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Diese «Gedenkworte» erschienen zuerst in den «Bayreuther Blättern»
1901.
Alle Recfat«^ besonders das Recht der Übersetzung in fremde Sprachen, werden vorbehalten.
Tjer Seligkeit Fülle, die hab ich empfunden!
Die Schönheit besaß ich; sie hat mich gebunden;
Im Frühlingsgefolge trat herrlich sie an.
Sie erkannt ich, sie ergriff ich; da war es getan.
Wie Nebel zerstiebte trübsinniger Wahn,
Sie zog mich der Erd' ab, zum Himmel hinan.
Sie steiget hernieder aus tausend Gebilden,
Sie schwebet auf Wassern, sie schreitet auf Gefilden;
Nach heiligen Maßen erglänzt sie und schallt.
Und einzig veredelt die Form den Gehalt,
Verleiht ihm, verleiht sich die höchste Gewalt. —
(Goethe, Pandora.)
Wenn das Auge eines Meisters sich schließt, dann muß
es uns im ersten Augenblicke wohl scheinen, als verschlösse
sich mit ihm im Dunkel die Welt der Erscheinungen, und
wie Erblindete suchen wir im Inneren jene andere zu schauen,
die der uns Entrissene, als er noch im Sonnenlichte wandelte,
geschaffen und unserer Phantasie geschenkt hat. Denn was
aus innerer Kraft hervorging, wird auch dem Anderen wieder
zum inneren Besitz: jeder große Künstler prägt unserer Seele
das Abbild der Welt ein, das er selbst sich geformt, und so
Viele uns mit ihren Anschauungen durchdrungen haben, so
viele Weltbilder sind in uns lebendig und wirksam.
Hier liegt ein Geheimnis verborgen. Der geniale Bildner
offenbart uns in der Natur ein allgemeinsam Verständliches,
denn sonst würden seine Hervorbringungen uns Anderen ewig
fremd und unfaßlich bleiben, und doch ist seine Vorstellung
eine höchst persönliche, sondergeartete, denn sie unterscheidet
sich von jeder anderen. Nur indem er, ganz der Anschau-
ung hingegeben, sich seiner selbst entäußert, wird er zum
Schöpfer, und doch wird sein Werk zum stärksten Ausdruck
seiner Persönlichkeit. Die Ahnung, wie dieser Widerspruch
sich aufheben lasse, dürfte einzig Dem zuteil werden, welcher
die Erkenntnis sein eigen nennt, daß die Welt unsere Vor-
stellung ist; aber freilich indem er nicht streng an der ästhe-
tischen Ideenlehre Schopenhauers festhält, so unumstößlich
ihm auch ihre metaphysischen Grundtatsachen dünken müssen.
Wäre das künstlerische Schauen ein Schauen der Ideen selbst,
so bliebe es unerklärlich, wie jeder große Künstler eine nur
ihm eigene Anschauung hat und ihr eine nur ihm eigene
Gestaltung verleiht; dann in dei; Tat müßte das Persönliche
ganz aufgehoben erscheinen, denn die Ideen sind unveränder-
lich und unwandelbar sich gleichbleibende, und die Schöp-
fungen aller Genies müßten ununterscheidbar sein. Be-
schränken wir uns aber darauf zu meinen, daß der künst-
lerischen Auffassung das Vermögen wesentlich ist, in der
unendlich zersplitterten Vielheit der Einzeldinge die Einheit
und damit in dem scheinbar Willkürlichen das Notwendige,
in dem Ungebundenen das Gesetzmäßige zu gewahren, so
erscheint auch die Möglichkeit einer immer neuen individuell
verschiedenen Gestaltung dieser Einheit gegeben, denn un-
endlich reich ja sind deren Erscheinungsformen. Welche unter
ihnen dem Einzelnen sich offenbart, das liegt in der beson-
deren Anlage seiner Sinnlichkeit, seines Gefühles und seiner
Phantasie vorgebildet — welche Harmonie in ihm erklingt,
das hängt von der Stimmung der Saiten in ihm ab. Und
diese eben ist das Persönliche: es bleibt lebendig wirksam
auch dann, wenn der künstlerische Akt der Selbstentäußerung,
welcher ja doch nur auf das egoistische Begehren und Wollen
sich bezieht, eintritt, ja das Persönliche gelangt erst hier-
durch zur reinen und starken Betätigung. So bezeichnet denn |
der künstlerische Vorgang die Befreiung des Persönlichen /
vom Egoistischen, und damit die Harmonisierung des Per- i
sönlichen, dessen reines, in die Erscheinungswelt hinaus-
geworfenes Spiegelbild das Kunstwerk ist. Hieraus wird uns
aber weiter nun auch ersichtlich, wie in unserem, der Empfan-
genden Inneren so verschiedene Weltenbilder, die wir den
verschiedenen Genies verdanken, d. h. so viele Veranschau-
hchungen der Einheit sich miteinander vertragen, wie eine
neben der anderen ihr Recht behält und jede eine ganze, in
sich abgeschlossene Natur- oder Lebensanschauung bedeutet.
Eben weil diese Vorstellungen alle nur Brechungen eines
und desselben Lichtes, nämlich Erscheinungsformen des
Weltenwesens sind, welches selbst zu erkennen den sterb-
lichen Sinnen versagt ist.
Wieder ist uns ein Abglanz von ihm, wieder eine Natur-
anschauung durch eine starke Persönlichkeit geschenkt worden.
Der Eindringlichkeit, mit der sie uns eingeprägt wurde, der
Bestimmtheit, mit der sie in uns verharrt, der abgeschlossenen
Gesondertheit, die sie auszeichnet, ist zu entnehmen, daß wir
sie einem genialen Schauen verdanken. Der Name Böcklin
SeseS 6 2S82Sß
begreift ein Bereich von Vorstellungen in sich, deren Gewalt
sich Niemand auf die Dauer hat entziehen können. Nun,
da das Auge des Meisters sich geschlossen, da die seit Jahren
zitternde und immer doch schafFenskräftige Hand den Pinsel
nicht mehr führt, verlangen wir, uns über die Bereicherung,
die unsere Seele durch ihn erftihr, klar zu werden.
Nicht auf eine schon oft gegebene Analyse der seiner
Kunst eigentümlichen Elemente in Form, Farbe und Technik
kann es uns da ankommen, so bedeutungsvoll sie sind. Aus
ihnen, vor allem aus der Gewalt der Farben und der In-
tensität des Lichtes, in der er die Natur sah und uns sehen
lehrte, möchten wir vielmehr schließen auf dasjenige, was
durch solche Faktoren ausgedrückt wird, was ihnen zugrunde
liegt, was sie bedingte. Denn dieser große Maler war mehr
als ein Schilderer, er war ein Deuter und ein Dichter der
Natur, ein Erfinder. Alle Eindrücke, welche seine starke
Sinnlichkeit empfangend schuf, verwandelten sich in gleich
starke Geflihlsstimmungen, und deren Erklingen weckte vor
dem geistigen Auge seiner Phantasie neue, ungesehene Bilder,,
die sie schöpferisch gestaltete. Jedes Werk der Ausdruck
einer solchen Stimmung, das Bekenntnis psychischer Herr-
schaft über die Erscheinungswelt, die Verkündigung dichte-
rischer Souveränität! Nicht ein Sklave, sondern /ein Freier
tritt er der Natur gegenüber, denn er weiß sich ein Teil
yon ihr und ihre Schöpferkraft flihlt er in sich. Auch die
Hervorbringung seines Geistes ist ein natürliches Produkt
und trägt als solches ihre Berechtigung, ja Notwendigkeit in
sich. Weil er sich im Einklang weiß mit der Natur, darf
er die Möglichkeiten, die in ihr schlummern, weiter ent-
852552 7 2582«
wickeln, ihre Elemente zu neuen Bildungen vereinigen, ihre
Erscheinungsformen steigern, dessen sicher, daß er dem Ge-
halt durch die Form «höchste Gewalt» zu verleihen vermag.
Nur der von aller Konvention Losgelöste, welcher als Natur
der Natur tiefinnig verbimden ist, wird mit solcher Freiheit
begnadet — keine frevelhafte Willkür ist von ihm zu be-
fürchten, die Heiligkeit der Lebensgesetze wohnt in seinem
Busen. So, wie er, steht ein ursprüngliches Volk mitten
innen in der Schöpfung, so wie er macht es dichtend und
gestaltend seine Menschenrechte auf sie geltend. Und so
entsteht bei ihm wie bei dem Volke die Mythenbildung.
So erschließt er, der Unabhängige, aus den engen Schranken
einer künstlichen Zivilisation und einer ängstlichen Kunst-
regel uns mit sich fortreißend, die Wunder eines herr-
lichen vollen Daseins. Mit ihm, der in solchem grenzenlosen
Bereiche daheim ist, sollen wir, nicht die zage Sehnsucht,
nicht das scheue Entzücken, nicht die sanfte Schwärmerei
des Wanderers, welcher der Natur nur an einem Feiertage
sich anvertraut, empfinden, nein, in frohlockender Sicherheit
unseres eigenen Wesens die feurige Kraft unlöslicher Ge-
meinschaft mit Himmel und Erde, Wolken und Wasser in
uns wirken fühlen.
Nur die seltenste Glut der Sinne und des Gefühles aber
vermag uns in solcher Weise der Natur zu verbinden —
dem Schwachen entzündet sich nicht der göttliche Funke
zwischen Wesen und Erscheinung in den Sinnen, in denen
inneres Sein und äußere Welt miteinander in Berührung
treten. Wie eine Flanmie aber lodert die Empfindung in
dem Auge, das Gefühl in der Seele dieses Künstlers auf.
S^S^ 8 25!g25g
wenn sein Blick die Natur trifft. Eine höchste Betätigung
seines leidenschaftlichen Wesens schafft den Eindruck. Fast
gewaltsam erscheint der Akt des Empfangens, als eine Be-
wältigung des Stärksten, was von der Erscheinung den Sinnen
dargeboten werden kann — oder, richtiger gesagt, da das
Empfangen ja eben eine Tätigkeit ist, als das Ausstrahlen
einer unbändigen Energie in die Außenwelt.
Nun steht die Welt entflammt, von glühendem Lichte
durchdrungen, nun leuchten alle Farben in heißem Drange
auf, nun türmen sich in schroffer Starrheit die Felsen empor,
nun ballen sich die Wolken zum vernichtenden Angriff, nun
bäumt sich drohend die Welle, nun läuft ein Zittern durch
die tausend Blätter des Baumes, nun zieht, süße Liebe
weckend, der Frühlingswind über die blühenden Fluren, nun
atmet die feuchte Erde Kühlung in heimHchen Schatten aus,
nun grüßen die Sonnenstrahlen die fernen Höhen, nun senkt
sich die Nacht in bangen Schauem — alles, selbst das
Schweigen des Waldes, selbst die Regungslosigkeit ragender
Zypressen, selbst die Meeresruhe wird zu einer Handlung
der Natur, zu einem Vorgang, dessen Geheimnis in der
leidenschaftlichen Seele dieses Dramatikers sich verbirgt.
Mit jedem Worte ruft er uns zu: die Natur ist nur, weil ich
sie fühle, und sie ist, wie ich sie fühle.
Unter dem weiten Himmel,
Auf der unendlichen Erde,
Alles, was mich je erquickt von Wonnegefühl,
Was in ^es Schattens Kühle
Mir Labsal ergossen,
Der Sonne Liebe jemals Frühlingswonne,
Des Meeres laue Welle
Jemals Zärtlichkeit an meinen Busen angeschmiegt.
Und was ich je für reinen Himmelsglanz
Und Seelennihgenuß geschmeckt —
Das all all meine Pandora!
So liebt der Starke die Starke mit Sinnen- und Seelen-
gewalt. Wenn er im Widerstreit üppig gesättigter Farben
deren Wahlverwandtschaft entdeckte und sie zum Bunde ein-
ander zufiihrte, wenn er den Kampf zwischen dem auflösen-
den Licht und dem in sich gefestigten Körper suchte, um
ihre Versöhnung in räumlicher Klarheit zu bewirken, wenn
er Strenge, ja Herbheit der Form mit Anmut und Zartheit
der Bewegung zum Einklang zwang, wenn er jauchzenden
Übermut und träumerische Versunkenheit zusammentönen
ließ, wenn er mit einem Worte gerade das Gegensätzliche
iu höherer Einheit auflöste, so erscheint er uns wie ein
stolzer Werber, welcher sich nur einer Geliebten hingibt,
die seinem Freien mit der gleichen Kühnheit hohen Selbst-
bewußtseins und wogender Kraft begegnet. Angesichts der
Vereinigung selbst erleben wir schauend noch das Ringen
mit, das ihr vorangegangen — die Erregung zittert in uns
jiach. Wie kann es uns da wundernehmen, daß wir häufig,
namentlich in den Werken aus der späteren Zeit des Meisters,
von dem Gefühl beunruhigt werden, solche Verbindung sei
auf die Dauer nicht denkbar, sie sei nur das Werk eines
höchst gesteigerten Augenblickes!
Alle Kraft leidenschaftlichen sinnlichen Empfindens und
seelischen Fühlens, wie das in ihr begründete Verhältnis
Böcklins zur Natur, gewann Gestaltung nicht minder per-
§KSSJiS lO 25S258
sönlicher Art in seiner dichtenden Phantasie. Aber die in
ihr wachgerufenen Vorstellungen wurden, ein so besonderes
Gepräge sie trugen, doch stark bedingt und bestimmt durch
Bilder, die nicht aus unmittelbaren anschaulichen Eindrücken,
sondern aus der Dichtung vergangener Zeit gewonnen waren.
Einem Geist, der wie der Böcklinsche, die Einheit des Natür-
lichen und Menschlichen suchte, konnte nur die griechische
oder die germanische Mythologie befriedigenden Vorstel-
lungsstofF geben. Daß ihm, dem doch so germanischen
Wesen, nicht die nordische Sage, die zu gleicher Zeit ihre
wunderbare Auferstehung und höchste künstlerische Ausge-
staltung in der Tragödie Richard Wagners fand, Quell der
Inspiration ward, könnte befremden, läge die Erklärung nicht
sehr nahe. Eben zur Zeit, als er sein Ideal sich zu bilden
begann, vollzog sich ja erst in der Schöpfung des «Ring des
Nibelungen» die Verdichtung des formlosen germanischen
Mjrthos zur plastischen Klarheit, enthüllte sich aus dem Nebel
unserer weit entrückten Vergangenheit Gott und Held als
vollendetes Abbild unserer Natur. Dem nach dem Schönen
sich sehnenden Maler hatte sich aber schon der strahlende
unvergängliche Tag griechischen Sehergeistes erschlossen,
und während er sich den Eindrücken der Natur hingab,
fällte sich seine Einbildungskraft mit den Gestalten Homers.
Die Dichtungen, in deren Nacherleben er, mehr als in allen
anderen, sein ganzes Leben hindurch das tiefste Genüge ge-
wonnen hat, sind die Ilias und die Odyssee gewesen. Hier
fand seine Einbildungskraft die Nahrung, aber nicht in dem
Sinne, welcher den antikisierenden Künstlern der älteren
deutschen Genera tioti vor ihm verhängnisvoll geworden war.
3^S3^ II 258258
nicht in dem Endehnen bestimmter Stoffe und individueller
Gestalten aus der antiken Mythologie und Geschichte, auch
nicht in einer Reproduktion der alten Formensprache, son-
dern in großen Vorstellungen von Natur und Mensch, welche
sein Gefühl auf das Erhabene stimmten. Zu ihnen gehörten
neben den landschaftlichen die ewig lebendigen Naturpersoni-
fikationen allgemeiner Art: die wildfreudigen Mischgestalten,
die auf hoher Meeresflut und in kalter Bergesöde daheim,
die zarten Geister von Busch und Hain; Alles, was namenlos
und ranglos das freischweifende Leben dem Sitz 'auf goldenen
Thronen und dem Herrschen durch Arbeit und Taten vor-
gezogen hat, da es die Tat nur im Leben selbst findet:
Kentauren, Faune, Tritone, Nereiden, Nymphen, aber auch
eine leicht wandelnde, nur von durchsichtigen Schleiern um-
flossene städtefremde Menschenart, ein Priestertum der Natur,
drängte sich vor sein inneres Gesicht und machte sich heimisch
in dem Landschaftsreiche seiner Phantasie.
Sf hauend lauschte er dem Zauber des Peneios: '
Rege dich, du Schilfgeflüster,
Hauche leise, Rohrgeschwister,
Säuselt, leichte Weidensträuche,
Lispelt, Pappelzitterzweige,
Unterbrochnen Träumen zu!
und seine Antwort klang:
Ich wache ja! O laßt sie walten,
Die unvergleichlichen Gestalten,
Wie sie dorthin mein Auge schickt.
So wunderbar bin ich durchdrungen!
Sind's Träume? Sind's Erinnerungen?
(
SSiSSitS 12 2582«
So waren es «Geistertöne», die seiner feurigen Liebe
zur Natur als Brautlied erklangen, und die Gestalten, die er
schuf, waren ihre Verkörperung. Von zwei Hauchen ward
sein inneres Saitenspiel bewegt: von der lebendigen Natur
und vom antiken Dichtergeist, und die Schwingungen flössen
ineinander zu einer geheimnisvollen Harmonie. —
War es denn aber wirklich eine Harmonie? Ward der \
Traum so vieler Edlen hier zur künstlerischen Wirklichkeit ?
Man möchte eine solche Frage lieber nicht gestellt wissen.
Und doch führt nur ihre Beantwortung zur Erkenntnis des
Wesens der Böcklinschen Kunst und schließt die Beantwor-
tung unserer Frage: welche Vorstellungen von Natur und
Mensch er uns geschenkt, in sich.
Dasselbe Problem, das uns schon bei Betrachtung seiner
Naturanschauung entgegentrat, das Aufsuchen von Gegen-
sätzen und das Verbinden begegnet uns wieder. Hier aber
stellt sich uns der zu schlichtende Widerspruch dar als einer
zwischen moderner und antiker Naturanschauung — in einem
ganz weiten Sinne gefaßt, als einer zwischen Landschaft und
Mensch, zwischen allgemeiner zerfließender Seelenstimmung
und gesammeltem Lebensbewußtsein, zwischen dem Uner-
messenen und dem Begrenzten. Durch welche Mittel ward
die Aussöhnung zu erreichen gesucht? Jedes einzelne Werk
belehrt uns darüber, selbst solche, in denen keine antikische,
sondern eine religiöse Vorstellung oder eine romantische,
mochte sie der mittelalterlichen Dichtung oder der freien
Erfindung entstammen, Gestaltung gewann, denn das antike
Ideal spielt auch in sie hinein.
Als moderner Maler mußte Böcklin vor allem Land-
Schaftsmaler sein. Wohl nahm er die menschliche Gestalt
in seine Konzeption von vornherein mit auf, doch ward sie
einem Ganzen der Natur eingefügt, und dieses Ganze be-
stimmte ihren Charakter. Sollte aber dem Landschaftlichen
der aus griechischem Geiste erfiindene Mensch sich harmo-
nisch anschließen, so ergab sich dem genialen Blick zweierlei
ganz von selbst: erstens die Wahl der strahlenden offenen
Natur des Südens und zweitens die klare und bestimmte
Hervorhebung der landschaftlichen Einzelheiten: der Berg,
der Fels, der Baum, die Wolke, die Welle, ja die Blume,
jegliches erhielt durch scharfe kontrastierende Abhebung in
Form und Farbe von der Umgebung eindrucksvolle Sonder-
existenz. Durch die Individualitäten, in welche die Land-
schaft aufgelöst wurde, ward diese der plastisch bedeutungs-
vollen menschlichen Erscheinung angenähert, durch die In-
dividualisierung der Übergang vom Naturganzen zur verein-
zelten menschlichen Gestalt erzielt. So wird dem Felsen,
dem Baum fast gleicher räumlicher Wert wie dem Menschen
verliehen, so erhält alles schlank Aufragende und sich deut-
lich vom Anderen Abgrenzende : die Zypresse, die Pappel, ihre
besondere Aufgabe. So wird im Drange, den antiken Men-
schen sich einzuverleiben, ohne in Widerstreit mit dem Ab-
geschlossenen, Vollendeten seiner Erscheinung zu gelangen,
die Landschaft bei Böcklin eminent plastisch. Das Licht,
von dessen Fluten die Einzelgebilde der nordischen Stim-
mungslandschaft verschlungen worden waren, dient hier nur
zur starken Hervorhebung des Gesonderten, wie zugleich die
Farben in ihren Kontrasten diese Individualisierung verstärken.
Das so in seine Bestandteile zerlegte Ganze uns dennoch
SeSS« 14 2582«
aber wieder als Einheit fühlbar zu machen, konnte dem
Meister nur gelingen, -wenn er den räumlichen Zusammen-
hang auf das klarste veranschaulichte und zugleich eine
stärkste koloristische Harmonie erzwang, welche alle Einzel-
gestalten umspannt. Diese mächtige Farbenwirkung ist es,
die am entschiedensten die Stimmung in uns hervorbringt,
und so dürfen wir den zwischen Antikem und Modernem
im Landschaftlichen hergestellten Kompromiß darin sehen,
daß die antike Auffassung den plastischen, die moderne den
farbigen Charakter der Landschaft bestimmte, und daß durch
solches Verhältnis die äußerste Steigerung einer Koloristik,
die in Kontrasten wirkt, bedingt wurde. Beides: die wun-
derbare Erregung, in welche uns diese Naturdarstellung ver-
setzt, wie die Härte und Gewaltsamkeit, die ihr häufig
eigentümlich ist, wird uns erklärlich. Was wir in der frühe-
ren Betrachtung als die Äußerung feuriger Sinnlichkeit und
leidenschaftlichen Gefühles erkannten, tritt uns nun, von
der anderen Seite der Phantasietätigkeit her betrachtet, als
das Ergebnis der Durchdringung antiker und modemer Vor-
stellungen entgegen.
Lernten wir im vorausgehenden die Anpassung gleich-
sam der neueren Naturauffassung an die hellenische Menschen-
verherrlichung kennen, so beschäftigt uns nun die Frage: wie
war der antike Mensch der modernen Landschaftsstimmung
anzupassen? Was hatte er aufzugeben, um zu einem inte-
grierenden Teil des Naturganzen zu werden? Es ist der ent-
gegengesetzte Vorgang, der uns hier vor Augen tritt, und
wie dort machen sich zwei Erscheinungen geltend. Die
erste, wiederum auf südlichem Boden, in Italien, unter Ein-
_IJ-:- — -.
SiiSSeS 15 258258
Wirkung von Lebenseindrücken sich vollziehende ist die Be-
seelung des antiken Menschen mit modernem Empfinden.
Sie zeigt sich als eine Milderung des Strengen in der grie- i
chischen Auffassung, als eine stärkere Verdeutlichung des ';
Gefühlslebens in der Erscheinung, als eine Steigerung des
sinnlich Reizvollen und des drastisch Wirksamen. Es ist
bezeichnend, daß diese Umwandlung sich im wesentlichen
an der Frau und an dem antiken Fabelwesen vollzieht, nicht
in gleichem Grade an dem Mann, der nur im Knaben- und
filiheren Jünglingsalter dem Wunsche des Künstlers, Stim-
mung auszudrücken, entgegenkommt. Denn eben die gemüt-
liche Bewegung ist es, durch welche der so beseelte antike
Mensch in die moderne Naturstimmung einbezogen werden
kann. Zweierlei Charakter aber, wenn wir ganz im allge-
meinen unterscheiden und die Übergänge unberücksichtigt
lassen, kann dieser zu eigen sein: Friedlichkeit oder Er-
regung, Ruhe oder Sturm. Der erste gewinnt seine mensch-
liche Erscheinung in den zarten weiblichen, den jugendlichen
und kindlichen Elementen, der zweite in dem ungestüm
wilden, dämonischen Wesen der Kentauren und Tritonen.
Dort Träumerei, Ahnen, Schwermut, aber auch zarte helle
Lust und seliges Genießen aufblühenden Matten, in lauschigen
Gründen, an sanftem Wasserspiegel, bei sprudelnder Quelle,
in lautlosen Zjrpressenhainen, auf einsamen Bergeshöhen, in
dämmerndem Walde, auf spielenden Meereswogen — hier
Taumel, Leidenschaft, Kampf, Verzweiflung in donnernder
Wogenbrandung, in brausendem Sturme, in entflammten
Burgen, unter jagenden Wolken.
Da muß das griechische Wesen vom Germanischen
^- ' - —-
§esi^ i6 mi^
' sichr durchdringen lassen, Helena Faustens Sprache lernen.
Des Deutschen Schwärmerei in Sehnsucht und Träumen,
des Deutschen Phantastik in Humor und in Leidenschaft
bemächtigen sich der antiken Schönheit — nur so verwan-
delt konnte sie in dem Naturbilde, das vom Modernen zum
Spiegel der Seele gemacht ward, aufgehen. Welch wunder-
same Mischung von Naivität und Empfindsamkeit, von Un-
bewußtsein und Bewußtsein, von Natürlichkeit und Absicht-
lichkeit in diesen' Geschöpfen, die, nach Jahrtausenden
auferweckt, zugleich in Vergangenem und im Gegenwärtigen
zu leben genötigt sind!
Wie dem Wesen, so hatte aber auch der Erscheinung
nach der antike Mensch sich zu verwandeln, sollte er nicht
von dem modernen Landschaftsstimmungsbilde als ein Hete-
rogenes ausgeschlossen bleiben. Dies ist das andere Phäno-
men, das mit dem soeben geschilderten zwar innig verbunden
^ ist, aber doch besonders betrachtet sein will. Erkannten wir
I früher, daß das Landschaftliche, um dem antiken Menschen
! angenähert zu werden, plastisch werden mußte, so zeigt sich
; nun die in Böcklins Ideal begründete Notwendigkeit, das
plastische Wesen der griechischen Gestalt dem Malerischen
der neueren Naturauflfassung anzunähern. Hatten, wie die
antiken Dichtungen, so auch antike Bildwerke die Phantasie
des Künstlers während seines ersten italienischen Aufenthaltes
inspiriert, «erkannte», «ergriff» sein verlangendes Gefilhl in
ihnen die Schönheit, vor welcher «wie Nebel zerstiebte trüb-
sinniger Wahn», so mußte sein schöpferischer Sinn in ihr
doch nicht ein starres Unveränderliches, sondern ein immer
neu zu Gestaltendes gewahren. Er, der Maler, erblickte den
S8S25^ 17 258258
schönen Menschen nicht in Vereinzelung, wie der Bildner
der Statue, sondern im Zusammenhange mit der schönen
Natur: «im Frühlingsgefolge» sah er die Schönheit herrlich
antreten:
Sie steiget hernieder in tausend Gebilden,
Sie schwebet auf Wassern, sie schreitet auf Gefilden.
Nur eine ihrer Erscheinungen unter vielen war für ihn f
der Mensch; mit Vielem mußte dieser sich zu einem Ganzen
verbinden. Wie hätte er sich da in seiner scharf abgegrenz-
ten Abgesondertheit, in seiner plastischen Bestimmtheit, in
dem ganzen Reichtum seines Lebensorganismus erhalten
können? Die äußerste Geschlossenheit und Festigkeit der an-
tiken plastischen Form mußte einer Betonung der malerischen
Werte weichen; es vollzieht sich eine Abschwächung im i
Knochengefüge, eine Verflüchtigung der starken Linienbe-
grenzung, eine Erweichung der Formen, eine Verallgemeine-
rung des organischen Zusammenhanges der Teile. Die Ge-
wandung der Frauen verfeinert und entstofflicht sich bis zu
durchsichtigen, wie sanftes Wellenspiel sich faltenden zar-
testen Geweben, sinnlicher Reiz umschimmert ihre Gestalt,
strömt aus dem schmelzenden Blicke großer Augen, atmet
aus träumerischen Gebärden und Mienen; wie . andererseits
Sinnengewalt, zu animalischer Willkür entfesselt, in Ver-
langen, Genießen und Kämpfen das Leben der zottigen, un-
geschlachten, begehrlichen Mischwesen beherrscht.
Und was bedeutet denn diese Umwandlung des antiken
Menschen und Tiermenschen, dessen große Erscheinung in den
Böcklin'schen Figuren noch wie durch eine Verkleidung hin-
durch sich geltend macht, was bedeutet sie Anderes, als eine
- Thode, Arnold Böcklin. 2
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Zurückführung höchst entwickelter Organisinen näher an die
vegetabilischen und elementaren Gestaltungen der Natur?
Seiner einsamen Herrscherstellung beraubt, wird der Mensch
wieder zu einem Geschöpf der Natur, wie es die anderen
auch sind. Jugend und Weiblichkeit findet in Blumen, Hal-
men und schlanken Bäumen ihre Verwandten, vegetierend
wie sie; sie vergleicht sich wiegend der Welle, die sie trägt.
Tierische Formen annehmend, das Geistige abstreifend aber
nähert sich männliche Kraft und Begier dem dunklen Drange,
der im Wogensturze, in Gewitterbrunst, im Beben der Erde
sich äußert. So verliert sich der Mensch wieder hinein in
die Natur. Die Hellenen hatten ihn emporgetragen zu olym-
pischen Höhen; germanisches Sehnen lockt ihn in die Tiefen
allgemeinsamen Daseins zurück.
Der Bund ist vollbracht: Germanisches und Griechisches
hat sich vereinigt. Die moderne Landschaft hat den antiken
Menschen in sich aufgenommen. Damit es möglich werde,
nahm die Landschaft, aus den Elementen südlicher Natur
gebildet, soweit es ihr möglich, plastische Formung an,
ließ der antike Mensch, vom Hauche modernen Empfindens
zu Stimmungen bewegt, von seinen hohen Rechten und
schmiegte sich, dem malerischen Stimmungsbedürfni^will-
fahrend, den niederen Geschöpfen und den Kräften der Natur
an. So erstrebten, so erreichten die beiden Welten ihre
gegenseitige Durchdringung. — Haben sie diese wirklich er-
reicht? Die Frage kehrt wieder.
Wäre dieser ganze künstlerische Akt ein Werk der Re-
jektion gewesen, so bliebe von vornherein nur eine ver-
neinende Antwort übrig. .Was wir uns verstandesgemäß
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klar machen mußten, ging aber in der Phantasie des Kunst- •
lers reflektionslos einzig aus dem Zusammenwirken von Na-
tureindrücken und . dichterischen Bildern hervor. Es war das
Werk der innigst verbundenen Betätigung einer starken
Sinnlichkeit, einer leidenschaftlichen Gefühlskraft und einer
schöpferischen Phantasie. Aus innerer Notwendigkeit also
ward das Ideal dieser Kunst erzeugt und daher ist es, als
der vollkommene Ausdruck einer bedeutenden Persönlichkeit,
ein in sich selbst begründetes und abgeschlossenes, welches
seine besondere Gesetzmäßigkeit besitzt.
Von einer anderen Seite her aber, von dem Standpunkte
einer allgemeineren ästhetischen Auffassung aus betrachtet,
stellt sich das Problem in verschiedenem Lichte dar. Bei
aller rückhaltlosen, ja leidenschaftlichen Bewunderung für die
Gewalt, mit welcher Modernes und Antikes von diesem
Geiste zusammengeschweißt wird, läßt uns gerade diese
Gewalt darauf schließen, daß solcher Bund doch ein er-
zwungener, nicht ein natürlich sich ergebender war. Er-
schien uns früher das Werben des Meisters um die Natur
fast wie ein Kampf, so haben wir nunmehr die Erklärung
hierfür gewonnen: die Welt der Erscheinungen, die er sich
künstlerisch zu eigen machen wollte, war eine zwiespältige.
Sie setzte als solche seinem Streben, sie als eine Einheit zu
erfassen, Widerstand entgegen. Nur durch eine unerhörte
Anspannung der Kraft der Farben und damit der Sinnen-
kraft im Schauen konnte er den Widerstreit bändigen. Eine
Überwältigung unseres Gesichtssinnes muß das Dilenmia
lösen und täuscht den Maler und uns über den Widerspruch
hinweg. Aber dieser bleibt dennoch bestehen, gibt es auch
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Werke, in denen er fast vollständig gehoben scheint. Er
offenbart sich allgemein in Härten und Schroffheiten, in
brennenden, beängstigenden Farbenwirkungen, in grellen
koloristischen Kontrasten und im besonderen bei dem Figür-
lichen in Übertreibungen des Charakteristischen, welche sich
in den Frauengestalten nach der Seite des Überzarten und
Sentimentalischen, in den Mischwesen und in den Tieren
nach jenen des Grotesken geltend machen. Wir mögen die
Genialität, die gerade in diesen Erscheinungen erstaunlich
sich äußerte, mit hohem Staunen verehren, gerade im Über-
treibenden des Ausdrucks, in dem innig Träumerischen, wie
in dem bald Humoristischen, bald Dämonisch-Phantastischen
der Gestalten die echtesten Wesenseigentümlichkeiten des
Germanen mit Freudigkeit begrüßen — unser Eindruck ist
kein ganz reiner; mächtig von diesen Werken angezogen
und in seelische Erregung versetzt, werden wir doch * des
Gefühles nicht ledig, einem Fremdartigen gegenüberzustehen,
in das wir uns nicht ganz zu verlieren, das wir uns nicht
ganz zu eigen zu machen vermögen. Was sich uns so un-
widerstehlich sinnlich aufdrängt, scheint doch wieder ins Un-
erreichbare zu entfliehen, was uns so natürlich dünkt, ist
doch zugleich ein Geisterhaftes. Wie könnte es anders sein?
Auch der Stab des größten Zauberers kann in unsere Welt
nur Schatten aus den elyseischen Gefilden des Griechentums
hervorlocken; so stark er ihnen den Schein neuen Lebens
verleiht, es bleiben Geister!
Daß Arnold Böcklin aber ein solcher Zauberer war,
wer möchte das leugnen — ferne lag es uns, in dem vor-
hergehenden eine Kritik haben geben zu wollen, nicht Kritik,
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nur eine Deutung seiner genialen Kunst und ihres Problemes,
die uns zu dem so rätselvollen Grunde eines MeisterschafFens
führte. Wir haben in ihn hinabgeschaut: im Persönlichen
das Ideal, im Ideal das Persönliche gewahrt. Dürfen wir
uns nun auch den Eindruck dieser Werke und die Natur-
anächauung, welche uns diese Persönlichkeit geschenkt,
deuten? Dürfen wir sagen, daß das Große, das unwider-
stehlich Fesselnde des uns erschlossenen Zauberreiches in
seiner Wirkung auf uns als ein Geheimnisvolles beruht, weil
in der Fülle der sinnlichen Kraft der Natur uns das Dämo-
nische geoffenbart wird? Als geheimnisvoll aber auch in
der Veranschaulichung des Verhältnisses des Menschen zur
Natur, denn der Mensch wird uns gezeigt als ein Wesen,
das nach seinem Gefühle und Sinnenleben nur ein Teil dieses
Dämonischen und der Natur ewig unterworfen ist, an sie
gekettet durch Wonne und Weh, aber eben nur seinem sinn-
lichen Wesen nach ihr angehörig imd nur durch den Ver-
zicht auf geistige Autonomie der Allgemeinsamkeit sinnlichen
«
Lebenswirkens ganz teilhaftig! So wird im Augenblick eines
selig gehobenen Empfindens aller Fülle und Herrlichkeit der
Natur in uns ein schmerzliches Sehnen nach einer immer
möglichen Heimkehr in ihr Reich geweckt, und in Schwer-
mut verklingt des Schauens Rausch.
Unwillkürlich ruft sich da die Phantasie die Bilder unseres
anderen großen Malers^ der die Einheit von Natur und Mensch
verherrlicht hat, hervor: Hans Thoma's! Ein verwandtes
Ideal zeigt sich, aber wie verschieden seine Gestaltung, wie
verschieden die Wirkung! Wie erklärt es sich doch, daß
Thoma's Werke kein so zwiespältiges Geföhl, sondern reine
Harmonie und riefinnere Befriedigung in uns Iiervorbringen?
Einzig daraus, daß sich kein Ideal längst vergangener Zeit
zwischen die Seele des Künstlers und die Natur drängte, daß
er, unbeeinflußt von der Schönheit der Antike, unverrückbar
im heimischen Boden wurzelnd, aus germanischem Gefühl
und Phantasie seine Kunst sich entfalten ließ. Auch er der
Schöpfer einer neuen malerischen Naturanschauung, auch er
ein Entdecker einer neuen Farbenharmonie in der Welt, auch
er ein Dichter, dem Stimmungen zu Gestalten werden, aber
als solcher ein Friedensverkündiger, der uns von aller Schwer-
mut des Lebens befreit, indem er uns traulich der Natur
als der allezeit nahen beseligenden Freundin zufuhrt, das
Paradies uns in jedem Augenblick und rings uns umgebend
offen zeigt!
Auch solchem Vergleiche dürfen wir wichrige Belehrung
entnelmien, setzt doch das eine künstlerische Schaffen das
andere in helleres Licht. In dem so verschiedenen offenbart
sich ein rief Gemeinsames — es wurzelt in gleichem Grunde :
im deutschen Wesen. Denn von diesem künden trotz allem
die Böcklinschen Schöpfungen nicht weniger als diejenigen
Thoma's. Nur eine andere Seite erschÜeßen sie uns. Oder
wäre die leidenschaftliche Sehnsucht Faustens nach Helena
nicht ein unausrottbares Bedürfnis deutscher Seele? Und
was anderes hat der Meister, dessen Gedächtnis wir in Ver-
ehrung feiern, geheimnisvoll und wunderbar in uns durch
seine feurigen Gebilde wachgerufen, als jenes Schauspiel,
welches Goethe-Faustens verzaubertem Blicke auf den phar-
salischen Feldern, an den Gewässern des Peneios und in
Felsbuchten des ägäischen Meeres sich darbot? Haben nicht
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auch ihm Greifen und Sphinxe ihre Weisheit zugeraunt, nicht
die Sirenen ihm gesungen, zogen nicht N5miphen und
Schwäne vor ihm auf dunklem Wasserspiegel, hielt er nicht
Zwiesprache mit Chiron, der die schönste der Frauen auf
seinem Rücken trug, fiihlte er nicht des Seismos Gewalten,
rief er nicht mit Anaxagoras Diana Hekate, die «Gewaltsam-
innige» an, umrauschten ihn nicht Teichinen, Tritonen und
Nereiden? Auch aus ihm erklang es:
Heil dem Meere, Heil den Wogen,
Von dem heiligen Feuer umzogen!
Heil dem Wasser! Heil dem Feuer!
Heil dem selmen Abenteuer!
Heil den mildgewognen Lüften!
Heil geheimnisreichen Grüften!
Hochgefeiert seid allhier,
Element' ihr alle vier!
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C. F. Winier'sdM Boebdrufkeri