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Full text of "Arnold Böcklin"

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Diese «Gedenkworte» erschienen zuerst in den «Bayreuther Blättern» 

1901. 



Alle Recfat«^ besonders das Recht der Übersetzung in fremde Sprachen, werden vorbehalten. 




Tjer Seligkeit Fülle, die hab ich empfunden! 

Die Schönheit besaß ich; sie hat mich gebunden; 
Im Frühlingsgefolge trat herrlich sie an. 
Sie erkannt ich, sie ergriff ich; da war es getan. 
Wie Nebel zerstiebte trübsinniger Wahn, 
Sie zog mich der Erd' ab, zum Himmel hinan. 

Sie steiget hernieder aus tausend Gebilden, 
Sie schwebet auf Wassern, sie schreitet auf Gefilden; 
Nach heiligen Maßen erglänzt sie und schallt. 
Und einzig veredelt die Form den Gehalt, 
Verleiht ihm, verleiht sich die höchste Gewalt. — 

(Goethe, Pandora.) 

Wenn das Auge eines Meisters sich schließt, dann muß 
es uns im ersten Augenblicke wohl scheinen, als verschlösse 
sich mit ihm im Dunkel die Welt der Erscheinungen, und 
wie Erblindete suchen wir im Inneren jene andere zu schauen, 
die der uns Entrissene, als er noch im Sonnenlichte wandelte, 
geschaffen und unserer Phantasie geschenkt hat. Denn was 
aus innerer Kraft hervorging, wird auch dem Anderen wieder 
zum inneren Besitz: jeder große Künstler prägt unserer Seele 
das Abbild der Welt ein, das er selbst sich geformt, und so 
Viele uns mit ihren Anschauungen durchdrungen haben, so 
viele Weltbilder sind in uns lebendig und wirksam. 



Hier liegt ein Geheimnis verborgen. Der geniale Bildner 
offenbart uns in der Natur ein allgemeinsam Verständliches, 
denn sonst würden seine Hervorbringungen uns Anderen ewig 
fremd und unfaßlich bleiben, und doch ist seine Vorstellung 
eine höchst persönliche, sondergeartete, denn sie unterscheidet 
sich von jeder anderen. Nur indem er, ganz der Anschau- 
ung hingegeben, sich seiner selbst entäußert, wird er zum 
Schöpfer, und doch wird sein Werk zum stärksten Ausdruck 
seiner Persönlichkeit. Die Ahnung, wie dieser Widerspruch 
sich aufheben lasse, dürfte einzig Dem zuteil werden, welcher 
die Erkenntnis sein eigen nennt, daß die Welt unsere Vor- 
stellung ist; aber freilich indem er nicht streng an der ästhe- 
tischen Ideenlehre Schopenhauers festhält, so unumstößlich 
ihm auch ihre metaphysischen Grundtatsachen dünken müssen. 
Wäre das künstlerische Schauen ein Schauen der Ideen selbst, 
so bliebe es unerklärlich, wie jeder große Künstler eine nur 
ihm eigene Anschauung hat und ihr eine nur ihm eigene 
Gestaltung verleiht; dann in dei; Tat müßte das Persönliche 
ganz aufgehoben erscheinen, denn die Ideen sind unveränder- 
lich und unwandelbar sich gleichbleibende, und die Schöp- 
fungen aller Genies müßten ununterscheidbar sein. Be- 
schränken wir uns aber darauf zu meinen, daß der künst- 
lerischen Auffassung das Vermögen wesentlich ist, in der 
unendlich zersplitterten Vielheit der Einzeldinge die Einheit 
und damit in dem scheinbar Willkürlichen das Notwendige, 
in dem Ungebundenen das Gesetzmäßige zu gewahren, so 
erscheint auch die Möglichkeit einer immer neuen individuell 
verschiedenen Gestaltung dieser Einheit gegeben, denn un- 
endlich reich ja sind deren Erscheinungsformen. Welche unter 



ihnen dem Einzelnen sich offenbart, das liegt in der beson- 
deren Anlage seiner Sinnlichkeit, seines Gefühles und seiner 
Phantasie vorgebildet — welche Harmonie in ihm erklingt, 
das hängt von der Stimmung der Saiten in ihm ab. Und 
diese eben ist das Persönliche: es bleibt lebendig wirksam 
auch dann, wenn der künstlerische Akt der Selbstentäußerung, 
welcher ja doch nur auf das egoistische Begehren und Wollen 
sich bezieht, eintritt, ja das Persönliche gelangt erst hier- 
durch zur reinen und starken Betätigung. So bezeichnet denn | 
der künstlerische Vorgang die Befreiung des Persönlichen / 
vom Egoistischen, und damit die Harmonisierung des Per- i 
sönlichen, dessen reines, in die Erscheinungswelt hinaus- 
geworfenes Spiegelbild das Kunstwerk ist. Hieraus wird uns 
aber weiter nun auch ersichtlich, wie in unserem, der Empfan- 
genden Inneren so verschiedene Weltenbilder, die wir den 
verschiedenen Genies verdanken, d. h. so viele Veranschau- 
hchungen der Einheit sich miteinander vertragen, wie eine 
neben der anderen ihr Recht behält und jede eine ganze, in 
sich abgeschlossene Natur- oder Lebensanschauung bedeutet. 
Eben weil diese Vorstellungen alle nur Brechungen eines 
und desselben Lichtes, nämlich Erscheinungsformen des 
Weltenwesens sind, welches selbst zu erkennen den sterb- 
lichen Sinnen versagt ist. 

Wieder ist uns ein Abglanz von ihm, wieder eine Natur- 
anschauung durch eine starke Persönlichkeit geschenkt worden. 
Der Eindringlichkeit, mit der sie uns eingeprägt wurde, der 
Bestimmtheit, mit der sie in uns verharrt, der abgeschlossenen 
Gesondertheit, die sie auszeichnet, ist zu entnehmen, daß wir 
sie einem genialen Schauen verdanken. Der Name Böcklin 



SeseS 6 2S82Sß 

begreift ein Bereich von Vorstellungen in sich, deren Gewalt 
sich Niemand auf die Dauer hat entziehen können. Nun, 
da das Auge des Meisters sich geschlossen, da die seit Jahren 
zitternde und immer doch schafFenskräftige Hand den Pinsel 
nicht mehr führt, verlangen wir, uns über die Bereicherung, 
die unsere Seele durch ihn erftihr, klar zu werden. 

Nicht auf eine schon oft gegebene Analyse der seiner 
Kunst eigentümlichen Elemente in Form, Farbe und Technik 
kann es uns da ankommen, so bedeutungsvoll sie sind. Aus 
ihnen, vor allem aus der Gewalt der Farben und der In- 
tensität des Lichtes, in der er die Natur sah und uns sehen 
lehrte, möchten wir vielmehr schließen auf dasjenige, was 
durch solche Faktoren ausgedrückt wird, was ihnen zugrunde 
liegt, was sie bedingte. Denn dieser große Maler war mehr 
als ein Schilderer, er war ein Deuter und ein Dichter der 
Natur, ein Erfinder. Alle Eindrücke, welche seine starke 
Sinnlichkeit empfangend schuf, verwandelten sich in gleich 
starke Geflihlsstimmungen, und deren Erklingen weckte vor 
dem geistigen Auge seiner Phantasie neue, ungesehene Bilder,, 
die sie schöpferisch gestaltete. Jedes Werk der Ausdruck 
einer solchen Stimmung, das Bekenntnis psychischer Herr- 
schaft über die Erscheinungswelt, die Verkündigung dichte- 
rischer Souveränität! Nicht ein Sklave, sondern /ein Freier 
tritt er der Natur gegenüber, denn er weiß sich ein Teil 
yon ihr und ihre Schöpferkraft flihlt er in sich. Auch die 
Hervorbringung seines Geistes ist ein natürliches Produkt 
und trägt als solches ihre Berechtigung, ja Notwendigkeit in 
sich. Weil er sich im Einklang weiß mit der Natur, darf 
er die Möglichkeiten, die in ihr schlummern, weiter ent- 



852552 7 2582« 

wickeln, ihre Elemente zu neuen Bildungen vereinigen, ihre 
Erscheinungsformen steigern, dessen sicher, daß er dem Ge- 
halt durch die Form «höchste Gewalt» zu verleihen vermag. 
Nur der von aller Konvention Losgelöste, welcher als Natur 
der Natur tiefinnig verbimden ist, wird mit solcher Freiheit 
begnadet — keine frevelhafte Willkür ist von ihm zu be- 
fürchten, die Heiligkeit der Lebensgesetze wohnt in seinem 
Busen. So, wie er, steht ein ursprüngliches Volk mitten 
innen in der Schöpfung, so wie er macht es dichtend und 
gestaltend seine Menschenrechte auf sie geltend. Und so 
entsteht bei ihm wie bei dem Volke die Mythenbildung. 
So erschließt er, der Unabhängige, aus den engen Schranken 
einer künstlichen Zivilisation und einer ängstlichen Kunst- 
regel uns mit sich fortreißend, die Wunder eines herr- 
lichen vollen Daseins. Mit ihm, der in solchem grenzenlosen 
Bereiche daheim ist, sollen wir, nicht die zage Sehnsucht, 
nicht das scheue Entzücken, nicht die sanfte Schwärmerei 
des Wanderers, welcher der Natur nur an einem Feiertage 
sich anvertraut, empfinden, nein, in frohlockender Sicherheit 
unseres eigenen Wesens die feurige Kraft unlöslicher Ge- 
meinschaft mit Himmel und Erde, Wolken und Wasser in 
uns wirken fühlen. 

Nur die seltenste Glut der Sinne und des Gefühles aber 
vermag uns in solcher Weise der Natur zu verbinden — 
dem Schwachen entzündet sich nicht der göttliche Funke 
zwischen Wesen und Erscheinung in den Sinnen, in denen 
inneres Sein und äußere Welt miteinander in Berührung 
treten. Wie eine Flanmie aber lodert die Empfindung in 
dem Auge, das Gefühl in der Seele dieses Künstlers auf. 



S^S^ 8 25!g25g 

wenn sein Blick die Natur trifft. Eine höchste Betätigung 
seines leidenschaftlichen Wesens schafft den Eindruck. Fast 
gewaltsam erscheint der Akt des Empfangens, als eine Be- 
wältigung des Stärksten, was von der Erscheinung den Sinnen 
dargeboten werden kann — oder, richtiger gesagt, da das 
Empfangen ja eben eine Tätigkeit ist, als das Ausstrahlen 
einer unbändigen Energie in die Außenwelt. 

Nun steht die Welt entflammt, von glühendem Lichte 
durchdrungen, nun leuchten alle Farben in heißem Drange 
auf, nun türmen sich in schroffer Starrheit die Felsen empor, 
nun ballen sich die Wolken zum vernichtenden Angriff, nun 
bäumt sich drohend die Welle, nun läuft ein Zittern durch 
die tausend Blätter des Baumes, nun zieht, süße Liebe 
weckend, der Frühlingswind über die blühenden Fluren, nun 
atmet die feuchte Erde Kühlung in heimHchen Schatten aus, 
nun grüßen die Sonnenstrahlen die fernen Höhen, nun senkt 
sich die Nacht in bangen Schauem — alles, selbst das 
Schweigen des Waldes, selbst die Regungslosigkeit ragender 
Zypressen, selbst die Meeresruhe wird zu einer Handlung 
der Natur, zu einem Vorgang, dessen Geheimnis in der 
leidenschaftlichen Seele dieses Dramatikers sich verbirgt. 
Mit jedem Worte ruft er uns zu: die Natur ist nur, weil ich 
sie fühle, und sie ist, wie ich sie fühle. 

Unter dem weiten Himmel, 

Auf der unendlichen Erde, 

Alles, was mich je erquickt von Wonnegefühl, 

Was in ^es Schattens Kühle 

Mir Labsal ergossen, 

Der Sonne Liebe jemals Frühlingswonne, 



Des Meeres laue Welle 

Jemals Zärtlichkeit an meinen Busen angeschmiegt. 

Und was ich je für reinen Himmelsglanz 

Und Seelennihgenuß geschmeckt — 

Das all all meine Pandora! 

So liebt der Starke die Starke mit Sinnen- und Seelen- 
gewalt. Wenn er im Widerstreit üppig gesättigter Farben 
deren Wahlverwandtschaft entdeckte und sie zum Bunde ein- 
ander zufiihrte, wenn er den Kampf zwischen dem auflösen- 
den Licht und dem in sich gefestigten Körper suchte, um 
ihre Versöhnung in räumlicher Klarheit zu bewirken, wenn 
er Strenge, ja Herbheit der Form mit Anmut und Zartheit 
der Bewegung zum Einklang zwang, wenn er jauchzenden 
Übermut und träumerische Versunkenheit zusammentönen 
ließ, wenn er mit einem Worte gerade das Gegensätzliche 
iu höherer Einheit auflöste, so erscheint er uns wie ein 
stolzer Werber, welcher sich nur einer Geliebten hingibt, 
die seinem Freien mit der gleichen Kühnheit hohen Selbst- 
bewußtseins und wogender Kraft begegnet. Angesichts der 
Vereinigung selbst erleben wir schauend noch das Ringen 
mit, das ihr vorangegangen — die Erregung zittert in uns 
jiach. Wie kann es uns da wundernehmen, daß wir häufig, 
namentlich in den Werken aus der späteren Zeit des Meisters, 
von dem Gefühl beunruhigt werden, solche Verbindung sei 
auf die Dauer nicht denkbar, sie sei nur das Werk eines 
höchst gesteigerten Augenblickes! 

Alle Kraft leidenschaftlichen sinnlichen Empfindens und 
seelischen Fühlens, wie das in ihr begründete Verhältnis 
Böcklins zur Natur, gewann Gestaltung nicht minder per- 



§KSSJiS lO 25S258 

sönlicher Art in seiner dichtenden Phantasie. Aber die in 
ihr wachgerufenen Vorstellungen wurden, ein so besonderes 
Gepräge sie trugen, doch stark bedingt und bestimmt durch 
Bilder, die nicht aus unmittelbaren anschaulichen Eindrücken, 
sondern aus der Dichtung vergangener Zeit gewonnen waren. 
Einem Geist, der wie der Böcklinsche, die Einheit des Natür- 
lichen und Menschlichen suchte, konnte nur die griechische 
oder die germanische Mythologie befriedigenden Vorstel- 
lungsstofF geben. Daß ihm, dem doch so germanischen 
Wesen, nicht die nordische Sage, die zu gleicher Zeit ihre 
wunderbare Auferstehung und höchste künstlerische Ausge- 
staltung in der Tragödie Richard Wagners fand, Quell der 
Inspiration ward, könnte befremden, läge die Erklärung nicht 
sehr nahe. Eben zur Zeit, als er sein Ideal sich zu bilden 
begann, vollzog sich ja erst in der Schöpfung des «Ring des 
Nibelungen» die Verdichtung des formlosen germanischen 
Mjrthos zur plastischen Klarheit, enthüllte sich aus dem Nebel 
unserer weit entrückten Vergangenheit Gott und Held als 
vollendetes Abbild unserer Natur. Dem nach dem Schönen 
sich sehnenden Maler hatte sich aber schon der strahlende 
unvergängliche Tag griechischen Sehergeistes erschlossen, 
und während er sich den Eindrücken der Natur hingab, 
fällte sich seine Einbildungskraft mit den Gestalten Homers. 
Die Dichtungen, in deren Nacherleben er, mehr als in allen 
anderen, sein ganzes Leben hindurch das tiefste Genüge ge- 
wonnen hat, sind die Ilias und die Odyssee gewesen. Hier 
fand seine Einbildungskraft die Nahrung, aber nicht in dem 
Sinne, welcher den antikisierenden Künstlern der älteren 
deutschen Genera tioti vor ihm verhängnisvoll geworden war. 



3^S3^ II 258258 

nicht in dem Endehnen bestimmter Stoffe und individueller 
Gestalten aus der antiken Mythologie und Geschichte, auch 
nicht in einer Reproduktion der alten Formensprache, son- 
dern in großen Vorstellungen von Natur und Mensch, welche 
sein Gefühl auf das Erhabene stimmten. Zu ihnen gehörten 
neben den landschaftlichen die ewig lebendigen Naturpersoni- 
fikationen allgemeiner Art: die wildfreudigen Mischgestalten, 
die auf hoher Meeresflut und in kalter Bergesöde daheim, 
die zarten Geister von Busch und Hain; Alles, was namenlos 
und ranglos das freischweifende Leben dem Sitz 'auf goldenen 
Thronen und dem Herrschen durch Arbeit und Taten vor- 
gezogen hat, da es die Tat nur im Leben selbst findet: 
Kentauren, Faune, Tritone, Nereiden, Nymphen, aber auch 
eine leicht wandelnde, nur von durchsichtigen Schleiern um- 
flossene städtefremde Menschenart, ein Priestertum der Natur, 
drängte sich vor sein inneres Gesicht und machte sich heimisch 
in dem Landschaftsreiche seiner Phantasie. 

Sf hauend lauschte er dem Zauber des Peneios: ' 

Rege dich, du Schilfgeflüster, 
Hauche leise, Rohrgeschwister, 
Säuselt, leichte Weidensträuche, 
Lispelt, Pappelzitterzweige, 
Unterbrochnen Träumen zu! 

und seine Antwort klang: 

Ich wache ja! O laßt sie walten, 
Die unvergleichlichen Gestalten, 
Wie sie dorthin mein Auge schickt. 
So wunderbar bin ich durchdrungen! 
Sind's Träume? Sind's Erinnerungen? 



( 



SSiSSitS 12 2582« 

So waren es «Geistertöne», die seiner feurigen Liebe 
zur Natur als Brautlied erklangen, und die Gestalten, die er 
schuf, waren ihre Verkörperung. Von zwei Hauchen ward 
sein inneres Saitenspiel bewegt: von der lebendigen Natur 
und vom antiken Dichtergeist, und die Schwingungen flössen 
ineinander zu einer geheimnisvollen Harmonie. — 

War es denn aber wirklich eine Harmonie? Ward der \ 
Traum so vieler Edlen hier zur künstlerischen Wirklichkeit ? 
Man möchte eine solche Frage lieber nicht gestellt wissen. 
Und doch führt nur ihre Beantwortung zur Erkenntnis des 
Wesens der Böcklinschen Kunst und schließt die Beantwor- 
tung unserer Frage: welche Vorstellungen von Natur und 
Mensch er uns geschenkt, in sich. 

Dasselbe Problem, das uns schon bei Betrachtung seiner 
Naturanschauung entgegentrat, das Aufsuchen von Gegen- 
sätzen und das Verbinden begegnet uns wieder. Hier aber 
stellt sich uns der zu schlichtende Widerspruch dar als einer 
zwischen moderner und antiker Naturanschauung — in einem 
ganz weiten Sinne gefaßt, als einer zwischen Landschaft und 
Mensch, zwischen allgemeiner zerfließender Seelenstimmung 
und gesammeltem Lebensbewußtsein, zwischen dem Uner- 
messenen und dem Begrenzten. Durch welche Mittel ward 
die Aussöhnung zu erreichen gesucht? Jedes einzelne Werk 
belehrt uns darüber, selbst solche, in denen keine antikische, 
sondern eine religiöse Vorstellung oder eine romantische, 
mochte sie der mittelalterlichen Dichtung oder der freien 
Erfindung entstammen, Gestaltung gewann, denn das antike 
Ideal spielt auch in sie hinein. 

Als moderner Maler mußte Böcklin vor allem Land- 



Schaftsmaler sein. Wohl nahm er die menschliche Gestalt 
in seine Konzeption von vornherein mit auf, doch ward sie 
einem Ganzen der Natur eingefügt, und dieses Ganze be- 
stimmte ihren Charakter. Sollte aber dem Landschaftlichen 
der aus griechischem Geiste erfiindene Mensch sich harmo- 
nisch anschließen, so ergab sich dem genialen Blick zweierlei 
ganz von selbst: erstens die Wahl der strahlenden offenen 
Natur des Südens und zweitens die klare und bestimmte 
Hervorhebung der landschaftlichen Einzelheiten: der Berg, 
der Fels, der Baum, die Wolke, die Welle, ja die Blume, 
jegliches erhielt durch scharfe kontrastierende Abhebung in 
Form und Farbe von der Umgebung eindrucksvolle Sonder- 
existenz. Durch die Individualitäten, in welche die Land- 
schaft aufgelöst wurde, ward diese der plastisch bedeutungs- 
vollen menschlichen Erscheinung angenähert, durch die In- 
dividualisierung der Übergang vom Naturganzen zur verein- 
zelten menschlichen Gestalt erzielt. So wird dem Felsen, 
dem Baum fast gleicher räumlicher Wert wie dem Menschen 
verliehen, so erhält alles schlank Aufragende und sich deut- 
lich vom Anderen Abgrenzende : die Zypresse, die Pappel, ihre 
besondere Aufgabe. So wird im Drange, den antiken Men- 
schen sich einzuverleiben, ohne in Widerstreit mit dem Ab- 
geschlossenen, Vollendeten seiner Erscheinung zu gelangen, 
die Landschaft bei Böcklin eminent plastisch. Das Licht, 
von dessen Fluten die Einzelgebilde der nordischen Stim- 
mungslandschaft verschlungen worden waren, dient hier nur 
zur starken Hervorhebung des Gesonderten, wie zugleich die 
Farben in ihren Kontrasten diese Individualisierung verstärken. 
Das so in seine Bestandteile zerlegte Ganze uns dennoch 



SeSS« 14 2582« 

aber wieder als Einheit fühlbar zu machen, konnte dem 
Meister nur gelingen, -wenn er den räumlichen Zusammen- 
hang auf das klarste veranschaulichte und zugleich eine 
stärkste koloristische Harmonie erzwang, welche alle Einzel- 
gestalten umspannt. Diese mächtige Farbenwirkung ist es, 
die am entschiedensten die Stimmung in uns hervorbringt, 
und so dürfen wir den zwischen Antikem und Modernem 
im Landschaftlichen hergestellten Kompromiß darin sehen, 
daß die antike Auffassung den plastischen, die moderne den 
farbigen Charakter der Landschaft bestimmte, und daß durch 
solches Verhältnis die äußerste Steigerung einer Koloristik, 
die in Kontrasten wirkt, bedingt wurde. Beides: die wun- 
derbare Erregung, in welche uns diese Naturdarstellung ver- 
setzt, wie die Härte und Gewaltsamkeit, die ihr häufig 
eigentümlich ist, wird uns erklärlich. Was wir in der frühe- 
ren Betrachtung als die Äußerung feuriger Sinnlichkeit und 
leidenschaftlichen Gefühles erkannten, tritt uns nun, von 
der anderen Seite der Phantasietätigkeit her betrachtet, als 
das Ergebnis der Durchdringung antiker und modemer Vor- 
stellungen entgegen. 

Lernten wir im vorausgehenden die Anpassung gleich- 
sam der neueren Naturauffassung an die hellenische Menschen- 
verherrlichung kennen, so beschäftigt uns nun die Frage: wie 
war der antike Mensch der modernen Landschaftsstimmung 
anzupassen? Was hatte er aufzugeben, um zu einem inte- 
grierenden Teil des Naturganzen zu werden? Es ist der ent- 
gegengesetzte Vorgang, der uns hier vor Augen tritt, und 
wie dort machen sich zwei Erscheinungen geltend. Die 
erste, wiederum auf südlichem Boden, in Italien, unter Ein- 



_IJ-:- — -. 



SiiSSeS 15 258258 

Wirkung von Lebenseindrücken sich vollziehende ist die Be- 
seelung des antiken Menschen mit modernem Empfinden. 
Sie zeigt sich als eine Milderung des Strengen in der grie- i 
chischen Auffassung, als eine stärkere Verdeutlichung des '; 
Gefühlslebens in der Erscheinung, als eine Steigerung des 
sinnlich Reizvollen und des drastisch Wirksamen. Es ist 
bezeichnend, daß diese Umwandlung sich im wesentlichen 
an der Frau und an dem antiken Fabelwesen vollzieht, nicht 
in gleichem Grade an dem Mann, der nur im Knaben- und 
filiheren Jünglingsalter dem Wunsche des Künstlers, Stim- 
mung auszudrücken, entgegenkommt. Denn eben die gemüt- 
liche Bewegung ist es, durch welche der so beseelte antike 
Mensch in die moderne Naturstimmung einbezogen werden 
kann. Zweierlei Charakter aber, wenn wir ganz im allge- 
meinen unterscheiden und die Übergänge unberücksichtigt 
lassen, kann dieser zu eigen sein: Friedlichkeit oder Er- 
regung, Ruhe oder Sturm. Der erste gewinnt seine mensch- 
liche Erscheinung in den zarten weiblichen, den jugendlichen 
und kindlichen Elementen, der zweite in dem ungestüm 
wilden, dämonischen Wesen der Kentauren und Tritonen. 
Dort Träumerei, Ahnen, Schwermut, aber auch zarte helle 
Lust und seliges Genießen aufblühenden Matten, in lauschigen 
Gründen, an sanftem Wasserspiegel, bei sprudelnder Quelle, 
in lautlosen Zjrpressenhainen, auf einsamen Bergeshöhen, in 
dämmerndem Walde, auf spielenden Meereswogen — hier 
Taumel, Leidenschaft, Kampf, Verzweiflung in donnernder 
Wogenbrandung, in brausendem Sturme, in entflammten 
Burgen, unter jagenden Wolken. 

Da muß das griechische Wesen vom Germanischen 



^- ' - —- 



§esi^ i6 mi^ 

' sichr durchdringen lassen, Helena Faustens Sprache lernen. 
Des Deutschen Schwärmerei in Sehnsucht und Träumen, 
des Deutschen Phantastik in Humor und in Leidenschaft 
bemächtigen sich der antiken Schönheit — nur so verwan- 
delt konnte sie in dem Naturbilde, das vom Modernen zum 
Spiegel der Seele gemacht ward, aufgehen. Welch wunder- 
same Mischung von Naivität und Empfindsamkeit, von Un- 
bewußtsein und Bewußtsein, von Natürlichkeit und Absicht- 
lichkeit in diesen' Geschöpfen, die, nach Jahrtausenden 
auferweckt, zugleich in Vergangenem und im Gegenwärtigen 
zu leben genötigt sind! 

Wie dem Wesen, so hatte aber auch der Erscheinung 
nach der antike Mensch sich zu verwandeln, sollte er nicht 
von dem modernen Landschaftsstimmungsbilde als ein Hete- 
rogenes ausgeschlossen bleiben. Dies ist das andere Phäno- 
men, das mit dem soeben geschilderten zwar innig verbunden 
^ ist, aber doch besonders betrachtet sein will. Erkannten wir 
I früher, daß das Landschaftliche, um dem antiken Menschen 
! angenähert zu werden, plastisch werden mußte, so zeigt sich 
; nun die in Böcklins Ideal begründete Notwendigkeit, das 
plastische Wesen der griechischen Gestalt dem Malerischen 
der neueren Naturauflfassung anzunähern. Hatten, wie die 
antiken Dichtungen, so auch antike Bildwerke die Phantasie 
des Künstlers während seines ersten italienischen Aufenthaltes 
inspiriert, «erkannte», «ergriff» sein verlangendes Gefilhl in 
ihnen die Schönheit, vor welcher «wie Nebel zerstiebte trüb- 
sinniger Wahn», so mußte sein schöpferischer Sinn in ihr 
doch nicht ein starres Unveränderliches, sondern ein immer 
neu zu Gestaltendes gewahren. Er, der Maler, erblickte den 



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schönen Menschen nicht in Vereinzelung, wie der Bildner 

der Statue, sondern im Zusammenhange mit der schönen 

Natur: «im Frühlingsgefolge» sah er die Schönheit herrlich 

antreten: 

Sie steiget hernieder in tausend Gebilden, 

Sie schwebet auf Wassern, sie schreitet auf Gefilden. 

Nur eine ihrer Erscheinungen unter vielen war für ihn f 
der Mensch; mit Vielem mußte dieser sich zu einem Ganzen 
verbinden. Wie hätte er sich da in seiner scharf abgegrenz- 
ten Abgesondertheit, in seiner plastischen Bestimmtheit, in 
dem ganzen Reichtum seines Lebensorganismus erhalten 
können? Die äußerste Geschlossenheit und Festigkeit der an- 
tiken plastischen Form mußte einer Betonung der malerischen 
Werte weichen; es vollzieht sich eine Abschwächung im i 
Knochengefüge, eine Verflüchtigung der starken Linienbe- 
grenzung, eine Erweichung der Formen, eine Verallgemeine- 
rung des organischen Zusammenhanges der Teile. Die Ge- 
wandung der Frauen verfeinert und entstofflicht sich bis zu 
durchsichtigen, wie sanftes Wellenspiel sich faltenden zar- 
testen Geweben, sinnlicher Reiz umschimmert ihre Gestalt, 
strömt aus dem schmelzenden Blicke großer Augen, atmet 
aus träumerischen Gebärden und Mienen; wie . andererseits 
Sinnengewalt, zu animalischer Willkür entfesselt, in Ver- 
langen, Genießen und Kämpfen das Leben der zottigen, un- 
geschlachten, begehrlichen Mischwesen beherrscht. 

Und was bedeutet denn diese Umwandlung des antiken 
Menschen und Tiermenschen, dessen große Erscheinung in den 
Böcklin'schen Figuren noch wie durch eine Verkleidung hin- 
durch sich geltend macht, was bedeutet sie Anderes, als eine 

- Thode, Arnold Böcklin. 2 



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Zurückführung höchst entwickelter Organisinen näher an die 
vegetabilischen und elementaren Gestaltungen der Natur? 
Seiner einsamen Herrscherstellung beraubt, wird der Mensch 
wieder zu einem Geschöpf der Natur, wie es die anderen 
auch sind. Jugend und Weiblichkeit findet in Blumen, Hal- 
men und schlanken Bäumen ihre Verwandten, vegetierend 
wie sie; sie vergleicht sich wiegend der Welle, die sie trägt. 
Tierische Formen annehmend, das Geistige abstreifend aber 
nähert sich männliche Kraft und Begier dem dunklen Drange, 
der im Wogensturze, in Gewitterbrunst, im Beben der Erde 
sich äußert. So verliert sich der Mensch wieder hinein in 
die Natur. Die Hellenen hatten ihn emporgetragen zu olym- 
pischen Höhen; germanisches Sehnen lockt ihn in die Tiefen 
allgemeinsamen Daseins zurück. 

Der Bund ist vollbracht: Germanisches und Griechisches 
hat sich vereinigt. Die moderne Landschaft hat den antiken 
Menschen in sich aufgenommen. Damit es möglich werde, 
nahm die Landschaft, aus den Elementen südlicher Natur 
gebildet, soweit es ihr möglich, plastische Formung an, 
ließ der antike Mensch, vom Hauche modernen Empfindens 
zu Stimmungen bewegt, von seinen hohen Rechten und 
schmiegte sich, dem malerischen Stimmungsbedürfni^will- 
fahrend, den niederen Geschöpfen und den Kräften der Natur 
an. So erstrebten, so erreichten die beiden Welten ihre 
gegenseitige Durchdringung. — Haben sie diese wirklich er- 
reicht? Die Frage kehrt wieder. 

Wäre dieser ganze künstlerische Akt ein Werk der Re- 
jektion gewesen, so bliebe von vornherein nur eine ver- 
neinende Antwort übrig. .Was wir uns verstandesgemäß 



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klar machen mußten, ging aber in der Phantasie des Kunst- • 
lers reflektionslos einzig aus dem Zusammenwirken von Na- 
tureindrücken und . dichterischen Bildern hervor. Es war das 
Werk der innigst verbundenen Betätigung einer starken 
Sinnlichkeit, einer leidenschaftlichen Gefühlskraft und einer 
schöpferischen Phantasie. Aus innerer Notwendigkeit also 
ward das Ideal dieser Kunst erzeugt und daher ist es, als 
der vollkommene Ausdruck einer bedeutenden Persönlichkeit, 
ein in sich selbst begründetes und abgeschlossenes, welches 
seine besondere Gesetzmäßigkeit besitzt. 

Von einer anderen Seite her aber, von dem Standpunkte 
einer allgemeineren ästhetischen Auffassung aus betrachtet, 
stellt sich das Problem in verschiedenem Lichte dar. Bei 
aller rückhaltlosen, ja leidenschaftlichen Bewunderung für die 
Gewalt, mit welcher Modernes und Antikes von diesem 
Geiste zusammengeschweißt wird, läßt uns gerade diese 
Gewalt darauf schließen, daß solcher Bund doch ein er- 
zwungener, nicht ein natürlich sich ergebender war. Er- 
schien uns früher das Werben des Meisters um die Natur 
fast wie ein Kampf, so haben wir nunmehr die Erklärung 
hierfür gewonnen: die Welt der Erscheinungen, die er sich 
künstlerisch zu eigen machen wollte, war eine zwiespältige. 
Sie setzte als solche seinem Streben, sie als eine Einheit zu 
erfassen, Widerstand entgegen. Nur durch eine unerhörte 
Anspannung der Kraft der Farben und damit der Sinnen- 
kraft im Schauen konnte er den Widerstreit bändigen. Eine 
Überwältigung unseres Gesichtssinnes muß das Dilenmia 
lösen und täuscht den Maler und uns über den Widerspruch 
hinweg. Aber dieser bleibt dennoch bestehen, gibt es auch 

2* 



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Werke, in denen er fast vollständig gehoben scheint. Er 
offenbart sich allgemein in Härten und Schroffheiten, in 
brennenden, beängstigenden Farbenwirkungen, in grellen 
koloristischen Kontrasten und im besonderen bei dem Figür- 
lichen in Übertreibungen des Charakteristischen, welche sich 
in den Frauengestalten nach der Seite des Überzarten und 
Sentimentalischen, in den Mischwesen und in den Tieren 
nach jenen des Grotesken geltend machen. Wir mögen die 
Genialität, die gerade in diesen Erscheinungen erstaunlich 
sich äußerte, mit hohem Staunen verehren, gerade im Über- 
treibenden des Ausdrucks, in dem innig Träumerischen, wie 
in dem bald Humoristischen, bald Dämonisch-Phantastischen 
der Gestalten die echtesten Wesenseigentümlichkeiten des 
Germanen mit Freudigkeit begrüßen — unser Eindruck ist 
kein ganz reiner; mächtig von diesen Werken angezogen 
und in seelische Erregung versetzt, werden wir doch * des 
Gefühles nicht ledig, einem Fremdartigen gegenüberzustehen, 
in das wir uns nicht ganz zu verlieren, das wir uns nicht 
ganz zu eigen zu machen vermögen. Was sich uns so un- 
widerstehlich sinnlich aufdrängt, scheint doch wieder ins Un- 
erreichbare zu entfliehen, was uns so natürlich dünkt, ist 
doch zugleich ein Geisterhaftes. Wie könnte es anders sein? 
Auch der Stab des größten Zauberers kann in unsere Welt 
nur Schatten aus den elyseischen Gefilden des Griechentums 
hervorlocken; so stark er ihnen den Schein neuen Lebens 
verleiht, es bleiben Geister! 

Daß Arnold Böcklin aber ein solcher Zauberer war, 
wer möchte das leugnen — ferne lag es uns, in dem vor- 
hergehenden eine Kritik haben geben zu wollen, nicht Kritik, 






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nur eine Deutung seiner genialen Kunst und ihres Problemes, 
die uns zu dem so rätselvollen Grunde eines MeisterschafFens 
führte. Wir haben in ihn hinabgeschaut: im Persönlichen 
das Ideal, im Ideal das Persönliche gewahrt. Dürfen wir 
uns nun auch den Eindruck dieser Werke und die Natur- 
anächauung, welche uns diese Persönlichkeit geschenkt, 
deuten? Dürfen wir sagen, daß das Große, das unwider- 
stehlich Fesselnde des uns erschlossenen Zauberreiches in 
seiner Wirkung auf uns als ein Geheimnisvolles beruht, weil 
in der Fülle der sinnlichen Kraft der Natur uns das Dämo- 
nische geoffenbart wird? Als geheimnisvoll aber auch in 
der Veranschaulichung des Verhältnisses des Menschen zur 
Natur, denn der Mensch wird uns gezeigt als ein Wesen, 
das nach seinem Gefühle und Sinnenleben nur ein Teil dieses 
Dämonischen und der Natur ewig unterworfen ist, an sie 
gekettet durch Wonne und Weh, aber eben nur seinem sinn- 
lichen Wesen nach ihr angehörig imd nur durch den Ver- 
zicht auf geistige Autonomie der Allgemeinsamkeit sinnlichen 

« 

Lebenswirkens ganz teilhaftig! So wird im Augenblick eines 
selig gehobenen Empfindens aller Fülle und Herrlichkeit der 
Natur in uns ein schmerzliches Sehnen nach einer immer 
möglichen Heimkehr in ihr Reich geweckt, und in Schwer- 
mut verklingt des Schauens Rausch. 

Unwillkürlich ruft sich da die Phantasie die Bilder unseres 
anderen großen Malers^ der die Einheit von Natur und Mensch 
verherrlicht hat, hervor: Hans Thoma's! Ein verwandtes 
Ideal zeigt sich, aber wie verschieden seine Gestaltung, wie 
verschieden die Wirkung! Wie erklärt es sich doch, daß 
Thoma's Werke kein so zwiespältiges Geföhl, sondern reine 



Harmonie und riefinnere Befriedigung in uns Iiervorbringen? 
Einzig daraus, daß sich kein Ideal längst vergangener Zeit 
zwischen die Seele des Künstlers und die Natur drängte, daß 
er, unbeeinflußt von der Schönheit der Antike, unverrückbar 
im heimischen Boden wurzelnd, aus germanischem Gefühl 
und Phantasie seine Kunst sich entfalten ließ. Auch er der 
Schöpfer einer neuen malerischen Naturanschauung, auch er 
ein Entdecker einer neuen Farbenharmonie in der Welt, auch 
er ein Dichter, dem Stimmungen zu Gestalten werden, aber 
als solcher ein Friedensverkündiger, der uns von aller Schwer- 
mut des Lebens befreit, indem er uns traulich der Natur 
als der allezeit nahen beseligenden Freundin zufuhrt, das 
Paradies uns in jedem Augenblick und rings uns umgebend 
offen zeigt! 

Auch solchem Vergleiche dürfen wir wichrige Belehrung 
entnelmien, setzt doch das eine künstlerische Schaffen das 
andere in helleres Licht. In dem so verschiedenen offenbart 
sich ein rief Gemeinsames — es wurzelt in gleichem Grunde : 
im deutschen Wesen. Denn von diesem künden trotz allem 
die Böcklinschen Schöpfungen nicht weniger als diejenigen 
Thoma's. Nur eine andere Seite erschÜeßen sie uns. Oder 
wäre die leidenschaftliche Sehnsucht Faustens nach Helena 
nicht ein unausrottbares Bedürfnis deutscher Seele? Und 
was anderes hat der Meister, dessen Gedächtnis wir in Ver- 
ehrung feiern, geheimnisvoll und wunderbar in uns durch 
seine feurigen Gebilde wachgerufen, als jenes Schauspiel, 
welches Goethe-Faustens verzaubertem Blicke auf den phar- 
salischen Feldern, an den Gewässern des Peneios und in 
Felsbuchten des ägäischen Meeres sich darbot? Haben nicht 



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auch ihm Greifen und Sphinxe ihre Weisheit zugeraunt, nicht 
die Sirenen ihm gesungen, zogen nicht N5miphen und 
Schwäne vor ihm auf dunklem Wasserspiegel, hielt er nicht 
Zwiesprache mit Chiron, der die schönste der Frauen auf 
seinem Rücken trug, fiihlte er nicht des Seismos Gewalten, 
rief er nicht mit Anaxagoras Diana Hekate, die «Gewaltsam- 
innige» an, umrauschten ihn nicht Teichinen, Tritonen und 
Nereiden? Auch aus ihm erklang es: 

Heil dem Meere, Heil den Wogen, 
Von dem heiligen Feuer umzogen! 
Heil dem Wasser! Heil dem Feuer! 
Heil dem selmen Abenteuer! 
Heil den mildgewognen Lüften! 
Heil geheimnisreichen Grüften! 
Hochgefeiert seid allhier, 
Element' ihr alle vier! 



«^^-^e-^^-j^^^^-a-«»^ 



C. F. Winier'sdM Boebdrufkeri