den flecken von ihrem ehrenschilde abgewaschen, aber auf die
isHieren Verhältnisse hat sie keinen einflufs gehabt, ihre söhne, nicht
mehr aristokraten, sondern oligarchen, sind minder zurückhaltend ge-
wesen; sie führten 411 und 404 dieselben schlagworter im munde, aber
es waren phrasen geworden; die "^väterliche Verfassung' war tot, und
die sie herzustellen versprachen haben nur die geschichte Athens mit dem
blute vieler und mit dem eigenen befleckt.
Leider, so mufs man sagen, waren die kimonischen traditionen
nicht eben so machtlos in der äufseren politik. freilich als er aus Athen
wich, nahm man den kämpf mit Sparta, oder da dieses zur zeit macht-
los schien, mit seinen verbündeten, Korinth an der spitze, nicht nur
auf, sondern schuf sich durch den bund mit Argos eine operationsbasis
l'iir die bezwingung des Peloponneses, und gelangte auch dazu, Aegina
eüdlich ganz in eigne band zu bringen und an mehreren ecken des
P'loponneses fufs zu fassen, gleichzeitig gieng man gegen die delphische
Aiiiphiktionie vor, die ein äufseres band um die nordgriechischen stamme
schlang, und hier gelang trotz dem für die peloponnesischen waffen
ruhmvollen tage von Tanagra die Unterwerfung fast völlig, die eine
hälfte des programms der jungen, herrschaft in Hellas, schien sich zu
verwirklichen, ja sie hätte sich verwirklicht, so gut wie sie es im Reiche
tat, wenn die jungen in allem die majorilät gehabt hätten, aber das
notwendige complement, friede mit Persien, wagte man nicht einmal
laut zu fordern, dazu waren die erinnerungen an 479 noch zu stark,
und wenn auch bürgerkrieg kein griechisches wort ist, mit dem die
modernen rasch bei der band sind um die athenische politik zu stigma-
tisiren, so hatte der kämpf wider die barbaren doch einen ganz andern
reiz als der wider die Boeoter. so kam es zu dem unverantworthchen
Wagnis, mitten in dem schwersten hellenischen kriege den abtrünnigen
Vasallen des Grofskönigs in Kypros und Persien zu hilfe zu kommen,
einmal engagirt, fand man nicht den entschlufs zum rückzuge, und so
V. Wilamowitz, Aristoteles. II. 7
98 n. 3. Von Peisistratos bis Ephialtes.
hat man die entsetzlichen Verluste herbeigeführt, die Athen zwangen
mitten im siege zu hause inne zu halten, während doch schon selbst in
Sicihen sich günstige anknüpfungspunkte für fernere Unternehmungen
zu bieten schienen, das athenische volk mochte sich freilich den eigent-
lichen grund des miserfolges nicht eingestehn , es vertraute sich noch
einmal dem Kimon an, als dieser nach ablauf des zehnjährigen bannes
heimkehrte, er war der alte geblieben, er sicherte sfch notdürftig
den rücken durch ein abkommen mit Sparta, das neuerstarkt nur einen
Waffenstillstand mit kurzer frist zugestand, segelte in das ferne kyprische
meer, schlug die Perser und erreichte doch nichts als einen nur äufser
lieh militärisch ruhmvollen abschlufs seines lebens. trotzdem, dafs mit
ihm die perserfeindliche politik zu grabe gieng, gelang es Athen nur
mit äufserster not und dank dem diplomatischen geschick des Perikles,
bei dem zusammenbrechen seiner festländischen herrschaft für diesen
verzieht die anerkennung des Reiches und der seeherrschaft zu sichern.
Perikles. Perikles, der führer der demokratie, hat die Verantwortung für die
reformen der fünfziger jähre zu tragen, auch die für das programm,
dem er vierzig jähre lang treu geblieben ist. an den Unternehmungen
wider Persien hat er sich nie beteiligt, vielmehr, sobald Kimons tod ihm
freie band liefs, ein einvernehmen mit Artaxerxes herbeigeführt, das bis
zu dessen tode angehalten hat. es kann ihm nicht nachgewiesen werden,
dafs er nach westen in abenteuerlicher weise überzugreifen jemals ge-
dacht hat, nicht einmal nach den dorischen inseln , Kreta oder Thera
und Melos, hat er die band ausgestreckt, er hat nur das Reich mit be-
wufster consequenz als ein object der athenischen herrschaft behandelt,
nicht mit tyrannischer gewalt, aber mit energie. bedrückt hat er die
bundesgenossen nicht, aber zu Untertanen hat er sie gemacht, es ist
ihm nie in den sinn gekommen, Athen in das Reich oder in Hellas auf-
gehn zu lassen, gerade nach den Verlusten in Aegypten hat er das
attische bürgerrecht beschränkt, um das eindringen der halbschlächtigen
zu verhindern, das Peisistratos und Kleisthenes befordert hatten, er hat
nachdrücklich damit ernst gemacht, auf dem boden der bundesstädte
aufserhalb Asiens (wo ihn wol die rücksicht auf Persien band) athenische
gemeinden zu gründen und so dem vordringen des bürgerlichen Pro-
letariats zu steuern, aber er hat sein volk, das über Rhodos und 3Ii-
letos gebot, allerdings zum herrn auch über Sparta und Korinth machen
wollen: die herrschaft in Hellas war sein programm 462; er hat es trotz
den zwischenstreichen der kimonischen politik und trotz dem schweren
frieden von 445 nicht geändert, ruhige Überlegung, aber ohne furcht
Perikles. 99
vor den klar erfafsten consequenzen, zeichnet seine politik ebenso aus
wie die vornehme, etwas hartnäckige iinempfindhchkeit gegen hemmnisse
und Störungen, er ist nicht der mann der genialen experimente wie The-
mistokles; er verschmäht das blendwerk der glänzenden coups, das sonst
die Politiker in demokratischen Staaten meist notig haben; er rechnet
mit den Ziffern des Schatzes, den beständen der arsenale und den summen
der wehrpflichtigen lieber als mit den imponderabilien der volksgunst
und Volksstimmung, er ist nicht officier und nicht finanzmann, nicht
Volksredner und nicht parteihaupt, oder auch er ist dies alles, nämlich
so weit es der politiker, der Vertrauensmann des attischen Volkes sein
mufste. er ist kein liebenswürdiger mann, was die leute so nennen,
zecht nicht mit seinesgleichen und noch viel weniger mit den Htteraten,
singt keine verse und läfst auch keine auf sich machen; er buhlt nicht um
das lob der dichter und kauft es auch nicht, aber der komoedie hätte er
gern den mund gestopft, er hat genug tüchtige und hingebende männer
um sich gehabt, die unter ihm an seinen werken schafften, und von denen
keinem der gedanke mit ihm zu rivahsiren kam, aber einen freund hat er
nicht gehabt, sein leben ist einsam gewesen.^^) keine spur führt darauf,
35) Das 'perikleische Zeitalter' mit seinen heiteren dem cultus der Schönheit
hingegebenen Griechen, in der mitte der Maecen oder Mediceer Perikles, die geistig
ebenbürtige, ihm durch eine gewissensehe verbundene Aspasia am arme, ist eine er-
findung des deutschen romantischen philheilenismus, bat aber so viel wert wie Kaul-
bachs Blüte Griechenlands, und Aspasia ist das widerlichste darin. Perikles hat
in standesmäfsiger ehe zwei söhne erzeugt, sich dann von seiner frau geschieden
und etwa als mann von fünfzig jähren in sein einsames haus, das auch keine gaste
sah, eine concubine genommen, ganz wie Aristoteles, die beiden frauenzimmer
zeigen ihren stand genügend durch ihre namen ^äanaaia und ''EqtzvXXCs. in Athen
heifst keine anständige frau Aspasia; in lonien ist man mit den namen nicht
so streng, aber ein beliebter hetaerenname war es auch da, und der tradition,
die Aspasia einen vater gibt (Axiochos von Milet), steht gleichberechtigt die
andere zur seite, dafs sie eine kriegsgefangene Karerin war (schol. Aristid. 464).
nun haben die 'armen geschöpfe' es gut genug gehabt bei ihren herren, die
auch für ihre kinder gesorgt haben, aber natürlich mufste Aspasia manchen
unglimpf leiden um des platzes willen, den Perikles in der weit einnahm, noch
mehr als dieser den unehelichen söhn nach dem tode seiner ehelichen kinder
legitimirte; sie mag sich auch nach des herren tode anspruchsvoll benommen haben,
zum entgelte verfiel der sokratiker Aischines darauf, in einem dialoge sie als eine
Ninon einen salon halten zu lassen, ja er mochte sie so weit idealisiren, dafs er
anständige frauen bei ihr einführen konnte, wie Xenophon und gemalin, der leider
zu Aspasias lebzeiten weder verheiratet war noch es sein konnte, trotzdem gefiel
ihm das compliment; und er erwiderte es nach der sitte der zeit in den zwei er-
wähnungen Aspasias, die sein nachlafs bietet, so ist die geistreiche hetaere, die
7*
100 II- 3. Von Peisistratos bis Ephialtes.
dafs für irgend eine kunst eine ader in ihm geschlagen hätte: dafs er den
Parthenon und die Propylaeen hat hauen lassen, heweist das nur dann,
wenn die bauten Schinkels für den geschmack Friedrich Wilhelms III.
heweisen.^") aber an den politischen und juristischen speculationen des Pro-
tagoras hat er antcil genommen, mit dem exegeten des väterlichen rechtes
Lampon hat er verkehrt, dem sophistischen städtegründer Hippodamos hat
er die anläge der hafenstadt anvertraut, und wenn er als geborner
ehrenmann vielleicht vor dem dienste der gützen dieser weh gefeit war,
so dafs geld ehre und genufs ihn nicht verlockten: dafs er über aber-
glauben erhaben war und von den schlagen der Tyche niemals gebeugt
worden ist, dankte er dem einflusse der physik und noch mehr der selbst-
Egeria des Peiikles lancirt worden, die denn auch der Verfasser des Menexenos
(oder doch der rahmenerzählung dieser rede) aufgriff, diesen Schriftsteller nennen
sie jetzt wieder Piaton: sie bedenken wol nicht, dafs der dichter Diotimas nicht
der mann war, sich eine hure zur heldin zu wählen. nÖQvr] hat sie Eupolis ge-
nannt, nicht zum höhn; als er die Demen schrieb, war das weib verstorben oder
verdorben, sondern in bittrem ernste: Myronides braucht das auch in Athen harte
wort gegenüber dem Perikles, dem er sagen mufs, sein söhn würde längst eine
politische rolle spielen, wenn er nicht den makel des hurensohnes trüge. Eupolis
hat als einziger neben Thukydides und noch schöner, weil er ein dichter war, den
Perikles gewürdigt: was er von Aspasia sagt, hat gewicht, und kein zeuge des fünften
Jahrhunderts urteilt anders, ich bin nicht so albern , dem toten frauenzimmer zu
grollen, aber man soll es lassen wie es ist, tot und ein frauenzimmer. leute, di^
ohne weibliches parfum keine geschichte riechen mögen und ihre beiden nicht'
menschlich finden, wenn sie nicht unterweilen girren oder meckern, mögen Hamer-
ling statt Thukydides lesen, aber es ist kein kleines zeichen von der würde der
attischen geschichte, dafs nur ein weib in ihr vorkommt, das aber beherrscht sie;
die Jungfrau von der bürg.
36) Naiv ist vollends sich Perikles in menschlichem verkehr mit Pheidias
zu denken, der gesellschaftlich und nach seiner bildung (einen hexameter konnte er
nicht machen) ein ßävavaos war und blieb, vereinzelt kommt es ja vor, dafs eia
mann aus besseren kreisen wie Kepliisodotos eine bildhauerwerkstatt hat, aber die
regcl ist, dafs solche leute zum band werk gehören und in ihren kreisen bleiben^
das altertum ist von der Verkehrtheit, die bewunderung ihrer werke auf ihre per-
sonen zu übertragen, völlig frei, meiner meinung nach liegt die vortrefflichkeit der
antiken kunst zum guten teile daran, dafs man sich um die künstler so wenigF
kümmerte, keine kunstakademien und künstlcrheime hatte, und von keinem ge-j
sandten forderte, dafs er mit seinen einladungen 'bis hinab zum künstler' gienge.|
diese meinung ist gleichgiltig: aber wer von der ideengemeinschaft zwischen Peri-^
lUes und Pheidias redet, beweise erst, dafs Staatsmann und bildhauer eine gemein-
schaft und Pheidias ideen hatten, äugen hatte er und bände, das sieht man, und]
das ist genug, die ideen empfieng er wie sein volk von den dichtem und wcisen^l
er gab ihnen gestalt: darin liegt seine gröfse.
Perikles. 101
losen forschernatur des Anaxagoras, der einsam lebte, wie er selbst, bei
dem lernte er die weltauffassung, die den zweck des lebens in die anschau-
ung des unendlichen y,6af.iog, der Ordnung und der Schönheit des alls, ver-
legt, und dem entsprechend dem Individuum gebeut, zugleich sich in die
eigene Sterblichkeit zu schicken und die ewigkeit in der seele zu tragen
(ad-avara q)QOVElv). weil sie aus der tiefe einer denkgewohnten seele
quoll, rifs seine ernste beredsamkeit die menge fort, auch wo sie sie nicht
verstand, und die fassung, die er bei seinem trüben einsamen ende
bewahrte, hat dem Protagoras worte der bewunderung abgenötigt, aber
er war doch weit entfernt von diesen männern des d-ecoqiiTLv.bg ßiog,
und der y^öof-iog, dem er diente, und den er zu verwirklichen strebte,
war die freiheit und die herrschaft seines Volkes, an die logik der de-
iiiokratie hat er geglaubt, an die macht der iaovof.iir], und an die ma-
xime £v reo Ttolh^ svi xa nävxa (Herod. 3, 80). die logische ge-
schlossenheit des demokratischen majoritätssystemes hat seinen dem ab-
slracten zugewandten sinn eingenommen, und radical, wie die mathe-
matiker sind, hat er keine consequenz des prinzipes gescheut, freilich
nur für seine Athener galt das Xoov. dafs sie zum herrschen über
Hellas berufen seien, weil sie tüchtiger wären, durch ihre freiheit und
gleichheit tüchtiger, hat ihn mit fug Thukydides sagen lassen, dafs sie
die machtinittel hätten, die herrschaft zu erringen, wenn sie sie nur an
der rechten stelle brauchen wollten, hatte er 462 schon begriffen; daran
ist er nicht irre geworden, wie an nichts, wer sich seine Überzeugung
zu einem exempel gemacht hat, das nun einmal richtig ist, kann sie
nimmermehr aufgeben, und so hat er 432 dasselbe ziel zu erreichen
versucht, das er sich dreifsig jähre vorher gesteckt hatte, man wird ihn
von der Verantwortung nicht freisprechen dürfen, den krieg gewollt zu
haben, denn er hätte ihn hinausschieben können, wie es sein alters-
genosse, der brave könig Archidamos wollte, vielleicht ist es vor dem
richterstuhle der höchsten moral vßgig, überhebung und sünde, einen
solchen schritt zu tun: die arrj , die jede überhebung demütigt, ist
ja auch nicht ausgebheben, indessen Perikles, der rechner, durfte sich
sagen, dafs aller berechnung nach der sieg nicht zweifelhaft sein könnte,
dafs niemand so wie er befähigt wäre, sein volk in dem kämpfe zu
führen, und dafs es hohe zeit wäre, falls er diese rolle noch spielen
sollte, aber es zeigte sich, dafs rechnen nicht genügt für die pohtik,
weil menschenseelen ein anderes sind als trieren hophten und talente,
ganz ungerechnet die tücke des Zufalles, das daL(.t6vL0v cpd^oveqov v.al
zaQaxcüäeg, das die pest sandte, und weiter zeigte sich, dafs die ab-
102 II- 3. Von Peisistratos bis Ephialtes.
straction, das demokratische gleichheits- und majoritätsprincip, wiederum
die menschenseele mit in rechnung zu stellen vergessen hatte, die ge-
neration, die 430 jung war, verlangte stürmisch die tyrannis über die
bündner, über Hellas, über die weit, und verlangte für jeden Athener
die gleiche summe von Vorrechten , auf dafs jeder so eine art tyrann
würde, evöaificov, loöd-eog.
Piaton hat schon recht, wenn er in Perikles den gröfslen diäyiovos
des Volkes sieht, den grofsen volksverführer : aber er steht auf der hohen
warte seines Staates, und er schreibt unter den trümmern von 403.
Herodotos hat auch recht, wenn er den hohepunkt der weltentwickelung
in dem demokratischen Athen des Perikles sieht, die athenische demo-
kratie, wie Perikles sie vollendet hat, ist ein gebilde, zu fein für men-
schen, und darum denen selbst verderblich, die sie zur herrschaft beruft;
an der politik des Perikles ist Hellas zu gründe gegangen, aber was
wäre schon, das für die menschen nicht zu fein wäre? Piatons Staat
ist es erst recht, und der Staatsmann, der in der grauenhaften folge
von wüsten und blutigen Jahrhunderten, die wir Weltgeschichte nennen,
einen augenblick geschaffen hat, zu dem wir sagen mögen, verweile doch,
du bist so schön, ist trotz allem ein grofser zauberer gewesen.
4.
nATPI02 nOAITEIA.
Das Volk der Athener, das seit dem frieden mit den Peloponnesiern Die ver-
445 ein zwar gegenüber den hoffnungen von 460 beschränktes, aber hiütezeit.
dafür von den andern mächten anerkanntes reich beherrschte, konnte
mit fug und recht sagen, dafs die souveränetät bei ihm selbst stünde,
ro -/.qocTog oder to zvgog ercl t(o S^f.i(p. die Vorstellung herrschte, dafs
alle Athener gleichberechtigt wären, und der wille der majorität der
wille der gesammtheit. sv yag rw ytolXu) %vi ra Tcävra, wie Herodot
sagt, so wird to :rclrjS^og to ^Ad^iqvaUov identisch mit o drji^ios o ^Ad-t]-
vcüiov. jeder Athener galt als zu allen regelmäfsigen ämtern befähigt;
er sollte es verstehn sowol zu gehorchen wie zu befehlen, und die gleich-
berechtigung aller forderte demnach einen turnus für die bekleidung
der ämter, drjiiiog 6 aväaasi diadoxaloiv ev uegei IviavalaiGiv, wie
Theseus sagt, die classenbeschränkung galt zwar noch dem buchstaben
nach; an die finanzämler kamen nur leute aus der ersten classe, die
letzte hatte auf gar kein wirkliches amt anspruch. aber trotz den ver-
änderten besitzverhällnissen war der census der alte geblieben; was
wollten 500 scheffel sagen? die kleruchien machten immer mehr theten
zu grundbesitzern ; giengen sie dorthin , so waren sie faktisch von der
Staatsleitung ausgeschlossen ; blieben sie zu hause, so machten die zinsen
ihres pächters sie wahlfähig, aufserdem verdienten sie bei dem dienste
auf der so gut wie stehenden flotte, als schützen, Wächter und in ähn-
lichen Stellungen, und zu den körperschaften, die gerade besonders ein-
flufsreich waren, den 6000 geschworenen und dem rate, hatten sie recht-
1) Aus der notorischen Zersplitterung des grundbesitzes folgt bewirtschaftung
durch unfreies gesinde. von den preisen und dem ertrage wissen wir zu wenig,
aber lohnend war auch dieses gewerbe, und über die concurrenz des pontischen
getreides hört man keine klage.
104 n. 4. nüroios TioXixEia.
lieh zutritt, und seit für beide ein niäfsiger sold gezahlt ward, konnten
sich auch unbemittelte zur losung melden, die hauptsache freilich tat
der allgemeine wolstand dazu, dafs die beteiligung an der Staatsverwal-
tung für die ungeheuren anforderungen leidlich ausreichte, und der
census nicht fühlbar war. steuern wurden nicht gezahlt; der weg, die
bemittelten für das allgemeine zu den nötigen opfern zu bewegen, war
in der ausbildung der persönlichen leislungen für das allgemeine {h]-
TOVQylai) gefunden, die ursprünglich ein aualogon zu dem persönlichen
band-, spann- und Kriegsdienst gewesen waren, aber seit für den letzteren
sold gezalilt ward, band- und Spanndienst vorwiegend nur noch für die
einzelgemeiude und phyle in belracht kam, war die liturgie das mittel,
den reichtum in einer weise zur Steuer heranzuziehen, die in einer
Vermögenssteuer erst dann ein volles analogon finden würde, wenn
diese eine hohe erreichte, die uns für unerträglich gilt, zum ent-
geh für sein opfer war der trierarch officier, und zwar ein hoher und 1
im Reiche aller orten angesehener, der grundbesitzer, der die last
der Pferdezucht trug, diente auch bei der cavallerie, was an sich schon
für eine auszeichnung galt, die vielen liturgien, die der belustigung und
annehmlichkeit, zum teil auch der Unterstützung des demos dienten,
brachten nur ehre und höchstens einflufs auf die Stimmung und die i
stimmen des Volkes, dafs dies System nicht versagte, lag erstens und" ■
vornehmlich an dem wolstand, den die machtslellung des Reiches und
Athens im Reiche den einzelnen verlieh, dem kaufherrn und industri-
ellen eben so gut wie dem grundbesitzer. zweitens aber war diese art \\
munificenz von alters her in den herrschenden familien geübt worden,
und wer durch jungen reichtum in diese reihe aufstieg, durfte und
mochte mit ihm nicht knausern, der Staat aber hatte eine gefahr glück-
lich beseitigt, als er die private munificenz in ein ziemlich festes steuer-
wesen verwandelt hatte: noch Peisianax und Kiraou hatten den markt
mit hallen und bäumen als private geschmückt; das haus des polemarchen
trug den namen dessen, der es erbaut hatte, am giebel. so etwas ist
in der perikleischen zeit abgestellt; weder er noch PSikias haben den
Staat beschenkt, das volk bat den Parthenon gebaut, und es wachte,
wie auch in an sich unverbürgten anekdoten durchklingt, eifersüchtig
darüber, dafs kein einzelner ihm die ehre dieser bauten entzöge.
Der souverän war selbstverständlich unverantwortlich und gebunden
nur an die gesetze, die er selbst festgestellt hatte, also wol zu ändern
die macht hatte, aber nicht zu übertreten, der souverän besafs aber
schlechthin keine initiative, er stimmte in jedem einzelnen falle nur zu
Die Verfassung der bliitezeit. 105
loder lehnte ab. somit war immer ein individuum da, das die Verant-
wortung für den souverän rechtlich und factisch trug, wer den sou-
verän zu ungesetzlichem verleiten wollte, konnte deswegen gerichtlich
belangt werden, und schon ein einzelner in der Volksversammlung konnte
durch seinen einspruch, in der form einer klaganmeldung, einen antrag
oder beschlufs wenigstens suspendiren. falls aber das ungesetzliche oder
auch schädliche schon beschlossen oder geschehen war, so konnte der
belangt werden, der den demos "^betrogen' hatte, auch konnte jeder den
antragsteiler verklagen, weil er "^ein unpassendes gesetz beantragt hättet
Da es factisch undurchführbar war, dafs jeder einzelne bürger in
jedem falle von dem teile souveränetät, der auf ihn kam, gebrauch
machte, so war das volk oder auch die majorität der Athener durch
legalfiction vorhanden, wenn eine durch gesetz bestimmte Vertretung der
gesammtheit factisch die souveränetät übte, das galt in Wahrheit schon von
der Volksversammlung, für deren Sitzungen es keine numerische beschrän-
kung der beschlufsfähigkeit gab, aufser für besondere fälle, wo schrift-
liche abstimmung gefordert ward {v6(.iol erc^ ccvÖql). aber davon zieht man
vor nicht zu reden, dagegen gilt der satz, dafs die richterliche, schlecht-
hin infallible und inappellable {avvnsvd-vvog\ übung der souveränetät,
ganz besondere ausnahmen abgerechnet, immer vom volke nur ideell,
factisch aber von einer Vertretung desselben ausgeübt wird, deren stärke
das gesetz vorsah, das gericht ist rechtlich immer identisch mit dem
Volke, sonst hätte sich seine unverantworthchkeit gar nicht aufrecht halten
lassen, auch das gericht mufs berufen werden, entbehrt also der initia-
tive, und zwar geschieht dies, w'eil es eine sehr alte, spätestens solonische
einrichtung ist, durch die archonten, an die sich die übrigen beamten
zu wenden haben, wenn sie eine sache vor das volk zur richterlichen
eotscheidung zu bringen wünschen, die archonten aber sind nicht frei
in der auswahl der Volksvertretung, sondern erlosen die gesetzliche zahl
von Volksvertretern, und sie tun das nicht aus der ganzen summe der
teilnehmer an der souveränetät, sondern aus einer alljährlich von ihnen
in bestimmter gesetzlicher form aufgestellten summe von 6000 unbe-
ischoltenen über 30 jähre alten bürgern, diese 6000 im ganzen sind
Inur» so viel wie zur beschlufsfassung in sachen, die wie die processe
leinen einzelnen bürger angehn, für die Volksversammlung erfordert sind,
sie vertreten das ganze volk, sind aber selbst in jedem einzelnen pro-
cesse durch einen manchmal sehr geringen bruchteil (201) vertreten,
die legalfiction geht also sehr weit, die gerichte entscheiden oft nur
die schuldfrage, so dafs damit nach mafsgabe des gesetzes die strafe ge-
106 II. i när^tos Ttohreia.
geben ist. öfter noch bestimmen sie mit der vollen Freiheit des Sou-
veräns auch das strafmafs. aber die strafvoUstrecUung steht nicht in
ihrer band, auch sie entbehren durchaus der execulive.
Die 6000 richter sind eine Vertretung der bilrgerschaft wirklich,
in sofern sie nach den gemeinden erlost sind, in die das attische land
und die attische bilrgerschaft zerfüllt, wahrscheinlich aus einer candi-
datenlisle, welche diese aufstellten, dieses selbe princip der repraesen-
lalion beherrscht die magistralur und den rat. aber sobald der Vertreter
einer gemeinde oder phyle richter oder beamter wird, bort er auf seinen
kleinen teil zu vertreten: er ist vielmehr träger der souveränetät der
sammtgemeinde. in ekklesia und heliaea gibt es in folge dessen keinerlei
berücksichtigung der Unterabteilungen des Volkes.
Das hauptorgan, durch welches der souverän die executive übt,
ist der rat. rat heifst er und ist er, da er dem souverän alle seine be-
schliisse vorzubereiten und ihm in erster linie seine vorschlage zu unter-j
breiten hat. er ist aber längst eine und zwar die vornehmsle handelnde
behörde geworden, er besteht aus 500 Vertretern der gemeinden, fiir
welche dieselbe qualification wie fiir die richter gilt, nur dafs man richter
zeitlebens, ratsherr höchstens zweimal auf ein jähr sein kann, durch den
rat allein verkehrt das volk mit dem auslande, mit jeder fremden person
und sogar mit den eigenen beamten. in allen fällen, wo eine gesandt
Schaft oder sonst ein ausländer oder auch ein beamter als solcher mit
der Volksversammlung direct verkehren will oder soll, führt ihn der
rat bei dem volke ein. verantwortlich ist der rat natürlich seinem
souverän, aber der einzelne ratsherr unterliegt als solcher nicht der
rechenschaftspflicht. der rat verfügt über die höchsten souveränetäts
rechte, denn er kann selbst einen bürger an leib und leben strafen,
ohne dafs diesem wie gegenüber allen andern beamten die ecpaoig sig
drAaorr^Qiov, die athenische form der provocatio ad popnlum zustünde,
aber er ist nicht mit dem souverän ideell identisch wie die gerichte:
er kann vielmehr selbst an diese eine sache überweisen; dagegen kann
er kein gericht selbst berufen, sondern bedarf der vermittelung der ar
chonten: die gerichte sind eben mindestens nicht jünger als der rat.
Die civilbeamten werden, so weit sie jährig sind, in der weise- er-
lost, dafs sie die phylen oder auch deren Unterabteilungen, die trittyeD,
vertreten; daneben kommen für einzelne vorübergehende amtliche tätig-
keiten commissionen in betracht, die aus den 6000 richtern genommen
werden, die beamten werden erst auf ihre Würdigkeit von dem gerichte
geprüft: so corrigirt der souverän die willkür des loses, sie stehn zumi
Die Verfassung der blütezeit. 107
grüfsten teile, insbesondere so weit sie Staatsgeld verwalten, unter der
coutrolle des rates; dieser und das gericht besorgen ihre rechenschafts-
abnahme. aufserdem entscheidet der souverän in jeder der 10 verwal-
tungsperioden des Jahres, ob sie sein vertrauen noch besitzen, sie haben
eine durch feste instruction eng begrenzte sphaere der tätigkeit und sind
gehalten, so bald sich ein bürger, von bagatellen abgesehen, ihrem spruche
nicht unterwerfen will, die entscheidung des Souveräns anzurufen, d. h.
sie berufen ein gericht, dem sie Vorsitzen: nur dieser vorsitz in eigner
s;ii he ist noch ein rest ihrer ehemahgen Selbständigkeit, sonst ist die
magistratur der civilbeamten zu einem Werkzeuge des Souveräns, in
praxi des rates herabgedrückt, pohtische bedeutuug hat von ihnen schlecht-
hin keiner.-) reste alter macht, wie sie die einzelnen archonten noch
besitzen, sind für den ganzen Charakter der Verfassung und Verwaltung
so wenig bedeutend, wie die gerichte des Areopages und der epheten
neben den heliasten.
Die religion durchdringt zwar alles, aber es gibt keine kirche, oder
vielmehr sie deckt sich mit dem Staate, und so können wir sagen, dafs
die weltliche bürgerliche demokratische Verfassung mit vollkommener
logik und consequenz durchgeführt ist.
Das mihtär fügt sich dem demokratischen gleichheitsprincip nie und
nirgend, sintemal gar zu deuthch vor äugen liegt, dafs nicht jeder zum
oflicier pafst, und auch die eifersüchtigste demokratie läfst sich gern dazu
herbei, zu offleieren nur die zu machen, die fähigkeit und lust haben.
für die hauptmacht Athens, die flotte, war zwar zur zeit des Reiches
gut gesorgt, da die trierarchie capitäne zur Verfügung stellte, die erstens
die erfahrung besafsen , zweitens in der kriegsmarine den Steuerleuten
und matrosen als geborene vorgesetzte gegenüber standen, da sie meist
der handelsmarine in gleicher eigenschaft angehörten , drittens die die
würde mit der Steuer bezahlten, auch in der reiterei war die bevorzugte
geltung dieses dienstes durch die last der pferdehaltung aufgewogen; die
truppe entwickeile aber immerhin ein starkes standesbewufstsein , ward
von radikalen demokraten wie Kleon scheel angesehen und rechtfertigte
4o4 dieses mistrauen durch entschieden aristokratische tendenzen. aber
sie war zu schwach, als dafs die zehn schwadronchefs und die beiden
2) Der einzige Schreiber hätte sie bekommen können, weil er die protokolle
führte und die Schriftstücke des rates und volkes redigirte. -svählen mufste man
ihn deshalb schon, denn federgewandt war nicht jeder, und mancher hätte leicht
proxenien erfinden oder peinliche paragraphen unterschlagen können, aber damit
er nur ja nicht einflufsreich würde, wählte man ihn nur auf eine prytanie.
108 n. 4. närocos ■noliTELa.
reiterführer, die das volk erwälilte, eine politische rolle hätten spielen
können, dafs für diese äufserlich der volle rang galt wie für die Stra-
tegen , also auch das scharfe schwert der epicheirotonie über ihnen
hieng, war wol mehr aus der allen zeit der adelsherrschaft gebheben,
wo die reiterei, die ritterschaft, sehr viel mehr zu bedeuten gehabt hatte,
flotte und reiterei waren beide unter die ständige con trolle des rates
gestellt: der souverän also behielt sie selbst in der band. '
Der heerbann mit seinen zehn obersten, die das volk wählte und
die ihre subalternofficiere selbst bestellten, gieng gut in die demo-
kratische Organisation auf. es war das volk in waffen , mit allen Vor-
zügen und mangeln eines volksheeres und einer landwehr. aber die
zehn Strategen waren, seit die grolsen Verhältnisse des Reiches dazu ge-
zwungen hatten, ihnen das commando der regimenter zu nehmen, denen
sie einst vorgestanden hatten, zu einer Stellung gelangt, welche schlechter-
dings nicht in den engen rahmen der attischen magistratur pafst, wenn
sie zu hause gesessen hätten, die aushebung besorgt, den Sicherheits-
dienst im lande und an den grenzen überwacht und nur im falle des
krieges das beer geführt hätten, so hätte man sie unter den rat stellen
können; aber dann wäre die Schaffung der taxiarchen nicht nötig ge-
wesen, die Verwaltung des Reiches aber machte nicht nur den kriegs-
zustand so gut wie ständig, sondern sie erforderte auch höchstcomman-
dirende an mehreren orten, die selbst träger des Imperiums sein mufsten,
also selbst den souverän vertraten, und die flotte hatte zwar schifls-
führer, aber sie brauchte flottenführer. so wurden die Strategen nicht
sowol generale als tribuni militares consnlari potestate. es waren noch
immer 10, und die phylen sollten in ihnen vertreten sein, wenn sie
das volk auch in directer wähl bestellte, aber da die iteration und
sogar die continuation für die militärischen ämter gestattet war, konnte
es gar zu leicht unbillig und widersinnig werden, wenn die wähl eines
geeigneten mannes aus einer phyle alle andern geeigneten derselben
dauernd ausschlofs. so erlaubte sich das volk einzeln von dem principe
abzuweichen, die zehn Avaren rechlhch gleichgestellt, aber das volk be-
stimmte frei, wen es für jeden einzelnen auftrag geeignet hielt, und so
rangirlen sie factisch sehr verschieden ; es bekamen einige die ziemhchlJ
ständigen, den römischen provinzialpraetoren vergleichbaren stellungenl
im Reiche und an dessen grenzen (die flottenstationen in den provinzen),
andere die aushebungsgeschäfte; die bedeutendsten aber bheben zur Ver-
fügung des Volkes, immer in contact mit ihm, da sie in der Volks-
versammlung anwesend sein konnten, und diese erschienen als seine
Die Verfassung der blütezeit. 109
wahren Vertrauensmänner, die Strategen waren wol gehalten, an den
rat zu herichten, der ja die auswärtige politik leitete, aher sie mufsten
doch draufsen sehr oft Verbindlichkeiten eingehn, die zwar der ratifi-
cirung durch den souverän bedurften, aber mindestens so viel gewicht
hatten, wie ein ratsvorschlag. ja man gieng so weit, dafs die Strategen
einen antrag beim rate einbringen konnten, auch den auf berufung einer
Volksversammlung, und somit wenigstens den directen amtlichen verkehr
mit dem souverän und die initiative erhielten, in kriegszeiten konnten
sie andererseits durch das aufgebet der bürger die abhaltung einer
Volksversammlung factisch verhindern.^) endlich eludirten sie im falle
der Wiederwahl factisch sehr häufig die rechenschaftsablage, obwol für
diese unter allen umständen unter Übergebung des rates gerichthche
prüfung vorgeschrieben war. gewifs war es sehr gut möglich, das gleich-
gewicht der gewalten aufrecht zu erhalten, und der souverän war durch
diese männer seines Vertrauens in seiner gewalt nicht gefährdet, aber
es waren doch einzelne männer, die durch ihre dauernde amtliche
Stellung, ihre erfahrung und ihren einflufs aus der gleichberechtigten
und auf gleiches niveau niedergedrückten masse des volkes hervorragten.
die Strategen waren die eigentlich einzigen wirklichen magistrate Athens.
wir sehen sie einzeln selbst mit dictatorischer gewalt bekleidet, avxo-
y.oäroQeg, wie den rat, natürlich nur aufserhalb der sladt. w^äre es einer
in der Stadt geworden, so war der tyrann da.
Die bürgerlichen beamtenstellen durften nicht iterirt werden; im
rate durfte jeder bürger nur zweimal sitzen, da der ganze rat alljähr-
lich neu erlost ward, so konnte trotz dem vorschlagsrechte der gemeinden
für die ratsstellen und trotz der prüfung, die der alle rat an den erlosten
vornahm und keinesweges auf die formale gesetzhchkeit der wähl be-
scliränkte, eine stätige politik in dieser wichtigsten körperschaft nicht
getrieben werden, eine wirkliche geschäftserfahrung war im Staats-
dienste überhaupt nur unvollkommen zu erlangen, als geschworne lernten
die bürger vielerlei von den gesetzen und der Verwaltung kennen ; aber
doch nur gelegentlich, und direct konnte die heliaea auf die politik
nicht einwirken, ein advocatenstand begann sich erst allmählich zu
bilden, dagegen in der Volksversammlung konnte jeder bürger, wenn
3) Thukydides II 22 sagt ausdrücklich, dafs der Stratege Perikles während der
anwesenheit der Peloponnesier in Attika 431 keine Volksversammlung hielt, ver-
fassungsmäfsig mufs in eine so lange zeit mindestens eine gefallen sein, nur unter
dem drucke des belagerungszuslandes kann er sie verhindert haben, der Stratege
Alkibiades stellt direct, nicht über den rat, einen antrag vor dem volke, CIA IV p. 19.
110 n. 4. näzoios Ttohrsia.
er nur wollte, jahraus jahrein erscheinen, zuhören und reden, schon
zehn jähre lang , ehe er beamter ratsherr und richter werden konnte,
das Volk wählte auch gar nicht selten direct commissionen , selbst für
so wichtige dinge wie die ausarbeitung von gesetzen, die gesandten, die
Vertreter des fiscus vor gericht"): da kamen also leute hinein ohne die
beschränkungen aller art, denen die beamten unterlagen, nicht auf Präsen-
tation durch die phylen oder gemeinden, sondern als vertrauetismänner des
Volkes, der ekklesia. die ekklesia war berechtigt, sich als der souve-
rän zu fühlen, sie sollte im gegensatze zu den abteilungen des volkes das
ganze, im gegensatze zu den wechselnden beamten die dauer und Stetig-
keit des regiments vertreten, und wirklich , es fanden sich ständige
besucher, das gros der abstimmenden, und es bildeten sich berufsmäfsige
Parlamentarier, die Qr^rogsg, die aus der Versammlung das wort ergriffen,
dafs diese leute die geschäftsordnung und die regelmäfsigen geschäfte
und die künste der debatte sehr bald besser als das präsidium begriffen,
dafs sie auch wirklich sehr oft über einsieht und erfahrung verfügten,
die den beamten und selbst dem rate abgiengen , ist natürlich, w er
sich als ratsherr oder Schatzmeister etwa in die finanzen oder einen teil
derselben hineingearbeitet hatte, konnte seine erfahrung später nur als
redner geltend machen; aber es trat in diesen unverantwortlichen^)
rednern ein nicht blofs fremdes, sondern gefährliches dement in den
verfassungsmäfsigen Organismus des Staates ein. die redner übten kritik
an den vorlagen des rates und der Strategen, ohne doch selbst in den ge-
schäften zu stehn, gaben ihnen den befehl es so oder so zu machen, ohne
doch zu der ausführung selbst band anzulegen, sie hatten das ohr des Sou-
veräns, ohne doch für das einstehn zu müssen, wozu sie ihn bestimmten, der
souverän selbst aber ward tatsächlich in sehr vielen Sitzungen durch die
habitues der ekklesia repräsentirt, die leute, die zeit und lust hatten, auf die
pnyx zu gehn. es konnte gar nicht anders sein, als dafs das die leute
aus der Stadt und ihrer nächsten Umgebung waren, und dafs die besten
Vertreter des demos, die bauern, die kaufleute, die industriellen unter-
4) Aristophanes wird nicht müde über diese bevorzugungen zu schelten; dafs
sie zu den gesandtschaften nicht herankommen wie Pyrilampes, Diotimos, Morychos
ärgert die Acharner am meisten; auch c\n ivyyoa(psv£, Antimachos, wird als solcher
angegrifTen, und die noch dazu gut bezahlten awr.yoQOi machen den Philokieon an
der herrlichkeit seines heliastentumes irre.
5) Von den auf die redner besonders gemünzten gesetzlichen bestimmungcn,
die in der demosthenischen zeit auch mehr beredet als beachtet werden, ist im fünften
Jahrhundert nicht einmal die rede.
Die Verfassung der blütezeit. 111
nehmer, die handwerker nur selten die zeit daran wandten, so ward
die Volksversammlung statt das ganze volk zu vertreten geradezu die
einseitigste Vertretung und die ungerechteste, sie vertrat die Stadt, die
es rechtlich gar nicht gab, trotz dem ganzen lande, und die dröhnen
trotz den arbeitsbienen. die unerfahrene Jugend konnte das höchste
suuveränetätsrecht eher üben, als sie selbst irgendwie die eigene Ver-
antwortlichkeit an einem teile zu kosten bekommen hatte, die besitz-
lise bürgerliche bevolkeruug, die am kriege profitirte, wenn sie auf die
schiffe gieng, sonst gar keinen feind zu sehn bekam oder höchstens
waffenlos zum beutemachen mitlief, konnte die vorlagen der Strategen
niederstimmen und gar die Strategen selbst wählen und absetzen.
Wenn eine Verfassung wirklich wie eine maschine functionirle, so
würde es wesentlich auf ihre construction ankommen, aber da ihre
triiger beseelte menschen sind, so kommt es auf diese seelen viel mehr an.
die demokratie die die Athener um 460 vollendeten hat ein menschen-
aller vorzüglich functionirt, weil ihre träger den geist bewahrten, dem
sie in ihrer Verfassung ausdruck gegeben hatten, die autorität der
nuinner, die dem volke diese freiheit und herrschaft gewonnen hatten,
hielt vor, sie blieben die Vertrauensmänner des Souveräns, und so er-
hielt sich die Stetigkeit der politik. die tradition war noch so mächtig,
uals der demos sich eben so willig unter die "^ansehnlichen leute', die
niänner "^aus den guten familien\ stellte, wie die matrosen unter die
irierarchen. die grofsen Verhältnisse des Reiches (die in alles factisch viel
mehr bestimmend eingreifen, als diese betrachtung der dinge von dem
gesichtspunkte der Verfassung aus erkennen läfst) führten von selbst
dazu, dafs die Strategen das starke handelnde organ des Staates sein
durften, wirklich ein magistrat im römischen sinne, und das lebendige
sonderleben der gemeinden, die sich die Stadt noch nicht über den
köpf wachsen liefsen, garantirle, dafs der rat eine Vertretung des ganzen
Volkes war und demgemäfs die ihm gebührende autorität besafs.®)
6) Die modernen haben die strategenwaliien zu einseitig als entscheidend für
die politik angesehen; das moderne politische leben hat sie dabei nicht ganz richtig
yefülut. gewifs sind sie wichtig, und wir kennen die Strategen besser als die rats-
iieiren, aber die entscheidende politik macht doch der rat, und dafs in ihm die
fiiedensfreunde 422/21 und schon die jähre vorher die majorität halten, hat dem
Xikias erst den friedensschlufs ermöglicht, andererseits ist es der rat, den Kleon
bei der erhöhung der tribute hinter sich hat. die entscheidenden wählen sind also
die in den gemeinden für die praesentalion zum lose für die ratsherrenstellen. dafs
^ich uns das einzelne notwendigerweise entzieht, mindert die bedeutung nicht, so
lange die gemeindemitglieder wesentlich noch in der gemeinde wohnten, kam dabei
112 II. 4. närgios Ttohreia,
Der krieg Aber GS kam der krieg, der die landbevölkerung zum grofsen teile
und SG!UG
folgen, beschäftigungslos in die Stadt trieb, gleichzeitig hörte der abflufs der
armen bilrger in die colonien auf, die pest beschleunigte den notwen-
digen procefs, dafs eine neue generation für den Staat bestimmend wer-
den mufste. die sorge für das Reich und den krieg lenkte zwar das
interesse von kämpfen um die Verfassung selbst zunächst ab; aber die
schweren proben, denen sie dadurch unterworfen ward, hat sie nicht be-
standen.
Wir huren noch die entrüstung der leute vom alten schlage, dafs
in der Volksversammlung "^jeder elende kerl aufstehn kann und eine rede
halten, natürlich nicht im interesse der Ordnung, aber im wolverstan-
denen interesse des demos, dem an der Ordnung nichts liegen kann, aber
wol an demokratischer gesinnung'. noch Perikles selbst hatte erleben
müssen, dafs ein reicher industrieller aus Kydathenaion, der freilich eine
claque von gemcindegenossen leicht auf die pnyx bringen konnte, als redner
in der Volksversammlung ihm sehr unangenehm ward. Nikias ward es
schliefslich zu arg, dafs dieser parvenu, der vom kriege keine erfahrung
hatte, unter dem jubel des volkes ihm immer wieder über den feldzugs-
plan Vorhaltungen machte, so tat er den unbedachten ruf "^so sei du i
feldherr an meiner statt und mache es besser'. Kleon aber nahm ihn
beim worte und machte es besser, das wäre sehr schön gewesen, wenn
es mehr als eine gelungene Improvisation gewesen wäre, denn feldherr
konnte der brave bürgersmann wirklich nicht sein , so tüchtig er als
ratslierr gewesen war. als er es zum zweiten male versuchte, kostete es
ihm das leben, Nikias bekam das übergewicht zurück, und der Staat
schlofs einen faulen frieden.
Kleon hatte schon als ratsherr Verschwörungen gewittert, vor der
tyrannis gewarnt und ein wachsames äuge über die jüngsten politiker
gehalten, die schüler der neuen bildung. damals lachte man ihn aus.
aber bald nach seinem tode offenbarte sich, wie scharf er gesehen hatte,
der Staat stand wirklich in einer krisis, und die entgegengesetzten unter-
das land zu seinem rechte, nacli 431 safsen nur zu viele auch aus Thria Kephisia
und Marathon in der Stadt, und nur zu leicht wird man diese leute, sowol weil sie
wollten, wie weil die bauern zu hause bleiben wollten, praesentirt haben, die ge-
nieindeordnung ist eben denaturirt dadurch, dafs die freizügigkeit mit der quasi-
gentilicischen gemeindeangehörigkeit verbunden ward, die Maralhonier, die in die
Stadt oder den hafen verzogen waren, hatten an Marathon gar kein wirkliches inter-
esse mehr, und sie werden doch überwiegend Marathon in rat, heliaea und beamten-
schaft vertreten haben.
Der krieg und seine folgen, die revoluüon von 411. 113
Strömungen giengen gegeneinander an, während äufserlich die Verfassung
und das Reich in vollster blute standen, es war eigentlich allen un-
heimlich und unwohulich gewoi'den in dem stolzen hause, die poeten
des tages flüchteten sich nach Wolkenkukuksheim oder prophezeiten den
Untergang, wie er llios und seinen hesieger ereilt hatte, das volk wagte
dennoch, trotz den Hermokopiden'), die sicilische fahrt, machte aus den
Strategen dictatoren und gab zugleich aus furcht vor der tyrannis dem
rate die dictatur: so stürzte es hals über köpf dem abgrund zu, den es
doch ahnte, das unheil von Syrakus übte sofort auf die Verfassung den
rücksclilag, dafs der rat, das wichtigste demokratische organ, beschränkt
ward, zehn bejahrte erfahrene männer der wähl des Volkes sollten die
vorberatuug und zum teil wenigstens auch die fiuanzverwaltung über-
nehmen.^) an den sitz des übels, die unberechenbare und unzulängliche
Volksversammlung, in der zumal in den kriegszeiten die besten kräfte
der bürgeischaft, die Soldaten, fehlten, wagte niemand zu rühren, der
rat des Jahres 412/11 war dem entsprechend eingeschüchtert und schwach
und zudem schwerlich sehr demokratisch gesonnen, der feldzug des
Jahres 412 und der folgende winter steigerten die entmutigung. die
richtige erkenutnis, dafs Athen mit seinen raitteln nach dem abfalle von
Chios Miletüs Rhodos das Reich nicht mehr behaupten konnte, führte
nun endlich die bisher fast verborgenen männer an das rüder, die mit
einer Verfassungsänderung ernst zu machen wagten.
Es war eine revolution, obwol zunächst äufserlich alles in den formen Die levoiu-
des rechtes blieb, die oligarchischen führer mochten von vorn herein
sehr weit gehende tendeuzen haben: um eine majorität zu linden, be-
7) Ich glaube, dafs sich ziemlich sicher zeigen läfst, was es mit dem hermen-
frevel auf sich gehabt hat. es war eine action, berechnet auf den religiösen sinn
der Athener, die abfahrt der flotte zu hemmen, und die anregung stammte von den
Korinthern, die sehr verständig damit ihrer tochterstadt Syrakus helfen wollten:
so berichtet Philochoros. dazu kam die feindschaft der adlichen Jugend gegen den
abtrünnigen Aikibiades und die nicht unberechtigte furcht vor diesem zweiten Peisi-
stratos. aber auf eine Verschwörung gegen die demokratie war es durchaus nicht
abgesehn.
8) Das folgt aus der Lysistrate des Arrstophanes ; wie die competenzen der
probulen gegen den rat abgegrenzt waren, ist durcliaus unbekannt, dafs dieser die
polizei behielt, zeigen die Thesmophoriazusen. gemeint waren die probulen wol
als eine ständige commission ähnlich den ^vyy^a<pr;s, und sicherlich waren sie den
oligarchen als instilution gar nicht recht, aber die alten herren, Hagnon und So-
phokles, waren natürlich nicht radikal, sondern der TiäxQios noXixeia geneigt, und
waren den energischen Verschwörern so wenig gewachsen wie es der probulos der
Lysistrate ist.
V. Wilamowitz, Aristoteles. II. 8
114 II- 4. nüjQios 7io/.izeia.
schränkten sie sich zunächst darauf, zwei hauptprincipien durchzubringen,
die offenbar in sehr weiten kreisen beifall fanden, die ausschhefsung
der theten von den politischen rechten , und die aufhel)ung des soldes.
beides konnte mit fug und recht als eine rückkehr zur väterhchen Ver-
fassung bezeichnet werden, der sold war erst durch Perikles eingeführt,
und man war mafsvoll genug, iiin, wenn auch in der geringen höhe
von 72 dr., für den ralsausschufs und die archonten bestehn zu lassen ;
er war wol sicher in beiden fällen ersatz für ältere naturalverpflegung.
die beschränkung der politischen rechte auf die hopliten, d. h. die oVrZor
TraQexöjiieroi, gieng allerdings über Selon hinaus, aber die formel selbst
war genau die drakonlische , und da es mindestens 5000 sein sollten,
und die auswahl einer starken Vertretung der phylen anheimgegeben
ward, so mochte der demos mit grund annehmen dafs diese neue bürger-
schaft nicht für die ohgarchie zu haben sein würde, übrigens sollte sie
zunächst nur für die dauer des krieges bestehn.
Als sie ausgemustert war und zusammentrat, führten die oligarchet»
den zweiten streich und setzten eine commission für den entvvurf einer
Verfassung durch, sie war zwar 100 leute slark, aber in dem entwürfe
weht so sehr ein geist, er ist so woldurchdacht und verbindet in so
eigentümlicher weise die drakontische Verfassung mit den anforderungei
der gegenwart, ist auch so rasch zur annähme in der commission ge-
langt, dafs wir wol schlielsen dürfen , er habe für die leiter der bewe-
gung vorher festgestanden, wer ihn gemacht hat erstrebte keineswegs
eine oligarchische tyrannei {öwaoreia, wie schon Piaton sagt.)
Die neue bürgerschaft nahm den entwurf an ; aber er konnte nicht
unmittelbar in kraft treten, dazu war er viel zu radikal, die not des
krieges zu dringend, und vor allem die Verständigung mit dem beere'
in Samos notig. also mufste man zu einem provisorium greifen,
und nun wagte sich die Oligarchie schon minder verhüllt an das licht,
wenn sie auch noch immer geflissentlich den anschlufs an die Verfas-
sung der Väter, die jtäxQia, zur schau trug, um die 5000 zur Zustim-
mung zu bewegen, es ward wirlich eine behörde mit dictatorischei
gewall geschaffen, aber dieser Urkunde merkt man deutlich an, dafs sie
auf einem compromifs beruht.
Als dieser rat der 400 am rüder war, gewannen in ihm die tyranni-
schen gelüste die oberhand, bis die gemäfsigte minorität selbst den ge-
horsam kündigte und die gewaltherrschaft brach, sie wölken dabei we-
nigstens die principien festhalten, die noch die alle weite ekklesia beschlossen
hatte, und zunächst gelang es auch, aber da das sehr bald auch im
Die revolution von 411. das piovisorium von 411. 115
fclJe erfolgreiche beer der alten demokratie immer treu geblieben war,
kunute nicbt feblen, dafs diese die oberband gewann, trotzdem \Yaren
(li( anbänger der bescbränkung der politiscben recbte sebr zablreicb,
diese gedanken waren nicbt vergessen und haben mit sebr bemerkens-
werter modiflcation noch 403, zum schaden Athens wiederum vergeblich,
den kämpf mit dem allgemeinen Stimmrecht aufgenommen.
Die provisorische Verfassung (cap. 31) bat als solche ein geringes Das provi-
1 1 f sorium von
Interesse, obvvol sie geschichtlich allein bedeutung hat, während lür 4ii.
den Verfassungsentwurf (cap. 30} das umgekehrte gilt, träger der gc-
walt ist ein rat von 400 mitgbedern; in dieser zahl und in der art
seiner bestellung durch Vorwahl der phylen (die jedoch nicht inne ge-
halten ward) sollte der schein der rückkebr zu den formen der alten
zeit Hegen, die 400 wurden mit der vollsten souveränetät ausgestattet,
selbst dem recbte die beamten zu ernennen — dabei mochte ein redner
an das alte recht des Areopages erinnern, zur beruhigimg der gemüter
fügte man bei, dafs der rat an den Verfassungsgesetzen, die beschlossen
würden, nichts ändern dürfte, darin lag, dafs die legislatur bei der bürger-
schaft stünde; nur war der rat weder verpflichtet noch gewillt diese
bürgerschaft zu berufen, und mit absoluter gewalt regiert man besser
ohne Verfassungsgesetze, nun bedurfte der rat einer militärischen exe-
cutivbehörde ; da ist es sehr bezeichnend, dafs die ernennung derselben
ihm in der allgemeinen berechtigung, die beamten zu ernennen, noch
nicht zugesprochen sein sollte, es wird vielmehr gesagt, 'für diesmal
sollte der rat die 10 Strategen aus der gesammten bürgerschaft der
5000 auswählen, und zwar so, dafs er dafür eine musterung aller in
Waffen veranstaltete (das ist eine controlle, dafs alle bürger wirklich önka
naqt.%01.ii.voi sind), in zukunft aber soUte nach dem vorher beschlos-
senen Verfassungsentwurfe verfahren werden.^ in der sache ist das genau
dasselbe, wie wenn die Strategen mit unter die andern ämter gerechnet
wären; aber es schien den 5000 eine beruhigung, direct auszusprechen,
dafs das nur einmal passiren soUte. die Strategen erhielten selbst dicta-
lorische gewalt: mit andern Worten, die 400 konnten wieder aus sich
die energischsten männer mit vollem imperium ausrüsten und so die
Oligarchie vollenden, dafs die übrigen militärischen ämter dann auch
durch den rat bei derselben musterung ernannt wurden, hatte weiter
nichts auf sich.^j wie wenig die 5000 aber ständisch aristokratische
9) Hier, 31,2, ist noch ein textfehler zu beseitigen, iUad-ai Se xai'innaQxov
iva (xal ta^MQxovs Sexa) y.ai (pvlaQ^ovi Sa'xa. die taxiarchen können nicht gefehlt
haben, und es wird ein taxiarch, kein geringerer als Aristokrates, erwähnt (Thuk. 8,92).
8*
116 !!■ 4. Ilaroios nokneia.
neigungen hatten, zeigt sich daiin, dafs sie der not der zeit gemäfs nur
einen hipparchen wählen liefsen, obwol der Verfassungsentwurf an
mehreren festgehalten hatte, auch das war eine beruhigung der dem
Provisorium wenig geneigten Stimmung, dafs die von den 40(-) eingesetzten
beamten mit ausnähme der ratsherren und Strategen nicht wieder
wählbar sein sollten, der rat war auf ein jähr eingesetzt und dem folg-
ten die andern ämter selbstverständhch. es war ganz unsicher, wann
das definilivum eintreten würde; denn das hieng von der Vereinigung
mit dem beere in Samos ab, wie der scblufssatz (der erst durch die
Verfassung, auf die er verweist, verständlich wird) verblümt andeutet
man hoffte wol, es würde bald sein, aber man mufste doch Vorsorge
treffen, so mögen die braven bürger unter den 5000 gedacht haben :
die oligarchen wie Antiphon und die eigennützigen streber wie Phry-
nichos bewiUigten ihnen gern die wortc, wenn sie nur die macht zu
handeln endlich erhielten.
Der Verfassungsentwurf selbst (cap. 30) ist ein unschätzbares docu
ment; der ihn verfafst bat war ein eben so von den traditionen der
Väter wie von der abstracten speculation der Sophisten genährter geist.
was er schuf, war trotz allem anschlusse an die alten Vorbilder etwas
ganz neues, und trotz seiner klugen berechnung auf die schaden der
gegenwart ein schlechthin lebensunfähiges ding.
Der vcrfas- Die gcsammte bürgerschaft soll durch einen einmal, gleich jetzt von
wuri von den 100 xaTaloyi]g, die sie überhaupt erst contituirt haben, nach bestem
wissen und gewissen in vier teile (XrjBsig) geteilt werden.*") die männeri
über 30 jähre eines vierteis bilden für ein jähr den rat, und zu dem
rate gehören die wichtigen namenthch aufgeführten beamten. diesi
werden so erwählt, dafs zunächst aus dem ganzen viertel eine vorwah
von mehrerern candidaten, (deren zahl der entwnrf offen läfst), und aui
dieser liste die definitive wähl geschieht,") die niederen beamten werdei
10) Der ausdruck (30, 3) ist mehrdeutig, vslfiat xal rovs älXove Tt^os ttjv Xij^iv
sxäaxr}v. die andern können sowol die niitglieder der 5000 zwischen 20 und 3(
Jahren sein, die noch nicht ratsfähig sind, wie auch alle Athener, da jedoch dii
nicht zu den 5000 gehörigen politisch schlechthin rechtlos sind, hat ihre verteilunj
unter die viertel gar keine bedeutung. wie es werden sollte, wenn ein Athene
den census erreichte, also vom theten in die classe der berechtigten aufstieg, is
nicht vorgesehen, wir müssen immer festhalten, dafs wir nur eine skizze vor un
haben, grundzüge, die ein theoretiker aufgestellt hat.
11) Wer die wähl vollzieht, wird nicht gesagt; da aber die gesammte bürgei
Schaft niemals zusammentritt, so kann man nur an einen rat denken, ob ab«
Der Verfassungsentwurf von 411. 117
aus den aüdero drei vierteln erlost, der rat ist für sein aratsjahr der
träger der regierung in jeder richtung, insbesondere in der finanzver-
waltung. die beamten, die aus ihm genommen sind, nehmen an seinen
Sitzungen teil, mit ausnähme der gerade amtirenden hellenotamien.'-) ein
ratsausschufs , den prytanen entsprechend, exislirt nicht mehr, viel-
mehr tritt jeden fünften tag das plenum zusammen, wenn die geschäfte
nicht häufigere Sitzungen fordern, in permanenz ist der rat also nicht,
wie er es durch die prytanen gewesen war. folglich mufs eine behörde
da sein, die ihn berufen kann und bis zu seiner constituirung den vorsitz
führt, das kann nur eine der ständig auf dem markte vorhandenen sein :
so erhalten die archonten den auftrag, wie es am passendsten war und
noch dazu recht archaisch aussah.'^) für den vorsitz in der sitzung
selbst werden fünf ralsherrn ausgelost, den prytanen oder den späteren
proedren entsprechend, und aus ihnen wieder einer, der abstimmen läfst,
dem epistaten entsprechend, eine tagesordnung kann nun nicht vor-
bereitet sein, also müssen die fünf Vorsitzenden des tages die einge-
gangenen oder jetzt angemeldeten sachen ordnen, die im anschlufs an
die tagesordnung der alten ekklesia in der reihenfolge 1) heiliges,
2) herolde, 3) gesandte, 4) alles andere, zur Verhandlung kommen sollen,
so dafs innerhalb einer der vier abteilungen die reihenfolge durch das
derselbe, dem die gewählten angehörten, oder sein Vorgänger, oder der eine für die
jiQoxQiais, der zweite für die definitive wähl, ist nicht bezeichnet.
12) Aus dieser beschränkung rovs ellrivoiafiias ot av SiaxsiQiQtoaiv ra xQ'^r
ftara fiTj avfißovXsveiv folgt, dafs die hellenotamien in einem turnus die geschäfte
führen sollen, über sie handelt der verdorbene satz vorher eXXrjvorafiias xal rcöv
äXXcov oaicov j^öj^^motw»' ewoai ot Sia'/siQiovai, darin bezieht sich Siaxsioi^siv
wegen des späteren satzes sicher auf die hellenotamien. also ist eXXi]vorafiias xai
iä)v aXXcov oaiaiv ^qr^fiäxav (in bekanntem gegensatze zu dem vorher erwähnten
heiligen gelde fast gleich Stj/iooicov) sprachlich kräftig und gut so gesagt, dafs das
in eXXr^voTafii'as empfundene rafti'as den genetiv regiert, die centralcasse für alles
öffentliche geld, inclusive des Reichsgeldes, wird von einer behörde verwaltet,
die den namen von den Hellenotamien bewahrt, aber kolakreten und apodekten
auch ersetzt, was dann von dem satze übrig ist, ol SiaxsiQiovai, ist an sich un-
genügend, weil es gar nichts sagt, und die spätere stelle lehrt, dafs eine nähere
bestimmung des turnus, in dem diese grofse zahl von rendanten die casse führen
sollte, ausgefallen ist.
13) Wer sich die Verfassung einmal wirklich überlegt hat, kann an der ände-
rung nXrjQOvv rrjv ßovXr,v tovs d"' aQ^ovias für xXtjoovv {§ 4) gar nicht zweifeln.
zu meiner freude hat sie auch Weil gefunden, der schriftfehler, der auch sonst
häufig ist, kehrt in unserer handschrift selbst öfters wieder, vgl. unsere anmerkung
zu 43, 1.
118 11. 4. näxQioe no'/.ixeia.
los bestimmt wird.") nur was den krieg angeht, hat ohne los den vor-
tritt, und die Strategen (die dem rate ja angeboren) bringen es selbst
zur vorläge.'^) für besonders wichtige Sitzungen kann beschlossen wer-
den, dafs jeder ralsherr einen an sich ratsfähigen bürger aus einem an-
dern viertel des volkes mitbringen darf, in diesen fällen ist also möglich,
dafs im maximum die hälfte der gesamniton bürger über 30 jähre zu-
sammen ist. die ralsherrn erhalten nicht nur keinen sold'*'), sondern
es steht eine drachme strafe auf der unentschuldigten Versäumnis einer
Sitzung.")
Der Verfasser dieses entwurfs hatte die fehler der geltenden Ver-
fassung klar erkannt, das Zweikammersystem, so zu sagen, das durch
rat und volk selbst in den psephismen sich ausspricht, wollte er beseiti-
gen, den berufsparlamentariern, den rhetoren, sollte ihr handwerk ge-
legt werden, dazu mufste die ekklesia überhaupt verschwinden, aber
der rat wie er gewesen war, ein regiment blofs durch eine Vertretung,
schien doch als alleiniger träger der souveränetät nicht autoritativ genug.
und wenn diese repräsentation gewählt oder auf Vorschlag erlost ward,
so kamen gerade die besten elemente, die an:Q(xyf.iov€S ■, nicht zur gel-
tung. also war ein mittelweg zu suchen , und den zeigte Drakon , der
turnus. die souveränetät übt jedesmal ein viertel des volkes durch seine
reifen männer. jedes vierte jähr nur kam der bürger zur ausübung seiner
rechte, aber dann kam er sicher dazu, ja dann ward er durch geld-
strafen gezwungen, sie auszuüben ; auch das hatte Drakon bereits verordnet,
so mufslen alle bürger genau die gleiche geschäftskenntnis erhalten.
Ein zweiter übelstand war die trennung der magistrate von dem
14) Damit sind die sämmtliclien Privilegien, slvai. 8e avreö nQÖaoSov Tiooi
TTjv ßovXi)v xal Tov Srjfiov dann und dann, beseitigt, und ebenso kann weder eine
Verschleppung nocli eine bevorzugung durch die willkür der prytanen herbeigeführt
werden, dieser oligarch wollte also die beschwerden beseitigen, die sein gesinnungs-
genosse in der IIoXiTsia '4d'7]vai(ov so beweglich erhebt.
15) Das hatte in der praxis der demokratie zwar seine analogie, aber es ist
doch ein grofser fortschritt, dafs die Strategen regelmäfsig unmittelbar mit dem
souverän verhandeln.
16) Die noch eben beschlossene besoldung der prytanen ist mit diesen scilisl
fortgefallen, der sold der archonten wird geblieben sein; das war ein närQior.
17) Da der rat, der doch über das Urlaubsgesuch entscheiden mufste, nicht
permanent war, konnte der ratsherr der verhindert ward nicht anders als wegbleiben
und die gefahr laufen, dafs sein gesuch, das er gleichzeitig einreichte, verworfen
ward, so dafs er zahlen mufste. wer für /</; sioianöftevos acpeaiv anfj unbedacht
eiQo/ievos schreibt, zwingt die leute fünf tage vorher um Urlaub zu bitten, und ge-
rade in den dringendsten fällen plötzlicher Verhinderung zu zahlen.
' Der Verfassungsentwurf von 411. 119
rate, die in der tat die attische Verwaltung sehr übel von der römischen
unterscheidet, dadurch, dafs diese selbst aus dem viertel der bürger-
schaft gewählt werden und mit im rate sitzen sollten, war nicht nur
dies, sondern zugleich die continuirung selbst der mihtärischen ämter,
also die gefahr einer perikleischen demagogie vermieden, es mag sein,
dafs in anderen Staaten die aqy^ai oder ovvuQxiaL an den Sitzungen
Iis rates teilnahmen: jedenfalls verdient der Verfasser hohes lob, dafs
er diesesmal eine sehr wenig attische neuerung ins äuge gefafst hat.
Die finanzen lagen ihm offenbar sehr am herzen, und er er-
strebte eine sehr nötige Vereinfachung, die beiden schätze, die im
opisthodomos der Athena verwaltet wurden, waren schon so stark zu-
sammengeschmolzen, dafs selbst die 10 Schatzmeister, die er, vorahnend
der späteren zeit, für sie schuf, nicht mehr viel zu tun gehabt haben
würden; es war gewifs überhaupt praktisch, das dem Staate unterstellte
kirchengut centralisirt zu verwalten: hat es doch auch die lykurgische
zeit wieder so gemacht, ganz ebenso sollten die reichscasse und die
staatscassen in eine verschmolzen werden, und auf deren Verwalter die
gesammten cassengeschäfte ilbergehn. dazu bedurfte man vielleicht nicht
einmal sehr vieler beamten ; aber hier erschien es praktisch, den rat
ohne Zuziehung der rendanten verhandeln zu lassen, deren anwesenheit
zu leicht gerade ihre beaufsichtigung hindern konnte, so ward der
ausweg ersonnen , dafs die hellenotamien zwar ratsherrn sein sollten,
aller nicht alle das ganze jähr die geschäfte führen, so weit sie das aber
täten , den Sitzungen des rates fern bleiben sollten, dem entsprechend
ward ihre gesammtzahl auf 20 angesetzt.
Die beamten werden in zwei classen gesondert, je nach dem sie
dem rate angehören sollen oder nicht, ist die sonderung selbst schon
interessant, so wird sie es dadurch doppelt, dafs eine aufzählung der
ersten classe gegeben wird, so dafs wir sehen können, welche beamte
in so hoher Schätzung standen, das sind an erster stelle die Strategen,
deren wiederwal zu beseitigen die hauptsache war, erst an zweiter die
archonten: das ist für das fünfte Jahrhundert äufserst charakteristisch,
ihnen folgt der hieromnemon, dessen bedeutung wir hiernach wesentlich
höher veranschlagen müssen, als die geschichte und Aristoteles erkennen
lassen, und die übrigen militärischen Chargen, unter denen die comraan-
danten der festen platze erscheinen **), eine rücksicht auf die Verhältnisse des
18j Diese mufsten freilich einen dauernden dispens von den Sitzungen erhalten.
ülierhaupt ist nicht geordnet, in wie weit die beamten verpflichtet waren, jeden
fünften tag ihre geschäfte zu versäumen.
120 II. 4. ndroioe TcoXireia.
(lekeleischen krieges. sodann die dreifsig finanzbeamten, 10 hgoTtoioi^
10 eTtif^ielr^Tal; beides müssen cultheamte sein, da aber keine nähere be-
slimmung dabei steht, so kann man weder unter den IsqotcoioL blofs die
jährigen (oben I 228) noch unter den iTtif-ielr^rai etwa nur die der Diony-
sien verstehn, sondern es sollte ein collegium alle hqä^ ein anderes die
kTTif-ieXeict für alle feste, die der stnat besorgte, übernehmen, es war auch
dies eine niafsregel, die die Verwaltung vereinfachen und verbilligen sollte. \\
die gesammten poHzeibeamten, agoranomen, astynomen, elf, hafenmeister
u. dgl. gehören zu den niederen, poleten sollte es vielleicht gar nicht
mehr geben, obwol sie solonisch waren, denn in diesen anordnungen
waltet nichts von reaction , sondern ein energischer praktischer sinn.
aber gänzlich fehlen die richterlichen behörden, siaayioy^g, vavTodUai.
zQidAovra. die gerichte kommen überhaupt nicht vor. es war viel-
leicht nur klugheit, wenn der sicherlich der heliaea abgeneigte oligar» li
über sie schwieg; für uns ist der mangel sehr bedauerlich, zumal wir
so nicht erraten können, wie er sich zu der srpsoig sig dixaoTrjg/di'
und dem n^uoQnv rbv ßovXof^ievov to) aöiy-ov^evct) stellte, bezeiih-
nend für den geist der zeit ist es immerhin, dafs man eine Verfassung
Athens entwerfen und annehmen konnte, die von dem ideale des Philo-
kleon gar nichts enthält, es hat sie ein a(prjXiaoTr]g gemacht, mit dem
l*eilhetairos und Euelpides sympathisiren konnten.
Die schiufs- Überhaupt trägt der entwurf den Charakter einer skizze darin zur
' schau, dafs manche punkte gar nicht behandelt sind (kommt doch auch die
flotte nicht vor), anderes wie die geschäftsordnung des rates ausführlich,
der rat mufste eben zunächst in kraft treten und war dann in der läge
alles übrige zu ordnen, aber damit er es könnte, mufsten die bürger
in Samos ihren widerstand aufgeben, die 5000, oder die sie vertretende
summe der 07t?.a TCaQex6f.i€voi zu hause, waren doch nur ein teil der
wirklich berechtigten, zu denen mindestens alle hopliten, schiffssoldaten,
officieie, trierarchen draufsen gehörten, es kam den braven 5000 ge-
wifs schwer an, die Strategenwahl für das nächste jähr auf die in Athen
anwesenden zu beschränken, also Thrasyllos, Leon, Thrasybulos und
überhaupt die tüchtigsten officiere auszuschliefsen. die mafsregel war
wirklich mehr als ein Vorspiel des bürgerkrieges. so wird uns die oben
berührte beschränkung verständlich, obwol sie sehr wenig praktischen
wert besafs. "für die zukunft soll der rat die wähl nach den aufgezeich-
neten Vorschriften vornehmen (31, 3)", d. h. nach der Verfassung aus
allen bürgern des vierteis. die 5000 fügten sich nur widerstrebend der
allerdings unabweisbaren notwendiskeit des momentes: daher der ab-
Die schlufsclausel 31,3. die kritik des verfassungsentwmfes. 121
sichtlich auf schrauhen gestellte schlufspassus (31, 3) "für die Zukunft;
damit die 400 (der provisorische rat) unter die vier viertel verteilt wer-
den, sobald die Städter mit den anderen den rat bilden können, sollen
sie die hundert yMTaloyrjg verteilen", der sehnliche wünsch der bürger-
schaft (der 5000) ist, dafs die Verfassung in kraft trete, also ihr rat, ein
viertel der bürgerschaft, an die stelle des provisorischen rates der 400.
dazu ist die eigentliche Vorbedingung der anschhifs der bürger im beere
draufsen, der anschlufs der '^andern' an die "^städter' (ol sv ccgtsl mukte
jeder diese partei nennen und nennt sie Thukydides), damit beide par-
teien im rate sitzen können.'^) auf diese Vorbedingung hat die hier be-
schliefsende bürgerschaft keinen einflufs; sie wagt auch nicht geradezu
zu verordnen "^das provisorium hört auf, sobald die mitbürger in Samos
zugetreten sind\ darum bestimmt sie etwas äufserliches, das eine di-
rective in jener richtung gibt, die 400 sollen immer schon auf die vier
viertel (die im prinzipe eingeführt, tatsächlich noch gar nicht existiren)
verteilt werden, damit sie später in dieselben eintreten können, wenn
die Versöhnung das definitivum ermöglicht, darin liegt so schüchtern,
wie eine terrorisirte Versammlung redet, ausgesprochen, dafs keine zeit
später verloren gehn soll, und zugleich wird einem viertel des jetzigen
rates die Sicherheit gewährt, sofort weiter zu fungiren. darin mochte
mancher ein mittel sehen, den Übergang den jetzigen ratsherren an-
nehmbar zu machen.
Dieser letzte paragraph der provisorischen Verordnung konnte erst Kritik des
hier erläutert werden, weil er das Verständnis der Verfassung voraus- sungsent-
setzt. er zeigt auch am deutlichsten, dafs sie ein totgeborenes kind
war. trotzdem ist ein Werturteil über sie nur möglich, wenn wir sie
uns in tätigkeit vorstellen, ihr Verfasser halte mit klarer logik statt
des complicirten mechanismus der vielen behörden Athens ein einziges
organ für die regierung geschaffen, das rat und volk zugleich vorstellte,
und mit dem die beamten in einen festen Zusammenhang gebracht waren,
alles hieng davon ab, wie dieses organ functionirte. dafür ist das wich-
tigste, wie stark dieser rat werden mufste, und das mufs der gesetzgeber
sich überlegt haben, die bürgerschaft im ganzen hat er auf mindestens
5000 geschätzt, sehr obenhin, denn wir hören nicht, dafs zwischen den
5000 in der Stadt und der notwendig sehr viel höheren zahl, die durch
wurles.
19) Wenn man uns zugetraut hätte, wir wüfsten, was ßovleveiv bedeutet,
würde man unsere ausnahmsweise von einem worte der erklärung begleitete text-
gesfaltung, d. h. die Überlieferung, verstanden haben, und dann auch die vorher-
gehende Verfassung.
J22 JI '^' TJnTOLo; Tiohrelu.
den anschliifs des lieeres sich ergeben mufste, unterschieden wird, iiiid
es kann sich Polystratos von Deirades, einer der v.axaloyv^qt darauf Ix-
rufen, dafs er eine Hste von 9000 bürgern aufgestellt hätte, je zahl-
reicher die bürgerschaft wird, um so unbchilfiicher wird der rat, der
ein viertel von ihr ist, nach abrechnung der Jahrgänge 20 — 30. fiir
die intention des oligarchisch gesonnenen gesetzgebers mufs sein ansai/.
zu gründe gelegt werden, also 5000, von denen ein fünftel- für die zclm
Jahrgänge der Jugend in abrechnung kommt, der rat würde also lOiHi
köpfe stark gewesen sein; oberbeamte, die aus dem rate genommen siinl,
ffibt es etwa 100. das zahlenvcrhältnis wird dem abstrakt denkenden
theoretiker wol vorgeschwebt haben, es ist nicht ungerecht, weiiii
trotz diesem niedrigsten ansatze die kritik einem so starken rate die
fähigkeit abspricht, sachlich und ruhig die geschäfte zu führen, das
coUegialische regiment ist an sich gar nicht verwerflich , und eine so
wenig geschäftserfahrene beamtenschaft wie die attische würde durch die
l)eratung mit einem senale ganz wie die römische erst recht leistungs-
fähig geworden sein, aber dann mufs die beratung wirklicli zu einem
ruhigen austausche und einer ausgleichung der meinungen führen können,
das ist unter 1000 leuten unmöglich, hier trat noch das 'erschwerende
hinzu, dafs der regelmäfsige besuch der Sitzungen durch alle mitglieder
erzwungen werden sollte, wovon man für den römischen senat wei>e
genug abgesehen iiatte. dem geselzgeber, wie oligarchisch er auch ge-
sonnen war, lag doch das hellenische prinzip allzusehr im blute, dafs der
örif.iog, das plenum der politisch berechtigten, selbst regieren müfsle.
das repraesentativsystem, wie es Kleisthenes doch eingeführt halte, wie
es in den 6000 richtern und dem rate der demokratie ausgebildet war,
hätte sich sehr wol zur grundlage einer auf die wirklich für die poli-
tische arbeit fähigen bürger berechneten Verfassung machen lassen: die
einzelgemeinde hätte ein wirklich schöpferischer Staatsmann zur grund-
lage der Selbstverwaltung nehmen müssen, aber da steht der geselz-
geber wieder nicht nur im banne seiner demokratischen gegenwart,
sondern noch mehr in dem der politischen theorie: haben doch weder
Piaton noch Aristoteles von der centralisirung des Staatslebens abzusehen
vermocht, dieser oligarch vollends abstrahirt von den phylen und demen
ganz und gar, ohne sie doch zu beseitigen, er hat die vier alten phylen
im köpfe: aber der geschlechterstaat existirt doch gar nicht mehr für
ihn. ihn hat Drakon mit der einführung eines turnus in der ausübung
der souveränetätsrechte und mit dem prinzip, dafs jeder bürger ver-
pflichtet sein solle an dem regimente mitzutun und nötigenfalls dazu
Die kritik des Verfassungsentwurfes. 123
■gezwungen werden müsse, völlig befangen; Aristoteles ist solchen schönen
aber nach zvrei Jahrtausenden noch eben so wenig realisirten ideen auch
sehr zugänghch. so schafft dieser theoretiker seine viertel und seinen
rat; aber den Areopag, die stabile und nicht zu zahlreiche und geschäfts-
erfahrene behorde, die bei Drakon wirklich regierte, hat er doch ganz
vergessen, er richtet einen staat ein, der in dem ländchen Attika viel-
leicht existiren konnte, aber mit dem Reiche schlechthin unvereinbar war.
da mag man sagen, er mochte das Reich für verloren ansehen und den
Verlust für einen segen. so täuschte er sich doch über die gesellschaft,
die in Athen regieren sollte, grundbesitzer oder capitalisten, die um den
erwerb nicht zu sorgen brauchten, mochten jedes vierte jähr so ziemhch
ganz dem politischen leben opfern können: die Athener, die als kauf-
leute den sommer abwesend waren oder eine fabrik leiteten oder selbst
ihr landgut bewirtschafteten, hatten unmöghch dazu die zeit, zwanzig
bis dreifsigmal im jähre konnte wol der bauer aus Kephale oder Tri-
korythos zur stadt gehn und hören, was im Staate vorkam, und stimmen :
ein ratsherr der neuen Verfassung hatte ziemlich so viel zu tun wie ein
1 atsherr der alten ; dazu waren diese (.iegol nolltai, der kern des Volkes,
aufser Stande.
So müssen wir dem Verfassungsentwürfe nachsagen, dafs er so wenig
zu leben verdiente, wie er ins leben zu treten vermocht hat. er ist
die arbeit eines theoretikers und trägt davon die spuren in der eigen-
tümlichen mischung von reaction und radicahsmus, die ziemlich allen
Verfassungen gemeinsam ist, die nur auf papier existirt haben, nicht zum
wenigsten, wenn sie von männern herrühren, die geschichtliche kenntnisse
und abstracte speculation mit einem scharfen kritischen blicke für die
schaden des pohtischen lebens verbinden, an dem sie selbst praktisch
nicht teil nehmen, als kritik der perikleischen demokratie ist das Schrift-
stück sehr wertvoll, es könnte sich vielleicht auch noch heute mancher
liir den gedanken erwärmen, die berufsparlamentarier auszurotten und
ilie beschlufsfähigkeit der Versammlungen durch strafen für die ver-
Säumnis statt durch diaeten herbeizuführen, wertvoller vielleicht noch
als in dem, was er an ihr tadelt, wird die Übereinstimmung dieses oli-
garchen mit der demokratie, denn auch er hat den adel, die solonischen
classen und den Areopagitenrat zu den toten geworfen, für die zeit-
ig eschicbte ist das document wesenthch deshalb von wert, weil wir im
gegensatze zu Aristoteles die Unmöglichkeit daraus abnehmen, Athen
ohgarchisch zu reformiren, im gegensatze zu der gemeinen tradition
des altertumes aber anerkennen müssen, dafs die ohgarchen, die nur so
124 II. 4. näjQtoi no).iTsia.
weit giengen, auf den namen guter patrioteu anspruch haben ebenso
gut wie ihre demokratischen gegner. ein weiterer wert liegt darin,
dafs wir einerscils den anschhifs dieser leute an die solonische 0(1( i-
vorsolonische Verfassung deutlich wahrnehmen, also auch über jene
mancherlei erschliefsen , was die demokratische tradition der chroiiik
nicht bewahrt hat. andererseits aber entfernt sich diese Verfassung so i
weit von der wirklich aUen, dafs sie, so entrüstet ihre Urheber auch j
über diese kritik sein würden, der demokratie in Wahrheit immer noch
näher steht, sie schliefst sich an die Verfassung Drakons an, aber nur
so weit, dafs sie für uns deren echtheil beweist, die wir bezweifeln
würden, wenn der anschhifs enger wäre, die Verfassung der väter, das
war der Schlachtruf der oligarchen viel mehr um das brave volk zu ge-
winnen, als weil sie reactionär waren, die Verfassung der väter war
auch für die demokralen der Schlachtruf und ist es gebheben. dies«'
fragten nach der wirklichen Verfassung Solons noch viel weniger, alxT
sie rechtfertigten doch auch ihre ansprüche durch diesen titel, übcr-
Irumpflen wol noch gar die gegner, weil ihre demokratie schon tlu-
seisch wäre, in Wahrheit lag in dem rufe nach der TrdzQiog TtoXiTsLa
412 — 403, den alle erhoben und bei dem sie sich so verschiedenes
dachten, das gemeinsame gefühl, dafs die gegenwart nur zu traurig ver-
schieden sei von der grofsen zeit der väter.
Ein richtig empfundener gegensatz zwischen der solonischen und
perikleischen Verfassung liegt nur in dem was das volk als prinzip an-
genommen hatte, ehe die Oligarchie eingeführt ward, das konnte niemand
bestreiten, dafs die besoldungen des rates und der richter eine neuerung
waren, von der die väter nichts gewufst hatten, und dafs die politischen
rechte der besitzlosen bürgerschaft zur zeit der väter nicht bestanden
hatten. Solon hatte den Iheten zwar die Volksversammlung geöffnet;
die halte aber eine viel geringere bedeutung gehabt, er hatte sie auch
von den gcrichten nicht ausgeschlossen; aber einmal hatten diese un-
gleich weniger bedeutet, und zum andern schlofs sich jeder von selbst
aus, der seine tage dazu bedurfte, brot für sich und die seinen zu schaffen.
wenn der sold fortfiel, fiel die herrschaft, die das städtische Proletariat
zu üben begann, es erschien aber mit fug und recht, gerade wenn der
census sonst nichts mehr bedeutete, die beschränkung des bürgerrechtes,
die in den forderungen für den hoplitendienst lag, vollends zur zeit des
krieges durchaus billig, darum versuchte man 411 nach dem stürze
der 400 diese beschUisse zu halten, diese beschränkungen sind es
um derentwillen Thukydides und im anschlufse an ihn Aristoteles die
Die kritik des Verfassungsentwurfes. 125
ephemere Verfassung von 411/10 so hoch schätzen, mit fug und recht
konnte sie als Verfassung der väter in einen gegensatz zu der demokratie
des Kleophon gestellt werden, die denn auch bis zur soldzahlung an das
ganze proletariat, die diobelie, fortzuschreiten consequent und radikal
genug war.^°) als die Stadt sich schliefslich den Peloponnesiern ergeben
mufste, war es wieder die Ttäzqiog noliXEia, für deren erhaltung sich
die Patrioten oligarchischer färbung wie Theramenes und Phormisios mit
demokraten wie Archinos und Agyrrhios zusammenfanden, diesmal waren
es die oligarchischen clubbisten, die mit Lysandros (wol schon damals
im gegensatze zu der spartanischen regierung) in einverständnis waren,
denen ein gewaltstreich gelang, so kam über Athen das elend eines
dictatorischen collegiums von 30 männern, die eigentlich eine Verfassung
ausarbeiten sollten und einen nur zu willfährigen rat unter sich hatten.
als sie aber mit hilfe der spartanischen regierung von diesem joche be-
freit waren, wiederholte sich der kämpf zwischen der jcdroiog Ttokireia,
der demokratie der besitzenden, für die Phormisios eintrat, und der
radikalen demokratie, die natürlich auch anspruch machte, die Verfassung
der Väter zu sein.^') und wiederum war diese letztere siegreich, bewies
auch bald, Avie sie die tradilionen der väter als die traditionen Rleophons
verstand, indem sie durch diaeten das Proletariat in die Volksversamm-
lung lockte, aber trotz der kritik, die nicht nur der dichter in den
Ekklesiazusen Ueferte, sondern die alle einsichtigen und vaterlandslieben-
den männer, wenn sie nicht durch den demos herrschen wollten, aus-
zusprechen nicht müde wurden, hat diese loxarrj dr^f.iov.QaTta., die sich
den vater Solon nur anlog, fortbestanden und ist, wie nicht fehlen konnte,
der Ttärgiog /toliTsia immer unähnlicher geworden, bis Aristoteles ihre
kiitik schrieb und Antipatros auf die plane des Theramenes und Phor-
misios zurückgriff, auch er vergeblich, so hat schliefslich Kleophon den
sieg davongetragen: wer von der athenischen Verfassung redet, denkt
\\irklich dabei zunächst nur an die eaxärr] dr^f.ioY.QaxLa.
20) Vgl. das capitel 'JimßeXia^.
21) Vgl. das capitel 'Ttfir;fiara naoexo/nevoi'.
I
0.
DIE KÖNIGE YON ATHEN.
Die myiiii- Übcr die nivtliischeii küuige Athens bedarf es nur weniger woi ir
sehen Uö- . . ' . . ,. , i • i ,>• i • i
nige. aui ihre einordnung in eine lisle koniml geschichüich gar nichts ai ;
die iiillfiguren der Chronographen sind überhaupt nicht der rede nylü.
Ogygos ist ein spälhng aller orten, ei)onyiii der ogygischeu, d. h. okiM-
nischen flut, erwachsen aus dem adjectiv toyt-yiog. Amphiktion ist aiK li
nicht, von attischem Ursprünge, setzt die Zugehörigkeit Athens zu (h i
delpliischen Amphiktionie voraus und entstammt der abstraction, wenn
auch nicht sehr junger.') Kranaos ist aus dem adjectivum y.Qavaog ti-
wachsen, das in nachepischer zeit glossemalisch war. Aristophanes nennt
Athen selbst nicht nur zgavaa 7c6?.ig (Ach. 75), sondern geradezu Kga- i
raal (Vög. 123). aber schon Aischylos sagt für iäd^r^valoL Ttaldeg Kga-
vaov (Eum, 1011), Herodotos Kgaraoi (8, 44). der so entstandene
Kranaos halte ein grab in Lamptra (Paus. 1, 31,3), und ein eponym,
der sonst keine genlihcische Verbindung halle, erhielt ihn zum vater,
liQavaov Ttalg ^Pagog bei Ilesych. Aktaios oder Aktaion ist seinerseits
erst von der ay.rij abgeleitet, und da die Athener mit ccattj nicht
ihr ganzes land, sondern die jetzt sog. Peiraieushalbinsel benennen, ,
Anika überhaupt als das Sorgebirge' (das ist uy.ti]) nur von dem I
1) Nach 445 hat die Amphiktionie die für die Schaffung einer solchen figur
nötige bedeutung nicht mehr, aber zu Solons oder Kieislhenes zeiten lag der an-
schlufs Athens an Delphi vor. Amphiktion ist mit der einführung des Dionysoscultes
verbunden, so erzählt Philochoros (Athen. 3S'=179^J, und Pausanias erwähnt im
Keranieikos eine terracottagruppe, die Amphiktions d^to^ivia darstellte, eine le-
gende, gegen die Philochoros stillschweigend polemisirt, setzt in der tat für die
einführung des Dionysoscultes die Intervention von Delphi in bewegung (schol, Ar.
Ach. 242), und sie ist nicht schlecht, da sie Eleulherai als landfremd fafst. der
cult des Eleuthereus geht die grofsen Dionysien an, eine Stiftung des Peisistratos:
daCs diese ihren reflex in der königszeit fand und einen könig Amphiktion schuf, ist
sehr glaublich.
Die mythischen könige. 127
Standpunkte, sei es des Seefahrers draufsen, sei es des hioterliegea-
deu continentes bezeichnet werden kann, so ist der Ursprung dieses
namens aufserhalb Athens zu suchen , wie denn auch Aktaios-
Aktaion in Attika keine locale oder gentihcische Verbindung hat.-)
dagegen ist Aklaion söhn des Aristaios in der kadmeischen genealogie,
Aristaios ist der Vertreter von Keos, wo er seinen cult hat: dafs
fein söhn der 'mann der Akte' ist, ein vorwitziger mensch, der die
Artemis oder die Semele freien will und zu gründe geht, ist vom
Standpunkte der nachbarn Athens ganz begreiflich.^)
Es bleiben also nur die vier den dichtem des fünften Jahrhunderts
geläufigen könige Kekrops, Erechtheus, Pandion, Aigeus. aber auch von
ihnen geht Pandion ab, der nur als vater für die sage in betracht
kommt, von den Ilävdia abgeleitet ist und die Sammlung aller Athener,
dio einen Zeig egyMog haben, zum gemeinfeste des Zeus bedeutet, wie
dieses ist sein repräsentant immerhin recht alt.") die beurteilung des
Aigeus ist von uns modernen einseilig und falsch ledigüch darauf ge-
haut worden, dafs er den Poseidon als vater des Theseus ersetzt, und
(lals in seinem namen wie in dem von ^lyal die wogen stecken können.
aber er hat den Poseidon als vater des Theseus nicht verdrängt, wie denn
überhaupt ein sterbhcher vater neben dem göttlichen zu rechte besteht,
und Tyndareos oder Amphilryon sind wahrlich keine hypostasen des
Zeus. Aiyevg ist der ahnherr des geschlechles der AiyeldaL, und dieses
existirt in Theben und Sparta sammt ihren pflanzstädten. als zugehöriger
zu diesem geschlechte ist Theseus ^iyei'drig, wie Herakles uih/.eidrjg ist,
und zwar schon in der Ilias, also ehe Theseus Athener ist.^) als dieser
2) Vertreter Athens ist Aktaios in der genealogie des Aias bei Pherekydes
(Homer. Unters. 246). das ist zwar attisch, aber Salamis gegenüber liegt aucli die
eigentliche ay.zr^.
3) Der Bakchiade Aklaion, den die liebhaber zerreifsen wie die hunde den
söhn des Aristaios, iliuslrirt den Übergang der sagenmotive in die novelle, wie z. b.
Ankaios der bruder Althaias zu einem könige von Samos wird, den wieder ein Wild-
schwein erschlägt.
4) Denn er hat einem begleiter des Teukros in einer interpolalion der Ilias
seinen namen gegeben, M 372, Homer, ünlers. 245. mit einer Homerkritik, die das
liicht begreift, kann ich nicht disputiren.
5) A 265, denn die alhetese des verses im Heraklesschilde 184 ist £. Meyer
(Herrn. 27,374) nicht geglückt, wie Robert dazu bemerkt hat: wo sollen wir hin,
wenn ein fast gleichzeitiges citat nicht mehr sichert? dafs Theseus Aegide ist,
discreditirt den vers vollends nur unter der Voraussetzung, dafs die sterblichen väter
jünger als die himmlischen wären, der vers ist das älteste Zeugnis für Theseus, und
hier erscheint er als Lapithe. das ist sehr beherzigenswert.
128 n. 5. Die könige von Athen.
Dach Athen kam, zog er den ahn nach sich, den man als vater fafste
von einem geschlechte von Aegiden ist gleichwol keine spur. Aigeus
als söhn Pandions ist erst die späteste anknüpfung; als man ihm sei
haus in der Unterstadt anwies, kann er nicht der söhn des künigs auf
der bürg gewesen sein, in der tat kennen wir noch die genealogie,
die ihn zum söhne des Aigikores macht, also zum enkel des Ion, und
eine andere, 475 in der Theseuslegende anerkannte"), die seinen vater
Skyrios nennt, wie hei jener deutlich ein namensanklaug gewirkt hat,
so dürfte der erfinder von dieser an die berühmten alyeg ^-/.vgiat ge-
dacht haben, wertlos ist das alles, und an Aigeus in Athen nur wichlig,^^
dals er fremd ist und fremdes mitzubringen allein geeignet, wie den ciiU
der Urania.
Kiy.Qoip ist der name eines volksstammes; daher gibt nur Key.fjo-
.cia einen landesnamen, wie HeXonia von iTe'Aoi//, der genau ebenso'
zu beurteilen ist. die KqMuidaL im nordwestwinkel der ebene gehören
offenbar zu den KizQOTteg. so ist uns der slanmiesnamen der ältesten
eingebornen bevölkerung erhalten, der attische urmensch ist als yr^yerr^gl
ganz oder halb schlänge und hat keine irdische descendenz aufser den
Key.QOTtLöaL im allgemeinen.
'EQ€x^€vg ^Egix^övLog sind wir längst gewohnt zu identiOciren, die
form ^EQLxd-Evg auf der parischen chronik schlägt die brücke, man kann
den kürzeren nameu als hypokoristikon des längeren fassen, und die
^Egixd^ci) der \Yürzburger Phineusschale ist schwerlich etwas anderes als
Egixd-ovlr], die Xd-ovirj von Mykonos und Syros. dann wäre auch ^Eqsx-
^evg nur der yriyevrig', so \s,i^EQiyßövLog überall gefafst, in Alben Sikyon
Uios. aber auf der bürg verehrt das geschlecht der Butaden vielmehr
6) Die abstanimung von Aigikores, erhalten in einem scholion zu Demosthenes
24, 18 hat Maafs (Gott. Anz. 18S9, 806) hervorgezogen, das ist dankenswert; ebenso
seine sonderung der tradilionen über den Zweikampf des Melanthos mit Xanthos
und die intervention des Dionysos, aber alle seine Folgerungen halte ich für Phan-
tasmen, die abstammung von Skyrios (ApoUodor bibl. III 15, 5) ist durch Aristo-
teles fgni. 4 gesichert, eine dritte, die die schollen zu Lykoph. 1324 geben, indem
sie dessen rätselwort 6 <Pt]fiiov nale = Theseus erklären, nennt den vater des Aigeus
Phemios, was Lykophron nicht notwendig gemeint haben mufs. sie verstehe ich
nicht, auch die Althis (Plut. Tlies. 13) betrachtet Aigeus nur als adoptivsohn des
Pandion Androlion hat ihn an die Aigeiden von Tlieben angeschlossen, da er ihn
einen Sparten nannte (Tzetzes zu Lyk. 495, aus den vollständigeren schollen): die leule,
die an deren existenz zweifeln, sind so mit einem weiteren Zeugnisse geschlagen,
damit gab er eine ältere tradilion wieder, denn sein eigener rationalismus sah in
den Sparten keine erdgebornen, sondern die zusammengelaufene gefolgschaft des
Kadmos.
Die mythischen könige. Kodros. 129
den nooeidwv 'Egex^svg, und für diesen pafst egix&oviog kaum, hin-
zutritt iQvoix&iov, das man in späterem griechisch mit aioaiTrolig wieder-
geben kann, in anderen und zwar triopischen sagen ist Erysichthon in
der tat dem Poseidon verwandt; aber in Attika ist er nur dürftig an Kekrops
angeschlossen, eigenthch in Prasiai zu hause und mit Delos verbunden,
auf der bürg dagegen lebt Erechtheus als schlänge bei Athena fort, ist
also der heros, der geist des alten königsgeschlechtes, das in jenem
hause mit Alhena wohnte, so durchdringen sich die eigentlich nicht ver-
einbaren Vorstellungen des Tlooeiöcov eQvöixd-iov und des iqQiog \qi-
X^ovwg, und sie lassen sich ohne gewalt nicht mehr scheiden, eine
descendenz hat auch Erechtheus nicht; ^EgE^d^üdai sind nur die Athener,
aber es gibt doch ein geschlecht, das seinen cult pflegt und auf Po-
seidon zurückgeht, die Butaden , und dieses geschlecht, das den cult
des Poseidon mit dem Athenas vereinigt, erscheint dadurch mit den
alten konigen Athens am nächsten verbunden.
Die Athener kennen keine könige aus dem geschlechte der Butaden.
sie kennen nur die Urmenschen, die zugleich den anfang der weit und
Athens bedeuten, und pflegen dann den fremden Theseus einzuschieben,
der noch ein par sühne erhält, die an sich, aber nicht als Theseussohne
bedeutung haben, denn Demophon stammt aus Eleusis, Thymoiles ist
der eponymos des dorfes der Thymaitaden, vom thymian, Apheidas (der
'milde', der nicht knausert) ist der ahn eines fortlebenden geschlechts;
Oxyntes ist bisher nicht nachgewiesen, über Akamas mag ich noch
nicht aussprechen was ich vermute; der uame ist im epos nicht selten.
in allen diesen stecken keine alten fürsten Athens, dagegen Meuestheus
sammt seinem vater, die den homerischen dichtem Athen vertraten und
möghcherweise menschen und könige gewesen sein könnten, waren zu
hause vergessen und wurden erst durch Homer wieder bekannt.
Nun tritt Kodros ein, der söhn des Melanthos des sohnes des Andro- Kodros.
pompös des Neliden, und er wird der ahnherr des könighchen geschlechtes.
Melanthos als eponymos von Melainai scheidet aus; er sammt seiner
hübschen sage setzt die erwerbung des jQvf.i6g oberhalb der eleusini-
schen ebene voraus.^) von den andern namen ist IdvögoTtof-iTtog "^der
die männer auf die fahrt bringt\ am durchsichtigsten: diesen grofsvater
hat Kodros als der vater der ionischen auswanderer.*) Kodgidai waren
7) Herrn. 21,112, 22,244. wenn das local nicht bei Oinoe, sondern bei Pa-
nakton ist, kann die legende älter als 504 sein.
8) Dafs Pausanias IX 5, 16 den vater statt des sohnes als den beiden der
Apaturienlegende nennt, ist nur eine seiner gewöhnlichen flüchtigkeiten.
V. Wilaraowitz, Aristoteles. II. 9
130 M. 5. Die köiiige von Athen.
die kuüige in den ionischen städten, und so nennt Aristoteles die atti-
schen auch, jene hiefsen daneben BaOLUÖai, und in Athen hat Ro-
dros ein kleines stück geweiiiten landes, das ein annex eines grofsen
gartens ist, der dem ISeileus und der Basile gehört (CIA IV p. 67).
Neleus aber ist der ahn sowol der ionischen wie der altischen Kodriden.
es bedeutet also Buodiöai und Koögiöat dasselbe; Baoilri ist der gött-
liche exponent für die ßaoiXua, die ihre enkel auf erden üben, Nt^Ievq
ist der heroische ahn, Nestors vater, eine wirkliche sagengestalt. das führt
darauf, in Küdqog^) nicht mehr zu suchen als in BaGilr]^°): er ist nichts
als der personificirte adel der herrschergeschlcchter. was in Alheo
von Ivodros erzählt wird, ist einmal, dafs er durch eine heldentat sich
die herrschafl erworben hut"J: das soll motiviren, wie der Nelide und
sein haus über Athen haben herrschen können; oder dafs er fürs Vater-
land als könig stirbt: das hat ursprünglich nur seinen cult motivirt;|
Euripides konnte jedoch den lod fürs Vaterland noch von Erechlheus
erzählen, die wendung, dafs nach Kodros die königswünle abgeschallt
wird, ist eine Verschlechterung und kann für die sage nicht in betracht
kommen, erfordert aber eine erklärung, die sie bisher nicht gefunden
hat. das grundslück des Kodros ist ein annex zu dem garten seiner
ahnen ; die attische poesie nennt ihn nicht, die bildliche überheferung
nicht vor der schönen schale, die wir nach ihm nennen, schon des-
9) KöSqos ist nicht anders gebildet als SS^a vSgos i'ögis. neben y.öS^os s(eht
xödfios xöaiios i<exuSfidvo= xaSfios xaSfiilos, andererseits xiSoi neben xiSos in
KvSad-i,vai,ov Kv§(>7]/.os, Sohn des Kodros, gründer von Myes in lonien, auch sonst
in Asien mehrfach begegnend, KvScor KvSwvia, KvSqoxXjjs Kcöoi CIA II 3124. zum
vocalwechsel vgl. ßä&oi ßv&os ßöd-gos. y.ölos xvXlös, davon Kvllcov, in welchen»;
namen nur die alte haplographie des consonanten getreulich bewahrt ist. ot^ßsad'at
QOfißoi (>vfißos. QÜfKpos QOfKpaia Qvyxos öiyy.tad'ai u. dgl. m. Hesych hat die
glossen KöSQOvi' ovS Tjfisls /.iyofisv Koofiy.ois Tivas, xh vg^alov ainöv iucpavi-
L,ovz£S. (KoSgosy }i&?]valo£, launoos T<t> ye'vei. zu dem ersten gehört xgonxoi,
xoovvXtjqos, 7iQsaßvT£()os KöSgov Pollux 2, 15, wo vor Bekker KqÖvov für KöSqov
gelesen ward, das ist eine Komikerglosse, Mein. IV p. 6S0. das zweite zeigt eine
halbadjectivische Verwendung, meint aber nicht Lykophr. 13S9, der in seiner weise,
unmittelbar nachdem er die ionische Wanderung erzählt hat, die dorischen besiedler
der hexapolis Kvzivtoi. KöSgot nennt, die bedeutuiig des wertes war aber damals
noch unvergessen.
10) CIA II 1573 ist ein weihgeschenk an Zeuxippos und Basileia. ZeuxipposI
steht am köpfe einer genealogie (Phot. Mvq/itjxos azQanoi vgl. Kydath. 147), die
hesiodisch zu sein scheint. Zeuxippe ist die gattin des flufsgottes Eridanos (cnmment.
gramm. 11 12j. der gatte der Basileia mufs ein urkönig sein; der 'rosseanschirrer*
deutet auf Erichthonios, der als solcher der fuhrmann am himmel ist, auch kehrt
sowol Erichthonios wie Zeuxippos in der sikyonischen königslisle wieder.
Kodros. die Medontiden. 131
halb mufs man geneigt sein, ihn für einen eindringhng zu halten; aber
entscheidend ist erst, dafs sein söhn Medon neben ihm steht. Kodriden
und Medontiden ist dasselbe geschlecht, die Medontiden aber bestehen
wirklich fort und haben grundbesitz in oder unfern der Stadt.'-) Mi-
ötov ist auch ein redender name, MeöovTidaL auch nichts weiter als
das "^fiirstengeschlecht.' das ergibt die verschiedenen Stadien der ent-
wickelung: erst wollen die athenischen könige Pylier und Neliden sein,
BaaiXidai Medovriöai. dann, als sie mit den loniern in so nahe be-
ziehung treten, dafs sie auf den Kodros beschlag legen wollen, schieben
sie Kodros vor Medon ein und heifsen auch Kodriden.
Der nachfolger des Medon ist Akastos, in der aristotelischen wieDie Medon-
in unsern listen, damit betreten wir den geschichtlichen boden, da der
archonteneid die Constitution Athens wie sie besteht und das ritual der
Vereidigung auf ihn zurückführt (3, 3 vergl. I s. 46). in dieser Con-
stitution ist der archon der oberste beamte, daraus folgt, dafs er es unter
Akastos geworden ist. so schliefst auch die Atthis des Aristoteles; die
differenz ist wirlich irrelevant, die den mythischen Medon an seine stelle
setzt, die macht haben die Medontiden-Kodriden also schon unter Aka-
stos eingebüfst. wer sich das klar machte, mufste ins gedränge kom-
men, da vor Akastos nur die namen Medon und Kodros standen, eine
lösung der Schwierigkeit ist die angäbe, dafs das königtum mit Kodros
erloschen sei. eine consequenz ist, daf^ die namen der liste als namen
von archonten angesehen werden, wir würden demnach gar keine
wirklichen Medontidenkönige kennen, in Widerspruch hiermit scheint
zu stehn, dafs Aristotetes selbst an einer früheren stelle (Ilerakleides 3)
den Übergang des königtumes von den Medontiden - Kodriden auf an-
dere, also den ersatz des erblichen durch das wahlkoniglum berichtet hat.
der anlafs dazu war, dafs die Kodridenkönige zu schlaff schienen, da
11) Aristoteles Politik E 1310'', aara nöXsiiov xtoXxaas SovXsveiv kommt er
und sein geschlecht zur herrschaft. bei dieser tat Mird ihn sich Aristoteles und
seine vorlagre, die chronik, als polemarchen gedacht haben, denn diese würde gibt
es nach ihnen seit Ion. auch die zeit, ein par generationen nach der dorischen
Wanderung, wie sie Herodotos 5, 76 kennt, und die beseitigung der Thesiden durch
Kodros kann für diese tradition unbedenklich in anspruch genommen werden.
12) CIA I 497. dazu kommt eine verschollene und, so viel ich sehe, im CIA 11
vergessene inschrift aus Kypseli (dicht bei Athen nördlich) Töpffer Att, Geneal. 229.
Selon heifst KoSoiSr;s, Piaton auch, der durch seine mutier auf Dropides den bruder
iSolons zurückgeführt wird, dafs er vom vater her auch Kodride gewesen sei, wie
iThrasyllos behauptet hat (üiog. Laert. 3, 1), ist nicht genügend bezeugt, von Me-
dontiden wird dabei nicht geredet; auch Aristoteles kennt nur Kodriden.
9*
132 II. 5. Die könige von Athen.
zeigte Hippomenes, einer aus dem bause, aber ersichllich kein könig
mehr, dafs auf ihn der Vorwurf nicht zutraf, durch die mafslos strenge
bestrafung seiner tochter und ihres buhlen, so Aristoteles; und Aischines
(1, 182), dessen überheferung auch liier der aristotehschen nahe steht,
nennt diesen Hippomenes einfach einen Athener, aber in anderen be-
richten wird er als der letzte Kodridenkiinig bezeichnet"), und einen
Medontiden nennt ihn ausdrücklich Pausanias (IV 13. 7),' wo er nach
seinen jähren datirt; er steht auch in unseren chronographischen listen
als zehnjähriger archon. sehen wir zunächst von dieser differenz ab,
so bleibt für Aristoteles selbst ein Widerspruch, wenn wir nicht
scharf unterscheiden und also sagen: unumschränkte Kodridenkünige
gibt es freilich nicht, denn schon unter Akastos ist der archon über sie
getreten, aber könige sind sie geblieben bis auf die zeit kurz vor Hip-
pomenes. sie haben also die gesammte rechtsprechung im heiligen
rechte gehabt, also auch im blutrechte, und sind erst abgesetzt, als
sie schlaff wurden, gerade in einer sache, wo es sich um cpövog öUaiog
handelte, übt Hippomenes in demonstrativer weise die äufserte strenge
diese construction hat in der tat band und fufs; künigtum seit Kekrops,
dazu tritt die polemarchie seit Ion, das archontenamt seit Akastos, aber
die künige bleiben erbkünige aus diesem alten geschlechte, während
ihnen wahlkünige in den archonten zur seite stehen, auch sie auf lebens
zeit gewählt, endlich wird dem geschlechte das Vorrecht des königtumes
genommen, und bald wird die zehnjährige wähl der drei oberbeamten
durch die einjährige ersetzt, die namenliste kann bei dieser annähme
bis auf die zeit des Hippomenes noch ganz gut Kodriden und könige
enthalten, denn warum ist es notwendig, dafs die eponymie bereits untet
Akastos auf die archonten übergegangen wäre? dicht neben Athen, in
Megara, ist trotz allen revolutionen der könig bis an das ende des vierten
Jahrhunderts eponym geblieben, aber ein in einem geschlechte vererbtes
königtum schliefst allerdings die zehnjährige befristung aus. bei einer
Vererbung in der descendenz von vater auf söhn schon wegen der zeit
bei einer solchen vom ältesten geschlechtsgenossen auf den nächstäitesten^
weil der Vorsitzende des Areopagitenrates vor einem jüngeren weichen
müfste, übrigens auch, weil so dieses geschlecht in dem rate unverhält
nismäfsig bevorzugt würde, aber denkbar ist sehr gut, dafs neben
13) Phot. na^' iTtTiov xai xÖqtjv zurückgehend auf ein scholion zu de«
Aischinesstelie. die Atlhis hat die deulung des monumentes naQ^ innov xal xc£t}v
ohne zweifei richtig gegeben; die Umbildung, dafs die dort begrabenen ein sodo
mitisches liebespar wären (Dion Chrys. 32, 78), ist nichts wert.
Die Medontiden. 133
bt'fiislelen amtsperioden der beamten ein lebenslänglicher könig stünde.
(lit- parische cbronik bezeichnet in der tat die sämmtHchen namen
iler liste , die sie bis auf die zeit der neun einjährigen archonten an-
(iihrt, als könige; von den zehnjährigen kommt leider keiner vor. die
li^te des Pausanias (I 3, 3) enthielt sogar das stemma dieser Medontiden-
köiiige bis auf den Vorgänger des Hipporaenes, und er gibt gelegent-
lich eine probe davon. *^) die auszöge des Kastor bei Eusebius stimmen
mit ihm in allem wesentlichen , und dafs sie trotz der genlilicischen
Verwandtschaft ihrer träger die namen auf uQ^ovrag dia ßlov und
dg öeyiaaTaiav beziehen, ist so verkehrt in sich, dafs es nicht be-
irren kann.
Dürfen wir die namen liste als authentisch anerkennen? abgesehen
von Hippomenes'^j sind in ihr keine Schwankungen nachweisbar, im
gegenteil, die Übereinstimmung der parischen cbronik sichert gerade die
äheren namen und selbst die zahlen für die letzten zwei lebensläng-
lichen archonten oder vielmehr konige. dafs die archontenliste von
unten bis Kreon 683/2 = ol. 24, 3 mit einer relativ grofsen Zuverlässig-
keit lief, kann niemand ernsthaft leugnen, damals wurden die Ihesmo-
theten eingesetzt und schriftliche Verordnungen gab es bereits: so Ari-
stoteles, und es ist lächerhch, daran zu zweifeln , da unsere inschriften
wol selbst so hoch hinauf reichen, die Eleer und Spartaner schon viele
Jahrzehnte früher mit der fiihrung von officiellen listen begonnen hatten.
14) IV 5, 10 heifst Aisimides, der zweite der zehnjährigen archonten, söhn des
Aischylos, von dem ihn sein Vorgänger Charops und der könig Alkmeon trennen,
bei Kastor (Euseb. I 187 Seh.) folgen sich die älteren könige alle als söhn dem
vater, nur Alkmeon ist nicht söhn des Aischylos. das stimmt also, dafs Pausanias
im vierten buche eine andere liste als im ersten habe, glaube ich nicht; Hippomenes
stand nur in keinem kindlichem verwandtschaftsverhältnis zu einem seiner Vorgänger,
übrigens hat sich Pausanias IV 13, 7 u. ö. um eine Olympiade versehen, oder seine liste
war durch einen Schreibfehler entstellt, denn an eine andere tradition kann ich nicht
glauben (so Geizer Hist. Aufs, für Curtius 18. 19). das datum für Kreon ist durch
Marmor Parium, Dionysios, Africanus völlig gesichert, seitdem Gutschmid auch das
erste richtiger als Boeckh behandelt hat. man darf nur nicht vergessen, dafs in
der rechnung des Pariers ein jähr kein jähr ist.
15) Wenn dieser in der liste fehlte, aber wirklich Aisimides und Kleidikos
noch könige aus dem Medontidenhause, also lebenslängliche waren, so konnte die
rechnung der lebenszeiten unmöglich die erforderliche zahl decennien geben. Hippo-
menes war durch ein monument, das grab seiner tochter, und dessen aXriov im ge-
dächtnis erhalten: sehr leicht also konnte ein Atlhidograph sich seiner bedienen,
um eine lücke zu füllen, dies unter der Voraussetzung, dafs die namenliste zuver-
lässig ist und Kodriden gibt.
134 II. 5. Die könige von Athen.
minder sicher sind die sieben zehnjährigen archonten, sowol wegen des
llippomenes. wie auch weil die zahl 70 ganz rund ist. das datum 753/2
ist also nur mit einer etwas gröfseren reserve als fest zu betrachten, das
beeinflufst auch die Jahreszahlen der beiden letzten könige Aischylos und
Alkmeon, die sonst zuverlässiger scheinen, insbesondere die zweijährige
herrschaft des Alkmeon, die den anlafs zu der Verfassungsänderung offen
bar gegeben hat, sei es dafs er ohne erben so früh starb,, sei es dafs
man ihn, worauf die genealogie seiner nachfolger (anm. 14) deutet, als
Usurpator stürzte, damit kommen wir bis an das jähr 800, und mir fehlt
der mut zu bestreiten, dafs noch eine ganze reihe namen aus älterer zei;
jiberliefert sein konnten, die zahlen ihrer regierungen sind selbstverständ-
lich nicht nur an sich wertlos, sondern nicht einmal durch eine beson-
dere athenische rechnung gefunden, sie sind dazu bestimmt, die brücke
zu der zeit der ionischen Wanderung, oder, da diese nur ein relatives
datum ist, zu dem falle von Uios zu schlagen ; diese punkte aber waren
den Athenern durch andere chronologische Systeme gegeben, immerhin
gelangen wir, wenn wir auch nur die geschlechterfolge rechnen, mit
Akastos, der als geschichtlicher könig durch den eid seiner nachfolger
gesichert ist, über das jähr 1000 hinauf.
Ich habe diesen weg bis zu ende verfolgt, um zu zeigen, dafs er
gangbar ist. aber ich halte ihn doch für irreführend, denn die namen-
liste ist nicht die eines griechischen geschlechtes, die Miltiades Alkmeon
Damasias Dropides, die wir in der beglaubigten archontenliste bis hoch
in das siebente Jahrhundert finden, zeigen, dafs damals dieselbe sitte
herrschte wie später, und die geschlechter ihre bestimmten eigennamenj
mit Vorliebe vererbten, aber in dieser angeblichen liste von Medontiden
kehrt kein einziger name wieder, und nur zwei (Archippos und Ther-
sippos) könnten allenfalls auf gentilicische Verbindung führen, wenn das
ritterpferd nicht allzuvulgär in den namen wäre, dagegen Megakles
Alkmeon Ariphron weisen auf andere später bedeutende geschlechter.
Phorhas hatte in der Stadt ein heiligtuni und kommt als begleiter des The-
seus und sonst in genealogien und sagen vor. ich bezweifele gar uichtj
dafs es in alten zeiten einen leibhaften träger dieses namens in Athen
gegeben hat, der sich durch seine taten ein heroisches gedächtnis erhalten
hat: aber ein könig und ein Medontide ist der heros nicht gewesen,
die liste seihst sagt also, dafs sie höchstens die namen von archonten "
enthalten kann, wenn die eponymie schon unter Akastos den kiinigen
genommen ist, das königtum aber im hause der Medontiden bis auf den
archon Kleidikos vorblieben, so ergibt das an sich keinen Widerspruch ;
Die Medontiden. 135
es ist dann nur der Irrtum der Chronographen anzuerkennen, die in ihr
könige und Medontiden suchen.
Aber auch dieser gangbare weg führt in die irre, es ist nicht wol
zu verlangen, dafs man den Akastos, auf den sich ein alter eid um 600
bezieht, für einen könig aus dem zweiten Jahrtausend halte, der Akastos
des eides war sei es könig, sei es archon, als die herrschaft der archonten
eingesetzt ward, eine solche Verfassung in vorhomerischer zeit ist nicht
glaublich, und die dauer einer Verfassung durch vier Jahrhunderte noch
weniger, dagegen stellten die herren, welche im archon den höchsten be-
amten hatten, ihre Verfassung naturgemäfs als eine uralte hin, rückten also
den könig, unter dem sie eingeführt war, an den anfang der reihe, das ist
dieselbe manipulation, wie wenn die demokratie den Theseus als Stifter
verehrt und zuerst den ostrakismos leiden läfst. dann ist die liste zwar
nicht authentisch, aber sie ist älter als die demokratie des Kleisthenes,
ein erzeugnis des sechsten Jahrhunderts, dieses hatte das gute recht, die
Vorzeit in seinem sinne umzuformen, und ganz von selbst suchte es in
ihr archonten , denn die waren jetzt in Athen die entscheidenden be-
amten; auf die könige kam wenig mehr an. damals verfügte man ohne
zweifei noch über viele Überlieferung, die später mit dem stürze der
gescblechterherrschaft verschollen ist, und von der die liste in ihren
namen einen niederschlag enthält.'^) sie ist nicht gedankenlos zusam-
mengestoppelt oder frischweg erlogen; aber sie ist zurecht gemacht, ist
keine königsliste und ist authentisch erst etwa seit 800. wir aber sind
nur ganz ausnahmsweise im stände, eine einzelheit in ihr mit Sicherheit
zu glauben oder zu verwerfen, die liste ist eben ein stück Atthis des
sechsten Jahrhunderts, die kritik des fünften und vierten, die nament-
lich mit recht das königliche geschlecht suchte, hat sie umgedeutet und
hie und da zurechtgestutzt; die namen selber aber, das hauptgerüst, bat
sie stehn lassen müssen.") wenn man sie so beurteilt, so kennen wir
gar keine Medontidenkönige; das stemma bei Pausanias ist ein auto-
schediasma, aber Hippomenes kann ganz wol zehnjähriger archon ge-
wesen sein, übrigens verhehle ich mir nicht, dafs das urleil schwanken
kann, und dafs jedes glied, je nach dem es beurteilt wird, die ganze
16) Rätselhaft sind besonders die namen Oeamevs und "AxpavBqos. diesen
wage ich nicht zu deuten; ein ethnikon als eigenname in so alter zeit ist erst recht
anstöfsig.
17) Der athenische könig Epainetos in der sechsunddreifsigsten Olympiade aus
Hippon von Rliegion (Antig. Kar. parad. 121) ist gänzlich unverständlich und kann
sicherlich nicht zugleich könig und Athener sein.
136 U. 5. Die könige von Athen.
rechnung verschiebt, ich fürchte nur, clafs dialektik hier nicht weiter
hilft: aber die fixirung irgend einer person der reihe kann das ganze
feststellen; das ist mir leider nicht gelungen.
Ion und Einen ganz anderen Charakter als die einzelfiguren der alten my-
' thischen konige und die künigsliste der chronik hat die genealogie
Apollon- Ion -Geleon**) Hoples'^) Argadeus Aigikores, die ersten vier
phylenkünige.^") die vier namen sind als singulare und personen so
erbärmlich erfunden wie etwa aus den Ehaör^g, die an der eixag ein
festmal halten, der heros Ehaösvg. und wenn einmal Aigeus söhn des
Aigikores heifst, um des anklanges der namen willen, und eine lochter
I
18) Euripides (Ion 1579) und Apollonios der Rhodier (1, 95) schreiben TeXitov,
und wenigstens bei diesem kann es kaum ein Schreibfehler sein, auch bei Pollux
8, 109 steht es. so ist es wol eine bereits absichtlich rois ev läXei hineintragende
änderung. aber dann mufslen die Geleonten sciion recht obscur geworden sein,
sonst ist Geleon als vater des Butes, zumal seine gattin tochter des Eridanos ist
(Comment. grammat. l\ 12), immer noch die beste dieser figuren. die ßutaden sind
Geleonten gewesen und sind städtischer adel; weiter liegt nichts darin.
19) onXr^TES (bs yv/ivr^rse. es ist das gegenteil aller methode, von dem namen
des herrn "OttAt^s auszugehn, dies angebliche hypokorislikon zu einem voUnamen nach
belieben zu machen und dann aus diesem weitere Schlüsse zn ziehn.
20) Herodot setzt die genetive lAoyaStos und ^tyixÖQsco neben einander und
diese form gibt auch das Demosthenesschoiion 24, 18. die biidung auf -svs greift
in der alten zeit sehr weit; nur damals ist sie auch hypokoristisch. Ter^onoXriS
ToiroTtar^TjS EixaSfis, die phratrien Jvakrjs <PihTJs, die ephesischen phylen Bcjoeli,
'EcpeaeXi sind am ehesten vergleichbar, die Weiterbildung von gentilicia, dr/SoviSeis,
XvKiSsvs u. s. w. (Aristoph. Byz. 114 N.), und spielend danach gebildete ßlaiaSsvs,
(der kleine Hermes), Xat^iSTJs ßofißavhoi bei Aristophanes, Atay.iSeis (gewifs auch
Singular, Philoxenos im EM. s. v.), können hier nichts helfen. l4o'/aösvs mit Argos zu
verbinden verwehrt die grammatik: wo käme denn das a her? ich konnte mehr geben,
aber dies dürfte genügen, um die versuche, aus diesen namen capital zu schlagen, so
lange auf sich beruhen zu lassen, wie sie mit nichts weiterem als den namen ope-
riren. dafür will ich das so viel besprochene ßaailsvs in diese reihe stellen, in ihm
ist der singular offenbar abusiv, die ßaailrjss sind so gut wie die <PiXitjs und ^IxaQir,?
das ursprüngliche, angestammte könige, wie die der Spartiaten, sind keine ßuaihls
sondern agxayärai, erst aus der ionischen panhellenischen spräche nehmen sie den
fremden titel an. abgeleitet ist das wort von ßaaiXrj, und ßaaü.iSai steht daneben
(so auch wider den Regius A bei Piaton Kritias 116c zu schreiben); dieses wort
steht vereinzelt in der griechischen spräche, genauer der ionischen, stammend aus
einer der mundarten, die in sie aufgegangen sind, es kann also aus dem grie-
chischen nicht erklärt werden, und eine gleichsetzung mit irgend einem ganz fremden
wird niemals seine wirkliche bedeutung erklären, das dagegen lehrt das griechische,
dafs die ßaatlrjee keine monarchen mehr waren, und der einzelne ßaaiXsvs nur
primus inter pares, wie Odysseus in Ithaka. es ist sehr bezeichnend, dafs Zeiis
ßaailevs sowol als anrufung wie als cultnan.e nicht alt ist.
Ion und seine söhne. 137
des Hoples heiratet, ohne nachkommeDschaft, so ist das so kümmerlich,
(lafs man ruhig behaupten kann: die vier personen sind weder etwas ge-
wesen noch geworden als die singulare der 4 phylennamen, nicht einmal
(leren rechte eponyme. Ion ist ihr vater, wieil die phylen die der lonier
sind; aber er hat mit Athen nichts zu tun. Euripides hat ihm zwar
die tochter des Erechtheus zur mutter gegeben, aber das erst im Ion:
im Erechtheus hat sicherhch keine tochter desselben den vater über-
lebt, und im Ion selbst war dem pubhcum der name Kreusa so wenig
vertraut, dafs er ihn besonders einschärfen mufs.^') Rleidemos aber kennt
zwar eine Kreusa als frau des Xuthos, also vermutlich auch mutter des
Ion, aber sie ist die tochter des Kreon von Korinth (schol.Eur. Med. 19).^-)
Xuthos ist dem Herodotos der vater Ions (8, 44), wie er es jedem sein
mufste, der der mafsgebenden hesiodischen genealogie folgte, auch nach
dem beschlusse des ApoUon bei Euripides soll er es vor der weit bleiben,
mit andern worten : Euripides hat die hesiodische genealogie mit der
attischen verbunden und den Ion durch Kreusa gewaltsam zu einem
Erechthiden gemacht. Ion der söhn ApoUons und vater der vier heroen
inufs ja wol eine mutter gehabt haben , und es wird eine Athenerin
gewesen sein , aber einen namen scheint sie nicht besessen zu haben ;
die mutter der vier ist überhaupt unbekannt, ein weiterer schlufs ist,
dafs Xuthos erst durch die hesiodische genealogie importirt ist, so dafs
sich die Schwierigkeit der beiden väter ergab, die Euripides lösen
will.^^) in der tat hat Xuthos in Athen keine statte^'), und in der he-
21) Der prolog nennt den namen sechsmal und 57 würde er gewifs nicht
stehn, wenn er nicht eingeschärft werden sollte, auch vieles in dem gespräche
zwischen Ion nnd Kreusa dient der belehrung des publicums über den neuen mythos.
die interpolationsjäger sind besonders darauf aus, den namen Ions zu vertreiben,
und die stellen sind zum teil anstöfsig, d. h. nicht die abstracte poesie, sondern
die praktische rücksicht hat den dichter bestimmt.
22) Schwerlich mit recht folgt Panzer (de mythographo Homerico Greifswald
1892, s. 26) einer Überlieferung, die KQsovaa ^Eosxd'ecos als mutter Agamemnons
einführt, und sollte er mit der beurteilung der handschriften recht haben, so würde
es ein wertloses autoschediasma sein, wer die buhlerische Aerope nicht duldete,
holte eine beliebige 'prinzessin' Kreusa vor; aber mit Athen hatte sie nichts zu tun.
23) Mit den doppelten vätern wirklicher heroen hat dieser fall keine ähn-
lichkeit; an denen nimmt niemand anstofs. denn es ist ein anderes, wenn der
pater quem nuptiae demonslrant einen himmlischen neben sich hat, als wenn über
die Vaterschaft eines unehelichen kindes disputirt wird, oder besser gesagt: in
Athen ist Ion söhn des Apollon, und da giebt es keinen Xuthos; in lonien ist es
umgekehrt.
24) Xuthos in der tetrapolis (Strab. 383, mich dünkt, aus Ephoros), steht in
138 11- 5. Die könige von Athen.
siodischen genealogie wieder Iiat Ion, der eponym der lonier, keinen gött-
lichen vater.
Zur zeit des adelsstaates ist Athen in die vier ionischen phylen
geteilt, betrachtet es sich als die TtQEGßvtärr] yala ^laovbjg, müssen
die beamten den besitz des ^AnöXliov Ttargcöog nachweisen, eigentlich
sollten die eponyme der zwölf phratrien und weiter die der geschlechter
von den vier söhnen Ions stammen, aber diese consequenz ist nicht
gezogen, weder stammen die eponyme der geschlechter von denen der
phratrien, noch diese von denen der phylen. in einer anzahl ionischer
Städte haben dieselben phylen bestanden ; erst hier ist der loniername,
also auch der eponymos Ion, und zwar zunächst für die zwölf städte,
die an dem Panionion des Poseidon teil nahmen, aufgekommen, hier
heifsen die könige Kodriden Basiliden Neleiden. wie sollen wir das
verstehen? die alle antwort ist: die vier phylen bestanden in Athen,
als dieses seine colonisten aussandte, und seine könige waren Nelei-
den und Kodriden. so sagen Ilerodotos und Euripides, so würde Solon
ohne zweifei auch sagen, wenn wir das annehmen, so haben sich
die phylen in Athen gebildet, und zwar vor der ionischen Wanderung,
diese aber ist ein von Athen geplanter zug, nicht anders als die gründung
von Amphipolis oder Brea. das ist alles undenkbar, die lonier leiten
sich aus Pylos oder Achaia oder von Abanten Kadmeern u. s. w. her,
vor Herodotos führt sich keiner von ihnen auf Athen zurück, und auch
dieser weifs sie über Athen in ihre wirkliche heimat zu bringen, auch
nach Herodotos stammen die lonier nicht aus Attika. Kodros ist in
Athen ein eindringling, und das königliche geschlecht heifst Medon-
tiden. ein teil des attischen adels will freihch pyhsch und neleisch
sein wie die lonier, aber darin liegt nichts für die abhängigkeit der
letzteren von Athen, die phylenheroen sind in Athen eine so künst-
liche pflanze, dafs sie wahrlich nicht vor Homer schon eine so wich-
tige rolle in der ghederung des volkes gespielt haben können, wie
soll man sich ihre genesis überhaupt vorstellen? es safsen in der Ke-
kropia familien, sagen wir einmal 300, die sich in vier phylen teilten.
einer sehr schön pragmalisirten gescfiichte der Wanderungen, die die lonier erst von
Athen nach Achaia, dann von da über Athen nach lonien bringt, aber diese ge-
schichte setzt den Ion des Euripides voraus, übrigens mag in der tetrapolis wirk-
lich eine spur des ionischen heros gewesen sein, aus Euboia stammend; haben ihn
die Chaikidier doch auch nach Sicilien gebracht, er ist ein wirklicher heros unter
blofscn eponymen im hesiodischen kalaloge. allerdings könnte der 'braune' neben
dem 'bunten' Aiolos mit absieht stehn.
Ion und seine söhne. 139
nun schlössen sich die Diakrier an, etwa 200 famihen, aber nicht auf
eininal, sondern Stadt für Stadt, die wurden in die vier phylen aufgeteilt,
und als Attika geeinigt war und den zug nach lonien unternahm, giengen
die heerhaufen der colonisten nach diesen vier phylen geteilt ab. soll
das jemand glauben? wozu überhaupt in dem kleinen kekropischen Athen
die phyle über geschlechtern und brüderschafteu ? und wenn es deren
vier gab, fehlten sie denn in Aphidna und Pallene? oder wurden die dor-
tigen mit gewalt bei der annexion zerschlagen? sobald man seh die mühe
gibt, die dinge sich werdend vorzustellen, kommt man auf absurditäten.
man ist gewohnt die dorischen phylen zu vergleichen, aber vergleiche
man nur, auf dafs die unterschiede hervortreten, die Dorer sind ein
staatloses wandervolk, wie die Germanen in der Völkerwanderung, sie
ghedern sich in stamme, das sind ihre einzigen körperschaften. Hylleer
sind ein volk; als illyrischer stamm sind sie in Epirus sitzen geblieben.
Dymanes zeigen durch ihren namen, dafs sie ein stamm sind, und Pam-
phyloi sind alle, die keins der beiden andern sind, diese drei siedeln
sich mancher orten an; aber sie finden sich gar nicht überall alle, und
vieler orten auch andere neben ihnen. -^) als sie dann sefshafl werden,
bilden sich die alten volksstämme freilich zu gliedern der neuen Staaten
um, und wenn sie dann colonien aussenden, können diese die alten
Stämme als natürliche oder künstliche glieder mitnehmen oder übertragen.
in lonien wird durch die Wanderung, deren resullat die lonier sind,
eine gliederung in phylen ganz analog erfolgt sein, indem sich die ein-
zelnen bestandteile der einwanderer zunächst gesondert hielten, und neue
gruppen hinzutraten.-^) aber wie in aller weit ist das auf dem boden
von Athen denkbar, oder vielmehr von Attika, denn die vier phylen vor
der einigung dieses landes sind monströs, eine andere entstehunj( wieder
25) 'Tqvtj&o') ist z. b. offenkundig erst aus dem 'T^vd&wi gemacht, nicht um-
gekehrt.
26) In Ephesos haben wir die phylen ^Efeasls Be/ußivaloi Evcovv/ioi und die
zugewanderten Ti^ioi KaQTjvaloi. unter den 'Ecpsasls erscheinen als j^tAtacrrtcs drei
in andern orten für phylen begegnende namen 'A^yaSsis Bco^els Oivwnes, daneben
yteßiSioi. unter den Befißtraloi finden wir ^Atycorevs (geschrieben Atycorsös Inscr.
Br. Mus. CGCCLV, von Hicks verkannt und daher DLXXXVIII 26 falsch ergänzt) und
^eXaayr^o^ (ob aus TleXaayevs entstanden?), andere heifsen ersichtlich nach menschen,
wie die &iaaoi, 'Hyrjro^sios, oder nach orten yiaßavSrjos (IleXos gehört wol auch
zum nicov). so wächst eine Stadt auf neuem boden zusammen, hier ein splitter
alten Stammes, dort leute aus einem anderen orte, dort ein trupp unter der führung
eines häuptlings , endlich die ansiedier oder eingeborenen eines fleckens der occu-
pirten gemarkung. an den phylen von Neapolis kann man ähnliches bemerken.
140 II- 5. Die könige von Athen.
zeigen die tegeatischen phylen, die lediglich vier gesonderte siedelungen
sind; das halten die athenischen sein können, aber sie sind es nun einmal
nicht gewesen, man sieht es am besten an den windigen constructionen
der Atthidographen.-^} und die kastenteilung, an die auch schon das
altertum gedacht hat, ist vollends ertiäumt. für lonien passen die phylen,
für Athen passen sie nicht, für lonien pafst Ion, für Athen pafst
er nicht, die inscln und Euboia sind doch auch ionisch in. demselben
sinne wie Athen: weshalb fehlen dort beide? da mufs man sich ein
herz fassen und die geschichte umkehren.
507 hat Khiisthenes in Athen 10 phylen mit hilfe des delphischen
gottes gemacht, es war ein act der vvillkür, aber es gieng sehr bequem,
die alten vier mochten als cultverbände weiter existiren, das kümmerte
ihn nicht -^); den Ion behielt er aber natürlich bei, denn lonier wollten die
Athener bleibeu.^^) die vier phylen sind nicht mehr wert als die zehn,
also schliefse ich , dafs sie ebenso künstlich gemacht sind, wenn jeder
Athener einen ^AtcoHlov ycaTQiöoq haben mufs, trotz seinem geschlechte
und dessen ahnherrn, so ist der ihnen allen einmal verheben, künstlich,
durch einen act. als Attika eine einheit geworden war, bedurfte es
allerdings einer gliederuug; der regionalismus war damals ungleich ge-
fährlicher als 507, die bestehenden geschlechterverbände ungleich macht-
voller, die ideelle einheit lag im dienste Athenas, aber die Jungfrau bot
keine bequeme gentilicische anknüpfung. da hat man die vier phylen
erfunden und die phratrien dazu, oder besser die trittyen; denn phra-
trien, d. h. gruppen engverbundener geschlechter, haben gewifs vorher
nicht gefehlt, die geschlechler aber wurden in diese facher eingereiht;
es ist ganz gut müghch, dafs man für sie eine schematische zahl we-
nigstens prinzipiell aufgestellt hat, wie die Atthis 360 zählt, bewerk-
stelligt konnte eine solche mafsregel noch 507 nur durch die sanction
eines gottes werden, dafs die vier phylen von demselben pythischen
ApoUon gemacht sind wie die zehn, folgt aus der reception seines cultes
als TtatQowg, den die lonier doch auch haben müssteu, wenn sie die
phylen aus Athen mitgenommen hätten.^") es wird am klarsten sein,
27) PoUux 8, 108. Apollodor bei Stiab. 397 gibt alle landesnamen, die nicht
mehr wert haben.
28) Wenn die vier aber grundbesitz gehabt hatten, so haben sie den den
neuen abgetreten, denn diese besitzen land, die alten nicht.
29) Das lehrt der grenzstein eines grundstückes, das er sogar auf Samos von
den Athenern erhallen hat, Bull. Gorr. Hell. 8, 160.
30) Die Apaturien sind ein geschlechterfest, kein phylenfest. sie sind wirklich
Ion und seine söhne. 141
wenn ich erzählend darlege, wie ich mir die tatsachen geworden denke,
das geeinigte Attika braucht eine Organisation, die den formen des ge-
pchlechterstaates gemäfs in (pvlag cpvXä^ai und toßag wßdBat be-
stehen mufs. über das prinzip hat man sich geeinigt, ganz wie durch
die rhetra in Sparta, die ausfilhrung wird gemacht wie 507;. man
fragt den gott, und ein Staatsmann, der ihm soufflirt, wird auch diesmal
nicht gefehlt haben, der gott sagt "ihr habt vergessen meines lieben
Sohnes Ion und seiner vier söhne, die doch zuerst euer volk zusammen
wohnen gelehrt haben (avvorAiaav sagt auch Aristoteles), durch sie seid
ihr meine kinder, und wenn ihr nach ihnen euch gliedert, wird es euch
wol ergehen." und so führen die Athener die vierteilung durch und
darunter die zwolfteilung; es ist ein ganz äufserlicher auf die Verwaltung
berechneter Schematismus, das leben war und ist nur in den einzelnen
gliedern, den geschlechtern und allenfalls den phratrien.
Wenn der gott auf Ion geriet, so war daiün ausgesprochen, dafs
die Athener den loniern verwandt waren, die also ein deutlich erkenn-
barer Volksbegriff sein mufsten. wenn anders der gott a und e unter-
scheiden konnte, mufste er das wissen ; wer weifs, ob es so sehr viel früher
war als die entslehung der hesiodischen Kataloge, auf die vier phylen
als etwas allgemein ionisches konnte freilich der gott nicht verfallen, da sie
das nicht sind^'), sondern er mufste sie aus einer einzelnen stadl nehmen,
und nahm sie aus Milet; wenn er Ephesos oder Chios gewählt hätte, würde
ganz etwas anderes heraus gekommen sein. Milet aber war nicht nur
die erste stadt loniens und dem Apollon besonders wert, sondern auch
wirkHch mit Athen in einigen beziehungen. sobald lonier und Athener
sich ihrer Verwandtschaft bewufsl wurden, mufste das sich ihnen so dar-
stellen, dafs die Stadt der autochthonen den Vorrang des alters vor den
colonien erhielt und mehr oder minder ihre mutterstadt ward, wenn es
trotzdem nur zu der erzählung gekommen ist, dafs die lonier über
Athen gezogen wären, aber eigenthch aus dem Peloponnese stammten,
so kann in Wahrheit an der attischen colonisation nur herzlich wenig
sein, es ist unvermeidlich, dafs auch ein par Athener unter den colo-
nisten gewesen sind, Rhamnusier und Thorikier auch, (den Staat
Attika gab es noch nicht), aber die gentilicischen Verbindungen fehlen
'ionisch', d. h. hei dem volke verbreitet, zu dem die Athener und die lonier
Asiens gehören, aber der gott der Apaturien ist keineswegs immer und überall
derselbe, und er ist nicht einmal in Athen der pythische Apollon.
31) Die verbreitete ansieht, dafs Hie vierzahl für lonien charakteristisch sei,
ist gar nichts als die Verallgemeinerung der vier attischen phylen.
142 n. 5. Die könige von Athen.
gänzlich, das einzige aufser den phylen sind die Kodriden , und diese
sind in Athen eben so secundär wie Ion und seine söhne, dafür, dafs
filrstengeschlechter und ganze Städte in lonien sich aus Pylos und von
den Neliden herleiten, und in Athen manche geschlechter, darunter
das der Medontiden , dasselbe tun , mufs allerdings ein geschichtlicher
anlafs gesucht Averden. wenn es gelingt ihn zu finden (und ich meine
ihn in der Vertreibung der älteren bevülkerung aus dem Südwesten des
Peloponneses durch Spartiatcn und Eleer zu sehen), so wird dadurch viel-
leicht sogar ein relatives dalum für die einfiihrung der älteren phylen-
ordnung in Athen ermittelt werden, hier beschränke ich mich darauf,
die hypothese vorzulegen, die die phylenordnung und die ionische ab-
stammung der Athener zugleich mit der athenischen abstammung der
lonier erklärt.
Ein corollar ist die antwort auf das Verhältnis des geschlechtes der
'icovidai , das aus der existenz des so benannten demos am Brilottos
folgt, denn dessen läge wird durch die erkenntnis der kleisthenischen
kreisteilung fixirt. der ahnherr des geschlechtes war söhn des Gargettos
(Paus. VI 22, 7), und wenn ein local in Elrs mit diesem verbunden
wird, so hat der urheber dieser Verbindung mit Überlegung von Ion dem
ahnherrn aller Athener abgesehen, auf die anklänge von namen und
traditionen in Elis und Atlika hat man mit recht in letzter zeit mehr
geachtet^-); es ist sehr wol möglich, dafs wirklich loniden aus dem Pe-
loponnes nach Athen ausgewandert sind, als die Eleer ihnen zu mächtig
wurden, ich glaube selbst, dafs die lonier ihren namen am letzten ende
einem verschollenen stamme verdanken, der eben in jener gegend des
Peloponneses und in dem namen des geschlechtes der loniden seine spuren
hinterlassen hat; aber das liegt jenseits der geschichte, die für Athen in
betracht kommt, für sie sind der söhn des Xuthos oder des Apollon
und der söhn des Gargettos zwei personen, die einander nichts angehen,
im demos Potamos sollte Ion, natürlich der staalsgründer, begraben
liegen (Paus. I 31, 3, von ihm wiederholt VII 1): die blof?e existenz eines
^'liovog Ti'iußog scheint mir aber für keinen weiteren schlufs eine zu-
reichende basis. eine letzte frage gilt dem Ion , der als polemarch im
kriege wider Eleusis hilft, den schon Ilerodotos kennt und wol auch
Euripides.") er kann nur unter der bedingung der Staatsgründer sein,
32) Kirchner Ättica et Peloponnesiaca Greifswald 1S90.
33) Herodot 8, 44, statt seines allgemeinen ausdruckes ar^arä^x^s gibt die
Atthis und die auf sie gebaute niythographische tradition durchaus den attischen
amtstitel. Euiipides formt das im Ion so um, dafs Xuthos den hilfszug macht, und
Ion und seine söhne. 143
d;ifs die sage ersonnen ist, um den söhn des Xuthos herbeizuholen, mit
anderen Worten, wenn die sage nicht mehr rein altisch ist: der söhn
des Apollon mufste ja Athener sein, befremdhch ist für diesen die
Charge des polemarchen, durch die selbst Aristoteles zu der ungeheuer-
lichkeil gezwungen wird, die polemarchie neben dem künigtume in die
urzeit zu rücken, die eroberung von Eleusis fällt so spät, dafs die er-
iunerung an einen polemarchen sich sehr wol erhalten konnte, und ein
lonide oder gar ein Ion aus diesem geschlechte könnte also als con-
current des heros auftreten, ich wüfste zwischen den vielen möglich-
keiteu nicht zu entscheiden.
Wie aber kommt es, dafs die Atlhis, die doch die reform der ver-
lassung 683 geschichtlich festgehalten hat, von der einführung der vier
liliylen gar nichts weifs? sie konnte es nicht; für ihre anschauung
waren sie, wie der gott gesagt hatte, höchstens wieder eingeführt, die
sühne Ions hatten ja doch in der urzeit gelebt, ganz so, wie sie nur
einen abfall von Eleusis oder den einfall eines Thrakerheeres erzählen
k;!nn, wie Kekrops bereits könig von ganz Attika ist, trotz den synoi-
kismen des Ion und des Theseus, mufste auch hier das resultat der ent-
wicklung in die urzeit projicirt werden, die Atlhis hat aber überhaupt
S'j ganz auf dem boden des demokratischen kleislhenischen Athens gestan-
den, dafs sie für die alten phylen, ja selbst die phratrien und geschlechter,
dif doch fortbestanden, fast gar kein Interesse hat. in ihrer Urgeschichte
wt'ht derselbe geist wie in der hohen poesie des fünften Jahrhunderts.
man schiert sich wenig um den eben überwundenen adel, freut sich
um so mehr an dem stolzen bau der jungen demokralie. so schlägt man
kühn von ihr die brücke unmittelbar zu der urzeil. könig Theseus
scliafft Ordnung in der anarchie und legt den grund zu der freiheit und
Gleichheit, für die Schilderung der anarchie braucht man selbständige
jrolEig, und sie boten sich in den lebendigen traditionen der Aphi-
dnaeer Epakrier PaUeneer. bequem bot sich die zwölfzahl der alten
liiUyen, die man durch solche namen örthch fixirte. damit ist noch
gar nicht gesagt, dafs man wirklich 12 aufzählte oder mit Überlegung
wählte: die aufzählung ist erst ein act der forschung.^^) eben so bequem
läfst ihn wider Euboia zielin (wo Xuthos doch zu hause ist), weil seine Chronologie
dt 11 kämpf mit Eleusis, in dem Kreusas Schwestern geopfert sind, nicht verträgt, wie
er im Erechtheus gedichtet hatte, ist leider nicht sicher zu erkennen, in ihm wird
Eitchtheus kinderlos und adoptirt, wie es scheint, am ende einen söhn: ich kann
liui an Ion denken; aber ein wirklicher beweis ist mir nicht möglich.
34) Strab. 39" gibt die liste nach Philochoros. der fehlende name dürfte hinter
144 II. 5. Die könige von Athen.
bot sich die vierzahl, und so entstand die auch von Aristoteles ruhig
neben den vier phylen gegebene tradition von den vier söhnen des
l*andion. denn wenn auch Nisos schon zu der zeit annectirt ist,
wo Nisaia von Peisistratos occupirl war, so konnte doch jene zeit, in
der factisch die Diakrier über Athen geboten, unmöglich Lykos und
Pallas als abtrünnige und aufständige schildern, die der städter Theseus
zu paaren triebe, auch diese sophokleische erzählung ist. noch poesie'
der grofsen zeit, aus ihr verständlich, erst die Forschung, verführt durch
das bestreben, die vier phylen und die zwölf trittyen örtlich zu fixircn, i
baut darauf vergeblich geschichtliche conibinationen. die combinationcn i
helfen uns nicht: nur die demente, die sie combiniren, nehmen wir <
dankbar an, um unsererseits zu versuchen, ob es uns besser lücke als
unsern Vorgängern, Philochoros und Apollodoros.
Kr]<piaia als Movvi%ia zu ergänzen sein, es felilt allerdings auch JJa'kXr^vri, aber
dessen eponymos ist söhn Pandions; dagegen hat Munichia einen eigenen könig als
eponymos, und man sollte meinen, es hätte sich als nähe dem blicke des forschers
aufdrängen müssen.
6.
TKITTYEN UND DEMEN.
Ohne die phylen und demen des Kleisthenes kann man sich Athen, Die reform
oder doch ein demokratisches Athen, gar nicht vorstellen, deragemäfs sthenes.
sollte der gründer der gemeindeordnung der populärste name in seinem
Volke sein.') dem stand seine hochadhche abkunft hindernd entgegen,
um] der name des volksmannes Solon hat den seinen fast verdrängt.
als man bald nach den Perserkriegen den staatst'riedhof anlegte, erhielt
Kleisthenes noch ein ehrengrab ^): damals lebten noch die zeugen seiner
rt't'orm. 411 wird eine berücksichtigung seiner gesetze wenigstens in
t'iiiem amendement vorgesehn (29, 3); aber schon 403 redet man nur
von Drakons und Solons gesetzen, und im vierten Jahrhundert pflegt
Kleisthenes höchstens als annex Solons aufzutreten.^) die chronik hatte
wenigstens die änderung der phylen und demen sehr eingehend be-
handelt, auf grund von reichem iirkundenmateriale; aber ihr grundstock
gehörte doch einer zeit an, die so vollkommen durchdrungen war
von den gewaltsamen neuerungen des reformators, dafs sie das ältere.
1) Die komoedie hat den namen Kleisthenes für den xaranvycov zu einem
typischen gemacht, gegeben hat es den menschen (o Hißvoxiov Acharn. US), aber
unmöglich hat er von 425—405 sein band werk so treiben können, dafs er den
frischen spott herausforderte; er ist auch in der Lysistrate viel mehr typus als in-
•dividuum; mit Kleonymos, dem dicken feigen demagogen steht es ähnlich, um so
klarer ist, dafs der name des grofsen Alkmeoniden dem volke kein heiliger war,
ja dafs man an ihn bei diesem namen gar nicht dachte.
2) Pausan. I 29,7. nebenan war das grab der Thessaler, die bei dem siege
über Anchimolos 511 gefallen waren, so wird dem Kleisthenes das ehrengrab wol
■auch wesentlich zum danke für die Vertreibung der tyrannen errichtet sein.
3) Isokrates rechnet ihn sowol im Areopagitikos 16 wie im Panathenaikos
■232. 306 einfach unter die Vertreter der guten demokratie. Piut. Kim. 15 redet gar
von der etiI KXeia&ävovs aQiaroxoaxia. sonst kennen ihn weder die redner noch
.Piaton.
V. Wilamowitz, Aristoteles. II. * 10
146 11- 6. Tiillycn und demen.
den geschlechterstaat, gar nicht mehr verstand, wir können die beiden
berichte, über die wir verfügen, bei Ilerodotos und Aristoteles, leider
durch sonstige reste der cbronik nicht sehr stark ergänzen. Ilerodot
hat aufser den mündlichen traditionen des Alkmeonidenhauses, die das
persönliche angehn, das ihn vorwiegend interessirt, einen der cbronik
analogen mündlichen oder schriftlichen beriebt benutzt; aber er hatte
für die Verfassung, abgesehen von dem demokratischen prinzipe, kein
inleresse. so ist das kurze capitel des Aristoteles (21) eine wahre olTen-
barung für uns und erfordert eine eingehende erläuterung. wir erfahren
lange nicht alles was wir wünschten , über den rat z. b. nichts als die
gleichgiltige Vermehrung der zahl, über die beamlen nichts, wo doch
die Atthis des Androlion wenigstens die Schöpfung der apodekten angab,
über die demarchen nur, dafs sie die naukraren ersetzten, wo die Atthis
des Kleidemos sehr viel genaueres gab. dafs die archonten im gegen-
satze zu Solon gewählt wurden, kommt später gelegentlich zur spräche
(22, 5); dafs die Strategen erst einige jähre nach 507 auf 10 erhöht
wurden, ebenfalls (22, 5), woraus Avir schliefsen dürfen, dafs wir unter
dem namen der kleistbenischen Verfassung etwas zusammenfassen was
nicht ein act, sondern das ergebnis einer reform war, die aus einer
Wurzel allmäldich mit notwendigkeit erwuchs, diese wurzel ist die er-
setzung des gescblecbterstaates durch die gemeindeordnung. und über
sie wenigstens teilt uns Aristoteles einige grundsätze mit, deren trag-
weite sehr viel gröfser ist, wahrscheinlich selbst als das was ich daraus
hier entwickele, schmerzlich bedauert man wieder, dafs Aristoteles selbst
so gar kein Interesse für das leben der einzelgemeinden gehabt hat, denn
hier müfste stehen, was aus anderer Überlieferung eiuigermafsen zu er-
setzen eine bauplaufgabe künftiger forschung ist, welche grenze der
einzelgemeinde für ihre Selbstverwaltung gezogen war. aber seien wir
dankbar auch für das wenige was wir erfahren: es ist alles eitel gold.
Das erste ist die Vermehrung der bürgerschaft durch die aufnähme
von neuen dementen , wozu als ergänzung die ungestörte fortexistenz
der nun für den Staat bedeutungslosen verbände des gescblecbterstaates
gehört, das hat namentlich bedeutung, weil es die richtige auffassung
der beiden stellen der Politik (F 1275'^ Z 1319*^) sicher stellt; es ist
von mir an anderen stellen behandelt, wir hören dann die Verände-
rung des attischen namenswesens durch die einführung des demolikons;
das ist nichts neues, hat aber bisher seine volle Würdigung nicht er-
halten, und ich habe ihm das nächste capitel gewidmet, endlich aber
wird uns nun erst die bildung der pbylen und der gemeinden klar: das
Die reform des Kleisthenes, 147
soll hier erörtert werden/) wenn wir Aristoteles sagen, so gilt das natür-
lich nur, weil wir sein buch lesen : dafs er auch hier lediglich die Atthis
wiedergibt ist sowol durch directe berührungen wie durch den Inhalt
klar, nur einige gelegentlich angeschlossene bemerkungen dürften allen-
falls sein eigen sein, über ein specifisch attisches wort {q)vlo-AQivelv), die
dem ausländer auffälhge Verbreitung der demotika in der attischen nomen-
clatur, endhch der versuch, ein motiv dafür zu finden, weshalb Klei-
sthenes nicht zwölf phylen eingerichtet habe, dafs Aristoteles danach
fragt, kommt aus dem sehr richtigen gefühle, dafs die zwölfzahl der pry-
tanien für die Verwaltung wirklich viel praktischer gewesen wäre, das
haben die Athener durch die praxis gelernt und deshalb 307 und wieder
200 die zahl eingeführt, durch die das geschäftsjahr in eben so viele
Perioden zerfiel wie das kalenderjahr in monate (nur dafs man sich vor
dem verständigen schritte gescheut hat, auch das sonnenjahr einzuführen).
Aristoteles hat aber diese beobachtung doch nicht selbst gemacht, son-
dern in der platonischen schule gehört: denn Piaton selbst hat für den
Staat seiner Gesetze zwölf phylen vorgesehn (828). übrigens hatte schon die
zahlenspeculation, die Aristoteles im eingange seines buches reproducirte
(frgm. 3), den alten geschlechterstaat mit der ghederung des Jahres ver-
glichen, eben in der absieht, sich von dem geschlechterstaate zu ent-
fernen, glaubt Aristoteles das motiv zu finden, das den Kleisthenes dazu
vermocht habe, die zehnzahl der phylen vorzuziehen, er meint, sie
wären sonst mit den alten trittyen zusammengefallen, das ist nicht
richtig; die alten trittyen waren ja drittelungen der adelsphylen, hatten
also so wenig wie diese einen localen Charakter, der vielmehr erst in
den naukrarien hervortrat; wir wissen nur nicht, wie diese mit dem gen-
tihcischen prinzipe ausgeglichen waren.^) es zeigt sich wieder, dafs Ari-
4) Da mir dieser gegenständ in folge meiner früheren Studien über die demen-
ordnung besonders nahe lag, hatte ich dieses capitel schon 1891 fertig gestellt,
mittlerweile hat Milchhöfer dasselbe behandelt (Untersuchung über die Demenordnung
des Kleisthenes 1892). ich werde dasjenige in anmerkungen nachtragen, was er
mich gelehrt hat, auf jede polemik verzichten und die Übereinstimmung nicht no-
tiren. ich will auch auf eine kritik der Miichhöferschen arbeit verzichten, wir
geben beide nur provisorisches; wenn ich das attische land genauer kennte, würde
ich es besser machen, wer die wichtige aufgäbe gut lösen will, mufs sowol Orts-
kenntnis wie philologisches und historisches urteil besitzen, als diese zweite be-
arbeitung schon in der druckerei war, ist der tief eingreifende aufsatz von R. Loeper
(Ath. Mitteil. 17) erschienen: es ist mir unmöglich, mich mit ihm auseinander-
zusetzen, so mufs ich einiges tatsächlich überholte notgedrungen stehn lassen.
5) Da die alten trittyen zugleich die phratrien sind, kann man auf den einfall
kommen, dafs in der tat die drittel der adelsstämme mit einem drittel des landes
10*
148 II. 6. Trittyen und demen.
stoteles so wenig wie die Atthis sich den geschlechterstaat wirklich klar
gemacht hat.
Die teiiung Kieistheoes machte also zehn phylen und benannte sie nach den
zehn eponymen, die die Pythia aus der liste von hundert alten fürsten
(aQxt]yiTai) auswählte, unter sie verteilte er das land so, dafs jede von
ihnen einen strich landes in der nähe der Stadt, einen im binnenlande,
einen an der küste erhielt.
Das ist das neue. Attika zerfiel fortan in drei geschlossene massen,
Stadt-, land-, küstenprovinz, um bequeme namen zu stiften; jede pro-
vinz zerfiel in zehn kreise; für die Verwaltung gehört aber nicht die
provinz zusammen , sondern je ein kreis jeder provinz. diese einheit
führt den dem geschlechterstaat entlehnten namen phyle, stamm; und
die kreise heifsen von ihrem Verhältnisse zu dem stamme drittel, trittyen.
die absieht des gesetzgebers mufste sein, für die phylen eine möglichst ,
gleiche leistungsfähigkeit, sowol militärisch wie finanziell, zu erzielen;
minder nötig war das schon für die kreise, auf die räumhche aus-
gleicliung kam nichts an , und in Attikas bergen und ödländereien war
sie gar nicht einmal anzustreben, wie viele gemeinden endlich in einem i
kreise oder einer phyle waren, machte für die Organisation sehr wenig
aus. es konnten dafür die praktischen rücksichten auf die ansiedelung
und bevölkerungsdichtigkeit innerhalb des kreises ganz ausschliefshch
mafsgebend sein; darum sind auch auf diesem gebiete Veränderungen
vorgekommen, ohne dafs sie die Verfassung berührten, so dafs wir über
so etwas wie die teiiung einer gemeinde oder auch die Verleihung des
gemeinderechtes an eine neue siedelung niemals etwas hören, es sei denn
in Verbindung mit der phylenverfassung. wichtig ist nach dieser seite
nur die rechtliche Zerstörung der hauptstadt, an deren stelle eine pro-
vinz tritt, darüber brauche ich meine früheren ausführungen weder zu
ändern noch zu wiederholen.
Die zaiii der Aber sonst ist es gut zunächst Irrtümer einzugestehn und zu be-
richtigen, es hat also niemals hundert demen gegeben, überhaupt keine
ausgeglichen wären, was dann freilich liefeinschneidende umgestallungen des reinen
geschlechterstaates voraussetzen würde, dann wären bereits in jeder adelsphyle
die drei landesteile, Stadt, binnenland und küste, vertreten gewesen, also zwölf
compacte massen als grundlage für die dreifsig trittyen der neuen Ordnung, und
mit den drei landesteilen könnte man die drei parteien, von denen die küstenbevöl-
kerung wirklich eine ist, oder die drei stände, von denen die eupatriden slädüsch
sein könnten, auszugleichen versuchen, allein ich scheue mich vor solchen ledig-
lich auf die zahl gebauten combinationen.
Die zahl der deinen. 149
runde zahl, da auf die zahl nichts ankam, es war schon peinlich em-
pfunden worden, dafs wir die Vermehrung der demen über hundert hinaus
nicht nur nirgends überliefert hatten, sondern auch so sehr bald nach Klei-
sthenes, noch in themistokleischer zeit, ansetzen mufsten. aber wir ver-
harrten doch auf dem wege, weil wir die trittyen verkannten, und wir
verliefseu uns auf die angäbe über die hundert eponyme, die wir um
des Kephalos und Araphen willen für die der demen hielten, wenn wir
jetzt die Überlieferung ansehen, müssen wir wol zugestehn, dafs wir den
fehlschlufs durch schärfere Interpretation hätten vermeiden können'),
und dafs ein zeugnis wie TLävoip' rJQcog ^zTixög, zal tv rolg irtw-
vv(.Loig^) eigenthch ausreichen sollte, jene combination zu verbieten, da
Panops ja der eponymos eines brunnens, nicht eines demos ist. wenn
die Pythia anders gewählt hätte, würden wir etwa statt einer Antiochis
und Oineis eine Panopis und Araphenis haben, dafs einzelne von der
Pythia verworfene namen für gemeindeheroen verwandt sind, kann nicht
befremden; stehen doch neben einem Oineus als phylenheros noch zwei
demenheroen gleichen namens, und ob das schon vor 507 drei ver-
schiedene personen waren, ist sehr fraglich, beherzige man aber, dafs die
Chronik in der läge war, die vorschlagHste mitzuteilen, die Kleisthenes
nach Delphi geschickt hatte, das ist sowol für die gute ihres materiales
ein wichtiges document wie für die bedeutung, die mau diesen personen
beilegte, die uns doch zumeist leere namen sind, aufser der falschen
auffassung der hundert heroen hat die corruptel der Herodotstelle irre
geführt, und es trifft sich glücklich, dafs sie gerade jetzt mit hilfe einer
attischen Urkunde verbessert ist, ein ziel, nach dem viele gute schützen
vergeblich geschossen hatten. Herodotos hat von Kleisthenes erzählt
(5, 69) Tag cpvXag {.uxovvöfxaae xai £7tolr]aE Tckevvag «^ slaoaoviov,
öiy.a T€ dij (pvXaQxovg ccvti reooiQwv STtoir^os, dey.a(^jia) öl Y.al toig
öri(.iovg KaTsvsfAev kg tag cpvXäg.^) darin hegt nur, dafs er die demen
8) Das Zeugnis der Atthis, das wir zu der stelle angeführt haben (vgl. auch
oben I 225), zählte die 10 phylenheroen auf: lovrovs yaq e| ovoftktoov shutov 6
d^scs i^els^aro. unmöglich könnten den übrig bleibenden 90 die hundert demen
entsprechen.
8) Phot. Hesych s. v. haben dies nicht, aber sonst mehr, die glosse ist be-
stimmt für den anfang von Piatons Lysis, wo die nävonos xqi^vt] erwähnt wird.
nävoip ist nebenform von Uavonevs: denn die Ilavom^is A'iylrj, die geliebte des
Theseus, werden wir lieber in Athen als in Phokis, in Panopeus, suchen.
9) Die ergänzung oder besser Wiederholung von zwei buchstaben hat das
schöne psephisma von 405 für Samos gelehrt (z. 31, JeXr. uq^. 89, 26) velfiai
150 II. 6. Trittyen und demen.
in zehn teilen den phylen zuwies; die demen dachte Herodot als vor
Kleisthenes bereits vorhanden, das wufste die Atthis, wie natürlich,
hesser; aher die einfache Wahrheit zu sagen konnte sie sich nicht mehr
entschhefsen. wir sehen, dafs Kleisthenes teils wirkliche dörfer mit Orts-
namen zu demen machte, Aixone, Rhamnus, Acharnai, teils alte geschlechter-
namen für gemeinden wählte, gewifs weil dort angehürige der geschlechter
wohnten oder gewohnt hatten , Kothokidai Aithahdai lonidai, dies sogar
in einzelnen fällen trotzdem, dafs die geschlechter einen Ortsnamen neben
sich hatten, wie Paionia neben Paionidai, Kropeia neben Kropidai.'**) in
diesen letzteren fällen war eine feste siedelung vielleicht sehr oft nicht
vorhanden; die gemeinde, ör^f-wg, verlangt sie so Avenig wie die y.wfn^.
dafür war ein eponymer ahnherr des geschlechtes im namen gegeben.
wenn auch sehr oft ein fictiver. die alten dörfer hatten vielfach einen
längst zu einer wirklichen persou ausgebildeten eponymos, wie Kephale
Melite Gargettos, andere wie Rhamnus oder flahmus schwerlich, *^Dorn '
und "Stranddistel' passen dazu recht schlecht, als sie zu gemeinden
wurden, bedurften sie eines gemeinsamen cultes. der träger des re-
ligiös gefal'sten gefühles der Zusammengehörigkeit war der i]QO}g y,TlGT7]g,
und da diese gemeinschaft so sehr bedeutend ward, ist auch der heros
an bedeutung gewachsen; doch war es zu spät, als dafs die sage noch
kräftig wucherte, und in Rhamnus z. b. hat er es nicht einmal zu einem
wirkUchen namen gebracht.'') so sehen wir die dinge an. aber weder
der glaube noch der rationalismus konnte das tun. für sie alle beide war
der heros uralt, hatte längst vor Kleisthenes gelebt und die gemeinde
gegründet; wenn Kleisthenes notorisch sie nicht mehr als existirend vor-
gefunden hatte, so hatte er sie doch nur restituirt. es traf sich dafür
gut, dafs die neugründungen meistens gentihcische namen trugen, so
avroiie . . eis rovs Sr^fiovs xai ras ^vXas Sexa^a. LoUing, der nur die gramma-
tische bildung (a>s xqi%a tixqa%a) verkannte, gebührt das verdienst der eraendation.
10) Die alten römischen tribus können uns am besten lehren, wie ein ge-
schlecht und ein stück der flur homonym sein können, in Attika sind selbst-
verständlich gar nicht alle solche localgentilicischen namen zu gemeinden geworden,
z. b. die ^ExeUSai, so wenig wie alle dörfer, Movvix^a, Bqavqmv, oder Auren,
"AxaSrifieia, die einen heros besafsen. bei den stattlicheren dörfern, wie den beiden
genannten, fragen wir natürlich nach dem gründe und finden ihn auch, da die er-
klärung in der kleisthenischen zeit selbst gesucht werden mufs.
11) CIA II 1191, Inschrift eines sesselpares Ieqevs tj^co aQyriyiiov. so war in
Daulis ein heiligtum eines r^qco'i aQxrjysirjs , den man sich bewaffnet dachte wie alle
heroen, aber unbenannt gelassen hatte, dann kamen die mythographen und suchten
nach einem namen, Pausan. X 4, 10.
Die zahl der demen. Pandionis. 151
dafs für sie der heros vorhanden war; dafs er eigentlich der ahnherr
eines geschlechles war, das inöghcherweise noch bestand, davon mochte
man nichts wissen. Aristoteles, der ja an der historischen existenz selbst
von Theseus und Herakles nicht gezweifelt hat, giebt diese erklärung
getreuhch wieder "^"^er benannte die demen zum teil nach den örtlich-
keiten (Rhamnus Peiraieus Eleusis), zum teil nach den gründern (den
eponymen. Titakos, Paion, Butes), denn local bestanden sie nicht
mehr alle''.
Der zweite hauptirrtum, der berichtigt wird, geht mich ganz per- Die
sttidtisctiCQ
sönhch an. auch in der modification , die ich ihr gegeben habe, ist demen.
Sauppes lehre von den zehn städtischen demen nicht richtig, aber es
steckte in ihr doch etwas richtiges, es sind nur nicht zehn städtische
demen gewesen, sondern zehn städtische trittyen; ich hatte eine davon
auch schon ganz richtig bestimmt (Herm. 22, 124), und hätte wol das
wahre gefunden, wenn ich den bericht des Psellos (d. h. den auszug aus
der aristotelischen stelle) nicht übersehen hätte. natürUch ist nun aber
nicht mehr nötig, dafs jeder Stadtkreis ein stück des landes umfasse, das
Themistokles in seinen mauerring gezogen hat.
Hinfort stellt sich die topographische aufgäbe so, dals eine karte Topogra-
von Attika hergestellt werde, auf der die drei provinzen und die je zehn ^ 'gäbe.
kreise deutlich hervortreten, und innerhalb dieser die gemeinden, die
aussiebten auf deren fixirung sind stark gewachsen, so will ich denn
den versuch wagen , den ersten anhieb zu diesem werke zu tun, sicher
überzeugt, manchen fehlhieb zu tun, wie ich es bisher getan, es kommt
mir aber mehr auf das grofsere, die kreise an, als auf die gemeinden,
wenn Aristoteles ganz genau geredet hätte, so müfste jede gemeinde, die
wir fixiren, zugleich auch einen kreis an einem punkte fest legen; es
wird sich aber sogleich zeigen, dafs er nur die regel angegeben bat,
von der es sehr bedeutende abweichungen gab.
Von der Pandionis sind die trittyen alle drei überliefert durch die Pandionis.
prytanenhste H 871 und den grenzstein des hafens IV p. 120, 517\
Paiania Myrrhinus K(ydathenaion): dafs der letzte name so richtig er-
gänzt ist, folgt aus der forderung eines städtischen demos. Paiania und
Myrrhinus hegen beide im binnenlande; aber es braucht ja nicht der
Vorort eines kreises am meere zu liegen, wenn es nur der kreis tut,
und neben^ Myrrhinus liegen Steiria und Prasiai. zwei prytanenlisten
der phyle, H 865 und Jekr. 89, 18 sind nach trittyen geordnet, denn
865 wird am köpfe der ersten coliimne Mvqqlvovolol, im Jelr. Kv-
daS-rjvairjg am köpfe der letzten sicher ergänzt, danach können wir
152 II. 6. Trittyen und deinen.
Oa und Kontliyle neben Paiania, Angele neben Myrrhinus mit Sicherheit
ansetzen.'*) aber aus der umgegend der Stadt gibt es keinen zweiten
demos der Pandionis, und zu ihrer trittys gehört Probalinthos aus der
tetrapobs.'^) damit ist sofort eine ausnähme der regel festgestellt.")
eine andere bilden die Graes in dem stücke der rgat^rj, das Athen
nicht mit Oropos verloren und dann zu den gemeinden rQarjg und '*Pacpis
gemacht zu haben scheint, von denen dieses zu dem benachbm'ten kiisten-
kreise der Aiantis kam, jenes zur Pandionis. diese kleinen demen scheinen
nämhch nicht kleisthenisch zu sein, endlich wird Kytherros, nach Apollo-
doros bei Strabon eine der zwölf Städte, also sicher eine alte bürg, so
unbedeutend die gemeinde auch war, in dem landkreisc zu suchen sein ;
da nwls die ortsforschung ansetzen.
oineis. Sicher sind auch die kreise der Oineis, denn Lakiadai gibt der
grenzstein 1 500, Thria IV 51 7^ und dafs Acharnai der vorort des land-
kreises ist, oder vielmehr ihn so gut wie ganz darstellt, folgt aus der
ganz einzigen grüfse dieser gemeinde, die im Jahre 360/59 mit 22 manu
im rate sal's, also viel mehr als einem drittel der phyle zukommt (II 868,
nicht nach trittyen geordnet).'^) Thria repraesentirt den küstenkreis, zu
dem sicher Oie und Phyle geboren , so dafs er sehr wenig küste und
auch nicht einmal einen schlechten hafen hat, aber bis in das hoch-
gebirge reicht, zu den Lakiaden geboren noch als gemeinden des stadl-
kreises die Butaden Kothokiden'®) Epikephisia'") und Lusia'^); in die
thriasische ebene wol noch die Perithoiden.''-")
12) Für dessen läge felüten auch bisher nicht ganz die anhaltspunkte, Milch-
höfer, text zu den karten III 10.
13) So auf der liste des JsItiov und 863 nach einer schönen cmendation
Köhlers.
14) Die liste 873 hatte mehr als drei columnen. sie beginnt mit 13 männern
des landkreises, richtig mit Paiania anfangend, dann folgen 13 des küstenkreises,
aber Myrrhinus folgt erst nach Prasiai und Angele, dann 4 Probalisier (hergestellt
von Wilhelm Herrn. 24, 173): die Ordnung war also gestört.
15) Die köhler von Acharnai belehren uns darüber mit Sicherheit, dafs das
gemeindeland nördlich bis an den Parnes hinauf reicht, denn in der ebene war
kein wald.
16) Da diese beiden zu derselben phratrie gehören, die phratrien auch einiger-
mafsen localen Charakter haben, und ein grundstück des königs Apheidas in Kotho-
kidai liegt (CIA II 785), die Butaden selbstverständlich städtisch sind, so habe ich
diesen ansatz schon früher vertreten; nur local können wir nunmehr erst diesen
kreis festlegen, da die Lakiaden an der Kephisosbrücke sicher gewohnt haben.
17) Diese läge hatte Diltenbcrger zu Syll. 298 bestimmt; ich habe deshalb den
gedanken an den Ihriasischen Kephisos aufgegeben.
Hippothontis. 153
Von der Hippothontis gibt der grenzstein des hafens I 517 die trit- Hippo-
tyen Eleusis und Peiraieus. an diesen grenzen Koile Keiriadai Thymai-
tadai Korydallos: das ist der Stadtkreis; von der künftigen bedeutung des
hafens konnte Kleisthenes nichts ahnen, immerhin war Thymaitadai ein
alter hafenplatz, und Munichia, dessen namen er durch Peiraieus ersetzte,
eine aUe inselburg, die so viel maritime bedeutung gehabt haben mufs,
wie der hauptort des küstenkreises Eleusis, der sich wie der thriasische
neben ihm, bis auf den kämm des gebirges erstreckte, denn Oinoe ge-
hört dazu; dazwischen wird noch ein oder der andere geringe demos
liegen^"): das alteleusinische reich war ungleich stärker centralisirt als
das kekropische Athen, den charakter des küstenkreises hat Kleisthenes
in dieser phyle durch eine sehr starke abweichung von der localen Zu-
sammengehörigkeit bewirkt, indem er Azenia, nahe bei Sunion, zu Eleusis
in dieselbe trittys versetzte, die landtrittys wird durch Dekeleia, nach
dem wir sie benennen können, sammt seinem Oion und Sphendale sicher
bestimmt; auch hier müssen noch ein par kleine gemeinden gelegen
haben, zu denen die der wilden birnbäume, Acherdus, wol sicher gezählt
werden darf.^')
Von der Akamantis ist die städtische trittys der Kerameer bezeugt
(I 500); das andere ist aber so schwer, dafs die antwort erst nach be-
sprechung aller anderen phylen versucht werden kann.
18) II 834'' II 59 werden für einen bau im städtischen Eleusinion 3 traciUen
yri Z-mqäs verrechnet, a V-\i dr. inclusive transport, und 40 trachten yi] ylovaiäs
zu demselben preise, also war Lusia schwerlich weiter als das axiqov in Lakiadai.
19) Nach einer schönen Vermutung TöpfTers (Att. Geneal. 109) war ein mann
ÜEQid'oiSris xcöv Sri/xcov, <PiXievs tfjv (pQaxQiav, KoiqojvCStjs t6 yevos und die Ko'i-
roniden scheinen an die ^etroi zu gehören, sicher ist das freilich nicht; man möchte
nur lieber auf die weite strecke im westen einen demos mehr bringen als auf das
fleckchen neben der stadt.
20) Von diesen weist Milchhöfer s. 33 die AvQidai auf ländlichen grabsteinen
nach, an der heiligen strafse gefunden, ich weifs nicht, ob sie demselben demos
angehören können wie das dorf Magula, nördlich von Eleusis: dort ist ein phylen-
beschlufs gefunden (Mitteil. Ath. X 111), natürlich der Hippothontis. der heros,
Kerkyons söhn, gehört in diese gegend. weil sein heiligtum hier war, haben wir
keine prytanenlisten und phylenbeschlüsse seiner phyle aus der stadt. II 567'' ist
ein solcher, im Asklepieion gefunden; es steht aber auch darin, dafs er dort und
in dem Hippothontion anfgestellt werden sollte; Pausanias erwähnt dieses an der
heiligen strafse noch vor der Kephisosbrücke (1 38, 4). der stein war also sicher
nach Magula verschleppt.
21) Die Vermutung von Dragumis Anakaia in der flur Anakasa nördlich der
Stadt zu finden (Ad^riv. X 50) ist beseitigt.
154 II. 6. Trittyen und demen.
Aigeis. Überliefert ist noch ein trittyen name, ^E/taKQiig^^) , nicht identisch
mit einem demos, sondern mit einem alten cultverbaode, an dem drei
spiilere gemeinden teil nahmen, von denen \\\r Plotheia aus der Aigeis
und Semachidai aus der Antiochis kennen. Plotheias läge ist bei Palaeosla-
mata gesichert, für beide demen als hauptcult der des Dionysos, und
so wird man als dritten demos der Epakria das unweit Plotheia gelegene
Ikaria anerkennen, das noch heute nach Dionysos heifst."''^) Jkaria gehört
auch zur Aigeis, und so werden die Epakres den landkreis dieser phyU;
bezeichnen, von dem cultvcrbandc hat Kleisthenes eine gemeinde ab-
gerissen , ganz wie er es mit der tetrapolis von Marathon und der des
Peiraieus gethan hat. der küstenkreis der Aigeis ist sehr deuthch; er
setzt südlich an die tetrapolis (Probalinthos) an und reicht bis zu der
alten Peisistratidenburg Brauron, die als gemeinde zerschlagen ward wie
die hauptstadt. Philaidai, Araphen mit seinen lagunen {l4lal} Phegai;),
Myrrhinutle stehn hier fest; hinzutritt Otryne, von dem nur die läge am
meere bekannt war. -^) es wird aber schwer diesen küstenkreis von dem
landkreise zu scheiden, weil sie aneinauderstofsen. denn fest localisirte
demen der Aigeis sind noch Herchia (Spata) und Gargettos mit lonidai.''^)
da Gargettos am südabhange des Brilettos liegt, Plotheia nordöstlich von
ihm, Herchia weit südöstlich, an Araphen etwa stofsend, so ist hier ein
22) I 617'' hergestellt von Dittenberger aus dem nur all zu verstümmelten
Pachtverträge 11 1053. die herstellung von rQiTrva^]xoi. ist unsicher, z. b. S^-
fiaQ]xot. auch möglich, so dafs ich im folgenden von ihr absehe.
23) Demenstatut von Plotheia II 570. die z. 30 erYk-ähntcn 'EnaxQrjs sind
nicht die trittys, sondern die tripolis, denn sie haben ts^ä. von z. 33 ist zu schreiben
(ich bezeichne nur weitere ergänzungen) xnl es rd Is^a io. xoivä, iv oaoiaiv iari-
cövrai. JlXcod'jie olvov Tia^äxev rßm' sy. zö yowd, es fisv t« äXXa Iequ fisxQi [fjfiixo,
SO Wilhelm] mäaTon, zols TcuQcai UXcod'tcov, [es Jtovvaia Se] SiSaaxäXcoi xä[Sov.
es handelt sich um die spiele, die wir aus den demenurkunden von Ikaria kennen,
die Zugehörigkeit der Semachiden zur Epakria und ihre dionysische legende gibt
Philochoros bei Sleph. Byz. s. v. dafs die Epakria eine dreisladt war, sagt die
sicher aus der Atthis stammende glosse Et. M. Suidas (quelle das Photiusglossar)
^EnavcQia. Strabon 397 tritt bestätigend hinzu.
24) Durch seine hechte, Antiphanes im Timon. ich mufs mich anschuldigen
lediglich im vertrauen auf eine alte karte Kieperts Otryne an den Korydallos gesetzt
zu haben; das hat keine gewähr.
25) Man wird jetzt nicht zweifein, dafs der eponymos "Icov 6 ra^yj]rrov war
(Pausan. VI 22, 7). der vater der vier phyleneponyme pafst auch so wenig zum
demenheros wie der phyleneponymos Oincus mit den demenheroen gleichen namens
gleichgesetzt wird, wenn Avy,cov AvtoXvhov ßo^ixios im schol. Plat. Apolog. 23"=
^liov yivos heifst, so kann ich darin nur die Insinuation der fremden herkunft sehn,
nicht das geschlecht, das ^IcoviSiqs lauten müfste.
Aigeis. Kekropis. 155
bedeutender bezirk für die phyle festgelegt, zum teil im gebirgslande, wo
das dorf des haidekrautes ^EgUeia sehr gut pafst, zum teil in frucht-
barem lande gelegen: da mag man sich die heimat der Teithrasier und
der Kydantiden, also des Nikias, denken, die städtischen demen sind
bekannt; Kolonos hippios Bäte Diomeia Ankyle-"), das sich bis an den
Hy mettos zog, sehr passend das wellige unfruchtbare land bezeichnend,
durch das man jetzt vom Engelskloster nach Kaesariani geht, das ist ein
strich, von der Akademie an die nordseite und nordostseite der themisto-
kleischen Stadt umfassend, hinzutritt aber der innerhalb der mauern,
wenigstens zumeist, gelegene Kollytos. -^)
Nun ist nur noch ein zweifelhafter trittyenname überliefert, 'Pconlrig,
der nichts lehrt. -^) aber die sonderung der kreise geht gerade in einigen
phylen, von denen nichts direct überliefert ist, sehr leicht, so hat die
Aiantis nur das eine Phaleron als städtische gemeinde und städtischen Aiantis.
kreis, alle andern gemeinden liegen im nordosten, Aphidna mit Titakidai
Thyrgonidai Perrhidai mag den landkreis, Rhamnus mit Psapbis, Marathon
mit Oinoe und Trikorythos den küstenkreis bilden ; doch ist die sonderung
dieser beiden, die aneinander slofsen, nicht sicher.
Die Kekropis hat als Stadtkreis Melite und Xypete, als landkreis Kekropis.
den fruchtbaren strich nördUch und östhch von Turkovuni nach dem
südwestabhange des Brilettos zu, doch so hoch hinauf, dafs die quelle des
Kephisos noch dazugehört, denn sie war in Trinemeia-^); die demen
sind Athmonon Phlya Pithos Sypalettos (CIA IV' p. 134), vielleicht auch
Daidalidai.^") den küstenkreis bildet Aixone mit seinen Halai.^')
26) Aus Alkiphron II 43 folgt nur, dafs Ankyle vorstädtisch war, nichts für
die läge, die biiefe des albernen rhetors sind pasticci von redner und komikerstellen.
27) Die prytanenlisten II 329. 870. 872 helfen nicht weiter, ich hatte übersehen
und trage, gemahnt durch Milchhöfer s. 15 nach, dafs Rofs durch die Verbesserung
eines Isaiosbruchstückes (Harp. Suid. roixs'falos) Hesliaia neben Ankyle richtig
angesetzt hatte.
28) Hesych ^aTÜriS' rcöv tqixtvcöv ns y.ai naroicöv o\x(o xaleirai. als wirk-
licher name ist es der form nach nicht recht glaublich, als Spitzname könnte es
wol bei einem komiker stehn.
29) Strabon 400. da wir nun Trinemeia (den ort wo drei Weideplätze zu-
sammenstofsen) in contact mit Athmonon bringen müssen, folgt, dafs im altertum
nicht der längste und geradeste bach den namen des Kephisos trug, denn der kommt
vom Parnes, nicht vom Brilettos. dasselbe folgt aus dem namen Kephisia, denn
dieser ort liegt jetzt nicht am Kephisos.
30) Der Steinmetz Daidalos konnte sowol am Brilettos wie am Turkovuni ar-
beit finden; hier möchte ich ihn lieber unterbringen, weil Sokrates von Alopeke
irgendwelche gentilicische beziehungen zu ihm hat Plat. Euthyphr. 11.
156 n. 6. Trittyen und demen.
Krcchthcis. Die Erechtlicis hat als Stadtkreis Agryle und südlich davon Pergase ^''),
die wie das nürdlich daranstofsende Ankyle in eine obere und untere
gemeinde sich sondern; als landkreis Kephisia mit Euonymon"); als
küstenkreis Lamptra und Anagyrus. an eine dieser gruppen müssen sich
die wenig bedeutenden unbestimmten gemeinden angliedern. ^^)
Leontis. Von der Leontis war der landkreis als ein zusammenhängendes stück,
der nordwesten der attischen ebene an den abhängen des Aigaleos, be-
kannt, da Kropia durch Thukydides (II, 19) als die einsattelung bestimmt
war, durch die jetzt die eisenbahn geht, woran dann östlich Paionidiu
(mit Lcipsydrion am Parnes), südlich Aithalidai Eupyridai Pelekes ansetzen ;
ob hieher noch das Oion {oßiov die schalhürde, die xalvßia) der Keramot r
gebort oder schon zur Stadt, mufs unsicher bleiben, den städtischm
kreis kennen wir durch Skambonidai und Hahmus. der küstenkreis setzt
den der Pandionis südlich fort, Potamos mit Deirades bis Sunion; doch
sitzt Thorikos von der Akamantis eingesprengt, notwendig haben hier
noch wichtige demen gelegen, da es der hauptdistrict der bergwerke ist.
es stehen auch noch namen zur Verfügung, Phrear, Cholleidai, Leukonoe;
aber ich finde keine Sicherheit; die hsten (II 864 prytanen; 943 diaeteten.
Mitt. Ath. X, 105; 11 1001, 1040, 1049) sind nicht nach trittyen geordnet. 3')
31) Die prytanenliste II 866 kann die tiittyennamen geben; sie beginnt die
columnen mit <PXvr}s "^Akaiijs Ms).{i,rfis\, wie sicher ergänzt werden mufs.
32) TiQiv yaq eliai UsQyaai/aiv svbov iv Tals sjußäaiv, sagt der sclave in den
Rittern 321. der ort mufs also der Stadt ganz nahe sein; das ziel des sclaven ist
selbst dem dichter unbekannt gewesen.
33) Die ephesische pbyle Eimwuoi hat mit Athen natürlich nichts zu tun ;
sie sind die ''boni nominis^; die gemeinde heifst nach dem linken ufer. die win-
dige combination hat Ephoros blofs auf den namen hin ersonnen (bei Steph. Byz.
Bivva ; der name des lemmas ist corruptel von BiXßiva, wie die ephesischen steine
gelehrt haben), weder für Ephesos noch für die attische gemeinde hat das irgend
welchen vcert. die genealogien bei Steph. Byz. Evcovvfisia hat Geffcken de Steph.
Byz. 51 geordnet.
34) Milchhöfer s. 13 versucht localisirungen, von denen die von Kedoi und
Pambotadai in dem küstenkreise einige Wahrscheinlichkeit haben.
35) Milchhöfer s. 21 hat auf grund der entdeckung Töpflers, dafs die Kephalos-
sage aul'ser bei Thorikos auch am Aigaleos localisirt war (Att. Geneal. 258), meine
entdeckung, dafs die eponymen von Leukonoe und Ptelea in diese sage verflochten
sind, die ich deshalb in die nähe von Thorikos brachte, so verwandt, dafs er Leu-
konoe auf die ostseite des Aigaleos bringt, Ptelea auf die Westseite, und da dieser
demos der Oineis gehört, pafst er in der tat in das thriasische gefilde. ich
schliefse mich dieser combination an. auch seine Vermutungen, dafs Cholleidai, die
heimat des Dikaiopolis, in den landkreis, Phrear, die heimat des Themistokles (der
Leontis. Antiochis. 157
eine abweichung von dem prinzipe der localen kreise ist zudem sicher:
Hekale gehört zur Leontis und lag, wir wissen nicht wo, aber so, dafs
Theseus auf dem wege von der Stadt nach Marathon dort nachtquartier
machen konnte, also sicherlich aufser contact mit den übrigen demen.
den Kleisthenes hat hier wieder die tendenz geleitet die alte cultgenossen-
schaft des Zeus, deren cenlrum Hekale war, zu sprengen.^®) wir wissen
nur noch nicht, welche gemeinden sonst an ihr teil hatten.
Schwieriger stellt sich die Antiochis. ^^) zwar für den Stadtkreis Antiochi
haben wir Alopeke und den Kolonos des marktes, und der küstenkreis
ist durch Thorai^*) Aigilia Anaphlystos gegeben, mit denen man bequem
die landeinwärts anstofsenden Besä Atene und Amphitrope verbindet,
aber wo bleibt der landkreis? Melainai am Kithairon, vereiuzelt an dem
küstenkreis der Hippothonlis klebend, betrachte ich als eine Schöpfung
<ler zeit nach Kleisthenes, wie Graes und Psaphis. Semachidai in der
Epakria ist mit absieht von dieser losgetrennt, und mufs so angesetzt
werden, dafs es Pentele, die Steinbrüche des Brilettos, also seine kuppe,
angliedern kann, beides sind kleine gemeinden.^) die hauptfrage ist
hier die ansetzung von Pallene, um die durch Brückners gedankenreichen
aufsatz (Mitteil. Ath. XVI) ein streit entbrannt ist, den leider die kreistei-
lung nicht sicher entscheidet, immerhin ist der platz in der nähe von
Gargettos durch die Aigeis occupirt, eine läge im anschlufs an Pentele
und Semachidai nicht wol angängig, dagegen gehngt es Brückners ansatz
von Pallene in Koropi mit der südlichen demengruppe der Antiochis zu
vereinen, da ein vorkleisthenischer Eroiade ein denkmal erhalten hat,
das in den Kalyvia von Kuvaraes gefunden ist.^") und nach dem ge-
also die bergwerke von der Heimat her kannte) in den küstenkreis gehöre, sind mir
sehr ansprechend, doch nur so weit als ich sie hier reproducire. fester anhält fehlt.
36) Zu Hekale kann der Kolonos der Leontis gehören, denn bei Kallimachos
sagte jemand ex fis Ko).coväcov Tis öfieanos rjyays Si]uov rcüv era^av, fgm. 428.
37) Die prytanenliste II 869 ist nicht nach trittyen geordnet.
38) Strabon 398 setzt zwischen Thorai und Aigilia in seiner aufzählung der
küstenplätze Lamptra. in der tat öffnet sich die küste zwischen Vari-Anagyrus und
Phinikia-Aigilia zweimal, zwischen den bergen Keramoti und H. Dimitrios und bei
dem kirchlein des heiligen dieses namens, wo eine alte ansiedelung bemerkt ist.
nur kann man diese schlecht für das untere Lamptra halten und Thorai westlich
von ihr unterbringen, und sicherlich hatte die alte phylenordnung diese durch-
brechung nicht beabsichtigt, wenn nicht gar ein irrtum vorliegt.
39) Die existenz der gemeinde Pentele für das vierte Jahrhundert beweist der
metöke Menes nevrelr^ai oixcüv II 834"= 37.
40) Auf dem rätselhaften steine I 492 = IV p. 118 ist wenigstens A<«oos-
eifii rö heqoiaSo sicher.
158 II. 6. Trittyen und demen.
schlechte der Eroiaden ist ein demos der Antiochis henannt, wodurch
für die ansetzung des gleichnamigen der Ilippothontis nichts gesagt ist;
das gcschlecht mochte in jeder beliehigen andern ecke des landes ein
anderes landgut haben, so nnerfreulich es ist, dafs die wichtige frage
mit Zuversicht nicht erledigt werden kann, bleibt es doch wahrscheinlich,
dafs die zahlreichen gemeinden , die in dieser gegend der laureotischen
halbinsel zur Antiochis gehören, teilweise ihrem landkrcise. zufallen.
Akamantis. Nun endlich zu dem schwersten probleme, der Akamantis. aufser
dem Kerameikos müssen wir zu dem Stadtkreise noch Hermos rechnen,
bestimmt an der heiligen strafse westlich von Lakiadai um den jetzigen
bach von Chaidari, der nach Hermos hiefs, gelegen, aufserdem sind
Eiresidai und Iphistiadai für den landkreis durch Piatons testament ge-
sichert, noch auf das hnke Kephisosufer mindestens übergreifend, am
wege nach Kephisia, also etwa wo jetzt die eisenbahn (station Arakli
und vorher) läuft, der landkreis der Kekropis engt dieses stück durch
Sypalettos und Athmonon von norden und osten ein, im nordwestea
drängt sich Acharnai heran, von Süden die städtische provinz ; nach westen
allerdings kann noch ein kurzer streifen als frei gelten, ein anderes
zusammenHegendes stück landes gehört im osten der Akamantis, Agnus '*')
Prospalta Kephale Sphettos"**^), und stufst mit Thorikos an das meer. so
scheint es, und man weifs dann wieder nicht, soll man diese landschaft,
die zum teil ganz binnenländischen Charakter trägt, um Thorikos' willen
zum küstenkreise machen , oder so entlegene stücke wie Agnus und
Eiresidai zum landkreise vereinen, es kommt hinzu , dafs der küsten-
kreis der Leontis sowol Potamos wie Sunion umfafst, also entweder
Thorikos von seinen nachbarn gleicher phyle, Prospalta Kephale, ab-
drängt, doch nur durch einen schmalen streifen, wo es dann eine enclave
wird, wie Azenia im küstenkreise der Antiochis, oder aber dem demos
Thorikos die küstenqualität nimmt, indem etwa die dem burgberge von
41) Dies eröffnet eine columne in dem verstümmelten prytanenverzeichnis
II 867.
42) Brückner Mitt. Alh, XVI 200. für die kreisteilung kommt nichts wesent-
liches darauf an, ob Milchhöfer mit der bestreitung dieses ansatzes recht hat; er
hat einige beachtenswerte einwände erhoben. — entweder in die umgegend von
Agnus oder in die von Eiresidai gehört Kikynna: also hat es mit Kynnes nichts
zu tun. die darauf gerichtete Vermutung von Kirchner (Alt. et Peloponn. 52) ist
auch an sich falsch, erstens weil Kynnes nach '.4Xai Ai^coviSss gehört, nicht nach
Kixvvva, zweitens weil zwar Kvvvtjs und Kixvvva mit xicov verbunden werden
können, aber wenn sie mit einander zusammenhiengen, würde nicht blofs eines von
beiden reduplicirt sein.
Akamantis. ergebnis. 159
Theriko vorgelagerte halbinsel diesem nicht gehörte, und um das übel
voll zu machen, ist die wichtige heimatgemeinde des Perikles Cholargos
ganz unbestimmt, so mufs ich hier die aporie leider offen lassen."^)
So viele einzelheiten auch noch fraglich bleiben, in der hauptsache Ergebois.
ist die Organisation klar, die drei landesteile entsprechen ihrem namen
nur so ungefähr, die stadtprovinz ist westhch durch den Korydallos bis
ziemhch an den pafs des Pythion hinan, östlich durch den Hymettos
begränzt; doch ist Aixone an dessen südfufse schon nicht mehr hinein-
gezogen, nach norden ist die grenze, weil sie keine natürliche mehr
ist, unsicherer, doch läuft sie noch nördlich vom Kolonos und Lykabettos.
da diese provinz an das meer reicht, unterbricht sie die küstenprovinz.
dieser gehört das ganze eleusinische gebiet bis an den Kithairon , auf-
geteilt an zwei phylen , VIII und VI, dann läuft sie als ein ziemlich
schmaler streifen rings um Attika bis an die oropische grenze; die phylen
folgen sich von Aixone an in der folge VII, I, X, IV, V, III, II, IX.
es ist ganz klar, dafs diese üaga/da weder mit dem cultverbande gleichen
namens, zu dem gerade Munichia gehörte, noch mit der paralischen partei
der tyrannenzeit identificirt werden kann, die Diakria gehört ihr ja seihst
zum teile an. das binnenland hat ebenso wenig mit dem cultverbande
der Mesogeer zu tun, in dem leute aus der städtischen gemeinde Bäte
sind; sie umfafst die kekropische ebene, gehörig den phylen (von west
nach ost) IV, VI, I, südhch von diesen ein stück von V und dann VII;
das bergland des Farnes bis an die küste VIII und IX, und das berg-
land des östlichen Brilettos und die jetzt so genannte ^lEoöyEia bis zum
innern der laureotischen spitze II, III, das andere stück von V, und X.
Auch hier ist, schon um des gegensatzes der öden berge und des
ackerlandes willen, dann aber auch durch den willkürlichen schnitt, der
die Stadt absondert und in der jetzigen mesogia die häfen von dem hinter-
43) Milclihöfer s. 24 setzt Cholargos nordwestlich von der stadt auf grund der
Inschrift des cultverbandes der Mesogeer II 604, die im Heraklesheiligtum von Cho-
largos aufgestellt war. das ist unwidersprechlich, so weit es die Zugehörigkeit der
gemeinde zu den Mesogeern angeht; sie kann allerdings noch weiter östlich, nach
Eiresidai zu, angesetzt werden, ich hätte das wissen sollen. XoXa^yos oder X6~
Xaqyov ist 'gallweifs', also gelblichweifs ; der Buzyge Demostratos wird nach der
(lilaiva xo^rj XoXo^iyrjs genannt Ar. Lysistr. 397 ; aber hier wird man nur an die
xXcooä denken, der name wird die färbe des gesteins angeben, auf dem das dort
lag und aus dem es gebaut war. das deminutivum davon mit verdoppeltem end-
consonanten dürfte dem ahnherrn der XollslSai gegeben sein; der demos ist nicht
weiter bestimmt als für den landkreis der Leontis, kann also sogar nachbar von
Cholargos gewesen sein.
160 H. 6. Tritlycn und demen.
lande trennt, ein provinzielles sondergelühl gar nicht denkbar, wo ein
alter cultverband bedenklich schien, sind einzelne seiner gheder i^c-
waltsam selbst auf kosten der örtlichen continuität der kreise losgetrennt;
so sind die befremdlichen enclaven Xypete in der stadtprovinz, Proha-
linthos und Azenia (hier ohne nachweisbares religiöses centrum) in der
kiistenprovinz, Hekale und Scmachidai mit Pentcle in der landproviiiz
entstanden, die neuen phylen konnten aber dem beschauer der karte
einige furcht vor localen aspirationen erwecken, denn die ganze Ointis
liegt zwischen dem eleusinischen und attischen Repliisos, die ganze
Kekropis (aufser Xypete) zwischen der innern Stadt und der linie Bri-
lettos Hymeltos. fast der ganze nordosten gehört der Aiantis, die süd-
spitze der Antiochis, von denen beiden je zwei kreise sich berühren;
dasselbe geschieht, wenn auch auf schmalerem striche, von der Aigcis
und vielleicht auch der Akamantis. beabsichtigt kann Rleisthenes dies
schwerlich haben; es wird die tücke des Zufalls, des loses sein."^)
Gieiciiheii In der Stadt Athen hilft die neue erkenntnis nur wenig dazu, (hv
der phvlen
und kreise, schwebenden fragen zu entscheiden, einzelne phylen, wie die Pandionis
mit Kydathenaion , die Kekropis mit Mehle, die Aiantis mit Phalemn
sind nur mit einem demos beteiligt, machen also keine Schwierigkeit,
die llippothontis hat in der südwestecke eine compacte masse, die Oincis
nördlich von ihr (Xypete wieder nicht gerechnet), die Erechtheis im
Osten, die Aigeis zieht sich am uordrande der provinz in einem streifen
vom Kolonos bis zum Ilymettos, und ich kann nicht bestreiten, dafs
dies dafür spricht, Kollytos nördhch und nordösthch vom Eridanos an-
zusetzen, aber sieht man dann, dafs Skambouidai und Ilalimus, Rera-
meikos und Hermos, Alopeke und der Marktkolonos zusammengehören,
die wirklich nicht aneinanderstofsen, so verliert man das zutrauen, und
trotz allem guten willen umzulernen , kann ich hier die fragen nur
stehen lassen wie sie standen. ^^)
Die natürlichste annähme ist, dafs Kleistheues beabsichtigt hat, die
44) Diesem möchte ich auch selbst die Zuteilung von Kydathenaion an die
Pandionis zutrauen, hätte man für die bürg einen phylenheros gewählt, so würde
es doch nur Kekrops haben sein können, die Kekropiden und Erechtliiden haben
sich nicht abhalten lassen, ihre eponyme an ihren heimstätlen auf der bürg zu ver-
ehren; das würde nicht anders gewesen sein, wenn Anlioclios der phylenheros von
Kydathenaion geworden wäre.
45) Halimus Hermos Alopeke sitzen allerdings alle am rande der provinz; man
könnte wol glauben, dafs sie bei einer schliefslichen correctur der provinzialgrenzen
oder auch zur ausgleichung der phylen innerhalb der Stadt, sei es von den aufsen
anstofsenden provinzen, sei es von den innen anstofsenden kreisen, abgetrennt wären.
Gleichheit der phylen und kreise. 161
drei provinzen an steuercapital und bevolkerung gleich zu machen;
selbst dann würde die einteilung für die wirtschaftliche Übermacht be-
weisen, die trotz den landfreundlicben mafsnahmen der tyrannis die
haiiptstadt gewonnen hatte, die demokratie hat diesen prozefs mit oder
ohne absieht ungemein beschleunigt, denn in den meisten phylen und
so überhaupt in der bürgerschaft überwiegen die angehörigen der stadt-
provinz relativ ganz bedeutend, man sollte zwar meinen, das Verhältnis
der demoten könnte sich gar nicht verschieben, weil trotz dem Wechsel
des Wohnsitzes die gemeindezugehörigkeit immer weiter vererbt wird,
aber das gilt nur in abstracto, wenn ein bauerndorf im gebirge ver-
ödet, so mögen sich seine bewohner zunächst in die stadt ziehen und
sich ein brot suchen; eine menge von ihnen wird schon sogleich aus-
wandern, die kleruchien des fünften Jahrhunderts haben sehr viele bürger
hin ausgelockt, die gewifs zum teile dem vaterlande verloren gegangen
sind; im vierten sind athenische Söldner in fremdem dienste recht zahl-
reich, aber die demokratie vermag auch mit allen largitionen nicht zu
verhindern, dafs die verarmte bevolkerung keinen hausstand gründet
oder keine legitime nachkommenschaft erzeugt, und so gehen diese ge-
meinden an bevolkerung zurück, andererseits ist die Vermehrung der
bürgerschaft durch die aufnähme von fremden und metöken recht stark
gewesen und vorwiegend den städtischen gemeinden zu gute gekommen,
da erwiesen ist, dafs die metöken auf verhältnismäfsig sehr wenige fast
ausschliefslich städtische gemeinden beschränkt waren, ist der schlufs unab-
weisbar, dafs das gleiche für die neubürger gilt, denen das privileg die
wähl des demos freistellte, wer auf unrechtmäfsigem wege sich in die
bürgerschaft einschleichen wollte, mochte sich nach Halimus oder zu
den Titakiden wenden: der reiche kaufmann des hafens, dem das volk
das bürgerrecht verheb , kaufte sich dort ein haus und trat in die ge-
meinde des Peiraieus. so ist die Aiantis tatsächlich schwächer als die
übrigen phylen geworden , weil das nordöstliche bergland verödete und
ihr städtischer demos Phaleron seit Themistokles verkam: zu Kleisthenes
zeit mufs gerade dort das regste leben geherrscht haben.
Die Organisation hätte eine dauernde ausgleichende kontrolle des
Staates erfordert, diese ist aber nicht eingetreten , es sei denn durch
die für das ganze unwesentliche errichtung neuer gemeinden. 307 schritt
man freihch zu der Schaffung zweier neuer phylen, aber die art, wie
man diese schuf, lehrt deutlich, dafs die kleisthenische Ordnung nur
noch als division des Volkes durch zehn erschien, die mau mit der
zwölftelung vertauschte, auf die kreise und die provinzen hat man weder
V. Wilamowitz, Aristoteles. II. 11
162 II. 6. Trillyen und demen.
damals noch später rücksicht genommen.^") das Verzeichnis der demen.
wol aus dem jähre 200, das wir besitzen (II 991), kennt die triltyen
gar nicht mehr.
Bedeutung Mögen sic denn auch verfallen sein , so gehören sie zu den ein-
der kr6is~
Ordnung, richtungcu, die in der grofsen zeit Athens lebendig waren, und selbst
wenn wir zugeben müfsten, dafs die Organisation sich praktisch nicht
bewährt hätte, so würde sie an interesse nicht verlieren., der grol>c
Staatsmann hätte höchstens zu grofses für seine zeit geplant, denn mit
nichten ist der erfolg allein der gradniesser für die bedeutung ein( s
staalsmännischen gedankens. die einzelgemeinde als Selbstverwaltung >-
körper ist das eine und gröfste was Kleisthenes geschaffen hat. sii
hat sich lebenskräftig bewiesen, obwol wir zugeslehn müssen, dafs in ,i
den kleinsten demen die Verwaltung willkürlich und corrupt ward,,
wie in Ilalimus, in dem grofsen Peiraieus aber sogar der Staat soweit i
gegangen ist, die erneunung des bürgermeisters für sich in an-
spruch zu nehmen, der slaat hat auch das repraesentative princip be- ■
schnitten, das eingeführt zu haben das zweite überraschend grofse ver-
dienst des Kleisthenes ist. Aristoteles findet das in der Ordnung, weil
Ol örii-iOL Sfciülow, wie er es derb ausdrückt, und die begründung
ist triftig, aber mufste es dazu kommen? zwei momente, die dazu
drängten, konnten wir schon immer schätzen, einmal die demokratische
centralisation, die übergriffe des plenums der Volksversammlung, sodann
die künstlichen gebilde der zehn phylen, die den formen des geschlechter-
slaates nachgebildet waren und niemals zu leistungsfähigen verwaltungs-
körpern, zu provinzen, werden konnten, nun aber lernen wir das neue,
dafs Kleistheues in den kreisen ein an sich sehr wohl lebensfähiges
miltelglied zwischen der einzelgemeinde und der sammtgemeinde ge-
schafl'en hat: der kreis konnte sehr gut seine Vertretung und seinen
beamten haben, also die misstände der Verwaltung in den einzelgemeinden
durch seine kontrolle beseitigen, denn er besass dafür die Vorbedingung
der lokalen geschlossenheit. ja man träumt gern weiter; wenn der kreis
mit staatlich eingesetzten trillyarchen an der spitze und einem aus den
Vertretern seiner gemeinden gebildeten rate daneben das ausgebildet
hätte, wozu der keim in ihm lag, so hätte er sehr wol dasselbe leisten
können wie ein romisches municipium, ohne doch eine eigene nöXig
46) Ich unterdrücke einen genaueren nachweis, weil er von Kirchner Rh. M.
47, 550 Aollständiger geliefert ist. dieser hat freilich auf die kreisteilung selbst gar
nicht geachtet, aber das kann der leser durch vergleichung der obigen ausführung
mit Kirchners demenverzeichnis leicht sich selbst ergänzen.
Bedeutung der kreisordnung. 163
zu werden, dann war auch ein kreis Karystos oder Naxos möglich,
und wie so ganz anders würde die hellenische geschichte geworden sein.
Doch auch abgesehen von solchen träumen verlohnt es sich wol,
die Stellung der trittyen im Organismus des Staates auf das anzusehen,
was sie wirklich gewesen sind, das erste was wir da zu constatiren
haben, ist, dafs sie für das bewufstsein des Volkes gar keine wirklichen
reahtäten geworden sind: sie haben keinen göttlichen Vertreter, trotz
ihrer realen körperlichkeit keine ideelle, das unterscheidet sie von phyle
und demos, und der moderne rationalismus kann recht deutlich daran
lernen, dafs die existenz eines eponymos mehr als eine ornamentale
bedeutung hat: er zeigt an, dafs in dem was er benennt eine seele ist,
und die seele gibt das leben, nicht die materie. das fehlen des eponymos
bringt es mit sich, dafs der trittys das eigene vermögen abgeht, das
phyle und phratrie, gemeinde und geschlecht besitzen.
Im finanzwesen kann die trittys für die directe Steuer keine rolle
spielen, da die phylen unter einander vielleicht, die trittyen derselben
phyle unmöglich das gleiche steuercapital besitzen konnten, das gleiche
gilt für die persönlichen auf das vermögen gelegten munera, die XrjTovQyLai,
die zwar phylenweise (und nicht einmal das durchweg), aber nicht trittyen-
weise verteilt werden, wol aber ist das noch im demosthenischen Zeit-
alter mit den frohnden geschoben , die das volk auf die phylen über-
trug."") das gescliah bei bauten, z. b. von strafsen , mauern, schiffen,
in der regel freilich besorgte auch diese Sachen das volk selbst, durch
den rat (wie gewöhnlich den Schiffsbau), oder durch besondere beamte
(wie die wegecommissare) oder durch specielle commissionen (wie die
TEixoTioiol), die dann wieder die phylen vertreten konnten, es leuchtet
aber ein , dafs es z. b. für den wegebau häufig praktisch sein konnte,
die arbeit kreisweise zu verteilen, oder auch zum festungsbau die phylen-
genossen kreisweise heranzuziehen.
Im heerwesen ist der dienst zu pferde eine persönliche last der
besitzenden, eine XrjzovQyia. wenn demnach auch die reiterei in die
10 phylen geghedert ist, so ist doch die archaische einrichtung, dafs die
naukrarie so und so viel pferde und reiter zu stellen hat, wenn nicht
von Kleisthenes''*), so doch von der demokralie bald beseitigt, das volk
47) Aisch. 3, 30 ois al (pvXal xal ai TQnrves xai oi Sfj/uoi e| iavrcov ai^ovvrat
iä Srjfioaia x^Ji^ata d ia%eiQit,t.iv . es handelt sich um solche frohnden, wie sie
oben genannt sind.
48) Pollux 8, 108 in der ausgezeichneten Schilderung der vorkleisthenischen
Verhältnisse , vavxoaoia sxäarrj Ssxa (Svo codd.) tTtnias TtaQsl'/^e xai vavv fiiav.
11*
164 II. 6. Trittyen und demen.
übt die recrutirung, unlerhaltiiiig und controUe dieser stehenden truppe
selbst durch sein ccntralorgan, den rat.
Trittyen im Die schwergcrüsteten inl'anteristen bilden kein siebendes beer, aber
sie sind, wenn wir sie mit unsern verbältnissen vorgb'icben wollen, alle
reserveofficiere. sie gehören alle den drei oberen steuerclassen an, müssen
sich selbst equipiren , ballen als nctgiTtoloi militärische ausbildung er-
halten, das Volk kann jeden von ibnen zum taxiarchen und Strategen
wählen, wer aber nicht zum officier gewählt ist, tritt ruhig in das glied,
mag er auch noch so oft das regiment gefübrl baben. die ausbebung
und mobilmacbuug wird auf grund der musterroUe besorgt, die wieder
auf den bürgerlisten beruht, deren führung bei den gemeinden ist. bei
der einstellung der dienstpflichtigen Jugend wirkt der rat mit; die aus-
bebung ist sacbe der Strategen , ihnen aus der zeit geblieben , wo sie
pbyienweise gewählt wurden, hier lag es nun nahe, für die aushebung
sieb der kreise zu bedienen, und wenn die phyle das regiment bildete,
so sollte man meinen, dafs die triltys sich als die geeignete grofse für
die taktische einheit von selbst geboten hätte, liest man nun bei Piaton
(Staat 475), dafs die ehrgeizigen, orav (.lij OTQaTrjyrjaai övvojvrai, tqit-
TvaQxoi'Oi, so kann man kaum umhin, anzunehmen, dafs diese gliede-
rung einmal beabsicbtigt war und trittyarchen als trihuni militum be-
standen baben. wir wissen fast nichts von den niederen cbargen des
mihtäres, aber doch so viel, dafs wir die taktische einheit in den löxoi
erkennen, an deren spitze koy^ayoi stehn, die der taxiarch ernennt, da
das bei den Dorern auch so ist und der name Koyayöc, dorisch ist {loxrj-
ysTTjg würde er attisch heifsen) , so hat die demokratische gliederung
sich für das beer weder bewäbrt noch behauptet."^) da es doch aber
trittyarchen mit militärischer competenz gegeben haben mufs, wenn Piaton
sie nennt, so mögen sie bei der ausbebung beschäftigt worden sein.
96 reiter sind eine lächerliche Ungereimtheit, 480 entsprechen den Verhältnissen.
die demokratie verdoppelt diese zahl: die adlichen legten früher zwar den höchsten
wert auf den dienst zu pferde, aher sie mochten nicht, dafs die bauern mit ihnen
ritten, da die tO Strategen von Kleisthenes noch nicht eingesetzt sind, die alte
kümmerliche flotte auch noch bis auf Themistokles bestanden hat, ist wol auch die
reform der cavallerie erst nach 507 eingerichtet; doch war der name cpv)MQxos für
die Schwadronsführer verbraucht, als man die taxiarchen an die stelle der Stra-
tegen setzte, also ajQaxös durch rä^is verdrängte, wo q-vlri doch näher gelegen
haben würde als für die schwadron.
49) Wenn die trittys der Acharner 3000 hopliten stellte, wenn auch nur auf
dem papier, so war sie in der tat auch nicht mehr geeignet unserer compagnie zu
entsprechen, aber immer noch einem balaillone.
Trittyen bei der flotte. 165
Ganz anders steht das alles bei der flotte, in ihr waren die leute Tnttyen bei
der flotte.
ohne steuercapital grundbesitz und militärische Vorbildung dienst-
pflichtig; eine Stammrolle gab es nicht, man fand die leute vielmehr
durch subtraction der hopliten von der bürgerliste ; also konnte die aus-
hebung der leute füglich nur in den gemeinden stattfinden und ist dem-
gemäfs aufgäbe der demarchen. -ein anderes aber war die einstellung
der leute, die man möglichst früh unter militärisches commando bringen
mufste, schon damit man ihrer habhaft würde, und ihre Zuweisung an
die schiffe und trierarchen, die erst im hafen erfolgen konnte. ^'^) mit
dem beginn des eigentlichen dienstes hörte die bedeutung des kreises
notwendigerweise auf, aber so lange war in der tat die trittys ganz be-
sonders geeignet die dienstpflichtigen zusammen zu bringen und zu
halten, und hier mögen die trittyarchen Piatons auch eingegriffen haben,
da hören wir nun, wie Demosthenes in seiner Symmorienrede (22) vor-
schlägt, der platz hinter den schilTshäusern sollte von den Strategen in
zehntel geteilt und unter die phylen verlost, die anfeile der phylen von
den taxiarchen den einzelnen trittyen zugewiesen und an diese wieder
die schiffe und symmorien zugeteilt werden, die funde von grenzsteinen
der trittyen am hafen ^0 haben den beweis geliefert, dafs Demosthenes
in Wahrheit auf die Ordnung zurückgreifen wollte, die Themistokles wirk-
lich eingeführt hatte, was ihm, obwol er sein Vorbild verschweigt, zur
ehre gerechnet werden soll, um 493 oder 483 war die trittys noch
ein lebendiges gUed des volkskörpers , und Themistokles bediente sich
ihrer, als er die flotte gründete und die alten naukrarien abschaffte,
die eben auch, wie der name sagt und die geschichte bestätigt, für den
flottenbau zunächst geschaffen und von Kleisthenes, trotzdem er sie sonst
durch die gemeinden ersetzte, für diesen zweck belassen waren. ^-) da
50) Die verwahrlosten zustände, die sich in den demosthenischen und apolio-
dorischen reden zeigen, zumal in denen über den trierarchischen kränz und wider Po-
lykles, haben für das fünfte Jahrhundert natürlich keine geltung. um 360 gab es
in Wahrheit so wenig für die flotte wie für das landlieer eine effective dienstpflicht.
der trierarch mochte sehen, wo er seine leute auftrieb.
51) CIA I 517.518 mit den nachtlägen in IV. G. Schaefer Mitt. Ath. IV 85,
Köhler VJI 108.
52) Dafs die naukrarie ein schiff stellte, bezeugt die chronik bei Pollux 8, 108
(oben anm. 48); auf diese darstellung der kleisthenischen oder vorkleisthenischen
zeit gehen auch die anderen grammatikerglossen über rQirrvs und xqiTxvaQ%oi
zurück, Phot. Et. M. Bekk. An. 300, schol. Aisch. 3, 30 u. a., alle wertlos, zu den
48 schiffen der naukrarien treten die zwei, welche der gauverband der TlaQalia
(Mitt. Ath. VII taf. XIV vgl. XIII 321) und die kleruchen von Salamis zu stellen
166 II- 6. Trittyen und demen.
die Epakrier von der Aigeis mit den Thriasiero von der Oineis zu-
sammenslofsen (IV 517''), sind die gesteliungsplätze der phylen auch
damals verlost worden, aber die grenzsteine sind niemals erneuert: die
einrichtung hat eine weile vorgehalten, dann ist sie verfallen.
Trittven Steine mit trittyennamen sind auch auf der Pnyx gefunden.^^) der
ekkiesic. gedankc liegt nahe, sie auch auf Versammlungsplätze der kreisangehörigen
zu beziehen, man darf aber nicht so weit gehen, den Athertern comitia
centttriata oder tributa zuzuschreiben, die es nie gegeben hat. der
demos ist eine cinheit, jeder bürger hat seine virilstimme, die ghederung
des Volkes als heerbann oder nach seinen kreisen und gemeinden hat
für die sammtgemeinde und deren beschlufsfassung keinerlei bedeutung.
es reicht hin, an die scenen des Arislophanes zu erinnern, die eine
Volksversammlung darstellen, aber wol war eine controlle der besucher
auf ihre berechtigung notwendig, und die zeit, die noch keinen sold
ausgab, hatte noch nicht die controUmarken. im vierten Jahrhundert
controlliren den besuch die 30 aus dem rate genommenen av?J.oy^g
Tov diQi.iov^'^) unterstützt von den kanzlisten, die die bürgerlisten führen
{?.r]^LaQxoi)- dreifsig, das ist die zahl der trittyen, die, wie wir gleich
sehen werden, im rate fortbestanden, in ihnen also wird man die Ver-
treter der kreise sehen, ein rätsherr aus dem kreise controllirt seine
kreisgenossen, und ein stein auf der pnyx bezeichnet die stelle, wo
er zu finden ist und sie sich zu melden haben, so scheinen mir jene
steine eine befriedigende erklärung zu finden, aber gleichzeitig mufs ich
gehalten waren, das ergibt 50. und dafs es nach Kleislhenes so viel blieben,
bezeugt das wertvolle bruchstück des Kleidemos bei Phot, vavxQUQia, das so zu
verbessern ist Kksiad'ävovs Saxa ipvlas noir^aavxos avxl xäv lerräQcov, avvißrj
xai eis TisvTTjy.ovra fUQT] Siarayrjvai airoiiS, a (5' cod.) eKciXovv vavK^a^ias (vav-
y.oaQia cod,), daneo pvv eis rä iy.arov /^tQT] Siaiosd'trrss {-ra cod.) y.akovai avfi-
fioQias. für die Verbesserung ist entscheidend, dafs man sich überlegt, wer verteilt
wird, unmöglich etwas anderes als die bürgerschaft. dann heilt sich der wichtigste
satz mit geringster änderung. der ausdruck ist in dem zweiten nicht schön, aber
verstündlich. Kleisthenes hat also 50 naukrarien gemacht, d. h. fünf auf jede neue
phyle, lediglich decimal und duodecimalsystem ausgleichend. Themistokles beseitigt
diese gänzlich antiquirten gebilde zu gunsten der trittyen im sinne der kleistheni-
schen Ordnung, das volk aber, das im dritten Jahrhundert auf die symmorien zu-
rückgriff, hat offenbar von der kleisthenischen Ordnung kennlnis gehabt.
53) CIA I 500. 502; auf die Standplätze gedeutet von C. Schaefer.
54) lieber diese commission hat Köhler (Mitt. Ath. VII 103) licht verbreitet,
wesentlich mit hiife des sfeines II 872. auch er hält sie für älter als die sold-
zahlung und meint, sie hätten im fünften Jahrhundert oi r^iänovra geheifsen. dies
letzte ist nicht glaublich, da die demenrichter und logisten auch 30 sind.
Tritlyen in der ekklesia. trittyen im rate. 167
xugeben, dafs die inslitution verkümmert war. denn die ovkXoyijg der
Aigeis sind auf dem steine 872 aus Gargettos Ikaria Herchia, also alle
drei aus dem landkreise. die trittys war zum drittel geworden, übrigens
sind auch diese steine der Pnyx niemals erneuert; der zweck, dem sie
dienten, war fortgefallen.
Gehalten haben sich die trittyen im rate, da noch Aristoteles (44, 1) Trittyen
angibt, dafs immer eine trittys der prytanen im rathause anwesend sein
mufste. diese bestimmung wird sich auch gehalten haben, als es 600
ratsherren gab, denn in den jähren 299 — 94 begegnen uns, zum letzten
male in den Inschriften, trittyarchen , die mit einem sonst unerhörten
E^€TaaT7]g zusammen die kleinen ausgaben besorgen, die sonst der ra^u/ag
rrjg ßovlrjg yial tov ötj/liov zu leisten hat. ^^) das wird also ein aus-
schufs des täglich amtirenden teiles der prytanen sein.-^®) aber damals
bestanden schon Antigonis und Demetrias, die in räumlich geschlossene
kreise nicht zerfallen sind, somit sind aus ihren demen trittyen wol
schwerlich formirt, und die des rates sind nichts als drittel, dann kann
es gut und gerne auch 340 schon ebenso gewesen sein, aber ehedem
hat man den trittyen gröfsere bedeutung beigemessen, die prytanen-
listen konnten oben zur Ortsbestimmung der trittyen vielfach benutzt
werden, weil sie zum teil nach ihnen geordnet sind, und noch viel mehr
haben wenigstens noch drei columnen, wenn auch die aufzählung der
demoten nicht mehr der trittys folgt.") so wird es eine zeit gegeben haben,
wo wirklich die trittys ein drittel der fünfzig ratsherrn präsentirte, und das
war nicht unwesentlich, sondern ein schütz der minoritäten. die Acharner
mochten eine ganze trittys sein und an zahl sehr viel mehr als ein
drittel der Oineis: wenn auf'die trittys ein drittel kam, konnten sie nie-
mals 22 ratssteilen occupiren wie auf der liste II 868.
In der beamtenschaft entsprechen die meisten coUegien den phylen Trittyen
und haben deshalb zehn mitglieder. aber das fünfte Jahrhundert zeigt beamten-
mehrere von 30 männern, die also den trittyen entsprechen können, die
30 ovlloyrig tov d^f-iov haben wir schon kennen gelernt, und für sie
55) Zu den psephismen ist ein neues getreten JsXr. äo^. 88, 1 12, wo etwa
so zu schreiben ist fisoiaai ro aväXcof^ia e[ii ravra rov e^era(TrTj]v y.ai rovs roir-
nvdQxovS.
56) C. Schaefer hat diesen ausschufs mit den avlloyTis rov Srjuov identificiren
wollen; dem hat Köhler widersprochen, und in der tat scheint mir die obige deu-
tung vorzuziehen.
57) Die ratsherren safsen im ratshause seit 409 auf festen platzen (Philochoros
schol. Ar. PI. 972). aber wenn dabei auch die trittyenordnung beobachtet sein kann,
so hatte das doch keine praktische bedeutung.
168 II. 6. Trittyen und demen.
war die bestellung nach den kreisen praktisch, noch viel einleuchtender
ist dasselbe von den 30 demenrichtern , die Perikles 453/2 einführte,
denn das sollten landrichter sein, also war ihre bestellung für einen
räumlich geschlossenen bezirk durchaus praktisch, die restaurirte demo-
kratie hat ihnen diesen ländhchen Charakter genommen und ihre zahl
auf 40 erhobt, wie es heifst, weil die nomotheten von 404, die lyrannen,
30 gewesen waren, bei diesen kann von einer Vertretung .der trittyen
kaum die rede sein, und auch bei den 30 logisten, die unter Eukleides
auf 10 reducirt wurden, schwerlich, aber die häufigkeit der zahl 30
beweist soviel, dafs das fünfte Jahrhundert noch bis zu ende der 30
kreise lebhaft gedachte.
Es ist praktisch wenig mit dem gedanken der kreisteilung Attikas
erreicht worden; aber würdig ist er des grofsen geselzgebers, und die
ansätze zu seiner Verwertung werden bei eindringender forschung gewifs
noch zahlreicher ans licht eezogen werden.
7.
DER ATHENISCHE MME.
Aristoteles (21, 4) berichtet aus der chronik, dafs die bezeichniiog iJ'eor''°"'^s
" des
des athenischen bürgers durch den demosnamen von Kleisthenes einge- J^'eisiheues.
führt sei, und zwar mit der absieht, die neubürger vollkommen gleich
zu stellen, welche die bezeichnung durch den Vatersnamen kenntlich
gemacht haben würde, daher käme es dafs sich die Athener selbst mit
dem demotikon nennten/) die uns geläufige attische sitte vereinigt die
bezeichnungen nach dem vater und dem demos, die hier einander gegen-
über gestellt werden, und das ist im vierten Jahrhundert auch die offi-
zielle bezeichnung, z. b. auf den richtertäfelchen (Ar. 63, 4). aber der
aristotelische bericht hat keinen sinn, wenn nicht Kleisthenes den Vaters-
namen durch den demos hat ersetzen wollen, denn wenn die bezeich-
nung nach dem vater die neubürger überhaupt kennthcli machen konnte,
so tat der zusatz ^hoy.sy.rjdsv weder etwas davon noch dazu , solange
der Vatersname in offiziellem gebrauche war. Kleisthenes hat also den
Vatersnamen abschafTen wollen.
Wie aber konnte der vater die neubürger kenntlich machen? ihre
Väter hiefsen doch nicht alle Manes oder Skythes, und barbarische oder
doch fremde namen sind auch in acht bürgerlichen familien durchaus
nicht unerhört.-) auch hier ist nur eine antwort möglich: die neubürger
hatten gar keinen vater.
1) Man mufs nur scfiarf die officielle bezeiclinung avayooevtiv , die anrede
■jtqoaayoQEvsiv und die selbslbezeiclinung xaXelv atpäs avioii untersciieiden, dann
ist der satz weder der Zusätze, aucli nur des wörtchens vZv^ das wir eingefügt
haben, noch der abstriche, die von anderen beliebt sind, bedürftig.
2) Z. b. Sibyrtios ist im fünften Jahrhundert verbreitet und gar nicht niedrig,
und doch gehört er ersichüicli mit dem frauennamen ZißvlXa zusammen, dessen
berühmteste Irägeiin, die ihn erst zu einem gattungsnamen gemacht hat, aus Erythrai
war; der name ist also mysisch. CIA iV p. 86 nennt ein Kriton seinen vater Skythes,
170 II. 7. Der athenische name.
Das klingt befremdlich, aber die logik des rechtes ist unerbittlich,
der sclave kann keine ehe eingehen, also entbehrt der im hause geborene
des vaters und der aus der fremde eingeführte barbar erst recht, der
metoke geniefst in Athen des Vorrechtes, in einem quasigenlilicischen
verbände zu stellen und nach dem attischen familienrechte behandelt zu
werden, er bat also einen vater. aber das gilt eben erst seit Kleisthenes,
der die ))rivate clienlel durch die des Staates ersetzt bat. ich habe das
früher aufgeführt und gezeigt, dafs die officielle bezeichnung /läoo, er
MeXiTi] ol/xöv ist. das ist das genaue analogen zu Evd-vöo/Aog MeXizevg,
und in der tat führen die metoken auch später officiell keinen Vaters-
namen, bevor der attische staat die metoken in seine clientel nahm,
^var für sie der patron was der herr für den sclaven und freigelassenen,
der vater für den bürger war. trat aber vollends der metOke oder auch
der peregrine, der noch ein anderes Vaterland gehabt hatte, in die ge-
meinde der Athener, so verlor er damit notwendigerweise seine frühere
familienverbindung, er konnte also ihre bezeichnung entweder nicht mehr
führen , oder aber er mufste dem vater die bezeichnung seiner heimat
geben, also sein neubürgerlum eingestehn. die romische analogie macht
das sofort deutlich, der freigelassene führt den namen des patrons, der
neubürger kann gar keinen Vatersnamen führen, oder aber er gesteht seinen
stand ein, indem er den unrümischen Vatersnamen einsetzt, was in der
griechischen weit nicht seilen geschieht. Aevv.loq loXrcixiog Avql-
liäyfiv viog auf Delos, L. Tarquinms Demarati f. in der legende, das ist
eine bezeichnung, die Avirklich l^eleyx^t tohg veoTto/Urag.
Wie radical Kleisthenes gegen den adel eingeschritten ist, wird durcli
diese mafsregel ganz besonders sinnfällig, aber die hellenische Sinnesart
schämt sich also seiner nicht; Anakreons vater hieCs auch Skythinos. in den spätem
Zeiten dringen natürlich fremdnamen ein, obwol die meisten ausländer sich sehr
rasch der attischen ononiatologie anschliefsen. da liest man z. b. 2!r]Qaußos 11 197S,
^Efiufvs, was ich nicht accentuiren kann, II 1844. im jähre 333 heifst der sophronist
der Kekropis "ASbiutos (Bull. Corr. Hell. 13, 255), ein name, den ich vergeblich zu
verstehen versuchte; ein anderer träger des namens ist bürger in der ersten hälfte
des vierten Jahrhunderts II 945, 21. aber II 3440 ist ein "ASeiaros fremder oder
sclave, und 2781 steht "ASiaros ^AfifinoliTrfi, den für einen '^(J^ffros zu halten die
mundart von Amphipolis verhütet, der name wird also makedonisch sein, und zu
ihm der makedonische kurzname ASaTos mit dem femininum 'ASaia gehören; so
hat die königin Eurydike wol eher geheifsen als ASäa, wie bei Photius bibl. 70'' 6
steht. — beiläufig, kurz vor dem Adeistos verbessert Köhler 3436 'Atco AgxiSdfiov
in Aycö: das ist nicht nötig, Atcö ist kurzname zu dem paphlagonischen 'Arcoros,
das ich auch nicht accentuiren kann.
Die Ordnung des Kleisthenes. der gebrauch des lebens. 171
war so durchaus mit den alten adelsvorstelluiigen durchwachsen, dafs
der Vatersname nicht nur, sondern die ganze terminologie des adels von
den neubürgern möghchst rasch und vollständig übernommen worden ist,
die ncubürger ihre oly^ot bald ganz im stile der allen auszubilden suchten,
und seit 403 der Vatersname überwiegend gebräuchhch und vielfach
sogar obligatorisch ward. Jrjf.wöd-eviQQ /Jrif.ioad'evovg üaiavievg ist
eigentlich einem M. M. f. Com. gleich: lauter teilen des römischen namens,
die als nebensächUch abgekürzt werden, dem Demosthenes aber ent-
sprach es vielmehr einem M. Tullius M. f. der demos hatte das ge-
schlecht ersetzt.
Wer die steine des fünften Jahrhunderts kennt, der weifs, dafs die Der ge-
offizielle bezeichnung sich an das kleisthenische gesetz gebunden hat: Tebens/^
sie gibt nur den eigennamen und den demos. in den rechnungen werden
die obmänner der Schatzmeister, die hellenotamien, die Strategen so be-
zeichnet, nicht minder die handwerker und kaufleute. auf den Verlust-
listen fehlt das demotikon, weil das militär nur mit der phyle rechnet^),
dafür wird hier die Charge der höheren officiere beigefügt, dagegen die
privaten nennen den vater gerne, so verfahren die Schreiber, die die
3) Darum finden wir die Verherrlichung der phylcnheroen ausschliefslich in
den militärischen leichenreden; die unter Demosthenes namen erhaltene hat dadurch
hren wert, es ist durchaus ungewöhnlich in andern als militärischen Verhältnissen
die phyle zu nennen. CIA II 2338 nennt sich ein KaX?.i'fiaxos KalhaTQÖrov '<pvXrjS
KsxQoniSos MsXirsvs^, aber das geschieht im verse, den es bequem füllt; ich weifs
kein zweites beispiel. dafs ein kleruche auf Melos sich "Enövrpes ^A&svalos Tlav-
SiovlSos fvXls Kv&sQQioi nennt (IGA 9), macht für den heimischen gebrauch nichts
aus, sondern ist auf die Untertanen berechnet, denen der ausgewanderte thete durch
alle titel imponiren will, niemand redet jemanden als Pandioniden an, aber Xenophon
Hell. 2, 4, 27 erzählt von einem reitergefechte "dabei fiel Kallistratos aus der Leontis",
und die Acharner rufen den Lamachos a> fvlera, weil er sie als taxiarch oder Stra-
tege der Oineis zu commandiren pflegte, sehr seltsam ist, dafs Nikias bei Thuky-
dides (7, 69) in der letzten Seeschlacht bei Syrakus rajp r^iTjQa^xeov f!va sxaarov
avexäXsi, TtaxQod'ev re STtovOfiä^cov xal avrovS ovofiaari xai cpvXiqv, a^icov rö rs
xad' eavrov lo vniJQXE iMftnqÖTrjrös ti ftrj nQoSiSovai rivä, xal ras narQixui
aQsräs cov CTti^avels rjoav oi TiQÖyovoi firj a<pavit,ei,v , TiaXQiSos re rijs elsvd'ega}-
rdrrie vnofiifivriaxcov xal rrjS iv airrj avsTTiräxrov Tiaaiv es rr]v Siairav i^ovaias.
die dreigliederung zeigt, dafs die phyle dem demokratischen vaterlande entsprechen
soll, sie hat aber mit den trierarchen nichts zu tun : Thukydides hat wol die sitte
der regimenter des landheeres auf die flotte übertragen, der scholiast schreibt aus
der Dolonie (69) dazu narqod'ev ex yeveris ovofiätcov avSqa i'xaarov, wo Aristarch
u. a. bemerken, das wäre also in der heroenzeit die volle anrede gewesen '^to/£?'£S
AasQxiäSrj "OSvaaev'. das geschlecht geht dann auf Zeus zurück, richtig ist das
letzte nicht; Scoyevr;s ist Standesbezeichnung.
172 II. 7. Der athenische name.
offiziellen Urkunden redigiren, mit ihrem eigenen namen, im gegensalze
zu den personen, die sie in den prolokollen anführen, in der komoedic,
die wir allerdings erst aus dem peloponnesischen kriege kennen, als
die demenordnung schon länger als zwei menschenaller bestand, stellen
sich die leule mit dem demotikon vor'), aber in der anrede erscheint es
beinahe nie, während Piatons dialoge zeigen, dafs in der vornehmen
gesellschaft die anrede u) 7iul L4y.ovi.ievov gar nicht selten %var.^) nie ht
anders ist es in der litteratur. Thukydides ignorirt den demos in der
namengebung ganz, bei Herodotos sind ein par demotika vorhanden,
einmal sogar ohne Vatersnamen, olTenbar aus ofilcieller attischer ülxi-
lieferung.") wie sehr sonst bei ihm die beriicksichtigung des geschlechles
vorwiegt, weifs jeder leser. noch wir unterscheiden die beiden Thuky-
dides nach ihren vätern, reden von den KaUias und Hipponikos,
kennen Ephialtes des Sophonides, Lamachos des Xenophanes'') söhn, ohne
von ihrem demos zu wissen: aber die beiden Thrasybulos unterscheiden
wir nach Steiria und KoUytos, reden von Kallistratos von Aphidna, Ari-
stophüu von Azenia, Eubulos von Anaphlystüs, und in der späteren ge-
lehrten schriftstellerei wird ein Ammonios von Lamptra und ein Apol-
4) Z. b. Ar. Ach. 406. 102S. Wölk. 134. Fried. 190. Lys. 852. Thesm. 898.
5) Mir ist aus Aristophanes nur Wesp. 232 w HxQvucScoQe Kovd'vlev bekannt,
und das ist sicher ein witz, denn der ganz obscure demos wird, so viel ich weifs,
sonst Kovd'v).rjd'ev bezeichnet, ein witz ist auch in Piatons Symposion a fPaXrjQEvs
ovTos 'AjioXXödcaQos, wenn auch die erklärung noch nicht gefunden ist. im pelo-
ponnesischen kriege haben schon viele demen, Prospalta, Aixone, Titakidai, ihr be-
sonderes renommee.
6) 8, 93 erhalten den preis für tapferkeit in der salaminischen Schlacht Ev-
fievT]S TS [o, wie kann man den artikel dulden?] ^AvayvQÜaios xai läftsivir^s HaXlr]-
vsie. 9, 73 erhält dieselbe auszeichnung bei Plataiai ^^cofdvtjs 6 Evtv/JSsco ic)v
Srjfiov Jey.eXerjd'ev , Jsy.sltcov Se rar xoze eoyaaaut'vcov u. s. w. weil der mann
berühmt war und Herodot mehr von ihm erzählen will, fügt er den Vatersnamen
bei, den demos lieferte die officielle angäbe, und an ihn knüpft er die geschichte
von den Dekeleern, die in Sparta atelie und proedrie besitzen, dafs Sophanes zu
diesen gehörte, sagt Herodot, darin kann er irren: aber dafs in Sparta nicht eine
kleislhenische gemeinde, sondern ein älterer gentilicischer oder quasigentilicischer
verband, die nachkommen des Dekelos, so geehrt worden sind, sollte doch von
selbst einleuchten, sonst wird kein Athener anders als mit dem vater bezeichnet,
auch die beiden brüder Kwt'yetQos und Alax^Xos Evcfooicovos, von denen jener sich
bei Marathon auszeichnet 6, 114.
7) So Tiuik. 6, 8; Sevocpävxov schol. Ar. Thesm. 840. übrigens war er wol
aus Oe, denn da gibt es innerhalb der Oineis einen Lamachos 11 772'^, der sogar
seinen söhn Tydeus genannt hat.
Der gebrauch des lebens. 173
lonios von Acharnai geführt, obwol doch der demos eigenthch allein für
das innerattische gilt.
Man wird von den inschriften unter diesen umständen nicht viel
erwarten, und doch liefern sie zu der aristotelischen nachricht im ganzen
die erwünschte illustration. es ist zwar für mich nicht möglich, die der
Peisistratidenzeit von denen der jähre 507 — 480 zu scheiden, die als
Übergangszeit besonders interessant sein müfsten, allein es bleibt die
hauptsache, dafs so ziemlich die ersten drei menschenalter nach einfüh-
rung des demotikons seine Vereinigung mit dem Vatersnamen der termi-
nologie fremd ist. die menschen nennen sich vielmehr ganz überwiegend,
wie sie es früher getan haben, nach dem vater. ich finde auf privaten
monumenten nur CIA IV p. 205 WalÖQog IlQod^v-Kecpalri&sv und Jio-
y€vt]g aved-riy.ev AloyivXo hvvg KecpaXsog^), und dieser mann ionisirt be-
denklich in seiner schrift, macht zudem einen vers. den grabschriften
insbesondere fehlt die später normale form TtaTqöd-ev y.al rov örjiov gänz-
lich, den frauen wird der demos ihres vaters oder gatten ganz selten bei-
gefügt ( — Ev(.iri)ddov yvvTj ^cprjrTÖ^^sv IV p. 99, — ^laqvEtog d^vyätr^Q
p. 205). auch bei männern ist er ungleich seltener, ich schätze, im Ver-
hältnis 1 : 4, als der Vatersname, und ein MvQTilog TlQaGiBvg IV p. 190
oder gar ein Xvaiddrjg IIa)J.r]v6vg IV p. 102 werden wol neubürger
sein, vornehme leute verhalten sich gegen den demos fast ganz ablehnend,
deswegen z. b. ein Aristokrates der söhn des Skellias, der hipparch Pytho-
doros des Epizelos söhn*), ein mann wie KaUias Hipponikos^) söhn haben
ihn wirklich nicht nötig, aber auch geringe leute nennen sich ^Ovrjaif.iog
(ein sclavenname) ^/nr/.vS-ov, KqLtiov ^-/.vd-ov, (Dilcov ^qsoIov. wenn
ein polemarch in einem gedichte sich Aphidnaeer nennt (IV p. 153), so
8) I 398. es ist kein verfehlter hexameter, sondern es sind zwei regelrechte
jglieder archilochischer gattung. im IV p. 182 ra&i^vaiai Ssxärrjv %oqio^Ad'^ov6d'ev.
iXai^sSs/xo, fPiXea, steht selbstverständlich kein deinoükon. die beiden besitzer oder
Pächter stehn im genetiv unter dem nur von dem Schreiber entstellten pentameter,
9) IV p. 186. vgl. Ar. 29, 1. mir scheint die lesung des facsimiles immer
noch eher auf 'E7tit,i^Xov zu führen als auf l4vafXvariov, wie Blafs jetzt will, die
Urkunde hat, wie jeder wissen soll, weder den vater noch den demos bei dem an-
tragsteller angegeben; Aristoteles auch nicht von sich aus, wie sollte er einen Pytho-
doros identificiren? also kommt es auf seinen berichterstatter an, und bei dem ist
der Vatersname ungleich wahrscheinlicher, übrigens war der mann seiner zeit recht
bekannt, wenn meine combination über ihn zutrifft, die ist nicht einmal für das
reiterdenkmal zwingend, aber doch wol wahrscheinlich: für die Aristotelesstelle hängt
alles von der lesung ab. der name Pythodoros ist sehr gewöhnlich. 411/10 fiel
ein mann des namens als phylarch der Hippothontis CIA I 448, 3, 59. aus dieser
phyle ist JIvqqos nv&oBoJQov lä/spSovaios ende des vierten Jahrhunderts II 948.
174 II. 7. Der athenische name.
mochte gerade in der ersten zeit nach der Vertreibung der tyrannen
oder auch nach der schlacht von Maralhon , wo der polemarch KaUi-
machos von Aphidna commandirt hatte und gefallen war, dieser ortsname
einen besondern klang haben.'") sehen wir dann folgende grabschriften
IV p. 117 ^oioxeag 'icfiOTiccöriQ, Tif-iaQiori] QsocfwvTog ^afucTQicog,
^Qtorojvvf.iog ^Qiaralov 'icpiOTiädov, ^giozof-iaxog ^giarsov 'icpi-
OTLctdr^g, vater, niutter und sühne, aus dem ende des fünften Jahrhun-
derts, II 1 6S5 BtvoyJ.ii]g ^yye'/Sj^ev, IIo/.vxäQrjg Btvov.Xiovg l4yyeXi]d-ev,
^QiaTOxXsrjg S^voxXeovg ^yyelfj-9-ev, an fang des vierten Jahrhunderts.
II 2002 u4lyuEag E?.svGivLog, EvcpQiov ^iyjieov 'EXEvoLviog, ^gylTrirr]
^ri]0Liz7CL0v (d. i. ^rr^oLytriov oder ^rr^OLTtTCidov) IdyaQvscog. II 2330
^^'kxiTCTtog Melireig, JLOcpävr^g ^iX/lmtov M€hTs{vg) und vier nur
mit dem eigennamen bezeichnete tüchter. in diesen vier fällen führt der
vater nur den demos, der söhn folgt der sitte des vierten Jahrhunderts:
entweder also, der vater war neubürger, oder aber die sitte hatte mit dieser
generation gewechselt; so viel ich sehe, würden wir dann bei dem
vater eher das fehlen des demos erwarten.
Grabsteine von fremden mit vater und Vaterland sind im fünften
Metöken Jahrhundert nicht selten, die metüken verschmähen die officielle be-
und fremde. , , , . ,,^ i- • i • i n
Zeichnung nach dem demos so gut wie ganz''), die isotelen nennen sich !
im vierten Jahrhundert mit stolz so auf den steinen ; etwa ein drittel fügt
den vater zu: darin liegt, dafs der vater bereits diesem bevorzugten stände
angehört hat.*-) für dieselbe zeit darf man als eine regel, von der es aus-
nahmen geben wird, aber doch als eine regel, an die wir uns zunächst
halten, aufstellen, dafs die grabsteine, die nur den vater nennen ohne
Vaterland und demos, von metoken herrühren. äufserst merkwürdig I
sind folgende grabsteine des fünften Jahrhunderts IV p. 115 Idgxlag
NißQo ^vÖqLo ; EuffoavTidrig ^lävdgojvog läoTVTta'/.aieiog ; Idd^r^vö- (
doTog ^largox/Jog Oaor^lLro; die leute haben das Vaterland ihrer väter
10) IV p. 153. es ist kaum auszudenken, wie der bei Marathon gefallene
polemarch Kallimachos ein weihgeschenk darbringen sollte, das der Meder erwähnte.
11) Herrn. 22, 251.
12) CI.\ II 2723 — 273-4. die anime einer Hippostrate erhält von dieser ihr grab
und den namen in der ioxm 'A'no}.XoScÖQOv iaoTslov d'vyärTjo MihTxarirdT,; 2729. '
Gerys, der einen sclavennamen führt wie JqÖucov und närai/.os, ist zusammen be-
graben mit Nixcü seiner frau, die er als solche bezeichnet, und 0s6(pilos iaoxiXrjS,
dem söhne, der den eitern den stein setzt, denn beide erhalten einen entsetzlichen
vers. die mutter geht an (was Köhler verkannt hat) y.al iya rovS ovSqos k'fw
y.ai Ttävxa ouoia y^ont aal foovriSi elaeßias t'rsy.a, wo das letzte Stammelnd be-
zeichnet, dafs sie aus frömmigkeit im alter den alten gut gepflegt hat.
Metöken und fremde, sclaven. 175
verloren; aber sie wollen es nicht verläugnen, da sie den ersatz, die
attische clientel, nicht in der officiellen weise bezeichnen können, ohne
zugleich den vater aufzugeben, die steine bezeichnen also das metöken-
verhältnis in der für die redenden ehrenvollsten weise auf das schärfste ;
später wünschten diese, indem sie ganz über ihren stand schwiegen,
fälschlich für bürger gehalten zu werden, ganz neuerdings ist noch ein
verwandtes beispiel bekannt geworden. EvcpQcov l4dia 2ixvi6viog er-
hielt im december 323 das attische bürgerrecht. es war nur eine deco-
ration, denn er war fUhrer der nationalen partei in seiner heiniat und
erlitt bald dafür den tod. seine ehren wurden in Athen cassirt. im
Winter 318 war dann in Athen die demokratie wieder am rüder, resti-
tuirte dem toten seine ehren und beschlofs sich seines verwaisten kindes
anzunehmen, dessen namen man noch nicht einmal kannte: damals heifst er
Ev(pQ(jov läöect tov 2i-Kviovlov {JeXr. ccqx- 92, 58). da er nie von seinem
bürgerrechte gebrauch gemacht hatte, besafs er kein demotikon, aber ein
Sikycnier war er für die Athener rechtlich auch nicht mehr, es erinnert diese
terminologie an lägyeiädag HayeXaiöa ragyelo IGA 42, den ich neben
dem paphlagonischen (II 3260'') sclaven 'J^Twrog, der sich als 'Aoyelog
bezeichnet, weil er es zum bürgerrecht gebracht hatte, für einen sclaven
erklärt habe und noch erkläre, wer die bekundung des Personenstandes
nicht als die gelegenheit zur fabrication archaeologischer märchen be-
trachtet, kann nur so erklären — es sei denn, er meine, Argeiadas hätte
das bürgerrecht seines valers verwirkt gehabt; das ist auch möglich,
allein ^gyetädag ist, darin hat Röhl recht gesehn, von dem stammnamen
der makedonischen könige nicht zu trennen: griechisch ist ein s. g. palro-
nymikon von einem adjectiv überhaupt nicht. '^) man kann von Q^ßi]
Grjßadr^g bilden wie von nvkr] TVvXddrjg, aber nicht Qr]ßaiidrjg oder von
^Hlüog 'Hksiäörjg oder Fehoädr^g u. s. w. der könig Alexandros hat
seinen stammnamen wol oder übel gräcisirt um an Argos und Herakles
anzuknüpfen, so ist Idqyeiädi^g entstanden, das war also für einen sciaven.
freien menschen überhaupt kein name. aber für einen makedonischen
sclaven war es so gut wie für einen lydischen /f^otffog "), einen persi-
13) Habron nsQi yevcöv bei Steph. Byz. "Aqyos führt zwar unter dem 'patro-
nymischen' namen von Argos 'AgysiäSai xal (PoQcovsiSat an, bezieht es also auf
"Aqyos 'PoQcoviois , aber von dem könnte es nur 'AoyidSai, lauten, da er sich auf
die dichter beruft, so hat ein künstelnder poet den makedonischen namen im sinne
der Makedonen verwandt, wenn die lesart überhaupt verläfslich ist.
14) Aufser dem viel für das Erechtheion tätigen maurer KooXaos iv Ilxafiß.
otx. (I 324. IV p. 75), und einem metöken 3883 und sclaven 3882 ist der name noch
176 II. 7. Der athenische name.
sehen JaQElog oiler FcoßQvag, einen aogyplischen !k/iiaoig, einen phry-
gischen Miöag, einen thrakischen TrjQr^Q, eine karische sclavin lägre-
fuola (wie die hordellmutler in den Thesmoj)horiazusen heifst). Das
allerdings bin ich gezwungen zuzugeben, dafs ich die dem lateinischen
Quintipor entsprechende terminologie nicht belegen kann, die altische
Inimanität hat ihnen gestattet auf den grabsleinen als menschen aufzu-
treten , einerlei ob sie noch sclaven oder freigelassen warea. und den
sclavenstand merken wir am deutlichsten durch das freundliche Zeugnis
des herrn, der das grab bezahlt, y^QriGTÖg: es ist für die socialen Ver-
hältnisse wahrlich ein hübscher zug, dafs in Athen 'der brave' für *^den
sclaven' auf dem friedhofe die bezeichnung ist. oft tritt, namenlHch bei
den ammen (ziT&rj und f.iaf.i(.ua) , aber auch bei den paedagogen die
Stellung des sclaven hinzu, die in diesen fallen ein persönliches Ver-
hältnis herbeiführt; die tragoedie mehr als die komoedie und dann die epi-
gramme der Anthologie geben weitere illustrationen. aber das rechtliche
Verhältnis ist dadurch wol gelockert, nicht gelöst, sclaven, die nicht]
brav waren, sind ohne grab und gedächtnis geblieben, natürlich ist das
sclavengrab nicht anders zu beurteilen als das von hunden und pferden.
und der sclavenname ist auch mit nichten mit dem menschennamen ver-
gleichbarer als mit denen von tieren , in denen ihr herr eine gewisse
individualität sieht. Savd^lag Me'Aacj 2l/iiog JqÖ(.icov Tlagäf-iovog ^E-rti-
y.rrjTog^^) niarog QQaviiov (hei PhuXiis, i\ev ruderscVaye) 3Iai.if.iia Ma/ii-
(idgiov Kglog ylafiia Blöoyog sind nicht anders gebildet als die pferde-
namen Bärdog BaXlog Köga^ Qo-rtTtarLag KvXXaqog flahmfüfschen',
eigentlich kein compliment für ein pferd , das Hera schenkt), oder die
hundenamen auf der Francoisvase und bei Xenophon. dazu treten die
bczeichnungen der herkunft (Dqv^ Kilioaa Fhrjg Jaog Kagltov Avörj^'^),
oder ein par gewöhnliche barbarische fremdnamen wie Tlßeiog Bldvrjg
bei Aristophanes Wesp. 1221 für Xqvos herzustellen, was weder überhaupt noch
für einen sclaven ein name ist: nai TiaT, ib Selnvov K^oXae av(TxEvat,e vcov.
15) Das hindert nicht, dafs eine ^Enncri'jra auf Thera in einem hochadlichen
geschlechte erscheint: so wenig die Sulpicii sich des namens Servius geschämt haben,
und doch zeugen beide für das sclavenbUit eines vorfahren, in dem geschlechte, für
das Epikteta ihr testament macht, erscheint "7/f£(>Tos 'lfieQO(p(~)vros, an den ich erinnere,
M'eil der in Boeotien und in Athen (hier bei dem bruder des Phalereers Denietrios)
vorkommende name 'ifieQolos auf Himera gedeutet worden ist. es ist aber ein kurz-
name von ^lueQO-yXi^s etwa, wie Oealos Jiaioe EvcpQalos u. dgl.
16) Dahin geiiört auch Mvs, höchstens im scherze vom Myser an die maus
angeähnelt, und Bl&vs, ganz ebenso den Bithyner bezeichnend.
Sclaven. Spitznamen. 177
^TioTog rfQvg ßayioag"), zu denen die obenangeführten königsnamen
treten, wenn der Athener der Peisistralidenzeit seinen aegyptischen
knecht Amasis ruft, so verwendet der Römer für seine sclaven die namen
der griechischen sage und geschichte; heute heifsen die küter Hektor
und Diana und die gäule Caesar und Vesta.'*) das gemeinsame aller
dieser namen ist, dafs sie Spitznamen sind, nicht von der für die Hellenen- Spitznamen.
namen verbindUchen hildung aus zwei stammen, der mann kann ja auch
den Spitznamen '^\yidder, Kalb, Wolf' führen, und die verbeiteten kurz-
namen werden diesem häufig äufserhch gleich, wie denn jQoiioiv auch
Verkürzung von jQoi-ioiilsiör^g sein kann, eine ganze menge von guten
menschennamen, die auf ort und zeit und art der geburt gehen, Not-
l-nqviog ^Evarliov Eixädiog Tgiriog (in Arkadien, wo diese namen nach
dem kalendertage beliebt sind) 'Eßdof.iiag, ^nazovoiog 'EÖQriog Qvlcov
'^Ofxohöoiv, "EvÖLog, ^ge&ovOLog EvQiTtidrjg 2'KafidvÖQiog KaQvedör^g,
sind so gebildet, und sie führen zu den adjectiven über, die von götter-
namen gebildet sind, '47tolXcüviog z/iovvoiog ^rif.irjTQiog ^lajiiriviag
KrjCpiaiag, aber auch von menschen EvqiQÖviog OiliXXiog MeXav^tog.
das sind die griechischen namen , die den römischen vornamen allein
ähnlich sind'^), während der Spitzname genau dem cognomen entspricht
IT) Maavvrias Ar. Wesp. 433, Maoixäs, IJa^Soxas ^xsßlias k\: Frosch. 608.
endlich "TXas Rilt. 8. es mufs dort ein beliebiger sclavenntme sein, und das ist der
name des schönen knaben, den Heiakles liebte, wol für Rom aber nicht für das
alte Athen, wo aber hat jener Hylas den namen her? nicht aus dem griechischen,
denn die erste silbe ist kurz, und wenn er den Dryoper Theiodamas zum vater
erhielt, so braucht man nur die sage etwas genauer anzusehen, damit man diese
Verknüpfung löse. Hylas ist ein Mariandyner, den erst die Herakleoten annectiit
und in die heimat versetzt haben: nur die Mariandyner klagen um ihn. so findet
sich denn auch der sclavenname 'TXXas CIA 11 4202. ich möchte aber ebenso deuten
den bisher rätselhaften "OXas avdo I 274. mariandynisch dürfte der name Fola ge-
lautet haben.
18) Rohe menschen haben auch in unseren tagen ihre hunde Napoleon und
Bismarck gerufen, um in ihrer weise ihren ohnmächtigen hafs auszulassen.
19) Tiberius ist ganz wie ^xa/uävS^ios gebildet, Marcus Mamercus nur mit
anderem sufflxe als die griechischen, Lucius ist "EvStos; Manius^Hoiyovr], den act
der geburt wie mit Jgrippa Kaeso haben die Griechen nicht bezeichnet, ob die
von zahlen genommenen namen, von denen nur ein paar als vornamen in gebrauch
geblieben sind, aber die meisten durch abgeleitete stammnamen, Sepliynius Octavius
iSonius bezeugt sind, auf die tage der zehntägigen woche gehen, wie die grie-
chischen , wage ich nicht zu entscheiden. Titus ist von der griechischen decenz
verbannt: aber die Boeoter lassen sich JJä&cov üa&lros nennen, sonst führt nur
ein kuppler den sclavennamen BaXXimv von den ßaXXia, die durch Herodes bekannt
geworden sind, es ist ein kosewort im ammenjargon wie nöad'wv, Publius und
V. Wilamowitz, Aristoteles. II. 12
178 !!• 7. Der athenische name.
und M. M. f. Corn. Cicero einem 'Hy^oircTtog 'Hyr^aiov ^ovvievg 6 xal
KQCoßvlog gleichgesetzt werden muls. aber unter den männern sind
solche namen immerhin ausnahmen^"); die frauen dagegen sind sehr viel
mehr wie sclaven behandelt, und TÜM^yoiv (puppe), Ma^inäqiov ,
Oü.ovuev)], 'Hoch] Koqivvcc D.i/.i] FoQytö MvQQivt] "Hqlvvu (was
attisch 'EaQivi] wäre) heifsen auch matronen ; nur in der höheren attischen
gesellschafl und demgemäfs im fünlien Jahrhundert in der ganzen gut-
bürgerlichen si)haere ist man daiauf aus männeru und frauen volle namen
zu geben, doch sind die kosenamen natürlich bei den frauen verbrei-
teter und nicht immer von den eigentlichen Spitznamen zu trennen.^')
Trebins kehren als iPvlevi <PvXXii, Aäios, (Pv?M8as yJäSas wieder, in Athen heifst
ein geschlecht (pvU.iSai, mit dessen abieilung sich Töpffer 309 unnötige mühe macht:
die Verdoppelung des A ist ganz in der Ordnung, aber was die bedeutung dieser
namen 'zugehöriger des volkes, Stammes' sein soll, ist mir unklar.
20) Der Spitzname erhält erst im dritten Jahrhundert nach Christo seine feste
bildung, weil die spräche mit den allen formen nicht mehr zufrieden ist und nach
bedeutsamen wahlnamen sucht, die namen von barbaren, Aegyptern z. b. und Juden,
arbeiten dieser sitte vor, auch die seltsame adoption des vaternamens im nominativ
C^Qsios JiSvuos,'JIo(oSr]s'!^TTi.xos) gehört dahin, die bildungen aber auf -tos (dessen
Schreibung einerlei ist, auch in Baai?.eios ist es ein unbetontes i, und die ausspräche
Basilios ist ganz unberechtigt) sind den alten Jiovvatos Jr^/ir-roios ganz analog,
der Diogenes, der sich nach Jioyevis ytasondSTj den Laertier nannte, oder wer
nach Piaton oder Nestor oder Caesar oder dem purpur seiner heimat oder nach
irgend welchen vorhandenen oder gewünschten eigenschaften den zunamen erhielt,
Evaeßeios F^r^yö^ios EvTey.vios, Pulcheria Prudentius Cojistantius , sie alle sind
wieder bedeutungsvoll und individuell: es ist ein zeichen davon, dafs die alte cultur
und spräche tot ist, wenn man eine neue onomatologie braucht, aber dafs man sie
sich schallen konnte, ist ein unverächtliches zeugnis für die leistungsfähigkeit jener
zeit, natürlich tritt der beiname, so lange er nur das ist, an das ende der namen-
reihe, nur die modernen wollen das nicht gelten lassen.
21) Ganz den weiblichen menschenuamen stehen die der schiffe gleich; das
sind die einzigen unbelebten wesen, werke von menschenhand, die der Hellene in-
dividualisirt; er tut es, weil er sie wirklich als beseelt empfindet, wie am besten
die reizende erfindung des Aristophanes oder vielmehr Eupolis Ritt. 1300 zeigt,
der Widersinn, ein stück geschmiedetes metall zu benamsen, den die erfinder
des Schwertes Durandarte u. dgl. begangen haben, offenbar im gefühle ihrer
barbarischen Unfähigkeit, so etwas zu machen, liegt den Hellenen selbst in der
ritterzeit fern, von wilden bestien der sage führen ein par drachen einen namen,
Ladon, der die Hesperidenäpfel bewacht, aber eigentlich der arkadische flufs ist,
Porkis und Chariboia, die die söhne des Laokoon töten {ovöfiara ofscav paraphrase
zu Lykophron 347), Sthennis, der drache von Aulis (Porphyr, zu B 308). sonst
empfindet der Hellene das individuelle im tiere spärlich, weil er das typische in
ihm erfafst, hat er die fabel erfunden und den fuchs KeqSu), den äffen Ka).Uas
benannt, nicht einen Reinhard und Isegrimm. auch die vögel pflegen keinen indi-
Das recht am namen. 179
Allein der reizvolle und viel zu wenig behandelte gegenständ lockt Das recht
mich vom wege ab. die onomatologie selbst darf ich hier nicht ver- '^'^^"•
lolgen; nur das ist rechthch von bedeutung, dafs der sclave von des
lierrn gnade und duich des herrn willkür den namen hat, auf den recht-
lich nichts ankommt; ein in sclaverei geratener Hellene kann ihn ebenso
gut fuhren wie verheren, je nach dem belieben des herrn.^^) die frau
steht rechtlich ebenfalls unter dem xvQiog, und ihr bürgerrecht beruht
ausschliefslich auf dem des maunes, in dessen band sie ist. in Athen
ist jedoch der geneliv ohne zusatz von yvvrj bereits dem Vatersnamen
v(»rbehalten.''^^) die hetaeren führen wahlnamen, auch wenn sie freie sind,
und keineswegs blofs als tüuli: es scheint nicht, dafs der frauenname
im schütze des gesetzes steht, während der mann um seinen namen klagen
kann, wie der rechtshandel des MavTi^eog Mavriov QoqUioq wider
MavxLd-eog MavTiov GoQr/.iog beweist, in dem der erste vergeblich
dem zweiten die führung des namens bestreitet.*^^) aber der eigenname
vidualnamen zu erhalten, sondern Lesbia sagte passer und Corinna- psittacus. die
italienischen hunde pflegen noch heute auf cane zu hören, bei uns ist jeder schwan
ein Hans und jeder kleine vogel ein Matz: darin liegt jetzt keinerlei individuali-
sirung mehr, von Ortsnamen sind ganz individuell die der flüsse: das sind aber
meist auch götter und ahnherren, minder schon die der berge, noch weniger die der
Städte, die sehr vielfach derivata sind, sie bedürfen einer neuen Untersuchung, dafs
es keine strafsennamen uralter zeit gab, habe ich Herakl. II 199 ausgeführt.
22) Meaaevios dveQ steht unter dem confiscirte besitze des Hermokopiden
Axioclios CIA I 274. ebenda KvSifiaxov SöXov ^ASeifiavTov; jener halte zu hause
gewifs einen namen gehabt, der nun nicht mehr galt. Kydimachos war ein vor-
nehmer menschenname, deshalb fügt der protokollirende Schreiber SoiXov hinzu,
ein grund das wort anders zu deuten liegt nicht vor.
23) Das folgt mit Sicherheit aus II 1708, 2056, 2166, 2216, 2547, 2648, ich
behaupte natürlich nicht, dafs keine ausnahmen vorkämen, da das recht notwendig
ehedem weiter gieng. aber ich kenne keine.
24) Die vergleichung der demosthenischen rede 39 mit der eines unbekannten
40 ist sehr lehrreich. Demoslhenes führt eine schlechte sache und verliert sie, aber
die rede ist sehr geschickt, der andere Sachwalter hat eine, wie es scheint, gute
Sache; den erfolg vermag ich nicht zu erkennen, die sache war wol die. der Po-
litiker Manilas von Thorikos hatte eine ehefrau Plangon, die er liebte, von der er
kinder hatte, die er aber doch verstiefs, als ihr vermögen verloren gieng. nun
nahm er sich eine reiche wittwe und zeugte mit der einen andern söhn, aber als
diese starb, kehrte er zu der ersten liebe zurück, wollte nur von den kindern der
Plangon nichts wissen, doch diese war geschickt genug, den alten in den letzten
tagen zur gerechtigkeit zu bestimmen, und der nunmehr geprellte angeblich einzig
echtbürtige söhn dang sich vergebens den besten redner für seine häfsliche sache
und ist mit einem schlechtem redner für eine anscheinend begründete geldforderung
kaum besser gefahren.
12*
180 II. 7. Der athenische name.
ist allerdings nur ein Privatbesitz, der den Staat als solchen nicht kümnieri.
wollte aber jemand sich das demotikon beilegen, ohne den nachweis der
berechtigung führen zu können, so durfte jeder Athener klagen, denn
darin lag die anmafsung des bürgerrechts, die der Staat so bestrafte, dals
er den schuldigen als sich verfallen betrachtete und als sclaven verkaufte.
Der name Das führt ZU der unabweisbaren frage, wie denn der volle athe-
im SG-
sciiieciitcr- nische name vor Kleisthenes gelautet habe. Ttargod-ev allein reicht un-
Stil 8.16
möglich aus, weil dann gerade das dislinclivum des bürgerrechtes fehlt: der
vater bezeichnet nur den freien mann, wir haben bisher alle teile des
römischen namens angetroffen, nur den wichtigsten nicht, den gentil-
namen, dem zu hebe die Römer den eigennamen völhg haben verkommen
lassen, wie die Athener ihrerseits den gentilnamen. was entspricht dem
M. Tnllms M. f.?^^) der demokratie geht der adelsstaat vorher, dessen
Ordnung Rom bewahrt hat; die phyle, das kunstproduct, erwarten wir
auch in ihm nicht, aber wol wie in Rom das geschlecht. TcatQÖd^ev Ix
y£%'Erig erwarten wir die bezeichnung, wie es in der Dolonie heifst. aber
wir finden nicht was wir suchen; wenigstens die Inschriften versagen-
zunächst.
Gesciiieciiis- Es mufs erst über eines klarheit werden, die s. g. patronymika auf
-LÖriQ -adr]g. gewifs, Tvdeidrjg ^TQei'drjg Ilr^?.s'idrjg ylaegriädr^g be-
zeichnen im epos hundertmal den söhn des Tydeus u. s. w. gewifs haben i
das die dichter mit dem homerischen stile tausendfach nachgebildet,
und doch zeigt der gebrauch schon des epos, dafs das palronymikon
eigentlich nicht mehr gilt, sondern ein gentilicium wird, die Odyssee
feiert noch den ^a£QTiädr]g, die Telemachie kennt keinen ^Oövao€tö)]g
mehr, wir sind an den Fehden gewöhnt: IIvQQog y^xLlletdr^g gieng
schön genug in den vers; aber das ist nicht formelhaft geworden, gött-
liche väter gibt es im epos genug, aber das wird niemals mit dieser ab-
leitung bezeichnet, weil der gott kein geschlecht gründet.-®) JjQiaf.iLdrig
25) Die gleichung des genülnamens mit dem demotikon ist unzulässig, erstens
weil dieses eine junge demokratische neuerung ist, dann aber auch, weil der gentii-
name unmöglich eine örtliche bedeutung haben kann, die 20 ältesten tribus haben
nicht den geschlechtern , die in ihnen safsen, ihren namen gegeben, sondern um-'
gekehrt von jenen empfangen, die tribus Fabia verhält sich zu der gens Fabia wie
der demos BoviaSai zu dem geschlechte BovräSai. und Quintius kommt von
Ouinlus, lulius von lullus, Claudius von Claudus, Valerius von Valerus, ganz wie
die boeolischen patronymika Avxioi von Aixos, (pikhoi von <PiXXis, MoXcovios
von Mölcov.
26) ovoaricovss schliefst zumeist alle götter des himmels ein, weil sie da zu
hause sind, ganz wie sie später oijjaviSat heifsen. nur ^89S wird das geschlecht
Geschlechtsnamen. 181
Telaf-ccüviog II)]k€uov.^^) Tska^aoviog ist das einfache adjectiv; in ihm
spricht sich am deuthchsten das rechtsverhältnis aus, dafs der söhn des
Vaters ist wie das rofs und die waffe. Nrjlr^Log viög {B 20), N. Xtctcoi
^1 537. diese bildung ist von den Thessalern, Boeotern und Aeolern lange
beibehalten, bis sie dem gemeingriechischen genetive wich, zuerst für die
niänner, dann für die frauen, wie man auf den assischen steinen gut
verfolgen kann, sie entspricht ganz genau dem italischen gentilnamen,
aber zu einem gentilicium ist sie nicht geworden, die lesbischen ge-
schlechter heifsen Tlsyd^Uidai, ^QXsavazTiöai.^^) die bildung auf -wv
-itov ist im leben ausgestorben, für eigennamen aber sehr viel gebraucht,
ebenso wie die zugehörige weibliche auf ovr^.^^) die eigennamen ^d^iq-
rcxdr]g (Doißidag 'HQayJ.eldr.g geben nicht anders die Zugehörigkeit zu
dem bestimmten gotte an als '^Eorialog ^d-i\vaiog noo€LÖcüviog.^°) TEv-
der oioaviojvss den söhnen des Zeus, des narr;o d'eüv, entgegengesetzt. Zeus
selbst heifst KqovIcov KqovIStjS, was eben deshalb ein rätsei ist, weil sonst auch
kein gott nach seinem vater heifst. Pindar nennt die götter öfter K^oviSai, als
wäre das ihr gentilname, auch ßaailr^es und Koövov nalSas ßaaiXr,as (P. 3, 94),
wo die ßaailr^es ganz in dem sinne gefafst sind, der oben s. 136 anm. 20 erläutert ist.
^laTtsrtoviSr^s 'TtieoiovCStjs (insoicov ist nichts als der 'oben' wie oxqavLoiv der 'im
himmer) Nri^r^ivr] JTjeoivT] bei späteren besagen nicht viel, aber sehr merkwürdig
ist yiTjrdiSris von Apollon und Asklepios (Hesiod fgm. 109), alt, wenn auch nicht
homerisch, da Leto nichts als die mutter ihrer kinder ist, aber nicht die gattin des
himmelsgottes, so ist sie eben so rätselhaft wie der zu Kqoviwv stehende KqÖvos.
vTj^rjiSes ist gebildet wie vamSes BqvolSss, und hier ist deutlich, dafs es vs^aiSes,
vr]$TjiSss vifitpai 'wassermädchen' sind, gehörig zu dem aXios yeqtov^ für den
vriqzvz ein auch nur die herkunft bezeichnender name ist, noch weniger bezeichnend
als nÖQyos (PÖQy.vs 'der fisch', zu dem als frau die 'auster' Trj&vs gehört.
27) Jcooiijs EixaSr^s (Pihf^i weisen zwar auf einen eponymen des xoivöv
zurück, aber sie sind in Wahrheit nicht von ihm gebildet oder doch nicht wirklich
gentilicisch. ar^SoviSr^s AiyixoQr/S ßaai^s sind ebensolche gattungsnamen , aber
keine geschlechtsnamen.
28) Dafs dies die richtige form ist, folgt aus dem femininum '^^x^ävaaaa,
metrisch gesichert Diog. Laert. 3, 31. es ist freilich so sonderbar gebildet wie
liva^a^xos, aber beide sollen den regierenden fürsten bezeichnen.
29) ^/jcpicov ^A^irfvöva (diese auf Kreta), Jrjcov Jr^icvr, . MoUcov Mohovrj,
'ÜTtiovr]' 'HaiovT] die mutter des Tevy.oos und die frau des Prometheus sind beide
'die Asiatin', zu der dem vocalismus nach die 'Haiovr,ss gehören; der !l^fftoä 'Tora-
xiSfje und der lAaiov Xsificov der Ilias haben den alten vocalismus bewahrt.
30) So weit wir sehen, bedeutet ein solcher name nur, dafs der vater das kind
unter den schütz einer gottheit stellt (Plut. de de f. orac. 21); vielleicht war es
ehedem ein ausdruck der hörigkeit. übrigens kommen auch die anderen ableitungen
vor, wenn jene unbequem war, zluUcov heifst nach dem Apollon J/;/.ios, Uroicov
nach dem Uroloi.
182 !!• "• Der athenische name.
Xädrjg Qrißctör^g geht höchstens die herkunft an, KaQveädrjg ist der an
dem feste des KaQveiog geborne. sehr seltsam hat Ibykos 'Eliva Mere-
laig gesagt für 'EXevr] Msvskaov , als ob es ganz possessivisch \vän>,
und vollends ^X^aia BW.saygig, so singulär, aber allerdings so ver-
ständlich wie Cornelia Gracchomm. aber weiterhin ist die ableitung ganz
und gar gentihcisch. ^EgexO^Elöai Ke/.QOTriöai sind die Athener, niclil
die kinder des Erechtheus, ö/jaft? ist ^/y£/(5jjg als Aegide,^wie wir gi-
sehen haben. 'HQa/,Xeldai heifsen die Herakleskinder nie, immer seine
ganze descendenz. Helena kommt nach Troia övoöf-tiXog ovf.ieva ÜQia-
/.ilöaioi: doch wahrlich nicht blofs für ihre schwäger, sondern für das
geschlecht im ganzen (A. Agam. 447). ^ayiXr]7iic(öai "^Of-ir^gldai sind viel-
leicht schon eher gilden als geschlechter, aber sie fingiren den geschlechts-
verband. IIsiaiOTQariöaL sind das tyrannenhaus, 'EQ/LiOKOTildat die arge
Sippschaft der Hermenfrevler, wenn ein mann KaXXiadr]g oder Sav-
d-L7C7tLÖ)]g heifst, so liegt darin, dafs er zu einem geschlechte gehört, in
dem der name KaXXiag oder BävS'LTTTtog gewöhnlich ist, daher wechselt
der einfache name mit dem geschlechtsnamen. und weil der name genti-
hcisch ist, ist er vornehmer; wol im anschlufs an eine alte vorläge
läfst Lucian den parvenu sich 2i/iaüvidi]g für ^lf.uov nennen (gall. 14).
damit hätten wir also eine bezeichnung für den gesuchten gentilicischen
begriff.
Sehen wir nun das epos an. nQiaiiiid)]v vo&ov vi6v A 490 ist
noch dasselbe wie v\ov IlQiafioio vo&ov E 70, y.ovqi]v nQicc!.toLO vödr^v
N 173. aber EvQvoS^svg ^d^eveXoio Ttaig IleQOi^iädao T 123, ^ficpi-
vof.iog Nloov vlog ^QrjTiadao^^) Fäva-arog J7 395, üolv^eivog viog
AyaoS^eveog Avyr^iäöao ßdvaxrog B 624, ^xediog y.al ^E/CLOTQoq)og
vUeg ^IffiTov f.ieya&v[.iov JS'avßoXidao 518. da mag noch immer der
vater allein patronymisch nach dem grofsvater benannt sein, aber wenn
wir ^514 LävxiXoxog NrjXi]iog lesen, so ist der gentilicische begritT
um so weniger zu verkennen, als der heros gerade aus dem geschlechte
ist, das für die meisten ionischen städte das könighche war. vollends
Aiaxlörjg als name des Achilleus in der Patroklie mit anhängen ist gar
I
31) Ob dies von!^()^TOs kommt, ist sehr fraglich, schon weil die erste sylbe
kurz ist. denn im hesiodischen Schilde heifst Kyknos der söhn des Ares ^A^r^TiäSris,
57, und die pontische Aresinsel heifst immer 'A^r^näg, wenn auch die grammaüker
die flexion !^()j;s "AQrjros nur aus der ableitung kennen, in Ordnung ist es damit
nicht, da ein patronymikon von einem gotte, wie oben bemerkt, nicht gebräuch-
lich ist, ''AQrjs''AQr]ros ist ein hypokoristikon wie 3Iayr;s TäXrjs Mvvtje. erst in dem
zugehörigen vollnamen könnte der gott stecken.
Geschlechtsnamen. 183
nicht anders verständlich. Hesiod Ivatal. 37 ^f.iaQvyy-£tdr^g 'irtTtöörQa-
Tog oCog ^gr^og Wvy.riog ayXaog vtog: da ist die gentilicische termi-
nologie vorhanden, und wie die an die patronymika gewohnte grammatik
irre geht, lehrt die apollodorische bibliothek, die es mit 'ijtTtooTQdrov
Tov Idf.iaQvy-ASwg wiedergibt, es konnte gar nicht fehlen, das sich in
der tradition der sage gentiücische bildungen fanden, die in der genealogie
gar nicht oder nur mit gewalt untergebracht werden konnten, so ist es
mit ^ky.eidrjg für Herakles den söhn der Alkmene gegangen , so mit
W.eiod^svLdaL als name für das geschlecht der konige, die von den Dorern
aus irgend einem hauptorte vertrieben wurden und mit den heerkonigen
der Ilias identificirt wurden, deren ahnenreihe doch keinen Pleisthenes
cnthielt^^), der dann kümmerlich irgendwie eiugeflickt ward, das ergibt
den namen ^Ogiorr^g ^yaf.u/.ivovog IUeiod^Evidr^g; dem entsprechend
konnte man aus den pindarischen gedichten die Aegineten Ti[.iäoaQxog
TL{.ioy.Qirov Geavögidag (Nem. 4) Adf.i7tcov KlEovLy.ov WaXvyJdag (N. 5)
Jeivlag Bleya XaQiadag (N. 7) u. a. gewinnen, ja sogar einen Athener
TLf-t6dri(.iog Tl(.i6vov Tiuoör^(.iidr^g (N. 2), der neben dem geschlechte
auch seinen demos Acharnai und seinen Wohnsitz Salamis verherrlichen
läfst, mit dem adel des. kleruchen war es schwerlich weit her; der
Alkmeonide Megakles (Pyth. 7) läfst nur sein geschlecht und seinen Staat
verherrhchen. von dem dichter Simonides aus Keos kennen wir sogar
zuverlässig den vollen namen ^Li.uovLdr^g AuoTcqiicEvg 'Y?.ixiö)]g^^) und
so hegt es nahe, sich vorzustellen, dafs die ältere attische nomenclatur
der spätem ganz ähnlich gewesen wäre, nur mit dem geschlechtsnamen
statt des demotikons hinter dem Vatersnamen, Avy.ovQyog ^QLGxoXfj-
öov BovT(xöi]g würde dann sogar 507 den namen gar nicht gewechselt
haben, da das geschlecht in der gemeinde Wieb, der es den namen gab.
es existiren zwei attische steine, die in der tat eine solche bezeichnung
zeigen. IV p. 81 ein bruchslück zweier zeilen -/.«i /(»am-- y.ollvxLd--,
das nur lehrt, dafs neben den KoX?.VTrjg auch KoXXvTLÖai gestanden
32) nXsiad'sviSai ganz gentilicisch braucht Aischylos Ag. 1569, iD.eiad'ivov
yevos entspricht dem 1602. dafs er nebenher auch die Pelopiden nennt (1600), ist
eine inconsequenz. Stesichoros (42) sagt von Kiytaimestra t« ös Soaxcov eSöxTjasv
fioXelv xd^a (ieß^orco/isvos äxoov ' ix 8 aoa tov ßaaif.evS nleiaü'sviSas ecpavri, was
bedeutet (wenn man die fundstelle bei Plutaich de seva num. vind. 10 nachliest, ist
es unzweifelhaft) 'sie sah ein traumgesicht, dafs ein blutiger drache käme, und in
dessen erfiillung erschien der könig aus dem Pleisthenidenhause', d. h. der legi-
time erbe.
33) Vgl. 0. Schneider zu Kallimachos fgm. 77, dessen urteil freilich schief ist.
184 n. 7. Der athenische name.
haben, und IV p. 102 yleoßtog eftoieaev üvQeTLäöeg, aus einem ge-
schlechte, dessen ahn IIvQr^g geheifsen hatte.^^) Vorgekommen ist
also eine solche bezeichnung; aber ob Leobios ein Athener war, ist
fraglich, sitte war dort die nennung des geschlechtes jedenfalls nicht,
und da viele geschlechter gar keine gentilicisch geformten namen
hatten, KriQv/.eg Bovtvyat z/ex€?.elg, formen, wie Kr]Qv/,lör]g in Tliasos,
nicht bestanden , so genügte diese bildung nicht, die Schriftsteller
führen auch auf eine andere bezeichnung. KalXirjg twv ^Iaf.iid€wv
'liXelog (Her. 5, 44), Teioai-ievog ^vriöxov yiveog zcov ^laf-iiöecov
KlvTLädi]g (Her. 9, 33, vgl. Isyll 180), t(Jöv ^zoTtadiiov JLay.TOQidi]g
KQavvoJviog (Her. 6, 127), ^Qyjvog 6 ^/HTtqay.uüTrjg tcov Kvipe?uö(Jüv
(Ar. 17, 4), neiaiOTQaTov viel tov «x dh/.aiöcüv 'l/CTraQXV (PI- Hipparch.
228'') OaLOTLÖog i]v f.n]TQ6g -Aal Niy.ofiäxov ysverrjQog töjv ^oy.lrj-
7iLaö(Jüv ölog ^QiOToriXrjg (vit. Ar. 420 R.). das ist eine bezeichnung,
die zwar nicht in Rom , aber wol in dem mittelalterlichen Italien ihre
analogie hat, Lorenzo di Cosmo dei Medici, und die pindarischen namen
können wir uns ebenso gut in diese weise umsetzen.
Ueberhaupt ist die gentilicische bezeichnung eigentlich nur eine ver-
kürzte angäbe des Stammbaumes, der vater ist nur das minimum von dem
was für den freien mann gefordert wird, wie die römische nomenclatur
in den Fasten und der Kaisertitular, wo sie nur kann, noch mehr ahnen
nennt, so fordert Athen von seinen archonten den nachweis des grofs-
vaters und selbst der grofsmulter, vier ahnen, wie noch heute manche
adlichen Stifter, auch die Inschriften nennen zuweilen den grofsvater ^^),
und Herodotos gibt z. b. 7, 204 die ganze ahnenreihe von Leonidas bis
Herakles, 5, 59 die von Laios bis Kadmos, und dieselbe fand Sophokles
und sein volk dem stile einer feierlichen proclamation ganz ange-
messen (0. T. 267) : seine kritiker freilich dulden das nicht, die euri-
pideischen prologe sind wegen der Stammbäume uns langweilig, die
Athener lachen allenfalls darüber, dafs sich die redenden so ausführlich
34) IlvQrje Uv^tjtos, das die herausgeber meistens falsch nvQr,s accentuiren,
kennen wir als namen für den söhn , des Achilleus, den man später JJvqqos nennt,
in einer Variante T 327, die starke beachtung verdient, und aus der Unterschrift
eines Werkes von Kresilas, Kaibel epigr. 751.
35) Z. b. IGA 483 nennen sich fünf leute "i^Qlcovos nalSss rö ^Aqxqyo, was man
fortfährt für einen titel zu erklären: man hütet sich aber wol, zu sagen, was er
bedeute. 503 otr^.]« ^ nl ^id'eveiai xa. Nifciaicoi xm ravy.ioi. wie der grofsvaler
hiefs ist nicht festzustellen; weshalb er in Kebrene nicht einen barbarennamen ge-
habt haben könne, verstehe ich nicht. ^Aqiaxa 'E^i.ioHXeiSaia tJ, 2JavvaiäSa Anth.
Pal. 6, 269.
Geschlechtsnamen. 185
selbst vorstellen, wie sich Dikaiopolis über die ahnen des Amphitheos
ärgert, aber dieser dingt sich doch den berufenen friedensstifter, und die
prologe haben sich auch behauptet, der Athener hat eben die gesin-
nung des adelsslaates, die uns kaum noch verständlich ist, nie verloren,
und wenn seine demokratie jenen Staat zertrümmert hat, so hat sie ge-
rade in der Ordnung des namenwesens eine eigentlich gentilicische form
mit viel gröfserer consequenz durchgeführt, als es die zeit je erreicht
hatte, in welcher die geschlechter herrschten.
DER AEEOPAG VOR EPHIALTES.
Aristoteles schildert uns den Areopag vor Solon und unter Solon
mehrfach als die eigentlich mafsgebende behorde, aber in ziemHch all- i
gemeinen Wendungen, so dafs wir zunächst nicht viel weiter zu kommen ,
scheinen, die vormacht des Areopages, die er für die jähre 480 — 462!
angibt, ist eine effective, nicht durch eine Verfassungsänderung ihm neuj
verhehene. Ephialtes nimmt ihm diese macht durch bestimmte gesetze,
irtC&Era deren stelen die dreifsig umreifsen (35,2): damals sind also ganz be-j
Tt^roia. stimmte competenzen dem Areopage entzogen. Aristoteles bezeichnet siej
als eTtid-exa in Übereinstimmung mit der officiellen terminologie*), im
gegensatze zu den näxqia^ die dem rate blieben, d. h. dem blutgerichte.
daraus ergibt sich zunächst ein vollkommener Widerspruch, entweder
Ephialtes hat dem Areopage nur eTti&ETa genommen, dann gehörte was
er ihm nahm nicht zu seinen ursprünglichen rechten, er nahm ihm
die eigentlich politische macht: also kann diese nicht ursprünghch ge-
wesen sein, also kann der Areopag nicht cpvXa^ vml iTtiö'/.OTZog Tr]g
uolt-Tslag gewesen sein, wie doch cap. 3 u. s. w. steht, oder aber diese
nachricht ist richtig, dann hat Ephialtes dem Areopag naxqia und nicht
eTti&era genommen, von diesem Widerspruche können wir den Aristo-
teles nicht befreien, aber wol können wir ihn als einen für die officielle
1) Harpokration erklärt das wort so: bitöaa fii} näxqia. ovxa t] e^ ^AqeIov
Tiäyov ßovXf] sSiy.at,ev, a,s aacpes tiouI ylvaias iv reo n^os t^v Msi^i§i]fiov
yoatprjv. in diesem rechlsfalle handelle es sich, wie mit recht aus Aristoteles rhet.
2, 23 geschlossen wird, darum, dafs Meixidemos (oder Meixidemides) die competenz
des Areopages bestritt, daher spricht der erklärer nur von dem richten des Areo-
pages. auszüge aus derselben glosse sind Bekk. An. 252, wo närgia durch ovx Sk
täiv vöfiatv TtQoaxsd'iv'ia rf] ßovXfj f'l aqxv^ ersetzt ist, und Hesych inid'era. dies
wort bezeichnet natürlich denselben gegensatz, auch wenn es sich um eine andere
behörde handelt, z. b. den archon Ar. 3, 3.
snid'sra und närqia. 187
geschichte Athens schlechthin unvermeidUchen erkennen, die partei des
Ephialtes hat gesiegt, und sie hat selbstverständhch sich nicht selbst als
revolutionär betrachtet, mufste also was sie dem Areopag nahm als von
rechtswegen diesem gar nicht zustehend bezeichnen, so dafs sie nur
einen übergriff beseitigt hätte, aber die consequenz haben sie zunächst
glücklicherweise nicht gehabt, nun auch die ganze geschichtliche tradition
so umzugestalten, dafs der Areopag nur noch als blutgerichtshof in ihr
erschiene, so stellt es zwar 458 der dichter in den Eumeniden dar,
der die Stiftung selbst berichtet und nur von dem blutgerichtshof handelt,
und später mufs diese tendenz noch mächtiger geworden sein, sonst
hätte die von Plutarch bebandelte Streitfrage nicht entstehen können, ob
der Areopag wirklich vorsolonisch wäre.^) aber die Atthis, der Aristoteles
folgt, ist zum glück noch unbefangen genug, die ächte tradition über
die alte zeit festzuhalten, trotzdem sie die officielle version über Ephialtes
auch gibt, den gedanken fafst aber verwirft man bald, dafs etwa der
berichl über das eigenthche gesetz des Ephialtes (25, 2) mit seiner
Umgebung aus oligarchischer tendenziöser überheferung stammte, die
oligarchen hatten ja nicht die entfernteste veranlassung, den Ephialtes
so zu rechtfertigen, wie es die bezeichnung Ircid-ETCt tut; ihre absieht
gieng mindestens dem namen nach darauf, die alte Verfassung herzustellen
und die demokratischen neuerungen zu beseitigen, folglich ist diese
terminologie ihrem Inhalte nach demokratisch und palst für die Atthis,
nicht für Theramenes.
Die Verfassungsänderungen von 462 haben einen so starken erfolg
gehabt, dafs niemals, selbst nicht von den Dreifsig, die diese gesetze selbst
beseitigten, ein ernsthafter versuch praktisch gemacht ist, den alten Areopag
wieder herzustellen, wenigstens nicht vor Demetrios von Phaleron. so
ist es denn sehr schwierig zu erkennen , was denn eigentlich in den
gesetzen des Ephialtes gestanden hat, und die directe überheferung ver-
sagt vollkommen, seit Ephialtes ist der Areopag fast nur noch ein blut-
gerichtshof; vorher hatte er eine in der ganzen politik ausschlaggebende
Stellung, aber diese beruhte nicht auf bestimmten gesetzlich fixirten
rechten , konnte ihm also auch nicht durch gesetze direct genommen
werden, genommen müssen ihm die rechte sein, die er von alters her
geübt hatte; aber eben über sie hört man zumeist nur etwas so vages
wie ax^Sov andvrcov -/.vgiog, oder (pv'/M^ y.al aTtioxoTiog tijg noXireiag.
2) Aufgeworfen war diese schon vor Aristoteles in der ersten hälfte des vierten
Jahrhunderts, vgl. oben 1 53 anm. 21.
188 II. 8. Der Areopag vor Ephialtes.
das kann Ephialtes unmöglich so geändert haben, dafs er lediglich
negativ beantragte, ztjv ßov?.rjv /icrj elvuL (pvlay.a, wol aber kann und
wird er als bleibende dienstinstruction beantragt haben, neq! de tcöv
cporixcov dr/,ccLsLv xi]v ßovktjv rrjv ev ^geio) Ttäydj -/.axa ra TtäxQia.
das ist auch unvergessen geblieben, im übrigen konnte die neuerung
nur darin bestehen, dafs eine anzahl von Obliegenheiten, die bisher der
Areopag gehabt hatte, anderen organen des slaates zugewiesen ward, sie
fanden also ihren platz je in den einzelnen dienstinstructionen dieser
Organe, und so ist nach der art unserer überheferung nicht wunderbar,
dafs bald das gedächtnis an den concreten inhalt der gesetze des Ephialtes
vüllig verschwunden war. daneben blieb die sehr unbestimmte angäbe
der Chronik, dafs der Areopag einst Athen beherrscht hätte, und nicht
viel mehr, kaum irgend etwas concretes, weifs Isokrates im Areopagitikos
zu sagen, es ist immer noch das beste was Aristoteles aus der Atthis ge-
rettet hat, dafs der rat der 500, die Volksversammlung und die gerichte
die amtspflichten übernommen hätten, die Ephialtes den Areopage entzog,
damit ist wenigstens eine aussieht gegeben, einiges zu erschliefsen. denn
wenn wir einerseits die bekannten competenzen dieser organe betrachten,
andererseits was wir dank Aristoteles über die ältere competenz des
Areopagcs erfahren, so mufs diese vergleichung einigermafsen lehren,
was er durch Ephialtes und Archestratos eingebUfst hat.
yoafni Die Volksgerichte können die entscheidung in einer anzahl von pro-
aaeßstas. gggggjj geerbt haben , die früher der könig vor den Areopag brachte,
namenthch aoeßsiagj da die Streitigkeiten um priestertümer und sportein
der priester (Ar. 57, 2) wol der könig unmittelbar {avxoxehdg) entschieden
haben wird, und das Volksgericht lediglich durch das prinzip der ecpeoig elg
öixaaxiJQiov, die provocatio ad iudidum hinzugetreten ist, wenn die
eine art der goltlosigkeit, die in der Zerstörung eines heiligen Ölbaumes
gefunden ward, dem Areopage immer geblieben ist, so darf man für
ältere zeit ihm diese ganze gatlung zuschreiben, die eine Singularität bheb
ihm, weil seine aufsieht über die Ölbäume nicht angetastet ward, der
Areopag besafs aber früher auch ein coercitionsrecht über alle axoG^iovv-
xsg (3, 4), also eine unmittelbare sittencontroUe. diese coUidirt mit den
thesmolhetenprocessen vßQecog (.lOL^siag u.dgl., deren bedeutung oben
I 247 erörtert ist. indessen möchte ich nicht wagen , diese sachen vor
den Areopag zu ziehen, da ein verkehr irgend eines andern beamten als
des königs mit diesem rate nicht bezeugt ist.
Soy.iuaaia. Die niederen beamten, d. h. alle mit ausnähme der par excellence
so genannten (und wol der mihtärischen), wurden in alter zeit vom
Soxiaaaia. eiaayyeUa. 189
Areopage bestellt, seit Solon werden sie aus einer Vorschlagsliste der
phylen erlost, und zur correctur des loses ist die prüfung vor gericht ein-
geführt, nur die archonten und die ratsherren werden vom rate geprüft,
und für die ersteren ist noch eine prüfung vor dem gerichte hinzugefügt.^)
das wird sowol rechlhch wie geschichtlich erst verständhch, wenn man
annimmt, dafs der Areopag die prüfung der übrigen von Solon bis Ephialtes
gehabt hat. dann ist Solons Ordnung, oder vielmehr Drakons schon,
nicht ein schwerer eingriff in die macht des Areopages, sondern be-
seitigt nur das willkürprinzip der ernennung durch die erlosung auf
Vorschlag und die prüfung durch die behörde, die früher unmittelbar
ernannte.^) der rat unten sollte selbstverständhch von dem oben unab-
hängig sein , besorgte also selbst die prüfung seines nachfolgers. die
archonten aber, die künftigen Areopagiten, unterlagen einer prüfung durch
diesen oberen rat nach ablauf ihres amtes, was nie geändert worden ist:
der Areopag brauchte also verfassungsmäfsig die archonten, die das volk
sich gesetzt hatte, nicht aufzunehmen, um so weniger aber konnte er
sie schon vor dem amtsantritt prüfen, diese prüfung war das recht des
Volkes, und seine ausübung fiel passend dem organe des volkes, dem rate
unten zu. so war das weise geordnet, einmal ist dann die prüfung
der beamten überhaupt dem Areopage genommen und den gerichten
gegeben: das kann füglich nur durch Ephialtes oder im anschlufs an seine
reform geschehen sein, die prüfung der archonten aber liefs man daneben
dem rate: man verlangte noch immer besondere garantien für diese,
und es ist zu bedenken , dafs die herabsetzung des census für dieses
amt mit dem stürze des Areopages zeitlich zusammenfällt: da mochte man
die dokimasie des rates als garanlie nicht missen.
Die Volksversammlung tut kaum etwas ohne die vermittelung des staay-
rates, aber sie hat das recht, denuntiationen von ganz besonders Staats- Z^^'«-
gefährhchen verbrechen anzunehmen und wenn sie auf sie eingeht, an
die gerichte abzugeben, ja in ausnahmefällen selbst zu gerichte zu
3) Die von Aristoteles als späterer zusatz bezeichnete freiheit, von dem ab-
weisenden entscheide des rates an das gericht zu appelliren, ist eine logische con-
sequenz des grundrechtes der syeais, aber sie machte die prüfung im rate tatsäch-
lich überflüssig, diese ist also nur als rudiment der alten Ordnung erhalten.
4) Es gibt noch ein beispiel für diese Ordnung. 343 hat das volk einen avv-
Sixos gewählt, der seine sache vor den Amphiktionen führen sollte, aber dem Areo-
page die prüfung des gewählten und sogar den ersatz desselben durch eigne wähl
übertragen, so erzählt Demosthenes 18, 134. das geschah damals natürlich nur im
specialfalle und auf besonderes gesetz hin. aber über die heilige sache hat man wol
auf grund von praecedenzfällen entschieden.
190 II. 8. Der Areopag vor Ephialtes.
sitzen, das gefährliche inslitut der doayyeXia elg xbv örji.iov hat in
alter zeit die sioayyeXla eig ^LdQBiov itäyov zum gegenstücke, die sowol
gegen beamtenwillkür galt, wie Drakon es vorgeschrieben hatte (4,4),
wie gegen hochverrat: gegen diesen schreitet noch in der anekdote von
Themistokles der Areopag ein. dies ist also sicher durch Ephialtes vom
Areopage auf das volk übertragen, dagegen hat das volk allerdings die
beamten auch schon vorher auf seine weise controllirt, durch'die hiiy^Ei-
QOTovia, und hat die macht selbst Urteilssprüche abzugeben besessen,
in den formen, welche die feste tagesordnuug der Versammlungen durch
die anklage wegen ccTtccrrj rov öiq^ov und av/.ocpavrla bot. so ist
Miltiades 490 gefallen, da haben wir, wie so oft in Athen und im alten
Rom, neben einander stehend dieselbe competenz verschiedener staat-
licher Organe.
Der eigentliche erbe des alten rates ward der neue: statt des aus
der magislratur hervorgegangenen Senates sollte die Vertretung der einzel-
gemeinden die Verwaltung führen, klar mit einem worte bezeichnet
würde der Inhalt der reform gelautet haben: der Areopag hört auf eine
Verwaltungsbehörde zu sein ; die geschäfte übernimmt der rat der 500.
aber wir müssen das im einzelnen zu erfassen suchen, entsprechend
dem wie die gesetze nach attischer weise wirklich gelautet haben.
uiad-wais Da haben wir gleich eine einzelheit. die Verpachtung des heihgen
tt^iEiojv. g^^gg jjesQi-ot der könig, aber er übergibt die Pachtverträge dem rate
und dieser besorgt die eiucassirung und Verrechnung der pachten selbst
oder durch seine beamten, die apodekten (Ar. 47, 4). so war es schon
418. es versteht sich von selbst, dafs der könig früher denjenigen rat
zugezogen bat, dem er vorsitzt; sein verkehr mit dem rate der 500 ist
eine anomalie, die lediglich die rücksicht auf die heiligkeit dieser ein-
nahmen geschaffen hat.
Casse des Die bergwerke waren schon 483 unter der Verwaltung des Volkes,
Areopages. ^ °
was die des rates, der ja die vorschlüge für das volk vorberät und formuhrt,
in sich schhefst. es gab ja auch seit Kleisthenes die apodekten. trotzdem
hat 480 der Areopag über sehr bedeutende geldmittel verfügt, da er,
aus eigener initiative oder auf die anregung seines mitgliedes Themistokles
hin, in der läge war, den auswanderern ein zehrgeld zu zahlen (oben
I 140). also hatte der Areopag eine casse und cassenbeamten. er hatte
aber auch nach Solon (8, 4) das recht geldstrafen zu verhängen und
einzuziehen und brachte sie selbst auf die bürg, d. h. in die casse der göttin.
zu den uralten behörden gehören die Schatzmeister der göttin, die poleten
und die kolakreten. die letzteren verfügen zwar noch in der zweiten
Gasse des Areopages. vo/xo^vlaxia. 191
hälfte des fünften Jahrhunderts über so viel geld, dafs ihre casse die
schwere ausgäbe für den richtersold getragen hat^), sind aber im Organis-
mus des Staates nur noch so wenig berechtigt, dafs selbst die reform der
400 sie beseitigen wollte, die Schatzmeister und die poleten stehen
si);iter unter der controUe des rates der 500. daraus erschliefsen wir
mit Sicherheit, dafs diese beiden behorden ursprünglich dem alten rate
untergeben waren, der sie ja auch ernannt hatte: die kolakreten aber
waren die einnehmer der alten ratscasse. Kleisthenes hat in den apodekten
10 einnehmer neben die kolakreten, deren zahl wir nicht kennen, gestellt.
die zahl der Schatzmeister und poleten ward auch auf 10 gebracht, d. h.
auch sie vertraten nunmehr die neuen phylen. schon damals also ist
eine casse unter Verwaltung des rates der 500 gestellt, schon damals der
Areopag, der notwendigerweise aus leuten, die mit der tyrannis mindestens
freundlich gestanden halten, noch lange jähre vorwiegend bestehen mufste,
stark beschränkt, aber noch standen beide rate nebeneinander: Ephialtes
tat den zweiten wichtigsten schritt und gab die finanzen dem rate der 500;
die kolakreten und somit die vereinnahmung und Verrechnung starker
mittel durch den Areopag hat er noch bestehen lassen, daran liegt es,
dafs wir über diese behürde so wenig klar sehn, aber wenn Perikles
den richtersold einführte und seine Zahlung der kolakretencasse auferlegte,
so zeigt sich darin eine sehr wirksame beschränkung des Areopages
durch ihn.
Drakon hatte dem Areopage das recht gegeben, die amtsführung der vo/io^v-
beamten auf ihre gesetzmäfsigkeit hin zu controUiren, und ihn auch zur ^«'<"«-
inslanz für beschwerden über die beamten gemacht, auch Solon, der
doch dem volke die eigentliche rechenschaftsabnahme, wenn auch noch
nicht den regelmäfsigen logistenprocess, sicherte und durch die epichei-
rotonie und andere mittel die directe beschwerde bei dem volke er-
möglichte, endlich die ecpeoig eig z6 ör/.aOT'qQtov durchführte, hat den-
noch dem Areopage die sorge für die beobachtung der gesetze gelassen,
die vo(.iocpvlay.ia. diese liat gar keinen sinn, wenn der Areopag nicht
die möglichkeit hatte einzuschreiten, die beamten vor sich zu fordern
und zu richten, ebenso notwendig folgt aus dieser belügnis, dafs die
bürger beschwerden wider die beamten bei dem Areopage einreichen
konnten, erst hierdurch, aber hierdurch sehr energisch, wird der Areopag
5) Daraus folgt, dafs in diese casse die geiiclitssporteln flössen, denn die oli-
gaichische IIoX. Ad'. 1, 16 nennt als ersten vorteil, den der demos aus dem ge-
i'iclitszwange der bündner zieht, dno reif TiovTaveicou tvv fiiad'bv Si iviavtov
}.afiß<xveLV.
192 II« 8. Der Areopag vor Ephialtes.
zu dem eigentlichen träger der inneren politik. es liegt so viel darin,
dafs ich voraussehe, die modernen werden sich dagegen sträuhen, es
zu glauben; aber die analogie zwingt, der rat der 500 hat ja diesel
selbe controUe über alle beamte rechthch besessen, und auch bei ihm'
konnten beschwerden eingereicht werden (45, 2). einen beleg liefert
Lysias wider die kornhändler. natürlich war später auch von der ent-
scheidung des rates appellation an das gericht möglich, ganz wie bei der
dokimasie der archonten. aber dafs von dem urteil von 500 an das von
501, von ratsherrn an richter, d. h. leute die genau eben so qualificirt
und genau eben so gewählt sind, appellirt wird, ist eigenthch in sich
verkehrt, ist prinzipienreiterei, und kann nur als eine ausartung an-
gesehen werden, wenn nun der rat der 500 in der demokratie diei
nomophylakie besitzt, der Areopag sie einst besessen hat, so kann mam
gar nicht zweifeln, dafs eben diese es gewesen ist, die Ephialtes ihm
genommen hat.
vofio- Man hat bei dieser gelegenheit an eine Veränderung in der legis-
lative gedacht, hat die yQacprj TtccQavöf-uov herangezogen und noch
anderes vermutet, hatte allerdings auch die auf keinen geringeren als|
Philochoros gestellte Überlieferung, dafs zum ersatze für den Areopag!
eine besondere behörde von vof.iocpv)My.es eingesetzt wäre.*^) dies letztere!
ist durch das schweigen des Aristoteles, so wenig das im ganzen be-j
deutet, und durch die in einem falle (fgm. G) nunmehr erwiesene unzu-|
verlässigkeit des lexicons, das uns die angeblich philochoreische notizi
■d'eaiu.
6) Lex. Canl. vouocpvXaxes. der fehler beschränkt sich darauf, dafs die ein-l
Setzung mit der reform des Ephialtes verbunden wird; sein anlafs ist mir auch noch'
jetzt rätselhaft, aber ich kann ihn nicht mehr leugnen, die Schilderung des amtes'
stammt in diesem lexicon aus derselben quelle wie bei Pholius oi vo/.iO(pvXaxes tivei
jjoav, und dieses lemma erweist als quelle das Onomastiken, dessen wertvollste aus-:
Züge im fünften Bekkerschen lexicon stehn. hinzu tritt Poll. 8, 94, der die Schilde- 1
rung im praesens gibt, während sie jenes onomaslikon im praeteritum gab. wie Philo-
choros geredet hat, ist also nicht sicher, die sieben gesetzeswächter sitzen neben
den proedren in den Versammlungen : so etwas ist zur zeit der demokratie unerhört,
sie sind durch ausgezeichnete tracht und religiöse funclionen möglichst würdig ge-
macht: das pafst für die zeit der reslauration. sie sind bestimmt, in den Areopag
zu treten: der vermehrte sich also jährlich um 16 statt um 9 personen, mufste
binnen kurzem durch diesen nachschub eine andere majorität erhalten, so dafs ich
die mafsregel gut mit einem pairsschub in modernen ersten kammern verglichen;
habe, und sollte offenbar frisches blut und neue würde erhalten, alles pafst aufl
das beste für die Verwaltung des Phalereers. da wir auf den steinen durchaus nichts'
von den geselzeswächlern finden, sind sie wol 307 der demokratischen reaction so
gut wie die yv^'ccixorö/uoi u. a. erlegen.
7'Ofiod'saCa. 193
gerettet hat, beseitigt, es beruhte aber auch alles auf uDgenügender
einsieht in das attische Staatswesen.
Formal ist zwischen einem volksbeschlusse und einem gesetze gar
kein unterschied, was das volk beschliefst, ist recht und ist gesetz.
ein jeder volksbeschlufs schafft neues recht; er darf nur nicht implicite
altes recht unistofsen und mufs selbst auf gesetzmäfsigem wege zu
Stande gekommen sein, darin liegt, dafs der rat unter allen umständen
über den gegenständ verhandelt haben mufs, mindestens so weit, dafs
er ihn auf die tagesordnung gesetzt hat.') in den meisten fällen ist
ein einzelner antragsteller vorhanden, sei es dafs er ratsherr ist, sei es
dafs er, dann aber im anschlufs an eine ratsvorlage, im volke seinen
antrag durchgesetzt hat. daneben erscheinen im fünften Jahrhundert
ad hoc eingesetzte commissionen, ovyyQaq-'rjg. so redet man denn von
gesetzen des Perikles, Archestratos, Kannonos, und besitzen wir in dem
s. g. eleusinischen psephisma ein gesetz, das zur gröfseren hälfte von
einer commission ausgearbeitet ist, aber einen nachtrag enthält, den
Lampon vor dem volke durchgebracht hat. das volk, das selbst all-
jährlich die gesetze neu beschwört, die es sich gegeben hat, sichert
diese vor Verletzung und sich selbst dagegen, dafs es sie nicht un-
wissentlich verletzt, durch die klage Ttagavoj-icüv. diese gilt wesenthch
den antragstellern im rate und volke, ist aber auch einer commission
gegenüber denlibar, die einen antrag stellte, sie gehört mit ihrer
Schwester, der klage ein schädhches gesetz gegeben zu haben, und den
klagen wegen amlsmisbrauch wider die Vorsitzenden des rates und Volkes
vor die thesmotheten (59, 2). die eidliche Versicherung, sie erheben
zu wollen {v7ctof.ioGLa), mufste in der Versammlung geleistet werden und
besafs dann suspensive kraft, jeder bürgcr, der ja jedes unrecht (7ra()a-
vof.iov) das irgend wem geschah zu ahnden berechtigt war {riuioQslv
T(o adiy.ovf.ievci)), hatte vollends das recht den geschädigten gesetzen bei-
zustehen, er tat das wie immer so auch hier durch die anrufung des
gerichtes, das hiefs, er belangte den schuldigen bei den thesmotheten.
dies tun zu wollen, erklärte er vor dem volke. das ist die vrccoiioala,
ein analogon zur acfaiQsaig slg IXevd^EQtav. es ist gar nicht anders
denkbar, als dafs dieses recht, sogar schon in dieser form, bestanden
haben mufs, seit es rat und volk gab: war doch ein hauptanlafs zu
klagen wegen gesetzwidrigkeit der, dafs der vorbereitende ratsbeschlufs
7) Die nomothesie rechnet der oligarch der IIo).. Ad". 3, 2 zu den regelmäfsigen
amtspflichten des rates.
T. Wilamowitz, Aristoteles. II. 13
194 II. 8. Der Areopag vor Ephialtes.
fehlte (45, 4). das war in anbetraclit der selir ausgedehnten Zulassung
von amendements oft gar keine einfache frage, solonisch ist die klage
also mindestens, aber um so deutlicher wird, dafs sie mit dem Areopage
trotz seiner gesetzescontrolle nichts zu tun hat. sie geht eben an die
' rechtssetzer' , die die gesetze aufzuzeichnen und zu bewahren haben,
also die berufenen richter darüber sind, ob ein antrag mit diesen in
Widerspruch stehe, die thesmotheten haben darüber ehedem selbst,
später unter Zuziehung eines Volksgerichtes entschieden : das entspricht
der allgemeinen rechtsentwickelung. eine beteiligung des Areopages
ist schon deshalb nicht denkbar, weil er, um einen gesetzwidrigen be-
schlufs zu hindern , eine controlle der Volksversammlung hätte ausüben
müssen, d. h. eine controlle des souveränes.
Damit sind die gesetze gegen die willkür der einzelnen oder auch
des Volkes geschützt, um so dringender wird die frage, wie konnten
sie denn überhaupt geändert werden, wie hat Ephialtes selbst seine
anfrage durchgebracht, die die ganze Verfassung umgestaltet haben?
das ist geschehen durch die eTtixeiQorovia vöiicov. seit Scholl das
document gerechtfertigt hat, das in der Timokratea 20 — 23 steht, dürfen
wir nach dieser analogie für das fünfte Jahrhundert annehmen, dafs in
der ersten Volksversammlung jedes Jahres die gesetze selbst beraten
wurden, d. h. die antrage auf abänderung des geltenden rechtes einge-
bracht werden mufsten. wie dann das volk über die behandlung ent-
schied, ob es die antrage a limine abwies oder dem rate oder einer
commission zur beratung übergab (von der Überweisung an ein gericht,
was die vofioS^hca der Timokratea tatsächlich sind, kenne ich kein
heispiel aus dem fünften Jahrhundert), das stand bei dem volke, das
nach dieser vorberatung abstimmte, genau eben so wie über jeden antrag.
die Sache ist einfach und verständig geordnet, aber für den Areopag
ist kein platz, unsere geschichtliche Überlieferung zeigt ihn auch nie-
mals mitwirkend bei Verfassungsänderungen.
Also die dokimasie der beamten hat der Areopag an die gerichte,
die annähme der eisangelieen an das volk, die nomophylakie und über-
haupt die Verwaltung an den rat der 500 verloren.
Polizei- Die anekdote von Themistokles und Ephialtes zeigt ihn uns aber
gewalt.
auch im besitze des rechtes, einen bürger zu verhaften, dies gehurt mit
zu dem allgemeinen aufsichts- und strafrecht, das der Areopag von der
Urzeit her besafs. er übt es in der anekdote auf den antrag eines
mitgliedes, das ein staatsgefährliches complolt entdeckt haben wollte,
er ist aber ohne zweifei auch auf grund der meidungen von executiv-
Polizeigewalt, macht des rates der 500. 195
btamten eingeschritten, deren compelenz über die verhängung niedriger
gehlstrafen nicht hinausgieng. denn wenn wir nach dem geselze Lampons
den konig eine meidung an den rat erstatten sehen, damit dieser eine
polizeiliche contravention stärker ahnde, als der könig selbst kann (CIA IV
p. 61), so fordert die logik, dafs ehedem in solchen fällen der könig an
den Areopag gegangen ist. diese ganze Strafgewalt hat der Areopag
durch Ephialtes bis auf rudimente, wie die sorge für die Ölbäume, ver-
loren, das geschah in consequenz seines Verlustes der nomophylakie;
es brauchte kaum ausdrücklich beseitigt zu werden.
Der rat der Oligarchie hat sowol 411 wie 404 die volle gerichts- Macht des
r3tGs (Igt
hoheit selbst über leben und tod ausgeübt, und niemand hat ihm daraus 500.
den Vorwurf eines Übergriffes gemacht, schon daraus folgt, dafs die
Athener des fünften Jahrhunderts mit dem begriffe des rates den besitz
dieser vollen gewalt verbanden, die keiner ihrer beamten, selbst der
feldherr nicht, besafs. die Thesmophoriazusen zeigen den prytanen, der
den rat vertritt, wie er einen Athener in den block spannen läfst; es
hat eine meidung genügt, um die polizei zu so scharfer mafsregel zu
bringen, die Verhaftung erlaubt sich der rat auch 406, sogar gegen die
leldherrn (Xen. Hell. I 7, 3). vor der verhängung der todesstrafe scheute
er bei dieser gelegenheit zurück, und so auch der rat des nächsten
Jahres, als er den Kleophon verhaftete (Lys. 30, 11).^) das formelle
reelit aber besafs er ohne zweifei. ^) er besafs es auch nach der her-
stellung der demokratie. 403 hat er auf den antrag des Archinos ein
todesurteil sogar ohne gerichtsverhandlung vollstrecken lassen (41, 2).
damals war die demokratie noch beschränkt, aber in dem ratseide stand
auch später ov Ö€^of.iai h'dsi^iv ovdk äftaycüyrjv evexa rcov nqÖTSQOv
yc/eviq(.ihiov TtXrjv rtov cpvyovrcov (Andok. 1, 91). es gab also noch
8) In diesem falle brachte ein ratsherr im rate das gesetz durch, dafs der rat
mit zu gerichte sitzen sollte, so erzählt Lysias. derselbe sagt jedoch, dafs dieses
gesetz an dem tage des gerichtes selbst erst angenommen ward, und beschwert sich
über Ungesetzlichkeit, freilich konnte ein wirkliches gesetz nur vom volke beschlossen
werden, also war dieses keines, also hat wol vielmehr der rat zwar nicht den mut ge-
habt, selbst das todesurteil zu sprechen, aber auf seinem rechte bestanden, über die
\e'vSfA^is Xinora^iov , die bei ihm erfolgt war, zu richten, was herauskam, ein ge-
mischtes gericht, war etwas anomales, aber schwerlich wider den geist oder buch-
staben der alten Verfassung.
9) Das gesetz auf dem steine CIA I 57, das todesstrafe erwähnt, scheint durch
den Zusatz ärev rov S^/nov nXrjd'vovros die instrucüon des rates für den vorsitz in
.der Volksversammlung zu enthalten; spätere zeilen handeln von der tagesordnung.
übrigens ist es allzu verstümmelt.
13*
196 H. 8. Der Areopag von Ephialtes.
eine arcaycoyi] Ttoog ßovXr^v, und wenn einer der verbannten Dreifsig
so abgefiilirt ward, konnte das nur geschehen, damit der rat ihn seiner
verwirkten strafe überantwortete, ja noch 386 wird im rate der antrag
gesteht, dafs eine gesellschaft von kornhändlern, allerdings metöken,
ohne gericht den elf zur hinrichtung übergeben werden sollten (Lys. 22,2).
dagegen 352 kann der demokratische stolz schon behaupten, dafs Solon
dem rate nicht erlaubt habe einen Athener zu verhaften (-Demosth. 24,
144 — 147). damals stand in dem eide, dafs der rat haft nur über einen
hochverriiter (wider das Vaterland oder die demokratie) oder einen säu-
migen Steuerpächter verhängen dürfte, die ersten waren dem strengen
rechte nach vogelfrei, und das recht die steuerpächter zu verhaften be-
zeugt noch Aristoteles ausdrückhch (48, 1, vgl. Andok. 1, 93). damit p^
haben wir wenigstens einigermafsen die zeit der reform bestimmt, die
den rat in seiner selbsläudigkeit beschränkt hat, so dafs er aufser der
auferlegung einer geldstrafe bis zu einer bestimmten höhe (der STtißoX^}
nur ein Vorurteil (y.aTayvcootg) oder einen antrag auf höhere geldstrafe,
eine 'zusatzstrafe' {l7iLCi]f.iuoGig 45, 1 ; das wort ist dafür gebildet) fassen
konnte, das urteil aber natürlich in voller freiheit der Schätzung bei
dem gerichte stand, das die thesmotheten auch schon früher in den
fällen, wo der rat nicht selbst entscheiden mochte, zu berufen gehabt'
hatten. Aristoteles würde die zeit vielleicht selbst uns noch genauer
angeben, wenn nicht der anfang seiner erzählung verloren wäre, da
berichtete er den specialfall, der den rat um seine macht gebracht
hat. als ein gewisser Lysimachos, dessen vollen namen wir in folge
der textverderbnis auch nicht mehr kennen, schon da safs um den'j'
streich des henkers zu empfangen'"), übte Eumelides von Alopeke") das '
10) y.ad-r^nEvos t;St] fn'U.cov änod'ff^ay.eiv sagt Aristoteles sehr anschaulich,
vorausgesetzt, dafs es ein solches 'armesünderstühlchen' gab, so dafs das sitzen ein!
bild für die phantasie gibt, die fodesart war dnorvunaviauos. Lysimachos war
sicherlich ein armer Schacher, sonst würde der rat nicht so kurzen process gemacht,
und der gerettete nicht den unerfreulichen Spitznamen 6 dno rov Tvndvov be-
halten haben.
11) Auch dieser mann ist unbekannt, der name ist nicht selten, weil Eumelosi
häufig ist; mit Philomelos und Phiiomelides ist es ebenso, dafs ßlafs den ortho-
graphischen fehler Ei'fir]XeiST]S conserviren mufs um der responsion der Satzglieder
willen, ist für diesen aberglauben bezeichnend, er beruft sich auf <Pilofirilei8ris,]
wie in der tat der dichter der Telemachie S 343 (o 134 ist eine wertlose entlehnung des
bearbeiters) einen lesbischen heros genannt hat. die alten grammatiker haben sich über '
die form gewundert, haben ein nietronymikon von (I>ilofn]lr, ersonnen, das andere i
mit recht verwarfen, schliefslich ihr bedenken mit richtigen, aber von ihnen nicht ;
richtig gedeuteten, bildungen wie GaooekeiSr;? (von GaQaiXems) Avaid-si8r,s (von
Macht des rates der 500. abschlufs, 197
demokratische recht der intercessio nni] provocatio ad iudkium, und das
Volk änderte die gesetze. die geschichte hat offenbar jemand aufge-
zeichnet, dem sie noch ganz frisch im gedächtnisse war; Androtion,
dem Demosthenes seine grausamen pohzeimafsregeln so schwer zum
verbrechen macht, kannte das landrecht besser als der advocat. Ari-
stoteles aber erzählt das ganze nach, weil es ein guter beleg für seinen
allgemeinen satz ist, dafs das volk sich zu Ungunsten des rates immer
'mehr der Verwaltung bemächtigt hat. hier geht uns die folgerung an,
dafs dieses recht des rates der 500 notwendigerweise auch dem Areo-
page gehört hat, so lange er mit der Verwaltung zu tun halte.
Es ist aber gut das capitel 45 überhaupt zu betrachten, in dem die
rechte des rates aufgezählt werden, die er nur noch verkümmert besafs.
das ist erstens das eben besprochene, an geld freiheit und leben zu
strafen , zweitens die controlle und aburteilung der beamten, vornehm-
lich der finanzbeamten, drittens die annähme und erledigung von be-
schwerden privater über die beamten , viertens die dokimasie der rats-
heirn und archonten.
Übertragen wir das auf den Areopag, so kam ihm bis auf Ephialtes
1 — 3 ganz zu, 4 für alle übrigen losbeamteu. was der rat der 500 im
vierten Jahrhundert verloren hat, hatte er im fünften zum guten teile
dem Areopage abgewonnen.
Wir finden in der zeit des Aristoteles selbst den rat der 500 schon Abschlufs
Ijischränkt, allein dessen machlfülle tritt uns doch noch in so vielen
Iel)endigen betätigungen entgegen, und die Überlieferung gibt auch an-
yJinid'eos) '^oiaTBiSrjS (in Wahrheit aoiar-tiSj]i) beschwichtigt, vgh aufser den sclio-
lif II zum S nnd Eustathius Et, M. p. 166, wo die wichtige notiz ^EnacpQoSnos iv vno-
iivr[(jEi eis -Kscfä/Miov I "OSvaasias bei Gaisford unten steht, auch an (PiXo/irilevs haben
^i' gedacht, es gibt eine anzahl schwieriger formen der art, sowol auf -evs, trotz
z'ipi Stämmen im namen, wie auf -siSr^e, selbst mit -iSrjs wechselnd, wie Kr^SiSriq
KrSsidrjS ^Ey.E(pvXiSas und 'Ey.etpvkXsiSr^s, um bei solchen zu bleiben, die die alten
iRiinen. der art ist der aus der sage unbekannte <PikouT]leiS7]S: denn was Hella-
nikos in den schollen angibt, wird lesbische erzählung seiner zeit schon gewesen
sein, aber es ist auf grund der Homerstellen erfunden, ob die Überlieferung zuver-
l;i sig ist, ob der dichter sich etwa erlaubt hat, ein unbequemes <PiloixrilLSr,s me-
(li-ch zu vergewaltigen, das bleibt zweifelhaft: den Athener Eumelides und den
Aristoteles geht es nichts an — es sei denn, dieser hätte auch Sprachfehler gemacht,
damit seine versfüfse stimmten, aber amüsant ist, dafs ein <PiXo/if]XiST]S aus Kyda-
llienaion, der 95 94 v. Chr. herold für Delos war, mit jener ungrammatischen sucht
voinehm zu scheinen, die eigennamen so oft schädlich wird, um des homerischen
namensvetters willen sich (Pdo^ir,).eCSas geschrieben hat (CIA II 985 E), noch mit.
einer dorischen endung dazu: wie heroisch sah das aus!
198 II- 8. Der Areopag von Ephialtes,
halt genug, geine alte macht zu erkennen; ist er doch im fünften Jahr-
hundert der wirkhche träger des regimentes, und das volk scheut sich
niclit, ihm in der angst vor der tyrannis 416 die dictatur zu über-
tragen (Andok. 1, 15), was dem entsprechend fünf jähre später dem
ohgarcliischen rate der 400 zugestanden wird, diese zeit hat vom Areo-
page viel weniger gehalten als die von 338 und 318, wie sie ja aucl^
von Solon viel weniger hielt, es ist bezeichnend, dafs der, Areopag bei
Thukydides gar nicht, bei Ilerodotos nur als ortsname vorkommt und
die sagen der Atthis schlechthin nur den gerichtshof angehn. die bedeu-
tende macht des Areopagitenrates und die kämpfe, die zu seiner besei-
tigung nötig gewesen waren, mufsten erst vergessen sein, damit er mit
der aureole der guten alten zeit umkleidet würde, worin bis auf Ephialtes
die macht gelegen hatte, war, wie sich gezeigt hat, gar nicht so schwer
zu finden, welche einzelnen stücke von Ephialtes 462 beseitigt sind,
welche von seinem demokratischen nachfolger, um welche von ihnen so
leidenschaftlich gestritten ward, das ist dagegen die entwickelung des rechtes
aufser stände zu ergänzen, weit schwieriger als zu sagen, was vor 462
der Areopag war, ist es, zu sagen, was der rat der 500 und gar der
der 400 seit Drakon war. der der 500 hat wenigstens einen teil der
linanzen unter sich gehabt und seit Themistokles die sorge für die flotte;
aufserdem gehört die Vorbereitung der Volksbeschlüsse, also die legislative
im weitesten sinne, und die Vertretung des souveränen Volkes nach aufsen,
mithin die äufsere politik, so weit sie in Athen gemacht wird, dem rate
an. das ist etwas und für die zeit um 600 genug, aber es ist wol j
wahrscheinlich, dafs die demokralie seit 507, die den ratseid einführte, I
ihm also die Währung der demokratie ans herz legte, einen teil der poli- i
zeilichen gewalt, der nomophylakie, die der Areopag besafs, dem volks- !
rate auch verliehen hat. die zwei rate, ein patricischer und ein plebe- i
jischer, so zu sagen, standen doch schon nebeneinander; die geschieht- j
liehe entwickelung mufste die macht des letztern immer mehr steigern; i
eine weile giengen beide neben einander her, dann kam der unvermeid- i
liehe conflict, dessen ausgang nicht minder unvermeidlich war.
So verwegen das auch sein mag, man kann doch nicht umhin, auch i
über die zeit nachzudenken, wo nur ein rat in Athen bestand, von \
seiner täligkeit als rat erfahren wir nur durch die wenigen sätze der
Politie etwas, insbesondere dafs er die niederen ämter besetzte, die
cura legum et morum übte, und aus den geweseneu beamtcn bestand,
dies letzte kann erst seit 6S3 gelten, wo jedes jähr neun Areopagitea
schuf, über die ältere zeit hat man also nichts gewufst. das gericht
Abschlufs. 199
Avird in den sagen auf die urzeit zurückgefülirt, und Aiscbylos läfst Alhena
die Areopagiten auswählen, es geht aber nicht an, daraus das recht der
hctio senatus für den konig abzuleiten, denn einmal stand der dichter
unter dem zwange der poetischen erfindung, und dann ist es ihm viel-
mehr um die einsetzung des geschvvornengerichtes überhaupt zu tun als
um die Stiftung der ßovXTq. der streit der gölter um Athen ist in der
Atthis auch in die form einer öiadr/.aoia ysQwv vor dem konige ge-
kleidet, und da erfolgt die entscheidung gar durch ein plebi^scit des ganzen
Volkes, die frage spitzt sich nun so zu: ist die richterliche tätigkeit
wirkhch das prius, so dafs der beirat des königs in den schwersten
mordsachen allmähhch die macht eines rates gewonnen hat, oder ist dem
rate schliefslich nur diese richterliche function geblieben, schon die
analogie der reform von 462 spricht für dies letztere, aber die sagen
von Orestes und Halirrhothios gehen q)6vog dUaiog an, die von Prokris
qovog ay.ovotog. diese sachen, die doch in der sage vom Areopage ent-
schieden werden, sind seit Drakon dem konige unter dem beirate von 51
adlichen richtern überantwortet und werden an andern heihgen statten
verhandelt, darin kann weder eine neuerung erst des Drakon erblickt
werden, noch ist es irgend glaublich, dafs das ausgehende siebente Jahr-
hundert erst die richtstätten des Delphinion und Palladion aufgebracht hätte.
in diesen sagen kann somit der Areopag nicht den ort bezeichnen, wo
gerichtet ward, sondern nur die richter. mit andern Worten, die sagen
iiezeugen einen zustand, wo Areopagiten überhaupt die blutsachen neben
dem konige entschieden, einerlei an welchem flecke, dafs 51 epheten
in den leichteren fällen für die Areopagiten eintreten, ist dem gegen-
über eine neuerung, sei es dazu bestimmt, den Areopagitenrat zu ent-
lasten, sei es (was w-ol jeder vorziehen wird) eine beschränkuug seiner
allgewalt. die einsetzung der thesmotheten und die aufzeicbnung erst
einzelner -d^eGfiia, dann aller &so(.lol, dient demselben zwecke, wir er-
reichen so eine zeit, wo der Areopag unter vorsitz des königs alle blut-
sachen entschied, und diese zeit ist zugleich die, wo er unmöglich aus
den gewesenen beamten bestehen konnte, das local des Areshügels ist
wichtig nur als distinctivum für die mordsachen, weil sie je nach ihrer
(jualification an verschiedeneu localen zur aburteilung kamen, und nur
bei dieser gelegenheit und in diesem sinne ist eine erwähnung des
Areopages in Solons gesetzen (axon 13, 8) nachgewiesen, wenn gleichwol
der rat nach dem hügel heifst, und eine formel wie avaßaiveiv eig
]l4oeiov Tiäyov (z. b. Ar. 60,3) für den eintritt in den rat besteht, so folgt
daraus, dafs sein amtslocal auf dem hügel des Ares in connex mit dem
200 II. 8. Der Areopag von Ephialtes.
Arestempel lag', aber unmöglich kann die lerminologie rj ßovXrj r 1^
IdQsLov rcäyov aufgekommen sein, ehe eine andere ßovl.iq die Unter-
scheidung nutig machte; die anrede w /Jot-A/; an den Areopag ist gehlieben,
vordrakontische gesetze können, falls sie nicht das blulrecht angiengen,
unmöglich anders als einfach von der ßovXiq geredet haben, es ist nicht
Avundeibar, dafs man sie später verkannte und den Areopag vermifste.
die bezeicbnung nach dem hiigel ist in Wahrheit secundiir., da stehn
wir wieder vor einer alternative, entweder ist ein Arestempel errichtet,
wo das rathaus war, weil der rat über blut richtete, oder der rat hat
sich sein haus da gebaut, wo er über blut richten mufsle. auch hier
ist die entscheidung nicht zweifelhaft, die religion, die )dd^OL vßQ€wg
'Aal civaideiag, sind das ältere, das scheint dem blutgerichtshofe doch
das prius zu vindiciren. allein es scheint nur so. freilich ist der er-
salz der blutrache durch die strafe des Staates ein ungemein wichtiger
schritt, und die gesellschaft hat die entscheidung nicht in die band des
einzelnen, des königs, legen wollen, sondern ein gericht von standes-
genossen gefordert, die religion hat dieses gericht an bestimmte hei-
lige Stätten gewiesen, aber zu einem ständigen gerichtshofe , zu einer
behörde, einer ßovXrj führt das nicht, wenn die ßovXrj in Athen dieses
wichtige gericht übernommen hat, so mag sie ihr amtslocal mit rück-
sicht auf eine gerichtsstätte gewählt haben, deren läge im Verhältnis
zu den andern amtshäusern bequem war, aber sie war vorhanden und
angesehen, ehe die blutrache beseitigt ward. Agamemnon und Alkinoos
haben ihre ßovliq bei Homer, bei dem doch von einem blutgerichte
nichts zu finden ist. der rat, der die magistratur durch seine euthyna
gebändigt hat, ist notwendiger weise eine so alte Institution, dafs wir
uns Athen ohne ihn gar nicht zu denken vermögen, so wenig wie Sparta
ohne die geronten. aber über seine Zusammensetzung, ob durch beiu-
fung des königs auf lebenszeit oder durch volkswahl oder durch ge-
schlechtervertretung, können wir nichts wissen, wenn er einstmals dem
könige zur seite getreten ist, wenn er die willkür der einzelnen bt'-
amten gebändigt hat, so ist er einstmals der träger des fortschritts zur
demokratie gewesen, die 462 in ihm ihren hemmschuh sah. er ist der
Vorgänger des rates der 400 und 500 gewesen, seit wann? seit Kekrops:
wir haben keine andere antwort als die Atthis. was ihm nach 462
geblieben ist, entspricht dem was dem könige geblieben ist: wie der
könig nicht zuerst ein priester w^ar, ist auch der rat nicht von anfang
ein rehgiöses tribunal "ewesen.
9.
3000 HOPLITEN VON ACHAMAL
Aus seiner oligarchischen quelle hat Aristoteles die speciücirte be- 20000 kost-
1 echnung herübergenommen, dafs in Athen 20U00 bürger ihren unterhalt Reiches. "^
durch den Staat fanden (24, 3 vgl. I s. 153). er hat dabei vieles einfach
hingestellt was im fünften Jahrhundert unmittelbar versländlich war,
aber zum teil uns selbst zweifelhaft bleibt, die wir doch die älteren insti-
tiitionen besser kennen als die Athener der demosthenischen zeit, er-
scliwert wird das urteil durch die Verderbnisse und liicken des textes;
aljer die rechnung ist so merkwürdig, dafs ein versuch gemacht werden
imifs. bequemer ist es freilich, das ganze als ungereimt wegzuwerfen.
Die erste reihe von zahlen ist heil und verständlich; 6000 richter,
IGOO schützen, 1200 reiter, 500 ratsherren, 500 werftwächter, 50 burg-
A\.ichter. die posten steigen vom höheren zum niederen herab und
trgeben 9S50 mann, die schützen und die reiter beziffert auch Thuky-
tlides (2, 13) so hoch; es ist die etatsmäfsige stärke dieser stehenden
huppen. 1200 reiter schliefst, wie Thukydides genauer angibt, die
(Selbstverständlich bürgerlichen) schützen zu pferde ein; später hat Athen
iiumals wieder eine so starke cavallerie gehabt, früher aber, als es drei
hipparchen gab (CIA IV p. 184) vielleicht eine noch höhere, die schützen
sind von uns früher mit den gekauften Skythen notwendig verwechselt
worden, weil das vierte Jahrhundert diese stehende truppe des bürger-
heeres nicht mehr kennt; aber jetzt sind die inschriftlichen belege nicht
mehr vereinzelt.') die theten haben also zu Perikles zeit ihre den vor-
1) CIA I 54. 79. IV 26^ wir besafsen auch die Überlieferung von 1200 reitern
und eben so vielen scliützen, Andok. 3, 7 : aber weil die bürgerliclien schützen un-
bekannt waren, ward ihr der glaube versagt. Andolddes hat vielmehr die stärke
etwas zu niedrig geschätzt.
202 II. 9. 3000 hoplilen von Acharnai.
nehmen rittern analoge militärische Vertretung gefunden; wir werden
nunmelu" keine veranlassung hahen bei militärischen Operationen unter
schützen andere als die bürgerlichen zu verstehen^); geleistet hat die
truppe wenig, neu sind für uns die werftwäcliter, die mit den vecogoi,
später veiOQiiov lTtif^ith]TaL nicht verwechselt werden dürfen.^) da über
400 trieren in den docks lagen, was eine entsprechende ausdehnung
der arsenale fordert, so war eine starke wache allerdings . notig, aber
die 500 repraesentiren eine garnison der hafenstadt. das war eine sehr
angemessene einrichtung; in der demosthenischen zeit commandiren im
hafen zwei Strategen und ist die caserne der epheben dort, in der wol
vorher (pqovQoL gelegen haben werden (oben I 198). die burgwache ist
ebenfalls neu; wir kennen sie sonst erst aus viel späterer zeit.") aber
die schätze und cassen der bürg forderten sie eigentlich notwendig.^)
Die zweite kategorie bilden die beamten , 700 in Attika; die zahl
der vTteQOQiOi, wie mit dem terminus des fünften Jahrhunderts gesagt
2) Nun möchte man die scliQtzen, die als huissiers in der Volksversammlung
auftreten, aucli für bürger lialten, Meil fremde dahin wirklich nicht gehören, dals
die grammatiker (schol. Ar. Ach. 54) nur die Skytlien kennen, tut nichts dagegen,
aber das bürgerliche schützencorps müfste dann auch noch zur zeit der Eliklesia-
zusen existirt haben, es bleiben noch mehr offene detailfragen.
3) CIA IV p. 144, Jelr. agx- &9, 26. ihre tätigkeit ist genau die aus den see-
urkunden des vierten Jahrhunderts bekannte.
4) CIA III 12S4 fTg. 3906.
5) Als die bauhütte für den Parthenon aufgeschlagen ward, also etwa 447
oder wenig später (auch an den Propylaeenbau kann man denken), hat man ein
wachthaus dabei errichtet und drei bürgerliche schützen aus der versitzenden phyle
zu Wächtern gesetzt; der rat, also die prytanen, behielt die Oberaufsicht, das lehrt
der seltsame stein CIA IV p. 140. mit der ständigen wache hat das nichts zu tun;
es ist eine vorübergehende mafsregel. die Inschrift schliefst qiilaxas 8e svai roes
fiEv rox^öras ex ris (pvXli, rei novxavevoaes. es ist eben so verkehrt, hier spi-
nöse syntaktische feinheiten zu suchen wie gewalt zu brauchen, ein psephisma
kommt in der regel zu stände, indem ein ratsantrag vor das volk gebracht und mit
mehr oder weniger änderungen angenommen wird, unsere Steinschriften sind aus-
züge aus dem protokolle, das der schreiber führt, ihre ganze gestalt lehrt das, wenn
es auch eine gedankenlose sammelei wie das nur durch das rohmaterial brauchbare
buch von Swoboda verkennt, der ratsantrag hatte in diesem falle aufser den 3 schützen
noch eine weitere wache gefordert; aber sein zweiter teil ward abgelehnt, da hat
der Protokollführer den letzten absatz gestrichen, aber das fiiv vergessen, die nieder-
schrift ist nicht officiell; das volk hatte sie nicht verordnet (das müfste am Schlüsse
slehn), und für eine solche verwaltungsmafsregel hatte sie auch keinen zweck, der
stein ist auch nicht auf der bürg gefunden, es hat also ein unfindbarer specialanlafs
diese aufzeichnung herbeigeführt.
20000 kostgänger des Reiches. 203
wird®), ist verdorben: denn dafs nicht zwei gleiche zahlen mit f.i€v und
ÖS einander gegenübergestellt werden können, sollte sich jeder selbst
sagen, obwol die beamten dem namen nach für unbesoldet gelten,
rechnet dieser Schriftsteller ganz unbefangen mit dem grundsatze, dafs
das amt den mann nährt (vgl. 1 s. 196). die zahl scheint ungeheuer,
ich lege eine berechnung vör, obwol das ergebnis unbefriedigend ist,
weil ich von mir selbst weifs, dafs man gewöhnt ist, zu niedrig zu
rechnen, dreifsiger collegien gibt es für demenrichter und logisten ; als
drittes können hellenotamien mit beisitzern zutreten, denn nach der ana-
logie von archonten und euthynen dürfen auf einen hellenotamias zwei
beisitzer gerechnet werden, zehnercollegien sind es mindestens 14 {otqu-
Tt]yoL, za^laQxoi, cpvXaQ%oi, ra(.üaL Trjg d-eov, rai-ilai rai?' aXltov ^£ÖJv,
ayoQav6(.ioi, aarwof-ioi, aiTOcpvXaxeg , vscoqoi, uqwv kTCLOY.evaOTai,
uTCoöey.TaL, TtcoXrjTaL, TCQaxTOQeg, iegortoLol elg eviavTov), 9 archonten
mit 1 Schreiber, 6 beisitzern, 1 herold und 1 pfeifer, 11 svdsy.a, 1 (oder 2)
Schreiber, 2 hipparchen , ■/.tolay.Qexcci, eiaaycoyfjg, vavTodiyMi in un-
bestimmter zahl, dazu der ganze trofs von vjtr^Qirai bürgerlichen Stan-
des, herolde, Schreiber, unterschreiber. gerade diese besoldeten sub-
alternen beamten durften in dieser berechnung nicht fehlen, und welche
behörde wäre ohne ein bureau gewesen? dafs eine Schätzung der bisher
aufgezählten auf 350 unter dem effectivbestande bleibt, ist mir nicht
zweifelhaft, gar nicht in anschlag gebracht sind bisher die Offiziere der
Hotte, einstellen müssen wir mindesten 30 trittyarchen , die vielleicht
]»esser überhaupt als beamte gezählt würden, den befehl auf der galeere
lührt der trierarch. es ist wahr, die trierarchie ist eine last, aber sie
ist dennoch ein amt, und die oligarchen rechnen den trierarchen unter
(He beamten, die von den bündnern geehrt werden {TloX. ^^. 1, 18):
das konnte auch mit gescheuken geschehen, durch ein d^egarteveLV, wie
die Lesbier sagen (Thuk. 3, 11) und wie es Alkibiades an den Olym-
l)ien 420 vor allen Hellenen erfuhr, wer also eine möglichst hohe ziffer
zu erzielen suchte, konnte die trierarchen unter die beamten, die von
den bündnern lebten, recht gut zählen, es waren ihrer 400 ([Xen.]
Hol. A&. 3, 4), von denen nur ein kleiner teil alljährlich Verwen-
dung fand, aber wir dürfen auch nicht alle einrechnen, sonst wird die
zahl 700 überschritten, ferner sind alle cultusbeamten bisher unge-
rechnet, das priesterlum der staathch anerkannten culte nährt seinen
6) Psephisma für Leonidas von Halikarnafs CIA IV p. 165. [Xen.] IIol. Ad-.
1, 19: Xen. Symp. 4, 31. gesetz bei Aischines 1, 21.
204 II. 9, 3000 hopliten von Achainai.
mann: in Asien hat man vieler orten die pfriinilen an den meislbietenden
vergeben, aber das ist allerdings eine betrachtungsweise, die dem Athener
fern liegt, dagegen solche commissionen wie die Verwaltung des eleii-
sinischen tempels können gar nicht aufser betracht gelassen sein, etzl-
(.lE/.rixai f^ivOTi]Qicüv, z/iowoiiov, aO^Xod^etai^ auch wol ßocövac 7cqod-iv-
rai oiv67CTC(L fungiren nur eine beschränkte zeit, die verschiedenen
hooitoiol sind aus den richtern genommen (oben I 201.233), also in der
zahl 6000 bereits einbegriffen: aber wie sollen wir den grad der genauig-
keit und ehrlichkeit in einer solchen rechnung abschätzen? endlich sind
die gemeindebeamten agyal; rechnen wir auch nur den demarchen und
einen Schatzmeister anf den demos, so sind gleich wieder nah an 300
mann da. die phylen haben auch vermögen im inlande; in den kleru-
chien, selbst auf Samos besitzen sie grundstücke, etwas laufende arbeit
hat auch ihr vorstand, ob dieser schriftsteiler ihn unter die agyat ge-
rechnet hat, ist gänzhch ungewifs: aber wie immer er gerechnet hat,
700 beamle konnte er ganz ohne Übertreibung herausbekommen. Selbst-
verwaltung braucht nun einmal sehr viel menschen, weil sie nebenher
alle mehr oder weniger Privatgeschäfte zu besorgen haben, wenn wir
den jährlichen menschenbedarf für die Verwaltung Athens schätzen, also
den rat mitzählen, die Areopagiten auch, aber die richter nicht, so sind
1200 eher zu tief als zu hoch gegriffen.
Die üQ/cd vTiEQÖQiOi sind die vügte in den kieruchien und ab-
hängigen Städten, cfQovQagxoi, kTcioy.07toi, iTCi/nElrjTal, ixloyr^q, 'E?Jj-
OTtovTOcpvXayieg, die delischen amphiklionen, aQywv ig 2aXa(-ilva u. s. w.
die können wir gar nicht schätzen, aber wenn 700 eine viel zu hohe zahl
für sie ist, so sind es doch wieder ein par hunderte gewesen.
Darauf wird mit einem im einzelnen entstellten satze der Übergang
zu der zeit gemacht, wo Athen gegen den jährlichen tribut den städlen
das militär abnahm, der Übergang war nötig, weil der Verfasser die
rechnung an den namen des Aristeides anknüpfte; in Wahrheit ist die
beschönigung schwach, denn auch die vorigen posten sind auf die spätere
zeit berechnet, etwa 445 — 432. da es sich nun um das ordinarium
handelt, kann von kriegszeiten nicht die rede sein, der erste posten
2500 hopliten mufs also alljährlich Verwendung finden und tut das auch:
es sind die garnisonen, die unter den cpQovQaQxot stehen, in Thrakien,
am Hellespont, in manchen Städten Asiens, in JNaupaktos u. s. w. auch
die garnisonen der altischen grenzfestungen dürften hier eingerechnet
sein, dann erscheinen schiffe, 20 wachtschiffe, von denen wir zwei der
milesischen Station speciell kennen (CIA IV p. 6), und die schiffe für
20000 Kostgänger des Reiches. 205
die abliolung der tribute. wir haben bisher den fehler gemacht, an den
transport dieser hohen summen gar nicht zu denken, da sie, wie sich
gebührte, von gesandtschaften der Städte in Athen an die hellenotamien
gezahlt wurden, das war gedankenlos; denn mit 10 talenten im koffer
reist ein gesandter unsicher, und die talente mit ihm auch nicht immer
sicher, es entspricht der tüchtigen Reichsverwaltung, dafs sie, wenn im
frühjahre das meer aufgieng, ein par kriegsschiffe mobil machte und in
die Provinzen schickte um die gesandtschaften sammt den fälligen tributen
zu holen, das erscheinen des schiffes beförderte ohne frage die geneigt-
heit zu zahlen, Verspätungen und Unglücksfälle des transportes wurden
vermieden, und es machte sich noch dazu sehr vornehm, wenn die ge-
sandten auf den galeeren des vororts befördert wurden, ihre anwesen-
heit an den städtischen Dionysien und die procession, bei der die gelder
selbst als ein zwar profanes aber sehr eindrucksvolles stück paradirten,
gehört in die selbe richtungslinie der politik. was trotzdem an tributen
rückständig bheb, ward im laufe des sommers durch vrjsg aqyvqoloyoi
eingetrieben, was denn schon den minder freundlichen Charakter der
execution trug.
Die zahl dieser schiffe ist schon von einer lücke in der handschrift
verschlungen, und es folgte ein accusaliv, der schlechterdings nicht cou-
struirt werden kann"'), 2000 ausgeloste bürger. die erlosung ist für mili-
tärische Verwendung seltsam; andererseits müfste man eine sehr beträcht-
liche lücke annehmen, wenn die 2000 nicht mehr unter die militärischen
Institutionen fallen sollten, und man möchte auch neben 2500 hopliten
eine entsprechende beteiligung von theten erwarten, wenn die phyle oder
ihre demen für 200 stellen, deren Obliegenheiten keine besondere mili-
tärische ausbiklung forderten, candidaten präsentirten, aus denen dann die
losung vorgenommen ward, wie später für ralsherren und Wächter, so
7) Ganz verwerflich ist die conjectur vr^s al rots foovoovs (für yS^ovs)
äyovaai rois dno rov v.väuov Sia/j/Jovi ni§gn~. denn sie renkt den salz zwar ein,
aber sinn gibt sie schlechterdings nicht, da die ipoovQoi an den ort gehören, den
sie bewachen, so könnten dieses nur transportschiffe sein, von denen also nur die
Schiffsmannschaft gerechnet werden könnte, die yoov(»ot sind ja in den 2500 hopliten
vorher enthalten, was soll also ihre zahl hier, und wo bleiben die Schiffsmannschaften
in der berechnung? zu dem transporte der cpoovooi, z. b. nach Byzantion, eignen
sich trieren schlecht, da die Soldaten, weil sie nicht heimkehren, nicht selbst rudern
können, wie soll aber überhaupt neben den wachtschifTen, die als solche in rech-
nung gestellt sind, ein posten stehn, der zwar schiffe nennt, aber nicht rechnet,
und dafür leute rechnet, die nur gelegentlich, als auf jenen schiffen überfahrend,
erwähnt werden?
206 II. 9. 3000 hopliten von Acharnai.
wäre (las wol denkbar, die berechniing ans der zahl versagt, denn dafs
20 wachlpcliin'e 4000 rüderer, zu denen dann nocli die Soldaten kommen
müfsten, ergeben sollten, würde voraussetzen, dafs wie auf der Paralos und
Salaminia nur bürger auf ihnen gerudert hätten, das ist weder bezeugt
noch glaublich, so müssen wir uns eingestehen, dafs wir immer noch
nicht genug von dem Verhältnissen des fünften Jahrhunderts wissen, um
von '2000 ausgelosten männern' zu sagen wer sie sind.*) damit ist zu-
gleich eingestanden, dafs die aufstellung der 20000 soidempfänger nicht
ganz nachgerechnet werden kann, immerhin darf dieser posten, die all-
jäbrlich für militärische zwecke in friedenszeiten tätigen, auf 6000 mann
veranschlagt werden.
Der letzte abschnitt umfafst die Staatspensionäre, die ev Trgvraveiq)
anoifierot und die waisen der im kriege gefallenen, zu denen wir
die arbeitsunfähigen fügen können, die der Verfasser vergessen hat (oben
I 213)^), und die Wächter der kriegsgefangenen oder sonst internirten '°).
eine zahl ist für diese classe nicht angegeben und ist auch für uns
unerreichbar, das hindert nicht, dafs wir dem Verfasser das Zeugnis
der glaubwürdigkeit für seine einzelnen posten zugestehn. verwerflich
ist nur seine tendenz, in diesen 20 000 kostgänger des Reiches zu er-
blicken , da der überwiegend grofsere teil für seinen sold , so er den
erhielt, auch etwas leistete ; ganz abgesehen davon dafs die ganze summe
nicht jahraus jahrein in dem genusse ihrer bezüge war. sie sollen sie
auo Tiüv (fOQWv -/Ml Twv T€?MV Tial Tiöv ovf.i!.iäxcüv erhalten haben,
davon haben wir das letzte glied getilgt, weil die bündner auch den
tribut ganz und die zolle zum grofsen teile zahlen, aber es ist richtig.
8) Nur schüchtern wage ich eine Vermutung, nach Plutarch Per. 11 fuhren
alljährlich 60 trieren , sv al^ noXXol rcöv 7Co?.it(Öv enXeov ohto) fifjvas sfifiiad'oi;
/neXercövTss afia xal fiav&ävovTBS Tf;v ravzixrjv ifMTtsiQiav. das pafst vorzüglich,
denn zur ausbildung konnte man aus der von den demen praesentirten zahl von
bewerbern gut und gerne die nötige zahl auslosen, und aufgeführt wird die mafs-
regel von Plutarch unter den mafsregeln, mit denen Perikles dem volke durch Zu-
wendung von sold gefällig war.
9) Oder sollten diese Unterstützungen dem fünften Jahrhundert fremd gewesen
sein, im vierten als ein überbleibsei der diobelie eingerichtet? ich neige mich jetzt
dieser auffassung zu. das ist dann für die zeit wichtig, in der diese aufstellung
der 2000 erfolgt war.
10) Die (pvXaxal Seoficorcöp rechnet die oligarchische Politie unter die stän-
digen geschäfte des rates dicht neben der dokimasie der waisen, 3, 4. es werden
immer aufser kriegsgefangenen namentlich geisein aus einer oder der andern Stadt
auf den kleinen inseln internirt gewesen sein, wie die Samier 440 auf Lemnos,
Thuk. 1, 115.
20000 kostgänger des Reiches, stärke der athenischen bürgerschaft. 207
die garnisonen Athens' in den Städten werden ihren sohl ganz gewifs
nicht aus Athen nachgeschiciit noch üherhaupt aus anderen milteln
erhalten hahen als von den städten selbst, die sie bewachten.*') und
(las geld der biindner, das in die bände der von Athen ausfahrenden
iieamten geht, oder das die rechtssiichenden in Athen etwa an die
herolde zahlen ([Xen.] Uol. Ad^. 1, 18), macht nicht den umweg durch
die attische Reichscasse. alle " ehrenämter' konnten in dieser liste nur
stehn, wenn sie *^ nebeneinnahmen brachten.
Wir teilen die parteitendenz des Theramenes nicht , seine angäbe stärke der
T -111 T (-11- 111 ? , atlienisclien
dient uns vielmehr dazu, die grülse der leistungen der Athener und die btirger-
sclial't
Stärke ihrer bürgerschaft zu schätzen. 1600 schützen, 1200 reiter*^),
6000 hopliten und flottenmannschaften , 500 ratsherren, 1000 weitere
beamte sind jähr für jähr zur regelmäfsigen Verwaltung herangezogen :
das macht 10 300, sagen wir 10 000. ricbter sind 6000 ausgelost, die
auch die meisten werkeltage im öffenthchen dienste stehn. wie sollen
wir das Verhältnis dieser 16000 zu der gesammtbürgerschaft ansetzen?
es ist noch nicht lange her, dafs sie im ganzen ziemlich eben so hoch ver-
anschlagt worden ist, und wer hoch greift, gebtauch jetzt noch nicht leicht
über 30 — 35 000 köpfe, ich halte es für ganz illusorisch mit statistischen
wahrscheinhchkeitsrechnungen zu operiren. die zahlen, die wir vor uns
haben, gelten der körperlich und geistig rüstigen männlichen bevölkerung;
leute über 60 jähre sind von vielen kategorien ausgeschlossen, von
andern die Jahrgänge 20 — 30. verhältniszahlen für die greise, für die
erwerbsunfähige bevölkerung, für die kinder, endlich für die weiber
überhaupt sind mit keinen wissenschaftlichen künsten zu erzielen, aber
das sollte sich von selbst verstehen, dafs es Athener gab, die das land
bestellten , die topfe und rocke und panzer machten , das brot buken
und das öl prefsten, handel trieben und ins ausländ fuhren, den Par-
thenon bauten, die Poikile malten, bei Protagoras hörten und für Sopho-
kles tanzten, soldat mufste jeder werden, aber als mann nur in kriegs-
zeiten; zu allen andern stellen kam nicht leicht jemand, der es nicht
wollte, und die ruhigen leute waren noch nicht ausgestorben, es ist
11) Nachtragen kann ich hier einen schönen beleg: hinter dem rescript Ale-
xanders an Chios steht ein nachtrag, offenbar eine mitteilung des königlichen be-
vollmächtigten. fiixQi' civ diallaycoai XXoi, fvXay.rjv slvai Tictq' avroTs Tta^' l^Xe-
^AvSqov tov ßaaike'cos, offt] av ixnvr^ rji, rQecpeiv Ss raoTrjv Xiove. (Ad'r^vä V 10).
12) Von diesen beiden classen können angehörige auch unter beamten und
richtern sich befinden, weil sie stehende truppen bedeuten, die nicht ständig im
dienste sind.
208 II. 9. 3000 hopliten von Acharnai.
eine hare laoherlichkeit, auch nur zu meinen, dafs die gesammte bürger-
schaft jedes vierte jähr wieder im turnus herangekommen wäre: sn
etwas träumten die staatsverbessernden ohgarchen. lassen wir also die
6000 richter fort, die mochten alle aus Philokleonen bestehen und zeit-
lebens richten, lassen wir schützen und reiter als ständig fort, so bleiben
noch 1500 beanite und 6000 Soldaten, wenn wir darauf hin die ent-
sprechende gesammtbevölkernng auf 60000 schätzen, so ist das immer
noch zu niedrig.
Wir haben nur eine leidlich verläfsliche zahl, 21 000 bürger (d. b.
epitime Athener über 30 jähre) unter Demetrios von Phaleron.*^) dafs
das ein drittel der entsprechenden bevülkerung unter Perikles ist, pafst
sehr gut. damals forderte seit mehr als zwei menschenaUern ein eng-
herziges gesetz die bürgerliche abkunft beider eitern für den bürger,
die auswärtigen besitzungen und mit ihnen ein grofser teil der colonisten
(z. b. ganz Salamis) waren verloren, die auswanderung mufs schon
längst den iiberschufs der geburten über die todesfälle verschlungen
haben, und die eben der neuen komoedie sind nicht mehr fruchtbar, die
katastrophen von 322/20 hatten zudem erst kürzlich eine menge bürger in
die fremde getrieben, dafs auch die patriotischen männer sich über den
abstand von der grofsen zeit täuschten und gerne täuschten, ist nicht wun-
derbar, aber das griechische mit seiner runden zahl (.uoLol und ihren
Steigerungen ist auch genaueren angaben sehr wenig günstig. tqlO{.ivqLol
ist etwas ganz ungeheures dem Hesiodos, der so viel Wächter des Zeus
zählt (Erg. 252), und als eine ungeheure zahl braucht es Herodot (5, 97)
von den Athenern in der Volksversammlung (wo niemals auch nur 10 000
waren), Piaton (Symp. 175) von den Zuschauern im theater, und Aristo-
phanes von den bürgern seines Staates, der streng genommen die weiber
einschliefst (Ekkles. 1132). aber öioi.ivQioL tut es auch, so hoch be-
ziffert Piaton die waffenfähigen seines Urathens (Kritias 112'=) und Philo-
choros (schob Pind. Ol. 9, 68) die Athener zu Kekrops zeit, bei einer
gelegenheit, wo er eigentlich auch die weiber mitzählen mülste. die an-
schauung, dafs die bürgerschaft sich so hoch beliefe, scheint im vierten Jahr-
hundert verbreitet gewesen zu sein, aber selbst (.ivqloi kommt früher vor.
so viele Athener sollen bei Maralhon gefochten haben, wohin sie nav-
dr^litsl gezogen waren, daneben 1000 IMalaeer: die zweite zahl ist viel
zu hoch, die erste zu niedrig, ernsthaft von ihr zu reden kann nicht
13) Ktesikles bei Atlien. Vi 272«=. alle beweisstellen bei Böckh Stbli. 1 4S ffg
sie sind so allbekannt, dafs icli sie nicht alle wiederholen mag.
Stärke der athenischen börgerschaft. stärke des heeres 432. 209
verlangt werden, die sehr alle Verordnung, welche 6000 stimmen für
die beschluMähigkeit eines vö/iiog kjt avögi verlangt, hat damit offen-
bar die beleiligung der majorität vorschreiben wollen.") aber dafs das
zu wenig war, lehrte die Athener sehr bald der katalog ihrer wehr-
fähigen, und so verschwindet diese Schätzung.
Im jähre 445/4 haben 14240 Athener von einer getreidespende
von 40 000 scheffeln ihr teil bekommen ; 4760 sind in die sclaverei als
TtaQeyygacpoL verkauft, so hat Philochoros berichtet, (schob Ar. Wesp. 718):
erst Plutarch (Per. 37) hat die empfänger mit der gesammtbürgerschaft
identificirt: als ob Kleon und Sophokles und die ratsherrn und Areopagiten
mit einem scheffelsack in das Odeion zu den getreidemessern gelaufen
wären, dafs die beiden zahlen die runde summe 19 000 ergeben, ist
allerdings verdächtig, und die höhere dürfte durch rechnung gefunden
sein: aber bezeugt wird hier nur eine zahl vergleichbar den zahlen der
römischen largitionenempfänger, nicht eine censuszahl. w'enn 19000
oder auch 14000 Athener einen sack mehl nahmen, gehn wir fehl,
wenn wir die gesammtbürgerschaft auf das vierfache schätzen?
Ein besonderes gewicht hat man immer auf die angaben des Thuky- starke des
dides gelegt; es läfst sich aber sehr leicht zeigen, dafs sie auf einer
ebenso durchsichtigen wie unzuverlässigen rechnung beruhen, er sagt
2, 31, dafs bei dem ersten einfalle in Megara wenigstens 10000 hopliten
waren, zu denen er noch 3000 vor Poteidaia zählt, aufserdem 3000
hopliten aus dem metökenstande und die nicht gezählten Iheten. ver-
gessen hat er dabei sämmtliche hopliten in den garnisonen, die wir nun
mit 2500 vermuthch zu niedrig, da es krieg war, in anschlag bringen
können, das hat er in der allgemeinen übersieht 2, 13 richtiger mit
in anschlag gebracht, wo er die hopliten eben nach der zahl von cap. 31
/auf 13000 avev twv bv rolg (pQOVQtoig angiebt. dazu fügt er als
Wächter der städtischen befestiguug 16000 arto ts tcov TiQeoßvrärcov
xat Tcöv vscoTaTCüv y.al f.i8Toi/.iov oooi OTckltai r^oav. die letzte zahl
kennen wir schon als 3000. es bleiben also 13 000 für die hophten
unter 20 und über 60 jähren; eine recht oberflächliche Schätzung, denn
sie beruht auf der gleichsetzung mit den 13000 zwischen 20 und 60.
endlich gibt er die etatsmäfsigen zahlen für schützen und reiter ganz wie
der oligarch des Aristoteles, somit bleibt das einzige brauchbare, dafs
432 effectiv 15500 hopliten zur Verwendung gekommen sind, so viele
14) Das gesetz kann sehr gut aus einer zeit stanamen, wo die noXixeia ansSe-
Soro rois onXa naQS^Ofidvoie.
V. Wilamowitz, Aristoteles. II. 14
210 II. 9. 3000 hopliten von Achainai.
waren eine zeit lang von hause abwesend, die theten waren es aucli,
reiler und schützen auch, über 100 trieren auch: soll damals Atlika ver-
ödet gewesen sein, oder nur von den sclaven und weibern, greisen und
kindcrn bewohnt? wo nicht, kann man die bevölkerung unter 60 000
schätzen?
Bevöike- Und nuu endlich zu der angäbe, die ich diesem capitel zur über-
Acharnai. schrift gegeben habe, den berufenen 3000 hopliten von Acharnai (Thuk.
2, 20). als Müller-Strübing vor zwanzig jähren sie als absurd darzutun
versuchte, hat er so gut wie allgemeinen beifall gefunden, jetzt stürzt
aucli diese letzte säule seines baues — von seinen andern positiven
aufstellungen ist langst nichts mehr übrig; die nützliche Wirkung seines
buches hat nur in der negation gelegen, dafs es mit seiner änderung,
300 für 3000, nichts ist, hat man schon eingesehen, aber wenn jemand
1500 vorschlagt, so ist das Verzweiflung, da damit jede probabilität der
Verderbnis aufgegeben ist. das Verhältnis der Acharner zu den Athenern
ist auf grund des prytanenverzeichnisses II 868 wol zu schätzen, wenn
sie 22 ratsherrn der Oineis stellen, so sind sie rechtlich eine trittys,
factisch wol die hälfte der phyle, also ein zwanzigstel der Athener,
l-i^ya f.i€Qog ttjq TtoXeiog, wie sie bei Thukydides sagen. 300 würden
also 6000 hopliten ergeben, eine lächerlichkeit. 3000 aber ergeben
60 000, das ist immer noch zu viel, ich habe vor jähren einmal
die oTtklrai in TtoliTai zu ändern versucht, wie mittlerweile jemand
üfl'entlicb vorgeschlagen hat, aber der Zusammenhang verlangt bei Thu-
kydides gebieterisch die Soldaten, jetzt gibt sich die losung einfach, im
kataloge haben keine 3000 gestanden; da standen nur die 40 Jahrgänge
20 — 60, und die haben schwerlich 60000 Athener enthalten, aber
gegen Perikles schrien die greise, die bei Aristophanes den chor bilden,
herzhaft mit. die zahl beruht also auf einer Schätzung, nicht auf Zählung.
so hoch taxirte sie die öffentliche meinung damals; Thukydides hat es
mit erlebt, sie schrien um ihre Weingärten und kohlenmeiler: es waren
die besitzenden, die geschädigt wurden, wenn sie zum dienste zu pferde
berechtigt waren oder gar trierarchisches vermögen hatten , so wurden
ihnen nur mehr äcker verwüstet, sie schrien also nicht minder, mit
andern Worten, TQiayJlioi onlUai sind es schon, aber 6vvai.i£i OTtllzai,
07cla TtaQSxofievoi. "wir könnten 3000 hopliten allein stellen, lafs
uns marschiren, Perikles, wir jagen die Peloponnesier weg. wir wollen
marschiren, keine quantite negligeable, sondern 3000 hopliten." das
ergibt 60 000 d7T}M nage^Sf^ievoL für das ganze volk. an sich zu viel,
bringt man aber in anschlag, dafs die zeit die des höchsten wolstandes
Bevölkerung von Acharnai. 211
ist, Acharnai besonders wolhabend (durch den krieg dann stark verarmt)
und die zahl besonders hoch gegriffen, so wird man zwar zugeben, dafs
sie zum fundamenle genauerer berechnung sehr wenig taugt, aber dafs
Thukydides sie geschrieben liat, mufs man auch zugeben.
Die überheferung ist besser, aber Athen ist auch gröfser gewesen,
als vor 20 jähren angenommen ward, o TQojoag Iccoerat; aber nur
wer verwunden kann, kann heilen, nicht die buchstabengläubige im-
potenz, sondern die kritik und die fortschreitende geschichtUche forschung
restituirt die Überlieferung und die gröfse Athens.
14*
10.
DIOBELIE.
Die inslitution der diobelie'), die diesen festen namen führt, ist
durch Kleophon eingeführt; das sagt Aristoteles 28, 3 und damit sind
ihre antiken und modernen deutungen auf den richtersold oder die schau-
gelder beseitigt, sintemal diese längst bestanden: es ist nur ein beweis
für die macht des trägheitsgesetzes , dafs sie selbst zur erklärung des
Aristoteles weiter vorgebracht werden.
Für die diobelie begegnen uns bedeutende Zahlungen in der schuld-
urkunde aus dem jähre des Glaukippos 410/9 und einem der folgenden
408/7 oder 407/6 (CIA I 188, 189); das geld ist von den Schatzmeistern
der güttin an die hellenotamien gezahlt, die posten sind zum teile sehr
niedrig, dann wird aber fast täglich der schätz in anspruch genommen.-)
1) Die richtige auffassung der diobelie hat mir zuerst vor jähren ein schüIer,
J. Clirist, derselbe der zuerst die tributlisten richtig auf die hellenotamien bezogen
hat, als thesis mitgeteilt und die Inschriften richtig verwertet.
2) 189^ am 13, 17, 18, 19, 22, 23, 24, 26, 30, 36 tage der prytanie. manchmal
gibt es freilich nur 12 drachmen. es wird offenbar jeder tropfen, der in den schätz
einströmt (aus weihungen, opfergefällen und dmSa'xara) sofort ausgeschöpft: wenn
der kleine schätz der Athena Nike einmal auch etwas hat (am 13, 17, 30 und, wie
man sicher ergänzen kann, 36 tage), so wird aus beiden schätzen entliehen, der
name der göttin steht hier im dativ, wie man dem Zeugnisse Waddingtons glauben
mufs, obwol Fröhner mehrfach anderes angibt (CIA IV p. 35). der genetiv, den man
erwartet, steht 188. der dativ dagegen dürfte auf dem bruchstück 190 gestanden
haben, und zwar in einer Überschrift, wie die gröfseren buchstaben zeigen, l^&e-
raC\ai no?u(i[8i ist gewifs probabler ah Kirchhofs ^^&r;vacas Niy.T]S x]ac IlolinlSos.
wie dem auch sei: dafs das geld für die göttin verausgabt wäre, ist gar nicht aus-
zudenken, und wer gab es denn? etwa die Parthenos der Nike? nicht sachlich son-
dern nur formell können sich die vermerke unterscheiden; die grammatische erklärung
wird nur ein stein geben, der die formel vollständig liefert, inhaltlich müssen wir
das unklare nach dem klaren beurteilen, so mit recht Beloch Rh. M. 39, 242, der
im übrigen die sache nicht gefördert hat.
IL 10. Diobelie. 213
für die Verteilung des geldes gab es eine behörde, denn Xenophon
Hell. I 7, 2 nennt den Archedemos xov öi]fxov yrooeffTjjzwg zai zrjg öico-
ßsUag k7tL(.ieX6(.ievog. aber der ausdruck führt auf ein collegium von
STtifiskrjTai, das wir der weise des fünften Jahrhunderts entsprechend
nicht über den beamten stehend denken dürfen wie im vierten die krtl t(^
■d^stüQixcp , sondern unter ihnen, also nicht befugt, selbst das geld aus
dem schätze zu entleihen, aber der erste demagoge (rcc nQÜJxa Ttjg exsl
(.tox^r^Qiag, sagen die seligen der Frösche von Archedemos 418), ein mann,
der sich von Kriton gegen tantieme zum schütze seines Vermögens vor
den sykophanten anstellen liefs (Xen. Memor, II 3), bekleidete doch dieses
amt, in dem wir also Kleophon und Kallikrates auch denken müssen,
als eine volkstümliche einrichtung hat das diobolon Theseus bereits im
schattenreiche verbreitet, so scherzt Aristophanes 405 (Frosch. 140). mit
dem Sturze der demokratie ist die diobehe verschwunden.
Sie hat anderen für eine grofse Vergeudung gegolten. Aischines sagt
von Kleophon 2, 76, wo er dieselbe tradition wiedergibt, die Aristoteles
in seinem passus über die diobelie vor äugen hat, öisipd^aQ'/Mg vo/j.jj xqtj-
/.larcov Tov örj-iov, und Aristoteles selbst sagt in der Politik (B. 1267^)
um die Unersättlichkeit des demos zu kennzeichnen, zuerst wäre er mit
der öicoßsXia zufrieden, wenn die aber erst herkömmlich {Tcätqiov) ge-
worden wäre, verlange er mehr; was keinesweges im hinblick auf die
gegenwart gesagt sein mufs, ja überhaupt nicht als geschichtliches exempel
angeführt wird, wol aber steht es in der auseinandersetzung , dafs die
herbeiführung der gleichheit des Vermögens kein radicales heilmittel
wäre, schliefst also jede deulung der diobelie auf sold für wirkhche oder
angebliche leistungen aus.
Was die diobelie gewesen ist, sagt Aischines eigentlich genugsam:
bürgersold, Verteilung von geld an den demos, geradezu Staatspension.
so erklärt auch das rhetorische lexicon, das im fünften Bekkers und im
Et. M. vorliegt: duoßelia ' oßeXol ovo ovg 6 örj^iog xad^ fi(.iEQav ef.iL-
od-ocpoQSL. gedruckt wird zwar für x«^' i^fisgav an beiden orten xai^rj-
(.levog, aber ich freue mich die emendation nicht als solche geben zu
müssen, da ich bei Gaisford in der anmerkung finde, dafs der codex
Marcianus 530 das richtige hat; dem ächten Etymologicum ist die glosse
fremd, es ist ganz begreifhch, dafs diese tägUche ausgäbe zu einer fast täg-
hchen anleihe bei Athena führte, begreiflich auch, dafs der sold dem volke
sehr behagte und für theseisch ausgegeben ward, dafs ein solcher sold
gezahlt ward, hat Xenophon aus seinen Jugenderinnerungen nicht ver-
gessen, wenn er es auch nur durch einen starken anachronismus in sein
214 n. 10. Diobelie.
Symposion hineingebracht hat. da sagt Charmides, Piatons onkel, den
er nicht ohne bosheit mit der rolle ausgestattet hat, die armut tu loben
"als ich reich war, cpoQOv ccTcecfSQOv zo) örj/no) (wie ein dovlog xcoQig
oi'/,cöv, nämlich durch die liturgien, wie er vorher ausgeführt hat), vvv
de Tj Ttölig rslog q)iQOvoa tqicpet (.le (4, 32)". die sache ist vollkommen
evident.
Das ist der rückschlag gegen die aufhebung des soldes von 411,
und schon vom jähre des Glaukippos 410/9 ab hat die allgemeine be-
soldung bestanden, die doch noch etwas ganz anderes ist als das ekkle-
siastikon des Agyrrhios. und als der demos eine drittel drachme hatte,
fand sich bald ein demagoge, der ihm eine halbe versprach, und als
er das nicht halten konnte, mit dem köpfe zahlte.^) dafs darnach nicht
etwa die diobelie dauernd beseitigt ist, wie der ungenaue ausdruck des
Aristoteles nahe legt, folgt aus den Fröschen.
So sehr man das princip verdammen mag: die billigkeit fordert für
jene schreckliche zeit den demagogen einige berechtigung zuzuerkennen,
die armen Athener safsen in einer belagerten Stadt; ihre äcker konnten
sie nicht bestellen, handel und gewerbe lagen darnieder, wer die waffen
tragen konnte, mufste dienen, und dann hatte er wenigstens anspruch
auf sold und Verpflegung, aber der landsturm auf den mauern bekam
schwerlich sold wie die hopliten, und die greise und jünghnge, und
weiber und kinder? die menge des Volkes, auch der Proletarier, hat
wahrhaftig damals nicht geschlemmt (das imputirt ihnen die haltlose deu-
tung der diobelie auf Spielgelder), sondern bitter gedarbt, und hat 404
bewiesen, dafs sie für die freiheit gern hungerte, die politischen rechte
mochte an der zeit sein ihnen zu nehmen: dafs sie sich nicht nur
nicht das bischen brot, das sie bisher für ihre dienste erhielten, haben
entziehen lassen, sondern brot von dem vaterlande gefordert haben, soll
ihnen niemand verdenken. Kleophon mag nicht gut haben attisch reden
3) Das gedächtnis dieses Unglücksmenschen, Kalllkrates aus Paiania, ist aufser
durch Aristoteles noch in zwei spriich Wörtern erhalten, oßolov tjvqb JJaQvonis
(Zenob. II 91 des Athous, im Parisinus nicht erhalten, daher im Göttinger Corpus
Append. 4, 11; ein par werllose worte bei Hesych na^vönt] aus Zenobius), richtig
behandelt von Meineke Com. IV 700, dessen emendalion Ua^voTiis durch üa^voiTrjs
des Athous, Ua^vöitri des Hesych gesichert ist, und ebenso seine herstellung von
KaXXixQartjS für KaXliarQuros durch Aristoteles, er stützte sich auf das sprüch-
wort vnsQ t« KaXhy.Qdtovs , Zenob. Ath. III 151, Paris. VI 29, Phot. Suid., das
Klearchos auf einen Karystier des namens falsch, irgend jemand anderes nach unserer
Aristotelesstelle richtig, aber indem er diese falsch deutete, auf den Athener be-
zogen hat.
II. 10. Diobelie. 215
können, und durch seinen terrorismus, der den krieg bis aufs äufserste
fortführte, hat er seinem vaterlande schwer geschadet, aber wie er selbst
sein leben für die demokratie gelassen hat, so verdient er für die ein-
führung der diobelie mehr als entschuldigung, verdient er anerkennung:
das Erechtheion haben die Athener auch in der schlimmen zeit gebaut,
und seine pracht scheint auch zunächst mit dem slaallichen elende übel
zu contrastiren, aber es ist mit recht bemerkt worden, dafs der Staat
den bau nur fortführte um der brotlosen bevölkerung, hier zumeist der
nichtbürgerlichen, arbeit zu schaffen, die schlecht genug bezahlt ward,
eine mafsregel, die von einem wirtschaftlichen notstande aufgezwängt wird,
ist kein niuster für normale zeiten, sie mufs lediglich aus dem zustande
erklärt und beurteilt werden, der sie erzeugt hat.
Ganz anders mufs der Staatsmann beurteilt werden, der den bürger
als bürger in ruhigen zeiten mit staalsgeldern füttern will, der gedanken-
gang ist auch da, wie es bei den radikalen zu sein pflegt, sehr schon
logisch, der staat ist eine actiengesellschaft und verteilt die dividenden
an die actionäre. so hatte schon 483 eine Verteilung der Überschüsse
aus den Pachtgeldern der bergwerke an die bürger statt finden sollen,
und wenn das damals von Themistokles verhindert worden ist, so wird
es doch zu andern zeiten sowol in der sammtgemeinde wie in den demen
vorgekommen sein.^) die theorika des Eubulos gehören sachlich in
diese kategorie, und Demosthenes hat diese Vergeudung der Staatsmittel
bitter empfunden, wenn er auch demagoge genug war sie zu zeiten zu
verteidigen.^) wenn er die rede 7t€Qi ovvTccBstog nicht selbst verfafst
haben sollte, (was ich glaube, wenn ich's auch nicht beweisen kann), so
ist diese doch keineswegs von dem dummen rhetor, dem man sie seit
4) Plaut. Aulul. 107 noster nostrae qui est magister curiae dividere argenli
dixit 7iummos in viros. da das original aus der zeit nach 279 stammt, kann man
an einen phratriarchen schwerlich denken, wird also annehmen, dafs der demarch
gemeint ist.
5) In der vierten Philippika 35 ffg. die ächtheit dieser rede und der wider
den brief des Philippos mache ich mich anheischig zu erweisen; nur sind es aller-
dings keine reden, sondern politische flugschriften, die letzte ein ebenso geschickter
wie perfider Zeitungsartikel, bestimmt, den eindruck zu verwischen, den der sachlich
und formell meisleihafte brief des Philippos machen mufste. die moderne Verwer-
fung ist eine ausgeburt der fanatischen bewunderung, die dem redner Staatsmann
und menschen Demosthenes nur oratorisch und moralisch unsträfliche meisterwerke
zuzuschreiben wagte. Weil hätte die reden nur energisch als geschichtliche auf den
moment berechnete erzeugnisse anfassen sollen, dann würde er sie zuversichtlich
für acht erklärt haben.
216 II. 10. Diobelie.
F. A. Wolf zuschreibt, denn weder Inhalt noch form verweist sie aus
dem demoslhenischen Zeitalter.®) dieser redner also schlägt für die wehr-
fähigen hürger einen sohl als OTQcauoTiy.öv vor, für die greise ein 1^6-
raOTLY.öv oder wie man das nennen wolle (4). er will dafür gegen-
leistungeo verlangen, insbesondere den persönlichen kriegsdienst, und
wenn wir jetzt nur ziemlich vage gedanken lesen, so hat er das früher
ausführlicher dargelegt (9), aber die ühele erfahrung gemacht, dafs das
Volk für alles taube obren hatte, nur nicht für die zwei obolen (10).
man kann das nicht wol anders verstehen, als dafs er die diobelie in
etwas anderer form vorgeschlagen hatte, schlimm genug; und doch
dürfte fraglich sein, ob sie unter gleichzeitiger beseitigung der ungleich
hidieren diäten für die Volkversammlung und unter beschränkung der Spiel-
gelder nicht ein Vorschlag war, der wenn auch praktisch kaum discutir-
bar, theoretisch sogar einen finanziellen vorteil für die Staatskasse in aus-
sieht stellte, ich für mein teil traue ihn dem Demosthenes in der zeit,
wo er von brennendem ehrgeiz verzehrt in der Opposition stand und
jede innere und äufsere frage als Sprungbrett in die regierung versuchte,
ohne bedenken zu. wie dem aber auch sei: für die diobelie des Kleophou
ist der Vorschlag der rede aus eubuhscher zeit eine sehr belehrende
parallele.
6) Vgl. Foucart Bull, de Corr. Hell. XII 437.
11.
TIMHMATA HAPEXOMENOI.
In dem vertrage, durch den die Versöhnung zwischen Stadt und
hafen 403 herbeigeführt ward, sind die Dreifsig, die zehn (d. h. die ersten,
zu denen Pheidon, nicht die ÖLaXXaxxai, zu denen Rhinon gehörte'), die
elf und die zehn im Peiraieus von der amnestie ausgenommen, und auch
sie nicht, wenn sie rechenschaft ablegen und decharge erhalten, rechen-
schaft wird abgelegt von den beamten der partei des hafens vor dieser,
von denen der städter aber nicht vor diesen, sondern vor den riiirmaxa
TiaqEiö^iEvoi. so steht es in dem documente 39, 6. die demokraten
des hafens sind sieger, hinter ihnen steht die macht der spartanischen
regierung; sie sind bevorzugt, denn sie nehmen ihren beamten seihst
die rechenschaft ab. die gegenpartei ist nicht so günstig gestellt; da
werden die richter aus einer classe genommen, sind also sowol Städter aus-,
wie leute des hafens eingeschlossen, es fragt», sich, was heifst Ti(.iYji.iata
TtaQiyisGd^ai. oder eigentlich fragt es sich nicht, denn nach onXa Ttage-
Xead^ai, das Drakon und die 400 und Thukydides so oft gebrauchen,
sind es die w-elche in der läge sind, die Tif.irif.iaTa zu leisten, zu prae-
stiren, und Tif.irjf.iaTa sind die eingeschätzten stufen des einkommens
seit Solon. also sind die TLfirjfiaTa naQs^ofisvoi die steuerfähigen
bürger, die bürger der drei oberen classen. in der tendenz, der aus-
sclüiefsung des Proletariates, deckt sich diese bezeichnung mit der be-
schränkung der politischen rechte auf die oft?.a Ttagexofisvot; aber der
1) Lysias wagt bereits 403 auf die confusion beider zehnercollegien zu rechnen,
er sagt von Pheidon 12, 58 alosd'sis v/uäs SiaXXä^at y.ai xarayayEiv: das war nur
der auf trag der zweiten zehn, wenn auch bei der wähl der ersten viele gehofft
haben mochten, dafs es zu einer Versöhnung käme, um so begreiflicher ist es, dafs
spätere die zehnercollegien verwechseln.
sthenes.
218 II. 11. Tifij'jiaxa TtaQExöixepoi.
ausdruck ist ein anderer, dafs in jener schweren zeit die directe Steuer,
die eiocpoga, oft erhoben worden war, also die grenzhnie zwischen dem
der das eingeschätzte leistete oder leisten konnte und den tlieten eine
elTective bedeutung hatte, also auch die berechtigung constatirt werden
konnte, ist durchaus glaublich, dennoch wundert man sich über die
veränderte terminologie, die unmüglich blols in dem werte bestehen kann,
und wundert sich über ein solches tribunal.
Aufklärung verschaffen uns nicht die dürftigen geschichtlichen be-
Lysias richte*); eine Übergangszeit, die für die radicale deniokratie wenig rühm-
wider i
Erato- lieh War, ward sehr rasch und gern vergessen, aber zum glücke sind
eine anzahl documente erhalten, eben aus jener Übergangszeit, die durch
den hinzutritt der neuen Urkunde erst vuUkommen verständlich werden.
Das erste ist die zwollle rede des Lysias, die wir nach der hand-
schrift y.ar EgaTOod-evovg rov yevofxivov töjv Tgiaxorza nennen, für
die aber Pseudoplutarch den tilel -/mtcc rtov TQtäy.ovxa angibt, es ist
über die zeit der rede und den rechtsfall sehr viel geschrieben worden;
die Sache liefs sich in der tat bisher nicht erledigen, nun aber brauchen
wir nur noch die rede selbst zu verhören.
"Mir wird es nicht schwer mit meiner anklage anzufangen, aber
wol aufzuboren: so schwer und so zahlreich sind ihre verbrechen", wer
so anhebt, richtet sich gegen viele, nicht gegen einen, und die er an-
greift sind nicht zur stelle, sonst würde das pronomen ovtoq stehn,
nicht avTolg. der paragraph 21 zählt in einer durch die endreime der
glieder gorgianisch geschmückten periode die Schandtaten der Dreifi^ig
auf, und darauf geht es weiter y.al dg rooovröv elot töXf-ir^g acpty-
f-iivoi cood- r\v.ovOLV aTtoXoyr^GÖf-UvoL /.al /Jyovaiv wg ovöev y.av.bv I
ovö^ aiaxQov elgyaof-ievoL ugLv. da stimmt die mehrzahl, aber sie !
2) Diodor 14, 33 und Nepos im Thrasybul geben nur das schliefsliche resultat,
obwol ihre worte noch den anschlufs an das versöhnungsdeciet zeigen. Xenophon
Hell. 2, 4, 38 — 43 hat auch die hauplbesliinmungen der amneslie vor äugen (38 ist zu
schreiben et Se tivbs cpoßolvro ra-v f| äazstog, eSoaav avtols 'Ekevalva xaroi-
xislv; überliefert ist k'So^ev für tSoaav), aber er hat es für wirkungsvoll gehalten,
dem Thrasybulos eine schöne versöhnungsrede zu geben, in der er den Städtern
ihren mangel an 8iy.aioavvr] avS^eia und yvcöur] zu gemüte führt, den demos mahnt
die eide zu halten, das ist eine sehr wenig versöhnliche rede, die überhaupt mehr
für Xenophons Kyros pafst. dann folgt als erzählung, dafs sie die allangestammlen
gesetze bewahrten, beamte wählten und also verfassungsmäfsig und einträchtig lebten,
das sind redensarten. er hat die Dreifsig gehalst und Thrasybulos verehrt; das war
ganz brav, aber gewufst hat er herzlich wenig, und hier beherrscht selbst ihn die
demokratische phrase.
Lysias wider Eratosthenes. 219
scheinen zur stelle zu sein, dafs die anklage sich gegen die Dreifsig richtet,
ist allerorten klar, "bürger und fremde sind zusammengekommen, um
zu erfahren rLva yvcoimp' neql tovtcov s^ere 35, und in dem epiloge
dieses teiles (37 — 40) ovy. olS' 6 zt del noXka -/.ax^yoqüv xoLOvxviv
avÖQiiJv. und schhefslich wird es ganz ausdrücklich ausgesprochen, jetzt
wäre die gelegenheit Ttaqa. EQaToad-evovg -/.al tcov' rovrovl ovvaQ%6v-
Tiov öUrjv Xaßelv (79), und yMrrjyoQrjvai Egarood-evovg v.ai xmv tovtov
cpUiov (81). also die bezeichnung xara tcJv zQiaxovra ist richtig, die
andere /.ax' ^EQaxood-evovq ist aber auch richtig, denn die öirjyriOig
(4 — 34)^), in der ein lebendiges directes verhör mit dem angeklagten
steht (25), der auch wiederholt angeredet wird, geht des einen mannes
schuld, eine ganz bestimmte tat, an. und der beweis, der allein durch
Zeugenaussagen geführt wird (41 — 61), geht lediglich den Eratosthenes
und sein verhalten an, die vüa ante acta und die unter den Dreifsig.
aber wenn dies zwei teile sind, von denen der eine die einzelne tat,
die tötung des Polemarchos, deren Eratosthenes geständig ist, der andere
sein politisches verhalten angeht, so ist damit genügend gesichert, dafs
es sich um beides handeln mufs. wenn wir da hören xo Öh xeXevralov
eis xTjv aqyjiv y.axaoxdg (48), so läfst die rede im ganzen zwar keinen
zweifei, dafs es sich um den platz unter den Dreifsig handelt: aber der
bestimmte artikel weist genugsam darauf hin, dafs es sich eben um dieses
amt auch vor gericht jetzt handelt, nimmt man dazu das i]xovoiv arco-
loyr]o6f.i€voi 22 und jjzet ctTtoXoyrio6i.iEvog 84, so ist jeder zweifei aus-
geschlossen , dafs sich Eratosthenes dem gerichte freiwillig gestellt hat,
mit andern Worten , dafs er von der clausel der Versöhnungsurkunde
gebrauch gemacht hat, die den Dreifsig amnestie verhiefs, wenn sie sich
der rechenschaftsablage unterzogen, so urteilten denn auch die verlei-
diger desselben, man sollte ihn freilassen, weil er am wenigsten übles von
den Dreifsig getan hätte (89), was Lysias von seinem Standpunkte nennt
Ölcc xo vfiEXEQov 7tXy]d-og ttöecog xoig xQKxxovxa oiöteiv (87). es ist
also in der tat ein rechenschaftsprocefs eines der Dreifsig. in ihm steht
der isotele Lysias auf und führt die klage, wie jeder es konnte.") es
3) Es ist sehr zu beachten, dafs Lysias bei den richtern voraussetzen darf, sie
■wüfsten mit seiner familie, seinem hause im Peiraieus und dergleichen schon be-
scheid. er war schon ein bekannter sophist, das haus des Kephalos sehr ansehnlich,
die familie im verkehre mit der guten gesellschaft, ganz wie es Piaton schildert.
4) Die juristische Selbständigkeit des metöken tritt hier allerdings deshalb so
grell hervor, weil er sich immer als bürger benimmt, und er rechnete wol sicher
auf den erwerb des bürgenechles. aber dafs der metöke vor gericht den bürgern
220 II. 11. Tiurjfiaxa na^exöfieroi.
ist nicht ersichtlich, in welcher iorm die Verhandlung eingeleitet ward,
ob durch die constituirung eines logistenprocesses oder durch die ein-
reichung der privaten anklagen vor den ratseuthynen. da ein rat sofort
constituirt ward, ist das letztere wahrscheinlich; der Vorsitz ist dann
den thesmotheten zugefallen, die auch gleich mit dem archon Eukleides
eingesetzt sein müssen. Lysias konnte eigentlich nur über seine eigene
Sache beschwerde führen, aber da es sich für Eratoslhenes um die ganze
amtsführung handelte, so verschob sich das fast notwendigerweise, da-
gegen ist es bare sykophantie, wenn der redner fortwährend die rechen-
schaft des einen, der eben personlich beurteilt sein wollte, mit der der
Dreifsig überhaupt zusammenwirft, mit grofsem geschicke sagt er gleich
im eingange (2) "ich mufs ja zugestehn, dafs ich durch die mir persön-
lich angetane unbill veranlafst bin, hier zu reden" ■'^) gleich als ob es in
der Ordnung wäre, dafs er über das allgemeine in erster linie spräche,
und sein persönlicher handel höchstens einen schatten auf seine ob-
jeclivität w^ürfe: in Wahrheit gieng ihn die amtsführung des Erato-
sthenes im übrigen gar nichts an; ihren Staat mochten die Athener
allein gut oder schlecht verwalten, sie waren liberal und gerecht, wenn
sie ihm verstatteten seine private beschwerde über ihren beamten vor-
zubringen.
Wenn es sich denn um die rechenschaft handelt, so müssen die richter
aus den Tii.irjf.iaTa 7raQ6xö(.i€voL genommen sein, also aus beiden Par-
teien. Lysias sagt 84 von Eratosthenes, dafs er vvvl ot/ eTSQiov
ovTtov TWj' diT-aOTiöv akX avTCov twv y.ay.iog vcejcov^OTtov rf/.ei ano-
Xoyrjo6f.ievog tiqoq avTOvg Tovg [.ictQTVQag Trjg tovtov 7tovr]Qiag. darin
liegt nur, dafs leute aus der Stadt beteiligt sind, wenn es auch besser
pafst bei gemischten richtern. aber der schlufs entscheidet, denn da
wendet er sich zunächst an die Städter, und sagt ihnen, jetzt als besiegte
hätten sie mit den siegern das gleiche recht (92) und wären bürger
mit den tapferen demokraten, hätten die souveränetät, die entscheidung
über krieg und frieden, und nähmen an den politischen beratungen (94)
teil, alles im gegensatze zu der zeit der Dreifsig^ wo es keine ekklesie
so gut wie gleich steht, soll man eben wissen und schätzen, die sykophanten ia
diesem stände, für die Lysias unser hauptexenipel ist, waren so zahlreich, dafs die
geschäftsordnung der Volksversammlung ihre nQoßoXrj ganz in gleicher ausdehnung[i
wie die der bürger vorsah (43, 5).
5) Diese stelle schliefst allerdings besonders entschieden den gedanken aus,
dafs die rede wegen niordes gehalten wäre, denn dann zwang ihn allein die pflicht
des bluträchers aufzutreten.
Lysias wider Eratosthenes. 221
gab, die souveränetät von jenen geübt ward, der kämpf aber gegen die
tapferen demokraten gieng. über die art der jetzt geltenden Verfassung
ist nichts gesagt als dafs die Städter gleichberechtigt sind, dann folgt
der appell an die demokraten, der über die pohtische läge der gegenwart
nichts lehrt und in den allgemeinen epilog, die aufforderung zur Ver-
urteilung der Dreifsig, übergeht, aber das wesentliche bleibt bestehen,
dafs beide parteien im gerichtshofe vertreten sind; also das was am an-
stüfsigsten schien, die euthyna, ist ganz sicher.
Für die zeit der rede ergibt sich direct kaum etwas, und es reicht hin
zu constatiren, dafs sie für die notwendig bald nach der Versöhnung
eingetretene euthyna eines der Dreifsig in jedem zuge pafst. so wild
der redner gegen die Dreifsig loszieht, so schweigsam ist er über Sparta,
er vermeidet es die garnisonen auf der bürg als solche zu bezeichnen,
sondern redet von eTtUovQoi (94), gleich als ob es gedungene reisläufer
gewesen wären, ebenso wird der staat Eleusis, in dem die ausgewan-
derten Städter zu recht herrschen, dadurch respectirt, dafs er mit still-
schweigen übergangen wird, dafs die überlebenden der Dreifsig und
ihre meist compromittirten helfer alle dort untergekommen wären, ist
weder bezeugt noch wahrscheinhch, da gegen die Dreifsig der Widerwille
schon nach dem gefechte auf Munichia so stark in der Stadt gewesen
war, dafs sie abgesetzt wurden, so brauchen wir uns nicht zu wun-
dern, wenn Lysias erzählt, dafs einzelne Staaten einzelne flüchtlinge
der tyrannen auswiesen (35); die Verallgemeinerung des sykophanten
streichen wir leicht ab. aber die wendung anovai \.Lkv rolg TgLaycovra
k/tißovlsvsTS (80) mag vielleicht als ein unbeabsichtigtes Zugeständnis
aufgefafst werden, dafs der demos gern der leule habhaft werden wollte,
gegen die ihm allein die räche erlaubt war. doch wozu die einzelheiten
durchsprechen, die doch zumeist so oder so verstanden werden können :
der nachweis, dafs irgend etwas in der rede verböte, sie auf den rechen-
schaftsprocess zu beziehen, dem Eratosthenes sich freiwillig unterwerfen
wollte, kann getrost abgewartet werden.
Es war dem Lysias gewifs darum zu tun, seinen bruder zu rächen ;
das war seine pflicht, und es war ein abscheuliches verbrechen an ihm
begangen, er nahm die gelegenheit wahr, die sich ihm bot, und man
wird ihm bei seiner politischen richtung nicht verargen, dafs er aus dem
hasse gegen die Dreifsig so viel wie möglich capital für seine anklage
herausschlug, aber die rede will allerdings mehr: sie greift durchaus
nicht etwa die Dreifsig um des Eratosthenes willen an , sondern viel
eher umgekehrt, die bedeutung der rede für die Zeitgeschichte Hegt
222 11- 11. TifiT;/iiaxa naQexöfievoi.
darin, dafs es ein voivtofs der radikalen demokratie ist, der das versöhniings-
werk durchaus nicht recht war; diesmal galt es die clausel des versohnungs-
instrumentes unwirksam zu machen, die den Dreifsig und ihren haupl-
helfern die möglichkeit der amnestie eröffnete. Eratosthenes scheint
nicht der einzige gewesen zu sein, der sich der rechenschalt stellen
wollte; oh es auch andere getan hahen und rait welchem erfolge etwa,
ist unhekannt. dem sollte seine hinrichtung einen riegel 'vorschieben,
und der demokratische terrorismus regt sich schon recht stark; nicht
nur die Verteidiger des Eratosthenes werden eingeschüchtert (86), sondern
auch die zeugen, deren viele gekommen waren, und die sich durch die
Verteidigung der Dreifsig compromittiren sollen (S8 — 89), und endhch
die richter, denen sogar gedroht wird, sie sollten sich nicht auf die ge-
heime abstimmung verlassen (91), sie sollen vielmehr beweisen, dafs
sie oQyiLovrai rolg TreTigay/nevoig (90). eÄsog und ovyyviuuri soll aus
der seele der richter verbannt sein (79): so fafst der radikale die Ver-
söhnung auf. er gesteht hier ein, dafs die öffentliche meinung in Erato-
sthenes den harmlosesten der Dreifsig sehe (89), und vorher, dafs dieser
als freund und anhänger des Theramenes auf Sympathien zu rechnen
hatte, das dient dem redner aber nur zu dem vom wildesten hasse ein-
gegebenen und gröbste lüge nicht scheuenden^) angriffe auf den loten,
von eben den Dreifsig getöteten Theramenes (62 — 79). erst hier offen-
bart sich, wohin das ganze zielt, der tod hatte dem Theramenes in sehr
weiten kreisen jene Sympathie geweckt, die selbst Xenophon, den Ver-
ehrer Thrasybuls, zu einer wirklich packenden erzähluug begeistert hat.
die Dreifsig selbst halten erst verspielt, als die kreise sich von ihnen
abwandlen, die mit Theramenes eine ganz entschiedene antipathie gegen
die radicale demokratie hatten, und andererseits hatten die leute ;ius
dem Peiraieus erst gewonnen, als eben diese kreise mit ihnen giengen.
Rhinon war gewifs kein demokrat, und mit der gesellschaft die Lysias
vertritt würde Sparta niemals Iransigirt hahen. die anhänger der TtärgLog
noXiTEla waren von beiden seilen angefeindet, aber sie haben in wahr-
heil Athen gerettet: die radicalen fürchteten sie ungleich mehr als die
extremen oligarchen. daher gehl der hauptslofs des Lysias gegen den
loten Theramenes. die radicale demokratie macht die kraftprobe, hier
6) Es genügt dafür zu constatiren, dafs Theramenes den antrag gestellt haben
soll, die Dreifsig einzusetzen und die Verfassung des Drakontides anzunehmen (73),
während Theramenes wider die einsetzung der Dreifsig, in deren beantragung die
angebliche Verfassung des Drakontides bestand, gesprochen hat.
Lysias wider Eratosthenes. die provisorische Verfassung von 403. 223
noch auf formell gesetzlichem boden, und so hat der process des Erato-
sthenes eine erhöhte bedeutung erhalten, der gerichtshof bestand nur
aus den besitzenden ; sie haben freilich den Eratosthenes nicht verurteilt,
aber die partei des Lysias war durchaus nicht entmutigt, und seine rede
war ein so ausgezeichnetes Schriftstück, dafs er sie als pamphlet ver-
öffentlicht hat, gewifs nicht ohne erfolg für seine sache.
Ein zweiter vorstofs war der antrag des Thrasybulos , alle die, die Thrasybuios
aus dem Peiraieus gekommen waren, als bürger anzuerkennen.^ das war Aichinos.
freilich so flagrant ungesetzhch, dafs der antrag fiel, da die v6/^ioi l/r'
ai'ÖQi notwendigerweise ganz persönlich behandelt werden mufsten.
ein kräftiger rückschlag von der gegenseite war, dafs Archinos den rat
dazu vermochte, einen radikalen heifssporn wegen einer für uns nicht
genau erkennbaren Verletzung der amnestie ohne weiteres zum tode zu
verurteilen, und später gegen die anschuldigungen, für die die amnestie
galt, das rechtsmittel der naqayqacfr] zu gestatten*), offenbar sind
der rat und das volk von 403/2 für die partei des Lysias nicht zu haben
gewesen.
Aber wer war 403 das volk und wie war der rat gebildet? mit Die proviso-
risch6 V6r -
anderen worten, welche Verfassung ist vom könig Tansanias concedirt fassung vou
4Ü3.
und zwischen Stadt und hafen vereinbart worden? es bedarf nur geringer
Überlegung, um zu schliefsen, dafs es die demokratie von 405 unmögUch
gewesen sein kann, obwol wir wissen, dafs diese demokratie, im prinzip
wenigstens, noch unter Eukleides eingeführt worden ist. aber wir brauchen
keinen indicienbeweis, denn die documente liegen vor.
Andokides (1, 81) erzählt im jähre 399, dafs nach der Versöhnung
zuerst eine provisorische regierung von 20 leuten, vermuthch Strategen^),
je 10 von jeder partei gewählt, die geschäfte führte, bis ein rat ein-
7) Thrasybulos zeigt sich sowol durch die protection des Lysias wie durch
seinen gesetzwidrigen antrag viel mehr als nQüaiätr^s rov Sr,uov denn als Staats-
mann, er ist gewifs ein patriot gewesen, das hat er 411, 403 und 390 bewiesen,
aber seine innere wie seine äufsere politik beweist nicht mehr, als dafs er die
ideale des Reiches und seiner demokratie begriffen hatte und zäh an ihnen fest hielt,
seine eigene zeit hat er dagegen nicht mehr begriffen, weil die demokratie herrschte,
hat sie ihm den höchsten ruhmeskranz gespendet; nichts ist dafür bezeichnender,
als dafs der panegyrikos, den Nepos übersetzt, geradezu die Verdienste des Archinos
auf Thrasybul überträgt.
8) Vgl. die beilage 'die paragraphe und Lysias wider Pankleon.'
9) Wenn man auf die lückenhafte stelle Xenophons 2,4, 39 so viel geben darf,
wo die Strategen, zu denen Thrasybul gehört, die Versammlung des Volkes (eine
contio, keine comitia, denn sie hören nur eine anspräche) berufen und entlassen.
224 II. 11. Tturjfiara Ttapsxofxevoi.
gesetzt war, und im übrigen vorläufig die solonischen und drakonlischen
gcsetze galten, da der rat auf der praeseutalion durch die gemeinden beruht,
war es nicht besonders schwierig, 500 ratsherren auszulosen; die demoten
wufsten ja in ihrer gemeinde bescheid. auch die archonten, deren man
sofort bedurfte, liefsen sich leicht bestellen, da man für sie immer eine Vor-
schlagsliste der phylen zu gründe legte, und selbst der appell an die gemein
den 487 vorgekommen war. dann ward, nach Andokides, ein'weiterer aus-
schufs von 500 gesetzgebern von den gemeinden gewählt, und diese beiden
körperschaften haben die factisch jetzt, 399, geltenden gesetze gegeben, d. h.
natürlich dem volke vorgelegt, das selbst allein competent war, ihre vor-
schlage zu gesetzen zu machen. Andokides hütet sich wol, jenes volk,
das die gesetze gegeben hat, von dem jetzt herrschenden zu unterscheiden,
allein er selbst unterscheidet sehr wol zwischen den gesetzen Drakons
und Solons, die während des provisoriums galten, und den jetzigen, die
von den nomotheten gegeben waren, sehr viel unzweideutiger redet
das gesetz des Teisamenos, durch welches jene nomotheten in function
getreten sind, es beginnt TtolLrevsodai ^^d-rivaiovg vMxa za 7täTQia,
v6/iioig Ö£ xQrjoS^ai rolg ^öicovog y.al (.lexQoig '/.al OTad(.iolg. darin
ist die geltung der väterlichen Verfassung und der solonischen gesetze
ausgesprochen, also das provisorium dauert fort, bis die neuen gesetze
in der weise constituirt sind, die eben durch Teisamenos verordnet wird,
welcher geist in dem volke lebte, das dieses gesetz angenommen hat,
lehrt der schlufsparagraph , der dem Areopag die nomophylakie für die
zukunfi zuweist, woran doch nicht einmal die 400 gedacht hatten, und
was denn auch von den gesetzgebern alsbald beseitigt worden ist. der rat i
und die gesetzgeber standen vor der aufgäbe, eine wirkliche Verfassung
praktisch zu entwerfen und bei dem volke, wie immer es auch begrenzt
war, durchzubringen, da halfen die schönsten theorien nicht; die Ver-
fassung von 593 war 403 wahrhaftig unmöglich, und wenn ein so anti-
demokratischer köpf wie der Verfasser des entwurfes von 411 so weit
von Solon abgekommen war, trotzdem er ins blaue decretiren konnte,
wie viel mehr mufste sich den 1000 Vertretern der gemeinden die demo-
kratie, die ihnen allen allein vertraut war, sich aufnötigen, sie haben
die ^täxQLog TtoXiteia als die auf die gleichberechtigung aller Athe-
ner gegründete demokratie definirt und darauf hin ihren antrag ge-
stellt, dagegen war im plenum, über dessen Zusammensetzung wir erst
etwas zu erfahren streben, die Stimmung keineswegs überwunden, die im
anschlusse an die lendenzen des Theramenes und die wünsche Spartas
für absolut richtig und politisch geboten hielt, die Proletarier auszu-
Die provisorische Verfassung von 403. Lysias rede 34. 225
schliefseil, den antiag formulierte für diese partei Phormisios, und zwar
wollte er die politischen rechte an den grundbesitz binden ; die demokratie
bediente sich wieder der feder des Lysias. sie hat gesiegt, und Sparta,
in dem die parteien des Pausanias und Lysandros selbst einen geheimen
krieg führten, hat sich dabei beruhigt, zumal Athen ihm die den Dreifsig
vorgeschosseneu gelder abzahlte und auch sonst botmäfsig blieb.
Das document, dem wir diese talsachen verdanken, ist die rede des Lysias rede
34
Lysias, von der Dionysios ein grofses bruchstück gerettet hat (rede 34).
dieser läfst es unbestimmt, ob die rede wirklich gehalten sei, und
natürlich hat sie als pamphlet mindestens so stark gewirkt wie durch
den mund des Sprechers, aber da sie sicherlich einer bestimmten person
in den mund gelegt ist (3), so haben wir keine veranlassung zu be-
zweifeln, dafs es wirklich eine volksrede ist^°j: als Schriftsteller konnte doch
nicht wol ein athenischer Staatsmann mit fremdem kalbe pflügen, die rede
hat durch Usener (Fleckeisens Jahrb. 1873, 145), als er ihren urkund-
lichen text feststellte, auch eine geschichtliche erläuterung erfahren, die
nur noch in den Zusammenhang eingereiht zu werden braucht, die
sophistik des redners dürfte freilich noch weiter gehn, als Usener an-
genommen hat.
Das Volk, vor dem der redner steht, sind mit nichten die ^yid^rivaioi
aTtavreg, für die er spricht, "ihr wifst dafs unter den früheren oh-
garchien (d. i. 411 und 404) nicht die grundbesitzer die souveränetät
besafsen (für die sie Phormisios beantragt), sondern viele von ihnen
getütet oder vertrieben wurden, diese hat der demos zurückgeführt
und hat euch eure souveränetät verliehen, selbst aber auf seinen anteil
an ihr verzichtet ' (4). er erhebt die insinuation gegen die "für die
Oligarchie kämpfenden", d. i. Phormisios, dafs sie es in Wahrheit auf
den besitz der leute, die er anredet, abgesehen hätten, das heifst so
viel, als dafs die jetzt berechtigten, wenn Phormisios durchdränge, sehr
bald den besitz und mit dem natürlich die berechtigung verlieren würden,
er insinuirt, dafs der antrag des Phormisios in Wahrheit von den Lake-
10) E. Schwartz (Rli. Mus. 44, 625) verweist die rede vor die nomotlieten, aber
die ausfütirungen Scliölls, auf die er sich bezieht, zeigen gerade, dafs xsiQOTOvCa
auch von der abstimmung des volkes über antrag und gegenantrag gebrauclit wird,
und wie sollte es anders sein? dagegen konnte die anrede <w «v^^)« ^^'/^valot und
die durchgehende identification der angeredeten Versammlung mit dem volke einer
commission gegenüber nicht gebraucht werden, zumal von einem mitgiiede derselben,
und den iSicürai ist durch das geselz des Teisamenos nur der zutritt zum rate aus-
nahmsweise gestattet.
V. Wilamowilz, Aristoteles. II. 15
226 II. 11. Tiai]fiaxa naQexöftevoi.
claimoniern käme (6) und spielt mit dem kleophontischen gedaukea
des krieges bis aufs äufserste (6). das bedeutet doch wol so viel, dafs
Sparta, die vormacht des bundes, jenen antra» gutheifsen wird, was bei
dem des redners unwahrscheinlich ist. von wert sind noch zwei einzelne
behauptungen , einmal dafs die annähme des antrages des Phormisios,
also die beschränkung der politischen rechte auf die grundbesitzer, dem
Staate viele ritter hopliten und schützen entziehen wird (4),. dabei ist
streng genommen notwendig, dafs diese jetzt noch in der bUrgerschaft
sind, also Phormisios den kreis noch enger ziehen will, als er jetzt ist;
doch kann man dem rhetor auch zutrauen, den nach ihm normalen
zustand der vollen gleichberechtigung aller in gegensatz zu dem vor-
schlage des Phormisios gesetzt zu haben, aufserdem hat er in dem
teile seiner rede, den Dionysios nur auszieht, die durch Phormisios aus-
geschlossenen biirger auf 5000 veranschlagt, nun hat bereits Usener")
hervorgehoben, dafs die bürgerschaft, die jetzt zusammengetreten ist,
weder aus den ^^d^r^valoL ccTtavteg noch auch aus den yr^v x€/.Tr^/j.€voi
bestellt, obwol letztere darin sind, das war damals sehr scharfsinnig,
konnte aber kein positives ergebnis liefern, jetzt lost sich alles ein-
fach: die bürgerschaft, die hier berät, sind (\iü Tif.irjf.iaTa 7taQex6f.ievoi,
dieselben, aus denen das gericht bestand, vor dem Lysias wider die
Dreifsig geredet hat. diese also haben während des provisoriums das volk
gebildet.
Antias des Die Steuerzahler umfassen die grundbesitzer, das mufs im allge-
Phormisios. " ' ^
meinen wenigstens gelten ; die grundbesitzer repraesentiren aber nicht
alle Steuerzahler, wenigstens theoretisch kann man nicht bestreiteu,
dafs selbst in den höheren classen leute von grofsem vermögen, die
sogar unter den rittern dienten, sich befinden konnten ohne immobiliar-
besitz. und mit der theorie darf der gesetzgeber füglich rechnen, tat-
sächlich ist es eine Übertreibung, weder decken sich die begriffe Tifii]-
fiaTa TcaQex6(.ievot und yf^v y.sxTrjfisvoi, noch sind es concentrische
11) Was üsener weiter ausführt, über eine verfassut)ar des Drakontides, eine
umfängliche bürgerliste, die von den 30 erst auf 3000 reducirl und von dem demos
für das provisorium wieder acceplirt wäre, ist durch den bericht des Aristoteles ' 1
über das Zustandekommen der liste der 3000 erledigt, es hat 403 eine brauchbare i
bürgerliste weder bestanden noch bestehen können, die mafsgebenden listen sind
überhaupt immer in den einzelgemeinden geführt worden; auf sie griff man deshalb
auch jetzt zurück, als man die nomotheten bestellen wollte, und den gemeinden ,
fiel ja auch (was Usener 1S73 nicht wissen konnte) die ernennung der candidaten
für den rat zu.
I
Antrag des Phormisios. 227
kreise, zu klarem urleil verhilft am besten die vergleichuog der zahlen,
so wenig genau sie auch sind, durch die beschränkung auf die grund-
besitzer sollen 5000 ausgeschlossen werden; durch die beschränkung
auf die 07t?.a 7taQ€x6f.i€vot sollten 411 nur 5000 berechtigte bleiben,
das führt zu dem überraschenden Schlüsse, dafs eine grofse anzahl von
grundbesitzern sich nicht equipiren konnten, also theten waren, und
die behauptung des Lysias, dafs die ausschliefsung der capitalisten vom
bürgerrecht den Staat um viele reiter und hopliten bringen müfste,
erweist sich als eine theoretisch richtige, tatsächhch nichtige behaup-
tung. '-) um das befremdliche zu verstehn , müssen wir zunächst die
forme! yfjv 7t€yiTr]inevoi in yrjv yj oixiav y.€y^Tr]f^ievoL erweitern, die
formelsprache aller Hellenen unterscheidet beides, aber dem rhetor
können wir die abgekürzte, seinen zwecken dienhche ausdrucksweise
verzeihen, damit verschwindet der grofste teil des anstofses. ein haus
ist in Athen ein sehr wenig wertvoller besitz, darum haben es so gut
wie alle bürger, wenn sie nicht wirklich Proletarier sind und als solche
leben, zur miete wohnen wesentlich nur fremde und metöken, weil
sie vom erwerbe von grund und boden ausgeschlossen sind.^^) wir
kennen ja den hausbesitzer Sokrates von Alopeke, der doch nur ein
vermögen von 100 drachmen hatte"), also wirklich keine rüstung mehr
halten und keine steuern zahlen konnte, selbst der besitz eines gärt-
chens oder wingerts, wie wir ihn bei der ungemeinen Zersplitterung
des grundbesitzes allerdings sehr vielen bürgern zutrauen dürfen, mufs,
zumal in der kriegszeit, wo so viele äcker, selbst dicht bei der Stadt,
wüst lagen, sehr oft kein steuerfahiges einkommen abgeworfen haben,
andererseits konnte es nicht fehlen, dafs durch den verlust ihrer kleru-
12) Useners ausweg, an die seit 412 aufgekommene einstellung der theten als
hopliten zu denken, denen dann der Staat die waffen lieferte, ist nicht gangbar: das
konnte der Staat auch, wenn die theten der politischen rechte entbehrten, er hatte
ja selbst sclaven bewaffnet.
13) Die besitzer der mietshäuser (awoixiai) profitiren deshalb von dem ge-
richtszwange der bündner, [Xen.] IIoL Ad-. 1, 17.
14) Plat. Apol. 38*^. dafs Sokrates, der als hoplit gedient hatte, verarmt ge-
wesen sein mufs, habe ich schon früher bemerkt, von dem ertrag von 100 drachmen
konnte er nicht leben, mit weib und kindern noch dazu, gleichwol erwarb er
nichts, also hat er sich nicht gescheut, dem grundsatze xoiva z« tcöv (piXwv als
empfangender zu huldigen, und Kriton wird sich der braven Xanthippe angenommen
haben, aber eine bezahlung für den Unterricht war das nicht, und ich bedauere,
dafs ein Aristoxenos wider Piaton ins feld geführt wird, um den Sokrates wol gar
als schulstifter hinzustellen.
15*
228 n. 11, Tifirifiaxa 7iaQEx,6fiEvoi.
chien eine masse gänzlich verarmter bürger in die heimat zurückstrümteu,
die auszuschliefsen ein hartes gebot der not schien, und die durch diese
formuUrung der qualification entweder sicher die politischen rechte
verloren oder zur ansiedelung, an der dem gesetzgeber liegen mufste,
angetrieben wurden. Phormisios konnte sich mit fug und recht
darauf berufen, dafs er dem städtischen demos einen starken antrieb
gäbe, sich dem landbau zu widmen, der seit 431 heruntergekqmmen war
aber einst die macht des demos begründet hatte.
Eine letzte frage ist noch, wie die verschiedenen männer auf die
verschiedenen losungen der frage gekommen sind, das Proletariat von
der Staatsverwaltung auszuschliefsen, und doch alle den anschlufs an die
väterliche Verfassung und die gesetze Solons gesucht und vermeintlich
gefunden haben.
Die alten classen bestanden nominell , hatten aber praktisch ihre
bedeutung verloren, die rückkehr zu Solon und Drakon war die
parole ; aber bei jedem versuche erwies sich die gegenwart stärker als
das ideal. 411 hatte man es mit Drakon versucht und durch die forde-
rung, sich selbst zu equipiren, die bürger auszusondern gehofft, die den
Staat sicher leiten konnten, der erfolg hatte gelehrt, dafs diese forderung,
obwol sie eigentlich die grenze zog, die Solon dem passiven Wahlrechte
auch gezogen hatte, viel zu stark war. als die Oligarchie in der Stadt
gebot, aber entmutigt und zur Verständigung geneigt, im hafen eine
revolutionäre und mit bedenklichen dementen fremder herkunft ver-
mischte demokratie trotzig ihr gegenüber stand, sah Pausanias ein, dafs
die Oligarchie nur durch die Unterhaltung einer garnison in Athen ge-
schützt werden konnte, and die demokratie, gestützt auf die Sympathie
der Hellenen und die beihilfe nicht blofs von Argos, sondern auch von
Theben, selbst wenn er den Peiraieus nahm, gefährlich bleiben mufste;
die herrschaft des scheinbar allmächtigen Sparta stand auf allzuschwachen
füfsen. so forderte er einsichtig einen compromifs auf der basis, die
Theramenes 404 vereinbart hatte oder doch vereinbaren wollte, die
amnestie, die Zuweisung von Eleusis an die attischen oligarchen , die
Übernahme der Verpflichtungen der oligarchen gegen Sparta durch die
neue regierung schienen ihm mit recht aussreichend, um das neue Athen
untertänig zu halten, aber die schrankenlose demokratie durfte ci-
nicht einsetzen, und darauf konnten auch die Städter nicht eingeliii.
da stieg also wieder die TtaxQiog TioXirsia auf, die solonischen gesetze.
man hätte auf die forderungen von 411 zurückgreifen können und die
selbstequipirung als quaUfication für das volle bürgerrecht verlangen.
i
Antrag des Phormlsios. 229
aber schon der äufsere umstand, dafs die Dreifsig den Städtern ihre
Waffen confiscirt hatten (37, 1), liefs das nicht angängig erscheinen, und
so verfiel man auf den ausweg, die Steuer an die stelle der bewaffnung
zu setzen: im sinne Solons, das mufs man zugeben, kam das auf das-
selbe heraus, so schuf man ein provisorium, führte die gesetze Solons
für dieses ein, und es gieng gut, dank der energie des Archinos
trotz dem anstürme der radicalen. aber ein definitivum konnte daraus
nicht werden, die Steuer ward weder regelmäfsig gezahlt, noch gab es
eine staathche controUe der einschätzung. wenn man die politischen
rechte mit der steuerdeclaration für die dritte classe verband, so mufste
der erfolg sein, dafs es damit gienge wie bei der meidung zur ämter-
losung, wo sich niemals einer als thete bekannte (Ar. 7, 4). da geriet
Phormisios auf den ausweg, den grundbesitz zu verlangen, die solo-
nischen classen selbst waren ihren namen nach auf diesen berechnet,
denn man hatte sich gewöhnt, auch ritter und zeugiten durch einen
festen satz von geernteten scheffeln bestimmt zu glauben, diese classen-
einteilung selbst würde nun freihch in praktischer anwendung Attika
nicht auf die solouischen Zeiten zurückgeführt haben, sondern auf die
weit zurückliegende urzeit, der diese classen entstammen, als es noch
ein reiner ackerbaustaat war und dem entsprechend an bedeutung noch
hinter Megara zurückstand, diese reaction lag dem Phormisios fern ;
was er forderte, war nur die durchführung der forderung, die theoretisch
für alle Athener immer noch galt, dafs sie eine eigene heimstätte, einen
Zsvg i^yielog hätten, diese forderung war nicht schwer; sie liefs solche
leute wie Sokrates, der weder waffen noch steuern zu praestiren im
Stande war, im genusse der pohtischen rechte, schlofs nach der sicher-
lich übertreibenden Schätzung des Lysias nur 5000 Proletarier aus, und
das in der zeit der schwersten calamität, so dafs auf eine sehr starke
Verminderung dieser zahl schon für die nächste Zukunft zu hoffen war.
wenn das volk, d. h. damals die rif.ir^(.iaTa naQ^iö^Evoc trotzdem sich
für die volle demokratie entschieden haben, so können wir nicht umhin
anzuerkennen, dafs sie dem wirkUchen Solon und der wirkhchen näxQLog
TioXiteLa lieber haben folgen wollen als den noch so geschickt ausge-
dachten vorschlagen der gegenwart. denn in den gesetzea Solons waren
die Volksversammlung und das active Wahlrecht und die geschwornen-
stellen den theten zugänglich gemacht, dafs darin tatsächlich 403 die
radicale demokratie, 593 eine sehr bescheidene gewalt lag, verschlug
für das prinzip nichts, aber hier am deuthchsten kommt es an den tag:
der keim zu der radicalen demokratie war durch Solon gelegt, so hat
230 II. 11. TifiTjuara TtaQS/^ö/ievoi.
man damals geurteilt, so hat Aristoteles geurteilt, die demokraten, die ihn
als den dr]i.wTi/x6TaTog für sich beanspruchten, haben nicht nur recht
behalten, sondern auch recht gehabt, wenn Theramenes in ihm den vater
alles Übels gesehen hat, so war das auch nicht blofs von seinem Stand-
punkte aus berechtigt, es war das Verhängnis Athens, dafs es von der
radikalen demokratie nicht loskommen konnte, aber die geschichte mufs
gegen alle billig sein und darf weder den Solon nach den Verhältnissen
von 403 beurteilen, noch von der not jener revolutionszeit eine bilhge
beurteilung Solons fordern.
12.
A0r02 UND EY0YNA.
Da wir jung waren, lernten und glaubten wir, dafs die Überlegen-
heit der Boeckhschen altertumswissenschaft über die Hermannsche philo-
logie sich nirgend glänzender offenbare als in der abhandlung über
euthynen und logisten, die zu diesem nachweise geschrieben ist. da
wir älter wurden, sahen wir mit Überraschung, dafs Hermanns conjec-
turen zu CIA T 32 auf dem steine standen mit ausnähme von einer
minder wichtigen stelle, wo Boeckh aber auch nicht richtiger geurteilt
hatte, und nun stellt sich heraus, dafs über die sache beide irr ge-
gangen sind, dafs auch gerade die behandlung, die am meisten metho-
disch vorgieng und allein wirklich vorwärts kam (Scholl de synegoris),
irr gehn mufste, weil ihr fundament ein gefälschtes zeugnis war.') die
Unzulänglichkeit unseres combinirens ungenügender daten zeigt sich
handgreiflich, ebenso aber, dafs die wirkhche kenntnis der spräche in
ihrem gebiete mit Sicherheit vorgeht und dafs ihr die logik des
rechthchen gedankens auch wol zu hilfe kommen kann: beide vereint
hätten das falsche zeugnis wol entlarven und aus dem sprachgebrauche und
dem rechte der Wahrheit näher kommen können, aber diese ist uns
jetzt durch Aristoteles (48, 3 — 5. 54, 2) gegeben: wir wollen bei der
Sache bleiben, von den modernen absehn und auch die angaben der lexico-
graphen, die aus Aristoteles abgeleitet oder durch misverständnis seiner
Worte entstanden sind, sollen fortfallen, dagegen mag was ihn ergänzt und
ohne weiteres sich einordnet, gleich mit vorgeführt werden : wir wissen
ja, dafs er nur der reinste und reichste canal derselben Überlieferung
vom attischen Staate ist.
1) Fgm. 6 in unserer ausgäbe.
232 11. 12. Aöyoi und eid-vva.
Uyos. Jeder abtretende beamte, einerlei welcher kategorie, reicht seine
rechnungen bei den logisten ein^); wo nicht, unterliegt er der anklage
"wegen unterlassener rechnungsablage, a?.oylov" J) die logisten, zehn
erlöste beamte, haben binnen 30 tagen'') die rechnungen zu revidiren,
was sie natürlich nicht als coUegium tun, sondern in arbeitsteilung:
daher gibt es mehrere bureaus, XoyiOTrjgia^), vermutUch 10. nach der
revision lassen sie sich von den archonten die nötige anzahl gerichtshöfe
zulosen, denen sie praesidiren"), während die von ihnen erhobenen
anstände durch die ihnen beigegebenen 10 "anv.älte", Gvvi]yoQOi'),
vertreten werden, nach diesen öffentlichen klägern kann aber jeder
bürger als ankläger auftreten, w^ozu der herold des gerichtes durch
proclamalion auffordert.*) ohne zweifei stellt schon jeder kläger di(
Strafanträge nach mafsgabe des geselzes, welches durchaus nur geld-
strafe kennt, die entsprechend der qualification als Unterschlagung (x/o/r?;),
bestechung (dtugcüv), amtsmisbrauch {adtxLOv)., in den beiden ersten
fällen in zehnfältigem, im letzten in einfachem betrage zu entrichten
ist. übrigens haben die gesetze eine sehr grofse anzahl von geldstrafen
für beamte, die dies oder jenes unterlassen, bereits fixirt, in der sammt-
gemeinde wie in den einzelgemeinden (Rede gg. Makart. 58), phratrien
und überhaupt allen y.otvd. wer eine solche Unterlassung nachweist,
hat damit die höhe der strafe adiyilov von selbst normirt. wenn die
strafe nicht am Verfalltage (in der neunten prytanie) gezahlt wird, so
treten die legalen folgen ein, execution, schuldhaft, cooGscation des
2) Wer kein öflentliches geld verwaltet hat, gibt eine dahin gehende erklärung
ab, Aisch. 3, 22.
3) Lex. Gantabr. aXoyiov.
4) Die frist gibt Harp. ^oyiarai. über die quelle seiner nachrichten und ihren
Irrtum vgl. I 7 anm. 82.
5) Den plural gibt Harp. Xoyiarai mit belegen, von denen einer das erhaltene
psephisma des Patrokleides (Andok. 1, 78) ist. da die nur je für eine phyle am-
tirenden euthynen sich dieser 'rechnungskammer' bedienen, und da in der einzel-
gemeinde nur ein logist ist (CIA II 578), so wird jede phyle ihr loyian'iQiov ge-
halten haben.
6) Nach Phot. ev&vvat hätten die logisten die auslosung der richter selbst be-
sorgt, dem grammatiker ist nicht bewufst gewesen, welchen Widerspruch gegen
attische praxis er damit behauptete; getäuscht hat ihn der vorsitz der logisten,
während andere beamte die von eben diesen logisten erhobenen anklagen führten,
beseitigt wird der Irrtum durch Ar. 59, 1. 63, 1.
7) Die beschränkung ihrer tätigkeit auf das avvijyoQelv liegt im namen der
avvt'jyoQoi. dazu stimmt das gemeindestatut von Myrrhinus CIA II 578.
8) Aisch. 3, 20.
Uyoi. 233
Vermögens, verliist der bürgerlichen rechte.') der amtsmisbrauch (a(5/-
■uov) der gelegenllich der rechnungsprüfung zu tage tritt, kann nur
in unerlaubter oder gemeinschädlicher Verwendung des öffentlichen geldes
bestehn; er ist also das geringste und demnach am gelindesten bestrafte
vergehen, die richter sind an den Strafantrag selbstverständlich nicht
gebunden , da sie zuerst die schuldfrage absolut entscheiden und dann
selbst abschätzen. '") ihr urteil ist wie immer entscheidend und inappellabel.
Diebstahl, der in der griechischen terminologie von Unterschlagung,
auch an heihgem und öffentlichem gute, nicht unterschieden wird'**), und
bestechung sind vergehen, die keineswegs blofs von beamten begangen
werden können, also auch nicht blofs in den rechenschaftsprocessen ge-
ahndet werden dürfen, insbesondere volksredner und richter sind der
bestechung sehr ausgesetzt, daher gibt es eine besondere ygacpfj ötögcov,
die bei den thesmcrthelen anhängig gemacht wird und bezeichnender
weise neben der ovy.ocpavrLag steht (Ar. 59, 3). diebstahl an öffent-
lichem oder heiligem gute kann in der groben form auftreten, dafs ana-
■/(.oyiq möglich ist, es kann die arcoyQacpri gewählt werden; es hat aber
ohne zweifei auch eine ygacpr} dafür gegeben, obwol sie bei Aristoteles
nicht vorkommt.") das würde die logik des rechtes fordern, auch wenn
keine concreten fälle bekannt sein sollten.'^) aber der unterschied zwi-
9) Im gegensatze zu Aristoteles gibt Andokides 1, 74 an, dafs auf einer Ver-
urteilung ScoQcov oder xXon^s atimie des schuldigen sammt seiner kinder stand,
aber keine geldstrafe. y.Xo7zr/S und ScÖqcov nebeneinander führt auf den logisten-
procefs; die av&vvai sind indessen in dem nächst vorhergehenden paragraphen er-
wähnt, an eine änderung des rechtes nach 403 könnte man vielleicht denken, allein
sie wird durch den process des Perikles ausgeschlossen, der wegen y.loTt^ zu einer
geldstrafe verurteilt worden ist. wir werden also wol gezwungen sein, an die yQacpal
SwQcov und y.lonris zu denken, die sogleich zur besprechung kommen, aber be-
fremdlich ist mir die sache auch so. wie soll man dem diebe seinen raub lassen?
Deinarchos (1, 60) vermischt die strafe im rechenschaftsprocefs mit der der eisan-
gelie, wenn er behauptet, dafs auf bestechung zehnfacher ersatz der bestechungs-
summe oder der tod stünde.
10) Alislot. pag. 38. am deutlichsten wird das verfahren durch Piatons
Apologie.
11) Sie wird zu den klagen gehören, die cap. 59 fehlen, nämlich die der thes-
niotheten, für die kein succumbenzgeld eingezahlt wird. vgl. oben I 244.
12) Demosthenes sagt zu Eubulos (19, 293) KrifiaofcZvxa y^acpTjv isocSv xQrj-
fiaxwv iSicjy.es si rQiaiv vare^ov fjfiEQais inl Tr]v rgdns^av edtiy.ev enra fiväe.
das ist eigentlich nur ein amtsvergehn : dem schätze sind durch schuld des Kephi-
sophon 3 tage zinsen entgangen, es ist also keine x?M7tij, für die Lipsius Att. Fr.
445 die stelle anführt, die sache kann auch bei der ei&wa anhängig gemacht
sein. Antiph. tetr. 1, a, 6 fingirt eine anklage xhnfjs ieocöv xor^fiärcov, ohne zu
234 n. 12. Aöyoi und sv&wa.
sehen heamten, gewesenen beamten und privaten wird dadurch mindestens
verdunkelt, gerade gegen beamte aber hat die der magistratur gegen-
über immer argwöhnische altische Verfassung andere wege, die rascher
und wirksamer zum ziele führen, die meisten behürden die gelder ver-
walten stehen unter ratscontroUe, so dal's aus dem rate heraus ein straf-
antrag in der form eines Vorurteils (ytaTayvcooig) an die Ihesmotheten
gehn kann, auch kann jeder bilrger eine denuntiation (eioayys/Ua) beim
rate einreichen und so eine -/MTayviooig desselben provociren.'^) die
wichtigsten behürden unterliegen in der hauptversammlung jeder pry-
tanie der bestätigung {etuxelqotovio)^ und wenn jemand durch erhebung
einer beschwerde ihre Suspension erwirkt, so kommt die sache vor ge-
richt. endlich liefsen sich alle schwereren fälle von unterschleif und
bestechung durch eisangelie beim volke ahnden.
Wenn die gerichtsverhandlung vor den logisten vorbei ist, ist die
rechnung gelegt: Xöyog öedorai. aber die rechenschaftsablage ist noch
nicht erledigt, es folgt vielmehr die eigentliche sv^vva. diese hat mit
dem gelde zunächst nichts zu tun, richtet sich vielmehr auf die ganze
ausübung der in dem amte liegenden macht, deshalb wird die rechnungs-
legung auch von solchen gefordert, die keine evd-vva leisten, z. b. dem
rate des Areopages und dem der 500 für ihre geringen cassen, von den
htL(.ieXriTai, d. h. den aufserordentlichen commissionen, den trierarchen
u. dgl. umgekehrt kann die ev&vva einem beamten, der gar kein geld I
verwaltet hat, noch sehr peinlich werden , z. b. den polizeibeamten, die (
unter dem rate stehen, ganz scharf unterscheidet Lysias 24, 26 ovre
XQijjuaTa öiaxsiQloag Tijg ftölecog ölötof.ii Xöyov avrwv, ovre aQxrjv]
ao^ag ovöe/.iiav evO-vvag VTtixco vvv avTi'^g. in der überwiegenden !
menge von fällen fand aber beides statt, in der reihenfolge, die Lysias;
auch angibt, wir fragen nun nach der ev&vva des beamten. i
ev&vva. Dfii' rat bat aus jeder seiner phylen einen sv-9-vvog und zwei bci-
sitzer ausgelost''), und diese müssen während der nächsten 3 tage nach
bestimmen, ob der verklagte beamter war oder bei der sv9vva belangt ward, Piaton
(Ges. XII anf.) unterscheidet xXoTtij Srjuoaicov ;^(>?;/t«T<wv von dem gewöhnliclien
diebstahl und setzt für bürger unter allen umständen den tod darauf, aber das ist
sein gedanlce und zeigt in nichts anscblufs an das wirkliche recht. '
13) Ar. 45, 2. eine solche danyyslia beim rate wegen Unterschlagung durch'
beamte hatte der Sprecher von Antiphons sechster rede eingereicht, 35.
14) Dafs es ratsherren waren, konnte man bisher gar nicht ahnen, es folgt!
aus dem Zusammenhang der aristotelischen darstellung. dafs man da nicht an ver-'
wirrung denke, erwäge man, dafs der loyiarfjs die Tjysi.iovia Stxaarrjgiov hat, der
svd'vvos niclU.
svd'vva. 235
der gericlitsverhandluDg über den Köyoq, jedes beamteu in den stunden
dt's marktverkehrs '^) neben der slatue ibres pbylenheros sitzen und jede
scbriftlich von einem bürger eingereichte bescbwerde gegen den beamten
in empfang nehmen, der bescbwerdefUhrer mufs sich nennen und selbst-
verständHch, wenn es zur gerichtlichen Verhandlung kommt, seine sache
führen; er hat die Verpflichtung den Strafantrag zu stellen ^^), für den
keine schranke gesetzt ist (ort y^qri rcaS-elv r. aitoxEloaC). aber der
euthynos ist nicht verpflichtet, jeder solchen bescbwerde folge zu geben,
er hat sie vielmehr zu prüfen, wozu ihm die beisitzer mitgegeben sind,
und da er zu dieser prüfung einsieht mindestens in die acten der logisten
bedarf, vor denen ja sehr vieles schon erledigt sein kann, so scheint es,
dafs er sich mit den beisitzern zu dieser prüfung in die rechnungskammer
der phyle begeben hat.") führt diese prüfung zur annähme der bescbwerde,
so vermerkt er seine -/.atäyvioOLC, und gibt die Privatsachen an die
15) So kann man rals ayoQais nur verstehn, einmal wegen der kurzen frist
von 3 tagen (30 könnte man die ratsherrn doch wirklicl» nicht entbehren), sodann
weil die gewöhnliche bedeutung der "phyletenekklesie" nicht möglich ist, da die
eiithynen auf dem athenischen markte neben den eponymen sitzen, während die
pliylen natürlich bei ihrem phylenheros zusammenkommen, da wo ihr archiv ist.
— die lesung «[yo^Jals mufs ich wie Kenyon als fast unzweifelhaft bezeichnen;
cid^ivaie hat nicht da gestanden und ist sachlich falsch; avaSixiais erst recht.
16) 48, 4 yQayjas eis Ttivdxiov XsXevxco/isvov rovvofia zö re avTOv xai ro rov
ffsvyovros aal rb dSixr^fi' o rt dv eyxaXfi ^^'' Tt^jj^wa E[7tiyQacp6]/usvos. von dem
letzten worte ist mir jetzt der erste buchstabe leidlich sicher auf dem facsimile,
wie ihn Wyse nach Aisch. 1, 16 gefordert hatte, die formein kehren wieder bei
der tpäais Poll. 8, 47 eSiSoaav iv yoaufiaTeico yoüipavTss rrv (päaiv rn & savrcov
xal t6 tov xoivofisvov ovoua TtQoayQäxpavxes xai rifirjfia ETtiyQaxpafxevoi. ob
praesens oder aorist vorzuziehen sei, kann ich nicht sagen, in § 5 ist mir unfafs-
bar, wie Blafs idii xard Sijfi[ov£ rols] ttjv (p., in der folgenden d'ea/j.od'dralis ava-
y]gdfei lesen will: das erste haben wir als zu lang, das zweite als zu kurz mit
Überlegung verworfen, dagegen hatte ich die notwendigkeit, in der vorletzten zeile
des capitels mehr zu ergänzen, auch bemerkt und billige seine ergänzung ndXiv
siadyovai [ravrr]v rr^v E]vd'vvav.
17) Psephisma des Patrokleides 78 oacov evd'wai rivds siai. xareyvojauivai,
tr rols XoyiarrjQioiS inb iciv eid'vvcov xai rdiv naQtSQtov , rj ii.r,Tico siarjyfievat
Eli rb SixaaTTjoiov yQucpal rivss stai tieoI raJv Eid'vvcov. die ersten sind solche,
gegen die beschwerden zwar von den euthynen angenommen sind, aber noch nicht
weiter gegeben, die zweiten solche, gegen die heschwerden von den euthynen an
die thesmotheten weiter gegeben sind, auch von diesen schon arfgenommen, aber
noch nicht zur Verhandlung gebracht, die vor den logisten verurteilten befinden
sich vielleicht unter den drifioi vgl. anm. 9. die stelle stimmt also zu Aristoteles
und wird erst jetzt ganz klar: so mufs man die erwähnung der XoyiOTrjQta im ein-
klange mit ihm erläutern.
236 11. 12. yiöyoa und eid'wa.
seiner phyle angchürigen mitgliedcr der demenrichter, die sie dann den
ordnungsmälsigen weg gehen lassen, so dafs also die bagatellsachen von
ihnen kurzer hand entschieden werden, sonst zunächst ein Schiedsrichter
gesetzt wird, die üITenllichen saclien kommen den thesmotheten zu'^),
diese aber haben wieder das recht ungeeignete beschwerden ohne wei-
teres unter den*tisch fallen zu lassen, der so möglicherweise geschädigte
beschwerdefiihrer konnte dann nur noch den weg der beschwerde gegen
die thesmotheten beschreiten oder als billflehender in der dafür be-
stimmten Volksversammlung vor dem volke auftreten, nehmen die thes-
molheten aber die beschwerde an, so instriiiren sie den procefs, und
erst mit dem erkenntnisse dieses gerichtes hat die sache ein ende, und
ist der vitsvS-vvog frei von den beschränkungen seiner Wartezeit'^):
löyov -/.al evd-vvag didcoy.ev.
In diesen formein hat sich der unterschied der rechnunglegung vor
dem gerichte und den *^rechnern^ einerseits, der "^correctur' von amtsver-
fehlungen auf grund der beschwerde beim "^corrector' immer erhalten.^'')
die spräche läfst auch an sich keinen zw'eifel. Äoyog loyiorr^g loyiteo^ai,
löyov iyyqäqeod^ai, vnoor^ixaiviod^ai , das geht alles die schriftliche
rechnung an. evd-vvog ist der, der die ov.o'LioX ^6f.iiOT6g gerade macht,
ev^vva ist zunächst die procedur dieses gerademachens, doch nicht von
seilen des "^correctors^ aus, sondern dessen, der sich der prüfung auf
die geradheit unterziehl, evd-vvav öidcooiv oöer v^tixei; erst weil es meist
zur ausgleichung des geldes bedarf, heifst tid^vra auch geldstrafe.
Aber eben so sehr war es unvermeidlich, dafs man die gesammte
procedur, der ein abtretender beamter sich unterwerfen mufste, mit
18) Diese stelle ist noch nicht erledigt, da Kenyon und Blafs zu wenig, wir
zu viel ergänzt zu haben scheinen, vgl. anm. 16
19) Aisch. 3, 21. M'ie man sich denken soll, dafs Aischines drei jähre lang I
verhindert gewesen sein soll zu verreisen, zu testiren, eine weihung vorzunehmen
und geld ins ausländ zu bringen, weil sein procefs verschleppt ward, ist mir unver-
ständlich.
20) Aisch. 3, 12 noiv }.öyov, ttqIv si&vvas Sovvai. CI.\ II 444, 20 (vom jalire
164/3) Tie^l cLTtavTCOv cov qtxovofit^y.ev aiisvr^vox^v /.oyovs eis zo /uTjTQqiov xai ttooi
Tovs ?.oyiazc^ xal ras ev&vvas SeScoxev. Gorgias Palam. 28 ev vfüv }.6yov y.al
eld'vvas ini^oi rov TtaQoixofiivov ßiov ist also nicht gut gesagt, denn von eine in
rechnunglegen ist bei Palamedes keine rede, wenn diese rede von Gorgias ist (was icli ,,
nicht wie bei der Helene mit Zuversicht leugnen kann), so hat der ausländer eine attische \
rechtliche formel nicht ganz correct gebraucht. Ivyov int/eiv 'rede stehen' liir
etwas, z. b. für eine behauptung die man hingeworfen hat, ist freilich gewöhnliili,
aber das kann es neben evd'vvas vTtt/^etv nicht sein, dafs t.iyov iniitiv rov ßiov I
bei dem falschen Andokides 4, 37 steht, sei für den Palamedes noch bemerkt. I
I
sv&vva. 237
einem kurzen worte bezeichnete, und dafs sowol loyov wie evS-vvag
didovai im leben gesagt ward ohne das complemenl auszuschliefsen,
vollends aber für die befristung eTteidav rag evd-vvag d(ö stehend ward :
das war ja der schlufsact.^') wenn er in der formel notwendig vorwog,
so tat es in der praxis eben so notwendig die erste gerichtsverhandlung
vor den logisten. denn das war gleich die erste gelegenheit, wo der
angriff losgehen konnte, da war mündliches verfahren, da safsen die
souveränen richter und liefs sich schleunigst ein urteil erstreiten, wie
sollte dem gegenüber der weitläuOge instanzenzug des euthynenverfahrens
reizen? die privaten mochten allerdings von ihm notgedrungen ge-
brauch machen ; davon hören wir kaum etwas, für die haupt- und staats-
processe war der weg der eisangelie beim volke wirksamer und beliebter;
nur selten mag jemand den vorteil, auch leibesstrafen beantragen zu
können, durch die Weiterungen des Verfahrens bei dem euthynos er-
kauft haben, man kann allerdings auch nicht verbürgen, dafs die Athener
das recht sorgfältig gewahrt haben und nicht etwa auch in logistenver-
handlungen Strafanträge auf tod zugelassen oder gar zuerkannt haben,
seitdem die amtsführung, nicht blofs die rechnungsführung hineingezogen
ward, wozu die bufsen adiv.Lov veranlassung boten, tatsache ist, dafs
die meisten schweren anklagen im vierten Jahrhundert durch eisangelie
erhoben sind, die logisten manchmal erwähnt werden, die euthynen nur
einmal, in einem volksbeschlusse, dessen antragsteiler die alle formel
nicht ohne Unklarheit verwendet.^^) aber die gesandtschaftsreden der
beiden grofsen redner sind vielleicht vor den thesmotheten gehalten, also
auf dem wege einer von Demosthenes (und vorher auch von Timarchos)
eingereichten denuntiation bei dem euthynos.-^)
21) Doch findet sich natürlich auch ensiSav Xöyov ynl ev&vvas 8m Aisch. 3, 11.
22) CIA II 809'' iav Se Tis fxri nor^aei oh k'xaaxa TtQoardraxxat. f, a^-/,o}v tj
iSicÖTTjS y.aTCc röSs ro '^irj^tafia, otpeiXtrco o firi norjaas jttvgias S^a^fias isoas rrji
^Ad'rjväi, xni 6 ev&vvos xai ol näosSooi änavayxes avTCÖv xarayiyvcaffHovrwv tj
alroi otpEiXövtmv. vorgeschrieben ist also, dafs der euthynos jede beschwerde un-
bedingt annehmen mufs, also das recht der Vorprüfung verliert, verständlich ist
das auch erst durch das aristotelische capitel. wie ein privatmann beim euthynos
denunzirt werden konnte, ist allerdings unverständlich, der ganze tenor klingt sehr
archaisch, und die ganze coloniegründung, zu der dieses psephisma gehört, ist ein
ausflufs der lykurgischen restaurationspolitik. so dürfte auch hier die formel eben
nur formel sein.
23) Die landläufige ansieht, dafs die logisten vorsafsen, ist mit Dem. 19, 211
nicht bewiesen: da steht nur, dafs Aischines vor den logisten das loyov SiSövac
der zweiten gesandschaft verhindern wollte, da sie ja schon evd'vvas SeScoxörss
wären, die formein werden so unterschieden, ob Aischines dann /.oyov SsScoy.e,
238 II. 12. yiöyos und ev&vva.
Im fünften Jahrhundert hestelien beide prüfungen in voller kraft
neben einander^'), insbesondere sind der euthynos und seine beisilzer
in lebhafter tätigkeit. aber die logisten haben daneben eine andere
aufgäbe, die lediglich rechnerische, wenn es gilt die quoten der tribiite
oder die zinsen der Staatsanleihen u. dgl. zu berechnen.") dem ent-
sprechend ist ihre zahl nicht 10 sondern 30.^") es liegt in der n.iiiir
läfst Demoslhenes eben so unentschieden, wie beide über den Vorsitzenden beamten
scliweigen. es ist kaum auszudenken, wie die logisten Vorsitzen sollten: welche
denn? die vom jähre des Themistokles oder die vom jähre des Pythodotos? da
die logisten doch eine sachliche prüfung der rechnungen vornehmen sollen, ist
bei ihnen die Überweisung einer anhängigen Sache an ihre nachfolger viel we-
niger glaultlich als bei lediglich formell tätigen gerichtsvorständen. wo bleiben
aufserdem die synegoren? und da es sich um geld wirklich nicht handelte, konnte
der Äoyos des Aischines immer schon abgemacht sein, ohne dafs die hauptsache
damit erledigt war. Demoslhenes redet aber immer von tod und atimie als strafe,
beide immer von svd'vvai, und man kann nur eine schriftlich formulirte an
klageschrift annehmen, wie man auch immer getan hat. im logistenprocefs fordert
der herold zum reden auf, fällt die yqctfpri also fort, alles patst also zu dem
verfahren vor den thesmotheten auf grund einer beschwerdeschrift beim euthynos.
aber immerhin wird der euthynos auch nirgend erwähnt, und man mufs überhaupt
die reden ein par mal durchlesen und neun zehntel als ungehörig absondern, um sich
den rechtsfall klar zu machen, und dann tut man etwas was weder richter noch
redner gewollt noch getan haben, hier wie bei dem processe des Demoslhenes 330
ist die Verschleppung unverständlich, ist der rechtshandel ganz nebensache geworden,
das politische duell geht um den einflufs bei dem souverän, wie zwischen dem
Paphlagonier und dem Wursthändler; und das oralorische duell um die gunst des
publicums überwiegt alles andere, der rechtliche mafsslab (nach dem Demoslhenes
in beiden fällen unterliegen müfsle) und der moralische (nach dem der lugendstolz
des Aischines noch unerträglicher ist als die gehässigkeit des Demoslhenes) sind
beide unberechtigt, da sie den rednern und den richlern ganz fern gelegen haben
24) Deutlich insbesondere das gesetz über die Schatzmeister der andern götter
CIA I 32 y.al Xöypv SiSövrcov ti^os rovs Xoyiards, xai evd'vvas öiSuvrcav, xal ix
JJava&rjvaicov eis ITavaO'r^raia rov Xöyov SiSovzcov. die elatsperiode ist vier-
jährig: die Bv&vva natürlich jährig. CIA IV p. 63 (n. 34) ist von Scholl sicher
hergestellt Jiöans S^ äv ).a toiv] aväxoiv £ TCQÖteoov s syyQ]u<püv-
rov aviov hoi lu[eQ07ioioi , roT]v aväxoiv t £vd'vv6a[d'ov] fi[vqiaat Sqa/f/eat
hsxaaios • ho Se sv&vvos xai ho]i TtäokeSqoi xaT[ayi]yvo[axovzov avTO enävayxsS
t avrol ofXövrcjv. die opfercommission ist bei strafe verpflichtet gegen einen zur
zeit uns noch unbekannten beamten eine beschwerdeschrift bei dem euthynos ein-
zureichen, und dieser darf sie nicht unberücksichtigt lassen.
25) CIA I 32. 226 ffg. 273; ISQ"^ ist unverständlich.
26) CIA I 32, die berufenen ol /.oyiarul oi xqiäxovTa o'ltieq vvv u. ö. die ver-
suche zwischen den 30 und den späteren lü zu vermitteln sind alle gescheitert; es
liegt auch gar keine veranlassung vor mehr zu wollen als die Verminderung der
zahl zu conslatiren.
Ev&vru. alter der beiden formen der rechenschaft. 239
der ganzen finanzverwaltung, dafs sie diese arbeiten im auftrage des
rates vornehmen ^^): wie sollten sie auch anders zu den acten kommen,
an wen anders die rechnungen abgeben? die gesammten finanzbehörden
handeln ja nur im einverständnis und auf grund einer ermächtigung des
rates, der allein initiative hat. dafs man 403 die zahl der logisten ver-
ringerte, geschah in der richtigen einsieht, dafs sie auch nicht von fern
Sil viel wie früher zu berechnen hatten; so giengen ja auch die schatz-
liicisterstellen der anderen gotter ein.^*) von den Veränderungen der
spateren zeit ist noch bemerkenswert, dafs die rechnungen in duplo aus-
zufertigen waren, und ein exemplar in das archiv kam.^*')
Logisten und Eulhynen gehören beide der grofsen zeit des attischen Alter der
, , ■ • , . . , „ . 1 •• 1 1 • 1 • 1 beiden for-
oemokratie an : wir können sie nicht tür jünger als die kleisthenische men der
rGchßn—
Organisation ansehen, kehren sie doch auch beide in der einzelgemeinde schaft.
wieder.^") und doch kommen sie dem modernen wie dubletten vor. es
27) CIA I 32 avvaycoyijs rcov Xoyigt(ov rj ßovXi) avxoy.QnrcoQ earco.
28) Über die zahl der avvrjyoooi im fünften Jahrhundert wissen wir nichts;
sicher ist nur, dafs ihre Stellung ebenfalls eine andere war als im vierten.
29) Aisch. 3, 15 löyov xal sv&vvas eyyQä<psi,v jt^os ibv yQafifiaxea xai Toi=
XoyiaTÜs. CIA II 444 Xöyou StScoxsv eis id firiTQcZov xai ngos zois Xoytaxäs. der
Schreiber hat eben die aufsieht im metroon. so kann denn der eulhynos die acten
im metroon eben so gut wie im logisterion einsehen, und selbst die Verhandlung
gegen Lykurg ist dort geführt. Ps. Plutarch vita Lyc. 842«. da sieht man die
centralisation der archivverwaltung, sieht auch, dafs wirklich das metroon ratsarchiv
gewesen und geblieben ist, nur ist zwischen rat und volk, also auch Staat, kein
unterschied, die archive der einzelnen beamten bestanden daneben und blieben be-
stehn; nur kamen immer mehr documente, teils im origmal, teils in copien in das
metroon. dafs die anklageschriften aufgehoben wurden und sich 600 jähre erhielten,
glaube ich freilich einem Favorinus nicht.
30) Wichtig würde CIA II 571 sein, wenn es sich ergänzen lieCse; es wird
nach Aixone oder 'AXai gehören. — rovs tufiius tbv /.iy\ov tatv X-r^ufiäxiov]
xai TCüv avaXiofidTCOv s eis] xißaixbv xara rbv firjva [Uxaaxov'l] und später
zas Si ev&vvas ev reo vaxeQco erei tiqo [ttJs — tov — ] wvos fiTjvös. und später
e^oQxovxto {8e o SrifiaQ^os — lov ev]d'vvov xai rovs 7za[osS^ovs. da sind jeden-
falls zwei acte, Xöyoe noch im anUsjahr; es scheint, dafs die rechnungen in eine
kiste geworfen werden sollen, im neuen jähre die sv&wa stattfindet. II 578 schwört
der euthynos zu Myrrhinus gerecht zu schätzen: er hat also dazu wie der staatliche
das recht, ihm ist verwehrt e^s).elv rr^v Sixrjv, wenn nicht die majorität der zehn von
der gemeinde gewählten männer in geheimer abstimmung sich dahin entschieden hat.
das mufs also das verwerfen der beschwerde sein, die er aus dem kästen nimmt
und damit cassirt. in Myrrhinus gibt es keine beisitzer; für sie tritt ein zehner-
coUegium ein; sie schwören yjT](pie1ad'ai a äv /x,ot Soxrji Sixaiorara elvai: sie stehn
also auch dem euthynos zur seile. — beiläufig z. 25 scheint mir die corruptel eher
so zu heilen n^lv uv §<ä[t, ras £\(yy)'Las als e\v(&i!v)as. in der constituirenden ver-
240 II. 12. A6yoi und si&vva.
ist darum nötig, sich ihre stelluog in dem Organismus der Verfassung I
klar zu machen. I
Die finanzen der demokratie besorgt der rat; so weit beanite daran
beteihgt sind, stehn sie unter ihm. die einnahmen des Staates kommen
in der gestall von pachtgelderu ein , sind also fest und auf bestimmte
termine fällig, der besitz des Staates, die grundstücke, häuser, berg-
werke u. s. w. sind verpachtet, ebenso die zülle und die steuern (wenig-
stens alle beträchtlichen^'), und diese Verpachtungen besorgt zwar eine
eigene behürde, die danach lieifst (/rwA/yrat), aber es geschieht im ral-
haus, unter assistenz, zuweilen sogar auf bcschlufs des rates, und die con-
Iracte sind in der Verwahrung des rates. die Verpachtung des vom Staate
verwalteten kirchengules wird zwar von dem konige selbständig besorgt;
aber er übergibt dem rate den contract und hat weiter nichts damit zu
schaffen; auch diese einnähme ist eine feste staatseiunahme.^-) ein Über-
schlag der sichern einnahmen ist also sehr gut möglich, ganz ebenso
einer der laufenden ausgaben : also ein budget, und in gewissem sinne
hat es in lykurgischer zeit wenigstens bestanden.^^) aber die geldver-
waltung ist auch so organisirt, dafs sie sich einfach und sicher leisten
liefs. die Zahlungen an den Staat finden im rathause an wenigen be-
stimmten terminen statt, die meisten in der neunten prytanie, mitte mai.^"*)
Sammlung, wo der neue demarch die geschäfte übernimmt und die recbenscliafts-
beamten vereidigt, kann nicht wol die euthyna des alten demarchen schon perfect
werden: aber bürgen kann er steilen, als vnevd'vvos, wie in der Verfassung Drakons.
CIA I 2 von Skambonidai lehrt nichts besonderes ; ein gemeindebeamler, der öffent-
liches gut verwaltet, soll in bestimmter frist das angemessene an den eulhynos abgeben.
31) Ob nicht z. b. das ayo^aanxöv direct von den steuerpflichtigen an die
behörde gezahlt ward, stehe dabin.
32) Es folgt, dafs dieses kirchengut einmal saecularisirt ist, indem der slaat
mit den einkünften die Verpflichtung für die Unterhaltung des cultes und seiner ge-
bäude übernahm: CIA IV p. 66 fliefst allerdings das pachtgeld des Neleus u. s. w.
auf dem umweg über die apodekten ungeschmälert in den schätz der andern götter;
die Unterhaltungskosten werden vorweg von der tempelcasse bestritten, die ohne
zweifei auch andere einnahmen hatte (die Umzäunung soll ex rov refie'vovs besorgt
werden), mit aufhebung jenes Schatzes mufste das geld natürlich slaatsgeld werden.
33) Das folgt aus den festen posten der ausgäbe, wie den xarä yjt]fiafiara
avaXiaxö/xEva z^ Sfifico, oder den fünf talenten für die Is^cSv eniaxevaarai, denen !
der einnähme, wie den Se'xa Talavra rcäv ^äfcov, und aus dem TTQoavouod'err^aac'
als ausdruck für die creirung eines neuen postens unter den laufenden ausgaben
34) Das ist also die zeit, wo die neue ernte beginnt; es entspricht dem land- |
wirtschaftlichen rechnungsjahre bei uns, das mit johanni schliefst: die grundlage für,
diese Verhältnisse hat eben die Wirtschaft der domänenpächter gebildet, und zwar!
als der landbau wesentlich in cerealien bestand. '
Alter der beiden formen der rechenschaft. 241
die vereinahmuDg besorgen die 10 eionehmer, ano^t/xaL, aufgrund der
contracte, die vorher im rate festgestellt sind, nun ist die casse voll;
schon am folgenden tage wird sie geleert, denn da haben die einnehmer
einen anschlag für die Verteilung der gelder unter die beamten im rate
vorzulegen und genehmigen zu lassen, wobei alle einzelnen monita berück-
sichtigt werden können, nötigenfalls durch eine xarayywatg Tr^q ßovX^g.
sie würden hierzu nicht im stände sein, wenn nicht die forderungen der
beamten vorlägen, aber diesen steht ein ratsausschufs von 10 calcula-
toren, koyiOTai^'% zur seile, welche für sie die rechnungen führen, so
dafs die bedürfnisse längst bekannt sind, übrigens zum teil durch ge-
setze oder specielle Zahlungsanweisungen vom volke vorab fixirt. so ist
um den 20 Thargelion der grofse cassenumschlag in Athen, da kommen
die Steuerpächter und die bergwerkbesitzer, die domänenpächter und die
staatsschuldner: sie alle müssen bar geld aufgetrieben haben, und ein
gewaltiger schätz liegt an dem abend des zahlungstages der neunten
prytanie im rathause, aber nur eine kurze nacht, schon am folgenden
tage fliefst der ström wieder ab und verteilt sich unter das volk. jetzt
bekommen die bauern, die das opfervieh gestellt haben, die Steinmetzen,
die die inschriftsteine geliefert haben, ihre bezahlung, handwerker und
kaufleute, die für die einzelnen behörden tätig gewesen sind, werden
befriedigt; man mag sich das weiter ausmalen, in kleineren Verhält-
nissen ist dasselbe an dem zahlungstage jeder prytanie der fall, wo auch
viele gehäiter und pensionen abgehoben sein müssen.^^j in sehr sinn-
35) Ar. 48, 3. Lys. 30, 5 ol ftav aXXot rrjs avTCJv u^j^rjs xarä Ttovraveiav
Xoyov avafSQOvai (früher falsch auf die epicheirotonie gedeutet). Poll. 8, 99. wenn
derselbe 100 sagt oi Si si&woi CLaneo ol na^eS^oi roii evvia a^^ovai TCQoaai-
QovvTut, so sieht man noch die Verwirrung, da ursprünglich gesagt war, dafs die
euthynen SaneQ ol d"' äoxovres ß' jtaoe§Qois Ttooaaigovvrai. was folgt oizoi S'
eian^daaovai xai tovs e'xovras ist bis zur Sinnlosigkeit entstellt, schol. Plat. Ges.
12, 945 stammt aus dem vollständigeren PoUux oder aus seiner vorläge, ist aber um
nichts besser ev&vvoi etaiv ooxovtss nvss ol t«s evd'vvas Xaußdvovrss naoa rcöv
aqyfivT(ov löaiieq xai ol Xoyiaxai' yai näosSgoi i<p exäarrj cioxfl (xal ycQ T(j5 «(>-
%ovTi. evü'vvos Tjv xai nägeS^os xal tw ßaatkei Ofioicos xal reo noXefiaQy^o} xai zols
ü'sofiod'erais.) exngaaaei Ss o svd'vvos oaa t^s agxv^ j] nooatexaxrai lorpl-ov tivss
sii xb Srifioaiov. dafs die TtäQsSgoi, der 3 archonlen die snißoXai und was sonst
die archonten rechtskräftig an bufsen verhängen konnten, beizutreiben halten, ist
an sich möglich; aber ein so verwirrtes Zeugnis kann überhaupt nichts beweisen.
36) Die invaliden und die Staatspensionäre wie Peisitheides (CIA II 115''), von
dem es ausdrücklich gesagt wird, haben so ihr auf den tag berechnetes geld er-
halten, vermutlich doch auch die ratsherren und die bezahlten beamten, so weit
sie ortsanwesend waren, insbesondere die subalternen, freie und sclaven. für
V. Wilamowitz, Aristoteles. II. 16
242 11. 12. ylöyos und eid-wa.
falliger weise hat sich dahei herausgestellt, oh der ordentliche etat des
Staates^') balancirte. ein Staatsschatz wie im fünften Jahrhundert bestand
nicht mehr, wenn auch die Staatsgelder bei der güttin deponirt vvaren.^^)
an seiner statt mufstcn die cassen der Spielgelder und der kriegsgelder
die Überschüsse aufnehmen oder das deficit decken.
Wer sich diesen geschäflsgang klar macht, mufs einsehen, dafs die
behorden, die mit den Staatsgeldern zu tun haben, allesammt sehr wenig
zu besagen haben ^'') und der initiative ermangeln, der rat ganz aus-
schliefslich ist für die finanzverwaltung verantwortlich, es ist also durch-
aus berechtigt, dafs die beamten unter ihm stehn und beschwerden über
sie während des Jahres an ihn gehn (46, 2). es ist aber eben so not-
wendig, dafs neben ihm eine unabhängige rechenkammer besteht, welche
nach ahlauf des jahres die ganze Verwaltung prüft, aber iiatürhch über
den ausschufs des Volkes nicht selbst entscheiden kann, dazu ist nur
sein auftraggeber das volk competent, und es entscheidet in der ideellen
Vertretung seiner gesammtheit, die ein heliastisches gericht bildet, somit
sind die logisten ein ganz unentbehrliches ghed in dem Organismus der
ausgebildeten demokratie, die wir nach Kleislhenes nennen dürfen, einerlei
ob sie 507 oder ein par jähr später ins leben gerufen sind.^") sie setzen
die selir starken bedürfnisse an heliasten und ekklesiastensold mufste freilicli Vor-
sorge getroffen sein, dafs er täglich zur Verfügung stand, das fünfte jatirhundert
liatte für den ersteren, den es allein kannte, die aus unbekannten quellen gespeiste
kolakretencasse, die selbst für bauten noch Überschüsse abwarf, das vierte hat sie ;,
zu gunsten der allgemeinen staatscasse aufgehoben; woher und wie der richtersold (1
gezahlt ward, wird aufklären, wer die reste des vierten röftos ergänzen liann. wie
die diobelie gezatilt ward, darüber vgl. das betreffende capitel.
37) iyy.vxLos Sioi'yrjais Ar. 43, 1. richtig ergänzt von Dittenberger in CIA II
117,9.
38) Ar. 44, 1. 47, 1. da der obmann des rates den Schlüssel hat, so ist das
anderes geld als die cassen für ü'etoQixä und aigaTtcoTixä. denn die reformen des ,
Eubulos und Lykurgos haben diese vom rate emanzipirt. da die casse des zweiten
Seehundes keine besonderen Verwalter hat, ist die Scheidung von Reichs- und Staats-
casse aufgegeben, die das fünfte Jahrhundert in der guten zeit eingeführt, aber
schon vor 411 der not weichend nicht mehr behauptet hatte.
39) Die raf/iai und illriVOTafiiai des fünften Jahrhunderts hatten so grol'se
schätze unter sich, dafs dadurch ihre bedeutung und insbesondere ihre Verantwortung
gröfser war. aber selbständiger sind sie gewifs nicht gewesen; denn die demokraten
vertrauten damals ihrem ausschusse, dem rate, vollkommen.
40) Dafs sie seit 454 die procente der wirklich eingegangenen tribute be-
rechnet haben, kann man nicht bezweifeln. 462/1 erst ist der Areopag in seiner
Verwaltungstätigkeit beschränkt: nicht leicht würde man glauben, dafs die logisten
in der Zwischenzeit geschaffen wären.
i
Alter der beiden formen der rechenschaft. sv&vva aiQuiriywv. 243
die ausgebildete Volksherrschaft durch rat und gerichte voraus, setzen
auch eine vollkommen schriftliche Staatsverwaltung voraus: das wird
man der themistokleischen zeit gern , schwerlich der solonischen zu-
trauen.
Einen total verschiedenen Charakter trägt die Evd-vva der bearaten.
dafs der beamte vntvd^vvog ist, mandatar des souveränen volkswillens,
darin liegt die herrschaft des volkes. dadurch hat Solon die demokratie
begründet, und Aristoteles, der dies nachdrückhchst hervorhebt, erklärt
die euthyna schlechthin für unerläfslich. aber er sagt nicht, wie sie von
Solon angeordnet war. da tritt nun die Schilderung der Verhandlung
vor dem euthynos ein. dieser mit seinen zwei beisitzern ist ein analogon
des archons, der vor Solon das recht des svd-vvsiv , des strafens hat.
aber er ist ein mitglied des aus der sammtgemeinde durch das los auf
praesentation der Unterabteilungen ausgewählten rates. dafs wir bisher
weder sicher wissen, in welcher weise vor Kleisthenes der rat aus den
Unterabteilungen der phylen besetzt ward, noch das Zahlenverhältnis
seiner ausschüsse und der phylenweise besetzten coUegien kennen, beein-
trächtigt die hauptsache nicht, dafs ein "Volksvertreter" die prüfung der
beschwerden über die abtretenden beamten für seine phyle vornimmt,
und wenn wir auch nicht wissen, wie die civilklagen vor der einsetzung
der demenrichter entschieden sind, so bleibt doch das für die solonische
Ordnung, dafs der euthynos die ihm billig scheinenden öffentlichen be-
schwerden dem thesmotheten zur gerichtlichen Verhandlung überweisen
kann, mag auch der thesmothet noch das recht der abwerfung haben :
bei einem starken druck des volkswillens konnte er dies recht nicht
leicht ausüben, und damit war die sache vor dem Volksgericht, gerade
in den mannigfachen cautelen, welche noch die appellation an das gericht
beschränken, erkennt man, dafs hier eine Institution vorliegt, die so alt
ist wie die demokratie; wie ja auch die procedur selbst höchst alter-
tümlich ist. sehr begreiflich also, dafs das vierte Jahrhundert den umweg
scheute und die euthyna zu gunsten der anklage vor dem logistengerichte
verkümmern liefs. beschwerdeinstanz gegen die beamten ist in der Ver-
fassung Drakons der Areopag, und das ist er bis 462 geblieben ; es liegt
in seiner competenz der nomophylakie. das ergibt zwar für die zeit der
zwei rate auch zwei beschwerdeinstanzen nebeneinander, aber deshalb
ist es nicht unglaublich, im gegenteil, es ist eine notwendige folge davon,
dafs neben den senat eine Volksvertretung gesetzt war.
Ganz scharf hebt sich von diesem regelmäfsigen gange die rechen-
schaft der Strategen ab, die von den thesmotheten vor gericht gebracht yäv.
16*
e{&
vva
244 H. 12. ylöyos und evd'vva.
wird (59, 2)."') was das bedeutet ist jetzt ganz klar, für dieses verant-
wortungsvollste amt ist der umweg über den culhynos vermieden und
generell verordnet, was in andern fällen durch die specielle bestimmung
bewirkt wird, dafs der eulhynos jede bescliwerde annehmen und durch
seine y.aTäyvioOLg vor die thesmotheten bringen mufste. es ist auch der
Willkür der thesmotheten die niederschlagung einer beschwerde entrückt,
das Volk selbst evd-vveL, d. ii. die heliasten die es vertreten, ob nun wie
vor dem sv&vvog eine schriftliche beschwerde einzureichen war, ob münd-
liche Verhandlung auf heroldsruf wie vor den logisten, macht nichts aus;
so viel ist sofort klar, dafs in diesem falle ^oyog und evd-vva einander
so nahe berühren, dafs es eine doppelte Verhandlung gegeben halte, und
wenn die Athener praktisch gewesen sind, so haben sie die logisten in
diesem falle nicht bemüht, oder höchstens zum nachrechnen, aber dann
würde man das eingreifen eines avvrjyoQog in solchen processen er-
warten.
Der hunde- Wir kennen nur ein komisches bild einer oxQazrjöJv evd^vva in
^WeVen- '^ tlem hundeprocess der Wespen, dafs Laches von Kleon wegen erpressung
belangt werden soll, sagt der chor 240, und der dichter hat so den
process, den Philokieon in Wahrheit versäumt, im spiele entscheidet, selbst
angegeben, der process wird von Kleon geführt, den vorsitz hat der
thesmothet (935), es handelt sich um y,lo7trj zu Ungunsten des Staates
und besonders der flottensoldaten (917, 909), das vergehen ist schätzbar,
und der unwillige richter ruft "ich wollte, nicht mal schreiben hätte er
gelernt, damit er nicht seine rechnungen gefälscht hätte, 'iva (.lij xav.ovq-
yiüv IviyQacp' rj/xlv zov Xoyov, 961."") das ist also ein rechenschafts-
process, aber mit einer anklageschrift und unter vorsitz des thesmo-
theten.
Laches war feldherr 427/26, ist aber erst im frühjahr 425 heim-
gekehrt, denn erst eine gesandschaft von dem sicilischen kriegsschauplatze,
im winter 426/5, bewog die Athener Verstärkungen dorthin abgehen zu
lassen, und trotz der Jahreszeit mufste Pythodoros wenigstens den Laches
41) Ich ersetze mit dieser behandlung meine frühere, Kydath. 60; mein haupt-
fehler war, die imx^iQorovia für jung zu halten.
42) Cobet decretirt freilich (Var. Lect. 104) corrige sodes k'yQacpev pro ivi-
y^atp^, nisi quid sit Xöyov iyyQci^siv in tali re expedire poies. und Meineke ist
dem befehl gehorsam gewesen, andere werden sich wundern, dafs der hund ein
logograph gewesen sein soll, was köyov eyyQcicpeiv bedeute, konnte Cobet z. b. aus
Demosth. 24, 199 lernen, verstanden hat es allerdings auch der scholiast nicht, und
dem ist sogar Droysen gefolgt.
J
Der hundeprocefs der Wespen, der procefs des Perikles. 245
sofort ablösen (Tliuk. 3, 115). Laches verschwindet darauf für ein par
jähre von der pohtischen bühne. man würde auch ohne Aristophanes
annehmen, dafs er auf jene gesandtschaft hin in ungnade abberufen ist,
und da diese nicht vor dem Spätherbst 426 in Athen eingetroffen ist, so
wird man schHefsen, dafs Laches 426/5 zum Strategen wiedergewählt,
aber abgesetzt ward.'^) die apocheirotonie ergibt genau dasselbe ge-
richtliche verfahren wie die euthyna der Strategen, und jeder andere
weg auch, der ein Vorurteil des volkes herbeiführt, der TtQoaraTrjg rov
örj(.iov, der die sache im volke angeregt hatte, ist von diesem zum an-
kläger ernannt, wie Perikles in dem analogen falle bei der Evd-vva des
Kimon. nun dürfen wir mit Zuversicht sagen, dafs Aristophanes, als er
423 die Wespen dichtete, den process von 425, der mit der freisprechung
des Laches endete, vor äugen hatto.'*^) für die rechenschaft der Strategen
ist übrigens die ficlion des zeitgenossischen dichters genau so beweisend
wie der einzelne reale fall.
Noch ein zweiter vielbehandelter procefs kann nun völlig klar ge- ner procefs
stellt werden.^^) Perikles ist 15 jähre hinter einander Stratege gewesen.
aber im sommer 430 brach unter dem eindrucke des zweiten einfalls der
l'eloponnesier und der pest sein einflufs zusammen, er ward abgesetzt
und das volk beriet über die behandlung seines processes. man zog ihn
'zur rechenschaft', evd-vvag Idlöov. in der Aersammlung stellte Jga-
■/.ovrlör^g Aeoiyöqov QoQaievg''^) den antrag, seine rechnungen sollten
43) Beloch (Att. Polit. 337), der sonst richtig urteilt, nur über die parteien,
wie meistens, zu viel weifs, läfst Laches über sein amtsjahr hinaus fungiren. ge-
wifs ist das möglich; aber dann würde man seine ablösung früher erwarten als im
december.
44) Das führt weiter; die parodie des processes zwischen Kleon und Laches
als hundeprocefs vor dem <Pi,).o-xXi(ov, der von BSeXv-aXdcov überlistet wird und so
die gestrenge heliaea und den Kleon zugleich blamirt, ist die keimzelle der komoedie.
Aristophanes hat sie 425 concipirt, in der zeit des lebhaften hasses wider Kleon,
der in den namen noch durchbricht, im stücke sonst nicht mehr wirkt, damals
hatte er keine zeit, die idee auszuführen, und als er es tat, in stark veränderter
Stimmung nach dem miserfolge der Wolken, ist alles vortrefflich ausgefallen was aus
diesem keime gewachsen ist; alles andere ist ziemlich eilfertig angeflickt, für die
analyse des gedichtes und die beurteilung der art, wie dieser dichter schuf, ist das
exempel sehr belehrend, der gedanke soll bei anderer gelegenheit auch für andere
seiner werke verwertet werden.
45) Über den process des Perikles haben erst Beloch (Att. Polit. 330) und
Krech {de Cralero 86) mit richtiger beurteilung der Überlieferung gehandelt, aber
das juristische erheischt noch einige worte.
46) Stratege 433, 2. Stahl Rh. M. 40, 439.
I
246 '!• 12. ylöyoi und eid-wn.
dem rate überwiesen werden ; für den fall, dafs dieser eine yMzäyvtooig
ausspräche, sollte das gericht in besonders feierlicher weise auf der bürg
abstimmen/') dieser teil des antrages fiel zu gunsten eines amendemcnts
von Hagnon, der 431/0 mit Pcrikles Stratege gewesen war^») und jel/.l
durchsetzte, dafs die sacbe des Perildes einem besonders starken gericlilt!
tiberwiesen wurde, vor dem die antrage auf y.loTt}] , öwqcov, aör/.lov
zu erheben wären: noch also lagen formulirte Strafanträge nicht vor.
so geschah es. es erfolgte die Verurteilung wegen ■/loTti].'''^) das unter-
schlagene gut mufste also zehnfältig ersetzt werden, das ist geschehen^"),
47) Krateros bei Plnf. Per. 32 y'i[(piafia y.voovrai Jo. yoäipavros, oncos ol \
Xöyoi icüv ;^(>7;^aTft>v vno IlsgtxXtovS eis rovS TtQvrnvsiS anored'elev , ol Se Sixa-
axal T>]v yjj^y>ov and lov ßojfiov (pt^ovree iv rf; Ttol.ei ■aqivouv. die spräche hat
Plutarch abscheulich verdorben, dafs die prytanen mit den aclen doch etwas tun \
müssen, also ein mittelglied zwischen den beiden handlungen weggelassen ist, ist
eben so klar, wie dafs man jetzt die Kicke ergänzen kann, den versitz würden
wieder die thesmolheten gehabt haben.
48) "AyvMv Se rovro fiev atpelXe rov xprirpiGfiaros, nQivead'ai Se frjv Siy.i.r
i'yoaxpev iv Sixaarais ;^tAtotS yal nevraxoaiois, ei're xf-OTrijs rj Soiocov e'ir aSixiov
ßovkoiTi) TIS 6voftäC,eiv rr,v Sico^iv. das hat doch wol gelautet t« ^lev aÜ.a y.a-
ü'äneQ JoaxovziSrii, xQivead'ai Se ir,v SCxrjV xre., so dafs nur der gerichtshof
anders constituirt ward, die xaräyvcoais des rates blieb (die ja vom volke vorab
verordnet werden konnte), es ist ganz müfsig zu ventiliren, was für Perikles gün-
stiger oder ungünstiger war. das zweite war in der Ordnung, hielt sich an den
normalen geschäftsgang, und war dem Perikles günstig, weil er nicht gestohlen
hatte. Drakontides mag durch sein ausnahmegericht auch nichts anderes beabsichtigt
haben als einen möglichst wahrhaften spruch der geschwornen; ob der für den an-
geklagten günstig oder ungünstig ausfiel, hieng von dessen schuld ab, was Drakon-
tides wünschte, nicht blofs von seiner parteistellung, sondern auch von seiner beur-
teilung der schuldfrage, dafs Hagnon 1500 (oder vielmehr 1501) richter beantragte,
nicht blofs 501, wie gewöhnlich war und hier durch eine blofs von fern leicht
scheinende conjectur hineingetragen werden soll, ist darin begründet, dafs ein beson-
ders wichtiger fall vorliegt und ein noch viel weiter gehender antrag ersetzt wird.
49) Plat. Gorg. 515'^ xXonriv avrov xarerft^^iaarTO , oXiyov Se xai d'avaxov
exCfii^aavy nämlich wenn sie strengere mafsregeln ergriffen hätten als den von
Hagnon beantragten rechenschaftsprocefs.
50) Wenn Thukydides sagt yor^fiaaiv it,T}fiicoaav , so sind wir verpflichtet zu
glauben, dafs die strafe bezahlt worden ist: eine niederschlagung, wie sie bei Phormion
ein par jähre später stattfand, hätte als deutliches zeichen der wetterwendischen volks-
stimmung erwähnung gefunden, zu zahlen brauchte Perikles allerdings erst in der
nennten prytanie, frühsommer 429. aber den anstand können wir ihm und seinen
freunden schon zutrauen, dafs er den befiel sofort bezahlte, er selbst hatte freilich
keine 50 latente, aber wie viele reichsstädte werden sich nicht beeifert haben, wie
viele zahlungsfähige dienten wie Kephalos konnte er nicht aufbieten, es ist auch
im gedächtnisse geblieben, dafs er gezahlt hat, denn der gar nicht verächtliche, bei
Der proceCs des Perikles. 247
also war die strafe erschwinglich, die angaben schwanken , 50 talenle
ist das höchste bezeugte^'), also war die unterschlagene summe höchstens
auf 5 talente geschätzt, eine wahre lappalie für den leitenden Staats-
mann, der mit lausenden von talenten gewirtschaftet hatte, also war
es ein moralischer sieg des Perikles, und wir begreifen, dafs er gleich
darauf wieder zum Strategen gewählt ward.
Den ruf der notorisch reinen bände hat Perikles behalten: wir
verstehn jetzt, dafs es geschehen ist, gerade weil er diese bufse bezahlt
hat. natürlich insinuirt Strepsiades mit €ig %o ösov UTtioXeoa die
yilonrj, aber den heliasten hat elg ro öeov avr^Xtooa bei dieser Ver-
handlung, wo es gesprochen ist, doch imponirt."*) die erinnerung,
dafs es die rechenschaftsablage war, um die der Jahrzehnte lang unge-
prüfte Stratege vor die richter treten mufste, ist nicht vergessen worden.^*)
Für die rechtliche beurteilung des processes ist es wichtig die
Chronologie festzustellen, das jähr des Euthydemos lief vom 3 august
431 bis zum 22/23 juli 430. die Strategenwahlen für 430/29 mufsten
in einer der vier letzten prytanien stattfinden, die Peloponnesier fielen
sogleich mit sommers anfang ein und blieben 40 tage, während dieser
zeit brach die pest aus, zog Perikles mit der flotte gegen den Peloponnes,
kehrte heim, als jene wieder aus Attika fort waren, und sofort gieng
mit dieser selben flotte Hagnon nach Poteidaia, trug in das belagerungs-
heer die ansteckung und kehrte dann unverrichteter sache heim, diese
expedition hatte wieder 40 tage gedauert, das war also 90 tage etwa
nach sommers anfang: man wird doch nicht anders rechnen können
Isokrates gebildete Verfasser der zweiten rede gegen Aristogeiton (die icli im gegen-
satze zu der ersten als wirklich gehalten anerkenne) bezeugt die Zahlung (7); er
nennt 50 talente.
51) Plut. 32 gibt als minimum 15, als maximum 50 an, also ist 80 bei Diodor
12,45 Schreibfehler, TT für N; denn das rechnen mit attischen Ziffern, das Krech
(p. 86) versucht, hat für diese handschriften und Schriftsteller keine berechtigung.
natürlich ist die höchste zahl mit nichten die glaubwürdigste.
52) Das apoplithegma ist acht, Aristophanes bezeugt es ja. aber wofür die
10 talente, über die Perikles keine nachweisungen halte und die aussage verweigerte,
wirklich verwandt waren, das getraut sich heute nur zu wissen, wer so kritiklos ist
wie die athenischen philister, die an Unterschlagung glaubten, oder zu der sorte histo-
riker gehört, die alles wissen, wie Ephoros oder Duncker. gesprochen hat Perikles
das Wort natürlich in dem rechenschaftsprocefs, den er allein ausgehalten hat. so
viel sah Theophrast wenigstens ein und erzählte daher von einer jährlichen Sub-
vention an die friedenspartei in Sparta weil die beslechung des Pleistoanax 445,
von der man gewöhnlich erzählte, zu lange her war.
54) Plut. Alkib. 7, 2 u. ö.
248 II. 12. Aöyoi und eld-vva.
als am ende des attischen Jahres, mitte juh, ja der Jahreswechsel wird
die rückkehr des Hagnon bestimmt haben, er ist in der Versammlung
gegenwärtig, die über Perikles berät, während dieser letzten drei monate
des Jahres kann die Strategenwahl nicht wol stattgefunden haben, weder
während der feind im lande stand , noch während die elite der mili-
tärisch interessirten bürgerschaft im auslande war. verständigermafseu
mufsle in kriegszeiten die wähl vor dem beginn der expeditionen ab-
gehalten werden, zumal wenn ein feiudUcher einfall in aussieht stand,
dann ist sie aber 430 gehalten worden, ehe die pest ausbrach, ehe die
landbevolkerung der laureotischen halbinsel durch die Verwüstung ihrer
leider erbittert war, in der Stimmung des ersten kriegsjahres, und es
ist ganz undenkbar, dafs Perikles nicht wiedergewählt wäre, der groll
gegen ihn brnch los, während Ilagnon in Thrakien war. Thukydides
erzählt das nachher, aber mit tzt, d^ loroaTrjyei II 59 deutet er, dem
ja doch die reihenfolge der ereignisse lebendig vor der seele steht, sein
zurückgreifen an. nun erzählt er den versuch des Perikles, die volksstim-
mung zu bändigen, wie sie ihm darauf in der grofsen politik folgten, aber
doch nicht umhin konnten, ihn in geldbufse zu nehmen, und ov nolhi)
voxiQov zum Strategen wieder wählten, es kann das nicht im frühjahr
429 geschehen sein: das wäre in einem leben, das nur nach monaten
noch zählte (er starb um den 1 September 429), nicht ov 7to/Mp
vOTBQOv. die Zwischenzeit seiner Ungnade und amtlosigkeit beläuft
sich nur auf ein par monate. wenn er also für 430/29 gewählt war
und für eben dasselbe jähr nachher wieder gewählt ward, so ist er ab-
gesetzt oder besser suspendirt worden, und wie sollte auch sonst eine
Wiederwahl im jähre möglich sein, da doch keine stelle frei war noch
frei gemacht werden konnte, wir werden also lediglich durch die Zeit-
rechnung zu demselben geführt wie durch die vorzüglichen nachrichten
über die formen des processes: Perikles ist abgesetzt worden, aTteyuqo-
Tovtj&r^ , in der letzten prytanie des Euthydemos oder in der ersten
des Apollodoros. es kann auch bei dem Jahreswechsel geschehen sein,:
wo doch irgend welche formen der erneuten übernähme auch für den
continuirlen magistrat bestanden haben müssen.
Der procefs ist nicht die einfache rechnungslegung gewesen, denn
das Volk selbst hat seine form festgestellt, er ist auch keine eisangelie
beim volke gewesen , denn dann hätte ein kläger und eine formulirte
anklage da sein müssen ^^), während das volk die verschiedenen anklagen^
55) Den kläger, der nachher vor den heliasten auftrat, konnte Plutarch bei
Krateros (cap. 32) nicht finden, er nennt cap. 35 Kleon, nach Idomenens: der kommt
Der procefs des Perikles. ev&wa ar^arrjycöv. 249
des logistenprocesses frei läfst. so bleibt nur das eingreifen des Souveräns
gegen seinen Vertrauensmann, wenn das volk den Perikles nicht mehr
zum Strategen haben wollte, ihn für seine leiden verantwortlich machte,
ihn sie büfsen lassen wollte, so war das ein unwiderstehlicher drang:
der minister mufste fallen, aber dieser minister war ein ordnungsmäfsig
für ein weiteres jähr gewählter beamter; der liefs sich nicht so leicht
wie ein minister beseitigen, da half nur amtsentsetzung, eine ausnahme-
malsregel, und das genügte weder der volkswut noch dem Selbstgefühle
des Perikles noch der gerechtigkeit besonnener verfassungsfreunde,
das gericht mufste sprechen, aber worüber? wo kein kläger ist, ist
kein richter. nach svd-vva rief man, ev&vva erhielt man, sogar Xoyog
und €vd-vva zugleich, aber die Evd^vva des Strategen ist eine hoch-
pohtische action, und der hochpolitische angriff gegen den Strategen
wird in die formen der euthyna gekleidet. ^^)
Es mufs jetzt, wo man bei Aristoteles gelernt hat, dafs für alle sv&wa
magistrate mit ausnähme der officierstellen die Iteration verboten war, °^^^l^'
noch viel bedeutsamer erscheinen, als es zuvor für jeden der fähigkeit
und guten willen zum denken hatte schon war, dafs die Strategie wie
alle militärischen ämter continuirt werden kann, damit ist die rechen-
scbaftsablage tatsächlich hinausgeschoben, so lange die volksgunst dem
Strategen bleibt, denn es ist weder rechtlich noch praktisch möglich,
dafs der Stratege, dessen anit vom skirophorion in den hekatombaion
nicht in betracht, denn er ist aus den versen des Hermippos (cap. 33) vorschnell
erschlossen ; Simmias, nacii Theophrast, Lakrateides, (den Eumolpidan, oben s. 82)
nach dem Pontiker Herakleides, es können ganz gut mehrere, z. b. als awrjyoQOt
beteiligt gewesen sein, aber bezeichnend ist, dafs kein namhafter politiker es ge-
wagt hat, den Perikles des diebstahls zu zeihen, was Ephoros und die neueren
von den parteien erzählen, ist zum gröfsten teile falsch oder ganz ungewifs. ins-
besondere die angebliche pfalTenpartei, die über die Propylaeen entrüstet gewesen
sein soll, verträgt eine ruhige prüfung kaum, mit den Eumolpiden hat Perikles
schwerlich feindlich gestanden; wir kennen unter den wenigen authentischen Worten
von ihm eins voll ehrfurcht über die ayQutpa ElfiolniScüv, Ps. Lysias (Meletos)
gegen Andok. 10.
56) hl folge der späteren redeweise ist nicht immer gut zu unterscheiden, was
wirklich euthyna war. doch nennt so Aristoteles 27, 1 die anklage des Kimon durch
Perikles, Plutarch (Per. 10. Kim. 14) redet von nqoßoXi] und bezeichnet Perikles
als einen der drei vom volke bestimmten awr^yoqoi. das ist sehr glaublich und
stammt wahrscheinlich von Stesimbrotos, da eine hämische anekdote anklebt, der
verlauf ist dem processe des Perikles, ganz analog zu denken. — natürlich existiren
daneben capitalprocesse (wol slaayye^iai) ngoSoaias wie gegen Thukydides, Pytho-
doros der Isolochos söhn, und gar der der Arginusen.
250 II. 12. ytoyos und ev&wa.
übergeht, statt vor den feind vor die heliasten zöge, darum hat man
die Strategen von der gewöhnhchen Verpflichtung, koyog und evd-vva
zu praestiren, ein für aUe mal befreit, mit dem rate stehen sie so wie
so nicht in Verbindung; sie erhalten ihre Zahlungen direct aus den
cassen , verausgaben sie aufser landes, unter Verhältnissen, die jede
specificirte recbnungsfiihrnng ausschliefsen. und für die militärische
disciplin ist das alte Athen auch nicht unempfindlich gewesen ; zumal
da phyle und regiment zwei concentrische kreise sind, wäre es anstüfsig
gewesen, dafs drei ratsmitglicdcr einen ausschufs bildeten und über die
beschwerden jedes trainknechts gegen den general ein Vorurteil abgäben,
also weder logisten noch euthynen für die Strategen, um so weniger
dürfen sie lyrannen, avvTtevd^vvoi, werden, daher die eud^vva vor den
thesmotheten , aber auch diese erst, wenn der rechenschaftspflichtige
nicht mehr im amte ist. das gibt Verzögerungen; aber die wichtigen
cassenbeamlcn, TaiiUai rrjg -O^eov und tiov aV.cov d^swv geben ja auch
ihre rcchnungen nur in vierjährigen perioden ab, obwol die collegien
jährlich ohne iteration wechseln, es ist auch unvermeidlich, dafs der
käyog zurücktritt : die thesmotheten haben keine ovviqyoQoi. und leicht
vermutet man, dafs diese Ordnung ihre wurzeln in der zeit hat, wo
die Strategen noch nicht die politischen executivbeamten waren, dafür
aber die logisten noch nicht bestanden.") damals mögen die archonten
wirklich die controlle über die Strategen gehabt haben , deren rechen-
schaft so bedeutungslos war wie später die der taxiarchen.^*) aber diese
zeit liegt für uns im nebel. um so deutlicher ist der praktische erfolg:
die euthyna der Strategen ist ohne bedeutung, wenn die leufe keine
führenden politiker sind; sind sie es aber, so wird sie jedesmal zu einem
grofsen procefs. sie ist nicht die Ursache der politischen Systemwechsel,
aber sie bietet die gelegenheit zum austrage von politischen kämpfen,
ähnlich wie der ostrakismos. das was in parlamentarisch regierten ländern
jetzt die Vertrauensfrage ist, ist die epicheirotonie noch mehr als die wählen,
aber in der entscheidung des souveränen gerichtes liegt eine möglichkeit,
sowol die Übereilungen der abstimmung des plenums gut zu machen,
wie den gestürzten politiker durch atimie auf immer zu beseitigen.
Das vierte Jahrhundert ändert rechtlich nichts, aber die demagogen.
57) Wir erreichen zwar die zeit, wo die Strategen niclit den oberbefelil liaben,
aber nicht die, wo die aushebung ilinen fehlt.
58) Von den hipparchen möchte man annehmen, dafs sie in allem den Stra-
tegen gleichgestellt waren, auch in der rechenschaftsablegung. weil sie wenig für
das ganze bedeuteten, wissen wir darüber nichts.
Evd'vva ar^axTjYÖJv. 251
die trotz allen gesetzlicheu cautelen (ovxocfavrlag, artärrjgrov di](.iov,
£Tai,Qi]0€cog, TtaQavöi-Uovi siaayyslia qyitÖqiov) ziemlich unverantwortlich
bleiben, reifsen das regiment an sich, ein teil der Strategen sind con-
dottieri, ein anderer friedliche Verwaltungsbeamte, die sehr gut unter
ratscontrolle gestellt werden könnten und Xoyog und evd-wa liefern
wie die andern beamten. da auch bei diesen allen die ev&vva vor dem
Xöyog zurücktrat, so wird der unwesentliche unterschied allein geblieben
sein, dafs für die Strategen der vorsitz des rechenschaftsgerichts bei den
thesmotheten statt bei den logisten stand: das schwert, das die Timotheos
und Iphikrates schliefslich fällte, war jetzt die eisangelie. aber die be-
zeichnung als evd-vva OTQaT)]ytüv ist misbräuchlich auch diesen processen
beigelegt ^^): sachlich war diese richterliche entscheidung unter vorsitz
der thesmotheten von der verfassungsmäfsigen svd-vva atQarriycüv, die
dieselben ausübten, wirklich kaum verschieden.
59) So nennt Isokrales 15, 129 den berühmten procefs des Timotheos und
genossen vom jähre 355 ev&wai, während es notorisch ein eisangelieprocefs war.
13.
nPOXEIPOTüNIA.
Die verlcilimg der geschäfte auf die vier Volksversammlungen, die
es zu Aristoteles zeit gab, läfst deutlich erkennen, dafs die solonische
Ordnung nur eine regelmäfsige , die /.lqlcc, gekannt hat. wie viel es
damals im jähre waren, ist unbekannt, weil wir das analogon der prytanien
nicht kennen, seit Kleisthenes waren es zehn, zehnmal also kam die
souveräne biirgerschaft zusammen, bestätigte ihre beamten, wenn sie
mit ihnen zufrieden war, beriet die für die Verpflegung und die Sicher-
heit des landes zu trefl'enden mafsregeln, nahm die denuntiationen über «
hochverrat und sonstige majestätsverbrechen entgegen, liefs sich über
die Veränderungen im besitzstande ihrer mitglieder unterrichten, welche
grundstücke durch confiscation dem souverän zugefallen waren, welche
durch todesfälle vacant geworden des rechtmäfsigen erben harrten und
entschied schliefslich über denuntiationen gegen bürger, die das ver-
trauen des Souveräns verwirkt oder getäuscht hatten (43, 4 — 5). daniii
ist erschöpft, was der souverän regelmäfsig zu erledigen hat. hinzu-
kommt die Versammlung für die wählen, für die dem rate ein terminiis
ante quem non in der siebenten prytanie gesetzt ist; das nähere steht
bei diesem, weil ein günstiger tag für dieses w-ichtige geschäft gewühlt
werden mufs (44, 4). es hat ferner jeder bürger das recht, vor die
gesammtheit zu bringen, was er auf dem herzen hat; doch ist dafür
die form beliebt, dafs er als bittflehender das gesuch stellt, diesem
mufs innerhalb jeder prytanie einmal folge gegeben und dafür eine
besondere Versammlung berufen werden, natürlich vom rate, der die
gesuche also gesammelt haben mufs. darin liegt, dafs diese Versammlung
keine regelmäfsige ist, sondern nach bedürfnis ausgeschrieben wird,
das geschieht auch im übrigen, so oft Stoff zu Verhandlungen vorhanden
ist, insbesondere mitteilungen fremder Staaten durch herolde oder gi-
sandte vom rate vor das volk gebracht werden müssen, das ist alles
nicht mit Sicherheit im voraus zu übersehen.
II. 13. IlQoxEiQorovia, 253
Die geschäftsordniiDg, wie sie Aristoteles gibt (43, 4 — 6), läfst diese
solonische oder besser kleislhenische Ordnung noch ganz klar er-
kennen; selbst die längst obsolet gewordene Vorfrage nach dem Scherben-
gerichte war auf dem papiere erhalten, geändert ist nur, dafs in anbe-
tracht der regelmäfsigen geschäftslast aufser der y.vQLa Ixytlrjala noch
drei Versammlungen für die prytanie gesetzlich vorgeschrieben sind, von
denen für eine die Verhandlung über die bittgesuche allein als not-
wendiger gegenständ der Verhandlung auf der tagesordnung steht, für
die beiden andern ist die ganze tagesordnung dem belieben des Vor-
sitzenden frei gegeben, da "^heiliges und profanes und Verhandlung
mit herolden und gesandten ' alles mögliche umfafst, in Wahrheit sind
auch bittgesuche kaum noch vorgekommen ; der rat hatte also auch die
zweite Versammlung frei zu seiner Verfügung, denn die geschäftsordnung
schrieb nur vor, was behandelt werden sollte, schlofs aber damit nichts
aus. die steine lehren bekannthch, dafs man die drei Versammlungen
zweiter Ordnung gar nicht in der terminologie unterschieden hat, da-
gegen in der y.vQta auch alles mögHche verhandelt, was nicht unter
die rubriken ihrer geschäftsordnung fällt, selbstverstäudUch nachdem
deren gegenstände erledigt waren, die durch religiöse rücksichten ge-
forderten Sitzungen nach den grofsen festen, Dionysien, Mysterien, doch
wol auch Panathenaeen , die sicherlich zunächst über diese bestimmten
gegenstände zu verhandeln hatten, sind von Aristoteles seiner gewohnheit
gemäfs übergangen, weil nur das religiöse an ihnen etwas besonderes
war. die steine haben aufserdem gelehrt, dafs der rat völlig frei war,
in welcher Ordnung er die Versammlungen einer prytanie anberaumen
wollte , dagegen bestimmte tage der prytanie fast regelmäfsig versamm-
lungstage des Volkes waren, während bestimmte monatstage aus religiösen
rücksichten frei zu bleiben pflegten.')
Die aufstellung der tagesordnung ist ausschliefshch sache des rates,
soweit nicht das volk ihm vorher gesetzliche Weisung erteilt hat. das
sehen wir in verschiedenster weise geschehen, bald wird er angewiesen,
eine sache in der nächsten sitzung vorzubringen, bald wird einem
künftigen prytanencoUegium diese Weisung gegeben, bald wird ein gegen-
ständ oder der noch unbekannte antrag einer person einmal oder für
alle zeit unter die bevorzugten der geschäftsordnung eingereiht, so dafs
darüber verhandelt wird Iv rolg hgolg, evd-vg justcc ta uqü, oder er
1) Die vortreffliche arbeit von Reuscli {de dieb. contion. ordinär.) verdient
bereits einen nachtrag aus dem zugewachsenen materiale.
254 II. 13. IIooxsiooToria.
wird auf die Verhandlung der v.vQia gleich zu anfang der silzung ge-
öchohen, Tavra de tivccL elg (fv?Mxr^v rrg yiiögag, u. dgl. m. lilr
diese ziemhch allbekannten dinge lehrt Aristoteles nichts neues, wol
aber erfahren wir hier , wie man dem misstande vorbeugte, dafs durch
diese bevorzugungen und durch die sonstige freiheit des rates in der
aufstellung der tagesordnuug einzelne gegenstände zwar regelmäfsig
hinten auf dem programme figurirten, aber niemals zur erledigung kamen,
es war nämlich vorgesehen , dafs in den Versammlungen 3 und 4 von
den drei kategorien der heihgen, auswärtigen und profanen gegen-
stände je drei nummern-) in dieser reihenfolge erledigt werden sollten,
wenn danach noch zeit war, mochten die Vorsitzenden und das volk
weiter sehen.^) nun fragte es sich, welche nummern aus dem programme,
das gleichzeitig mit der berufung der sitzung veröfl'entlicht ward, zur Ver-
handlung ausgewählt werden sollten, wenn das nach der reihenfolge
gieng, die ihnen der rat auf dem programme gegeben liatte, so stand
jede bevorzugung oder Verschleppung ganz in dessen band, dem steuerte
die eiuführung einer 'debatte über die geschäftsordnung.^ das volk wählte
die nummern selbst durch einen vorbeschlufs aus. Aristoteles, der sehr
kurz, aber für die erfahrenen leser verständlich redet, erwähnt diese
Vorabstimmung nur in der sarkastischen bemerkung "sie verhandeln aber
auch manchmal ohne Vorabstimmung", ihm hegt daran, die gesetzesver-
lelzung zu notiren; wir entnehmen aus der ausnähme die regel, die er in
seiner compilation unterdrückt hat.
Die jcQoyietQOTOvia erwähnt Aischines 1, 23 in einer Schilderung
des gesetzlicheu Verlaufes der Volksversammlung "wenn das volk durch
die herumtragung des opfers entsühnt ist und der herold fluch und
2) Es ist möglich, dafs die schematische dreizahl für alle kategorien beliebt
ward, aber dann war man gegen die eigentlichen laufenden geschäfte der Verwal-
tung, die cfft«, sehr unbillig, nun steht über xQia S"" oaicov in der handschrift
avQaKoaitov; ich kann das nicht für eine entstellung dieser einfachen worte an-
sehen , komme also immer auf die veimutung zurück, dafs vielmehr die Variante
TtaaaQa S^ taiwv zu gründe liege,
3) Das volk wird aber wol meistens nach dem Schlüsse gerufen haben: sie
hatten sich ihren tagessold abverdient, die bestimmung, dafs neun gegenstände
erledigt werden sollten, hatte auch als minimum wert: so viel wenigstens sollte
der demos für seine diaeten leisten.
4) TiEqi xüiv uqöjv hat der Coislinianus; der artikel ist falsch, da es sich nicht
um bestimmte leqü. handelt, bestimmt ist nur, dafs sie näxQia sind, ein antrag im
Interesse der Isis oder der kitischen Urania geniefst nicht die bevorzugung. die ge-
ringeren handschriften haben in diesem falle recht.
i
II. 13. Hoo/fiiooxovia. 255
Segen gesprochen hat, dann müssen die Vorsitzenden die voiabslini-
niiing vornehmen iieqX isqwv ztöv narQiujv^) y.al yj'^Qv^t y.al TCQeoßsiaig
■/.cd colcov und dann wird die debatte eröffnet", die stelle ist unmittelbar
verständlich, erst feststellung der tagesordnung, dann debatte. die drei
kategorien der gegenstände und ihre reihenfolge stimmen genau zu
Aristoteles.
In ähnlicher weise, um die ganz gesetzmäfsige behandlung einer be-
jiimmten sache darzulegen, erwähnt Demoslhenes 24, 11 die procheirotonie.
es ist durch volksbeschlufs eine aufserordentliche commission eingesetzt, bei
d<r denuntiationen eingereicht werden sollen gegen solche, die dem Staate
geld hinterzogen haben. Euktemon macht eine solche meidung, es kommt
vor den rat^), der rat setzt seine meidung auf die tagesordnung, eine
Versammlung wird berufen, das volk beschliefst durch vorabstimmung
den gegenständ zu behandeln (7CQolxsn)OTÖvrioev 6 örjf.iog), Euktemon
bringt seine anzeige vor u. s, w. die absieht des redners ist ausschliefs-
lich darauf gerichtet, den eindruck der peinlichsten genauigkeit zu er-
wecken, daher verweilt er bei jeder Station, die ein antrag zu passiren
hat, nicht weil auf sie in diesem falle etwas besonderes ankäme, sondern
zum beweise, dafs keine überschlagen ist.
Die dritte stelle besitzen wir nicht mehr selbst, sondern lesen nur
bei Harpokralion TCQoxetQorovia' ioL/.tv^^äS-r^vriöL toiovto tl yiveod^at'
iTtöxav TVig ßovXr^g 7iooßov/.evoäor^g elo(feQt]rai €ig zov dfi/nov
rj yvco/iir^, TcqöxEqov ylvexui yßiqoxovia iv TJ] ky:/.Xr^oicc rcöxeqov
doxel 7V€qI zcüv ßovkevd-ivxcov G/.tipaod-ai xov diif-iov r] ccq/.sI xb nqo-
ßovkev!.ia. xuvxa (5' v7iooi]/.iaivexaL ev xuj ylvoiov 7iqbg xr^v 3l€i^i-
örif-iov yqafprjv. die erklärung ist unsinnig, denn darum dreht sich die
debatte jedesmal, ob man es bei dem ratsantrage bewenden lassen will
oder nicht, aber die debatte dreht sich darum, nicht eine blofse yeiqoxovla
oder gar Tiqoyeiqoxovla. der grammatiker hat seine mit aller reserve
vorgetragene deutung darauf aufgebaut, dafs Lysias den antrag des Meixi-
demides für ungesetzhch erklärte, weil ihn die prytauen ohne nqoxeL-
qoxovia zur abstimmung gebracht hatten, man kann sich sehr gut
denken, wie dann ein solches misverständnis entstehen konnte.
5) Die ^rj-iiirai sind also niclit in der läge selbst mit dem volke zu verkehren
(das versieht sich von selbst), aber sie können auch nicht einmal selbst eine Unter-
suchung führen: der rat hat sowol als finanz- wie als Polizeibehörde mitzuwirken,
nur verlangt das volk, selbst zu entscheiden, es verletzt die verfassungsmäfsige
mitwirkung des rates nicht, aber es eludirt sie. der ratsantrag hat gelautet:
TCQoaayuyelv Evy.Ti;uova tiqoS tbv S7]fiov eis irjv eniovaav sxxÄr^aiav, tov §e Srifiov
axovaavTa Eunxrjfiovoi ßov/.evaaod'ai ort av avxu Soxrj doiaxov eivac.
256 JI- 13. Uoo/^eiQorotia.
Das sind die erwähnungen der procheirotonie. sie erledigen sich
nun leicht, in das fünfte Jahrhundert fiiliren sie nicht hinein, in dem
Verfassungsentwurfe der 400 wird die geschäftsordnung für die Versamm-
lung heslimmt, die Kategorien sind dieselben, ihre Ordnung auch, aber
innerhalb derselben entscheidet das los über die reihenfolge der gegen-
stände, deren zahl nicht beschränkt ist (30,5). für die demokratie ist
anzunehmen, zumal in hinblick auf die klagen des oligarchen der 7to/.i-
reia A&rivauov, dafs der rat die reihenfolge und zahl der gegenstände \
feststellte, die procheirotonie ist also eine Institution der restaurirten
demokratie; die Lysiasrede ist frühestens ende der neunziger jähre ge-
halten.
Aber ein praecedens gab es allerdings, die vorabstimmung der sechsten
prytanie, ob ein ostrakismos stattfinden sollte oder nicht, das hat
M. H. E. Meier verführt, den passendsten namen TtQoxeiQorovLa durch
conjectur im lexicon von Cambridge einzusetzen, wo die Aristotelesstelle
43, 5 citiert war, und wir haben durch meine nachläfsigkeit diese con-
jectur als Überlieferung angesehen und danach geändert. obvvol es
rechtlich eine procheirotonie war, dürfen wir doch nicht die spätere
terminologie für die zeit des Kleisthenes fordern, können das überlieferte |
htixi'.LQOToviav "^abstimmung' , ohne frage in dem sinne 'debattenlose !
abslimmung' gelten lassen, sehen dann aber um so deutlicher, dafs die
procheirotonie eine spätere Institution ist.
DRITTES BUCH.
Beilagen.
T. Wilamowitz, Aristoteles. II. 17
1.
DIE PHßATEIE DER DEMOTIONDEK
Ich möchte nicht die ganze Urkunde zum abdruck bringen, die uns
allein einen einbhck in das leben einer phratrie gewährt, bin aber über-
zeugt, dafs die erklärer deshalb nicht richtige folgerungen gezogen haben,
weil sie die Urkunde aus den meinungen über die phratrien erklärt haben,
die doch alle ungewifs sind, statt dies wie jedes Schriftstück erst aus sich
zu erklären, ich bitte also den leser, meine paraphrase selbst zu con-
troUiren, indem er den text zur band nimmt. ^)
Der stein stand in Dekeleia vor dem altar des Zeus phratrios (65. 1). Paraphrase
er enthält zuerst den tarif für die beiden opfer, die für die anmeldung künde.
und einführung eines mitgHedes in die bruderschaft zu leisten sind, d. h.
den anteil, den der priester erhält, darauf die überschritt "beschlufs
der brüder unter dem archon Phormion , bruderschaftsvorsteher Panta-
kles".^) genaure praescripta fehlen, es mufs also dahin stehn, ob der
beschlufs in der einmaligen ordentHchen Versammlung {ayoQa) der bruder-
schaft an den Apaturien stattgefunden hat, oder aufserordenthch. auch
ist nicht bezeichnet, wie weit das folgende zu demselben beschlufse von
396 gehört; das letzte gesetz (von 113 ab) ist der schrift und Ortho-
graphie nach mehrere Jahrzehnte jünger, es ist auch durch alinea ge-
trennt, da das alles für die beiden andern nicht gilt, auch die Identität
des Steinmetzen von Lolling angemerkt wird, so mufs ich alles für gleich-
1) Majuskelpublication des zweiten teiles von Pantazidis 'Ecp. uq%. 88, 1. an
ein par stellen (67. 79) berichtigt von Lolling JeXr. 88, 161, der das letzte pse-
phisma vollständiger gibt, der früher schon bekannte erste teil steht schon CIA
n 841''.
2) Man erwarte nicht den namen der bruderschaft: eSo^sv roTs fvlitais, Srj-
fiorais ist die regel. so sagt auch die demokratie eSo^sv reo Sr^fKo -. die alte weise
war gewesen O'eafiia räSe ^A&r^vaiois.
17*
260 III- 1- ß'<^ phratrie der Demotioniden.
zeitig hallen, unter dieser Voraussetzung werde ich interpreliren; es
verschlägt wenig, wenn es doch ein späterer beschlufs sein sollte, da er
nur ganz kurze zeit später fallen konnte.
"Ilierokles beantragt 1) sofort soll eine abstimmung der briuler in
feierlicher form über alle statt finden, deren bruderrecht noch nicht nach
dem gesetze der Demotioniden festgestellt ist, und die sich doch als
brüder gerirt haben, wer verurteilt wird, scheidet aus, sein jname wird
im album geloscht, sowol im originale wie in der controllabschrift^),
und der bruder der ihn eingeführt hat, wird mit 100 dr. in strafe
genommen, für deren beitreibung der priester und der brudermeister
haften (12 — 26)."' diese energische mafsregel ist sofort vollzogen worden,
die abstimmung geschieht durch die ganze bruderschaft endgiltig, wo-
bei dahingestellt bleiben mufs, wie viele Vorverhandlungen gespielt haben;
sicherHch nicht wenige, jede moderne erklärung ist ohne weiteres hin-
fällig, die diese ausnahmemafsregel mit den folgenden dauernden in-
stitutionen vermischt. 2) "für die zukunft vom jähre Phormions ab
(45) soll die prüfung jedesmal im nächsten jähre nach der einführung
eines bruders statt finden (die durch das opfer xovqsiov geschieht), die
abstimmung soll so erfolgen, dafs die stimmsteiue vom altar genommen
werden (26 — 29)." daraus ergibt sich, dafs die abstimmung in Dekeleia
stattfinden wird, und dafs für sie als novum diejenige feierliche form
eingeführt wird, die diesesmal ausnahmsweise verordnet war. aber die
abstimmung selbst war kein novum und sie wird durch den zusatz
einer neuen ceremonie nicht beeinträchtigt, nur hat es der antrag-
steiler nicht nötig sie zu beschreiben, läfst vielmehr zu (feQsiv (29) das
subject fort, so dafs ungesagt bleibt, wer in diesem falle abstimmt: der
vorige ausnahmefall kann dafür nichts lehren, der antragsteller setzt eben
hier denselben v6f.iog Jrjf.wruovidwv voraus, den er 14 citirt hat.
"welchen sie verurteilen (sie, die ungenannten, die die stimmsteine vom
altare nahmen), der darf an die Demotioniden appelliren. in diesem
falle hat das haus der Dekeleer fünf anwälte zu wählen in der und der
form und so und so verpflichtet (das detail ist unwesenthch; diese anwälte
verfechten also die sache derer, die den appellanten verurteilt haben,
vor den Demotioniden). unterliegt der appellant, so hat er 1000 dr. zu
zahlen,- für welche der priester des hauses der Dekeleer haftet; doch darf
3) Wer die copie hat und wo sie liegt, wufsten die brüder; wir können es nicht
erraten, natürlich war sie zur controlle des beamten da, wie so oft ein Schreiber
avrty^äfsrai, testamente cv/ußöXaia u. dgl. in duplo ausgefertigt werden.
Paraphrase der Urkunde. Verfassung der Demotioniden. 261
sie auch jeder bruder für die genossenscliaft eintreiben.'') diese prüfiing
(d. h. die obligatorische, nicht die der appellanten) alljährlich vornehmen
zu lassen, wird der brudermeister durch Ordnungsstrafen angehalten, die
jeder bruder zu gunsten der gemeinschaft eintreiben kann, in Zukunft
sollen die einführungsopfer nur in Dekeleia stattfinden, wofür der priester
haftbar ist, der in ausnahmefällen ein anderes local bestimmen darf,
dann aber die aukündigung fünf tage vor dem anfange der Apaturien
in der Stadt am rendezvousplatz der Dekeleer (d. h. der angehörigen des
demos Dekeleia) anzuschlagen hat. endhch wird die errichtung des er-
haltenen inschriftsteines verordnet (30 — 67)."
Resumiren wir hier was sich mit Sicherheit erschhefsen läfst. die Verfassung
bruderschaft sind die Demotioniden: niemand anders als das plenum tioniden.
kann über die appellation richten, und die liste der bruder Iv z/r^iio-
Ticovidtüv kann nur im hause der bruderschaft liegen, jede andere auf-
fassung ist in sich verkehrt, eine Unterabteilung der bruderschaft ist
das "haus der Dekeleer", denn von ihm wird an die Demotioniden
appeUirt. aber es ist so wichtig, dafs es die prüfung der neu einge-
schriebenen bruder hat. das steht nicht da, aber es mufs sie haben,
da es die anwälte wählt, die das urteil im falle der appellation vor der
bruderschaft vertreten, und es mufs sie schon früher nach dem "ge-
setze der Demotioniden" gehabt haben, denn darin hat sich durch dieses
psephisma nichts geändert, und nur weil alles beim alten gebheben ist,
steht an der entscheidenden stelle kein subject. dasselbe folgt daraus,
dafs der priester des hauses der Dekeleer die geldstrafen für eine ab-
gewiesene appellation einzieht, die doch dem Zeus der bruderschaft
zufallen (42). nur hier steht der volle titel des priesters; wo sonst
ein priester erwähnt wird, hat er kein distinctiv. aber da der name
des Zeus der bruderschaft an der spitze dieser inschrift steht, die neben
seinem altare in Dekeleia stand, und da der priester des Dekeleerhauses
Zeuspriester ist, so kommt man mit notwendigkeit zu der ansieht, dafs
das haus der Dekeleer das Vorrecht in der bruderschaft hatte, den priester
zu stellen, so dafs also überall derselbe priester zu verstehen ist.^) was
4) Die buTse verfällt dem Zeus der bruderschaft, was identisch ist mit der
casse der genossenschaft (to otoivöv), z. 40. 44. 50. 52. wenn der priester des hauses
der Dekeleer nicht das recht des Zeus der bruderschaft wahrt, mufs er die bufse
zahlen; damit ist aber der Schuldner nicht frei, sondern jeder bruder kann ihn be-
langen. Zeus bekommt also das doppelte, in dem gegenwärtigen ausnahmefalle (25)
ist dem priester sogleich der phralriarch beigeordnet.
5) Es kommt also nichts darauf an, ob 57, wie üblich, ergänzt wird eanoax-
262 HI- !• Die phratiie der Demotioniden.
das haus der Dekeleer war, mögen wir wissen oder nicht wissen: nur bei
dieser construction seiner rechte hat der beschUifs sinn, die bruder-
schaft der Demotioniden hat ihr heihgtum in Dekeleia, sie besteht aus
dem bevorrechteten hause der Dekeleer und einer unbestimmten hier nicht
weiter geghederten menge von andern briidern. die gemeinde Dekeleia
mufs tatsächlich in einer nahen beziehung zu der bruderschaft stehn,
da der rendezvousplatz ihrer bürger in der Stadt für eine proclamation
der bruderschai't benutzt wird.
Auch auf die anordnungen, die zu dem neuen beschlufse veranlassung
gegeben haben , ist ein rückschlufs möglich, die opfer und somit die
einführungen neuer bürger haben an beliebigen andern orten aufser Deke-
leia stattgefunden, man mistraut dem brudermeister, ob er auch die
jahrlichen prüfungen vornehmen wolle, die durch das Dekeleerhaus gehn.
man mistraut noch mehr dem Dekeleerhause, denn die feierlichkeit seiner
abstimmung wird erhöht, und vor allem, es wird von seiner prüfung, wenn
sie eine verwerfende ist, eine appellation an die bruderschaft gestattet:
das ist ein novum gegen das alte gesetz. aber die Zulassung steht alln-
dings noch ganz bei dem Dekeleerhause. und der antragsteller ist diesem
in sofern nicht feindlich, als er seinem priester die opfer und die opfer-
gefälle sichert.
Ein ganz anderes bild gibt das unmittelbar folgende psephisma des
Nikodemos. "im übrigen soll es mit der einführung und prüfung bleiben,
wie früher beschlossen ist. aber 1) soll ein jeder die zeugen, drei an
der zahl, die schon früher bei der einführung gefordert worden sind,
aus seinem thiasos stellen, sie sollen die (offenbar solennen, früher ver-
ordneten) fragen beantworten, so wahr ihnen Zeus phratrios helfe, die band
auf dem altare (67 — 75); eine neue eidesformel für sie wird am schlufse
nachgetragen (107 — 112); nur für den fall, dafs der thiasos keine drei
leutc enthält, dürfen die zeugen aus der übrigen bruderschaft genommen
werden. 2) bei der prüfung soll der brudermeister das plenum der
brüder nicht eher abstimmen lassen, als bis die Ihiasoten des eini^c-
führten geheim in feierlicher weise über diesen abgestimmt haben, die
Zählung der stimmen und Verkündigung des resnltates hat der bruder-
meister in der Versammlung vor dem plenum der bruderschaft vorzu-
nehmen (76 — 8)." 3) hier hat Nikodemos seine im einzelnen klaren
Verordnungen ziemlich durch einander gewürfelt; er mufs sich also die
liroj Ss 6 le^[svs rö Jsxskeuöv o'ixo rj] airoG oipsiXärco, oder wie ein schüler von
mir, Tli. Teuscli, vorsclilägt o Ieq{svs io uQyvQiov tovzo rj], aber dies ist riclilig,
wie die parallelen lehren, deren keine ein object zu slaTT^ürrEiv wegläfst.
Verfassung der Demotioniden. 263
redactionellen änderungen gefallen lassen, die ich mit ihnen vornehme
(87 — 105). "unmittelbar nach dieser abstimmung des thiasos stimmt das
plenum der bruderschaft ab ; doch dürfen sich die thiasoten wol an der
debatte, aber nicht an der abstimmung des plenums über diejenigen be-
teihgen, über die sie als thiasoten abgestimmt haben, es ergeben sich
Dun folgende möglichkeiten, a) die thiasoten für Zulassung, plenum auch:
zuzulassen (dies als selbstverständlich nicht gesagt), b) die thiasoten für,
das plenum gegen, dann ist er natürhch abgewiesen, aber die thiasoten
zahlen eine bufse, es sei denn dafs einzelne in der debatte (ev xf] öia-
öfKaola) als redner oder sonst offenbar gemacht haben, dafs sie gegen
die aufnähme waren.^) c) die thiasoten gegen ; dann kann es bei deren
Vorurteil sein bewenden haben, und der ausschlufs ist giltig. aber d)
wenn derjenige, der den candidaten angemeldet hat, von den thiasoten
an das plenum appellirt, so erfolgt durch dessen Zustimmung aufnähme,
durch dessen ablehnung aber nicht blofs ausschlufs, sondern eine geld-
strafe für den appellanten. 4) diesen beschlufs soll der priester hinzu-
schreiben, natürhch zu dem, der jetzt davor steht, dem des Hierokles."
Der nachtrag, ein antrag eines Menexenos, der sich ebenso wie das
psephisma des Nikodemos als solchen bezeichnet, hat für die Organisation
der phratrie kein Interesse, er verordnet nur den anschlag der namen
der candidaten für jede Versammlung in der Stadt durch den bruder-
meister an demselben orte wie oben, aufserdem durch den priester im
heiligtume der Leto, ungewifs wo.
Aber welches bild gibt Nikodemos von der bruderschaft? sie zer-
fällt ganz offenbar in thiasoi, so dafs jeder bruder auch thiasot ist. von
einer andern einleilung weifs Nikodemos nichts oder will er nichts wissen :
neben den thiasoi, diese ausschliefsend, kann es gar nichts gegeben haben,
aber diese thiasoi sind zum teil so verkümmert, dafs man ihnen keine
vier köpfe zutrauen kann, dagegen ist sicher, dafs ihre mitglieder ein-
ander gut kennen, darum wird der einführende verpflichtet aus ihnen
die zeugen zu w^ählen und wird ihnen das im ordnungsmäfsigen wege
entscheidende Vorurteil zugeschoben, das sie freihch vor den äugen und
unter der superrevision der bruderschaft fällen müssen, ganz offenbar
hat es zwar die thiasoi längst gegeben , aber sie haben als organe der
bruderschaft in diesen dingen bisher nicht fungirt.
Stellen wir nun die Ordnungen nach Hierokles und Nikodemos neben
6) So ist das notwendig zu verstehn. vor der abstimmung der thiasoten findet
keine debatte statt, auch ist die abstimmung geheim, die minorität mufste nachher
im plenum ihren Standpunkt verfechten.
264: 111. 1. Die phralrie der Demolioniden.
einander, so sollte ich meinen, dafs es evident sei, wie sie sich verhaheu,
nicht als ergänzungen, sondern als duhletten. nach heiden findet eine
Vorprüfung statt, aber Ilierokles läfst sie in Übereinstimmung mit der
älteren praxis dem Dekeleerhause: IVikodemos kennt das nicht, sondern
weist jeden vor seinen thiasos. das plenum, das der eine Jri(.ioTuovidai,
der andere ocTtavreg (fgÜTegeg nennt, was nur ein anderer name ist,
hat die entscheidung nach Ilierokles nur in dem falle, daf<5 ein abge-
wiesener von dem urteile des Dekeleerhauses appellirt; Mkodemos macht
seine befragung obligatorisch, er hat eine strafe für den thiasos, wenn
er nach ansieht des plenums unrechtmäfsig auf Zulassung erkannt hat:
dafs Hierokles dem Dekeleerhause die Zulassung völlig frei gibt, ist aller-
dings ein seltsamer mifsbrauch. dagegen ist Nikodemos in der strafe
für eine abgewiesene appellation milder, die er auf 100, Ilierokles auf
1000 drachmen bemifst. letzteres ist so hoch, dafs nicht leicht jemaml
riskirt haben würde, von der entscheidung des Dekeleerhauses zu appel-
liren. darin stimmen endlich beide überein, dafs den ausgeschlossenen,
der sich dabei beruhigt, keine strafe trifft.
Wie stehen nun beide beschlüsse zu einander? wenn sie gleich-
zeilig aufgezeichnet sind, so ist der zweite ein amendement zu dem ersten,
das er zum guten teile aufhebt, wenn Nikodemos etwas später erst auf-
getreten ist, so ist es ein Verbesserungsantrag: denn mit za /idv a/j.a
y.arä ra TtQoreQa ipr^cfiöiiata fängt Nikodemos an. allerdings trai;i'ii
beide den vermerk, dafs sie aufgeschrieben werden sollen; am Schlüsse,
der zweite, dafs er daneben aufgeschrieben werden solle, so dafs die
formen des attischen amendements nicht ganz gewahrt sind; doch be-
denke man, dafs Nikodemos wirklich nicht sagen konnte ra /idv a)j.a
■/.a^aneQ 'leQO'^liig, da ja jener selbst das alt€ gesetz voraussetzte, und
er dasselbe sofort mit dg ei^ritai citirte. es wird also wol so zu-
gegangen sein.
Als nach dem kriege, in dem Dekeleia das feindliche hauptquartier ge-
wesen war, nach den revolutionen und der einführung strenger gesetze über
das bürgerrecht die phratrie der Demotionideu sich wieder zusammen-
fand, ihr heiligtum herstellte und die acten, so weit sie noch da waren,
wieder hinauf brachte, zeigten sich sehr grofse Schwierigkeiten, da es
genug brüder gab, die entweder selbst zweifelhafter herkunft waren oder
doch geneigt, solche elemente zu dulden, so zog es sich bis 396 hin:
da hatte Hierokles eine neuordnung vorbereitet, die dem priester seine
von alters herkömmlichen aber nalürhch seit 412 in verfall geratenen
gefalle und seinem heiligtume das cultvorrecht wahrte, die vorherrschende
Verfassung der Demotioniden. 265
bedeutung des allen dürflicheo heiligtums herstellen wollte, und dem
Dekeleerhause, dem von alters her die priifnng der neueintretenden zufiel,
zwar dies Vorrecht erhalten, aber gröfsere garantien für die pünktliche
ausübung der prüfung schaffen wollte, darunter befand sich für einen fall
die übrigens dmch die gefahr einer sehr hohen strafe stark erschwerte
appellation an das plenum der bruderschaft. für den augenbhck Ordnung
zu schaffen, war eine summarische aburteilung der noch restierenden un-
geprüft eingeführten brüder durch das plenum nicht zu umgehn gewesen,
es war alles fertig; Hierokles hatte seinem wolstilisirten antrage sogar
schon die Verordnung der publication angehängt, aber auf der Ver-
sammlung gieng es nicht so glatt; sie mochte durch die prüfung, die so-
fort nach Hierokles antrage erfolgte, lust bekommen haben, die sache
selbst in der band zu behalten. Nikodemos stand auf, schlofs sich zwar
in allem übrigen dem Vorredner an, aber mit dem alten rechte des Deke-
leerhauses räumte er auf, obwol er selbst aus dem demos Dekeleia war.')
es sollten gar keine Vorrechte mehr besteh n, am wenigsten für die leute,
die mit Sparta sich gut gestanden hatten, die beste garantie war schon
in der alten bestimmung gegeben, dafs 3 zeugen bei der einführung zu
nennen waren: wenn das nicht beliebige leute, sondern die nächsten
bekannten des einzuführenden waren, mufsten sie unterrichtet sein, und
die Vorprüfung fiel wieder diesen wolunterrichteten, an die man sich in
fällen sträflicher nachsieht halten konnte, weit besser zu als dem Deke-
leerhause. so beseitigte er dieses und ersetzte es durch die thiasoi. das
fand den beifall der bruderschaft, ward mit dem beschlusse des Hierokles,
von dem ja noch sehr viel gültig blieb, aufgezeichnet, und danach haben
die Demotioniden gewirtschaftet, so lange die phratrie nicht in Vergessen-
heit geriet.
Die Urkunden sind vollkommen verständlich, sollte ich meinen, dafs
wir lediglich durch sie eine sichere kenntnis aller bruderschaften er-
langen sollten, ist zu viel verlangt, aber einiges ist doch sicher, anderes
läfst sich vermuten, die Demotioniden zerfielen schon vor 396 in cult-
genossenschalten unbestimmter zahl und verschiedener grofse. ohne jede
spur gentilicischer Verbindung, auch nur in der fiction, wurden sie aus-
schliefshch durch die Verehrung desselben goltes oder heros zusammen-
gehalten, wie sie zu diesen überirdischen mächten in beziehung ge-
treten waren, wie sie sie pflegten, ist vollkommen dunkel: wnr können
auch eine Urkunde eines solchen ihiasos von irgend einer beliebigen
7) CIA II 1982 — 84. 4213 stehn träger des namens aus Dekeleia.
266 III. 1. Die pliralrie der Demotioniden.
solchen Verbindung, die freie und unfreie biirger und niclitbürger jeder-
zeit bilden konnten, sciilechlbin nicht unterscheiden, wenigstens zur zeit
nicht, dafür wäre das wichtigste, wenn man wenigstens die verehrten
gütter kennte.^) das alte gentilicische wort cfgargia hatte also keine
andere bedeutung mehr als in dem aristophanischen cfQareQsg tqico-
ßölov oder in den aöeXcpoi der alten kirche, den bruderschaften Buddhas
und Benedicts, seit 396 erkannten die Demotioniden nur nooh diese glie-
derung in thiasoi an. aber es bestand bis dahin eine andere, da hatte in
ihr die vorstandschaft ein "^haus', das der Dekeleer; dies steUte den priester
und controllirte den bestand der ganzen brudcrschaft , die somit aus
leuten höheren und minderen rechtes bestand, ob dieses haus einen
thiasos bildete oder mehrere umfafste, ist unbekannt, haus, olxog, ist
ein gentilicischer hegrifl" und kann hier nicht anders gefafst werden,
die im attischen rechte sonst geltende bedeutung, dafs er den einzelnen
hausstand innerhalb eines geschlechtsverbandes bezeichnet {oh.og ctrcö'k-
Ivrai, eUor^fioiTai), pafst nicht, wol aber redet Pindar (Ol. 13, 2) von
einem TqiooXv(.i7ti.6vi-/.og oly.og, dem des Xenophon von Korinth, und
Phylakidas Lampons söhn von Aigina erhebt durch seinen sieg die
TtaxQa WaXvxLÖav und den oi-/.og Osi-iiOTiov (Isthm. 5, 63): das ist
dieselbe gliederung. die Vorstellung ist deutlich in der rede gegen Makar-
tatos, die verschiedene oIkol unterscheidet, deren jeder auf einen söhn
derBuselos zurückgeht, und die allesammt demgemäfs Bovoslidat heifsen.
so müfste der ot/.og zley.eXiiov auf einen ahn zurückgehn, der der söhn
des Demotion wäre, und auf Demotion müfsten über andere söhne die
übrigen genossen der brudcrschaft auch zurückgehn. aber für die andern
ist selbst diese ficlion aufgegeben, und der oi/.og heifst nicht mehr nach
dem ahn Js-AeXiöai, sondern nach dem orte, wo das heiligtum der
brudcrschaft ist, dem attischen dorfe Dekeleia, und der ort in der Stadt,
wo sich die mitglieder der staatlichen gemeinde Dekeleia zu treffen pflegen,
wird für die publicalionen der brudcrschaft benutzt, folglich müssen
die gemeindemitglieder und die angehörigen jenes 'hauses' in der phratrie
im grofsen ganzen wenigstens identisch sein, und damit ist gesagt, dafs
oly.og zwar noch ein gentilicischer terminus ist, aber schon keine genti-i
licische bedeutung mehr hat, ja nicht mehr fingirt. \
Verfassung In der sonstigen Überlieferung hüren wir von orgeonen und gennelen
piiratrien. Und houiogalakten als mitgliedern der phratrie. diese Ordnung der Demo-;
. i
8) Nach dem letzten beschlusse der inschrift möchte man glauben, dafs Leto!
irgendwie für diese bruderschaft, einen oder mehrere thiasoi, in betracht kam. \
Verfassung der anderen phratrien. 267
tioniden weifs nichts von ihnen allen, und es ist willkiir, die thiasoten
mit den orgeonen, die Dekeleer mit den genneten gleichzusetzen, ja dies
letztere ist sogar falsch, sollen wir nun unserer Urkunde zu liebe den
Philochoros preisgeben, oder aber dem Philochoros die Urkunde, da es
doch mit den harmonistischen kunststücken nicht geht? keines von beiden,
das erste ist, dafs wir uns selbst kein x für ein u machen, sondern die
Wahrheit eingestehn: es stimmt nicht, das zweite ist, dafs wir folgern,
was unumgänglich ist, wenn die Zeugnisse neben einander bestehen sollen :
es war in den phratrien nicht immer und gleichzeitig nicht in allen
dieselbe Ordnung, erst das dritte ist die erklärung dieser Verschieden-
heit, aber auch diese läfst sich sofort sicher geben, seit Aristoteles wieder
da ist. er belehrt uns, dafs schon zu Drakons zeit nicht mehr der
adel für das bürgerrecht bestimmend war, sondern das vermögen ; Klei-
sthenes läfst denn auch die ganze Ordnung von phratrien und priester-
tümern ruhig fortbestehn, obwol er den Staat nur auf die gemeinden
gründet, und er knüpft das staatsbürgerrecht an das gemeindebürger-
recht ausschliefsHch: so hat der slaat an den phratrien jedes Interesse
verloren, sie existiren dagegen ruhig fort, aber sie verändern sich doch,
nach bekanntem attischem rechte sind alle vom Staate anerkannten ge-
nossenschaften berechtigt sich selbst ihre gesetze zu geben ; das gilt von
den phratrien natürlich, und wie sehr es tatsächlich galt, lehrt die rück-
sichtslose neuerung des INikodemos in der phratrie der Demotioniden.
gerade solche gemeinschaften, in denen die form den inhalt überdauert
hat, sind der willkiir stark ausgesetzt, rudimente ältester Ordnung con-
secrirt hier der fanatismus der altertümler, während dort die flache gleich-
macherei alles nach dem jeweiligen Zeitgeschmäcke modelt, uns sind die
phratrien, wie wir sie allein kennen, als opfer- und schmausgenossen-
schaften wenig interessant, aber nur durch sie können wir eine ahnung
von den bruderschaften des adelsstaates gewinnen, um 396 schon mögen
die zwölf phratrien zwölf verschiedene Statuten gehabt oder erhallen
haben, hundert jähre später waren sie zum teil vielleicht schon ganz
verkümmert, interessirten jedenfalls nur noch den exegeten Philochoros;
aber wenn er sich über eine oder zwei informirte, wufste er mit nichten
das allgemein giltige noch das uralte gemeinsame.
Von der Verwaltung der phratrien wissen wir nur etwas über die
Demotioniden und die Dyaleer (CIA 600), und sofort ist die Verschieden-
heit da: jene haben einen, diese zwei phratriarchen. das ist ein unter-
schied, wie er zwischen gemeinden unerhört ist. greifbarer noch ist die
Verschiedenheit im cullus. trotzdem, dafs Zsi-g cpqäTQiog und Idd^rjvä
268 lU. 1. Die phratrie der Dtmotioniden.
(fQüTQia, die den begriff religiös ausdrücken, der profan (fQazQia oder
y.oLvöv ist, weiter nichts, notwendiger weise überall verehrt wurden, war
es unvermeidlich, dals die geschlechter sowol wie die cultverbände, die
wir innerhalb der phralrien finden, je nach ihrer bedeutung und der
entwicklung der phratrie ihre goUer zu dem ränge von gemeinsamen
phralriegoUern erhoben, namentlich ^tio'/Juov :naTQ(i}og, der den be-
griff des allischen adels bedeutet, konnte vorwaUen, wenn die altadlichen
die überhand hatten, oder durch eine andere aulfassung allgemeiner potenz
noch weitern kreisen der brüder genehm gemacht werden, so finden wir
denn den J^/yro/Awy itccTQfiiog bei den Thersikleiden^), den'Eßöof-Uiog,
dem der siebente als geburlslag heilig ist, bei den Achniaden'"), die
TQiTOTtaTQTJg bei den Zakyaden"), die Leto bei den Demotioniden, den
9) CIA II 1652. von dem namen ist erhalten Geqqix-cov, und es fehlen etwa
vier buchslaben. also war der name ein gentilicischer, dessen erster beslandteil
ohne attischen rhotacismus Os^ai- ist. man hat auf 0eqaiy.äv und 0e^ar^ias ge-
raten, beides ist unglaublich, Oegaiy-ias ist ein falscher kurzname, der Os^aias ,
lauten würde, Oe^aixcöv as '^Hqav.wv J^vXogmv l^nsXhy.cüv ist wenigstens nicht j
attisch, also OeoaiyJ.rs oder 0sQai.y.Qärr,e, und für ersleres spricht der räum.
10) CIA II 1653. Apollodoros des Thrasyllos söhn führt einen söhn an den
Thargelien, also am siebenten, dem geburtstage des Apollon, in seine bruderschaft
ein (Isaios 7, 15): er dürfte ein Achniade gewesen sein, ein grenzstein von dem
grundslücke dieser phratrie Mitt. Alh. Xll 1hl.
11) CIA II 1062. der name kann eben so gut auf ein geschlecht bezogen,
werden, der ahn Zdxvs führt auf eine ungriechische würzet ^«x, hat aber auch keinej
in Athen geläufige endung. ist es ein pseudhypokoristikon, so dafs x anlaut des'
zweiten gliedes ist, so bietet sich z. b. ^dy.ooos als voUname. das ist wieder nicht
attisch, die Zakyaden für eine phratiie zu halten bestimmt mich ihr cult, die tqi-
lonaTQTiS (denn r^ironar^evs kann allein der singular sein), diese dunkelen wesen
sind selbst eine sippe, mögen sie so heifsen, wie JiaXiß Kt]<fiGir,s Te-ioanolr^s,
oder T()tT07iäT0^ES , wie die grammatiker sagen (Harp. epilome, daraus Phot). es
sind solche, 'die die dritten väter haben', die grammaük erlaubt nicht darin 'die
dritten väter' zu sehn, was r^iroi naräQss heifsen würde, so gern man die vor-
fahren vom grofsvater aufwärts verstünde, und obwol so Aristoteles verstandtn
haben soll (Pollux 3, 17). es bleibt also bei der deutung, die Lobeck im anschluls
an die atiischen exegelen gegeben hat "die dritten vom urwesen abwärts", am
anfang stelui hininiel und erde, dann ein attischer autochthon, einerlei wie er heifst,
dann seine kinder, die repraesentanten der teile des attischen Volkes, das jener als
ganzes repraesentirt. anders ausgedrückt, weitester kreis: mensch als gattungs-
wesen, engerer: Athener, engster: der bezirk der TQiTOTtarQrjs. das führt nicht
auf das geschlecht, sondern die söhne jenes autochthonen, die dritten von allvater
sind 'brüder'. aufserdem heifst der cult dieser wesen ein athenischer, und der
exeget gab über ihn Unterweisung, also war es kein geschlechtscult. und das gebet
für die fruchtbarkeit der ehe, das an die T^iro7iäro^o£ gerichtet wird, weist auf
die bruderschaft, der die yajnri?.ia zukam.
Verfassung der anderen phratrien. 269
Ilooeidcüv ^Ege^d-eüg in der phratrie, der der Kothokide Aischines an-
gehört/^) von den Dyaleern und Philieern kennen Nvir keine ciilte'*);
aber der Jtövvoog JvaXoo, (den Hesych aus den €7tixXi]aeig als den
Paeonern eigentümlich anführt) und irgend ein als (pLltog verehrter gott
können doch ansprüche erheben.
Wenn wir uns somit hüten, jede einzelerscheinung zu generalisiren,
so erkennen wir über die gUederung der einzelnen phratrien folgendes:
in den Demotioniden gibt es weder geschlechtsgenossen, yEvvr^xai, noch
cultgenossen, die den namen ogyscöveg führten, sondern lediglich ^iaaoi.
in diese wird durch das gesetz des Nikodemos der früher mafsgebende
oUog der Dekeleer aufgelöst, in welcher weise, ist nicht klar, unmög-
lich kann auf alle phratrien gehen was Philochoros im vierten buche,
also über dieselbe zeit berichtend, der der Demotionidenbeschlufs an-
gehört, citirt: rovg de (fgarsgag STtdvayxeg dexeo&ai y.al roig oQyscövag
y,al Tovg 6f.ioyalaKTag, ovg yevvijrag Kalovf.i€v.^'') das folgt eigentlich
12) 2, 147 (pQaroias i] rwv avra.v ßconcöv iitTi^Bi, ^ETeoßovräSais , od'ev r]
T^s liäd'rjväs urfi IloXiäSos eariv iigeia. das ist sehr plump renommirt, denn dafs
seine phratrie vornehmer als andere phratrien war, sagt er zwar eigentlich, aber es
ist doch eine behauptung, die man nicht ernst nehmen soll, wenn die plebejer
überhaupt in den phratrien waren, so bewies die phratrie eines Atheners für den
adel gar nichts, und die nähere Zugehörigkeit seines hauses zu den Eteobutaden,
etwa in demselben thiasos, wagt er nicht zu behaupten, alle mitglieder jener
phratrie waren zu jenem culte zugelassen, der eigentlich den Eteobutaden gehörte.
das war also deren geschlechtscult, den wir als den des Erechtheus kennen, ehedem
war er innerhalb der phratrie eine praerogative jenes geschlechtes gewesen, das
immer noch den priester stellte, und einstmals hat es sicherlich noch mehr Vorrechte
besessen, aber nun war der geschlechtscult phratriecult geworden, und in so weit
hatte Aischines an ihm teil, der cult Athenas dagegen war in ganz analoger weise
SrjfioreXrjS geworden, ohne doch das geschlecht um seinen anspruch auf die stelle
der priesterin zu bringen.
13) Die (PiheTs (Harp. KotocoviSai) hat TöpfTer (Att. geneal. 110) mit Wahr-
scheinlichkeit für eine phratrie erklärt, über die 'EXaaiSai (Class. Rev. 111 188),
die den Apollon Patroos bei Kephisia verehren , will ich nicht urteilen. Töpffer
(Rh. M. 45, 383) erklärt sie für ein geschlecht, was möglich ist. aber der Troer
"Elaaos beweist nicht mehr, als dafs "Elaaos ein name ist (kurzname von 'Ela-
amnos), den ein rhapsode so gut erfinden wie ein heros tragen konnte, denn sein
homerischer träger (TT 696) ist eine füllfigur, die der dichter (allerdings der der
alten Patroklie) in einem rudel anderer mit einem wort erfindet und erschlägt,
und aus dem U hat ihn Polygnot genommen, auch als einen beliebigen namen.
ich verzichte darauf, noch mehr namen zu nennen, die möglicherweise phratrien
bedeuten könnten.
14) Phot. oQysöJvss. die buchzahl gibt aufser dem patmischen lexikon Harp.
ooyEcövss, der auch beweist, dafs ovs yswrjras xaXoZfiev zu dem citate gehört, wie
270 111. 1. Die pliiatrie der Demotioniden.
schon daraus, dafs er selbst den ausdruck bi.wyäka/.Tag von sich aus
erklärt: in seiner terminologie, wie in der des Aristoteles (fgm. 3) war
der name yevvfjrai eingeführt, und er constatirte, dafs dafür in der
Urkunde, die er mitteilt, ein anderes wort gebraucht war. dann war
dies kein beschlufs des athenischen volkes, sondern ein analogen zu dem
Deinolionidenbeschlusse, den wir im originale besitzen, in jener andern
phratrie hatte man nach Eukleides liberal genug die beiden kategorien,
milchbrüder und orgiengenossen , ohne weitere prüfung auf den nach-
weis hin, dafs sie von den genossen ihrer körperschaft aufgenommen
waren, als brUder anerkannt, dem würde es entsprechen, wenn in den
Demotioniden der oUog JEY.elhov über seine angehorigen, die d^iaooL
über die übrigen definitiv abstimmten ; aber weder Ilierokles noch Niko-
demos hat es so gehalten, aufser milchbrüdern und orgiengenossen mufs
es in jener phratrie noch andere leute gegeben haben, die sich als brüder
gerirten: es ist aber möglich, dafs man das für ungesetzhch hielt, und
demgemäfs diejenigen, die sich nicht als einer von beiden kategorien
angehörig ausweisen konnten, ausschlofs, worüber in streitigen fällen die
gesamtphratrie sehr wol abgestimmt haben kann, das würde einige
analogie mit dem gesetze des Hierokles bieten; aber wir vermögen das
nicht mehr zu entscheiden.
In der phratrie, der Menekles angehörte, um dessen erbschaft sich
die zweite rede des Isaios dreht, gab es orgeonen. welche andere kate
gorie neben ihnen stand, ist nicht zu sagen : Menekles war eben selbst
orgeon. aber die Verantwortung für die aufnähme eines bruders tragen
sowol orgeonen wie phrateren, deren zeugnis verlesen wird (16): die
ausdrücke eioäyeiv elg rovg cfgari^ag, eyyQÖcpeiv €ic roig ogyetövag,
neben denen die demoten erscheinen, entsprechen der procedur, wie
sie Ilierokles voraussetzt; die einführung geschieht nach ihm erst au den
Apaturien, dem phratrienfest, die einschreibung bei dem ot'/.og ^exEleiov,
ein jähr nachher, und dies erst ist das entscheidende.
In der phratrie, der Apollodoros angehörte, um dessen erbschaft
sich die siebente rede des Isaios dreht, werden nur genneten erwähnt,
weil er ein geschlecht hatte, hier war die procedur so, dafs der ein-
führende das kind an die altäre führte und seine echtbürtigkeit beschwor;
darauf fand eine abstimmung der anwesenden statt, und auf grund deren
ward der neue bruder in die register eingetragen (16). diese einfüh-
sollte auch ein später grammatiker die erste person von den Athenern gebrauchen?
der grammatiker hat den commentar des Seleukos zu Solons gesetzen benutzt, ge-
hört also der kaiserzeit an.
Verfassung der anderen phratrien. 271
rung geschah, wie es scheint, zugleich zu den genneten und phrateren;
aber wer abstimmte, ist nicht ganz deuthch.
In der phratrie, zu der Phrastor von AigiHa aus dem geschlechte der
Brytiden gehörte, entschied die abweisung der genneten eudgihig über
die abweisung eines einzuführenden, wenigstens eines adlichen. Phrastor
strengte gegen einen solchen beschlufs einen privatprocefs an, der über
den Schiedsmann nicht hinauskam/^)
In der phratrie des Makartatos entschied sofort, wenigstens über
diesen, ein beschlufs der gesamten bruderschaft; eine Unterabteilung
wird nicht erwähnt (Rede gg. Makart. 13).
In dem adlichen geschlechte der Keryken entschied der eid des ein-
führenden vaters über die aufnähme eines kindes. er ward am altare
unter handauflegung am Apaturienfeste geschworen, ganz wie Hierokles
es fordert, der aber die handauflegung erst als neuerung einführt, eine
debatte der genneten fand statt, aber sie war zwecklos, da sie durch den
v6f.iog gebunden waren, den eid des vaters zu respectiren (Andok. 1, 126).
die phrateren werden gar nicht erwähnt, sie werden den durch genneten-
beschiufs anerkannten Keryken ohne weiteres aufgenommen haben.
Die rede gegen Leochares (42. 44) erzählt als zwar ungehörig aber
möghch, dafs jemand ohne weiteres durch einen einführenden bruder
in das register der phratrie eingetragen ward, und deutet darauf hin,
dafs in der regel die aufnähme in die phratrie der aufnähme in die
bürgerhche gemeinde vorhergehen mufste: was allerdings tatsächlich sitte
gewesen sein wird, da man das kind möghchst früh zu den altären der
brüder brachte'^), während die gemeinde sich erst für die heerespflich-
tigen knaben interessirt. aber ein gesetzhcher Zusammenhang zwischen
beiden eintragungen existirt nicht.
Euxitheos von Halimus beweist sein bürgerrecht unter anderm durch
15) ApoUodor gg. Neaira 59. die als zeugen vernommenen Brytiden gehören
alle nicht nur verschiedenen demen, sondern auch phylen an, Hekale (IV) Eroiadai
(Vin oder X) Phaleron (IX) Lakiadai (VI) Aigilia (X) Kephale (V). also erstreckte sich
diese phratrie über die mehrzahl der phylen mindestens, und es sind demen in ihr,
die dem asty angehören (Lakiad. Phaler.), der Mesogeia (Hekal. Kephal.), der Paralia
(Aigil.), so dafs auch mit den trittyen keine ausgleichung denkbar ist.
16) Ohne die ganze rituelle frage nach den opfern in der phratrie zu erörtern
(ya/iTjXia fieiov xov^eiov), stelle ich doch als das natürliche und durchaus probable
hin, dafs eigentlich das 'geringere' opfer bei der ersten Vorstellung des neugeborenen,
das 'harschuropfer' bei der aufnähme des erwachsenen knaben, das 'heiratsopfer
in der neuen phratrie, deren göttern die junge frau nun untertan ward, stattfinden
sollte. -iiovQeiov kommt notwendiger weise von xEiqeiv, nicht von xÖQoi.
272 I'I. 1- Die phratrie der Demotioniden.
das Zeugnis der plirateren und genneteti, daneben durch das der ver-
wandten (ovyyevelg) und demolen (rede gg. Eubulides 23), das sind alle,
die einen Athener zu prüfen pflegen (24). es führt das nicht mit not-
%vendigkeit darauf, dafs der arme teufel selbst einem geschlechte angehörte:
aber die genneten müssen allerdings seine echtbürtigkeit geprüft haben,
und mit berufung auf diese stelle gibt der kundige grammatiker, dem
wir auch des Philochoros bruchstück verdanken , ausdrücklicji an , dafs
die genneten zovg lyygacfOj^iivovg sig rovg cfoäroQag dia/.Qivovxeg
'/.eil öoxif-iccLovTeg ei Tcollral eioiv r] ^evoi löexovro 7] a7tißci)j.ov.^')
das ist also genau das Verhältnis, wie es die Demotionideninschrift für
die thiasoten zeigt; appellation ist dabei immer noch möglich.
Rrüder Das sind die einzelfälle, die wir nicht ausgleichen dürfen, ohwol
höheren und ...
niederen gich eine auzahl gut vertrajjen, da wir ia die phralrien nicht bestimmen
rechtes. o o ? J i _
können, denen die leute angehörten, aber allerdings zeigt sich eme
analoge gliederung überall, in brüder erster und zweiter classe, und
die aufnähme neuer brüder wird nicht immer von der ganzen bruder-
schaft vorgenommen, die einfachste und deshalb von Philochoros als
normal angesehene teilung unterscheidet adhche geschlechtsgenossen von
plehejern , die statt des cultes eines ahnherrn eine cultgenossenschaft
um irgend einen gott oder heros gebildet haben, yewrjraL und oQyetöveg.
statt dessen liefern die Demotioniden thiasoten : die umfassen später beide,
und es ist auch nichts dagegen zu erinnern, wenn die Keryken z. b. als
ein thiasos von Keryx- oder aucli Hermesverehrern aufgefafst werden,
oh dieser name vorher, als der oiy.og der Dekeleer bevorzugt war, die
plcbejer allein bezeichnete, also mit den orgeonen identisch war, möchte ich
nicht entscheiden, man konnte auch ältere ysvv^rai und oQyecuveg unter
einem neuen namen S-iaodJvaL zusammenfassen; und wer kann sagen,
ob das haus der Dekeleer nur adliche umfafste? in der phratrie. deren
Statut Philochoros mitteilt, gab es statt der genneten 6(.ioyci).a-Axeg; er
setzt sie ausdrücklich gleich, und Aristoteles leitet von der familie das
dorf ab, ovg y.a'/.ovolTLveg oi-ioyä/.ay.rag, Ttalöag re v.ai rcaidcov Ttaidag
(Pol. A 1252*^13).'^) aber wie in aller well kann '^milchbruderschaft' die
descendenz bedeuten ? da müfste man ja das zur zeit moderne *^malriarchat^
für Altathen construiren, das so scheufslich wie sein name und, seit
17) Bull. Corr. Hell. I 152, m'o das letzte von mir ausgeschriebene wort ct«'-
ßalXov geschrieben ist. auf diese stelle hat mich mein schüler Teusch aufmerksam
gemacht, der ihre Verwendbarkeit für die Demotionideninschrift bemerkt hat.
18) Die grammatiker, die das wort haben, hängen von Philochoros ab oder
erklären aSs}.(pos ex t^s avxr]S firjXQÖs. Pollux 3, 23. Hesych.
Brüder höheren und niederen rechtes. 273
Zeus im himmel herrscht, auf erden undenkbar ist.^^) es kann 'milch-
brüder' unler 'brüdern' nur in zwei bedeutungen geben, entweder be-
zeichnet es die kinder derselben mutter den Stiefbrüdern gegenüber:
dann könnte man wol einen gleichen Vorzug darin finden, wie ihn die
y£vvi]Tat haben, z. b. unter den stammheroen Israels die söhne Leas und
die Raheis je als 6fioya?MXTeg zusammenfassen, denen dann wieder die
bastarde des volksheros als brüder minderen rechtes zur seite träten,
oder aber die milchbruderschaft bedeutet was wir darunter verstehen,
was den adlichen herrn mit den leiblichen kindern seiner amme ver-
bindet.^") und erst diese milchbruderschaft macht den Übergang von dem
hause zum dorfe, das mit nichlen blofs aus den descendenten eines
hauses besteht, sondern ihre oiKrjQ und ouetai einschliefst, wenn eine
attische phratrie also die bj.ioyalay.Tsg in den rang der yevvfitaL ge-
stellt hatte, so war das bei dieser bedeutung nicht eine exclusive mafs-
regel, die unter den geschlechtern nur die vom ächtesten edel aussuchte,
sondern eine liberale, die einen kreis von plebejern die den adlichen am
nächsten standen als milchbrüder zuzog, ich neige mehr hierher, um
der analogie willen, die in Rom die ansehnlichen plebejischen häuser
bieten, die mit adlichen den namen teilen, noch mehr freilich bestimmt
mich der or/.os Jev^eXiiov^ denn dieser steht den genneten in andern
phratrien völlig analog, aber er ist kein geschlecht, ist vielmehr von
einer gemeinde oder besser von einem dorfe benannt, den demos
Dekeleia hat es freilich erst seit 507 gegeben, aber Dekeleia sicher und
den oiyiog /iey.eXs(x)v gut und gerne auch schon vorher, in der phratrie
der Demotioniden war kein geschlecht mehr so mächtig, dafs es die be-
vorzugung von y£vvf]TaL erzwang, obvvol ein träger des phratriennamens
19) Es ist sclimachvoil, dafs historiker dieses vvort brauchen, das wert wäre
in der chemischen retorte gemacht zu sein: denn wer es braucht bekennt damit
erstens, dafs er jedes griechischen Sprachgefühles bar ist, zweitens dafs er in pa-
triarchen erzväter statt stamnihäupter sieht: TtaxQidoxai cos <pQar^iaoxoi, cos id'väQx^t-
jiaxQia, in Elis (IGA 112) um 600 oder früher lebendig, ist gebildet wie fQaxQia,
eine jüngere parallelbildung zu itärga cos fQTjTQT], da die bedeutung von (pQarr]Q
verscholl, hat sich aus beiden das hybride cparoia entwickelt, das um 400 aufser
Athen wol ziemlich überall die cpQaTQia verdrängt hatte.
20) Andromache, die frau des Rektor, reicht freilich seinen bastarden, die
ihm die haussclavinnen geboren haben, die brüst (Eur. Andr. 223): das ergibt eine
umgekehrte milchbruderschaft, welche die eheliche und uneheliche descendenz des
hausherrn, also des geschlechtseponymos, bilden würde, aber Homer zeigt, dafs die
bastarde ohne weiteres, wie im mittelalter, dem stände des vaters folgen; die un-
ehelichen kinder seiner töchter pflegt der vater als die seinen zu erziehen, oder sie
werden ausgesetzt, es entscheidet also immer der selbstherrliche wille des xvqios.
V. Wilamowitz, Aristoteles. II. 18
274 UI- !• Die phiatiie der Demotioniden.
nocli 470 archon gewesen ist. aber denjenigen brüdern, die in Dekelfia
ansässig waren, hatte man die Stellung der genneten übertragen ; sie rech-
neten sich innerhalb der phralrie als einem 'hause' angehorig. natürlich
liat Kleisthenes alle die 507 dort noch ansässigen in die gemeinde auf-
genommen, die er nach dem dorfc benannte; die damals schon in die Stadt
verzogenen dagegen nicht, die doch auch in der phratrie blieben, anderer-
seits werden manche bürger 507 in Dekeleia gewohnt hab.en, die zu
anderen phratrien gehörten, aber nun dort demoten wurden, ganz geht
also der denios in die phratrie nicht auf, ganz abgesehen von nachbar-
demen , die auch erst Kleisthenes schuf, wie den '^•/.a'/.vßLa rr^g Je/.e-
).eLag , Olov /J e/.e).e.vmv .
Die brüder erster classe, mögen sie geschlechtsgenossen oder milch-
brüder oder das haus so und so heifsen, sind der alte bestand der bruder-
schaft und gehören ihr der liction nach durch ihre abkunft ipso facto
an. es ist das natürliche, dafs die anerkennung durch den vater sein
kind in das geschlecht und damit auch in die phratrie einführt: die
Apaturien sind ja das fest der 6(.io/täTOQeg. dagegen die cultgenossen |
sind irgendwann wie auch immer hinzugetreten, aufgenommen: es sind |
conscnpti neben den patres oder patricii. für sie ist diese aufnähme j
mindestens formell an einen beschlufs der alten echten brüder gebunden 1
gewesen. so geht durch die verschiedenen Ordnungen dieselbe er- |
scheinung hindurch, dafs die prüfung und Zulassung zuerst bei den '
brüdern erster classe steht, aber die fortschreitende entwickelung den
unterschied immer mehr aufhebt, sei es dals die orgeonen neben den
genneten zwar bestehen bleiben, aber eine prüfung durch jene
eben so viel gilt wie durch diese, sei es dafs eine andere gruppe an
die stelle der genneten tritt, sei es dafs die gesammtbrüderschaft als
höhere Instanz über die Vorprüfung durch jene entscheidet, sei es end-
lich, dafs die gesammtbrüderschaft in gleichartige und gleichberechtigte
kleinere gruppen geteilt wird, so dafs genneten und orgeonen gleicher-
mafsen verschwinden, diesen letzten schritt haben die Demotioniden
durch das gesetz des Nikodemos getan.
Die bruderschaften waren genossenschaften (y.oiva); wie diese hatten
sie einen vorstand , und für die alte zeit werden wir die monarchische
spitze erwarten, die in den meisten genossenschaften vorhanden ge-
wesen ist. so haben auch die Demotioniden einen phratriarchen ; aber
die Dyaleer haben zwei, es ist unsicher etwas zu vermuten, aber da
in der gemeinschaft der brüder zwei classen vorhanden sind, so ist
die entwickelung wol denkbar, dafs die niedrigere einmal auch für sich
Die bruderschaft im Verhältnis zum Staate. 275
einen Vertreter als collegen des adlichen brudermeisters durchgesetzt hat.
denn so lange der bestand der mitglieder lediglich durch die adhchen
briider controllirt ward, mnfs der Vorsteher ihnen allein angehört haben:
so war es schwerlich zufällig bei den Demotioniden 396. viel länger
dürfte sich ein vorrang wie der des oiv.og Jey.elhov im passiven Wahl-
recht kaum irgendwo gebalten haben. Euxitheos von Hahmus, ein mann
der niedersten lebensstellung, ist in seiner phratrie phratriarch gewesen ;
ob an ihrer spitze einer oder mehrere standen, ist nicht deutlich, mit
der phratriarchie ist die Vermögensverwaltung verbunden ; indessen kann
auch jeder thiasos seine casse haben, und wir sahen schon in dem ge-
setze des Hierokles, wie die casse der gesamtheit (des y.oivöv) sich an
die stelle der casse des ol/.oq setzt, die Dyaleer verpachten die gründ-
et iicke ausschliefslich für das y.olvÖv. dafs dieser name statt der cpoctToLa
erscheint, beweist am besten, dafs ehedem eine kleinere Unterabteilung
iil)er das vermögen der gesamten phratrie verfügte.
Natürlich sind die priestertümer der phratrie erst recht ein Vorrecht
der adlichen, und der priester der Demotioniden heifst geradezu der des
[lekeleerhauses, dieser cult ist nur der des persönlich gefafsten rechts-
begriffes der gemeinschaft : als sich in ihr die rangunterschiede ver-
wischten, mag das priestertum, das zudem etwas einbrachte, allen brüdern
ziigängUch geworden sein, im übrigen haben die von der phratrie um-
s( hlossenen gemeinschaften, geschlechter wie thiasen, ihre sonderculte,
iiiid da ist es schon etwas, wenn die teilnähme an den sacra den brüdern
insgesamt verstattet wird: von da bis zur ausübung derselben, vom
Uoa dexeod^ai zum dgäv, ist ein weiter schritt, der vielfach wol gar
nicht getan ist. die phratrie, der der Kothokide Aischines angehörte,
war berechtigt an dem geschlechtsculte der Eteobutaden teil zu nehmen ;
aiier dieser cult, des Poseidon Erechtheus, ist immer geschlechtscult ge-
liüeben, und Aischines hätte sich nie einfallen lassen, auf das priestertum
ansprüche zu erheben, es hat denn auch dieses geschlecht und sein
priesterlicher vorrang die phratrie lange überdauert, aber auf diesem
gebiete müfsten wir sehr viele einzelne concrete erscheinungen kennen,
um allgemeine Schlüsse wagen zu dürfen.
Nun sehen wir klarer, nun wollen wir die phratrien im Verhältnis Die bruder-
, Schaft im
zum Staate und zur bürgerschaft betrachten, rückwärtsschauend aucn Verhältnis
1 • .1 11- 1 1 p • 1 ^^™ Staate.
hier von der helleren zeit aus. Es ist selbstverständhch , dals jeder
Athener de iure einer phratrie angehören mufs, deren jede also ein
zwölftel der bürgerschaft unifafste: ein wie unförmliches ding war also
das cfoaTQiay.ov yQu^if-iaxelov. dafs das recht wirklich so war, zeigt
18*
276 III- 1- Pie pliratrie der Demotioniden.
schon allein die formel der biirgerhriefe elvai rov öelva cpv?S;g v.a]
drf.iov y.ai (fgargiag wv av ßov?.rjTai. in dieser liegt aber auch sofort,
dafs zwischen der localen gliederung der gemeinden und der quasigenti-
licischen der bruderschaften ein notwendiger Zusammenhang besteht,
denn der neubürger wählt sich nicht dreierlei, sondern indem er si( Ii
eines wählt, die gemeinde, die sein biirgerrecbt erst effectiv macht, sind
die übergeordneten gemeinschaften gegeben, andererseits ,ist mit der
aulnahme in die gemeinde der eintritt in die phyle ipso facto gegebon.
für die phratrie gilt das nicht, denn da bedarf es eines einführenden
bruders, einer aufnabmeceremonie und eines aufnahmebeschbisses. der
noiibiirgfM' mag immerhin ein anrecht auf diese aufnähme von dein
Volke erhalten haben, er mufs doch erst noch schritte tun, um anscbluis
an eine cultgenossenschaft und einen bruder, der ihn einführt, zu finden,
er hat aber von dieser aufnähme weiter nichts, als dafs er gewisser s.k r.i
teilhaftig wird und die Apaturien mitfeiern kann, weder rechtliche nmh
pecuniäre vorteile stehen ihm in aussieht, er kann von der gemeinde
für alle ihre ämter gewählt, für die ricbter- und ratstellen präsent iil
werden , ganz ebenso von der phyle für die beamtenstellen des volkes.
und das volk nun gar hat zu den wahlämtern sogar sehr häufig neu-
bürger vorgezogen, nirgend ist die Zugehörigkeit zu einer bruderschaft
erfordert, der volksbeschlufs, der ihm sein bürgerrecht verlieh, war dem
neubürger und seinen nachkommen allerdings ein wichtiger adelsliriet',
den liefs er meistens auf seine kosten in stein hauen und öffentlich a\i?-
stellen, wenn das nicht das volk schon seinem privileg zugefügt halte, allein
die religiösen motive, die einem Athener vielleicht noch um 350 die
bruderschaft oder den thiasos wert machen mochten, existirten für den
neubürger nicht; für viele bürger schwanden sie auch, und so konnte es
gar nicht ausbleiben, dafs ein immer gröfserer bruchteil der büriiei-
schaft factisch ohne bruderschaft lebte, wo keine greifbaren vorteile
und kein zwang vorhanden sind, wird der mensch einen mit kost<Mi
und mühen verbundenen freiwilligen act sehr leicht unterlassen, so sind
die bruderschaften schon zu Pbilocboros Zeiten antiquirt gewesen und
bald ganz in Vergessenheit geraten, hätte man die öiaiptjcpiaig von 346
ihnen statt den gemeinden anvertraut, so würde die bürgerschaft ver-
mutlich erheblich eingeschwunden sein: das (pQaroiaQxr/.dv ygau^iarelor
war scbwerhch so unförmlich wie es hätte sein sollen, die geschlechtcr
aber haben sich lebensfähiger bewiesen als die phratrien.
Die diaipr^rpioig des Isagoras 508 (oben 1. 31) kann nur den
phratrien anvertraut gewesen sein: damals gab es noch keine gemeinden.'
Die bruderschaft im Verhältnis zum Staate. 277
allein schon damals gab es viele leute, die sich als bürger gerirt hatten,
ohne den phratrien anzugehören, das war möglich, weil schon damals
und schon zu Drakons zeit die staatliche gliederung nicht mehr genti-
licisch war: die naukrarien waren die localen Verwaltungsbehörden, und
sie waren im rate vertreten, das vermögen, nicht der adel, stufte die staat-
lichen rechte und pflichten ab; rechtlich dagegen hatte jeder Athener
noch damals eine phratrie: es waren nur die plebejer als orgeonen den
geschlechtern beigeordnet, das Verhältnis war also dem späteren ganz
analog; nur hatten die geschlechter eine factisch viel höhere macht, und
die ogyia waren den menschen ungleich wichtiger als 100 oder 200 jähre
nachher. Kleisthenes aber konnte gar nicht anders als seine gemeinde-
iirdnuug irgendwie mit den phratrien ausgleichen, gerade weil er sie
liefs wie sie waren, er mufste das eine feststellen, dafs die neubürger,
deren er viele aufnahm, in ihnen zutritt fanden, nicht durch privileg
im einzelnen falle, sondern durch ein gesetz, das von selbst die gemeinde
mit der phratrie in ein Verhältnis setzte, mit anderen Worten die und
die gemeinden der und der phratrie zuwies, so weit ihre angehörigen den
adel lediglich in folge des gemeindebürgerrechts erhielten, das gibt den
phratrien in gewissem sinne locale bedeutung, die durch die über das
ganze land verstreuten, jetzt den verschiedensten gemeinden zugeteilten
alten phrateren (genneten und orgeonen älterer Zugehörigkeit) nicht
aufgehoben wird.
Tief in das siebente Jahrhundert hinein müssen wir gehn, vielleicht
noch höher hinauf, um die zeit zu finden, wo der geschlechterstaat wirk-
lich noch lebendig war, die ämter an den adel gebunden waren, und
lediglich eine anzahl geschlechter in einer phratrie zusammengefafst
waren, damals stand die plebs völlig aulserhalb, und der adel stritt dem
plebejer mindestens das geschlecht, vielleicht auch den vater ab. dürfen
wir nun annehmen, dafs damals wirklich das blut oder doch die geglaubte
Verwandtschaft eine anzahl von geschlechtern als Demotioniden verband,
so dafs ihre ahnherrn kinder Demotions gewesen wären ? mit andern
Worten, ist die phratrie etwas gewachsenes oder gemachtes? schon die
zwölfzahl gibt die antwort, die schematisch aus der vierzahl der phylen
entwickelt ist. die phratrien sind mit den vier phylen zugleich gemacht,
von jenen lehren es die blutlosen eponyme, auf die wirkhch vornehme
adelsgeschlechter sich zurückzuführen verschmähen, auch die eponyme
der phratrien sind blutlose gestalten: ja die namen der phratrien z/valrjg
Willig sind zwar eines Schlages mit 'AQyadr^g u4iyuoQrjg, aber eben
wie jene keine gentihcia. brüder die sich nach Jiovvoog Jvalog nennen
278 lU. 1. Die phratrie der Demotioniden.
sind selbst eigentlich nichts als orgeonen. also stellt sich die adelsordnung
bereits als eine künstliche Organisation dar, vergleichbar der späteren
gemeindeordniing. die phylen sind freilich sicherlich nicht local ge-
wesen, so wenig die 4 wie die 10. aber die phylendrittel, die xQLTxvg
oder q)QaTQlai werden es freilich nicht durchweg gewesen sein, weil es
die geschlechter nicht sein konnten, aber gewifsermafsen waren sie es doch
auch schon : man hat die neben einander wohnenden geschlechler zu
einer phratrie verbunden, und durch ihren cultort schon erhält die
phratrie einen localen mittelpunkt.
Wir würden also ein gutes teil aller geschichte kennen, wenn wir
die centra der phratrien bestimmen konnten, und vielleicht dürfen wir
das von der zukunft hofl'en. Dekeleia (Hippothontis) ist der sitz der
Demotioniden, Myrrhinus (Pandionis) der Dyaleer, Kephale oder Pro-
spalta (Akamantis) der Achniaden, ein beschlufs einer unbekannten phra-
trie ist in einer kirche zu Charvati gefunden (CIA II 599); das ist kein
sicherer anhält für den demos, aber die phyle Aigeis ist wahrscheinlich,
die Butaden und Kothokiden weisen auf eine phratrie, die mit der Oineis
in beziebung stand, über Therrikleiden und Zakyaden, deren steine in
der Stadt nur copirt sind, läfst sich nichts sagen, über die Fhilies, von
denen wir nur das geschlccht der Koironiden kennen, auch nicht, aber
wir sehen einmal wirklich schon, dass Kleisthenes die Verteilung der
demen auf die phylen nicht ohne herücksichtigung der phratrien voll-
zogen hat, wir sehen ferner, dafs eine gleichsetzung der 12 phratrien mit
den 12 alten Städten nicht möglich isl,^') und wenn wir jetzt auch unseres
nichtwissens uns bewufst werden, so gibt der furtschritt der letzten zehn
jähre fröhlicher hoffnung auf die zukunft räum.
Demotion Als postiUe will ich den eponymus der Demotioniden in einem wert-
vollen namenregister nachweisen, dem Verzeichnis der kinder, die Theseus
vor dem Minotaurus gerettet bat, erhalten in einem schönen mytho-
graphischen Vergilscholion zu Aen. VI, 21, das durch Haupt und Jahn
zumeist bereits emeudirt ist. qnorum haec tiomina ferunlur. hi pueri:
forhas (so 0. Jahn , für hippo forbas.) et libi idest arcadis antimachns
euajidri mnesteus sumiani phidocus ramuntis demolion cydani [puriesion celei
von Haupt getilgte dittographie]. puellae haec perihea akatim medippe
21) Der einfall, dafs die rsr^aTtoXiis oder inay.QTjS oder fieacystoi bruder-
schaften wären, ist mir natürlich gekommen, die ersten beiden stehn in der liste
der alten zwölf Städte, die inax^Tis waren auch später eine trittys. aber die er-
haltenen documente dieser genossenschaften bestätigen den einfall nicht, obwol sie
ihn schwerlich verbieten.
Demotion der heros. 279
'pyrii iesione celei andromache euriniedontis seupymedusa polixeni eiirope
laodidt milita triaconi. ich will die emendationen gleich griechisch geben.
Wögßag, dessen Vatersname sammt dem nächsten knabennamen noch
unsicher bleibt; Aethlios und Elatos und Idas gehören nicht nach Athen
und sind andererseits zu sehr an bestimmte träger gebunden. Phorbas
ist natürlich der herr des OoQßavrelov in der Stadt, einst ein wolbe-
kannter geführte des Theseus, meist Poseidonsohn, wenn man aus lüdest
mit Leo Butcs macht, was sehr erwünscht wäre, könnte etli wol etali
sein: da hätten wir die eponymen der Aithaliden und Butaden. der vater
des zweiten knaben ist ^^Q-yadevg, der eponyme der phyle, wie Jahn
gesehen hat. ^AvTi[.iaYog EuavÖQov, für mich nicht näher bestimmbare
gut attische namen. Blsvso^evg ^ovviov, ^Af.icpiöo/.og '^PaiivovvTog,
/liqfxoriiov Kvdavxog. in den vätern haben wir drei demen, zwei sicher
von der ostküste, die Kydantiden wahrscheinhch auch, dazu tritt Demo-
tion von Dekeleia; den Kydas hatte schon Stephani erkannt, den mädchen
fällt der westen zu, neqißoia ^AXY.ad-oov, die tochter des megarischen
königs, mutier des Aias, wie manche sagten von Theseus: also Megara
trotz seinem peloponnesischen herrscher gilt für attisch. MriöiTtTtr^
JIvQQOv oder Ilv/dov; der mädchenname ist um der Miqöa, des Mr^-
öog, D'lr\dEiog willen gewählt, die im hause des Aigeus, auch dem Bu-
tadengeschlechte vorkommen ; es gibt auch einen Eteobutaden Pyrrhos,
aber der name ist nicht sicher. Ilillog pafst besser; er hat den Herakles
in die Eleusinien aufgenommen, gehört also dorthin, änderungen die
das y aufgeben, sind nicht wahrscheinlich. 'Haiovr] Keleov , das ist
Eleusis, ^^vdQO/Liccyrj EvQVf.iedovTog, EvQviLieöovoa Tlolv^h'ov, EvQwnrj
^aoduov ohne kenntliche beziehung, TMslLxi] aus der Stadt, deren
vater noch fehlt; Qgtayovog, wie Jahn wollte, ist keine brauchbare bil-
dung: der eponymos würde Oglog oder Qgiag oder OQidoiog sein,
ich habe keinen plausibeln Vorschlag, das ist aber wol klar, dals der
erfmder der liste (ihr überlieferer wird Istros sein) sehr überlegt ge-
wählt hat, und dafs es sich verlohnt, die namen zu deuten oder zu
finden.
2.
DER ERSTE KRIEG GEGEN AEGINA.
Wir liaben über den krieg zwischen Athen und Aegina keine über-
Der erste liefcrung aufser bei Herodotos.') was er gibt, kann so wie es ist nicht
^le"odotos! gescbichte sein, es geht aber niciit an, davon zu ignoriren, was auf den
ersten bhck sich als novelhstisch kund gibt, und das andere wol oder
übel als geschichte zuzustutzen, sondern die aualyse des ganzen berichtes
mufs vorhergehen.
Herodot erzählt (V 79 — 90) gleich nach dem siege Athens am Euripos,
dafs Theben sich um Iiilfe nach Aegina wendet, und die Aegineten die
attische kiiste verwüsten, die Athener werden an der aufnähme des
krieges dadurch verhindert, dafs Sparta mit einer intervention zu gunsteri
des flippias droht.
Das ist das bescheidene tatsächliche, was er über diese zeit beibringt,
es schliefst sich seinem berichte über die altische geschichte jener jähre
sehr gut an, und man hat nicht die mindeste veranlassung, mehr daran
zu zweifeln als an jenem berichte überhaupt, es ist wahr, dafs Athen
1) Weil er auf Herodotos zurückgeht, mufs selbst der bericht des Duris in
seiner samischen chronik unberücksichtigt bleiben, der, wie ich schon früher ge-
legentlich verbessert habe, also lautet y.aTo. 8s rovrov tov xoÖvov vtiu AiyivriTiov
^AdTiValot y.uxu d'äJ.uTTav (^ii')ox^.ui uevoi, niunovai tis^ovs eis z>]v vr;aov , -ltio-
)Mfißüvovr8i, UV fd'äacoatv UTioßüvTSs, noXXu av ßJ-ätpai r?;»' A'iyivav. oi Se
ins^ekd'övTsi (eri'xoi' yuo airoXs 7tooay.aru7TE7rXevy.ores növ .SjiaoxiarcJv rivss)
rovs 'AdTivaiovs aTiavras a7tty.re1.vav Ttkr^v ivos u. s. w, es folgt breit sein tod
und dann die anderung der tracht: diese war es, welche der peripateliker beleuch-
tete, und auf ihn geht die grammatikerüberlieferung, einschliefslich einer bemerkung
über die alten gemälde und eines Anakreonverses zurück, nur ein Kallimachosvers
ist grammalikerzusatz. (schol. Eur. Hek. 03-lj.
Der erste bericht des Herodotos. 281
eigentlich hätte losschlagen können, sobald die von Sparta drohende ge-
fahr verschwand. Herodot bedient sich derselben auch nur als eines
stilistischen mittels, um einen Übergang zu jenen planen der Spartaner
zu finden.^) innerhch motiviren hat er die Zurückhaltung der Athener
mit einem orakel wollen, das ihnen 30 jähre zu warten gebot, widrigen-
falls sie einen sehr langen wechselvollen krieg führen müfsten. dies
orakel dient ihm auch dazu, seine aeginetischen abschnitte zu ver-
knüpfen.^) es gehört freihch zu dem was er überliefert erhalten hat, aber
dafs es hier erscheint, ist auch nur Herodots anordnung, die für uns
nicht mafsgebend ist. und wir bedürfen keiner besonderen motivirung
dafür, dafs Athen 506 die räubereien der Aegineten, so bitter es sie
(mpfindet, hinnehmen mufs: Athen hat ja keine flotte, da das orakel
die Überwindung Aeginas nach 30 jähren in sichere aussieht steht, kann
mau nicht bezweifeln, dafs es nach seiner erfüllung entstanden ist. 457
ist Aegina wirkhch nach einem heftigen aber kurzen kämpfe überwunden ;
damals mufste man sich der früheren kriege, um so mehr falls sie nicht
lilofs resultatlos, sondern unglücklich waren, in der form erinnern
"das hätten wir uns sparen sollen", damals kannte man aber auch die
zeit genau genug, um mit 30 jähren, mag die zahl auch rund sein,
nicht 50 zu meinen. Herodot hätte das orakel also an dieser stelle
noch nicht erwähnen dürfen, sondern erst an der späteren, und, wie
wir vorgreifend nun schon ermittelt haben: der krieg mit Aegina fällt
um 4S7.
2) Solche Übergänge macht er oft, und es ist ein wichtiges prinzip für seine
exegese, dafs man in ihnen nicht mehr als das stilistische moliv sucht, da gehört
bei dem prosaischen Homer wirklich die bemerkung hin, die im epos so oft nicht
cieii dichter, den sie entschuldigen soll, sondern den redactor trifft, oty.ovo(icxcös
loiTo Xtysi.
'S) V 89 TjXd'e fiavtf^ov ex Jelfpäyv intay^övras — roirjy.ovra ezea reo ivl
y.al rQiijXoarcö Alaxcö t£/ievos anodi^avTas äpyead'ai ravza cos aTtevety^-
d'ivxa rjxovaav ol yld'r,valoi, leä fi.Ev Aiaxcö ra'usros änsSs^av tovxo, ro vvv knl
T/~s ayoQiqs i'SQvzai, r^irjxovra Se erea ovx uviayovro. VI S8 j4d'r^valoi Se na-
d'üvxBS ravia ovxeri avsßä}J.ovro fif] ov to näv urjyavTiaaad'ai, STt' Aiyiviqrriaiv.
das heiligtum wird auch erwähnt in einer der topographischen glossenreihen des
fünften Bekkerschen lexicons, 212 (== Hesych, nicht Diogenian), die auf Athen gehn,
50 dafs Aläxetov , rönos ov cpaaiv zov Aiaxov otxjjaai den aeginetischen heros
allerdings annectirt, wie seine nachkommen Aias und Eurysakes, wie Theseus und
Xeleus annectirt sind, und namentlich Nisos, der eponymos von Nisaia. auch be-
deutet diese gründung (die natürlich eine restitution sein wollte) den plan, Aegina
zu annectiren. also ist es eine gründung von 45S : älter kann ein solcher gedanke
nicht sein, wol aber jünger, doch nur bis 404.
282 ni. 2. Der erste krieg gegen Aegina.
Noch ein anderes orakel erwähnt Ilerodot. Thehen soll sich an
Aegina gewendet haben , weil der gott ihm befahl sich an die ay^iora
zu halten, und das war A'iyiva als tochter des Asopos und Schwester
der Qrißr]. das entspricht ganz den anschauungen und der ausdrucks-
forni, die man bei Pindaros findet; es kann also sehr wol geschichtUch
sein, richtiger freilich wird man auch hierin nur die darstellung eines
zustandes durch eine einzelne geschichte sehen.
Aber die hauptgeschichle Ilerodots soll den alten hafs zwischen
Athen und Aegina motiviren, der angeblich schon vor 506 vorhanden
gewesen ist, obwol es sonst keinerlei anzeichen für ihn gibt, weil diese
geschichte ganz voller novellistischer züge steckt, ist es zwar unerlaubt,
sie in die Jahrbücher der geschichte einzuordnen , wie z. b. 0. Müller,
Duncker, Studniczka getan haben; man darf sie aber auch nicht ohne
weiteres über bord werfen, wie es zumeist und auch von Kühler (Rhein.
Mus. 46) geschieht, ich erzähle sie nicht im ganzen nach und schreibe
sie nicht aus; es mufs sie jeder doch im zusammenhange nachlesen, aber
ihre einzelnen züge mufs ich betrachten.
In dem aeginetischen dorfe Oie ist ein heiligtum der Damia und
Auxesia mit zwei schnitzbildern der güttinnen aus olivenholz in knieen-
der Stellung, wie Welcker uns gelehrt hat, sind es geburtsgüttinnen in
der haltung der kreifsenden, wie die Avyri syyovaOLv. die frauen ver-
ehren sie in ihren nöten wie die Alhenerinnen die Brauronia, weihen
ihr wie diese ihren schmuck, darunter um ihres metallwertes willen
natürhcherweise besonders viele spangen, die nach der dorischen mode
den mantel auf der schulter zusammenhalten, nach der tempelordnung
darf nur einheimisches tongeschirr gebraucht werden; insbesondere ist
die attische wäre ausgeschlossen, die am ehesten mitgebracht werden
konnte: das ist eigentlich ganz natürlich.
Die herodoleische zeit fragt bei den religiösen Satzungen wie bei
allem nach dem warum; sie findet in dem verböte der attischen wäre den
in der gegenwart brennenden hafs der Aegineten. sie wundert sich über
die hallung der gütterbilder und gibt die antwort, dafs sie auf die kniee
gesunken wären, als feinde sie rauben wollten, diese feinde sind, auch
um des gegenwärtigen hasses willen, Athener, die slaluen sind aus
olivenholz; die Athener sind des glaubens, dafs die oUve ihnen gehöre.
damit sind ihre ansprüche und ihre versuche die statuen zu rauben
motivirt.
Die Athenerinnen tragen keine schulterspangen mehr wie die Dore-
rinnen; aber man hat seitdem Umschwünge der mode den glauben, das
Der erste bericht des Herodotos. 283
dorische wäre ächtliellenisch , und wenn die frauen gleichwol nicht zu
i\rr mode der unfürmhchen spangen zurückgekehrt sind, so motivirt man
diis mit einem verböte wegen der gefähdichkeit dieser instrumente. von
der erzähUe man viel. Oidipus hatte sich mit der spange lokastes ge-
l)lendet (Soph. 0. T. 1269), und die Troerinnen hatten es mit Polymestor
elicnso gemacht (Eur. Hek. 1170): die tragiker lehren uns, zu welcher
zeit diese beurteilung der dorischen spange gegolten hat; die Unanstän-
digkeit des dorischen frauenkleides, das die schenke! den blicken darbot,
weil kein hemde darunter safs, berührt schon Anakreon.. was war nun das
ojder der altischen frauen, dessen ermordung das verbot der dorischen tracht
mit den spangen hervorrief? das läfst sich nicht a priori bestimmen, das
konnte so oder so gedichtet werden, da lernen wir, dafs es der unheiisbote
i;ewesen ist, der von Aegina als einzig überlebender die künde eines grofsen
Unheils brachte, wie die Athener erzählen, sagt Herodot, war ein schiff
hinüber gefahren um die beiden bilder aus attischem ohvenholz zu holen.
die mannschaft war bei dem gotteslästerlichen unterfangen von plötz-
lichem Wahnsinn befallen, und bis auf den einen hatten sie sich alle gegen-
seitig umgebracht, dem stellt er den aeginetischen bericht gegenüber
und zwar so, dafs er ihn als berichtigung des attischen gegeben annimmt,
selbst aber wieder das wunderbare aus ihm zu streichen bemüht ist.
nach diesem berichte ist eine attische flotte mit gewalt nach Aegina ge-
konmien, gegen die haben die Aegineten hilfe von Argos gerufen, diese
i^t unbemerkt gelandet, hat die Athener von ihren schiffen abgeschnitten
und hat sie niedergemacht bis auf einen, das ist ganz offenbar ein durch-
aus nicht novellistischer oder aetiologischer bericht, sondern ein geschicht-
licher, ich habe nur das novelhstisch aetiologische fortgelassen, das
Ix'steht in der tempellegende, dafs die bilder sich nicht wegrücken Hefsen,
und als man sie mit seilen wegzuziehen versuchte, in die knie fielen,
und darin dafs gewitter und erdbebeu den Untergang der Athener be-
gleiteten, diesen bericht hat Herodot offenbar so eingehoh, dafs er den
Aegineten die attische erzählung vorlegte, wenn die Athener selbst sagten,
sie hätten die bilder rauben wollen und wären alle bis auf einen um-
gekommen, so hatten jene keinen grund zu widersprechen, was die
bilder anlangte, so verfügten sie über eine andere aetiologische geschichte,
die gar nicht damit zusammenhieng, aber sich gut damit vertrug, dafs
die attische die erinnerung an eine schwere niederlage, nicht an den
Verlust eines Schiffes, festhielt, sagten die Aegineten ; wir konnten es uns
auch selbst sagen, da die genesis der ganzen fehde ohne diese Voraus-
setzung unbegreiflich ist. es ist aber schlechthin nicht abzusehen, wes-
284 III. 2. Der erste krieg gegen Aegina.
halb wir dem bericlUe der Aegineten in betreff des Krieges mit Alben
mistrauen sollten.
Die analyse der ersten herodoteischen erzählung hat also als ge-
schichtlich glaubhaftes resultat ergeben , dafs irgend wann die Athener
eine starke truppenzahl auf Aegina gelandet hatten, die aufgerieben ward,
weil hilfsVölker von Argos unbemerkt auf der insel eintrafen und die
Athener von ihrer fiotte abschnitten, diese geschichte ist zunächst voll-
kommen zeitlos, denn llerodots anordnung ist dessen eigenes werk und
hat für uns nicht die mindeste Verbindlichkeit.
Der zweite Das andere stück der kriegsgeschichte schiebt Ilerodot zwischen
Herodotos. die gesandtschaften, durch die Dareios von den hellenischen Staaten die
Unterwerfung fordert, und die schlacht bei Marathon, wer seiner er-
zählung folgt, mufs alles 491 bis sommer 490 unterbringen; es ist nicht
mehr nötig die Unmöglichkeit zu beweisen, die hanptpunkte sind fol-
gende. Aegina huldigt dem Dareios, wird deshalb von Athen in Sparta
denunzirt, weigert dem könig Kleomenes die genugtuung (VI 48 — 50).
als dieser seinen collegen Demaratos durch Leotycliides ersetzt hat, er-
zwingen beide die auslieferung vornehmer Aegineten und geben diese den
Athenern in Verwahrung (VI 73). nach dem lüde des Kleomenes fordern
die Spartaner die auslieferung dieser männer vergeblich von Athen (VI 85).
hier ist es erst, wo in Wahrheit die fortsetzung seiner früheren erzäh-
lung von Herodot notirt wird (VI 87. 88); der aeginetischen geifeln,
der Perser und der Spartaner geschieht keine erwähuung mehr, die ge-
schichte wird völlig zeitlos, umfafst ersichtlich eine längere, wenn auch
unbestimmte frist, der Übergang zu anderem wird mit 'Ad^hvcdoiat /luv
dij 7iökef.iog ovvrjTtzo ycgdg yUyivrjTag (VI 99) gemacht, ohne dafs doch
ein abschlufs da ist. wir brauchen also nur die beiden gesonderten stücke
des herodoteischen berichtes gesondert zu behandeln, so sind wir die Ver-
wirrung der zeit los. dafs Aegina Persien gehuldigt hat wie die andern
inseln , ist ganz glaublich; sie mochten den zunächst bedeutungslosen
act für politisch halten: 480 haben sie sich den ehrenpreis der tapfer-
keitverdient, und die anekdote ist wol authentisch, dafs der söhn eines
der damals in Athen verhafteten männer, des wegen seines namens auch
von Simonides bespöttelten Krios^), bei Salamis dem Themistokles ein
4) Es ist wol ein Athener gewesen, der in Nemea den Krios im ringkampf
überwand und sich von Simonides das siegeslied machen liefs, in dem darüber ge-
scherzt ward "wie der bock im haine des Zeus so weidlich geschoren ward", denn
das lied blieb in Athen volkstümlich (Ar. Wölk. 135() mit schol.), und es bedurfte
eines besonderen hasses, um die abweichung von der etikette zu moüviren: wie Pindar
«
Der zweite bericht des Herodotos. der dritte bericiit des Herodotos, 285
bitteres wort über den aeginetischen medismus zugerufen babe, als er
gerade ein sidoniscbes scbifT geentert batte (Her. VIII, 92): aucb die andern
facta, die klage Atbens und die Verhaftung der angeblicb oder wirklich
perserfreundlichen führer wird so bestätigt, endlich ist die datiriing des
Herodotos ganz unanstofsig, zumal die spartanische konigsliste als Leo-
tychides' erstes jähr 491 gerechnet hat. nur mufs jedermann, der dies
für sich betrachtet, annehmen, dafs 490 die aeginetischen gefangenen in
attischem gewahrsam safsen.
Gesondert davon, zusammenhängend mit der erzählung im fünften Der dritte
L8richt cIgs
buche, steht der ausführliche bericht (VI 87 — 93), den Herodot nur hier- iieiodotos.
hergerückt hat, weil er in sich gar keine datirung trug, die Aegineten
rauben ein attisches schiff, das zur regatta am Poseidonfest nach Sunion
fährt, die Athener schlagen jetzt die warnung des orakeis in den wind,
das, wie wir schon gesehen haben, die zeit um 487 voraussetzt, und
versuchen durch einverständnis mit einem demokratisch gesonnenen
Aegineten sich der insel zu bemächtigen, dazu müssen sie sich 20 schifl'e
von den Korinthern schenken lassen, aber sie kommen einen tag zu
spät, als der demokratische aufstand schon niedergeschlagen ist; nur der
rädelsfübrer mit wenigen rettet sich nach Alben , wird in Sunion an-
gesiedelt und treibt piraterei gegen Aegina.^) die athenische flotte er-
zwingt sich doch die landung durch einen seesieg; da kommt zwar
nicht officieller, aber doch starker zuzug von Argos. die meisten Argeier,
und so ihr führer Eurybates, werden freihcli von den Athenern er-
schlagen, Eurybates im Zweikampfe; aber die Aegineten überfallen doch
die Athener, als sie einmal in Unordnung sind, und nehmen vier schiffe.
So schliefst die geschicble oder vielmehr so bricht sie ab. die dar-
slellung ist offenbar athenisch, also ist von den attischen erfolgen einiges
abzuziehen, noch viel sicherer aber ist, dafs das ende fehlt: das athe-
nische beer kann doch nicht in Aegina sitzen bleiben, und dafs die
Argeier beinahe alle erschlagen werden, sieht sehr nach einer Verall-
gemeinerung des einen abenteuers aus, das Herodot hier aus anderer
zeigt, macht man sich nicht über die personen der überwundenen gegner lustig.
der name K^iös klang den Hellenen komisch, das grabepigramm eines Atheners
Krios (Kaib. 63 = CIA II 3SS0 saec. IV) hebt dem namen gegenüber die xf'vxr/ ycozos
Sutaiorärov hervor: das geht auf die sprüch Wörter y.oios rqoyeV a7tiSa)XEv, xoiov
Siaxovia.
5) Das ist ein schöner beleg für die geslattung der caperei von privaten, die
gesetzlich daraus folgt, dafs das bekannte 'solonische' gesetz den ettI /.siav oi/^()(^is%oi
den schütz ihrer genossenschaftlichen Statuten gewährt.
286 III- 2. Der erste krieg gegen Aegina.
tradilion eingefügt hat: der attische hekl Sophanes zeichnet sich auch bei
IMataiai aus und ist 464 hei Drabresi<os gefallen (IX 73). man verlangt
eigentlich als abschlufs eine niedeiiage der Athener, man verlangt sie
doppelt, wenn man sich des orakels erinnert, wie kommt aber der ehr-
liche Ilerodot dazu, sie zu unterdrücken und seine geschichte im sande
verlaufen zu lassen? dafür ergibt sich die antwort, sobald man das feh-
lende stück dazu nimmt: es steht ja vorher, er verweist auch seihst dar-
auf, aber er kann es nicht mehr an der rechten stelle anführen, weil
er es an der falschen verbraucht hat. nicht "wie früher", sondern eben
jetzt erst riefen die Aegineten den schütz von Argos an. man halte
doch die obige erzählung der Aegineten zusammen mit den bruchslücken
dieser, landung einer attischen flotte, ausschiffung eines heeres, un-
erwartetes eingreifen eines corps von Argeiern, niederlage der Athener,
das ist doch ein und dieselbe geschichte. der Vorgang, so weit er den
Herodot angeht, ist also der. die entscheidende niederlage Athens ist
erstens in einem gewissen geschichtlichen zusammenhange erzählt worden,
und andere traditionen und anekdoten nahmen auf den merkwürdigen
ausgang vielfach bezug. daneben aber hat sich der glaube gebildet, dafs
Athen den zug wider ein orakel unternahm; dieser freihch erst in der
zeit, wo man Aegina von neuem, diesmal erfolgreich, zu leibe gieng. daran
wieder hat sich die sage von dem unglücklichen kriege geknüpft, die sage
von Damia und Auxesia; ich zweifle nicht, dafs die Athener sich wirk-
lich in Oie bei jenem tempel festgesetzt hatten, ferner hat sich die sage
von der ablegung der spangen, da sie einer grofsen niederlage bedurfte,
auch an die auf Aegina geschlossen, den Aegineten konnte es schon
recht sein, wenn die Athener nur einen einzigen der ihren gerettet
werden liefsen. nun horte Herodot diese geschichten; er hörte in Athen
mancherlei, erfragte bei den Aegineten anderes über die gescJiichte von den
gütterbildern, die ihm besonders merkwürdig war, und machte sich seinen
vers daraus, so gut er konnte, das konnte er aber unmöglich gut machen,
denn wie sollte er die niederlage der Athener, von der die Aegineten
erzählten, zugleich mit der von 487 und mit der, welche zur abschaf-
fung der spangen geführt hatte, identiticiren? der aufgeklärte lonier war
an sich geneigt, eine solche wundergeschichte eben so wie die änderung
der tracht möglichst weil hinaufzuschieben, der vorsehungsgläubige er-
zahler suchte den hafs der beiden Städte, das unrecht Aeginas und den
grund des miserfolges der Athener möghchst weit zurückzuführen, und
vielleicht schlug fiu" seine kritik am meisten durch, dafs 487 mindestens
Sophanes leben geblieben war. aber überhaupt hatte natürlich die ge-
Der dritte beiicht des Herodotos. die halle der Athener in Delphi. 287
schichtliche Überlieferung der Athener den miserfolg möglichst gering
dargestellt, während die sage, die ja nur ganz im allgemeinen eine nieder-
lage als hintergrund brauchte, das sagenmotiv des einen unglücksboten
forderte, so schob Herodot die kämpfe um Damia und Auxesia in un-
bestimmte ferne, half sich aber über die Wiederholung so gut es gieng
weg, indem er den ausgang des kampfes unterdrückte, sein leser mag
sich denken, es geht nun der kleine krieg weiter: der ausgang ist
durch das orakel vorgezeichnet, v.'ird auch erwähnt, ist übrigens in den
tatsächhchen Verhältnissen, unter denen Herodot schreibt, von selbst ge-
geben, da er keine Jahrbücher schreibt, läfst er den Themistokles die
ilotte ruhig für denselben aeginetischen krieg gründen, den er, streng
interpretirt, 491/0 angesetzt hat: seine erzühlung des themistokleischen
stralegems (7, 144) ist eben ein ganz anderer selbständiger bericht, der
zu der wirkhchen zeit, 483, vortrefflich pafst (vgl. oben I 275).
Wie sich nach dieser analyse das was an gescbichte bleibt in die
übrigen ereignisse einordnen läfst, ist oben s. 89 durch die tat gezeigt.
Danach haben ihre erfolge gegen Aegina den Athenern keine ver- Die haiie
anlassung gegeben, dem ApoUon in Delphi eine halle zu bauen, in der in Delphi.
sie Waffen und Schiffsschnäbel aufstellten und daran schrieben ^^s-
valOL ave^saav trjv oroav '/.al xa. hörcXa Y.a.1 raY.QorsQLa helovzeg
Tov ytolsf-iLOv (IGA 3^). die schrift zeigt, dafs die weihung älter als
die Perserkriege ist; die dedicationsform, dafs die Athener frei sind:
ganz abgesehen davon , dafs die Peisistratiden zu Delphi wahrlich kein
pietätsverhältnis hatten, ich habe die halle sofort, als sie gefunden ward,
auf den sieg am Euripos 504 bezogen, und da alle andern deutungen schifl-
bruch gelitten haben, bin ich darin nur sicherer geworden, von einer
Seeschlacht steht nichts geschrieben : erbeutet müssen in Chalkis schiffe
i,^enug sein, die Athener hätten vielleicht besser getan, sie zu einer
tlottengründung zu verwenden als sie zu verbrennen und die ehernen
Vorderteile dem gotte zu weihen, aber eben deshalb wird die weihung
in eine zeit fallen, wo der gedanke an eine eigene flotte ihnen noch
gänzHch fern lag. für Delphi aber kann die dankbarkeit nie lebhafter
gewesen sein, als nachdem der gott Athen erst zur freiheit, dann zur
geineindeordnung verhelfen hatte, da die übrigens wirkhch recht dürf-
itige halle sich an das polygonale Stylobat lehnt, mufs dieses damals
schon fertig gewesen sein: der tempel nicht, und er ist es 506
nicht gewesen (vgl. oben I 35). aber man würde dann ja auch
nicht nötig gehabt haben, dies kleine ding anzukleben : wenn der tempel
fertig war, kamen die weihgeschenke eben in ihn hinein, seit es die
288 in. 2. Der erste krieg gegen Aegina,
grofsen tempel gibt, sind weder in Delphi noch in Olympia thesauren j
mehr gebaut worden, es ist unverkennbar, dafs die fülle der weih-
geschenke die erbauung der riesentempel im 6. und 5. Jahrhundert her-
vorgerufen hat. doch auf diese probleme der baugeschichte, die zugleich
solche der gescliichte des cultus sind, will ich hier nicht eingehn. es
ist aber für die bestimmung der stoa von wert, dafs sie am besten fürj
die zeit vor der Vollendung des tempels pafst, also auch vor dem aegi-'
netischen kriege.
3.
CHRONOLOGHE DEE PENTEKONTAETIE.
Die Politie hat für die chronologisch dunkele periode 479 — 45 Begrenzung
einige feste punkte gegeben, durch die Themistoklesanekdote aber ge- gäbe!"
(höht, alles zu verwirren, bei der nachprüfung stellte sich mir zur
eigenen Überraschung heraus, dafs das mistrauen gegen die ergebnisse
der Zeitrechnung für diese periode, das ich bisher gehegt hatte, nur so
weit berechtigt war, als es den modernen gebäuden galt, die ohne aus-
nähme starke gewaltmittel gegenüber den Zeugnissen brauchen, läfst
man dagegen die zuverläfsige Überlieferung stehn, so ergibt sich ein
rcsultat von sehr erfreulicher einfachheit und Sicherheit, obwol also
neues gerade gar nichts von mir aufgestellt wird, halte ich für gut, eine
Zeittafel vorzulegen, die methode, dünkt mich, spricht für sich selbst,
die genauen und absolut, nicht blofs relativ, gegebenen datirungen an
einander zu reihen, wenn sie stimmen, so ist es gut; die relativen an-
gaben müssen sich dann fügen, und es hat historisch sogar nur ein
yiM'inges Interesse, wie das bewerkstelhgt wird.
Es kommt freilich darauf an , welche Voraussetzungen man macht,
und wie weit man exacte genauigkeit überhaupt für erreichbar hält, ich
schicke deshalb die grundsätze voraus, auf deren boden ich allein de-
battiren kann.
1) die Zeitrechnung ist die attische, alle angaben der späteren gehen
auf attische jähre zurück, abgesehen von dem persischen kanon der
konige.') also sind die einzig absolut verläfslichen daten die auf den
attischen archon gestellten, zumal sie entweder direct in Urkunden er-
halten sind oder aus der chronik stammen, die angaben der späteren
I 1) Die gedichte des Pindaros sind durch die siege datirt, auf die sie sich be-
I ziehen, also auf Olympien und Pythien; damit ist ein Spielraum von ein par mo-
naten gegeben.
V. Wilamowitz, Aristoteles. II. 19
290 III. 3, Chronologie der Pentekoiitaelie.
aber müssen auf diese recliiiung, aus der sie stammen, reducirt werden,
um so mehr als der atlisclie Jahreswechsel in die ereignisse selbst auf
das stärkste eingreift, die olympiadenjahre haben gar keine andere be-
deutung, als dafs spätere rechnungsmäfsig ein attisches amtsjahr mit dem
viertel einer olympiade geglichen haben, es ist eine gänzlich unwissen-
schaftliche Spielerei, wenn man sich eine berechligung zu eigener willkür
dadurch zu schaffen versucht, dafs man den späteren schriftstelkrn künst-
liche Umrechnungen aus einer in die andere aera zuschreibt, es ist
einfach Schwindel, wenn jemand von der attischen Zeitrechnung dieser
Periode mehr wissen will, als dafs es eine unvollkommene oktaeteris mit
Schaltungen war, von denen er weder das System kennt, noch die über-
haupt ein System fest befolgten, praktisch sind wir gezwungen, aus-
schliefslich mit attischen jähren zu rechnen und ein solches jähr mit
dem ersten neumond nach der Sommersonnenwende zu beginnen, für
unsere an das julianische gewöhnte Vorstellung also etwa von juli bis
juli zu rechnen, mit anderen worlen es so zu machen wie Aristo-
teles (oben I 5).
2) Absolut bindend ist für uns die relative Chronologie des Thuky-
dides, aber nur so weit, wie er die ereignisse ausdrücklich in relation
setzt, wo er das nicht tut, hat er keine genauere bestimmung geben
wollen als in der anordnung seiner erzählung liegt, ein jähr ist für
ihn ein kriegsjahr, d. h. im allgemeinen eins wie er sie später rechnet,
von frühling zu frühling, was praktisch ziemlich dasselbe ist wie ein
juHanisches, da die letzten wintermonate für die kriegerischen ereignisse
selten in belracht kommen, aber er selbst hat die überheferung in einer
rechnung nach attischem kalender überkommen.
3) Die vorläge des Diodoros war nicht annalistisch in ihrer er-
zählung. ob sie trotzdem attische archonten gab, oder er nur für ein-
zelne ereignisse solche dalirungen sonst vor sich hatte und danach selbst
den Stoff verteilte, macht für die sache kaum etwas aus. er selbst ist
ein mensch, der durch seineu eigenen Unverstand verschuldet hat, dafs
seine angaben an sich sehr geringes gewicht haben, also immer nur
subsidiär zugezogen werden können, aber es ergibt sich, dafs namentlich
in dem späteren teile dieser periode seine daten gut sind.
4) Plutarch ist ein stilistisch hervorrageoder, historisch urteilsloser,
chronologisch unbekümmerter mann, also erfordern seine angaben eine
sehr umsichtige exegese, deren aufgäbe es ist, seine eigene Verarbeitung
zu beseitigen, um dann die ihm vorliegenden berichte zu verwerten,
diese waren ^anz ausgezeichnet.
466 — 55.
Begrenzung der aufgäbe, die jähre 466 — 55. 291
5) liistinus und Nepos sind ganz unbrauchbar.
6) Eusebius liegt uns entstellt vor und hat die ereignisse schon so
vielfach umgerechnet und verschoben überkommen, dafs er nur subsidiär
herangezogen werden kann, zu gründe hegen aber die genauen attischen
archontenjahre.
Die ereignisse des ersten Jahrzehntes sind oben (I 142 — 47) geordnet Die jähre
für die folgenden bildet den absolut zuverläfsigen ausgangspunkt die
niederlage bei Drabeskos im neunundzwanzigsten jähre vor Euthymenes
437/6, also unter Lysitheos 465/4.-} Thukydides läfst darüber keinen
zweifei, dafs dieses jähr zugleich das erste des thasischen aufstandes ist,
der im dritten jähre beendigt ward, also unter Tlepoleraos 463/2. als
Kimon heimkehrt, hat er einen schweren rechenschaftsprocess zu be-
stehen; freigesprochen sticht er wieder in see, und in seiner abwesen-
lieit wird der Areopag gestürzt, also unter Ivonon 462/1. so ergibt die
rechnung nach Plutarch. die rechnung ist richtig, denn der stürz des
Areopages ist auf das jähr des Konon durch Aristoteles absolut flxirt.
nun gleicht sich aber ein Ihukydideisches kriegsjahr mit zwei attischen
jähren; wir bedürfen also noch einer näheren bestimmung, ob der tha-
sische krieg 465 — 63 oder 464 — 62 reicht, das entscheidet sich durch
den fortgang der geschichte Kimons. als er von jenem unbestimmten
zuge heimkehrt und den Areopag gestürzt findet, setzt er die hilfleistung
für Sparta durch, wird dort abgewiesen und verfällt zu hause dem ostra-
kismos. die Vorfrage nach dem ostrakismos wird in der sechsten pry-
tanie gestellt, also in dem anfange eines julianischen Jahres, in dessen
Vorjahr, aber in dasselbe attische, fällt der zug nach Messene, davor der
Sturz des Areopages, unter Konon fixirt. also ist Kimon frühjahr 460
verbannt^), der thasische krieg 465 — 63.'') wer den versuch machen
2) Tliuk. I 100, IV 102. scliol. Aischin. 2, 31 von Clinton verbessert.
3) Der bericlit Plutarchs ist wichtig und wird sehr vielfach misbraucht. eine
Interpretation, die den Schriftsteller zunächst selbst interpretirt, ergibt aber ein
gutes und verläfsliches resultat. nach dem rechenschaftsprocesse (14) geht Kimon
wieder Avie gewöhnlich als feldherr in see [cos Ss nahv i^sTilevaev sni aiQarsiav
15, 1), während seiner abwesenheit wird der Areopag gestürzt, Kimon kehrt heim
[üs ETiavr^Xd-ev 15, 2) und tritt in den parteikampf, der sich nun wider seine person
richtet, bei der gelegenheit legt Plutarch eine anzahl belege für die lakonischen
Sympathien Kimons ein (Eupolis, Stesimbrolos u. a. 15,3—16,3). nun kommt er
auf das spartanische erdbeben und die bittgesandtschaft, an die er wieder eine menge
von schönen citaten anschliefst (Aristophanes, Kritias, Ion), nun mufs er wieder in
das historische fahrwasser einlenken (17, 2), d. h. in walirheit an 15, 2 anschliefsen.
denn die Schilderung des erdbebens selbst (16,5 — 7) stammt in ihrer anschaulichen
19*
292 III. 3. Chronologie der Pentekontaetie.
will, die ereignisse ein jähr tiefer zu rücken, wird sicli bald von der
undurcliführbarkeit überzeugen/)
Eine consequenz ist, dafs die Eurymedonscblacht nicht lange vor
465, spätestens 466 fällt.®) denselben terminus ante quem gibt die revo-
ausführlichkeit nicht aus seiner knappen historischen hauptquelie, und die bitt-
gesandlschaft war sogar nach Aristophanes erzählt; Ion aber hatte ihn gar über den
hilfszug hinabgeführt, da weifs sich Plutarch nur so zu helfen, dafs eV sagt ol Se
yiaxeSntfiövioi tovs yid'r;vaiovs av&is exäkovv, gleich als ob nicht er die erzäiilung
verdoppelte, sondern es zwei hilfsgesandlschaflen und Sendungen gegeben hätte,
den ausgang der politischen kämpfe gibt er aber nur ganz kurz, und in seiner mo-
tivirung sieht man deutlich die rückkehr zu der Situation und der quelle von 15, 2
(dort ).ni<(oviafi6v imxnXovvres, hier rols Xaxcovi^ovai (parsQcHs i%als7t(xivov). den
irrweg also meide man, auf den er uns wirklich lockt, zwei hilfszüge anzunehmen,
den schlimmeren irrweg, den ersten derselben mit dem etiI ax^axECav ixnXevaat
15, 1 zu identificiren, sind die modernen aus eigenem antriebe gegangen.
4) Köhler (Herm. 24) hat die Verlustliste I 432 richtig bezogen und datirt.
sie enthält die gefallenen vom Hellespont und Thasos, und Köhler hat die ersteren
aus Plut. Kim. 14 vorzüglich erläutert, das totenfest der Epitaphien fällt auf den
6./7. pyanopsion, und die jähre dieser listen laufen selbstverständlich von fest zu
fest, sind also eben so wenig attische kalenderjahre wie die von den Panalhenaeen
laufenden der Schatzmeister, deshalb steht auch niemals ein archon auf den Ver-
lustlisten, unmöglich konnte man die gebeine der in den ersten drei monaten eines
Jahres gefallenen über jähr und tag der grabesruhe entziehen, damit sie nach dem
kalenderjahre sortirt auf dem friedhofe lägen, also ist es ganz in der Ordnung, dafs
auf dieser liste die toten der hellespontischen gefechte stehen, obwol sie sicher
unter Lysanias, frühjahr 465, möglicherweise schon winter 466/65 gefallen sind, da-
gegen die toten von Drabeskos nicht, obwol sie unter Lysitheos gefallen sind, denn
diese Schlacht hat nicht nur nach dem pyanopsion 465, sondern erst 464 statt-
gefunden, die leute wollten eine colonie gründen, deren Voraussetzung die erfolge
Kimons waren, die er durch jene gefechte errungen hatte, und das trieb andererseits
die Thasier zum abfall, weil sie die nachbarschaft einer athenischen colonie nicht
wünschten, also liegt zwischen jenen gefechlen und dem untergange der colonisten
eine längere zeit, ein winter. es ist ebenfalls ganz in der Ordnung, dafs die toten
von Drabeskos ihre besondere liste hatten, aufgestellt im pyanopsion des Arche-
demides 464: aber das älteste grab im Kerameikos war dieses freilich nicht. Pau-
sanias irrt (I 29,4); sein irrlum wird jedoch dadurch erzeugt sein, dafs er auf das
wirklich älteste grab die Herodotstelle (IX 75) bezog, weil seine inschrift eine
niederlage in Thrakien erwähnte, während das grab den toten von 475 galt, dafs
damals im anschlusse an die gründung des Theseusgrabes auch der Staatsfriedhof
eingerichtet ist, erscheint mir durchaus wahrscheinlich.
5) Bestätigt wird dieser ansatz des ostrakismos auf 460 durch die heimkehr
Kimons 450.
6) So hat Köhler mit recht geurteilt, die Athener weihten zum danke für den
sieg in Delphi eine Athena, die statt auf einer säule, Mie gewöhnlich, auf einer
palme stand; es war ein erzbild, und der bäum hat nur künstlerische bedeutung.
Die jähre 466—55. 293
lution am persischen hofe; Xerxes stirbt nach dem Königskanon 465 im
frühjahre. einen ganz zuverlälsigen terminus post quem oder gar eine
lixirung für die schlacht gibt es nicht.
Nach Theopompos ist Kimon gleich nach der schlacht bei Tanagra
zurückgerufen, ehe er noch volle fünf jähre verbannt gewesen war. die
nachricht beruht aller wahrscheinhchkeit nach auf einem misverständnis'),
aber das nimmt ihr nicht die chronologische Verwendbarkeit, da sie die
an der palme waren auch fruchte angebracht, die das palmobst nachahmten, d. h.
datteltrauben. selbstverständlich hat auch das nur künstlerische bedeutung. Pausan.
X 15, 4-6.
7) Theopomp bei dem Aristidesscholiasten 528 Ddf. Aristides selbst II 212.
Plutarch Per. 10, Kimon 17. Nepos Cim. 3. das misverständnis geht bei Diodor
XI 55 so weit, dafs gar der ostrakismos auf 5 jähre befristet erscheint. Stesim-
brotos (Plut. Per. 10, 4) berichtet zwar die vermittelung Elpinikes zwischen Perikles
und Kimon, allein daraus folgt mit nichten, dafs dieser letztere schon 457 dauernd
lieimkehrte; die Staatsmänner konnten eine Vereinbarung auch auf die zukunft
schliefsen. die worte Theopomps selbst bezeugen übrigens auch nur, dafs Kimon
lieimgerufen ward, um den frieden zu schliefsen, keinesweges, dafs er dann weiter
in Athen blieb; bei Tanagra vor der schlacht ist er nachdem plularchischen, ver-
mutlich theopompischen, berichte bereits zugegen, als verbannter aufserhalb der
landesgrenzen, wie es ihm zustand, nur in dieser beschränkung kann ich die sache
für glaublich halten, und auch in der angäbe des Andokides (3, 3) liegt nicht mehr,
denn erstens gibt es keine spur von Kimons anwesenheit oder tätigkeit in Athen
457—51, dagegen läfst Plutarch (Kim. 18) sofort auf die rückberufung den zug von
450 folgen, damals ist auch nach Thukydides (I 112) ein fünfjähriger friede
geschlossen, den Diodor Xi 86 für ein werk Kimons ausgibt, ihn freilich auf die
zeit verrückend, wo die feindseligkeiten auch nach Thukydides tatsächlich aufhörten,
453. Andokides aber rückt diesen fünfjährigen frieden an die angebliche rück-
berufung Kimons. nach Tanagra ist kein friede geschlossen, auch mit Sparta nicht,
denn 455 hat Tolmides Gythion verbrannt, wol aber spricht Diodor XI 80 von
tinem Waffenstillstand gleich nach Tanagra von viermonatlicher dauer. wenn dieser
historisch ist, so kann ihn Kimon vermittelt haben, ad hoc in die Stadt hinein-
gelassen, der Waffenstillstand kann dann aber weder Aegina noch Boeotien ein-
geschlossen haben, die weiter angegriffen und überwunden wurden, ihnen half
niemand; das macht die sache glaublich, dann war aber wirklich Tanagra nur ein
taktischer erfolg der Peloponnesier, so sehr ihn das korinthische weihgeschenk in
Olympia verherrlicht, ganz wie die schlacht von Koroneia 394. in Wahrheit sind
die Peloponnesier schleunigst nach hause gegangen und haben den norden den
Athenern geopfert, damit ist die ruhmredigkeit der attischen epitaphien ziemlich
gerechtfertigt, die Tanagra für eine unentschiedene schlacht erklären, für ein Stim-
mungsbild aus dem jähre nach Oinophyta halte ich Pindars sechste isthmische ode.
Boeckhs auseinandersetzung (p. 530 der grofsen ausgäbe) erscheint mir, gerade wenn
ich die andern deutungen vergleiche, geradezu meisterhaft. Dissens schlechte einzel-
erklärung mufs man nur ganz aufserm spiele lassen.
294 III. 3. Chronologie der Pentekontaetie.
zeitliche dilTereiiz zweier für ihren Urheber fester punkte nicht falsch
augeben kann, danach fallt die riickberufung Kimons unter den fünften
archon von Euthippos ab gerechnet, Mnesilheides 457/56. darauf folgten
ohne Unterbrechung, wie Thukydides I 108 sicher stellt, die schlacht bei
Oinophyta, die niederwerfung von Boeotien und Phokis, die capitulation
von Aegina und der zug des Tolmides um den Peloponnes, der danach
unter Kallias 456/5 zu stehen kommt, die rechnung ist richtig: den
archon Kallias für den zug des Tolmides gibt schol. Aischin. 2, 75.
Genaueres zu bestimmen gibt den ersten anhält das Verhältnis der
schlachten bei Tanagra und Oinophyta. zwischen beiden schlachten
lagen nach Thukydides 62 tage; bei Tanagra commandirle der sieger von
Oinophyta Myronides nicht, die Peloponnesier waren in demselben kriegs-
jahre erst nach Phokis gezogen; sie machten die diversion nach dem
nordosten Atlikas erst, weil die Athener ihnen den heimweg über die
megarischen berge und den korinthischen golf sperrten, marschirten aber
nach dem siege schleunigst ab und fanden in Megara keine ernte mehr
zu verwüsten, sondern hieben nur die oliven um. alles das gibt Thuky-
dides an, und nach Plutarch (Kim. 17, 6) fürchteten die Athener ihren
einfall erst für die nächste erntezeit {elg ojQav £Tovg), die also dieses
mal vorbei war. weiter liegt darin nichts, wenn man nach der art
der kriegführung Spartas im archidamischen kriege rechnet, so führt das
zu der annähme, dafs die schlacht bei Tanagra etwa im juni geschlagen
ist, also am ende des attischen Jahres, so dafs Oinophyta und schon
der Waffenstillstand, der mit vier monaten den rest des kriegsjahres um-
fafste®), in ein anderes fällt, das pafst vortrefflich, und dafs Diodor
Tanagra unter Habron, Oinophyta unter Mnesitheides, den zug des
Tolmides unter Kallias alles richtig ansetzt, ist kein beweis, aber ein recht
erwünschtes bestätigendes crgebnis.^)
8) Sparta zielit entweder vor oder nach der ernte seine bündner zusammen,
im ersten falle drängen sie in der erntezeit nach hause, so war es diesmal, ein
zweites mal sind sie in demselben jähre schlecht mobil zu machen, während die
Athener gerade im juü august sehr oft in see gehn. so war es für Sparta ein erfolg,
wenn sie für den rest des kriegsjahres durch 4 monate ruhe bekamen, freilich nur,
wenn sie eine ganz egoistische politik trieben, diese war für den noch so ge-
schwächten Staat ohne frage mindestens entschuldbar.
9) Die verwirrte erzählung XI 81 — 83 ist gerade dadurch verwirrt, dafs die
richtigen jahrangaben den geschichtlichen Zusammenhang zerreifsen. nicht bei Diodor
mehr wird es klar, dafs Theben sich nach dem waffensüUstande seiner haut allein
wehren mufs, da Sparta ihm die boeotische Suprematie wieder verschafft hat,
aber man spürt es noch deutlich durch, dafs sein gewährsmann über die boeotischen
Die Jahre 466-55. 295
Diesen festen boden unter den füfsen können ^vir weiteres terrain
oewinnen. die Thasier wagten 465/4 den abfall in der hoffniing auf
spartanische hilfe. aber Sparta ward dnrch das erdbeben, das es be-
troffen hatte, verhindert, bei welcher gelegenheit die Heloten abfielen
lind sich in Ithome festsetzten, so TImkydides (100), und man raufs
zunächst das erdbeben mit dem thasischen aufstände gleichzeitig ansetzen.
das geschieht auch von Plutarch (Kim. 16, 4), wo es auf das vierte jähr
des Archidamos gesetzt wird, der unter Apsephion 469/8 zur regierung
kam: in königslisten aber gehört das jähr des regierungsantrittes meist
dem Vorgänger, wenn Pausanias (IV 24) den abfall der Messenier ol. 79, 1
(464/3) unter den archon setzt, den er Archimedes, Diodor Archidemides
nennt, so correspondirt das mit dem diodorischen ansatze des thasischen
krieges auf denselben: es ist nur eine unwesentliche Verschiebung um
ein jähr, aber Thukydides erzählt auch, dafs Ithome im zehnten jähre
der belagerung gefallen ist (102), und diese zahl ist durch Diodor XI 64
vor jeder änderung geschützt, zumal dort Thukydides nicht zu gründe
liegt, wenn die zehn jähre von 465/4 laufen, so ist Ithome 456/5 unter
Kallias gefallen : wirklich steht es so bei Diodor XI 84. aber Thukydides
selbst straft diese auch im zusammenhange der ereignisse sinnlose berech-
nung lügen, da er den fall Ithomes hinter dem Systemwechsel der attischen
politik erzählt, den der ostrakismos Kimons zur folge halte, und vor
dem anschlufse Megaras an Athen und der aegyptischen expedition.
danach kommt der fall Ithomes 460 oder 459 zu stehen, das erdbeben
also 469 oder 468. und das ist nun wieder ein mit der allerschärfsten
praecision von Philochoros auf den archon Theagenides 468/7 bestimmtes
datum (schol. Ar. Lysistr. 1144), und Diodor, unbekümmert um den Wider-
spruch mit seiner späteren auf falscher auslegung des Thukydides beruhenden
angäbe, dafs die zehn jähre 456 zu ende gegangen wären, gibt für das
erdbeben 469/8, Apsephion, als datum. es ist sehr wol denkbar, dafs
Verhältnisse so gut infoimirt war, wie Ephoros zu sein pflegt, die Verdoppelung
der kämpfe im tanagraeischen gebiete ist einmal durch die Verteilung auf die jähre,
zum andern durch den eigenen kitzel Diodors hervorgerufen, aus Oinophyta eine
ganz besondere heldentat zu machen, dafs er daran sofort alle weiteren taten
des Myronides scliliefst, selbst den viel späteren thessalischen zug, ist vollends ganz
in seiner weise, vorher hat er 78 den krieg mit Epidauros Korinth und Aegina auch
ganz trefi'end unter Phrasikleides eingereiht, wo er wirklich begann, und man würde
nichts dabei finden, wenn er nun bis zu ende erzählt würde, unbeschadet seiner
dauer. allein es wird ausdrücklich eine neunmonatliche frist gezählt: das ist mit
Thukydides schlechthin unvereinbar und mufs verworfen werden, richtig hat Fabricius
(Theben 12) geurteilt.
296 in. 3. Chronologie der Pentekontaelie.
die läge für Sparta sich 465 besonders bedrohlich gestaltet hat, so dafs
die Thasier noch kurz vorher Zusicherungen erhallen hatten; es ist aber
auch dem Thukydides zuzutrauen, dafs ihn eine falsche nachricht ge-
täuscht hat, die Sparta einen bruch des bundes aufhalsen wollte: wir
wissen von dem verlaufe des messenischen krieges ja so gut wie nichts'"),
auf jeden fall hat Thukydides sich, ganz wie wir es in der Themistokles-
geschichte gefunden haben, misverständlich ausgedrückt, und dieses mis-
verständnis bat weiter unheil gestiftet, mit der beseitigung dieses mis-
verständnisses ist wieder ein fester punkt gewonnen, der fall von Itbome
und die ansiedelung der Messenier in Naupaktos, also auch die vertrags-
urkunde CIA IV p. 9 fallen in das jähr des Philokles 459, in dasselbe,
den Winter, der anschhifs von Megara"), unter Euthippos aber, 460, in
dessen ersten monaten Kimons pohtik vom volke verworfen ward, die
bündnisse mit Argos und Thessalien und die besitzergreifung von Nau-
paktos.
Damit sind die ereignisse, die Thukydides 104 — 7 erzählt, von beiden
Seiten so fest eingeengt, dafs ihnen nur noch ein platz bleibt. Megara
kann sich erst ende 459 an Athen angeschlossen haben; der zug der
Peloponnesier nach Phokis und Boeotien fällt in das frühjahr 457. folg-
hch bleibt das kriegsjahr 458 für die schlachten bei Halieis Kekryphaleia
Aegina Megara. das ist viel, und man würde sich davor scheuen, aber
lu) Durch Herodot IX 35 kennen wir das nackle factum, dafs die Spartaner
'am Islhmos' nach den Sehersprüchen des Teisamenes über die Messenier siegten,
denn überliefert ist inl Ss 6 {dycöy nämlich) Meaa7]vicov 6 tiqos t^ (R: om. A)
'lad-/uä>, und das hat Pausaiiias gelesen (III 11,8) und, ratlos wie wir, irgend wie j
mit den Worten des Thukydides in einklang zu brinofen versucht, was ist das für
eine kritik, die erst bei Herodot tt^os 'Id'ojf/j] conjicirt, und dann womöglich noch
bei Pausanias den Isthmos vertreibt? von den andern schlachten sagt Herodot
7IO0S Tsyerjxas, tzqos ^AQy.äSas, tcqos lt4d'i]vaiovs: was soll der genetiv 6 Msaar]-
vicov'! offenbar hat er b Meaarivicov nobs reo 'lad'/ueö geschrieben, weil auch für
ihn das wort Isthmos ohne zusatz keine deutliche Ortsbestimmung war. aber die
Schlacht "an der Messenier Isthmos" war deutlich, ist es nur nicht für uns: wir
müssen den ort suchen, dessen name einen gewissen anhält gibt, doch bedenke
man, dafs der westliche demos von Kos so heifst, blofs weil die insel eine schmale
halsähnliche stelle hat.
11) Aus einem apophthegma Kimons, das Plutarch (17,1, es gehört eng mit
dem vorigen zusammen) aus Ion gibt, ersieht man, dafs der krieg mit Korinth, der
Megara den Athenern in die arme trieb, schon zu der zeit im gange war, wo Kimon
von Messene heimzog, also herbst 461. sobald Athen ihnen die passage im korin-
thischen meerbusen sicherte, durch die besetzung von N'aupaktos, fielen ihm die
Megarer zu.
Die jähre 466—55. 297
gerade da tritt als urkundliche bestätigung die Verlustliste der Erechtheis
I 433 ein. diese vier schlachten sind tatsächlich in demselben kriegsjahr,
458 bis zum Pyanopsion, unter Philokles und in den ersten drei monaten
des Habron geschlagen.
Derselbe stein führt eine anzahl krieger auf, die in Kypros und
Aegypten gefallen sind, das harmonirt mit Thukydides, der den beginn
der aegyptischen expedition zwischen den anschlufs von Megara und
die Schlacht bei Halieis stellt, ohne eine nähere zeitliche relalion zu
geben, da jedoch die attische flotte schon auf Kypros war, als Athen
sich für das bündnis mit Inaros entschied, so wird man den anfang der
expedition noch in das jähr 459 rücken, das gestattet der stein sehr
gut: denn dafs die gebeine der auf Kypros im sommer 459 gefallenen
alle schon 459 anfang october zum lotenfeste heimgeführt gewesen
wären, ist wirklich nicht zu verlangen, der krieg dauerte sechs jähre,
das sind nach Thukydides sechs sommer; da der erste 459 fest steht,
so ist der letzte 454. der bericht über die letzten ereignisse auf dem
aegyptischen kriegsschauplatze steht zwischen dem zuge des Tolmides
um den Peloponnes, unter Kalhas 456/5 fixirt, und dem zuge der Athener
nach Thessalien '^) unter hilfleistung der Amphiktionen ; eine folge davon,
ein bündnis mit den Phokern, ist urkundlich (IV p. 8) für das jähr des
Ariston 454/3 gesichert, es bleibt einiger Spielraum noch, aber da die
neuordnung der mittelgriechischen Verhältnisse nach Oinophyta, das in
den Spätsommer 457 fällt, ein jähr reichlich ausfüllen dürfte, so scheint
es geratener den zug des Tolmides in die erste hälfte 455 zu rücken,
im nächsten frübjahr, 454, gieng dann die entsatzflottc nach Memphis,
die zu spät kam und in den Untergang hineingezogen ward, gleichzeitig
ward zu lande der zug nach Thessalien unternommen. 454 folgen passend
die Züge des Perikles gegen Sikyon und Akarnanien und dann, in dem
nächsten attischen jähre, nach der Chersones. dafs die jähre 452. 451.
450 die drei von Thukydides als ereignislos bezeichneten sind, ist sicher,
wenn das letzte von ihm vorher erwähnte ereignis 453 fiel, das ist der
12) Myronides wird als feldherr von Diodor XI 83 genannt, wol glaublich.
XI 85 unter Sosistratos, also in dem jähre, wo der zug wirklich stattfand, com-
mandirt Tolmides in ßoeotien. allein das hängt wol damit zusammen , dafs dieser
nachher in EuLoia auftritt und landlose verteilt, 88. allerdings ist mittlerweile der
archon Lysikrates geworden, 453/2, aber Diodor hat hier den zug des Perikles, zu
dem der des Tolmides eine parallele action ist, auf drei seiner jähre verteilt, im ein-
zelnen ist also sehr wenig verlafs auf diese daten. übrigens scheint es fast, als
hätte Perikles erst durch das scheitern der aegyptischen expedition die zügel wieder
fest in die bände bekommen.
298 III. 3. Chronologie der Pentekontaetie.
zug des Perikles, und das nächste nachher, der 7A\g Kimons nach Kypros,
den er ausdrücklich unmittelbar auf den abschhifs des fünfjährigen Friedens
folgen läfst, 449 statt fand, so datirl ihn Diodor, und da er mit ihm
ein buch beginnt, so darf man ihm zutrauen, dafs er sich über dieses
datum vergewissert hat. dafs er dem zuge zwei jähre gibt, ist für die
attischen zutreffend, nur fiir seine Chronologie verwirrend, das ganze
renkt sich gut ein, und so darf man auch über die nächsten ereignisse bis zu
dem festen punkte des dreifsigjährigen friedens unter Rallimachos, winter
446/5'^), urteilen, hinter dem dann wieder der samische krieg vom herl)st
441 bis zum sommer 440 auf die archonten Timokles und Morychides
durch die chronik (schol. Wesp. 283) in Übereinstimmung mit der jahr-
zählung des Thukydides (115) fixirt ist.")
Tabelle. Ich lasse nun eine tahelle folgen, die zwar nichts neues mehr liefert,
aber durch die anordnung nach den attischen heamten das Verständnis
stark erleichtern wird; wer in attischer geschichte arbeiten will, miifs
mit attischer zeit rechnen, so verkehrt der gänzlich unberechtigte pedan-
tismus der olympiadenzählung ist, die den attischen quellen fremd ist,
so abscheulich ist die beliebte fiction , die ein archontenjahr mit einem
unserer Zeitrechnung gleich setzt: der forscher mufs die chronik recon-
struiren. ich habe alle archontennamon mit griechischen lettern ge-
schrieben, die urkundlich oder sonst durch genügende Zeugnisse ge-
13) Vgl. Herrn. 20, 481. den namen des archons Kallimaclios nennt Diodor
noch innerhalb seines wertvollen berichtes über die gründung von Thurii XII 10.
das war eigentlich für ihn überflüssig, aber es ist sehr verkehrt, den namen zu
streichen, denn seine vorläge für diese dinge des westens rechnete natürlich nicht
nach allischen jähren, handelte aber sehr recht und in einkiang mit der weise selbst
des Thukydides, wenn sie bei wichtigen ereignissen auch eine fremde datirung
beifügte.
14) Die bekannte liste der zehn feldherren, die Androtion erhalten hat, gilt
den zehn, die nach Thukydides 116 alle gegen Samos aufgebrochen sind, da die
drei 117 genannten zu ihnen nicht gehören, ist dazwischen Jahreswechsel, beginnt
also das jähr des Morychides. folglich waren jene 10 und unter ihnen Sophokles
unter Timokles Strategen, folglich müfste Sophokles unter Diphilos, frühjahr 441
mit der Antigone gesiegt haben, wenn sie unmittelbar den anlafs ?.u seiner wähl
gab. das hat er nicht: für jenes jähr steht durch die parische chronik der sieg des
Euripides fest, die Zahlenangaben in der Sophoklesvita sind verdorben oder ver-
wirrt, im jähre vor Diphilos, unter Lysanias 443/2, war Sophokles 'EXlrjvora/uias
und halte viel zu tun, da eine neue Schätzung stattfand, so mufs man leider zu-
geben, dafs ein festes datum für die Antigone nicht vorhanden ist — wenn er über-
haupt mit ihr gesiegt hat. aber dafs Mir das post hoc als die veranlassung zu dem
■jn'optei' hoc der biographen festhalten dürfen, scheint mir immer noch richtig.
Tabelle. 299
sichert sind: man sieht dann gleich, wo etwa noch fehler stecken können,
ferner habe ich die tatsachen gesperrt drucken lassen, die durch zuver-
lässige datirung auf den archon als absolut sicher gelten müssen, in
petit sind ein par wichtige zwischengestellt, die nicht fehlen sollten,
obwohl sie auf ein jähr nicht bestimmbar schienen, es versteht sich von
selbst, dafs ich sehr viel mehr relativ bestimmtes hätte eintragen können,
z. b. pindarische gedichte. allein meine tendenz war wesentlich, die
harmonie zwischen Thukydides und den chroniknotizen zu veranschau-
lichen; das andere ist, so weit es nicht zur stütze für dieses gebäude
dient, ein beiwerk, das schwerhch etwas schadet, ich würde für überaus
verdienstlich halten, wenn jemand wirklich vollständige fasti Hellenici oder
Attici in dieser art anlegen wollte; bis an das ende des vierten Jahr-
hunderts müssen die archontenjahre das gerüst bilden.
ZANGinniAHZ Ol. 75, 2
479 schlachten bei Plataiai und Mykale; Sestos erobert
winter, mauerbau in Athen
478 Tansanias in Kypros
Pindar Isthm. 7'^)
TIMOZOENHZ
478 Pausanias in Byzantion
winter, Pausanias abberufen
477 Aristeides gründet das Reich; Dorkis zurückgewiesen
AAEIMANTOZ
477 Pausanias wieder in Byzantion
476 Leotychides in Thessahen
Themistokles chorege für Phrynichos
Simonides siegt mit dem dithyrambos (fgm. 147)
errichtung der statuen für die tyrannenmörder
4>AIAflN Ol. 76
476 Leotychides abgesetzt. Kimon vertreibt den Pausanias aus Sestos
und Byzantion, zieht gegen Eiou
475 Kimon nimmt Eion und Skyros. niederlage am
Strymon
DROMOKLEIDES
475 pyanopsion: gründung des Theseusgrabes
errichtung der hermen für Eion
15) Von Pindar notire ich mit absieht nur gedichte die für die allgemeine ge-
schichte von bedeutung und durch die urkundliche Überlieferung oder sonst ganz
unzweifelhaft dalirt sind, so dafs alles auf Siciiien bezügliche oder durch combina-
tion gefundene fortbleibt, sonst hätte ich ein eigenes buch schreiben müssen.
)00 in. 3. Chronologie der Pentekontaetie.
474 Pindar siegt mit dem dithyrambos
AKESTORIDES
474 Pindar Pyth. 9. 11
473
MENON
473
472 Ais chy los Perser
474—72 Themistokles durch ostrakismos verbannt
XAPHZ Ol. 77
.-. f tod des Pausanias
471J
474 — 71 Unterwerfung von Karystos. kämpfe Spartas in Arkadien.
PRAXI ERG OS
4711 äclitiing des Themistokles. Timokreon fgm. 2. 3
470J synoikismos von Elis'")
Theben holt eine statue von Delos nach Delion")
DEMOTION
470 Unterwerfung von Naxos
469
AtE4>ION
469
468 Sophokles sicj
471 — 69 Schlacht bei Dipaia
OEArENlAHZ Ol. 68
468 erdbeben in Sparta
Pindar ol. 6
467 Aischylos Thebai
LYSISTRATOS
467
466
470—67 vertrage mit Erylhrai und Kolophon CIA I 9.10.11
LYSANIAS
466 Schlacht am Eurymedon (oder im Vorjahr)
> Leotvchides stirbt; Archidamos könig
gti ^
. > meteorstein am Ziegenflusse
isj
16) Diodor XI 54, aus einer Zeittafel, also glaubwürdig. Pausanias V 9, 5 gibtj
nach probabler conjectur an, dafs die zahl der Hellanodiken schon im Vorjahre ver-
mehrt ward, das hieng mit dem synoikismos zusammen, aber die kleine differenÄ
ist nicht undenkbar, natürlich ebensowenig, dafs in der datirung hier oder dort eine
Verschiebung stattgefunden hat.
17) Herodot VI 118, zwanzig jähre nach Marathon, also wol nur approximativ
fixirt. die Sache ist wichtig, weil sie die erste spur einer kräftigung Thebens und
des anschlusses mindestens von Tanagra ist.
Tabelle. 301
465 Kimon am Hellespont
Xerxes stirbt
LYSITHEOS
465 abfall von Thasos. die Messenier mächtig
Verlustliste 432
464 Schlacht bei Drabeskos
Artaxerxes wird könig
ARCHEDEMIDES Ol. 79
464 Pin dar ol. 13
463 30 april Sonnenfinsternis'*)
TLEPOLEMOS
463 Thasos fällt
462 Kimons procefs
KONQN
462 Sturz des Areopages
461
EYoinnoz
461 Kimon vor Messene
460 Kimons ostrakismos. bündnis mit Argos
PHRASIKLEIÜES >9) Ol. 80
460 Pindar ol. 81
459
4'IAOKAHI
459 Ithome fällt; die Messenier in Naupaktos
anschlufs von Megara
die flotte in Kypros und Memphis
458 Aischylos Orestie
schlachten in der Hahke und bei Kekryphaleia
ABPQN20)
458 schlachten bei Aigina und in der Megaris
verlustHste 433
j- erobern ng von Naupaktos
18) Erwähnt von Eusebius, aber wie alle ereignisse dieser jähre etwas zu
tief gestellt.
19) Oder Phrasikles. die längere form bezeugt Diodor XI 77, (<P^a(rtxXsi8ov
oder fPiXonleiSov codd.), die kürzere Dlonysios Arch. 10, 1 und Ps. Plut. Lys. 241
West., wo aber inl (PiXoyJJovs rov fiera (P^aaixlTJv (oder xXJ]) wenig gewähr hat.
20) Der name festgestellt durch die didaskalie 'Ecprifi. aQx- 86,269: trotzdem
druckt Vogel bei Diodor XI 79 noch Bicov. in der vita Pindars nennt Eustathius
den archon, unter dem er geboren sei, ''Aßioiv (p. 90 Westerm.), Thomas aber den,
unter dem er gestorben sei (p. 101 West.), verwirrt ist alles; aber der archon
von 458/7 gehört in keine rechnung. denn zu gründe liegt die axfii] zur zeit der
302 111. 3. Chronologie der Pentekontaetie.
gesetz über die Zulassung der zeugiten zu der ar-
chontenwahl
457 die Peloponnesier in Phokis; schlecht bei Tanagra
MNHIIOEIAHS
457 Schlacht bei Oinophyta; Unterwerfung von Nordhellas
Winter, Aigina fällt
456
KAAAIAI Ol. 81
456
455 Euripides Peliaden
Tolmides verbrennt Gythion
SOSISTRATOS
455 die Athener in Memphis eingeschlossen
454 thessahsche expedition
APIZTHN
454 beginn der seh atz Verwaltung durch die H eilen o-
tamien in Athen
1 Untergang des heeres in Aegypten
J vertrag mit Phokis CIA IV p. 8; mit Egesta IV p. 58. 139
Perikles in Sikyon und Akarnanien
AYZIKPATHZ
4531 Perikles im Chersones. Kleruchien dort, auf Euboia und IS'axos^*)
452J gesetz über die demenrichter
CHAIREPHANES22) Ol. 82
452 Pind. Ol. 4
451
•160 — 452 einsetzung der staayioyrß und vavToSixai,
Ileoatxa, die aber nur oberflächliche leute auf 480 ol. 75, ' = Ät(»|ov ar^aieia setzen
durften (so Suid.), da Pindar selbst bezeugt hatte, dafs er an den Pythien geboren
war, also rechnete man genauer ol. 75,3. das ergibt die geburt 65,3; der tod
rückt bei normaler lebensdauer von 80 jähren auf ol. 85,3, wird wol durch frühe
corruptel auf 86 angesetzt, bei Suidas steht sxmv vi ohne datum, corrupt aus ixäv
<7r' ol.) Tii, nnn war aber das letzte olympische gedieht von ol. 82,1, wo er also
66 jähre alt war: das ist die zweite angäbe über die lebensdauer (Eust. Thom.).
das lehrt sachlich alles gar nichts für Pindar. aber der archon 'AßCcov kann nur mit
der geburt verbunden sein, wir dürfen ihn auf 65,3, 518/7 ansetzen; der name aber
W\x(\."AßQoiv sein, wie bei dem von 458/7. in Kaibels berechnung (Herni. 25,599)
sind versehen untergelaufen, mit dem datum, Pyth. 8 aus der 35 Pythiade, das sie
doch überlieferten, haben die alten nicht gerechnet, erst seit ich auch dieses datum
respectire, verstehe ich auch das schöne gedieht vollkommen,
21) Dies beruht nur auf Diodor XI 88, läfst also einigen Spielraum.
22) Name nur bei Dionys Arch. X 53; bei Diodor ist das jähr ausgefallen.
Tabelle. 303
ANTIAOTOS
4511 gesetz über die beschränkung des b iirgerrechtes
450 J dreifsigjähriger friede zwischen Sparta und Argos
EYOYNOZ")
450 Ta^ig cpoQOV
fünfjähriger Waffenstillstand mit Sparta
kleriichie auf Andros^*)
449 Kimon zieht gegen Rypros
450/49 vertrag mit Milet IV p. 6
PEDIEUS
449 Kimon stirbt
448 die Spartaner in Delphi
PHILISKOS OL. 83
448 die Athener in Delphi; vertrag IV p. 8
447
TIMARCHIDES
447 beginn des Parthenonbaues
Schlacht bei Koroneia
446 abfall von Megara und Euboia
448—46 veitrag mit Persien
KAAAIMAXOZ
446 einfall des Pleistoanax
Pindar Pyth. 8
Winter: dreifsigjähriger friede
445 gründung von Thurioi.
23) Name CIA IV p, 7, bei Diodor XII 3 Ev&iSrifios. übrigens ist auch
Eld'ivovs als name denkbar,
24) Kirchhoff tributpflichtigkeit der kleruchen 29.
4.
DIE SOLONISCHEN GEDICHTE.
Die eiegie Aristoteles hat uns gelehrt, dafs Solon in einer elegie die griind-
yncoanco g^j^e dargelegt hatte, zu deren durchführiing ihm seine wähl zum archon
die macht gab. das gedieht gieng von einer selbstbetrachtung aus "^ich
erkenne mit schmerzen, dafs die älteste loniersladt — dem abgrunde
zutreibt', nicht anders können wir den schwerverständlichen gedanken des
ersten distichons ergänzen.') wir erfahren weiter, dafs im eingange des
gedichtes Solon *^habsucht und Übermut' der herrschenden classe geifselte
und später diese direct anredete: "^bescheidet euch; denn wir dulden das
nicht mehr, und nicht alles wird euch gefüge sein', da in der allge-
meinen Charakteristik gesagt wird, dafs Solon "^für beide wider beide
stritt', erschliefsen wir, dafs er in entsprechender weise auch die besitz-
losen und ihre begehrlichkeit in directer anspräche gegeifselt hat. das
ganze war also eine volksrede in versen. wer elegie und iambos sich
genauer ansieht, wird allerorten die directe anspräche vorlinden und
dem entsprechend bemerken , dafs die führer des Volkes oder kleinerer
kreise in lonien die dichter sind, in Sparta redet der repraesentant
des Standes zu dem beere: das ist der Charakter der tyrtaeischen verse,
auf deren Verfasser also nichts ankommt, für das Verständnis der ionischen
poesie ist die anerkennung der persönlichen anspräche durch die als
solche bedeutende person die wichtigste Vorbedingung.
1) Der eingang wird nur citirt, gewissermafsen als Überschrift des gedichtes,
damit man es identificiren könne, also ist es unberechtigt, einen vollständigen ge-
danken zu fordern, mich dünkt der dahin zielende versuch von Blafs auch sehr
unglücklich, und was ich auf dem facsimile sehen kann stimmt schlecht zu seiner
Icsung. insbesondere mufs damit gerechnet werden, dafs hinter den solonischen
Worten sicherlich ein freier räum war.
Die elegie yivcoaxoj xai not. die elegie ijfieTSQa Sa nöXis. 305
Es liegt nahe, resle derselben wichtigen elegie unter Solons Frag-
menten zu suchen, und vier verse (fgm. 15 Bergk) hat ihr Br. Keil mit
grofser wahrscheinhchkeit zugewiesen, sie sind auch in die Theognidea
(315) geraten und werden als solonisch von Hermippos angeführt (Plut.
Sol. 3), um zu belegen, dafs Solon sich selbst zur partei der armen ge-
rechnet hätte, nicht anders können wir nach Aristoteles über die Stim-
mung .euer ersten elegie urleilen, und dafs er eine mehrheit, zu der er
sich rechnet, zu den reichen in gegensatz stellt, ist selbst in den Wen-
dungen ähnlich, ganz versländhch aber wird der politisch bedeutende
Inhalt dieser verse erst jetzt, seit wir wissen, dafs die geltende drakon-
tische Verfassung den adel, das prinzip aQiOTivdr]v, durch den reicbtum,
TtXovTivdrjv, ersetzt und die classen auf das vermögen statt auf das ein-
kommen gestellt hatte, "^reicbtum findet sich oft bei schlechten, lüchtig-
keit bei armen, wir werden ihnen nicht gestatten beide zu vertauschen,
denn er ist ein wechselndes, sie ein dauerndes gut.' so perhorrescirt
er die plutokratie: wie kurzsichtig war es, ihm die classeneinleilung, die
sog. timokratie als neue erfindung zuzuschreiben, aber die agsTtj ist
bereits die der seele, nicht die des blutes für ihn. die moralische be-
deutung der begriffe ayad-og und Kay.6s gilt bereits für Solon ; deshalb
stehen die verse unter denen des Theognis, die der Veranstalter unserer
Sammlung auch im menschhch aristokratischen sinne gedeutet hat,
während der Megarer sie im bornirten adelssinne gemeint hatte.
Sehr nahe mit dieser elegie berührt sich im inhalte eine andere, die Die elegie
wir zum gröfseren teile und am Schlüsse vollständig in die gesandschaftsrede s'','"^'^ff"
'^ f o de noMS.
des Demosthenes hinter 255 eingelegt lesen (4 Bgk.). dafs sie in mehreren
der besten handschriften fehlt, beweist nichts dagegen, dafs Demosthenes
sie selbst eingelegt hätte, denn in ^ sind auch Urkunden ausgelassen,
die erweislich acht, also auch mit den reden sofort edirt worden sind,
wol aber lehrt schon der lückenhafte text dieses gedichtes^), dafs es nicht
2) Aufser den zwei hexametern liinter 10 und 11 fehlt mindestens ein penta-
meter, den unbegreiflicher weise Bergk und, wenn auch in klammern (bezeichnend
für die halbheit seiner kriük), Hiller als 26 führen, obwol er notorisch eine den
guten handschriften durchaus fremde byzantinische ergänzung ist, an der die mo-
dernen je nach laune herumändern, sie verfehlt aber, von der prosodie ganz ab-
gesehen, auch den sinn. Solon sagt 'von den armen kommen viele verkauft in das
ausländ'; dem entspricht bei Plutarch 13 o2 S' inl rr,t> ^bvt]v mnQaaxofievoi. aufser-
dem steht noch bei Solon Ssa/^olai t' asixelCoiai Ssd'sviss, und bei Plutarch geht
vorher ol fiev aviov Sovhiovres. danach ist also zu ergänzen, wie sollte Solon
die schuldsclaven weglassen? vermutlich folgte noch in einem distichon der zwang,
V. Wilamonitz, Aristoteles. II. 20
306 III- 4. Die solonischen gedichte.
immer die sorgfältige behandlung erfahren hat, die es in dem demosthe-
nischen texte finden mufstc. es hat also einmal ein granimatiker die
von Demosthenes deutlich bezeichnete solonische stelle nachgeschlagen
und von dem verse, den er so fand, ausgehend den rest der elegie ein-
getragen, wir haben grund dem manne zu danken, gerade weil er nicht
sehr überlegt verfahren ist, denn er hat viel mehr ausgeschrieben, als
der redner verlesen liefs. dieser leitet sein citat also ein "«verlies mir
hier diese elegie, damit ihr seht, wie sehr Solon solche menschen wie
diesen Aischines gehafst hat", und nach der Verlesung sagt er "hört ihr,
was Solon von solchen menschen sagt, und von den göltern, die die
Stadt beschützen", solche menschen, das sind menschen, die für geld
alles tun, insbesondere den ruin ihrer Vaterstadt herbeiführen, oder viel-
mehr herbeiführen würden, wenn die götter nicht über Athen wachten,
somit ist deutlich genug bezeichnet, dafs Demosthenes den ersten teil
der einlage verlesen liefs, die wir jetzt vor uns haben "nach gotles willen
wird Athen nicht zu gründe gehen; dafür sorgt Athena; aber die bürger
wollen in ihrem Unverstände den Staat zu gründe richten^), und nament-
lich die führer des Volkes, die in ihrem jagen nach unredlichem gewinne
keine schranke kennen, aber einmal kommt allerdings auch für sie die
strafende Vergeltung (1 — 16)". gerade diese letzte prophezeiung mufste
dem ankläger sehr zu pafs kommen, aber es kann davon keine rede
sein, dafs er auch nur einen vers weiter citirt hätte, am wenigsten den
schlufs, der die Segnungen eines wolgeordneten Verfassungsstaates breit
ausmalt.
Wenn wir nun den gedanken dieser elegie weiter nachgehn, so |
folgt auf den ersten abschnitt, worin die strafe für die frevel der hab-
gierigen Volksführer bestehn wird, "das ist eine unvermeidliche krank-
heit für jede Stadt, dafs sie in knechtschaft gerät, so sie bürgerzwist:
und bürgerkrieg aufrührt, in dem die blute der Jugend erliegt, denn
die feinde (d. h. die inneren feinde des Staatswesens und der Ordnung) :
zerstören sie gar bald in ihren verderbhchen Zusammenrottungen."'')
weib und kind zu verkaufen, denn das steht bei Plutarch unmittelbar danach und;
bei Aristoteles 2. ,
3) Wenn es jetzt heifst, dafs die bürger in ihrem Unverstände den Staat zer-'
stören %qriiiaai neid'öfisvoi, so ist dieser pentameterschlufs ein übles füllsel: die
bürger sind nicht bestochen, und sie haben auch davon keinen vorteil, dafs das.
gemeinwesen zu gründe geht, im gegenteil, Solon sagt ja, dafs sie es aus Unver-
stand tun; vorteil babe allein die Stjiov rjys/i6ves. ergänzen kann man die lücke
um so weniger, als man nicht weifs, ob sie auf den pentameterschlufs beschränkt war.;
4) Dafs dies der sinn der verse ist, deren gedanken in der für die alte elegie be-i
Die elegie r/usreoa Si nöXis. 307
er meint nicht gerade die einzelherrschaft, sondern eben so gut die herr-
schaft einer partei, die jetzt die oberhand hat, auf die bald eine andere
eben so gewalttätige folgt; man denke an die Alkmeoniden und ihre gegner,
oder an die Donati u, s. w. in Florenz, an öwaorelai^ mit den Sokra-
tikern zu reden, denkt er, wie sie factisch bestanden, "das ist das übel,
das jetzt schon im demos, in der drakontischen gemeinde, im schwunge
geht, die besitzlosen aber, die ortla fir Ttagexo^ievoi, geraten durch
das schuldrecht in sclaverei. so kommt von dem übel der gemeinde
(örji-woiov y.ay.ov) auf einen jeden sein teil unweigerlich, diese Vorhal-
tung wollte ich den Athenern machen: das kommt bei der dvGvof.iia
h£raus. dagegen die evvofiia führt zu eitel segen und wolstand."
mit diesem erfreulichen bilde schHefst er und malt es mit leuchtenden
färben, natürlich hegt darin der rat, für gute gesetze zu sorgen, und
wenn sie ihn beim worte nahmen und sagten "^wolan, schaffe uns die
guten gesetze', so war ihm das recht, auch dieses gedieht ist ein pro-
gramm des reformators. die art, wie er seine Schilderung der beiden
classen des Staates und ihrer Verhältnisse abschliefst und zu der evvojiiia
übergeht, insbesondere, dafs erst hier von dem adressaten seines ge-
dichtes die rede ist, zeigt deuthch, was wir vor dem jetzigen abgerissenen
anfange zu ergänzen haben, "rings um mich sehe ich gesetzlosig-
keit in Athen, und das volk weifs sich nicht rat; da will ich ihm die
zeichen der zeit künden, zwar nicht nach der götter willen, aber durch
eigne schuld treibt die Stadt dem untergange zu." breit oder knapp: die
dem übergange 31. 32 entsprechende einleitung und die bezeichnung
des Volkes als des adressaten, auf die auch noch rif.iET€Qa Ttöhg deutet,
konnte nicht fehlen.
Ich habe das ausgeführt, weil der gedanke nahe lag, dafs die von
zeichnenden altertümlichen verschiänkung nicht sofort scharf erfafst werden, lehrt sorg-
fältige Überlegung, unsicher ist die Verbesserung der letzten worte äarv -iqiyETai,
ev avvoSois roTs aSixovai (piXois. gemeint sind die Vereinigungen, in denen sie
avvlaravrai rvoavvelv, die Vorläufer der späteren clubbs. also ist zu awoSois
ein epitheton notwendig, und mir genügt Ahrens mit dem kühnen rala" dSixTjatfi-
Xois. denn solche kühnen Zusammensetzungen wie TtQoScoaeraioov, aalafiivafsxTjSf
\ älovr^laxelv hat das alte attisch gern; darum leben sie in der komoedie fort. — eine
i curiosität ist, dafs Bergk die praeposition lieber £t= als es schreibt, obwol letzteres
i sogar noch handschriften für sich hat, und dazu bemerkt, er wolle is nicht her-
i stellen, weil nimis incei'ta est paradvsis- Hiller copirt ihn getreulich, wie hat
I denn Solon geschrieben? wendet er es nicht auch als kürze an? und wie lautet
I die naQaSoacs über das epos und die alte atthis? auf die lesart der handschriften
' kommt in solchen dingen nicht das mindeste an.
20*
593—91.
308 in. 4. Die solonischen gedichte.
Aristoteles citirte elegie mit dieser identisch wäre, niemand kann ja
leugnen, dafs es nur eines kleinen bindegliedes bedürfte, um von dem
ersten distichon jener zu dem anfange der hier vorliegenden versreihe
zu gelangen, aber die identification ist dennoch ganz ausgeschlossen,
den vers, der in dem anfange jener stand rr^v re cpilaQyvQiav rrjv ^'
v7t£Qrjq)aviav müfsten wir in dem falle hier finden, aufserdem wer-
den dort die gewinnsüchtigen machthaber direct angeredet, vermut-
lich also auch das arme volk ; denn wir hören ausdrücklich, dafs Solon
"beider sache wider beide führte", von all dem ist hier keine rede,
und wenn die anrede, der adressat also, in den beiden gedichten ver-
schieden ist, so ist damit schon vollkommen bewiesen, dafs es zwei waren,
es ist auch gar nicht wunderbar, dafs Solon vor 594 mehrere gedichte
ähnlichen iuhaltes verfafst hat, ganz wie er es in den bitteren jähren
gleich nach 593 getan hat, zu denen wir uns nun wenden.*)
Eine eiegie Eines davon war eine elegie, aus der Aristoteles und andere die
jähren schüncn verse drj/n(o {.uv yctq fdwza (5) anführen ; Ilerodot und Aristo-
teles haben derselben die erklärung Solons, auf zehn jähre nach Aegypten
zu verreisen, entnommen; Plutarch das resignirte wort %Qyi.iaOLv ly ;(aA£-
Ttolg TiäoLv aöslv xaXeTtov (7). das schhefst sich alles gut zusam-
men, und dafs dieses abschiedswort an das ganze volk der Athener
gerichtet war, ist das natürliche, "ich habe den Athenern die gesetze
gegeben; nach denen mögen sie leben und ein jeder das seine tun. ich
bin es müde, von allen angegangen zu werden, und gehe, die herrlich-
keiten und wunder Aegyplens zu schauen, zehn jähre bleibe ich fort:
lebt wol und versucht wie ihr auskommt, es allen recht zu machen,
habe ich weder angestrebt noch vermocht; mein prinzip ist nur gewesen,
gegen die übergrifle von beiden selten front zu machen." es kann sein,
dafs ratschlage folgten, und man ist versucht das bei Aristoteles unmittel-
bar auf driliiq) liihv yag edw/M folgende bruchstiick hierher zu ziehen
"das volk ist dann am fügsamsten, wenn man ihm weder die zügel
schiefsen läfst noch es bedrückt, denn wer nicht gesetzten sinnes ist, läfst
sich durch die Übersättigung an grofsem wolstande zu übergriffen ver-
leiten" (fgm. 6. 8, Theogn. 153). aber es ist klar, dafs diese mahnung
selbst vor der gesetzgebung möglich war: sie gilt den d)]i.iov rjy€f.i6v€g,
die doch auch nach 593 das regiment führten.
5) Es liegt naiie, nach resten der elegie yiva>ay.ro bei Tiieognis zu suchen,
aber ich habe nichts gefunden, denn müssiges spiel will ich nicht treiben, nach-
bildungen der elegie r^fiartQa 8s nöhs fehlen nicht, Th. 758, wol auch 43, und zu
fgm. 7 stellt sich aufser dem verglichenen 799 auch 26 u. a.
Die trochaeen an Phokos. 309
Das war also sein letztes wort vor dem scheiden, ungleich erregter Die tro-
liatte sich seine enttäuschung und sein stolz in dem ersten affecte ge- Phoifos!
äiifsert, und er wählte deshalb das lebhafteste mafs, über das diese dicht-
gattiing verfügte, die trochaeen, die er wol kein zweites mal verwandt
hat. das gedieht war an einen freund oder gewesenen freund Phokos
gerichtet, vielleicht einen vorfahren des Oioxliov Ocoxov, dessen lebens-
beschreibuug allerdings von seinem adel nichts weifs. Aristoteles hat
ein neues schönes stück hinzugebracht, Plutarch aber das gedieht, von
dem er eine probe citirt fand, nachgeschlagen, den adressaten am an-
fange seiner auszüge namhaft gemacht und sich selbst gedanken und
Wendungen, auch wo er nicht direct citirt, angeeignet (14,5 — 15,1).
danach kann man den aufbau sehr wol erkennen. Solon wird zuerst
den Phokos angeredet haben , sei es dafs er auf dessen billigung oder
misbiUigung rechnete, dann führte er die öffentliche meinung, die ftollol
y.al cpavloi, wie Plutarch sagt, redend ein "Solon hat also den ruf der
Weisheit nicht verdient, denn er hat den köpf verloren, als der fang im
netze war, und es herauszuziehen weder mut noch verstand genug ge-
liabt. unser einer würde sich für die wonne, auch nur einen tag herr
von Athen zu sein, gern hernach mit sammt seinem ganzen hause haben
schinden lassen (33)"."] dem gegenüber erklärt Solon "mag ich auf
meinen ruf als weiser einen Schandfleck damit gebracht haben'), dafs ich
die tyrannis verschmähte: ich schäme mich dessen nicht, glaube vielmehr
gerade dadurch allen menschen gegenüber den vorrang zu erhalten (32).
durch den verzieht auf den eigenen vorteil ist es mir möglich geworden,
ohne rücksichl auf die begehrlichkeit von beiden selten den staat zu
befestigen, hätte ich seine fundamente zerstört, so würde mir die kraft
gefehlt haben, ihn ganz neu zubauen (Plut. 15,1). nun sind die be-
gehrhchen Umstürzler freihch enttäuscht, die auf grofse beute hofften und
meine reden von evrof-iia für schöne phrasen hielten, und sie sehen
6) Eine derbe umsclireibung der flucliformel e^colris sirjv avrds xai yevos ro
iuavTOv.
7) Durcli die bezieiiung von /uiävas xal yaraiaxvvas aläos auf die kritik ovx
sfv HlXojv ßa&vcpocov wird die anordnung der versreihen sicher gestellt; Plutarch
führt erst die verse an, die er citirt gefunden hatte, und benutzt dann dasselbe ge-
dieht weiter, erst die vorhergehenden verse, die er ausschreibt, dann die nächsten
gedanken, die er in seine werte kleidet, von sich das beliebte gleichnis des arztes
einfügend : ?; /hev agearov (a^tarov vulgo) fjv, ovx inr^yaysv laroeiav ovSs yaivo-
TOjuiav (poßr^d'eis fii} "'avy/^ias TiaviÜTtaoi xal rnQu^as ir^v nökiv aa&sviaxeQOi
yivriiai rov xaTaaTTjoai ndXiv^' xal awaquöaaad'ai nQus ro aQiatov. wie mat»
die durchklingenden trochaeen verkennen kann, ist mir unverständlich.
310 III. 4. Die solonischen gedichte.
mich schel an, ganz mit unrecht, denn ich habe ihnen gegeben was
ich ihnen versprochen hatte; sonst aber habe ich nicht unbesonnen ge-
handelt: so wenig wie die tyrannis, ist mir in den sinn gekommen,
durch yr^g avadaüf.i6g eine gleichheit des besitzes für alle durchzu-
führen. (34. 35 mit den ergänzungen bei Ar.)"
Der groCse Waren die trochaeen in erster linie bestimmt, seine ablehnung der
iambos. . ... ■ i -. i • i /. i
tyrannis zu verteidigen, so setzte sich bolon mit den vor\vürlen der
armen in dem iambos auseinander, von dem das längste bruchstück er-
halten ist. weil der iambos (.lähaza lE/.xmöv ist, glaubt man hier am
meisten den ersten attischen redner zu hOren. ergänzen mufs man die
vorwürfe der volkspartei, dafs er nicht mehr für sie getan hätte und die
äcker der reichen confiscirt, was ihnen nicht nur freiheit, sondern auch
brot verschafft haben würde, "weswegen ich, als ich den wagen des
Staates lenkte ^) , aufgehört habe , ehe der demos etwas hiervon bekam,
das soll mir vor dem richterstuhle der ewigkeit die mutter Erde bezeugen,
aus der ich die schuldsleine entfernt habe; und die schuldsclaven habe
ich befreit und das daveiQeo^ai InX xolc, oiöiiaoiy abgeschafft, das
habe ich getan und damit mein versprechen erfüllt, aber mit der ge-
setzgebung habe ich gleiches recht geschaffen, und nur weil ich un-
eigennützig war, ist es mir gelungen, den demos zurückzuhalten; ich
brauchte ja nur einer von beiden parteien zu folgen , dann wäre der
bürgerkrieg sicher gewesen, daher habe ich mich zwischen beiden
hindurchgedrückt."
Ein zweiter Eiu ganz älinhches iambisches gedieht zieht Aristoteles gleich danach
aus "der demos sollte mir danken, denn ohne mich hätte er nicht im
träume so viel bekommen wie er hat, und die reichen sollten es nicht
minder, denn ohne mich hätten sie alles verloren, keinem anderen würde
es an meiner stelle gelungen sein, den demos zurückzuhalten, ich aber trat
zwischen beide", das ist so ähnlich, dafs man allen und neuen be-
nutzern nicht verdenken kann, dafs sie es vermischt haben, der halb-
vers ovv. av xa%to%E dfn-iov ist identisch, der bedingungssatz vorher, der
nur in der paraphrase erhalten ist, mufste es dem sinne nach auch sein :
man könnte fast an eine doppelte fassung des Schlusses denken , wenn
nicht Aristoteles offenbar zwei vollständige gedichte vor sich hätte, so
lernen wir nur, dafs elegie und iambos wie das spätere epos die wieder-
8) Der aufbau der gedanken wird diircli die paraphrase deutlich; a^ov7]XaTslv
wird nicht bezweifeln, wer xbvtqov Xaßcov am Schlüsse dieser gedankenreihe 20 be-
achtet, den unsinn, der über diese verse geredet und in conjecluren niedergelegt
ist, mag icht nicht verfolgen.
Ein zweiter iambos. gedichte wider die tyrannis. 311
holungen sich gestaltet hat: namenthch für die beurteiluug der tyrtaei-
schen elegien ist das beherzigenswert, die spätere demegorie in prosa
hat es nicht anders gehalten.
Sechs pohtische gedichte kennen wir nun. dafs Solon auch andere Reste an-
derer ge-
dichtungen verfafst haben mufste, wenn er den ruf der Weisheit besafs, dichte.
um dessentwillen sein volk auch auf seine poHtischen mahnungen hörte,
ist klar; aber auch nicht einen vers wüfste ich mit einigem scheine auf
seine Jugend zu beziehen, auf seiner reise ist das gedieht an Philoky-
pros von Soloi entstanden (19). ein vers, der seinen aufenthalt an der
kanobischen Nilmündung erwähnt (28), kann nicht weiter bestimmt wer-
den, als dafs er nach der aegyptischen reise verfafst ist, wie denn auch
Plutarch sagt, die etwa zwanzig jähre, die Solon sich zu hause noch
des otium cum dignitate erfreute, haben ohne zweifei die meisten seiner
poetischen fruchte gebracht, aber es kann bei der art unserer Über-
lieferung nicht wunder nehmen, dafs wir auch hier am meisten von der
pohtischen poesie erfahren, dazu gehört die elegie Salamis von 100 versen,
also ein umfänghches stück (1 — 3), für die er die fiction wählte, vom
lieroldsteine auf dem markte zu seinem volke zu reden , und zwar in
directer anspräche, vielleicht war das auch gar keine fiction. dann
scheidet unsere überHel'erung, die in drei arme, Diodor Plutarch Diogenes, Gedichte
gespalten doch aus einer quelle stammt, zwei politische gedichte, von tyrannis.
denen sie das eine vor, das andere in die tyrannis des Peisistratos setzt.
das eine soll eine warnung sein (9); die erhaltenen verse führen aus,
dafs, wenn es übermächtige männer im Staate gibt, die tyrannis so
sicher zu erwarten ist wie das hagelwetter, wenn die wölke aufzieht,
oder der donner, wenn es blitzt, aber das volk lasse die einzelnen
männer erst so grofs w-erden, dafs es sie nachher nicht mehr zurück-
halten könne, das zweite soll mit der vollendeten tatsache rechnen "die
gOtter sind nicht an eurer knechlschaft schuld, sondern ihr selbst, die
ihr diesen lauten rückhalt und stütze (Qvf.iara) gegeben habt, denn ihr
seid trotz aller Schlauheit der einzelnen ein volk von gimpein (11)". so
wie die 3 und 4 dislicha jetzt da stehn ^j, könnten sie sehr gut in einem
gedichte platz finden, und nur wenn der vers "bald wird die Wahrheit
an den tag kommen und zeigen, ob ich verrückt bin, wie ihr wähnet
9) Plutarch. Sol. 30 hat das zweite citat zerpflückt und dabei auch die Ord-
nung der verse vertauscht, wenn Cienaens Str. I 3, 328 dieselbe Ordnung zeigt, so
heifst das nur, dafs er von Plutarch abhängig ist. diese entlehnungen aus einem
erhaltenen autor festzustellen und auszusondern ist die dringendste aufgäbe für die
analyse des Clemens.
312 II'- ■!• Die solonischen gedieh te.
(10)" in das erste gedieht notwendig gehörte, würde sicher, da(s Solon
zwei, dann notwendig kurz vor und nach einer katastrophe fallende ge-
dichte verfafst hätte, das mag man glauben ; Sicherheit ist nur so weit
zu erzielen, dafs die beziehung auf die leibwache des Peisistratos (seine
QVfLiara), so nahe sie den alten erklärern lag, irrig ist. denn es handelt
sich überhaupt nicht um einen einzelnen, sondern um eine mehrluil
(rovtovg r^l^oaTs), die /tieyälot avögeg. die alten sind genötigt ge-
wesen von den Feisistraliden zu reden, ja es wird gar bei Diogenes ein
ganzer rat von Peisistratiden daraus, aber Ilippias ist doch nicht vor
561 mitregent gewesen, und das geschlecht spielt vollends keine rolle,
sondern der einzelne Stratege und demagoge. die solonische mahnung
geht auf die Verhältnisse, von denen wir nur die allgemeine Schilderung
der drei oräotig und ihrer führer kennen, da herrscht in Athen weder
das gesefz noch der demos, sondern die gewalt der mächtigen männer.
diese kritik wird auf Damasias und schon vor ihm und nach ihm manches
jähr zugetroffen haben, wenn wir die gedichte Solons vollständig
besäfsen uiul die beamtenliste dazu, so würden wir die geschichte und
die beziehung der einzelnen verse zugleich feststellen können; so
müssen wir uns bescheiden, und nur froh sein, dafs wir nicht genötigt
sind, diese gedichte fest auf 561/60 zu setzen, wie der steinaUe Solon
damals sich verhielt, erzählt die chronik novellistisch: sie weifs von keinen
Versen (oben I 261 — 65j.
Unpolitische Etwas kenntlicher wird seine unpolitische dichtung. er hat selbst
des äiterl den gegensatz gefühlt und ausgesprochen, "jetzt, nämlich wo ich die
Politik und die arbeit des erwerbslebens los bin, kann ich mich den ge-
nüssen des lebens, Aphrodite, Dionysos und den Musen hingeben (26).'''°)
nur den besten bleiben die Musen bis ins alter treu, aber das noch
heute, dafs Dionysos den greisen hold sein darf, ist uns schon nicht
so geläiiüg, aber dafür genügt es an Piatons regeln ^rceql (.le^tjg in den
Gesetzen zu erinnern, noch mehr mag Aphrodite befremden, und an
das schwärmen im maimonde des lebens denkt freilich kaum jemand in
der ächlhellenischen zeit, für den bürger, der einen hausstand gründet
und seine kinder erzieht und versorgt, ist die regel auch nicht gegeben :
das hat Solon nicht getan, von dem es keine descendenz gegeben hat.
aber die eischeinung, für die die Aspasia des Perikles, die Herpyllis des
Aristoteles, die Theoris des Sophokles benannte Vertreterinnen sind, die
lü) Gomperz (Wien. stud. II 7) hat den vers auch bei Philodem aufgezeigt
und mit Wahrscheinlichkeit vermutet, dafs er durch den Erotikos des Aristoteles in
die philosophische litleratur und zu Plutarch, der ihn liebt, gelangt ist.
Unpolitische gedieh te des alters. 313
ixaüxiv.cä gar vieler greise in Athen unbenannte, zu denen auch die
magd gehört, die der alte Cato heiratet, ist für das leben der alten zeit
buchst charakteristisch, "reizendes hindernis will die rasche Jugend; ich
liebe mich des versicherten guts lange bequem zu erfreun." die stim-
mun» Goethes in den neunziger jähren wird dem ernsthaften und ver-
ständigen die beste erläuterung sein, es ist ein genufsleben, aber bei
allen den männern, die hier genannt sind, ein complement der ange-
strengten geistesarbeit. wie hoch erhaben über den gemeinen sinneu-
ffeniifs es ist, kam Solon selbst in den fall auszuführen, der Athener
gegenüber dem lonier, in dem gedichte an Mimnermos (20. 21). der
hatte nichts im leben getan als genossen, und da sah er voraus, dafs
' er als sechzigjähriger mit dem geniefsen und dem leben fertig sein
würde; auf die hefe des trankes mochte er darum verzichten. Solon
führte ihm gegenüber die sache der natur zugleich und der ächten
Imenschenweisheit. er war mit sechzig jähren weder zum genusse un-
fähig noch lebensmüde und plaidirt deshalb für weitere 20 jähre, er
fürchtet kein grämliches alter, ist egoist genug, zu wünschen, dafs er
isterbend eine lücke lasse, wozu dann freilich gehört, dafs er so lange
er lebt seinen posten ausfüllt, und er weifs, dafs seine existenz niemals
leer werden wird. yr^Qaay.co d' edel noü.u öiöccGy.oiievog (15), der
i schönste seiner verse, gehört offenbar hierher, nehme man dazu aus
I einem anderen gedichte, was er über den reichtum sagt, den er sich
{wünscht (24) '0' ^o h^^t man so ziemlich unsern weisen meister, der von
} den göttern verlangt, was der dichter bedarf, "mäfsiges braucht er, doch
'viel, ersthch freundliche wohnung, dann leidlich zu essen, zu trinken
igut, der Deutsche versteht sich auf den nektar wie ihr (davon sagt der
Grieche nichts besonderes), dann geziemende kleidung, und freunde,
jvertraulich zu schwatzen; dann ein liebchen des nachts, das ihn von
iherzen begehrt, diese fünf natürhchen dinge verlang' ich vor allem.
I gebet mir ferner dazu sprachen, die alten und neu'n, dafs ich der Völker
gewerb' und ihre geschichten vernehme, gebt mir ein reines gefühl, was
sie in künsten getan.^'
Seine Weisheit richtete Solon auch jetzt noch mehrfach an bestimmte
personen ; aiifser dem gedichte an Mimnermos hören wir noch von einem
an einen jungen mann aus verwandtem hause, den übermütigen Kritias
11) yaarqi ts xal ^?.svo^ y.cd Tioaiv ußqa nc.d'elv, naiSös i i]8s yvvaixös,
trci-f y.cd TaiT^ u(pixT^Tai, Tjßr]' aiv S^ ß'^'7 yivSTai aquoSia' xavx äcpevos d'vj]-
Tolai. Goethen ward das griechische durch Horaz Ep. I 12 vermittelt: aber wie
viel näher steht er dem griechischen als selbst Horaz.
314 III. 4. Die solonischen gedichte.
(22). aber an das publikum im ganzen wandte er sich verständiger-
mafsen nicht mit ihr. die steifleinene theorie, die von vTtodrjyMi eig
kavtbv redet, künnen wir auf sich beruhen lassen: wir sind nicht im
Stande zu wissen, wie die Sammler im allertum die gedichte geordnet
haben, und brauchen ihnen die Verkehrtheit nicht zuzutrauen, die Ord-
nung nach den versmafsen mit einer nach sachlichen kategorien ver-
mischt zu haben, wie Bergk beliebt hat. die selbstansprache ist keine
kunslform. wie es Solen gehalten hat, lehrt die berühmteste und schönste
und zum glück vollständig erhaltene elegie(13): er hat die einkleidung
eines gebetes an die Muse gewählt, damit ist nichts anderes bezeichnet,
als dafs er seine gedanken in einem gedichte ausspricht, aber die helle-
nische poesie verlangt nun einmal feste form: und so ist hier die an-
rede für die elegie gewahrt, jenes wunderbare gedieht, in dem der
fromme des lebens und des slrebens summe zieht, will ich hier nicht
erläutern, das würde zu viel worte fordern, denn es ist nicht leicht,
falls man mehr als einzelne disticha verstehen will, dem modernen aber
wird es sauer, von allem rhetorischen disponiren abzusehen, auch von
allen den künsten der Kallimachos und Properz und Ovid, und sich
zutrauhch vor die knie des alten zu setzen und seiner 3Iuse zu lauschen,
die ihn nach greisenart bald hierhin, bald dahin lockt, aber immer
wieder in die bahn zurückführt, die ihm die alles beherrschende empfin-
dung weist, "mensch, lerne, dafs es mit unserer macht nicht getan ist,
und dafs der gott, der deine geschicke lenkt, wie es ihn behebt, einmal
abrechnung hält: mensch, lerne dich bescheiden." zum Verständnis des
baues hilft Tibull, der an der ächten elegie gelernt hat; bequemer noch
hilft Goethe.
Unbestimni- ]\iir noch einige wenige beziehungslose verse (12. 14. 16. 17.
bare o o o \
trümmer. 23. 25) und die reste eines iambischen gedichtes (38 — 41), in dem
das gelriebe eines marktes mit allerhand erzeugnissen auch ferner küsten
geschildert ward, sind übrig, aufserdem eine sehr hübsche, bereits dem
Aristoteles (Pol. H 1335^) bekannte elegie, eigentlich nur ein merkvers,
über die zehn hebdomaden des menschenlebens, den hervorragende ge-
lehrte von Porson bis Usener^-) dem Solon absprechen, er hat nichts
12) Altgr. Versb. 52. seine schlufsfoigerung ist mir ganzlich unverständlich.
die Verbindung näs iis findet sich, wenn wir eine stelle bei Theognis erst geändert
haben, immer noch einmal bei Theognis, wo sie Usener wieder beseitigen will, bei
Aischylos Pindar und Herodotos, aufserdem in dieser elegie. die aber wäre nicht
solonisch. ja, was soll ich aus diesem tatbestande anders folgern, als das näs ne
seit 480 in keinem gebiete der poesie anstöfsig ist, also vorher mindestens in der
Unbestimmbare trümmer. 315
individuelles, und dafs ein solcher spruch einem berühmten namen an-
gehängt wird, ist sehr natürlich, woher sie aber wissen, dafs Solon
nicht der Verfasser sein könne, verstehe ich nicht: dafs hier 70 jähre
;ils die normale grenze des lebens bezeichnet wird, und Solon als greis
tili ander mal gerne 80 werden wollte, kann doch nichts ausmachen.
Ilerodot I 32 läfst den Solon 70 jähre als normales lebensalter angeben,
Diogenes I 55 auch: das erstere mag man für unsicher halten, das zweite
i lehrt wenigstens, dafs das gedieht in den werken Solons sich behauptete.
es kommt weder für dieses etwas auf den Verfasser an: alt ist es doch;
noch für Solon darauf, ob er einmal ein nicht individuelles gedieht ver-
fertigt hat. unter den versen der altattischen poesie, also denen Solons,
steht es und wird es stehn bleiben.
elegie auch vorkommen konnte? was soll ich folgern, als dafs die conjecturen im
Tlieognis und die athetese des solonischen gedichtes von dieser seile her schlecht-
hin unberechtigt sind?
5.
DIE ATTISCHE SKOLIENSAMMLUNG;)
Athenaeus hat in sein fünfzehntes buch eine Sammlung attischer
trinklieder eingelegt, die nicht nur durch die einzelnen gedichle, un-
schätzbare reste der wirklichen volkspoesie des alten Athen, sondern auch
als buch von bedeutung ist. das buch mufs ich analysiren, um deut-
lich zu machen, dafs die beiden von Aristoteles angeführten liedchen bei
Athenaeus einlagen aus Aristoteles sind, das mag ich nicht tun, ohne
über die gedichte selbst etwas zu sagen, wir können sie wirklich etwas
besser verstehn als der alte Ilgen; ich bitte sie aber im Athenaeus
nachzulesen, nicht bei Bergk.
Das buch ist so geordnet, dafs zuerst die gedichte in dem gewöhn-
lichen skolienlone stehn, einer zwar aeolischen, aber nicht mehr wirk-
lich acht aeolischen strophe. die Stollen werden durch je einen phalae-
ceischen elfsylbler gebildet, in dem jedoch bereits ein dreisilbiger,
anapaestiscber anlaut statt des aeolischen zweisylbigen , hier nie mehr
doppelkurzen, vorkommt (vyiai I vslv), und, allerdings unter dem drucke
von unbequemen eigennamen , eine Verdoppelung der zweisylbigen
Senkung {l4Qf.i6öiog '/.al ^giGtoysittov). beides ist in der sylben-
zählenden metrik von Lesbos undenkbar, der abgesang ist in den
meisten fällen durch synaphie gebunden, von den vier gliedern die
ihn bilden ist das zweite einmal durch hiat abgesetzt, oder vielmehr
durch unerlaubten hiat, da er ein proklitikon abtrennt (ayad-ovg rs
y.al I £V7caTQi6ag 24), ebenso auch nur einmal das dritte {aX/jOavTa
jcaliv I ccvÖQa 6) , so dafs man die vollen dalivformen in der elision
herzustellen berechtigt ist {hf-ialo^ / evcpQooi 4, S^volaia^ ävöga 12;
ebenso natürlich im verse arscpavr^fpoQoio^ ev 3, ßgo/^iiaia" ovöe 5,
1) Das schöne buch von Reitzenslein, Epigramm und Skolion, habe ich nicht
mehr benutzen können.
III. 5. Die attische skoliensammlung. 317
i öeüola^ ollyi] 14, ayaS-olo «v^^aat 23, ßgorolo^ Iv 25; die vocali-
sirung der dative der ersten declination ist mir zweifelhaft), wortschlufs
suchen alle dichter hinter dem zweiten gliede, etwa die hälfte hinter dem
ersten , niemand zwischen den gliedern drei und A-ier. denn der ab-
gesang in sich ist \vieder eine kleine trias, von der form a + b cc. sein
Stollen ist das kleine sechssylbige glied, das die eine der normalformen
des dochmius geworden ist, uns am geläufigsten aus dem stollen der
' alkäischen Strophe Ix d^ oqävto f-ieyag, stat nive candidem. ein dichter (10)
hat sich die abwechselung erlaubt, statt seiner das um eine sylbe kürzere
glied zu verdoppeln, das uns aus dem abgesang der sapphiscben Strophe
am geläufigsten ist, co rov ^ötoviv, terruit ui^bem. schon Sappho hat
es in pare verbunden stichisch wiederholt, f.iaipvXay.av y?MOOav jzscpv-
. läx^ai ; Pindar schUefst damit die kleine Strophe des liedes auf den
Acharner Timodemides ev 7to?.vvf.ivi]Tq) Jiog aloei. des abgesanges
abgesang ist ein seltsames ding; zwar sein zweites glied ist nur wieder
: um eine sylbe kürzer als der adoneus, sieht also einem Choriamben
gleich, aber davor steht das glied i/. d' oquvlo f.ieyag ohne die erste sylbe,
also eine jener in Lesbos unerhörten, auch bei Pindar seltenen und in
, den aeolischen Strophen der tragoedie wenigstens nicht häufigen glieder
mit anlautender obligatorischer doppelkürze, ich fasse sie in der tat als
apokopirt, wie ich die ersten glieder in dochmien, daktyloepitriten , ja
selbst in iouikern vereinzelt, ansehe.
Die Sprüche dieses tones beginnen mit denen eig S^sovg. ^d^ava
(diese form hat Bergk hier richtig hergestellt) hat billig den vortritt: das
i politische lied; wir sind nicht in Auerbachs keller. hier weht die luft
wie in den segensliedern der Hiketiden und Eumeniden. "erhalte unsere
Stadt vor nöten {aXyrj^ die uöte einer niederlage sind gemeint, Ttäy-
y.Lavxa alyr^ Aisch. Sieb. 367. xaxa t' aXyrj noli/iiovg t^ alf.ia-
xöevxtxg Hik. 1044) bürgerzwist und pestilenz [d-avaroi acoQoi wie Eum.
936), du und dein vater." — der zweite spruch gilt der Mutter ev ''dygaig
und ihrer tochter; um die zeit der kleinen mysterien ist er gesungen,
im Anthesterion OTEcpavr^cpÖQoio^ ev wQaig, wenn der narkissos blüht,
: mit dem die göttinnen sich kränzen, weil es diese Mutter ist, heifst sie
'Olvf-inia, denn dem Olympier ist jene flur am Ilisos heilig, die ri]
j Ohf-iTtla ist eigentlich dieselbe gottheit. gebetet aber wird um ge-
i deihen {/t/.oiTog) für all das, was jetzt im frühling keimt und sprofst.
die Mutter heifst rcKovxov ^nfirriQ'. so wenig ist dieses abstractum noch zu
! einer person geworden, geschweige dafs man nach dem vater des kindes
i fragte; noch weniger ist der höllische gott gemeint, den man um der
318 III. 5. Die attische skoliensammlung.
schätze des erdinnern willen euphemistisch TiXovrwv nennt. — dann kommt
Apollon, der Delier, auf dessen insel Artemis eigentlich nicht geboren ist,
so dafs sTiKTS Ttalda Aartä (E) besser ist als rey.va ud. (^; an den
bruder schliefst sich Artemis, wie sie die Athener verehren, als jägerin,
und noch mehr als heirin des weiblichen geschlechtes (Aisch. Ilik. 676).
das lied taugt nicht viel, da es erzählend anhebt und so seine herkunft
aus der elegie, die weiter ausholen kann (Theogn. 1 — 14), verrät. — der
vierte ist Pan, noch kein Athener, sondern mit den dionysischen nymphen
im arkadischen gebirge schwärmend, er soll sich nur am Hede freuen,
das so lustig ist wie er, der den himmlischen komos führt, die fremden
formen ({.leöcov '/.Isswag) und die merkwürdige tatsache, dafs die ver-
dorbene Überlieferung durch ein cultlied geheilt werden konnte, das
600 jähre später in Oheraegypten aufgezeichnet ist, beweisen die ab-
leitung dieses Spruches aus den chorischen gesängen des eigentlichen
gottesdienstes; für den war das chorlied Pindars (fgm. 95. 96) bestimmt,
das vielleicht selbst dieses Vorbild war. — der fünfte spruch ist verstümmelt
und verdorben, er bildet bereits den Übergang zu profanen gegenständen.
"^wir haben gesiegt und die götter haben uns den sieg von der Pandrosos
her übergeben.' was sie von der hüterin des heiligen Ölbaumes nahmen
ist entweder der Ölzweig oder wol noch richtiger das Ol: der trinkende
gedenkt des sieges, den er oder die seinen an den Panathenaeen er-
rungen haben.
Nun folgt eine reihe moralischer sprüche; an zwei hochberühmte
in demselben tone ist ein aus aeolischer poesie entlehnter in alkäischer
Strophe und ein anderer auch aeolischer angereiht, diese vereinzelten
töne hat der ordner so lieber untergesteckt, weil sie doch nirgend pas-
sender standen, dafs Athenaeus ein par citate über vyiaLvsiv aus eigner
lectüre beifügte, wird keinen seiner leser beirren, der wünsch, dem
menschen ins herz zu sehen, um zu erfahren, ob seine freundschaft
acht sei, schickt sich für das lied im freundeskreise; Euripides citirt diesen
Spruch Med. 516, Hipp. 926. — das allbekannte tyiaiveiv hat schon Epi-
charm citirt, und es war dem Simonides wegen fgm. 78 gegeben, was der
dichter damit meinte, darf man nicht aus den erläuterungen der Philo-
sophen holen, sondern aus der Situation, für die er es gemacht hat: er
will nur sagen "wir sind gesunde hübsche jungen und haben's dazu: lafst
uns drum lustig sein", der deutsche Student pflegt beim weine (d. h. biere) ;
seinen verkehr mit dem leihhause und dem Wucherer zu besingen; auch j
wenn er in ehrlicher armut ehrenvoll sich durchschlägt, fingirt er die '
verlumptheit. eine wirkliche lebensregel gibt die alkäische Strophe, nicht
111. 5. Die attische skoliensammlung. 319
umvürdig des Alkaios. man mufs nur das erhaltene nicht weiter zer-
stören, sondern sich üherlegen, dann findet man die uol^Yendig geforderte
ergänzung der vorn verlornen drei sylben "(den graden) oder (den besten)
, curs soll man sich vom lande aus aussuchen, wenn man dazu in der
i läge ist und sich genug darauf versteht: ist man aber erst in see, so
lieifst es den curs halten''^ inter nitentes Cyclades wird einem das klar.
, wer von Troia nach Hellas will, der mag sich überlegen, ob es besser ist
1 zwischen Euboia und Andros oder zwischen Andros und Tenos oder Tenos
und Mykonos durchzufahren, oder gar erst an der asiatischen küste längs;
aber auf der fahrt den curs wechseln ist verwerflich, so die metapher.
' was der dichter für das leben lehrt, heifst "es ist sehr schön, "erst wägen
dann wagen'; nur kann man's nicht immer, und nicht jeder verstehts;
1 aber für alle gilt "was du einmal begonnen hast, das tue ganz\" der
I Spruch klingt weder sympotisch noch attisch. — das ist auch der fol-
gende nicht, "ein freund soll gerade sein und keine krummen gedanken
j haben, sagte der krebs und nahm die schlänge zwischen die scheeren."
! es sagt sich jeder, dafs die lebendige schlänge sich ringelt, die tote in starrer
I geradheit liegt; man bedarf also der aesopischen fabel 81 zum Verständnis
nicht, die aber mit recht citirt wird, weil ja Aesop ein Schulbuch war, und
der dichter an sie erinnert, indem er die freunde an aufrichtigkeit mahnt.
die Stollen der kleinen Strophe sind von einer auch in Athen geläufigen
vdlkstümlichen form, vf.a]v v^-ihai vf.ir^v. überliefert ist im ersten zwei-
sylbiger anlaut 6 öh y.aQy.ivoq. dann konnte das gedieht nicht acht
.('i)lisch sein, wofür doch £/</<6j' spricht; aber die partikel am anfange
i des liedes ist ohne analogie in diesen Sprüchen , und ihre einfügung
' im Athenaeustext, wo die gedichte ohne intervall stehn, ungleich wahr-
scheinlicher, den abgesang bilden zwei durch synaphie gebundene gly-
koneen.
Nun kommen vier Strophen auf die tyrannenmörder. eigentlich sind
es nur zwei, denn die dritte gibt nur zur ersten einen eben so guten
! abgesang (10 und 12). die demokraten mochten an der tat der befreier
I die herstellung der iGovo(.iiCi hervorheben, während den leuten wie
j Isagoras nur die beseitigung des Hipparchos von wert war. beide sprüche
I sind schwerlich viel jünger als die tat; das zeigt an dem einen die
I ioovoi-iia, wofür schon Aristophanes ör^f-iozocala gesagt haben würde,
an dem andern die form ^S-npäa, die das versmafs fordert, aber die
vornehme dichtersprache nicht beliebt hat. der vierte (13) ist schlecht
zusammengestoppelt; den abgesang borgt es vom ersten, das erste wort
vom zweiten, und verdirbt im fortgang den vers; seine erste zeile aiei
320 JH- 5. Die attische skoliensammlung.
ocptüv y.Uog fOOSTat v.ut' alav ist eine epische banale reminiscenz,
weder loaerai noch ala sind altisch, wie viel schöner hatte der dichter
des zweiten, der im ahgesaog ein etwas anderes melrum anwendet, die
tyrannenniorder auf den seligen inseln mit Achilleus und Diomedes
(Pind. 10) vereint.
Es folgt ein neuer ton, die alkäischen grofsen asklepiadeen, distichisch,
wie Alkaios sie auch gebaut haben soll, aber hinter dem ersten distichoo
sind vier im *^Telamonton' eingesprengt: wol sicher durch irrtum der
Schreiber, der Telamonton ist nicht so einfach; das distichon besteht
nicht mehr aus zwei ganz gleichen versen, sondern der zweite ist um
einen daktylus länger: ich wüfste das nicht besser als mit der schlufs-
zeile der Nibelungenstrophe zu vergleichen, von der ionischen art, den
'/MTct 7t6öa oder /.utqov gebauten versen, mufs man natürlich absehenj
und doch hat ein dichter das erste gleiche glied beider zeilcn, einen s. g.
ersten glykoneus, einmal wie zwei iambische oder ionische metra gebaut,
d. h. die fünfte sylbe als indifferent behandelt (17). das zweite ghed ist «c
ö' oQccvov /iisyag im ersten verse, dem dann im zweiten der daktylus
vortritt. — das lob der Aiakiden liegt in zwei gleich berechtigten fassungeo
vor; sie sind entstanden durch ein lied des Alkaios (48), das auch Pindari
(Sem. 7, 27) berücksichtigt : aber wie viel mehr spricht uns die Schlicht-
heit an leyovol aa Ig Tgoiav agiarov D.d^elv /.ler^ IdyXkXia als den
prunk ov -/.oäxiGrov !dyjleoq areo iiäya Bard-cj} Mevkla öüf-iagra
v.o{.iioaL ■d^oalg av vccvoi Ttögevoav evd^vrcvöov ZscpvQOio nof.i7tal
TtQog "llov TiöUv. gewachsen ist diese Verherrlichung der Aiakiden auf
ihrer insel Aigina (vgl. Herakl. 1281); wer das attische lied sang, gehörte
wol zur Aiautis. — nun kommt die liebe zu worte "o wäre ich die laute,
die die knaben bei den kyküschen chören tragen", "o wäre ich ein ge-
schmeide von lauterem gokle, dafs mich eine schöne frau trüge mit
eben so lauterem herzen", auch sie natürlich am festläge, im Panalhe-
naeenzuge; die liebe ist keine hetärenliebe, diese beiden gedichte führt
Dion in der zweiten rede an und verbessert im ersten rpoQoUv für
q^iQoiev: die knaben tragen die laute wie die frau das halsband an sich
{ffOQGlt] steht da), sie tragen sie nicht in den agon und geben sie ab.
aul'serdem ergeben sich , wie auch in der überUeferung des Athenaeus,
dialektische Schwankungen zwischen e und a, die die unwissenden fort-
fahren für dorismen zu halten; wie weit die poesie im sechsten Jahr-
hundert den archaischen vocalismus noch festhielt, kann niemand sagen;
die epigramme des sechsten Jahrhunderts schwanken ja auch, zum aus-
druck vgl. auch Theognis 89. diese erotischen verschen stehen der elegie
III. 5. Die attische skoliensammlung, 321
sehr nah, und sie dürfen wol in den distichen der Anthologie V 83, 84
briider anerkennen.
Von den Askiepiadeen ist das erste, jetzt verschlagene (16), an die
spitze gestellt, weil es auch einen heros erwähnt "freund merke dir den
Spruch des Admetos und halte dich nur an gute freunde". Admetos
in seinem Verhältnis zu Apollon ist gemeint, ooiov yag avöqog ooiog lov
hvyxavov sagt der gott selbst, man darf wol auch an Herakles denken,
den aya^og, der ungeladen zum feste der ayaS^oL kommt, in anbe-
tracht dieser beziehung ist von den Varianten xovg aya^ovg cplkEL und
Gsßov, die die handschrift des Athenaeus zur auswahl stellt, wol oeßov
vorzuziehen, obwol Aristophanes Wesp. 1237 (pilst bietet: das mochte
für das profane leben passender scheinen, der schoUast hat das gedieht
in einer anderen Sammlung nachgeschlagen, die den namen der Praxilla
trug und auch den spruch über den skorpion (20) in wenig anderer
fassung enthielt, dafs sie ihn gemacht hätte, glaube ich gar nicht, aber
skulien sind nun einmal weinHeder und keine Jungfrauenlieder, also be-
steht die Überlieferung zu recht, die der Praxilla jtaQolvia gibt, und dann
bleibt diese ein mädchen, das am Symposion teil hat, wie ich sie Her.
I 71 bezeichnet habe. — das nächste (18), von Euripides Iph. Aul. 407
ciiirt, gibt die moral, die ehedem das geschlecht, jetzt die hetaerie fordert
"der rechte freund mufs in allem mittun, im trinken, lieben, schwärmen,
toll sein, auch im vernünftig sein", "ich bin ein mann vom geschlechte
(üiazijja; wenn Ghazijja verrückt ist, bin ich mit verrückt, wenn Ghazijja
(l.is richtige tut, tue ich auch das richtige" so ein Araber bei Wellhausen
(lieste arab. heidentums 194). — dann der bekannte spruch vom skorpion:
wieder warnung vor hinterlistigen menschen, die ehrlichkeit war von
jeher der Hellenen schwache seite, darum schilt schon Achilleus auf die
iinaufrichtigkeit; treue ohne egiog ist nur zu selten unter ihnen. — auch
(las letzte der reihe (25) gesteht bedauernd die regel ein, wenn der redner
als seine meinung hinstellt, dafs götter und menschen den hoch ehren,
('er den freund nicht verrät: dies also ist ausnähme, dazwischen steht 21,
(er spruch von sau und eichel, eine lustige parodie eines unattischen
Spruches, erklärt Isyll 123, und eine warnung vor der hebe, die für jeden
zu haben ist, der das entree bezahlt (22); etwas unhöflich gegen die
für eine drachme gedungene flötenspielerin, die den takt dazu blies,
so tief sind wir von Athena herabgestiegen, und doch gehört alles mit
i fug und recht auf das Symposion und erhebt sich hoch über die ver-
soffene Sentimentalität, die unsere commersbücher füllt, also doch wol
Sänger findet.
V. Wilamowitz, Aristoteles. II. 21
I
322 III. ö. Die allische skoUensamtnlung.
Dafs wir eine Sammlung vor uns haben, planmäfsig angelegt, so dafs
sogar verschiedene Fassungen vorkommen, ist klar, solcher Sammlungen
gab es mehr, wie die auf I'raxilla getauCte lehrt, wir kennen ja auch aus
der komoedie noch eine anzahl anderer skolien, und Äristophanes läfst in
den Ekklesiazusen neue improvisiren. die gedichto geboren dem sechsten
und fünften Jahrhundert an; nicht viel länger hat die mode die skolien
festgehalten, aber kein späterer gelehrter hat die Sammlung gemacht; wo
sollte er denn die lieder finden? das bediJrfnis hat sie erzeugt: es ist
wirklich ein attisches commersbuch, bestimmt für solche teilnehmer, die
sich's nicht zutrauten einen vers zu machen, so ist ja auch die home-
rische hymnensammlung (und die orphische nicht minder) ein bilfsbuch
für einen rhapsoden; die grammatikcr sind daran ganz unschuldig, die
bücher sind nur in späterer zeit nicht mehr zu praktischem gebrauche,
sondern zur lecture vervielfältigt, und erst in diesem Stadium sind die
beiden uummern aus der Politie des Aristoteles hineingekommen, jetzt als
23 und 24 vor dem letzten asklepiadeischen distichon eingelegt, wer die
Ordnung überschaut, die sonst herrscht, wird daran nicht zweifeln, zumal
so das pohtiscbe gedieht von den politischen, dieser einzige spruch im
gewöhnUchen skohenmafse von der ganzen reihe desselben tones ge-
trennt ist.
6.
DAS SIEBENTE PYTHISCHE GEDICHT DES PINDAEOS.
Pindaros selbst sagt, dafs er für den Alkmeoniden Megakles dichtet.
die schollen haben den Vatersnamen nicht mitgeteilt und dadurch ver-
schuldet, dafs Boeckli, von dem die folgenden abhängen, einen sinn-
reichen ausweg versuchen konnte, um die übrigen Zeugnisse alle ver-
werten zu können, jetzt steht durch Aristoteles 22 und das ostrakon
CIA IV p. 192 fest, dafs 3l€ya/.lrjg 'l7C7T0y.QäT0VQ\4li0Jiey.rid^Ev im früh-
jalu" 486 durch den ostrakismos ausgewiesen ist. nimmt man dazu nur
die bekannten stellen Herodot VI 125 — 131, Lysias 14, 39, Ps. Ando-
kides 4, 34, so erhält man mit Sicherheit das stemma Megakles der
niOrder Kylons — Alkmeon und Agariste — Kleisthenes und Hippo-
kiiites, ersterer kinderlos, letzterer vater von Megakles ans Alopeke und
Agariste der frau des Perikles — Megakles wieder vater eines Megakles,
Schreibers der Schatzmeister Athenas 428/7 und der Deinomache, die vor
452 den Eupatriden Kleinias aus Skambonidai geheiratet hat, dem sie
Alkibiades und Kleinias gebar. allerdings hätte man diese Ordnung
w()l fordern sollen , da sie allein Perikles und Alkibiades so nahe mit
einander verbindet, wie sie gestanden haben müssen, damit die Vormund-
schaft möglich war. das richtige hat Kirchhoff zu dem ostrakon gesagt,
aber verschwiegen , dafs ein eben so unzweideutiges Zeugnis nunmehr
für einfache schwindelei erklärt werden mufs: Isokrates 16, 27 nennt
den geselzgeber Kleisthenes ausdrückhch unter den vorfahren des Alkibiades.
eben darum hatte Boeckh neben Msya^iX'^g '^iTiTtoy.Qäxovg, den schwieger-
vfiter des Perikles, einen MsyaTilrig KlsLod-ivovg als vater der Deino-
mache gestellt. Megakles der söhn des Hippokrates hat sich erst nach
seiner heimkehr 480 verheiratet: das zeigt das alter seiner kinder. sein
vater war tot, als der söhn als haupt der familie landes verwiesen ward,
natürlich auch als er einen wagen rennen liefs. auf seinen tod hat
21 *
324 III. 6. Das siebente pytliische gedieht des Pindaros.
Pindaros bereits einen threnos gemacht, den die scholien zu Pytli. 7
erwähnen; das war nach 498, wo Piudar zu dichten anfieng. genauere
grenzen vermag ich nicht zu ziehn. Agariste hat den Xanlhippos etwa
um die mitte der neunziger jähre geheiratet, denn ihr söhn Periklcs.
462 zuerst pohtisch tätig, steht dreifsig jähre später Iv tfj yM^eon^-
xvlg TjXiyiia, d, h, er hat das sechzigste lehensjahr überschritten; sehr
viel älter aber tann er nicht gewesen sein.
Wann ist nun das pythische gedieht verfafst? in anbelracht seiner
kürze sicherhch bald nach dem siege, wann fiel der sieg? der Vati-
canus gibt die achtundachtzigste Pylhiade, führt dann aus, dafs der olym-
pische Sieger der 47 Olympiade ein vorfahr von diesem Megakles wäre,
o de TTjv Ttri' Jlv^iäöa irtQog öl av eü] 6/.ia)vvf.iog TOUTto. das ist
unsinnig, aber Tzetzes hat es allerdings gelesen. Boeckh hat aus dem
Gottingcnsis die fünfuiulzwanzigste Pythiade aufgenommen, der jedoch
an der zweiten stelle Tic hat; andere haben anderes gemeint, die
fünfundzwanzigste Pythiade fällt nach Boeckh in das jähr der Marathon-
schlacht, oder vielmehr, da die Pythien auf den siebenten Bukatios-
Metageitnion fallen, die schlacht bei Marathon auf den dreizehnten'),
so sind die ereignisse beinahe gleichzeitig: nun, damals hatte der AlkmcK-
nide zu hause zu tun. Boeckh selbst würde das nicht behauptet haben,
■wenn er die zeit der Pythien richtig bestimmt hätte, die zahl 25 und
Boeckhs Pythienrechnung vertragen sich nicht mit einander.
Das einzig mögliche heil konnte in den scholien des Florentinus D
gesucht werden. Dr. H. Graeven hat mir auf meine bitte eine ver-
gleichung geschickt: sie löst die aporie wirkhch yiyQamat f] i^örj
Msyazlel ^d^r^vauo viycrjOavTi Ti]v xe' Ttvd-iäöa TS-d-Qi/CTtfo, eOTi
de ovTog olx o xa. oXvfxnLci vevr/.r]y.wg, aAA' eteqog (dann weiter
gleichlautend) irjv yag T€OOaQay,oOTr]v eßödfxriv sytelvog ^OlvfiTtiäda
avayQäcperaL vevr/.r^ywg , 6 de ttjV v.g eregog de av euj 3Ieya/JS]g
zovTw oi.i(jüvv(xog. hinzu nehmen mufs man das in BD wesenlUch
gleich lautende scholion zu 11 ovy. €vU)]Oev ovxog ^OXvixma alla
a'/.XoL bf.i(x)vv}.iOi TOVTO) , und die durch Herodot feststehende tatsache,
dafs in Olympia vielmehr Alkmeon gesiegt hat, der ol. 47, 592 auch
allein siegen konnte.^) dann erkennt man, dafs zwar der scholiast, cier
1) Töpffer quaest. Pisistr. 137. ganz fest möchte ich auf den tag nicht
bauen, und die Pythien waren aucii mehrtägig, aber das macht hierfür nichts aus.
2) Boeckhs künstliche construction ist öfter gut, z. b. von Rutgers lul. Afiic.
145 vi'iderlegt, der auch im schok Ar. Wölk. 64 die Verwechselung von Alkmeo-
niden und Philaiden eikannt hat.
III. 6. Das siebente pythische gedieht des Pindaros. 325
zu uns spricht, in dem Olympiasieger einen Megakles fälschlich gesucht
liat, ^vährencl nur ein Alkmeonide nötig war, aber der gelehrte, der
<liese frage wirldich untersuchte, vielmehr in Verlegenheit war, weil er
sowol den sieg des Alkmeon rechnen mufste, wie auch einen Meyaxlrjg
'Ad^rjvalog als sieger in der sechsundzwanzigsten Olympiade fand : Pindar
aber weifs nur von einem siege der Alkmeoniden in Olympia, so hat
jener gelehrte sich, vermutlich richtig, mit einer homonymie geholfen;
wir müssen nur das den satz zerreifsende öe beseitigen, dafs die zweite
zahl, 26 in D, eine Olympiade ist, keine Pythiade, ist das eine wichtige:
aber Kallierges im ersten drucke der schoben , der auf B zurückgeht,
bat diesen zusatz auch nicht, so dafs er vielleicht unserer guten Über-
lieferung überhaupt fehlt^); dafs an dieser stelle B dieselbe zahl nrj hat
wie oben, zeigt freilich, dafs der Schreiber annahm, es müfste hier der
sieger dieses hedes gemeint sein, wichtiger noch ist die zahl 25 für 88.
den Schreibfehler tzj] für xe kann ich nicht erklären , aber D ist ein
zeuge kaum schlechter als B, und wir sind meines erachteus gehalten
ihm zu folgen, dann ist das gedieht 486 nach dem august verfafst,
\ orausgesetzt, dafs wir die Pythiaden zählen wie die schollen und Bergk,
nicht wie Boeckh. 4S6 in den monaten februar märz ist Megakles von
dem ostrakismos betroffen, das nahm ihm weder die bürgerliche ehre
noch schädigte es sein vermögen noch hinderte es ihn, in Delphi zu sein
und ein Viergespann rennen zu lassen, man war ein parteihaupt, wenn
einem so etwas zustiefs, und konnte hoffen wieder an die spitze des
Volkes zu treten; aber es war doch zunächst ein rückschlag, und wenn
ein dichter, diesmal noch kein hochberühmter, aber doch ein standes-
L;enosse, der für die famihe schon einmal tätig gewesen war, sechs
monate oder weniger nach dem Volksgerichte ein festlied für Megakles
macht, so wird das nicht jeder beziehung auf die Situation entbehren.
Pindar nun spricht also durch den mund des chores zu Megakles.
"Athen, die erhabene Stadt, ist für das mächtige Alkmeonidengeschlecht
der schönste anfang eines hedes auf einen wagensieg, denn kein Vater-
land und kein haus kann ich nennen"), dessen name in Hellas so stralend
3) Meine Vermutung hat sich bestätigt. Graeven bezeugt mir das fehlen von
Ttvd'iäSa im Vaticanus.
4) 'Enei riva itäroav Tiva r oly.ov NAJQN ovvjua^Ofiai enifaväareooi'
'EXXdSi nv&äa&ai. die scholien lehren, dafs so wie ich geschrieben habe die Über-
lieferung war, die in alter und neuer zeit vergeblich angefaCst worden ist, weil für
den sinn nichts fehlt, ein genetivus partitivus schadet nur, da er nicht auf ytdxioa
TiaTQis, nicht TtarQiä , sonst ist es tautologisch) mit bezogen werden kann, den
32G 111. 6. Das siebente pythische gedieht des Pindaros.
wäre, denn in allen Städten erzählt man sich von den Athenern, die
Apollons haus in Pylho zu einem Wunderwerk gemacht haben.*) und
von dir und deinem geschlechte, Megaklcs, weifs ich fünf isthmische,
einen olympischen, zwei pythische siege, über den neuen erfolg freue
ich mich etwas, aber das ist mir schmerzlich, dafs neid die edlen taten
vergilt, indessen das Sprichwort sagt, dafs der segen, der dem manne
beständig blühen soll, das eine wie das andere (leid und freude) mit sich
bringt."
Das ist einfach, und wenn er einfach redet, denkt sich Pindaros
immer am meisten, die Alkmeoniden haben eine i)^a)Xovaa eldaifxovla,
und dafs sie für grofse taten neid ernten, beeinträchtigt diese nicht,
sondern macht sie nur beständig, weil r/xTret v.6Qog vßgiv. ihnen bringt
ihr glück ra xal rä, wie Pindar gerne sagt (Ol. 2, 53. Isthm, 5, 46),
aber auch Theognis 398. die wechselvollen geschicke des geschlechtes
seit 120 Jahren, in denen es doch immer €vdaii.aov geblieben ist, passen
wol zu dem Spruche, das letzte ist der erfreuliche sieg, aber der
dichter hat keine rechte freude, xaLgo) ri sagt er. er sieht mit be-
kümmernis cpd^ovov afi€iß6/.i€vov tot xa/.a ßegya. gewifs sagt er ähn-
liches oft, aber meist warnend, hier dagegen tröstet er. was den rühm
des pythischen sieges überwiegt, muls mehr sein als übles gerede,
unpopularität: nur wegen eines wirklichen Schlages tröstet man. die
schoben haben das gefühlt und darum an den tod des Hippokrates
erinnert: aber in dem ist kein cpdSvog. wer möchte leugnen, dafs der
ostrakismos , an den ältere erklärer auch gedacht haben , auf das treff-
lichste pafst, zumal er die tyrannenvertreiber als tyrannenfreunde traf,
wie wir jetzt aus der chronik wissen?
Das ist die epode. die Strophen führen aus: Athens riduii ist der
Alkmeoniden rühm, beide fallen zusammen, zum preise des Megakles
schickt sich nichts so gut wie der rühm i\(iY f.ityalo7tT6lLeg'^d-ccvai'^')\
consonantisclien anlaut fordeil das versmafs: es sind zwei durch synaphie gebundene
glykoneen verschiedener form,
5) Apollon wird angeredel: das ist nicht die müssige apostrophe späterer rhe-
torischer poesie, sondern das siegesfest gilt dem gölte, der den sieg gegeben hal.
aber in Delphi, das daneben erwähnt wird, ist es nicht gesungen, die Überlieferung
dl reöv xs Sönoi' . . . d-arftov k'rev^av ist unerträglich; die parlikel te mufs fort. Bergks
reov TEftevos ist hübsch, aber mclhode hal es nicht gefunden, denn mit So/uor,
einem poetischen worte, glossirt kein Grieche, die voralexandrinischen corruptelen
nicht zu heilen müssen wir uns gerade in den gut erhaltenen dichtem leider nur
zu oft bescheiden.
6) Das bedeutet nichts als 'Athen die grofse Stadt' vgl. Herakl. II 1S2.
ni. 6. Das siebente pythische gedieht des Pindaros. 327
Athen ist als Staat so berühmt wie die Alkmeoniden als geschlecht, und
das wird begründet damit, dafs die^Egex^sog aoroi, die den delphischen
tempel gebaut haben, in aller weit bekannt sind, und dafs die statt-
Hche zahl von siegen der Alkmeoniden den Pindar zum dichten antreibt,
es geht nicht an, in ^Eqeyßiog aorojv ot die Alkmeoniden zu verstehn
und den genetiv partitiv zu fassen: sonst begründet dieser satz die be-
haiiptung nicht, die eine doppelte war, Stadt und geschlecht wären
berühmt, für das geschlecht folgen die siege als beweis: was vorher
steht, geht notwendig die Vaterstadt an. Athen also hat den rühm des
tempelbaus. aber den haben ja, wie wir wissen, die Alkmeoniden gebaut,
ohne zweifei; aber die geschichtliche Wahrheit darf uns nicht die poetische
erfindung zerstören, der dichter sagt es von Athen: wenn die hörer
sagen, "^das ist ja aber das werk der Alkmeoniden', um so besser, so
ist Alkmeonidenruhm und Athenerruhm identisch, und der neid, der
yca?M ßsQya af^ieißstai ist um so ärger, in Delphi stand zudem die
Athenerhalle, stand das stolze weihgeschenk für die Marathonschlacht als
gaben des Volkes, und gewifs war der tempel voll von privaten geschenken,
da der gott seit 510 sich der demokratie angenommen hatte. Pindaros
sagt nicht *^sie bauten den tempel', sondern d^ar^rov tzsvBav. aber
freihch, was könnte gegen die marmorfacade aufkommen, die die Alkmeo-
niden errichtet hatten ; marmortempel waren auf dem festlande noch
selten genug, also beabsichtigt ist allerdings die Wirkung, dafs der
hörer sich sage "das weshalb man von Athen in allen Städten redet,
ist ein werk der Alkmeoniden". sie haben Athen grofs gemacht, das
will er den Hellenen einschärfen; Herodotos hat das ja 50 jähre später
ähnhch ausgeführt, der redet allerdings von der demokratie, die Kleisthenes
gebracht hat, und er hält es deshalb für undenkbar, dafs die Alkmeo-
niden 490 Athen hätten verraten wollen, davon darf man bei Pindar
nichts erwarten, weder um seiner selbst willen, denn er hat die demo-
kratie zeitlebens gehafst, noch um des Megakles willen, der als tyrannen-
freund von den demokraten, Aristeides und Themistokles, beseitigt war.
die Situation erschien 486 nicht viel anders, als sie für die Alkmeoniden
vor 510 gelegen hatte: das geschlecht repraesentirt eine partei, die zur zeit
unterlegen ist, aber gleich mächtig in der fremde lebt, des Umschlages
harrend, allein auch als landflüchtiger verläugnet der Alkmeonide sein
Vaterland nicht: sie gehören zu einander, mochte der Philaide in der
Chersones, der Peisistratide in Sigeion eine herrschaft suchen : er hält zu
Athen, auch wenn er seinen boden meiden mufs. ihm ist der rühm
Athens das hebste lob für seinen sieg, das ist wahr von den Alkmeo-
328 III. 6. Das siebente pythische gedieht des Pindaros.
niden, und schön ist es auch, das habe ich immer mit herzensfrciuh^
gelesen , da ich gern wie Herodotos und Pindaros empfinde, aber es
hat doch einen ganz anderen klang, wenn Megakles so sich loben lalst,
eben als er von dem q)^ovsQdg di]i.iog schlecht behandelt ist. right or
xorong, my comitry , ist nicht vielen Hellenen aufgegangen: der enk<l
des Älegakles wird in Sparta ganz anders reden, es Hegt hier aiu h
der ganze adelsstolz darin, dals Athen mindestens eben so viel von dein
rühme der Alkmeoniden hat als umgekehrt, und Megakles* obwol v\\
wie sich gehörte, 480 unter die Verteidiger seiner heimat getreten isi.
war ein politisch wenig bedeutender herr; seine Schwester Agariste hat
mehr von dem ächten Alkmeonidensinne geerbt oder doch vererbt ,ils
er. aber der dichter, der hier zu uns spricht, allerdings in einem werke
seiner unreifen Jugend (erst die schweren seelenkämpfe von 481^7!)
haben ihn zum manne und zum dichter gereift), war ein mann mit den
Vorurteilen des adels, aber auch mit seinen Vorzügen, jeder zoll ein
ehrenmann und ein edelmann, der, so schwer es ihm gefallen ist, riglit
or wrong my country seinem Theben gegenüber hoch gebalten hat, und
über dem herben stolze auf die ovyysvrjg cfva das noblesse oblige nie
vergessen, er fand in sich die Stimmung, wie ein patriot und ein wahr-
haft vornehmer mann, stolz aber ohne groll, den ostrakismos ertragen
soll, erst seit zeit und veranlassung des gedichtes feststeht, kommt dem
leser voll zu bewufstsein, was es will und was es taugt.
Aber Pindaros geht uns hier nichts an : nur das historische document
wollten wir einreiben, und wir brauchten das datum. mögen die an-
hänger der Pausaniaschronologie der Pythiaden sehen , wie sie diese
neue instanz beseitigen.
7.
DER PROCESS DER EUMENIDEK
Die kämpfe um den Areopag haben dem gröfsten dichter des fünften
Jahrhunderts sein letztes werk eingegeben; so wenig es unmittelbar für
die politische geschichte ergibt, können wir doch die Stimmung der
zeit nur aus ihm unmittelbar auf uns wirken lassen, und es ist früher
SO viel auch politisches in ihm gesucht worden, dafs ich nicht umhin
kann, die scene des processes der Eumeniden zu erläutern, zumal es
kurz geschehen kann, ein par wichtige stellen kann ich verbessern,
i andere bleiben noch im einzelnen rätselhaft; die heut zu tage beliebten
athetesen und Umstellungen fallen von selbst weg, sobald der Zusammen-
hang erkannt ist.
Als der götlin Athena sowol von Orestes wie von den Erinyen die ent- Uebersicht
, . , ., . , •/!«., • n \ 1 1 '^^^ ganzen
Scheidung ihres zwistes übertragen ist (als otaLTa gewissermaisen), lehnt scene.
sie ab in einer mordsache aus sich, aitoreXcog, zu entscheiden und
erklärt einen beirat aus den edelsten ihres Volkes (ccQLOTlvör^v) zuziehen
zu wollen, die als geschworne den spruch fällen sollen, und sie stellt
schon hier in aussieht, dafs sie damit eine dauernde Institution schaffen
wolle, 470 — S9. die verse sind zum teil schwer verdorben, aber die
gedanken sind unzweifelhaft, mittlerweile sollen die parteien ihre be-
weismittel und ihre zeugen herbeischaffen, es entsteht also eine pause,
die durch ein grofses chorlied ausgefüllt wird.
Dann erscheint Athena mit dem herold (der als y.rJQv^ rrjg Iv ^^qeuü
Ttdycp ßov?<.rjg später eine so grofse rolle gespielt hat, jetzt nur ein
subalterner ist) und den richtern. sein trompelenstofs soll dem volke,
das zu dem feierlichen acte herzustromt, das sigual geben, platz zu machen
und zu schweigen, denn wenn auch das volksgericht (und als solches
i'iwird dieses hier behandelt) die zuhörer nicht ausschliefst, so fordert das
Iblutgericht doch feierlichen ernst. Athena motivirt das, nicht blofs für
dieses mal: die Verhandlung ist ja typisch, und die Verordnungen der
330 ni- '• Der procefs der Eumeniden.
göttin werden die einzelnen acte auch weiterhin niotiviren und damit
für immer einsetzen, sie sagt "während der Areopagitenrat zusammen-
tritt, geziemt es sich zu schweigen und zu lernen, sowol für die richter
wie für das ganze volk, diesmal und immerdar, auf dafs der Urteils-
spruch gerecht gefällt werden könne".') der dichter hat hei dieser
bemerkung noch den nebenzweck, das schweigen seiner Statisten, der
Areopagiten, zu entschuldigen, die sich nun, während der herold trom-
petet, einOnden und setzen, das füllt die in der rede merkliche pause
nach 574. über die zahl der richter wissen wir nichts, als dafs sie un- J
gerade war, da die stimmenzahl durch Athenas zutritt gerade wird, die l
Areopagiten haben ja niemals eine feste zahl gehabt: um so weniger
können wir über die zahl der Statisten etwas sagen, das volk aber, an
das sich der trompetenschall und später die anspräche der göttin richtet,
ist vorhanden, nur nicht auf der bühne, sondern als S-iargov.
Nun bemerkt Athena auf der seite des angeklagten Apollon, der
mittlerweile erschienen ist, und fragt ihn sehr höflich, was er hier wolle,
wo er nichts zu suchen hat, wenn er nicht zu einer partei gehört.-)
der gott motivirt sein erscheinen und die rolle, die er ferner spielen
wird, indem er sich sowol als zeugen wie als mitverklagten ^) zu er-
1) II).T]QOVuivov yoQ rovSs ßovlevrr^Qi'ov aiyäv c/ni'-yei y.al uad'slv ■d'eauovs
(t') t MO jS 7t6?.iv re Tiäaav es ror atavrj y^oovov, ey. rcüvS oneos av ev xara-
yvwa&i] Sixtj. im letzten verse ist xai ncävSs durcii den arciietypus der geringeren
liandschriften und das scholion, das richtig die ratsherrn versteht, gesichert {xai rcvS'
M, ohne jede mögliche heziehung: parteien sind zwei da), das hat G. Hermann
zu dem einfalle ix rcovSe geführt, vorher kann nun d-safiovs iuovs niclit objeet
sein, denn weder folgen ihre gesetze, noch gilt das ganze der gegenwart allein, es
kommt vor allen dingen auf das schweigen der richter an, schon weil diese tat-
sächlich schweigen, nun ist grammatisch das xe beziehungslos: folglich mufs
d'ea/.ioi subject sein und die Areopagiten meinen, folglich mufs ein re zugesetzt
werden. Apollon sagt 614 Xe^co ttqos rfiäs, rörd^ ^Ad'r^vaias fiiyav d'safiov, Si-
xaicos, wo wieder von gar keinem gesetze Athenas die rede ist, sondern einfach der
gerichtshof durch den collectiven singular d'sa^ös bezeichnet wird, der gebrauch
ist ungewöhnlich, hat aber an xöauo? und xoa^ioi sogar in der amtlichen spräche
seine analogie, und wenn Eros tcov fisyälcav na^eSoos iv uqxcüs ^eofiöjv ist (Soph.
Ant. 797), so ist auch dort das einfachste die d'sajuoi persönlich zu fassen. — über
xarayvcoad'fi zu Eur. Hipp. 1361.
2) Dafs die verse 574.75 Alhena gehören, haben Wieseler und Sauppe ti-
schen, die Parteien haben zu schweigen und können niemand wegweisen, übrigens
würde Apollon den Ttavrofiia^ xvcü8a)M ganz anders dienen, wenn Athena zwisclien
die anrede und die frage die worte schiebt mv e'xsts airos x^ärsi, so ist das in
höflicher rede dasselbe wie 'hier ist mein reich' oder gar /ur, rbv eubv o'ixei oly.oi>.
3) Kai fiaQxvQ)]atov xai ovvSiy.7]a(or airös sagt er. der GvrSixoa ist immer
Uebersicht der ganzen scene. 331
keanen gibt, da somit seine gegenwart berechtigt ist, eröffnet Athena
als '^ysf.iaiv dLyMOtiqqLov die Verhandlung (sie sagt es ausdrücklich) und
gibt dem kläger das wort, indem sie wieder diese geschäftsordnung
einsetzt und begründet.
Es folgt die Verhandlung der parteien. der kläger wendet statt
dei- rede das lebhafte verhör an , dem der verklagte rede stehen mufs.
Piatons Apologie und die rede des Lysias wider Eratosthenes beweisen,
dafs dies vor dem attischen gerichte angängig war. selbstverständlich
aber hat der tragiker, der noch nicht wie Euripides die schulmäfsige
rlietorik kannte oder gar liebte, die form gewählt, die für das drama
und den Charakter der Erinyen pafste.") dagegen Apollon hält eine
wirkliche rede; er spricht zu den richtern und zu der Vorsitzenden
güttin (629), wird zwar von den Erinyen unterbrochen und mufs ihnen
lebhaft erwidern, lenkt aber immer wieder in die bahnen wol gemessener
rede ein und schUefst mit einem epiloge, der allerdings etwas e^oj rov
7ro(xyf.iaroQ ist (667 — 73), was für den Areopag nicht pafst, um so mehr
aber für das attische gericht; und es dürfte im epiloge zumal auch auf
dem hügel so gar genau nicht genommen worden sein, der dichter aber
bedurfte dieser nur gerade für seine gegenwart bedeutsamen verse.
sie bereiten den schwur des Orestes vor, der nach seiner freisprechung
ein ewiges bündnis zwischen Athen und Argos in aussieht stellt, und
geben diesem bündnisse die göttliche garantie. es war ja 458 der eck-
st ein der athenischen politik.^)
jemand der an dem rechtshandel teil hat, so sind es die Erinyen für Klytaimestra
761, denn ihnen gehört das blut des niuUermörders, und ist es Zeus als schwurgott,
den lasons eidbruch verletzt hat, für Medeia 158. daher wird das wort gebraucht
für die Vertreter einer gemeinde oder einer anderen genossenschaft vor gericht, die
ihre eigene sache mit der gemeinsamen führen.
4) Die narretei der modernen geht so weit, statt der einen partei der Erinyen
zwölf choreuten reden zu lassen, war das etwa rechtens? natürlich wird dabei
die gewohnte abgeschmacktheit erzielt, dafs der schritt vor schritt fortgehende Zu-
sammenhang der fragen, der vorhanden ist, zerfetzt wird; denn zwölf köpfe denken
nicht in derselben linie. und der beweis? es sind elf chorpartien: wer sieht da
nicht dafs zwölfe reden? die chorführerin aber sagt 'obwol wir viele sind, werden
M ir uns kurz fassen, antworte du wort für wort (A^ers für vers)'. daraus soll folgen
'jede von uns wird einen vers sprechen' — was sie dann doch nicht tun; die chor-
führerin scheint auf das wort verzichtet zu haben I und dabei ist endlich vergessen,
dafs 15 choreuten für den Agamemnon überliefert sind, überliefert, nicht erschlossen.
5) Der dichter weifs davon noch nichts, dafs die bündnisurkunde zwischen
Alhen und Argos bei Apollon in Delphi wäre, also Apollon so zu sagen seh wur-
zelige, dreifsig jähre später war das aufgebracht, und als Euripides 421 dieses selbe
332 lU- '• Dtir pi'ocefs der Eumeniden.
Die paiteien haben gesproclieu. Atliena fragt zunächst im allge-
gemeinen, ob sie fertig wären, die abstinimung also beginnen könne,
(he Erinyen bejahen, dann richtet sie diese frage an die andere partei,
Orestes und ApoUon; der letztere erklärt ebenfalls, dafs das urteil nun
gesprochen werden möge.")
Die göttiu beginnt denn auch 'hört die Verordnung, volk von Athen,
die ihr zum ersten male über mord richtet.' aber es folgt .keine Ver-
ordnung, sondern lose durch ein de angeknüpft 'auch für die zukunft
wird es in Athen diese ratsversammlung von richtern'') geben." und
nun folgt eine lange rede über den Areopag, die vielen unpassend er-
schienen ist. Aischylos hat sie aber für diese stelle gedichtet, denn,
wie das seine art ist, schliefst er so zu sagen die parenthese durch die
aufnähme derselben worte. eorai de y.al xo '/.oinöv, hebt Athena an,
xavTijy /.dv l^heiv' e/.iolg jcaoaiveotv uotoIglv lg %o Xoucöv hört
sie auf (7()7j. und nun folgt erst der befehl, den sie gleich hätte geben
können 'steht auf^j und erhebt die stimmsteine', das geschieht dann,
während Apollon und die Erinyen erst die richter mahnen, dann heftig
zanken, 23 verse lang, dann haben die richter abgestimmt und Athena
tut dasselbe, indem sie ihre Stimmabgabe motivirt. das widerspricht dem
prinzipe der geheimen Stimmabgabe; aber der dichter mufste einen ausweg
wählen, der das urteil sowol motivierte wie als götterwillen hinstellte:
der gedanke durfte nicht aufkommen, dafs Athena überstimmt wäre, da
sie erklärt, die ihre zu den stimmen für Orestes legen zu wollen, folgt,]
dafs die richter nur einen stimmstein haben, also zwei urneu da stehen,
eine freisprechende und eine verurteilende, und die richter so zu jeder
von ihnen treten, dafs sie einmal den stein hineinwerfen, das andere mal
nur so tun, ganz wie es in den Wespen gehalten wird und das gleichnis
des Agamemnon 815 voraussetzt, wo die urnen standen, wird nicht
bündnis empfahl, konnte er daran erinnern, dafs das bündnis anf einem dreifufse in
Delphi zum Zeugnisse für Hellas aufgezeichnet stünde, Hik. 1202. da war also eine
fromme inschriflfälschung vorgenommen, wie Herodotos von einer erzählt (I 61).
6) Die richtige personenverteilung und interpunction von 674—80 hat Kirchhoflf
gegeben.
7) Jixaatcöv für S" iaüarcov M, S' sHaarco der geringeren, Ganter, dafs die
geschichte nur diese einfachste änderung erträgt, wird unten klar werden.
8) üo&ovad-ai heifst 'sich aulrichten', das kann ein liegender, indem er sich
setzt, ein schlaft" gehender indem er 'sich richtet', ein sitzender auch, wenn er zu-
sammengefallen safs, indem er straffe haltung annimmt, aber das einfache ist ia
diesem falle, dafs er sich ganz 'gerade macht', also aufsteht, man bedürfte wahrlich
nicht der belege, die das lexikon bietet, um den wortgebrauch zu verstehen.
Uebersicht der ganzen scene. die rolle Athenas. 333
klar, da sie sowol vor der göttin stehend gedacht werden können, wie
auch die gottin während ihrer rede sich an den tisch begeben konnte,
auf jeden fall waren ziemlich viel requisiten in die orchestra gebracht,
nachdem sie gestimmt hat, proclamirt Athena noch ganz kurz das gesetz,
dafs Stimmengleichheit freisprechung bedeuten solle und ruft die richter,
denen das aufgetragen ist, herbei, den inhalt der urnen auszuschütten.
die vorletzte seite des Aristotelespapyrus führt uns diese commissare auch
vor, nur dafs 458 weder die ungeschlachten stimmkreisel noch der
durchlöcherte tisch existirte, in den sie gesteckt wurden um gezählt zu
werden, während die steine ausgeschüttet werden, rufen die parteien
ein par worte der erwartung; Apollon fordert die commissare auf,
richtig zu zählen, rasch ist's getan , denn sie überreichen Athena die
geordneten stimmsteine (so weit dürfen wir der späteren analogie
folgen ; es wäre zu töricht, wenn ein Statist der göttin das ergebnis leise
niitteiUe), die wol auch das publikum sieht: sie proclamirt das ergebnis.
(]i'V process ist beendet.
Athena ist der könig von Athen ; als solcher handelt sie überhaupt Die rolle
und als solcher übt sie den vorsitz des Areopages. der dichter hat durch
weises schweigen dieses drama aus aller Chronologie herausgerückt.
Athena kommt zwar vom Skamandros, wo sie das land vermessen hat,
das die Theseussöhne von Agamemnon als ehrensold erhalten haben (402),
(1. h. von Sigeion; aber diese Theseussöhne existiren für den dichter
nicht. Athena ist, wie sie es wirklich im fünften Jahrhundert geworden
war, die göttin zugleich und die personification des athenischen Staates.
als Vorsitzender des gerichts aber übt sie die functionen des jahrkönigs.
sehen wir jedoch genauer zu, so ist nur die beteiligung an der abstim-
niung, gewifs etwas wichtiges und hier ganz unerläfsliches , was nicht
ganz ebenso von jedem }je(.i(hv öiKaarrjQlov gelten würde, und so
steht es mit dem ganzen processe. alles was wir als besonders areopagitisch
kennen, ist fern gehalten, das absetzen des kranzes, das richten im
freien, im heiligtume, die steine des Verbrechens und der räche, die
feierlichen eidschwüre der parteien, die doppelte Verhandlung — nichts
Von all dem kommt vor, und gewifs würde manches dichterischer be-
liandlung sich eben so gut angepafst haben wie das abstimmen, stimmen
auswerfen und zählen, die religionen die den Areopag heilig und schauer-
lich machen hat Aischylos in den hedern der Eumeniden unseren herzen
nahe gebracht: aber die erhabenheit und den an die heilige vehme
erinnernden schauder des gerichtes nachzuempfinden mufs man Antiphon
lesen, wer für stilunterschiede empfänglich ist, dem mufs der abfall
331 111. 7. Der procefs der Eumeniden.
tler sehr mensclilicli athenisch gehaltenen procefsscene von dem epiloge
in seiner strengen schünheit und dem noch herb archaischen prologe
saramt parodos zum bewufstsein kommen, es ist ein stück in polygne -
tischen! Stile, während ringsum der stil der strengen schalenmalerei
herrscht, diese Athena und dieser Areopag sind 458 für die modern
empfindenden gedichtet, für die Verehrer des Volksgerichtes, und der
ganze procefs ist so gehalten, dafs er die formen allein hervorhebt, die
diesem gerichte mit jedem gerichte gemeinsam sind, der Areopag ist
nicht mehr als ein gerichtshof, und Athena erscheint viel eher als slifterin
des geschwornengerichles denn des Areopages.
Die ein- Wenden wir uns denn zu der rede, mit der sie das gericht für
SG tzun "^s—
redef die zukunft einsetzt, der rat hiefs rat, aber er war keiner mehr,
sondern nur noch ein gericht. um diese Stellung hatten die kämpfe
der jüngsten Vergangenheit getobt und dies war schliefsUch gesetz ge-
worden, der dichter konnte den unterschied weder übersehen noch
verschweigen, seine Athena hat sich ein consüium berufen, aus freier
wähl, weil sie sich nicht selbst getraute das urteil zu finden, sie macht
aus diesem consüium eine dauernde Institution, aber nur für die analogen
fälle, zur urteilsßndung in blutsachen. mit dem worte ßov/.i] und
ßovkevxriQiov verbindet der Hellene aber etwas ganz anderes, die Ver-
waltung, folglich kann der dichter den namen ßovA^ nur mit einem
distinctivum gebraucht haben und hat geschrieben
eoTcci Ö€ y.al xo Xoltzov ^iyecog atgaTU)
alel dr/xiGtiov tovto ßovXevTrQiov.
Der Schauplatz des dramas und des gerichtes ist bei Athena, auf
der bürg, die gottin läfst am Schlüsse ihre dienerinnen, die alten und
die jungen, aus ihrem hause hervortreten, die priesterin sammt den
■Aoa/Luö TQajteCto, sgyaorlvai ccQQrjcpoQOi und wie der hofstaat (Irr
gottin sonst heifst. diese geleiten die Eumeniden hinunter in ihre woli-
nung, zum Areopage. die theatralische rücksicht hatte so den dichter ver-
anlafst, den Schauplatz des ersten areopagitischen processes von dem Arcs-
hügel selbst auf die bürg zu verlegen, das war ihm auch erwünscht gewesen,
weil dadurch von selbst die züge des processes sich verallgemeinerten,
aber in der stiftungsrede mufste er doch den Areopag als sitz des richtcr-
rates bezeichnen: hier liegt auf dem orte und seinem namen das haupt-
gewicht. da lesen wir nun rtäyov d^ "Aqelov tovÖ' ^A/.iaL6v(ov edgav
o-/.rjvccg T6^), und dann folgt ein langer temporalsatz, der berichtet, wann
9) Auf dem Areopage haben die Skythen der polizeiwache ihre zelte gehabt,
nachdem sie vorher auf dem freien platze des marktes campirt hatten (schol. Ar.
I
Die einsetzungsrede. 335
der hügel sitz und lager der Amazonen gewesen war, und darauf aus-
geht, dafs der name Areshügel damals aufgekommen sei. dann erst geht
es fort £v de r([) aeßag ccgtiuv cpoßog re ovyysvrjg xb f^irj äöizelv
Gxr^OEL. also einfach ausgesprochen würde der gedanke sein "^und auf
dem Areshügel wird der richterrat als hört von scheu und ehrfurcht
seinen sitz haben\ das dazwischen stehende gilt nur der hervorhebung
des ortes, und dadurch dafs der name selbst am anfange und am ende
dieser digression steht, ist in der einfachen weise des dichters die
ghederung des gedankens wie der rede vollkommen deutlich gemacht.
nun könnte man geneigt sein, die constructionslosigkeit der ersten eben
ausgeschriebenen worte so zu entschuldigen, dafs der dichter erst eine
form des satzes im sinne gehabt hätte, die den accusativ rechtfertigte,
und als er darauf zurückkommt, die construction gewechselt hätte und
ev de T(ö gesagt, allein das ist falsch, denn es correspondiren not-
wendigerweise die Satzteile, in denen derselbe name Ttdyog "Ageiog steht,
was so grammatisch sich erschliefsen läfst, wird noch viel sinnfälliger,
wenn man sich die örtlichkeiten überlegt, das pronomen jtäyov ^'^qelov
Tovöe widerspricht der läge, man sieht den hügel nicht vor der front
des Athenatempels; man sieht ihn auch vom theater nicht, also ist die
corruptel und der sitz der corruptel erkannt, in rovöe mufs etwas
stecken das einen satz aus den Worten macht, also subject und praedicat.
damit ist so viel von einer sylbe gefordert, dafs eine möglichkeit zu
zeigen ziemhch dasselbe ist wie das wahre gefunden zu haben.
685 Ttäyov 6^ 'Lägeiov olö^ '^/.la^Svcov eÖQav
ay.rjvag d-' , oV rjld^ov QrjaecDg xara cpd-övov
GToaTr^larovoat zal nöXiv veÖtctoXlv
T7;(5''") vipbivQyov avr€7tvQyo)Gav rore
^'äqel r' %dvov, evdsv Igt' IrtiowLiog
690 TtixQa Ttdyog %^ ^.Ageiog' kv de rio Geßag
ccGTiüv (pößog %e Gvyyevrjg to (.tri adiY.elv
GxrjGeL Tod ") r/iiaQ '/.cd "/«t ev(pQ6vrjv oi-aog,
Acharn. 54). da die vasenbilder lehren, dafs diese Skythen schon zur zeit der
tyrannis bestanden haben, ist sehr zu bedenken, ob das lager der Skythinnen auf
dem Areopage nicht ein reflex dieser Verhältnisse ist. die vielbehandelte schlacht-
beschreibung des Kleidemos nimmt darauf keine rücksicht.
10) T^^' Kirchhoff für r^j^^e; dafs ein dativ fehlt, war längst gesehn, das
ddktische pronomen kann nur auf das bezogen werden was man sieht.
11) röS' läfst sich nur halten, wenn man wagt es trotz dem zwischengescho-
benen fößos Tfi avyysvrjS auf aißas zu beziehen, und an sich wäre sehr erwünscht,
dafs deutlich gesagt würde, das aißas läge in dem Areopagitengerichte. aber die
33G III. 7. Der procefs der Eumeniden.
avTcüv tcoIltiöv /.trj Ttiy.aivovvTiov r6f.iovg
YM/Mlg kyciQQoalOL'^^) ßogßÖQdj d' vÖcoq
695 lai-iTCQOv (.iLuiviov ovnod'^ evQrjOeig tiotov.
rb (.iiQT avaQxov (.irjre öeG7toTOV(.i€vov
aarolg TteQLorelXovai ßovXsvo) aeßeiv
y.al (.iTj To dsivov näv jtölEOjg e^co ßaXelv.
Tig yciQ deöoLxcog (.irjöev evdr/.og ßgortov;
700 tolovÖe tol ragßovvTeg evdiy.cog oeßag
%Qif.ia^^) xwqag /mI jcokeiDg acoTrjQLOv
eyßir av olov ovrig avd'QCOTttov exsi
OUT iv ^xidTjUiv ovTS TlsXojtog kv xönoig.
xegdöjv a^i/.zov tovto ßovlsvn'iQiov
705 aiöoiov o^vd-vf-wv evÖÖvzojv vtieq
€yQi]yoQog cpgovQTjua yrjg /.a&loTafiai.
TaVTTjV (.dv e§8T€LV l/ilOlg ^CaQCilVEÖLV
aOTolOLv kg %6 Komöv.
die gedanken werden auch weiter noch so fortgesponnen , dafs immer
die hauplwürter aufgenommen werden; man kann gar nicht fehl gehn,
wenn man dem dichter nur folgen will, das oeßag, worin sowol die
aulorität wie der respect vor ihr hegt, hält vor dem aÖLyelv zurück;
damit ist ein gefühl von furcht nalurgemäfs verhunden, avyyevrjg cpößog,
wenn dieses gefühl freilich erlösche, so würde auch seine consequenz,
der respect vor der autorilät und damit die gesetzhchkeit, öiYMioGiivri,
schwinden, wenn dagegen diese autorität in gesetzlicher weise respectirt
wird {xaqßovvTag hvdiy.cog oeßag, die drei hauptbegriffe kehren wieder,
nur einer ist mit einem synonymon , die andern mit demselben worte
bezeichnet), so hat Athen einen bort seines Staates, wie ihn weder die
härte ist wol zu grofs. rjuao wird mao immer am liebsten ano y.oivov von tcard
abhängen lassen; den artikel davor zu setzen, ist kaum angängig.
12) Ueber die schreibuug dieser zeile und die erhaltnng der überlieferten inter-
punction handelt Hermann vollkommen ausreichend, will man denn nicht einsehen,
dafs das sprüchwort nachgeschoben wird als begründung für den speciellen satz, in
diesem also das bild bereits begonnen sein mufs? ^
13) Ueberliefert ist eov/xa re ;i;«^«s; die partikel ist eben so unerträglich wi^
scheinbar für das versmafs unentbehrlich, denn eQVfia kann correct nur ein tribra-
chys sein, aber bei Euripides Phoen. 9S3 ist ri dijr^ sQVfid fioi ysvT^aerai, über-
liefert mit der erklärung (pvlayua, noia fie nöXis aooaei, also genau in derselben
bedeutung. wer bei W. Schulze quaest. ep. 317. 325 ffg. die menge richtiger und
falscher formen von den im griechischen gleichlautenden stammen j^eqv- und as^-
übersieht, wird sich nicht wundern soifia QVfia eolfta neben einander zu finden.
Die einsetzungsrede. 337
liarbaren noch die Hellenen sonst besitzen (für die Hellenen setzt er
um des krieges willen die Peloponnesier, wie Sophokles OK 695, die
svvof^ioif-isvoi ^TtaQTiccTai sind gedacht, und für die barbaren nicht
die verachteten knechte Asiens, bei denen nur reichtum ist, keine tilgend,
sondern die ykay-Torpcr/oi aßiot örKaiozaroi avd-QuiTicov). bis hierher
die Vorbereitung: hier aufhören hiefse die säule ohne capitell lassen,
denn was wir gehört haben, war nur "^ein solcher richterrat wird in
Athen immer bestehn, auf dem Areopage, und so lange er besteht, wird
Athen einen unvergleichlichen hört besitzen^ was aber der richterrat
leisten wird, worin er sich als bort beweisen wird, das fehlt, und es
fehlt das schöpferwort der konigin göttin, die einsetzung selbst, beides
liefern die verse die hier stehen, sie stehen asyndetisch; die göttin macht
eine pause; sie holt tief atem zu dem feierlichsten schwerwiegendsten
Worte, sie kann sich nicht genugtun mit attributiven beiwörtern: das
eine kurze entscheidende '/.ad^iGra/nca macht den schlufs. simpel pro-
saisch ist was sie sagt ^und so creire ich hiermit den Areopag\ poetisch
bedeutend sagt sie, für den gedanken durch das pronomen genügend
verbindend 'diesen rat, den eigennutz nicht berührt,") den träger der
aidcog, des grimm scharf ist, der wachsam die sorge für die schlum-
mernden in Athen übt, den stifte ich', aber was stiftet sie damit? den
Verwaltungsrat, der bis 462 Athen beherrscht hat, oder den blutgerichts-
hof, der seit Ephialtes nur noch besteht? bei den modernen kann man
erfahren, dafs sie. den Areopag zum nachtwächter einsetze, was aller-
dings eine neuerung gewesen wäre, da es erstens keine nachtwächter
gab, und zweitens der Areopag mit der sicherheitspohzei niemals etwas
zu tun gehabt hatte, gegen solche IwTtodvTat der poesie sollte wahr-
lich die aTtaycoyi] noch gelten, die Unbestechlichkeit ist eine tugend,
die der richter so gut wie der Verwaltungsbeamte besitzen soll; in der
finanzverwaltung hatten die Areopagiten sie noch jüngst nicht gerade
gezeigt, dies praedicat beweist nach keiner seite. wol aber ist die
aldwg zu hause bei dem gerichte, das wo sie möghch ist die aldsaig
zuläfst, und nur wo die avaiösia klagt und rächen will, seinen
6§vg d-v(.i6g beweist, strafend und tötend: das äuge der staatlichen
rechtspflege wacht für die schlafenden, die toten, wie die antike erklärung
einfach und richtig lautet, die schlafenden, sagt der dichter dafür, wie
er sie die blinden (322) und die blödsichtigen (388) nennt, immer
14) xsqSoJv ä&ixTos sagt der dichter, xQtjfiäzcov y.osiaacov Thukydides: aaw-
Ssxaaros würde dieser als niedrig verschmäht haben, Aischylos hat die Aixov Ssxäs
schwerlich überhaupt kennen können.
V. Wilamowitz, Aristoteles. II. 22
338 m. 7. Der procefs der Eumeniden.
durch den gegeiisatz verdeutlicht, was Athena eingesetzt hat ist nichts
als der richterrat, als der Areopag, der 458 zu rechte bestand und immer
bestanden hat.
Athena warnt sehr nachdrücklich davor, durch neue schlechte ge-
setze das gefühl der scheu im volke zu vertilgen, die achtung vor dem
Areopage zu zerstören und die rechte mittelstrafse zwischen anarchie
und knechtschaft zu verlassen, ob 458 eine Strömung bestand, dem
Areopag auch noch seine letzten richterlichen aufgaben zu entziehen,
wissen wir nicht, aber dafs anarchie oder zuchtlosigkeit an diesem
gerichte gehangen hätte, kann man schwerlich behaupten, worauf
zielt also der dichter mit seinen Worten, die ihm heiliger ernst sind?
gegen die reform des Ephialtes hat er nichts; ob er sie empfohlen haben
würde, stehe dahin, aber er stellt sich durchaus auf den boden des
gesetzes. die antwort ist nicht auf dem gebiete des Staatsrechtes zu
Die rolle suchen , soudem auf dem der rehgion. Aischylos ist kein politikor,
""■^"'sondern ein dichter, ein religiöser lehrer seines volkes, darum hegt ihm
an den Obliegenheiten des Areopagitenrates nichts, an den Eumeniden
alles, sie sollen trotz allen reformen und trotz aller demokratie die
furchtbaren zugleich und die gnädigen bleiben, wo er das aus sich
direct aussprechen kann, ist die Wirkung eine reine; hier aber dürfen
wir ein gewifses misverhältnis nicht beschönigen, daraus entstanden,
dafs der Areopag als gerichtshof weder jenes für das sittliche gedeihen
des Volkes notwendige öslvÖv mehr ist, noch ein egifia awrrJQiov Athens,
die kritik ist berechtigt, allein sie wird uns das grofsartige document
athenischer und aischyleischer religiosität nicht trüben, und vor allen
dingen dürfen wir nicht das gedieht misdeuteu, um mehr in ihm zu
finden.
Dafür hat der dichter selbst gesorgt, was Athena 696 — 702 ihren
bürgern ans herz legt ist genau dasselbe was die Erinyen 516 ffg. ge-
fordert haben, ta^' onov rb öetvov ev — i,irir^ avagy.Tov ßiov (.nqre
de07tOTOVf.i€vov aiveor^g' Ttavrl (.liooj t6 yigärog dsog wTtaGev. das
singen die göttinnen vor dem processe, im anschlusse an ihre forderung,
dafs der muttermörder strafe leide, es ist schlechterdings nichts anderes
als dieser eine rechtshandel in frage, an dessen entscheidung die ganze
sittliche weltordnung hängen soll, wenn das hier möglich ist, ist es
das auch in Athenas rede, und darf man die Verfassungsänderung des
Ephialtes nicht hineinziehen, das sichert die erklärung von Athenas
rede, aber es verschiebt zunächst nur die eigentliche lösung der Schwierig-
keit, also noch einen schritt weiter.
Die rolle der Erinyen. 339
Die ErinyeQ sind im ersten teile des dramas Scheusale, harpyien-
artig, schweifshundartig, blutdürstig, gottverhafst , teuflisch, sie haben
die aufgäbe, die Verbrecher die sich mit verwandtenblut befleckt haben
zu hetzen, ihnen das blut auszusaugen und selbst in der unterweit sie
zu peinigen, sie sind unentbehrliche organe der göttlichen gerechtig-
keit, aber sie verhalten sich zu den gultern wie der henker zum richter.
der dichter hat sich nicht gescheut, die fratzen der rohen volksphantasie
und der rohen kunst, die eigentlich schon überwunden waren, aufzu-
nehmen , und so grafs ist die erscheinung , dafs er um sie zu mildern,
den prolog vorgeschoben hat, damit die Schilderung dem anblicke vor-
aufgehend die gefühle des entsetzeus und abscheus mildere, noch der
deof-iiog v(.ivog gibt, wenn auch in jener grafsheit, die das abscheuliche
poetisch erträglich macht, nur diese hollischen Erinyen. das zweite
grofse hed, dem jene mahnungen entstammen, greift schon tief in das
eigentlich ethische über, "wer die gerechtigkeit aus freiem willen übt,
kann nie unglückUch werden, und wird nimmer ganz zu gründe gehn",
»las ist eigenthch zu hoch für die blutgierigen rachegeister. dann folgt
der procefs und die freisprechung des Orestes, gegen diese bäumt sich die
liüllische wut der Erinyen auf; sie äufsert sich ganz in der weise die
ihrer erscheinung entspricht, worüber sie sich beschweren, ist, dafs
geschehen sei , wovor sie gewarnt hatten , also der thron des rechtes
umgestürzt, das öslvov aus der weltordnung beseitigt, der Zuschauer
weifs das besser, vorausgesetzt dafs er an Athena glaubt, das volks-
yericht ist eingesetzt, als träger jenes öelvÖv, jenes asßag für alle zeit,
der conflict ist für ihn innerlich bereits gelöst, die räche ist von den
liüUendämonen auf den Staat übergegangen, und die gesellschaftsordnung
Ideibt gesichert, es ist aber vom höchsten werte dafür, dafs Athena dem
Areopage dieselben sitthchen guter zu wahren ans herz legt wie die Eri-
nyen, dafs das Ued und die rede so genau einander entsprechen, und
nicht minder wertvoll ist es, dafs diese rede dem Urteilsspruche unmittel-
bar vorhergeht, in dem die stimmen gleich sind und nur deshalb die
mildere auffassung siegt, jene rede ist der schlufsstein des dramas: sie
zu verschieben, zerstört seinen aufbau, sie zu beseitigen ist die Zerstörung
des ganzen, aber für die handlung ist mit der Überwindung der rache-
daemonen das ende noch nicht erreicht, dazu müssen sie versöhnt
werden und am Areopage ihre ruhestätte finden als die göttlichen träge-
rinnen des oeßag und des Ö€i,v6v, das ihn hinfort umschweben soll.
sie waren bluträcherinnen, er wird blutrichter: aber das oeßag ist nun
viel höher und heihger. die segenssprüche der Eumeniden gelten der
22*
340 III- "• Der proceTs der Eumeniden.
menschlichen gesitteten gesellschal't , gelten dem Staate, der Stadt, die
der allmächtige Zeus und Ares (der herr des luigels) ehren als die be-
schirmerin der Hellenischen gottesdienste*'^), erflehen sie zunächst den
segen der natur, das was aus dem schofse der erde kommt, in der sie
selbst wohnen, erntesegen, reiche herbste, gedeihen des viehes und
finderglück in den laureotischen bergwerken. dann geht es weiter zu
dem gedeihen des menschlichen jungen nachwuchses und zO den be-
deutenden politischen wünschen, bewahrung vor hürgerzwist und bürger-
krieg: so sollen die Athener leben sv aiotf.iiaiai Jtlovrov. um sieg
wider äufsere feinde liatte Pallas nicht erst gebeten: den kann und wird
sie selber schafl'en (913). wenn sie dieses alles verheifsen können, so
sind die Eumeniden selbst andere geworden ; sie garantiren nicht mehr
blofs die strafe des mordes, sondern die äufserbche und innerliche ge-
sundheit des Staatslebens, und in diesem sinne entspricht ihnen freiUch
nicht mehr der blutgerichtshof auf den Areopag, sondern nur die rechts-
ordnung die Athena selbst repraesentirt, der attische staat. also was uns
in der bedeutung des Areopages und in dem Charakter der Eumeniden
gleichermafsen zunächst befremden mag, das lost sich so, dafs Aischylos
zwar in der fabel die er dramatisirt nur den gerichtshof und nur die
rachegottinnen vorlindet, dafs er aber das nur als exempel für die höhere
Sittlichkeit des staatlich geordneten lebens gegenüber der blutrache ver-
wendet, und wie er es immer tut, seinem volke sagt: die götter, an die
wir glauben, sind andere als die der sage und sind doch diesell)en; sie
haben sich mit der reineren frömmigkeit in unserem herzen selbst ge-
reinigt, nur so können wir sie verehren, aber so müssen und dürfen
wir es tun. er setzt die Erinyen freilich gevvissermalsen zur ruhe; aber
erst dadurch dafs sie Eumeniden werden, werden sie wirkHch zu göttin-
nen.'^) die weltordnung, in der wir leben, ist die des Zeus und der
15) Qvaißcofiov 'EXXdvcov ayaXfia Saifiövcov 920. dies an Athen hervorgehoben,
an so bedeutsamer stelle, gemahnt an den perikleischen antrag auf eine gemeinsame |
herstellung der von den Persern zerstörten heiligtümer. die zeit desselben ist auf
lauter unsichere anhaltspunkte hin verschieden bestimmt worden, ich möchte nichts
versichern, aber in dieser zeit, wo Athen in der amphiktionie einen anhält zur na- i
tionalen einigung sucht, würde ein solcher versuch auch sehr gut denkbar sein. I
16) Dafs in Wahrheit die 2ey.vai d'eaL, die EvfitviSes ihrem wesen nach viel-
mehr so umfassende chthonische mächte waren, wie sie der schlufs zeigt, und als
Iloival 'Aoai 'Eoivrse nur ausgeartet durch die einseilige ausbildung einer seile ihres
Wesens, ist zwar nicht schwer zu zeigen, führt hier aber zu weit ab. der diclilcr
hat selbst schwerlich geahnt, dafs er die göttinnen auch historisch richtig verstelioii
lehren könnte. '
i
Die tendenz des dichteis. 341
Atliena : was das erste lied des Agamemnon verhiefs, ist erfüllt, die x^^Qt^a
daif-iöviov hat sich manifestirt.
Wenn die Athener aus dem theater kamen, konnten die anhänger Die ten-
des Ephialtes sagen "der alle meister ist für uns. er ist mit unsern dichters.
gesetzen ganz zufrieden, sein Areopag ist auch nur eine heliaea." und
die anhänger des alten konnten sagen "er ist wider die bürger, die mit
üblem zugufs die gesetze neu machen wollen und durch ihren schmutz
die reine quelle verderben, er ist wider die zügellosigkeit des demos."
beide hatten nicht unrecht und beide hatten doch nicht recht, der hehre
meister stand über ihnen; er sah, wie sich die silten und meinungen
und gesetze und gütter ewig wandeln, das eine aber ewig darunter das-
selbe bleibt, recht und Wahrheit, menschenadel und gottesreinheit: ek
d vyisiag (pqevwv 6 Ttäoiv cpilog y.al rcolvEv/.Tog o?.ßog.
So stand er, obwol in jeder über seines wesens ein Athener und
ein ächter söhn seiner zeit, doch als dichter hoch über den parteiungen
des tages. das gedieht im ganzen ist nicht vom momente eingegeben
noch für den moment berechnet; aber wol ist in ein par nebendingen
eine solche berücksichtigung der gegen wart vorhanden, das eine ist
allbekannt, die einführung des argivischeu bündnisses, das er gewifs
nicht erst selbst in die urzeit verlegt hat; es hatte unter Peisistratos
bestanden und manches deutet auf ältere bedeutsame beziehungen, zu
denen vielleicht selbst der Eumenidencult gehört, das andere ist die
aussieht auf gewaltige äufsere kämpfe und die Siegeszuversicht (864.
914), die gerade 458 sich erfüllt hat. aber die furcht vor bürgerzwist
war vor der schlacht bei Tanagra auch gerechtfertigt, nach dieser
richtung stehen zwei sehr bedeutende äufserungen hier, die ein wort
der erläuterung heischen. 909 bittet Athena die Eumeniden, die men-
schen gedeihen zu lassen rtov dvooeßovvriov ö^ excpoQCüTega Ttekoig'
oregyco yaQ avÖQog (piTvicoii-ievog öizr^v ro rcov diKaUov rtovd
a7cev^)]Tov ytvog. die unfrommen möge sie lieber entfernen, da Athena
es macht wie der — gärtner oder hirt? die ausleger sagen gärtner.
ich weifs nicht warum, denn cplTv ist nicht pflanze sondern cpvT£v/.ia,
und steht von der pflanze (Soph. fgm. 803) so gut wie vom vieh (Eupol.
Autol. 8). cpLTV7toii.iriv ist der hirt, der Viehzucht treibt, nicht blofs
vieh weidet, und worin beruht die vergleichung ? beim gärtner kann man
sich gar nichts denken, und beim hirten auch nicht viel, wenn er blofs
gern hat, dafs seine gute herde nicht geschädigt wird, das hat mit dem
satze, den es begründen soll, twv dvaasßovvTcov ezcpooioTSQa itiloig
nichts zu tun. aufserdem aber ist das deiktische pronomen Tiövbe. ganz
342 IH- '. Der procefs der Eumeniden.
verkehlt, da Alhena hüchstens auf das publikum zeigen konnte, hier
niul's geändert werden; der genetiv ist durcii angleichung an die vor-
liergehenden worte entstanden, aus dem dativ. "die gottlosen kannst
du ruhig vertreiben, denn ich liebe es wie der Viehzüchter, dafs die
herde der gerechten nicht durch jene geschädigt werde." Athena wünscht
die räudigen schafe ausgerottet, damit die herde nicht angesteckt werde,
das ist gewifs nicht bedeulungslos.
Die andere stelle ist heil, 950. die Eumeniden singen (.irjöe Tiiovoa
7t6?ug f-ikXav ai/iia fco'Uräv di OQyav Tioiväg avTicpovovg arag ccq-
7taXloai uöleiog ' '/^^ÜQf.iara 6 avTiöidolEv y.OLvo(piXel diavoia y.al
arvyelv {.ncc cpQtvi. "die erde, die bürgerblut getrunken hat, möge nicht
im streben nach räche sich für die Stadt unheilvolle Vergeltung durch blut
nehmen, sondern sie mögen handlungen über die man sich freuen kann
ixägi-iaxa, nur etwas stärker für y^aQLxag) zum entgeh geben in der
gesinnung allgemeiner freundschaft und ebenso Übereinstimmung im hafs."
also blut ist vergossen und nicht gesühnt, aber die Eumeniden raten,
statt es durch neues blut zu rächen , die beleidigten durch guttaten zu
versöhnen, so dafs die gemeinsamen gefühle in hafs und liebe regieren
kininen. das ist keine allgemeine wendung, denn es setzt den con-
crelen fall voraus, dafs eine ungesühnte blulschuld da ist. setzt man
in rechnung, dafs Ephialtes nicht lange vorher, wol erst 460/59, von
unbekannter morderhand erschlagen war, dafs die erbitterung seiner
anhänger wider die gegenpartei heftig entbrannt sein mufste und diese
gegenpartei mit Sparta conspirirte, so wird mau schwerhch ablehnen
können, dafs der dichter seinem volke die mahnung gibt "^hadert nicht
um den toten, sondern steht zusammen wider die gemeinsamen feinde,
und beschwichtigt die erregung über den mord des Ephialtes durch Zu-
geständnisse', wieder konnten beide parteien ihn zu den ihren rech-
nen; die leute Kimons mochten Ephialtes für das räudige schaf ansehen,
die demokraten seine mörder. es ist des propheten recht, doppel-
sinnig zu reden, ganz verständlich ist nur das göttliche urteil über das
geschehene und die allgemeine mahnung für die zukunft. diese haben
die Athener beherzigt: sie haben der demokratie Meiler nachgegeben
und in eintracht wider die äufseren feinde zusammengestanden, bei Ta-
nagra und Oinophyta.
DIE ZEIT DEß THESMOPHORIAZUSEN.
Wir verdanken die Thesmophoriazusen allein dem Ravennas, und
in dem feblt die hypothesis. aber die scholiasten haben die hypothesis
gehabt, und die hypothesis gab die aufführungszeit des Stückes auf grund
der urkundlichen didaskalie. wenn sich also zeigen läfst, wie die schollen
das Stück datirL haben, so ist damit eine urkundliche Überlieferung er-
reicht.
Die scholieu setzen die aufführung in das jähr des Kalhas aus Das über-
Skambonidai 412/11, also, da die Lysistrate die Lenaeen occupirt, auf die datum!
Dionysien, mitte elaphebohon 411. drei stellen beweisen jede an sich
dasselbe, schol. 190, Euripides war ein greis, f/r« yovv etel vozegov
T£/.evTc<. er starb unter Antigenes, winter 407/6. schol. 804 XaQi.ilvog
TtSQi 2cii.iov ovveOTQaTr]y)]06 YMTa xov v.ulqov tovtov rolg tceqI QiQvvi-
yov}) beide waren unter Kallias Strategen; Phrynichos ward im juli 411
ermordet, schol. 841 enaLvel tov ^ccf.iaxov vvV rjörj yag STsd-vrjA€i
ev ^r/.eUa retaQxo) exti TtQÖtsQov. er fiel unter Charias winter 415/14.
verdorben ist auf alle fälle schol. 52, von Agathon, ov 7tcc?Mi rjQ^aro
diöäoy.Eiv , a/JM rgial tiqo tovtov etboi, da Agathons sieg unter
Euphemos, Januar 416, fällt: aber ob man aus der 3 eine 6 oder 7
macheu will, ist in griechischer schritt gleich leicht.
1) Es folgt ein wertloses scholion avrsfiu/^r^ae ya-Q (pqvvi%co ev 0Qqy.r, 6 Xuq-
füvos y.ai i'acos oiSiv aswy.oyov ETzoa^ev. dafs dieselbe handsclu'ift dasselbe scholion
der alten ausgäbe, die sie repraesentirt, in zwei fassungen gibt, nämlich durch ein-
tragung aus verschiedenen exemplaren, ist ganz gewöhnlich; unsere ausgaben würden
gut tun, das zu bezeichnen, in den kärglichen schollen der Thesmophoriazusen
z. b. 21, 339, 346, 389, 393, 423, 560. 61, 948. die quelle der richtigen bemerkung
kann Thukydides sein, braucht es aber nicht.
344 III. S. Die zeit der Thesmophoriazusen.
Zu demselben resultale führt eine andere rechnung. AristopliaiK s
sagt selbst, dafs die Andronieda des Euripides voriges jähr {negvoir)
gegeben war (1060); schol. Früscli. 53 setzt sie in das achte jähr \ur
diese, also unter Kleokritos, frühjahr 412. und später kann sie nirlit
fallen, wenn wir den scholiasten glauben, wie wir müssen, dafs der veis
Lysistr. 963 einen der Andromeda parodirt.
Wir sind demnach verbunden, die urkundliche datirung_ zum aiis-
gangspunkte zu nehmen, was spricht nun dagegen? in Wahrheit nur
eines. 808 fragt der chor cc)X Evßovlrjg rtov jtkovöLv rig ßov).evxv)v
eOTiv af.i€ivcov Ttagadoig ttiQU) Trjv ßov?.siav; ich gebe bereitwillig
zu, die beste beziehung ist vorhanden, wenn wir an den rat denken,
der am 14 thargelion des Kallias, mal 411, dem neuen rate der 1<)(»
platz machte, wenn der vers acht wochen vorher gesprochcü ist, so li;ii
er sich seltsam an dem rate bewahrheitet, der ihn im Iheater vorsitzoinl
anhörte, aber der scholiast, der notirt ro olov o tl ßovXeTai oiy.
ioxL Gacfig, hat an diesen für jeden, der den Thukydides kannte, nahe-
liegenden Vorgang nicht gedacht, und umstofsen kann diese deutung
eines verses, die wir machen, unmöglich eine; urkundliche datirung. der
rat des jahres 413/12 hatte geduldet, dafs über ihn die probulen gesetzt
wurden, darauf hat 0. Müller den vers bezogen, und selbst R. Scholl
(Comm. Momms. 454) bestreitet die möglichkeit dieser beziehung nicht,
der rat, der zur zeit der Thesmophoriazusen im amte war, hatte die
probulen über sich, er hatte also auch keine autorilät und hat sich zwei
monate nachher geduldig aufgelöst, auch damals schob man, wie die
bekannte anekdote von Sophokles zeigt, den probulen die hauptschuld
zu. es pafst also wahrlich der Vorwurf gegen den rat von 412 "ihr
habt die praerogative eurer körperschaft an eine andere behürde tiber-
gehen lassen", auch wenn der rat noch weiter existirte. wenn sich der
nächste rat zu gunsten eines anderen rates ein par wochen vor dem ge-
setzlichen ftagaöidövccL rrjv ßovAeiav aufgelöst hat, würde der vers mit
veränderter bedeutuug darauf noch besser passen? ich glaube es nicht,
denn jeder rat gibt wie dieser die ßovlsia an einen naclifolger ab,
eriQO) pafst meines erachtens besser auf eine andere behörde. aber
besser oder schlechter: das stöfst keine didaskalie um.
Da sagt man aber weiter, wenn der rat zu gunsten der probulen
in den hintergrund getreten war, so sollte in den Thesmophoriazusen
ein probule auftreten wie in der Lysistrate, kein prytan. das ist eine
durchaus ungehörige anwendung der richtigen beobachtung, dafs die
beiden repraesentanten der Staatsgewalt dramatisch dieselbe rolle spielen.
Das überlieferte datuni. persönliche anspielungen. 345
in Athen haben tatsächhch probulen und rat neben einander fungirt;
dafs der dichter schon um zu wechseln in zwei fast gleichzeitigen stücken
zwei verschiedene beanite einführt, würde man ihm nicht verargen dürfen,
auch wenn er mit einem und demselben ausgekommen wäre, aber so
steht es nicht, in den Thesmophoriazusen hat ein mensch groben un-
fug getrieben ; davon wird der polizei , also dem permanenten ratsaus-
schusse, anzeige gemacht (654). dieprytanen erwirken einen ratsbeschlufs,
der auf die Verhaftung des schuldigen geht (943), und diesen führt ein
prytan (einer, aus dramaturgischen rücksichlen) mit einem polizisten aus.
lediglich aus dramaturgischen rücksichten kommt der block zum arrestan-
ten, statt der arrestant ins gefängnis. wie in aller weit könnte man
hier die probulen bemühen? war das eine aufgäbe für Sophokles den
neunzigjährigen oder sonst einen der höchstgestelUen und geachtetsten
bürger? dagegen in der Lysistrate wird das auftreten des probulen
damit motivirt, dafs er sich gerade geld von der bürg holen will (421).
in der streitscene mit Lysistrate handelt es sich um krieg und frieden,
um die acorrjQia Tijg ftokscog, also gerade um das, wofür das volk die
probulen eingesetzt hatte, deshalb brauchte Aristophanes hier diesen be-
amten, und dann erheischte wieder die dramaturgische Überlegung, dafs
er demselben auch das commando in dem treffen mit den weibern über-
trug, das an sich eben so gut und vielleicht besser der rat gehabt haben
i würde, auch in der Verhandlung mit den spartanischen gesandten war
der probule allein am platze; übrigens bezeichnet er seine competenz
sehr genau, indem er erklärt, einen antrag im rate, und zwar mit aulo-
j ritativer gewalt, auf die erwählung von generalbevolimächtigten gesandten
einbringen zu wollen (1011).") der rat fungirt also genau so normal und
genau so machtlos wie es die geschichte von 411 zeigt. Aristophanes
konnte 411 in beiden fällen gar keine andere behörde einführen, als er
eingeführt hat. die Lysistrate kann um des probulen willen nur 411
gespielt sein; der prytan der Thesmophoriazusen beweist überhaupt gar
nichts für die zeit des Stückes.
Politische personen werden sehr wenige erwähnt: niemand von den Person-
. liehe an-
411 so schwer compromittirten, niemand auch von den tüchtigen männern, spielungen.
die durch die hellespontischen erfolge Athen unerwartete rettung aus
j 2) Die wähl von gesandten steht natürlich beim volke allein, das volk ist
; an die tagesordnung des rates gebunden, die probulen aber sind offenbar com-
jpetent, den rat anzuweisen, den gegenständ auf die tagesordnung zu setzen und
I eine Versammlung des volkes zu berufen, so behandelt das volk selber im vierten
ii Jahrhundert den rat.
346 III- 8- I^ie zeit der Thesmophoriazusen.
der verzweifelten läge des sommers 411 brachten, das erzwingt niclits,
darf aber nicht unbeachtet bleiben, dafs Kleophon, der für uns 410;
zuerst hervortritt, dem Aristophanes schon 411 widerlich sein konnte (805),
wird man nicht bezweifeln, es wäre nicht hübsch, wenn Aristophanes
die mutter des Hyperbolos 410 in weifsera festgewande eingeführt hätte
(840), da der söhn im sommer 411 klüglich umgekommen war (Tb. 8, 42);
aber vielleicht war Aristophanes so unzart. "Charminos hat_ durch die
tat bewiesen, dafs er schlechter als Navöif-iäyri ist (804).^' es ist kaum ;
denkbar, dafs er, der für uns nach seiner Strategie 412/11 verschwindet,
in der er in den ersten zwei monaten 411 eine schlappe mit einer
tlottenabteihing erlitt, von Aristophanes 410 gegeifselt worden wäre, als
nicht blofs Navoif.iäx^], sondern NaiOLvr/.i] dank Thrasyllos und Alki-
biades bei den attischen schilfen war. eine anspielung auf ein bestimmtes
factum enthält noch 811 "eine frau tut so etwas nie, dafs sie erst sum-
men von 50 talenten aus dem Staatsschätze stiehlt und dann noch mit
einem maultiergespanne auf die bürg fährt", das factum kann ich nicht
aufzeigen, denn das erkennungszeichen der stolzen fahrt, das für das
])ublikum am deutlichsten gewesen sein wird, hilft uns nichts, aber
vielleicht kennen wir den dieb.
Unter dem archon Glaukippos und zwar schon von der ersten pry-
tanie an, juli 410, war der Staat darauf angewiesen, seine bedürfnisse
durch anleihen bei der güttin zu befriedigen; aber auch diese besafs
keinen schätz mehr, sondern mufste ihre laufenden einnahmen sofort
zur Verfügung stellen (CIA I 188). aus dem schätze der gottin hatten
die 400 rücksichtslos ihre bedürfnisse befriedigt und ende Hekatombaion
411 auf einen streich über 77 talente entnommen (CIA IV p. 162). die
Zeiten, wo jemand posten von 50 talenten auch nur zu gesiebte bekam,
waren jetzt vorüber, es ist nicht sehr vertrauenerweckend, dafs die
Verlegung der Thesmophoriazusen auf das frühjahr 410 diebstähle von
solchen summen in eine zeit rückt, für die sie eine arge Übertreibung
sind, weil es gar nicht mehr so viel zu stehlen gab. ein jähr früher
ist dagegen die gelegenheit durch eine bedeutende finanzoperation ge-
geben gewesen und benutzt worden, auf die nachricht, dafs Alkibiades
Chios zum abfalle bewogen hätte und in lonien weiter griff, hatte das
Volk im frühjahr 412 beschlossen, den reservel'onds von 1000 talenten
anzugreifen (Thuk. 8, 15). Zahlungen aus demselben begegnen in der
rechnung aus der ersten prytanie des Kallias, Hekatombaion 412 (CIA
1 184), und Philochoros mufs durch die menge von solchen Zahlungen
in diesem jähre dazu verleitet worden sein, im Widerspruche zu Thuky-
Persönliche anspielungen. die Stimmung in den chorliedern. 347
*' dides und erweislich falsch zu berichten, dafs der reservefonds erst unler
Kallias in angriff genommen wäre (schol. Ar. Lys. 173). nun hat ein
ratsherr, ein uns unbekannter aber notabler poliliker, der Sprecher von
Antiphons sechster rede, im frühjahre 412 eine eisangelie gegen eine
anzahl leute, unter ihnen einen gewissen Philinos und den unterschreiber
der thesmothelen, auf Unterschlagung beim rate eingebracht und trotz
allen versuchen der gegner, die Verhandlung zu verhindern, ihre Ver-
urteilung erwirkt, das erzählt Antiphon sehr lebhaft 6, 35. 50. er hatte
auch die rede gegen Philinos für denselben Sprecher verfafst.^) das war
■■lalso eine hauptactiou im sommer 412, viele processe spielten sich neben
und hinter einander ab; der grofse redner, das geistige haupt der um-
sturzpartei, stellte seine kunst in den dienst der demagogen, welche an-
gebhch oder vielleicht wirklich die unterschleife der beamten, der Ver-
trauensmänner des Volkes, an das licht zogen, eine berücksichtigung
dieser dinge ist im elaphebolion 411 eben so natürlich wie 410 un-
begreiflich.
Und doch sind für mein gefühl alle diese einzelheiten nicht ent- Die sUm-
scheidend. um so mehr ist es die ganze hallung und Stimmung des den'dior-
dramas. Aristophanes hält sich diesesmal fast ganz fern von den offent-
3) Die genaue datirung ist von Scholl in dem schönen aufsatze der Comment.
Momms. gegeben. Blafs hat von ihm keine notiz genommen und beurteilt die ganze
rede falsch, aber ihre rhetorische Würdigung erfordert eine besondere abhand-
lung. die tendenz des redners geht viel weiter als in diesem processe zu siegen;
es ist ein politischer kämpf, in dem der handel (pvvov dxovaiov nur eine episode
ist. der Sprecher aber, eines sinnes mit dem redner, stellt sich dar als der Ver-
fechter der alten ehrlichkeit und der strengen religiosität der väter, übt dagegen
alle künste der modernen demagogie. so redet einer, wie wir uns die oligarchen
von 411 zu denken haben, leider kann ich über seinen namen nichts vermuten.
auf seiner seite hatte bei den klagen wegen Unterschlagung ein Lysistratos ge-
standen, den ich unter den trägem des namens auch nicht zu bestimmen wage,
36 tovr ovy. ctt' auol tcocotov eiirjxavr^aavxo <Pi?.lvos y.al ol k'regoi aXXa xai inl
AvaiaTodrcp oToäxEQov, cos avrov {avroi codd.) vfisls r-y.ovaare. (die Verbesserung
ist notwendig: «vrot würde ja dasselbe gericht voraussetzen; aber vor dem Palladion
war doch nicht die andere Sache auch, und woher hatten die richter es gehört?).
dafs die rede des Antiphon wider Philinos yJ.ojir,? war, bestätigt sich in wünschens-
werter weise durch ein scholion BT zu r 368, wo als beleg für den gebrauch des
genetivs als musterbeispiel steht ' iyoa\päfir,v <Pillvov y.lorcr^i . jenen Philinos hatte
vielleicht Eupolis in den Stadien entweder auf die bühne gebracht oder von der
bühne herunter im publicum angerufen 6 <Pi/.ivos oiros, ri äqa Ttoos xavri}v ßXd-
TtsiSj ovx anolißä^Eis sii anoiy.iav xivä; (28 Mein.) aber der in Athen nicht (wie
in Kos) verbreitete name ist doch nicht selten genug, um die Identification zu
sichern, er deutet in Athen nicht auf die höheren gesellschaftskreise.
348 III. S. Die zeit der Tliesmophoiiazusen.
liehen dingen, spielt mit Euripiiles und den weibern und bietet eine
kunst auf, die ihm sonst fremd ist: er schürzt und lost eine intrigue.
das mochte er immer tun, wo es ihm die Muse eingab; es kann nicht
verlangt werden, dafs er ausschliel'slich politisire. indessen ein teil seines
lustigen spieles weicht davon ab und redet zwar nicht direct vom Staate,
aber spiegelt die hauptaction des staatlichen lebens wieder, die Thesmo-
phorien werden auf der pnyx in den formen der Volksversammlung ge-
halten, in wie weit der wirkliche cultus dem dichter einen anhält für
diese fiction bot, ist unbekannt; er hat sie aber viel weiter ausgeführt
als für die fabel seines Stückes notig war. hundert verse schildern die
erolfnung, so ausführlich, dafs die modernen einen teil davon wog- ^
geschnitten haben, weil sie nichts als Wiederholungen darin fanden, die 1
scene beginnt mit einer proclamalion in prosa, einem gebete, das sich
zunächst an die Thesmophoren und ihren golterkreis wendet, aber als
inhalt der Verhandlungen und gebete bereits neben das wol der frauen
auch das des df^fiog ^Ad-rivaiiov stellt, die frau die diese proclamation
spricht schliefst mit dem apollinischen rufe iri Jiauöv und dem wünsche
■^freude sei mit uns\ der chor, der sich nun gesammelt hat, nimmt den
wünsch an und nimmt das gebet auf, richtet es aber an die grofsen i
gotter Zeus Apollon Athena Artemis Poseidon und die nymphen in der 1
see und auf den bergen des landes: sie alle, das ^elov yivog, wie sie
zusammenfassend genannt werden, sollen den 'adlichen frauen Athens' j
gewähren eine fruchtbare Verhandlung zu führen, nun geht die auf- i
forderung zum gebete weiter; es folgen die fluchformeln der ekklesie,
durchsetzt mit höchst belustigenden weiblichen Verwünschungen, sonst
aber gerade die welche uns aus dem psephisma des Demophantos (gütig
vom hekatombaion des Glaukippos, juli 410) und sonst geläufig sind, ver-
Avünscht werden, wer tyrannis für sich oder andere erstrebt, wer mit '
den Medern 'verhandelt, wer das volk betrügt {i^aTtarcc tov dr^j.iov)
oder die Versprechungen, die er gemacht hat, nicht hält {(.irj öidiooiv
av v7i6oyrt]TaL rcore, vgl. Ar. 43, 5 eäv riQ vn6Gxof.i€v6g tl f.ir] ttou^oj]
TM örjf.i(i)), wer besticht oder sich bestechen läfst, wer mafs und gewicht
fälscht, wieder respondirt die gemeinde mit einem bekräftigenden liede,
das wieder ganz und gar dem Staate gilt, die Verwünschungen treflen
jetzt jeden, der "die herkömmlichen eide übertritt, aus eigennütziger ab-
sieht in gemeinschädlicher weise Volksbeschlüsse und geselze ändern will,
den feinden die geheimnisse mitteilt oder die Meder in das land führt',
dann beginnt die Verhandlung mit der Verlesung der tagesordnung, die
höchst eorrecl in einem probuleuma des rates besteht.
Die Stimmung in den chorliedern. 349
Was wollte der dichter mit diesen liedern ? gar nichts, nur eine Schil-
derung der Volksversammlung zum Zeitvertreib? denn die Thesmophoren
geht nicht das mindeste davon an. blicken wir erst noch auf die anderen
lieder des dramas. als sich gezeigt hat, dafs ein mann eingedrungen ist,
suchen sie die pnyx mit lebhaften Sprüngen ah und singen dazu gar er-
schreckliche Worte von den heimsuchungen der götlhchen gerechtigkeit,
die schhefslich jeden frevler ereile, das ist die feierhche grofsmäuligkeit
fluchender pfaffen, wie sie der eumolpidische ankläger des Andokides im
munde führt; zu den Sprüngen des weiberchores steht sie in ergötz-
lichster weise im contraste, und gleich fängt sich Mnesilochos-Telephos
einen als Säugling drapirten weinschlauch: hier ist die parodische tendenz
ofTenbar. dagegen steht an einem ruhepunkte des dramas ein grofses
tanzhed, das in lauter einzelanrufungen vieler gottheiten und dem ent-
sprechend in viele kleine Strophen zerfällt, sehr häufig volkstümlich in
rhythmen und formein (953 — 1000). dafs es eine parabase ersetzt, sagt
der dichter selbst, da er erklärt, auf die spottreden zu verzichten, weil die
frauen im heiligtume seien (965). auch eine anrufung, an Pallas und
die Thesmophoren, bietet das letzte Hed (1136 — 59), in dem bemerkens-
wert ist, dafs Pallas als die feindin der tyrannen, Iogtieq siy.og, wie sich
gebührt und man ihr zutrauen mufs, bezeichnet wird und frieden bringen
soll, der dichter hat also gerade im zweiten teile, wo die Thermophorien,
nach denen das stück heifst, gar keine bedeutung mehr für die hand-
lung haben, dem feste und der religiösen ceremonie räum geschafft, in-
dem er den für die handlung auch überflüssigen chor beschäftigte, zum
entgelte fehlt der parabase die ode gänzlich, in der sonst so oft ernst-
hafte gebete an die götter gerichtet werden, die bedeutung, die etwa
in den Rittern die stolzen siegesfrohen öden der parabase haben, sind
wir verpflichtet hier in den liedern zu suchen , die ankUngend an die
feierlichen formein der Volksversammlung den chor der frauen, der ohne
parodos sich versammelt, als Vertretung des dr^fiog ^d^r^vauov einführen,
auf diese formein legt der dichter wert, wurden sie nun 410 im früh-
jahre gesprochen? schwerlich, da sie Demophantos für den sommer 410
erst neu einsetzt, gewifs restituirt er nur das seit Solon oder vielmehr
Kleisthenes herkömmliche, aber er restituirt es, weil es eine weile
geruht hatte: just in diese pause setzt die moderne conjectur die
nachbildung auf der komischen btthne. der fluch trifft in erster linie
jeden, der die Verfassung zu stürzen strebt, oqy.ovg Toig vevo^iioi-ihovg,
das sind die gehenden eide der beamten, ratsherren und richter, xpi^cpio-
(lata y.al voj-iorg, das ist die volksherrschaft. ein solcher versuch ist
350 III. 8. Die zeit der Thesmophoriazusen.
zunächst mit erfolg 411 gemaclit worden: wagt Aristophanes in dieser
andeutenden weise auf die revolution einen stein zu werfen ? das wäre selt-
sam, denn es war gänzlich ungefährhch und sehr im sinne des herr-
schenden Volkes, das mit directem tadel und nicht durch die warnung
für die zukunft zu tun. doch sei's drum, wenn jemand unter dieser Vor-
aussetzung die furcht vor der tyrannis deuten kann , die aufser in der
fluchformel noch einmal im gehele an Athena erscheint, die tyrannis
war 415 von den Athenern gefürclitet worden; sie haben sie wol auch
407 gefürchtet, als sie Alkibiades von neuem fallen liefsen, aber im hin-
blicke anf die revolution von 411 hat die erwähnung der tyrannis keinen
sinn, verflucht wird ferner wer den feinden die geheimnisse des Staates ver-
rät, die feinde stebn in Dekeleia, der verrat war 411 zu erwarten, 410
war er begangen; das verträgt sich mit beiden ausätzen, aber auch die
Verhandlung mit den Medern wird verflucht, das war von alters her formel
und hat auch noch nach dem königsfrieden zum höhn auf die politik der
zeit sich behauptet (Isokr. Paneg. 157), aber im psephisma des Demophantos
fehlt CS mit gutem gründe. Athen hat den versuch, Persien zu gewinnen,
im herbst und winter 411/10 gemacht; gerade diese hilfe brachte Alkibia-
des. 410 mochte der Staat die formel gedankenlos fortführen: der dichter
Avar frei in dem was er aufnehmen oder weglassen wollte, und er handelte
töricht, wenn er 410 verfluchte was seines Volkes stärkste hoffnung war.
Auf medische hilfe hofl'ten im stillen die Athener schon 411 im
frühjahre, gerade deshalb gelang der stürz der angeblich hinderlichea
demokratie. aber darum sind nicht etwa die verse auch 411 unschick-
lich, wir müssen nur die Situation so nehmen, wie sie dem dichter imi
momente erschien , nicht ex eventu gedeutet, die furchtbare Wahrheit
dafs nicht um die herrschaft Siciliens sondern um die eigene existen
gestritten ward, war den Athenern 412 aufgegangen, als Chios abfiel
eine äufserste anstrengung ward gemacht; allein die flotte konnte zwa
den weiteren abfall loniens verhindern und die feinde in schach halten
aber keinen entscheidenden schlag führen, und nun war der schätz leei
die einnahmen seit der besetzung von Dekeleia verkümmert, den feindei
dagegen zahlte der Perser und half das preslige des Alkibiades. d
mochten die meisten sich die gute zeit des Nikiasfriedens herbeisehnei
und die wolmeinenden, die Sparta und Athen als gleich berechtigt«
mächte aussöhnen wollten, haben in beiden Völkern nicht gefehlt, diese
alten tendenz dient mit neuer glücklichster wendung die Lysistrate
aber im stillen waren andere kräfte tätig. Alkibiades hatte immer nocl
einen grolsen anhang, weil man ihn bewunderte und fürchtete: er drohte
Die Stimmung in den chorliedern. 351
als tyrann, lockte als der Vertrauensmann des Persers und der lonier.
der Avunsch, das persische gold für die eigene Schiffsmannschaft zu er-
halten, leuchtete den darbenden Athenern der masse aus den äugen, so
chimaerisch er war. die abfallige beurteilung der demokratie durch die
sophistische kritik war allbekannt; die vornehme Jugend war mit der
6f.ioXoyovf.isvr] avoia, wie Alkibiades bei Thukydides sagt, längst inner-
lich fertig, die litteratur, Antiphon noch mehr als Andokides und seines
gleichen, arbeitete auf einen Umsturz hin. die catilinarischen existenzen,
verschuldete demagogen, advocaten, die früher bündner und metoeken ge-
schröpft hatten und jetzt auf dem trocknen safsen, landleute, die durch die
occupalion Attikas verarmt waren, fehlten auch nicht und lauerten auf
die gelegenheit, woher sie auch käme, im trüben zu fischen, man ahnte
dunkel allgemein, dafs ein stürm bevorstand, mochte man auch nicht
wissen , woher er wehen , wohin er treiben würde. Aristophanes war
kein politiker; weder eine tiefe sittliche Wirkung noch einen entschei-
denden praktischen anstofs wollte oder konnte sein spiel geben, er war
ein talent und kein charakter, und sein nachen fuhr dann am kecksten
und graziösesten, wenn er den wind der öffentlichen meinung in dem
s<gcl spürte, so weit er eine politische meinung besafs, gehörte sie den
gut patriotischen, aber weder wirklich demokratischen noch geradezu
reaclionären kreisen an, die etwa Nikias gegen Kleon und Alkibiades
vertreten hatte, seine stücke gefielen, so oft er diesen ton traf: das
war also die öffentliche meinung. in diesen kreisen wollte man weder
viin den Persern etwas v/issen noch von Alkibiades noch von einer
revolution; es sollte so gut gehn, wie es gegangen war, man wollte sich
gern mit Sparta vertragen, aber herrschen wollte man natürhch, davon
lebte man ja. wie man aus der not herauskommen sollte, das wufste
man freiUch nicht, aber dafür hatte man die himmhsche helferin Athena,
oder minder fromm und minder resignirt geredet, man vertraute auf das
prestige, die grofsen traditionen, die volkskraft, die demokratie. und
so kann in einer zeit der angst und der sorge vor dem kommenden noch
mehr als der not und gefahr, die rings von aufsen drohte, der dichter
seine mahnung in die form kleiden, dafs er jeden verflucht, der an dem
bestehenden rechte rüttelt, indem er die officielle fluchformel aufnimmt.
'vor der revolution, vor dem tyrannen , vor dem verrate an die feinde,
vor dem transigiren mit dem Perser bewahre uns gott in gnaden.' das
ist gesagt, als alles dies drohte, kurz ehe alles oder fast alles dennoch
hereinbrach; die lieder der Thesmophoriazusen sind ein Stimmungsbild
aus dem Athen des frühjahrs 411.
352 III. 8. Die zeit der Thesmophoriazusen.
Die Lysislrate führt die frauen als friedensstifterinnen ein. gleich
genial ist die erfindung, wo sie in derbster, natürlicher, nicht schmutziger
komik spielt, und wo sie ihre heldin mit den Zügen der gottin ausstattet,
der drji^iog yvvar/.iov betet in den Thesmophoriazusen für den Staat,
und seine verhandhing bildet die einkleidung für die intrigue des stücke?,
ist es nicht psychologisch ganz einleuchtend, dafs Aristophanes, als er
die Lysistrate fertig und den gedanken concipirt hat, Euripitles von den
frauen zur Verantwortung ziehen zu lassen, das motiv der frauenherr-
schaft, das ihm das fertige stück bot, noch im köpfe eine weile fort-
spinnt, (1. h. die Tiiesmophoriazusen so wie sie sind im unmittelbaren
anschlufse an die Lysistrate dichtet?
Für mein subjectives urteil besitzt eine solche beobachtung ganz be-
sonderes gewicht; aber sie gehört zu denen, die man niemandem auf-
zwingen kann, für mein empfinden sind die Thesmophoriazusen 411
allein denkbar, dieses empfinden will ich niemandem aufdrängen ; aber
um so entschiedener fordere ich, dafs der Status causae nicht verrückt
werde, also steht es: 411 ist das überlieferte datum für die Thesmo-
phoriazusen. die aufgäbe der Wissenschaft ist sie unter dieser Voraus-
setzung zu erklären, oder aber jene Überlieferung zu überwinden, dies
mag ein anderer versuchen; ich habe mich auf jenes beschränkt. —
Das lied Als postille gebe ich die beiden wichtigsten lieder in metrischer
ableilung und kurz erläutert; sie bedürfen und verdienen das. auf die
unsinnigen personenverteilungen lasseich mich nicht ein; es ist selbst-
verständlich, dafs die chorverse der chor singt, die gemeinde, und die
stücke, die sie einleiten, eine frau spricht, einen namen kann ich der
nicht geben, denn sie vereinigt in sich, was in der Volksversammlung der
herold, der epistates der prytanen und der Schreiber zu besorgen hatten :
hier aber ist es eine person, sintemal der dichter nicht mehr unter-
scheidet, wie die scene gespielt ward, ist im allgemeinen wenigstens
vorstellbar, seitdem als local die orchestra feststeht, in der alles sich ab-
spielt, aber von dem einzelnen wissen wir schlechterdings nichts und
können wir nichts wissen.
deyjjfieO^a y.ai d-etov yävog AiröfieO^a ralod' lu ev^alg
rpavevTag ertixaQfjvai.
315 Zev /.i€yaXiuvv/ii£ yovoo'J.vQa xe
Jfj).ov og leQav ty^ig,
y.ai ov Tcayy.Qateg yÖQa yXavvMrtL xQvöö/.oyxe ttÖ'/.lv oi-
y.ovGa n8Qij.iäyj]Tov, ild^e öevQO.
320 y.ai 7to/.viörv/.i€ ■O-r^Qocfön] ^arotg yqvoiömöog lovog
Das lied 313-30. 353
ov re 7tövrie oeavh Iloaeidoi'
7tqoXiTtu)v /.ivxov IxO^vöevTa
oiöTQodöviqrov
325 NrjQeog uvä/uat t€ Y.öqai Nv(.i(faL t oQsiir/.ayxroi.
XQvoa dh (poQi-iiy^ ia^rjoeiev tu' svxcdg
rj/LiSTegaig, relecog d ey.xkrjOidoai/,i€v ^dd^rivwv
evyevelg yvvaueg.
Es steht zuerst ein katalektischer iambischer tetrameter und katalek-
tischer dimeter. dieses Stückchen beginnt aucii das folgende chorhed, beide
sprechen die Zustimmung zu der pruclamation vorher aus: sie respondiren,
dafs nur der anfang eines liedes respondirt, ist eine erscheinung, die in der
komoedie öfter vorkommt, wichtig für die kritik, aber zu weitschichtig
für eine gelegenthche erledigung. das gebet ist in daktyloepitriten ge-
halten, nicht pindarischen natürlich, sondern solchen, wie sie die wirk-
hchen cultlieder boten, gerade ihre dem pindarischen stile fremden
demente sind die metrisch interessantesten. 4 d, 2 e. {isqccv exeig mufste
statt €X£ig hgav gesetzt werden) 5 e-J-ithyphallicus, 4 d -j- 2 d (die glosse
■;ic(l hinter ^i]Qocp6vrj von G. Hermann beseitigt), sehr bemerkenswert,
dafs in ;^ptffW7rf(5og eine zusammenziehung zweier kürzen zugelassen
ist. das von mir enhoplisch genannte glied, e. (so braucht man aXi^iedov
nicht anomal zu messen), enhoplisches glied, 2d, 4d + 2e, das erste
e mit einer, das zweite mit zwei unterdrückten Senkungen, wie z. b. i/jis
Wolßs ool de TavT^ ccqeot' eu] bei Sophokles (0. T. 1096) u. 0. 2 iam-
liLU, mit einer unterdrückten Senkung, + reizianum, 3d -j- 3d, ithyph.
— die Verwendung des ithyphaUicus ist aus der tragoedie geläufig,
das enhoplische glied habe ich schon bei Stesichoros aufgezeigt, mit dem
ithyphaUicus vereint bildet es ja erst den eigentUchen evörtXiog bei
Archilochos. merkwürdig aber ist, dafs auch hier das reizianum ganz
wie in der komoedie und den enhoplischen dochmien vorkommt, es ist
liier unverkennbar, denn yQvod für das überlieferte /^tfff'a ist keine
auderung; ein ithyphaUicus xQvoia re fpÖQj-iiyS, pafst nicht für den
anfang des salzes, iaxijoeiev in axrjoeiev zu ändern ist falsch, da
Aristophanes rix^lv gesagt haben müfste. aufserdem bedenke man das
euripideische ailivov iisv l/r' evTvyXL {.ioXtccc Wolßog iaxsl Tav /.idü-
• Qav kXavvtov. hier habe ich die einzige für den sinn belangreiche ände-
rung vorgenommen, nämlich ds für xe 326. wie kann an die anrufungen
angereiht werden "^und die goldene laute klinge zu meinen gebeten'?
welche laute? es wird uns wirklich zugemutet, nichts hierin zu finden
V. Wilamowiu, Arisioieles. II. 23
354 III. 8. Die zeit des Thesmophoriazusen.
als "^und zu meinem liede soll der musicanl die violine spielend das
wird der hoUViitlicli schon längst tun, sonst ist's zu spät, aber eine
goldene laute wird ihm der chorege schwerlich spendirt haben , die
gehört nur dem xQioo/.vQag, der eben angerufen war, nein, dies sätzchen
ist in poetisch persönlich gewandter rede was der lierold vorher mit t/}
fcaiwv itj Ttaiutv xfxiQcofiev gesagt hat. 'und die goldene laute stimme ein';
wenn sie einslimmt, so gewährt der gott die bitte, dafs er gerade das
tun soll, wo doch das ganze göttergoschlecht gepriesen wird, liegt daran,
dafs ein lied diesen preis enthält, aber es würde schwerlich unmittelbar
versländlich sein, wenn nicht eine stalue des Apollon auf der bühne
(also wohl auch auf der pnyx) stünde: fiicc xov ^AitöXUo xovxovi sagt
der alte 748, wo nur die philologie, die mit parallelstellen statt mit an-
schauungen wirtschaftet, an den Apollon Agyieus denken kann: ein
prellstein steht vor jedem hause, aber hier gibt es kein haus, wir sind
ja auf der pnyx. von den avaxA?j(7£fg, die zumeist formelhaft sind, sei
nur die schöne Schilderung des meeres erläutert, \.ivyoc, lyd-voeig. oIotqo-
ö6vr]Tog ist die meerestiefe, die von den fischen in der brunst- und
laichzeit (wenn sie der olorgog treibt) gleichsam erdröhnt, weil ihr to-
bendes gewimmel die stille der meerestiefe stört, an die zUge der tun-
fische denkt er.
Das licd ^vvevx6f.ieGd^a rilea fiev ycolsi, relea de d^/.i(i)
raö €uy/.iaT tAyeveoO^ai.
355 Tor 6 uQiGT ooaig TCQoarj-/.€L
vi'Äciv Xeyovoag, buÖGai ö' e^aTcariu-
Giv TcaQaßaLvovGL xe xovg
OQ-Äovg xovg vevo(.iiG(.ievovg
360 '/.sqÖwv eive'/ ht\ ß^^ccßi]
T] ijjrjfplGfiaxa -Aal v6(.iovg
C)]X0LG avxt/iis&ioxävat
XaJCOQQTjXa xs xolGiv l-
Xd^Qolg xolg r^f.i€X€Qoig XtyovG^
365 ri Blridoig ejtäyovOL xfj
XLÖqu — — ~ — —
353—71.
aXk w 7Vay/.Qaxeg Zev,
370 (^Gv) xaCxa -AVQCoGeiag, tuGÜ-' rjilv ^eoig .caQaGxcaelv
y.ai7ceQ yvvai^lv ouGaig.
den anfang machen die mit dem vorigen respondirenden iamben, die
Dindorf durch die ergänzung von h geheilt hat. ly.yeveG&ai steht so
Das lied 353—71. 355
Fried. 346, wo V die praeposilion weggelassen hat. ianiben bilden auch
den schlufs, den ich durch eine ganz leichte ergänzung in schick ge-
bracht habe: ein dochmius, vollends am anfange der letzten periode, hat
keinen platz. 355 — 58 sind normale ioniker, 359 — 65 normale glykoneen,
verbunden durch synaphie, wenn man nicht dem komiker zutraut, wie
im trimeter auch hier den arlikel vor eine pause gesteht zu haben, die
glykoneen sind teils sicher verbunden, teils ist die Verbindung möglich;
al)er einmal ist hiatus. so behandelt sie Sophokles meistens, wo ich
T,r xcoQa und das zeichen einer lücke gesetzt habe, steht rr^g xcogag
ovrey.' Ifcl ß^-ccßf] aoeßovoiv aör/.ovoL te ti^v no/.iv. das erste, durch
mechanischen fehler aus 360 wiederholt, wird man leicht los, aber die
einer glaubhchen messung widerstrebenden worte kann ich auch nur
als interpolirt betrachten, sie sollen einen nachsatz zu der relativischen
aufzäblung der frevler geben; aber was will das heifsen 'wer das und
(las tut, begeht einen verstofs gegen fas und iiisV diese triviale decla-
ralion soll der chor abgeben, "^das und das ist Sünde?' und dann fährt
er fort "^das mache wahr, allmächtiger gott\ was denu ? dafs das sünde
ist? heller unsinn. wir haben ja die litagä vor uns; der nachsatz mufs
sein l^tüleig elev avxol y.al ykvog ro h'/.eLviov. das war der sinn
des fehlenden; ob man wie ich die überheferten worte als interpolation
ausweist oder irgendwie als letztes ghed der aufzäblung 'und alle sünder
überhaupt' einrenkt, ist ziemlich gleichgillig. hier bin ich ganz sicher;
aber dafs ich iprifpLof-iaTa /.al v6(.iovg für \p. /.. v6f.iov setzen mufste,
war mir unbehagüch. ich kann den singular nicht verstehn und würde
t;ern belehrt werden.
23^
9.
DIE REDE FUß POLYSTßATOS.
Vergeblich hat man sich bisher bemüht, zwischen Thukydides und
dem einzigen documente Übereinstimmung zu schaffen, das aus der procefs-
litleratur des revoUitiousjahres 411 erhalten ist. jetzt kläien das die
Urkunden auf, die bei Aristoteles stehn, und die ich mit den I 101 ffg.
ge\Yahlten nummern bezeichnen will, A der beschlufs des Pylhüdoros,
B der der avyygacprjg, C der der szazov.
Der redner für Polystratos sagt von diesem, dafs er von den phyleten
zum mitgliede der vierhundert gewählt war (2), dafs er yMzaloyevg war
(13)0, und besonders 14 omog ovts oixoaai. rj^ekev ovte v.caaXiyeLV
a).)J' aiTOv rjvayy.a^ov Ircißolag E:cißcx)J.ovteg zal trjiLOvvreg' £iT£t
d' r^vay/.üO&i] y.al lotiiooe rov oqv.ov, o/.xCo r^f.ieQag doeXd-wv dg
rb ßov?.£VTr^Qiov l^ivclsi €ig ^EqeTQLav /.ai Idöy.ei e/.ei tr^v ipvx^v
ov TcovriQog elvca iv ralg vaif.iayjaig y.al T£rQCü/.ievog ösvq' t]?.O^s
y.al i]dr^ i.uTe7tE7tror/.ei tu ;cquyf.iaTa. halt mau dazu den schlufs-
passus Bb, wo die beslellung der y.araXoyr^g durch die phyleten vor-
geschrieben wird, welche ihres amles walten sollen 6f.i6ocepT€g y.aif'
leQÖjv xü.Eiwv, so leuchtet unmittelbar ein, dafs der erwähnte dem /.ara-
XeysLv vorhergehende eid eben der in dem volksbeschlusse geforderte ist,
dafs also die phyle Leontis den Polystratos von Deirades zum yataLoyelg
1) Es ist natürlich Übertreibung, was liier steht, dafs der einzelne y.axaloytvs,
um keinem der Sr^fiörai wehe zu tun (d. h. der leute aus dem voike, keineswegs
seiner gemeindebürger aus Deirades: diese bedeutung von Si^fiöxTjs, in poesie und
prosa des 5 jhdts nicht selten, wird oft verkannt, auch in Sr^/uoTixöe, demokrat,
geändert), 9000 statt 5000 wählte, er stimmte mit ja' oder trug so viel ein,
dafs es 9000 geworden wären , wie das nun auch war. ira t6v fiav ßovXöfievov
iyyqcKpov, st Se rcp fifj olöv t' «'/;, x^Q^^o^'^o. d. h. er liefs nur die weg, welchen
die lasten des bürgerrechtes zu schwer waren: es sollten ja die loli ;^o7;^afft y.ul
Tols awuaat SvvaTajjazoi sein.
HI. 9, Die rede für Polystratos. 357
erwählt hat. das war etwa im munichion des Kallias. aber mit dem eid-
schwiir läfst der redner den eintritt in den rat zusammenfallen, denn
8 tage darauf geht Polystratos nach Eretria ab. es ist undenkbar unter
dem hier erwähnten eide einen anderen als zwei Zeilen vorher zu ver-
stehen : also ist es nicht der ratsherreneid. undenkbar ist es auch, in Poly-
stratos einen ersatzmann für irgend einen verstorbnen der 400 (etwa
seinen nachbarn Phrynichos von Deirades) zu sehen, undenkbar seine ab-
fahrt nach Eretria mit der des Thymochares und seiner flotte gleich-
zusetzen (Thuk. 8,93), der ja erst ende metageitnion des Theopompos
ausfuhr, der redner spricht vor leuten, die alles eben selbst erlebt
hatten, er konnte nicht die Stellung als '/.ajaXoysvQ mit der als ratsherr
willkürhch vermischen, seine worte verlangen vielmehr die auffassung,
dafs die wähl zum y.aTaXoysvg die zum ratsherrn in sich schlofs. nach
dem beschlusse Bb sollen die 100 -/.ataXoyqg aus den über 40 jähr
alten bürgern durch die phyle gewählt werden ; nach dem beschlusse Cb
die 400 ratsherren aus derselben kategorie auf dieselbe weise, nur sollen
die phylen eine grofsere anzahl als 400 praesentiren ; über den modus
der auswahl aus den ttqo-aqitoi ist nichts vorgeschrieben, in wie weit
der letztere beschlufs aber wirklich durchgeführt sei, sagt Aristoteles
nicht: natürlich ist man zunächst verbunden zu glauben, dafs nach
dem beschlusse verfahren sei, und Aristoteles mag es selbst geglaubt
haben, die Athener hatten aber in den y.araloyr^g bereits 100 genau
ebenso qualificirte und genau eben so gewählte männer, wie sie sie für
den rat wünschten, hineingekommen würde die mehrzahl von diesen wol
sicher sein, auch wenn eine neuwahl stattgefunden hätte, hören wir also
von einem zeitgenössischen redner, dafs die wähl zum y.ciTa).oy€vg mit der
zum ratsherrn gleichgesetzt wird, so scheint mir die erklärung geboten,
dafs das volk, sei es in einem amenderaent zu C, das Aristoteles nicht
gekannt hat, sei es in einem weiteren beschlusse, die aufnähme der 100
in den rat verfügt hat."^) der Irrtum des Thukydides, dafs schon in der
Versammlung auf dem Kolonos, wo mit Bb in Wahrheit nur die -/.ara-
loyr^g eingesetzt wurden, die 400 gewählt wären, wird nun bedeutend
leichter, ich wage aber noch weiter zu gehen. Thukydides erzählt, Pei-
sandros hätte auf dem Kolonos durchgesetzt, dafs das volk 5 TtqöedqoL,
2) Ich recline mit absieht nicht mit dem was ich doch wahrscheinlich gemacht
zu haben glaube, dafs Aristoteles die Urkunden in einer rede des Theramenes ge-
funden hat, also gar nicht mehr über die geschichte wufste, als sie selbst auch uns
bieten, in diesem falle ist alles selbstverständlich, was ich erst wahrscheinlich
machen will.
358 in. 9. Die rede für Polystralos.
diese wiederum 100 ratsmännor, jeder von diesen drei weitere erwählte,
die cooptation von je dreien durch die 100 y.aTce/.oyrjg scheint mir für
den späteren Zeitpunkt sehr glaubhch.^) die 5 ^rcQoedgoi sind freihch
rechthch und officiell eben so wenig vorhanden gewesen wie die 5
ecpOQOt, 404^): tatsächhch mag ein actionscomite der clubbisten nicht
nur existirt, sondern die wählen geleitet l)aben.
In Eretria hat Polystratos, der ratsherr von Athen, so lange als die
Oligarchie sich hielt, das commando geführt, als cfQovQaQxog. die cumu-
lation der ämter, die sonst unglaublich wäre, befremdet nicht unter einem
regimente, das für normale Verhältnisse die platzcomniandanten wie alle
höheren beamten aus dem rate besetzen wollte (actenstück Ca) und für
die Übergangszeit die besetzung dieser stellen eben dem rate überlassen
hatte (Cb). nach der tendenz der aristokraten , wie sie Peisandros bei
Thukydides verfolgt, nnifsten sie in den Heichstädten schleunigst einen
dem attischen analogen Umsturz der Verfassungen bewirken^); dazu brauch-
ten sie einflursreiche und zuverlässige leute, die sie am ehesten unter
sich fanden. Polystratos empfahl sich militärisch, da er im selben jähre
in Oropos commaudirt hatte: er mufs aber, obwol der redner es natür-
Uch verschleiert, auch politisch den leitenden männern garantien für.
seine gesinnung gegeben haben, in Wahrheit waren wol die leute von
70 Jahren, die einen durch den krieg entwerteten grundbesitz hatten
und im Staatsdienste ergraut waren, alle für die beschränkung des demos
auf die 5000: das schlofs den landesverrat des Antiphon oder die ganz
gemeine gesinnungslosigkeit der Peisandros und Phrynichos nicht in sich,
die rechenschaftsklage hat dann Polystratos für seinen commandanten-
3) Man selie, wie viel schlagender § 2 nun wird, da wird Polystratos damit
entscliuldigt, dafs er von den phyleten gewälilt ist. das zieht nicht, wenn alle 400
in gleichem falle waren; es ist ein kräftiger beweis, wenn es nur ein viertel war.
4) Lysias 12,43. der advocat läfst gar keinen zweifei darüber, dafs dieser
von den clubbisten eingesetzte wolfahrtsausschufs mit dem Staate nichts zu schaffen i
hatte, wie weit er von dem revolutionären treiben der clubbs unterrichtet war, '
können wir nicht sagen; aber an sich ist der bericht nicht unglaubwürdig, liöch-
stens möchte man bezweifeln, ob Eratoslhenes von der parlie war.
5) Thuk. 8, 69. vgl. die leider von seinen gesinnungsgenossen nicht beher-
zigte maxime des Schriftstellers der l4&?]vai(ov IloXireia 3, 10, die zu Thukydides [
stimmt, wenn Polystratos eine Oligarchie in Eretria eingerichtet hat, so kann man j
ihn von der mitschuld an dem Verluste von Euboia nicht freisprechen ; ich würde |
ihn auch zu der geldbufse verurteilt haben, von den kleruchen auf Euboia ist mit
ausnähme der zu einer gemeinde zusammengeschlossenen in Oreos-Hisliaia nicht
die rede: sie werden zum kleinsten teile auf ihren landlosen selbst gewohnt haben
und kamen in der Vereinzelung nicht in betracht.
III. 9. Die rede für Polystratos. 359
posten über sich ergehen lassen müssen, und dafs der commandaut, der
eine feslung verloren hat, vor gericht dafür büfst, erscheint in Athen,
und nicht blofs da, in der Ordnung, die angaben der rede, so weit sie
verständlich sind, stimmen zu dieser auffassuug von dem amte des Poly-
stratos.")
Seine rechenschaft legte er sofort, nachdem er, in der schlacht bei
Eretria verwundet, nach Athen zurückgekehrt war und die Oligarchie
schon beseitigt angetroffen halte, also unter der vielbelobten gemäfsigten
Verfassung, der reiche mann, der zwei söhne bei den reitern dienen
lassen konnte, ward zu einer hohen summe verurteilt, die er bezahlte
oder vielmehr zur rechten zeit zahlen konnte und wollte.'') er hatte
eine Verteidigung kaum versucht, denn seine söhne waren im kriege,
und der demot des Phrynichos, der phrurarch von Eretria war so un-
populär, dafs er keine entlastuugszeugen fand.®)
Das urleil war rechtskräftig und inappellabel, trotzdem ist es zu
einer zweiten klage gekommen , in der dieselben ankläger auftraten ^),
die ebenfalls nur geldslrafe beantragten, aber eine so hohe, dafs nicht
6) Entscheidend ist § 17, dessen Zeugnisse sich diejenigen vergeblich haben ent-
ziehen wollen, die in der aq/J] des Polystratos lediglich seine Stellung als ratsherr
sehen und seinen auszug nach Eretria erst mit der flotte des Thymochares ge-
schehen lassen. eCnoi av tiS otc xs^daiveiv enid'vficLiv i^inXevaev , coansQ svioi
r^onatov xal t'<f>EQOv' ovSsis roiwu av einoi. oncos zi {ris ottcoS X) rcäv vjueTe'ocov
e/Ei , a).Xa. itävxa fiakXov xarr^yo^oZaiv rj eis rijv aQx^v, es ist ebenso einleuch-
tend, dafs die a.Qx^ in dem ixulevaai besteht, also nicht in der ratsherrnstelle, wie
dafs jemand, der, etwa als officier, in der höchsten not ein schiff besteigt um den
gegenwärtigen feind anzugreifen, nicht in den verdacht kommen kann, erpressungen
und Unterschlagungen zu beabsichtigen, beides pafst dagegen auf den phrurarchen.
§ 6 ist corrupt und wird unten besprochen.
7) Es steht nur cüfle da, § 14. 18, und er brauchte die strafe (aSiy.i'ov natür-
lich) erst im mai 410, vor der neunten prytanie, zu bezahlen (Ar. 54, 2). sie kann
natürlich mit den y^or^fiaxa, um die es sich jetzt in der rede dreht, 32, nichts zu
tun haben, denn an dem ersten urteil ist nichts zu ändern; wenn die strafe nicht
bezahlt wird, ist die execulion oder die atimie nnvermeidlich. ganz unmöglich ist
es wol nicht, dafs der redner blofs die Verurteilung in die bufse angeben konnte,
auch wenn sie mittlerweile bezahlt war. aber da Polystratos gesetzlich ziemlich
ein halbes jähr ausstand für die Zahlung frei hatte, wird die einfachste interpretation
den Vorzug verdienen.
8) Dafs Polystratos in contumaciam verurteilt wäre, ist ein handgreifliches
misverständnis von § 8. wenn i'^r^uos eine nähere bestimmung dessen, der fehlt,
nötig hat, so folgt eben ein satz, der den mangel an entlastungszeugen näher anführt.
9) Das wird nicht ausdrücklich gesagt, aber die Unterscheidung der früheren
und der jetzigen gegner würde sonst zweifellos gemacht werden.
360 in. 9. Die rede für Polystialos.
blofs der verklagt«, sondern aiicli seine erben notwendig der bürger-
lichen ehrenrechte verlustig gehen mufsten, wenn die Verurteilung einJ
trat (§ 32). aus diesem processe besitzen wir einen teil der verteidi-^
gungsreden. es liegt in dieser wiederaufnähme der anklage eine Schwie-
rigkeit, auf deren beseitigung viel Scharfsinn verwandt ist. ich kann die
modernen gedanken nicht für glücklich halten'"); dagegen entspricht die
überliefeite bezeichnung dr^uov /.arcc/Xasiog ano'l.oyia'^^) durchaus der
Wahrscheinlichkeit, die ganze rolle, die Polystratos in der Oligarchie ge-
spielt hatte, gab zu einer eisangclie unter mehr als einer begründung räum:
luv Tig xbv öfii-iov xov läd-r^vauov -/.aTaLir, i] ovvlrj tcol etc) '/.arcikvoeL
TOv örjfiov T] eTaiQr/.dv ovrayayjj , /j Idv rig 7c6)uv riva 7tQoö(i) rj
vavg y.ri heifst es in dem späteren vouog nGay/Elriy.ög, und nur daS;
ist ungewifs, welche form die entsprechenden gesetzlichen bestimmungen
und der processgang im fünften Jahrhundert hatten ; schätzbar können
diese vergehen sehr wol gewesen sein , da es die evd^vvat waren,
dafs in Zeiten der reaction der politische hafs und die gemeine syko-
phantenberechnung trotz allen gesetzlichen cautelen, ja trotz den feier-
lichsten aninestieschwüren mittel und wege gefunden hat, lediglich recri-
minatorische anklagen zu erheben, dafür liefert Lysias nur zu viel un-
erfreuliche belege, und dafs mitgheder der 400 lediglich auf diesen
namen hin bürgerlich tot gemacht worden sind, lehrt der beschlufs
des Pythokleides von 404. bei Polystratos ward die sache vollends
durch seine doppelstellung als ratsherr und phrurarch erleichtert, in
10) Dafs der zweite procefs von den logisten instruirt ist, folgt mit nichten
aus § 10 ot i^ev tov Biov anavra novrjgol ovres ;^^j;ffTot iv rw ^oyiarrjgic^ yeye-
vrjVTcu, ot Ss ael v/üv xor^aTol r,aav , ovroi 7tovt]ooL denn wenn man auch die
bezeiclinung des locales mit in den zweiten salz tiineinbezielien wird, so geht es
eben nur auf den ersten procefs. übrigens Mürde die sache, gesetzt es wäre eine
avd'vva, doch vor den ihesmoteten verhandelt sein (Ar. -IS, 5). der versuch von Pohl,
neben den tv&vvat auch eine yoafrj tv&vrcLV anzunehmen, ist rechtlich nur mit
der modificalion Hildebrandts [Commenf. pliiiol. Motiac. 179) denkbar, dafs es sich
um eine private ei&vva (Ar. 48, 4) gehandelt hätte, aber dort steht auch, dafs
diese binnen drei tagen einzubringen war. das geht zn schnell für unsern procefs,
bei dem die drei söhne aus dem felde zurück sind, durchschlagend ist, dafs in der
ganzen rede von einem rechenschaftsprocefs nicht die rede ist, im gegenteil § 22
ovros i/ulv diy.r^v Sidcoy.ev oiSev vfius aSiacov evd'is uetol t« ngäyfiaTa Steht,
worin beiläufig bemerkt eine hübsche anspieluiig ist, wenn die Verurteilung aSixiov
erfolgt war.
11) Harpokrat. UolvaToaros. dafs in X die Überschriften gänzlich werllos
sind, weil vcn einem unwissenden menschen aus den reden selbst abstrahirt, kann
die von guten grammatikern des altertums gelieferten nicht discreditiren.
in. 9, Die rede für Polystratos. 361
Wahrheit verhielt es sich wol so, dafs die ankläger von dem zahlungs-
fähigen alten manne noch mehr herauszuschlagen hofften*^), am liebsten
als abfindungssumme. aber auch bei den richtern konnte sich die rück-
sicht auf die leeren staatscassen sehr leicht mit der demokratischen rach-
sucht vereinigen.
Als dieser procefs zur Verhandlung kam, war die demokratische
Strömung schon völlig herrschend, die vielbelobte herrschaft der 5000
wenigstens im prinzipe überwunden.'^) dafür aber waren die drei söhne
des Polystratos aus dem felde in die Winterquartiere heimgekehrt, der
älteste aus dem Ilellespont, also nach den erfolgen des Thrasyllos. es
wird also im frühling 410 gewesen sein.") die söhne liefen gefahr, statt
eines beträchtlichen erbteils die bürgerliche ehrlosigkeit des vaters erben
zu müssen und vielleicht ohne jeden persönlichen grund als Volksfeinde
für immer gebrandmarkt zu werden, so versuchten sie den vater zu
retten, und der mittelste führte das wort, da er als einer der wenigen
12) Wenigstens uird diese insinuation ziemlich unverblümt vorgetragen, 7. 10. 17.
und als einmal ein anständiger mann sich bei Lysias eine rede bestellt hat, hat der
ladicale advocat selbst das treiben seiner Parteigenossen gezeichnet 25, 25. bei-
läufig, es sieht nun fesf, dafs diese rede aus den monafen maijuni 400 ist, ganz wie
Blafs vermutet hatte, die Jahreszeit folgt daraus, dafs es sicli um eine dokimasie
handelt, der terminus post quem ist die eroberung von Eleusis, die eben unter
Xenainetos 401/0 fällt (Ar. 40,4). an das folgende jähr kann man wol nicht denken:
in den processen des Sokrates und Andokides weht ein ganz anderer wind.
13) § 16 und 17 avros avrtö evvoiararös iaziv b Sijftos, mit absieht mehr-
deutig gesagt, so dafs man nicht erkennt, ob die volle demokratie schon in kraft
getreten ist oder erst beschlossen, das decret, das jeden Umsturzversuch verfehmt,
ist in der ersten prytanie des neuen Jahres gefafst, Andok. I 96; (wenn der rat
diesmal nicht wie im Vorjahre schon vor Jahresanfang antrat: das wird dadurch
wahrscheinlich, dafs nicht nach dem archon dalirt wird): aber die demokratische
hocliflut mufste schon da sein, als die demen und pliylcn diese candidaten für die
auslosung praesenlirten.
14) Die heldentat des jüngsten sohnes, 28, setzt eine bedrohung der Stadt
voraus, genau wie sie Xenoph. Hell. I 1, 33 für das frühjahr 410 beschreibt, die
zeugen für die haltung des ältesten im Hellespont müssen mit Thrasyllos nach dem
zweiten treffen bei Kynossema heimgekehrt sein (Xen. Hell. I 1, 9). vielleicht kann
hier die conjectur eine geschichtliche tatsache entdecken, es ist überliefert oi av-
ar^aTEvaäfieroi otrtres iv&dSs ovtss rjre iv EllrjOTiövrco. das ist unerträglich,
denn niemand sagt so für o'hives iv 'E}.Xr,aTiüvrco yeröuevot sv&aSs ears. ich
denke, das war oItives fiexa Aeovxos rjrs iv ED.r^aTtövxto. der Stratege Leon war
in Samos während des sommers (Thuk. 8, 73); was er weiter getan hat, ist nicht
überliefert. — dafs man den bandet des Polystratos noch weiter herunterrückt, ist
schon deshalb unwahrscheinlich, weil die erfolge des Alkibiades und die dadurch
ganz veränderte stiirmung nirgend zu spüren sind.
362 III. 9. Die rede für Polystralos.
überlebenden des sicilischen feldzuges aul' Sympathie rcclinen konnte, die
Verteidigungsrede versucht nun in Wahrheit nicht einen beweis für die
Unschuld des valers, sondern führt nur hilligkeits- und entschuldigungs-
gründe für ihn ins feld. dagegen behandelt mehr als ein drittel der
rede allein die Volksfreundlichkeit der sühne, und nur hierfür werden
zeugen aufgerufen, nun versteht es sich ja von selbst, dafs Polystratos
auch gesprochen hat, und da uns seine rede fehlt, ist es nicht zu ver-
wundern , dafs wir die Verteidigung wider die eigentliche anklage nur
ungenügend kennen und demgeniäfs auch über die anklage nicht klar
sehen, es stimmt dazu, dafs die erhaltene rede eines prooemiums ent-
])ehrt, obwol schon die nennung des namens in § 1 beweist, dafs der
redner so w'ie wir lesen angefangen hat. aber diese tatsache selbst will
verstanden sein, dafs sich nicht mehr von der Verteidigung erhalten hat,
also (da an zufällige Verstümmelung nicht zu denken ist) nur so viel in
die öfTentlichkeit kam. als rhetorisches muster ist dies stück nicht er-
halten ; es ist das werk eines wenig geschulten Atheners, eben deshalb
für die litteraturgeschichte kostbarer als manche glatte aber leere decla-
mation.'^) wenn ein solches stück veröffentlicht ist, so hat der Inhalt
dazu bestimmt: es ist das persönliche renommee des redenden sohnes
und seiner familie, der dies plaidoyer dienen soll, so gut wie Andokides
sich bald darauf mit seiner zweiten rede rehabilitiren wollte, trotzdem
sie keinen praktischen erfolg gehabt hatte, mag auch der ausgang des
processes gewesen sein, wie er wolle (ich glaube aber, dafs er für den
verklagten günstig war): der junge mann, der für seinen vater auf-
getreten war, wünschte vor dem publikum als ein unverdächtiger und
hochverdienter demokrat dazustehn ^% und die misgunst, die er wirklich
ohne sie zu verdienen von den vater erbte, wo möglich von der ganzen
familie, jedenfalls von sich abzuwälzen, darum hatte er einen '/.oyoTtoiog
gedungen, darum verbreitete er die rede, mit weglassung des seiner sache
schwerhch besonders günstigen, jedenfalls für seinen zweck entbehrlichen,
dafs die rede sich erhielt, war ein glücklicher zufall: als sie aber erst
unter den schützenden namen des Lysias getreten war, teilte sie das
Schicksal von dessen reden, und dafs sie in die auswahl, von der wir
15) Vielleicht lag dem redner Antiplions Verteidigungsrede vor. auf sie lial
Blafs sein fragment 79 bezogen ra'cos fiev yao 6 no'/.is xqövos rov o).iyov ntaro-
reoos r;v. denselben gedanken findet man liier 10. er lag freilich nahe genug,
vgl. z. b. Gorg. Palam. 34.
16) Tydeus 26, und, wenn ich recht vermutet habe, Leon 29 werden genannt;
das sind namen von vollstem demokratischem klänge.
III. 9. Die rede für Polystratos. 363
eine handschrift haben, aufnähme fand, ist ein weiterer zufall, für den
wir der kritiklosigkeit des auswählenden dankbar sein müssen.
V>ie gut oder schlecht der redeschreiber seine sache gemacht hat,
haben wir zu lernen, nicht ihm vorzuschreiben, ich beabsichtige nicht
mit den Umstellungen, die modernen kritikern gefallen, mich auseinander
zusetzen, von der auszugshypothese ganz zu schweigen, aber ich nehme
allerdings auch daran anstofs, dafs die beteiligung des Polystratos an
dem rate der 400 und seine nichtbeteiligung an den debatten im rat-
hause zweimal erzählt wird, und kann 6 — 8 neben 16. 17 schlecht ver-
tragen, besser gesagt, ich verlange eine erklärung dafür, dafs 1 — 10
schon eingehend erörtert ist, dafs die Zugehörigkeit zu den 400 den
Polystratos nicht belastet, und doch 13 — 17 dieselbe sache von neuem
abgehandelt wird, mir bat sich (keineswegs erst jetzt) die lösung er-
geben, dafs 1 — 10 ein ganz anderer fürsprecher das wort hat als der
«ohn, der mit 11 anhebt, es hat ja gar keinen anstofs, dafs es mehrere
sind; und dafs derselbe redeschreiber ihnen die reden macht, und diese
dann zusammen veröffentlicht werden , ist zugestandenermafsen in der
rede wider Phormion und in der ApoUodors wider Neaira geschehen
(Dem. 34 und 59).
Man fange nur an zu lesen und merke auf, wo man erfährt, dafs
der Sprecher ein söhn des Polystratos ist: das ist erst in § 11. von da
ab geht es durch, und konnte denn dieser von den sühnen des Poly-
stratos sagen o f.iEv ev '^.iv.eXLu. r^v , ot d' ev BotioTolgV) der in
Sicilien war er ja selber, der söhn sagt Ttcog nv ovv. av ösiva Ttäo-
Xoif.iev 15, Tj dsLvä rav^^) rcäd^oii^iev 19, öeiva (5' av TcäS^oii^iev 36:
hier heifst es deivbv öe fioi doy.el €ivat, 10. nirgend wagt jener ein
lyd. d ryovj.iai a^iovg eivai rovrovg /nrjösv Ttäaxsiv 5: was liegt den
richtern daran, wie der angeklagte über die billigkeit denkt? so spricht
ein mann , dessen wort gewicht hat. und sollte wirklich der söhn mit
IT) Seltsam, dafs im frülijahr 411 die beiden söhne in Boeotien sind, von
denen der ältere im herbst bei Kynossema gefochten hat, der jüngere in der
attischen reiterei diente, die mit dem Sicherheitsdienst gegen die festung Dekeleia
genug zu tun hatte, dafs Athen damals einen vorstofs gegen die Boeoter machen
konnte, ist interessant genug. Thukydides hat über diesen kriegsschauplatz kaum
etwas erfahren: wir kennen die niederlage der Boeoter am Kolonos, an die das
drama des Sophokles anknüpft, und den sieg des hipparchen Pythodoros, dessen
denkmal in den Athenischen Mitteilungen XIV veröflentlicht ist.
18) Tj Ssiva ayav X. roi nicht ye hinter j} ist der Stil des fünften Jahr-
hunderts, wie das drama lehrt; auch dort ist es meist entstellt, wie es der krasis
zu gehn pflegt, wo sie von alters her bezeichnet ward.
364 III. 9. Die rede für Polystratos.
dem eingange glück zu machen geglaubt haben "meines erachlens solltet
ihr euch durch das blofse wort, das ist einer der 400, nicht gegen
jemanden einnehmen lassen, denn es hat unter ihnen auch gutgesinnte
gegeben, wie diesen Polystratos." weder redet man so von seinem eignen
vater, noch gibt ein junger mann den herren heliasten solche belehrung.
Nun wird man sagen, dafs die erste rede und die zweite nicht
scharf abgegränzt sind, ganz gewifs. aber da ist, urteile man sonst wie
man wolle, der text nicht in ordnimg "ich halle es für arg, wenn je-
mand, der nichts wider die demokrafie im rate beantragt hat, ebenso
behandelt werden soll, wie die welche das getan haben, und wenn der in
acht tagen ein schurke geworden sein soll, der 70 jähre ein guter bürger
war, und die ihr leben lang nichts taugten vor dem rechnungshofe
biedermanner werden, und die allzeit biedermänner waren schurken.'^)!
y.aiToi'^^) in der vorigen Verhandlung hat man meinem vater unter andern-
falschen beschuldigungen auch nachgesagt, dafs er mit Phrynichos ver-
wandt war. dagegen {-/mItoi) erkläre ich: lege wer das beweisen kann
in der für meine Verteidigung mir zugemessenen frist zeugnis ab." w-as
soll das erste -/.airoLl auf jenes rhetorische enthymem öeivöv ^uol öoy.et
elvc(L kann sehr gut ein y.airoi folgen, aber der satz, der da folgt,
schliefst sich überhaupt nicht an, und am wenigsten mit v.ulxoi. und
die beiden Sätze hinter einander können vollends so nicht anfangen,
ich wage darüber nicht zu entscheiden, ob wir jenes y.aixoi tilgen sollen:
in dem falle ist der bruch der continuität da, wie ja wirklich eine ganz
neue gedankenreihe einsetzt und ein neuer ton; oder ob hinter /.aixot
der schhifs der ersten rede ausgefallen ist und dann möglicherweise auch
ein anfang der zweiten, was ich nicht glaube, wer eine lücke annimmt,
kann freilich auch eine ergänzung ersinnen, die die beiden paragraphen
10 und 11 wirklich verbinde: die dubletten und den verschiedenen ton
beseitigt er doch nicht.
Besprochen mufs noch ein paragraph der ersten rede werden, weil
19) Es ist ganz falsch, die beiden letzten dieser sätze als selbständige fragen
zu fassen, gedacht sind sie, wie der gedanke zeigt, als weitere Ssivd, slehn also
dem El nsiaerai ganz parallel, nur ist Polystratos wirklich trotz seinen siebzig
Jahren im rechnungshofe verurteilt wie ein schurke, also trifft die hypothetische
Partikel ei niclit zu, wenn sie, wie sie uns scheint, rein hypothetisch ist. das ist
sie nicht: Seivov fioi Soxei slvat, el ol novTj^ol x^^f^^d ysys'vTjvrai ist so gut grie-
chisch wie d'avfiä^co — si — yeyt'vrjvrai oder oft eh'yxsiv — si. die spräche
empfindet etwas anders als die unsere.
20) Kaiiot Ei> [t£] lais Tioöreoov xarr^yaoiai?. natürlich ist die dittographie
mit den abschritten zu tilgen, nicht in ein müssiges ye zu ändern.
III. 9. Die rede für Polystratos. 365
er geschichtliche angaben macht, "man macht ilim zum Vorwurf, dafs
er viele ämter bekleidete; das ist doch nichts schhmmes, sondern aul
das wie kommt es au , 6. ovrog de jiqujxov /.dv ag^as Iv "^gurto)
ovte 7CQoeöco/.€ y.al kiioav jColiTtiav y.aveoTr^os, tlov a'/j.ojv aiiav-
TOJV oooL riQXOv -/.aTuvcQodövtojv xa jCQdyuaza. dl ö' ovi v/Cff.uivav
'/.arayvovzeg ocpüJv avtcop döi/.elv, o öe rjyov/iieyog {.ir^ösv rjöi7.r]y.€vaL
öi'ATjv ölöcüoi. und die schuldigen kommen frei, weil sich die ankliiger
bestechen lassen; wer ihnen kein geld gibt, wird zum schuldigen ge-
stempelt^'), und es macht keinen unterschied, ob einer im rat einen antrag
gestellt hat oder nicht u. s. w." hierin sind zwei schlimme sprachliche
anstüfse: ocTS..yMl ist so wie es hier steht kein griechisch, und wo
wäre ein zweites ghed zu jcqütov /.lev'^ gewifs braucht das nicht in
der grammalischen form streng zu entsprechen, aber wer jCQcotov uev
sagt, hat ein zweites glied im gedanken, und der gedanke mufs irgendwo
zu tage kommen, wo ist er hier? es ist nicht im mindesten zweifelhalt,
was der redner gewollt hat. den Vorwurf, dafs Polystratos viele ämter
verwaltet hat, will er dadurch entkräften, dafs er nachweist, er habe sie
gut verwaltet, die aQ^i] iv 'QoioTtfö ist die erste : wo sind die andern ?
die Stellung im rate ist freilich auch eine, und in sofern pafst die fort-
setzung in diese gedankenreihe, in der über des Polystratos verhalten
im rate gehandelt wird, aber da ist die form der disposition fallen ge-
lassen, und es fehlt ja auch gerade das wichtigste amt, das in Eretria.
wegen dieses amtes hat sich Polystratos gerade gestellt, während die
andern schuldigen oder verdächtigen sich fern hielten, was er, zumal
als verwundeter, sehr bequem auch hätte tun können, der söhn führt
das auch aus, 14. 21.^-) 22. also genau da, wo die grammatik einen
schaden zeigt, fehlt für den sinn etwas, und noch mehr, dg^ag iv
'£2Qiü7t(^ ovT€ 7tQO£Öioy.€, das pafst: denn Oropos gieng ende februar 411
durch verrat verloren (Thuk. 8, 60). wenn der platzcommandant bald
darauf gerade nach Eretria geschickt ward, das schon damals bedroht
war, so mufs er allerdings von jedem verdachte frei gewesen sein, dafs
er an dem Verluste schuld trug, aber das folgende y.al krigav jco/.l-
21) Sehr gut steht aStxovvras dnotpairovai. denn der nachweis ist in diesem
falle von den anklbgern erbracht; Polystratos ist dSiniov verurteilt.
22) Mit denen die sich dadurch dem Strafgerichte zu hause entziehen, dafs sie
im felde bleiben, wird vornehmlich der unglückliche Stratege von Eretria Thymo-
chares gemeint sein, der nach dem Hellespont gieng, Xen. I 1,1, allerdings, wenn
Xenophon genau ist, von Athen aus. dafs einer der Sa'y.a uvroy.^ärooes der Oligarchie
sein amt fortgefütirt hat, ist bemerkeusweit.
366 III- 9. Die rede für Polystratos.
Tsiav ■/Mzearr^oe pafst unmöglich auf Oropos^), das ein castell im unter-
tanenlande war, wo es unter athenischer herrschalt niemals eine ver-
lassung gehen konnte, und tlov a'Ü.cov a7tävriov oGoi riqyov y.axa-
TCQoöovTiov Tcc 7CQäy(.iaTa: das pafst auf Oropos auch nicht, wo doch
keine mehrzahl von ccQxovzeg gewesen sein kann, da doch seihst Imbros
Skyros Salamis je unter einem heamten stehen, und der cpQovQaQxog
in den 7c6Ä€ig auch ein einzelposten ist. das können also nur die ag-
yovxeg h Evßoia sein, das ergehnis ist unanfechtbar: es ist eine grofsere
liicke hinter TtQoedio/.e, in der mindestens die agyr] kv 'Egergla erwähnt
war; oh das y.al mehr als eine aus der Wiederholung der schlufssylbe
von TtQOidw/.e schlecht gefertigte verkleisterung dieser liicke ist, mufs
eben so wie ihre ergänzung dahingestellt bleiben.
Auf die vielen schweren Verderbnisse, unter denen die auslassungen
besonders zahlreich sind, will ich nicht näher eingehn, zumal ich be-
deutendes nicht bessern kann^"}, nur eine stelle fordert noch ein wort,
wie soll man ertragen "avögl s^aiTGVfievo) gebt ihr selbst des unter-
schleifs geständige angeklagte frei" (19). weder steht ccvi]q jemals in-
definit, noch kann man den richtern sagen, dafs sie auf die fürbitte eines
beliebigen mannes, oder auch praegnant, eines mannes, Verbrecher frei
23) Blafs liat daran gedaclit, den namen Oropos in Oreos zu ändern, aber
wenn es aucli in der attischen kieruchie vielleiclit einen von Atlien eingesetzten phru-
rarchen gegeben hat, so ist Oreos eben nicht verloren gegangen, und eine änderung
der nohreia in den kleruchien ist schlecht denkbar, da vollends zufällig bekannt
ist, dafs Oropos zwei monate vor der einsetzung der 400 verloren gieng, wird man
seine erwähnung in einer rede jener zeit nicht leicht für einen Schreibfehler halten.
24) Sprachlich interessant ist 23 oaov ovSe/mäs aroareiai anshifd'r] , denn
dafs oaiov nur orthographisch zu verbessern ist, liegt auf der band, selbst Cobet
hat mit vt'os cov durch arge gedankenlosigkeit eine Unwahrheit und eine dummheit
dem redner in den mund gelegt, Scheibe gar oaov ovx ovSe/itäs wirklich vorgeschlagen.
oaov ovTtca naorjoav heifst freilich 'sie waren nur so viel abwesend, dafs man eben
sagen kann, sie waren abwesend', aber oaov oaov ariXr^v heifst 'nur so viel wie ein
tropfen', oaov ß^az'^ so viel wie eine kleinigkeit'. also ist oaov olSsftia aroareia
'so gut wie kein feldzug' t] ris i] ovSsuia würde es ionisch heifsen. — 5 all' el
TIS ^y.al) oliyas r<p|«s a()y/i?. — IG ovros Si [ev] nolldls Sr,loi v/ulv ort ovx
UV Tiare [ev] oxrco r^fis^as (gats X) eiaeld'Mv. — 24 ejieiS/] §e Sie(pd'äQr] (das beer)
y.al aveacö&riv (mich zurückrettele) eis Karavrjv, elrj^öfir^v o^firnjuevos evievd'ev
xal Tove 7io?.ejuiovi xaxcoi enoiovv wäre rr] d'ecö re TceS Sexäras e^ai^ed'rjvai
Ttleiv rj TOidxovxu fiväs xal roTs axQaTioJxan eis acoTTjQiav , oaoi ev toTs nols-
juiois f,aav, <so und so viel zur auslösung geschickt werden konnte^, xal enetSt}
Karmmlot, 7~väyxat,ov [innsveii^], innei'ov. — 29 tov Se TVoeaßLzarov oSelcpuv ovxoi
(avToi X) Ol avargarevö/uevoi 't'aaaiv oi'rives — rjTe ev Ellr^anövxco. — 30 (rj) cov
fiev 6 TtaTTjQ all' ei Sia tr^v rovrov Siaßolrjv Sei rjfiäq (ri^ Ttaayjiv.
III. 9. Die rede für Polystratos. 367
iiefsen. es fehlt die nähere beslimmung. einflufsreiche fürbitter bewirkten
die milden urteile, Theramenes Kleitophon Demophantos. man kann
eine lücke annehmen ; aber ungleich wahrscheinlicher dünkt mich, dafs
der redner einen eigennanien gesetzt und mit diesem den concreten fall
bezeichnet halte; dagegen schien es ihm, als er die rede verbreitete, klug,
das persönliche zu verwischen, und so ist der eigenname durch N. N.
erselzt.^^) diese beobachtung hat mich zuerst darauf gebracht, den zweck
der verülfenllichung dieser rede und die müglicbkeit ihrer erhaltung zu
erwägen, seitdem habe ich den gesammteu nachlafs der redner darauf
hin durchzumustern veranlassung gehabt; aber ich möchte meine ge-
danken erst ausreifen lassen, das ergebnis ist zu hübsch, als dafs ich
es durch voreilige besprechung schädigen möchte.
25) Dasselbe scheint 26 geschehen, die attischen flüchllinge führen kleinen
krieg gegen Syrakus in Katanas diensten. da kommt 'Syrakosios' mit einem ver-
trage, den sie beschwören sollen: offenbar bietet er ihnen durchlafs, wenn sie die
insel verlassen wollen, oder ähnliches, der Sprecher und zumal der bekannte Tydeus
verhindern das. der nackte HvQaHÖaios ist kaum erträglich, auch hier scheint ein
eigenname unterdrückt.
10.
DIE HAPArPA^H UND LYSIAS GEGEN PANKLEON,
Die rhetorische terniinologie unterscheidet als eine grundform der
fragstellung, die für die gerichtsrede das erste hauptstücii ist, die (.lExä-
Xr]ipig^), die form- oder competenzfrage, ob das angezogene gesetz auf
den rechtsfali pafst, oder der procefs aus formellen gründen unzulässig
ist. in dem ausgebildeten attischen rechte, wie es die demosthenischen
reden zeigen, ist dies auch schon fast ganz durchgeführt, der beklagte
kann den competenzconflict erheben; dann klagt er wider die klage-
schrift, die im falle seines sieges beseitigt ist. es mufs aber angenommen
werden, dafs derselbe gerichtshof, bei dem die erste klage erhoben war,
auch über die competenzklage zu befinden zuständig ist. uns liegt es zwar
nahe, eine besondere gatlung von klagen, die 7caQayQarpiy.al, zu sla-
tuiren, wie denn die ordner der demosthenischen reden eine gattung
von diesen als TiaQaygarfixol ausgesondert haben, und gewifs wären
die thesmotheten ihrer ursprünghchen bestiramung nach geeignet ge-
wesen, nach den bestehenden gesetzen, die sie doch kennen mufsten,
jeden competenzconllict zu entscheiden, nüligenfalls darüber ein beson-
deres geiicht zu berufen, es ist aber zu einem besonderen processe der
jcaoayqacfi] und einem besonderen gerichtshofe nicht gekommen, weil
diese feinlieit der juristischen distinction erst allmälich vor unsern äugen
durch die praxis gefunden wird.
Wir erfahren durch Isokrates (18, 2), dafs Archinos*) ein hesou-
1) R. Volkmann Rheloiik 84.
2) Aiciiinos gab das treffliche gesetz im inteiesse der Versöhnung: die syko-
plianten, einmal zu woite gelassen, hätten ihren ganzen geifer spucken können, wie
das Lysias in der rede gegen Philon am unerträglichsten tut, und die richter hätten
dann dem der Oligarchie bezichtigten xaräßa tcaiäßa entgegengeschrieen, so ist die
praktische politik hier die anregende Ursache; aber eine logische fortbildung des
rechtlichen gedankens liegt darin, und diese hat weiter gewirkt.
III. 10. Die TtaQayoatf^ und Lysias gegen Pankleon. 369
(leres gesetz durchbrachle, durch welches eine naQctyqaif'i] mit beriifung
auf die amnestie in jedem falle zugelassen ward: also war das sonst
nicht nötig, sondern stand im belieben des gerichtsherru ; und ferner
der ursprünglich angeklagte, der als TtaQayQaipä/tievog kläger geworden
war, das erste wort haben sollte: also war das, trotzdem es die logik
fordert, noch nicht allgemeiner gebrauch.
Einen beleg hierfür liefert die rede des Lysias wider Pankleon. sie
ist in einer naQayQacpi] gehalten, wenn auch nicht einmal dieser ler-
minus, sondern der allgemeine avTiygacpi] gebraucht wird, und es fällt
kein wort über den gegenständ der eigentlichen klage, trotzdem hat
der ursprüngliche kläger das erste wort, aber vollständig ist die rede:
am Schlüsse sollen die richter abstimmen, natürlich, ob die klage selbst
zulässig sei. wir sehen aber auch das besondere, dafs der redner sorg-
fallig die Wasseruhr jedesmal zumachen läfst, ehe er einen zeugen auf-
ruft, was sonst bei Lysias nicht vorkommt: offenbar hatte er wenig
wasser, weil diese Vorfrage erst von der eigentlichen abgetrennt wor-
den war.
Noch ahertümlichere Verhältnisse zeigt die rede Antiphons über die
er mordung des Herodes. der Sprecher, Euxitheos^), ist als y.ay.ovgyog vor
die elf geschleppt und bestreitet auf das nachdrücklichste die Zuständig-
keit dieser procefsfurm; er hebt hervor, obwol er auf die sache selbst
tief eingeht, dafs man ihn aus diesem formellen gründe freisprechen
suUte, er konnte dann ja immer noch vor den zuständigen richter ge-
zogen werden, damals also war die nagayQaffrj als besonderes reclits-
niiltel noch nicht im gebrauch, wenn auch das gericht aus formellen grün-
den freisprechen konnte, es leuchtet aber ein, dafs eine Verhandlung, wie
^ie hier vorliegt, die gefahr brachte, dafs die richter trotz allen formellen
bedenken materiell entschieden, und wenn Euxitheos hier freikam, ein
so starkes praejudiz vorlag, dafs der kläger es schwerlich von neuem
vor dem Palladion versucht haben wird, ein fall, wo ein die TtaQayoaq)^
begründender einspruch nicht als besondere klage, sondern ebenso wie
3) Es ist eine schöne enldeckung von Bohlmann, dafs Sopater dem Sprecher
diesen namen gibt (Walz Rhet. IV 316), eben wo er diese rede als probe der naqa-
yQafri benutzt, und dafs dann unsere liypothesis der rede jünger als Sopater ist,
macht nichts dagegen aus. dafs die Überschriften der reden namen erhalten haben,
selbst die so wenig zuverlässigen des Lysias den des Mantilheos 16, oder doch zu
Libanius zeit erhalten hatten, ist notorisch, aber etwas ängstlich macht mich, dafs
Euxitheos auch als name des Sprechers wider Eubulides eben nur von Libanius ge-
nannt wird, und sehr mytilenaeisch klingt der name nicht.
V. Wilarao\vi;z, Aristoteles. II. 24
370 III. 10. Die naoctygatfii und Lysias gegen Pankleon.
in der Ilerodesrede innerliall) des haiiptprocesses als ciü verteidigungs-
griind nebenher vorgebracht und widerlegt wird, kommt in der rede des
Lysias wider Pankleon gelogenllicli vor.
So ergibt sich ein, wie mich dünkt, eben so sicherer wie inter-
essanter einbhck in die entwickehing des attischen rechtes. —
Da die Lysiasrede wenig verstanden und sogar athetirt ist, benutze
icli die gelegenlieit, sie zu erläutern, das kann mit einer erzählung des
handeis so kurz geleistet werden, wie die gute rede selbst ist.
Der klüger hatte, wir wissen nicht was für einen, handel mit einem
walker I'ankleon, der in Wahrheit ein weggelaufener sklave eines Pla-
taeers war, aber ein geriebener kerl, der es verstand sich in Athen
herumzudrücken, bald den Plataeer, also bürger, bald den metoeken
spielend, und der auch einen resoluten anhang von gesinnungsgenossoa
hatte, der kläger kam mit den vom gesetz geforderten ladungszeugen
{y.XrixilQeg) und verkündete dem Pankleon, dafs er ihn als metoeken voij
den ])olemarchen cilire. Pankleon gebrauchte die ausflucht. er wäre
Plataeer, also bürger, dem demos Dekeleia zugeschrieben, darauf repli-
cirle der kläger "^so lade ich dich auch vor die demenrichter\ er be-
hielt sich also die wähl des forums vor; die formalität der ladung war
in jedem falle erledigt, sich selbst darüber zu entscheiden, erkundigte
er sich bei den Dekeleern. sie kannten den Pankleon nicht als den
ihrigen; dagegen fanden sich praecedenzfälle, in denen Pankleon vor
dem polcmarchen verklagt und verurteilt war.') die leute, die so dessen
metoekenstand beweisen konnten, stellten ihr zeugnis dem kläger zur
Verfügung, so belangte er also Pankleon vor dem polemarchen; jener
hielt jedoch die behauptung, er wäre Plataeer, aufrecht: daher diese vor-
verhandlung.
Um für sie material zu suchen, gieng der kläger die in Athen ein-
gebürgerter Plataeer an und hörte hier die überraschende tatsache, dafs
Pankleon ein entlaufener sclave des Plalaeers Nikomedes wäre, es
scheint, dafs dieser von seinem verlornen besitze erst jetzt künde erhielt; .
jedenfalls benutzte er die gelegenheit, ohne zweifei im einverständnis
4) Wer da glaubt, dafs die metoeken ohne materielle oder formelle Interven-
tion eines patrons nicht rechtsfähig gewesen wären, möge gefälligst den patron des
Pankleon angeben oder erklären, wieso von dessen existenz oder nichtexistenz kein
wort fällt, dafs er mit dem schwinde! durchkam und sich oiy.iöv iv JsxeXeia (oder
wie er gerade log) vor dem polemarchen nennen konnte, liegt daran, dafs die me-
toekenprocesse nicht nach phylen verteilt wurden (oben I 249). der polemarch und
die kläger hatten die behauptung auf treu und glauben angenommen.
III. 10. Die naoayqacpr] und Lysias gegen Pankleon, 371
mit dem Idäger, für den er als zeuge auftritt^), ein par tage später den
i^ankleon mit berechtigter Selbsthilfe als sclaven zu greifen, der kläger
war, schwerlich zufällig, zur stelle, aber Pankleon setzte sich mit seinem
anhange zur wehre, es kam zu einer priigelei, und schliefslich giengen
die leute auseinander, nachdem sie stipulirt hatten, am folgenden tage
wolle Pankleon einen bruder mitbringen^), der ihn, sei es dafs Niko-
medes freiwillig zurückträte, sei es durch anstrengung eines formellen
vindicationsprocesses, frei machen würde, zu dieser Verhandlung er-
schien auch, vorsorglich mit zeugen, der kläger. da er keinen hatte,
konnte Pankleon keinen bruder mitbringen; er half sich damit, dafs er
ein weih vorschob, das dem JSikomedes sein herrenrecht bestritt, weil
Pankleon vielmehr ihr gehöre, ein weih kann zwar eigenthch nicht
besitzerin sein, aber durch die Verhältnisse von erbtochlern und mitgift
war sie es oft genug factisch, und dafs ihr xvQiog zunächst im hinter-
grunde blieb, war für Pankleon höchstens ein schlauer kniff, natürlich
verlief die Verhandlung wieder resultatlos, die rotte Pankleons brauchte
schliefslich gewalt und befreite ihn. damit war dies inlermezzo zu ende.
Es kam nun zu der gerichtlichen Verhandlung, die sich auf den
einspruch des als metoeken verklagten Pankleon bezog, dafs er Plataeer
wäre, der kläger berichtet und beweist durch Zeugenaussagen was ich
ihm nacherzählt habe, aber er folgert nunmehr nicht was er eigent-
hch zu beweisen übernommen hatte, dafs Pankleon metoeke wäre, son-
dern was sich ihm wider erwarten ergeben hat, dafs er sclave ist: das
5) in den paragraphen 7. 8 wird er nicht genannt, dann werden zeugen auf-
gerufen, und es folgt 9 vno Nixofirßovs os ifiaQTVQriOev avrov SsanoTiqs elvai: das
heifst 'der eben als zeuge aufgetreten ist und beschworen hat, er wäre sein herr'.
es ist also für die wirklich vor gericht gesprochene rede berechnet, die worte, die
man athetiert hat, halten die ganze rede zusammen, und weil sie nicht das leere
lemma fiä^Tv^ss, sondern die wirkliche Zeugenaussage voraussetzen, beweisen sie am
besten, dafs es eine wirkliche rede ist.
6) Wo diese prügeleien stattfanden, ist gleichgültig; man denkt in Athen
natürlich an den markt, der wird jetzt genannt in den worten eni Toiroig iyyvTj-
aäftevoi TtaQs^siv (nämlich den bruder) sts ayoQav co^ovio dniövrss. neben dem
verbum der bewegung wird man ein sts nyogäv nur ungern wo anders hin beziehen,
allein das ist nötig: die leute giengen nicht auf den markt, es tut nichts zur Sache,
wohin sie giengen, sie giengen eben weg, discedebant. also die unbequeme Ver-
bindung eis ayoQuv naQt^eiv. dabei tut wieder nichts zur sache, wohin der bruder
geliefert wird, zumal sonst keinerlei bestimmung da steht, es geht aber weiter,
ifi S' vaxEQaiq. dies moment, dafs die Verabredung für den nächsten morgen galt,
ist wesentlich und ist nirgend ausgesprochen, also halte ich für evident, dafs
TtaQE^eiv eis avQiov zu schreiben ist.
24*
372 Hl. 10. Die ■nctQnyQafi] und Lysias gegen Pankleon.
folgert der einzige niclil erzälileiule sondern raisonnirende paragrapli (12)
der rede, zienilicli äufserlich angenickt iiomml noch ein heweismoment
nach, das auch sachhch nicht viel hesagt. ein gewisser Aristodikos und
ein par andere leute hezeugen, dafs Pankleon vor 8 jähren in einem
processe, den er mit Aristodikos hatte, schon dieselbe einspräche er-
hoben hatte, er dürfte nicht als mctoeke belangt werden, da er Plataeer
wäre, es war damals aber zu keiner besondern Verhandlung 'über die
,raQayqa(pr] gekommen, sondern innerhalb der reden über den eigent-
hchen gegenständ der klage hatte Pankleon seine behauptung gemacht,
Aristodikos sie durch einen zeugen widerlegt, um nun das urteil zu
verhindern, hatte Pankleon vor der abstimmung die klage falschen Zeug-
nisses wider jenen zeugen erhoben.'') allein das war nur eine finte ge-
wesen, um zeit zu gewinnen, er liefs die frist verstreichen, die für die
angemeldete klage gesetzt war, und so ward er rechtskräftig in der
hauptsaclie verurteilt, statt nun dem Aristodikos zu zahlen, entwich er
auf eine weile nach Theben, wo er natürlich nicht als Plataeer sondern |
unter irgend einer andern fingirten herkunft als metoeke lebte, schliefs- '
lieh zog er doch vor sich mit Aristodikos zu vergleichen, der froh sein
mochte, einen teil seiner forderung zu erhalten, und kehrte nach
Athen heim.
Diese ganze geschichte, die büchstens beweist, dafs Pankleon kein
Plataeer ist, hat nicht viel auf sich; der kläger hatte wol, ehe er die
stärkere position durch Nikomedes eihiolt, schon Aristodikos als zeugen
gewonnen und mochte ihn nun nichl fallen lassen, der redner findet
auch nur mit einer gequälten Wendung den Übergang zu dem handel
des Aristodikos*) und bricht kurz ab, mit einem wirkungsvollen "das
wird genügen; wejin ihr es im gedächlnis behaltet (nicbt durch die winkel-
züge des nun auftretenden Pankleon verwischen lafst), so werdet ihr
nach recht und Wahrheit entscheiden; nur darum bitte ich".^) was
7) Ueber die modalität der i7iiaxT]i^'ie xi-^evSofmQTVQicöv ist jetzt kiarheit durch
Aristoteles col. 37. das urteil wird natürlich trotzdem sofort gefällt, aber nur in
eventum. rechtskräftig wird es erst, wenn entweder die (uns moI unbekannte) frist
für die einreichung der klage verstrichen ist, oder der enianTj-ipäfievoi in ihr unter-
legen, dann mufs auf antrag der obsiegenden paitei formell die rochtsgiltigkeit des
Urteils ausgesprochen sein, das ist hier e'inas y.araSixäaaad'ai. avrov rvv I^qi-
GToSlXOV.
8) 13 'bewiesen ist, dafs er sich nicht von fern selbst für einen Plataeer hält;
nun sollt ihr erkennen, dafs er sich auch nicht einmal getraut, euch zu diesem
glauben bestimmen zu können'.
9) olS^ ori T« TB Sixnia xni rnlrjd'T] y/rjqyisiad'e' a y.ni (xnl a X) iyo) vfiof
III. 10. Die naQayQafT} und Lysias gegen Pankleon. 373
werden sie entscheiden? der herold wird rufen "die iiohle für den
ersten redner, die volle für den zweiten'', das bedeutet, 'Sver urteilt,
dafs Pankleon kein Plataeer ist, gebe die hohle ab".'°) und wenn er
kein Plataeer ist, geht dann der procefs zu der eigentlichen klage weiter?
bewahre, dann nimmt Nikomedes seinen entlaufenen sclaven beim kra-
gen und zieht mit ihm ab: hier wird keiner sein, der die vindicatio
in libertatem wagt, und im gerichte ist die rotte Pankleons machtlos,
der vogel ist im garn : diese Stimmung erheitert den redner im voraus,
der sclave kann freilich nicht vor dem polemarchen belangt werden; in
sofern hat der ganze ursprüngliche rechtshandel keinen zweck mehr;
daher kein wort über ihn. aber der in zukunft für seinen sclaven haft-
bare Nikomedes ist im einverständnis mit dem kläger, offenbar schon
im einverständnis mit ihm gewesen, als er Pankleon greifen wollte,
über den alten handel des kliigers mit jenem haben sich die beiden
längst irgendwie verständigt, und das ist ihre sache. Pankleon der schlaue
war diesmal allzuschlau, er wollte sich mit der einspruchsklage um den
procefs drücken: jetzt führt sie dazu, dafs der procefs freilich hinfäUig
wird, aber Pankleon seinen personalstand statt zum bürgerrecht hinauf
in die sclaverei zurückschraubt, ein hübsches bild aus dem attischen
eben und dem attischen gerichtswesen.
Sio/iai. die Überlieferung ist falscli, erstens weil das drille glied kein gleichstehendes
noch ein drittes sein kann, 'was ich bitte' neben 'wahr' und 'gerecht'; zweitens
weil dann die rede keinen klangvollen abschlufs hat. was er bittet, ist eben nur
die Stimmabgabe für gerechtigkeit und Wahrheit, mit der bitte, direct ausgesprochen,
tritt der redner von der bühne.
10) Arist. pag. 37,14. Aischines 1,79 darf nicht den eindruck erwecken, als
wäre bei dem heroldruf das materielle der klage namhaft gemacht, obwol er sagt,
10 ix rov vöfiov ariovyua "rcöv xpr/ipcoi' fj rerQvnrjuet'r] , otco SoheI Tcenoovevad'at
Tinaq'iov, ?] ös n).r,or,i, oico firj'\ denn er fingirt eine abstimmung ohne reden.
11.
LYSIAS WIDER DIE GETEEIDEHÄNDLEE,
Ich habe nichts besonderes zu sagen, aber ich kann mich nicht
enthaUen, diese rede zu erläutern, aus der ich mehrfach für Aristoteles
facta ausheben mufste. die reden sind wirklich damit nicht erschöpft,
dafs man an ihnen die secundanergrammatik ül>t oder die sophistische
rhetorik erläutert.
Die rede ist gehalten 386 in den ersten monaten, während über
den Antalkidasfrieden in Sparta verhandelt ward, aber die entscheiduni;
noch nicht gefallen war.*) der rat, der in ihr als kläger auftritt, ist
der, welcher jene schmach auf Athen geladen hat, im friihjahr 387 von
den demen praesentirt, und der wert, den die rede für die zeitgescbichte
hat, liegt darin, dafs wir sehen, wie die teuerung, die dem altischen
Städter viel mehr als dem bauern, den hohe getreidepreise nicht drücken,
empfindlich war, die Widerstandskraft gelähmt hat, obwol nach dem stürze
des Thrasybulos gerade die radicalen oben auf waren, einer von ihnen
begegnet uns hier: sie haben in kürzester frist das Staatsschiff zum
stranden gebracht.
Der rechtshandel ist folgendermafsen verlaufen, es gieng beim rate
eine denuntiation (eyösiBig) wider eine gilde (ein y.oivov) von getreide-
händlern ein, dahin gehend, dafs diese grüfsere bestände von körn als
1) Die zeit folgt aus 14 in Verbindung mit der nunmehr ermittelten Chrono-
logie der um den frieden gruppirten tatsachen, Mie sie z. b. die Zeittafel in ludeichs
kleinasiatischen Studien richtig angibt, es stimmt, dafs der winler des letztver-
gangenen attischen Jahres (Pyrgion: es ist arg, dafs ein historiker Pyrrhon schreibt)
o TtQüTBQOi %Ei.fi(X)v Ist, 8. übrigcns mufs damit von den historikern gerechnet werden,
dafs im winter 388y7 die teuerung schon da war. der Plutos, der anfang 388 in
Athen seinen einzug gehalten hatte, ist durch Agyrrhios und seine leute rasch Aer-
trieben worden.
III. 11. Lysias wider die getreidehändler. 375
die vom gesetze erlaubten 50 trachten [cpoQf.iol)'^) auf einmal gekauft
hätten, als die prytanen die sache vor das plenum brachten, fanden
sich einige heifssporne, die das todeswürdige vergehn für manifest hielten
und die angeklagten ohne weiteres den elf zur hinrichtung übergeben
wollten, es drang aber der antrag eines ratsherrn, aus einer der nicht
Vorsitzenden phylen, durch, dafs der rat zunächst eine Voruntersuchung
(■/.Qioig^)) vornehmen sollte, die verklagten wurden also citirt, und in dieser
Verhandlung sind die aussagen gefallen, die der redeschreiber, gleich als ob
sie in der hauptverhandlung schon gefallen wären, seiner rede einverleiben
konnte (5). die verklagten waren der tat geständig, beriefen sich aber auf
die autorisation des Auytos, der 3S8/7 oirocfvÄa^ im Peiraieus gewesen
war. auch dieser sammt seinen collegen ward vernommen, konnte auch
nicht leugnen (weshalb der redner seine künftige aussage vor dem ge-
pichte kennt), wollte aber mit der anweisung ganz etwas anderes gewollt
haben, der rat sprach die yiaTayvioaig aus, und nun gieng die svdet^ig
als ^laToyvioaig des rates an die thesmotheten, die ein gericht beriefen;
ankläger ist formell der rat"*), tatsächlich der antragsteller, dem auch
als solchem bei der vorverhandlung das wort zugefallen war. der denun-
tianten geschieht keine erwähnung mehr.
Die kornhändler hatten gegen das gesetz verstofsen, also waren sie
schuldig; aber sie hatten getan, was sie ein grofser volksmann und iiir
2) Es ist nicht Boeckhs schuld, wenn ihm gedankenlos nachgeredet wird, dafs
der (poQ/ios so viel wie ein fieSifiros wäre, er gibt (Sthh. I 116) seine gründe an, die
darauf hinauslanfen, dafs Taylor zu Lysias foouos mit cumera vergleicht, und Acro
(auch ein zeuge!) diese auf 5—6 modien iierechnet. beweist das etwas? ferner
meint Boeckh, ein medimnos könnte wol für eine tracht gellen; SO — 90 pfund sind
aber wirklich für einen lastträger herzlich wenig, vor allem aber bedeutet tpoo/uos
eben nicht last, sondern ein Instrument zum tragen, speciell einen korb, und Taylors
vergleichung schwebt in der luft. damit dafs die Aegypler ein getreidemafs haben
sollen, das ein gewicht von 110—120 pf. repraesentirt (Hultsch Metrolog. 106), ist
der Boeckhsche foouös doch nicht gewährleistet, wir kennen das gewicht des
fOQfios nicht; übrigens war es zunächst gar kein gewicht, sondern ein mafs. dafs
es nicht gleich fie'Si/uvos war ist an sich klar, wozu denn sonst ein neues wort? es
folgt zudem aus 12, wo xara fitSifivov im gegensalze zu xara v'g^oojuovs steht.
3) Kotats selbst steht 3, also ist 2 ov SeTv avTois axgirovs ajiolcoh'vat ganz
scharf technisch gesagt.
4) 6 Tjftsls ifilv Tta^saxöfced'a rov vSfiov. die klageschrift wies also auf
1) den vom rate festgestellten tatbestand, 2) die gesetze, gegen die der angeklagte
verstofsen hatte, 3) das verurteil des rates. somit hatte der Vertreter des rates im
wesentlichen nur deshalb zu reden, weil die herren richter die acten nicht gelesen
hatten, sachlich konnte die Verhandlung nichts neues bringen.
376 in. 11. Lysias wider die getreidehändler.
nächster aulsichtsbeamter geheil'scn halle, es war unrechl, wenn man
sie büfsen liefs, es war ein skandal, wenn man sie allein büfsen liefs.
der redner empfindel das, aber er scblüpfl darüber mit der schünen
phrase weg, die schuldigen mülsten unter allen umständen bestraft wer-
den; übrigens würden sie sich gar nicht mit der berufung auf Anytos
weifsbrenncn wollen, das ist eine offenbare Unwahrheit; das von ihm
selbst angeführte verhör zeigt es. die entschuldigung des Anytßs ist dem
redner selbst nicht sehr triftig erschienen (10), aber er gibt sie doch
des breiteren wieder, sie ist allerdings sehr gewunden und wird erst
in Verbindung mit einigen späteren aussagen (17) ganz verständlich, das
gesetz, welches den kornhändlern ein maximum für ihre einkaufe setzte,
war erlassen, um die ansammlung von grofsen massen getreides in einer
band zu verhindern, um die concurrenz zu heben und die weitaussehende
speculation zu unterbinden, sind es viele kleine händler, so leben mehr
davon, und sie können uns nicht die preise machen, dachten diese national-
oekonomen. vielleicht gieng es auch gut in den zeiten, wo überQufs
von znfulir in den hafen kam. aber wenn nun ein laslschift' langersehnt
ankam und den preis fordern konnte, wie ihm die not gestaltete, da
trieben sich die händler in die höhe, froh zu jedem preise ihre 50 körbe
zu erhandeln und sicher dem hungrigen publikum immer noch mehr
abfordern zu können, da waren die Schwankungen des preises vielleicht
das peinlichste, und so sehr man fluchte: der liändler, der heute seine
50 körbe gut eingekauft halte, niul'ste plötzlich ungemein aufschlagen,
weil ihm der Importeur, dessen schiff im kf.i7i6qLOv lag, die nächsten 50
um so viel teurer machen konnte, da bekamen die nationaloekouomen
zu fühlen , dafs nur der capilalkräflige grofshandel den preisen einige
stätigkeit geben kann, und es war ganz brav, dafs der alte volksführer
Anytos die stelle als oirocfvla^ nicht verschmähte, obgleicii die volkswut
in den schlechlen zeiten den poslen lebensgefährlich gemacht hatte, es
war auch sehr verständig, wenn er den getreidehändlern den rat gab
"bildet einen ring gegen die Importeure {ovvtoraG&ciL htl rovg if.i-
TtoQovg 17); treibt euch nicht gegenseilig hinauf; wenn sie ankommen,
und ihnen einhellig nur ein und derselbe preis für ihren weizen geboten
wird, müssen sie schon zuschlagen : hinaus aus dem hafen darf das ge-
Ireide ja nicht", aber das gesetz der 50 körbe? die sache gieng ja
nur, wenn die kornhändler gröfsere lager halten konnten; sie wollten
doch auch einen profil und einige Sicherheit, da liefs Anytos das gesetz
schlafen, und eine weile ist es gut gegangen : es hat ihn keiner bei der
euthyna belästigt, das erzählt er nun allerdings nicht vor dem rate,
III. 11. Lysias wider die getreidehändler. 377
sondern er will ihnen nur in der teuren zeit geraten haben, sich nicht
gegenseitig zu überbieten, lediglich um den consumenten billigeres körn
zu schaffen : sie hätten ja nur einen obolos am schefFel profitiren sollen^) (8).
damit ist die frage noch nicht beantwortet, und höchstens seine tendenz
gerechtfertigt "dafs sie grofse getreidelager aufspeicherten, hätte er nicht
beabsichtigt, sondern lediglich billige getreidepreise (10)". das wäre auch
ihre Intention gewesen, konnten die kläger sagen und sagten sie auch (11),
aber dazu mufsten sie sich zusammentun und konnten nicht heute 50 und
morgen wieder 50 korbe kaufen, die sache war klar, sollte man meinen, und
der rat mitsammt seinem Sprecher handeln wider jede gerechtigkeit, wenn
sie den thesmotheten nur eine •/.axa-ieiqoxovla wider die denuntiirten,
nicht wider Anytos übergeben haben, das formelle recht machte ihn
vielleicht, als ).6yov y.al ev&uvag öeötoztog, straffrei; doch darauf in-
sistirl der redner nicht, sondern er wendet auch das nur wider die ver-
klagten, als er Anytos schon aufgerufen hat (9), bringt er noch den
gedanken vor "^er hat im Vorjahre mit ihnen verhandelt, das delict ist aber
in diesem begangen\*')
Wenn denn aber die mafsregel wirklich höchstens den preis ge-
5) JsTv yao oßol.ih nwl.tlv riuicörs^ov. d. li. er sagte ilinen avvoJVEiad'e /irj
arrcovovjusvoi ä/.Xr^f.oiS' iniTotnco v/iiv , uXXa 6ßü}.(ö fiörof ri^icorsooi' 7ico).tiie.
das kann er wirklich gesagt haben; bei gröfserem umsatz brauchten sie am scheffel
weniger profit. er kann es auch jetzt blofs vorgeben, der obolos kann ein starker
ausdruck sein, den niemand wörtlich nehmen darf, ein gesetz aber daraus zu
machen, das den geschäftsgewinn in den billigsten Zeiten auf S^/o setzt und mit
dem steigen des wertes der waare immer tiefer sinken läfst, ist an sich sinnlos und
hat weder an diesem texte noch sonst irgend welche gewähr, aber nötig ist der
Zusatz (nav) oßoXcö meines erachtens nicht.
6) Hinter '^wtov /adorvQa naoi^ofiai erwarten wir, dafs auf einen wink der
herold den zeugen vorführe, und Fuhr bemerkt, Lysias mache hinter solcher Wen-
dung keine worte mehr, es geht auch weiter xai ovtos (läv, also Anytos ist jetzt
da; es ist eine pause davor, deshalb aber sind doch die folgenden worte wahr-
haftig nicht unecht, wer sollte sie denn interpoliren? eine rede ist kein schulaufsatz,
sondern auf inönoiais berechnet, es ist ein wirksamer gedanke in ihnen, er steht auch
an einem wirksamen platze, aber es lag nicht im interesse des reduers, auf ihm zu
verweilen, so bringt er ihn geschickt, als fiele er ihm jetzt noch ein, in einer
kunstpause nach, fasse ich ihn aber so richtig, so kann der salz nicht mit aal tos
OVTOS fisv — eine dem vorhergehenden fiüorvoa Tiu^i^oftai untergeordnet werden;
weder soll Anytos bezeugen, dafs das delict erst nach seinem amtsjahre begangen
sei, noch kann in dem satze, in dem er ideelles subject ist, ovros von ihm gesagt
werden, also ist ws zu streichen. — ich möchte noch ein wort beseitigen, gleich im
anfang 7ZO?J.oi uoi rcQoaelr^ltd'uaiv d'uvfiu^ovres ors — y.arrjyooovv, [xal] ?.ayovrss
OTt y.xe. die copula ist falsch, id'u{iiat,ov yäo i.eyovxes Sri.
378 III. 11. Lysias wider die gelreidehändler.
drückt hatte, woher der iiigrimin wider die gelreidehändler? das kommt
hinterher heraus, den importeuren war (he sache natiirhch äufserst un-
erwünscht, denn wenn ihnen eine geschlossene und capitalkräftige gilde
atlienischer (d. li. ortsanwesender) getreidehändler gegenühertrat, der Staat
aber ihre Trachten festhielt, sobald sie im Peiraieus lagen, so machten
sie nicht mehr den preis; sie waren aber eine längst bevorrechtete gilde
und waren gewohnt zwar mit grofsem risico, aber mit ganz upverhält-
nismäfsigem gewinne zu arbeiten. Athens gesetzgebung zeigt, wie zart
man sie behandelte; die zeit der tcuerung 330 — 27 zeigt, welche macht
sie hatten, wenn Athen politisch mächtig war, sicherte es sich die fnie
Verbindung mit dem Pontos und, so gut es gieng, mit den andern korn-
ländern. dann wohnten genug grofshändler und kleinhändler im Pei-
raieus, und die preise waren entweder nicht hoch, oder das volk war
doch kaufkräftig genug, sie zu zahlen, dann sind die afircoQOi keine
macht, aber jetzt war die zufuhr bedroht, und der frieden, der in sieht
war, gab die eroberungen des Thrasybulos preis, da galt es mit den
importeuren gut zu stehn, und ihnen opferte man zwar nicht den Anytos,
aber wol die kleinen getreidehändler, (.liToi/.oi avd-QwncoL (was jene auch
waren) und xa/rj^Aoi (was diese nicht waren, wenn man sie gewähren
liefs, wie Anytos). diesem interesse dient der Sprecher, und für die
grofshändler hat Lysias diese rede geschrieben.
Die rede wollen wir nun betrachten, das sophistenwerk, das nicht
als ein Schaustück von nä&og und rjd^og, um der d€iv6r)]g oder xccQig
willen geschrieben oder publicirt ist, sondern um den procels zu ge-
winnen und dann um politische Stimmung zu machen, der Verfasser
liefert nur für gutes geld seine feder; die ihn bezahlten, hatten es: er
ist ein mensch ohne jede persönliche gesinnung. darum kann er hinter
dem Sprecher verschwinden, dieser empfindet, dafs die denuntiation, zu
deren Wortführer er sich gemacht hat, etwas gehässiges hat, deshalb tut
er so, als wäre er der Vertreter des stricten rechtes, spieche es nun für
die angeklagten oder gegen sie. das hatte er bei der vorverhandluiig
bewiesen, als er wider den antrag auf kurzen procefs sprach, und bei
der -AQioig, wo man ihn, den angeblich für die angeschuldigten intei-
essirten, allein auftreten sah. hoffentlich ist das erste aufrichtiger ge-
meint als das zweite, denn wenn er den antrag auf eine y.Qtotg gestellt
hatte, so war es einfach seine sache, sie in die band zu nehmen, wie
er sie jetzt führt, dann recapitulirt er die beweisaufnahme, brüsk gegen
den metoeken; aber Anytos wird mit sammtpfötchen angefafst, wie wir ge-
sehen haben, und mit srrofser Schlauheit wird dann die rede auf das volks-
III. 11. Lysias wider die getieidehändler. 379
treuntlliche gebiet hinübergespielt, und sogleich werden die herren richter
an die teuerung erinnert, bei der der preis oft an einem tage um mehr
als eine drachme wechselte: als ob das nicht gerade Anylos hätte ver-
meiden wollen/) und nun geht es in dem breiten bette der gemeinen
aufwiegelung des Volkes wider die ""^kornwucherer", von denen jeder von
selbst schon weifs, dafs sie den sträng verdienen, bis zu dem gemeinen
schhisse "schlagt sie tot, dann wird das brot billiger", das ist häfslich :
aller ganz ekelhaft wird es, wenn hinter dieser sorte volksfreundhchkeit
die rücksicht auf die grofskaufleute hervortritt, "was werden die sagen,
wenn ihr diese hier freilafst, die gegen sie sich zusammengetan haben.
ihnen tut ihr mit der Verurteilung einen gefallen."
Ob die armen teufel haben bluten müssen, wissen wir nicht, aber
den Athenern ist es eigangen, wie es ein volk verdient, das solche politik
macht und solche redner unter sich aufkommen läfst, wie diesen Lysias.
das heifst, gut ist die rede; sein honorar hat der advocat verdient, mehr
wollte er nicht: höher dürfen wir ihn aber auch nicht taxiren.
7) Es kann keine rede davon sein, dafs der redner für die Preisschwankungen
wirklich zeugen vorgeführt hätte: dann würde er auf der zeit, wo sie vorkamen,
haben insistiren müssen, denn davon hieng alles ab. überliefert ist aber auch nichts
als y.nl roira>v vfiäs fic'iQTvqas 7tnoi-/,ofi(u, was Markland nicht wissen konnte und
trotz Bekker bezweifelt und verworfen ist. Fuhr vermisst vfiäs avrovs, weil es so
li.li steht, schwerlich ist das genügend, und dann wäre der zusatz immer noch
besser als die klärlich auf einem Irrtum beruhenden conjecturen. — eine sichere athe-
teso hat mir Kaibel mitgeteilt, 5 n).Eico alrov avfmQiäa&cn [7ievTrjy.ovTa cpoQficöv]
ojv ö vöfioi annyooevei,, aus 6 eingesetzt. — 18 ist mit Frohberger zu schreiben
7Co}.X<Lv rßrj s^övrcav ravTT]r ttjv alxiav aXX' aufiaßrjrovvrcov xai fia^rvoaS
naoExofiivwv, obwol a/A' aft<piGßr}xovx(ov für J.nftßävsLv überkühn scheint: der sinn
ist unzweifelhaft und von vielen anerkannt, die worte liefert das gesetz über die
evSsxa (Ar. 52, 1), das der redner in dieser ganzen partie im «inne hat.
12.
ISOKRATES PANEGIYRIKOS 100 -Ü4
Zeit der Ein panegyrikos ist für eine panegyris bestimmt: das liegt im
namen. Isokrates wollte den seinen freilich nicht selbst halten, aber er
tat doch so, und das buch sollte zu dem feste erscheinen, und der Jahr-
markt gab die beste gelegenheit es unter die leute zu bringen, also
haben wir, wie für eine tragoedie ein Dionysosfesf, so für einen pane-
gyrikos eine panegyris zu suchen, wenn wir ihn datiren wollen, mit
einer so einfachen Überlegung ist die schönste rede des Isokrates auf
die hundertste olympiade, Spätsommer 3S0, festgelegt, denn dafs die
olympische panegyris gemeint ist, folgt daraus notwendig, dafs diese rede
auf die olympischen reden des Gorgias und Lysias bezug nimmt, zu
ihnen in concurrenz tritt und sie überwindet, selbstverständlich ist ein
buch, das im august erscheinen soll, etUche monate vorher Mm manu-
script abgeschlossen^ und ein mühsam arbeitender Schriftsteller wird
ganze parlien schon viel früher angelegt und ausgeführt haben, wenn
auch bei der schlufsredaction alles eine gemeinsame politur erhielt, es
ist selbst bei den rasch gearbeiteten komoedien gut, solche notwendigen
umstände nicht zu vergessen, wenn man die einzelnen anspielungen mit
dem tage der aufführung zusammenhält: wie viel mehr gilt es hier,
die beabsichtigte Wirkung ist dabei natürhch doch eine einheitliche,
und 380, auf der hübe seiner kraft, konnte Isokrates auch die Uneben-
heiten ausgleichen, die er als greis ruhig stehn hefs, als er mit der rede
nicht fertig wurde, die zu den panathenaeen 342 erscheinen sollte;
damals haspelte er den faden immer weiter; 338 mag die rede, wie sie
ist, auch ausgegeben sein, aber da war gerade so ungeheures teils ge-
schehen, teils im werke, dafs sie am feste post festum kam.*)
1) Der Panathenaikos, der von den Verwickelungen von 338 noch gar keine
spur zeigt, ist besonders belelirend: sollen wir etwa glauben, er wäre für die kleinen
panathenaeen 339 bestimmt gewesen? der steinalte mann schreibt da gewisser-
Zeit der rede. 381
Der Panegyrikos ist publicistisch ein werk allerersten ranges. so
hat ihn seine zeit geschätzt, und wer in ihm nichts als die melodischen
Perioden hört, verdient den Vorwurf nichts als ein rhetor zu sein (und
kaum ein so melodischer) viel mehr als der Verfasser, ohne diese
hearbeitung der öffentlichen meinung wäre die Stiftung des zweiten
Seehundes schlechthin undenkbar gewesen, darum ist das an sich un-
erfreuliche politische leben des vierten Jahrhunderts so überaus belehrend,
^auch für das politische urteil über moderne dinge, weil sich in ächt-
hollenischer weise die ganze zerfahrene unschöne vielgeschäftige mache
eines grofsen prefsmanövers in einer rede, in einem kunstwerke con-
densirt. aher weil das kunstwerk in seiner geschlossenheit und seiner
aiTaQKeia vor uns steht, läuft man so leicht gefahr zu vergessen, dafs
eist die einsieht in die gesammte pohtische Situation das prefserzeugnis
wirklich verständlich macht, wozu einige kennliiisse, einige phantasie und
auch einige politische einsieht nötig ist. so lange uns die steine noch
nicht ermöglicht hatten, die plane und die erfolge des Thrasybulos in
den alten reichsstädten zu erkennen , und die beziehungen Athens zu
Chios im dunkel lagen ^), fehlten die nötigen kenntnisse. so lange der
moderne beurteiler den horizont der scluilstube oder des hörsaals oder
eines in patriarchalischer bevormundung still lebenden gemeinwesens
Von sich auf den redner übertrug, fehlte die möglichkeit des politischen
iiüifsen die geschichte seines buches mit dem buche zugleich, die anstöfse, die
lüdeich (kleinas. stud. 137) an der herkömmlichen datirung des Panegyrikos nimmt,
piledigen sich so von selbst, die kyprischen dinge aber sind mir noch nicht klar
geworden.
2) Die Urkunden lassen keinen zweifei daran, dafs Chios gerade wie 412 gegen,
Sil 395 und 385 für Athen das schwerste gewicht in die wagschale gelegt bat, und
440, im samischen kriege, ist es vermutlich nicht anders gewesen, so wird die
jieurteilung des Isokrates gerechtfertigt, die er in sehr bedeutsamer weise 139 ab-
gibt "der Perserkönig hat allerdings durch seinen anschlufs an eine der beiden
liellenischen grofsmächte dieser das übergewicht gegeben; aber er ist deshalb noch
Innge kein an sich furchtbarer gegner, da man genau dasselbe auch von einem
kleinstaat (fiiKQo. diva/uis) wie Chios sagen kann", wie darin eine Schmeichelei für
Chios liegen soll, die gar ein angeblich zur zeit gespanntes verbältnis ins gleiche
biingen sollte (ludeich 265), ist unerfindlich, viel eher kann man darin die Zurück-
weisung von ansprächen auf gleichberechtigung sehen, aber es ist ja nur die Wahr-
heit; Isokrates kannte diese Verhältnisse gut, da er in Chios selbst gelebt hatte, was
ich nicht bezweifele. — es ist dies der paragraph, der das wort emy.vSi's mit
Xenoph. Hell. V 2, 36 gemein hat: weiter nichts, und das kann wirklich nichts be-
Meisen, ich bekenne, dafs ich mich früher durch die autorität Nitsches habe be-
stimmen lassen, auf den anklang etwas zu ereben.
382 III. 12. Isokrates Pancgyrikos 100—114.
Urteils, es ist, dieselbe ehedem notwendige jetzt nicht mehr exislenz-
berechtigte enge des horizonis, die für Demosthenes in einer abstracten
morahschen bewunderung erstarb, in Isokrates aber nur den Schönredner
sah. der advocal und Parlamentarier wird moralisch verlieren, der
publicist an bedeutung gewinnen: dagegen der rednergrofse beider wird
kein abbruch getan, wenn wir die menschen menschlich, die Hellenen
hellenisch sehen.
veran- Tlirasybulos von Steiria !)atte es 390 versucht, das Reich zu er-
lassung der . 1 1- , . , 1-1 II 1 II
rede, neuern , mit unzulänglichen mitteln und in demselben braven aber be-
schränkten glauben, dafs in der demokratischen reichspolilik des fünllen
Jahrhunderts das alleinige heil läge, in dem er seiner meinung nach
das Vaterland 403 gerettet halte, und wirklich machte es einen ge-
waltigen eindruck, als endlich einmal wieder eine athenische flotte in
den gewässern erschien , die sie einst beherrscht hatte, aber wenn
Thrasybulos an die zeiten vor 412 anknüpfte, so beschwor er damit
selbst die coalition zwischen Persien und Sparta herauf, und ein wirklicher
Staatsmann hätte für diesen fall gerüstet sein müssen; sein plulzlicher
tod vor dem feinde war für Thrasybulos ein glück, zu hause hatte man
sich den ausschweifendsten hoffnungen hingegeben, und 388 führte
Aristophanes, der alt und ehrbar geworden war^), einen alten schwank
wieder auf, der die Wiederkehr des Reichtums sehr verfrüht feierte.
wenn der gott Plutos gekommen wäre und hätte nur dies aristophanische
gesindel in Athen gefunden , das an den eigenen geldbeutel und nicht
an den schätz der bürg denkt, so würde er es nicht lange auf erden
ausgehalten haben, aber er kam nicht, an den Olympien desselben
Jahres erlaubte sich der sophist Lysias die türichte demonstration, den
seit Jahren einander bekriegenden Hellenen eine gemeinsame Intervention
zu gunsten der befreiung Siciliens von dem joche des Dionysios vor-
zuschlagen, des mannes, ohne dessen energie Sicilien längst karthagisch
gewesen wäre. Lysias war syrakusanischer herkunft und seit 403, so
weit die advocatur ihn nicht bestimmte andere tone anzuschlagen, mit
der radicalen partei in Athen eng verl)unden, ohne doch je eine per-
sönliche geltung zu gewinnen, in wie weit er mit dieser rede be-
stellte arbeit lieferte, mag dahinstehn: Dionysios halte jedenfalls das
recht, die leitende radicale partei Athens für diese tactlosigkeit ver-
3) Er hat es sogar bis zum ratsheirn gchraclit, denn icli sehe nicht ab, warum
wir einen gleichnamigen verwandten in dem prytanen 'AQiaT0fä7'r,s KvSct&rjvaisvs
sehen sollen, CIA II 8G5. die Überlieferung des Steines läfst allerdings kein sicheres
urteil über sein alter zu.
Veranlassung der rede. 383
anhvortlich zu machen und sich zu den feinden Athens freundhch
zu stellen, damit ward der Zusammenbruch der stolzen hoffnungen
vollends unvermeidheh, und es war noch das gescheidteste , dafs Athen
gute miene machte und den königsfrieden freiwillig annahm (anfang
386). der verlust war materiell ohne zweifei durch den endlich erreichten
frieden aufgewogen; aber moralisch mufste er unersetzhch erscheinen,
denn nur Athen bekam die schmach aufsein schuldconto, dafs Asien dem
könige ausgeliefert w^ard , die Inseln aber geradezu ins leere fielen :
wenn keine flotte im aegeischen meere herrscht, gehört es den piraten.")
Sparta mochte den Persern in dem verzichte auf Asien eine wertvolle
concession zu machen scheinen : die lonier wufsten es besser, dafs die
plane des Lysandros und Agesilaos begraben waren, schon als dieser
Asien räumte, und sein unfähiger schwager Peisandros sich von Konon
schlagen hefs.^) in Hellas selbst aber erhielt Sparta freie band, und es
scheute sich nicht, von dieser freiheit jeden gebrauch zu machen, da
von dem alten Spartiatenadel nur noch eine tyrannische Oligarchie übrig
war, und Agesilaos sich jetzt darein gefunden hatte, mit dieser Oligarchie
gemeinsam scrupellos jede gebotene chance auszunutzen, ohne höhere
ziele zu verfolgen, so trieb man das spiel der persönlichen willkür
schamloser und ideenloser als je, ohne dafs man auf mehr als localen
widerstand stiefs, der leicht beseitigt werden konnte.
In Athen war unmittelbar nach dem frieden eine völlige Verwirrung,
da es an führenden männern völlig gebrach, niemand den frieden als
grundlage der zukunft ehrlich vertreten mochte, aber noch weniger
jemand ihn zu brechen raten durfte, und doch war eben in den
Hellenen, die der friede preisgab, eine von den eigenen lebensinteressen
4) Isokr. 4, 115 y-axanovriarui rrjv &äXaTxav y.ara'xovat. mit dem seeraub
pflegen die historiker zu wenig zu rechnen, er verschwindet von selbst , sobald
eine vormacht da ist, die eine flotte hat. das prestige von Rhodos im 2 Jahrhundert
beruht wesentlich auf diesem schütze des meeres, und es ist die schmach der rö-
mischen Oligarchie, dafs sie Rhodos die macht nimmt dem seeraube der Kreter und
Kilikier zu steuern, von der Verwüstung durch die piraten in dem Jahrhundert
zwischen L. Paullus und Pompeius haben die Kykladen sich bis auf den heuligen
tag nicht erholt.
5) Agesilaos hat sich mit viel höherem getragen, als sein leben gehalten hat,
natürlich nicht mit nationalen, aber wol mit grofsen planen persönlichen ehrgeizes.
und selbst als er den ephoren folgsam aus Asien umkehrte, hat er nicht auf sie ver-
zichtet, das beweist das aufgebot der lonier, das er auf dem landmarsche mitnahm,
erst der schlag von Knidos und der wertlose waffenerfolg von Koroneia bricht ihn:
er entläfst die lonier und ist seitdem nichts als der oberszlachlize in Sparta, fast
ist es, als hätte die wunde von Koroneia sein rjysftovixöv getrotfen.
384 111. 12. Isokrales Panegyrikos 100 — 114.
auf Allif'ii liingcwicseiu; parlei gegeben, wo anders konnten die armen
Nesioten den rücklialf finden, dessen sie bedinftcn? wie sollten die
lonier oline den liandel Athens existiren, zunoal Korinlli, von dem wir
nur zu wenig hören, durch den krieg vor den mauern und den hürger-
zwist drinnen Wirtschaft lieh am meisten gelitten haben mufste. lediglich
die handelsinleressen zwangen die städte, die sich zum teil schon an
Konon, zum teil an Thrasyhiilos angeschlossen halten, trotz den> königs-
frieden mit Alhen vertrüge zu schliefsen oder doch die mit Thrasyhulos
geschlossenen nach mafsgabe des königsfriedcns neu zu redigiren. es
war lür Athen in der tat die einzige reltiing, wenn es, zunächst in der
form den königsirieden wahrend, die faden der thrasybulisclien politik
vorsichtig aufnahm und die alten Reichsstädte möglichst eng sich ver-
band , gleichzeitig aber in Hellas vorsichtig abwartend Sparta gewähren
liefs, damit (hassen übergriffe negativ für eine neue conslellation der
mächte Stimmung machten, dazu war zweierlei notwendig, erstens
eine reorganisation der eigenen flotte, die ohne eine eröffnung neuer
steuerquellen unmöglich war; zweitens eine rückeroberung der allge-
meinen Sympathien, die der königsfriede verscherzt hatte, und einen
schätz besafs Athen immer noch, der in Susa und Sparta nicht nur
fehlte, sondern mit keinen milleln beschafft werden konnte: seine litte-
ratur. nicht umsonst durfte es die capilale der geistigen bildung sein:
seine litteratur mufste die öffentliche meinung gewinnen, diese aufgäbe
ist dem Isokrates zugefallen, ihr dient der Panegyrikos, und er bat die
aufgäbe glänzend gelöst: zwei jähre später kann der zweite seebund ge-
stiftet werden, wird flotte und steuerwesen reorganisirt. das wort ist
hier der tat vorangeeill; man kann auch nicht sagen, dafs Isokrates die
ideen eines beslimmten Staatsmannes verarbeite; das tut er auch in den
reden nicht, die er in den krisen nach dem bundesgenossenkriege und
dem philokratischcn frieden schreibt: er hat die empfindung des publi-
risten für den kommenden wind , mit dem das staatsschiff fahren will,
das ist viel weniger, als er sich selbst zutraute, denn er wähnte, dem
schifle den curs zu gol)en. aber es ist doch ungleich mehr als ein
blofser schönschreiber will oder kann.
Ich hätte das alles nicht gerade nötig gehabt zu sagen ; aber es verdiente
gesagt zu werden, wir haben es also mit einer politischen gelegenheits-
schrift zu tun, die für Athens seeherischaff, in welcher form auch immer,
wirken will, die breite Schilderung der freiheitskriege von 480 und die
entfessclung des veralteten hasses gegen die barbaren ist allerdings zu
gutem teile pbnise; die latsacben der geschichle seil 412 stellen damit
Verteidigung der leichspolitik. 885
im grellsten Widerspruch, aber die plirase maskirt sehr gut die gegner-
schaft zu Sparta, die in Olympia nicht ofl'en hervortreten durfte, übrigens
in sehr wirkungsvollen partien gleichsam wider willen des redners hervor-
leuchtet (122 — 32). dann aber lockte der ungleich berühmtere Epitaphios
des Gorgias den redner noch mehr zur concurrenz als der Olympiakos,
nii den es zunächst anknüpfte, und für die Wirkung der rede als rhetorisches
kunstwerk, das man zum genusse lesen könnte, hat der "^panegyrische^ teil
das meiste getan, an ihn schliefst sich unmittelbar die partie, die ich
erklären will, die Verteidigung der athenischen Reichspolitik, denselben
gegenständ hat Isokrates im Panathenaikos (62 — 73) behandelt, zwar
im anschlufs an seine berühmte schrift, aber doch so, dafs er nicht nur
deren Verständnis sichert, sondern auch einige ergänzungen gibt.
Er beginnt mit der behauptung gewisser ankläger, dafs die see- vertei-
lierrschaft Athens den Hellenen viel leid zugefügt hätte, wofür zum 'fefcfis-^^
belege die Vernichtung der Melier und Skionaeer angeführt wird, der p" ' "•
Panathenaikos fügt diesen noch die Toronaeer zu und nennt aufserdem
den gerichtszwang und die Iribute. die Widerlegung führt zuerst kurz
ins fehl , dafs die so hart behandelten Staaten im kriege mit Athen ge-
standen hätten (was von Melos in Wahrheit nicht gilt), und erklärt dann,
dafs sich eine so grofse herrschaft ohne harte mafsregeln erfahrungs-
iiuifsig nicht aufrechthalten liefse. er stellt als kriterium für die quahtät
einer herrschaft das befinden der Untertanen auf, dies aber in einer
weise, die eine parallele herausfordert; und in der tat kann nur eine
vergleichung einen solchen beweis wirksam machen, diese folgt jedoch
nicht, sondern es wird die wirtschaftliche blute der städte unter Athen
lebhaft geschildert, und die herrschaft als eine durchaus die formen des
liundesstaates wahrende bezeichnet, weil der vorort jedem einzelnen
Staate sein selbständiges leben gelassen und nur für die durchführung
derselben Verfassung gesorgt hätte, eben aus der volksfreundhchen rück-
sicht, dafs jeder bürger auch seine angeborenen rechte ausüben sollte,
statt durch die gewaltherrschaft einer minderzahl in den metökenstand
hinabgestofsen zu werden.'') ein siebzigjähriger friede (rund gerechnet,
6) Das ist mit feinem politischen urteil gesagt, rovs /liv TVQawsiv , tovs Se
fisroixelv xai <piaei noXiras ovras voficp rjys 7to?.iTsias ä.Ttoars^tlad'ai , denn darin
liegt was Aristoteles im eingange des dritten bucties der Politik behandelt, wo er
den begriff bürger zu definiren sucht: e'art yr'^ rts Ss iv STjaoHoatia ttoXittjs c5*'
sr oXiyaQx^iq noXXäycis ovy. eari noXizTjs (]2'ib^ 2), und coansg (iiroixos o rdv rificöv
fi'>i ftsrsxcov (1277'' 38). wenn es nur gienge, würden wir wol zu hören bekommen,
dyl's Isokrates aristotelische gedanken gestohlen hätte; vielleicht findet sich ein ver-
V. Wilamowitz, Aristoteles. II. 25
386 in. 12. Isokiatcs Panegyiikos 100—114.
eigentlich 478 — 412) wäre denn auch das ergebnis gewesen, und dem
gegenüber dürfte man nicht auf die klernchien schelten, die wären viel
eher als garnisonen in verödete slädte geschickt, und Skione sogar den
Plataeern abgegeben'): denn dafs Athen nicht auf annexionen aus ge-
wesen wäre, sähe man an der verschonung Euboias; andere Hellenen
dankten vielmehr ihren rühm und ihr bequemes leben der Vernichtung
ihrer nachbarn. wohin dies letzte zielt, würde klar sein, auch wenn
nicht der Panatlienaikos breit und offen den Vorwurf der annexiou
Messeniens wider Sjiarta erhöhe (66). der Vorwurf der kleruchien ist
in sehr geschickter weise in die eigene argumentation verwoben, so dafs
die eintönige Widerlegung der einzelnen punkte vermieden ist. aber
wir warten noch auf die vergleichung einer anderen herrschaft. sie
kommt formell nicht, sondern der angriff richtet sich nun persönhch
gegen die ankläger Athens, "angesichts dieser talsacheu haben leute
die Stirn uns anzuklagen, die selbst in den zehnerschaften gewesen sind
und ihre eignen Vaterstädte schmählich mishandelt haben, die leute
behaupten lakonische gesinnung zu haben, aber ihre handlungen stehn
damit in Widerspruch." und nun wird ein schwall von beschuldigungen
diesen ungenannten anklägern ins gesiebt geworfen, die allerdings zumeist
von der art sind, wie sie sich tyrannen und ohgarchen immer gefallen
lassen müssen, also auch die Dreifsig von Athen, individuell sind zwei
Züge: "sie haben einem einzelnen heloten wie sclaven gehorcht, damit
er ihr eigenes Vaterland unterjoche" und "sie haben in drei monaten
mehr bürger ohne gericht getötet, als Athen während der ganzen zeit
seiner herrschaft vor sein gericht gezogen hat", diese letzte antithese
hat dem redner so gefallen, dafs er sie im Panathenaikos wiederholt
(66) , doch so, dafs die Lakedaimonier statt der unbestimmten Übeltäter
genannt werden, bei wege wird übrigens auch hier der gerichtszwang
der bündner als anklagepunkt gestreift, der in der jüngeren rede breiter
behandelt und gleich an den eingang dieser partie gerückt steht.
Man braucht sich's nur zu überlegen, um zu sehen, dafs hier in
wahrheil die erwartete parallele steht, eine andere herrschaft über die-
selben Städte, die allerdings geeignet war, selbst die regierungsweise
treter der umgekclirlen meinung, weil sie um der zeit willen möglich ist. in wahr-
heil hat das politische leben und die gedankenarbeit der sophistenzeit beiden vor-
gearbeitet, einen urheber des gedankens auch nur zu suchen ist ein müssiges spiel.
7) Das trifft auf die genannten orte und noch ein par, wie Histiaia Poteidaia
Aegina zu, aber auf die mehrzahl nicht, Chersones Naxos Andros Eretria Lesbos:
diese haben offenbar nicht so viel böses blut gemacht.
Verteidigung der reichspolitik. 387
Kleons als milde und menschlich erscheinen zu lassen, die herrschaft
der reaction unter den spartanischen harmosten und den oligarchischen
uekarchien von 405 — 395. was man so findet, sagt der Panalhenaikos
mit klaren worten. aher so frei durfte die panhellenische rede 380
nicht mit der spräche herausgehn, deshalb erfahren bestimmt gemeinte
und den hörern kenntliche aber ungenannte ankläger Athens all die
(igentlich den Spartanern zugedachten angriffe, und es wird sogar mit
einer feinen Wendung zwischen den guten Lakonen und den bösen
lakonisten unterschieden, dafs in der tat die zeit vom fall des Reiches
bis zum königsfrieden hier geschildert werden soll, bestätigt sich in dem
nächsten abschnitt, denn § 115 setzt unmittelbar so ein: "auch der
kOnigsfriede mit seiner auf dem papier garantirten autonomie verdient
vor unserer herrschaft nicht den vorzug." dazwischen steht, scheinbar
als ein verlorner gedanke "was jene getan haben, sind dinge die absolut
nicht wieder gut zu machen sind: unsere härten hätte ein volks-
beschlufs auszugleichen genügt". Isokrates schreibt mit einer weithin
reichenden und ins einzelne verfolgbaren disposition ; auch hier hält und
stützt sich alles gegenseitig, nur dieser gedanke, den er selbst als einen
allgemeinen {xooovtov eiTtelv &xco xa^' aTtavriov), einen capitalsatz,
ein ■üEcpcO.aiov^) bezeichnet und an den schlufs stellt, fällt scheinbar
heraus, das heifst, er mufs eine besondere bedeutung haben, wahrhch
nicht als geschichtliche Wahrheit; denn die erschlagnen Melier machte
kein psephisma lebendig noch die verkauften frei: so angesehen ist es
eine törichte phrase. das hört sie auf zu sein, wenn wir sehen, wie ein
psephisma, das des Aristoteles, wirklich alle die beschwerden, die man
gegen die Reichsverfassung erhoben hatte, beseitigt: die autonomie in
Justiz und Verwaltung wird zugestanden, die kleruchien und besatzungen
werden verboten, die tribute, die nicht hier, aber im Panathenaikos be-
rührt werden , als solche auch ausgeschlossen, gerade hier sieht man
am deuthchsten, dafs Isokrates die tendenzen sehr wol kennt, die zwei
jähre später den neuen bund begründeten, der allen befürchtungen der
alten Untertanen rechnung trug, auch der hafs gegen Sparta, der hier
mehr oder minder versteckt ist, steht in der bundesurkunde offen aus-
gesprochen: der publicist hatte die öffentliche meinung gut bearbeitet.
8) Kad"^ oLTiävioJv siTiEiv sagt er hier, 114. asfälaiov rcov eiQfjfis'vcov stellt
am Schlüsse des Nikokles 62. dort ist es die zur gnome condensirte paraenese,
hier das politische Schlagwort, das mufste sich ein volksredner freilich erst noch
etwas ummodeln, aber sv ^rfia/xa Tiävia xay/JJitiaxa SiaXiaexac war doch eine
gute antwort auf alle bündnerischen bedenklichkeiten.
25*
388 III- 12. Isokrates Panegyrikos 100-114.
Der gegner Nuii 7,11 den veiklcinerern Alheus, gegen die Isokrates streitet, es
Isokrates. Ist eine bestimmte person, oder vielmehr eine schrift eines mannes, den
die hörer erraten sollen, wenn sie ihn noch nicht kennen, der mann
hat den Athenern den Vorwurf gemacht, dafs ihr Reich den bündnern
zum verderben gereiclit habe, wegen der gewaltsamen executionen (Skione
Torone Melos), der kleruchien, der tribute, des gerichlszvvanges, und
(so können wir aus der Verteidigung schliefsen, obwol die anklage nicht
geradezu wiedergegeben wird) wegen der duichfübrung der demokratie
in den Stadtverfassungen, natürlich war die läge der bündner als sclaverei
bezeichnet: so redet ja Tbukydidcs sogar aus eigener person (z. b. I 98).
dem gegenüber pries der oligarch die Sparliaten als freiheitsbringer und
bekannte sich zu ihrer partei. geschrieben kann das vielleicht schon
wahrend der letzten agonie des Reiches sein; nach unten begrenzt es|
die Schlacht bei Knidos. abiT da die begeisterung für Sparta noch soi
grofs ist, mufs man auf eine möglichst geringe bekanntschaft mit seinen,
harmosten scbhefsen. für den mann, der dies geschrieben hatte, sind
die anhaltspunkte: er nannte sich einen lakonisten, hatte zu den deka-
darchen in seiner Vaterstadt gehört, unter einem lakonischen harmosteD|i
der niederen Standes war, so dafs ihn Isokrates einen hebten nennen;
■
durfte, und war in dieser Stellung mitschuldig an einer ungeheuren
menge von freveln geworden, ja selbst die frist dieser Untaten wird au;
drei monate genau angegeben, dieser letzte zug ist indessen nicht gan2
sicher, denn es ist eigentlich absurd, in jener einen Stadt mehr blut^
urteile gesprochen zu glauben als bündnerprocesse in Athen währen(
siebzig jähren geführt sind, diese vergleichung pafst nur, wenn man
wie der Panalhenaikos, die ganze reactionszeit der lakonischen herrschaft
zehn jähre den siebzig, gegenüberstellt, aber die drei monate zwingei
uns dazu, dem Isokrates eine solche Vermischung zuzutrauen, die dre
monate sind den "^wenigen monaten' sehr ähnlich, innerhalb deren nacl
Aristoteles (35, 4) die Dreifsig 1500 bürger widerrechtlich getötet haben
dieselbe zahl hat auch Isokrates (20, 11. 7, 67); es war offenbar eil
sofort formulirter Vorwurf. °) und doch ist diese zahl für die anlithesi
des Panegyrikos zu niedrig, und die zahl der monate stimmt nur, weil
sie nicht genau genommen zu werden braucht. Isokrates kann alsc
von dem vorwürfe nicht frei gesprochen werden, dafs er die person
die er angreift, von der ganzen lakonislenpartei, die er eigentlich meint
9) Das interessante sctiolion zu Aisc'iin. 1, 29 über die Dreifsig stellt neben
diese zahl 2500 aus Lysias, der natürlich den mund voller nahm.
Der gegner des Isokrates. 389
nicht scharf gesondert hat. er schhefst sogar in einzelnen Wendungen
die Athener mit ein, indem er in der ersten person des pluralis redet.
die hatten zwar schwer genug unter der reaction, eben durch die Dreifsig,
zu leiden gehabt, aber der angegriffene Schriftsteller war kein Athener, sinte-
mal in Athen kein helot, sondern der Spartiate KaUibios harmost gewesen
ist, übrigens den Dreifsig gegenüber alles andere eher als ihr herr, und
die tyranneu dreifsig und nicht zehn gewesen sind.'") und wenn auch
(las alles nicht da stünde: diese kritik des Reiches ist ausschliefslich
vom Standpunkte der Untertanen aus geschrieben , denen ein Athener,
und wenn er auch noch so oligarchisch war, nie nachempfinden konnte.
die m,eisten ohgarchen von 411 gaben das reich mit nichten auf, die
Dreifsig fanden es schon zertrümmert: ihr hafs galt dem y.aTC(QaTog
öijiog zu hause.
Was wir also ermittelt haben, ist eine politische Schmähschrift gegen
Athen für Sparta, etwa um 404 verfafst von einem oligarchischen lonier
lim weiteren sinne des namens) aus einer ehemals unterworfenen Stadt
(also nicht aus Chios; an Samos ist so wie so nicht zu denken), der
in eben dieser unter einem lakonischen harmosten eine blutige herr-
schaft geübt hat. der mann und die schrift waren dem publicum sehr
iiekannt, für das Isokrates 380 schrieb, und die Vorverhandlungen, die
zu der Stiftung des neuen Seehundes führten, haben sehr bedeutende
riicksicht auf ihn genommen, ich kann ihn nicht benennen und wufste
nicht, wie ich ihn suchen sollte, halte aber nicht für ausgeschlossen,
(lafs jemand ihn finden kann, weil der anhaltspunkte nicht wenige sind.
(lafs die ionische publicistik in den zeiten der entscheidenden kämpfe
solche flugschriften hat erzeugen müssen, ist von vorn herein nach dem
Stande des lilterarischen lebens glaubhch; aber diese schrift hat doch
die hohe bedeutung, dafs sie die anschuldigungen der bundesstädte in
erschöpfender weise zusammengestellt und mafsgebend für die Zukunft
lormulirt hat. im Panegyrikos und Panathenaiiios bekämpft sie Isokrates:
in der friedensrede sieht er selbst in der seeherrschaft das unheil (64),
da berührt er sich mit den gedanken des reichsfeindes, und wir würden
wol noch manche anklänge finden, wenn wir eine vergleichung anstellen
konnten: die bittersten vorwürfe hat er nur nicht vorzubringen gewagt
(81). Aristoteles, der sowol die demokratische entwickelung der athe-
10) Nach dem stürze der Dreifsig, als Kritias und Charikles tot waren, sind
zwar zwei zehnercoUegien eingesetzt, aber damals war das schlimmste schon ge-
schehen, und es hat die spätere zeit die zehn stets über die dreifsig vergessen, nicht
umgekehrt.
390 III. 12. Isokiates Panegyrikos 100—114.
nischen Verfassung wie die behandlung der bündner als conseqnenzen
der seeherrschaft verwirft, hat seine ungerechte beurteilung des Reiches
vielleicht nur mittelbar von jenem ionischen reactionär überkommen.
Theopompos von Chios, Duris von Samos haben dasselbe lied gesungen,
es kann niemand mehr einen directen litterarischen Zusammenhang auf-
zeigen: aber für die entslehung dieser beurteilung des Reiches in der
folgezeit ist es von grofser bedeutung, dafs sie mitten in der -hitze des
kampfes ein praktischer Staatsmann loniens bereits in einer litterarisch
wirksamen schrift formulirt hat.
13.
DIE BEIEFE DES ISOKRATES.
Auf die Stimmung, die jeden griechischen brief unbesehens verwarf,
ist die entgegengesetzte gefolgt; es ist das jedoch kein fortschritt, denn
Stimmungen geniigen für die Wissenschaft nicht, ich brauchte für den
prinzenerzieher Aristoteles den fünften brief, wenn er acht war: deshalb
habe ich die sache untersucht, und gerade weil das ergebnis kein ein-
faches ja oder nein ist, halte ich es für richtig.
Der brief an Dionysios (1) ist durch die rede an Philippos (5,81) Briefi.
so sicher bezeugt, dafs man, um ihn zu verwerfen, die absieht eines
falschers wahrscheinlich machen müfste, der auf grund jener stelle einen
brief verfertigt hätte, das ist nicht möglich, es kommt hinzu, dafs der
brief nur ein sehr schon geschriebenes prooemium enthält, das eine
wichtige politische erörterung verspricht, diese zu unterdrücken konnte
Isokrates alle veranlassung haben, wenn die politischen ereignisse eine
für ihn unerwünschte wendung genommen hatten, und der sicilische fürst
mit der entgegengesetzten politik erfolgreich gewesen war: der falscher
hätte bequem ex eventu schreiben können was ihm pafste. der brief
nimmt auch auf den Panegyrikos in durchaus angemessener weise be-
zug (6), etwa wie die rede an Philippos, und wenn die nachfeile des
briefes gegenüber dem gespräche so behandelt werden (3), dafs man die
nachwirkung der schönen platonischen kritik (Phaidr. 275®j spürt, so
spricht das vollends für den Verfasser, der trotz aller späteren entfrem-
dung den Phaidros zu viel und zu gerne gelesen hatte, um ihn je zu
vergessen.
Den gleichen Stempel der ächtheit tragen die beiden empfehlungsbriefe Brief ". s
an Timotheos von Herakleia und die Mytilenaeer. so viel detail, das wir
als geschichtlich zutreffend erkennen, wo wir es controUiren können,
und in sehr viel gröfserem umfange zu beurteilen gar nicht in der läge
392 in. 13. Die biiefe des Isokiates.
sind, steht nicht in falschviiigen, es sei denn, dals sie anderen zwecken
dienen als sie zur schau tragen, davon ist hier keine rede, es finden
sich in diesen hriefeu ühnhche Wendungen (7, 11 ==8, 10): aber das ist
nicht wunderbar, wenn er (hese geschrieben hat, müssen wir dem Iso-
krates doch zutrauen, dals er solche Schriftstücke sehr zahlreich hat aus-
gehn lassen, sie sind viel merkwürdiger als der brief an Dionysios.
denn jener war nichts anderes als der Philippos auch, ein Gv(.ißovXevxi'Mg
J.öyoQ in der form einer Zuschrift, also ohne die fiction der mündlichen an-
spräche, nur in sofern ein brief. die kunstform ist die der rede, in diesem
sinne ist das dritte pythische gedieht des Pindaros auch ein brief, in der form
gleichwol von dem ersten und allen andern chorischen liederii des dichters
nicht verschieden, dagegen die empfehlungsschreiben sind briefe, hrcL-
gto?mI im vollen sinne des Wortes, da ist es nun eine für die griechische
Stilistik unschätzbare tatsache, dafs Isokrates seinen rhetorischen stil auch
für den brief angewandt hat. er hat nicht begriffen, dafs der brief als
eine vertrauliche und improvisirte äiifserung erst dann gut geschrieben ist,
wenn er für das lesen geschrieben ist, nicht das hören, wenn er von
der stilisirten rede sich ymt^ sldog unterscheidet, stilistisch betrachtet
sind es gar keine briefe. trotzdem dafs Platon sowol in der theorie wie
in der praxis gezeigt hatte, dafs selbst das gespräch als kunstform neben
der älteren anspräche gleich oder höher berechtigt stünde, hat der sopbist
nicht begreifen wollen, dafs seine schönredekunst kein allerweltsorgan wäre,
nur die dürftigkeil und stillosigkeit braucht eigentlich handwerkzeuge
wie den *^bratspiefsleuchter' und "^das delphische messer''^): so pflegt der
deutsche jetzt dieselbe stillose rede mit mund und feder zu führen; er
sieht darin wo möglich objectivität und biederkeit, dafs er überhaupt
formlos bleibt, aber besser ist das allerdings, als der bei den Hellenen
von Gorgias bis Rhangabis immer wieder auftauchende wahn, dafs eine
bestimmte, allerdings bewunderungswerte, kunstform die ganze prosa be-
herrschen dürfte, der ohne frage vollkommenste Vertreter dieser ansieht
ist Isokrates, und er ist sich dessen wol bewufst gewesen : die in Platon
verkörperte höhere auffassung, der es gelang die gesprochene rede in
allen ihren tönen zu treffen , immer vollendet und immer anders stili-
sirt, hat er im Panathenaikos auch zu überbieten versucht, so hat er
also auch briefe geschrieben, und wir sehen ja, dafs kein geringerer als
könig Philippos für seine diplomatische correspoudenz sich an diese stil-
1) Aristoteles Politik J 1299'^ ^ 1252'' ovSii' r, (pvais jioiel roiolrov olou
oi ;^rt^./<OTt'rrot xr^r Jehfiy.T]v ui'i/jtioav, 7i£i-i/^ocös, «//.' iV 7iao£ ty.
Brief 7. 8. brief 4. 393
regeln gebunden hat: sein Ultimatum an Athen ist in dem stUe colto
des Isokrates gckalten. natürlich haben die Hellenen trotz Isokrates
\or und neben ihm wirkliche briefe geschrieben: aber so gern ich proben
liiitte — da ich für die fälschungen auf ältere naraen nicht empfänglich
bin, so kenne ich keine.^) wenn Piaton welche schrieb, des bin ich
sicher, hat er wie ein mensch, nicht wie ein rhetor geredet, freilich wie
der mensch Piaton, als greis also wie der greis Goethe briefe schrieb.^)
der erste künstler des ächten briefstils aber ist bekanntlich Aristoteles
geworden, als junger mensch, recht sehr empfänglich für den zauber
der isokrateischen perioden, hat er sich des fictiven briefes für seinen
T'iotreptikos bedient, die reste seiner privatcorrespondenz aus den spä-
teren Jahren rechtfertigen durchaus das lob seiner schule: sie tragen alle
Vorzüge des ächten briefstils an sich, dasselbe tun die briefe des Ale-
xandros und was sonst in dessen correspondenz stand ^), natürlich mit
dem unterschiede, dafs der könig der mutter vieles zugleich für sein
i^etreues volk mitteilt, er schreibt nach Issos an Olympias wie künig
Wilhelm an die künigin. aber er schreibt nach den regeln des Aristo-
teles, nicht nach denen des Isokrates.
Nun wäre es ja sehr hübsch, wenn die drei sicher ächten briefe Brief 4.
die ganze Sammlung retten konnten, aber so sicher sie acht sind, gibt es
auch unächte. der empfehlungsbrief an Antipatros (4) ist von Bruno
Keil (Anal. Isoer. 142) durch die form so gut wie es mit solchen mittein
möglich ist geächtet worden , und Blafs (Att. Bereds. IF 329) hat vor-
gezogen , auf diesen beweis mit einer redensart zu erwidern , die nur
dem leser imponiren kann, der Keils buch nicht kennt, und auch dann
nicht: denn in den briefen die rede des 'gewöhnlichen lebens' zu
finden, ist eine Zumutung, der nicht leicht jemand folge leisten kann;
Isokrates würde über sie entrüstet sein, aber sei's drum : ist das wort
Givog, gar im plural alvr], etwa dem gewöhnlichen attischen leben
2) Von den Staatsschriften in briefform, die von der persischen monarchie aus-
gehn, sehe ich ab, vgl. I 130.
3) Dafs ich den sechsten platonischen brief nicht von vornherein verwerfe,
habe ich I 334 gestanden, aber ich weifs nicht, ob er acht ist: die sehr schwere
Untersuchung der sehr ungleichartigen und zumeist offenbar unächten platonischen
briefsammlung habe ich nicht geführt.
4) Vgl. meine bemerkung in Kaibels Athenaeus zu XIV 659 f. die correspon-
denz Alexanders war eine kostbare quelle: es ist für Arrian ein schwerer Vorwurf,
dafs er sie nicht aufgesucht hat. freilich hat er auch darin unbedachte nachtreter
gefunden. — die sehr verdienstliche Sammlung von Pridik habe ich nicht mehr be-
rücksichtigen können.
394 III. 13. Die briefe des Isokrates.
angehörig? zieht etwa ein xenophonlischer beleg für den atticismus
eines wortes? und wenn ein in der tat gewühnhches wort wie arta
hier allein in dem ganzen nachlasse des Isokrates steht, ist das keine
Instanz? der brief beansprucht nun von Isokrates geschrieben zu sein;
die Situation, die er voraussetzt, ist einfach, er ist ein enipfehlungs-
schreiben für einen nicht genannten söhn eines gewissen Diodotos, der
nach anderen Stellungen bereits bei Antipatros angekommen ist und hier
nur weiter empfohlen wird; der söhn reist erst jetzt nach Makedonien.
um des Inhaltes willen würde es mir sehr fern liegen, den brief zu be-
anstanden, jetzt, wo die form mich zur Verwerfung zwingt, vermag ich
doch nicht zu entscheiden, ob Diodotos oder sein söhn sich dies em-
pfehlungsschreiben des berühmten mannes einmal, vielleicht als jener
längst tot war, verfertigt haben, oder ob ein rhetor mitsammt dem briefe
auch die d^eotg erfunden hat. übrigens entschuldigt er am Schlüsse
selbst die etwa im stile vorhandenen anstöfse. das würde Isokrates nur
getan haben, wenn er sicher war, dafs keine darin wären.
Brief 9. Eine viel plumpere und dümmere fälschung ist der brief an Archi-
damos (9), obwol ich da den stil nicht tadeln kann, ob man dem Iso-
krates zutrauen will, ein so grofses stück (11 — 14), eine von fünf selten,
aus dem Panegyrikos abzuschreiben, dessen tendenz noch 17 paraphrasirt,
stehe dahin, aber wenn der brief acht ist, so ist er nach der rede
Archidamos geschrieben, und er versetzt sich selbst in die zeit, wo Iso-
krates 80 jähre war (356): den Archidamos aber kann nur die voll-
kommenste verkehrung aller geschichte von der zeit losreifsen, in die
er sich selbst setzt, 366, und für die diese gut geschriebene politische
brochure bestimmt ist.^) übrigens war Isokrates in den fünfziger jähren
alles andere als TtavxaTtaoLV a7ceiQr]y.wg: er stand in mitten einer
eben so starken wie fruchtbaren tätigkeif, dagegen wäre es in der tat
das übermafs von abgeschmacklheit gewesen, Sparta, das sich mit mühe
der Arkader erwehrte und Megalopolis erst bezwungen haben mufste, um
überhaupt eine politische rolle zu spielen, auf den kampfplatz nach Asien
zu rufen, dies ist also eine in jeder beziehung aufser der form kümmer-
liche nachahmung, die sicherlich erst verfafst ist, als die Zeitgeschichte
genügend in Vergessenheit geraten war. übrigens ist es kein wirklicher
brief, sondern nur in dem sinne, wie der an Dionysios; der Verfasser
ist auch über die eiuleitung nicht hinausgekommen, wozu ihm eben jener
5) Ob er oder Alkidamas, der die gegenschrift für Messene verfafste, früher
geschrieben hat, bin ich aufser stände zu entscheiden.
Brief 9. brief 3. 395
die berechtiguDg gegeben haben wird, als er so verstümmelt vorlag, wie
wir ihn lesen.
Über den sechsten brief, an lasons söhne, kann ich mir noch kein ßrief 6.
festes urteil erlauben, da die momente für und wider sich die wage
halten, ich mag diese unbefriedigende rechnung nicht auflegen.
Um so sicherer bin ich, dafs der dritte brief, der neuerdings Briefs.
mehrfach als acht behandelt ist, eine tendenziöse fälschung, keine
harmlose rhetorenfiction , aber noch weniger ein werk des Isokrates
ist. der brief will geschrieben sein, nachdem Antipatros, der gesandte
des Philippos, den frieden nach der schlacht von Chaironeia in
Athen abgeschlossen und Philippos bereits die absieht kund getan
hat , sich zum feldherrn der Hellenen gegen Asien wählen zu lassen,
den aywv yey€vr]f.i€vog (2), der die Hellenen alle zur raison gebracht
hat und die intentionen des königs als richtschnur ihrer eigenen
wünsche zu betrachten zwingt, kann nur eine interpretatorische gewall-
tat auf etwas anderes als die entscheidungsschlacht beziehen, die am
siebenten metageitnion 338 bei Chaironeia wirklich die Hellenen in diese
Zwangslage versetzt hatte, es ist kein weiteres festes datum erhalten;
zwei monate später, am totenfeste des pyanopsion , war alles vorüber,
aber da in Athen zunächst die patrioten sich auf den äufserten wider-
stand rüsteten, Philippos auf dem schlachtfelde halten bheb und diplo-
matische Verhandlung durch die versag ung der leichen zu erzwingen
suchte, dann Boeotien unterwarf und neu ordnete, während die ge-
sandtschaften hin und her giengen, so kann Antipatros wirklich vor an-
fang boedromion Athen nicht verlassen haben, also da will der brief
geschrieben sein, es ist mir sehr lieb, dafs man darüber nicht zu streiten
braucht, ob Isokrates, der steinalte mann, vaterlandslos genug gewesen
sei , sich darüber glücklich zu preisen , dafs er diesen tag erlebt hätte
(6): mir ist die rhetorik wahrhaftig zuwider und die allgemeine bil-
dung noch mehr, aber ich könnte das dem Isokrates nicht zutrauen,
doch zum glück braucht man das nicht zu bereden: er war ja damals
schon tot. so rede man doch nicht um die sache herum, sondern be-
kenne färbe, entweder oder, entweder der brief ist gefälscht, oder die
beiden Zeitgenossen haben gelogen, Aphareus, der Stiefsohn des Iso-
krates, und Demetrios von Phaleron, der schüler seines feindes Aristo-
teles, denn nach jenem ist er vier, nach diesem neun tage*^) nach der
6) Diese zahlen ausgeschrieben in der plutarchischen vita p, 250 West, die
gewährsmänner mit denselben zahlen (nur der leichte Schreibfehler iS' für S'} in
der vita der Isokrateshandschriften 258. die zahl 4 auch noch bei dem Plutarch
396 in. 13. Die biiefe des Isokrates.
Schlacht freiwillig gestorben: aörilov eri ovzog Tiiog xQr^asraL rf] Tiyjj
Oilutnog, wie Dionysios sagt (V 537 R.)- wer das sagt, hat den brief
nicht gekannt oder verworfen, nun mag einer kommen und ihm zu
liebe jene beiden Zeitgenossen der lüge zeihen, der söhn mochte fäl-
schen, um dem vater die schände dieses briefes zu nehmen: aber der
gegner? es existirt ja aber gar keine andere Überlieferung über die
zeit, wann Isokrates starb, und diese ist mit dem briofe in keinae be-
ziehung gesetzt, man erzählt nur noch von den drei euripideischen versen,
die der alte in der palaestra des Hippokrates recilirte, eh er sterben
gieng, von den drei barbaren , die nach Hellas kamen, zu denen Phi-
lippos nun als der vierte träte, diese anekdote setzt zwar den tod gleich
nach der schlacht voraus, aber sie ist durch keinen gewährsmann ge-
schützt und in sich äufserst unwahrscheinlich: weder hielt Isokrates den
Philippos für einen barbaren, noch war es seine art tragische verse zu
citiren. das ist also eine fabel, gemacht um den feststehenden tod im
antiphilippischen sinne zu deuten.
Wie aber war die Situation wirklich in der ersten woche nach der
Schlacht? Athen ohne beer, ein grofser teil der waffenfähigen bürger
gefangen; der sieger, der über eine vorzügliche cavallerie verfügte,
konnte jeden tag die passe des Kithairon überschreiten, auf die helle-
nischen bundesgenossen war kein verlafs; der Perserkönig, auf den die
palriotenpartei besondere hoffnungen gesetzt hatte, war zu weit, und
trotzdem herrschten die unversöhnlichen schreier, und Ilypereides gieng
ernstlich daran, die sclavenschaft zu befreien und zu bewaffnen, es hatte
eben alles den köpf verloren ; wenn Philippos nicht kaUes blut behalten
hätte und zugewartet, bis das Strohfeuer dieses verspäteten Opfermutes
niedergebrannt war, so wäre Athen verloren gewesen, wer konnte aber
wissen, wie er den wunderbar leichten erfolg ertragen würde? dafs da
ein alter kranker mann, der seine letzte kraft daran gesetzt hatte, diesen
konig und seine Vaterstadt in ein gedeihliches Verhältnis zu bringen, einer
der zudem die Zeiten von 405/3 aus eigner erinnerung kannte, nicht
mehr leben mag und die speise verweigert, ist menschlich und ist
glaubhch. er demonstrirt weder für noch gegen Phihppos, er will nur
den jüngsten tag nicht mehr erleben, so hat E. Curtius bereits ganz
richtig die tatsache seines todes in diesen tagen erläutert: wenn irgend
249. auch sind beide zahlen durch den durch sie erzeugten irrtum geschützt, dafs
es die tage der totenfeier für die gefallenen gewesen wären: die rituellen trauer-
tage stehen ja fest, dafs die asche erst viel später nach Athen gebracht ist, weifs
Mer sich um die geschichte gekümmert hat.
Brief 3. brief 2. 397
welche Überlieferung eine saclie feststellen kann, so ist der tod in der
ersten woche nach Chaironeia eine feste latsache.
In den fürchterlichen tagen hat schwerlich jemand viel auf den tod
des alten niannes geachtet, aber als in Korinth Philippos die Stellung ein-
nahm, die ihm die publicistik des Isokrates noch in dem Panathenaikos, der
jetzt gerade erschien, zugedacht hatte, die Stellung Agamemnons (12,
74 — 83), da wandte sich ihm das Interesse zu, und es war natürlich,
dafs man hin und her redete, wie er sich zu der neuen Situation gestellt
haben würde, er war an der schlacht von Chaironeia gestorben, doch
so, dafs die beiden parteien ihn sich zurechnen konnten, und er war
immerhin der anerkannteste redner und redelehrer der weit, die demo-
kraten, so Avenig er ihnen zuletzt hold gewesen war, halten den besseren
schein für sich; das lag an dem datum des todes. ihre fiction ist das
apophthegma der drei verse: sterbend hat er doch den Philippos als
barbaren stigmatisirt. das prefserzeugnis der makedonischen partei ist
der falsche brief. falsch ist er: aus der chronologischen klemme wird
ihn nur die gewalt reifsen. aber er ist sehr merkwürdig, weil er falsch
ist. er macht propaganda für die officielle hellenische politik Philipps,
später ihn zu erfinden hatte keinen zweck mehr, nachdem der söhn un-
endlich viel mehr erreicht hatte denn der vater geplant.') im winter
338/7 war er ein guter contrecoup gegen die durch demokratische fabeln
verstärkte Wirkung des todes. wer zählte auch so genau die tage?
Aphareus und Demetrios haben es getan; ob mit derselben absieht, wie
ich hier, mufs dahingestellt bleiben.
Der falsche brief tat um so bessere Wirkung, wenn bekannt war, Brief 2.
dafs Isokrates an den könig öfter geschrieben hatte, seine ächtung zieht
also den zweiten brief mit nichten mit ins verderben, und dafs eine
Wendung aus diesem (11) in dem falschen (5) wiederkehrt, discreditirt
nur den letzteren, auch der falsche brief an Archidamos (6) hat den
eingaug des zweiten benutzt, der Inhalt ist überwiegend wirklich ein
persönlicher, der redner warnt, wie ihm alter, berühmtheit und die
durch die grofse rede begründete persönliche beziehung wol verstatteten,
den könig davor, sein leben allzusehr im kämpfe auszusetzen und nicht
die pflichten des königs mit denen des Soldaten zu verwechseln, es ist
7) Der brief sagt dem Philipp, wenn er den grofskönig besiegt hätte, ovSiv
e'axat Xomov exi itXriv &elv yEviad'ai. daraus könnte man ableiten wollen, der
brief wäre geschrieben, als Alexander diesen schritt getan hatte, dem kann ich
nicht folgen: das ist eben eine dem Hellenen ganz natürliche Steigerung, vgl. I 337.
der Verfasser ist höchstens, wenn man will, ein prophet gewesen.
398 III. 13. Die briefe des Isokrates.
bekannt, wie sehr Philippos diese niahnung verdiente, die empfehliing
seiner Vaterstadt steht dem Isokrates nol an ; nirgends schreibt er ab,
nirgends freilich verrät er tiefere einsieht in die actuelle poHtik, so dafs
man zwiscb.en dem frühjahr 341 und dem 340 schwanken kann: denn
vor dem aufbruche aus dem Winterquartiere mufs der brief verfafst sein,
ich wüfsle kein moment, das wider ihn spräche.
3rier 5. Damit ist über die heilagc dieses Schreibens, den l)rief an Alexan-
dres, entschieden (5), wenn anders er ist, wofür er sich ausgibt, eine
beilage. dafs der könig in den Winterquartieren seinen sehn bei sich
hat, ist begreiflich, dafs Isokrates veranlassung nimmt, sich dem hoff-
nungsvollen erben vorzustellen, nicht minder; aber wenn er das damit
molivirt, er müfste doch den beweis liefern, dafs er noch einen rest
seiner alten leislungsfähigkeit bewahrte, und man angesichts dieses
ihm nicht nachsagen könnte, er wäre kindisch geworden, so reicht
die allgemeine Situation, wie sie die bekannten personen geben, nicht
wol hin. der alte berühmte professor schreibt an den prinzeu ganz
wie sichs gebort, anerkennend und aufmunternd, 'wenn du so fort-
fährst, wirst du auch im späteren alter dich vor den übrigen an ein-
sieht so hervortun , wie es jetzt dein vater vor allen tut."* das com-
pliment zielt auf den vater; der es schrieb, wollte von jenem gelesen
werden und hatte keine ahuung, wie ungeheuer der söhn diesen zu
überflügeln berufen war. beides ist eine garantie der ächtheit; aber
was Isokrates von Alexandros gehört haben will, befremdet zunächst, er
treibe philosophie; nun gut, das ist im munde des alten, er lernt, wie
sich für den kaum mannbaren knabeu schickt, er treibe zwar auch
die Philosophie, die wir so nennen, Isokrates eristik schilt, aber seine
neigimg gelte der besseren philosophie, der rhetorik. das ist sehr wenig
glaublich : von der rhetorik hat der grofse könig nachmals wenig genug
gehalten, weder selbst die isokrateische kunst geübt, noch neben hof-
poeten, hofphilosophen und hofkünstlern aller art hofrhetoren ange-
stellt, es sei denn man rechne die historiographen Anaximenes und
Kallisthenes mit, die Isokrates nicht anerkannt haben würde, die ein-
fachen glockentöne Homers, nicht die künstlichen fugen und passagen
des Panegyrikos haben seine heldenseele zum zuge wider die barbaren be-
geistert, also mufs Isokrates schlecht berichtet gewesen sein, oder viel-
mehr, er war es wol gut, und gerade deshalb schrieb er so wie er es
getan hat, und weil er sich so anstellt, waren die ieser in der läge die
feinheit des alten zu bewundern : das ist weniger auf den prinzen als
auf den hofmeister Aristoteles berechnet, der rhetor stellt was er wünscht
Brief 5. 399
mit harmlosem gesiebte so dar, als hätte er es gehört, und belobt den
prinzen für das was er gern an ihn loben würde, an einen minder
vornehmen würde er die form der mahnung gerichtet haben 'wozu die
Spintisierkünste der eristik und dialektik, die dir Aristoteles beibringt,
Avozu lernen was man gar nicht braucht, du bist für das praktische
leben bestimmt, dazu hilft dir nur die Schulung fürs leben, die allgemeine
iiildung und die rhetorik^ so schwatzen ja auch jetzt die Isokratesse,
nur dafs sie weder reden noch schreiben können, könig Phihppos aber
wufste, wozu er beide brauchen konnte, den rhetor um die gimpel der
öffentlichen meinung zu fangen, und den philosophen um dem makedo-
nischen throne einen herrn von acht hellenischer seele zu geben, dieser
brief ist wirklich ein hübsches Stückchen isokrateischer finesse: der ist
.icht, weil er tiefer ist als er scheint und auf notorisch wahre Verhält-
nisse versteckt bezug nimmt.
So endet meine prüfung. es gibt also ächte und unächte stücke
in der Sammlung, die form zeigt, dafs sie alle, wie natürlich, recht alt
sind, weil es ächte gab , liefsen sich unächte schmieden ; deren jeder
>eine verschiedene herkunft hat. die Alexandriner haben sie natürlich
so vereinzelt überkommen , wie wir jetzt den dritten demosthenischen
iirief lesen, da ist also von vorn herein gar kein anderes resultat zu
erwarten als ein sehr compHcirtes. so viel stücke, so viel einzelne pro-
bleme. ich würde es schon für einen grofsen fortschrilt halten, wenn
man aufhörte die schür über einen kämm für methode zu haUen.
14.
DEMOSTHENES PßOOEMIUM 55.
"In der guten allen zeit hielt das volk darauf, dafs die biedermänner
auch zu den änitern herankamen, das war sehr schön, denn die stän-
digen inhaber (oi owsxelg oWe) nahmen sich vor diesen anständigen
coUegen zusammen, und es wurden die braven leute nicht von der krippe
(dem -AaQTiovo&ai ra y.oiva) weggestofsen, weil sie sich nicht zu einer
tätigkeit drängen, die es mit sich bringt, dafs man commandirt und durch
die disciplin misliebig wird {Ivo^Xelv v.al TtaQayyellsiv). jetzt besetzt
ihr die ämter wie die priostertümer (das heifsl hier nicht, wie bei Iso-
krates 2, 6, dafs jeder befähigt zu ihnen erscheint, sondern dafs das volk
auf die person keinen wert legt und jeden der sich meldet zuläfst), und
da ist es natürlich, dafs ihr, die masse, herumlauft') und zu den wenigen
emporblickt, die durch die pfründen reich wurden, die sie dauernd ge-
niefsen (avveyßg nolÄa ?Mf.ißccvsiv). ihr seid eben so inconsecpient,
dafs ihr die Iteration der astynomie z. b. verbietet, die der Strategie ge-
stattet, für die wirklich militärischen stellen {rovg eul nov JtQä^eiov,
bei Aristoteles ähnlich 61, 1 /tQog ra vtagövra c/cgäy/nara l'/Cycsf-i/teiv,
wenns aber keine Ttgäyfiara gab, so hatten diese vollends sinecuren) mags
noch hingehn, aber es ist eine toJlheit bei denen die ohne etwas zu tun
zu haben einen unbefristeten posten einnehmen, obgleich sie für einen
befristeten gewählt sind, (das mag das frostige Wortspiel meinen, yitogav
azsXeoTOv %yovoLv avrol rETeleofiivot vgl. Weil zur rede Ttegl ovvtcc-
^etog 19. natürlich klingt die Telsri] neben dem Te?.og durch: sie sind
geweiht, haben aber einen ungeweihten platz), ihr müfst auch von euch
leute in diese stellen bringen."
1) ns^irize in correcter orlliographie, die im atiischen allerorten lieigestellt
werden mufs, wo ne^i vor einem iola stelU, ist überliefert.
III. 14. Demosthenes prooemium 55. 401
Was ist das? erstens ist es kein prooemium, denn es fängt mit
der wirklichen beliandlung eines wirklichen Vorschlages an. es ist ein
l.ruchstück, denn die behandhing geht über die allgemeine tendenz des
antragstellers nicht hinaus, und der letzte satz ist nicht mehr voll ver-
ständlich "wenn ihr gleichsam eine wage aufstellt, wird schon von selbst
hervortreten {jtQoeioiv sc. 1^ v(.iü)v) wer etwas (eine berücksichtigung)
verdient" dabei kann man sich nur in vager allgemeinheit etwas denken :
es ist der Übergang zu der speciellen behandhing. wir haben hier somit
eine rede, die die unbeschränkte iteration der Strategie beseitigen will
und unverblümt zu verstehn gibt, zu tun hätten die meisten Strategen ja
doch nichts, und die emolumente dürften nicht blofs wenigen zuQiefsen.
ich mufs eingestehn, dafs ich nicht weifs, worin diese emolumente be-
standen und wieweit sie nicht blofs 'usancemäfsig' waren (vgl. oben
I 196).
Ob man dem Demosthenes die moralische niedrigkeit zutrauen will,
die in der motivierung dieses antrages liegt, mag ich nicht entscheiden:
ilie torheit, die darin liegt, traue ich ihm nicht zu. aber für seine zeit
trifft denn doch die bedeutungslosigkeit der Strategie nicht zu. freilich,
I'hokion bekleidete sie fast ständig, und leute wie Chares und Chari-
demos haben geld mit ihr genug gemacht, aber der gedanke, dafs der
Stratege Athens auf das niveau des archonten hinabgedrückt zu werden
verdiente, konnte wahrhch erst in dem kleinstaate des dritten jahr-
liunderts aufkommen oder geäufsert werden, es mufste die ki-iTtsigia
des wirklichen militärs nicht mehr notwendig sein, es fehlt mir an
jedem näheren zeitlichen anhält, denn dafs die astynomen in der ephe-
meren Verfassung des Antipatros unterdrückt waren (Dittenberger zu Syll.
337) macht nichts aus. aber für evident und für wichtig halle ich, dafs
wir hier ein stück haben, das nicht ein rhetor zusammengestoppelt hat,
um demosthenisch zu schreiben , sondern dafs wir etwas von attischer
beredsamkeit aus der zeit des Demochares oder noch späterer besitzen,
die denn allerdings ihren stil demosthenisch drechselte: mit hiaten und
vocabeln und prosamelrik kommt man solchen problemen nicht bei.
Gleich vorher steht ein stück ganz derselben art (54). das ist die
formelhafte meidung eines UgoTtoiSg, der im namen seiner collegen vor
dem Volke über den ausfall der opfer berichtet, die sie an Zeus Soter,
Athena Soteira und INike gebraucht haben, daneben an Peitho, Götter-
mutter und Apollon (der ohne beinamen in solcher Verbindung schwer
denkbar ist), und demgemäfs beantragen, das volk möge die bereitwillig-
keit aussprechen, das ergebnis ihrer opfer auf sich zu nehmen.
V. Wilamowitz, Aristoteles. II. 26
402 JIl, 14. üemosthenes prooemium 55.
Aus der litteratur wird man diese worle, die für ein prooemium
zu halten kindisch wäre, da es eine vollkommene rede ist, nicht leicht
verstehn. aher die Inschriften des dritten jahrluinderls belegen den ge-
brauch und die formeln, z. b. CIA II 305.307.315.323. 'Ecp. oqx.
87, 172, Dittenberger Syll. 382. auch Zeus Soter, ApoUon, dieser wegen
des KeUensieges, Athena Nike {Jelr. 89, 58) wegen späterer siege über
Kelten oder Illyrier, wenn der geehrte der archon Ilerakleitos von
214/13 ist, kommen vor. wer die steine kennt, wird über die zeit
nicht im zweifei sein, wann dies l'ormular für eine anspräche an das
Volk oder, mit geringer modification, vor dem rate aufgesetzt ist. es ist
viel interessanter, weil es nicht von Demosthenes ist. überhaupt (wie
ich es schon vor jähren formulirt habe) ist die athetese der pseud-
epigrapha immer nur die hülfte von dem, was die Wissenschaft zu
leisten fordert: die schriften fallen doch damit nicht ins bodenlose,
dafs sie den verfassernamen einbüfsen. und die auf Demosthenes
namen verfertigten stücke, epitaphios, erotikos, vorreden, ein teil der
briefe, die erste rede gegen Aristogeiton, Demonikos und ein teil der
isokrateischen briefe, die leichenrede des Lysias, ein teil der pseudo-
platonischen und pseudaristotehschen schriflen sind documente für eine
zeit der attischen litteratur, die uns sonst nur philosophen und die
späte komüdie in bruchstücken und nachbildungen repraesentiren : in Wahr-
heit haben wir für ihre bestrebungen , gerade die stilistischen , belege
genug; man mufs sie nur an ihrem orte benutzen, erst in der Über-
treibung (der rede gegen Aristogeiton) hat Demosthenes vielen die Ösl-
vozrjg verkörpert; erst in der unkünstlerisclien anähnlichung an die gno-
mische poesie und das philosophische apophthegma hat die paraenese des
Isokrates auf die masse gewirkt; nicht der ächte Piaton, sondern der
erste Alkibiades war für den gaumen des Persius, und nicht die Pohtik,
sondern die grobe predigt des Kleilophon n;oi (fiQSO^e, w avd-Qioizoi
ist populär in der kaiserzeit. erst so wie es in der diadochenzeit legirt
wird, hat das gold der attischen cultur durch die Jahrhunderte cursirt.
15.
DIE GEDICHTE DES ARISTOTELES.
Die eotrüslung über die verräterei Memnons von Rhodos, der sein
freund Hermias zum opfer fiel, hat dem Aristoteles zwei gedichte ent-
lockt, die wir der biographie des Hermippos verdanken, denn dafs auf
diesen die darstellung des Athenaeus zurückgeht, über irgend eine musi-
kalische Schrift, die z. b. den Polemon citirte, wird klar durch das citat
696 f., und anders wird man auch den bericht des Diogenes (V 6)
nicht beurteilen ') , so viele mitlelglieder auch zwischen dem originale
und dem letzten ausschreiber liegen, für die kritik ist also mafsgebend,
dafs alles worin Athenaeus und Diogenes stimmen ohne weiteres Her-
mippos ist. was wir gegen beide gewährsmänner ändern , ändern wir
gegen einen zeugen des dritten Jahrhunderts, vor Hermippos hatten die
gedichte berücksichtigung gefunden in der von diesem selbst bezweifelten
Verteidigungsrede des Aristoteles (Ath. 697^), bei dem falschen Aristippos
(Diog. V 4) und vielleicht dem Pylhagoreer Lykon von lasos (Aristokles
bei Euseb. pr. ev. XV 792), denen man wol so viel glauben kann, dafs
der Schurke, der den Aristoteles wegen religionsfrevels belangte, nicht
sowol die gedichte als die tatsache ihrer existenz misbraucht hatte, sie
sind denn auch dem pedantismus nicht zum opfer gefallen, der dem
Piaton seine zum teil eben so gut bezeugten epigramme abstreitet.
Das epigramm auf Hermias stand unter einer statue desselben in
Delphi; eine prosaische Inschrift mufs die namen des geweihten und
des weihenden getragen haben, andere weihungen von statuen verordnet
das testament des Aristoteles, das gedieht lautet:
1) Diogenes schiebt seinerseits eine scheinbare Variante aus Favorin ein, den
namen des anklägers Demophilos statt Eurymedon, den er einem capitel über die
ankläger berühmter philosophen enlaahm {epist. ad Maass. 145): er hatte eben nicht
mehr den ganzen Hermippos, bei dem er gefunden haben würde, dafs Demophilos
das vorgeschobene Werkzeug des Eurymedon war; so Athenaeus.
26*
404 HI. 15. Die gedichte des Aristoteles.
Das epi- Tovde 7töx ovx ooiiog rcapäßag ucr/Mpiov d-euLV ayvriv
gramm auf „ ' ^ ' j. , '-,•,'
Hermias. ey.T€iv6v lleQOiüv Togocpootov paoiA-stg,
ov (faveQwg t.oyyr^ (povioig iv ayioOi /.oarr^Gag,
a'tX avÖQog ytioxsL xor^oä/^ievog öo?Jov.
Gewil's ist der gedanke und die form edel, aber für sehr poetisch
wird man xQP^aäf.ievog nicht hahen, und man würde heber Ttiorig dolia
gleich ciTiärri lesen, wenn nicht avt^g ohne epilheton kahl würde. , uav.ä-
Qwv ^i/iug ayvri ist eine conventionelle floskel. nicht mehr ist der gegen-
satz des asiatischen bogenschützen zu der lanze der hellenischen hopliten,
deren lanze wieder mit dem trüge der hinlerlist in gegensatz gebracht
ist. 480, zu Simonides Zeiten, waren fern- und nahwaffe freilich für
barbaren und Hellenen bezeichnend; jetzt, wo die Perser längst mit
griechischem fufsvolk ihre schlachten schlugen, hier, wo eben ein griechi-
scher lanzknecht der täter war, beweist die phrase nur auf das deut-
lichste, dafs Aristoteles den epigrammenstil bei dem meister der gattung
gelernt hat. im ersten verse ist das wortende in der hebung des dritten
vierten und fünften fufses sehr häfslich, wenn man an die kunst des
dritten Jahrhunderts gewohnt ist. aber Aristoteles steht natürlich in
seiner zeit, auch Piaton hat metrisch seine verse nur zum teil, seinem
obre folgend, schön gebaut, sonst war die techiiik schon im fünften
Jahrhundert verwildert.-) vollendete disticha bauen Archilochos und
Mimnermos; dann sinkt die kunst, ganz natürlich bei leuten anderen
Stammes, die den hexameter homerisch zu bauen sich erlauben, und
erst die erneuerer der elegie in Samos und Alexandreia, (noch nicht ihre
unmittelbaren Vorgänger) haben an die begründer und meister des Stiles
angeknüpft.
2) Besonders salopp ist der sophist Buenos von Faros, den doch Piaton und
Aristoteles gut gekannt haben, er schliefst einen hexameter mit xal St] hinter
interpunction (9, 1), sehr häfslich für einen Griechen (Gerhard lect. ApoUon. 228),
lind hat in einer elegie den hexameter toi^s ^weroie S äv rts nsiaeie xn^KSTn.
/.a'ytov ev, der den zweiten preis der abscheulichkeit in der wirklich griechischen
poesie beansprucht: der erste gehört unbestritten dem Hesiodos Theog. 319 rj Ss
XifiaiQav eriy-re nveovaav afiav^a.y.ezov nvQ. mancher der verse dieses Buenos ist
nichts als zufällig der messung nach hexameter bildende prosa. nichts destoweniger
war dieser poet noch um 300 vermutlich durch die schule wie Theognis bekannt,
vereinzelte verse von ihm sind durch die philosophischen bücher und die auf phi-
losophische anregung hin angelegten floiilegien fortgepflanzt, in der anthologie steht
nichts von ihm; er hat auch schwerlich epigramme gemacht, die epigrammatiker
desselben namens sondern sich schon durch die form scharf und sicher von ihm,
schwerer von einander.
Der hymnus auf die Tugend. 405
Das eedächtnisfest, das Aristoteles dem fretöteten freunde ausgerichtet Der hymnus
^ ° ® auf die
hat, ist von dem lyrischen gedichte verherrlicht worden, das wir gleichfalls Tugend.
dem Hermippos verdanken, für einen paean konnte es nur die verläumdung
erklären, die von Hermippos mit recht durch das fehlen des charakteri-
stischen ephymnions li] uaiäv widerlegt wird, aber ein skolion, wie He-
mippos will, oder ein ^qi^vog ist es auch nicht, und die aufnähme des
verstorbenen in den kreis der heroen wird allerdings ausgesprochen ; woran
denn die klage auf gottlosigkeit ansetzte, so sicher es ist, dafs es dem
dichter eigentlich auf Hermias ankommt, gilt formell doch das hed nicht
ihm, sondern der Tugend, und so rückt es in die classe der rituellen
religiösen lieder. von der art der aufführung wissen wir nicht mehr,
als dafs es ein chor vortrug; so viel zeigt das versmafs und der stil.
aber man kann sich's sehr gut vorstellen, dafs Aristoteles, etwa in My-
tilene, sich die musiker und Sänger verschaffte (die composition kann
er sehr wol selbst gemacht haben), eine gedächtnisrede hielt ^) und mit
den feierlichen klängen seines liedes dem ganzen die religiöse weihe gab.
es war ein ersatz für die totenfeier, die dem Hermias entgangen war;
die sitte war der zeit nicht fremd, denn Philippos hat ein solches Itti,-
Tif-iäv, wie der bezeichnende name ist, dem Platou angedeihen lassen.'')
Da die Areta keine wirkliche gottheit ist, der man opfern, zu der
man beten könnte, so ist die rituelle form wiederum nichts als form.
3) Diese existirt nur in meiner Vermutung, weil das lied selbst so wenig von
Hermias sagt, was Himerius in seiner sechsten rede den Philippensern erzählt, ist
seine eigene erfindung. Aristoteles wäre, von Alexander nach Persien berufen, in
Atarneus durchgereist (wie Himerius jetzt auf der durchreise in Philippi eine gast-
vorstellung gibt) und hätte die Stadt und den Hermias mit einer kleinen schritt be-
grüfst. wer den rhetor gelesen hat, mufs diese seine witze kennen, in eben dieser
rede erzählt er von Gorgias erst das allbekannte, dafs er als gesandter der Leontiner
Athen entzückte, aber das reicht ihm nicht, weil es seiner eigenen Situation noch
nicht ähnlich genug ist: er erfindet also flugs, Gorgias hätte auch auf der durchreise
Plataeae angeredet, von Hermias geht das was er wufste auch unmittelbar vor
seiner erfindung vorher, nämlich Aristoteles hätte ihn erzogen und zur fügend gebildet
xal ilsysicp rov ■d'ävarov /a.6vov icöv yvioqificov eySafirjaev. SO hat er geschrieben,
und SO kann auch in dem römischen bekanntlich verstümmelten codex gestanden
haben, aus dem Wernsdorf nur d^ak rä.v bezeugt, die ergänzung &äXafiov
fiovoj (itövov verbessert er selbst) dürfte eben nichts als ergänzung sein. Dübners
ausgäbe kann man nicht entbehren, aber allein benutzt führt sie irre, wenn der
tatbestand der Überlieferung ihnen bekannt gewesen wäre, hätten die gelehrten viel-
leicht eher das simpele und wahre gefunden, das notwendigerweise auch gegen die
Überlieferung hergestellt werden niüfste.
4) Diog. 3, 40 aus Theopomp. Schaefer Dem. II 40.
406 III, 15. Die gedichte des Aristoteles.
man erinnert sich zunächst an das Ued auf die Gesundheit von Ariphron,
das die Hellenen nach dem essen sangen : ihre art "^gesegnete mahlzeit'
zu sagen ; sie waren ehen religiöser gestimmt als wir. aber die art, von
der anrufung an eine gotlheit auszugehn, ist der alten lyrik überhaupt
eigen, so tut es Pindar mit Tyche, Theia, Eileilhyia, die wenig mehr
religiöse persönlichkeit haben als Ilygieia und Areta. noch stärker ist
die ähnlichkeit mit den liedern an das Gold und die Weisheit bei Diodor
37, 30, die eben aus später lyrik stammen. Aristoteles bewegt sich auch
hier in den festen formen der zeitgenössischen poesie. das gilt für den
ganzen stil; es ist der des dithyrambos, mit Aristoteles zu reden, und
die probe dieser so bedauerlich wenig kenntlichen poesie ist für uns als
solche interessant.
Das versmafs in dem ganzen körper des gedichtes ist ein sehr ein-
fach gehaltenes daktyloepitritisches. nur das erste und letzte glied sind
aeolischer herkunft; es schhefst, durch synaphie gebunden, der alkäische
zehnsylbler, und er beginnt auch, aber um einen Vorschlag von zwei kürzen
vermehrt, wenn man will, eine aeolische basis. natürlich bezeichne ich
so nur die erscheinungsform der zeilen, die man beliebig benennen
mag. die ganze weise, solche glieder anzustücken, ist nichts befrem-
dendes, sie hat in dem ithyphallikus der tragischen Strophen daktylo-
epitritischen mafses ihr analogen, und ich könnte leicht noch mehr bei-
bringen, selbst der strenge Pindar beginnt die daktyloepitriten von Nem. 8
und 10 mit einem aeolischen gliede. abgesondert bat aber auch Ari-
stoteles die erste zeile als fremdartig, denn die zweite allein hat eine
vorschlagssylbe. die schlufssylben der glieder sind überwiegend lang,
katalexen sind sehr selten, und wenn Pindar das daktylische ghed als
dimeter trimeter telrameter gibt, so steht hier nur einmal ein katalek-
tischer dimeter, der auch als anaklasis des epitriten gelten kann, sonst
immer der gewöhnliche trimeter. zweifelhaft ist nur die auffassung eines
gliedes in v. 12.
^AqsTa TCoXv^ox^e yevei ßgoTeUo
^r^Qa/iia y.a?.liOTOV ßlo)/,
oäg /C6QL 7caQx^h'e (.loqcpäg
y.al ifavelv LtjkcoTog Iv '^EXXäöi ;c6T/iiog
5 y.al '/tovotg x/Spai f^iaXsQOvg a/.u/iiayTag'
TOiov hcl (foha ßäXXeig
y.aqrcov ioa^ävarov yiQVGov xe xQeioGio ]
y.al yovuov fia?.ay.aiy^T0i6 ^ vtivov.
oev ö^ ivex^ ol Jiög, 'Hqay'kir^g yliqdag zs y.ovQoi,
Der hymnus auf die Tugend. 407
10 7t6}X averlaGav, eQyoig oav ayQSiovTsg öiva/^uy.
aolg ök Tco-^otg ^Ay^il^lg Alag x läiöa ö6(.iov i]ld-ov,
oäg d' tvey.ev (filLov /noQcpäg y.al 'Iraqviog evxQOCpog
aXiov yJiQiooev avydg.
TOiyctQ aoiöi(.iog eoyoig, ad^ävazöv ze f.iiv avör^oovOL Movaai
15 Mvaf.ioovvag d-vyarqeg, /liog ^eviov aeßag av^ov-
oat (pcXiag ze yigag ßeßaiov.
Mehr noch damit das di^iQaf.ißiüd€g des Stiles deutlich werde als
zur Sicherung des textes ist eine erklärung notwendig, gleich der an-
fang gibt in einer sehr kühnen nominalconstruction was in einfacher
prosa heifsen würde ok yaq wg z6 ßuoipeleözazov !xezsQy6fj.Evoi TcolXa
novovGLv Ol av^QiOTtoi. die beiden vocative stehen für den gedanken
einander keineswegs gleich , die beiden dative daneben stehen auch in
verschiedener bedeutung, z6 avd-Qwmvov yerog i.ioyߣl, aber nicht 6 ßiog
^rjqä, sondern ol avS-QWTtoi S-i^Qcuai z6 /mXXloxov xm ßitp. endlich
7to):vf.ioyd-og für rteql oii noXla (.loyßovoiv ist zwar ganz correct, aber
doch recht kühn. v. 5 erwartet man die unermüdlichkeit von denen
ausgesagt zu sehen, die dulden; es heifsen aber ihre mühen /naXegol
axä^iavxeg. denn nur ein elender stihst könnte den accusativ ay,äuavxag
von dem nachbarn (.lalsQovg trennen und zu xXr^vuL ziehen : in dem
falle würde a/.diiiavxa stehn. vielmehr sind die beiden adjective in
mehr oder minder glossematischer bedeutung gebraucht, d/.üfiavxeg
oder cezöfiazoi (eine Variante, die sich bei Athenaeus eingedrängt hat)
heifsen die elemente seit den Zeiten des epos, der ^QyJavog, das meer,
die sonne, der aether, die erde, die zeit; auch der einzelne flufs heifst
so, weil er rastlos rinnt: auch der ström des lebens und seiner mühen
rinnt ewig, rastlos, unermüdet. und gegen diesen ström anzuschwimmen
ist die lebensaufgabe der heroen. das complement ist j.iaXEQoi. man
mufs nur wissen , dafs die glossographen das epitheton des feuers (nur
das ist es im epos) als f.iaQavzL/.6v fafsten (schol. Apoll. Rh. 1, 734,
dazu Et. 31.), während die vuozeqol darin XaiLTtqöv gesehen haben
sollen, die tragiker lassen nicht erkennen, wie sie das wort verstanden
haben, so lange wie sie es nur vom feuer brauchen, obwol rcvqog (j.a-
Xeqd yv(x-9-og schon gegen kaf-iTtgog spricht, und wenn Ares als pestgott
(.laleQog heifst, so ist das epitheton des feuers um der TtvQszot willen
gesetzt, aber schon dies führt auf das 'verzehrende' feuer. stellen vollends
wie (.laXeqol Itovxsg und gar fialegog Ttod-og (Aisch. Pers. 62) lassen
keinen zweifei. im gegensatze steht Pindar, der mit fiaXeoal doidal
natürlich Xa(.i7tQaL meint (Ol. 9, 22), wie auch die schoben erklären,
408 HI. 15. Die gedichte des Aristoteles.
im Widerspruche zu einer perversen deutung des Didynios. Aristoteles
folgt den Attikern, növoi {.laXegoi ist gesagt wie nöd-og fxaXeqög. was
er aber von den mühen aussagen will, das gibt erst die Verbindung der
beiden adjective, ov xoTtiüivTsg Iv tm (.lagaLveLV würde ein antiker
paraphrast erklärt haben, des lebens müh' und arbeit ist ein ström,
der selbst nimmer müde wird, der ungeschwächt in ewigkeit rinnt,
aber er macht müde, er verzehrt die kräfte des menschen; wer-gegen
ihn anschwimmt, dem erlahmen die muskeln und versagt der atem. und
doch stürzt der heros sich in den kämpf, denn die tugend zeigt ihm (legt
in seine seele) eine frucht (einen lohn) köstlicher als gold {Ttlovzog) vor-
fahren (svy£v€ia, wie Rose richtig gesehen hat) und schlaf {rjdovr'i). das
ist ein einfacher gedanke; aber dem stile gemäfs sind schon die einzelnen
glieder durch zum teile kühn gewählte exempel bezeichnet, und wahrhaft
dithyrambische epithela stehn dabei, der schlaf heifst f.iaXay.avyrirog.
das wollen die kritiker schlechterdings nicht dulden, über die bilduni;
neben f.iakaKauy>'g brauche ich nichts mehr zu sagen; das ist nur ein
beispiel der galtung, die Ilerakl. 11 107 belegt ist. aber der schlaf "^mit
dem weichen glänze^ scheint den kritikern unsinn. nun so mögen sie
an das bett eines blühenden kindes treten und die ^laXayj] avyt] auf
seinen vvangen selber sehen, glänzen die wangen nicht? olov vTtvtöovtog
eQevd^erai avd^sa f.iriliov sagt ein geringer dichter von Pergamon (Kaibel
Ep. 243, 12). und ist das der starre glänz des erzes? sind die glieder,
die der kvoif.ieXrjg in seinen weichen banden hall, nicht ^lal&aza yvla'l
civytj wird freilich überwiegend von dem lichte und dem lichte des men-
schen, dem äuge, gesagt; aber der dichter liat doch sein recht, und
Pindar sagt es vom gokle (N. 4, 22), Euripides (Hipp. 745) vom bernstein.
jede mutter, die nachts sich über das beliehen ihres kleinsten beugt, wird
den Aristoteles trotz seiner kühnheit verstehn: der kritiker sollte noch
mehr tun, und einsehen, dafs mit Überlegung nur der physische genufs der
ruhe, der erholung, am schlafe hier hervorgehoben wird, weil der phi-
losoph jeden gedanken an die evviq {f.i£i'kiya dcoga xal evvr Mimnermos
1, 3 wenn man stehn läfst und versieht, was er geschrieben hat) fern
hallen will. — das epitheton des -/Mqnög, den die tugend verspricht, ist
bei Athenaeus zu 'i ad^ävarov, bei Diogenes zu sig ad-ävaxov verdorben,
denn dafs nur ein epitheton hier stehn kann ist eben so klar, wie dafs
■/.aqnög richtig ist. wenn man das streben oder sehnen hineinbringen
will, wie soll ^isQog denn nXovxov xal evysveiag xQsioawv sein?
y.ÜQTtog a&ävarog ist es was man erwartet, es ist ja doch dasselbe
was die sage in den äpfeln der Unsterblichkeit symbolisirt hat. aber wenn
Der hymnus auf die Tugend. 409
die abschreiber ad^dvarog abgetrennt haben, so zeigen sie selbst, dafs
etwas davor stand, und das versmafs verlangt eine kürze mehr, zur
emendation, oder vielmehr zur entscheidung für Diogenes, dessen Über-
lieferung man nur zu deuten braucht, hilft das di^vQai-ißcüdeg des Stiles.
loa^dvarog ist freihch neu und seltsam, aber doch nur ein synonymon
zu ioöd-eog, wie die TVQavvig zu heifsen pflegt. looöaliLiiüv ßaaü.svGi,
loööevdQov ßiov zey^/LiaQ (so langes lebeu wie die bäume) sagt Pindar.
ioodaif-iiov ßaoiXrjig ctQ^ä Ariphron, looXviirtioi iaäxTioi dycövsg sind
die im ränge den Olympien oder Aktien gleichstehenden, gewifs wäre die
Zusammensetzung mit einem an sich negirten worte undenkbar, wenn
nicht dieses wort längst zu einem positiven begriffe geworden wäre,
dafs Y.aQftog %oog rjj d&avaoLq bezeichnender ist für den lohn eines
strebens, das selbst zum tode führt, als wenn iaöd-eog dastünde, also
Aristoteles zu dem wagnis berechtigt war, bedarf keines wertes. —
Herakles und die Dioskuren sind das erste beispiel; an sich so vulgär
wie die folgenden , Achilleus und Aias. aber pretiös ist die bezeich-
nung der Dioskuren als ^Iriöag y.ovQOi, weil sie neben Herakles unter
den begriff ol zliög subsummirt sind, oi Jiög hat Aristoteles ohne
zweifei geschrieben; 6 JLog hat Athenaeus, k-A/liog Diogenes, vor der
krasis ot/, die Brunk hineingebracht hat, wird sich das lyrische gedieht
gescheut haben, dafs Hermippos "Aidao ö6(.iovg für "Alda öofiov ge-
schrieben hat, obwol so das versmafs ganz zu gründe geht, ist bemer-
kenswert für diese art von Verderbnis, die vertauschung an sich gleich-
berechtigter poetischer formein : die emendation ist simpel und sicher,
das gilt auch von dd-ccvarov f.iiv avd^aovai Movoai, wofür Hermippos
aus dem nächsten verse av^r^oovOi hat. dafs das "gedächtnis im hede"
{Moioat Mviqi^ioovvag d-vyccTQsg) dem todten Hermias die Unsterblich-
keit verleiht, ist auf das treffendste so bezeichnet, dafs die Musen ihn
trotz dem tode unsterblich nennen, zu ihm reden, wie sie's zu Harmodios
getan haben, cpLXrad^ IdquödL ov ri tcov Te&vi]/Mg. dabei verherr-
lichen sie {av^ovaai) seine gastfreiheit und freundestreue; ovrog y.al
JLa ^eviov loeßeTO y.aL cpikiav ßißaiov lyiqaiQev (wie vo^ovg ysQai-
QEtv) sagen sie: das ist wieder nominal ausgedrückt ae'/^ag z/tog, yigag
(piliag. schwierig ist nur um des versmafses willen v. 12, ich habe
so abgeteilt, dafs es ddee ergibt; dazu war dellov in d?dov zu ändern,
was belanglos ist, und anzunehmen, dafs d, der daktylische trimeter
anomal aus drei dactylen bestehe, die anomahe ist bekanntlich im drama
sehr gewöhnlich; aber für die lyrik fehlt ein beleg, und die reste vom
gastmahl des Philoxenos sind für mich zu verdorben, als dafs ich zweifei-
410 in. 15. Die gedichle des Aristoteles.
haften stellen durl irgend etwas abgewinnen müchte. es ist aber noch
ein anderer weg vielleicht gangbar, wenn man aeliov stehn läfst, so
gibt der schlufs ein tadelloses de, und d steht am anfang. es bleibt
-ipäg YML ^AtaQvioQ. darin können die schlufssylben zusammengezogen
gesprochen werden, zwischen eo und ev ist im ionischen der unter-
schied ganz gering, man würde also einen epitriten eihalten, wenn y.aL
elidirt werden könnte, das ist weder attisch noch in der älteren lyrik
oder bei guten elegikern möglich, aber wann hat es begonnen? mir
ist gerade ein beleg aus einem lyrischen gedichle gegenwärtig, das in
seinem stile stark an das aristotelische erinnert (fragm. adesp. 129 Nauck;
de trag. fgm. 24). die Untersuchung kann ich zur zeit nicht führen;
vielleicht entscheidet sie rasch einer unserer grammaliker. dafs /.al in
Jonien schon um 450 vor diphthongen seinen eigenen körper ganz verlor,
zeigt '/.' OlvojcLör^q IGA 381, 19: das ist elision; in Athen würde es
yj^voTtiör^g lauten, mit krasis. die elision von ai in den verbalformeu
ist alt und nimmt immer zu: es hegt nahe, dafs sie die häufigste par-
tikel ergriff, aber hier fehlt mir die gelehrsamkeit die sache zu ent-
scheiden.
Für den sinn des ganzen gedichtes ist die Vorstellung wichtig, die
der dichter von dem Verhältnisse gibt, das der mensch zu der göttin
Areta hat. er sehnt sich nach ihr (11), jagt ihr nach (2. 10), und zwar
ihrer /.lOQcpd (3. 12). man sollte danach meinen, er liebte sie. allein
das erotische ist ganz fern gehalten, die Areta ist Jungfrau: naQ^ive
steht bedeutsam neben /.lOQcpäg. der mensch bemächtigt sich ihrer nicht
wie Herakles der Hebe; nur ihrer f.wQCfd gilt seine jagd, ihrer Idia.
das ist ja ein synonymes wort, wenn wir modernen den menschen
der idee der lugend nachleben lassen , von seinem idealen streben
reden, so ist das unsinnlich, blafs, philosophisch, aber es klingt darin
doch die 7C€Ql rd eidi] fpiXooocfia nach, wie der platonische brief an
Koriskos, den freund des Hermias, die lehre Piatons nennt, so viel ist
sicher, dafs diese philosophie, die in dem rotwälsch der philosophischen
compendien, wie es die candidaten im examen reden, mehr absurd als tief
klingt, sofort verständlich wird, sobald man griechisch denkt oder redet,
also in dem siöog die form, gerade nach ihrer sinnlichen erscheinung,
zunächst bezeichnet hört, umgekehrt müssen wir hier, wo wir zunächst
nur die Schönheit der himmlischen Jungfrau hören, daran denken, dafs
die form, die löea, für den dichter eine ganz übersinnliche bedeutung
hat, weil er Platoniker ist und einem Platoniker zu ehren dichtet, es
ist das sldog des höchsten gutes, nach dem die menschen streben, durch
Der hymnus auf die Tugend. 411
dessen besitz (^ov f-ied^eBei) sie evdaLi.ioveg Averden , uud dieses höchste
gut ist das höchste gute, das xaAov. aber dann ist es nicht die Areta,
nach der sie streben ; die Areta ist überhaupt nicht aufser ihnen , son-
dern in ihnen, und durch sie erstreben und erreichen sie, dafs sie
aya&oL und etdaif-iovEg werden, nicht um tugend zu erlangen, haben
die heroen ihr leben geopfert, sondern sie haben das leben das sie
lebten und den tod den sie starben der tugend geopfert die sie besafsen.
das gedieht erscheint also in seiner ganzen conception widerspruchsvoll,
es heifst an einer anderen stelle, dafs die heroen viel erduldeten, mit taten
jagend nach der övraf-tig der tugend (10). das ist ganz aristotelisch.
rag yag agerag ).a}.ißävo(.iev kvsQyTqoavreg TcqÖTsqov toOTteg 'Aal ItcI
Twv aXXcov Tsyvwv' a yag öel (.ladovrag rcoielv , zauva Tcoiovvteg
l.iavd^ävof.iev (Eth. II 1103^). die tugend ist in der energie eher vor-
handen als in der dynamis. so weit ist es gut. aber eben da lernen
wir, dafs die tugend keine divaf.iig ist, denn für die blofse potenz gibt
es keine moralische Werturteile, die tugend ist eine e^ig, eine e§ig
TtQoaiQsrr/irj Iv (.leoörrirL ovaa rj] Tigog rjf.iccg. das ist die aristote-
lische definition. diese seine ccqsti] hat mit der des gedichtes nichts
zu tun; an sie kann man kein Hed richten, sie ist keine göttin. also
auch hier zeigt sich, dafs das gedieht keine voll befriedigende erklärung
zuläfst. die Areta, die wirklich eine göttin ist, für die die heroen das
leben gelassen haben , weil sie nur so gewonnen werden kann , ist die
agerrj der Athener des fünften Jahrhunderts: ipvx^v avxiQQOTca -d^ivreg
riXka^avt" agezr^v. erst der tod, der heldentod, macht den uvt^q aya&og.
agrjifföiTovg yao d-&ol tiuiuol xaJ avd-qcouoL, sagt selbst Herakleitos.
so dachten sie damals, und diese ccqsti'] ist freilich mehr als tugend; sie
läfst sich nicht mit einem worte übersetzen, die ehre des mannes ist
sie, die mit den ehren und dem erfolge nichts zu tun hat; die men-
schenwürde, die der götterhöhe nicht weicht; die treue bis in den tod
zugleich mit der kröne des lebens. die Sokratik hat gewifs eben dadurch
möghch gemacht, eine religion zu sein, nicht blofs ein philosophisches
System, dafs sie die sittlichen ideale des volkes nicht verleugnete, son-
dern steigerte verklärte vollendete; aber weil er die philosophie erst
wirklich zur wissenchaft machte, kam Aristoteles von der religion weiter
ab. hier nun griff er nach den formen der attischen poesie, den me-
trischen und den sprachlichen, er griff ebenso nach den formen und
Vorstellungen , in welche die dichter seines volkes die sittlichen ideale
gefafst hatten, die conventionellen figuren der heroensage treten auf
wie in der lyrik, und die Areta wird zu der, für welche Achilleus
412 111. 15. Die gedichte des Aristoteles.
sein leben gelassen hat. Aristoteles dachte von der tilgend anders;
aber er versuchte in die allen formen einen neuen Inhalt zu legen,
seine sittlichen ideale, seine religion, wir zollen dem klugen Stilisten
unsere anerkennung gern, wir freuen uns an der geschicklichkeit des
durch die kritik zum dichter gewordenen gelehrten, wir beugen uns
vor der crhabenheit des im edelsten sinne religiösen mannes und vor
dem pietätvollen schmerze des freundes: aber die Widersprüche und
die unVollkommenheiten solcher poesie, die aus nachahmung und an-
passung entsteht, dürfen wir niclit verkennen, wer ein wirklicher dichter
ist, der schallt sich selbst seine Symbolik, das konnte Aristoteles nicht.
zu einem gölte, wie der des Piaton und Aristoteles ist, kann man nicht
beten, und das lied ist für den dienst dieses gotles keine angemessene
form mehr, aber das gefühl, das einst die heroen und dann den So-
krates und jetzt den Piaton und den Aristoteles so leben und so sterben
lehrte wie sie getan, die treibende kraft in ihrem busen , die ihnen
dazu verholfen hat, gut und glücklich zu sein und die agexri zur e^lq
zu haben, sodafs wir sie jetzt wie lausende vor und nach uns als heroen
verehren dürfen, dieses gefühl, das ihnen vielmehr die tugend gab als
sie die tugend suchen lehrte, und das ihnen doch immer wieder tugend
und glück als unerreichtes und doch erreichbares ziel zeigte, dies gefühl
empfanden sie als unmittelbar wirkende gottheit, das verdichtete sich
ihnen, da sie doch Hellenen waren, zu einer göttlichen person, und
diesem gotte konnten sie auch hymnen dichten: Eros ist der rechte gott
oder vielmehr daemon für diese religion, der mittler zwischen der men-
schenseele und der seele des Universums, dem reinen vovg, der iöia
rov y.aXov. dem hat Piaton seine hymnen gesungen, echte poesie, in
Inhalt und form ganz und einig, und ganz sein eigen.
Die Es kann nicht anders sein und gerade die geschichte der helle-
Eudemos. uischeu Philosophie bestätigt es, dafs das bedürfnis des frommen herzens,
zu verehren und anzubeten, sich den menschen zuwendet, in denen das
göttliche leibhaft wallet, wenn die persönlichen götter (mögen es viele oder
einer sein, die zahl ist überhaupt ganz gleichgiltig), die sich der mensch nach
seinem bilde erschafl'en hat, nicht mehr genügen, und der unpersonhche
gott zu hoch rückt, als dafs sich der sterbhche auch nur der holfnung
eines persönlichen Verhältnisses zu ihm unterfange, unschätzbar ist
das document dafür, dafs Aristoteles einmal so zu Piaton aufgeblickt hat,
die elegie au Eudemos, die aus dem commeutare des Olympiodoros zum
Gorgias zuerst Menagius veröll'entlicht hat. erhalten dürfte auch dieses
bruchstück durch die biographen sein.
Die elegie an Eudemos. 413
ild^wv 6' lg y.ksLvdv KsxQOTiii^g öaTieöov
ecoeßeiug aef.iv^g (filir^g lögioaTo ßwf.wv
ävÖQog ov olÖ' aivelv roiot y.cr/.olGi ^€f.iig'
og jLiovog rj itgcürog S'vrjTiuv y.aTiöei^ev ivagycog
oiy.eüp re ßUo yal iied-ödoLöt Xöyiov,
wg ayad-ög re y.ai evdalf.ia)v a/tia ylverat avrjQ
ov vvv (5' £0%L Xaßelv ovdevl tavtä jtoxe.
leider ist der gewährsmann ein ignorant, und so weifs man nicht, wie
viel man auf den ausdruck Tcqbg Evdrif.iov zu geben hat. ist er genau,
so war das gedieht an Eudemos gerichtet; dann ist unsicher, wer darin
als der genannt war, der nach Athen kam. der adressat kann der
Rhodier Eudemos sein: dann gehört das gedieht der späteren zeit an;
oder der Kyprier: dann ist es vor 357 verfafst. sehr viel ansprechender
ist dagegen, dafs der unbenannte, dem das gedieht galt, der Kyprier
Eudemos war, und dafs das gedieht durch die freundschaft zu diesem
dem Aristoteles entlockt ist, ganz wie der dialog seines namens, dann
war es aber nicht an ihn gerichtet, da er in dritter person erwähnt
wird, und Olympiodor hätte elg Evdr^^ov sagen sollen, wenn ich nun
auch diese zweite auffassung vorziehe, so mufs ich doch gestehn, dafs
die Sache keinesweges sicher ist.
Sicherhch hat dagegen Olympiodor mit der beziehung des gedichtes
auf Piaton recht, es war eine verirrung, diesen durch Sokrates ver-
drängen zu wollen, erstens konnte Aristoteles für Sokrates kaum eine
lebendige persönhche Verehrung haben ; der platonische, nicht der wirk-
liche Sokrates würde das sein, zweitens hat Sokrates durch seine lehre
gar nichts bewiesen, da er überhaupt nichts bewiesen haben wollte,
wer aber seine person allerdings mit recht als einen beleg für den hier
ausgesprochenen satz verwenden wollte, dafs glück und fügend unlösbar
verbunden sind, der konnte gar nicht anders als statt des otyeiog ßlog
vielmehr den tod nennen: sein sterben hat dem Phaidon seine, evöai-
(.lovia offenbart, und ohne den tod würde er wirklich nur ein sophist
gebheben sein, mit recht hat dagegen Bernays den letzten vers für
verdorben erklärt, die Stellung der negation und der adversativpartikel
und die Unvereinbarkeit von yi-v und Ttoxe zeigt es nicht nur, sondern
läfst auch an dem sitze der Verderbnis in ov vvv keinen zweifei. auch
dafs der sinn verkehrt ist, wenn darin Hegen soll, jetzt wäre niemand
mehr im stände gut und glücklich zu werden, ist klar: nur als erster
hat Piaton das durch leben und lehre bewiesen, aber das ziel ist er-
reichbar, ja leichter erreichbar mufs es sein, seit der beweis der möglich-
414 III. 15. Die gedichte des Aristoteles.
keil erbracht ist. leider ist zur heilung des felilers kein schritt weiter
geschehen, sehr hübsch wäre es, wenn da gestanden hätte, was Bernays
will "und glück und tugend können gar nicht getrennt besessen werden",
aber wenn er (.lovvä^ für ov vvv setzt, ^o ist die palaeographische
unWahrscheinlichkeit das mindeste, wo immer f.iovv(x^ steht, ist es ge-
rade von einem einzelnen pare, tänzer oder kämpfer, gesagt, nicht von
einem von zweien, ov dl^a d^ ist vollends ein Sprachfehler; ölxcc ö'
ovx eaxi ordnet das ein Grieche, und ferner heifst di^cc Xaßelv trennen,
luid dazu pafst ovdsvi nicht, der gedanke von Bernays wird überhaupt
schwerhch der wahre sein, denn der plural xama pafst schlecht, ovö^
eoTL d^fXTEQOv laßelv x^^Qt^S würde es einfach heifsen, und dies wie
auch immer stilisirt ergibt keinen plural. so ziehe ich vor von der
letzten zeile ganz abzusehen.
Der Stil der elegie ist, wie zu erwarten, der conventionelle. da ist
die periphrase xletvov KeKQ07clrjg öävteöov für Athen , daneben sehr
viel wenig poetisches, wie /iiovog r] ngtoros, wie olxelog als possessiv
der dritten person, und gar das philosophisch technische (.le^oöoL Xöyiov.
metrisch ist v. 6 ganz ohne wortende im dritten fufse bemerkenswert;
aber caesur nach der hebung des zweiten und vierten fufses und diaerese
vor dem fünften machen den vers dennoch leidlich vvollautend. gerade
dafs der elcgiker der prosa so nahe wie kein anderer dichter damals
bleiben konnte, gestaltete die bedeutenden gedanken einfach auszu-
sprechen.
Und nun die hauptfrage: evoeßetog aefj.vrjg cpillrjg lÖQvaaro ßcof.idv
avÖQog (IIläTcovog), was heifst das? ein 'altar der freundschaft'? das
ist als metapher für backfische, aber nicht für Hellenen erträglich,
gewifs kann Philia einen altar erhalten, aber nicht die Philia eines
menschen, da zur freundschaft zwei gehören, und wenn man selbst
einer derselben ist, so kann man diese i*hilia nicht verehren, dies ist
überhaupt falsch construirt. avögog kann gar nicht von dem genetive
cpiliag abhängen, sondern es bleibt die wähl, die beiden genetive Ix
TtaQallTqXov durch ox^ificc 'itovmov gestellt zu denken, dann kommt
prosaisch etwas wie ßcof.idv tov OEf-ivorärov cpLXov nkänovog heraus,
oder, was ungleich poetischer ist, der genetiv ist der des grundes (im
griechischen durch den Verlust des instrumentalen ablativs entstanden),
zu dem die alten grammatiker ein leiTcei r] svexa zu bemerken pflegen,
und wir müssen paraphrasiren oeßo/nsvog ttjv aef.ivr]v cpiliav ßu)f.idv
iÖQvoato UlaTCüvog. so, glaube ich, hat es Aristoteles gemeint, und
auf alle fälle sagt er, dafs der mann von dem er erzählt, also Eudemos,
Die elegie an Eudeinos. 415
um seiner freundscbaft willen dem Piaton einen allar gestiftet hat. er
sagt genau das was die biographen herausgelesen haben, die geradezu
ßiofxbv ^^QiOTOTilr^g iÖQvoaxo rovöe IJ?.ciTcovog überliefern, auch den
anstofs der modernen hat einer von ihnen genommen und orr/.ov für
ßioixov eingesetzt, damit nicht der göttliche cultus des Piaton darin
stünde, aber gerade der bleibt bestehn. weder die Interpolation bringt
ihn fort noch die kümmerliche ausrede, "^das meint er nur metaphorisch^
es ist ganz gleichgiltig , ob Eudemos oder Aristoteles selbst den altar
errichtet hat, das heifst steine dazu hauen lassen und eine inschrift hin-
einschneiden, oder ob wir das so metaphorisch fassen : *^er hat in Piaton
einen gott verehrt\ gerade dies bleibt bestehn, ja es ist die pointe des
gedichtes, sonst hat es gar keine, so hoch steht doch wol das empfinden
jedes Platonikers, dafs er dem gotte Piaton nichts direct hat zu liebe
tun wollen, wenn er einen kränz auf den altar legte oder ein weihrauch-
kerzchen ansteckte: aber legen wir etwa keine kränze mehr zu den
füfsen einer ehrenstatue oder um eine gedächtnistafel? ein gott, den
man um gutes wetter oder gute träume oder glückhche fahrt anflehte,
war Piaton gewifs nicht; solche götter gab es für Eudemos und Aristoteles
überhaupt nicht mehr, aber ein gott war er doch: sie fühlten seine
macht, die befreiende und erhebende, in ihrer seele. darum widmeten,
sie ihm eine Verehrung in der form des cultus. die sitte hatte den
cult der abgeschiedenen seele längst geheiligt, und dieser teil der religion
hat auch dem Wechsel der formen am zähesten widerstanden, und es
dürfte den zeloten von heute, den gottlosigkeitspfaffen, schwer werden
totencult und totenspenden zu beseitigen, aber der totencult war für
den Hellenen der gegensatz zu der gottesverehrung; ein gewesener
mensch bUeb für den cultus mensch, das unreine des lodes und der sterb-
hchkeit klebte ihm an. der tote kann keinen altar haben, ßto/.i6g und
täcpog sind unvereinbar, wenn Simonides den räcpog der kämpfer von
Thermopylae einen ßio/.wg nennt, so sagt er, dafs sie durch den tod
die ad-ävarog agsri] gewonnen haben und götter geworden sind, und
wenn seine schüler dem Piaton einen allar errichten, so erklären sie ihn
damit für einen gott. ob der mensch Piaton den slaubleib noch trägt,
da sie es tun, oder ob staub zu staub geworden ist, macht gar keinen
unterschied, gott und tod sind unvereinbare begriffe, die bedeutung
des gottesbegriffes und dieser Verehrung, nicht des sterbhchen Piaton,
sondern der unvergänglichen göttlichkeit in ihm, ist dem nicht von fern
aufgegangen, der wähnt, es täte etwas davon oder dazu, ob Piaton der
sterbhche noch am leben war. wer will, mag seiner empflndung nach
416 III. 15. Die gedichle des Aristoteles.
eine vßgig in der praediciriing der svöai/Liovia eines menschen finden;
so Avürden Ilerodotos und Aischylos und Sopliokles geurteilt haben, und
ich selber bin dem vielleicht sehr geneigt, und die schüler haben nun
einmal so geurteilt, die tatsache darf nicht weggedeutell werden, und
wahrhaftig, wenn er vor ihnen stand, und sie ihn wirklich für ayad-ög
und svöaijiuov hielten, so war er ein gott, und es war eine blasphemie,
wenn ein schlechter mensch selbst lobend von ihm redete, dies sagt
Aristoteles von ihm aus: aber die notwendige folge daraus, dafs er ihn
für einen gott erklärt, will man nicht ertragen ? des menschen aufgäbe
ist ecp' ooov ivöex^xai ctd^avaxiLeLV , sagt Aristoteles (Eth. X 1177''):
wenn es einem gelungen war, das ganz zu tun, was war er dadurch
geworden ?
Ob der altar wirklich errichtet ist, macht für die empfindung, für
die asebie, wenn's jemand so zu nennen wagt, nichts aus. aber was
soll uns dazu bringen, die worte anders zu deuten als sie dastehn?
verhinderte vielleicht ein gesetz oder die polizei eine solche private
weihung? schritt der slaat, der den d-eog Id^vtpaAlog zuhefs, gegen
den d^ebg TlläxMV ein? tat dieser gott dem osßead-at %ovg TtaTQiovg
d-eovQ abbruch? ob der könig eine denuntiation aoeßeiag gegen die
weihenden angenommen haben würde, wenn jemand geklagt hätte, ist
müfsig zu fragen, vielleicht; vielleicht haben die Jünglinge es auch
darauf ankommen lassen, an Piaton hat sich nicht einmal ein sykophant
gewagt; so mag auch selbst der pfaffe Eurymedon diesen beweis für die
asebie des Aristoteles verschmäht haben, das äufsere zeichen ist doch
immer nebensache. die empfindung aber — nun ich Avill von Epikuros
und Alexandros und Augustus gar nicht reden, aber wie haben Betlina
und Rahel und recht viele andere zum alten Goethe aufgesehen? wie
Paris zum greisen Voltaire? wie wir Deutsche zu unserm guten aUen
kaiser Wilhelm ? sünde oder nicht vor den pfaffen, dummheit oder nicht
vor den rationahsten : ein achtes und ein frommes gefühl bleibt es, das
den menschen in dem grofsen und guten menschen gott finden läfst
gerade so gut wie in der elementaren natur, und zwar gerade den
menschen, der über die formen der conventioneilen religionen hinaus
ist. dieses ächte und fromme, aber allerdings schwärmerische gefühl hat
auch ein Aristoteles geteilt: das ist tatsache, finde sich jeder mit ihr ab
wie" er will ; ich habe ihn lieb darum.
REGISTER.
1. Sacliresister.
Achaia, chronik 2, 22
Acharnai 2, 152
— bevölkerung 2, 210
Ächerdus 2, 153
Achniaden 2, 268
"ASeiaros 2, 170
Admetos 2, 321
aedilis = raonoiös 66
Aelian 177. 262
Agesilaos 2,383
Aiakeion 2,281
Aigikores 2,128. 136
Aigina 2, 89. III cap. 2
— chronik 2, 27
Aischines redner. . . . 354. 2, 269
— gesandtschaftsprocefs . . .2, 237
— Überlieferung der reden ... 36
.\ischines Sokratiker 149. 160. 183. 2, 99
Aischylos Eumeniden . . .111 cap. 7
— Lykurgie 2, 69
— Perser 143
Akastos, könig 2, 131
Akestorides, archon . . . 24. 2, 81
Aktaion, könig 2, 126
'AxTTj 2, 35. 127
alexandrinische poesie .... 2. 31
Alexandros 336. 370
— briefe 2, 393
Alkibiades 62. 132
.\lkidamas 2, 394
-Alkmeon, archon .... 2, 81*)
Alkmeoniden . 17. 32-36. 2, 55. 325
Amelesagoras 228. 2, 20
Ammoncult 209
.\mphiktion, könig 2, 126
Anakeion 269
Anaphe, chronik 2, 26
Andokides 2, 74
avSotäi 46
.\ndrodamas 67
Andropompos 2, 129
Androtion .... 42. 52. 123. 2S8
Angele 2, 152
Ankyle 2, 155
Antiochos v. Syrakus . . 356. 2, 27
Antipatros 339
.Antiphon v. Rhamnus .... 2, 76
— — — der redner 170
rede 5 .... 2, 369
rede 6 .... 2, 347
— — 7t. CQCOV 218
Verteidigung . . 2, 362
Antiphon Sophist rr. ofiovoias . . 173
Antislhenes 183
Anytos 128, 2, 375
.^paturienopfer 2, 271
Apheidas, könig 2, 129
Apoilon 2, 44
Apollodoros V. Kyzikos .... 188
Apollonia in Epirus 293
apolheose 337. 2, 397
l4ox£dva^ 2, 181
Archedemos 2, 213
Archestratos v. Phlya 68
Archidamos v. Sparta, regierungszeit 147
Archinos 2, 368
.Archytas v. .\mphissa 18
Areta 2, 410
*) Ich scheine die belegstelie nirgend angeführt zu haben. Pollux 8, 110 datirt
die eiiiführung der 10 phyien auf den archon Aikmeon, quelle ist die chronik. es
folgt daraus, dafs dieses das erste jähr der neuen Ordnung ist, also 506/5; und dafs
Kleisthenes einen geschlechtsgenossen wählen läfst, wahrscheinlich als seinen eigenen
nachfolger (s. 6), ist ganz in der Ordnung.
V. Wilamowitz, Aristoteles. II. 27
418
Register.
'A^TiriäSr^s 2, 182
l^^yeiäSae 2, 175
a^y CS {alros, raoocs) 219
'AQi(pQcov 2, 86
Aristeides 145. 152. 159
— s. g. gesetz 124
Aristides, rhefor 298
Aristion 14. 261
Aristokrales, Skelias s 100
Aristophanes 2, 382
— Thesmophoriazusen . . III cap. 8
— Wespen 2, 244
Aristoteles leben und entwickelung
I cap. 10
— beurteilung der prosa . . .169
— natiotialgefüiil 369
— Stellung zu Demosthenes . . 349
— — zu Eplioros 305
— — zum landleben 357
zu inilitär und flotte . . . 209
— Zeitrechnung 1
— n. ßnaiXsias 339
— briefe 2, 393
— Siy.aiü'.juara 305
^ Eudenios 328
— gedichte III cap, 15
— Poetik 321
— Polilien 2, 18. 22
— Politie der Athener
— — abfassungszeit 211
— — benutzung d. Androtion . . 42
— der Atthis I cap. 1. cap. 8; 117
der attischen gesetze 238. 256
— — — des Herodotos . . I cap. 2
des Theramenes 62.126.161.
165.
— __ — akademischer traditionen 118.
128.
des Thukydides . I cap. 5
— — Berliner exemplar .... 291
— — Londoner exemplar . 291. 294
— — inlerpolationen 294
geltuug in späterer zeit . I cap. 9
— der Lakedaimonier .... 2, 24
— Politik 355
idealstaat 356. 363
Verurteilung der frauenarbeit 235
— Protreptikos 327
— Pythioniken 13
— Rhetorik 320. 349
Arkadien, chronik 2, 22
Arrian 122
Artemis 132. 2, 318
Aspasia 263. 2, 99
Athanadas v. Ambrakia . . . 2, 29
Athen archontenliste ... 7
— bcvölkerungszahl ... II cap. 9
— königslisle 2, 131—35
Athen topographie des landes II cap. 6
der Stadt .... 270. 2, 160
— geschichte: bis Solen . . II cap. 2
reform von 683 . . 2, 40. 53
— Drakon und Selon s. d.
— erster heiliger krieg . . 10—20
— 593—560 2, 308-12
— tyrannenzeit .... 2, 68—70
vgl. Peisistratos, Hippias Klei-
sthenes u. dgl.
— kämpf um Leipsydrion
— geschichte 507—480
Schlacht bei Marathon
aeginetischer krieg . ,
... 34
2, 77-91
280-87
112. 2, 84
2, 88—90;
III cap. 2
— 490—80 25. 2, 327
— 480-62 . . 154-58. 2, 91—95
— Eurymedonschlacht ... 2, 292
— thasischer krieg .... 2, 295
— 465— 41 . . . 2, 97. 291—298
— Schlacht bei Tanagra . . 2, 294
— bündnis mit Argos ... 2, 331
— aegypiischer krieg . . 158. 2, 297
— kimonischer friede 289
— samischer krieg .... 2, 298
— hermenfrevel 2, 113
— revolution von 411 97—105. 164.
2, 113—125. 345-51. 356—61
— Arginusenprozefs 127
— restauration 403 .... II cap. 1 1
— 390-80 2, 374. 382
— 370—50 343
— 338 2, 395
— 338—22 194. 348
Athena 2, 36. 233
— Alea 2, 44
— streit mit Poseidon . . 2, 37. 199
— alter tempel 115
'Ad'r}valos 2, 35
Atthis ^ 27. 98 I cap. 8
Arrixös 2, 36
14tcü, 'AroiToe .... 2, 170. 175
Auriden 2, 153
a^ovBS 45
a^ovr^kaxelv 2, 310
Ba)j.iü)v 2, 177
Baailavs 181. 2, 136
Basiliden 2, 130
Bekkers fünftes lexikon . . 226. 294
biographica in schol. Plat. und Lu-
kian 263
Bld-vs 2, 176
Boeckh 12. 375
ßorjSoöfiia 132
briefstii 130. 2, 392
Bryliden 2, 271
Register.
419
Bukoleion 2, 42
ßovlri 91
Buladen 2, 74. 128
Buzygen 2, 86
Chairemon v. Apollonia .... 293
Charminos 2, 346
Gliarmos 265
Charon v. Lampsalios 152
Charondas 65
Chios 2, 381
Gholargos 2, 159
%<oqia, rhetor. terminus .... 180
XQ£Coot07iiSai 63
Chronologie ... I cap. 1 ; 2, 289
Clemens Alex 2, 311
E. Cmtius 377
Daidaliden 2, 155
Damasias 10
Damia und Auxesia .... 2, 282
Dämon, Damonides 134
Dekeleia 2, 266
Dekeleer 2. 172
Uelos 2, 44
Demon 273. 280
Delphi 2, 44
— geschichtliche tradition . . 285.
2, 20. 21
— tempelbau. . . . 32-36.2,327
— Athenerhalle 2, 287
Demades 129. 208
Demetrios v. Phaleron 362
Demosthenes 129. 329
— 'onächte' Staatsreden . . 2, 215
— gegen Androtion 211
Aristogeiton I . . . 2, 402
Aristogeiton II . . . 2, 247
Boiotos 2, 179
IVlakartatos 259
Eubulides 31
— prooeniien 2, 402
SrjfioTTje 2, 356
demotika in der anrede . . 2, 192
Demotion archon 2, 93
— heros 2, 279
Demolioniden III cap. 1
Sixaiaqjf^ixov ye'vos noXireias . . 74
Diodorns, perieget 263
— V. Sicilien 2, 290
IX quellen 266
— — XI Stoffverteilung .... 156
Jwyevrjs ylatQxios .... 2, 178
Diogenes Laertius, 1, quelle . . . 266
Dionysios v. Chalkis .... 2. 28
— V. Milet 2, 8
Dionysos 2, 42. 69
dithyrambos 2, 406 — 10
Drakon .... I cap. 4; 2, 55. 305
— zeit 9. 57. 97
Dropides archon 7
I. G. Droysen 377
M. Duncker 379
Dyaleer 2, 269
Eion, eroberung 146. 155
'ElaaiSai 2, 269
elegie 322. 2, 314. 414
Eleusis 2, 38
Elis, Chronik 2, 22
— synoikismos 2, 300
U. Emmius 375
evos 77
Ephesos, phylen 2, 139
Ephialles 2, 93. 341
— zeit des todes 141
Ephoros 2, 16. 295
— Stellung zu Aristoteles . . . 305
— zur Atthis 277
Epikephisia 2, 152
Epikrates, gesetz über d. ephebie 194
Epilykos, polemarch . 56. 278. 2, 43
Epimenides 2, 25
Erechtheus 2, 128
Erelria 2, 80
Erikeia 2, 155
Eroiaden 2, 157
eovfia 2, 336
E"uboia, chronik 2, 21. 28
Eubnios 345
Eudoxos 333
Euenos v. Faros 2. 404
EVT]d'et.a 2, 10
Eumelides v. Alopeke ... 2, 196
Eumelos v. Korinth .... 2, 20. 23
Eumeniden 2, 338
Eumolpiden 2, 52. 249
Euonymoi v. Ephesos ... 2, 155
Euphemos 2, 78
Eupolis Demen 179. 181
Euripides Ion 2, 137. 142
— — scenerie 35
— Phoinix 181
Euthydemos archon 24
Euxitheos v. Haiimus 32
— V. Mytilene 2, 369
Frauen keine rechtssubjecte 190. 247
frauennamen 2, 178
Greleon 2, 136
gesetze und Verfassung . . 65. 238
— anordnung 257
yvdüucov, iniyvci (.Kov 241
Gorgias 172. 2, 405
— Olympiakos 173
27*
420
Register.
Gorgias Palamedes .... 2, 236
(iraes, demos 2, 252
Griechische geschichte der modernen
375-381
Grote 378
giundbesilz, privater . . 2, 47. 227
— heiliger 215. 2, 240
— Verschuldung 2, 55
grunderwerb der neubürger . . 364
Habron aichon .... 2, 93. 301
Harmodios 2, 75
gesetz des Hegemon 228
Hegesias archon 24
Hekale 2, 157
Hekataios 2, 8
Hellanikos .... 282. 283. 2, 19
Hephaistos 2, 38
Herakleia Pont 357
Herakleides v. Klazomenai . . 188
V. Pontos 265
epitomator der Polilieen . 292
Hermias 334. 2, 404
'EQuoy.oniSai 63
Hermokreon archon 24
Hermes 2, 158
Herodotos . . . 269. 2, 9. 281 fTg.
— abschlufs d. Werkes .... 26
— quellen u. gewährsmänner . 285
— Übergänge u. Verknüpfungen . 33
— Stellung zur Atthis . . . 30. 288
— zu Solons gedichten . . 15. 315
'HaiovTj 2, 181
Hestiaia 2, 155
Hesychius 294
hetaeien 216. 218
— namen 99
''IfifQolos 2, 176
Himerius 2, 405
Hipparchos Gharmos s. 114. 2, 82. 87
— Peisislratos s. . 109. 273. 2, 70
Hippias V. Elis 2, 20
— Peisislratos s. ... 112. 2, 70
Hippokleidcs 2, 73
llipponienes 2, 132
Hippys 2, 28
"TXas 2, 176
'rlixC8r,s 2, 183
llypeii)ol(.s .... 129. 130. 2, 53
Hypereides, geburtsjahr . . . 225
Hypsicliides archon 25
Tovdd'toi 2, 139
lambiich. prolr. sophistische quelle 174
Idomeneus v. Lampsakos . . . 183
Ion u. söhne .... 2, 136. 154
Ion V. Chios 145
loniden 2, 142
lonien, Chroniken 2, 29
lonier 2, 141
lophon Peisislratos s Ui
Iphikrates 347
iaad'ävaros 2. 409
Isagoras 2, 70
Isokrates. ... 72. 167. 318. 344
— lod 2, 395
— Buseiris 2, 14
— 710CS Toiis aotpiaräs . . 320
— Panegyrikos .... 2, 380—84
— Panalhenaikos . 133. 2, 380. 392
— briefe HI cap. 13
iaou£T^7]ros 4S
Islhmos der Messenier ... 2, 206
Istros 2, 279
Kadmos v. Milet 2, 20
Kallias v. Angele, archon .... 8
— Kalliades s 135
— V. Skambonidai, archon ... 7
Kaiiibios 2, 389
Kaliikrales v. Paiania ... 2, 214
xarcovaxai 272
Kedon 38
Kekrops 2, 128
xsifälaiov ihetor. terminus . 2, 387
Kephallenia 2, 39
Kephisos 2, 155
Kerameikos, friedhof ... 2, 292
Keiyken 2, 74
Kikynna 2, 158
Kimon 114. 135—38. 180. 2, 91. 97. 9>>
— ostiakismos . . . . 2, 291 — 93
Kleidemos .... 29. 30. 265. 286
Kleisthenes Megakles s. 6. 32. 2, 76. 145
— Sibyrtios s 2, 145
— V. Sikyon 17. 272
Kleilophon 102
Kleokritos 180
Kleon 129. 2, 24S
Klennymos I8u
Kleophon .... 130. 2, 195. 213
Klivias 2, 59
Kodros, Kodriden 2, 129
Koiavoa 111
Kolias, naukrarie 279
KolXvriSrjs 2, 183
Komeas archon 22
alte komoedie 182
Kofcov, Kövvos 62
Konon archon 2, 93
Konlhyle 2, 152. 172
yoQr] 46
Korinlh, chronik 2, 23
Koriskos 334
xoocövrj 2, 36
Korybanten 46
Register,
421
Kothokiden 2, 152
Kranaos 2, 126
Kreophylos . . 2, 20
Kreta, chronik 2, 26
Kreusa 2, 137
Krios V. Aigina 2, 284
Krisa 18
Kritias 131. 165
— Schriften 1T4
KooTaos 2, 175
Kronos, Kronia 119
— Kroniden 2, 181
£711 Koövov ßios 119
Kydas," Kydantiden . . 2, 155. 279
KtdlaQOS 2, 176
KvXav 2, 130
Kylon 2, 55
yvQßeiS 45
Kyrene, chronik 2, 27
Kytherros 2, 152
Laches 2, 244
Lakrateides, archon 2, 81
— Eumolpide 2, 449
Lamachos 2, 172
Lampsakos 151, 2, 72
Lemnos 196. 2, 73
Leogoras 2, 74
Leon, Stratege 2, 268
Leto 2, 181. 268
localtraditionen .... II cap. 1
los 89
Lusia . ■ 2, 153
Lykon 128. 2, 154
Lykurgos 209. 352
yiioavS^os u. dgl 2, 62
Lysias 177
— gegen Eratosthenes . . 2, 218—22
— für Polystratos ... III cap. 9
— gegen getreidehändler . III cap. 11
— — Pankleon .... III cap. 10
— — Euandros 204
— rede 25 2, 361
— Olympiakos 2, 382
— rede 34 2, 225
Lysistratos 2, 347
llaXaxaiyTjTOS ...... 2, 408
fiaXsQOS 2, 407
Massalia, chronik 2, 29
MrjSixd 26
Medontiden 2, 41. 131
Megakles, archon 9. 57
— Alkmeons s 23
— Hippokrates s. . . . 37. 2, 323
— Megakles s 111
Megara, chronik 2, 21
fitl^ts noXneias 74. 133
MeXäv&ios 2, 82
Alelanthios atthidograph .... 287
und homonyme
Melanthos 2, 129
Meletos 128. 2, 74
Melisseus 2, 20
Menekrates v. Elaia .... 2, 30
Menon v. Pharsalos 116
fiTixTjQ ^OXvjunia 2, 317
metrik . 2, 317. 353. 355. 404. 406
Meursius 375
Miletos 2. 141
IMilüades 2, 82
Mimnermos 2, 313
fivTjuoves 236
Mnesiphilos 134
I. Moser 368
niünzpräguug . , 80
Myronides .... 179. 2, 91. 297
Myros (?) archon 2, 81
Myrrhine 113
Mvs 2, 176
Hamen II cap. 7; 2, 29
— recht daran 2, 181
naturalw'irtschaft 240
vavycqaQOS 96
Naxos eroberung 150
Neapel 2, 39
Nepos, Thrasybul .... 2, 223
vr^Qr^iSes 2, 181
Niebuhr 376
Nikodemos v. Dekeleia . . 2, 265
nominalconstruction 214
novelie 2, 6. 31
Od 2, 152
Olov 2, 156
Ogygos 2, 126
W.as 2, 176
olivencultur 240
OQyäs 2, 39
Orestes 2, 49
d Qoyoäcpoi 2, 21
Oropos 2, 365
oQÜ'oi.ad'ai 2, 332
Ol To. ojxa xaTsayores . . . .133
Otryne ........ 2, 154
UtaVASia 2, 36
Pallene 2. 37. 157
Pandion 2, 127
Pandrosos 2, 318
Panops 2, 149
nas Tts 2, 314
patronymica 2, 180
Pausanias v. Sparta 145
— perieget 19
422
Register.
Peisislratos . . . . 179. 2, 69. 311
— zeit 21 — 24
Pelasger 2, 73
Pellana 287
Pentele 2, 157
Perikles . 68. 133. 2, 98-102. 297
— antrag auf tempellierstellung 2, 340
— beredsamkeit 170
— geschlecht 2, 86
— gesetz über bürgerrecht . . . 125
— prozefs 2, 245
Peiithoiden 2, 153
Phainippos archon 2, 81
Phanodemos 287
tpari^siv 48
Plieidias 2, 100
Philaiden 2, 72. 82
4>iheTs 2, 269
Pliilinos 2, 347
Philippos könig 340
briefstil 2. 392
Philistos 2, 13
Philochoros 33. 288
<PiXofir}XEiSr]S 2, 196
Phoibias v. Samos 293
Phokos 2. 309
Phorbas, heros . . . . 2, 134. 279
Phorniisios 2, 225
^OQfws 2, 375
Phiasikleides archon ... 2, 301
Phyle 2, 39
phylen bei Dorern u. loniern 2, 139
(PvXliSai, 2, 178
Pindaros lebenszeit .... 2, 301
— Pyth. 7 III cap. 6
— Pyth. 8 2, 301
— Isthm. 6 2, 293
Piaton 74. 184. 237. 322—33. 2, 14. 415
— Gorgias 183
— Gesetze 330
— unechte Schriften 342
— Hipparchos 118
— loa 188
— Menexenos 2, 100
Plutarchos 299-303
nöXis 51
noXiTTjs 2, 54
politische literatur . 169. 2, 13. 389
Pollu.v 256. 257. 295
Polyaenus 275
Polykrates sophist 183
Poseidon 2, 37
Praxiergos archon 2, 93
Praxilla 2, 321
Probalinthos ...... 2, 152
TtooazdrTjS tov Sijfiov 178
Protagoras 174
Proxenos v. Stagira 315
pseudepigraphe literatur
ni'Qr^S
Pytheas, redner . .
Pythiadenrechnung .
Pythion
Pythodoros Epizelos s
2, 402
2, 183
. 20b
2, 328
2, 45
2, 173
(Quellen d. gr. geschichte 277 ffg.ll. cap. 1
reden, zweck der publication 2, 362. 367
— eingelegte Urkunden .... 259
Rhodos, Chronik 2, 27
ronian 2, 14. 31
(xonlris 2, 155
Sage 2, 5
Salamis, er Werbung 267
Samos 293
seeraub 2, 285. 383
seisachlhie 2, 62
Semachiden 2, 157
Sigonius 375
Sikyon, chronik .... 272. 2, 23
Skoliensammlung .... 111. cap. 5
Skyros erwerbung .... 146. 157
Sokrates 2, 227
Solon .... 261—69. 2, 59—67
— gedichte ... 15. 303. III cap. 4
— gesetzestafeln 45
— hieromnemon 14
— legenden .... 16. 39. 2, 67
— münzreform 41—44
— zeit 14
Sophokles Antigone ... 2, 298
Sosibios Lakon 2, 25
Sparta 2, 40. 52
— dya&oe^yoi, araroi .... 225
— Chronik 2, 24
— Säuos 2, 40
— erdbeben 2, 295
— rhetra 2, 24
Spitznamen 2, 17S
heilige steine 47
Stele der geächteten 115
Stesimbrotos 178
suffix — svs 2, 136
Teilhras 2, 279
Telamon 2, 320
Telauges pythagorist 272
Telemachie 2, 72
Tellos 269
Teipandros 2, 25
T,]d-vs 2. ISl
Thargelien 2, 45
Thasos 150. 2, 295
Themistokles 138—52. 275. 2. 83. 88—91
— angebl. statue 263
Theodorus Metochita 293
Register.
423
Tiieopompos 130. 135. 16S. 183. 2, 15
Theramenes . . 165—68. 2, 222
Thersikleiden 2, 268
Theseioa 157. 269
Theseus 270. 2, 127
■d'eafiSs 2, 330
Thessalos Peisistratos s 110
Thrasvbulos 2, 223. 382
Thukydides I cap. 5; 184. 2, 10. 290. 357
— heikunft 116
— Stellung zur Atthis .... 289
Thymoites 2, 129
liernamen 2, 178
Timokieon 138
Tolmides 2, 297
iracht 272. 2, 68. 282
Trinemeia 2, 155
Tritopatores 2, 268
TQITTVS 2, 36
tyrannenmörder 2, 319
Tyrsener 2, 74
Verkaufstempel 236
Westhellenen, chronik . . . . 2, 2S
Xanthippos 2, 87. 91
Xeniades v. Korinth .... 2, 23
Xenokrates 341
Xenophon .... 122. 2, 15. 218
— Symposion 182
— IloXir. l4d'T]v 171
Xutiios 2, 137
Zakyaden 2, 268
Zeuxippos 2, 130
3. ^AxriTil szo'j.ixiY.c ovofiara.
liyoQai 2, 236
ayooavouoi 218
aSixiov ... 2, 232. 246. 360. 365
uSvvajoi, 213. 2, 206
a&Xod'äzai 238
alosiad'ai. 72
Idfifjicovis 209
avao%ia, 6. 2, 64
dvS^anoScov 245
dvTiyoa<psvs 228
anoSaxzai 2, 241
ogyiaS 255
Uosios Ttdyos 91. 251. 2, 49. 92. 333.
II cap. 8
aQxni, fiiad'ös, xaonos 196. 2, 203. 400
— y.Xriqmat.'i, xväfiEvais . . 200. 203
— xXT]ocorai ex Sixaaroäv . . . 233
— cumulirung und Iteration . . 197
VTtEQÖQlOl 2, 203
— XSiQorovT^rai 208
dqyaiqea iai, 210
dqyT]yerT]S 2, 136. 150
dqxovrss 243. 2, 87
— uiad'ös 195
— oQxos 46
— gemeinsame pflichten 203. 204. 243
doyoiv 254. 2, 44
— snatvvfios 4
noycov eis ^aXauTva 230
[jaai^.svs
— absetzen des kranzes
251. 2, 41
. . . 252
ßaaiXevs, Strafgewalt ... 2, 195
— Vertreter des archons .... 204
vöfioi ßaatkecog 215
BoTjSqSfiia 250
ßovXevais 252
ßovk^ Ol f' 53. 209—16. 2, 106. 111.
195—98. 240—42. 344. 375
— — ax TiQOxolriov 73
— oi (f xai a 53
— antrag auf eigene bekränzung .211
— Liiad-Ss 195 2, 95
BoavQcivia 230
yeqaiqai 2, 41
yecofxÖQOi 2, 51
yvcöuoves 241
youfiuaxeis 227. 2, 107
AflXta 230
dtjuaoxot 217
SriuaQxos iv Läfiyta^dov .... 232
— 'Elevalvt 232
— eis JJeiQaiä. 230
SriUiovqyoi 2, 51. 58
Sr,fioi .... II cap. 6; 2, 109
Siairr^rai 224
Siaxprj^iaig 31
Sixaarai . . . 90. 201. 2, 96. 105
Sixaarai xaxd Srjfiovs , . . .124
SimßsUa II cap. 10
SoxLuaaia 2, 188
8(i)Q(ov 2, 233
424
Register.
^iaayyeXia .... 53. 2, 1S9. 360
tiffayojysls 222. 234
U-/Kriaia .... 90. 210. 2, 104
— flucliformeln 2, 348
— fiiad'ös ISS. 195
— tagesordnung .... 2, 253
'E).evaivia 230
tunooixai Sixai 221
i'i'Sei^ts 222. 2, 375
i'.Ssya 222
i^r;yr]rai 280. 281
tni^rjfiicoats 2, 196
dniuelr^rfjS xqtjvüv 20"
— BfinoQiov 220
ejiioxavaaTCti ie^av 215
tniräfios aycöv 249
inixsioororia voficov ... 2, 194
Ejtcövvfioi 225
Ei^vva II cap. 12; 71. 2, 244. 250. 360
tinaxQiSai, 94. 2, 50
i'weais eii SixaaTtiQiov .... 60
ilfSTa, 251. 2, 199
itrrßoi, 1S9. 353
tfOQOl ■^j ''"J^
Hfaiaria 230
d-eGiiod-axai 244-48
&caaoc 2, 269
lEoofiVTiniov .... 206. 2, 45. 53
isooTioioi 228
ixerroia 52
innsls 212. 2, 107
y.a&eorrjxvla rifir, 220
xaräyvcoais ex ßovXr^e . . 2, 375
y.aialoyeTi 102. 2, 356
y.r^ovxss 202
y.oTiQoXöyoi 217
y.oxoeiov 2, 2(1
xcoXaxQtTai 52. 2, 190
^.r^TOvgyiai 2, 105. 163
/.oytart'^Qin 2, 232
/.öyos II. cap. 12
(IsTalkixnl Sixni 245
fitroixoi .... 249. 250. 2, 370
uexQOvöf^iOL 219
uiad-oi 194
uoi^sias 247
VavxoaQiai 279. 2, 53
vuvxoaQOv 51. 93
ravxoSiy.ut 223
Nlxai xQvaaX 212
i'OfiO(fvXaxia 2, 190
rovfirivia 210
oSonoioi 226
olxoi 2, 266
ofioydXaxxes 2, 273
oTtXa nuoi'/ead'ai 7S
oQyEtöpEi 2, 269
i)Qi.axai 217
oQfpavoi 250
vaxQaxiauös 2, 87. 256
Tlavad-ivaia 239
nnonyoncfi} 2, 368 — 70
TinocidEiyfta 213
IIaQa)da '231
näixdos 209
Ttnoat öficor 2, 105. 193
oiÜqeSqoi 2; 40
TlEVXr'iQEli 211
■JlEQlTXokoi 199
nolEttaQxof 249. 2, 43
7io).ixr;s 205
nonxxogss 196
Ti^ößovloi . . . 102. 2, 113, 344
Tigoyoiveiv 72
TTQÖ^eroi nicht von Untertanen . 2, 92
7toox,siQoxuvia .... III cap. 13
TiovxaiElai iß' 2, 147
■jiovxnvEit i'UvxQaQCOv .... 92
TccXayöoai 2, 53
Q/xooES 2, 110
jLda'/Mfitvia 209
aixofiXaxEi 219. 2, 375
i:y.i&ai 2, 334
aTQuxi,yoi . . 86. 2, 44. 78. 88. lOS
— Ei&vra 2, 243. 249
avyyoafEis 104. 2, 110
avXXoysis xoü Srjfiov ... 2, 166
oifSixos 2, 330
avrrjyogoi 233. 2, HO
ovveSqoi 202
aqayai 17
■jiEol acuxr^oias 102
aw^Qjviaxai 192
Xafiiat xrfi d'EOx 212
— xwv aXXcoi' d'Eiüv . . . 212. 234
xafiias xt,s ßoi'lr,S 214
— TOI Srjjuov 210
— GZ oaxicox 1X0)1' 198
xa^iaoxot- 2, 8S
TE^iVr 215. 2, 190. 240
xifu'uaxa 44. 78. 2, 51. 102. 217. 228.
xificoosly xo) aSixovfiivoJ ... 60
xo^özfti uaxoi 2, 201
xoavaa ix TiQOvoias 17
xoi'OEiS lEoai 209
Register.
425
xqixxiao/oi 2, 164
Tcnzies II cap. 6
— iß' 2, 147
zvQavviSo? 54
VTCoy^ajuuarstS 197
vTicofioaia 2, 193
(fötoi äSrj).o£ 253
— Sixaios 255
(foaroiat 189; III cap. 1
(foovooi 198. 234
fvXai S' 2, 50. 138-43
(fi/.uQxoi 2, 163
(pvXoßaaileis 94
Yooriyia 254
'^EvSo/j.ttoxvoicJv 240
■ipr^qjCafiaxa form 52
3. Stelleiiregister.
Aelian V. H. 8, 16 262
10, 15 177
Aischines 1, 23 2, 254
— 2, 47 2, 269
— 3, 13 203
— 3, 25 228
— 3, 116 36
— 3, 184 (hermenepigr.) .... 155
Aischylos Eum. 568—708 2, 328—37
909 2, 341
980 2, 342
— Sieb. 592. 609 160
Andokides 1, 74 2, 233
— 1, 78 2, 235
— 1, 97 54
Bekk. Anekd. 212 .... 2, 281
— 236 128
— 237 2, 213
— 298 294
— 299 231
— 345 213
— 449 56
Antiphon 6, 36 2, 347
— 6, 51 252
— Sophist passim 173
Aristides pro IV vir. 276 .... 280
Aristophanes Frosch. 1432 . . .ISO
— Rilt. 8 2, 177
— Thesm. 313—30 .... 2, 352
353—71 2, 354
SOS 2, 344
SU 2, 346
— Vög. 125 100
— Wesp. 232 2, 172
961 2, 244
1184 217
1221 2, 176
Aristoteles Elegie an Eudemos 2, 413
— epigramm 2, 4U3
— Eth. Mk. 1181» 359
Aristoteles hymnus .... 2, 406
— Meteorol. I 343'' 5
— Poet. 1456^ 2, 29
— Pol. Athen. 1 290
2, l 294
3, 3 47. 56
4, l 57
4, 2—4 I cap. 4
5, 1 2, 304
5, 2 8
5, 3 .
6, 1 .
6, 2-3
7, 1 .
7, 2 .
. 303
2, 62
. 62
. 45
48
8, 1 49. 198
8, 2-5 50
•?. 3 53
9 59
10 41-44
13, I 6. 10
13, 2 294
14. 1 22
14, 2 260
14, 4 22
15, 1 .
— — 15, 4 .
16, 6 .
16, 7 .
16, 10.
17, 1 .
17, 2 .
17, 3-4
18, 2 .
18, 4 .
18, 5. 6
19, 1. 2
19, 3 .
19, 4
.... 23
.... 269
. . 272. 292
.... 119
54. 294. 2, 43
.... 21
. Hl
. 274
. 109
. 274
. 274
34. 37
33. 37
- 19, 6 21
426
Register.
Aristoteles Pol. Athen. 20, 2 . . 37
20, 5 6. 31. 294
- — 21, 1 32
21, 3-6 .... 2, 146—51
- — 21, 4 2, 168
- — 21, 6 225
22 123
22, 2 24
22, 7 275
22, 8 25. 114
23 139
23, 2 294
24 2, 201-7
- — 25 140
25, 2 2, 186
26, 1 136
- — 26, 2-4 124
- — 26, 2 294
27, 3 139
27, 4 133
- — 27, 5 128
- - 28, 4 125
- — 29-31 101
29, 1 2. 173
- — 30 2, 116-120
- — 31 2, 115
- — 31, 3 2, 120
- — 32 100
33 98
- — 34, 1 127
- — 34, 2 8
- — 34—40 121
- - 36, 2 165
39, 6 2, 217
41, 1 122. 294
- — 41, 2 . . • . . . 186. 187
- — 41, 3 188
- — 42 189
- — 43, t 207
- — 43, 2 4, 210
43, 4—6 2, 252
- — 44, 4 210
- — 45 210. 2, 196
- — 46 211
- — 47, 2 243
- — 47, 4 251
- — 48, 3-5 2, 235
- — 49 213
50 215
51 218—20
52, 1. 2 222
- — 52, 3 212
- — 53 224
- — 54 226—28
- — 55 3—5 256
- — 55, 5 46
56, 1 256
56, 2—7 254
Aristoteles Pol. Athen. 56, 7 . . 259
57, 1 251
58 249
59 242—48
60 238
61, 1 207
61, 7 209
62, 1 198
62, 2 195
62, 3 197
63 204
fgm. 2 28
fgm. 4 2, 128
Politik B 1267"^ 66
— B cap. 12 64—71
— ^1275« 205
— r 1284» 372
— J 1296» 71
— En\h^ 21
— .Z'cap. 2 187
— ^Tcap. 8 234
Rhetor. 2, 1397'' 349
— 3, 1407S 1411" 351
Athenacus 6, 235 .. . 215. 2, 43
— 6, 271 272
— 15, skolien ... 37. III cap. 5
Deinarchos 1, 60 ... . 2, 233
— 3, 15 193
Demosthenes 18, 134 .. . 2, 189
— 19, 255 (Solon) .... 2, 305
— 19, 285 192
— 19, 293 2, 233
— 24, 11 2, 255
— 24, 149 (heliasteneid) .... 201
— 43, 57 217
— 43, 75 259
— prooem. 54 2, 401
— prooem. 55 2, 400
Diodoros 9, 37 272
— 11, 54 142
— 11, 79 2, 301
— 11, 81-83 2, 294
— 12, 45 2, 247
Diogenes Laert. 1 49—52 . . . 266
Dionysios arch. 5, 50 . . . . 2, 81
Jbtym. M. iTia'.vvfioi 225
Eupolis Demen 179
— Städte 28 M 2, 347
Euripides Antiope 203 . . . 2, 42
— Iphie. Aul. 935—47 .... 48
— Phoen. 983 2, 336
Crelüiis 2, 10 298
Gorgias Palam. 28 ... . 2, 236
Harpokration aSivaroi .... 213
Register.
427
Harpokration dnoSt'xrai
. . . 52
— • Evd'vvai ....
. . .227
— - iTtTzagxos .
. 115. 123
— ^.oyiazai .
. . .227
— ^svias . .
. . .223
7TQ0XS100T0VÜ
. 2, 255
Herodotos 1, 59
. . .261
— 1, 60 . .
. 2, 10
— 5, 63. 65 .
. . . 32
— 5, 69 . .
. 2, 149
— 8, 93 . .
. 2, 172
— 9, 35 . .
2, 296
- 9, 73 . .
. 2, 172
Hesiodos fgm. 37
. 2, 183
Hesvchius KXa^Ofisvioi
. . 294
— KöSgovs . . .
. 2, 130
llimerius or. 6, 6
. 2, 405
Homer ß 550—55 .
. . .239
— K 69
2, 171
— T 327 . . . .
2, 184
— ^ 343 . . . .
. 2, 196
lamblichus protr. 95 Pist
. 174. 180
103 ....
. . 181
Inschriften
Bull. Corr. Hell. XII 164
. . 188
CIA I 29 .... .
. . 223
— — 57 . .
2, 195
122. .
. . 68
189^ 190
2, 212
274. .
'i
, 177. 179
398 . .
2, 173
432 . .
2, 292
433 . .
2, 297
— II 22 . .
. . S
91 . .
. . 157
114. . .
214. 227
570 . .
2, 154
571 . .
2, 239
578 . .
2, 239
809b . .
2, 237
865. . .
2, 382
866. . .
2, 156
871. .
2, 151
941 . . .
. . 225
962 . . .
. . 196
985« . .
2, 197
1053 . .
2, 154
1208 . .
. . 20(1
1652 . .
2, 26S
2002 . .
2, 174
2723 . .
2, 174
3436 . .
2, 170
3SS0 . .
2, 285
-- IV p. 6 . .
104 223
p. 8 . .
2, 297
P. 9 . .
2, 296
p. 63 . .
2
70. 2, 238
CIA IV p. 64 228
p. 66 2, 240
p. 115 2, 174
p. 118 2, 157
p. 125 45
— - p. 140 2, 202
p. 182 2, 173
p. 199 2, 75
Jslriov aoxaioX. 88, 112 . 2, 167
89, 18 2, 151
89, 47 193
92, 36 7
92, 58 2, 175
^EfTjusQis agx^wX. 83, 128 . . . 232
88, 1 III cap. 1
89, 16 208
90, 27 232
90, 91 193
92, 67 2, 48
Inscript. Brit. Mus. I 455. 588 2, 139
Inscr. Graec. Antiquiss. 3^ . 2, 287
43 2, 175
483 2, 184
504 2, 184
Marnior Parium .... 10. 21. 113
Mitteil. Athen. X 111 . . . 2. 153
Isaios 7, 9 2, 82
— 7, 15 2, 268
Isokrates 4 100—114 . . III cap. 12
— 4, 139 2, 381
— briefe III cap. 13
lustinus II 9, 1 113
— IX 1 145
Liexicon Cantab. vofiofvXaxss 2, 192
Lex. Patm. p. 152 . . . . 2, 272
Lykurgos 117 114
Lysias 7, 22 240
— 12, 58 2, 217
— 20 III cap. 9
— 22 III cap. 11
— 23 III cap. 10
— 30, U 2, 195
Marcus Tigos eavTov 5, 3 ... 242
Paroemiogr. App. 4, 11 . . 2, 215
Pausanias I, 29, 4 ... . 2, 292
— IX 5, 16 2. 129
— X 7 10. 19
— X 19, 4 35
Photius bibl. cod. 37 75
— lex. Bv&vvai 2, 232
— — vavygngia .... 2, 166
— — oQyscJöves 2, 269
— — airofpv'J.ay.es 219
Pindaros Pyth. 7 .... 111 cap. 6
— Nem. 7, 27 2, 320
428
Register.
Piaton Staat 2,372 .... 2, U
— Ges. 692 2, 53
828 2, 147
923 63
— brief 6 334
Plaulus .Aulul. 107 ... . 2, 215
Plutarch Aiisteid. 3 160
22 124
25 144
— Kimon 5 136
8 146
14—17 .... 2, 291. 296
— Nik. 11 115
— Perikl. 24 263
32 2, 246
— Solon 10 25
U 14
13 58
14. 15 2, 309
18, 4 61
19 17. 95
25 47
26 16
30 265. 2, 311
31 264
— Themist. 20 143
21 138
25 150
— Theseus 23 270
— apophtli. reg. (Aristid.) . . . 160
Poliux 6, 195 176
— 8,85-127 295
— 8, 86 48
— 8, 99 2, 241
— 8, 107 230
— S, 108 2, 163
— 8, 130 50
— 9, 61 81
Polyaen 1, 22. 2, 36 274
Polybios XII 11, 2 306
Procop. in Anasfas. II 40 Vill. . . 292
Scholia Aeschin. 1, 39 .... 177
1, 104 297
2, 167 199
— Aristid. 472 Ddf 2, 86
517 2, 82
536 263
Scholia Aristoph. Lysistr. 273 . .114
Ritt. 43 210
449 29
Thesm. 804 ... . 2, 343
Vög. 1073 287
1541 51
Wesp. 598 190
Wölk. 985 288
— Demosth. Aristokr. Palm. 113. 253
— Eurip. liek, 934 ... 2,' 280
— Hesiod. Erg. 888 .... 280*)
— Pind. Pyth. einleit 11
Pyth. 3, 1 12
7, 1 2, 324
7, 9 33
— Plat. Ges. XII ... . 2, 241
Menex 263
— Vergil. Aen. 6, 21 . . . 2, 278
Solon gedichte III cap. 4
Slephanos Byz, Bewa . . . 2, 33
— Xatocöveia 282
Stesicho\os fgm. 42 . . . 2, 183
Strabon 397 2, 143
— 398 . ^ 2, 157
Suidas Sidy^auua 218
— OrjQafievr^S 167
— nivSaoos 2, 302
Themistokles brief 8 144
20 152
Theodorus Metochita 668 ... 293
Thukydides 1, 20 109
— 2, 13 2, 209
— 2, 20 2, 210
— 6, 55 265
— 7, 69 2, 171
— 8, 97 99
Valerius Maximus VII 2 ext. 7 . ISO
Xenophon Hell. I 2, 18 . . . .128
II 3, 19 166
II 4, 38 2, 21S
— Kyrop. III 1, 38-41 . . . .182
— 3Iemorab. I 4, 5 241
— Symp. 2, 22 220
4, 32 2, 214
— nohx. Ad-. 1,3 197
*) Die conjectur AvS^oriwv für l-J^ufojeoos wird wol falsch sein, ein seher
Amphoteros ist von Herwerden bei Eupolis in den Städten 15 M, mit Wahrschein-
lichkeit aufgezeigt worden.
Druck von J. B. IlirschfelJ in Leipzig
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71
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Bd. 2
Wilamowitz-Moellendorff,
Ulrich von
Aristoteles und Athen
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