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MITTHEILUNGEN
DES
VEREINS FÜR KÜNDE DER AACHENER VORZEIT.
DI AUFTEAG DES VORSTANDS HERAUSGEGEBEN
VON
RICHARD PICK.
AKCHIVAR DEE STADT AACHEN.
ERSTEH JAHRGANG.
(MIT ZWEI TAFELN.)
V
AACHEN.
KOMMISSIONS-VERLAG DER CREMER'SCHEN BUCHHANDLUNG (c. CAZIN).
1888.
Seite
l:;. Die vormalige Bruders» halt vom Leiden Jesu in der St. Peters-
pfaiTe zu Aachen. Von K. Wacker 143
II. Aus dem Tagebuch des Aachener Stadtsyndikus Dr. Peter Fell.
Von E. Pauls 153
L5. St. Gertruden Minne. Von K. "Wieth 163
L6. Bliscellen:
1. Der abtrünnige Mönch und Pfarrer von St. Peter zu
Aachen, Heinrich Beyer von Capellen. Von S. Planker. 177
_'. Der Philosoph Hegel in Aachen 180
:!. Die Bezeichnung „upt Yseren". Von R. Pick. . . . ISO
17. Antworten 181
is. Chronik des Vereins 1885/87 185
L9. Statuten 190
20. .Mitglieder- Verzeichniss 192
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MITTHEILUNGEN
DES
VEREINS FÜR KUNDE DER AACHENER VORZEIT.
m AUFTRAG DES VORSTANDS HERAUSGEGEBEN
VON
RICHARD PICK,
ARCHIVAR DEB STADT AACHEN.
ERSTER JAHRGANG.
ERSTES HEFT.
(MIT ZWEI TAFELN.)
AACHEN.
KOMMISSIONS-VERLAG DER CREMER'SCHEN BUCHHANDLUNG (c. CAZIN).
1887.
.MITTHEILUNGEN
z
DES
VEREINS FÜR KUNDE DER AACHENER VORZEIT.
IM AUFTEAG DES VORSTANDS HERAUSGEGEBEN
VON
RICHARD PICK,
AECHIVAR DER STADT AACHEN.
EESTEE JAHRGANG.
ERSTES HEFT.
(MIT ZWEI TAFELN.)
AACHEN.
KOMMISSIONS- VERLAG DER CREMER'SCHEN BUCHHANDLUNG (c. CAZIN).
1887.
Die kirchlichen Zustände Aachens in vorkarolin-
gischer Zeit.
Von R. Pick.
In den geschichtlichen Beschreibungen der alten Kaiser-
stadt sucht man vergebens nach einer Darstellung oder auch
nur nach einer Andeutung über die kirchlichen Verhältnisse,
welche hier vor der Entstehung des Münsters, also vom Aus-
gang des 8. Jahrhunderts aufwärts bis zur Einführung des
Christenthums in unserer Gegend, bestanden haben. Dass es
lange, bevor Karl d. Gr. den Bau der denkwürdigen Pfalz-
kapelle begann, in Aachen bereits eine christliche Gemeinde
und ein christliches Gotteshaus, eine Volkskirche mit einem
Leutpriester (plebanus) gab, lässt sich nicht wohl bezweifeln.
Schon die urkundlich bezeugte Thatsache, dass vor Errichtung
der Pfalzkapelle christliche Fürsten das Oster- und Weihnachts-
fest hier feierten1, meine ich, spräche laut genug für diese An-
nahme, wenn andere Zeugnisse fehlten.
Neben dem Münster, das am Dreikönigentag 805 von
Papst Leo III. eingeweiht wurde 2, gelten von den noch erhal-
tenen Kirchen St. Adalbert, St. Peter und St. Jakob für die
ältesten Gotteshäuser der Stadt, aber ihre Entstehung geht,
wenigstens was die ersten beiden betrifft, nicht über unser
Jahrtausend hinaus. Aelter ist vielleicht die Jakobskirche, wenn
') Müklbacker, Regesten des Kaiserreichs unter den Karolingern Nr.
99 a und b, 127 e.
2) Jaffe, Reg. pontificum, ed. 2, t. I, p. 312; Mühlbacher a. a. 0.
Nr. 401 f.
4 R. Pick
man der Volkssage Glauben schenkt, die hierin eine Jagd-
kapelle Karls d. Gr. erblickt. Zwar hat eine technische Unter-
suchung 1 ergeben, dass der jüngst abgebrochene alte Bau
frühestens dem Ende des 12. Jahrhunderts augehört hat, aber
damit ist keineswegs erwiesen, dass nicht eine noch ältere
Kirche des h. Jakob an derselben oder an einer andern Stelle
gelegen habe. Die Geschichtsforschung hat in dieser Frage
das letzte Wort noch nicht gesprochen, sie ist hierzu erst dann
im Stande, wenn der "Wortlaut des ursprünglichen Textes oder
der frühesten Abschriften der Yita Karoli magni 2 festgestellt
sein wird, die von einem anonymen Autor um 1165 im An-
schluss an die Seligsprechung dieses Kaisers auf Betreiben
Friedrich Barbarossas verfasst wurde. Von ihr bewahrt das
hiesige Stadtarchiv eine Abschrift des 15. Jahrhunderts, die früher
im Besitz des Aachener Geschichtschreibers Peter a Beeck war;
eine andere Abschrift, welche Käntzeler derselben Zeit zuschreibt,
Kanonikus Kessel dagegen richtiger in das 14. Jahrhundert
setzt, befindet sich im Archiv des Münsterstifts. Vier weitere
Abschriften beruhen, drei in französischen Bibliotheken, eine
in Wien 3. In dem dritten Buche dieser Vita, deren genaue-
rer Inhalt bisher nur aus den beiden Aachener Abschriften
bekannt geworden ist4, wird der Feldzug Karls d. Gr. in Spa-
nien geschildert und erzählt, dass er mit dem Gold und Silber,
welches ihm spanische Fürsten zugebracht, eine Anzahl Kirchen
geschmückt und gegründet habe, darunter auch das Münster
in Aachen und die Kirche des h. Jakob in demselben Dorfe 5.
') Echo der Gegenwart 1885, Nr. 179, Bl. I.
2) In der Aachener historischen Literatur findet sich diese Vita mehr-
fach mit dem völhg ungerechtfertigten Namen des Corsendonker Manuskripts
bezeichnet.
3) Hansen, Beiträge zur Geschichte von Aachen I, S. 16.
4) Käntzeler, Vita sancti Karoli Magni, saec. XU«"- Ruracmundae 187 t.
Eine neue kritische Ausgabe der Vita mit Benutzung des gcsammten Hand-
schriftenmaterials wäre dringend erwünscht.
a) Der "Wortlaut in der Handschrift des Stiftsarchivs (Bl. 47 v.) ist:
„multas fecit ecclesias : ecclesiam scüicet beate Marie virginis, que apud
Die kirchlichen Zustände Aachens in vorkarolingischer Zeit. 5
Es steht fest, dass der Verfasser der Lebensbeschreibung die auf
Spanien bezügliche Stelle, wie so manche andere des dritten
Buches, der sog. Chronik des Turpin (Bischof von Rheinis,
f um 800) entnommen hat, einem Machwerk, das fälschlich
anter diesem Namen im 11. Jahrhundert von einem Prior
Gottfried in Vienne (Dauphine) verfasst wurde. Der die
Jakobskirche betreffende Zusatz fehlt bei Turpin und ihn hat
wahrscheinlich der Verfasser der Vita, in welchem man deshalb
und aus andern Gründen einen Aachener vermuthet, möglicher-
weise auch erst der Schreiber einer der spätem Handschriften
beigefügt. Durch die Entscheidung der letztern Alternative, d. h.
durch die Feststellung, ob jener Zusatz sich bereits im ursprüng-
lichen Text der Vita, bezw. in einer gleichzeitigen oder wenig
spätem Abschrift derselben vorfindet, oder ob er erst in den
Abschriften nachheriger Zeit vorkommt, wird zugleich das Alter
der Jakobskirche bestimmt. Denn wäre er im Original oder
einer bald nachher davon genommenen Abschrift enthalten, so
würde damit der vollgültige Beweis erbracht sein, dass in der
zweiten Hälfte des 12. Jahrhunderts eine Jakobskirche in Aachen
bestand und bereits so alt war, dass man ihre Gründung ohne
Anstoss Karl d. Gr. zuschreiben konnte K Doch mag dem sein,
wie ihm wolle, mag die Jakobskirche von Karl d. Gr. erbaut
oder erst Ende des 12. Jahrhunderts entstanden sein, bei der
Erörterung der ältesten kirchlichen Zustände Aachens kommt
sie in keinem Falle in Betracht.
Es entsteht nun die Frage, ob sich nicht unter den jetzt
verschwundenen Kirchen Aachens, über welche wir Nachrichten
besitzen, das älteste Gotteshaus befunden habe. In dieser Be-
ziehung bietet nur die ehemalige St. Aldegundiskapelle Anlass
Aquisgranum est, et basilicam heati Jacohi in eadem villau, während es in
der Handschiift des Stadtarchivs (S. 72) heisst : „decoravit niultas ecclesias
et fabricavit, ecclesiam scilieet beate virginis Marie, que est Aquisgraui, et
basilicam sancti Jacobi, que est in eadem villa".
1) Auch das unter dem Namen „Karlmeinet" bekannte Epos aus dem
14. Jahrhundert bezeichnet Karl d. Gr. als Erbauer der Jakobskirche; vgl.
Annaleu des bist. Vereins f. d. Niederrhein XI. XU, S. 88.
6 R. Pick
zu einer eingehendem Untersuchung. Sie lag bekanntlich in
der Ursulinerstrasse (früher Aldegundisstrasse genannt) an der
Stelle des jetzigen Regierungs-Präsidial-Gebäudes, an dessen
Ostseite eine fiinfzeilige Steininschrift 1 das Andenken an das
seit 1787 mit seinen letzten Trümmern beseitigte Kirchlein
bewahrt. Vielfach wird es für das älteste Gotteshaus unserer
Stadt ausgegeben, als Stifter bald der austrasische König Siege-
bert III. (632—656), baldPippin (741-768), der Vater Karls
d. Gr., bald des letztern Sohn Ludwig der Fromme (814—840)
genannt. Alles ist unbegründet, wie sich unschwer nach-
weisen lässt.
Die h. Aldegundis, merovingischen Geschlechts, eine Tochter
Walberts und der Bertilia, lebte im 7. Jahrhundert. Ihr Todes-
jahr wird verschieden bezeichnet. Meist gibt man an, sie sei
um 660 gestorben, die Bollandisten setzen ihren Tod viel später,
eine erneute Untersuchung, welche Domkapitular Tibus darüber
angestellt hat 2, macht es sehr wahrscheinlich, dass die h. Alde-
gundis am 13. November 684 oder 30. Januar 685 das Zeit-
liche gesegnet hat. Die Uebertragung ihres Leibes aus der
Familiengruft zu Courtsore in die von der Heiligen selbst
gestiftete Abteikirche zu Maubeuge erfolgte unter der h. Alde-
gundis Nichte und Nachfolgerin in der Abtissinwürde, der h. Adel-
trudis, die ums Jahr 700 bereits verstorben war. Möglich ist, dass
man die h. Aldegundis schon gleich nach ihrem Tode verehrt und
angerufen hat, auch mag die feierliche Uebertragung ihrer Ge-
beine ihren Ruf nach aussen verbreitet haben, aber viel wahr-
scheinlicher ist doch, was auch Professor Evelt annimmt3, dass
ihr die Ehre, zur Kirchenpatronin erwählt zu werden, erst in
späterer Zeit zu Theil geworden ist. Hiernach kann also die
Aldegundiskapelle in Aachen nicht füglich vor dem 8. Jahr-
*) Ungenau abgedruckt bei Quix, Hist.-topogr. Beschreibung der Stadt
Aachen S. 189, Anm. 39 und Beiträge zur Geschichte der Stadt Aachen
II, S. 115; ebenso bei Haagcn, Geschichte Achens I, S. 118.
2) Tibus, Der Gau Leomerike und der Archidiakonat von Emmerich
S. 100 ff.
3) Köhlers Literarische Bundschau I, S. 215.
Die kirchlichen Zustände Aachens in vorkarolingischer Zeit. 7
hundert eitstanden soin. Dass aber ihre Gründling auch nicht
in eine viel spätere Zeit, wahrscheinlich noch in die erste Hälfte
des 8. Jahrhunderts fällt, dafür lässt sich ebenfalls ein nicht
unwichtiger Umstand geltend machen.
Vorhin wurde bemerkt, dass die h. Aldegundis dem mero-
vingischen Geschlecht angehörte. Das karolingische Herrscher-
haus hatte aber keine besondere Andacht und Verehrung zu
den Heiligen aus diesem Stamme, nachdem Pippin im Jahre
751 den letzten Schattenkönig merovingischen Geschlechts,
Childerich III., vom Throne verdrängt hatte. Auch mag ihm
wohl die Weihe der von Andern in seinem Gebiete errichteten
Kirchen auf eine merovingische Heilige nicht sonderlich er-
wünscht gewesen und daher möglichst vermieden worden sein.
Ziemlich deutlich zeigt sich dies in den alten Diözesen Münster,
Paderborn und Osnabrück, wo das Christen thum erst unter Karl
d. Gr. Eingang fand, aber keine von den" vielen damals gegrün-
deten Kirchen der h. Aldegundis geweiht wurde, während die
karolingische Heilige Gertrudis, die Tochter Pippins von Landen,
dort bei sieben Kirchen als Patronin erscheint K So wird man
denn nicht fehlgehen, wenn man die Gründung der Alde-
gundiskapelle in Aachen in die Zeit zwischen 700 und 750
verlegt.
Gestiftet wurde die Kapelle ohne Zweifel von der um die
Mitte des 7. Jahrhunderts entstandenen Benediktiner- Abtei
Stablo, die, wie man aus spätem Urkunden ersieht, um die
Kapelle herum, wahrscheinlich durch Schenkung eines Mero-
vingerkönigs, einen ansehnlichen Güterbesitz hatte. Solche Hof-
oder Gutskapellen wurden im Mittelalter häufig von den reichen
Abteien und Stiftern auf ihren Gütern errichtet; so liess, um
nur ein paar Beispiele zu erwähnen, das Kölner Gereonsstift
auf seinen Allodien in Spiel, Giesenkirchen, Monheim u. s. w.
Kapellen zu Ehren des h. Gereon, die Abtei Gladbach auf
ihrer „curtis ad Udam" eine Kapelle des h. Veit, die nachherige
Pfarrkirche zu Oedt, erbauen. Ausser der Aldegundiskapelle
l) Tibus a. a. 0. S. 105 I.
8 R. Pick
in Aachen besass Stablo seit uralter Zeit noch eine derselben
Heiligen geweihte Kirche in dem Dorfe Recht bei Malmedy.
Prüft man die vorhandenen urkundlichen Zeugnisse in
Bezug auf das Alter und die Stellung der Aldegundiskapelle
in dem Aachener Kirchensystem, so kommt hier nur eine
Urkunde Kaiser Lothars III. 1 in Betracht, worin dieser kurz
vor seinem Tode, am 22. September 1137, von Aquino aus
der Abtei Stablo ihre Rechte und Besitzungen bestätigte.
Zwar wird die Kapelle, wenn man dem Triumphus s. Remacli
trauen darf2, schon früher, um 1066, in dem Streite der Abtei
Stablo mit dem Erzbischof Anno IL von Köln im Besitz der
erstem erwähnt und erzählt, dass hier der Leichnam des
h. Remaklus, als die Stabloer Mönche damit vor König Hein-
rich IY. in Aachen erschienen, vorübergehend untergebracht
worden sei3, aber diese Notiz ist, abgesehen von ihrer Zweifel-
haftigkeit, für die vorliegende Untersuchung ohne Bedeutung,
da, wie vorhin bemerkt, Stablo die Aldegundiskapelle bereits
Jahrhunderte vorher, seit ihrer Gründung, besessen haben muss.
Anders die Urkunde Kaiser Lothars, deren mit goldenen Buch-
staben geschriebenes und mit einem Goldsiegel beglaubigtes
Original jetzt das Düsseldorfer Staatsarchiv bewahrt. In ihr
zählt der Kaiser die Besitzungen einzeln auf, welche die Abtei
Stablo in Aachen hatte, darunter die Aldegundiskapelle, welche
er mit einigen "Worten näher kennzeichnet; er sagt wörtlich:
„(Confirmamus) et maxime possessionem, quam Aquisgrani
eadem habet ecclesia, id est domum indominicatam et capellani
indominicatam et liberam et domos XXX, in una parte viae
XXV per ordinem et sine interruptione positas, scilicet a domo
illa, quae fuit Cameracensis episcopi, usque ad fossatum in ea
parte, qua itur ad pontem Harduini, et in alia parte viae ante
praefatam capellam sanctae Aldegundis quinque domos et sex
bonuarios terrae ibidem circumquaque iacentes." Stablo besass
') Quix, Cod. dipl. Aquensis no. 102 ; Stampf, Die Reichskanzler Nr. 3353.
-) Vgl. Potthast, Wegweiser durch die Geschichts werke des euro-
päischen Mittelalters S. 867.
3) Zeitschrift des Aach. Geschichtsvereins III, S. 72 f.
Die kirchlichen Zustande Aachens in vorkarolingischer Zeit.
n1
hiernach Zu Aachen ein Herrenhaus, das Absteigequartier der
Abtei, eine freie, d. h. von der Pfarrkirche unabhängige, herr-
schaftliche Kapelle und 30 Häuser, von denen 25 in dem einen
Theil der Strasse in einer Reihe nebeneinander von dem frühem
Hause des Bischofs von Cambrai an bis zu dem Stadtgraben 1
an derjenigen Stelle, wo man zur Harduinsbrücke ging, und 5
in dem andern Theil der Strasse vor der gedachten Kapelle
der h. Aldegundis gelegen waren, ferner 6 Bunder Land, die
ebendaselbst rings herum lagen. Ganz klar ist die Beschreibung
nicht, aber wahrscheinlich ist doch Qu ix 2 im Recht, wenn er
das Besitzthum mit dem heute von der Hartmannstrasse,
Ursulinerstrasse und Friedrich Wilhelms-Platz umschlossenen
Terrain für gleichbedeutend hält.
Aus den Angaben der Urkunde Lothars III. geht mit
Bestimmtheit hervor, dass die Aldegundiskapelle im Jahre 1137
noch den ihr bei der Stiftung beigelegten Charakter einer Hof-
kapelle bewahrte. Dieser Umstand und das früher Gesagte
schliessen die Annahme völlig aus, dass diese Kapelle zu irgend
einer Zeit die Tauf- bezw. Pfarrkirche Aachens gewesen sei.
Fehlt es so, wie man sieht, an allen direkten, monumen-
talen wie urkundlichen Zeugnissen über die ältesten kirchlichen
Zustände unserer Stadt, so lassen sich doch aus Nachrichten
späterer Zeit in Verbindung mit einzelnen Fundnotizen und
Anderni, wie mir scheint, mancherlei Momente gewinnen, deren
Zusammenfassung wohl geeignet sein dürfte, über das bisherige
Dunkel einiges Licht zu verbreiten. Ich will versuchen, im
Nachfolgenden das Ergebniss meiner Wahrnehmungen in Kürze
darzulegen.
Durch neuere Forschungen 3 steht fest, dass zur Römerzeit
in Aachen ein Kastell bestand, an das sich eine bürgerliche
Ansiedlung von ziemlicher Bedeutung anschloss. Professor
') Ueber die Befestigung Aachens vor dem Jahre 1172 vgl. meinen
Aufsatz in der Aachener Volkszeitung 1886, Nr. 110.
'-) <^uix, Beiträge zur Geschichte der Stadt lachen II. S. 105.
3) Zeitschrift des Aach. Geschichtsvereins VII, S. 17<; f. and VIII.
S. 112 ff.
10 R. Pick
Schneider 1 stellt das römische Aachen ungefähr auf gleiche
Stufe mit dem römischen Wiesbaden. Beide Orte waren Knoten-
punkte von mindestens vier Kömerstrassen, beide besassen
warme Bäder und an beiden gab es ein Kastell mit einer
bürgerlichen Ansiedlung. Zwar vermögen sich einzelne unserer
lokalen Forscher mit der Idee eines römischen Kastells in
Aachen nicht zu befreunden und wenden namentlich dagegen
ein, dass von den Mauern einer solchen Anlage bisher nichts
aufgefunden worden sei, aber dieser Einwand erscheint doch,
abgesehen von den vielfachen Anzeichen, die jener Annahme
das Wort reden, um deswillen unberechtigt, weil planmässige
Nachforschungen nach den Umfassungsmauern des Kastells
niemals angestellt worden sind. Nach einzelnen Funden, z. B.
nach den im Münster aufgedeckten römischen Mauerresten, der
in der Jakobstrasse, Klappergasse und Adalbertstrasse auf-
gefundenen römischen Strasse, den römischen Gräbern in der
Ursulinerstrasse zu urtheilen, ist seit der Römerzeit bis heute
in unserer Stadt eine Bodenerhöhung von 2 — 3, stellenweise
sogar von 4 — 5 m eingetreten, es wären also vor Allem tief-
gehende Nachgrabungen erfordert, denen wiederum die Häuser-
bauten auf den hier in Betracht kommenden Stellen vielfach
im Wege stehen. Was alles innerhalb des heutigen Stadt-
gebiets noch in dem dunkeln Schacht der Erde verborgen ruht,
hat sich besonders bei der Anlage der städtischen Wasserleitung
im Jahre 1879 ergeben. Eine Beschreibung der einzelnen
Fundgegenstände ist leider bisher nicht erfolgt, nicht einmal,
ob alle die Funde eine genaue Verzeichnung fanden, ist bekannt
geworden. Es sind das Unterlassungssünden, deren sich die
Archäologen einer Stadt wie Aachen nicht schuldig machen
sollten.
Nach dem Untergang der römischen Herrschaft in unserer
Gegend blieben die bei den Militär-Stationen entstandenen
bürgerlichen Ansiedlungen bestehen. Auch in Aachen wird
diese Ansiedlung fortgedauert haben. Lässt sich dies schon
') Ebendas. Yll, S. 177.
Die kirchlichen Zustände Aachens in vorkarolingischer Zeit. 11
aus dem Umstand vermuthen, dass, wie mehrfach aufgefundene
und zum Theil noch erhaltene Mauerreste verrathen, mero-
vingische Bauleute hier in verhältnissmässig ausgedehntem
Masse thätig waren, so spricht namentlich hierfür auch der
vor mehrern Jahren vor dem Königsthor unfern des Langen
Thurms entdeckte merovingische Kirchhof1, welcher sogar auf
eine nicht ganz unbedeutende Bevölkerungsziffer in Aachen
schliessen lässt Das Märchen von dem Urwald, der die
Trümmer des römischen Aachens bedeckt haben soll, bis sie
in spätem Jahrhunderten durch die Franken wieder aufgefunden
und neu besiedelt wurden, ist mit den Ergebnissen der neuern
Forschung nicht in Einklang zu bringen. Ich sage also, eine
Kontinuität zwischen der zur Kömerzeit bestehenden bürger-
lichen Ansiedlung und der erst im S.Jahrhundert wieder erwähnten
villa (Königshof mit Dorf) Aachen wird man unbedingt annehmen
müssen. Alles weist darauf hin, dass die bürgerliche Ansied-
lung westlich und südwestlich von dem Kastell, dessen Mittel-
punkt ohne Zweifel auf dem Markthügel anzunehmen ist, sich
ausgedehnt hat, mithin in der Gegend der heutigen Jakob-
strasse südlich bis zur Marschier- und Jesuitenstrasse. Mitten
in diesem Komplex finden wir das alte Gerichts- und Kathhaus,
das sog. Gras 2, und da dieses stets am Markt zu liegen pflegte,
so werden wir in dem heutigen Fischmarkt wohl den ältesten
Marktplatz der bürgerlichen Ansiedlung zu erblicken haben.
Gebildet wurde der Platz durch den Durchschnitt zweier
Kömerstrassen, von denen die eine eine Abzweigung der wich-
tigen Heerstrasse von Xanten über Heerlen nach Trier war
(der Hauptarm ging durch die Pontstrasse zum Römerlager auf
dem Markthügel und weiter durch die Hartmanns- und Wirichs-
bongardstrasse 3), die andere von Mastricht her in der Richtung
J) Echo der Gegenwart 1882, Nr. 1, Bl. II.
2) Zeitschrift des Aach. Geschichtsvereins V1LL, S. 11:!. Anm. 1.
3) Ueher diese Strasse bemerkt Nolten in den handschriftlichen Nach-
trägen zu seiner 1818 erschienenen „Archäologischen Beschreibung der .Mün-
ster- oder Krönungskirchc in Aachen11: „Die Strasse nach Trier ist noch bei
Frankenberg sichtbar, nämlich da, wo der Fusspfad über die Felsen an der
12 R. Pick
auf Stolborg und Düren nach Köln zog. Beide Strassen durch-
schnitten die von Limburg nach Jülich führende Römerstrasse
in der Jakobstrasse, jene bei der Einmündung der Kockerell-
strasse, diese etwas mehr westlieh in der Gegend der Trichter-
gasse. Die Bezeichnung „Fischmarkt" für jenen Platz, der im
13. und 14. Jahrhundert urkundlich „vor dem Parvisch", im
15. Jahrhundert „Parvisclr' genannt wird1, entstammt offenbar
späterer Zeit, als durch die Abstinenzgebote der Kirche der
Fischbedarf ein grösserer geworden war. Wie in Aachen beim
Münster liegt der Fischmarkt in Utrecht beim Dom, in
s' Gravenhage bei der olde Kerk, in Wesol bei der Willebrords-
kirche u. s. \v.
Nach der Art und Weise, wie das Christenthum am Rhein
verbreitet wurde, muss man annehmen, dass es ungefähr zu der
nämlichen Zeit, als es in der Hauptstadt Untergermaniens, der
römischen Koloniestadt Köln, eingeführt wurde, auch in den
römischen Kastellen der Umgegend, in Bonn, Neuss, Jülich,
Aachen u. s. w. Eingang fand. Anfänglich vollzog der Kölner
Bischof, dem sehr wahrscheinlich in älterer Zeit auch Aachen
unterstand, in allen diesen Orten selbst die Taufe. Die zu-
nehmende Ausdehnung der Diözesan-Sprengel und die sich
mehrende Zahl der Christen mögen wohl bald, namentlich an
den vom Sitze des Bischofs entferntem Orten, das Bedürfniss
fühlbar gemacht haben, eine eigene Taufkirche mit einem
plebanus zu besitzen. So wird auch Aachen schon in frühester
Zeit seine Taufkirche, aus der sich dann weiterhin die Pfarr-
kirche im heutigen Sinne entwickelte, erhalten haben. Aber
wo lag dieses älteste Gotteshaus ?
Stelle geht, wo man den Bach überschreitet. Hier sind die Fuhrgeleise
tief in den Felsen eingeschnitten, und der Weg ging durch das Bett des
Baches, bis er sich lauter Frankenberg wieder erhebt, wo er noch durch
eine mehrfache Baumpflanzung, die zwischen den Feldern durchgeht, be-
zeichnet wird. Er führt nun an dem Walde vorbei bis auf die Aachener
Beide, von wo noch der alte CorneKmünsterer Weg im Gebrauch ist."
') Für die von Quix und Laurent vertretene Ansicht, dass der Fisch-
markt in früherer Zeit ..Eiseumarkt" geheissen habe, fehlt jeder urkund-
liche Beweis.
Die kirchlichen Zustände Aachens in vorkarolingischer Zeit. 13
In neuerer Zeit hat man mehrfach nachgewiesen, dass am
Rhein die frühesten Taufkirchen auf römischem Fiskalboden
standen, ja dass ziemlich regelmässig zu solchen Kirchen
römische Bauwerke benutzt worden sind. Selbst römische
Bäder blieben hierzu, wenn man den Nachrichten aus Trier
glauben darf, nicht unverwandt. Ton dieser fast konstanten
Praxis werden auch die Glaubensboten, welche das Evangelium
zuerst in Aachen verkündeten, kaum abgewichen sein. Man
wird also mit Fug vermuthen dürfen, dass auch hier das erste
Kirchlein nahe bei dem römischen Kastell und auf dessen
Boden sich befand. Eine Betrachtung des in Frage kommenden
Terrains und zahlreiche sonstige Anhaltspunkte sprechen nun
mit ziemlicher Gewissheit für die Vermuthung, dass diese
älteste Kirche sich an der Stelle des heutigen Münsters oder
doch in seiner nächsten Umgebung befunden habe. Folgendes
sind im Einzelnen die Gründe, welche diese Annahme nahe legen.
Zunächst kommt für die vorliegende Untersuchung mil-
der Bezirk des römischen Aachens, der im Grossen und Ganzen
mit der spätem Altstadt zusammenfallen mag, in Betracht. Er
wurde im Norden von dem Sumpfterrain des Johannisbachs
begrenzt1, in das man wohl schwerlich in ältester Zeit das
Gotteshaus hineingebaut haben wird. Nach Osten hin schloss
er mit dem untern Theil des Bücheis ab, der mit Bädern und
andern römischen Bauten besetzt war. Die Entstehung der
Peterskirche frühestens im 12. Jahrhundert weist darauf hin,
dass die Ansiedlungen nach dieser Seite erst im spätem Mittel-
alter erfolgt sind. Im Südosten und Süden lässt die in der
ersten Hälfte des 8. Jahrhunderts, wie wir sahen, vorgenommene
Gründung der Aldegundiskapelle darüber kaum einen Zweifel,
dass in ältester Zeit hier, wenigstens bis zur jetzigen Hartmann-
strasse, keine Kirche vorhanden war. Es bleibt also nur noch
der südwestliche und westliche Theil des ältesten Ansiedlungs-
gebiets übrig, dasselbe Terrain, auf welchem auch Einhard im
Anfang des 9. Jahrhunderts den vicus, das Dorf Aachen be-
') C.P.Bock, Geschichtliche, Darstellung des Aachener Etathhauses S. 16.
14 R. Pick
zeugt. Wo könnte aber in dieser letztern Gegend die Kirche
sich passender befunden haben, als an der Stelle der spätem
Pfalzkapelle? Dort in dem Winkel, welcher von den beiden
auf dem Fischmarkt sich kreuzenden Römerstrassen gebildet
wurde, und in der Nähe zweier anderer, der das römische
Lager auf dem Markthügel durchschneidenden Römerstrassen
nach Jülich und Trier lag sie im Mittelpunkt des Verkehrs
und, was besonders wichtig erscheint, auf fiskalischem Boden
innerhalb oder dicht bei dem römischen Kastell. Denn durch
die Ausgrabungen im Innern des Münsters ist erwiesen, dass
dieses an der Stelle eines römischen Gebäudes, wahrscheinlich
eines Badehauses, steht, dessen Fundamente noch in der Erde
liegen 1. Damit würde zugleich die Möglichkeit für die An-
nahme gegeben sein, dass, wie an andern Römerorten, auch in
Aachen zu dem ältesten Gotteshaus ein römisches Bauwerk
verwandt worden sei.
Dr.ss sich Spuren dieser ältesten Kirche nirgendwo in der
Erde gefunden haben, kann nicht im Mindesten befremden ;
denn wäre kein römisches Gebäude hierzu benutzt worden, so
würde die Kirche ohne Zweifel aus Holz gebaut gewesen, also
die Aufdeckung von Fundamentresten unmöglich sein. Be-
kanntlich haben sich in Deutschland nirgend mehr Spuren von
Kirchenbauten aus der Zeit vor dem Ende des 8. Jahrhunderts
erhalten. Noch in späterer Zeit wurde in Aachen auf dem
Salvatorberg die Kirche, welche Ludwig d. Fr. und seine im
Jahre 818 verstorbene Gemahlin Irmgardis errichten Hessen,
in Holz erbaut.
Es sei gestattet, hier eine merkwürdige Notiz einzuschalten,
welche sich in Meyers Chronik über eine angeblich zu König
Pippins Zeit in Aachen vorhandene Kirche findet2. Meyer be-
richtet nämlich von einer Silbermünze, welche nach Hartz-
heims Beschreibung auf der Vorderseite ein Kreuz mit der
Umschrift: PIPINVS REX EO (?), auf der Rückseite eine
') Protokolle über die Nachgrabungen in der Aachener Müusterkirche
vom 9.— 19. Oktober 1843; Bonner Jahrbücher XXXJH. XXXIV, S. 220 f.
'■) Meyer, Aachensche Geschichten I, S. 35.
Die kirchlichen Zustände Aachens in vorkarolingischer Zeit. 15
Kirche zeige, vor welcher vier Säulen ständen, in deren Mitte
sich, wie^auch auf der Spitze des Daches, ein Kreuz befinde
mit der Beischrift: AQVIS VEBI. Aus dieser Darstellung
folgert Meyer, dass es zu Pippins Zeit eine solche Kirche in
Aachen gegeben habe, was annehmbar wäre, wenn die Echt-
heit der Münze, von welcher Eckhart ein Exemplar in der
Sammlung des Abtes Gottfried zu Göttweih in Oesterreich
gesehen haben will, und ihr Bezug auf Aachen sich nach-
weisen iiesse. Sehr wahrscheinlich trifft dies aber nicht zu.
Sollte es der Fall sein, so würde in der Darstellung der Kirche
auf der Münze vielleicht ein Anhaltspunkt zur Erklärung jener
Säulen gewonnen sein, von denen im Sommer 1886 drei Sockel
aus Blaustein, einer mit dem nicht unbedeutenden Reste einer
aus römischen Ziegeln errichteten Kundsäule, an der Nordseite
des Münsters ausgegraben wurden.
Für die vorgetragene Ansicht über die Lage der ältesten
Kirche spricht aber noch ein Anderes. Im Jahre 1748 wurde
unter der Leitung des Rathssekretärs und Stadtarchitekten
J. J. Couven die ungarische Kapelle erneuert. Der Bau war
nahezu fertig, als man einsah, dass die Fundamente nicht
stark genug seien, um das Gebäude zu tragen. Man brach es
daher 1756 wiederum ab und warf die Fundamente bedeutend
tiefer aus. Bei dieser Gelegenheit stiess der Leiter des neuen
Baus, der Baumeister Moretti, auf ein altes Bad, von dem
uns Meyer in seinen Aachenschen Geschichten eine unzuver-
lässige Abbildung mit einigen wenigen Nachrichten hinterlassen
hat. Letzterer hält das Bad für ein römisches, aber bei dem
geringen Verständniss, welches er nachgewiesenermassen in ar-
chäologischen Dingen besass, hat sein Urtheil kaum einen
"Werth. Weit eher möchte ich dem gelehrten Professor Bock
beistimmen, der aus mehrfachen Gründen das aufgefundene
Bad als ein altchristliches Baptisterium bezeichnet hat. Auch
Quix ist dieser Ansicht beigetreten1, während in neuester Zeit
allerdings Lersch dem Bad wiederum römischen Ursprung
l) Quix, Geschichte der Stadt Aachen I, S. 2, Anni. 2.
16 R. Pick
vindiziren möchte, ohne sich jedoch mit Bestimmtheit darüber
auszusprechen1. Aber selbst wenn das Bad sich auch als ein
römisches erweisen lassen sollte, so würde doch der Annahme
nichts entgegenstehen, dass es in christlicher Zeit als Taufbad
gedient haben könnte. Die Benutzung solcher heidnischen
Einrichtungen zu christlichen Zwecken ist eine keineswegs
ungewöhnliche Erscheinung. Ein ähnliches Bad liegt, wenn
nicht Alles trügt, unter dem Dom in Köln, an dessen Stelle
wahrscheinlich die älteste Taufkirche dieser Stadt gestanden hat.
Wie Meyer angibt, wurde dem Bad unter der ungari-
schen Kapelle kaltes "Wasser durch ein Rohr zugeführt, welches
sich in der Mitte des Bassins befand. Bekanntlich wurden
die Christen in ältester Zeit nicht durch Uebergiessen mit
Wasser, wie es heute geschieht, sondern durch Untertauchen
in fliessendem Wasser getauft. Hierzu bedurfte es selbstver-
ständlich grösserer Wassermengen und so sehen wir denn da,
wo es römische Wasserleitungen gab, dass diese zu jenen
Zwecken benutzt wurden. In Bonn habe ich eine solche Be-
nutzung der zum römischen Kastrum führenden Wasserleitung
bei der Dietkirche, der ältesten Taufkirche dieser Stadt, mit
ziemlicher Gewissheit nachgewiesen 2. In Aachen wird dasselbe
der Fall gewesen sein. Hier führt nämlich, vermuthlich von
der Pauwasserleitung sich abzweigend, quer über den Domhof
in der Richtung von Nordwesten nach Südosten ein uralter
Wasserkanal dicht bei der ungarischen Kapelle vorbei, der zu-
letzt im Frühjahr 1886 bei den auf dem Münsterplatz vor dem
Hause von Schavoir vorgenommenen Aufgrabungen blossgelegt
wurde. Aus diesem Kanal wird das Taufbad gespeist worden
sein, wenn dafür nicht eine eigene Leitung, die man vielleicht
in der noch heute zur Taufkapelle führenden erblicken könnte,
angelegt war. Man sieht, mancherlei tritt ungezwungen zu-
sammen, um die Annahme der ältesten Taufkirche an der
Stelle des heutigen Münsters wahrscheinlich zu machen.
') Zeitschrift des Aach. Geschichtsvereins VII, S. 161.
'-) Pick, Geschichte der Stiftskirche zu Bonn I, S. 15.
t)ie kirchlichen Zustände Aachens in vorkarolingischer Zeit. 17
o*
Auf ein anderes Moment, das noch hinzukommen könnte,
dürfte einstweilen weniger Gewicht zu legen sein, weil die
Thatsachen, auf die es sich stützt, bisher nicht genügend fest-
gestellt worden sind. Bei den erwähnten Aufgrabungen, welche
auch über den heutigen Domhof erstreckt wurden, stiess man
nämlich in dessen Nordostecke auf mehrere christliche Gräber
mit Skeletten, deren Schädelreste nach einem jüngst veröffent-
lichten Fundbericht1 mit den vor dem Königsthor ausge-
grabeneu in der eigenthümlichen Form übereinstimmen sollen.
Liesse sich dies mit Gewissheit konstatiren, so würden wir
am Münster ebenfalls wie vor Königsthor einen Begräbnissplatz
aus merovingischer Zeit vor uns haben, nur mit dem Unter-
schied, dass hier, wie das Fehlen der Grabbeigaben anzeigt,
christliche, dort vor der Stadt heidnische Merovinger bestattet
lägen. Ein christlicher Friedhof bei dem Münster aus so früher
Zeit würde aber wiederum auf die Lage der ältesten Kirche
an dieser Stelle hinweisen. Dieser Kirchhof wurde bald nach
der Erbauung der Pfalzkapelle aus deren Umgebung nach dem
Salvatorberg verlegt, wie man aus einer Urkunde Ludwigs des
Deutschen vom Jahre 870 ersieht'2. Dort wurde eine Kirche
errichtet, „ut ibi cymiterium esset mortuorum", sagt diese Ur-
kunde bezeichnend, indem sie den in Aachen und auch in
Westfalen noch heute beim Volke gebräuchlichen Ausdruck
,Todtenkirchhofu genau wiedergibt.
Dem gegenüber erwähnt zwar Ein hard einen Kirchhof auf
einer östlich von der Pfalz gelegenen Anhöhe, den man vor
mehrern Jahren in der Gegend der Harscampstrasse aufge-
wunden haben will 3. Die zahlreichen Waffenbeigaben, wrelche
hier zu Tage kamen, lassen vermuthen, dass an der Fund-
stelle weniger ein Friedhof der alten christlichen Gemeinde,
als vielmehr ein Militärkirchhof anzunehmen sein dürfte.
Doch ich lege, wie bemerkt, dem Begräbnissplatz bei dem
Münster vorläufig weniger Bedeutung bei, weit wichtiger scheinen
') Echo der Gegenwart 1885, Nr. 202, Bl. I.
2) Quix, Codex dipl. Aquensis no. 45.
3) Politisches Tageblatt vom 29. April 1882.
18 lt. Pick
mir noch einige andere Anhaltspunkte zu sein. Als Karl d. Gr.
die Pfalzkapelle gründete, setzte er bei derselben eine priester-
liche Genossenschaft ein, an deren Spitze ein Abt trat, der
später infolge der veränderten Klosterregel den noch heute
beibehaltenen Titel „Propst" annahm. Dieser Genossenschaft
wurde auch die Pfarrseelsorge übertragen und der ganze
Pfarrbezirk dem Abt unterstellt, der ihn durch einen besondern
Priester, plebanus, Erzpriester, beim Volke Proffion genannt,
verwalten liess. Hauptbestandtheile dieser Verwaltung waren
Taufe und Begräbniss. Das Begräbnissrecht scheint das Münster
den später neben ihm entstehenden städtischen Pfarrkirchen
schon frühe eingeräumt zu haben, aber die Taufe wurde noch
bis zum Jahre 1803 für alle Kinder der Stadt in der Tauf-
kapelle des Münsters vollzogen, ausser von Ostern bis Pfingsten,
wo sie auf dem Hochmünster stattfand. In der Folgezeit wurde
das Taufrecht sämmtlichen Pfarreien der Stadt zugestanden,
doch mussten sie in der angegebenen Zeit (Ostern bis Pfingsten)
in der Taufkapelle des Münsters ihre Taufen vollziehen, bis
bei der Aufhebung des Bisthums Aachen auch dieser letzte
Rest der einstigen Abhängigkeit vom Münster in Wegfall kam.
Ueber die Uebertragung des Pfarrrechts an die bei der Pfalz-
kapelle errichtete Abtei hat sich meines Wissens ein direktes
Zeugniss nicht erhalten, obgleich sonst die Nachrichten über
Aachen aus der Zeit Karls d. Gr. nicht eben spärlich sind.
Das scheint mir aber gerade dafür zu sprechen, dass die Um-
wandlung des bestehenden kirchlichen Zustands durch jene
Uebertragung ziemlich geräuschlos vor sich gegangen ist, und
zwar in der Weise, dass an Stelle der alten, vielleicht bau-
fälligen Kirche die neue prächtige Pfalzkapelle zugleich als
Pfarrkirche trat. Nur so allein lässt es sich auch erklären,
wie aus der Tradition des Volkes jede Spur der Erinnerung
an ein Bauwerk verschwinden konnte, mit dem es auf so
vielfältige Weise eng verbunden war. Hätte die alte Kirche
an einer andern Stelle gelegen, wahrlich das Andenken an
sie würde durch eine lokale Ueberlieferung, eine örtliche
Bezeichnung oder sonst etwas erhalten geblieben sein. Der
Die kirchlichen Zustände Aachens in vorkarolingischer Zeit. i9
Anblick des neuen prächtigen Doms, dessen Errichtung in den
Beziehungen des Volkes zu seiner Pfarrkirche keine wesentliche
Aenderung herbeiführte, hat eben die Erinnerung desselben
an den altern Bau, an dessen Stelle er trat und den er ge-
wissermassen in sich aufnahm, völlig verwischt.
Wie es bei den alten Kathedralkirchen, z. B. in Köln,
Mainz, Worms, Speyer u. s. w. der Fall war, wurde auch bei
der Pfalzkapelle ein besonderes Baptisterium, die noch heute
am FisChmarkt bestehende Taufkapelle, gebaut. Sie wurde an
die Westseite des Münsters vor das Parvisch gelegt, ähnlich
wie in Essen, wo die Taufkapelle ebenfalls westlich am Dom
sich befindet. Die Aachener Taufkapelle war seit jeher Johannes
dem Täufer gewidmet l. Wahrscheinlich war demselben Patron
die älteste Taufkirche geweiht, von welcher er dann auf die
spätere Taufkapelle übergegangen sein mag.
Diese Wahl des Schutzpatrons ist für das Alter der ersten
Kirche wiederum bezeichnend. Schon der geistvolle Jubilarpfarrer
Dr. Mooren hat vor vielen Jahren darauf hingewiesen 2, dass
die ältesten Taufkirchen am Rhein auf den Titel des h. Johann
Baptist geweiht gewesen sind. In Bonn habe ich dies, um nur
ein paar Beispiele anzuführen, bei der Dietkirche, wahrschein-
lich einer Gründung noch aus Konstantins d. Gr. Zeit, nach-
gewiesen und bezüglich einer andern, ebenfalls bei einem
römischen Kastell, angeblich aus einem Marstempel entstandenen
Kirche, der Pfarrkirche zu Rindern bei Cleve, wird es in einer
Urkunde vom Jahre 697 ausdrücklich bezeugt3.
*) P. a Beeck, Aquisgranum p. 229. Nicht unmöglich ist, dass auch
die Pfalzkapelle ursprünglich dem h. Johannes dem Täufer als Mitpatron
geweiht war. Nach Gregor von Tours (Mirac. I, 20) gab es zu Tours eine
der h. Maria und dem h. Johann Baptist gewidmete Kirche ; das Kornolius-
münster (Stiftskirche) zu Compiegne war von Anbeginn der h. Maria und
den hh. Komelius und Cvprian geweiht (Floss, Gesch. Nachrichten über
die Aach. Heiligthümer S. 117). Die Bedeutung des h. Johann Baptist für
Aachen ergibt sich aus dessen Eeliquien, die das Münster bewahrt. Hierauf
weist auch die Wahl der Rathsherren am Tage vor St. Johann Baptist hin.
2) Binterim und Mooren, Die alte und neue p]rzdiözese Köln I, S. 19.
3) Binterim und Mooren a. a. 0. HI, S. 3.
20 ft. Pick
Die Geschichte der Bonner Dietkirche ist überhaupt für
die Betrachtung der ältesten kirchlichen Zustande in Aachen
äusserst lehrreich. Fast dieselben Verhältnisse wie dort kehren
hier wieder, nur dass man in Aachen den Stifter des Klosters,
mit welchem die älteste Taufkirche in späterer Zeit vereinigt
wurde, in Karl d. Gr. kennt, während der Gründer des Bonner
Klosters mit Sicherheit nicht zu bestimmen ist. Auch die
Dietkirche in Bonn lag auf dem fiskalischen Boden des römi-
schen Kastrums an dem Durchschnittspunkt mehrerer Ver-
kehrswege, auch an ihr zog eine römische Wasserleitung
vorbei und auch bei ihr entstand im 8. oder 9. Jahrhundert
ein Kloster, dem die alte Taufkirche einverleibt wurde und in
dessen stattliche Klosterkirche diese letztere aufging, als sie
als besonderes Gebäude verschwand.
Der jetzige Bau der Aachener Taufkapelle stammt zum
Theil aus sehr später Zeit. Sie war bei dem Stadtbrand von
1656 stark beschädigt worden und zu Anfang des vorigen
Jahrhunderts noch nicht wieder aufgebaut. 1708 wurden Ver-
handlungen zwischen dem Kapitel des Münsterstifts und dem
Rath der Stadt Aachen über den Neubau gepflogen * ; das in
seinem ersten Worte nicht mehr lesbare Chronikum über der
Thür der Kapelle lässt vermuthen, dass die Erneuerung des
Baus erst um die Mitte des vorigen Jahrhunderts vollendet wurde.
Urkundlich kommt die Taufkapelle zuerst 1215 vor. Da-
mals schenkten die kirchlichen Wohlthäter Jonatas und seine
Gattin Hildegunde zu Aachen der „ecclesia s. Johannis" 6
Denare 2 und wenige Jahrzehnte später, 1269, wird ein „Hen-
ricus capellanus s. Johannis ad gradus" in einer Urkunde
genannt3. Auch aus dem 15. Jahrhundert sind uns die
Namen von zwei Rektoren der Taufkapelle überliefert4: 1474
2) Aachener Volkszeitung 1885, Nr. 349.
*) Quix, Die Königliche Kapelle und das ehemal. adelige Nonnen-
kloster auf dorn Salvators-Berge S. 89.
3) Quix, Gesch. der St. Peter-Pfarrkirche S. 12.r..
*) Zeitschrift des Aach. Geschichtsvereins I, S. 173; Loersch, Achener
Rechtsdenkmäler S. 228.
Die kirchlichen Zustände Aachens in vorkarolingischer Zeit. 21
Mathäus^Gebuyrgen, „rectoir der kirchen sent Johanne vur dat
Parvisch", und 1487 Johann Wetzel, „rector sent Johan". Den
Beinamen „zu den Staffeln1' führte die Kapelle wohl daher,
dass man von dem Fischmarkt einige Stufen zu dem Domhof
hinabstieg1. Die Stufen befanden sich wahrscheinlich an dem
gothischen Bogen, der hier beide Plätze von einander schied
und von welchem noch Reste an der Taufkapelle sichtbar sind.
Dieser- Bogen, dessen Entstehung bis jetzt allgemein ins 15.
Jahrhundert gesetzt wird, bestand jedenfalls schon viel früher ;
1391 wird er in einer städtischen Einnahmerechnung 2 erwähnt,
worin es heisst: „Item van Thoes Sulre under den boege by
sint Johanne vur't Parvische 2 gelr. gülden, valent 6 m., ze
mey." Damit lässt sich eine von Quix mitgetheilte Urkunde3
vom 2. Januar 1428, die gleichfalls des Bogens am Parvisch
gedenkt, in Einklang bringen, nicht aber die Angabe der von
Professor Loersch veröffentlichten Aachener Chronik, welche
zum Jahre 1429 meldet4, dass damals der neue Bogen auf
dem Parvisch gegenüber der Wolfsthür errichtet worden sei,
Avenn man nicht etwa diese letztere Nachricht auf eine Wieder-
herstellung des Bogens an der Taufkapelle beziehen will.
Ein architektonisches Interesse hat der Kapellenbau nicht,
bemerkenswerth ist daran nur das Fragment eines römischen
Inschriftsteins5, der links vom Eingang in der halben Höhe
der Mauer in dieselbe eingelassen ist, und zwar mit der Inschrift
auf dem Kopfe. Hätten wir hier nicht ein Bauwerk neuerer
Zeit vor uns, so würde auch in dieser Anbringung einer römi-
schen Inschrift ein redendes Zeugniss für das hohe Alter der
Kapelle gegeben sein. Denn bei alten Kirchen ist die Ein-
mauerung römischer Inschriftsteine, zumal mit den Buchstaben
auf dem Kopfe, keineswegs eine Zufälligkeit oder Laune dos
*) Im Jahre 1334 waren diese Staffeln so im Unzustand, dass mau
sie stützen musste, 1346 wurden sie erneuert, beides auf Kosten der Stadt
(Laurent, Aach. Stadtreclmungen S. 107,2i uud 177,2e).
2) Laurent a. a. 0. S. 38.r),37.
3) Quix. Ilist. Beschreibung der Münstorkirehe S. 148.
4) Annalen dos bist. Vereins f. d. Niederrhein XVII, S. 8.
5) Bonner Jahrbücher LXXIH, S. 151.
22 R. Pick
Bauhand werkers. Sie versinnbildeten vielmehr den Triumph
des Christenthums über das Heidenthum, und indem man sie
gerade an den Eingängen zur Kirche einmauerte, wollte man
dem Yolke zeigen, was es von der Macht jener Götter zu halten
habe, die ihre Denkmäler so ungestraft zum Baumaterial herab-
würdigen Hessen.
Ueber die räumliche Ausdehnung des Aachener Pfarr-
bezirks lässt sich vermuthen, dass er in ältester Zeit nicht auf
den Ort beschränkt war, sondern sich zugleich über einen
grossen Theil des spätem Aachener Reichs erstreckte. Auch
dieser Punkt bedarf einer eingehenden Erörterung, zu der hier
der Raum gebricht.
Noch übrigt, mit ein paar Worten die Frage zu berühren,
ob Aachen, wie oben angedeutet wurde, in ältester Zeit zur
Diözese Köln gehört hat. Dass es am Ende des 10. Jahrhun-
derts und seitdem dauernd bis zur Gründung eines eigenen
Bisthums in französischer Zeit dem Bischof von Lüttich unter-
stand, dass es ferner nach Aufhebung des Bisthums Aachen
mit der Erzdiözese Köln vereinigt wurde, ist bekannt. Aber
wie war es vor dem 10. Jahrhundert? Diese Frage ist keines-
wegs neu; schon im vorigen Jahrhundert ist sie von den
Geschichtschreibern mehrfach behandelt worden, und namhafte
Gelehrten bezweifeln nicht, dass Aachen unter Karl d. Gr. zur
Kölner Diözese gehört habe *. Auf eine Thatsache, die man
bisher nicht beachtet hat, obgleich sie die letztere Annahme,
wie mich dünkt, nicht unerheblich stützt, sei hier hingewiesen.
Im Jahre 1069 schenkte König Heinrich IV. dem Erzbischof
Anno II. von Köln den Wildbann zwischen der Roer und dem
Heimbach, welcher einen Bezirk in dem grossen Walde Osnink
bildete2. Ein Weisthum über Wald- und Jagdgerechtsame
der Kölnischen Kirche aus wenig späterer Zeit, das in von
*) Eine noch ungedruckte Abhandlung über diese Frage aus dem
vorigen Jahrhundert beruht nach gefälliger Mittheilung des Herrn Dr. J.
Hansen zu Coblenz in der Burgundischen Bibliothek (Nr. 21 276) zu Brüssel.
2) Laeomblet, Urkundenbuch I, Nr. 212.
Die kirchlichen Zustände Aachens in vorkarolingischer Zeit. 23
Ledebur^s Allgemeinem Archiv aus der Urschrift veröffentlicht
ist1, enthält mit Beziehung auf jene Schenkung die Stelle: In
dem erwähnten Walde Osnink sollen die Jäger das erbeu-
tete Wild an die Förster von Hagestolde2 (forestariis de Hage-
stolde) abgeben, und diese sollen es dem Erzbischof von Köln
zubringen, möge er in Köln oder Bonn oder Neuss oder
Aachen sich aufhalten. Wir vernehmen also hier, dass der
Kölner Erzbischof damals vier Wohnsitze: zu Köln, Bonn,
Neuss und Aachen hatte und abwechselnd nach der Sitte der
Zeit auf denselben verweilte. Wer möchte bezweifeln, dass in
diesem bischöflichen Sitz zu Aachen noch ein letzter Ueberrest
aus der Zeit der frühern Zugehörigkeit unserer Stadt zur Köl-
ner Diözese zu erblicken ist? Von Köln, Bonn und Neuss
wissen wir, dass sie zu den ältesten christlichen Niederlassungen
dieser Diözese zählen; an allen drei Orten standen römische
Kastelle, deren Besatzung bei der Einführung des Christen-
thums sicherlich nicht unbetheiligt blieb. Auch erhoben sich
hier, wenigstens zu Köln und Bonn, schon frühe bischöfliche
Pfalzen. Die Erwähnung Aachens in der Reihe jener ältesten
Stätten christlicher Religionsübung innerhalb der rheinischen
Diözese, wie sie in dem Waldweistlium des 11. Jahrhunderts
enthalten ist, gibt der auch von sonstigen Gründen keineswegs
entblössten Vermuthung3 eine neue Stütze, dass gleich den
andern auch unsere Stadt einst der Kölner Diözese einverleibt
war. Leider haben sich über den Aachener Bischofshof keine
weitern Zeugnisse erhalten.
Ich stehe am Ende meiner Ausführung. Einen mühsamen,
dunkeln Weg habe ich den Leser geführt durch Jahrhunderte
') Auch ahgedruckt bei Gelenius. De admir. sacra et civili magnitu-
dine Coloniae p. 68.
2) Die Bedeutung dieses Wortes ist mir unklar. Eine (Vrtlichkeit
wird kaum damit gemeint sein, eher könnte man an das mhd. hagestalt =
Haghesitzcr, d. h. Besitzer eines Nebenguts ohne die Eofgerechtsame, denken.
Vgl. Lexer, Mittelhochd. Handwörterbuch unter hagestalt.
3) Vgl. Waitz, Deutsche Verfassungsgeschichte VI, S. 161 ff.; Bin-
terim und Mooren a. a. 0. I, S. 43.
24 R. Pick, Die kirchlichen Zustände Aachens in vorkarolingischer Zeit.
hindurch, in denen lokale Urkunden schweigen. Fasst man
das Ergebniss des Gesagten nochmals kurz zusammen, so ver-
einigt sich Alles zu der Annahme, dass die älteste Kirche
unserer Stadt wahrscheinlich noch zur Römerzeit auf dem
Fiskalboden des hiesigen Kastells an der Stelle des heutigen
Münsters gegründet und bei der Errichtung der Pfalzkapelle
im 8. Jahrhundert niedergelegt wurde, um in dem prächtigen
Neubau, herrlicher denn zuvor, von Neuem zu erstehen.
Fürstensagen in Aachen und seiner Umgebung.
Von E. Pauls.
Abgesehen von dem karolingischen Sagenkreis * ist Aachen
und seine nächste Umgebung nicht eben reich an Fürsten-
sagen. Zwar sah die alte Kaiserstadt seit den Tagen der
Karolinger bis zum Tode Napoleons I. zahlreiche Herrscher
kürzere oder längere Zeit in ihren Mauern, aber meist nennt
uns nur die Geschichte deren Namen. Manche Sage mag
erloschen sein, bevor um die Hälfte des 13. Jahrhunderts die
schriftlichen Aufzeichnungen häufiger zu werden begannen,
oder ehe die Buchdruckerkunst dem Untergang vorzubeugen
im Stande war. Zudem zog das frühere, äusserst steife Cere-
moniel den Fürsten bei ihrer Anwesenheit in Aachen enge
Schranken, die dem Verkehr mit dem Volke und damit dem
Entstehen von Sagen hindernd im Wege standen.
Die im Nachfolgenden behandelten Sagen sind kleinere
') Auf Karl d. Gr. bezügliche Sagen bleiben in diesem Aufsatz mit
Rücksicht auf die vorhandene reiche Literatur ausser Betracht. Nur eine,
anscheinend bis jetzt ungedruckte merkwürdige Sage, in welcher Karl d. Gr.
genannt wird, möge hier eine Stello finden. Es hcisst nämlich in einer
handschriftlichen in der Aachener Stadtbibliothek als Nr. 9 aufbewahrten
Chronik (Chr. Ms. Aquisgr. p. 122), dass im J. 1139 der Methusalah des
letzten Jahrtausends gestorben sei, welcher unter Karl d. Gr. oder unter Karl
dem Kahlen Waffendienst geleistet, also ein Alter von 360 oder mindestens
280 Jahren erreicht habe. Der Wortlaut ist: Anno 1139. Morti tandem et
naturae cessisse fortur Joannes de tomporibus Caroli Magni tribus abhinc
saeculis armiger aetatis 360 m0, unde Mathusalem ultimi millenarii passim
dictus. Alii in Caroli Calvi satollitio cum fuisse volunt adeoque hoc tem-
pore annum egisse 280 m-
26 E. Paiüs
sagenartige Erzählungen , welche sich an Fürsten, fürstliche
Geschenke u. s. w. knüpfen; Ort der Handlung ist Aachen
oder dessen nächste Umgebung. Unberücksichtigt blieben die
vielen Dichtungen, in denen der Dichter, nicht aber die Ge-
schichte oder Sage, die Handlung in Aachen sich abspielen
lässt l. Allbekannte Sagen durften der Vollständigkeit wegen
nicht ganz fortfallen, sind aber thunlichst kurz behandelt.
Um mit Pippin dem Kleinen zu beginnen, so wird das
Märchen von seinem Kampfe mit dem Löwen irriger Weise
zuweilen nach Aachen, statt nach Ferneres, verlegt2. Da-
gegen weiss eine schon im 9. Jahrhundert nachweisbare
Sage von einem Kampfe zu berichten, den Pippin im Bade
zu Aachen mit dem Teufel siegreich bestand3. Der Erzfeind
des Menschengeschlechts wollte nämlich den König im Bade
tödten. Dieser schützte sich durch das Kreuzzeichen und
wuchtige Schwerthiebe, worauf der gespensterhafte Schatten
in menschlicher Gestalt wich und die Quellen mit Moder und
Blut arg verunreinigte. Auch hierdurch nicht in Furcht ge-
setzt, Hess Pippin die verpestete Flüssigkeit abfliessen und
1) Beispiele : Schillers Ballade „Rudolf von Habsburg'1 ; Simrocks Ge-
dicht „Der Apfelschnitz"; Flekens „Ludwig der Fromme im Lousberg",
welches letztere Gedicht schwerlich auf einer Sage beruht.
2) Näheres bei Oelsner, König Pippin S. 153. Hier wohl die älteste
Fürstensage der Aachener Gegend, da Aachen erst unter Pippin urkund-
lich hervortritt. Die älteste Sage unserer Heimath hegt dagegen auf einem
andern Gebiet. Ohne Zweifel war schon in der Urzeit bei uns der für heid-
nische Auffassung als Sage zu bezeichnende Glaube verbreitet, dass die
Nacht dem Tag vorhergegangen sei. Nach Caesar (B. G. VI, c. 18) lehrten
so die Druiden bei den Galliern, und Tacitus (Germania c. 11) erklärt das
'ilrirhe für germanische Ansicht. Kulturgeschich tüch ist dies deshalb be-
achtcnswerth, weil derselbe Glaube bei vielen indogermanischen Stämmen
im Alterthum sich findet (Schrader, Aelteste Zeitthciluug des indogerma-
nischen Volks S. 44 f.). Allem Anschein nach lag hier eine Erinnerung an
die asiatische Urheimath und die heilige Urkunde zu Grunde, welche über
die Entfaltung der Dinge im Anfang berichtet (Genesis I, 1,2).
3) Vgl. Lorsch, Geschichte des Bades Aachen S. 15 ff. Erwähnt sei,
dass im Alterthum und Mittelalter die Quellen vielfach Gegenstand des
Aberglaubens waren.
Füxstensagen in Aachen und seiner Umgebung. 27
badete sich in dem sogleich nachströmenden reinen Wasser.
Treffend "bemerkt hierzu Lorsch: „Wenn diesem Märchen eine
Begebenheit zu Grunde liegt, so darf man vermuthen, dass
Pippin sich durch die hohe Temperatur der Kaiserquelle, in deren
Abfluss er badete, angegriffen fühlte und dass ihm oder seinem
Begleiter der schleimige fette Badeschlamm als das Wund-
sekret eines Dämons erschien; selbst an das Teufelsblut wurde
man im Sommer 1862 erinnert, als nach Abbruch des Kaiser-
bads das dort stagnirende Thermalwasser unter dem Einfluss
der Sonnengluth durch ein mikroskopisches Gebilde fast bis
zur Blutfarbe geröthet wurde."
"Viel bekannter als das Märchen von Pippins Strauss mit
dem Teufel ist die Sage von einem Kampfe Ottos III. mit dem
Pfalzgrafen Ezo, welcher auf dem Gebiet des Schach- oder
Brettspiels ausgefochten worden sein und dem Sieger Ezo die
Hand der kaiserlichen Schwester eingetragen haben soll. Häufig
ist diese anziehende Erzählung in Geschichtswerken, Gedichten
und Novellen behandelt1, obschon auch hier offenbar nur
ein Märchen vorliegt. Denn das Schachspiel war zu Ende des
10. Jahrhunderts in Deutschland nicht bekannt2, und die An-
nahme, es könue sich in diesem Falle bei einem andern Spiele
um einen so ungeheuren Einsatz, wie die Erzählung es will,
gehandelt haben, ist durch Ottos Kindesalter zur Zeit des an-
geblichen Kampfes hinfällig. Mit Recht sagt daher ein Forscher
von der Bedeutung Wattenbachs 3 : „Zur Sagenbildung gehört
auch die Erzählung, dass Ezo seine Gemahlin ihrem Bruder
Otto III. im Brettspiel abgewann; es ist auffallend, dass diese
Verbindung so entschieden als Missheirath aufgefasst wurde,
dass man sie auf solche Weise zu erklären suchte."
Friedrich L, unsterblich auch in Aachens Geschichte durch
') Beispiele: Meyer, Aachcnsche Geschichten I, S. 213; Annalen d.
hist. Vereins f. d. Niederrhein VIT, S. 15 ; K. Simrocks Gedieht „Das Schach-
spiel"; A. von Reumonts Novelle „Der Pfalzgraf und die Caisertochter",
femer ein vor einiger Zeit erschienenes Feuilleton im „Echo der Gegenwart".
■) von der linde, Geschichte des Schachspiels II. S. 461 f.
s) Wattenbach, Deutschlands Geschichtsquellen, 4. Aufl. II, IS. 110.
28 E. Paiüs
die auf seine Anregung erfolgte Erhebung der Gebeine Karls
d. Gr., schenkte bekanntlieh der Aachener Marienkirche jenen
herrlichen Kronleuchter, welcher seit etwa 700 Jahren einen
vorzüglichen Schmuck des Achtecks im Münster bildet. Noch
im vorigen Jahrhundert war dieser Leuchter in Aachen von
einem kleinen Sagenkreis umwoben '. Zunächst sollte durch
die Schenkung des Leuchters Kaiser Friedrich ein der Gottes-
mutter gemachtes Gelübde erfüllt haben. Dieser Theil der
Sage entzieht sich weitern Untersuchungen, doch sei darauf hin-
gewiesen, dass der Marienaltar mit seinem berühmten Gnaden-
bild sich ehemals in unmittelbarer Nahe des Leuchters befand.
Zu andern Sagen gab der Stoff der Lichterkrone Anlass. Meist
hielt man das dazu verwandte Metall für reines Gold; Andere
glaubten, der ursprünglich vorhandene goldene Leuchter sei
in stürmischen Zeiten durch einen ähnlichen minderwerthigen
ersetzt worden. Heutzutage ist es allbekannt, dass der zweifellos
aus der Zeit Friedrichs des Rothbarts stammende Leuchter aus
vergoldetem Kupfer besteht.
Eine kurze Besprechung verdient eine Stelle des Briefs,
den König Richard von Cornwallis um 1257 an seinen
Neffen in England richtete. Es sagt nämlich der König, nach-
dem er sich sehr befriedigt über den ihm in Aachen gewor-
denen Empfang ausgesprochen, etwa Folgendes: „Allgemein
erzählt man sich im Volke, dass, abgesehen von uns, seit
länger als 200 Jahren kein König bei Beginn seiner Herr-
schaft Aachen betrat, ohne dass es zu schlimmen Beleidigungen
oder Widersetzlichkeiten gekommen Aväre. Dies können wir
nicht glauben." Das sagenhafte Gerede, dessen Kenntniss uns
dieser Brief vermittelt, hatte wohl hauptsächlich darin seinen
Grund, dass vor Richard thatsächlich drei Könige bei den
l) Vgl. über diese Sagen : Schilderung der Stadt Aachen 1787, S. 18 ;
Amuscmens dos eaux d'Aix-la-Chapelle 173G, II, p. 128. Auch a Beeck
(Aquisgranum 1620, p. 51) hat das Metall des Leuchters nicht gekannt;
er hielt es theils für Silber, tbeils für vergoldetes Erz. Ebenso Blondel
(Therm. Aijuisgr. et Porcetan. elucidatio, ed. 3, p. 8). Im Volksmund hiess
es, der Leuchter sei soviel werth als ein Königreich !
Furstensagen in Aachen und seiner Umgebung. 29
Bürgern Aachens auf bedeutenden Widerstand gestossen waren,
als sie ihre Krönung hier vollziehen lassen wollten l. Vielleicht
hatte auch früher die Aachener Bevölkerung, deren Sitten be-
kanntlich dem h. Bernhard von Clairvaux missfielen, sich
bei den Königskrönungen vor dem Einzug des Königs in die
Stadt unpassende Neckereien des Gefolges öfters gestatten zu
können geglaubt, die der Ausländer Richard auf Grund über-
triebener Schilderungen als Widersetzlichkeit ansah.
Bei' der Krönung Rudolfs von Habsburg im Aachener
Münster soll bekanntlich der König ein eigenhändig vom
Altar genommenes Kruzifix als Ersatz für das zufällig verlegte
Zepter benutzt haben, auch sei, so berichtet die Sage, während
der feierlichen Handlung ein rothes Kreuz am Himmel erschienen.
A. W. von Schlegel hat schon um 1813 mehrere poetische
Stimmen von Zeitgenossen über Rudolf von Habsburg zusammen-
gestellt und in die neuere Mundart übertragen. Dabei heisst
es über die genannte Lufterscheinung in einem Gedicht des
Meisters Friedrich von Sonnenburg2:
„Zu Aachen über dem Münster das geschach,
Hoch, lang, weit und breit.
Ein schönes Kreuze schwebt auf ihn, derweile dass er sass
Gekrönet und die Weih empfing. Hiebei so weiss ich das,
Dass ihn Gott durch der Fürsten Mund zu einem Voigte hat
erwählt.
Nun sei er dir, allmächt'ger Gott, in deinem Frieden zugezählt."
') Otto IV. (1198), Friedrich II. (1214), Wilhelm von Holland (1248).
Näheres bei Schcllhass, Das Königslager vor Aachen und Frankfurt S. 13.
2) Ich eitire nach dem Wochenblatt für Aachen und die Umgegend,
Jahrg. 1838, Nr. 29, S. 117 und gebe selbstverständlich nur einen kurzen
Auszug;' vgl. auch die Angabe bei a Beeck (1. c. p. 124). Eigentümliche
Wolkenbildungen, Wolkenfärbungen u. dergl. erregten früher in der Regel
grosses Aufsehen und wurden gerne mit Ereignissen von weltgeschichtlicher
Bedeutung in Verbindung gebracht, So erzählt Noppius (Aacher Chronic*
1632, T. 8. 46), dass man um 1207 drei Sonnen am Himmel gesehen habe,
wodurch „die Spaltung der drei Kaiser präsignirt gewesen wäre". An die
bekannte, heute Nebensonnen genannte Lufterscheinung dachte man a] o
damals nicht.
36 E. Pauls
Schlegel bemerkt zu diesem Gedicht, Meister Friedrich
sei nicht der einzige Zeitgenosse, der über die Kreuzeserschei-
nung berichte. Es heisse nämlich in den Jahrbüchern der
Dominikaner zu Colmar: „Vor Allerheiligen wurde Rudolf als
König gekrönt. Da erschien eine Stunde lang eine weisse
Wolke in Gestalt eines Kreuzes, welche nachher in die Röthe
des Blutes überging. Als die Fürsten dies dem König berich-
teten, sagte Rudolf: Wenn der Herr mir Leben und Gedeihen
schenkt, so will ich in die Lande jenseit des Meeres ziehen
und für meine grossen Sünden dem Heiland mein Blut weihen."
Wie es scheint, ist noch heute in Aachens nächster Um-
gebung die Sage verbreitet, die berühmte Linde in Forst,
sicherlich einer der schönsten Bäume Deutschlands, sei durch
Rudolf von Habsburg gepflanzt worden. Clemens von Orsbach
erwähnt diese Sage, nennt aber irrig die Linde eine Eiche l.
Nach dem Umfang der Forster Linde zu schliessen, ist es
nicht unmöglich, dass deren Alter etwa 600 Jahre beträgt 2, und
wenn auch für die Pflanzung durch Rudolf keine Wahr-
scheinlichkeit spricht, so bleibt es doch bezeichnend, dass der
Volksmund das Entstehen des mächtigsten Baumes der ganzen
Gegend mit jenem König in Verbindung brachte, dessen Re-
gierung in Deutschland so gern als der Beginn einer neuen
bessern Zeit betrachtet wurde.
Soweit es sich übersehen lässt, fehlen für den langen
Zeitraum zwischen dem Ende des 13. und der Mitte des 17.
Jahrhunderts in der Aachener Gegend Fürstensagen fast gänz-
lich. An Königskrönungen im Allgemeinen erinnert die jüngere
Sage 3, dass bei jenen im Aachener Münster eine vom Königs-
stuhl aus bis vor den Muttergottesaltar oder die Kommunion-
bank gehende Treppe errichtet worden sei.
Noppius erzählt4, Kaiser Friedrich III. habe um 1453 die
1) Cl. von Orsbach, Skizzen aus dem Aachener Badeleben von 1851, S. G6.
2) Vgl. die Angaben über Alter und Umfang mehrerer Linden in der
Schrift vini F. Schulz über Deutschlands Wälder und Haine S. 27 f.
3) Scheint Fabel; vgl. Ouix, Müustorkirche S. 9, Amn. IG.
*) Noppius a. a. 0. I, S. 50.
Fürstensagen in Aachen und seiner Umgebung. :)1
Nachricht von dem Falle Konstantinopels im Rathhaus zu
Aachen verkommen und dabei die schönen, später als Inschrift
für das Eathhaus benutzten Worte gesprochen : Herum irrecupe-
rabilium summa felicitas est oblivio. (In Bezug auf unwieder-
bringlich Verlorenes besteht das höchste Glück im Vergessen.)
Höchst wahrscheinlich stammen diese Worte von Friedrich III.
her, doch lässt nur die Sage sie in Aachen gesprochen sein \
Später passte — ein seltsamer Spott des Geschicks — die
Inschrift 'auch aus anderm Grunde für das Aachener Eath-
haus, dem der Glanz der in seinen Räumen gefeierten
Königsgelage seit 1536 bis zum Untergang der reichsstädtischen
Herrlichkeit unwiederbringlich verloren wrar.
Ob die Erzählung, dass Maximilian I. bei seiner Krönung
zu Aachen von den Juden einen Korb goldener Eier erhielt
und die Hühner, die solche Eier legten, nicht fliegen lassen
wollte, in das Gebiet der Sagen oder der Anekdoten gehört,
dürfte schwer zu entscheiden sein2. Simrock hat den Scherz
in einem ziemlich bekannten Gedicht bearbeitet3.
Der Aachener Bürgermeisterei-Diener Janßen (1720 — 1780)
hinterliess eine handschriftliche, jetzt in der Aachener Stadt-
bibliothek befindliche Chronik. Trotz aller Mängel der kritiklos
hingeworfenen Notizen können sie bei vorsichtiger Benutzung
zur Aufklärung einzelner in ortsgeschichtlicher Hinsicht dunkeln
Punkte beitragen. Unter Anderm überliefert uns Janßen eine
sagenartige Erzählung über Papst Alexander VII. , welcher
von Ende Dezember 1649 bis zum Oktober 1651 als Nuntius
Fabio Chigi in Aachen weilte, ehe er nach kurzer Führung
des päpstlichen Staatssekretariats um 1655 den Stuhl Petri
bestieg. Nach Janßen hatte Fabio Chigi am Muttergottesa Hai-
der Aachener Münsterkirche das h. Messopfer darbringen
') Vgl. a Beeck, Aquisgranum, Uebcrsetzung von Käntzeler, S. 206 f. ;
Haagen, Gesch. Achens II, S. 72. 2) Vgl. Haagen a. a. 0. II, S. 97, Anin. 2.
3) K. Simrock: „Die goldenen Eier"; abgedruckt u. A. in C. Trog,
Rheinlands Wunderhom XIII, S. 150 ; A. von Eteumont, Aachener Lieder-
chronik S. 110. Angeblich hatte der Kaiser befohlen, die (icsclHnl - i . i
einzusperren.
32 E. Pauls
wollen, war aber von den Stiftsherren nicht zugelassen wor-
den, weil hierbei ein dem Papst und sieben Geistlichen des
Marienstifts vorbehaltenes Recht l zur Geltung gebracht werden
müsse. Ueber die Abweisung verstimmt, las Chigi seitdem in
der Rathhauskapelle Messe, wo auch jetzt noch sein Porträt
über dem Altar sich befindet. Nach dem grossen Brand von
1656 sandte Alexander VIT. der Stadt eine ansehnliche Gabe,
liess aber das Kapitel leer ausgehen.
Janßen mischt hier höchst wahrscheinlich Geschichtliches
mit Sagenhaftem. Hätte der Nuntius Chigi in der Regel oder
häufiger in der Rathhauskapelle Messe gelesen, so würde die
lange nach Eingang der päpstlichen Spende um 1657 entstan-
dene Inschrift im Rathhaus dies sicher andeuten 2. Anderer-
seits lassen die Wahl des Platzes für das Porträt des Papstes
im Rathhaus, sowie mehr noch der den Besuchern der Kapelle
bewilligte Ablass 3 auf nähere Beziehungen Alexanders VII. zu
der letztern schliessen. Vermuthlich hat Chigi während seines
fast zweijährigen Aufenthalts in Aachen zuweilen den Altar
der Rathhauskapelle beim Messelesen benutzt, Sagenhaft klingt
die Erzählung über die dem Nuntius im Aachener Münster
widerfahrene Abweisung und die spätere absichtliche Nicht-
beschenkung des Stiftskapitels.
Haagen deutet an4, dass sich über den Aufenthalt Peters
d. Gr. 5 in Aachen „allerlei" Sagen gebildet hätten, wobei er
namentlich auf Janßens Chronik hinweist. Nach Janßen
machte das Benehmen des Zaren den Eindruck eines Mannes,
„der nit recht by sinnen war". So hätte der Kaiser beim Arm-
r) Dieses Eecht stand ausserdem dem Erzbisehof von Köln und dem
Bischof von Lüttieh zu. Vgl. Quix, Cod. dipl. Aquens. I, no. 49, p. 36,
auch Quix, Münsterkirche S. 17.
2) Laurent, Aachener Stadtrechnungen S. 45.
3) Ebendas.
4) Haagen a. a. 0. II, S. 319.
5) Nach einer Notiz der Aachener Volkszeitimg (1886, Nr. 291) wohnte
Peter d. Gr. im Russischen Hofe in der Franzstrasse, wo heute noch das
Stu liehen vorhanden ist, das der Herrscher aller Reussen als Schlafzimmer
benutzte.
Fürstensagen in Aachen und seiner Umgebung. 33
brustschiessen auf dem Lousberg beim ersten Schusse meister-
haft, beim zweiten und dritten gar nicht getroffen. Eiligst
habe Peter darauf den Bogen weggeworfen und sei mit
seinem ganzen Gefolge „wie toll" den Berg hinabgelaufen,
um dann ohne Scheu vor einer grossen Menschenmenge in
unpassendster Weise die Strasse zu verunreinigen l. Es muss
dahin gestellt bleiben, in wieweit die Erzählung Janßens, der
zu einer Zeit schrieb, in welcher der kaiserliche Besuch zu
Aachen noch in frischer Erinnerung war, auf Wahrheit beruht.
Nachweislich machten die Sitten des Zaren gelegentlich seiner
grossen Reisen mancherorts den allerungünstigsten Eindruck;
seine Betheiligung am Bogenschiessen auf dem Lousberg ist
auch anderweitig verbürgt2.
Wiederholt beherbergte Aachen zu Anfang dieses Jahr-
hunderts Frankreichs Kaiser und Mitglieder der kaiserlichen
Familie. Doch trotz der Napoleons-Verehrung, die auch bei
uns Jahrzehnte hindurch bestand, bemächtigte sich die Sage
anscheinend nur wenig Napoleons und seiner Verwandten.
Von Napoleon I. heisst es in einem bekannten Gedicht
Rückerts 3, dass er davor zurückgeschreckt sei, sich auf den
Stuhl Karls d. Gr. im Aachener Münster zu setzen, während
seine Gemahlin Josephine4 dies übermüthig gewagt habe. Sollte
') Janßens Erzählung lässt sich nicht füglich genau wiedergeben.
„Grattez le Russe et vous aurez le barbareu heisst es bekanntlich von den
Russen früherer Zeiten.
2) Meyer, Aachener Bogenschützen 1802, S. 39.
3) A. von Reuinont a. a. 0. S. 131.
*) Es klingt sagenhaft, scheint aber Thatsache zu sein, dass sich am
1. August 1804 gelegentlich Josephinens Besuch im Aachener Münster unter
den Händen der Kaiserin das geheimnissvolle, seit 448 Jahren verschlossene
Noli me tangere-Kästchen anscheinend wie von selbst öffnete. Eine Er-
klärung hält nicht schwer. Vielleicht hatte der Verschluss (Siegel) im
Laufe der Jahrhunderte gelitten und gab bei einer etwas lebhaften Berührung
nach ; vielleicht auch war absichtlich vorgearbeitet worden, um durch die
Hand einer Person allerhöchsten Ranges ein dunkles Gebeimniss seiner
Lösung näher zu bringen. Jedenfalls ist es auffällig, dass man das Noli
me tangere-Kästchen nicht erhalten, sondern noch vor 1809 eingeschmolzen
hat. (Vgl. Kessel, Geschichtl. Mittheilungen über die Hoiligthümer der
Stiftskirche zu Aachen S. 125.)
3
34 E. Pauls
wirklich der Imperator, dessen Satelliten eben zu Aachen in
allen Tonarten das Lob der Ueberlegenheit Napoleons über
Karl d. Gr. sangen, es verschmäht haben, auf den Marmorstuhl
sich niederzulassen, so war hierbei wohl weniger Furcht oder
Aberglaube \ als vielmehr die Absicht ausschlaggebend, eine
kleinliche Nachahmungssucht zu vermeiden. Wahrscheinlich
ist es geschichtlich, dass die Kaiserin Josephine auf dem ge-
nannten Stuhl gesessen hat. Mit sagenhafter Ausschmückung
berichtet hierüber2 die Stadt-Aachener Zeitung vom 15. Nov.
1814: „Napoleons erste Frau wagte es einmal, sich auf diesen
Stuhl zn setzen, doch ein plötzliches, nicht füglich näher an-
zugebendes Unwohlsein zwang sie, augenblicklich die Kirche
zu verlassen."
Eine andere Sage lässt Napoleon I. im alten Schloss
Frankenberg die Thurmtreppe hinauf reiten. Dazu sagt das
Aachener Wochenblatt sehr richtig3: „Dass Napoleon ein
kühner und sattelfester Reiter war, ist bekannt, allein es
kommt uns dennoch unglaublich vor, dass derselbe im alten
Schloss Frankenberg die enge steile Treppe hinauf bis auf die
Reste des alten Thurms geritten sein soll."
Die zu Ende Juni 1815 entstandene Sage4, dass Napo-
leon I. in einem Tagesbefehl vom 16. Juni, kurz vor der
Entscheidung bei Waterloo, seinen „treuen Anhängern" die Plün-
derung von Brüssel, Lüttich und Aachen verheissen habe,
spiegelt die Furcht vor dem französischen Kaiser lebhaft wieder.
Ein bemerkenswerthes Beispiel von Sagenbildung inner-
halb sehr kurzer Zeit lässt sich in Cornelimünster nachweisen.
Im Wäldchen zur Klause bei Cornelimünster, fast in unmittel-
barer Nähe der Kapelle, finden sich nämlich einige halb ver-
x) Vielfach wird behauptet, Napoleon sei von Aberglauben nicht ganz
frei gewesen, doch hat er selbst gegen diese Auffassung sich auf St. Helena
entschieden verwahrt. Vgl. Thiers, Geschichte des Konsulats und des
Kaiscrthums XX, S. 586.
2) Vgl. auch Kaufmann, Quellenangaben und Bemerkungen zu K. Siin-
rocks Rhemsagen und A. Kaufmanns Mainsagen S. 44.
s) Wochenblatt für Aachen und Umgegend 1837, Nr. 99, S. 397.
4) Vgl. Beüago z. Aachener Wahrheits-Freund Nr. 80 vom 21. Juni 1815.
Fürstensagen in Aachen und seiner Umgebung. 35
fallene Pfeiler von ziemlich mächtigem Umfang. Schon vor
50 — 60 Jähren * wusste die heute noch nicht ausgestorbene
Sage zu berichten, dass diese Pfeiler zur Stütze einer Brücke
bestimmt gewesen, die Napoleon I. zwischen der Kapelle und
der Staatsstrasse in Cornelimünster errichten wollte. Die richtige
Auskunft über den Zweck der sofort nach dem Aufhören der
Fremdherrschaft dem Verfall preisgegebenen Anlage enthält
das Journal de la Roer in seiner Nummer vom 4. September
1813. „Bei dem zwei Stunden von Aachen entfernten Städt-
chen Cornelimünster", so heisst es dort, „befindet sich ein wohl
gepflegtes Wäldchen, worin man zu Ehren der Königin Hor-
tense, welcher die schöne Gegend gefiel, eine kleine Säule und
einen Pavillon angelegt hat."
Schliesslich liegt die Frage nahe, bei welchen fürstlichen
Personen aus dem langen Jahrtausend zwischen dem Tode
Karls d. Gr. und dem Ende Napoleons I. es zutraf, dass das
Andenken an ihre Wirksamkeit in besonders hervorragender
Weise bei uns erhalten blieb, bezw. noch heute fortlebt. Zur
Beantwortung dieser hier nur kurz zu berührenden Frage
liegen, namentlich soweit es sich um die neuere Zeit handelt,
manche Anhaltspunkte vor. Sicher ist, dass Karls d. Gr.
Volkstümlichkeit unerreicht dasteht, und dass schwerlich ein
Fürst mehr Bewunderung, aber auch mehr Tadel erfahren
hat, als Napoleon L, der sich so gerne als den grössern
Nachfolger Karls bezeichnen liess. Anscheinend — Bestimmtes
lässt sich bei der Dürftigkeit der Quellen schwer festsetzen —
lebten zu Ende des Mittelalters in der Aachener Gegend
namentlich in Bezug auf Friedrich I. und Rudolf von Habs-
burg Erinnerungen der Ehrfurcht und Dankbarkeit im Volke
vielfach fort. Das 16. Jahrhundert brachte die Regierung
Karls V. Viele Umstände trugen dazu bei, diesen Kaiser bei
uns lange unvergessen zu machen. War doch seine Krönung
die letzte, welche mit besonderm Glanz zu Aachen gefeiert
') Wahrscheinlich ist die Sage in den ersten zwei Jahrzehnten nach
der Fremdherrschaft entstanden ; um die Mitte der dreissiger .lalire dieses
Jahrhunderts bestand sie schon.
36 E. Pauls, Fürstensagen in Aachen und seiner Umgebung.
wurde ! Sein vielbewegtes Leben, das in eine Zeit bis dahin
unerhörter geistiger Aufregung in Deutschland fiel, die unter
seiner persönlichen Leitung erfolgte Erstürmung und Zer-
störung Dürens, die von ihm erlassene Strafprozessordnung
(Carolina), die ernste Würde seines Wesens, der merkwürdig
ergreifende Lebensabend, dies alles lässt es begreiflich finden,
dass bis tief ins 18. Jahrhundert hinein auch in der Aachener
Gegend manche Schriften und mündliche Ueberlieferungen mit
Vorliebe die Persönlichkeit und die Thaten Karls V. in den
Vordergrund stellten1. Doch auch sein Bild verblasste kurz
vor der Fremdherrschaft vor dem Maria Theresias, Oesterreichs
grosser Kaiserin. Das Andenken an diese milde und dabei
so ehrfurchtgebietende Erscheinung auf dem österreichischen
Kaiserthron überdauerte selbst die Stürme der Napoleonischen
Zeit. Wohl niemals früher fand in Aachen eine Schrift so
reissenden Absatz als jene, welche die Anfangs 1781 in der
Aachener Kathhauskapelle zu Ehren Maria Theresias gehaltene
Gedächtnissrede zur Kenntniss weiterer Kreise brachte 2. Dreissig
Jahre später fand Napoleons I. Vermählung mit Maria
Louise statt. Immer wieder wurde bei dieser Gelegenheit in
allen Volkskreisen unter lebhaften Aeusserungen der Freude
auf die Verwandtschaft der hohen Braut mit der unver-
gesslichen Maria Theresia hingewiesen 3, und heute noch
ist die Erinnerung an Friedrichs d. Gr. berühmte Gegnerin
namentlich in jenen Theilen der Aachener Gegend lebendig,
welche ehemals als Bestandtheile des Limburger Landes in
einiger Hinsicht fester mit Wien verbunden waren, als die
alte Reichsstadt Aachen selbst.
*) Eine Begründung dieser theil weise auf die Durchsicht urkundlichen
Materials gestützten Behauptung würde hier zu weit führen.
8) Das Schriftchen erlebte 5 Auflagen.
3) Dies geht aus Zeitungsnachrichten, Tagebüchern und mündlichen
Ueberlieferungen hervor.
Aachens Wurfgeschosse im 14. Jahrhundert.
Von K. Wieth.
(Mit einer Tafel.)
Wer das Aeussere unserer aus dem Mittelalter stammen-
.den Städte mit Rücksicht auf einst und jetzt betrachtet, dem
wird sich besonders eine Wahrnehmung aufdrängen : überall
sind oder werden die düstern Umwallungsmauern gestürzt, die
Gräben ausgefüllt, und an ihrer Stelle erheben sich ringsum
schattige Alleen und prächtige Gartenanlagen, welche gleich
einem blühenden Kranz die Stadt umrahmen. Jetzt, wo die
unsichtbare Macht des Gesetzes und staatlicher Ordnung Alle
gleichmässig schirmt, kann der Bürger die schützenden Mauern
missen. Anders im Mittelalter. Das Gesetz reichte damals
nicht weiter als die Spitze des Schwertes, und wer in Ruhe
leben wollte, musste die scharfe Waffe stets zur Abwehr
bereit halten. Besonders war dies bei den Städten der Fall.
Ihr Gewerbfleiss und blühender Handel erwarb ihnen grosse
Reichthümer, aber auch viele Neider. Bald waren es die
raublustigen Ritter der Nachbarschaft, welche, aus Uebermuth
oder um ihrem leeren Geldbeutel aufzuhelfen, die reichen
Waarenzüge der Städter plünderten, diese selbst gefangen
nahmen und nur gegen schweres Lösegeld freigaben. Bald
waren es die angrenzenden Landesfürsten, die beständig begehr-
liche Blicke nach den reichen und selbstbewussten Städten
warfen und sie auf alle Weise unter ihre Botmässigkeit zu
bringen suchten.
Und wie andere Städte, so auch Aachen. Die Räubereien
der ritterlichen Wegelagerer waren im 14. Jahrhundert so
38 K- Wieth
ausgeartet, dass der Erzbischof von Köln, der Herzog von
Brabant, die Städte Köln und Aachen zur Sicherung von
Handel und Wandel einen Landfrieden zu errichten genöthigt
waren. Unter den Fürsten aber, welche mit zäher Ausdauer
nach der Unterwerfung der alten freien Kaiserstadt strebten,
waren die Herzoge von Jülich an erster Stelle zu fürchten;
denn ihnen standen die städtischen Aemter eines Vogtes,
Meiers, Schultheissen zu und boten ihnen jederzeit Ge-
legenheit, sich in die innern Angelegenheiten der Stadt zu
mischen.
Zu sehr bedeutenden Rüstungen endlich wurde die Stadt
oft genöthigt in ihrer Eigenschaft als Krönungsstadt deutscher
Könige. Bei zwiespältiger "Wahl — und diese erfolgte nicht
selten — kam auf die Parteistellung Aachens sehr viel an.
Denn dort stand der Königsstuhl, dort musste gesalbt
und gekrönt worden sein, wer immer in den Augen des Volkes
als wahrer König und rechtmässiger Nachfolger Karls d. Gr.
gelten wollte. Gründe genug für die Stadt, stets gerüstet zu
sein. Deswegen war zur Zeit des Kaisers Friedrich Bar-
barossa die innere Umwallung errichtet, und als bei dem
steten Anwachsen der Bevölkerung diese nicht mehr genügte,
in der ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts die äussere Stadt-
mauer aufgebaut worden. Diese letztere war, wie aus den alten
Stadtplänen zu ersehen ist, mit 11 stark befestigten Thoren und
in den Zwischenräumen mit etwa 18 Thürmen und Erkern
versehen \ den Hauptpunkten, von denen aus die Verteidigung
betrieben wurde. Während die einfache Mauerlinie nur
Schützen vertheidigten, waren auf den Thoren und Thürmen
grössere Geschütze aufgestellt, die eine bedeutendere Tragweite
und mörderischere Wirkung hatten. Von diesen Wurfge-
schossen können wir uns eine genügend deutliche Vorstellung
bilden sowohl in Bezug auf die Arten, als auch die Zahl
und Beschaffenheit derselben. Es sind uns nämlich eine
x) Vgl. Noppius, Aacher Chronick 1632, Th. I, S. 15; Zeitschrift des
Aach, Geschichtsvereins I, S. 35 ff.
Aachens Wurfgeschosse im 14. Jahrhundert. 39
Anzahl Stadtrechnungen aus dem 14. Jahrhundert erhalten1,
insbesondere aus den Jahren 1333, 1334, 1338, 1346, 1383,
1385, in denen die Kosten für Herstellung, Beförderung
und Handhabung zahlreicher Wurfgeschosse in rechnungs-
mässig trockener, aber desto zuverlässigerer Weise aufgeführt
werden.
Dieselben zerfallen in drei Hauptarten: 1. die Armbrust,
und zwar a. Hanclarmbrust ; b. Standarmbrust. 2. die Bleide.
3. die Donnerbüchse oder den Mörser.
Es erscheint zunächst auffallend, dass der Bogen unter
diesen Geschossen fehlt. Zwar ist die Eede von „sagittae"2
(Pfeilen) und „magistris sagittariorum" 3 (Meistern der Bogen-
schützen), aber sagittae bezeichnet im Allgemeinen die Pfeile,
auch die für die Armbrust verwandten Bolzen, so dass nicht
ausgeschlossen ist, dass unter den magistris sagittariorum
ebenfalls die Armbrustschützenmeister zu verstehen sind, wie ja
auch das Armbrustschiessen sagittari4 genannt wurde. Jeden-
falls ergibt sich soviel mit Bestimmtheit, dass der Bogen, wenn
er auch nicht gänzlich abgeschafft war, an Bedeutung hinter der
Armbrust entschieden zurückstand. In den Städten des 14.
Jahrhunderts war es aber durchgängig so. Da die Bürger
meist nur die Verteidigung ihrer Mauern im Auge hatten,
war ihnen die Armbrust wichtiger als der Bogen. Konnte
man mit jener auch nicht so oft schiessen als mit diesem, so
trug sie doch weiter und wirkte stärker. Denn auf 100 bis
125 Schritt durchbohrte ein Armbrustbolzen Panzer und
Koller, wie dies z. B. 1369 der Bischof Walter II. von Augs-
burg, 1488 der Markgraf Albrecht von Baden erfahren mussten5.
Daher wurde in den Städten das Schiessen mit der Armbrust
eifrig geübt. Die Uebungen fanden meist in dem Zwinger
zwischen der Stadtmauer und dem Graben statt und wurden vom
Magistrat durch Gewährung freier Zeche gefördert. Man schoss
*) Laurent, Aachener Stadtrechnungen aus dein 14. Jahrhundert.
*) Laurent S. 185,2. 3) Ebcndas. S. 244,23. 4) Ebendas. S. 133,9.
5) Jahns, Handbuch einer Geschichte des Kriegswesens S. 763.
40 K. Wieth
nach künstlichen Yögeln, Papageien l, die auf einer 30 bis
40 Fuss hohen Stange aufgesteckt waren.
Das Wort Armbrust, mittelhochdeutsch das armbrust, ist
unter volksthümlicher Anlehnung an Arm und Brust, womit
es nichts zu thun hat, aus dem lateinisch-griechischen arcu-
balista entstanden (arcus der Bogen, ballein werfen). Die
Armbrust ist auch in der That nichts wie eine Weiterbildung
des uralten Bogens und beruht auf demselben Kraftgesetz wie
dieser, nämlich auf der Schnellkraft oder Elastizität. Daher
kehren auch die beiden Hauptbestandtheile, der Bogen und
die Sehne, bei der Armbrust wieder, nur in bedeutendem Ver-
hältnissen. Der Bogen ist aus Holz, Hörn , Stahl hergestellt,
und zwar derart, dass zur Erhöhung der Spannkraft in der
Regel mehrere Lagen übereinander gefügt wurden. Die Sehnen
drehte man meist aus Hanf, zuweilen auch aus Thierdärmen 2.
Weil nun den so vergrösserten Bogen zu spannen, die blosse
Kraft des menschlichen Armes nicht ausreichte, wurde als
dritter Haupttheil der Schaft hinzugefügt, und an seinem obern
Ende der Bogen befestigt. An dem eichenen Schaft ist wieder
zu unterscheiden die Rinne zur Aufnahme des Bolzens, die um
eine Welle sich drehende Nuss, welche die gespannte Sehne
zurückhält, der Drücker, vermittels dessen sie von der Nuss
geschnellt wird, und endlich eine hebelartige Vorrichtung, ein
Haken, eine Winde, ein Flaschenzug zum Spannen der Sehne.
Nach der Yerschiedenartigkeit dieser Spannvorrichtung erhält
auch die Armbrust verschiedene Benennungen, deren wichtigste
die Wippen-, die Winden-, die Zahnrad-, die Flaschenzug- Arm-
brust sind3. Welche von diesen die Aachener Schützen ge-
brauchten, lässt sich nicht erkennen, weil nirgends diese
Spannvorrichtung im Besondern erwähnt wird. Der vergleichs-
weise niedrige Herstellungspreis derselben in einigen Jahres-
rechnungen legt die Annahme einer möglichst einfachen und
billigen Konstruktion nahe, wie etwa der Wippen- oder Win-
l) Laurent S. 133,9 ; 342,s». 2) Ebcndas. S. 222,82.
3) Jahns S. 761.
»
Aachens Wurfgeschosse im 14. Jahrhundert. 41
den- Armbrust. 1 Die Herstellung dieser Waffe lag anfangs
einem, später zwei technisch vorgebildeten Meistern ob, die im
Dienste der Stadt standen, freie Wohnung, Kleidung und Sold
bezogen und dafür jährlich 4 bis 6 Armbruste zu liefern,
ausserdem für die Instandhaltung der vorhandenen zu sorgen
hatten2. Die Zurichtung der Bolzen (sagittae, pila, tela3), das
Befiedern derselben4, das Versehen mit metallenen Spitzen5,
das Drehen der Sehnen G, die Herstellung der Köcher (sedes
pilarum 7) lag wiederum andern Meistern ob, die gleichfalls
dauernd oder vorübergehend in städtischem Solde standen 8.
Zur Deckung der Schützen dienten Schilde, „die Tarzen" 9, zur
Bekleidung, besonders bei feierlichen Anlässen, uniforme
Waffenröcke 10. Denn auch in Friedenszeiten wurden die Arm-
brustschützen verwandt. An hohen kirchlichen Festtagen, bei
feierlichen Umzügen und Prozessionen bildeten sie das Ehren-
geleit und sorgten für die Aufrechterhaltung der Ordnung in
den einzelnen Stadttheilen 11. Bei Anwesenheit der Könige
stellten sie die Ehrenwache und hatten sowohl für die persön-
liche Sicherheit der Herrscher, als auch für die Ruhe in den
einzelnen Strassen und Fremden herbergen einzustehen 12. Als
Entgelt für diese Dienstleistungen wurde ihnen von Seiten der
Stadt Geld und Wein gespendet 13. Was schliesslich die Zahl
der Schützen anlangt, über welche die Stadt zu verfügen hatte,
so bestehen auch darüber ausreichende Angaben. Für den
Landfrieden von 1351 hatte Aachen sich zu einem Kontingent
von 20 Mann zu Pferde für den täglichen Bedarf, aber von
100 Gewaffneten zu Pferde und 100 Schützen für Kriegszüge
verpflichtet u. Diese Zahl von 200 Mann stellt aber die gesammte
x) Laurent S. 105,17; 125,ia; 183,so; 341,39. 2) Ebendas. S. 105,i7 ;
125,i2; 130,i8; 148,it ; 184,i ff.; 237,8 ; 222,so ; 337,so ; 341,39. 3) Ebendas.
S. 105,23; 125,i4. 4) Ebendas. S. 105,26 ; 125,1s; 374,24; 14S,u. 6) Eben-
das. S. 125,i5; 148,i2.i3. 6j Ebendas. S. 105, 19; 183,38 ff. ; 223,io. 7) Ebendas.
S. 105,24. 8) Ebendas. S. 105,23 ; 125,ia ff.; 130,h ff.; 183,so ff. 8) Ebendas.
S. 148,19; 180,34; 223,6. 10) Ebendas. 125,7. ") Ebendas. 8. 104, 10; 119,ib ff. ;
147,6 ff.; 164,36; 203,4; 298,6.26. 12) Ebendas. S. 248,36 ff. 13) Ebendas.
") Lacomblet, Urkundenbuch III, Nr. 496.
42 K. Wietii
Kriegsmacht der Stadt keineswegs dar, da zum Schutze der
Stadt selbst stets eine beträchtliche Zahl der Schützen zurück-
bleiben musste. 1338 wurden 126 "Waffenröcke für die Schützen
angeschafft1; 1376 bei Gelegenheit der Krönung Wenzels 100
Schützen für den erforderlichen Dienst aufgeboten2. Diese
Angaben bekunden das Minimum der Präsenzstärke, und die
Annahme ist gerechtfertigt, dass im Fall eines Angriffs auf die
Stadt oder ihr Gebiet eine weit grössere, etwa die doppelte
Zahl aufgeboten werden konnte. Dies scheint 1439 der Fall
gewesen zu sein. Damals brach Herzog Philipp von Burgund
feindlich in die Lande ein, und es wurden „einige hundert"
bewaffnete Reichsunterthanen zu Pferd und zu Fuss durch
die Waldung postirt3. Im Uebrigen scheinen je 25 Mann eine
Abtheilung unter einem Schützenmeister und einem Banner-
träger gebildet zu haben4.
Wenn so die Armbrustschützen als die Kerntruppe der
städtischen Kriegsmacht, und die Handarmbrust selbst als die
eigentliche Wehr des Städters erscheint, so lässt die Standarm-
brust sich nicht unpassend mit nnserm leichten Geschütz ver-
gleichen. Das Wort, mit welchem dieses Geschoss in den
Rechnungen durchweg bezeichnet wird, heisst noytstail, Plur.
noytstelle, auch wohl oytstal, oytstelle. Auch das einfache
„der stall" kommt vor5. Nach Weglassung des dem links-
rheinischen Dialekt eigentümlichen i-Lautes heisst das Wort
nötstal. Die not bedeutete damals soviel als Kampf, Kriegs-
noth, Schlacht, Krieg; der stal, abgeleitet von stellen, heisst
das Gestell. Das Ganze bezeichnet demnach ein Kampfgestell,
eine Kriegswaffe, die nicht zum Tragen, sondern zum Aufstellen
bestimmt ist, also wesentlich Vertheidigungszwecken dient.
Diese Geschosse wurden über den Thoren aufgestellt, um die
Zufahrten beschiessen zu können. Da nun für dieselben ebenso
x) Laurent S. 125,7. 2) Ebendas. S. 248,36.
3) Haagen, Gesch. Ackens I, S. 321, Anm.
4) Laurent S. 29 U ff. 5) Ebendas. S. 407; 105; 148; 183; 184;
332; 337; 339. Bei oytstall fehlt das Anfangs-n meist dann, wenn das
vorhergehende Wort mit n schliesst.
Aachens "Wurfgeschosse im 14. Jahrhundert. 43
wie für die Handarnibrust Nüsse, Spillen, Hanf- und Haarseile,
Harz, Wachs und Talg erforderlich sind l, so liegt es nahe, sie
als eine im grossen Massstab durchgeführte Weiterbildung der
einfachen Armbrust zu halten, und es ist umgekehrt mehr
als wahrscheinlich, dass, wenn 1349 eine grosse Armbrust auf
dem Jakobsthor erwähnt wird 2, darunter nichts als eine Stand-
armbrust, ein nötstal, zu verstehen ist. Demnach ist es auch
nicht schwer, von dem Aussehen der Waffe sich ein Bild zu
machen. Ein gewaltiger Bogen von einer Länge bis zu 6 m 3
und darüber eine dem entsprechend starke Sehne4 sind an
einem Schaft befestigt, alles so gross und schwer, dass die
Kraft eines Menschen nicht ausreicht, das Geschoss zu tragen,
geschweige denn zu handhaben. Darum ruht das Ganze auf
einem mächtigen, in Kreuzform zusammengefügten Gestell 5,
welches sich auf kleinen Bädern nach rechts und links schie-
ben, und vermittelst einer gezahnten, senkrecht am Hintertheil
angebrachten Eisenstange auf- und herabschrauben lässt, so dass
die Waffe gegen jedes beliebige Ziel gerichtet werden kann6.
Zum Spannen der Sehne diente jedenfalls eine drehbare Vor-
richtung, welche den Namen „reyse" geführt zu haben scheint 7.
Dem mächtigen Umfang entsprach auch die Wirkung.
Das Geschoss schleuderte kleinere Steinkugeln, besonders aber
Bolzen von bedeutender Länge, deren Metallspitzen nicht
selten glühend gemacht waren. Die Wirkung erstreckte sich
bis auf 850 m und war derart, dass ganze Beihen von Solda-
ten hingerissen, 4 bis 5 Mann auf einmal durchbohrt wurden8.
l) Laurent S. 183,37; 184.u. ie. u ff. 2) Eheudas. S. 222,so.
3) Jitlms S. 636.
4) Vielfach aus Haareu von Thierschwänzen gedreht, zu dem Zweck
sammelte jährlich ein vom Magistrat besoldeter Mann die Thierschwänze in
der ganzen Stadt; vgl. Laurent S. 184,26.
5) Laurent S. 184,32: pro schrägen ad noytstelle 5 m. Schrägen sind
kreuzweise zusammengefügte und versteifte Eölzer.
6) Yiollet le Duc, Dictionnaire raisonne de L'architecture V. p. 242.
*) Laurent S. 184,29. so. Vgl. Taf. I, Fig. 1.
8) Jahns S. 637.
44 K. Wieth
Im Gegensatz zu den bisher beschriebenen Geschossen,
welche zu geradlinigem Schusse dienten, steht eine andere
zum Bogenwurf bestimmte Art von "Wurfgeschossen. Die
Stadtrechnungen von 1346 nennen sie machinae (Maschinen)
und blida (Bleide) und führen drei derselben an. Eine
alte Bleide, die im Grashaus lagerte, wurde ausgebessert, und
2 andere wurden neu gebaut1. Das Wort Bleide, Blide ist
ebenfalls aus balista entstanden und bedeutet ein Wurfgeschoss.
"Wie der Armbrust der Bogen, so liegt der Bleide die Schleuder
zu Grunde. Das Kraftprincip derselben ist die Centrifugal-
kraft. "Wesentlich daran ist die Schlinge; in diese wird
ein Stein gelegt, die Schleuder dann durch die Kraft des
Armes in Schwung gebracht und der Stein in weitem Bogen
seinem Ziele zugeschleudert. Die Schlinge ist auch bei der
Bleide vorhanden. Sie besteht aus einem starken Seil oder
aus einer länglichen, aus Leder gefertigten Tasche2 von
beträchtlicher Länge. Dagegen tritt an die Stelle des mensch-
lichen Armes ein grosser Hebel, in den Rechnungen Schwengel 3,
sonst Ruthe genannt, dessen Länge zwischen 6 und 15 m
schwankt4. Derselbe ist in einen längern und kürzern Hebel-
arm getheilt und spielt gleich einer "Wage zwischen zwei
hohen, starken und fest versteiften Säulen. Am Ende des
kürzern Armes wird ein grosser Kasten derart angebracht,
dass er entweder auf dem Balken fest aufliegt, oder in einer
scheerenartigen Vorrichtung frei herabhängt5. Dieser Kasten
wird mit schweren Massen, Metall, Steinen, Erde gefüllt und
bildet das sogenannte Gegengewicht. Am Ende des längern
Armes befindet sich die Schlinge, an ihrer Stelle wohl auch
x) Laurent S. 185,ie ff.; 186. 2) Ebendas. S. 185,37: it. pro coreo
ad calccos machinarum 8 m. (für Leder zu den Schuhen der Maschinen).
3) Ebendas. S. 186,«; 288,8.
*) -Jahns S. 640 ff.
5) Der Kasten heisst in den Stadtrechnungen S. 185,34 cista (Kasten),
S. 186.ii navis (Schiff). Sturboym (Speer-Querbaum) ist die Bezeichnung des
Querholzes am Ilintercndo des Schwengels, an dem der bewegliche Kasten
vermittelst einer Scheere hängt; vgl. Aegidius Colonna bei Jahns S. 638.
Aachens Wurfgeschosse im 14. Jahrhundert. 45
eine Art von Gabel oder Schaufel zur Aufnahme des zu
schleudernden Körpers. Soll dieser aufgeladen werden, so
wird der lange Arm des Schwengels vermittelst "Winden herab-
gezogen und durch eine Sperrvorrichtung so lange unten fest-
gehalten, bis das Aufladen beendigt ist. Dann lässt man den
Schwengel plötzlich los, und von dem fallenden Gegengewicht
in die Höhe geschnellt, schleudert er in mächtigem Bogen
seine Ladung dahin 1. Und nicht ins Blaue hinein, als wenn
es dem Zufall überlassen bliebe, die Bahn der Kugel zu be-
stimmen, sondern die Schussweite und damit die Treffsicher-
heit Hess sich bis zu einem ziemlich hohen Grade von
Bestimmtheit feststellen, je nachdem man das Längenverhält-
niss der beiden Hebelarme zu einander änderte, das Gegen-
gewicht oder die Kugel bald schwerer, bald leichter machte,
oder endlich auch die Schlinge entweder verkürzte oder
verlängerte.
Die vorzüglichste Munition dieser Gewerfe bestand in Stein-
kugeln, deren Durchmesser und Gewicht sehr schwankte und
zuweilen eine kolossale Grösse erreichte: so wurden bei der
Belagerung Cyperns durch die Genuesen im Jahre 1372, wie
die Genuesischen Annalen berichten, Steine von 12 bis 18 Ctr.
geworfen. Bei der Belagerung von Zara 1346 schleuderte
man Steine von über 1400 kg; vor Nidau warfen die Berner
Blöcke von 12 Ctr. Gewicht.
Kaiser Napoleon HI. hat sich durch Versuche und Berech-
nungen von der Möglichkeit solcher Wurfwerkzeuge über-
zeugen wollen. Er Hess ein solches konstruiren, und es ergab
sich, dass eine Bleide mit einem Gegengewicht von 16400 kg
einen Stein von 1400 kg ungefähr 70 m weit werfen würde,
eine Entfernung, welche für die damaligen Verhältnisse mehr
als genügend war. Der grosse Hebelarm dieser Bleide würde
16,50, der kleine 3,30 m lang sein müssen. Diese Maschine
wäre allerdings unförmig, aber doch möglich. Man kann
demnach voraussetzen, dass sie existirt hat2.
') Vgl. Tai'. I, Fig. 2. a) Jahns S. 644 f.
46 K. Wieth
Auf so kolossale Massen scheinen die Aachener Bleiden
nicht gebaut worden zu sein. Ueber die Schwere der Kugeln,
die sie schleuderten, kann man vielleicht aus Folgendem an-
nähernde Angaben entnehmen. Bei der Belagerung von
Keifferscbeid wurde eine Bleide verwandt. Zur Fortschaffung
des Schwengels allein waren 6 Pferde nothwendig *, wie auch
1346 zum Transport derselben aus dem Aachener Wald in
die Stadt ein eigener grosser "Wagen gebaut werden musste.
Die Handhabung derselben erforderte 12 Mann2. Da vor
Reifferscheid passende Steinkugeln nicht gebrochen werden
konnten, musste man solche in Mdeggen herstellen. Beim
Transport derselben wurden je 9 Kugeln auf einen Wagen ge-
laden3. Nehmen wir nun an, dass der Wagen von zwei
Pferden gezogen wurde, und die Ladung auf etwa 27 Ctr. ge-
schätzt werden könnte, so ergäbe sich für eine Kugel das
Gewicht von 3 Ctr. oder 150 kg, eine Last, die, in hohem
Bogen geschleudert, gewiss bedeutende Wirkung zu erzielen
genügend war4.
Der Zweck dieser Wurfmaschinen bestand nicht darin,
Bresche in die feindliche Mauer zu legen, sondern durch
das Niederstürzen aus der Höhe Dächer und Gewölbe zu
zertrümmern. Statt grosser Steine wurde nicht selten auch
eine Masse kleinerer, „ein Hagel", geschleudert. Aber auch
schwere Lanzen, mit Nägeln beschlagene Balken, mit Brenn-
stoffen angefüllte Fässer, todte Thiere wurden in den belager-
ten Platz geworfen. Folgende Darstellung aus den Chroniques
de Duguesclin gewährt ein deutliches Bild von dem Zwecke
der Wurfmaschine: Man errichtete Gewerfe, „welche grosse
x) Laureut S. 288,8. 2) Ebendas. S. 186,19; 287,u ff.; 288,». 3) Ebendas.
S. 291,3i ff. ■») Ebendas. S. 186,15-21; 312,4 sind die Herstellungskosten
zweier Wurfmaschinen aufgeführt. Mau verwendet für 154 Mark 3 Schilling
Eolz, für 7272 M. 11 'J2 Ctr. Eisen. Das Aussuchen und Behauen zweier
Schwengel betrug 37 M. 9 S. Die Konstruktion wurde iu Akkord vergeben
zu 90 M. Ausserdem brauchte man noch „smer" uud „unselt" zum Ein-
schmieren der Reibflächen, 45 S Pech zum Bestreichen der Seile. Die
Gesammtkosten beliefen sich auf 410 Mark damaliger oder etwa 2000 bis
2500 Mark heutiger Währung.
Aachens Wurfgeschosse im 14. Jahrhundert. 47
Steine gegen die Mauer schleuderten. Und im Innern des
Schlosses auf die Thürme und Logements hatten die Engländer
und Navarresen Dünger bringen lassen, der die Schläge der
Steingeschosse auffing. Und im Schlosse war ein grosser
Thurm, der sehr hoch und fest war. Auf den Thurm brachten die
Engländer eine Glocke und einen Wächter, welcher alle Gewerfe
der Franzosen beobachtete. Und wenn der Wächter sah, dass die
Maschinen vorbereitet wurden, um Steine zu werfen, so läutete
er mit der Glocke, und dann stellten sich Alle in Sicher-
heit, bis das Geschoss gefallen war. Und wenn der Stein
gegen die Mauer traf, dann sprangen Engländer hervor, welche
die Mauer an der Stelle des Schusses mit einem Handtuch (als
Zeichen der Verachtung) abtrockneten V
War in Folge einer langwierigen und ermüdenden Belage-
rung die Wuth der Feinde entflammt, so kam es wohl vor,
dass in grausamer Weise auch lebende Menschen mit diesen
Maschinen geschleudert wurden. Besonders waren diesem
Geschick die Bleidenmeister ausgesetzt, wenn der von ihnen
vertheidigte Platz erstürmt war. „Als im Jahre 1345
Auberoche hart belagert wurde, sandten die Bedrängten heim-
lich einen Knappen zum Grafen Derby, um Hilfe zu erbitten.
Aber der Bote wurde von den Belagernden gefangen, sie hingen
ihm die Briefe um den Hals, legten ihn als ein Knäuel in die
Schleuder einer Maschine und warfen ihn in die Stadt zurück.
Er fiel todt vor den Rittern nieder, die sehr erstaunt und
niedergeschlagen waren, als sie ihn erblickten2."
Im Jahre 1333 belagerten die Strassburger und die Eid-
genossen das Raubnest Schwanow a. Rh. bei Erstein. Darüber
meldet Königshoven in der Elsässer Chronik Folgendes: „Und
do logert se wol sechstehalbe Woche vor und gewunnent die
Burg an dem ersten Tage des Brachmondes mit Werken
(Wurfgeschossen) und mit Katzen (Mauernbrechern), die man
aller Enden zutreip. Sonderliche die von Strasburg flirtend
ölbergrien (Urin und Unrath) us der Stat in Tunnevesselin,
l) Vgl. Jühus S. 646 f. 2) Ebendas. S. 645.
4S K. Wieth
und die warf man mit "Werke in das hus und entsüverten
(verunreinigten) inen ire Burnen (Brunnen) und alle ire
Wonungen, dass es inen gar widerwärtig wart Nu zejüngest
Meister Claves Karle, von Strosburg Werkmeister, verbrannt
inen gar ein schönes Eiterhus. Do entwichent sie uf den
turn. Nu worent wol ir 60 Mann duffe, edel und unedel.
Der tedigent wol 7 us und gabent die andern in den Tod.
Und die Burg wart gewunnen mit grossen Listen und arbeite,
und wol 53 wurden enthouptet. Drige Werglüte, Smiede und
Zimberlüde, die duffe worent, die wurden geworfen mit dem
Quotwerke in die Burg, zweene uffeinander und einre alleine.
Donoch brachent sie die Burg zu gründe abe1."
Was endlich die Pulvergeschosse betrifft, so ist zu bemerken,
dass sie meist gleichzeitig mit den Bleiden angewandt wurden,
aber an Bedeutung hinter denselben weit zurückstehen mussten,
so dass noch das ganze 15. Jahrhundert hindurch und bis in die
Mitte des 16. der Gebrauch jener Wurfmaschinen nachzuweisen ist.
Die erste urkundliche Erwähnung des Gebrauchs von
Feuerrohren enthalten die Genter Annalen zum Jahre 1313:
„Item, in dit jaer was aldereerst ghevonden in Duutschland
het ghebruuk der bussen (Büchsen) van einem mueninck2."
Es ist sicher, dass das Pulver selbst weit vor der Zeit des
Berthold Schwarz erfuuden und bekannt war, aber wahrschein-
lich, dass von diesem Freiburger Mönch die wichtige Anwen-
dung auf Feuerrohre gemacht worden ist.
Der Gründe aber, welche die Vervollkommnung und Allein-
herrschaft der Pulvergeschütze so lange verzögerten, waren
mancherlei. Zunächst begegnete die neue Erfindung allgemei-
nem Misstrauen und Widerwillen sowohl bei den Eittern, als
auch bei den Dichtern ; bei jenen, weil sie durch dieselbe sich
in ihrer dominirenden Kriegführung bedroht fühlten, bei
diesen, „weil ihnen der Gebrauch der Feuerwaffen als eine
freche Anmassung göttlicher Attribute erschien" 3. Dann war
es bei den damaligen Kenntnissen sehr schwierig und fast
■) Jahns S. 645. J) Ebendas. S. 774. 3) Ebendas.
Aachens Wurfgeschosse im 14. Jahrhundert. 49
■.-
unmöglich, ein sicheres Geschütz herzustellen, weil man die
richtige Mischung der Metalle nicht kannte. So kam es, dass
die Geschütze nur allzuoft sprangen und statt unter den Fein-
den im eigenen Lager Verheerungen anrichteten. Endlich be-
ruhte auch die Treffsicherheit weit mehr auf Zufall, als Be-
rechnung.
In Aachen wurde wahrscheinlich im Jahre 1346 die erste
Feuerbüchse hergestellt, welche wir uns in der Gestalt eines
Mörsers zu denken haben. Es kann aber nur ein Stück von
geringem Kaliber gewesen sein, denn die Kosten betrugen bloss
5 Schilde, etwa 11 Mark damaliger, 55 heutiger Währung;
für Salpeter wurden nur 7 Schilling und für das ganze Ge-
stell 12 Schilling entrichtet1. Erst 1383 bei der Belagerung
des Schlosses zur Dick, und 1385 vor Reifferscheid wurden
Büchsen oder Mörser grössern Kalibers gebraucht, denn die
Steinkugeln, welche sie schleudern, haben etwa dieselbe Grösse
wie die zu gleicher Zeit gebrochenen Blidenkugeln 2; ausserdem
Averden als Munition auch Blei und Pfeile angegeben.
Während 1346 noch kein Büchsenmeister vorkommt,
spielt ein solcher 1383 und 1385 und nachher eine bedeutende
Rolle. Sein Name ist Roederchin; er verfügt über eine An-
zahl von Gehülfen und steht in städtischem Sold. Seines
Amtes ist es, abgesehen von der Herstellung des Geschützes
selbst, worüber keine Nachrichten vorliegen, das Pulver (kruyt)
zu bereiten und das Geschütz zu handhaben. Allmählich
wird er eine Art von städtischem Feldzeugmeister, dem die
Instandhaltung und Beaufsichtigung sämmtlicher Kriegsgeräthe
obliegt.
Zum Schluss noch eine Frage nach dem Verhältniss der
Kriegsmacht Aachens zur Zahl seiner Einwohner in damaliger
Zeit. Heute zählt die Stadt rund 6000 Häuser und 95 000 Ein-
wohner; 1815 rechnete man 2700 Häuser und 32 000 Einwohner;
Noppius führt für das erste Drittel des 17. Jahrhunderts 3000
>) Laurent S. 182,6 ff.; S. 412 ff. 1 Mark = 12 Schilling, 1 Schil-
ling = 12 Denare, 1 Denar = 2 Obolen. *) Laurent S. 291,si.
4
50 K- Wieth, Aachens Wurfgeschosse im 14. Jahrhundert.
Häuser an. Es ist gewiss nicht übertrieben, für das 14. Jahrhundert
diese Zahl auf höchstens 2000 einzuschränken. Denn nur die
innere Stadt war dichter bebaut, der Raum zwischen der innern
und äussern Umwallung zum weit geringern Theil ; der grössere
war bedeckt mit Obst-, Wein- und Gemüsegärten. Nach allge-
meiner Sitte baute man damals kleine, nur für den Gebrauch
einer Familie bestimmte Häuser. "Wird nun als Durchschnitts-
ziffer der Bewohner eines Hauses die Zahl 10 angenommen,
so ergäbe das eine Gesammtbevölkerung von 20 000 Einwohnern.
Es ist auch sonst nach allen Anzeichen zu schliessen, dass
diese Zahl das Richtige nicht allzuweit verfehlt. Wie wir oben
sehen, betrug in den im 14. und 15. Jahrhundert eingetretenen
Kriegsfällen die bewaffnete Macht 200 bis 400 Mann; das
wäre annähernd 1 bis 2 Prozent der Bevölkerung, ein Yerhält-
niss, welches dem der Gegenwart ungefähr gleichkommt *.
Wenn nun eine alte Aachener Chronik 2 zu 1387 meldet:
„Ihm obermelten jähr isz wehr und wapffen in der statt Aich
visitiert und seint beschrieben 19 826 wollgewapff neter Man",
so kann dies unmöglich richtig sein. Denn einer solchen
Kriegsmacht gegenüber würden die benachbarten Herren
von Jülich, von Born, von Brabant, von Cleve und Mark,
von Heinsberg es nicht so oft gewagt haben, wie es thatsäch-
lich geschah, brennend und verwüstend in das Gebiet der Stadt
einzufallen; bei einer solchen Kriegsmacht hätte man sicher
nicht gegen das Heer Philipps von Burgund bloss einige
hundert bewaffnete Reichsunterthanen zu Pferd und zu Fuss
durch die Waldung postirt. Viel wahrscheinlicher aber ist die An-
nahme, dass in jener Zahl die Gesammtbevölkerung der Stadt
angegeben ist.
*) Eine eingehende Untersuchung und Vergleichung der einzelnen
Rechnungen des 14. Jahrhunderts unter sich und mit sonstigen Angaben
würde -wahrscheinlich eine genügende Zahl fester Punkte ergehen, aus
denen sich gesicherte Schlüsse auf die Bevölkerung ziehen Hessen.
2) Loerseh, Aachener Chronik in den Annahm des hist. Vereins
f. d. Niederrhein XVIT, S. 4. Vgl. Noppius a. a. O. Th. I, S. 169.
Die Krönung König Wenzels zu Aachen.
Von 0. Dreseinann.
Nachdem Karl IV. im Jahre 1372 bei seiner Anwesenheit
in Aachen den bedeutenden Streit zwischen seinem Bruder,
dem Herzog von Brabant, und dem Herzog von Jülich ge-
schlichtet hatte, traf er am 4. Juli 1376 wieder mit glänzendem
Gefolge dort ein. Es galt der Krönung seines Sohnes Wenzel
zum römischen König, worauf er, um die Krone bei seiner
Dynastie zu erhalten, schon lange hingearbeitet hatte l.
Wenzels Wahl war in Frankfurt vollzogen worden; zwar
bestimmte es so die goldene Bulle, das noch von Karl selbst
erlassene Reichsgrundgesetz, doch war diese Bestimmung schon
wieder aufgehoben worden; auch Wenzels Erhebung zu Leb-
zeiten des Vaters stand mit dem Grundgesetz in Widerspruch;
den Wahl ort hatte indessen ein Yorbeschluss der Kurfürsten
ebenso wie auch den Termin der Krönung, den 24. Juni, fest-
gesetzt 2.
Der Papst, dem die geplante Wahl und Krönung schon
im März angezeigt worden war, machte Schwierigkeiten wegen
der Absicht, den König gleich nach der Wahl krönen zu lassen,
da derselbe seine Bestätigung noch nicht habe ; ja er ging zur
Aufforderung an Aachen über, dem noch nicht von ihm Be-
stätigten den Einlass zur Krönung zu verwehren3.
Zu jenen Vorverhandlungen des Kaisers mit den Kur-
fürsten Anfangs Juni zu Rhens bei Coblenz schickte Aachen,
') Bökmer-Huber, Die Kegestcn Karls IV. S. 470.
'-') Reichstags- Akten I, S. 71 und 92.
3) Ebenda S. 97, no. 15; 102; 105, no. 5; 113, Auni. 2.
4*
52 0. Dresemann
als betheiligte Krönungsstadt, fünf Gesandte: Reinhard und
Johann von Pont, Heinrich de Tilia (von der Linden), Gott-
fried Koellin (Colyn) und Gottfried Eyghorn. Als Ziel ihrer
Reise wird in den Stadtrechnungen Bacharach angegeben; doch
bei dem längern Aufenthalt, der Anwesenheit bei dem Kaiser,
dessen Hauptquartier Bacharach war, während er nur zwei
Tage in Rhens blieb, werden die Aachener auch den Rhenser
Verhandlungen beigewohnt haben. Mit dem Ergebniss, beson-
ders dem Krönungstermin, machten sie darauf ihre Mitbürger
bekannt l.
Durch die Verhandlungen mit der Kurie verzögerte sich die
Krönung um einige Zeit, und über diesen Aufschub mag der
vom Kaiser gesandte Bote unsere Stadt benachrichtigt haben,
der zugleich eine Einladung nach Frankfurt überbrachte. Als-
bald machten sich drei Vertreter Aachens, Konrad und Gott-
fried Eyghorn nebst Johann von Pont auf die Reise dorthin 2.
Dass sie jedoch zum Wahltermin selbst schon in Frankfurt
anwesend gewesen seien, ist deshalb nicht wahrscheinlich, weil
dieser der 10. Juni war, die drei Gesandten aber erst Freitag
den 4. Juli nach Aachen heimkehrten und weil sie bei dem
erforderlichen Aufwand, weniger noch für die Reise, als für
ein der ersten Stadt nach Rom angemessenes Auftreten mit
106 Florin nicht würden ausgekommen sein, wie dies ander-
weitige Vergleichungen ergeben. Ihre Reise fällt also wahr-
scheinlich in die zweite Hälfte des Juni, und sie kehrten erst
als Begleiter des prächtigen Hofzugs nach Aachen zurück, da
sie die Stadt genugsam vorher durch Boten über des Kaisers
und Königs Ankunft unterrichten konnten,^ auch nicht gerne
die Ehre der Begleitung der hohen Häupter entbehrten3.
') Kegesten S. 466 f. Laurent, Aach. Stadtrechnungen S. 240,i2-i6;
242,34 ff. Reichstags- Akten I, S. 165, Anm. 4.
2) Laurent a. a. 0. S. 241,4. Von päpstlicher Seite war der Legat
Thomas de Amauatis zur Aachener Krönung gekommen. Ebenda 254,7.
Ennen, Quellen zur Gesch. der Stadt Köln V, S. 177. Laurent S. 241. ff.;
250,6 ff.
8) Laurent S. 243,is. Reichstags-Akten I, S. 174, Anm. 1.
Dio Krönung König Wenzels zu Aachen. 53
Die Krönungsstadt liess den Zug noch besonders durch
andere angesehene Bürger nebst Speerleuten feierlich einholen \
während sie gleichzeitig einen Boten in einer wichtigen An-
gelegenheit ausschickte. Ehe nämlich der Kaiser mit seinem
Sohne und dem grossen Gefolge von Fürsten, Grafen, Herren
nebst deren bewaffnetem Tross einritt — es befanden sich auch
die Bürgermeister von Frankfurt mit einigen dortigen Bürgern,
selbst Vertreter der Stadt Mailand und lombardischen Konfö-
deration darunter — liess Aachen durch jenen Boten mit dem
Schatzmeister Karls, dem Herrn von Kolditz, wegen „Nieder-
legung der Waffen vor den Stadtmauern" verhandeln ; in derselben
Angelegenheit gingen auch Briefe an die Herzoge von Baiern-
Holland, Brabant und Jülich ab, wobei bemerkenswerth ist,
dass sich Aachen nicht etwa an irgend einen der mitgezogenen
Kurfürsten wandte. Kolditz und mit ihm der kaiserliche Hof-
meister Wartenberg unterstützten den Wunsch Aachens bei
dem Kaiser, wofür beide später eine ansehnliche Erkenntlich-
keit erhielten. Die Yorsichtsmassregel der Stadt verhütete
jedoch nicht, was sie sollte, wie sich alsbald zeigen wird2.
Zum Empfang des jungen Königs hatte sich Aachen wür-
dig gerüstet; besonders mag demselben geschmeichelt haben,
sein Steinbildniss an der Front des Rathhauses in der Reihe so
vieler würdigen, in Aachen gekrönten Häupter zu erblicken.
Es könnte nicht unzweifelhaft erscheinen, ob das Steinbild „des
Königs", welches die Stadt ausweislich der Stadtrechnungen
anfertigen liess 3, ein Bild Karls oder Wenzels sei, weil Wenzel
noch nicht eigentlich König war ; indessen war Karl doch Kaiser ;
und auch verdient Folgendes Beachtung. 1370 hatte der Rath
mit Meister Peter von der Kapellen einen Vertrag speciell über
Herstellung der Bildwerke zur Verzierung der Rathhausfayade
geschlossen. Die Kunstfertigkeit dieses Steinmetzen, sowie seiner
wohl nicht geringen Gehülfen schaft wird ohne Zweifel schnell
») Laurent S. 241,38 ff.; 248,2 ff.
") Ebenda 246,2; 246 ff.; 252,29 ff.; 253,8«; 245,«; 2 18.6-9 ; 246,u.
3) Ebenda 240,35 ; 249,28 ; 255,29. -Eeichstags- Akten I, S. 165, Anm. 8.
54 0. Dresemann
den natürlichen Wunsch des Raths und auch der Bürgerschaft
erfüllt haben, das Rathhaus auch im Einzelschmuck bald fertig
dastehen zu sehen, so dass also in wenig Jahren nach obigem
Vertrag die ganze Reihe der zu Aachen gekrönten Könige bis
einschliesslich Karl IV. auf den Marktplatz niederblickte. Jetzt,
im Jahre 1376, kam plötzlich ein neuer König, und die Stadt
ergriff begierig die Gelegenheit, ein weiteres, leeres Konsol zu
schmücken. Jener Meister Peter muss übrigens schon vor
1376 gestorben sein, da er sonst in den Stadtrechnungen bei
Gelegenheit der Anfertigung des neuen Standbilds namentliche
Erwähnung gefunden haben würde.
Wenzels Krönung wurde am 6. Juli durch den Erzbischof
von Köln vollzogen; ein süddeutscher Bericht über die Feier
besagt: Er wurde bei den Belgiern in Aachen gekrönt1. Zu-
gleich mit Wenzel wurde auch Johanna von Baiern gekrönt,
die Gattin des sechszehnjährigen Königs.
Es erhebt sich ein Zweifel, wann Aachen dem neuen
König gehuldigt habe. Massgebende Forschung hat sich für
die Zeit entschieden, wo Wenzel schon innerhalb unserer Mauern
weilte; dafür spricht am meisten der Ausstellungsort Aachen
in der ersten der beiden vorhandenen Huldigungsurkunden 2 ;
an sich ist es allerdings nicht unwahrscheinlich, dass die nach
vollzogener Königswahl nach Frankfurt gereisten Vertreter
Aachens dem Neugewählten die vorläufige Huldigung der Stadt
urkundlich überbracht haben könnten. Fällt die Ausstellung
der ersten Urkunde aber auf den Krönungstag selbst, den 6.
Juli, so ist sie immerhin, dem „electo" „gewählt", also nicht
„gekrönt", zufolge, während desjenigen Theils des Tages aus-
gestellt worden, welcher der Ceremonie voraufging; gleichwohl
ist jenes „electo" auch nicht ganz bindend, da ebenfalls die
wahrscheinlich nach der Krönung in Nürnberg ausgestellte Huldi-
gungsurkunde der Markgrafen von Meissen von Wenzel nur
als einem „electo" spricht3. Wenn nun auch, worauf hin-
') Städtechroniken Jll. S. 253; 169; XIII. S. ■_>(>. Reichstags-Akten
I. X. 156.
'2) Reichstags- Akten a. a. <>.
3) Ebenda I, S. 154, Anm.
Die Krönung König Wenzels zu Aachen. 55
gewiesen werden muss, wie die Begriffe Königthurn und Kai-
serÜram, so eleetus und coronatus in damaliger Zeit häufig
durcheinanderlaufen, so liegt es doch auf der Hand, bei der
Stadt Aachen, als der Krönungsstadt, eine sorgfältige Schei-
dung wenigstens der letztern Begriffe anzunehmen, selbst auch
mit Rücksicht auf solche Urkunden, welche, wie die fragliche,
nach einem Formular der Reichskanzlei angefertigt sind. Es
bleibt bei- dem Festhalten am 6. Juli nur auffallend, dass die
Stadt bis zum letzten Augenblick vor der Krönung mit der
Huldigung gewartet haben sollte; der König befand sich ja
schon seit zwei Tagen innerhalb der Mauern. In der zweiten,
in deutscher Sprache ausgefertigten Huldigungsurkunde vom
10. Juli ist mit Bewusstsein „gewählt" in „gekrönt" umgeän-
dert, was überzeugend für die Verlegung der das „gewählt"
enthaltenden Urkunde vor die Krönung sein dürfte1. Wenn
nun noch "Wenzel am 21. Juli, vorgeblich zu Aachen, das er
doch schon verlassen, die Privilegien unserer Stadt bestätigte,
so wollen wir uns mit der einfachen Erklärung begnügen, dass
der Schreiber mit dem „grossen Privileg" nicht so schnell hat
fertig werden können; da er aber gerne die Krönung in das
Datum hineinbrachte, konnte er auch den Ort Aachen nicht
entbehren 2.
Jene oben erwähnte Aforsichtsmassregel, keine Waffen in
die Stadt zu lassen, war keineswegs in dem Masse durchgeführt
worden, dass der bekannte, zwischen Herzog Wenzel von
Sachsen und Wenzel von Brabant ausgebrochene Rangstreit
wegen Vortragens des Reichsschwerts nicht gefährliche Aus-
dehnung angenommen hätte. Es ist möglich, dass die beiden
Streitenden gar nicht an der kirchlichen Feier theilnahmen,
bei welcher der Kaiser das Schwert durch seinen Sohn Sig-
') Städtechroniken 1, SS. loO kennen nur die zweite Urkunde. Zu be-
merken ist, dass Frankfurt schon vor der Wahl huldigen wollte. Reichs-
tags-Akten I, S. 81.
2) Laurent S. 248,n. Loersch, Acheuer Rechtsdenkmäler S. 72. Rcker,
Drittes Ergänzungsheft zu den Kegesten Ludwigs d. B. S. .XII. Reiehstags-
Akten I. S. 171. Anm. 3.
56 0. Dresemann
mund tragen liess. Während nun Bürgermeister und Vogt von
Aachen nebst Andern unter den beiden Herzogen Frieden zu
vermitteln suchten \ kam ein neuer Umstand hinzu, die Kriegs-
völker zu einer Rauferei anzuregen ; konnte dafür nach ihrer
Lebensart etwas geeigneter sein, als das Würfelspiel beim Trunk?
Im Jahre 1372, bei Anwesenheit des Hofes in Mainz, war wegen
falschen Würfelspiels der Böhmen im Dienste des Kaisers ein
denkwürdiger, blutiger Tumult entstanden ; hier in Aachen er-
scheinen die Leute des Herzogs von Sachsen als der schuldige
Theil, ausweislich der Stadtrechnungen 2. Der doppelte Beweg-
grund fachte den schnell auflodernden Streit zu doppelter Stärke
an; jedenfalls war es schon zu spät, als die Herbergswirthe
mit Hülfe der Stadtdiener die Waffen konfiscirten, und die in
den Herbergen zur Aufrechterhaltung der Ordnung unter den
gewappneten Leuten liegenden städtischen „Schützen" mochten
dem streitenden Haufen nicht allzusehr imponiren3.
Nach der von Karl gefundenen Ausflucht wurde der Rang-
streit für diesmal wenigstens gegenstandslos, und Kaiser wie
König konnten den Rest der Festtage in Aachen ruhig ver-
bringen. Es ging hoch dabei her, worüber man sich in den
Stadtrechnungen unterrichten kann4.
Das war die Krönung jenes Wenzel, bei dessen Geburt
im Jahre 1361 der Vater Karl eine Gabe an edelstem Metall
gleich dem Gewicht des Neugeborenen unserer Marienkirche
zugewandt hatte. Schon zu seiner Krönung gibt ein Chronist
folgende Schilderung vom Charakter des einst mit Gold Auf-
gewogenen: „Als er fünfzehn jar alt was, ward er zu Aquis-
granis, das ist zu Ach gekrönt ... In allen Sachen was er
dem vater ungleich ; wann Wenzeslaus was treg und ver-
drossen zu aller arbeit, nit aussrichtig, gedacht nit nach eren;
wann an ihm ward klar, das Salomon spricht: hereditas, ad
quam a principio festinatur, in fine benedictione carebit, das
') Dynter, Chron. des ducs de Brabant VI, p. 72.
2) Regesten Karls IV. S. 421 unten. Laurent S. 255.3 ff.
8) Laurent S. 252,.; 255.«» ff.; 251.2*; 248.34 ff,
4) Ebenda S. 37 f.
Die Krönung König Wenzels zu A.achen. 57
ist: das erb, zu dem an dem anfank wird geeilt, wird beraubt
an dem ende des segens. Er erlanget nie die krön (Kaiser-
krone) und regieret doch 22 jar1." Seine glänzend begonnene
Laufbahn nahm ein düsteres Ende. Nach 24 Jahren abgesetzt,
grollte er noch fast zwei Jahrzehnte danach einem selbst her-
aufbeschworenen Geschick in dem fernen Böhmen.
») Städtechroniken III, S. 169.
Eine verschollene
Schrift über Aachen aus dem Jahre 1701.
Von E. Pauls.
„Les Eaux d'Aix. Nouvelle divertissante du Mois de May
1701. A Cologne chez Pierre Marteau 1701u lautet der Titel
eines verscholleneu Büchleins (142 S. in Duodez), das haupt-
sächlich deshalb einiges Interesse in Anspruch nehmen darf,
weil anscheinend keine einzige Arbeit ähnlicher Art aus der
Zeit des ersten halben Jahrhunderts nach dem Stadtbrand von
1656 uns überkommen ist1. Die Einleitung, in welcher durch
einen wahrscheinlich erdichteten Briefwechsel bewiesen werden
soll, dass das Ganze gegen den Willen des Verfassers gedruckt
wurde, braucht ebenso wenig besprochen zu werden, als der
dem Hauptinhalt nach unsittliche Anhang. Auch lohnt es
nicht der Mühe, über die Persönlichkeit des Verfassers Ver-
muthungen anzustellen. Die Urheber solcher Schriften hatten
zur Vermeidung von Unannehmlichkeiten allen Grund, ihren
Namen sorgfältig geheim zu halten 2, weshalb in diesem Falle
auf das wiederholt zu Tage tretende Bestreben, den Verfasser
als Franzosen erscheinen zu lassen3, kein Gewicht zu legen
ist. Mehr Beachtung verdient der Umstand, dass die Schrift
') Lersch (Geschichte des Bades Aachen S. 59, Anm. 2) führt den Titel
einer ähnlichen, jetzt ganz unbekannten Schrift aus dem J. 1704 an.
2) Dies thaten ebenfalls die . Verfasser der um 17o6 erschienenen
Amusemens des eaux d'Aix-la-Chapelle und des um 1786 gedruckten Tableau
d'Aix-la-Chapclle. Bei der vorliegenden Schrift ist auch der Name des
Verlegers (P. Marteau) falsch.
3) S. 35: nos Francoiscs, S. 101: Les Francois etc.
Kino vcrschollcno Schliff iibor Aachen aus dem Jahre 1701. 50
thatsächliclj im Jahre 1701 verfasst wurde. Sie kann nicht
früher entstanden sein, weil in ihr von der am 1. September
1701 gelieferten Schlacht bei Chiari gesprochen wird, und
gegen ein späteres Entstehen spricht, abgesehen von buchhänd-
lerischem Gebrauch der Anwendung richtiger Jahreszahlen,
das völlige Schweigen über die Kriegslasten, unter denen
Aachen um 1702 und etwas später litt.
Zweck, Stil und Inhalt von Schriften der vorliegenden
Art lassen sich durch das eine Wort Unterhaltungslektüre an-
deuten. Der "Werth solcher Arbeiten liegt überwiegend auf
kulturgeschichtlichem Gebiet; manche Angaben machen eine
besonders vorsichtige Prüfung nöthig, und vielfach kann nur
mit Mühe der Kern aus den weiten, saftlosen Hüllen heraus-
geschält werden. Im nachstehenden kurzen Auszug blieb All-
bekanntes meist ganz unberücksichtigt.
Ueber die Bäder von Aachen und Burtscheid erfahren
wir aus den Eaux d'Aix wenig. Am Hauptbrunnen in Aachen
strömte das Mineralwasser aus vier Röhren1; in lebhaften
Farben weiss der Verfasser die bunte Menge zu schildern,
welche sich in der Nähe des Brunnens bewegte. Aus der
Beschreibung 2 eines auf vorherige Bestellung erhaltenen Einzel-
bads im Kaiserbad geht hervor, dass daselbst bis zu 15 Männer
in einem Bade gemeinschaftlich badeten, dass aber der Zutritt
zu den Frauenbädern unter strengster Aufsicht stand. In
Burtscheid soll in dieser Hinsicht die Aufsicht minder streng
gewesen sein, was bis tief ins 18. Jahrhundert hinein sich
auch anderweitig verzeichnet findet, Sittenlos ging es angeb-
lich bei einem Bade zu, welches einem Tanzvergnügen sich an-
schloss3. Da aber der Verfasser hierbei in etwas auffälliger
Weise jede Ortsangabe sorgfältig vermeidet, ist es möglich,
dass seine Angaben nur geringen Anspruch auf Glaubwürdig-
keit machen dürfen.
Um die Abwechslungen, welche das Leben in Aachen
den Kurgästen bot, scheint es sehr dürftig bestellt gewesen zu
') S. 16 f, ') S. 62 f. 3) S. 107.
60 E. Pauls
sein. In einem längern Ausfall * wird namentlich über das
Fehlen von städtischer Musik am Brunnen geklagt und auf
die vielen Annehmlichkeiten in englischen Bädern hingewiesen.
„Es ist eine Schande für Aachen," so heisst es, „dass die der
Stadt so nützlichen Fremden so schlecht empfangen werden2."
Von Tanz- und Spielgesellschaften ist zweimal die Rede. Täg-
lich wurde Nachmittags von 3 bis 7 Uhr getanzt, Eines der
beiden geschilderten Tanzvergnügen fand beim Dr. Oliva3, das
andere im kleinen Birnbaum4 am Brunnen statt. In beiden
Fällen standen den Theilnehmern zwei Säle zur Verfügung,
die zwischen Kartenspielern und Tänzern getheilt waren. Die
Art des Tanzens fand nicht den Beifall des Verfassers. Er
wundert sich über die deutsche Sitte, nach welcher die Herren
die Damen zum Tanze bitten5 und spöttelt nicht ohne Witz
über die seiner Ansicht nach meist wenig gewandten Tänzer
und Tänzerinnen. „Die lächerlichsten Figuren wollen am
meisten tanzen und bringen es fertig, dass eine Menuet eine
halbe Stunde dauert."
Im Ganzen wurde in Aachen nicht viel gespielt. Bassette
lag ziemlich brach, Landsknecht kannte man nicht, das könig-
liche Hoack war wenig gebräuchlich ; am beliebtesten scheint
L'hombre gewesen zu sein 6. Dass Spitzbuben die Bäder un-
sicher machten, wird ausdrücklich bestätigt ; mit Hellebarden
versehene Beamte leisteten Polizeidienste7. Die Landskrone
erklärt der Verfasser für den besten Gasthof der Stadt8. Von
zwei Kaffeehäusern, die er besuchte, war eins in hohem Grade
*) S. 49 f. 2) S. 50 : C'est une honte de recevoir si mal des etrangers
si utües. 3) S. 96 f. Nach von Fürth, Beiträge zur Gesch. der Aachener
Patrizier-Familien II, 2, S. 217 war Philipp Oliva 1696 bis 1726 Arzt in
lachen. 4) S. 116 f. 5) Ausführlicheres über diese Sitte, die damals nur in
Badeorten eingeführt gewesen zu sein scheint, in Amusemens des eaux
d'Aix-la-Chapelle I, p. 154. 6) S. 90. Nach einer mir in französischer
Oebersetzung vorhegenden Verordnung verbot der Aachener Magistrat am
19. Juni 1 750 namentlich folgende Hazardspiele : Pharaon, Passedix, Brelan,
Cinq et Ncuf, Trente et Quarante, Bassette, Baiujue-Voulute, la Roulette,
Lansquenet. 7) S. 89. 8) S. 60. Wahrscheinlich ist die Landskrone in der
Grosskölnstrasse, nahe der St. Nikolauskirche, gemeint.
Eine verschollene Schrift über Aachen aus dem Jahre 1701. 61
unreinlich und mit einer lärmenden Menge gefüllt; das andere
war besser1 und besass ein Billard l. Tabak oder vielmehr
Schnupftabak2 wird an einer Stelle genannt; hübsch lackirte
chinesische und andere mit Bildern und Sprüchen verzierte
Schachteln wurden als „dröleries de le saison" viel verkauft3.
Die auf Aachen und Burtscheid bezüglichen andern Mit-
theilungen bieten einiges Bemerkenswerthe. Burtscheid wird
als ein reizend gelegener Ort geschildert; der Eremit bei
Burtscheid war verheirathet 4. Nirgendwo in Europa hatte der
Verfasser mehr mit Grabsteinen überfüllte Kirchen gesehen
als in Aachen. Die Vornehmen, so sagt er5, spielen selbst
noch im Grabe, wo sie doch der Verwesung anheim gefallen
sind, die Stolzen ! Aus der ausführlichen Beschreibung eines
Leichenbegängnisses ü in Aachen geht hervor, dass die ein-
schlägigen frühern Sitten sich nur wenig von den heutigen
unterschieden.
Von Aachen heisst es u. A. 7 : „Aachen ist ein grosser
öder Platz, der seinen Glanz hauptsächlich den Fremden ver-
dankt. Man arbeitet und sät dort wie in einem Dorfe, eine
Ziege könnte über die Stadtmauern springen. Hervorragende
Handelserzeugnisse sind : Limburger Tuch, "VVaaren von Kupfer
und Zinn, Stecknadeln und buntbemalte (?) Nähnadeln8. Die
meist breiten Strassen haben schlechtes Pflaster, die Häuser
sind mit wenigen Ausnahmen von Holz gebaut. Der Kapu-
zinergarten besitzt die schönsten Anlagen ; zu wünschen wäre,
') S. 61 u. 62; hier wohl die erste Erwähnung eines Billards in Aachen.
2) S. 59. Nach Lersch (Schriften über Thermen von Aachen und Burtscheid
S. 8) zog schon um 1588 ein Aachener Arzt die Tabakpllanze in seinem
Garten. Nach dem AVochenblatt für Aachen und Umgegend 1838, Nr. 21
und 22 wurde um 1692 von Tabak in Aachen eine Abgabe erhoben, und
entstand daselbst um 1739 eine Tabakfabrik. y) S. 80 f. 4) S. 49. Vgl.
auch Quix, Stadt Burtscheid S. 76 und Amusemens 111. p. 296 sq.
5) S. 85 : Et dans ces grands tombeaux.
Ou leurs ames hautaines
Font encore les vaines,
Ils sont mangez de vers.
6) S. 85. 7) S. 111 f. 8) Text: Eguilles bariolees.
62 E. Pauls
dass man das Mineralwasser dorthin leitete 1. Dies würde den
Kranken besser passen, als die beim jetzigen Kurbrunnen vor-
handenen engen Gallerien und kleinen Baumalleen." Am
Schluss der Beschreibung Aachens schildert2 der Verfasser,
wie ein schwerer Ochse unter Schalmeiklängen durch die
Strassen der Stadt geführt wurde. Hieran reihen sich folgende
Angaben über die Verwendung der Steinkohlen in der Küche.
„Ein grosses Gluthfeuer von Steinkohlen wird Morgens ange-
zündet und dauert bis zum Nachmittag oder länger. Diese
ebenso reinliche als bequeme Einrichtung verdient eine kurze
Erwähnung. Um einen Braten zuzubereiten, spiesst man den-
selben an eine grosse eiserne Nadel, die mit dem dazu gehö-
rigen Strick 3 über dem Feuerrost des Steinkohlenfeuers schwebt.
Der Braten wendet sich von selbst um, und braucht man nur
von Zeit zu Zeit den Strick zu berühren. Eine solche Ein-
richtung, welche auch als Suppenherd, Kohlenbecken und
Stubenofen dienen kann, reicht für die Zubereitung aller
Speisen aus4."
Nachdem der Verfasser wiederholt über die „lang-
weilige Saison" in Klagen sich ergangen, bemerkt er zuletzt,
dass das Bild in der letzten "Woche der Kurzeit, also gegen
Ende September, sich ganz geändert habe. Von allen Seiten
waren Nachrichten über den von den kaiserlichen Truppen
bei Mailand5 über die Franzosen und Spanier erfochtenen
Sieg eingelaufen. Dies hatte in Deutschland grosse Freude
hervorgerufen und für Aachen einen bedeutenden Zufluss von
Fremden, worunter auch einige verwundete Franzosen sich
x) Der Kapuzinergarten lag an der Stelle des heutigen Stadttheaters.
Es ist recht interessant, dass schon um 1701 dieser Plan angeregt wurde,
dessen Ausführung nach etwa 110 Jahren scheiterte. (Vgl. Lersch, Gesch.
des Bades Aachen S. 71.) '
2) S. 115 f. 3) Text: Corde. Vielfach wird man wohl statt des leicht
verbrennlichen Stricks einen oder zwei eiserne Haken augewandt hahen.
4) Text: Toute la cuisine se fait ä ce feu. Augenscheinlich waren
vor 1701 praktische Brennöfen mit Steinkohlen nicht häufig anzutreffen.
s) Gemeint ist der Sieg, den Prinz Eugen von Savoyen am 1. Sep-
tember 1701 hei Chiari zwischen Brescia und Mailand erfocht.
Eine verschollene Schrift über Aachen aus dem Jahre 1701. 6:'>
befanden, bedingt. Jetzt, so lieisst es, ist Aachen um die
Hälfte schöner geworden !
Zum Schluss einige Worte über den Gesammteindruck der
vor mehr als 18 Jahrzehnten erschienenen Schrift. Les eaux
d'Aix sind, ähnlich den 35 Jahren später herausgegebenen
Amusemens des eaux d'Aix-la-Chapelle1, ein Kind ihrer Zeit.
Es fehlte dem Verfasser weder an Witz, noch an einem in
vielen Dingen gesunden Urtheil, und gewiss liefert seine Arbeit
einige schätzbare Beiträge zur Kenntniss der Aachener Ver-
hältnisse im Anfang des vorigen Jahrhunderts. Aber die
Weizenkörner sind mit so vieler, theilweise unreiner Spreu
umhüllt, dass man das dem Buche zu Theil gewordene Ge-
schick gänzlichen Vergessenwerdens nur begreiflich finden kann.
J) Der Verfasser der Amusemens etc. hat die Eaux d'Aix gekannt
und benutzt, wie sich aus vielen Stellen nachweisen L'isst.
Die Mitglieder der St. Sebastianus-Bogen-
schützen-Gesellschaft in Burtscheid.
Von H. F. Macco.
(Mit einer Tafel.)
Die in Burtscheid noch heute bestehende Schützengesellschaft
der St. Sebastianus-Bogenschützen 1 verdankt ihre Gründung dem
Freiherrn Ignaz Franz von Merode, Herrn zu Frankenburg. Das
Jahr ihrer Entstehung oder auch nur tue Zeit, in welcher der
Gründer lebte, ist bisher nicht ermittelt.
Dem Protokollbuch zufolge wurden am 20. Januar 1645
der „uralten, hochloblichen Gesellschaft" von dem Meier und
den Schöffen des „Gerichts, Dorfs imd Herrlichkeit Burtscheid"
die Satzungen bestätigt, deren wichtigste jetzt noch im Gebrauch
sind. Nach ihnen war jeder Schütze bei der Aufnahme ver-
pflichtet, den Schützenmeistern und Greven ein Viertel Wein
und der Gesellschaft 2 Gulden aix zu geben 2. Sodann hatte der
neue Schütze für einen eigenen Bogen nebst Pfeilen zu sorgen ;
bediente er sich eines fremden Geschosses, so musste er eine
Flasche Wein zum Besten geben; desgleichen, wenn er, sei es
„aus böser Meinung" oder aus Irrthum, einen fremden Pfeil mit
sich nach Hause nahm.
Der Hauptkönig3 erhielt die Hälfte der Schiesseinlage und
als Geschenk Burtscheids aus dem Oberbusch 5 Klafter Holz.
Er wurde am Abend nach dem Yogelschiessen mit dem Fähn-
') Vgl. M. F. -Seh., Zur Geschichte der altehrwürdigen St. Sebastiani
Bogenschützen-Gesellschaft zu Burtscheid. (Aachen 1882.)
*) Schoss Jemand, ohne Mitglied zu sein, so musste er zwei Gold-
guldeu für jeden Schuss zahlen.
3) Es gab vier Könige : Vogel-. Damen-, Geld- und Holzkönig.
Die Mitglieder der St. Sebastianiis-Bogensehützen-Gesellschaft. 65
lein unter Trommelschlag und klingendem Spiel nach Hause
begleitet, wo er dem mitziehenden Volke einen Trunk verab-
reichen Hess l. Am folgenden Tage fand das grosse Königsessen
statt, zu welchem der König laut den Statuten ein Stück gesal-
zenes Fleisch, einen Schweine- und einen Hammelschinken, einen
Kalbskopf und eine oder zwei Schüsseln Hützpott, sowie eine
Tonne Bier geben musste. Von den drei folgenden Königen
erhielt der linke oder Damenkönig 6 Gulden, der rechte oder
Holzkönig eine Klafter Holz und der Geldkönig die Hälfte der
gesammten Schiesseinlage 2.
Zum Vorstand gehörten ausser den Königen noch der
Schützenmeister und Baumeister, welche laut Beschluss vom
Jahre 1698 auf drei Jahre ernannt wurden. Den Schützen- und
Baumeistern lag die Verpflichtung ob 3, für die Speisen der
Königstafel zu sorgen, und zwar wenigstens 20 Paar Hahnen,
6 Hühner, 4 Stück gesalzenes Fleisch, welches der Vogel- und
Damenkönig je halb zum Einkaufspreis erhielten, zu beschaffen.
Im Jahre 1742 kamen die „Erbsiebener" auf, die über den
sich zur Aufnahme Meldenden Erkundigungen einzuziehen und
die Ordnung innerhalb der Gesellschaft aufrecht zu erhalten
hatten. Es waren sieben Schützen, worunter ein Schützen- oder
Baumeister. Die Wahl geschah auf Lebenszeit. Die ersten Erb-
siebener waren: Arnold Peltzer, Schöffe des Gerichts zu Burt-
scheid, Johann Theodor Aretz, Schöffe und Secretarius judicii,
Abraham a Campo, Johann Nullmann, Fähnrich, Franz Schlangen,
Wilhelm Schaaff und Johann Bayer.
Ein Statutenverzeichniss ohne Datum, aus der letzten Hälfte
des vorigen Jahrhunderts erwähnt den „Dauphin". Er wurde
vuni jeweiligen König ernannt und hatte beim Eintritt in die
Gesellschaft keine Aufnahmegebühren zu zahlen4.
1) Dieses Umziehen. Prunken genannt, hat sich bis heute erhalten,
doch ist das Verabreichen des Weins an das Volk seit 1885 abgekommen.
2) Jeder Mitschiessende hatte eine Einlage von 7 Gulden zu machen.
s) Gemäss Beschluss von 1725.
*) In der Regel ernannte der König seinen Sohn oder einen sonstigen
Jüngern Anverwandten zum Daunhin.
5
66 F. H. Macco
Um vom Yogelschiessen selbst zu sprechen, sei erwähnt,
dass der Standort der Schützen sich seit alter Zeit vor dem Kur-
garten gegenüber der alten Erckensschen Fabrik befindet, Die
Vogelstange steht hoch auf dieser Fabrik, so dass die Pfeile auf
die hinter derselben gelegene Wiese fliegen.
Das Protokollbuch, dem das nachstehende Mitgliederverzeich-
niss entnommen wurde, ist ein in Leder gebundener Folioband
im Besitze der Gesellschaft ; er enthält durch Wasserzeichen ge-
streifte Papierblätter, welche folgende Figuren und Buchstaben
darstellen: ein springendes Einhorn mit Halsring und Eette,
die Buchstaben C L H, eine Lilie in einem gekrönten Schild,
woran unten ein Thier hängt 1. Zu Anfang des Buches sind
die Statuten, dann die Protokolle und Beschlüsse eingetragen;
daran reiht sich das Mitgliederverzeichniss, beginnend mit
Jakob Kürssgens, der 1657 König wurde2. Auf jeder Seite
stehen drei Namen ; die Schrift ist in rother Farbe, die Anfangs-
buchstaben sind schwarz in reichen, originellen Blumenverzierun-
gen ausgeführt. Zwischen Yor- und Familiennamen ist hin und
wieder die Hausmarke oder das Wappen des betreffenden Mit-
glieds eingezeichnet, und zwar zu Anfang des Buches in sehr
exakter, später in sehr flüchtiger Manier.
1621 Nikolaus Frank.
1638—1640 Peter Finck.
1641 — 1642 Abraham Hauff. Er war der Sohn des „ehren-
vesten Herrn Henrich Hanff, Apothekers und Bürgers in
Aachen", und vermählte sich am 10. Aug. 1635 mit der
„tugendreichen Jfr. Anna, des ehrenvesten Herrn Hans
Stoudfart (Stuppart3), Bürgers in Aachen, eheleiblicher
Tochter". Abraham war ebenfalls Apotheker in Aachen
') Vgl. Taf. II. Vielleicht soll dieses Thier das goldene Vliess sein.
2) Mit Benutzung eines zweiten Protokolle uchs Hess sich das Mit-
gliederverzeichniss bis zum Jahre 1621 vervollständigen.
3) Peter Stuppart, Protestant, in Aachen liess am 2. Febr. 1594 eine
Tochter Sara taufen. Patheu waren : Paul Ganspoll, Barbara Ramachkers
und Sara Rethaus.
Die Mitglieder der St. Sebastianus-Bogenschützen-Gesellsehaft. fl7
und gehörte zur protestantischen Gemeinde 1. Seine Kinder
waren: 1. Anna Elisabeth, heirathete vor 1658 den Dr.
med. Aegidius Heusch in Aachen. 2. Agneta, geb. zu
Aachen am 14. Dez. 1645. Pathen: Jakob KaLkbrenner,
Agneta Stuppart und Elisabeth Schörer-Stupparts. 3. Hein-
rich, geb. zu Aachen am 26. Jan. 1647. Pathen: Heinrich
Hauff und Elisabeth Jorges. 4. Susanne, geb. zu Aachen
am 20. April 1648. Pathen: Abraham Pettmenger und
Märg. Schmetz. 5. Maria Sidonia, geb. zu Aachen am 7.
März 1651. Pathen: Maria Sidonia von Görtzenich und
Tilmann Kicks. 6. Johanna, geb. zu Aachen am 5. April
1652. Pathen: Hisbert Schörer und Magdalena Hauff.
7. Abraham, geb. zu Aachen am 14. Juli 1653. Pathen:
Heinrich Hanff und Elisabeth Stuppart.
1643 Johann Albert Schrick. Seine Eltern waren Franz Wil-
helm Schrick und Christine Klöcker. Er "wurde am 10.
Nov. 1611 geboren, gehörte zum Schöffenstuhl in Aachen
und zum Gericht in Burtscheid, war vermählt mit Anna
Katharina von Inden und .starb am 23. Sept. 1646.
1646 Peter Peltzer; seine Hausmarke s. Taf. n.
1649 Peter Sies.
1650 Peter Peltzer.
1651 Straeten, Sekretär.
1652 Friedrich Ortenbach. Aus dieser Familie wurden Mitglieder :
1670 Peter Ortenbach (König 1685 und 1687), 1688
Friedlich Ortenbach.
1655 * Johann Clermont2 (Klermont). Ueber diese Familie vgl.
die ausführhche Genealogie in Macco, Beiträge II, S. 14 ff'.
1656 Peter Peltzer.
1657 Jakob Körstgens (Kürssgens) ; seine Hausmarke s. Taf. IL
*) Vielleicht ein Bruder desselben war Nikolaus Hauff, vermählt mit
Magdalena von Samen, wovon Anna Katharina, geb. am 20. Sept. 1645 ;
Pathen: Heinrieh Hanff, Anna Hanff und Katharina Kalkbrenner.
2) Ueber die Familie der mit einem Sternchen bezeichneten Personen
gibt Macco, Beiträge zur Genealogie rhein. Adels- und Patrizierfamilien,
Bd. H nähere Nachrichten.
5*
68 F. H. Macco
Im J. 1670 wurden Leonard und Jakob Kürssgens der
Jüngere Mitglieder der Gesellschaft. Des erstem Hausmarke
s. Taf. IL
1658 Wilhelm Eoemer. Sein Wappen s. Taf. IL Yon dieser
protestantischen Familie finde ich: Thonis Eoemer, heira-
thete am 5. Juni 1594 Drutgen Lodderbein. Lambert
Eoemer, Bürger in Aachen, hatte aus seiner Ehe mit
Katharina Amya folgende Kinder: 1. Abraham Eoemer,
geb. zu Aachen am 27. Juni 1613 (Pathen : Mklas Wolff,
Franz Eoemer, Johanna Amya), vermählt am 1. Juli 1641
mit Margaretha, Tochter von Jakob Buirette, wovon:
a. Anna Katharina, geb. am 16. Aug. 1645. b. Abraham,
geb. am 13. April 1647. 2. Jakob, getauft zu Stolberg am
1. März 1619. 3. Katharina, getauft zu Stolberg am 11.
Okt. 1620. 4. Sara, getauft zu Stolberg am 10. April 1622.
5. Eebekka, getauft zu Stolberg am 16. Okt. 1623.
Pathen: Niklas Vietrin, Lenhard Eoemer und Mars:.
Eoemer.
Leonhard Eoemer, Sohn von Lenhard Eoemer, vermählte
sich 1616 zu Stolberg mit Susanne Amya, Tochter des f
Michael Amya. Kinder: 1. Hans Lenhard, getauft zu Stol-
berg am 17. April 1623. Pathen: Johann Fellinger, Her-
mann Amya imd Katharina von Gronenberg. 2. Katharina,
getauft zu Stolberg am 26. Juni 1624. Pathen: Johann
Eadermacher, Johanna Seulin, Katharina Amya, Lambert
Eoemers Hausfrau. 3. Hermann, geb. am 9. Dez. 1630.
4. Susanne, geb. am 20. April 1632. 5. Jakob, geb. am
31. Juli 1633. 6. Nikolaus, geb. am 14. Sept. 1634.
7. David, geb. am 13. Juli 1637. 8. Sara, geb. am 2. Okt.
1638. 9. Samuel, geb. am 5. Febr. 1644.
Wilhelm Eoemer, vermählte sich mit Adelheid Klermont,
wovon: 1. Jakob, geb. am 15. Sept. 1645. 2. Katharina,
geb. am 7. Sept. 1647. 3. Anna Margaretha, geb. am
23. Febr. 1656.
1660 Johann Mengeis, wurde in diesem Jahre König; seine
Marke s. Taf. IL
Die Mitglieder der St. Sebastianus-Bogenschützen-Gesellschaft. 69
1660 Balduin von Harff, Herr zu Alsdorf, war 1661 König.
1660 Franz Karl Meyerhöfer, 1662 und 1663 König; sein Wap-
pen s. Taf. II.
1660 Gilles Frens, 1665 und 1666 König.
1660 Mathias von Kirchrath (Kirchrha), 1667 König; sein Wap-
pen s. Taf. IL
1660 * Johann von der Yeldt, 1668 König; sein Wappen s. Taf. LI.
Er gehörte der noch heute bestehenden Familie a Campo an.
1660 Johann Koemer, 1669 König.
1660 waren Mitglieder der Gesellschaft: Gilles Brewer, 1670
und 1671 König; seine Marke s. Taf. IL
Herr Johann Herbrandt ; seine Marke zeigt 2 gekreuzte,
an den Ecken umgebogene Stäbe.
Herr Hubert Hausmann, besass das Krebsbad,; seine
Marke s. Taf. IL
Herr Peter Ordtenbach, führte das gleiche Wappen wie
1688 Friedrich Ortenbach (vgl. Taf. II).
Johann Sittärdt.
Herr Dominikus Herbrand ; seine Marke stimmt mit der
des Johann Herbrandt überein.
Johann Esser.
*Godefridus von Freissheim, war Oberst in Aachen.
Wilhelm Hauerschau.
Peter Monschau; seine Marke zeigt einen Merkurstab
und die Buchstaben P. M.
Johann von Tenen.
Paul Frenss.
Johann Klermondt, vgl. oben (S. 67).
Johann Schillings.
Peter Spleir. Er scheint Eisenhändler gewesen zu sein,
da an Stelle eines Wappens Hammer, Zange, Kette, 2 Nä-
gel und ein Hufeisen eingezeichnet sind.
Jakob Schrimb.
Laurenz Hermens.
Leonard Ordtmans. Sein Schild enthält ein mit 2 Klee-
blättern bestecktes Herz.
70 F. H. Macco
Abraham Gatzweiller.
Johann Foess; "Wappen: 3 schwarze Schrägbalken in
Silber; auf dem Helm ein sitzender Fuchs.
Arnold Fercken. Er gehörte einer sehr angesehenen
Burtscheider Patrizierfamilie an. Von derselben finde ich :
I. Jesaias Vercken von Burtscheid, reformirter Religion,
hinterliess : 1. Katharina, geb. zu Burtscheid, getauft zu
Stolberg am 4. April 1624. Pathen: Gottschalk von Als-
torff und Katharina Brauers.
IL 2. Arnold Vercken, getauft zu Stolberg am 4. April
1624, vermählte sich mit Maria Seulin, wovon: 1. Maria,
geb. am 3. Dez. 1662. 2. Jesaias, s. III. 3. Matthäus, geb.
am 3. Dez. 1670.
III. Jesaias Vercken, geb. am 11. Aug. 1665, heirathete
Katharina Ernst. Kinder: 1. Amarentia, geb. zu Burtscheid
am 6. März 1703. 2. Leonard, geb. ebendas. am 16. Okt.
1704. 3. Arnold, s. IV. 4. Jesaias, geb. am 24. Aug. 1708.
IV. Arnold Vercken, geb. zu Burtscheid am 25. Nov.
1706, hinterliess aus seiner Ehe mit Susanna Kuhem:
Maria Katharina Vercken, welche am 17. Nov. 1765
Philipp Theodor Schöller aus Jülich heirathete.
1661 Heinrich Gadekindt; sein Wappen enthält 3 (2.1) rothe
Angelhaken.
Peter Roemer, war 1663 Seh ützenmeister; sein Wappen
s. Taf. IL
Wilhelm Braun.
Merten Groten.
Johann Brandt.
Nikolaus Schörrer. Ein Gerhard Schöner war 1655
Rentmeister in Aachen; derselbe hatte aus seiner Ehe mit
Maria eine Tochter : Helene Elisabeth, geb. am 3. April 1655.
Mathias von den Veldt, König.
Anton von den Veldt.
Wilhelm Roemer (vgl. oben); sein Wappen s. Taf. II.
Kornelius Tragier.
Isaak Tungern; sein Wappenschild enthält ein Haus
mit 2 Thürmen.
Die Mitglieder der St. SHi;istianus-Bogenschützen-Gesellschaft. 71
Johann Moll.
(Alles Frenss (vgl. oben), 1665 und 1666 König.
Johann Tragier ; sein Schild zeigt einen Merklirstab und
die Buchstaben I 0 K.
Leonard Kürssgens. Yon dieser Familie finde ich:
Lenhard Körstgens von Burtscheid, hinterliess eine Tochter:
Jengen Körstgens, welche am 10. Febr. 1618 Arnold
Kpemer, Sohn von Johann Koemer in Aachen, heirathete.
Jakob Kürssgens der Junge, führte die gleiche Marke
wie 1657 Jakob Kürssgens.
Abraham Tungern; Wappen: ein Haus mit 2 Thürmen.
Heinrich Ehemondts.
Otto Geyssen.
Johann Peter Asperschlag, 1663 Baumeister der Gesell-
schaft. Sein Schild enthält 2 Rasirmesser und einen Negerkopf.
Thomas Bindeis. Sein Schild enthält ein langes Schlacht-
messer und ein Beil; auf dem Schild schaut ein Ochsen-
kopf hervor.
Hubert Haussmann, wurde 1669 Fähnrich; sein Wap-
pen s. Taf. H.
Peter Hann. Sein Schild ist senkrecht, die vordere Hälfte
quer getheilt. Im 1. Felde über einem brennenden Holz
2 Sterne, im 2. Felde ein Halm, im 3. eine Hand, welche
einen Zweig mit 3 rothen Blumen hält.
Heinrich Windel!.
Johann von den Veldt, 1661 und 1668 König (vgl. oben).
1662 Franz Karl Mayrhöfer, 1662 und 1663 König (vgl. oben).
Johann Weinandi; sein Schild enthält ein Trauben-
bündel.
Johann Esser der Jüngere.
Peter Ordenbach der Jüngere, „Fendrich worden anno
1680, 1685 Konig, 1687 abermal Konig, anno 1689
Schützenmeister worden".
1663 Johann Dietrich Cratz, „Ihro fürstliche Durchleucht Pfalz-
Neuburgischer Hauptmann, anno 1663". Wappen: in Roth
eine Yogelklaue, welche sich auf dem Helm wiederholt.
72 F. H. Macco
Johann RomersMrehen, canonicus sancti Severini l, anno
domini 1663. "Wappen: ein Löwe, einen Baum haltend;
auf dem Helm 2 Flügel.
Jakob Stärck.
1665 Leonard Kürssgen; sein Wappen s. Taf. II.
1666 Kaspar Dirteidts.
Paul Frenss Junger, oder Aegidius Frenss, sein Sohn,
1666.
Mathias von Kirchrha, 1667 König.
Winand Bastyan, 1673 König, 1689 Baumeister; sein
Wappen s. Taf. II.
Jeronimus Roemer; sein Wappen s. Taf. II.
1667 Albert Brandt, 1668 Baumeister. Sein Schild enthält einen
Merklirstab und die Buchstaben A B; auf dem Schild ein
brennendes Holz.
Jakob Brandt; sein Wappen zeigt in Schwarz 3 (1.2)
Flammen; auf dem Schild ein Ann, grün gekleidet, mit
einem flammenden Holz.
Nikolaus Dotermonde.
1669 Johann Eomer, 1669 König; sein Wappen s. Taf. IL
*Johann Wilhelm Probst; sein Wappen enthält in Blau
zwischen 2 goldenen Ketten einen goldenen Stern; auf
dem Helm ein Ochsenkopf (vgl. Taf. II).
Lambert Prickart; sein Schild enthält eine Blume mit
4 Blättern, sowie die Buchstaben L P ; auf dem Helm ein
Vogel wachsend.
Gilles Brewer, 1670 und 1671 König; seine Marke s.
Taf. IL Farben: Schwarz in Blau.
Lenor Haussman. Dilige et fac, quod vis. Sein Wap-
pen s. Taf. II. Farben: schwarzes Monogramm in Roth.
1670 Albert Scholtess. Wappen: in Gold ein rothes Herz; auf
dem Helm ein Herz.
Simon Gilles; sein Schild enthält in Blau einen rothen
Merkurstab auf einem rothen A. Neben dem Stab einer-
') Vielleicht in Mastricht.
Die Mitglieder der St. Sebastianus-BogenscMtzen-Gesellschaft. 73
seits der Buchstabe S, andererseits G-, auf dem Stab ein
S. Auf dem Helm eine Pflanze mit 3 rothen Blumen.
Anton Moll.
Anton Peltzer, Schützenmeister, „1672 Konig, 1682
abermal Konig, anno 1684 noclrmal Konig, anno 1686
wieder Konig, anno 1688 und 1689 ebenfals Konig, anno
1695 wiederurnb Konig, anno 1703 wiederumb König,
anno 1711 wiederumb Konig". "Wappen wie 1698 Math.
Peltzer, jedoch statt M ein A. Farben: Gold in Blau.
Jakob Steinfunder.
*Jesaias Clermont.
Simonis Coli.
1671 Maximilian Schorer.
Jakob Mzet.
Wilhelm Brandt.
Jakob Konen.
Kornelius von den Veldt, 1683 Baumeister, 1684
Schützenmeister. Sein Wappen s. Taf. IL
*Gregorius Bock.
Peter Peltzer.
Johann Pier, „1696 bis 99 Johannes Pier zur Zeit
Baumeister ".
1672 Heinrich Simons.
Johann Henssen. Wappen : in Roth ein schwarzes Huf-
eisen; auf dem Helm zwischen 2 Flüceln ein Hufeisen.
Peter Köckelkorn. Wappen : 3 Kornähren, von denen
sich eine auf dem Schild wiederholt.
1673 Gerard Peters.
Johann Patron.
Gilles Mömmer.
Güliam Sevie. Schild: ein Rasirteller ; auf dem Schild
ein Rasirmesser.
*Wilhelm Erckens. „Anno 1680 hat er den vogel ab-
geschossen in seinem Jungergesellen Stand. Anno 1681
abermal den Vogel abgeschossen in seinem Junggesellen
Stand." Wappen s. Taf. II.
71 P. IL Macco
Christian Mattheis.
1680 Johann von den Yeldt; Wappen s. Taf. II.
Gilles Akens, wurde 1687 Fähnrich. Wappen: in Blau
zwischen 2 rothen Rosen ein goldener Stern, unter dem Stern
ein schwarzer schwebender Sparren, zwischen dessen Schen-
keln ein silberner Mond ; auf dem Helm ein goldener Stern.
Gottfried Schleippen. Wappen: in Grün ein silberner
Pfau, einen Mühlstein rollend.
Andreas Schleippen. Wappen wie Gottfried Schleippen,
jedoch in gelbem Schild.
1683 Nikolaus Bardt.
Peter Arredts.
Goswin Können.
Alexander Nacken. Wappen : auf grünem Boden ein
brauner Korb, in welchem ein nackter Mann sitzt; auf
dem Helm 2 schwarze Flügel.
Leonard Dohmen.
Johann Sobben. Wappen: in Roth ein silbernes Mit-
telschild mit grünem Boden, auf dem 3 grüne Kleeblätter
stellen; auf dem Helm ein Kleeblatt.
Johann Trageir, „anno 1696 Baumeister zur £eit". Sein
Schild enthält einen Merkurstab, die Buchstaben I 0 R,
sowie die Schröpfergeräthschaften (wie das Wappen Winand
Bastyans 1673); auf dem Helm ein Aderlasser.
*Johann Gerhard Erckens ; sein Wappen s. Taf. IL
Anton a Campo, ,,ist anno 1684, den 15. October im
kayserl. Feldlager vor Ofen in Ungarn dem Herrn ent-
schlafen. Requiescat in paceu. Sein Wappen s. Taf. IL
Johann Moess. Wappen : in Silber auf einem rothen M an
rothem Stab eine Lilie, welche sich auf dem Helm wiederholt.
Jakob der Jung.
Nikolaus Peir.
Johann Gillis.
Mathias Peltzer, „1698 Konig worden in seinen Jung-
geselstandu. Sein Wappen s. Taf. IL Farben : Schwarz
in Blau.
Die Mitglieder der St. Sebastianus-Bogenschützen-Gesellschaft. 75
Anjton a Campo :.
Johann Paulus, „Wachtmeister dieser Herligkeit Burt-
scheidt". Wappen: 3 (2.1) Enten, die beiden obern auf
einem Balken, die untere auf grünem Boden; auf dem
Helm eine Ente auffliegend.
Johann Toureil.
Johann Haussmann, 1685 Schützenmeister.
*!Engelbert von Eiss. Sein Wappen (jedenfalls nur sein
Schützenwappen) enthält ein von 2 Pfeilen kreuzweise
durchbohrtes Herz; auf dem Helm ein Arm, einen Pfeil
haltend.
Gilles Merckelbach.
1684 Hubert Haussmann, 1725 König.
Ferdinand Sieb.
1686 Johann Jakob Maiers, „anno 1698 gewesener Baumeister,
amio 1709 zur Zeit Schutzenmeister, 1711 wieder als
Schutzenmeister confirmirt". Sein Wappen enthält in Gelb
einen grünen Baum auf grünem Boden; der Helm trägt
zwischen zwei grünen Flügeln einen blau geharnischten
Arm, der einen grünen Zweig hält.
*Werner Lamberts.
1687 Heinrich Kahr. Die Familie Kahr zählte im vorigen Jahr-
hundert zu den bedeutendsten und reichsten Industriellen
Aachens. Zu ihr gehörte auch der langjährige Bürger-
Bürgermeister von Aachen, Johann Lambert Kahr, welcher
ein grosses in der Pontstrasse gelegenes Haus (jetzt Nr. 77)
bewohnte. Seine Tochter Gertrud Kahr, geb. 30. Nov.
1674, f 9. Jan. 1716, heirathete am 10. Juli 1697 Hubert
von Orsbach. Das Kahrsche Haus ist noch mit zwei
Wappen geziert, deren erstes, das der Familie Kahr, durch
einen Balken, worauf drei Sterne, quergetheilt ist und
über dem Balken zwei, unter demselben ein Rad enthält.
Der Helm trägt ein hervorspringendes Pferd.
') Es folgt eine zugeklebte Seite, worauf die Namen *Johann Kann
und Johann Jakob Mayers stehen,
76 F. H. Macco
Ein anderes Mitglied der Familie Kahr war Inhaber
einer Nadelfabrik, welche später auf Kornelius von Ghiaita
überging und jetzt dem Herrn Steph. von Moers gehört.
Anton Peltzer. "Wappen wie Math. Peltzer 1698, mit
den Buchstaben A P.
1688 * Johann Ulrich Probst, 1710 König.
Friedrich Ortenbach. "Wappen wie Fr. Ortenbach 1662 (vgl.
Taf. II).
1689 Kornelius Emondts. Wappen: Merkurstab auf 2 Winkeln,
die Buchstaben C E zu Seiten des Stabes ; auf dem Helm
ein Plug.
* Johann Pastor. Wappen : auf einem Schaf ein Mer-
kurstab ; auf dem Stab ein S, zu den Seiten I und P ;
der Helm trägt einen Flug.
Edmund Zimmermans. Wappen: 2 Stäbe wagerecht
nebeneinander, zwischen ihnen 3 (1.1.1) Kugeln; über den
Stäben eine Kugel imd ein Winkel, zu dessen beiden
Seiten ein halb geöffnetes Rasirmesser; unter den Stäben
ein Halbmond und 2 Sterne. Auf dem Helm ein roth
gekleideter Arm, ein Rasmnesser haltend.
Bernard Peir.
1691 Thomas Herberich. Wappen: eine Egge, auf der 2 Vögel,
oberhalb der Egge 2 rothe Rosen ; auf dem Helm ein Yogel.
Simon Langendorff. Wappen: ein Merkurstab, worauf
ein rothes Herz, zu den Seiten S imd D, im Schildes-
haupt 2 rothe Sterne; der Helm trägt zwischen 2 rothen
Flügeln einen Zweig mit einer Rose.
Bastian Fabri.
Reiner Haagen.
Christian Ernst. Wappen: auf einem Dreifuss ein Mer-
kurstab, zu dessen Seiten C imd E; im Schildeshaupt 2
Rosen; der Helm trägt einen Flug.
*Lambert Pastor. Wappen : auf einem rothen Herz ein
Merkurstab, zu dessen Seiten L und P, auf demselben
ein S; im Schildeshaupt 2 Sterne ; der Helm ist mit einem
Flug geziert.
Die Mitglieder der St. Sebastianus-Bogenschützen-Gesellschaffc. 77
1692 Jakob Beuss der Alte. Wappen: ein schwarzer Balken ; auf
dem Helm ein Ochsenkopf, zu dessen Seiten T und B.
Kornelius a Campo, 169G Schützenmeister.
Johann Eydt.
1695 Arnold Peltzer, 1719 und 1728 König-. Wappen wie Math.
Peltzer 1698, jedoch mit den Buchstaben A und P.
Dominikus Duckers.
Mathias Cronenbergh.
Peter Knitter.
Johann Ortmanns *.
Wilhelm Arets.
*Jol»ann Adam Clermont.
Mathias Coenen.
Johann Richard.
1696 Kornelius Weyers, f 26. April 1742.
Karl Friedrich Bongardt.
Gerhard Jacob.
Johann Moess.
Jakob Bues der Junge.
Johann Ortmanns.
1697 *Clocker.
Aegidius von Meven. Wappen: quadrirt mit schwarzem
Mittelschild, worin 3 silberne Vögel. Feld 1 senkrecht
getheilt, vorn in Gold 4 rothe Balken, hinten in Gold 2
silberne Fische ; Feld 2 und 3 in Roth ein silberner Löwe ;
Feld 4 wie 1, jedoch mit gewechselten Hälften. Der Helm
trägt zwei braune Eselsohren. (Vgl. Taf. IL)
Den Aachener Kirchenbüchern entnehme ich über die Fa-
milie von Meven:
Herr Oswald von Meven, vermählt mit Anna Jansen.
Sohn: Oswald, geb. am 4. Juli 1684. Pathen : Herr Jo-
hannes Henrieus von Thenen und Katharina Kaffenberg.
Mathias von Meven, heirathete am 20. April 1690 Maria
Anna Deckers. Heirathszeugen : Gerhard Deckers und Peter
') ausgestrichen.
78 F. H. Macco
von Meven. Mathias von Meven, vermählt mit Maria Branten.
Kinder: 1. Maria Katharina, geb. am 4. Juni 1673, hei-
rathete praen. dorn. Niclas (1733). 2. Aegidius von Meven
(vielleicht der obengenannte), heirathete Anna Maria
Scheffen, wovon: Aegidius Reiner, geb. am 21. Febr. 1711.
Adam von Meven, heirathete am 2. Nov. 1717 Anna Ga-
briel. Dom. Adelgunda von Meven war um 1730 mit
dem Kaufmann Johann Heinrich von Heupgen vermählt.
Jesaias Fercken.
Franz Schmitz.
Wilhelm Haupts.
Abraham Tungeren.
Ludwig Langendorff.
Jakob Ostlender.
1698 *Nikolaus von Thenen.
Albert Halet.
*Mathias Bock.
Peter le Hau.
^Theodor von Eschweiler.
Johann Hirsch.
Kaffenberg.
Peter Kohnen.
Mathias Dautzenberg.
1699 Arnold a Campo.
1700 Christian Schmitz.
Bernard a Campo.
1701 *Herr Isaak Fällinger.
Paskai le Hahn.
1703 *Konrad Clermont.
1707 Paul Christ.
1709 Herr Jakob Moll.
Nikolaus Aen.
*Klöcker.
Mathias a Campo, „1713 Baumeister, anno 1714 Konig
und Schutzenmeister in seinen Jungesellenstand"
Abraham a Campo, 1725 zum Baumeister erwählt.
Die Mitglieder der St. Sebastianus-Bogenschützen-Gesellschaft. 79
Wilhelm Landtmesser.
Hans Peter Langerdorff.
Johami Loyentz.
Anton Kornelius Meyer.
Johann Becks, 1714 Baumeister. Wappen: in Gold
3 schwarze Mühleneisen; auf dem Helm ein Mühlstein
mit dem Eisen.
1710 Kaspar Zanders.
Winand Koch.
♦Wilhelm Probst.
1711 Peter Peters.
♦Johann Bock.
Johann Können.
♦Peter Nellissen.
1712 Daniel von Meven, 1733 König.
Grillis Schavor.
1714 Stephan Kaffertt.
Servatius Nacken, 1727 zum Baumeister erwählt.
Johann Nutten.
Aegidius Mostardt.
Johann Kohnen.
Leonard Kingels.
Wilhelm Keutman.
1719 Peter Nikolaus Christ, „den 5. Juli 1722 König in seinen
Jungesellenstand".
„Anno 1719 H. Arnold Peltzer Baumeister, seine Rech-
nung abgehalden anno 1722."
♦Franz Nellissen.
Bleyenhaupt.
Wilhelm Franck.
Johann Langendorff, f 20. April 1742.
1722 Peter Arretts.
Johann Nulman, zum Fähnrich erwählt im Beisein der
ganzen Bruderschaft.
Johann Rumpen.
Nikolaus Weyers.
80 F. H. Macco
Herr Theodor Arredts, „Secretarius vom alhiesigen
Gericht".
1723 Anton AiTeclts.
Johann Jakob Meyers.
Anton Peltzer, „1738 Konig in seinem Jungesellenstand,
1743 Konig in Jungesellenstand, 1759 abermal König".
Anton Ortenbacli.
Matlüas Bock.
Heinrich Rosenstock.
Peter Weyers. „Im Jahr 1754 beym Vogelschuss er-
klaret Hr. Peter Weyers der Compagnie nit mehr in
Burtscheidt beywolmen zu wollen."
Nikolaus Brammers.
Franz Schlangen, „anno 1733, den 16. Julii abgestanden
als Baumeister und ankommen als Schützenmeister, 1741
Konig, 1742 Konig, 1743 abermal Schutzenmeister, regirt
bis 1754". Wappen s. Taf. IL
Johann Peter Pranck.
Johann Leonard Ludwig Bock, 1776 zum Baumeister
and 1777 zum Schützenmeister erwählt, 1790 König, f
1792. Wappen: gelber Bock, mit rother Blume im Maul,
auf grünem Boden.
Wilhelm Schaaff, 1731, 1736, 1737, 1754 und 1755
König. Er wurde 1737 zum Baumeister, 1741 zum
Schützen meist er erwählt .
Heinrich de Pree.
Komelius Weyers.
Anton Meyers.
Ludovicus Peltzer, canonicus regularis.
Winand Gerhard Becks, 1733, den 16. Juli als Bau-
meister erwählt.
Kornelius a Campo, abwesend.
Abraham Dahmen, minorita.
Jakob Weyers.
1725 Peter Abraham a Campo.
Anton Komelius Meyers.
Die Mitglieder der St. Sebastianus-Bogenschützen-Gesellschaft. 81
Anton Ortenbach l.
Joliann von der Weyden.
Goerdt Schleipen.
Philipp Balthasar "Weyers.
Johann Rumpen der Junge, „1752 an platz seines seligen
Vatters als siebenter erwählet. 1759 beym Vogelschuss
zum Meister erwelet, 1762 beym Vogelschuss zum Schützen-
meister erwählet, 1767 beym Vogelschuss zum "Wein-
meister erwählt, 1 769, den 6. Augusti Konig".
*Franz Nellissen.
Arnold NüUman.
Balthasar Blees.
Mathias Kuester.
1727 Abraham a Campo.
Matlüas Joseph a Campo. „1764 ist Her Matthias Jo-
seph a Campo von der Brauderschaft zum Baumeister
erwählet worden; 1767 ist er zum Schützenmeister erwählet
worden. 1765 ist er zum erbsiebener erweit worden."
Arnold Hamecher.
Franz "Wilhelm Keisselstein.
1728 Heinrich Hammecher.
Aegidius Imbber.
"Wilhelm Motter, „Konig 1739, f 1742, den 29. Merz,
requiescat in pace". Seine Marke s. Taf. II.
Johann Beckers, „obiit den 26. Februarii 1751. Re-
quiescat in pace".
1729 »Nikolaus Bock.
*Johann Clermont.
Heinrich Kreemer.
"Wilhelm Schleipen.
Johann Bayer.
Heinrich Cornely, „canonicus basilicae B. M. V. Aquis-
grani. Konig anno 1734u.
l) Der Vorname ist später durchstrichen und Petrus übergeschrieben
worden.
82 F. H. Macco
Arnold Fercken.
Heinrich Dihissen.
1733 Johann Qnirin von der Schür.
Johann Kessel.
Winand Cron.
Johann Schaff.
Franz Wilhelm Kessel.
Johann Gerhard Henrar.
Johann Bverhardts.
Johann Massen.
1735 Wilhelm von Schwamen.
1736 Simonius Hubertus Coli, „im Kreibs-Badt 1736". Wappen:
in Silber ein goldener Balken, ober- und unterhalb des-
selben ein blaues Dreieck, woneben je ein goldener Stern;
der Helm mit rechts blau-goldenen, links blau-silbernen
Schwüngen trägt ein goldenes und ein blaues Büffelhorn.
Eine Eintragimg im Kirchenbuch zu Burtscheid besagt:
„Anno 1791, den 26. Julii starb gen. dorn. Tilmannus
Coli, chmlürstlicher Stabs-Hauptmann." Die Familie lebt
gegenwärtig im Adelstand und wurde im Jahre 1830
beim niederrheinischen Adel immatrikulirt.
Johann Wilhelm Kuyl, „Weinmeister worden 1742,
obiit 1758".
*Peter Chorus, abwesend.
Dominikus Brandt.
„Anno 1736 Joannes Frantzen, 1743 beym Yogelschuss zu
Baumeister erwählt, anno 1754 beym Yogelschuss Schutzen-
meister worden, 1759 die Schutzenmeisterstelle quittirt.
Vale! Um mehre Zeit lebensJ anglich Consiüent ohne Ge-
halt." Dieser Frantzen war Notarius publicus.
1737 Stephan E. Massen, „1750, den 9. Aug. Konig in seinen
Jungesellenstant".
Johann Franz Bock.
Johann Gottfried Niilhnau.
1739 Franz Kaweyssen.
Simon Christ.
Die Mitglieder der St. Scbastianns-Bogenschützen-Gesellscliaft. 83
Johann Finck.
Johann "Weingens.
1741 Friedrich Herz.
Peter Schorn.
Peter Everharts. Dem Namen beigefügt ist der Spruch :
„Anno 1765 Bin ich Peter Everaths, ein König olme Reich,
dessen ehren bin geworden von keinem Land nichts en
weiss zu sagen, zu Fuss hegt mein Order."
Unter diesem Spruch befindet sich ein Bügeleisen, ein
Zollstock, eine Scheere u. dgl., sodann die Jahreszahl 1765.
1742 Leonard Heinrich Persia.
Adam Stephani, „anno 1754 beym Yogelschuss zum
Baumeister erwählet, 1759 eodem zum Schützenmeister
succedirt, 1802, April 8 in sein 85sten Jahr gestorben".
Johann Joseph Savelsberg.
Philipp Schmitz, Forstmeister.
1743 Philipp Joseph Schonbrodt.
Kaspar Daniel Landmesser, „electus a Rege. Anno 1750
Fähndrig worden".
Johann Peter Schonbrodt.
1749 ^Ferdinand von Scliwartzenberg, „hat noch keine jura
zahlt, also hat keine Citation".
•;'
M i s c e 1 1 e n.
Von R. Pick.
1. Eine alte Aachener Wachtordnung.
Unter den vormals im Granusthurm des Rathhauses befindlichen
Arehi valien, welche seit 1885 dem Stadtarchiv einverleibt sind, fand sich
neben zahlreichen andern auf die Verfassung der Stadt bezüglichen Schrift-
stücken eine städtische Wachtordnung, deren Inhalt in mehrfacher Bezieh-
ung unser Interesse erregt. Sie wurde am 20. November 1537 von dem
Rath erlassen und ist meines Wissens die älteste der bisher bekannt ge-
wordenen Ordnungen dieser Art. Auf der Rückseite des Schriftstücks, das
von einer Hand des 16. Jahrhunderts geschrieben ist, steht die Aufschrift:
,,Nuwe Ordnung der wachen'1; eine etwas jüngere Hand hat die unrichtige
Jahreszahl 1574 beigefügt. Die Nachtwachen waren eine auf sämmtliche
Einwohner der Stadt („Bürger und Eingesessene1') vertheilte Last, die,
zumal in unruhigen und gefährlichen Zeiten, nicht eben die Annehmlichkeit
des Daseins erhöhte. Kein "Wunder, wenn Manche an ihr vorbeizukommen
suchten und der Rath an der Spitze der im Laufe der Zeit vielfach er-
neuerten Wachtordnung immer wieder einschärfen musste, dass nicht Ruhe,
sondern Wachen in Aachen die erste Bürgerpflicht sei. Dennoch waren
Befreiungen vom Wachtdienst, mitunter auf Lebenszeit, nicht gerade selten.
Die Gründe dazu waren sehr verschieden : Unglücksfälle, Alter und Ge-
brechlichkeit, Belohnung für geleistete Dienste, Entgelt für die Uebernahme
von Lasten zu Gunsten der Stadt u. s. w. Dem Geschichtschreiber Noppius
wurden durch Rathsschluss vom 11. September 1631 als „Recompenz" für
die vielfachen Mühen bei der Abfassung seiner Aachener Chronik für sein
und seiner Hausfrau Lebenlang die „bürgerlichen Wachten und Accinsen"
nachgelassen. Nach der Wachtordnung von 1537 war eine ganze Reihe
von Personen von vornherein von der Ableistung der Wachen befreit.
üeberall liegt hier die Ursache der Befreiung in ihrer besondern Stellung
Miscellen. 85
oder in dem Umstand, dass sie den Tag über oder in der Nacht von dienst-
lichen Geschäften in Anspruch genommen waren; nur einen einzigen Fall
gab es ausserdem noch, der von dem Wachtdienst befreite, die notorische
Armuth eines Mannes oder seltsamerweise auch einer Frau. In dem letztern
Falle entschieden die Kristoffel über die Befreiung. In der Regel sollten
die Bürger ihre Wachen persönlich ableisten; waren sie hierzu ausser
Stande, so mussten sie auf ihre Kosten einen wehrhaften Mann stellen, der
nach der Wachtordnung von 1645 für jede Nachtwache im Sommer 4, im
Winter 5* Aachener Mark erhielt. Neben der städtischen bestand noch eine
besondere Wachtordnung im Aachener Reich. Doch hierüber ein anderes
Mal. Die Wachtordnung von 1537 lautet:
Nuwe Ordnung der wachen.
Der rath ist mß beweglichen Ursachen anno vunfzienhundort sevenund-
drissich, am 20. dag novembris eyndrechtlich entslossen, und naefolgendo
ordinancie, zo wissen wilche der nachtswachen erlassen werden solln.
upgericht.
Zorn eirsten, dat hynfurder gheyn burger oder dieser stede ingosessener,
wilches Stands oder wesens der ist, der nachtswachen gefreyet syn sali,
dan alleyn die hern burgemeisteren, scheffen und kleyn rath, ire zyt lank
duyrende; darneven die cristaefelsen l gemeyner graefschaften, artyllereie-
meistere und des grossen geschutz bussenmeistere a, des raths und scheffen
schryveren mit den seeß burgemeistersknechten, auch die der werkmoistero
leuffen Siegel in gewarsamen haven, mit dem kumphiüßknecht 3, bewenvr
der urklocken4 und des burgerhuyß5 up den Fyschmart6, sampt der stat
•) Kristoffel hiessen die Vorsteher der neun Grafschaftssprengel, in welche
die Stadt vormals eingetheilt war. Der Name wird von comes stahuli abgeleitet
(vgl. Loersch in den Annalen des hist. Vereins f. d. Niederrhein XVII, S. 266).
') Büchsenmeister, der das Geschütz bediente, welches er vielfach selbst
gegossen hatte (Schiller-Lübben, Mittelniederdeutsches Wörterbuch unter bussen-
meister).
*) Das Kumphaus (Walkhaus, kump ~ Behälter, worin man die Tücher
walkte) wurde 1328 städtisches Eigenthum, vorher gehörte es den Grafen von
Jülich. 1385 wird ein Walkmeister Nikolaus im Kumphaus erwähnt. Seit wann
es zum Baden benutzt wurde, steht nicht fest (vgl. Lersch Geschichte des Bades
Aachen S. 33). Eine kleine Abbildung des Komphausbads im 17. Jahrhundert gibt
F. Plondel.
*) Die Uhrglocke befand sich in dem an der Westseite des Rathhauses ge-
legenen sog. Marktthurm. 1465 wurde Werner von Münster zum Bewahrer der
Uhrglocke von der Stadt ernannt; vgl. Zeitschrift des Aach. Geschichtsvereius
VIII, S. 228, Nr. 4.
') Das sog. Grashans, an dessen Stelle mit Beibehaltung der altehrwürdigen
Facade gegenwärtig das neue Archivgebäutle errichtet wird; es hat eine an denk-
würdigen Begebenheiten reiche Geschichte, die eine Bearbeitung wohl verdiente.
6) Hier das meines Wissens erste Vorkommen des Namens „Fischmarkt" für
den früher „vor dem Parvisch", dann „Parvisch" genannten Platz. Der Verkauf
86 Miscellen.
geschwoern boiden; desglichens, wilche der stede gryndelen1 oder ketten
u p und zu sliessen, sunst auch wilche zu dienst gemeyner burgerschaft die
syffVn und wesschen2 bewaren. Auch sali yeder wechter uiß urlaub des
raths alleyn an der uisserste portzen umb hulpf und beystant, soe van
noeden zu bewysen, vier der niester nachbaurn, neyinüch an jedor syden
zwen, obgemelter wach fry halden, desgüchens die senger unsor üever
frauwen kirchen up wernltlichen platzen 3 woenbaftich, die offermanner der
vier pfarkireken und clockner sampt der wyse frauwen4 manner und die
meyersknecht mit den nachtsumbgengeren. Soe auch eynich man oder
frauwe mit kenhehem armoet beladen were, sullen dieselvige nae erken-
tenyß der cristaefelson gefreyet syn. Fm-der in sal gheyn wechter up ver-
lierong syns ampts für eynichem burger wachen moegen, auch niemants
umb gunst oder gelt beroirte wachen erlaissen oder oeversien, sal auch
hynfurder igheher wechter alle aevents und morgens die schlusselen zo
syner behoerheher zyt den cristaefelsen oder iren undersatzten stathelder
heymdragen und an dieselvigen wider gesynnen6. Sullen ferner alle bür-
gere, soe niet in eygner person selbst wachen, eynen werhaftigen manne,
daemit die wache zer nottui'ft versorget sey, stellen.
2. Zur Geschichte der Aachener Stadtsoldaten.
Die Miliz der Eeichsstadt Aachen bestand aus einer Kompagnie
Grenadiere und einer Kompagnie Füsiliere; jene zählte einschliesslich der
Offiziere 77. diese 129 Mann. Bei der Grenadier-Kompagnie gab es einen
Kreishauptmann, einen Oberlieutenant, zwei Lieutenants, einen Fähnrich
und einen Adjutanten, bei der Füsilier-Kompagnie einen Hauptmann, einen
Oberlieutenant und drei Lieutenants. Bei der Nachtwächter-Kompagnie, die,
wie auch die Artillerie, eigentlich nicht zu den Soldaten gezählt wurde, waren
zwei "Wachtmeister und bei der Artillerie zwei Hauptleute mit zehn Kon-
stablern6. Nach einem von dem Eath bestätigten Keglement der Bürger-
vcm Fischen daselbst wird schon in der Einnabmerechnung der Stadt vom Jahre
1373 bezeugt (Laurent, Aach. Stadtrechnungen aus dem 14. Jahrhundert S. 235,30;
vgl. auch Zeitschrift des Aach. Geschichtsvereins I, S. 162'.
•) Grindel ist eine mit einer Kette versehene Sperrvorrichtung ; vgl. Zeit-
schrift des Aach. Geschichtsvereins VIII, S. 224, Anm. 3.
') Siff, mundartlich sief = Gosse, Rinne, hier scheinen die unbedeckten
Kanäle der städtischen Wasserleitung damit gemeint zu sein. Wesch = offener
Waschplatz an einem der die Stadt durchmessenden Bäche.
a) auf weltlichen Plätzen, d. h. ausserhalb der Immunität des Münsterstifts.
*) wyse frauwen ■■= Hebammen.
s) gesynnen = verlangen.
<) Quix, Hist.-topogr. Beschreihung der Stadt Aachen S. 147,
Mi sci 'Hon. 87
meister uud Beamten vom 23. August 1728 wurde vom 1. Januar 1729 ah
4.
die monatliche Gage des Hauptmanns und des „Kapitain-Licutenants" auf
18, des Lieutenants auf 13 und des Fähnrichs auf 10 Rthlr. erhöht. Beim
Eintritt oder vielmehr nach Leistung des Fahneneids 1 erhielten die Soldaton
ein „Anritz" oder Handgeld. Zahlreiche Eintragungen in den Beamten-
protokollen des 18. Jahrhunderts haben die Montur der Stadtmiliz zum
Gegenstand. Am 12. Juni 1719 beschlossen die Beamten „unter genehm-
haltung eines ehrbaren raths, hiesige stattmilice durch abgestandenen herrn
burgermeißter Dahmen und herrn Werkmeister Nielaß auf dem jungst
bevorigen fuß gegen 16 rthlr. per köpf montiren zu lassen, mit dem aoeep-
tirten, von obigen herren gethanen erbieten, daß dasienige, so sie an sothaner
montur profitiren wurden, dem armenhaus zum nutzen gedeyen solle; was
aber die unterofficier anlangt, sollen selbige ebenfalls auf vorherigen fuß
gekleidet werden, dieser gestalt iedoch, dass die corden, so auf der tam-
bouren montur kommen, in obigen 16 rthlr. rnitbegriffen und auf die ganze
compagnie repartirt sein sollen". Das Tuch zu der Montur wurdo im hiesigen
Armenhaus angefertigt und am 12. August desselben Jahres der Betrag
von 400 Rthlr. zum Ankauf der erforderlichen "Wolle seitens der Stadt
vorgestreckt. Am 15. Februar 1723 wurde von den Beamten bestimmt,
„daß die hiesiger Soldatesca von dem armenhaus gelieferte montur von
einem unterofficier hoher nicht als zu 22 rthlr., von einem gemeinen
Soldaten aber nur zu 16 rthlr. courant, iedoch ohne kiddelen zahlt werden
solle, und hätte gedachtes armenhaus die künftige neue montur und dero
Verarbeitung allgemachsamb vorzunehmen". Ein Beschluss vom 30. Januar
1763 betraf die Anschaffung neuer Schuhe. „Weilen auch die stadt-
soldaten", so lautet er, „die wohlregierendo herren burgermeistern beständig
wegen gehabuug neuer schuhen importuniren, so ist auf beschehenc pro-
position resolvirt, daß, weilen sie am end septembris a. p. schuhe erhalten,
hinfuro bis zu anderweiter eines ehrbaren raths Verordnung umb ostern
und aller heiligen fest jedesmal ein paar schuhe gemachet und gehebert und
die lista desfals denen zeitlichen vorsteheren überreichet, auch zu besorgen,
*) Dieser Eid lautete gegen Ende der reichsstädtischen Zeit: „Wir geloben
und schwören zu gott dem allmächtigen einen körperlichen eid, dass wir einem
hohen rath, den regierenden herren burgermeistern, unsern vorgesezteu ober-
und unteroffleiers getreu und gehorsam zu sein, sie zu ehren uud respectiren,
ihren geboten und verboten fleissig zu folgen, wie es ehrlichen Soldaten zustehet
und zu thuen gebühret, unsere fahnen ohne abschied oder Urlaub niemals zu
verlassen, auch nach den vorgelesenen kriegsarticulen uns jederzeit zu verhalten,
wachten und commando zu versehen, so lange wir das leben und kräfte haben
werden, so wahr uns gott helfe und das heilige evangelium durch Jesum Christum.
Amen."
88 Miscellen.
damit gute schuhe richtig dem oberofficier zur examination und distribution
überantwortet werden sollen."
Besondere Heldenthaten hat die lokale Geschichte meines "Wissens
von den Aachener Stadtsoldaten nicht verzeichnet. Der Volkswitz gab
ihnen den Spottnamen „Oecher Penn", angeblich deshalb, „weil sie, an
den Stadtthoren sitzend, sich damit beschäftigten, Pinne oder Zwecken,
welche früher allgemein in den Absätzen der Schuhe getragen wurden, zu
schneiden und hernach zu verkaufen". Nach einer andern Version sollen
sie mit gespitzten Hölzern an Stelle der heutigen Nadeln Spitzen geklöppelt
haben. Charakteristisch für die Beurtheilung des Aachener Militärwesens
ist, dass im Jahre 1793 der Lieutenant Augustin Adenau bei dem Rath um
die Erlaubniss einkam, eine deutsche Lesegesellschaft errichten zu dürfen.
Ein Eathsprotokoll vom 8. November dieses Jahres sagt hierüber: „Auf
Verlesung der von herrn lieutenant Adenaw ubergebenen unterthänigen
bittschrift wird dem supplicanten das Privilegium exclusivum zur errichtung
einer teutschen lesegesellschaft mit dem beding gestattet, daß er das ver-
zeichnuß seiner bucher vorab den regierenden herren burgermeistern zur
prufung jedesmal vorlege und derenselben Verordnung sich fliegen solle."
Mit der Zucht der Stadtsoldaten muss es um diese Zeit nicht sonderlich
gut bestellt gewesen sein, denn bei dem Ausmarsch einer aus 55 Mann
bestehenden Abtheüung im Frühjahr 1794 verweigerte ein Theil der Soldaten
den Gehorsam, ein anderer Theil desertirte. Zwei Rathsprotokolle vom 6.
und 13. Juni 1794 berichten über das wenig ehrenvolle Begebniss. In dem
erstem, vom 6. Juni, heisst es: „Vorab seynd die, und zware erstlich das
von des herzogen von Würtenberg feldmarschalk-lieutenant hochfurstliche
durchlaucht unterm 30. may in so gnädigen ausdrücken abgefaste schreiben,
und demnegst die relation des hiesigen stadt-lieutenant herrn Rumont de
4. currentis, auch die über geschworenen ayd der Soldaten am 3. currentis
im audienzzimmer abgehaltene protocollum und lista einem ehrbaren rath
vorgelesen, so hat hochderselbe insoweit den desfalsigen Vortrag dieses alles
sich gefallen laßen. Weilen aber herr burgermeister referiret, daß der herr
capitain Adenaw ihme vor der hand eine kurze, aber unbedeutende relation
abgestattet, so hat ein ehrbarer rath beschlossen und gewollt, daß der
haubtmann ungesäumt und unverweilt seinen umbständlichen und perti-
nenten bericht über den ganzen Vorgang von dem augenblick, daß er mit
dem commando aus der stadt ausgezogen, und von allem, was die aus-
trettung deren seinem commando untergebenen veranlaßet, warumb er nicht
gleich über den Vorfall referiret, fort von allen dabey vorgangenen vorfallen
referiret, einen specifirlichen (so) und ausfuhrlichen bericht inner 24 stunden
zeit herren burgermeistern einliefern seile, auch demselben aufgegeben,
Miscellen. 89
über allem bey diesem ärgerlichen Vorfall sieh ereigneten umbständen
schriftliche relation abzustatten und die pertinentiste auskauft gelangen zu
laßen, damit ein ehrbarer rath dardurch in stand gestellet werde, in diesen
recht ärgerlichen umbständen mit Zuziehung des herrn kayserlichen haubt-
mann und beyder herren syndicorum die nachdruckliche und dem vergehen
angemessene ahndung nach Verdiensten zu verfliegen." Im Anschluss
hieran meldet das Rathsprotokoll vom 13. Juni: „Dahe nun die dem
herrn burgermeister Kreitz von herrn haubtmann Adcnaw gestern morgen
umb 3/t nach zehen uhren ubergebene relation einem ehrbaren rath vor-
gelesen mit der unter anlag n. 1 gefugten list der sub buchstab A deser-
tirten 17, sub buchstab B genannten 23 unwilligen und sub buchstab C
15 getreu gebliebenen, fort das am 7. huius in audientia abgehaltene proto-
collum und ein in franzosisch coneipirte supplique der Soldaten auch gelesen,
so hat ein ehrbarer rath gewollt und resolvirt, daß über die 17 desertirtc
die 23 unwillige und sonsten in der in vorigen senatoria mixtim begnehmten
commission die Untersuchung und Justiz fortgefahren und die behörigo
ahndung in dieser ärgerlichen sache befurdert und einem ehrbaren rath dio
behörige relation desfals zugehen möge ; indeßen sollen jene 17 desertirto
und 23 unwillige nicht weiter in diensten belaßen werden.1' Welchen Aus-
gang die Sache nahm, ist nicht bekannt, in den Rathsprotokollen verlautet
darüber nichts mehr. Bald nachher rückten zum zweiten Mal die Franzosen
in unsere Stadt ein und machten dem reichsstädtischen Regiment und seinen
Einrichtungen ein Ende.
Die Kriegsartikel für die Aachener Stadtsoldaten lauteten am Ende
der reichsstädtischen Zeit:
1. Wer meuterey macht, das ist, wenn mehrere Soldaten sich von
der trouppe suchen abwendig zu machen, oder sich zu einem aufruhr
gesellen, wenn solche hievon überführet, solle der oder diejenigen ohne
einige gnade das leben verwürket haben.
2. Wer sich seinem officier widersetzet, der solle nach umständen
der sache scharfest bestrafet werden.
3. Ein jeder solle sein gewehr in gutem brauchbaren stände haken
und in obacht nehmen, und solches weder verpiänden noch verkaufen bei
schärfster strafe.
4. Kein duell solle weder von ofheiers noch gemeinen gestattet
werden bey lebensstrafc.
5. Alle todschläge sollen mit lebensstrafc bestrafet werden.
6. Wer sich weigert, wozu er commendiret wird, solle mit arrest und
nach umständen der sache schärfest bestrafet werden,
90 Mscellen.
7. Der soldat soll sich auf seinem posten so lange wehren, als in
seinen kräften ist, unter schärfster strafe.
8. Keine schildwache solle auf ihrem posten weder geld annehmen,
weder sich mit andern leuten in gespräch einlassen, unter scharfer strafe.
9. Kerne schildwache solle in der nähe aufruhr oder anthuende
gewaltthätigkeit leiden; wer dawider handelt, solle scharf bestrafet werden.
10. "Welcher im dienste betrunken erscheinet oder auf seinem posten
schläft, solle mit arrest und nach umständen schärfer bestrafet werden.
11. Derjenige, welcher die wage betrüget oder dazu behülflich ist.
dass kaufmanns-waaren heimlich eingebracht werden, solle scharf bestrafet
werden.
12. AVer einen gefangenen durch seine wahrlosigkeit entspringen
lässt, solle nach umständen der sache scharf bestrafet werden.
13. Wer hand an die wacht leget, solle am leben bestrafet werden.
14. "Welcher die wache versäumt, solle scharf gestrafet werden.
15. Alle öffentliche gewalt solle scharf gestrafet werden.
16. Solle sich keiner unterstehen, einem bürger die mindeste gewalt
anzuthuen, noch sich auf jenen platzen einfinden, wo zünfte sich ver-
sammeln.
17. Solle keiner, so lange seine sechsjährige capitulation dauret, weder
votum activum noch passivum in einer zunft haben.
18. Derjenige officier oder commandant, so den Soldaten ihre Löhnung
enthält, der solle mit verlust seiner charge unablässig gestrafet werden.
19. Jener officier, so bey gelegenheit, ohne den grössten widerstand
zu thuen, seinen posten verlässt, solle als ein meineydiger bestrafet werden.
20. Jener soldat, so sich während den erstem sechs jähren untadelhaft
aufführet, wird ferner beybehalten werden, wie auch, welche alters halber
oder durch einen nicht verschuldeten Unglücksfall ihre dienste zu thuen
unvermögend werden, als invalide versorget werden sollen.
21. Deserteurs sollen nach umständen scharf bestrafet werden.
3. Vier Briefe Friedrichs des Grossen an die Stadt Aachen l.
1. Von gottes gnaden Friderich, könig in Preußen, marggraf zu
Brandenburg, des heyligen römischen reichs erz-eämmerer und churfürst etc.
Unsern gnädigen grüß zuvor. Ehrenvesto und wohlweise liebe besondere.
"Wir haben aus besonderen uns dazu bewegenden Ursachen resolviret und
') Nach den Originalen im Aachener Stadtarchiv.
Miscellen. 91
gut gefunden, den dortigen kaufmann Matthieu Lognay ' zum residenten in
eurer stadt zu bestellen, damit er unsere und unserer unterthanen daselbst,
jetzt und künftig vorfallende gesehäfte und angelegenheiten, so wir ihm
auszurichten anbefehlen werden, respicire und beobachte; welches wir euch
dann hiedurch bekand machen wollen, mit dem gnädigsten gesinnen und
bogehren, ihr wollet besagten unseren residenten Lognay in solcher Quali-
tät annehmen und erkennen, ihm auf sein geziemendes ansuchen jedesmal
zu desto beßerer Verrichtung seiner function allen guten willen, assist.ii/.
und beforderung erweisen, wie nicht weniger auch aller rechte, Privilegien,
freyheiten, immunitäten und gerechtigkeiten, so anderen königlichen resi-
denten, wie in gesamten teutschen reiche, so auch in eurer stadt, absonder-
lich von rechts- und guter gewohnheit wegen competiren und zustehen,
ihn genießen laßen.
Wir sind solches in allen gelegenheiten dankbarlieh gegen euch zu
erwiederen geneigt, und verbleiben euch übrigens mit königlichen hulden
und gnaden stets und wohl beygethan. Geben Berlin, den 22. septembris 1712.
Fr.
2. Von gottes gnaden Friderich, könig in Preußen, marggraf zu
Brandenburg, des heiligen römischen reichs erz-cämmerer und churfürst etc.
Unsern gnädigen grüß zuvor. Ehrenveste und wohlweise, liebe besondere.
Uns ist euer jüngsthin, wegen bestellung des kaufmanns Lognay zu unserm
residenten in eurer stadt an uns erlaßenes schreiben zu recht eingehefert
worden, und haben wir aus deßen inhalt wahrgenommen, was maßen ihr
insonderheit deswegen depreciret, erwehnten Lognay in solcher qualität zu
erkennen und anzunehmen, weil ihr davor haltet, daß derselbe von denen
accisen eximiret zu seyn praetendiren, solches aber eurem aerario zu be-
sonderm praejudiz gereichen dürfte.
Gleichwie nun bey bestellung obbemeldten Lognay zu unserm resi-
denten in eurer stadt, unsere absieht einzig und allein auf Unterhaltung
und beforderung des zwischen unseren landen und euch obwaltenden com-
mercii gerichtet gewesen und wir keines weges gemeinet sind, eure revenuen
dadurch im geringsten zu schmälern, auch dannenher die apprehendirte
') Lognay war Gastwirth und Weinhändler; namentlich ..trieb er einen
considerabelen handel und kaufmannschaft mit französischen und teutschen
weinen en gros und en detail". Er wohnte anfänglich in dem Hause zum Pütz,
später in dem stattlichen, jetzt als Gasthof zur kaiserlichen Krone benutzten
Hause zum wilden Mann in der Alexanderstrasse (,,in der gemeinen bahn aufm
Haubtmann'"), das er 1749 durch den Architekten J. J. Couven erbauen lleas.
Friedrich d. Gr. verweilte bekanntlich vom 26. August bis 7. September 174'J zur
Badekur in Aachen. Näheres über seinen damaligen Aufenthalt s. Aachener
Volkszeitung 1875, Nr. 175 und 176.
92 Miscellen.
exemtion von denen accisen vor denselben ganz und gar nicht verlangen,
sondern gerne geschehen laßen, daß er selbige nach wie vor entrichten
möge; so haben Avir euch solches hiedurch zu erkennen geben wollen, in
dem gnädigsten zutrauen, ihr werdet nunmehr, nachdem solcher gestalt
eure uns dieserhalb eröffnete besorgnüß vollkommen gehoben, keinen anstand
nehmen, mehrbesagtem Lognay vor unsern residenten erkennen und anzu-
nehmen, und ihm nicht allein, benöthigten falls, allen schütz- und hülfs-
leistung, sondern auch alle andere honneurs, vor-rechte und immunitäten,
welche dem von uns ihm gnädigst verliehenen character von rechts- und
gewohnheit wegen ankleben, unweigerlich angedeyhen laßen l.
Eure uns hierunter bezeigende bereitwilligkeit wird uns zu besonders
gnädigem Wohlgefallen gereichen, und uns veranlaßen, euch bey allen ge-
legenheiten merkmale von der königlichen huld und propension zu geben,
womit wir euch und eurer guten stadt wohl beygethan verbleiben. Berlin,
den 27. novembris 1742.
Fr.
3. Von gottes gnaden Friderich, könig in Preußen, marggraf zu
Brandenburg, des heiligon römischen reichs erz-cämmerer und churfürst etc.
Unsern gnädigen grüß zuvor. Ehrenveste und wohlweise liebe besondere.
Wir haben aus eurem wohl erhaltenen schreiben vom Uten pr. ersehen,
was maßen ihr uns ersuchen wollen, die uns samt des churfürsten zu
Colin, als bischofs zu Münster liebden von seiner kayserlichen majestät auf-
getragene execution, um den abzug der churpfälzschen trouppen aus eurer
stadt zu bewürken, zu übernehmen und zu vollführen. "Wie wier nun jeder-
zeit bereit seyn, denen unserm creyß ausschreibe-amt obliegenden pflichten
ein genüge zu leisten, und einem jeden zu seinem rechte zu verhelfen; so
haben wir auch unserm zu versehung der westphälischen creyß-angelegen-
heiten verordneten geheimen directorial-rath Emminghausen aufgegeben, mit
dem münsterischen creyß-directorial-rath die gewöhnliche monitoria an die
Düsseldorfsche regierung ergehen zu laßen. Da aber des churfürsten zu
Pfalz durchlaucht uns schriftlich ersuchet, die vermittelung zur gütlichen
beylegung der zwischen ihro und eurer stadt obwaltenden irrungen zu über-
nehmen, und in solchem fall sich erboten, ihre trouppen aus Aachen ab-
marchiren zu laßen; so haben wir euch solches hiemit eröfnen und von
euch vernehmen wollen, ob ihr solche unsere vermittelung euch gefallen
') Die Anerkennung Lognays als preussisehen Residenten erfolgte seitens
der Stadt erst Ende 1746, nachdem sie von Kaiser Karl VII., an den sie sich ge-
wandt hatte, wiederholt hierzu aufgefordert worden war. Vier hierauf bezügliche
kaiserliche Schreiben aus den Jahren 1743 und 1744 befinden sich im Aachener
Stadtarchiv.
Miscellon. 93
laßen wollet? in welchem fall wir uns derselben mit aller uaparfheylich-
keit unterziehen und es auch dahin einleiten würden, daß die churpfälz-
schen trouppen vorhero abgeführet werden müßen. AVir erwarten hierüber
eure baldige erklärung, die ihr auch zu gewinnung der zeit unsern geheimen
creyß-directorial-rath Emminghausen zu Colin bekannt machen laßen könnet,
und verbleiben euch und eurer guten stadt mit königlicher hulde und
gunst jederzeit zugethau. Berlin, den 2. junii 1769.
Fr.
4. Von gottes gnaden Friderich, könig in Preußen, marggraf zu
Brandenburg, des heiligen römischen reichs erz-cämmerer und churfürst etc.
Unsern gnädigen grus zuvor. Ehrenveste und wohlweise liebe besondere.
Nachdem durch das erfolgte absterben des Matthieu Lognay die stelle unsers
residenten bey eurer stadt erlediget worden, und wir solche deßen söhn,
dem Matthieu Lognay hinwiederum allergnädigst zu conferiren gut ge-
funden l ; so haben wir euch solches hierdurch bekannt machen wollen, mit
dem gnädigsten gesinnen und begehren, besagten unsern residenten Lognay
in solcher qualität anzunehmen und zu erkennen, ihm auf sein geziemendes
ansuchen jedesmal zu desto besserer Verrichtung seiner function allen guten
willen, beystand und beförderung zu erweisen, wie nicht weniger auch aller
rechte, Privilegien, freyheiten, immunitäten und gerechtigkeiten, so andern
königlichen residenten, wie im gesamten teutschen reiche, so auch in eurer
stadt, absonderlich von rechts- und guter gewohnheit wegen zukommen
und zustehen, ihn genießen zu laßen.
AVir versprechen uns solches auch von euch zuversichtlich, und "werden
dagegen euch und eurer guten stadt mit königlicher huld und propension
jederzeit wohl beygethan verbleiben. Geben Berlin, den 30. januarii 1770.
Fr.
4. Der Eid des Aachener Scharfrichters im 17. Jahrhundert.
Ihr sollet einem ehrbaren rath zu Aach wie auch den herren burger-
meisteren gehorsamb, treu und holt sein, eueren dienst treulich verwalten,
alle geheime Sachen, so ihr in der Acht oder sunst erfahren und hören
möcht, in geheimb halten, und euch ausserthalb der statt und reich Aach
ohne der herren burgermeisteren, auch vogt und meyers oder statthelders
urlaubt nit begeben, ohne argelist.
') Auch dieser Ernennung widersetzte sich die Stadt. Für Lognay suchte
Geheimrath von Emmiughaus am 17. Oktober 1771 die Annahme als Königlich
preussischen Residenten bei dem Rath in Aachen nach, die letzterer jedoch am
19. Januar 1772 „sich verbat".
94 Miscellen.
Aus dem Eidbuch des 17. Jahrb. im Aachener Stadtarchiv. Bemerkt
ist unter dem Eid, dass derselbe am 20. Februar 1670 von dem Scharf-
richter Johann Knox aiisgeschworen worden sei.
Notiz.
Der Unterzeichnete ist seitens der städtischen Verwaltimg beauftragt
worden, die im Besitz der Stadt Aachen befindlichen mehrern hundert
Exemplare der 1G88 von dem Arzt und Brunneninspektor Franz Blondel
herausgegebenen Schrift über die Aachener und Burtscheider Thermen (der
Titel la\itet wörtlich: Thermarum Aquisgranensium, et Porcetanarum eluei-
datio, & thaumaturgia. Sive admirabilis earumdem natura, & admirabiliores
sanationes ; quas producimt in usibus balneationis, potationis. Opera Francisci
Blondel, senioris, medici polyatri, et primi hujus thermo-potationis promotoris,
ac super-intendentis. Editio tertia, sincerissima, prioribus auetior, et emeu-
datior. Sumptibiis authoris. Aquisgrani, typis Joannis Heniici Clemens,
urbis typographi jurati. 1688) ziun Preise von 1 Mark das Stück zu ver-
äussern und bei Abnahme von 10 Stück ein Freiexemplar zu gewähren. Die
für den . Historiker und Arzt gleich interessante Schrift zählt 192 Quart-
seiten und enthält neben zahlreichen kleinem in den Text eingefügten Ab-
bildungen (Entdeckung der Aachener Bäder durch Karl d. Gr., die Aachener
und Burtscheider Badehäuser, der Komeliusbrunnen u. s. w.) auf besondem
Tafeln hübsche in Kupfer gestochene Ansichten der Städte Aachen und
Burtscheid, das Aachener Stadtwappen imd die Wappen der damaligen
regierenden und abgestandenen Bürgermeister Werner von Broich, Peter
Ludwig Bodden, Johann Wilhelm von Olmissen genannt Mülstroe und Johann
Chorus, sowie das Porträt Blondeis. Blondel war ein geborener Lütticher,
studirte an der Universität in Köln und ward dann Leibarzt des Trierischen
Kurfürsten Philipp Christoph von Sötern. Nach dem Tode des letztern
(7. Februar 1652) siedelte er nach Aachen über, wo er das bald nachher
eingeführte öffentliche Trinken des Thermalwasscrs anregte imd aufs
Eifrigste förderte, und hochgeachtet anfangs Mai 1703 im Alter von 90 Jahren
starb. Seine letzte Ruhestätte erhielt er in der damaligen Dominikanerkirclie,
der jetzigen Pfarrkirche von St. Paul hierselbst. Blondels Schrift findet sich
nur selten in antiquarischen Katalogen und ist da, wo sie vorkommt, meist
mit hohen Preisen verzeichnet.
Aachen. Ii. Pick.
Fragen.
1. Nach Noppius (Aacher Chronick 1632, Th. I, S. 34) hiess das am
untern Ende des Bücheis zwischen dem Köln- nnd Adalberts-Mittelthor
vormals gelegene Stadtthor das „Besserderthoru. Wer kann den Namen
deuten ? p,
2. Was ist unter dem „Kriesehensang" zu verstehen, der nach Lau-
reut (Aachener Stadtrechnungen S. 338,3a) am Ostersonntag 1386 in der
Augustinerkirche zu Aachen stattfand? E.
3. Weiss Jemand eine Erklärung für die Aachener Schimpfnamen
„Domgrof " und „Schuz" ? p.
4. Am 11. März 1658 beschlossen die Beamten der Stadt Aachen,
dass „die zu Colin vorhandene bibliothecq, weswegen man vor diesem in
kauf gestanden, nunmehr vor 266 rthlr. und 52 albus angeschlagen und
darauf vorerst ein pfenning, damit man derselben sicher seye, gegeben
werden solle". Wahrscheinlich handelte es sich um eine Vervollständigung
der Kathsbibliothek, die beim Stadtbrand 1656 theilweise untergegangen
war. Wer weiss Näheres ? p.
5. Nach einer Mittheilung des „Echo der Gegenwart" (1886, Nr. 287,
Bl. JJ) soll bis zum Ende des vorigen Jahrhunderts ein dem h. Thomas
geweihtes Kapellchen auf dem Dahin engraben zu Aachen gelegen und dieser
hiervon den den alten Aachenern noch bekannten Namen „Thomesgräffsc"
(Thomasgraben) erhalten haben. Gibt es ein geschichtliches oder sonstiges
Zeugniss für dieses Kapellchen? [Nach Quix, Hist.-topogr. Beschreibung
der Stadt Aachen S. 67 lag eine St. Thomaskapelle, die schon 1599 ver-
fallen war, vor dem Kölnthor.] P.
6. In seinem 1869 erschienenen Schriftchen „Iluit jours ä Aix-la-
Chapelle" (Sonderabdruck aus dem Bulletin monumental) behauptet A. de
Surigny, dass Aachens Lage derjenigen Roms sehr ähnlich sei. Er sagt
wörtlich (S. 1): „Aix-la-Chapclle grande et belle ville situee, commeEome,
au milieu d'une eneeinte de collines: j'ai ete frappe de la ressemblance."
Berulit dieser, hier vielleicht zum ersten Mal angestellte interessante Ver-
gleich auf Wahrheit ? /'.
96 Fragen.
7. AVas bedeutet der in der Aachener Gegend und anderwärts häufig
wiederkehrende Flurname „auf der Huf"? S.
8. In einem Beamten-Protokoll der Stadt Aachen vom 13. November
1706 ist von einem "Wächterhaus an St. Tawenpfort die Eede. Dieses Thor
gehörte zur innern Stadtbefestigung und scheint sich in der Gegend des
Dahmengrabens (früher Hirschgrabens) befunden zu haben. AVer kann
Genaueres über Lage und Namen angeben ? M.
9. Liegt dem Aachener Sprichwort „AVeä et längste leävt, kritt
Stolberg" eine geschichtliche Thatsache zu Grunde, und welche? S.
10. AVann wurde das ehemalige Heiliggeist-Spital in Aachen gestif-
tet? Ist die Amiahme begründet, dass es schon zur Karolingerzeit be-
standen habe ? R.
11. AVoher rührt die volksthümliehe Bezeichnung „Hauptmann" für
den zu Aachen an der Einmündung der Sandkauistrasse in die Alexauder-
strasse gelegenen Platz? Bemerkt sei, dass diese Benennung urkundlich
schon zu Anfang des vorigen Jahrhunderts begegnet. R.
12. AVas bedeutet das in der Umgegend von Aachen in zahlreichen
Lokalnamen (z. B. Hundskirchbof, Hundsbenden, Hundsbüchel, Hundshof)
vorkommende Bestimmungswort „Hund" ? B.
13. AVer kann den Aachener Strassennamen „Heppionsgasse" er-
klären ? P.
14. Im Jahre 1763 weilte zu Aachen ein Porträt- und Historienmaler
Stengel, der anfangs, wie es scheint, vom Eath wegen seines Aufenthalts
daselbst behelligt, dann aber „auf Verlesung seiner unterthänigster Vor-
stellung mit weiterem nachsuchen und zumuthung zur bürgerschaft ver-
schönet wurde". Ist sonst etwas über diesen Künstler bekannt ? D.
15. In einer Aachener Urkunde vom Jahre 1322 (Quix, Codex dipl.
Aquensis no. 296) wird in der Aldegundisstrasse (jetzt Ursulinerstrasse) ein
Haus Hammerstein (domus dieta Hammersteyn) erwähnt. Ist ein Zusammen-
hang desselben mit dem rheinischen Burggrafeugeschlecht gleichen Namens
nachzuweisen ? P.
16. AVann entstand die Judengasse in Aachen ? Lässt sich aus ihrer
Lage ein Schluss auf den Lauf der ältesten Stadtbefestigung an der Nord-
und Westseite ziehen? P.
Druck von F. N. Palm in Aachen.
LUh Anst.v KMacco Aachen
Winani BasüaTi 1723 JG.kBocK
1673
1667 M.v. Kirchrath
1664- Joh KleritioTit
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«5>8 Math Pettz«
1655 Math v.d.Veldt
1671 Com v.d.Vel
Taf.E
J3 Joh.Gerh. Evcketis - ib'JO Lenor Hausmann .
CFrz.Maj/erhöveT
1070 HubeTt Hausmann lÖOQ. Hubert Hausmann
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1660 JohMencrels
(697 EqidvMeven
1739 Willi Molle:
1680 Joh.v.d.Veldt
1083 AtilaCampo
f> n Zeichen
Litr. AnstaUv. FMacco Aachen.
7^06/
MITTHEILUNGEN
z
DES
VEREINS FÜR KUNDE DER AACHENER VORZEIT.
IM AUFTRAG DES VORSTANDS HERAUSGEGEBEN
VON
RICHARD PICK,
ARCHIVAR DER STADT AACHEN.
ERSTER JAHRGANG.
ZWEITES HEFT.
AACHEN.
KOMMISSIONS-VERLAG DER OREMER'SCIIEN BUCHHANDLUNG (O. CAZIN).
1888.
Kleinere Beiträge zur Aachener Geschichte
und Topographie.
Von R. Pick.
I. Wann erhielt Aachen seine erste Befestigung?
Allgemein wird behauptet, dass die Stadt Aachen vor dem
Jahre 1172 nicht befestigt gewesen sei. Man beruft sich hierfür
auf die Aachener Annalen (Annales Aquenses), welche aller-
dings zu dem genannten Jahre berichten, dass die Aachener
sich dem Kaiser Friedrich Barbarossa gegenüber eidlich ver-
pflichtet hätten, die Stadt (civitas) binnen vier Jahren mit einer
Mauer und mit gemauerten Befestigungswerken (muro et moeni-
bus) zu umgeben1. Dennoch ist jene Behauptung unrichtig,
wie eine Urkunde Kaiser Lothars III., worin dieser kurz vor
seinem Tode, am 22. September 1137, von dem italienischen
Städtchen Aquino aus der Abtei Stablo ihre Rechte und Be-
sitzungen bestätigte 2, aufs Unzweideutigste erkennen lässt.
') Aquenses ab imperatorc commouiti iuraverunt, in quatuor annis
muro ct. moenibus civitatem munire ; et munitus est mons Berenstein. Mon.
Germ. SS. XXIV, p. 38, ad a. 1172. In der Urkunde vom 9. Januar I L66,
wodurch Friedrich Barbarossa der Reichs- und Krönungsstadt Aachen zwei
Jahrmärkte und Anderes verlieh, sagt der Kaiser: ..< gruum ei rationabilo
est, ut exemplo domni et sancti Karoli aliorumque precessorum aostrorum
eundem locum imperialis defensionis et nostre, clementie. privilegiis ei
♦ atis institutione quasi muro et turribus muniamus" (Lacomblet, ürkun-
denbuch I. Xi'. H2). Nicht unmöglich wäre, dass hier eine beabsichtigte
Anspielung auf den damals noch vorhandenen, bald nachher aber durch
denselben Kaiser beseitigten Mangel der Stadtmauern und Thür vorliegi
">■) Quix,Cod. dipl. Lquensis no. L02; Stumpf, Die Reichskanzler Nr. 3353.
98 R. l'H-k
Die Abtei Stablo hatte, vermuthlich durch Schenkung
merovingischer Könige, einen ziemlich ausgedehnten Grund-
besitz in Aachen erlangt und darauf, wahrscheinlich in der
ersten Hälfte des 8. Jahrhunderts, eine der h. Aldegundis
geweihte Kapelle erbaut, die bis vor Kurzem mit Unrecht von
der Lokalforschuüg als das älteste Gotteshaus unserer Stadt
betrachtet wurde. Diese Kapelle lag iü der heutigen Ursuliner-
strasse (früher Aldegundisstrasse genannt) an der Stelle des
jetzigen Regierungs-Präsidial-Gebäucles, an dessen Ostseite noch
eine Steininschrift das Andenken an das seit 1787 mit seinen
letzten Trümmern verschwundene Kirchlein bewahrt l.
In der Urkunde vom Jahre 1137, deren Original jetzt im
Staatsarchiv zu Düsseldorf beruht, zählt Kaiser Lothar III.
die Besitzungen einzeln auf, welche die Abtei Stablo in Aachen
hatte; er sagt wörtlich 2 : „(Confirmamus) et maxime possessio-
nem, quam Aquisgrani eadem habet ecclesia, id est domum
indominicatam et capellam indominicatam et liberam et domos
xxx, in una parte vie. xxv per ordinem et sine interrup-
tione positas, scilicet a domo illa, que. fuit Cameracensis epis-
copi, usque ad fossatum in ea parte, qua itur ad pontem
Harduini, et in alia parte vie. ante prefatam capellam sancte
Aldegundis v domos, et vi bonuarios terr§ ibidem circum-
quaque iacentes." Zu deutsch: „Und namentlich (bestätigen
wir) den Besitz, welchen dieselbe Abtei zu Aachen hat, näm-
lich ein Herrenhaus, eine herrschaftliche und von der Pfarr-
kirche unabhängige Kapelle 3 und 30 Häuser, von denen 25 in
dem einen Theile der Strasse in einer Reihe nebeneinander
von dem frühern Hause des Bischofs von Cambrai an bis zu
*) Vgl. Mittheilungen des Vereins für Kunde der Aachener Vorzeit T,
S. 5 ff.
s) Herr Geheimer Archivrath Dr. Harless zu Düsseldorf hatte die Güte,
die Stelle des Quixschen Textes mit dem Original vergleichen zu lassen.
3) Capella, indominicata ist nicht bloss eine königliche, der Güter-
substanz des königlichen Fiskus einverleibte, sondern jede auf einem Herren-
hof errichtete Kapelle; sie ist hier zugleich libera, weil sie von dem
Pfarrverband exinürt worden.
"Wann erhielt Aachen seine erste Befestigung? 99
dem Graben au derjenigen Stelle, wo man zur Harduinsbrücke
geht, und 5 in dem andern Theile der Strasse vor der gedachten
Kapelle der h. Aldegundis gelegen sind, ferner 6 Bunder Land,
die ebendaselbst rings herum liegen.'* Hier wird also ein Gra-
ben (fossatum) erwähnt, der die Ecke der heutigen Hartmann-
strasse (früher Hardewinstrasse) nach dem Friedrich Wilhelm-
Platz zu berührte und, wie die damals schon vorhandene
Harduinsbrücke mit Bestimmtheit anzeigt, sich nach dem
Kapuzinergraben weiter erstreckte. Lage, Bezeichnung um!
Ausdehnung dieses Grabens lassen es nicht zweifelhaft erschei-
nen, dass von dem städtischen Befestigungsgraben die Rede ist.
Dass es sich nicht um einen Entwässerungs- oder Abzugsgraben,
wie Quix x vermuthet, oder gar um einen Pfuhl handeln kann,
wie man ebenfalls gemeint hat2, liegt auf der Hand. Wie
hätten die Aachener jemals auf den Einfall kommen sollen,
einen solchen Abzugsgraben oder Pfuhl vor die Ausmündung
einer Strasse, also gerade dahin zu legen, wo zur Ermöglichung
des Verkehrs nach aussen zugleich mit dieser Anlage die Her-
stellung und dauernde Unterhaltung einer Brücke nothwendig
geworden wäre? So sinnlos werden unsere Vorfahren nicht
gehandelt haben. Aber auch der Ausdruck „fossatum" spricht
ganz entschieden gegen diese Ansicht. Denn er bedeutet
weder Abzugsgraben noch Pfuhl, sondern ist im Mittelalter
die technische Bezeichnung für Befestigungsgraben, wie sich
aus zahlreichen Urkunden leicht erweisen lässt. So wird, um
statt vieler nur ein paar Beispiele anzuführen, der Stadtgraben
962 und 964 zu Reggio3, 1180 und 1229 in Köln4, 1215,
1318 und 1326 in Aachen5, 1238 in Emmerich und Arns-
*) Quix, Beiträge zur Geschichte der Stadt Aachen und ihrer Um-
gebungen n, S. 105 f.
2) Politisches Tageblatt 1886, Nr. 89, Abend-Ausgabe.
3) Die Urkunden der deutschen Könige und Kaiser, hrsg. von der
Gesellschaft f. ältere deutsche Geschichtskunde I, S. .'MI und 382.
4) Lacomblet, Urkundenbuch I, Nr. 171 und L75; II. Nr. Hü.
5) Quix, Dil1 Königliche Kapelle und das ehemal. adelige Nonnen-
kloster auf drin Salvators-Berge S. 88; Quix. Eistorische Beschreibung der
100 R. Pick
berg1, 1243 und 1247 in Bonn2, 1295 in Rheinberg3, 1319
in Kempen4 fossatuni genannt. Zu Aachen speziell ist in der
Urkunde von 1215 von einem Garten (ortus) „extra portam
Porcetensem iuxta fossatum" (vor dem Burtscheider Mittelthor
neben dem Stadtgraben), 1318 von dem Webbegarden-Haus
,.supra fossatum" (an dem Stadtgraben vor Harduinsthor) und
in der Urkunde von 1326 von einem Stück Ackerland „supra
fossatum inter portam Punt et portam Regis infra duos muros
civitatis" (an dem Befestigungsgraben zwischen Pont- und
liönigsniittelthor innerhalb der innern und äussern Stadtmauer)
die Rede. Man wird kaum irren, wenn man in all diesen
Gräben Theile des 1137 bei der Harduinsbrücke mit demselben
Namen erwähnten Grabens erblickt. Der vorhandene Graben
wurde zu der städtischen Befestigung benutzt, als man im
Jahre 1172 den Mauerring um die Altstadt legte; von dem
Theil der Mauer, welcher sich aus der Gegend des Burtscheider
Mittelthors bis zum Aldegundisthor (St. Adalberts-Mittelthor)
längs dem Kapuzinergraben und dem Friedrich Wilhelm-Platz
hinzog, lässt sich erweisen, dass er an der Innenseite des 1137
angeführten Grabens errichtet war.
Nach alledem kann die Annahme, dass Aachen schon lange
vor dem Jahre 1172 mit Wall und Graben umwehrt gewesen
sei, kaum weitern Bedenken begegnen. Allerdings wird der
Wall in der Urkunde von 1137 nicht ausdrücklich genannt,
aber Wall und Graben waren Wechselbegriffe, der eine bedingte
den andern, so dass durch den Nachweis des einen zugleich
die Existenz des andern dargethan ist. Jener Annahme steht
Münsterkirche S. 126; Qiüx, Geschichte des Karmeliten-Klosters S. 191,
Nr. 52. Ein Aachener Bürger Heinricus de Fossato wird in einer Urkunde
von 1295 genannt (Quix, Eist. Beschr. der Münsterkirche S. 158).
') Lacomblet a. a. 0. n, Nr. 227; Seihertz. Urkundenbuch zur Landes-
und Rechtsgeschichte des Herzogthums Westfalen T. Nr. 211.
-) Lacomblet a. a. 0. n, \"r. 284 und 316.
s) Ungedruckte Urkunde im Stadtarchiv zu Rheinberg.
4) Binterim und Mooren. Die alte und neue Erzdiözese Knlu IV,
Nr. 311.
Wann erhielt Aachen seine erste Befestigung? 101
übrigens auch die Nachricht der Annales Aquenses keineswegs
entgegen. Sie spricht bloss von dem Befestigen der Stadt „muro
et moenibus", zwei Ausdrücke von fast synonymer Bedeutung,
die beide auf Festungsbauten von Stein hinweisen. Sehr wahr-
scheinlich ist mit „rnurus" der Mauerring und sind mit „moenia"
die Thorburgen und Thürme, sowie die ausserhalb dos Mauer-
gürtels, z. B. am heutigen Marschierthor, dessen innerer Kern
der romanischen Zeit angehört \ errichteten Befestigungswerke
gemeint, - Auf die damalige Anlage solcher Aussenwerke deutet
auch der Zusatz der Aachener Annalen : „et munitus est nions
Berenstein" (und der Berg Berenstein wurde befestigt). Diese
Feste lag nach Meyer2, der zum Jahre 1776 noch von „einem
sog. Bernsteins-Werk" spricht, „kurz vor der Stadt nächst dem
jetzigen St. Jakobs- und Junkersthor", eine Angabe, die man
freilich in neuester Zeit mehrfach bestritten hat, ohne indessen
eine glaubhaftere an ihre Stelle zu setzen. Dass die Nachricht
der Annales Aquenses über Wall und Graben, gewiss hervor-
ragende Theile der mittelalterlichen Befestigung, stumm ist,
unterstützt nicht unwesentlich die Annahme, dass beide bei
dem Bau der Stadtmauern bereits vorhanden waren. Bei dieser
Unterstellung lässt es sich weiterhin begreifen, dass die Bürger
Aachens die Lösung einer so gewaltigen Aufgabe, wie die da-
mals geforderte Befestigung ihrer Stadt es war, in dem ver-
hältnissmässig kurzen Zeitraum von vier Jahren eidlich ver-
sprechen konnten 3.
') Fr. Bock, Die mittelalterlichen Befestigungswerke Aachens (Rhein-
lands Baudenkmale des Mittelalters, Serie III. Lid'. 9) S. - ff Nach Gsell-
Fels, Aachen (Städtehilder und Landschaften aus aller Welt. Nr. 29) S. 28
„erinnert der Kern (des Marschierthors) mit seinen grossen breiten Schiefer-
platten und seinem festen Mörtel noch an die karolingischen Bauten".
2) Meyer, Aachensche Geschichten 1. S. 261, Anm. J.
s) Die vierjährige Frist war im Mittelalter viel gehräuchlich. In \der
Jahren (1384—1388) wurde die Burg zn Kempen gebaut; vier Jahre Lang
erlaubte L319 der Kölner Erzbischof Heinrich von Virneburg den Bürgern
Kempens, zum Bau ihrer Festungswerke eine Steuer von den feilen Waa-
ren zu erheben (Bonner Jahrbücher XI. VI. S. 121; Binterim und Mooren
L02 K. Piel
Bei der Wichtigkeit der vorliegenden Frage muss es
immerhin auflallend erscheinen, dass dieselbe seither von Nie-
mand einer Untersuchung gewürdigt worden ist. Für so fest
begründet, scheint es, hielt man die irrige Ansicht, dass Aachen
vor der Stadtunimauerung zur Zeit Friedrich Barbarossas jeder
Befestigung entbehrt habe. Nur für die Pfalz nimmt Fr. Bock
eine ältere Befestigungsanlage mit Mauern und sonstigen fortifi-
katorischen Bauten an \ im Widerspruch mit Professor C. P.
Bock, der diese im Hinblick auf den Umstand, dass „man
niemals einem andringenden Feinde hier Widerstand geleistet
habe", leugnet 2. Letzterer erinnert dabei an die Flucht Kaiser
Lothars aus dem Aachener Palast im Jahre 842, an die Nor-
mannen-Verwüstung 881, an die Einnahme der Pfalz ohne
Schwertstreich durch König Lothar von Frankreich im Jahre
978 u. s. w. Aber diese Erwägung ist jedenfalls unzutreffend.
Abgesehen davon, dass die Aufzeichnungen der Chronisten über
jene Ereignisse durchgängig höchst dürftig sind, ist speziell
von den Normannen bekannt, dass ihre Zerstörungswuth ohne
Unterschied über befestigte und unbefestigte Orte sich ergoss.
Wir wissen, dass sie Köln, Bonn, Trier, alles ummauerte Städte,
ferner die Kastelle Neuss, Zülpich, Jülich plünderten, aber nir-
gendwo wird in den Chroniken auch nur mit einer Silbe des
Widerstands gedacht, den die Bewohner dieser Orte den An-
griffen der wilden Horden entgegengesetzt hätten.
Fragt man nun zum Schluss, welcher Zeitperiode Aachens
älteste Befestigung durch Wall und Graben angehöre, so lässt
sich hierauf vorläufig eine sichere Antwort nicht geben. Be-
kanntlich fand schon Cäsar diese Befestigungsweise bei den Ger-
manen vor, sie war auch noch im spätem Mittelalter gebräuchlich.
Nach einer alten Sage war Frankfurt a. M. im Jahre 838 nur
a. a. < >. iv. Nr. :)11). Die Zahl dieser Beispiele wird sich leicht ver-
mehren lassen.
1) Fr. Bork a. a. < >. S. 2; vgl. von Maurer, Geschichte der Fronhöfe
I. S. L26; II. S. 153.
2) C. P. Bock, Geschichtliche Darstellung des Aachener Rathhauses
S. 17.
Wann erhieli Lachen seine erste Befestigung? 103
mit Wall und Graben befestigt, zur Zeit Ludwigs des Deut-
schen hatte , es bereits Stadtmauern \ Auch um Emmerich
zog sich, bevor es im 13. Jahrhundert mit Mauern umgeben
Avurde, ein Graben3 (fossatum Embricense). Aehnliches wird
von manchen andern Städten nachzuweisen sein. Der bewallte
Stadtgraben, sagt Gengier 3, musste nicht selten bei erst in der
Entwickelung begriffenen Städten lange Zeit hindurch, bei
kleinen zur Stadtgerechtigkeit gelangten Orten stets die Stollo
der fehlenden Ummauerung ersetzen. Der Umstand, dass Aachen
in den Urkunden des 9. bis 12. Jahrhunderts meist als Dorf
(Villa oder vicus) und Ortschaft (locus), später aber als Stadt
(civitas oder urbs) bezeichnet wird, bietet für die Bestimmung
des Alters von Wall und Graben keine Handhabe4. Sie wird
überhaupt erst dann möglich sein, wenn die lokale Forschung
das Dunkel, welches noch über dem römischen und merovin-
gischen Aachen liegt, einigermassen gehoben5 und den Lauf
des ältesten Kinggrabens in Bezug auf alle seine Theile genauer
ermittelt haben wird. Hierbei würde denn auch die Frage einer
erneuten Prüfung zu unterziehen sein, ob die Benennung .,Pont-
strasse1' trotz der vielfach geltend gemachten abweichenden
J) von Maurer, Geschichte der Städteveifassung in Deutschland I, j3. 19.
2) Dederich, Annalen der Stadt Emmerich S. 89, Beilage 8 ; vgl. dazu
Tunis, Alter der Kirche zum h. Martinus und zur h. Aldegundis in Emme-
rich S. 50 f.
3) Gengier, Deutsche Stadtrechts- Alterthümer S. 23.
*) So wird z.B. Bonn vor seiner Befestigung mit Mauern und Gräben
im .Jahre 1243 abwechselnd villa. civitas und oppidum genannt (Lacomblet,
Archiv II. S. 297; vgl. Perlbach im Neuen Archiv XIII. s. 117 ff.).
5) Sehr werthvolle Untersuchungen über Aachen zur Eömerzeit haben
jüngst Professor Schneider und General von Verüb in der Zeitschrift des
LacheneT Geschichtsvereins (VII. S. 17:; IT. and Yill. s. 96 ff.) veröffent-
licht; die in der Aachener Volkszeitung 1887, Nr. 52 tt. dagegen vor-
gebrachten, durchaus unwissenschaftlichen „Bemerkungen" des Architekten
Rhoen vermögen der meines Erachtens mehr als genügend gesicherten An-
nahme, dass in Aachen ein Kastell zur Römerzeit bestanden habe, keinen
Abbruch zu thun. Vgl. jetzt auch Loersch in der Westdeutschen Zeit-
schrift VI, S. 276.
104 R. Pick
Ansichten nicht dennoch auf eine Brücke (pons) zurückgeführt
werden müsse x, die in ältester Zeit an der „porta Punt" (Pont-
mittelthor), gleich der Harduinsbrücke am Hartmannsthor, über
den Befestigungsgraben geführt habe. Jedenfalls gestatten die
in andern Städten, z. B. in Köln und Bonn, vorkommenden
alten Strassenbezeiclmungen „Brückenstrasse" und „auf der
Brücke" an Stellen, wo heute keine Spur von Graben oder
Wasser mehr vorhanden ist, nicht, eine ähnliche Erklärung^des
Namens Pontstrasse ohne Weiteres von der Hand zu weisen.
II. Der angebliche Eiseninarkt in Aachen.
Der Aachener Geschichtschreiber Christian Quix gibt in
seiner 1825 erschienenen „Historischen Beschreibung der
Münsterkirche" 2 an, dass der Fischmarkt „vorhin Eisenmarkt,
auch Parvisch" genannt worden sei. In der etwas später (1829)
veröffentlichten „Historisch-topographischen Beschreibung der
Stadt Aachen und ihrer Umgebungen" 3 behauptet derselbe
Gelehrte, nach dem Untergang der zum Münster gehörigen
Kapellen zu beiden Seiten des Parvischs, des jetzigen Domhofs,
sei der Name Parvisch auf den Fischmarkt, der damals Eisen-
markt geheissen habe, übertragen worden. Wann die Kapellen
verschwanden, sagt Quix nicht, er bemerkt nur, dass sie im
15. Jahrhundert noch vorhanden waren. An einer andern Stelle
der letztern Schrift 4 berichtet er, dass der Fischmarkt in alten
Zeiten der Eisenmarkt, doch nur für altes Eisen gewesen sei,
und beruft sich hierbei auf die nicht näher von ihm bezeich-
nete Rolle der Aachener Schmiedezunft, die frühestens dem
*) Ein Dorf Pont mit einer Fundstätte römischer Alterthümer in der
Nähe gibt es im Kreise Geldern ; sein Xann' wird von Oberst von Cohauseii
auf pontes, Knüppeldämme zurückgeführt, welche hier die Niederung über-
brückten (Bonner Jahrbücher XIHL, S. 7. vgl. auch XXXI, S. 128). Solche
Knüppeldämme wurden 1879 auch zu Aachen in der Adalbcilsfrasse und
in der Klappergasse aufgefunden.
2) S. 24 ") S. 28. 4) S. '.i.
Der angebliche Eisenmarkl in iachen. 105
15. Jahrhundert angehört haben kann, wahrscheinlich aber aus
einer spätem Zeit herrührt l.
Unzweifelhaft sind die Quixschcn Angaben, wenigstens
soweit sie die Bezeichnung- Eisenmarkt für den heutigen Fisch-
markt betreffen, unrichtig, wie sich leicht erweisen Lässt. Stellt
man die altern Namen des Fischmarkts aus den lokalen Urkun-
den zusammen, so ergibt sich, dass derselbe 1220 und 1291
ante Paradisum oder ante Paravisum2, 1320 und 1337 ante
Parvisimn3, 1338, 1344, 1346, 1349 und 1373 ante Pervisium4,
1373 vur't Pervus5, 1385 und 1391 vur't Parvische6, 1398
vur't Pervisch7, 1474 vur dat Parvisch8, 1497 upt Pairfisch9,
1537 up den Fyschmart10 genannt wurde. Auch in dem von
Quix herausgegebenen Nekrolog des Münsterstifts aus dem 13.
und 14. Jahrhundert lautet der öfters wiederkehrende Name
stets ante Parvisium n. Daneben kommt freilich einmal in einer
Urkunde vom 10. Dezember 1373 12 der Name „Parvisiusi: fin-
den Fischmarkt vor, sie schliesst nämlich mit den für die
lokale Geschichte merkwürdigen Worten : „Acta sunt hec Aquis,
dicte dyocesis, in domo civium sita in Parvisio, ubi magistri
1) Das Aachener Stadtarchiv bewahrt unter andern auf die Schmiede-
zunft bezüglichen Akten die Satzungen derselben vom 8. August L443 in
einer Abschrift des Iß. Jahrhunderts, doch ist in ihnen von dem Fisch-
markt keine Eede.
2) Lacomblet, Urkundenbuch II, Nr. 84; Quix, Codex dipl. Aquensis
no. 129; Zeitschrift des Aachener Geschichtsvereins I, S. 1 53.
3) Quix, über censuuni im Necrolog: ecclesiae B. M. V". Aquensis p.
73; Loersch, Achener Rechtsdenkmäler S. 17."..
4) Laurent, Aachener Stadtrechnungen S. 126,8,27; L60,2; L68,ie;
189,24; 223,28; 235,ao.
5) Zeitschrift des Aachener Geschichtsvereins I. S. 161.
e) Laurent a. a. 0. S. 311,n; 385,87.
7) Zeitschrift des Aachener Geschichtsvereins I. s. 168.
s) Ebendas. I, S. 17:;.
'•') Ebendas. V1TJ, S. 245.
10) Mittheilungen des Vereins für Kunde der Lachener Vorzeil I. £
") Vgl. p. 17. 32, 51.
n) Original im Stadtarchiv zu Ä.achen; vgl. Quix, Schloss und
pialige Herrschaft Rimburg S. 1 77,
L06 R. I'i'k
civium, scabini, proconsules et consules Aquenses aliquando
suos tractatus et consilia habere sunt consueti." (Also geschehen
zu Aachen, in der genannten Diözese [Lüttich], in dem Bür-
gerhaus auf dem Parvisch, wo Bürgermeister, Schöffen und
Rath von Aachen vormals ihre Verhandlungen und Sitzungen
zu halten pflegten.) Sieht man von dieser in so früher Zeit
vereinzelten Bezeichnung vorläufig ab, so geht aus der ange-
führten Reihenfolge der Benennungen, die sich jedenfalls noch
vervollständigen Messe, mit Bestimmtheit hervor, dass der Fisch-
markt seit jeher und noch vor Ende des 15. Jahrhunderts
keinen eigenen Xamen trug, sondern nach seiner Lage vor
dem Vorhof des Münsters, dem Paradies (im Volksmund Par-
visch1), bezeichnet wurde. Als gegen Ende des 15. Jahrhun-
derts, wie es scheint, für diesen Vorhof, der längst seine
ursprüngliche Bestimmung eingebüsst hatte und inzwischen
zum Begräbnissplatz eingerichtet worden war2, der Name
„Kleiner Kirchhof im Gegensatz zu dem an der Südseite
des Münsters liegenden „Grossen Kirchhof1' entstand3, wurde
die Benennung Parvisch auf den Platz vor dem Vorhof, den
■ Fischmarkt, übertragen. Möglicherweise hatte sich aber eine
solche Uebertragung auch schon früher im Volke vollzogen,
wenn man der blossen Bezeichnung „Parvisus" in der oben
erwähnten Urkunde von 1373 trauen darf4. Bereits in der
ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts kommt in einem amtlichen
Schriftstück für den Platz der Name „Fischmarkt" vor, ein
Name, der ihm offiziell bis heute verblieben ist, während sich
im Volksmund dafür noch fortwährend die Benennung „Per-
') Vgl. Fuss, Beitrage zur Volksetymologie S. I.
2) Quix, Historische Beschreibung der Münsterkirche S. 14S.
s) Noppius, Aacher Chronick (1632) Th. I, S. 20.
4) Auch in dem Bericht der dem 15. Jahrhundert angehörigen Aachener
Chronik (mitgetheilt von Loersch in den Annalen des bist. Vereins f. d.
Niederrhein XVII, S. 5) über den „brant auf dem Parvisch." am 6. Dezem-
ber 1424 scheint der Fischmarki gemeinl zu sein, da von 3 abgebrannten
Pannhäusern (Brauereien) und mehrern andern durch den Brand zerstörten
Häusern in der Scherpstrasse die Eede ist,
Der angebliche Eisenmarkt in lachen. in,
visch" erhalten hat. Auch bei Noppius (1632) begegnen ab-
wechselnd Ijeide Namen \ dagegen ist in den städtischen Raths-
und Beamtenprotokollen des 17. und 18. Jahrhunderts die
Bezeichnung „Parvisch" vorwiegend gebraucht. Nicht ein ein-
ziges Mal findet sich aber in den zahlreichen Urkunden
dem 13. Jahrhundert dem Fischmarkt der Name „Eisenmarkt"
beigelegt, so dass man hieraus wohl mit Gewissheit schlicssen
darf, dass der Platz niemals so benannt gewesen ist, wenn auch
die beim -Fischmarkt wohnenden Schmiede (under die Smede2,
Schmiedstrasse) dort zeitweise ihre alten Eisenwaaren, wie Quix
angibt, zum Verkauf ausgestellt haben mögen3.
Yermuthlich durch die Angaben von Quix verleitet, hat
auch Stadtarchivar J. Laurent einen Eisenmarkt in Aachen
angenommen und in der in den Stadtrechnungen des 14.
-I ahrhunderts mehrfach vorkommenden Bezeichnung „upt Ysereiv
(= auf dem Eisen) die frühere Benennimg des Fischmarkts
erblickt4. Aber auch diese Annahme ist durchaus irrig. Schon
die bei Noppius5 mitgetheilte Notiz, wonach am 22. November
1510 eine kurz vorher vom Rath über Schlägereien auf dem
Marktplatz an Sonn- und Markttagen erlassene Verfügung
öffentlich mit der Schelle im Beisein der Bürgermeister, <l<s
Raths und des Meyers „up dem Eyseren vor dem Rathhauß"
1) Noppius a. a. 0. TL. I, S. 17 und 138. Auch der jetzige Domhof
wird hei ihm noch Parvisch genannt (vgl. Th. II. S. 211). P. a Beeci
(Aquisgranum p. 15) gebraucht den Namen „Mschmarkt" (forum piscarium).
2) Im Jahre 1320 lautet der Name „inter Fabros" (Quix, Necrolog. p.
74), 1406 „onder die Smede" (Urkunde im Stadtarchiv zu Aachen), um 1 125
„under ghen Smede" (Annalen des bist. Vereins f. d. Niederrhein XXI.
XXII. S. 261), bei Noppius (Th. II. S. 203) „vnder die Schmid".
3) In einer Eiathsverordnung vom 11. Juni L505 (abschriftlich in den
Akten der Aachener Schmiedezunfl im Stadtarchiv) heisst es: „Vori weiri
sache die ghiene upt Parvisch myi den alden isenwerk staeni ind dae veü
haven. eynich van den vurschreven isenwerk, dat gestoilen vvere, gülden,
die sullen in die vurschreven boisse (von t oberländischen Gulden), so duck
sy dat deden, verfallen syn."
*) Laurent a. a. 0. S. 122.
5) Noppius a. a. 0. Th. III. S. 82.
108 Et. Pick
verkündigt wurde, lässt deutlich erkennen, dass die Bezeich-
nung „upt Yseren" mit dem Eisenmarkt nicht das Mindeste
gemein hat. Unter dieser Bezeichnung (lat. ferruru) ist viel-
mehr eine mittels eines breiten Eisenrostes hergestellte Sperr-
vorrichtung zu verstehen, die an den Eingängen zu den Kirch-
höfen oder den vor den Kirchen (Kircheisen) oder andern
öffentlichen Gebäuden befindlichen und mit einer Mauer oder
sonstwie eingefriedigten Plätzen angebracht war, um das Ein-
dringen von Thieren in diese Bäume zu verhindern. Solche
„Eisen" befanden sich z. B. an den Eingängen zu der Immu-
nität des Doms zu Hildesheim, sie müsseu auch an den Kir-
cheneingängen zu Köln angebracht gewesen sein, da hier noch
der sprichwörtliche Ausdruck „Geld auf dem Kircheisen finden"
(„"Wann ich ens Geld op dem Kircheniser finge" = kein
Geld zu unnöthigen Ausgaben haben) vielfach besteht. Kirch-
eisen gab es früher ferner allenthalben an den Kirchen des
untern Niederrheins, bei einzelnen evangelischen Kirchen der
Grafschaft Moers waren sie noch vor wenigen Jahrzehnten
vorhanden l. Auch in Aachen bestanden diese „Eisen" nicht
allein am Bathhaus, sondern auch an den Kirchen und den
bei ihnen liegenden Kirchhöfen. So heisst es z. B. in der
städtischen Ausgaberechnung von 1334/35: Item de ferro prope
institores iuxta cimiterium 12 m. 3 s. 2, von 1338/39: Item
de ferro empto per Johannem de sancto Spiritu et ponendo
x) Organ für christliche Kunst XII, S. 249; Annalen des hist. Ver-
eins f. (I. Niederrhein XEH. XIV, S. 277. Die Kölner Redensart und die
Notiz beiNoppius, wonach die Rathsverordnung „auf dem Eisern" vordem
Bathhaus verkündet wurde, lassen übrigens vermuthen, dass es sich bei
den „Eisen" nicht überall um senkrecht stehende Sperrvorrichtungen, son-
dern manchmal auch um wagerecht hegende Kratzeisen mächtiger Form
handelte, auf denen man den Ungeheuern Koth. den die mittelalterlichen
Strassen an den Schuhen zurücldiessen, wenigstens nothdürftig entfernte.
2) Laurent a. a. 0. S. 110,35. Prope institores wohl = bei der Krä-
merstrasse. Vielleicht ist hier von dem St. Foilanskirchhof die Rede. Doch
komml ein „Gobelo institor ante Paravisum" schon L291 vor. auch lag dort
L320 die „domus institricum" (vgl. Zeitschrift des Aach. Geschichtsvereins
I, s. L53; Quix, Necrolog. p. 73).
Der angebliche Eisenmarkt in Aachen. 109
'S
iuxta cimiterium in foro rotaruni 8 m. 4 s. Item de ferro
prope cimiterium iuxta institores prolongando et reparando
30 s. * In Bezug auf das „Eisen" an dem Kirchhof auf dem
Münsterplatz berichtet auch ein städtisches Beamtenprotokoll
vom 14. Juni 1664: „Referirte herr burgemeister von Wirre,
was massen diesen morgen der herr parochian mit dem secre-
tario capituli zu ihro wolledelgeboren kommen und gesunnen,
weilen von alters brauchlich, dass gegen die anstehende heil-
thumbsfahrt ahn dem kirchof des munsters der grindel sambl
den eisen en trialien2 (waruber man passirt) in repara-
tion gebracht wurden, dass dahero ein magistrat darzu die
Verordnung schaffen wolte, welches doch (in massen . der herr
Werkmeister Maw referirte) hingst vergangener heilthumbsfahit
(domalen bemelter herr baumeister gewesen) ein ehrwürdiges
capittul nit permittiren wollen. Dannoch haben herren burger-
meistern und beambten eingewilligt, dass solches begerter
massen beschehe." Zwar wird hier die Sperrvorrichtung an
dem Münsterkirchhof nicht ausdrücklich mit dem Nanien
„Yseren" oder „Eyseren" bezeichnet, dass diese Benennung dafür
aber vormals auch in Aachen gebräuchlich war, lässt sich, ab-
gesehen von Noppius' Angabe und den Notizen in den Stadt-
rechnungen des 14. Jahrhunderts, auch aus Anderm darthun.
Yon den „Eisen" leiten die an zahlreichen Orten des Rhein-
lands urkundlich vorkommenden Bürger-Familien ad Ferrum,
de Ferro, van den Iser, van Yseren, de Yseren, an den Iseren,
vor den Yseren, ufs oder upt Iseren, opt Yser u. s. w. ihren
Namen her3, auch sind hier und da Lokalitäten innerhalb
dieser Orte nach ihnen benannt. In Aachen finden wir schon
frühe Familien dieses Namens; ein Johann van den Yseren
') Laurent a. a. 0. S. 12G,i2-i5. Forum rotarum, Radermarkt, jetzt
Münsterplatz.
2) Eisenstäbe, Gitter (vgl. „treillis" im Art. 676 des Code civil).
3) AmmliMi des bist. Vereins f. d. Niederrheirj VII. S. 2 18; XIII.
XIV. S. 277; Mooren, Geschichtliche Nachrichten über Thomas n £ompis
S. 21, Amii. I; (Juix. Das ehemalige Dominikaner-Kloster in Lachen S. 88;
Laurent a. a. 0. S. 127,it, IHr>,24.
J Mi R. TVk
war 1385 im Dienste der Stadt1, ein Johannes upt Yseren
1391/92 Anpächter der von den Strumpfwirkern eingehenden
städtischen Steuer2 (hoesseassis) ; zu der nämlichen Zeit hatte
ein Johannes van Yilen npt Yseren, vielleicht derselbe mit
Johannes npt Yseren, ein städtisches Ladenlokal (gedum) gegen-
über dem Wechslerhaus, der Börse (intgeyn den Aveissel oever),
miethweise inne 3 ; ein Wilhelm opt Yser wohnte zu Ende des
14. Jahrhunderts in der Pontthorgrafschaft 4 u. s. w. Auch ein
Haus „auffm Eiseren" wird im 17. Jahrhundert zu Aachen
erwähnt; es lag, wie man aus einer am 18. Januar 1645 auf-
genommenen Theilungsurkunde der Familie von Schwarzenberg,
welcher «dasselbe angehörte, ersieht, nach der St. Foilanskirohe
hin und war damals zum h. Geist benannt5. Ein Haus „uffs
Eysern" wird ebenfalls in einem städtischen Rathsprotok »11
vom 18. Dezember 1687 angeführt. Gegen dasselbe hatte man
mit schweren Steinen geworfen und der Rath beschloss, dass
der Thäter durch offenen Trommelschlag erkundigt und dem
Anbringer eine Belohnung von 10 Goldgulden gegeben werden
solle. "Welche Lokalität mit dem Namen „uffs Eysern" gemeint
ist, lässt sich nicht genauer bestimmen, soviel geht aber aus
den obigen Andeutungen über die Lage unzweifelhaft hervor,
dass darunter der heutige Fischmarkt nicht verstanden sein
kann. Sowohl die Benennung dieser Lokalität wie die Namen
ener Familien weisen mit Sicherheit darauf hin, dass es nicht
nur in Aachen „Eisen" gab, sondern dass auch die anderwärts
dafür vorkommende Bezeichnung „Yseren" oder „Eyseren" vor-
mals hier gebräuchlich war.
Nach dem Gesagten steht es, dünkt mir, genügend fest,
dass eine Lokalität des Namens Eisenmarkt niemals in Aachen
x) Laurent a. a. 0. S. 306,se.
2) Ebendas. S. 383,2.
3) Ebendas. S. 384,n. Üeber eine „Wesselbroderschaft" 1476 s.
Quix, Hist.-topogr. Bescbreibung der Stadt Aacben S. 66. Sie wird in den
Stadtrecbnnngen des 15. Jahrhunderts öfters erwähnt.
4) Loerscli, A.chener Rechtsdehknialer S. 190.
B) Mittheilung des Herrn Dr Scheen zu Cornelimünster,
Der angebliche Eisenmarkt in Aachen. 111
L6
bestanden«- hat, und dass sowohl Qu ix wie Laurent sich im
Irrthum befanden, als sie, ersterer nach der Angabe einer
nicht näher bezeichneten Schmiederolle, letzterer aus der Be-
nennung „upt Yseren" in den Stadtrechnungen des 14. Jahr-
hunderts dem Fischmarkt in früherer Zeit den Namen „Eisen-
markt" beilegten.
Das Deckengemälde im Querhaus der Pfarrkirche
von St. Peter zu Aachen.
Von S. Planker.
Gemäss mündlicher Ueberlieferang soll der Erbauer der
jetzigen Peterskirche zu Aachen, der 1724 verstorbene Pastor
Scholl, ursprünglich die Absicht gehabt haben, über der Yierung
des Querhauses eine Kuppel, ähnlich jener an der Abteilürche
zu Burtscheid, zu errichten, und in der That lassen die auf
dem Gewölbe sichtbaren Ansätze der Architektur diese Absicht
vermuthen. Allein die Geldarmuth der damaligen Zeit; insbeson-
dere der Pfarreingesessenen mag den Erbauer veranlasst haben,
von diesem Plane abzustehen. Statt dessen wurde die Yierung
mit einer platten Holzdecke geschlossen und diese mit einem
grossen Gemälde geschmückt, welches nicht ganz ohne Kunst-
werth ist.
Im Folgenden will ich versuchen, dasselbe etwas näher
zu beschreiben, und dies um so mehr, als ich wiederholt die
Erfahrung gemacht habe, dass selbst von langjährigen Besuchern
der Pfarrkirche die Darstellung dieses Bildes nicht selten un-
richtig aufgefasst wird.
Das grosse, figurenreiche Gemälde stellt den Triumph des
h. Kirchenpatrons, des Apostelfürsten Petrus, und zugleich den
Triumph der h. Kirche dar. Die Haupt- und Mittelfigur ist daher
selbstverständlich der h. Petrus, weicher dem dreieinigen Gott
in himmlischer Verklärung entgegenschwebt, um den doppelten
Lohn seines höchsten Apostelamts und seines glorreichen Mar-
tertods zu empfangen. Die göttliche Trinität ist dargestellt in
Das Deckengemälde in der Pfarrkirche von St. Peter zu Aachen. 11:;
einem von- hellem Lichtglanz umstrahlten Dreieck mit der
Inschrift „Jehova". St. Petrus ist von einer zahlreichen Schaar
von Engeln umgeben, welche ihm theils folgen und die
Insignien seines Primats und seines Martyriums, nämlich die
dreifache Tiara und das Kreuz, nachtragen, theils ihm ent-
gegeneilen, um ihm die himmlische Krone und den Kranz,
sowie die Martyrerpalme zu überreichen. Entfernter stehende
Engel milsiziren mit Tuben und Cimbeln u. s. w., andere simren,
und wieder zwei andere stehen in ernster Unterhaltung da.
Der äusserste Kranz der Engel aber ist im Begriff, die einen
mit dem Schwert, die andern mit Fackeln, noch andere mit
Bogen und Pfeilen die Feinde der Kirche in den Abgrund
zu stürzen. Der von zwei weitern Engeln getragene biblische
Text „Et portae inferi non praevalebunt adversus eam" in
grossen Buchstaben stellt die Tendenz des ganzen Gemäldes klar.
Die einzelnen in den Abgrund stürzenden Figuren zu deuten,
ist etwas schwieriger, wTeil man sich zu der Entstehungszeit
des Bildes nicht mehr so genau um die Tradition der kirch-
lichen Kunst zu kümmern pflegte. Ich finde in diesen über
Lebensgrösse gezeichneten Figuren nicht undeutlich die gegen
die Kirche anstürmenden feindlichen Mächte dargestellt, den
Satan, das römisch-heidnische Kaiserthum, die Häresie, die
hochmüthige Weltweisheit, die Dummheit und das Laster u. s. \\ .
Der Teufel ist nämlich dargestellt in der Mittelfigur nach
Osten in einer hässlichen, nackten Gestalt, welche mit diaboli-
schem Gesichtsausdruck im Falle noch die Hand nach dem
Kreuz ausstreckt, das auf dem Schilde des ihn mit der Fackel
in den Abgrund stürzenden Engels angebracht ist. Links
von dem Satan sieht man einen gekrönten Cäsar und rechts
einen Mann mit einem Geldsack und Geld zählend in den Ab-
grund stürzen. In letzterm vermuthe ich den Simon Magus,
der von Petrus die Gabe der Wunder um Geld zu kaufen
suchte. Das hochmüthige gelehrte Ileidenthum wird durch
einen Mann mit starker Habichtsnase symbolisirt, der sich ver-
nehm in seinen Mantel hüllt, während die Dummheit mit
Eselsohren dekorirt und das Laster durch eine üppige Weibs-
I u S. Planier
person symbolisirt ist. Die übrigen Figuren sind zu wenig
charakterisirt, um mit einiger Sicherheit gedeutet werden zu
können. Das Ganze schliesst mit einer kräftig gezeichneten
Architektur oder Brüstung ab, welche durch ihre Schattirung
die Vorstellung erweckt, als ob die Decke eine Wölbung sei.
In den Zwickeln, welche sich zwischen den vier Bogen-
stellungen des Querhauses bilden, waren ursprünglich vier pla-
stische Figuren hangend angebracht, welche die vier lateinischen
Kirchenväter darstellten. Diese Figuren wurden im Jahre 1836
bei Gelegenheit der Auffrischung, und (wie man sagt, nicht
glücklichen) Restauration des Bildes durch D. Delahaye und
J. Schumacher unter Dechant Dillschneider entfernt; die da-
durch entstehenden leeren Stellen füllte man bei der Polychro-
mirung der Kirche im Jahre 1884 durch die symbolische
Darstellung der vier Evangelisten auf Goldgrund aus, wodurch
der Uebergang der lichten Polychromirung zu dem dunkel
gehaltenen Deckengemälde sehr glücklich vermittelt wird.
Die gegen Osten angebrachte Jahreszahl 1718 zeigt, dass
das Gemälde zugleich mit der Kirche entstand, die 1717 voll-
endet wurde. Auch der Name des Künstlers ist uns in der
Inschrift „I. C. Bollenrath me fecit" erhalten. Es ist also der-
selbe Maler, welcher die noch in mehrern Räumen des hiesigen
Rathhauses befindlichen Deckengemälde angefertigt hat1. Was
Johann Chrysant Bollenrath auf dem Bilde der Peterskirche
unter seinem Namen beigefügt, ist geeignet, unsere Werth-
schätzung seiner Person noch mehr zu erhöhen, als die Be-
trachtung seiner schönen Komposition und Darstellung. In
einem kleinen Medaillon stehen nämlich die Worte: „Deo honori,
l) Vgl. Pick in der Aachener Volkszeitung L885, Nr. 250 und 252;
P(ohl) in der Münstereifeler Zeitung L886, Nr. 27—33. [Noch 1768 war
der damals 71jährige Chrysanth Bollenrath am Leben, da es in einem
Rathsprotokoll der Stadt Aachen vom 24. März dieses Jahres lieisst: „Die
Nun herrn Chrisanth. Bollenrath ubergebene emterthänigste supplicirliche
Vorstellung mit bitt und von juffer Joanna Odilia Deltour ubergebene de-
muthige Vorstellung, supplication und l>itt werden ad cancellariam cum
poti täte statuendi gewiesen." D. Red.]
Das Deckengemälde in der Pfarrkirche von st. Peter zu Ä.achen. L15
sibi memorke, posteris usui." (Zu Gottes Ehre, zum eigenen
Gredächtniss, zu Nutz der Nachwelt.)
Hiernach scheint es fast, als ob Bollenrat h das Bild um
Gotteslohn gemalt habe. Diese Vermuthung ist um so annehm-
barer, als er im Pfarrbezirk von St. Peter wohnte und L738
sogar Kirchmeister war1.
Nach Westen hin liest man das Distichon:
„Saepius excelsis tenuis res officit ausis
Et tarnen attollit mens generosa caput."
(Oft widerstehet ein winziges Ding dem kühnsten Beginnen,
Aher ein edeler Geist hebt am so höher das Haupt.)
Dunkel wäre der Sinn dieser Verse und ihre Beziehung
zum Deckengemälde, wüsste man nicht aus der eingangs
erwähnten Ueberlieferung, dass zu Anfang des Baues die Er-
richtung einer hochstrebenden Kuppel über dem Querhaus
geplant war. Da aber der Mangel an Geld, das von Pastor
Scholl wahrlich als eine „res tenuis" geschätzt wurde, ein un-
übersteigliches Hinderniss zur Ausführung seines Vorhabens
wurde, ersann sein erfinderischer Kopf einen andern Plan,
durch welchen vorläufig die Kirche im Querhaus einen ausser-
gewöhnlichen Schmuck erhielt, ohne der Erreichung der
ursprünglichen Absicht bezüglich der Kuppel in der Zukunft
mehr als nöthige Hindernisse zu bereiten.
So bestätigt also dieses Distichon die Wahrheit der Ueber-
lieferung von der ursprünglich geplanten Kuppel.
') Kirchenrechnungen im Pfarrarchiv von St. Peter zu Ä.achen.
s«
Fürstensagen in Aachen und seiner Umgebung1.
Von E. Pauls.
IL
Bekanntlich tritt der Name Aachen erst im 8. Jahrhundert,
und zwar in lateinischer Fassung urkundlich auf. Lange Zeit
hindurch findet sich theils die einfache Form Aquae (Aquis,
Aquas), theils die Zusammensetzung Aquae (Aquis) Grani, bis
endlich der Nominativ Aquisgranum dauernd sich einbürgert 2.
Dass die erste Hälfte dieses Namens von Aquae (Heilquellen)
herzuleiten ist, bedarf keines Beweises, dagegen hat die Deu-
tung des Zusatzes Granus zur Bildung eines Sagenkreises, der
Aachener Granussage, Anlass gegeben. In etwa liegt auch
hier eine Fürstensage vor. Nachweislich glaubte man nämlich
schon vor mehr als 700 Jahren3 in Aachen, dass Karl d. Gr.
x) Nach Erscheinen meiner frühem Abhandlung über diesen Gegen-
stand (S. 25 ff.) gingen mir einige Anfragen und Mittheilungen zu, die mich
zu lebhaftem Dank verpflichten.
2) Näheres bei Haagen, Aachen oder Achen ? Vgl. auch Siekel, Die
Urkunden der Karolinger. Auf einen dem Zusammenhang nach vielleicht
neuen Umstand sei hier hingewiesen. Bei vielen Karolinger-Urkunden
herrscht bezüglich der Schreibweise der Eigennamen eine grosse Unbe-
ständigkeit, aber, wie Siekel hervorhebt, sind nur bei dem am häufigsten
angeführten Aachen geradezu verschiedene Benennungen in Gebrauch
gewesen. Dies berechtigt zu dem Schluss, dass um die Mitte des 8. Jahr-
hunderts nur wenige auf Aachen bezügliche wichtige Schriftstücke älterer
Zeil vorhanden waren.
s) Die erste Spur der Grannssage finde! sich im 12. Jahrhundert in
einem unechten Privileg Karlsd. Gr.; vgl. Eaagen, Gesch. Achens I, S. L27.
Ebendas. 11. S. 347 Näheres über eine Granusstatue in Aachen.
Fürstensagen in dachen and seiner Umgebung. 117
daselbst einen zerfallenen Palast unter Gestrüpp verborgen
entdeckt habe, dessen Gründer ein römischer Fürst Granus,
ein Bruder Neros und Agrippas, gewesen sei. Bis zur grossen
französischen Staatsumwälzung fand diese Fabel vielfachen
Glauben, wozu die dem östlichen Rathhausthurm in Aachen
eigenthümliche uralte Benennung Granusthurm1 nicht wenig
beigetragen haben mag. Freilich war schon im vorigen Jahr-
hundert in Gelegenheitsschriften2 und in Meyers Aachenschen
Geschichten wiederholt darauf hingewiesen worden, dass nicht
der mythische Bruder Neros, sondern vielleicht ein anderer
Römer des Namens Granus als Gründer Aachens betrachtet
werden könne, oder dass Granus der Beiname des Apollo Granus
sei, welchem zu heidnischer Zeit kalte und warme Quellen ge-
weiht waren. Gründlichere Untersuchungen blieben der Neu-
zeit vorbehalten. Professor H. Müller versuchte vor 25 Jahren
in einer längern Abhandlung 3 den Beweis zu liefern, dass im
Namen Aquae Grani der keltische Name des Apollo „Granus"
enthalten sei, derselbe hiernach soviel als Apollobad, Sonnenbad
bedeute4. Bald nachher behauptete Simrock5, Wodan (Odin)
sei zu Aachen unter seinem bekannten Beinamen Grani nebst
seinem Rosse, welches ebenfalls Grani hiess, verehrt worden.
Gelöst ist hiermit die Frage nicht, doch spricht nur eine geringe
Wahrscheinlichkeit für die Möglichkeit einer gründlichem, Lö-
sung. So geistreich auch Müller und Simrock ihre Vermuthung
begründen, „alle Forschungen dieser Art laufen", wie ersterer
selbst am Schluss seiner Abhandlung treffend bemerkt, „mehr-
fach in unsichere Grenzen aus". Nach wie vor darf es als
') Der jetzige Granusthurm stammt aus dem Beginn des 13. Jahr-
hunderts. Wie van Alpen (Geschichte des fränMschen Rheinufers) wieder-
holt erzählt, fabelte man früher in lachen, dass der unterirdische TheiJ
dieses Thurms an Grösse dem oberirdischen gleich sei.
2) Vgl. Amusemens des eaus d'Aix-la-Chapelle (1736) I. p. 20 sq., \-~>
sq.; IT. p. ;;:!! sq.; ferner eine Dissertatioi dem .1. L759, worüber Näheres
bei Lersch, Aufsätze aus der lachen-Burtscheider Kurliste von L872.
3) lim, UM- Jahrbücher XX XI II. XXXIV. s. 56 f.
4) Ebendas. XXX1JI. XXXIV. S, 59.
5) Ebendas. XXXIX. XI, S. 329,
1 18 E. Pauls
möglich, wenn auch nicht gerade als wahrscheinlich hingestellt
werden, dass Granus eine geschichtliche Persönlichkeit aus
heidnischer Zeit ist1, deren Name zufallig mit dem Beinamen
eines in der Urzeit verehrten Gottes übereinstimmt. Ist doch
auch der Name Quirinus, der in Aachen als Grundwort in
Quirinusbad (Quellen) auftritt, ebensowohl der Beiname einer
heidnischen Gottheit, als der Name eines christlichen Märty-
rers2. Und schliesslich sei noch erwähnt, dass von den Galliern
an warmen Quellen der Apollo Borvo (Bormo) verehrt wurde.
Ton diesem Apollo leiten einzelne Forscher den Namen des
Aachen durchfliessenden Wurmbachs ab 3. Apollo Granus wäre
also vielleicht ehemals bei uns nicht ohne Nebenbuhler oder
Vorgänger gewesen. Augenscheinlich ..mehrfach unsichere
Grenzen'1 !
Kaum minder als die Granussage ist weit über die Grenzen
Aachens hinaus die Ansicht verbreitet, Leo III. habe im Jahre
805 die Aachener Münsterkirche geweiht4. Wahrscheinlich —
Bestimmtes wird wohl nie zu ermitteln sein — paart sich hierbei
Dichtung und Wahrheit. Um kurz die einschlägigen geschicht-
lichen Thatsachen zu erwähnen, so war unmittelbar vor dem
Jahre 800. vielleicht erst um 799 der Bau der Aachener Pfalz-
kapelle im Wesentlichen vollendet. Um 805 weilte Leo III.
kur^e Zeit in Aachen5: etwa 76 Jahre später verwüsteten die
1) Lersch, welcher in seiner Geschichte des Bades Aachen che Granus-
sage anziehend behandelt, spricht sich in der Zeitschrift des Aach. Geschichts-
vereins (VII, S. 1 72) in ähnlichem Sinne aus.
2) Ygl. die Ausführungen hei Lersch a. a. 0. S. 7 und 47.
3) Maijan, Keltische Ortsnamen in der Eheiuprovinz (Progr. der Eeal-
sehule I. Ordnung zu Aachen 1879/80) S. 16. 11. .Müller dagegen findet in
dem Namen des "Wurmbachs eine Andeutung des bei mehrern Bädern nach-
weisbaren Schlangenkultns (Lersch a. a. 0. S. 7).
*) Der Aachener Münsterschatz besitzt zwei Rehquien dieses Papstes.
Vgl. Kessel, Geschichtliche Mittheilringen über die Eeiligthümer der Stifts-
kirche zu Aachen S. 63 und 128.
6) Zeitschrift des Aach. Geschichtsvereins Vlll. S. L5, Amii. •_': Aus-
führliches bei Haagen, Geschichte Achens bis zum .1. L024, S. 88; Kessel
a. a. 0. S. Ii4 ff.
Eürstensagen in A.achen and seiner ümgebim 119
Normannen die Aachener Pfalzkapelle derartig, dass dieselbe
Jahre lang vernachlässigt blieb ' and eine neue Einweihung
nothwendig wurde. Eine undatirte Urkunde2 über die Verbrü-
derung zwischen dem Aachener Konvent und dein Kloster
Nieder-Altach in Baiern aus der Zeit von 805 bis 966 (?) spricht
von der "Weihe des Aachener Münsters durch Leo III.. ebenso
eine Urkunde des Papstes Hadrian IV. vom Jahre 1157 3. Die
Lokalüberlieferung und Inschriften der Munsterkirche bezeich-
nen den »6. Januar als den Jahrestag der Münsterweihe durch
Leo III.; am 6. Januar 1704 fand in Aachen eine Jubelfeier zum
Säkulartag der Einweihung statt4, ebenso am 6. Januar ISO)"'.
Aus dem Verbrüderungsbrief und der Papsturkunde lässt
sich ein urkundlicher Beweis für die Einweihung durch Leo
III. nicht gewinnen. In ersterm wiegt die Sage vor6. Die
komische Fabel von den 365 bei der Einweihung anwesenden
Bischöfen wird als Thatsache hingestellt, dabei ist die Rede
von einem Ablass, der höchst wahrscheinlich nie ertheilt wurde 7.
Vielleicht gehört der Verbrüderungsbrief dem 10. Jahrhundert
an8, in welchem sich längst, wie schon die um 883 ver-
fasste Schrift des Mönchs von St. Gallen beweist, die Sage im
reichsten Masse der Persönlichkeit Karls d. Gr. und vieler
Ereignisse seiner Regierungszeit bemächtigt hatte. Höchstens
kann man diesen Brief als Beweis dafür gelten lassen, dass
bereits 100 — 150 Jahre nach 805 in Aachen der Glaube ver-
breitet war, Leo III. habe die dortige Münsterkirche geweiht.
Ebenso wenig lässt sich aus der Papsturkunde des Jahres
(i Lageblich, aber wahrscheinlich sehr übertrieben, 80 Jahre hindurch;
vgl. Eaagen a. a. « >. S. 1 IT. Anm. 1.
2) Kessel a. a. O. S. L75 Ff.
:i) Quix, Codex dipl. A.quens. p. 31. no. II. Es ist fraglich, bleiW
aber liier ausser Betracht, ob diese Urkunde, sowie der Verbrüderungsbrief
hinsichtlich ihrer Echtheil als unanfechtbar anzusehen sind.
4) Meyer, A.achensche Geschichten I. S; 87.
5) Quix, dachen und dessen Umgebungen S. 22.
6) Wortlaut bei Kessel a. a. 0. S. L75.
:i Kessel a. a. 0. S. L76.
8) Nach Kessel a. a. 0. dürfte er kurz vor 9öö entstanden -•
120 E. Pauls
1157 folgern, dass nach Hadrians IV. Erklärung sein Vorgänger
Leo III. die Einweihung des Aachener Münsters vollzogen hat.
Eine Zergliederung dieser Urkunde ergibt nämlich Folgendes.
Das Aachener Stift hatte Hadrian IV. um Schutz und Besitz-
bestätigung gebeten, wobei es sich auf das in der Neuzeit längst
als gefälscht erkannte sog. Privilegium Carolinum, die Sanctio
pragmatica, bezog \ In seiner Antwort erklärt der Papst, dass
ihm und Vielen bekannt wäre, dass Karl d. Gr. der Erbauer
des Aachener Münsters sei 2. Wie im Privilegium Carolinum
stehe 3, habe Kaiser Karl den Papst Leo III. gebeten, die
Münsterkirche zu weihen, welcher dann herrliche Vorrechte
zu Theil geworden seien. Wir bewilligen, so ungefähr heisst
es weiter, die Bitte des Aachener Stifts und verhängen über
dessen etwaige Bedrücker kirchliche Strafen, wie dies schon
auf Bitten Karls d. Gr. unser Vorgänger Leo III. that, der,
nach obiger Angabe4, die ganze Kirche eigenhändig weihte5.
Augenscheinlich unterscheidet Hadrian IV. zwischen Be-
stimmtem und Unbestimmtem. Als gewiss gilt ihm die damals
allgemein bekannte, unanfechtbare Thatsache, dass die Aachener
Marienkirche von Karl d. Gr. erbaut worden sei. Als gewiss
gilt ihm ferner, dass Leo III. auf Bitten Karls d. Gr. die Be-
drücker des Aachener Stifts mit kirchlichen Strafen belegt habe.
Worauf stützte Hadrian IV. diese Behauptung? Im Privile-
gium Carolinum steht hierüber nichts, auch sonst ist ein der-
artiger Schutzbrief für das Aachener Stift nicht bekannt. Es
ist indess sehr wahrscheinlich, dass Leo III. bei seinem Besuch
*) Die Bezeichnung Privileg. Carolin, braucht Noppius heim Abdruck
dieser Fälschung; bekannter ist die Benennung Sanctio pragmatica.
2) Text: Ecclesiam b. Mariae a Carolo . . . imperatore fuisse con-
struetam et nos ipsi manifeste cognovimus, et ad multorum notitiam cer-
tum est pervenis e.
3) Text: Sicut in eiusdem imperatoris privilegio continetur.
4) Text: Prout superius diximus, worin ein erneuter Hinweis liegt,
dass hierbei Hadrian IV. sich auf die Abgaben des Privileg. Carolinum
stutzt.
5) Diese Weibe wird auch bei Abel-Simson (Karl d. Gr. IL S. - i 1 i >.
Anm. 5) als spätere Legende bezeichnet.
Fürstensagen in Aachen und seiner Umgebung. L21
Aachens im Jahre 805, wo man ihn hoch ehrte und reich
beschenkte,, einen solchen Schutzbrief für Karls d. Gr. Lieb-
lingskirche ausstellte, dessen Inhalt noch um 1157 in Rom
bekannt war. Hätte dieser Schutzbrief eine Andeutung über
die Weihe des Doms durch Leo 111. enthalten, oder wäre über-
haupt ein diese Weihe bestätigendes Aktenstück um 1157 im
päpstlichen Archiv vorhanden gewesen, so würde wohl Hadrian
IV. von der Einweihung durch Leo III. ebenfalls mit Bestimmt-
heit sprechen, ohne sich vorsichtig durch den Hinweis auf die
Angaben des Privilegium Carolinum zu decken1, unzweifel-
haft hat Hadrian IV. dem Privileg durch seine Erwähnung ein
gewisses Ansehen gegeben 2, aber Thatsache bleibt es. dass er
eben durch dessen Xamhaftmachung als Quelle sich in recht
geschickter Weise gegen die Möglichkeit der Annahme geschützt
hat, als habe er ihm nicht genau Bekanntes als unanfechtbar
hingestellt.
In Ermangelung entscheidender urkundlicher Beweise sind
wir demnach auf die Berichte zeitgenössischer Schriftsteller und
auf den Versuch der Beurtheilung des Werths der Ueberliet'e-
rung hingewiesen. Bei dem ungemein freundschaftliehen Ver-
hältniss, welches zwischen Karl d. Gr. und Leo III. bestand,
ist es möglich, dass nach gegenseitiger Absprache die feierliche
(endgültige) Weihe der Pfalzkapelle bis zu einem vereinbarten
gelegentlichen Besuch des Papstes in Aachen verschoben winde.
Andererseits sprechen sehr viele Gründe gegen die Wahrschein-
lichkeit einer solchen Uebereinkunft. Die Entfernung zwischen
Aachen und Rom ist eine ganz bedeutende; weite Reisen waren
J) Aehnlich deckte sich Rom 200 Jahre später der Abtei Comeli-
münster gegenüber. Diese hatte um Ertheirung Ablasses für die Zeil
der HeiHgthumsfahrt gebeten, [nnocenz VI. be^ tm im .1. 1359,
wobei er schreibt: Wie versichert wird (ut asseritur), werden in Comeli-
münster folgende Reliquien aufbewahrt u. s. w.
2) Persönlich mag vielleicht Hadrian (V. die Angaben des Privileg.
Carolinum durchgängig für richtig gehalten haben. Kr führt aus ihnen
an. dass die Aachener Münsterkirche sedes regia, locus regalis sei. That-
sächlich waren um H57 schon seit etwa 250 Jahren i'a-t alle deutschen
Herrscher im Dom zu Aachen gekrönt worden,
122 E. Pauls
vor ei nein Jahrtausend mit grossen Mühseligkeiten verbunden,
und zudem war Leos Lage in Rom durchaus nicht dazu ange-
tlian, dem Kaiser einen Besuch im weit entlegenen Aachen in Aus-
sicht stellen zu können. Schwerer noch fällt das Schweigen
aller Geschichtschreiber aus karolingischer Zeit in die "Wag-
schale. So mancher unbedeutende Zug ist uns erhalten geblie-
ben: sollte ein so nennenswerthes Ereigniss, wie es die päpst-
liche Einweihung des vom mächtigsten Fürsten jener Zeit in
seiner Rom so fernen Residenz gebauten Doms gewesen wäre,
nicht verzeichnet worden sein? Sollte namentlich Einhard,
über dessen Interesse an der Pfalzkapelle, über dessen Fröm-
migkeit und Anhänglichkeit an Papst und Kaiser so viele
Beweise vorliegen, diese Einweihung todtgeschwiegen haben?
Dafür, dass alle auf die Einweihung durch Leo III. bezüglichen
Aufzeichnungen verloren gegangen, spricht sicher nur eine
sehr geringe Wahrscheinlichkeit. Vermuthlich war beim Be-
such Leos im Jahre 805 die Pfalzkapelle längst geweiht,
doch wird man es damals schwerlich versäumt haben, den
Statthalter Christi um die Weihe von ein paar neu errichteten
Altären in der Münsterkirche zu bitten. Eine solche, von den
Geschichtschreibern vielleicht kaum gekannte oder nicht ver-
zeichnete Pontifikalhandlung mag mehrere Jahrzehnte 1 später
die Sage zu einer Einweihung der ganzen Kirche aufgebauscht
haben. Keinesfalls darf auf die Ueberlieferung, die Inschriften
im Aachener Münster und die Jubelfeier in den Jahren 1704
und 1804 ein zu grosses Gewicht gelegt werden, denn seit
v
) Ohne Zwcifd erweiterte sieh in Aachen bald nach der durch die
Verwüstung der NormanneD nöthig gewordenen neuen Einweihung der
Münsterkirche der bereits vorhandene Sagenkreis. Denn mit der zweiten Ein-
weihung war in gewissem Sinne eine neue Zeit angebrochen, wobei bezüg-
lich der Vergangenheit dm' Sagenbildung Thür und Thor geöffnet war. Pertz
schreibt zum 10. Jahrhundert: Allgemein war die Sage, obschon ihr An-
K.ul d. Gr. noeb näher war. Einen wie enger Begriff erhalten wir
von dem Einlluss der Schrift in jener Zeit und von dem Gedächtniss der
Menschen nach den normannischen, arabischen und angarischen Verhee-
rungen! Schwach war das Urtheil, dichterisch der Geisl des Volkes. (Vgl.
Bloss, Geschichtliche Nachrichten über die Aachener Eeiligthümer S. 193.)
Fürsten ien und seiner Umgebung. L23
jeher reichten sieh Sage und Ueberlieferung gern dann die
Hand, wenn es sich um die Erhöhung des Ansehens einer
von Fürsten geschaffenen Einrichtung handelte. Um nur zwei
hier nahe liegende Beispiele anzuführen, so machen unbefugter
Weise zahlreiche rheinische Kirchen auf die Ehre Anspruch,
von Leo III. geweiht zu sein. Die Abtei Cornelimünster wollte
ohne jede geschichtliche Berechtigung ihren Ursprung auf Karl
d. Gr. zurückführen. In Urkunden und Druckschriften, auch
in Inschriften in der Abteikirche wurde dieser Ueberlieferung
oft Ausdruck verliehen; es lag sogar im Plan, zum Jahre 1800
eine grosse Jubelfeier zu veranstalten, und nur der stürmischen
Zeiten wegen unterblieb ein so unberechtigtes Fest l.
Immerhin bleibt es möglich, wenn auch nicht eben wahr-
scheinlich, dass Leo III. die Aachener Münsterkirche geweiht
hat; sicher erhöhte der Glaube an die durch ihn vollzogene
Weihe in mittelalterlichen Zeiten wesentlich das Anseilen dei
Krönungsstätte der deutschen Könige. Emsig war man daher
früher bemüht, diesen Glauben zu stützen. So hatte man,
abgesehen von anderweitig im Dom angebrachten Inschriften,
auf den Flügeln der ehemaligen Orgel die Einweihung durch
Leo III. in Gemälden dargestellt2. Ein Agnus Dei im Münster
sollte ein Geschenk Leos III. an Karl d. Gr. sein3, doch erwies
es sich bei der amtlichen Untersuchung im Jahre 1S74 als
ein um 1432 von Eugen IV. geweihtes wächsernes Lammbild '.
Auch war noch vor wenigen Jahrzehnten das Märchen sehr
verbreitet, dass ein im Aachener Münsterschatz aufbewahrter
Chormantel, die sog. cappa Leonis HJ., von Leo III. bei der
Einweihung des Münsters getragen w. irden sei5. Nach Heck
fehlt dieser Ueberlieferumr die mindeste Berechtigung, und
*) Nach urkundlichem .Material zur Geschichte der ibtei Corneli-
mün
2) Quix. Eistorische Beschreibung der Münsterkirche S. '■>. Amn. s.
3) Heihgthumsfahrts-Büchleiii des 17. und LS. Jahrhunderts; Lettres
sur la villc et les eaux d'Aix-la-Chapelle (1786) p. 19.
4) Kessel a. a. 0. S. 87.
5) Quix. dachen und dessen Umgebungen S, 23,
IJI E. Pauls
gehört der Chormantel wahrscheinlich der Zeit des Richard von
Cornwallis an 1.
Jahrhunderte hindurch beruhte Aachens Bedeutung wesent-
lich auf seinem Dom, und Jahrhunderte hindurch wandten
diesem Tempel zahlreiche Herrscher fürstliche Geschenke zu.
Manche Sagen knüpfen sich daher theils an die Münsterkirche 2
selbst, theils au ihre Schätze3. Im Yolk hielt man irrig das
Wappen des Aachener Krönungsstifts für dasjenige Karls d. Gr.4
Der Sage nach ruht im Münster ausser dem grossen Kaiser
Karl und Otto III. auch der Langobardenkönig Desiderius5;
ursprünglich sollen die deutschen Könige gelegentlich der Krö-
nungsfeierlichkeiten in einer Kapelle des Münsters übernachtet
haben 6 ; in der Wölbung des angeblich von Philipp von Schwa-
ben dem Münster angebauten Dormitoriums 7 sah man nie eine
') Bock, Karls d. Gr. Pfalzkapelle und ihre Kmistschätze II, S. 17 f.
2) Aachens Palast scheint dagegen bei der Sagenbildung nach 814
fast gar nicht bedacht worden zu sein. P. a Beeck (Käntzelers Uebersetzung)
S. 222 kennt eine jedenfalls ansserhalb Aachens entstandene Sage, nach
welcher die meisten der alten Könige im Aachener Palast geweiht wurden.
Nach Haagen (Geschichte Achens bis 1028, S. (3) enthielt der Palast unbe-
zweifelt gewisse Malereien, aber doch wohl nur die Sage (Käntzeler a. a.
0. S. 2(37) macht daraus Darstellungen der sieben freien Künste und verschie-
dener Feldschlachten.
3) Den Münsterschatz berühre ich mir in sofern, als nicht genau ver-
bürgte Angaben über fürstliche Personen in Betracht kommen.
4) Bock, Bheinlands Bandenkmale des Mittelalters, Serie ÜI, Lief. 4:
Die Hubertus- und Karlskapelle am Aachener Münster S. 14. Ueber das
Wappen des Aachener Stifts vgl. Käntzeler a. a. 0. S. Di:].
5) Käntzeler a. a. 0. S. 120 f.; Bonner Jahrbücher XXXIH. XXXIV,
S. 221, namentlich al>er Arendt, Des rccherches faits dans la Cathedrale
d'Aix-la-Chapelle, in den Bulletins de l'Academie royale de Belgique, ser.
DT, tom. XII. no. 12. Nach Käntzeler (a. a. 0. S. 353) bezieht sich die
(i. Strophe des bekannten Hymnus Urbs Aquensis auf Desiderius. Vgl.
auch Noppius, A.acher Chronick (1632) Th. I, S. 26. Ueber den „Sarg"
Julius Cäsars im Aachener Münster vgl. Lettres etc. p. 45 und Zeitschrift
des Aach. Geschichtsvereins HJ, S. K>7 f.
c) Käntzeler a. a. 0. S. 241; Bock a. a. 0. S. I.
T) Käntzeler a. a. < ». S. 170; Bock a. a. 0. Serie I, Lief. Ü: Die
Bauwerke Philipps von Schwaben am Aachener Minister.
Fürstensagen in Aachen und seiner Umgebung. 125
Spinne oder ein Spinngewebe l. Die Sage, dass Gregor V. im
Jahre 997 nach Aachen gekommen sei2, hängt mit einer in
dem genannten Jahr für das Marienstift ausgestellten Urkunde
zusammen3: Maria Theresia Hess die Kaiserkapelle dem Münster
anbauen4, was ebenso ungenau ist als die Erzählung, dass der
h. Bernhard in der ungarischen Kapelle Messe gelesen habe5.
Der alten Ueberlieferung G, dass Ludwig der Fromme aus
der Aachener Pfalzkapelle nach Cornelimünster die heute noch
dort vorhandenen grossen Heiligthümer verschenkt habe, liegt
sehr wahrscheinlich nicht eine Sage, sondern Wahrheit zu
Grunde. Kein Kaiser war jemals der Abtei Cornelimünster
x) Käntzeler a. a. 0. S. 34 ; Noppius, welcher die ZurücMiihrung des
Baus auf Philipp von Schwaben nicht zu keimen scheint, a. a. 0. Th 1. S. 30;
Amusemens des eaux d'Aix-la-Chapelle (1736) Et, p. 144. Vielleicht lag
hier eine Thatsache vor, die sich durch besondere atmosphärische Ein-
flüsse oder durch Mörtel, bezw. Holz von eigenthümlicher Beschaffenheil
erklären lässt.
2) Lettre« etc. p. 56; Schilderung der Stadt Aachen (1787) S. 33.
3) Quix, Cod. dipl. Aquens. J. p. 36, no. 49. Die Echtheit di
Urkunde ist fraglich.
4) van Alpen, Geschichte des fränkischen Rheinufers 1, S. 21. Ulme
Zweifel ist die um 1374 gegründete, unter Maria Theresia neu erbaute
ungarische Kapelle gemeint. Näheres bei Quix, Münsterkirche S. 37.
5) Noppius a. a. 0. 1. S. 28. Es stimmt dies in etwa mit der Sage,
dass unter Heiniich II. die Ungarn und Böhmen zuersl Aachen zur Ver-
ehrung der Heiligthümer besucht haben. (Vgl. das im J. 177U erschienene
Wallfahrtsbüchlein: Umständlicher Bericht von den h. h. Reliquien n. s. w.
zu St. Adalbert S. 33.)
6) Käntzeler. Vita s. Caroli Magni p. 140 und zahlreiche andere
Quellen. Fast unbekannt scheint es zu sein, dass zu Anfang dieses Jahr-
hunderts die bischöfliche Behörde zu Aachen es in der Band hatte, die
grossen Comelimünsterer Eeiligthümer ganz "der theilweise dem Aach
Domschatz wieder einzuverleiben. Im .1. L802, nach der Aufhebung
Klöster, waren nämlich die in den aufgehobenen Klöstern befindlichen Ri li-
quien ziemlich herrenlos geworden. Bischof und Präfekl ordneten au. dass
die Pfarrer vorläufig die Rehquienbehälter in Empfang zu nehmen und dem
Bischof nähern Bericht einzusenden hätten. In Cornelimünster hielt man
bis isoi die grossen Eeiligthü r verborgen. Dann wandten sich die dorti-
gen Behörden in dringenden (mir abschriftlich vorliegenden) Bittgesuchen
an den Bischof, woraui dieser die fernere Aufbewahrung und Ausstellung
zur Zeit der Eemgthiimsfahrl gestattete
L26 E. Pauls
geneigter als ihr Gründer Ludwig d. Fr., keiner hat sie reicher
beschenkt 1, und vermuthlich wollte in ihr Karls d. Gr. erster
Nachfolger seine Ruhestätte finden2. Ferner ist der bisher
kaum bekannte Umstand sehr beachtenswert^ dass Ludwig
d. Fr. auch anderswohin Reliquien der Aachener Pfalzkapelle
verschenkt hat3, dass also eine Verminderung des Aachener
Schatzes seinen Anschauungen nicht widersprach. Sagenhafter
klingt dagegen eine Angabe der Vita Caroli Magni, nach wel-
cher Karl IL (der Kahle) aus dem Aachener Münster die
Dornenkrone nach Paris übertrug4.
Derselbe Kaiser spielte früher auch in den Legenden über
das Noli me tangere-Kästchen eine Rolle5; Floss hält es für
wahrscheinlich, dass ihm Cornelimünster seine Reliquien der
hh. Cornelius und Cyprian verdankt6, doch fehlt hierfür jede
Ueberlieferung. In etwa hat sich die Sage in neuester Zeit
der Ueberreste Ottos III. bemächtigt. Sicher ist nur, dass sie
sich nicht mehr im Münster befinden, dagegen bleibt es zwei-
felhaft, ob sie nach Paris gekommen, oder anderswo unter-
gebracht worden sind7.
Bei zahlreichen Kunstwerken des Aachener Münsterschatzes
') Simson, Jahrbücher des fränkischen Reichs unter Ludwig d. Fr.
I, S. 24 u. 37.
2) Nicolai, Der h. Benedikt S. 135.
3) Nämlich nach Korvei Reliquien des h. Stephan. Simson a. a. 0. II,
S. 269.
4) Kiintzeler 1. c. ]i. 140. Nach Hansen, Beiträge zur Geschichte
von Aachen T, S. 7 ff. entbehrt die Sage von der Uebertragung der Reli-
quien und des Markts von Aachen nach St. Denis der historischen Unter-
lage. Zur Ueschichte der Dornenkrone und des von ihr in Aachen vor-
handenen Theilchens vgl. Floss a. a. 0. S. 85 f. u. 93; Kessel a. a. 0. S.
44 f.; Bock, Karls d. Cr. Pfalzkapelle und ihre Kunstschätze II, S. 37,
Anm. 3. Nach van Alpen (a. a. O. II, S. 000) schreibt die Sage Ludwig
dem Stammler die üebertragung von Reliquien der Pfalzkapelle nach St.
Monis zu.
6) Meyer, Eistorische Abhandlung über die -rossen Reliquien (1804)
S. 16.
ü) Floss a. a. 0. S. 117. •
7) .1. Chorus, Archäologische Beschreibung der Münster- oder KxÖ-
QUngskirche ( L886) S. 77.
tTürstensaeen in Lachen uml seiner tJmgebune. 127
-
ist der füHßtliche Geber durch Urkunden oder durch seine
Wappen auf der Gabe bekannt, in andern Fällen dagegen weiss
bloss die oft sagenhafte Ueberlieferung den Namen des hoch-
gestellten Gönners zu nennen. Wohl nur ein Märchen be-
hauptet, dass das Siegel in einem gothischen Reliquiar vrom
eisten christlichen Kaiser Konstantin herrührt1. Nicht eranz
erklärt ist die Herstammung einer Kleinodientruhe, eines Zepters
und einer Krone, doch darf man sie ziemlich unbedenklich
auf Richard von Cornwallis zurückführen 2. Ob dagegen die
Ueberlieferung, welche ein paar Reliquienbehälter als Geschenke
Karls IV. bezeichnet3, als ebenso stichhaltig sich erweist,
scheint fraglich; auch wird wohl irrig zuweilen die Entstehung
einer gothischen Reliquienkapelle in die Zeit Philipps IL von
Spanien verlegt4. Eine herrliche Stickerei wird allgemein für
ein Geschenk Ludwigs d. Gr. von Ungarn und seiner Gemahlin
Elisabeth gehalten5, dagegen ist die nach der Sage von .Maria
Stuart herstammende Krone längst als ein Diadem Margarethas
von York, Gemahlin Karls des Kulmen von Burgund, erkannt
worden G. Nicht unbegründet scheint endlich die örtliche Ueber-
lieferung, dass Karl V. dem Münsterschatz eine jetzt noch dort
befindliche Monstranz geschenkt habe7. Nach Noppius und Quis
wurde bis zum Jahre 1630 im Münster eine aus den Zeilen
Ludwigs d. Fr. herstammende Orgel benutzt8. Zu dieser Sage
mögen irgendwelche unzuverlässige Inschriften oder Holzstücke
von sehr hohem Alter Veranlassung gegeben haben. Aller-
dings wurde im Jahre 826 eine vom Presbyter Georgios
1) Bock a. a. 0. IT, 8. 64; Kessel a. a. 0. S. 36; Noppius a. a. 0.
Th. I, S. 34.
2) Bock a. a. 0. II, S. 1 — L6; Eäntzeler (Uebersetzung von P. a Beecks
Aquisgranum) S. L86; Annalen des bist, Vereins f. d. Niederrhein XXXV,
S. 77 r.
8) Bock a. a. <>. II. S. 26—30 u. 41, dagegen Blesse! a. a. 0. S. II.
■') Bock a. a. 0. II, S. 33; Kessel a. a. 0. S. 7 1.
B) Kessel, Das Gnadehbüd unserer lieben Frau in der Stiftskirche zu
dachen S. 58.
ü) Kessel a. a. <). s. 59; Bock a. a. 0. II. S. 95.
') Bock a. a. 0. II. S. Hl).
8) Noppius a. a. 0. Th. I. S. 25. Quix, Münsterkirche S. II.
128 K. Pauls
gebaute Orgel eine Zierde der Aachener Pfalz 1 und von des
Kaisers musikkundiger Gemahlin Judith viel benutzt, doch ist
nicht anzunehmen, dass diese Orgel die Verwüstung durch die
Normannen und einzelne spätere Brände überdauert, sowie meh-
rere Jahrhunderte lang dem Zahn der Zeit getrotzt habe.
Wahrscheinlich älter als die Pfalzkapelle war in Aachen
die jetzt längst vom Erdboden verschwundene Aldegundiskapelle,
als deren Stifter bald der australische König Siegebert, bald
Pippin, bald Ludwig d. Fr. angegeben wird. Archivar Pick
hat diese Sagen ausführlicher erörtert2.1
Hohen Ansehens erfreute sich ehemals das St. Adalberts-
stift in Aachen 3. Es leitete seinen Ursprung von Otto III. und
Heinrich IL her und war mit Recht stolz auf manche Erinne-
rung an Heinrich den Heiligen. Von seiner Geschichte ist mir
wenig bekannt. "Wie Kreutzer hervorhebt4, dürften manche
Güterschenkungen, welche angeblich von den Kaisern Heiniich
IL und Heinrich III. dem Stift gemacht wurden, dem Reich
der Sage angehören. Grosse Beachtung verdienen die heute
noch in der Kirche zum h. Adalbert vorhandenen Reliquien.
Auf Otto III. führt die Ueberlieferung das Geschenk des St.
Adalbertshaupts 5, auf Heinrich IL das Geschenk des St. Hermes-
haupts6, des Schulterblatts des h. Laurentius und einer Kreuz-
partikel "' zurück, auch soll ein in der Schatzkammer befindlicher
J) Simson a. a. 0. I, S. 266 f. ; Bonner Jahrbücher V. VI. S. 1 55 f. ;
Haagen, Geschichte Achons bis 1024, S. 67.
2) Mittheilungen dos Vereins für Kunde der Aachener Vorzeit I. S. ii I'.
s) Noppius a. a. 0. Th. I, S. 74: ..St. Adalbert steht billig in online
et dignitate nächst dem Münster."
*) Kreutzer, Beschreibung und Geschichte der Pfarrkirche zum h. Adal-
bert in Aachen S. 11 — 17.
5) So P. a Beeck (Käntzelers Uebersetzung) S. 303; Noppius a. a. 0.
Tb. I, S. 75. P. a Beeck führt mehrere andere namhaft gemachte Reli-
quien auf Eeihrich II. zurück, die Herkunft des St. Hermeshaupts lässt
er unentschieden.
c) Noppius a. a. 0. Th. I. S. 76.
7) Bock, Die Reliquienschätze zu Burtscheid, Cornelimünster, St. .Hal-
ber! n. s. w. s. ii".
Fürstensagen in dachen und seiner Umgebung. 120
reichverzierter Dolch von Heinrich IL herstammen1. Be-
stimmtes über die Schenkgeber dieser und der andern vorhan-
denen Reliquien ist schwer zu ermitteln ; jedenfalls hat Otto III.
zu dem im Jahre 997 des Martyrertods gestorbenen h. Adalbert
in nahen Beziehungen gestanden2. Das St. Adalbertshaupt
scheint ein ähnliches Geschick gehabt zu haben, wie das St.
Annahaupt in der Kirche des h. Stephan zu Mainz :!. Verborgen
oder wenig" geachtet ruhte es nämlich Jahrhunderte lang an
seinem Aufbewahrungsort; erst am 1. September 1475 wurde,
angeblich in Gegenwart Friedrichs III, das St. Adalbertshaupt
in feierlicher "Weise zur öffentlichen Verehrung ausgestellt4.
Reliquien des h. Hermes befanden sich zur Karolingerzeit und
etwas später zu Cornelimünster 5, werden aber dort nachher
nicht mehr erwähnt. Vielleicht sind unter Heinrich IL Reli-
quien von Cornelimünster nach St. Adalbert gekommen6; von
letzterm erhielt im Jahre 1357 Karl IV. Reliquien des h. Her-
mes7. Bezüglich des Dolchs im St. Adalbertschatz hält Bock
es für möglich, dass die eigentliche Waffe der Zeit Heinrichs
IL angehöre, glaubt aber, dass die Handhabe nebst der plastisch
gearbeiteten Lederscheide Jüngern Ursprungs sei8.
') Bock a. a. 0. S. 43; ferner das oben angeführte "Wallfahrtsbüchlein
von 1776, S. 29 f. Nach einer Zeichnung in diesem Büchlein zu schliessen,
bewahrte das Stift, früher auch einen Becher (scyphus) des h. Heinrich.
2) Kreutzer a. a, 0. S. 7 ; Floss a. a. 0. S. 148.
3) Bonn, Rumpel u. Fischbach, Materialien z. Geschichte Dürens S. 250 I.
4) Noppius a. a. 0. Th. I, S. 7(3; Wallfahrtsbüchlein von L776, S. 12.
Hiermit stimmt es, dass nach Bock a. a. 0. S. 42 die Büste zur Adalberts-
reliquie aus dem Ende des 15. Jahrhunderts stammt. Vgl. Annalen des
bist. Vereins f. d. Niederrheirj XVH, S. II.
5) P. a Beeck (Käntzeler a. a. 0.) S. 304; Kreutzer a. a. 0. S. 8.
6) Jede Ueberlieferung fohlt; dafür spricht aber die seit jeher enge
Verbindung zwischen den beiden Stiften und der Umstand, dass St. Ä.dal-
li<Tt ähnlich der ehemals mit Cornelimünster verbrüderten Abtei Gladbach
Reliquien des h. Cornelius (und bezw. Cyprians) besitzt Vgl. Annalen
hist. Vereins f. d. Niederrhein XVII. S. I I.
7) Schervier, Die Münsterkirche zu Aachen S. 49, Zum Dank hat viel-
leicht Karl IV. eine Büste zum St. Eermcshaupt geschenkt: die jetzt vor
handene Bermesbüste ist nämlich nach Bock (a. a. <>. S. I.'i) ein Erzeugniss
aus der zweiten Eälfte des II. .Iah rh miderts. *) Boci a. a. 0. S. 13.
130 E. Pauls
Von andern Aachener Kirchen sei noch bemerkt, dass
früher häufig die Sage den Bau der Salvator- und der Peters-
kirche auf Otto III. und Heinrich II. zurückführte1. Da die
Geschichte dieser Kirchen wiederholt in guten Einzeldarstel-
lungen behandelt ist, kann hier nur auf diese verwiesen werden 2.
Verlassen wir die Granussage und so manche an Aachens
Kirchen sich knüpfende Ueberlieferungen, um einige nach der
Zeitfolge geordnete Fürstensagen anzuschliessen.
Die Geschichte der Urzeit, d. h. der Zeit vor der Eroberung
Galliens durch Cäsar, ist in undurchdringliches Dunkel gehüllt,
das sich nie lichten wird. Selbst für den langen Zeitraum
von Cäsar bis auf Pippin den Kleinen sind, wie Haagen es
ausdrückt, „nur stumme Zeugen1' einer längst entschwundenen
Vergangenheit vorhanden : Römerbäder 3, römische Wasserlei-
tungen4, römische Inschriften und Münzen5, einige merovin-
gische Alterthümer6, Trümmer merovingischen Bauwerks 7 und
ein — Friedhof aus der Merovingerzeit 8. Kein Schriftsteller,
keine Urkunde aus vorkarolingischer Zeit nennt uns Aachen
oder seine allernächste Umgebung. Um so eifriger bemühte sich
in viel spätem Jahrhunderten die Sage, die Wiege der Geschichte
Aachens in eine Wolke von Fabeln zu hüllen. Nicht genug,
dass man römische Inschriften erfand 9, oder aus Aachen einen
r) P. a Beeck (Käntzeler a. a. 0.) S. 272 ; Noppius a. a. 0. Th. I, S.
84 u. 143; Käntzeler, Vita s. Üaroli Magni p. 142. Erwähnung verdient
die Sage, dass die Leiche (corps entier) einer ungarischen Königin in einer
Aachener Kirche aufbewahrt wurde. Vgl. Lettres etc. 1. c. p. 54.
2) Quix, St. Peter-Pfarrkirche S. 3, Anm. 1 ; Zeitschrift des Aach.
Geschichtsvereins VI, S. 65 f.
3) Lersch, Die Ruinen des Römerbades zu Aachen. 1878.
4) Bonner Jahrbücher LX, S. 12 f.
6) Römische Münzen häufig, römische Inschriften in Aachen, abge-
sehen von Ziegeln und Thongefässen, etwa nur 4. Vgl. Zeitschrift des Aar]].
Geschichts Vereins VII, S. 159.
6) Bonner Jahrbücher XLVII, S. 151 f.
7) Zeitschrift des Aach. Geschichtsvereins III, S. 13 f.
8) Echo der Gegenwart 1882, Nr. 1, Bl. II.
9) Sümmtliehe in Meyers Aachenschen Geschichten verzeicbnete römi-
sche Inschriften sind gefälscht (Bonner Jahrbücher I, S. 123).
Pürstensagen in Aachen und seiner Umgebung. I.'ü
römischen- bezw. fränkischen Münzort zu machen versuchte1,
man führte sogar namentlich die Fürsten und höchsten Staats-
beamten an, welche vor dem 8. Jahrhundert unserer Zeitrech-
nung zu Aachen in Beziehung getreten waren. So hatte der
italienische Fürst Tetrikus ein Lager in Aachen2, wo man ihm
später ein zu Ludwigs d. Fr. Zeit noch vorhandenes Standbild
errichtete 3. Cassianus Posthumus, Befehlshaber der römischen
Legionen, verweilte oft in Aachen zum Besuch der dortigen
Bäder4, und Kaiser Konstantin hielt sogar in Aachen jährlich
Bürgerversammlungen ab5. Zwar meldet keine einzige ältere
Quelle, dass Aachen durch die Schaaren Attilas gelitten ha In',
doch wurde diese Lücke in der Aachener Geschichte bald nach
der Erfindung der Buchdruckerkunst ausgefüllt6. Unter Klodwig
fand um 486 ein feierlicher Reichstag in Aachen statt; Klod-
wigs Sohn Theoderich erklärte im Jahre 514 neben Metz auch
Aachen zu einer Haupt- und Residenzstadt7. Der australische
König Siegebert stellte (653) in seinem Palast zu Aachen eine
Urkunde aus8, und ziemlich gleichzeitig liess der h. Klodulf,
Oheim Pippins IL, auf seinen Besitzungen zu Burtscheid und
Villen Kirchen errichten9. Aber Siegeberts Urkunde ist längst
als unecht erkannt, und wie sehr auch Quix sich bemüht, die
Gründung Burtscheids in das 7. Jahrhundert zu verlegen, so
hat doch die neuere Forschung aus der Stiftung für Burtscheid
*) Meyer, Aachensche Geschichten I, S. 36.
2) Meyer a. a. 0. S. 26.
8) Seltsamer Weise haben nicht nur Meyer und Ladoucette, sondern
auch einzelne neuere Forscher ganz übersehen, dass die augebüche Tetrikus-
bildsäule als das Eeiterstandbild des Ostgothenkönigs Theoderich bezeichnel
werden muss. (Bonner Jahrbücher V. VI, S. J 2. )
4) Meyer a. a. 0. I, S. 26.
6) Meyer a. a. 0. I, S. 31, Anm. 6.
«) Meyer a. a. 0. I, S. 31.
7) Meyer a. a. 0. I, S. 31. — 11. S. van Alpen hat diese, theüw
schon zu seiner Zeit widerlegten Fabeln meist ohne jede Bemerkung Dach-
gedruckt.
8) Quix, Geschichte der Stadt Aachen I, S. 5.
9) Quix, ebendas. und in seiner Geschichte der Lbtei Burtscheid
S. 57—61.
9
132 E. Pauls
mit den triftigsten Gründen eine Stiftung für einen bei Tongern
gelegenen Ort gemacht 1. Die Nachricht über Karl Martells
Gefangenschaft in Aachen findet sich erst in einem um 1191
entstandenen Geschichtswerk, aber in einem Zusammenhang,
welcher beweist, wie wenig der Verfasser von den Verhältnissen
wusste2. Auch eine aus Aachen datirte Schenkung Pippins
vom Jahre 753 an ein Kloster bei Toulouse wird angezweifelt3,
so dass es also bis jetzt nicht gelungen ist, den Namen Aachen
für ein früheres Jahr als 765 4 nachzuweisen. Vor 765 liegt
die Legende.
Fast bis zur Neuzeit blieb in Aachen das Andenken an
Heinrich I. und die Ottonen 5 lebendig, und zwar deshalb,
weil die Erinnerung an die zu Ende des 9. Jahrhunderts
erfolgte Zerstörung Aachens durch die Normannen nie ganz
unterging und weil man den genannten Kaisern die Wieder-
herstellung der Stadt zuschrieb. Freilich wird Heinrich I. wohl
nur sagenhaft6 als Vergrösserer oder Verschönerer Aachens und
des dortigen Palastes zuweilen bezeichnet7, unzweifelhaft haben
dagegen die Ottonen der Stadt zahlreiche Wohlthaten erwiesen.
Gehören auch die Angaben von P. a Beeck8 und Noppius9,
dass Aachen bis auf Otto I. verwüstet lag, dass die Ottonen
*) Haagen, Geschichte Achens I, S. 66.
2) Breysig, Karl Martell S. 11. ad a. 715.
8) Sickel erwähnt sie nicht, ebenso wenig Oelsner in seinem Werk
über König Pippin.
4) Vereinzelt wird 766 angegeben. Da in diesem Falle die Jahres-
zahl von besonderm AVerth ist, sei darauf hingewiesen, dass nach Oelsner
(a. a. 0. S. 401) Pippin 'Weihnachten 765 und Ostern (6. April) 76f> in
Aachen feierte.
5) An che Ottonen vielleicht, noch mehr als an Friedrich I. and
Rudolf von Habsburg, von denen ich oben (S. 35) sprach.
6) Heinrich I. mag öfter in Aachen verweilt haben, doch fehlen hier-
über nähere Nachrichten. Man kennt nur eine von ihm in Aacln'n aus-
gestellte Urkunde.
7) Moser, Staatsrecht des heil. Rom. Reichs-Statt Ä.achen S. 2, § 4;
Meyer a. a. 0. I, S. 201.
8) P. a Beeck (Käntzeler a. a. 0.) S. 268.
ö) Noppius a. a. 0. Tb. I, S. 32 u. 43.
Fiirstensagen in Aachen und seiner Umgebung. L33
Aachen dem Eeiche erhielten und ihm einen Adler zum Wap-
pen gaben, überwiegend dem Gebiet der Sage an, so bleibt
es doch wahr, dass namentlich Otto III. sich um die Stadt und
das Krönungsstift in hervorragender "Weise verdient gernaHit
hat *. Nach einer unverbürgten Ueberlieferung kämpften „Aache-
ner Kriegsvölker" unter Heinrich I. bei Merseburg gegen die
Hunnen2; auch weiss die Fabel über ungeheuere Gelage, welche
Otto I. zu Aachen veranstaltete, zu berichten3. In jüngster Zeil
hat der -etwas fehlerhaft abgedruckte Text einer Urkunde vom
Jahre 1095 4 die Bildung der Sage veranlasst, dass Gottfried
von Bouillon, der berühmte, zum König von Jerusalem ge-
wählte Kreuzfahrer, Schirm- oder Obervogt des Aachener St.
Adalbertstifts gewesen sei5. Thatsächlich war er aber nur
Schirmherr der Leute dieses Stifts zu Olne, einem Dorfe zwi-
schen Verviers und Lüttich6. Zwei Ereignisse des 12. Jahr-
hunderts haben bis zur Neuzeit der Sagenbildung einigen Stoff
geliefert, nämlich zunächst die unter Friedrich I. verfügte
Unimauerung der Stadt. Es ist fast unbegreiflich und jeden-
falls ein Beweis für das gänzliche Darniederliegen geschichtlicher
Forschungen in Aachen vor dem 17. Jahrhundert, dass schon
zu P. a Beecks Zeiten die erst viel später als durchaus irrig
J) Debey, Die Münsterkirche zu Aachen S. 21; Haagen a. a. 0. i.
S. 90, Z. 1 u. 2. Ueber das Verhältniss der Ottonen zu Aachen vgl. Käntzeler,
Vita s. Caroli Magni p. 141 und Zeitschrift des Aach. Geschichtsvereins
m, S. 65 f.
2) Meyer a. a. 0. I, S. 201. Aachen war zu Ende des 10. Jahrhun-
derts schwach bevölkert, ..es lag bei Jiüicb, in einem gallischen Walde".
Daher ist es zwar möglich, aber nicht wahrscheinlich, dass seine Krieger
einen besondern Truppentheü bildeten.
3) Meyer a. a. 0. I, S. 206. Zur Lieferung von icöchentlich 1000
Maltern Getreide und 8 Fudern Wein hätte es zu Ottos I. Zeiten der Bei-
steuer ganzer Länder bedurft.
4) Ritz, Urkunden u. Abhandlungen zur Geschichte des Niederrheins
I. Nr. 41. S. 56.
5) Lersch, Niederrheinisches Jahrbuch L843, S. 50; Eaagen a. a. 0.
I. S. L07. Auf Grund dieser Sage wurde sogar im Jahre L886 eine in der
Nähe von St. Adalberl entstandene neue Strasse „Gottfriedstrasseu genannt.
6) Vgl. Pick in der Lachener Volkszeitung L886, Nr. L99.
134 E. Pauls
erkannte Ansicht bestehen konnte, um 1172 sei die Errichtung
des äussern Mauerrings befohlen worden, weil Aachens innerer
Mauerring damals schon vorhanden gewesen sei l.
Otto IV. belagerte Aachen im Jahre 1198, wobei die
städtischen Bogenschützen das Belagerungsheer empfindlich
schädigten. Meyer, der Sohn des Verfassers der Aachenschen
Geschichten, nahm hieraus Veranlassung, auf das Alter der
Aachener Bogenschützen-Gesellschaft, der sog. Hirschschützen,
hinzuweisen. „Geistreich" meinte er dabei, dass man nicht
ohne Grund den Ursprung der Gesellschaft ins 9. Jahrhundert
verlegen dürfe; Kaiser Ludwig sei ein besonderer Freund der
Hirschjagd gewesen und stamme daher wohl der Name „Hirsch-
schützen". Sicherlich ist Meyers Versuch einer Sagenbildung
nicht ganz ohne Erfolg geblieben2.
Fast scheint es, als ob mit Friedrich I. die Fürstensagen
bei uns zu Grabe getragen worden seien, denn das Fortleben
im Volksmund war seit dem 13. Jahrhundert bis zur grossen
französischen Staatsumwälzung nur sehr wenigen Fürsten in
etwa vergönnt3. "Doch vor ungefähr drei Menschenaltern griff
eine der gewaltigsten Erscheinungen aller Zeiten bald mit
wohlthuender, bald mit rauher Hand4 wiederholt in die Ge-
schicke Aachens ein. Darf es auffallen, dass sich an Napoleon L,
der für Aachen grösseres Interesse hatte als vielleicht irgend
ein Kaiser seit den Tagen des Eothbarts, manche Sagen knüpfen?
Hier ein paar Nachträge zu den frühern Mittheilungen über ihn5.
x) P. a Beeci (Käntzeler a. a. 0.) S. 273. Aehnlich 1(30 Jahre später
bei Meyer a. a. 0. I, S. 261. Den richtigen Sachverhalt s. Zeitschrift des
Aach. < resehichtsvereins HI, S. 84, 85, 92, 93.
-') Meyer, Historische Abhandlung über die Gesellschaft der Aachener
Bogenschützen S. 19. Höchst wahrscheinlich stammte die Aachener Bogen-
schützen-Gesellschaft nicht ans dem 9., sondern ans dem 15. Jahrhundert.
3) Wie oben erwähnt, wohl nur Rudolf von Habsburg, Karl V. und
Maria Theresia.
4) Ueber Napoleons I. Wbhlthaten vgl. Haagen a. a. 0. II, S. 452 f.
Unvergessen ist aber auch gebheben, dass der Kaisei' im Jahre LS 1 L ohne
Befragung der Stadt oder des Präfekten die Thermalquellen und die Bäder
von Aachen als Staatseigentum erklärte. (Lersch, Geschichte des Hades
Aachen S. 69.)
6) Sagenartige Erinnerungen an Napoleon I. und seine Familie linden
Fürstensagen in Aachen and seiner Omgebun 135
Bei der Besichtigung der grossen Heiligthümer im Dom
zu Aachen wandte sich Napoleon an den Arzt in seinem Ge-
folge mit der Frage, ob es möglich sei, Gewänder 1800 Jahre
lang durch sorgfältige Aufbewahrung in gutem Zustand zu
erhalten. Als der Arzt nach kurzem Schweigen eine aus-
weichende Antwort gab, befahl der Kaiser durch eine Hand-
bewegung, die Eeliquien in ihren Behälter zurückzulegen1.
Ferner schreibt das Aachener Wochenblatt2: „Napoleon
hatte die Anlage der neuen Strasse von Adalbertsthor nach
Burtscheid befohlen. Als er einige Jahre später zurückkam
und die Hügel nicht geebnet fand, rief er zornig aus: C'est
un oeuvre d'ingenieur, mais non de genie ! "Was würde er
sagen, wenn seine Baumeister die JSTeustrasse angelegt hätten,
wo man einen so ganz unnöthigen Buckel vom Theater bis
zur Hauptstrasse liegen liess?"
Man wird zugeben müssen, dass in beiden Erzählungen
Napoleon in gewissem Sinne gut „kopirt" ist. Trotzdem ist
es mehr als fraglich, ob sie auf Wahrheit beruhen. Der Kaiser
besichtigte allerdings am 7. September 1804 mit zahlreichem
Gefolge die grossen Heiligthümer des Aachener Doms3, doch
sich häufiger im Gebiet des ehemaligen Roerdepartements, als ich früher
amiahm. Mehrere Schlösser, auch ein Landgut bei Aachen, machen auf die
Ehre Anspruch, Napoleon I. eine Nacht hindurch beherbergt zu haben.
J) Nach mündlichen Mittheilungen eines Zeitgenossen, der aber nichl
Augenzeuge war.
2) Wochenblatt für Aachen und Umgegend 1837, Nr. 99, S. 397.
3) Nach dem Aachener Merkur vom 8. September 1804 wohnte der
Kaiser am 7. September 1804 mit zahlreichem Gefolge einem Tedeuin im
Dom bei. Während der Feier sass Napoleon auf einem ihm bereiteten
Thron, wo er die messen Heiligthümer und Kostbarkeiten der Barche
ehrfurchtsvoll und mit Lndachl in Lugenschein nahm. In dem L808
schienenen Coup d'oeil von Poissenol heissl es (S. L13), dass der Kaiser
zum Dem geritten sei, wo während des Tedeum der Bischof und das Ka-
pitel ihm die kostbaren Reliquienbehälter (precieus reli | der Barche
gezeigi bätten. — Den Namen de irzb 3, «reicher im J. L804 sich im
kaiserlichen Gefolge zu lachen befand, nennl die September-Nummer der
damaligen Aachener Fremdenliste. Es beissl in derselben: „Au Palais im-
perial, boulevard de Capucins: Monsieur Vvan. Chirurgien de L'empen
i:;ii E. Pauls
ist es sohl' unwahrscheinlich, dass er die betreffende Frage
nicht ganz passender Weise in der Kirche stellte, dass der
Arzt um die Antwort verlegen war, und dass der Kaiser, so
gut auch die befehlende Handbewegung zu seinem Wesen passt,
alle Umstehenden durch einen derartigen Befehl peinlich be-
rührte. Yiell eicht hat er die sehr nahe liegende Frage über
die Möglichkeit der Jahrtausende langen Erhaltung der Gewän-
der1 nach der Rückkunft aus dem Dom gestellt, woraus dann
die obige Erzählung entstanden sein wird.
Noch märchenhafter klingt Napoleons Tadel über die ehe-
mals „Verbindungsweg" genannte Strasse zwischen Adalberts-
thor und Burtscheid. Zum zweiten und letzten Mal nämlich
war der Kaiser am 7. November 1811 in Aachen2, doch wech-
selte er dort nur die Pferde und fuhr in langsamem Schritt
durch die Stadt. Nach Quix3 stammt der Verbindungsweg aus
dem Jahre 1812, um 1811 war er wohl kaum abgesteckt4.
Wahrscheinlich hat Napoleon, welcher von Bonn-Köln kam,
den Verbindungsweg gar nicht zu Gesicht bekommen, wenn
aber, so hatte der Kaiser bei seiner sehr beschränkten Zeit
Wichtigeres zu thun, als eine kaum im Entstehen begriffene, in
militärischer Hinsicht bedeutungslose Strasse zu tadeln. Jeden-
falls beweist die Notiz des Wochenblatts, dass vor 50 Jahren
der „Buckel" in der Neustrasse mehrfach als eine tadelnswerthe
Unbequemlichkeit angesehen wurde.
Wohl nur die Fabel berichtet, Napoleon habe kurz vor
Waterloo seinen Anhängern die Plünderung Aachens in Aus-
sicht gestellt 5. Es ist richtig, dass Napoleon durch ein syste-
Vgl. auch Milz, Die Kaiserstadt Aachen unter französischer Herrschaft
(Progr. des Gymnasiums zu Aachen 1871/72) S. 29.
x) Im Aachener Suermondt-Museum befindet sich in der Sammlung
ägyptischer Alterthümer unter Nr. 3(39 ein Bekleidungsstück aus Leinwand
and Wolle, dessen Alter auf etwa 4000 Jahre geschätzt wird.
2) Journal de la Roer 1811, no. 205, 269.
3) Quix, Hist.-tonogr. Beschreibung der Stadt Aachen S. 124.
4) Journal de la Roer 1811, no. 264.
5) Vgl. oben S. 34. Die nachstehenden kurzen Ausführungen gehe ich
als Antwort auf eine erhaltene Anfrage unter Hinweis auf die im J. 1882 in
Fürstensagen in Aachen und seiner Umgebung. 137
matisches Berauben seine Heere verpflegte, Frankreich Geld
verschaffte und den unterdrückten Völkern unermessliche Reicli-
thümer und Kunstschätze abnahm. Andererseits kamen eigen-
mächtige Plünderungen in seinen Heeren selten vor. Er war
es, der in den Jahren 1796 und 1797 Kriegsgerichte über die
Plünderer verhängen Hess und seitdem mit eiserner Strenge
jedem Rauben und Plündern in seiner Armee thunlichst Ein-
halt that. Ob dies aus Menschlichkeit geschah, oder infolge
der Erfahrung, dass Heere, in denen geraubt und geplündert
wird, in der Regel schwer lenkbar sind, bleibt dahingestellt.
Selbst nach der Schlacht bei Leipzig nahm Napoleon noch Ver-
anlassung, dem Unwesen der Plünderung, welches bei den
entmuthigten, fast aufgelösten Truppen wieder auftauchte, durch
einen strengen Befehl zu steuern. Vor Waterloo befehligte der
Kaiser eine der tüchtigsten und schönsten Armeen, die ihm je
zu Gebote gestanden. Wie hätte er derselben die Plünderung
wehrloser, auch durch Güte zu erobernder Städte andeuten
können ' ?
Nach der Ueberlieferung führten in und bei Aachen
zur Zeit des ersten französischen Kaiserreichs mehrere öffent-
liche Plätze, Thore, Strassen, "Wäldchen u. dergl. den Namen
des Kaisers oder eines Mitglieds der kaiserlichen Familie
Hier liegt nicht Dichtung, sondern Wahrheit zu Grunde. Nur
wenige dieser Bezeichnungen haben sich erhalten2, denn den-
selben Mann, welchen man noch im Jahre 1813 fast göttlich
Potsdam bei Gropius-Stein erschienene anonyme Broschüre „Beutemachen
und Plündern".
*) Bei dieser Sage tritt eine gewisse "Wiedervergeltung zu Tage. Zwei
Jahre vorher hatte nämlich das Journal de la Roer seinen Aachener Le
gelegentlich der Siege Napoleons bei Dresden erzählt, die Verbündeten h.ätt< d
ihren Truppen die Plünderung Dresdens versprochen. Der Zweck solcher
Sagen oder Erfindungen liegl zu Tage.
2) Vielleicht nur noch Paulinerwäldchen als Erinnerung an die Prin-
zessin Pauline Borghese, die Schwester Napoleons I. Der Sage nach
die am Eingang des Wäldchens ihr zu Ehren errichtete Säule die Schand-
säule des ehemaligen Lachener Prangers. Vgl. von Fürth, Beiträge zur
Geschichte der Aachener Patrizier-Familien II. 2, S. 27; Rehm, Bad Burt-
scheid und seine Umgebung S. (»7.
138 E. Pauls
verehrte und als einen Titus besang, bezeichnete man amtlich
kaum 2 Jahre später auf dem steinernen Denkmal des Lous-
bergs als Tyrannen l und bestrebte sich, jedes Andenken an
ihn und die Seinigen zu verwischen. Bei Aachen gab es
ausser dem Paulinerwäldchen eine Napoleons- Allee 2 und eine
nach der Mutter des Kaisers genannte Porte Madame3, auch
ist häufiger die Rede von einem „Spaziergang des Königs von
Rom" bei Burtscheid4. Das Wäldchen zur Klause bei Corneli-
münster hiess das "Wäldchen der Königin Hortense 5, und die
gegenüber liegende Anhöhe auf der unter Napoleon I. erbauten
Staatsstrasse wird im Yolksmund noch heute häufig Napoleons-
stieg (Stiege, Anhöhe) genannt6. Aehnlicher Bezeichnungen
lassen sich in der Nähe Aachens sicher noch manche aus-
findig machen.
Soweit es sich übersehen lässt, hat der Monarchenkongress
im Jahre 1818 in Aachen nur eine Sage im Gefolge gehabt.
Hierüber meldet die Rheinische Flora vom 9. April 1825: „Krug
von Nidda liefert im Castellischen Almanach folgende Erzäh-
lung: Beim Kongress zu Aachen zeigte einer der geschick-
testen englischen Seiltänzer mit vielem Uebermuth den erstaun-
ten Deutschen seine Kunst, indem er als Ritter, mit Harnisch
und Schwert belastet, auf einem Seile den hohen Münsterthurm
bestieg. Der berühmte deutsche Seiltänzer Kolter beschloss
den Engländer zu demüthigen. Er verkleidete sich in einen
Zauberer und stieg unversehens oben vom Thurni herab, als
der Engländer schon unterwegs war. Dieser erschrak heftig,
hielt aber Stand. Kolter kam ihm entgegen und befahl ihm,
*) Quix, Aachen und dessen Umgehungen S. 71.
2) Lag wahrscheinlich in der Nähe des Kölnthors. Journal de la Roer
1811, no. 269.
3) War das Sandkaulthor. Vgl. Journal de la Roer 1811, no. 195,
1813, no. 211; Voyage entre Meuse et Rhin 1813—1814. p. 22, woselbst
auch die Nachricht, dass eine Porte de Paris beabsichtigt war.
4) Journal de la Roer 1811, no. 2(34 und 1813, no. 211.
5) Aus urkundlichem Material zur Geschichte Cornelimünsters.
6) Im Kataster von Comelimünster findet sich diese Flurbezeich-
nung oicht.
Fürstensagen in Aachen and seiner Umgebung. 139
als beide auf dem Seile nahe zusammen waren, zurückzugehen.
Dies war mit der äussersten Gefahr verbunden, darum erkannte
der Britte sich für besiegt und lichte den Deutschen an, ihn
vollends hinaufsteigen zu lassen. Da hiess ihn Kolter sich
bücken, sprang gewandt über ihn hinweg und stieg sichern
Fusses vollends hinab. — Dies soll eine Thatsache sein; in
Aachen selbst weiss man nichts davon." In Wirklichkeit liegt
hier eine Fabel vor1, welche an dieser Stelle fehlen würde,
wenn nicht in neuester Zeit das Märchen als Fürstensage noch-
mals aufgetaucht wäre. Die Westfälische Zeitung2 brachte
nämlich vor 5 Jahren dieselbe Erzählung in etwas anderer,
noch märchenhafterer Fassung. Nach ihr hatten nämlich der
König von Preussen und der Kaiser von Kussland eine Wette
gemacht auf die Leistungen des deutschen Seiltänzers Kolter
und des russischen Seiltänzers Losisky. Kolter siegte und
feuerte sogar beim Sprunge über Losiskys Kopf auf dem zum
Münsterthurm führenden Seil einen Pistolenschuss in die Luft ab.
Es erübrigt noch ein kurzer Bück auf diejenigen Orts-
bezeichnungen, Redensarten und Sprichwörter der Aachener
Gegend, in welchen von Fürsten gesprochen wird; Sage und
Sprichwort haben ja meist einen gemeinsamen Ursprung. Zu
*) Folgt schon aus der im J. 182.1 abgegebenen Erklärung der Rheini-
schen Flora, alier auch daraus, dass keine einzige Aachener Zeitung <lc<
J. 1818 hierüber berichtet. Yielleiehi hat lullende, in Meyers .. Lachen
und der Monarchenkongress" (S. I" f.) erzählte Thatsache die Sage veran-
lasst. „Am 14. Oktober 1818 unternahm gegen 5 Ohr Nachmittags die
Demoiselle Garnerin auf dem Lousherg eine Luftschifffahrt. Der Ballon
war mit dem erforderlichen Material in ungenügender Weise gefüllt. Die
Garnerin setzte sich in das Schiffchen, aber der Ballon wankte und warf
sie hinaus. Sie bestieg das Schiffchen von Neuem, wurde aber wieder hin-
ausgeschleudert; ihr Unternehmen scheiterte. Der König und der Prinz
von Preussen waren Zeugen dieser Scene. Das gesammte Publikum fand
sich betrogen und war gegen die Gauklerin äusserst aufgebracht. Ihre Kasse
winde in Beschlag genom q. Für die arrw< deutsche Leronautin
Madame Reichard war die misslungene Kahn der Garnerin ein wahrer Ti
amph, da sie ihre Luftschifffahrt mit wahrer Sachkenntniss begann und
glücklich vollendete."
2) Vollständig abgedruckt in der Lachener Zeitung vom 5. Juli 1882.
Mii E. Pauls
unterscheiden ist hierbei zwischen Sprichwörtern, bei welchen
von Fürsten im Allgemeinen, und solchen, bei welchen von
namhaft gemachten Fürsten die Eede ist. Für beide Fälle tritt
nur eine äusserst dürftige Ausbeute zu Tage. Zunächst er-
innern manche Ortsbezeichnungen und ehemalige Titel Aachens
daran, dass die Stadt früher zu Fürsten in lebhaften Beziehun-
gen gestanden hat. Wir finden, um einige Beispiele anzu-
führen, die Namen: Kaiserquelle und Kaiserbad *, Kaisersruh2,
Franzstrasse 3, Alexanderstrasse 4, Königsthor und Königstrasse,
Königliche Kapelle 5, Bad zur Königin von Ungarn6, Friedrich-
Wilhelmsgraben 7, Elisengarten und Elisenbrunnen8. Von
Aachens ehemaligen Titeln seien genannt: Urbs regalis, sedes
regia, Königlicher Stuhl, Kaiser- und Krönungsstadt; vereinzelt:
Kaiserliche Residenz 9, und noch vereinzelter für das Reich von
Aachen : Royaume d'Aix 10 !
Ton den wenigen Aachener Redensarten, welche hier in
Betracht kommen können, sind zwei längst untergegangen, aber
1) Lersch, Geschichte des Bades Aachen S. 46. Nach den Amusemens
etc. 1. c. II, p. 1 glaubte man früher vielfach, das Kaiserbad sei auf den
Ruinen des Palastes Karls d. Gr. erbaut.
2) Seit einem Besuch des russischen Kaisers Alexander I. im .1. 1818;
Meyer, Aachen und der Monai'chen-Kongress im J. 1818, S. 77.
s) Nach dem Kaiser Franz von OrstriTeicli seit 1818; Meyer a. a 0.
S. 48.
4) Nach dem Kaiser Alexander I. von Russland seit 1818; Meyer
a. a. 0. S. 48.
5) St. Salvator; vgl. Quix, Die Königliche KapeEe u. s. w. auf dem
Salvators-Berge.
6) Lersch a. a. 0. S. 47.
7) Frübor Foggengraben, jetziger Name seit 1818 nach dem König
Friedrich Wilhelm III. von Preussen ; Meyer a. a. < I. S. 48.
8) Seit 1824 nach der KJronprinzessin Eüse von Preus
'■') Moser a. a. 0. S. 2, 2, § 1.
;o) Royaume d'Aix, c'est ainsi qu'on appelle lo territoire de cette villc
imperiale, Heisst es in der Gazette de < lologne vom 30. April 1748. Im schroffen
Gegensatz zu den frühem Titoin hiess Aachen zu Ende des vorigen Jahr-
hunderts anter den Republikanern vorübergehend Aix-libre. Viele Häuser-
benennungen in Aachen erinnern an Fürsten, bleiben hier aber anberück-
sichtigt.
Fürsten sagen in Lachen und seiner Umgebung. 111
schon für das 16. Jahrhundert Dachweisbar. Hartmannus
Maurus hat sie uns in seiner Schrift über Karls V. Krönung
überliefert. Beide Redensarten knüpfen sich an die allbekannten,
erst vor einigen Jahren beseitigten, Wolf und Artischocke1
genannten Erzgussbilder vor der Woifsthür des Aachener
Münsters.
Hartmannus Maurus schreibt2: „Vor der Kirchenthür stehen
zwei aufgebaute viereckige Pfeiler. Das Volk glaubt, dass das
auf dem einen stehende Bild eine Wölfin aus Bronce sei; der
Form nach schien mir dasselbe mehr eine Bärin oder Löwin
zu sein, welche mit breiter Wunde in der Brust für ihre Jun-
gen oder Bärenbrut, die man ihr geraubt, im Tod noch zu
kämpfen scheint. Die dortigen Einwohner meinen, dadurch
werde angedeutet, es müsse der Kaiser nicht anders Sorge
tragen für seine Unterthanen" Yon der Artischocke saut
Maurus3, sie sei oben pyramidenförmig und spitz. Die Mehr-
zahl deute dies dahin, dass der Kaiser, der Herr der Welt,
alle Völker beherrschen solle.
In einer andern Aachener Redensart wird der Papst ge-
nannt. Kommt etwas zur rechten Zeit und gelegen, so heissl
es zuweilen, es komme in des Papstes „Mond1'. Schollen deutet
hier das Wort Mond mit Monat, weil der Papst in gewissen
Monaten das Recht der Verleihung höherer geistlichen Würden
habe4. Vielleicht darf dennoch „Mond" durch Mund 5 übersetzt
werden. Schenkungen kommen, abgesehen von wenigen Aus-
nahmefällen, auch der Kirche (dem Papst) meist sehr gelegen.
Eben in Aachen aber hatten schon vor mehrern Jahrhunderten
die Schenkungen an Kirchen und damit das Barchenvermögen
') Vgl. die Abhandlungen bei Bock, Karls d. Gr. Pfalzkapelle und ihre
Kunstschätze I, S. 1 f. Der sog-. W'nir Ls< wühl jedenfalls eine Barin; das
andere Standbüd nennt Bock den Pinienapfel „Artischocke". S. auch fi-
nalen a. a. 0. VIH, S. 230 und XIII, S. 276.
2) Hier citirt nach Duck a. a. < >. 1. S. 1.
») Hier citirt nach P. a Beeck (Käntzeler a. a. 0.) S. 71.
*) Zeitschrift des Audi. Geschichtsvrroins VIII, S. IUI. Nr. 7i
6) Mir ist nur die auch in der Eupener Gegend ;ebräuchliche Reden
art „Mund." bekannt.
L42 E. Pauls, Fürstensagen in Am-hen und seiner Umgebung'.
einen solchen Umfang angenommen, dass allen Ernstes mit
einschränkenden Bestimmungen vorgegangen wurde \ Da mag
das Scherzwort, etwas komme sehr gelegen, wenn es in den
Mund der Kirche gerathe, entstanden sein.
Namhaft gemacht wird in den Aachenern Sprichwörtern
nur ein Fürst, und zwar begreiflicher "Weise wiederum Aachens
berühmter Schutzpatron Karl d. Gr. Nach einem Sprichwort
begibt sich der Kaiser am 1. September ins Winterquartier,
um es erst gegen Christi Himmelfahrt wieder zu verlassen 2 ;
das andere Sprichwort sagt, dass Kaiser Karls warme Bäder
dem Einen nutzen, dem Andern schaden 3. Beiden Eedensarten
liegt harmloser Scherz zu Grunde. Thatsächlich ist das Aachener
Klima nicht so unfreundlich, dass auf 3ljz Sommermonate 8V2
Wintermonate fielen. Und das zweite Sprichwort bietet nur
den Ausdruck der alten Wahrheit, dass auch beim Gebrauch
von Heilmitteln eine weise Vorsicht geboten ist4.
1) Noppius a. a. 0. Th. IH, Nr. 30 am Schluss; Meyer, Aachensche
Geschichten I, S. 393; im 15. Jahrhundert wollte der Aachener Schöffen-
stuhl den Klöstern keine Kaufakte besiegeln, nach Quix, St. Peter-Pfarr-
kirche S. 39; ein Drittel der Aachener Mittelstadt war um 1708 geistliches
Gut (nach Haagen, Geschichte Achens JJ, S. 310 und Moser a. a. 0. S. 162).
2) Zeitschrift des Aach. Geschichtsvereins VILT, S. 204, Nr. 980.
3) Ebendas. S. 208, Nr. 15.
4) Bezüglich der Bäder heisst es geistreicher und etwas ausführlicher
bei Noppius (a. a. 0. Th. I, S. 109) und bei Blondel:
Balnea, Vina, Venus corrumpunt corpora nostra,
Eestttuunt eadem Balnea, Vina, Venus.
Die vormalige Bruderschaft vom Leiden Jesu
in der St. Peterspfarre zu Aachen.
Von K. Wacker.
Vom Jahre 1621 bis 1651 hatte die St. Peterspfarre zu
Aachen in Gerhard Breuer, einem geborenen Aachener1, einen
Pfarrer, der sich in mehr als einer Beziehung um das Wohl
seiner Gemeinde verdient gemacht hat. Eine besondere Für-
sorge wandte er auch dem Archiv seiner Pfarre zu, das noch
jetzt mehrere Handschriften von ihm aufbewahrt, in denen er
mit grossem Fleiss und ungewöhnlicher Sorgfalt alle ihm zu-
gänglichen urkundlichen und sonstigen Nachrichten über seine
Pfarre abschriftlich gesammelt und durch eigene Bemerkungen
vielfach ergänzt hat. Einer dieser Handschriften hat Breuer
eine kurze Notiz über seine Person und seine Anstellung
als Pfarrer von St. Peter vorgesetzt: „Anno 1621 bin ich
Gerardus Brewer (nachdem ich mein ehrliches abscheid zu
Moresneth genohmen) durch den wolwürdigen und hochgelehr-
ten herrn Goswinum Schrick, der königl. stifts unser 1. frawen
zu Aach canonicus, singeren und erzpriesteren, zum pastoren
s. Petri in octobri denominert und folgents des 4. tags noveni-
bris investiert." Der Aachener Geschichtschreiber Johann Nop-
pius, ein Zeitgenosse Breuers, rühmt 1632 dessen makellosen
Lebenswandel, sowie seinen hervorragenden Ei fer im Predigen,
Katechisiren und Besuchen der Kranken. Im Einzelnen erzählt
*) Wenigstens wird ervon Noppius, Aacher Chronica (1632) Th. I, S.86
„Aqnensis" genannt.
Hl K. Wacker
er von ihm, dass er an der Pastorat und Kirche bauliche
Aenderungen getroffen und im Kirchthurm ein schönes Uhr-
werk habe anbringen lassen, ..so auff vier Seiten deß Timms,
und neben dem auch unden in der Kirchen zeiget, und über
331 Thaler gekostet"1.
Eine der von Breuer hinterlassenen Handschriften betrifft
die im Jahre 1504 an St. Peter gestiftete Bruderschaft vom
Leiden Christi, über welche er 1630 die vorhandenen Nach-
richten „aus den alten Büchern der Bruderschaft", wie er sagt,
in einem kleinen Quartband aufzeichnete und diese dann bis
zu seinem Tode fortsetzte. Zugleich fügte er an der Spitze eine
ältere, auf Pergament geschriebene, aber erst nach des Stifters
Tod entstandene urkundliche Nachricht über die Gründung der
Bruderschaft im Original bei. Zwar wurden die Aufzeichnungen
über die Bruderschaft von den Nachfolgern Breuers noch weiter-
geführt, aber sie werden in der spätem Zeit immer dürftiger
und hören 1722 mit der Notiz über die Aufnahme des „acht-
baren Herrn Wilhelm Strauch" ganz auf.
Der Inhalt dieses Bruderschaftsbuchs ist für die lokale
Geschichte, namentlich aber für die Geschichte des kirchlichen
Lebens in Aachen in mehrfacher Hinsicht von Interesse, auch
lassen sich daraus manche kulturgeschichtlich werthvolle Ein-
zelheiten zusammenstellen. Die Bruderschaft vom Leiden Jesu,
wohl die älteste unserer Stadt, über die wir ausführlichere Nach-
richten besitzen, hatte Bürger, Männer wie Frauen, aus allen
stadtischen Pfarreien, selbst aus dem benachbarten Dorfe Haaren,
zu ihren Mitgliedern, vorzugsweise waren es natürlich Pfarr-
genossen von St. Peter. Auch Geistliche anderer Kirchen der
Stadt, vom Münster, von St. Poilan und St. Adalbert, Hessen
sich in die Bruderschaft aufnehmen. Das den Satzungen an-
gehängte Verzeichniss der „Gräven", d. h. der jährlich gewähl-
ten Yorsteher und der Mitglieder der Bruderschaft bietet
mancherlei Angaben über die in der Stadt vorzugsweise ver-
tretenen Handwerke und bürgerlichen Beschäftigungen, mehrere
') Noppius a. a. 0. TL T, S. 84 ff.
Die vormalige Bruderschaft vom Leiden Jesu in dachen. I i:>
Aachener Strassennamen, eine stattliche Menge von Familien-
namen und endlich ein buntes Bild Aachener Vornamen in
der Volkssprache. Auch kann aus ihm eine mehr oder weni-
ger sichere chronologische Reihenfolge der Pfarrer von St. Peter
seit dem Anfang des 16. Jahrhunderts aufgestellt weiden.
Der der Handschrift vorgesetzte Bericht über die Stiftung
der „broiderschaf van dat lyden ons heren Jhesu Christi in sint
Peter" hebt mit den Worten an: „In name des almechtigen
gotz, der heiiger dryveldicheit, des vaders, des soens, des beu-
gen geist, umb loff, dank ind ere ind umb gedechtenisse des
heiigen lydens ind des bitteren doitz ons lieven heren Jhesu
Christi, de syn duyrbar bloit umb onsen wille an den cruce
hait usgesturtz, ind zo eren enn loff der heiiger moider gotz
werde maget Maria enn alle godes heiigen ind umb troist enn
hulpe aller kerstenmynschen ind aller geloviger seien."
Aus den weitern Angaben dieses Berichts und den ihm
nachfolgenden Satzungen der Bruderschaft, sowie aus den genau
verzeichneten Beschlüssen, welche an den Stuhltagen von den
versammelten Mitgliedern gefasst wurden, sei nur das Wirb-
ligste kurz hervorgehoben.
Die Bruderschaft wurde im Jahre 1504 von dem Paster
"Wilhelm Lentz (nicht Lentzen, wie Noppius und Quix schrei-
ben *) errichtet. Lentz wird urkundlich zuerst im Jahre 1465
als Pfarrer von St. Peter erwähnt2. Ein Nekrologium des ein-
maligen Regulierherrenklosters zu Aachen gibt den 5. August
1504 als seinen Todestag an3, nennt ihn einen besondern Wohl-
thäter und Freund dieses Klosters und berichtet, dass er im
Chor der Klosterkirche beigesetzt worden und ein Jahrgedächt-
niss erhalten habe, wie jeder Bruder des Klosters4. Dazu seilte
für ihn an den Quatembertagen noch je eine Messe gelesen
x) Nopiiius a. a. ( ). Th. I. S. 85 nennt ihn Lentzen, Quix, Geschichte
der 8t. Peter-Pfarrkirche S. 11 Lenz oder Lenzen. S. 24 Lentzen.
'-) Urkundliche Ä.ufzeichnungen im Pfarrarchiv von st. Peter zu Lachen.
3) Irrig bezeichnet Quix a. a. » ». S. II und 2 I das Jahr 1509 als
Todesjahr des Pfarrers Lentz.
4) Quix a. a. »». S. 11. Anni. I.
in
1 16 K. Wacker
und seiner ausserdem in jeder Dienstags- und Freitagsmesse
besonders gedacht werden. Bevor die Bruderschaft ihre statu-
tarische Thätigkeit begann, starb Pfarrer Lentz, doch war er noch
kurz vor seinem Tode zum Greven für das erste Vereinsjahr
gewählt worden, weshalb er von Breuer noch für das Jahr
1505 mit „Palmen van Haeren" als erster Greve aufgeführt wird.
Die Satzungen der Bruderschaft bestimmen genau die
Pflichten der einzelnen Brüder wie der gesammten Bruderschaft.
1. Jeden Freitag soll eine Messe vom Leiden Christi ge-
lesen, am Ende derselben eine bestimmte Respons gesungen
werden; 5 Kerzen sollen während der Feier brennen.
2. Die Mitglieder der Bruderschaft sollen an jedem Frei-
tag bestimmte Gebete verrichten.
3. Eine grosse "Wachskerze (eyn tortz) soll während der
Wandlung der Bruderschaftsmesse angezündet und bei der Beer-
digung eines Bruders mitgetragen werden.
4. Jeder neu aufgenommene Bruder soll „eynen hoerns
gülden" und 1 Pfund Wachs geben ; wenn er aber arm ist,
nach Belieben. Jahresüberschüsse sollen als Kapitalien aus-
geliehen werden.
5. Ueber die Grevenwahl heisst es in den Satzungen : „Item
men sal zween getruwe man van desen broideren kyesen, die
dese broiderschaf sullen regeren ind bewaren ind allet, dat dar-
zu behoirt, doen bestellen ind usrychten. Sy sullen die misse
ind kertzen bestellen, sy sullen die broideren annemen ind dat
gelt upboeren enn dat bewaren ind alle iair rechenschaf daraf
doen, so wat sy ontfangen haven."
6. An dem jährlich abzuhaltenden Stuhltag — er fand später
gewöhnlich am Sonntag nach St. Bartholomäus (24. August)
oder am Kreuzerhöhungstag (14. September) statt — sollen die
Brüder einem feierlichen Hochamt beiwohnen und während
desselben opfern. Nachher soll in der allgemeinen Versamm-
lung der Brüder Rechnung gelegt und das etwaige Deficit durch
gleiche Beiträge der Mitglieder gedeckt werden. Sodann sollen
die Brüder zusammen über die Angelegenheiten der Bruder-
schaft berathen.
Die vormalige Bruderschaft vom Leiden Jesu in Lacken. 1)7
7. Allgemein wird der ernstliche Beschluss der Bruder-
schaft eingeschärft, dass man „geyn kost noch drynken noch
brassen" von dem Bruderschaftsgeld veranstalten solle, weder
am Stuhltag noch bei andern Gelegenheiten, wie bei der Auf-
nahme eines neuen Mitglieds. Auch solle man au Niemanden
das Ansinnen stellen, etwas zu traktiren. Komisch klingt die
beigefügte Mahnung : „Mer wilt men eynige kost doen of drank
halden, da.t moegen sy usser yren proper eygen buydel doen
ind anders ueit.u
Dass diese Warnung vor der Verweltlichung der Bruder-
schaft wohlberechtigt war, zeigt die weitere Entwickelung der-
selben. In einem Beschluss vom 24. August 1538 ward schon
als Strafe für Zuwiderhandlungen gegen die Satzungen die
Leistung von 2 Viertel Wein, und zwar „van den besten"
oder der Austritt aus der Bruderschaft bestimmt1. Dies be-
rechtigt zu der Annahme, dass bereits damals, also kurz
nach der Gründung, am Stuhltag ein Festessen mit Wein ge-
halten wurde. In spätem Jahren erfahren wir Näheres darüber.
Uebrigens ist auch der Inhalt dieses Beschlusses ] nicht ohne
Interesse; es wird durch denselben jeder Hader, Zank und
alles Keifen mit Worten und mit Werken in den Versamm-
lungen der Brüder, besonders am Stahltag streng verboten.
Bringt man damit die Thatsache zusammen, dass im Jahre
1577 St. Peter für kurze Zeit einen Pfarrer hatte, der sich der
Reformation zuwandte und die Kommunion unter beiden Ge-
stalten austheilte, so könnte man zu der Vermuthung kommen,
dass sich in den damaligen erregten Jahren der Reformation
der innere Zwist in der Bruderschaft vielleicht um die Stellung
der Brüder zu der neuen Lehre gedreht habe.
An dem eben erwähnten Festessen nahmen zunächst nur
die männlichen Mitglieder der Bruderschaft Theil ; im Jahre
1573, unter Pfarrer Gerlach Radermacher, wurde beschlossen.
l) Nach einem llesrhlnss vom Jahre L626 mussten diejenigen Mit-
glieder, welche auf St. Peters KIrchweihung „der procession s. Petri in
ihrer Ordnung mit brennenden Lichtem oichl beiwohnten", zur Strafe eine
Kai WVin geben,
I |s K. Wacker
„das vordan die weyber auf den stoildag mitgesellen sollen
sein in dem gelag oder zeeg, und sol vor den männeren in-
geschenkt werden eyn krauch, und vor den weyberen ein helf-
gen". Bei grosser Mitgliederzahl war für ein so opulentes
Festessen wohl nur schwer ein passendes Lokal zu finden, wie
auch aus einer Notiz im Mitgliederverzeichniss für das Jahr
1674 hervorgeht: „Anno 1674 ist keiner ankörnen, weilen man
wegen enge der platten 1 gutgefunden, die zal der bruder zu
reduciren ad ungefehr 37."
Bei den 1577 und 1578 in der Peterspfarre stattgefunde-
nen religiösen Neuerungsversuchen scheint sich die Bruderschaft
zum alten Bekenntniss gehalten zu haben; damit hängt es
wohl zusammen, dass durch einen 1579 eingeführten neuen
.Modus der Grevenwahl der Einfluss der Jüngern Elemente
zurückgedrängt wurde. Während nämlich die beiden Greven
bisher von allen Bruderschaftsmitgliedern mit gleichem Stimm-
recht gewählt wurden, sollte fortan der eine von den alten,
abgegangenen Greven, der andere, wie früher, von der Gesammt-
heit der Mitglieder erwählt werden. Es heisst: „Anno 1579
den 23. augusti overmits gemeiner broderschaft seind für greven
gekoren von den alden greven Peter Beck; noch haben die
bruder insgemein gekoren Jacoben von Themen" ; später meist
einfacher, wie z. B. 1580 : „auf gemeinen stoildag von den alten
greven erwehlet Johan Herbrand und von der gemeiner broe-
derschaft Jan von Lontzen."
Als 1621 Pfarrer Breuer, der Urheber unserer Aufzeich-
nungen, sein Amt antrat, war die Bruderschaft sehr verfallen.
Noppius schreibt2, dieselbe sei „durch die ketzereyen in Ab-
gang gerahten", und wirklich finden wir für die vier Jahrzehnte
von 1580 bis 1620 nur 16 neu eingetretene Mitglieder ver-
zeichnet. Die ursprünglich für jeden Freitag in Aussicht ge-
nommene Messe war „aus mangel der rinten" aufgegeben, es
wurden jährlich nur mehr zwei Messen gelesen, und die Brü-
') Schüsseln.
') tfoppius a. a. I >. Tit. I. S. 85.
Die vormalige Bruderschaft vom Leiden Jesu in Lachen. I t9
derzahl war so gering-, dass man 1621 bis 1625 dieselben
Greven beibehalten nmsste, ..aus mangel der brüder". Breuer
liess wenigstens jeden Monat eine Messe lesen und hob nach
und nach wieder das Ansehen der Bruderschaft. Im Jahre
.1625 hatte er 10 Brüder zusammengebracht, bald darauf mehrte
sich die Zahl der Mitglieder immer mehr. Damals erhielt die
Peterskirche von der Bruderschaft ein Geschenk, bestellend in
fünf bemalten eisernen Leuchtern, die nebst einem von Pastor
Breuer dazu geschenkten sechsten an den sechs Pfeilern des
damaligen Chors mit Blei eingegossen wurden. Im Jahre 1627
schenkten die zeitigen Greven mit dem Pastor von St. Peter
(Breuer) der Bruderschaft eine neue Fahne; Gerhard Schoerer1
gab den „armesein, seide franien und lein", Franz Klocker2
aber die „schilderey" (das eingesetzte Gemälde); der Pastor
den „machlohn".
Als letzter Beschluss der Bruderschaft ist eine inhaltlich
unbedeutende Uebereinkunft vom Jahre 1665 aufgezeichnet.
Das Verzeichniss der Greven und Brüder stammt für die
Zeit von 1505 — 1550 von Breuer; die spätem Jahre sind von
den jeweiligen Pfarrern nachgetragen. Die Reihenfolge der
Greven ist vielfach lückenhaft; weniger die der Mitglieder,
welche von Breuer eingeleitet ist: „Namen der brüder der löb-
liger broederschaft des leiden s unsers lieben herrn und selig-
mechers Jesu Christi, wilche von an fang deroselber bis heud
dato darinnen gewest und seind durch mich Gerardum Brewer,
pastorem s. Petri. ausgeschrieben anno 1630, den 28. Septem -
bris." Beide. Listen sind, wie oben bemerkt, sein' ergiebig für
die Kenntniss der damals gebräuchlichen Vornamen in der
1) Der Weinmeister Gerhard Schoerer war ein besonderer Wohlthäter
der Peterskirehe (vgl. Noppius a. a. 0. Th. I. S. 85).
-') Ueber die Familie Klocker (Klocker), an welche noch das Wappen
über dem Thoreingang zum Suermondt-Museum in lachen erinnert, vgl.
Aachener Volkszeitung 1887, \r. 97. Franz Klocker wurde hmals 1633,
der Werkmeister Peter Klocker L628, der „ehrengeachte" Gerhard Klocker
L670, Johann Klocker ins:; und L700, Heinrich Klockor Ifi90 «um Greven
der Bruderschaff gewählt,
L50 l\. Wacker
Aachener Volkssprache, der Familiennamen, der Benennungen
für Strassen, Plätze und Häuser.
1. Männliche Vornamen : Bastian (Sebastian) ; Clas (Niko-
laus); Derich (Dietrich); Dreis (Andreas); Gerart; Gierlich
(Gerlach) ; Gillis (Aegidius) ; Godard ; Hein ; Hupert ; Jan ;
Jakob; Joris, Jürgen (Georg); Koenrat; Lambret und Lambert;
Lennart (Leonhard); Lodvich ; Mertin; Mees (Bartholomäus);
Nellis (Kornelius) ; Niss (Dionys) ; Reinart ; Rutger ; Severin ;
Teyl, Theyl (Tilmann); Thonis (Antonius); Thys, Theivis,
Mathys (Mathias) ; Quirin ; Vaes und Servaes (Servatius) ; Va-
lentin; Weynand.
2. Weibliche Vornamen : Ailken, Aykel (Angela oder Adel-
heidchen, noch jetzt im Niederdeutschen Aleid = Adelheid;
Berbgen (Barbara); Bingen (Jaköbina oder Sabina); Bötzgen
(Elisabeth) ; Cathrein, Cathrin, Trein, Trin, Tringen (Katharina) ;
Dreitgen, Drit, Drutgen (Gertrud); Ebel und Eybel (Sibylla);
Eis (Elisabeth); Engel (erste Hälfte von Engelberta); Erm-
gart ; Eytgen und Idgen ( Ida) ; Jengen (Johanna oder Maria
Anna) ; Liebgen (Elisabeth oder Lioba) ; Mery, Merien, Marey-
ken (Maria); Mettel (Magdalena); Needgen (Nettchen, Antonia
oder Katharina); Thill (Mathilde); Walburg und Burgen;
Zeygen (Lucia). Unerklärlich: Hickel.
3. Familiennamen, die ein Handwerk bezeichnen: Bart-
scherer; Duppengisser ; Hamecher (Sattler); Holschemecher
(Holzschuhmacher); Kesselbusser (Kesselschläger, Kesselflicker):
Klockengisser ; Klocker (Glöckner, auch Uhrmacher); Lecler-
reyder (Lederbereiter, Gerber); Lehrreider (wohl dasselbe);
Leffelmecher ; Leyendecker; Leyneweber; Müllener, Müllenar,
Mülleter (Müller); Offermann (Küster); Olichschleger (Oel-
presser) ; Poyffer (wohl = Pfeiffer) ; Radermechers ; Schoinmecher
(Schuhmacher); Schreinmechers (Schreiner) ; Schwertfeger ; Seyl-
winders; Silberberner (Silberarbeiter); Spensetzer (Kardensetzer,
Rauer). Selten ist den Familiennamen die Bezeichnung des
Standes beigefügt. Wir finden: Becker; Fleischewer; Hoet-
mecher; Hoiffschmitt ; Nadelmecher; Schrei nmecher; Tuchferber;
Wapen sticker.
Die vormalige Bruderschaft vom Leiden Jesu in Lachen, [51
4. Familiennamen, welche aus Ortsbenennungen mit vor-
gesetztem „von" bestellen (meist Ortschaften aus der Nähe von
Aachen) : Amel, Amelen ; Baienburg ; Batenburg (Bardenberg ?) ;
Bemelen; Bergh (Laurensberg?); Domnierswinckel, Drimborn;
Erkelenz ; Eschweiler, Elmt; Gulpen ; Gressenich ; Haaren : Heins-
berg; Herle; Kirchrait; Langendorf; Lohn; Lontzen; Lüttich;
Malmendier (Malinedy) ; Mastricht; Morsbach; Münster (wohl
Cornelimünster) ; Moniaw (Montjoie); Oirschlag; Orsbach;
Ouchen; Raet; Randerait ; Reidt; Reiverscheit; Richtergen (Rich-
terich); Rumpen; Savelsberg; Stockit; Stolberg; Theynon;
Thouven ; Yalkenburg ; Voersbach ; Wassenberg ; Weiler ; Weiss-
weiler; Weyden.
5. Sonst interessante Familiennamen: Butterloch (früher
auch der Name eines Hofes in der Wirichsbongardstrasse *) ;
Krewinkel ; Lodderbein ; Paschweck (Osterweck) ; Langohr ;
Granscha, Granschen (Grandjean) ; die Bey (Biene), de Bey,
daraus Debey; Kern; Lamberts; Nutten; Blevenheufft; Clavssen;
Schortzbier; Daniel von der Kannen; Startz, Starts (1519);
Johann Pelser, „Burggref an Collerpforts" (1593); Jungblut
(1632); Blees (1633); Jakob Kloubert, Werkmeister, 1633;
Franz von Trier (aus der bekannten Glockengiesserfamilie) 1651;
Bürgermeister Balthasar Fiebus, 1658; Albertus Scholteis, qo-
tarius, 1668; Dr. iur. utr. Vondefeldt, 1673; Adam Zaro, 1675;
Joh. Jakob Moeß, utr. iur. licentiatus, 1681 ; Joannes Moes,
bey der Rechten Licentiatus und hiesiger Reichsstatt Achen sin-
dicus, 1694; ä Campo, 1710.
6. Städtische Strassen- und Hausnamen (meist aus der ersten
Hälfte des 16. Jahrhunderts): St. Stephanshof (Hartmannstrasse) ;
1510 under die Kreem (Krämerstrasse); 1515 in den Bier-
baum (Krämerstrasse Nr. 3); auf dem Wingartsberg; in der
Cöllerstrass ; c. 1510 oppen und aupgen Hopman; in der
') Ob damit auch der Name Buttergasse (ein jetzl unterdrückter Wej
vor Adalbertsthor) zusammenhängt? Ein Peter Butterioich kommt in dem
Spottgedicht von 1513 vor (vgl. Eaagen, Geschichte Lehens II. S. 630.
V. 237); in dem Bruderschaftsbuch wird zum Jahre 1504 Simon Butterloch
i|<t Alte ^cnniint.
L52 K- Wacker, Die Bruderschaft vom Leiden Jesu in Aachen.
Müllen (wohl die ehemalige Molengasse, jetzige Sandkaulbach-
strasse1); 1511 auf das Komphausbadt ; 1626 auf das h. Gayst-
haus (vormaliges Hospital auf dem Chorusplatz); c. 1650 in
Colnerstraß unweit den putz am kirchhof ; uf dem Compesbath,
alwo man in der bach gehet.
Als geistliche Mitglieder der Bruderschaft sind ausser den
zeitweiligen Pfarrern von St. Peter noch zu verzeichnen : Maria
von Oirsbag, moeder auf St. Stephanshof, 1504; Albertus
Pictorius, rector scholae Marianae, 1618; er war Kaplan an
St. Peter und zugleich Kektor einer Pfarrschule; Philippus
Nagel, pastor s. Foilani, 1665; Joh. Gerardus Schweiren, cano-
nicus Düsseldorfiensis, 1665 ; Joannes Offermann, pastor s. Foilani,
1672 (er starb am 2. oder 12. August 1686); Wilhelmus
Groten, 1652 und Stephanus Meess 1670, beide Stiftsherren von
St. Adalbert; Rochus Winandts, vicarius Beatae Virginis Mariae
Aquisgrani, 1670; Dumont, Stiftsherr von St, Adalbert, 1673;
Johannes Küpper, pastor ad s. Elisabetham (Gasthaus am
Münsterplatz), 1689.
Ueber das Jahr 1722 hinaus ist ein auf das Schicksal der
Bruderschaft vom Leiden Jesu bezüglicher Bericht nicht auf
uns gekommen. Schon seit Ende des 17. Jahrhunderts ver-
nachlässigt, scheint sie später nach und nach eingeschlafen zu
sein und sich nicht einmal bis in die Zeit der französischen
Herrschaft erhalten zu haben.
l) Tgl. Quix a. a. 0. S. 20.
Aus dem Tagebuch des Aachener Stadt-
syndikus Dr. Peter Fell.
Voii E. Pauls.
i.
Der im Jahre 1795 verstorbene Aachener Stadtsynclikus1 Dr.
Peter Fell hat ein ziemlich umfangreiches Tagebuch 2 hinterlassen,
welches theils über das Leben seines Verfassers, theils über
manche ortsgeschichtliche Ereignisse des vorigen Jahrhunderts
in nicht ganz uninteressanter Weise berichtet. Vollständig ist
das Tagebuch nicht. Es fehlen alle Angaben über Fells erste
Studienzeit3, es fehlen Mittheilungen über die Fremdherrschaft4
und viele ihr vorhergehende Jahre.
Syndikus Peter Fell stammte aus einer angesehenen und
wohlhabenden Familie5 Aachens. Die im September 1722
geschlossene Ehe seiner Eltern Peter Fell 6 und Elisabeth
*) Syndikus hiess früher der rechtskundige Vertreter einer Gemeinde.
'-') Quartband von 338 meist beschriebenen Seiten, in meinem Be
Ein Theil des Inhalts (Weltgeschichtliches, Münztabellen, Heilmittel u. s. w.)
ist werthlos.
3) Allem Anschein nach waren nähere Angaben vorhanden, doch sind
später die betreffenden Tagebuchblätter herausgerissen worden.
*) Aufzeichnungen aber die Premdherrschaff hai Fell wohl an
berechtigter Vorsicht unterlassen.
5) Die nachstehenden genea aben beruhen auf dem 1
buch und auf alten demselben beiliegenden Todtenzetteln.
6) SeinStand wird nicht genannt; er war im Jahre L698 u und
starb L772. Der Name der Krau lautel an einer Stelle Beckers, Sic Lebte
von 1694—177.".,
|.-,l E. Pauls
Becker war mit drei Söhnen gesegnet worden. Zwei derselben
widmeten sich dem geistlichen Stande. Heinrich Fell (geb.
1727) trat in den Augustinerorden, wurde im Jahre 1751
Priester, und starb unter dem Klosternamen P. Hyacinthus
als Subprior des Aachener Augustinerklosters am 12. August
1781 \ Sein Bruder Joh. Jos. Pell (geb. 1733) erhielt die
Priesterweihe im J. 1757, wurde schon nach zwei Jahren
Johannisherr am Aachener Münster2 und ebendaselbst in viel
späterer Zeit Ehrendomherr. Er starb zu Aachen am 20.
November 1816 3.
Als Geburtstag des Stadtsyndikus Peter Fell bezeichnet
das Tagebuch den 21. November 1729. Wir wissen nicht, wo
der Knabe seine erste Ausbildung erhielt ; wahrscheinlich sind
bei ihr die in Aachen damals ansässigen Jesuiten thätig
gewesen. Bas Tagebuch 4 beginnt mit der juristischen Prüfung,
welcher sich im Juni 1752 der fast 23jährige junge Mann
in Trier unterzog. Es heisst: „Am 9. Juni 1752 wurde in
des Herrn Professors Haus vom Herrn Professor, Herrn Doktor
und Kanonikus Idschet und Herrn Dr. Grell das Tentamen
vorgenommen5. Am 10. Juni musste ich das Examen rigo-
rosum ausstehen, dann wurden mir vier Thesen zum Ver-
theidigen aufgegeben. Am Sonntag den 11. Juni Morgens
hielt ich meine Defension auf St. Simeons-Bibliothek im Bei-
sein der vorbenannten Herren. Ich speiste zu Mittag beim
Herrn Professor, und Nachmittags um 4 Uhr wurde ich daselbst
im Privatauditorium nach akademischer Sitte zum Doktor
x) Er ruht in der Augustinerkirche in der Pontstrasse zn Aachen.
'-') Hierin ein Beweis für das Ansehen der Familie Fell.
3) Vgl. Quix, Historische Beschreibung der MünsterMrehe S. 114.
4) Im Nachfolgenden gebrauche ich die heutige Schreibweise, kürze
und ändere in einer für den Sinn der Mittheilungen durchaus u n-
w e s e n tl i e h e n Weise häufig die Angaben des Tagebuchs und behalte nur
wenige, besonders bezeichnende Fremdwörter bei.
5) Für Juristen sei hier der Schluss dieser Notiz beigefügt: „Nach
welchem (dem Tentamen) mir das cap. Cumana 50. X de elect. und der C. 2
Cod. de rescind, vendit, /.u expliciren aufgegeben worden*"
Aus dem Tagebuch des Aachener Stadtsyndikus Dr. Peter Fell. L55
beider Rechte kreirt und feierlich proklamirt in Anwesenheit
der Herren1 Stadtschreiber Caroe, Dr. Knödtgen, Dr. Grell,
Wengeler und Anderer, wie auch des Herrn Professors Mutter.
Nach der Promotion bewirthete ich die anwesenden Herren
mit einem kostbaren Glas "Wein und kleinem Nachtisch. Der
folgende Tag war kleinen Ausflügen1 mit meinem Hospes,
seiner Gemahlin, deren Schwester, Herrn Wengeler und Herrn
Beyer gewidmet." Fells Dissertation und eine andere von ihm
verfasste juristische Schrift befinden sich nach dem Katalog
von 1834 (S. 60) in der Aachener Stadtbibliothek. Die Titel
lauten: 1. Exercitatio iurid. de obligatione praesertim natural!
Aug. Trevir. 1751. 2. Sentimentum iuris de prorogatione
iurisdictionis de testamento viduae B. nee non de successione
prolium. Aquisgr. 1757. Die Schilderung der Heimreise von
Trier bis Aachen bietet wenig Bemerkenswerthes. Fell bestieg
am 13. Juni Morgens 10 Uhr ein Schiff in Trier, landete aber
trotz ununterbrochener Fahrt erst gegen 8 Uhr Abends am
14. Juni in Koblenz, avo er im wilden Mann übernachtete.
Von dort ging gegen 7 Uhr Morgens am 15. -Juni die Reise
zu Schiff nach Köln weiter2, wo Fell nach kurzem Aufenthalt
in Linz und Bonn um 6 Uhr früh am 16. Juni ankam. In
Köln blieb der junge Rechtsgelehrte den Tag über, nahm
andern Morgens den Postwagen und langte gegen 8 Uhr
Abends in Aachen an. Im Ganzen dürfte die Fahrzeit sich
auf mehr als 60 Stunden 3 belaufen haben. Anscheinend hat
Fell grössere Reisen später nicht mehr unternommen4. Wie
das vorliegende Beispiel beweist, war vor 130 — 140 Jahren das
Reisen mühsam und zeitraubend; auch mögen die vielen
*) 11s. divertirte ich mich mir meinem llu>|irs u. s. \\.
■) In Engers stiessen 'li-' Reisenden auf 5 Schiffe mit Auswanderern.
Es waren Schwaben, Württemberger and Kurpfälzer, welche nach den
englischen Kolonien in Ajnerika reisten.
3) Auf die Postwagenfahrl von Köln bis Aachen fielen wohl mindestens
in— r_' Stunde» ; vgl. Zimmermann, Aachener Kalender für L880, S. 127.
4) Das Tagebuch erwähnt nur noch 3 amtliche Reisen nach Diu
dörf, AnhoH und Lüttich,
156 E. Pauls
durch einen reichen Kindersegen bedingten häuslichen Sorgen,
sowie manche amtliche Pflichten den Verfasser des Tagebuchs
an Aachen gefesselt haben. Ueber seine Thätigkeit als Rechts-
anwalt, Rathsherr und Stadtsyndikus verdanken wir dem Tage-
buch die folgenden, hier der Zeitfolge nach geordneten An-
gaben.
„1752, den 6. August habe ich als Advokat den ersten
Aktum verrichtet, nämlich für Herrn Korschgens ein juristisches
Gutachten für 2 Reichsthaler (4,50 J£) l angefertigt. Am 25. Au-
gust bin ich vom Rath zum Sendschöffen präsentirt worden.
Am 17. September habe ich zum ersten Mal zwei Prozesse be-
kommen in dem Ländchen zur Heiden. Am 13. November
habe ich angefangen, dem Herrn de Witte den Heineccium 2 ad
instituta vorzulesen.
1753, den 8. Januar, nachdem ich das erste Buch von den
Instituten mit dem Herrn de Witte allein geendigt, habe ich
mit ihm und dem Herrn von Fürth die Instituta aufs Neue
angefangen. Am 3. Februar ist Knops noch dazu gekommen.
Am 27. Juli hat Herr Kanonikus Barts mit den andern drei
die Instituta wieder angefangen. Am 5. November habe ich
von Neuem angefangen, dem Herrn Kanonikus Barts allein die
Instituta vorzulesen. Am 12. November ist Herr Fabrij noch
dazu gekommen.
1754 vom 1. November bis zum 22. Mai 1755 habe ich
dem Herrn Fabrij den Heineccius vorgelesen.
1755. In diesem Jahre habe ich zuerst Relationen ge-
macht auf dem Rathhaus. Im November fing ich an, den
Herren Gartzweiler und Corneli den Heineccius vorzulesen,
wobei ich zugleich meine Anmerkungen diktirte."
Auf diese wenigen Angaben beschränkt Fell seine Mit-
theilungen über die ersten drei Jahre seiner Thätigkeit als
Rechtsanwalt in Aachen. Der Anklang, den sein Unterricht
J) In der Klammer gebe ich hier and an einigen folgenden Stellen
die gleiche Summe in heutiger deutscher Reichsniüiize an.
'-') Heineccius Messen zwei berühmte Rechtsgelehrte des vorigen Jahr-
hunderts.
\us dem ifagebuch des Aachener Stadtsyndikus Dr. Peter Fell. !.">.
fand l, die ihm seitens des Magistrats übertragene Anfertigung-
gewisser Berichte, ferner in etwa die Thatsache, dass es ihm
schon im Jahre 1758 möglich war-, einen eigenen Hausstand
zu gründen, lassen darauf schliessen, dass Fleiss und Talent
ihm den auch damals rauhen Weg zu einer gesicherten an-
gesehenen Stellung bald geebnet hatten. An städtischen An-
gelegenheiten scheint Fell sich erst seit 1768 in hervorragender
Weise betheiligt zu haben. Gegen Ende dieses Jahres sandte
der Rath ihn nach Düsseldorf, damit er im Namen der Stadt
dem zum Statthalter des Herzogthums Jülich ernannten
Grafen von Goldstein Glück wünsche und gleichzeitig ein
Fuder Wein als Geschenk überreiche3. Zu den folgenden
Jahren meldet das Tagebuch: „1769. Nachdem die Stadt
(Aachen) am 10. Februar von 2000 Mann kurpfälzischer
Truppen überfallen worden, bin ich am 16. Februar vom
grossen Rath mit Herrn Bürgermeister von Richterich und Herrn
Syndikus Denys nach Düsseldorf deputirt und bevollmächtigt
worden4, die Streitpunkte unter Vorbehalt der Genehmigung
des Aachener Magistrats (gravamina sub ratificatione amplissimi
senatus) im Wege des Vergleichs zu beseitigen. Den 17.
Februar Abends nach Düsseldorf abgefahren und den 25. März
heimgekehrt.
1770, den 16. Februar, Morgens früh bin ich als Bevoll-
mächtigter (Plenipotentiarius) seiner Hochfürstlichen Durch-
laucht von Salm-Salm Ludwig Karl Otto mit dem Notar
Jacobs auf Anholt mit Extrapost abgereist, um daselbst von
besagter Reichsherrschaft Besitz zu nehmen und vom dasigen
Magistrat und Bürgerschaft mir huldigen zu lassen.
1) In spätem Jahren hat er wahrscheinlich nur selten mehr sich zur
Ertheilung von Unterricht verstanden. Das Tagebuch melde! nur i h /.um
September 17f>!), dass er damals dem jungen Eerrn Ostiender die Institute
iuris vorlas.
2) Beim Abschluss der Ehe lobten beiderseitig dir Eltern des Braut-
paars noch; für dieses war also ererbtes vermögen Kanin vorhanden.
8) Vgl. Zeitschrift des Aach. Geschirhtsvereins VII. S. 209 und 278.
4) Vgl. Eaagen, Geschichte Lehens IL S. 352.
ir,x E. Pauls
1773, am 13. April fragte Herr Bürgermeister Kahr, ob
ich mich in die Gesellschaft der Herren vom Bock * auf-
nehmen lassen wolle? Auf meine bejahende Antwort wurde
ich am 29. April von der Zunft einstimmig und zwar allein
erwählt. Dem Zunftdiener Dulje zahlte ich eine halbe Krone
(2,35 J£)\ ist aber sonst auf einen halben Reichsthaler
(1,13 J€) festgesetzt. Die Zunftgebühren zahlte ich am 4. Mai
mit 18 Reichsthalern 6 Gulden (42 J&). Am 23. Juni wurde
ich in den grossen Rath gewählt. Am 20. November gegen
7 Uhr Abends wurde ich mit dem Herrn Bürgermeister von
Wyire zum Prinzbischof von Lüttich, Franz Karl Graf von
Velbrück, deputirt wegen der Angelegenheit der Aachener
Jesuiten 2. Wir fuhren am 22. Morgens um V2 7 Uhr von
hier ab und kamen Abends zu Lüttich im schwarzen Adler
an. Am folgenden Morgen fuhren wir zum Generalvikar
(grancl Vicaire) Graf von Raugrave, bei welchem wir zu Mittag
speisten. Am 24. Morgens um 11 Uhr hatten wir Audienz
beim Prinzbischof und speisten Mittags beim Generalvikar.
Am Morgen des 27. November sind wir wieder heimgefahren.
1775, den 27. April bin ich mit Herrn Dr. Carlier deputirt
worden, um die Anlage einer neuen Landstrasse in Burtscheid
zu stören, welches ich am Morgen des folgenden Tags mit der
Grenadier-Kompagnie und etlichen 20 Arbeitsleuten vollstreckt
habe. Am 20. September Morgens nach Eröffnung der Stadt-
thore rückte das Grenadierkorps in Burtscheid ein und störte
die Einnahme des Wegegelds. Am 26. September wurde ich
im Rath zum Statthalter der Burtscheider Meierei von Herrn
Meier Mclas präsentirt und vom Rath angeordnet. Am
28. September wurde ich von Herrn Meier "Niclas zu Burtscheid
am Gericht eingeführt und beeidigt. Das Gericht wollte mich
nicht annehmen, die Schöffen wurden daher jeder zu 100
x) Die Gesellschaft der Herren vom Bock war die politisch einfluss-
reichste Aachens. Vgl. Quix, Beiträge HT, S. 100 f.; Haagen a. a. O. II.
S. 65, 144, 267.
-) Vgl. Haagen a. a. 0. II. S. 364.
',-....
Aus dem Tagebuch des Aachener Stadtsyndikus Dr. Peter Fell. L59
Goldgulden verurtheüt und dafür gepfändet. Das Gerichl
appellirte sodann an das Kaiserliche Reichskammergericht und
erhielt ein Mandat am 14. Dezember. Am 16. Dezember kam
die Nachricht, dass Burtscheid von Wetzlar zwei Mandate
erhalten habe, weshalb zu Burtscheid entsetzlich geschossen
wurde K
1776, auf Johannistag bin ich zum Stadtbaumeister erwählt
worden unter Herrn Bürgermeister Kahr, welcher 5 Tage später
starb. Ich bin 3 Jahre lang Baumeister geblieben und im
Jahre 1779 zum Werkmeister erwählt worden.
1788, am 31. Juli bin ich vom grossen Rath zum Stadt-
syndikus2, sowie Freiherr von Wylre und Herr Franz Karl
Nellessen zu Bürgermeistern, sodann Herr Bürgerhauptmann
Joh. Michael Kreitz und Herr Baumeister Bucholtz zu Werk-
meistern erwählt worden. Zu Bürgermeistern konkurrirten
Herr Schöffe von Clotz und Herr Bürgermeister von Thimus.
Zu Werkmeistern konkurrirten Herr Rentmeister Wildt und
Herr Servatiiis Schieiden. Das heisst: diese wurden von der
neuen Partei gewählt 3."
Von den Angaben des Tagebuchs über Fells Familien-
verhältnisse sind einige von allgemeinem! Interesse. Ueber
seine Trauung heisst es: „1758, den 21. Juni, Abends um
1) Fells amtliche Stellung in Burtscheid, welches im. Jahre 1775 mehr-
fache Zwistigkeiten mit Aachen hatte, war nicht von langer Dauer. Vgl.
Haagen a. a. 0. II, S. 365. Im Tagebuch folgen Angaben über eine Fieber
krankheit, an welcher Fell seit Dezember 1775 bis zum Februar 1776 litt
2) Ueber das Amt der beiden Syndici schreibt Fell an rinn- andern
Stelle seines Tagebuchs : „Der ältere Syndikus ist Director cancellariae, d. h.
er respicirt die acta exhibita und setz! die Dekrete darauf; die regieren-
den Herren Bürgermeister aber stellen die acta ad referendum. Der jüngere
Syndikus sitzet mit im mündlichen Verhör und gib! nebsl den Honsulenten
sein vot.uin consultativum." Die Eidesformel des Aachener Syndikus giW
Eaagen a. a. 0. H, S. 286.
8) Aachen war kurz vor der Fronidherrsehaft in den die Mäkelei
genannten Unruhen in die alte und neue Partei geschieden; Fells Niami
wird bei diesen Streitigkeiten nur selten erwähnt. Näheres bei Haagen a,
a. 0. II. S. 373 ff. und in Cronenbergs Broschüre: Die Mäkelei.
Uli) K. Pauls
V2 8 Uhr bin ich von meinem Jüngern Bruder Johannes
dahier im Münster vor dem Muttergottesaltar mit Maria Josepha
Meessen l ehelich eingesegnet worden. Als Zeugen waren dabei
mein Vetter Joseph Beckers, ihrerseits die Juffer Bas Elisabeth
Hoffmann und Theresia Merckelbach. Dem Pastor von St.
Foilan zahlte ich für den Losschein 2 ein Kronenstück zu 16 72
Gulden (4,13 Jk), kostet sonst 9 Gulden (2,25 J£). Dem
Pastor aus dem Münster auch zahlt ein Kronenstück, kostet
sonst 14 Gulden (3,50 J£). Dem Herrn Recker als assistiren-
dem Kaplan verehrte ich eine halbe Krön, dem Küster und
Glöckner jedem ein Kopstück 3. Meinem Bruder einen voll-
wichtigen Dukaten von 3 Reichsthalern 3 Gulden (7,50 J£),
der Magd von meinem Schwiegervater ein Paar silberne
Schnallen und ein Kronenstück von I6V2 Gulden (4,13 J€)\
unserer Magd in dem Haus von Belderbusch4 ein bordirtes
weisses Schnupftuch." Aus Fells Ehe gingen 8 Kinder, dar-
unter 3 Söhne hervor. Ein besonders schwächliches Kind
wurde im elterlichen Hause durch den Geistlichen getauft;
bei den übrigen vollzog sich der Taufakt in der Johanniskapelle
des Aachener Münsters5; einmal in der Zeit zwischen Ostern
und Pfingsten auf dem Hochmünster 6. Als Stunde der Taufe
wird meist die letzte Morgenstunde angegeben 7 ; die Taufe
fand entweder am Geburtstag oder dem ihm unmittelbar
*) Sie war die Tochter der Eheleute Johann Meessen (Rechtsgelehrter,
f 1785) und Johanna Christina Catel (+ 1767).
-) Hs: pro testimonio libertatis.
a) Eine Silbermünze von etwa 7/10 Mark heuriger "Walmvng.
4) Später bezog Eell für kurze Zeit eine dem Drossard von Lippinan
zugehörige "Wohnung. Nach der Ehe besass bezw. erwarb er zwei Häuser,
deren eins in der Scherpstrasse St. Anna gegenüber lag, das andere in der
Eselsgasse (Edelstrasse).
5) Fell nennt sie Capeila s. Johaunis Baptistae in Parvisio und berichtet.
sie sei im Jahre 1766 reuovirt worden.
6) Stimmt mit Quix, Historische Beschreibung der Münsterürche S. 16.
7) Ein in der Heiligthumsfahrt geborenes Band wurde ..wegen der
Seiügthumsfahrt" um 2 Uhr Nachmittags getauft.
Aus dem Tagebuch des Aachener Stadtsyndikus Dr. Peter Fell. 161
folgenden Tag statt1. Zwei in .sehr jugendlichem Alter gestor-
bene Kinder fanden im „Kinderkeller' des Aachener Kanne-
litenklosters ihre Ruhestätte2. Dass ein Mann von der Bildung
Fells den Geburtsdaten seiner Kinder stets einige Bemerkungen
astrologischer Art aus dem Kalender hinzufügte, beweist, dass
im vorigen Jahrhundert die Nichtigkeit der Sterndeutekunst
bei uns noch nicht allgemein anerkannt war. Bemerkenswert!)
ist eine Angabe des Tagebuchs über die Firmung dreier Kinder
von Fell. Der Weihbischof von Lüttich weihte am 17. Juni
1770 die Kreuzbrüderkirche in Aachen ein. Mit vielen andern
empfingen auch Fells 3 älteste Kinder bei dieser Gelegenheit
das Sakrament der h. Firmung. Abweichend von den heutigen
Gebräuchen wurden die Firmlinge in sehr jugendlichem Alter
zugelassen, denn der älteste zählte 9, der jüngste noch nicht
4 Jahre; auch war wohl damals die Zahl der Firmpathen eine
grössere als heutzutage. Es heisst: „Unserer ältesten Tochter
hat das Stirntuch umgebunden das Fräulein Maria von Ringler,
der andern das Fräulein Theresia von Ringler, dem Peter aber
mein Bruder, der Johannisherr Johannes Josephus."
Nach der Besetzung Aachens durch die Franzosen im
September 1794 ging bei der Neuordnung der Dinge die Stelle
eines Syndikus der ehemaligen freien Reichsstadt bald ein.
Etwa 3 Monate lang bekleidete jetzt Fell des Amt eines Frie-
densrichters in Cornelimünster, wo er früher schon häufig in
Rechtssachen thätig gewesen war3, dann wurde er bei in
Handelsgericht zu Aachen angestellt4. In dieser Stellung
wirkte er von Januar 1795 bis zum 13. November desselben
Jahres.
x) Pathengeschenke werden nur .einmal erwähnt, als eine Pathin oichl
wenige!- als -'!1 .ReirlisthaliT (69,75 Ji) schenkte.
'-') Zwischen' Tod und Beerdigung lagen jedesmal kaum 27 Stunden.
Leichen von Erwachsenen wurden dagegen, wie aus tnehrern Stellen des Tage-
buchs hervorgeht, meist erst am /weiten Taue nach dem Hinscheiden bestattet.
8) Nach urkundlichem Material zur Geschichte Cornelimünsters.
4) Seine Frau, welche die Nachrichten über das Ende ihres Mannes in
das Tagebuch eingetragen hat. nennt ihn Syndikus des Handelsgericht E
ist fraglich, ob diese dein frühern Titel angepasste Bezeichnung richtig ist.
ii
102 E. Pauls, Alis dem Tagebuch dos Stadtsyndikus Dr. Peter Fell.
Noch am 12. November hatte er einer Abendsitzung des
Handelsgerichts beigewohnt, am 13. November noch bis gegen
Mittag gearbeitet. Drei Stunden später ereilte ihn der Tod.
Im letzten Jahre seines Lebens scheint Fell kränklich * und
lebensmüde gewesen zu sein. Wie seine Gattin schreibt, sehnte
er sich oft nach der Ewigkeit und „am Morgen seines Todes-
tags hat er wie gewöhnlich vom Sterben gesprochen, dass
nämlich, wenn er heute sterben müsste, dies sein schönster
Tag sein würde". Der gänzliche Znsammensturz so vieler lieb-
gewonnenen Einrichtungen, der furchtbare Druck der Fremd-
herrschaft, der Mangel jeder Hoffnung auf die Wiederkehr der
fr ühern Verhältnisse mögen dem alten Manne seinen Lebensabend
in trauriger Weise verbittert haben. Fell ruht auf dem Fried-
hof vor Kölnthor bei Aachen2; seine Gattin starb am 12. Mai
1804 3. Schon am 17. Juli 1804 folgte seinen Eltern im
kräftigsten Mannesalter ihr einziger Sohn4, der Priester Joh.
Pet. Barthol. Fell. An einer Brustfellentzündung5 verschied
er auf einer Reise nach Bacharach, kaum 37 Jahre alt; längere
Zeit hindurch war er Kanonikus in Xanten gewesen6.
*) Anscheinend war Fell brustleidend. Sein Tod erfolgte infolge eines
Schlaganfalls fast unmittelbar nach quälenden Hustenanfällen, zu deren
Bekämpfung der Sterbende Arznei verlangte. Das Sterbehaus wird nicht
genannt; es war wohl das Haus in der Scherpstrasse.
2) Hs. „Vor Kölnerpfort auf dem neuen Kirchhof." Der Friedhof vor
St. Adalbertsthor wurde erst zu Anfang dieses Jahrhunderts angelegt.
3) Das Sterbehaus war das Haus in der Scherpstrasse; sie ruht auf
dem Friedhof vor Adalbertsthor.
4) Zwei andere Söhne waren im frühesten Kindesalter durch den Tod
ihren Eltern entrissen worden.
5) Hs. Pleuresie.
6) Er ruht in Bacharach. Ueber das Geschick der aus der Feilschen
Ehe hervorgegangenen Töchter j;ibt das Tagebuch nur unvollständige Auskunft.
St Gertruden Minne.
Von K. Wietli.
Im Jahre 1385 ist Aachen als Mitglied des Landfriedens-
bunds zwischen Maas und Rhein genöthigt, im Verein mit den
übrigen Verbündeten das starke Raubschloss Reifferscheid in
der Eifel zu belagern. Es wird eine Abtheilung von etwa
120 bis 200 Mann unter der Führung des Bürgermeisters
Johann von Punt und der Schöffen Arnold Volmer und Jakob
Colyn zu dieser Fahrt bestimmt. Ehe nun die genannten
Herren mit „der steede gesinde" zu dem langwierigen und
nicht ungefährlichen Unternehmen ausrücken, nehmen sie von
den Zurückbleibenden feierlichen Abschied. Die Mannschaften
haben marschfertig auf dem Marktplatz Aufstellung genommen.
Auf dem Rathhaus sind die Mitglieder des Raths nebst ihren
Familien versammelt. Da werden grosse Kannen Weins heraus-
getragen, und Alle, die ins Feld ziehen, wechseln mit den
Daheimbleibenden den letzten Abschiedstrunk. Mit den Worten:
„Der h. Gertrud Minne trinke ich dir zu auf dein Wohl !" werden
die Becher geleert und gegenseitiger Händedruck gewechseli '.
l) Laurent, Aachener Stadtrechnungen aus dem II. Jahrhundert S.
306,27-86: „Item des dages, dn linse heren ewech reden, sehende man yreri
wiveri ind vort der sr le gesinde, die ewech waren, den eynen 2 quart,
den andern 1 veirdel. - [tem du anse heren ewech vuren. zu sint Geir-
truden mynne rar den sal 1 veirdel. [tem der st le gesinde zer letzten
1 veirdel." Als Formel, die Minne der li. Gertrud vorzutrinken, gibt Janus
Douza folgende :
Esse scyphum hunc comitemque scyphi Gertrudis amorem,
E*ropino, (et prosit) m»-^ manuque tibi.
Woli', Niederländische Sagen S. 699.
ii
164 K. Wieth
Diese sinnige Art des Abschiednehmens war in alter Zeit fast
in allen Theilen Deutschlands verbreitet, ist jetzt aber mit Aus-
nahme nur weniger Landstriche gänzlich ausgestorben \ Da
aber gar manche solche Gebräuche nachweislich bis in die
heidnische Vorzeit zurückgehen und bei richtiger Deutung oft
überraschende Schlaglichter über jene längst vergessenen Zeiten
werfen, so möge auch im Nachstehenden versucht werden,
der Entstehung und ursprünglichen Bedeutung der Sitte des
St. Gertrudenminne-Trinkens nachzugehen.
Die h. Gertrud war die Tochter Pippins von Landen und
seiner Gemahlin Itisberga, auch Ituberga, verkürzt Itta genannt.
Sie wurde Äbtissin des von ihrer Mutter gestifteten Klosters
Mvelles in Belgien und starb daselbst im J. 659 2. Die Heilige
gehört demnach jenem erlauchten Fürstengeschlecht an, als
dessen berühmtester Spross nachmals Karl d. Gr. erwuchs. Sie
wurde als Beschützerin der Reisenden um eine glückliche Fahrt
bei friedlichen Reisen und kriegerischen Unternehmungen und
um gute Herberge angerufen, weshalb man ihr an gangbaren
Strassen und Brücken Kirchen und Kapellen erbaute. Aber
nicht bloss die Lebenden, auch die Verstorbenen nahm sie
einem alten Volksglauben gemäss in der ersten Nacht nach
dem Tode gastfreundlich auf. Sie galt weiterhin als Friedens-
stifterin und gilt in der Gegenwart noch ganz besonders als
Bringerin des Frühlings und Beschützerin des Gartenbaus.
Dem entsprechend wird auch ihr Fest am 17. März gefeiert.
Dargestellt wird sie in JSTonnentracht mit einem Rockenstab in
der Hand, an welchem drei Mäuse hinauflaufen, eine Vor-
stellung, welche in scherzhafter Form zu Aachen noch in der
Redensart: „Oem zent Gertrudes komme de Bure met Miis agen
Stecke uoh Ocheu fortlebt3.
') Zingerle, St. Johannissegen und Gertradenminne (Wiener Sitzungs-
berichte, liist.-phil. Klasse 1862, S. 229 11) führt eine ganze Reihe vm, Be-
legen an.
'-') Acta Sanctorum, Märtii, TI, p. 590 sqq.
8) Gef. Mittheilung des Herrn Staatsanwaltschafts-Sekretär Schollen
zu Ä.achen.
St. I tertrudeu .Minne. L65
Am Niederrhein besteht ein schönes und uraltes Volks-
lied, welches uns den Brauch, der h. Gertrud Minne zu trinken,
in legendenhafter Weise erläutert1.
Es war ein Ritter in Niederland,
Der trug einer Jungfrau grosso Minne.
Die Reine war St. Gertrud genannt,
Sie benahm ihm Herz und alle Sinne.
I)ie Jungfrau liebte keinen Mann,
Sie hatte sich in ein Kloster begeben,
Gott und dem guten St. Johann,
Dem wollte sie dienen all ihr Leben.
Der Ritter, der sonst täglich kam,
Jetzt dürft er sie nicht sehn noch sprechen :
Das schuf ihm Kummer und bittern Gram.
Er dachte, sein Herz sollt ihm zerbrechen.
Er schenkte nun sein ganzes Vermögen ihrem Kloster
und wanderte als armer Mann traurig einher. Da begegnet
ihm auf einsamer Heide der Teufel und fragt ihn nach dem
Grunde seiner Niedergeschlagenheit, darauf verspricht er ihm
neue Schätze und ein lustiges Leben, wenn er ihm seine Seele
verschreiben wolle. Der Ritter schlägt ein und erbittet sich
eine Frist von sieben Jahren.
Und als es kam an den letzten Tag:
.,Ade St. Gertrud, wir müssen uns scheiden.
Den ich vor euch nicht nennen mag.
Der harret mein auf wilder Haiden."
„Nun trinket, Ritter, St. Johanns Geleit
Und meine Minne, das muss euch frommen.
Nun trinket, Ritter, wie traurig ihr seid.
Ich hoffe, ihr sollt noch wieder kommen."
Kr hob den Becher wohl an den Mund,
Er trank den Wein auf ihre Minne.
Kr trank ihn aus bis auf den Grund
Und Hess keinen Tropfen darinne.
'_) Abgedruckt bei Simrock, Rheinsagen, 6. LuiL, S. 8 n.
166 K. Wieth
Da ritt er hinaus in die Mitternacht
Und stach das schnelle Ross mit den Sporen,
Er hatte sich keiner Weile bedacht:
„Es ist doch nun allzumal verloren/'
Und als ihn der böse Feind ersah,
Der wich zurück vor ihm mit Zagen:
„Nehmt euern Brief ! kommt nicht so nah !
Ich will euch los und ledig sagen."
„Sie sitzt dahinten auf eiierm Pferd,
Deren Minne zuletzt ihr getrunken,
Sie hat es mir allzustreng verwehrt,
Da ist mir alle Macht entsunken."
Aber nicht nur der h. Gertrud, sondern auch anderer
Himmlischen Minne wurde getrunken, so Christi, Marias, St.
Martins, St. Stephans, vorzüglich aber St. Johannis Minne, auch
Johannissegen genannt, letzterer, wie auch in dem nieder-
rheinischen Volkslied, meist zusammen mit St. Gertruden Minne
angeführt.
Die Feierlichkeit und der Ernst dieses Trinkgebrauchs
wurde noch dadurch gehoben, dass der dabei verwandte Wein
vielfach, vorher in der Kirche gesegnet war. Es geschah dies
und geschieht noch heute am Feste des h. Johannes des
Evangelisten (27. Dezember).
Doch nicht nur die christlichen Deutschen, auch deren
heidnische Vorfahren huldigten dieser frommen Sitte und
tranken schon die Minne der Götter und Göttinnen Walhallas.
J. Grimm * weist nach, dass das Minnetrinken aus dem Hoiden-
r) Deutsche Mythologie I, S. 52 ff. Zur Vergleichung lüsst sich auch
Homers llias XXTV, V. 283 ff. passend anführen (Uebers. von Eb.rentb.al) :
Da kam Hekabe ihnen genaht mit bekümmerter Seele,
Einen goldenen Becher des herzerquickenden "Weines
Tragend in ihrer Rechten zum Opfertruhk für die Abfahrt.
Vor das Gespann hintrat sie und sprach ausrufend die Worte:
Nimm und spende dem Vater Zeus und erflehe dir Heimkehr
Aus feindseliger Mäimer Gewalt, da das muthige Her/, nun
Doch zu den Schiffen dich treibt, sehr meinem Willen zuwider,
St. Gertruden Minne. iu<
thum stamme und ursprünglich die Bedeutung von Trankopfern
gehabt habe. Wie es uralter und verbreiteter Brauch war,
den Hausgöttern bei feierlicher Mahlzeit einen Theil der Speise
zurückzustellen und namentlich der Göttin Berchta eine Schüssel
mit Brei hinzusetzen, so liess man die Götter auch den feier-
lichen Trank mitgeniessen. Aus dem Gefäss pflegte der
Trinkende, ehe er selbst genoss, etwas für den Gott oder
Hausgeist hinzugiessen. Einen Abwesenden oder Verstorbenen
pflegte man zu ehren, indem man seiner bei Versammlung
und Mahlzeit erwähnte und auf sein Andenken einen vollen
Becher leerte. Dieser Trunk wurde Minne genannt. Denn
das Wort Minne bedeutet ursprünglich soviel wie sich erinnern,
jemands in Liebe gedenken und wird in lateinischen Schrift-
stücken stets durch das Wort „amor" wiedergegeben.
Aribo von Freising berichtet, dass im Anfang des 8. Jahr-
hunderts die Bayern noch solche Neulinge im Christenthuin
waren, dass die Väter aus demselben Kelche ihren Söhnen die
Minne Christi und der Heidengötter zutranken1, und Karl
d. Gr. sieht sich zu folgendem Verbot veranlasst: „Gänzlich ist
Allen das Laster des Trinkens zu untersagen und insbesondere
jene heimlichen Zusammenkünfte, bei denen die Minne des h.
Stephan oder unserer selbst, oder unserer Söhne getrunken wird '.-
Hingen die alten Deutschen selbst nach ihrer Bekehrung noch
zäh und getreu an heidnischen Sitten und Gebräuchen, so galt
dies ganz besonders rücksichtlich der Opfergelage und des
Minnetrinkens. Denn der schon von Tacitus erwähnte Eang
zum Trinken lebte bei unsern Ahnen noch fort. Deshalb er-
schien es den Glaubenspredigern und Priestern, welche die
Macht der heidnischen Gewohnheit wehl erkannten, nichl zweck-
mässig, solche beliebten Ueberkommnisse des Eeidenthums mit
einem Mal völlig auszurotten. Sie sehlugen vielmehr einen
andern Weg ein. der, wenn oicht schnell, doch allmählich
zum gewünschten Ziel führte. Sie Hessen den alten Gebräuchen
i) Zingerle a. a. <>. S. IUI ff.
2) Ebendas. S. 197,
L68 K. Wieth
die möglichste Schonung angedeihen, Hessen die hergebrachten,
zu Ehren der Götter üblichen Feste und Feierlichkeiten fort-
bestehen, setzten aber an die Stelle der betreffenden Heiden-
götter christliche Heilige. Es geschah dies auf ausdrückliche
Vorschrift des Papstes Gregor d. Gr. (590 — 604), des einfluss-
reichsten Mannes seines Jahrhunderts, welcher in Bezug auf
die Bekehrung der Angelsachsen dem Abt Melito schreibt l :
„Nach langer Betrachtung über die Bekehrung der Engländer
bin ich zu der Ueberzeugung gekommen, dass man die Götzen-
kirchen bei jenem Volke ja nicht zerstören, sondern nur die
Götzenbilder darin vernichten, das Gebäude mit Weihwasser
besprengen, Altäre bauen und Reliquien hineinlegen soll. Denn
sind jene Kirchen gut gebaut, so muss man sie vom Götzen-
dienste zur wahren Gottesverehrung umschaffen, damit das Volk,
wenn es seine Kirchen nicht zerstören sieht, von Herzen seinen
Irrglauben ablege, den wahren Gott erkenne und um so lieber
an den Stätten, wo es gewöhnt war, sich versammele. Und
weil die Leute bei ihren Götzenopfern viele Ochsen zu schlachten
pflegen, so muss auch diese Sitte ihnen zu irgend einer christ-
lichen Feierlichkeit umgewandelt werden. Sie sollen sich also
am Tage der Kirchweihe oder am Gedächtnisstage der h. Märtyrer,
deren Reliquien in ihren Kirchen niedergelegt worden, aus
Baumzweigen Hütten um die ehemaligen Götzenkirchen machen,
den Festtag durch religiöse Gastmähler feiern, nicht mehr dem
Teufel Thiere opfern, sondern sie zum Lobe Gottes zur Speise
schlachten, um dadurch dem Geber aller Dinge für ihre
Sättigung zu danken, damit sie, indem ihnen einige äusserliche
Freuden bleiben, um so geneigter zu den innerlichen Freuden
(der Bekehrung) werden. Den rohen Gemüthern auf einmal alles
abzuschneiden, ist ohne Zweifel unmöglich, und weil auch der-
jenige, so auf die höchste Stufe steigen will, durch Schritt und
Tritt, nicht aber durch Sprünge in die Höhe kommt-."
*) Oberle, Ueberreste germanischen Eeidentums im Christentum S. 1(>.
-') Anm. d. Red. Bekanntlich gall den Römern Jupiter als der grösste
und mächtigste ihrer Götter, keiner von ihnen vielleicht hat so viele Bei-
St. Gertruden Minne. L69
Ks ist nun von nicht geringem geschichtlichen Beiz zu
beobachten,- wie überall nach und nach diese Umwandlung
heidnischer Kulte in christliche vor sich ging-, und wie au die
Stelle heidnischer Gottheiten christliche Heilige und, wenn dies
nicht gelingen wollte, nicht oben selten Gespenster. Teufel,
Hexen traten. Odhin und Donar z. B. wurden durch die Ge-
stalten des h. Petrus, Martin, Georg, Stephan oder des Erz-
engels Michael ersetzt, und wenn heute in deutscheu Landen
altehrwürdige Kirchen einem dieser Heiligen geweiht sind, so
ist von vornherein die Frage nie abzuweisen, ob dort nicht in
heidnischer Vorzeit eine Opferstätte jener germanischer] Gott-
heiten sich befunden habe. Oft brachten die Heidengötter auch
noch ins Christenthum Namen und Geltung hinüber, wurden aber
zu einer untergeordneten Stellung herabgedrückt, etwa zu Dienern
oder Begleitern irgend eines höhen Heiligen. Um nur ein
Beispiel zu erwähnen, so ist der Knecht Kuprecht, der Be-
namen als er. Sein Tempel stand zu Koni und anderwärts auf dem Kapitol
neben der Burg. Als der Glaube an diese Gottheit geschwunden war und
ihre Kultstätten in christliche Kirchen umgewandelt wurden, kennte man
nicht zweifelhaft sein, auf welchen Belügen sie geweilrl werden -eilten.
Wem hätte man sie angemessener widmen können als der grössten unter den
christlichen Heiligen", der allerseligsten Jungfrau, der Mutter Gottes, der
Königin des Himmels, der Königin aller Eeiligen? Und so findei sich denn
auch in Wirklichkeit die Kirch«' Araceli auf 'lern Kapitol zu Rom der h.
Jungfrau geweiht. Ebenso führt in Florenz die an Stelle des Kapitols ge-
tretene Kirche die Benennung „Santa Maria in Campidoglio". Die gleiche
Kirche zu Trier war der Mutter Gottes (Mariae Dei genetrici et semper
virgini) gewidmet und in Kein trägt noch heute die Kirche auf dem kapito-
linischen Hügel den Namen ..Maria im Kapitol". (Vgl. Braun, Di«' Kapitole
S. :ü f.) In Coblenz wurde um «Ins Ende des 11. Jahrhunderts auf dem
Römerkastell und vielleicht an di r Stelle der fränkischen Pfalzkapelle ad s.
Mariam Confluent. die Liebfrauenkircl fbaut. Auch die älteste Kirche
Aachens, du- Münster, ist der h. Maria geweiht. Zwar kennen wir den Titel
des vr ihm vemuthlich an der nämlichen Stelle vorhandenen Gotteshauses
nicht, aber di«' Möglichkeil Lsi nicht ausgeschl a, ja es is1 sogar wahr-
scheinlich, dass Letzteres oin Beziehung aui eine vormals in seiner unmittel-
baren Nähe, vielleicht aui der Höhe des Markthügels, gelegene heidnische
Opferstätte (Jupiter-Heiligthum ?) ebenfalls der Gottesmutter goweiW war,
170 E. Wieth
gieitor dos h. Nikolaus, Niemand anders als Odhin selbst. Der
Name thut es unverkennbar dar. Ruprecht, in alter Form
„Hruodperacht", ist ein oft vorkommender Beiname Odhins
und bezeichnet „den Ruhmglänzenden"; es ist dieselbe Be-
nennung, wie sie auch seiner Gemahlin, der Frau Hulda oder
Bertha, in alter Form „Perachta", „der Strahlenden", beigelegt
wurde, welche in den h. vierzehn Nächten, „zu "Weihnachten",
ihre Umzüge hielt, und als Christkind heute noch die artigen
grossen und kleinen Kinder mit ihren Gaben erfreut.
In vielleicht noch höherm Grade wurde der Frühlingsgott
Freyr verehrt, und sein Kultus liess sich noch viel weniger
plötzlich verdrängen. Dem jugendlich schönen, in ewiger
Heiterkeit strahlenden Gott schoben die Bekehrer deshalb den
Apostel Johannes, in manchen Zügen auch Johannes den Täufer
unter. Denn auch jener Lieblingsjünger des Herrn wird nach
uralter christlicher Tradition als ein schöner, vollgelockter Jüng-
ling mit sanftem Gesichtsausdruck dargestellt, in rothe und
grüne Gewänder gekleidet, Farben, welche die blühenden
Blumen und grünenden Wiesen des Frühlings versinnbilden \
Neben dem Frühlingsgott verehrten die Germanen auch
eine Frühlingsgöttin und dachten sich dieselbe als die Gemahlin
jenes. Ein herrlicher Mythus von tiefsinniger Bedeutung ist
uns in der nordischen Mythologie erhalten und lässt uns das
gegenseitige Yerhältniss der beiden Göttergestalten erkennen2.
Beide walten gemeinsam über das neu erwachende Leben und
Treiben des Frühlings, der Gott über Sonnenschein, Wärme
und Regen als die Bedingungen alles Gedeihens, die Göttin
über die Pflege des Bodens, das Gedeihen der Saaten, das
Wachsthum des Getreides. Weil aber auch im Frühling Eis
und Schnee wegschmelzen und Strassen und Flüsse wieder
fahrbar werden und Fahrten und Unternehmungen allerlei Art
wieder beginnen, so ergab es sich naturgemäss, dass die genann-
ten Frühlingsgottheiten als Beschützer der Reisenden betrachtet
') Zingerle a. a. 0. S. 197 ff.
i Zingerle a. a. 0. S. 204; Simrock, Handbuch <1. deutschen Mytlio-
. I. Aufl., S. 6] ff.
St. Gertruden fi/ünne. 171
und um glückliche Fahrt und gute Herberge angerufen wurden.
Dies geschah unter Opfern und Gebeten, und die verbreitetste
Art bestand in dem Trinken der Minne beider Güttor gemein-
sam oder einzeln. Das Gefass, welches hierzu benutzt wurde,
hatte vielfach die Gestalt eines Schiffchens und deutete so
schon äusserlich an, bei welcher Art von Reisen die meiste
Gefahr zu fürchten, der göttliche Schutz am nöthigsten war.
Ebenso wenig wie der Freyrkult, Hess sich die Verehrung der
Frühlingsgöttin aus dem Gemüth der heidnischen Germanen ver-
drängen. Die Missionare sahen sich genöthigt, wie dort auch
hier, eine christliche Heiligengestalt unterzuschieben und auf
letztere die heidnischen Kultusgebräuche anzupassen. Für
solchen Zweck nun scheint in diesem Falle die h. Gertrud
ausgewählt worden zu sein. Schon der Xame der Heiligen
schliesst sich eng an den der Güttin Gerdhr an, noch mehr die
niederländische Form für Gertrud, welche Geerda lautet. Es
ist ein urdeutscher Xame, und zwar ursprünglich der einer
göttlichen Schlachtenjungfrau, einer Walküre, welche mit dem
Wurfspeer, dem ger, den Gegner in der Schlacht niederwirft.
Für den so kriegsfreudigen Germanen nämlich nahmen auch
die weiblichen Gottheiten im Kriege eine kriegerische Gestalt
an. Sie stiegen als wehrhafte Walküren in das Gewühl der
Schlachten, setzten sich bald hinter einen Helden auf sein
Ross, um ihn zu schützen, bald stemmten sie sich den anstür-
menden Feinden entgegen, oder lösten die Bande eines Kriegs-
gefangenen, wie es noch in einem heidnisch-germanischen
Zauberspruch lautet :
Eiris sä^un idisi, sä^un hera duoder,
sumä hapt heptidun, sumä heri lezidun,
suinä clübödun umbi euniowidi:
insprinc haptbandun, invar vigandun.
Einst Hessen sich nieder die Schlachtjungfrauen,
Sie Hessen sieh nieder hier und dort.
Die einen knüpften die Bande (der Kriegsgefangenen),
Die andern hielten' auf den Andrang der Keip.de.
Wieder andere lösten die Fesseln (eines Gefangenen):
„Entspringe den Banden, entfahre den Feinden."
172 K. Wieth
Wer wird nicht an solch hilfreiches Walten gemalmt, wenn
er im Liecle hört:
„Sie sitzt dahinten auf euerm Pferd,
Deren Minne zuletzt ihr getrunken,
Sie hat es mir allzustreng verwehrt,
Da ist mir alle Macht entsunken V
Oder wenn er in der Lebensbeschreibung der Heiligen
liest2: „Einst wurde ein ruchloser Mensch auf einem schweren
Verbrechen ertappt und in eiserne Bande geschlagen. Im
Kerker wurde der Elende von grosser Angst erfasst, denn alle
erwarteten sein Todesurtheil. Er aber nahm seine Zuflucht
zur h. Gertrud und flehte sie um ihren Beistand an. In dem-
selben Augenblick brachen die eisernen Bande, mit denen er
gefesselt war, und er eilte damit in das Kloster nach Nivelles,
flüchtete an das Grab der Heiligen und war gerettet." Oder:
„Einst hatten Käuber einen Knaben geraubt und gebunden,
um ihn in die Sklaverei zu verkaufen. Schon geraume Zeit
hatte der Knabe so gefesselt da gelegen, da nannte er ver-
trauensvoll den Namen der h. Gertrud und bat sie um ihre
Hilfe. Sofort lösten sich seine Fesseln und er begann zu
laufen, um den Räubern zu entkommen. Wie nun diese ihr
Opfer zu verfolgen sich anschickten, fühlten sie sich wie von
einer unsichtbaren Macht gebannt. So wurde durch den Bei-
stand der h. Gertrud der Knabe aus den Händen der Räuber
gerettet."
Eine weitere, sehr wesentliche Obliegenheit der germanischen
Schlachtenjungfrauen war es, die im Kampf gefallenen Helden
aufzuheben und nach Walhai in die Reihen der Einherier zu
ewig glücklichem Loose zu tragen. Diese wichtige Beziehung
zu den Verstorbenen ist auch auf die Person der h. Gertrud
übertragen worden nach einem uralten Volksglauben, der sich
mich im Meklenburgischen erhalten hat : „Se geven ock vor,
x) Kaufmann. Quellenangaben und Bemerkungen zu K. Simrocks Rhein-
sagen und A. Kaufmanns Ataiusa^en S. <>.
2) A.cta sanetorum, Martii, II, p. 596,is,i7; p. 593,6.
st. Gertruden Minne. 17:;
wenn de Seele uth dem Minsehen varet, so moth sc de erste
Nacht Herb erge hebben by S. Gerderuten, darumme oct S. Gerde-
ruten Kercke gemeynlyken vxirde Döre der groten Steile gebuwet
syn; und darnä moth so i'mer dat Leuuer (= Todten)- Meer \u
Nach einer andern Vorstellung kommt die Seele die /weite
Nacht zu St. Michael, die dritte Nacht endlich an ihren
Bestimmungsort. Die Heilige wird gewöhnlich dargestelll mit
einem Spinnrocken, an dem drei Mäuse hinauflaufen. Die
symbolische Bedeutung dieser Thiere ist dem spätem Mittel-
alter verloren gegangen. Man erzählte daher, der Teufel habe
einst St. Gertrud versuchen wollen und drei .Mäuse an ihren
Rocken gesandt, um denselben zu besudeln und sie zu sün-
digem Zorn zu entflammen; es sei ihm aber nicht gelungen.
Auch die Deutung auf den Mäuseschaden in den Feldern ist
eine bedeutend spätere. Ursprünglich dienten jene Thiere dazu,
die Heilige als Beherberger in der Verstorbenen zu kennzeichnen.
Die nächtlich wühlende Maus ist nämlich nach uralter Volks-
vorstellung jenes Thier, in dessen Gestalt die Seele aus dem
Körper heraus und wieder in denselben hineinläuft. Die allen
Chronisten haben uns sehr viele Belege für diese Auffassung
überliefert. Hier nur einen. „Einer thüringischen Magd, die in
der Gesindestube über der Arbeit entschlafen ist, kommt ein
rothes Mäuschen zum Munde heraus und geht durchs offen-
stehende Fenster davon. Ein mitzuschauendes Dienstmädchen
rüttelt die Schlafende von ihrer Stelle, ohne sie erwecken zu
können. Das Mäuschen kehrte hierauf zurück, suchte hin und
her nach der vorigen Stelle, fand sie nicht mehr und ver-
schwand zuletzt. Nun aber erwachte die Schlafende nicht
wieder, sondern blieb todt-" Noch im Jahre 1713 eifert Ai^v
niederdeutsche Pfarrer Männling gegen diese Annahme: >5Ists
nicht schreckliche Dummheit, dass man sich bereden lässt,
die Seele des Menschen sei eine rothe Maus, welche, wenn
man schlafe, aus dem Munde herausspaziere2?" Desgleichen
») Kochholz, Drei Gaugöttinnen Walburg, Verena und Gertrud als
deutsche KIrchenheiliyo S. 172.
2) Grimm, Deutsche Sagen I. S. 335.
174 K. Wieth
dürfte diese Anschauung' auch noch in der Walpurgisnacht
in Goethes Faust nachklingen:
Mephisto : „Was lassest du das schöne Mädchen fahren,
Das dir zum Tanz so lieblich sang?"
Faust: „Ach, mitten im Gesänge sprang
Ein rothes Mäuschen ihr aus dem Munde."
Mephisto: „Das ist was Rechts! Das nimmt man nicht genau.
Genug, die Maus war doch nicht grau."
Es ist nun begreiflich, dass entsprechend der Abnahme
der Kriege bei den alten Deutschen und der Zunahme geord-
neter staatlicher Verhältnisse auch die kriegerische Seite der
germanischen Gottheiten allmählich mehr zurücktrat und fried-
lichere "Vorstellungen dafür Platz griffen. Die Kriegsgöttin
legt im Frieden den Speer zur Seite und widmet sich den
Beschäftigungen, wie sie im altgermanischen Hause auch den
mächtigsten Königinnen zukamen, dem Spinnen und Weben,
vertauscht demnach die Lanze mit dem Spinnrocken. So wird
die Göttin Gerdhr wieder die strahlende Bringerin des Früh-
lings, welche an der Seite ihres herrlichen Gemahls, des in
ewiger Jugendfrische prangenden Freyr, des Lenzes neu er-
wachendes Leben und alles Wachsthum fördert. In gleicher
Weise geräth auch bei der christlichen Vertreterin der Früh-
lingsgöttin, der h. Gertrud, der ursprünglich kriegerische
Charakter, wie er noch im Namen und den ihr beigegebenen
Mäusen angedeutet ist, gänzlich in Vergessenheit, Dagegen
tritt das friedliche Wirken stärker hervor besonders in Bezug
auf den Frühling.
„Zent Katring wörpt de kaue Steon egene Rhin,
Gertrudes met de Mus, die holt em wörem drns x ."
„Um Gertraud
Geht die Wärm von der Eni auf."
„Am Gertraudtag läuft die Maus am Rocken hinauf und
beisst den Faden ab."
') Schollen, Aachener Sprichwörter und Redensarten in der Zeitsehr.
de Lach, (ieschichtsverc'ins VIII, S. 18?,, "Nr. 475.
St. Gertruden Minne. 1 i 5
„Sankt Gertraud
Führt die Kuh ins Kraut,
Das Eoss zum Zug-,
Die Bienen zum Flug."
„Grerdrut
Geht das Schoof mit dem Lamme ruut."
„Sankt Gertrud
Säit Zibelä und Chrut1."
„Gertrud
Geit de Plog ut2.'1
Mit dem Beginn des Frühlings werden die Land- und
Wasserstrassen wieder fahrbar und das Reisen beginnt. Da
wird die h. Gertrud entweder allein oder zugleich mit dem
h. Johannes um Schutz und Beistand angerufen unter frommen
Sprüchen und dem Trinken ihrer Minne. Auch hier hatte
das Gefäss die Gestalt eines Schiffchens. Als Beschützerin der
Reisenden baute man ihr, wie schon bemerkt, an Wegen und
Stegen, Strassen und Brücken Kirchen und Kapellen. Und
auch heute noch verfehlt der fromme Landmann nicht, an
ihrem Feste das Saatgetreide segnen zu lassen und sie anzu-
flehen, seinen Saaten Gedeihen und Wachsthum zu gewähren
und allen Schäden, insbesondere der Mäuseplage zu wehren3,
üass im nordwestlichen Deutschland hauptsächlich <U>v
h. Gertrud, nicht des h. Johannes Minne getrunken wurde,
nimmt uns nicht Wunder, wenn wir uns erinnern, dass sie
*) Zingerle a. a. 0. A.iu-h in der Eifel heisst es: ,.Ks führ! St. Ger-
traud die Kuh zum Kraut, die Bienen zum Flug und die Pferd zum Zug"
oder „St. Gertrud bekommen die Bienen den Flug, die Pferde den Zug und
den Schafen hängt man die Krippe auf." Vgl. Schmitz, Sitten und Bräuche
des Eifer Volkes S. 171.
'-') Bartsch, Sagen, Märchen und Gebräuche aus Meklenburg II, S.
Im Meklenburgischeu ist auch der Glaub verbreitet, dass der Flachs, wenn
er am St. Gertrudentag gesäet werde, gut gedeihe.
3) Auch Specht, Kukulc und Schnecke stehen als Frühlingsboten im
Dienste der h. Gertrud und tragen von ihr den Beinamen. Vgl. Zin
a.a.O.; Rochholz a. a. 0. S. L61
176 K. Wieth, St. Gertruden Minne.
dem Geschlecht Karls d. Gr. angehörte, und letzteres zu beiden
Seiten der Maas seine eigentliche Heimath hatte. Deshalb war
auch von vornherein zu vermuthen, dass ebenfalls in Aachen
ihre Verehrung und die diese begleitenden Gebräuche bestanden
haben. "Wahrscheinlich haben aber auch die Eroberungszüge
Karls d. Gr. auf die Verbreitung ihres Kultus Einfluss geübt,
und wohl aus diesem Grunde treffen wir einige sehr alte
Gertrudenkirchen in Westfalen und dem weitern Sachsenland1.
Im Laufe der Zeit ist die schöne Sitte, ihr zu Ehre den
Minnetrank zu üben, fast überall in Vergessenheit gerathen.
Als Ursache dafür wird mancherlei angeführt. Bereits zum
Jahre 1296 berichtet ein holländischer Geschichtschreiber,
Melis Stoke, dass Graf Eloris von Holland kurz vorher, ehe
seine Mörder ihn ins Freie lockten, einem derselben, Gysebrecht
von Amstel, St. Gertruden Minne zugetrunken habe, und dass
aus Abscheu vor diesem Mord man es von da ab unterlassen
habe, diese Minne zu trinken. Andere geben an, der Gebrauch
sei allmählich in Saufereien und wüste Gelage ausgeartet.
Beides mag richtig sein und noch dazu kommen, dass, wie
manches Ueberkommniss der Vorfahren im Laufe der Jahr-
hunderte erst seine Bedeutung verlor und dann ganz aus dem
Bewusstsein der Lebenden schwand, so es sich auch in diesem
Falle verhalten mag.
1) Acta Sauctorum, Martii, II, p. 590,2,3; Binterim und Mooren, Die
alte und neue Erzdiözese Eöln II. S. 51, 56, SS, 102, Uli, 154, 347, 359;
Eampschulte, Die westfälischen [ürchenpatrocinien S. 66. Danach sind zum
Theil sehr alte Gotteshäuser der h. Gertrud gewidmet zu Tüdderen, Dilikratli.
Ilavert. Juntersdorf, Kraudorf, Bockum, Eller, Binsfeld, Essen, Oberkirchen,
Summern, "Wattenscheid, Eorstmar, Bentlage, Lohne, Bramsche. (Jeber die
St. Gertrudiskirche zu Bockum und ihr hohes Alter vgl. auch Niederrhei-
oisehe Vblkszeitung L887, Nr. 52.
Miscellen.
1. Her abtrünnige Mönch und Pfarrei* von St. Peter zu Aachen,
Heinrich Beyer von Capellen.
In einem alten „Erchenrechenbuch" der Pfarrkirche von St. Peter zu
Aachen vom J. 1G3C findet sich von der Hand des damaligen Pfarrers Gerhard
Breuer folgende, einem altern über computi entnommene Notiz : „Annu 1577
ist Heinricus Beier zu pastoren angestellt, und anno 1578 auf neujahrstag
hat er seine letzte predig daselbst, gehalten, und ist casseert durch den
herrn parochian, dieweil er die communion sub utraque ausgetheilet. Fuit
praedictus Henricus rehgiosus Carmelita."
Ueher diesen Vorgang berichtet 1020 P. a Beeck1: „Exordio anni
1578 grex et fex populi Divi Petri Pareciae in Aquis subdita religiosum pro-
fugium a familia et instituto Carmelitarum uti levem in nomine, sie in fide
et moribus sub id tempus se nuneupantem Henricum Beyer de Capella, prius
in monastica professione compellatum nomine Henrici Piei Geldriensis iu
Superintendentem Curionemcrue maximmn istius Ecclesiae extoll it, contra
Ecclesiasticae potestatis, authoritatisque inhibitionem." Aehnlich schreibt
Noppius2 ebenfalls zum J. 1578: „In diesem Jahr, nachdem nun das Yob-k
die newe Vncatholische Lehr gleich als Wasser zu trincken angefangen.
werffen die Vnderthanen von S. Peter einen verlauffenen Münch deß Carme-
liten Ordens zum Pastoren auff, mit Nahmen Henrich Beyer von Capell,
wider alle Geistliche Ordnung vnd Recht." Endlich beliebtet in gleicher
Weise Meyer3: „1578. Seltene Auftritte! auf einmal schien den Pfarr-
Gcnossen zu St. Peter der Weg zum Himmel so eng, dass sie einen aus-
gesprungenen Karmeliter-Mönch, Eeinrich Beyer genannt, und von Kapeil
im Limburgischen gebürtig, zu ihrem Seel-Sorger aufwarfen."
') Aquisgranum p. 270.
J) Aacher Chroniek 1632, Tli. 11, S. 187.
s) Aaohonsohe Geschichten I, S. 468.
12
178 Miscellen.
Von sämmtlichen Chronisten Aachens wird also gleichmässig in TJeber-
oiiistimmung mit der von Pfarrer Breuer liinterlassenen Nachricht aus dem
alten Rechenbuch von St. Peter angegeben, dass ein ausgesprungener Karme-
litermönch, Namens Heinrich Beyer aus Capellen, nicht von der zuständigen
geistlichen Behörde, sondern von den Eingesessenen der Pfarrei, bezw. von
dem zur Reformation hinneigenden Theil derselben zum PfaiTer von St. Peter
erhoben worden sei. Als Jahr seiner Erhebung wird aber von Breuer 1 •""> 7 7
angegeben, während die Chronisten 1578 nennen, ohne freilich einen Beleg
hierfür beizubringen.
Es lässt sich kaum annehmen, dass der Urheber der Aufzeichnung aus
der Peterspfarre sich in seiner Notiz im alten Rechenbuch geirrt habe, da
er genau den Tag und das Jahr der letzten Predigt des Eindringlings angibt.
Jedenfalls muss die Erledigung der Pfarrstelle gegen Ende 1576 oder Anfangs
1577 eingetreten sein, da in dem Protokollbuch der Bruderschaft vom bittern
Leiden unseres Herrn, welche an St. Peter bestand, das Protokoll des Stuhl-
tags vom Sonntag nach Kreuzerhöhung im September 1576 von dem Pastor
Gerlacus Rotarius noch unterschrieben ist, während weder im folgenden
Jahre (1577), noch im Jahre 1578 ein Pastor unterzeichnet hat. Das Protokoll
des Jahres 1579 ist dagegen wieder von dem Pastor von St. Peter, Kuno
von Langendorf, unterschrieben. Es Hegt also kein äusserer Grund vor, die
Notiz des Pastors Breuer als irrig anzunehmen; ja, es scheint mir sogar,
dass letzterer, der so sorgfältig alle die Pfarrei betreffenden Urkunden und
Nachrichten sammelte und registrirte, diese Notiz ganz speziell mit Rücksicht
auf die durch P. a Beeck gebrachte Nachricht aufgehoben hat ; denn dass ihm
letztere unbekannt gebheben sein sollte, ist nicht anzunehmen. Noch in einem
andern Punkte scheint die Notiz Breuers mit den Angaben P. a Beecks und
Meyers nicht übereinzustimmen. Während jene nämlich die Ordnung dieser
Angelegenheit dem Herzog von Parma, bezw. seinen Abgesandten Rysbroock
und Sestich zuzuschreiben scheinen und diese Gesandtschaft im Jahre 1579 erst
eintraf, berichtet Breuer, dass der Eindringling, weil er die Kommunion unter
beiden Gestalten austheilte, vom Parochian, dem Erzpriester der.Stadt, abgesetzt
worden sei, und dass H. Beyer am Neujahrstag 1578 schon seine letzte Predigt
gehalten habe. "Wahrscheinlich vermittelt sich dieser scheinbare "Widerspruch
dadurch, dass man annehmen muss, Beyer habe allerdings bereits 1578 dem
Widerspruch der kirchlichen Autorität und des katholisch gesinnten Theiles
der Pfarrei weichen müssen, aber erst durch die vom Herzog von Parma her-
gestellte alte Ordnung sei es 1579 möglich geworden, dass die kirchliche
Behörde Kuno von Langendorf als Pastor von St. Peter einsetzen konnte.
wie dieser denn auch erst vom Jahre 1579 an die Stuhltags-Protokolle der
Miscellen. 170
erwähnten Bruderschaft unterschreibt. Dass Beyer auch von den Pfarr-
genossen von St. Peter, zumal von den kirchlich gesinnten, nicht als recht-
mässiger Pastor anerkannt wurde, scheint mir daraus hervorzugehen, dass
in den Jahren 1577 und 1578 die Stuhltags-Protokolle der Bruderschaft vom
bittern Leiden unseres Herrn nicht von einem Pastor unterschrieben sind,
während sowohl sein Vorgänger Rotarius bis zu seinem Todesjahr, wie sein
Nachfolger Kuno von Langendorf gleich bei seinem Amtsantritt 1579 diese
Protokolle unterschrieben. Zwar wird zum Jahre 1577 unter den neu auf-
genommenen Mitgliedern ein Pastor erwähnt, aber dessen Name Heribertus
Wolters ist So verschieden von dem des Eindringlings, dass er sich unmög-
lich auf ihn beziehen kann.
Dieser abgefallene Karmelitermönch wird nämlich übereinstimmend
Heinrich Beyer genannt, P. a Beeck aber fügt hinzu, dass Beyer ebenso
leichter Dinge seinen Namen, wie seinen Glauben und seine Sitten geändert
habe. Früher, als Religiöse, sei er Henricus Picus Geldriensis (Heinrich
Specht aus Gelderland) genannt worden, während er sieh jetzt Henricus
Beyer de Capella (Heinrich Beyer von Capellen) nenne. Vielleicht hat er
durch diese Namensänderung mit Rücksicht auf seine ungesetzmässige Er-
greifung der Pfarrstelle von St. Peter unliebsamen Anspielungen auf seineD
Namen Picus (Specht) entgehen wollen; aber wie er Picus in Beyer ver-
wandeln oder diese Verwandlung rechtfertigen konnte, ist unerfindlich.
Die Umwandlung des Geldriensis in de Capella ist leichter zu deuten,
da der Ort Capellen (wohl sein Geburtsort) im Geldrischen gelegen ist.
Dass Beyer aus dem ehemaligen hiesigen Karmeliterkloster entsprungen
sei, folgere ich aus einer andern Stelle bei P. a Beeck. Im Anfang des
Kap. 11 (p. 228), in welchem die Pfarreien, Klöster, Kapellen und Hospitäler
der Stadt beschrieben werden, verbreitet sich P. a Beeck über die trostlosen
allgemeinen lärchlichen Zustände zu Ende des 16. Jahrhunderts und berichtet,
dass zwar einige Religiösen aus den Klöstern der Stadt in Vertretung der
Pastoren des Predigtamts gewaltet hätten, dass aber Einer derselben, dessen
Sinn von den Fallstricken der Sektiror umstrickt gewesen sei. das Kloster
verlassen (obwohl er später zurückgekehrt sei), während der Andere sieb
populär zu machen suchte, indem er die Kommunion unter beiden Gestalten
reichte etc., mit welchem etc. a Beeck wold andeuten wollte, dass dieser
Mönch auch noch in sonstigen Punkton zu den Sektirern hielt. Dass mit
diesem andern Mönch unser ExkarmelH Heim leb Beyer gemeint sei. ist.
mir unzweifelhaft.
Aachen. s'. Planker.
12*
180 Miscellen.
2. Der Philosoph Hegel in Aachen.
Die Lust, sich, auf den sog. Königsstuhl im Aachener Münster zu setzen,
wandelte nicht nur die Kaiserin Josephine (vgl. diese Mittheiluugen I, S. 34),
sondern auch den Philosophen Hegel an, als er im Herbst 1822 die Stadt
Aachen besuchte. Der damals 52jährige Gelehrte schreibt darüber am
.'!. Oktober des genannten Jahres seiner Frau (Hegels Werke XVH, S. 556):
„In Aachen sah icli den Dom zuerst, setzte mich auf Kaiser Karls Stuhl;
es sind zwei Marmorplatten auf den Seiten, ebenso auf dem Rückensitz,
glatt, 172 Zoll dick; sie waren oben mit Goldblech überzogen, das einge-
grabene Geschichten hatte, wovon noch einige Stücke aufbewahrt werden.
Auf diesem Stuhl wurde 300 Jahre nach seinem Tode Karl sitzend vom
Kaiser Friedrich, glaube ich, mit dem Kaiserornat angethau, die Krone auf
dem Haupte, Scepter in der einen, Reichsapfel in der andern Hand, ge-
funden; diese Sachen wurden zu den Reichskleinodien gethan und seine
Gebeine beigesetzt. Ich setzte mich auf diesen Stuhl, auf dem 32 Kaiser
gekrönt wurden, wie der Küster versicherte, so gut wie ein Anderer, und
die ganze Satisfaktion ist, dass man darauf gesessen hat." Die mehrfachen
historischen Schnitzer, welche Hegel liier begeht, darf man dem Philosophen
nicht allzu hoch anrechnen. Merkwürdiger ist, dass derselbe sich, als er auf
einer spätem Reise wiederum Aachen berührte, ungeachtet der geringen
„Satisfaktion" das Vergnügen nicht versagen konnte, sich nochmals auf den
Königsstuhl zu setzen (Hegels Werke XVH, S. 019).
3. Die Bezeichnung* „upt Yseren".
(Nachtrag zu S. 108.)
Ueber die Beschaffenheit der „Eisen" gibt ein Siegel Auskunft, das
einei' im hiesigen Stadtarchiv befindlichen Urkunde vom 1. Juni (up andach
sint Urbanis dage) 1375 anhängt. In dieser erklärt Johann Struver von
Hultzberg, Knappe von Wappen, den Schaden ersetzt erhalten zu haben,
welchen einige Aachener Bürger vor längerer Zeit der Mutter seiner Frau,
Richmud von Vrelenberg, „wilne hern Johans wyf van Loverick", an Haus-
geräth, Kleinodien und anderer Habe in ihrem Hof zugefügt hatten. Neben
dem Aussteller besiegelt dessen Oheim Tilmanu van Yseren die Urkunde.
Das Siegel des letztern zeigt einen viermal <|uergetheilten Schild und fünf
nebeneinander stehende Eisenstäbe mit Köpfen oder Spitzen im rechton
Obereck. Die Umschrift lautet: (s.) thilman. de. yseren. Hiernach darf
Antworten. L8J
man vermutheii, dass es sich, wenigstens im 14. Jahrhundert, bei der Be-
zeichnung „upt Yserem- mir um senkrecht stehende Sperrvorrichtungen
handelte.
Aachen, R. Piok.
Antworten.
Zu Frage 2, Jahrg. I, S. 95 („Krieschensang") : Wohl ohne Zweifel
war der „Krieschensang" am Ostersonntag ein Gesang, der auf Christus
Bezug hatte. Für Laurents Hinweis auf die Klage der Magdalena (Stadt-
ivch nungen S. 440) spricht der Umstand, dass zu spatmittelalterliehen Zeiten
der Ostergesang der Magdalena am h. Grab entstand (vgl. Zeitschrift des
Aach. Geschichtsvereins S. 317). Dagegen können neben den Jubelklängen
am Ostermorgen Klagelieder nur in ganz nebensächlicher Weise Platz finden,
die besondere Hervorhebimg eines Trauerlieds bleibt also, wie auch Laurent.
a. a. 0. andeutet, etwas auffällig. Vielleicht Hegt bei „Krieschen" k eine
verdorbene Form für Christus oder Christen vor. Krischan für Christian
ist, wie u. A. aus zahlreichen Stellen bei Fritz Reuter hervorgeht, noch heut-
zutage in Norddeutschland sehr gebräuchlich. Lässt sich auch diese Form oder
Krischen für Christen (Christus) im Aachener Dialekt nicht nachweisen, so
kann letzteres doch aus irgend einem Grunde in Aachen zu Ende des 14. Jahr-
hunderts hei den Augustinern vorübergehend gebräuchlich und in weitem
Kreisen bekannt gewesen sein. Ausserdem mag hier noch eine dritte Er-
klärung des Wortes kriesch in Betracht kommen. Nach Lexer wurde
nämlich im Mittelhochdeutschen das Wort griechisch ebensowohl durch
kriechisch als durch kricscliich wiedergegeben; unter Umständen gilt also
für „Krieschensang" die Uebersetzung „griechischer Gesang--. Nun ist es
Thatsache, dass in der alten Kirche am Ostersonntag die Epistel und «las
Evangelium in griechischer und lateinischer Sprache gesungen wurden.
Es mag sein, dass diese Sitte gegen das Ende des 14. Jahrhundert.-, nur noch
sehr vereinzelt auftrat; unzulässig war sie damals nicht, und kann sie
deshalb vor 500 Jahren bei den Aachener Augustinern noch geherrscht
halien. So lange mir andere Anhaltspunkte fehlen, gebe ich von den drei
vorliegenden Erklärungsversuchen dem ersten den Vorzug. [Mitgetheill von
Herrn Apotheker E. Pauls zu Bedburg.]
In einer Besprechung der von Laurent herausgegebenen Stadtrech-
Qungen aus dem 14. Jahrhundert (Echo der Gegenwart IS(iii, Nr. ms)
! 82 Antworten.
bemerkt Prof. IL Müller (Würzburg): Wenn, was wir S. 338 von „krieschen-
sange" losen, wirklich auf Charfreitag bezogen werden kann (trotz dem „üp
paiscb-dach", auf Ostertag), so ist doch schwerlich dabei an Kreischen zu
denken ; „die burgermeister waren zen krieschensange" heisst wohl, dass sie
zum griechischen Gesang in der Kirche waren; denn kreisch heisst
griechisch, wie Kölnische Eeimchronik S. 784: myt kreischen vuyrre,
mit griechischem Feuer. Man könnte an den griechischen Sang denken,
den wir am Charfreitag singen, möglicherweise auch Ostern sangen (Agios
o Theos, Agios ischyros, Agios athanatos eleison imas) ; wahrscheinlicher aber
ist doch wohl, dass griechische Musik gemeint ist, d. h. byzantinische.
Schon von dem Lieblingssänger Karls d. G., von dem h. Arnold, sagt die
Legende, dass er in Griechenland griechischen Gesang gelernt habe. [Mit-
getheilt von der Red.]
Zu Frage 5, Jahrg. I, S. 95 (Thomaskapellc auf dem Dahmengraben) :
Den Benennungen Thomaskapelle und Thomasgraben lag im vorhegenden
Falle nur im Volksmund, nicht in der Geschichte der Name Thomas zu
Grunde ; das richtige Grundwort lautet Dohmen, wie aus Folgendem hervor-
geht. Der Dahmengraben, auf welchem die Kapelle lag, verdankt bekanntlich
sein Entstehen der Familie Dahmen, welche ihn zuerst mit Häusern über-
bauen liess; vgl. Quix, Hist.-topogr. Beschreibung der Stadt Aachen S. 4.
Nun meldet die handschriftliche Chronik des Aachener Bürgermeisterdieners
Janßen, dass im J. 1713 auf St. Donatustag die Kapelle des Herrn Dohrnen
„auf dem gräbgen" geweiht worden sei. Seitlich verzeichnet Janßen
„Dohmens Capell". Augenscheinlich handelt es sich hier um die später
irrig Thomaskapelle auf dem „Thomesgräffge" genannte Kapelle des h.
Donatus auf dem Dahmengraben in der Nähe des Komphausbads. Die
Kapelle hat bis kurz vor 1829 bestanden und wird häufig erwähnt. So ist
in einer Anzeige der Stadt- Aachener Zeitung vom 13. November 1782
die Rede von einem Haus auf dem Dahmens-Grab, neben der Kapelle des
verstorbenen Schöffen von Moss, womit ebenfalls Avohl nur die Donatus-
kapelle gemeint sein kann. Denn mehrere mir vorhegende Aachener Raths-
und Staatskalender aus dem Ende des vorigen Jahrhunderts kennen auf dem
Dahmengraben nur die Kapelle zu St. Donat beim Komphausbad. Gegen das
Ende der zwanziger Jahre dieses Jahrhunderts ging die Kapelle ein.
Hierüber berichtet Qmx a. a. 0. S. 98: Die St. Donatus-Kapelle auf
dem Dahmengraben ist nicht mehr sichtbar, indem sie seit Kurzem in
Wohnzimmer verwandelt wurde. [Mitgethcilt von Herrn Apotheker E.Pauls
zu Bedburg.]
Antworten. * ls:!
Der Oberpfarrer von St. Peter zu Aachen, J.L.Ganser (17(38—1812).
hat über die -frühere Kapelle auf dem Dahmengraben Folgendes verzeichnet :
Fuit sub parochia mea capella sancto martyri Donato dedicata: aediiicium
adhucdum existit in platea Dohmensgraben nuucupata. Possessor ultimus.
dominus de Broich, eam una cum domo adiuncta ante tres vel quatuor
annos dereliquit omnemquo supelleetilem sacram secum tulit, lixo nunc in
Haren domicilio. Hac in capella fundata erat per antiquos eiusdem posses-
sores missa quotidiana, quae an et ubi de facto legata ignoro. Utrum
dominus de- Broich eam propria autoritate aho transferre potuerit in praeiu-
dicium ecclesiae parocbialis, cui gubernium nostrum fundationes in suppressis
capellis sub districtu paroeciae existentes una cum supellectüi adiudicaverit,
aliis düudicandum relinquo. [Mitgetheilt von Herrn Stadtdechant S. Planker
zu Aachen.]
Zu Frage 9, Jahrg. I, S. 96 (Weä et längste leävt, kritt Stolberg) :
Der erste Theil dieses Sprichworts ist ohne Bedeutung, da der Gedanke,
dass eine besonders hohe Lebensdauer das Erleben besonderer Ereignisse
oder grosse Vortheile bedinge, überall und zu allen Zeiten in der ver-
schiedensten Form zum Ausdruck gelangt ist1. Der Kern des Räthsels
liegt im "Worte Stolberg, dessen Wahl schwerlich auf einem Wortspiel oder
einer unbedeutenden Zufälligkeit beruht. Vielleicht ist die Erklärung indem
heftigen Streit zwischen Stolberg und Eschweiler zu finden, welcher seiner
Zeit über anderthalb Jahrhundert sich hinzog. Schon um 1572 versuchte
nämlich Stolberg, Pfarrrechte zu erhalten, doch erst zwischen 1692 und
17 In überwand es in dieser Frage den hartnäckigen Widerstand der Mutter-
kirche Eschweiler (Koch, Gesch. Eschweilers II, S. 347 ff.). Ein so langer
Srnit musste in der Aachener Gegend ein um >o grnss< res Aufsehen hervor-
rufen, als er stellenweise mit unerhörter Erbitterung geführt wurde; griffen
doch z.B. im .1. 1708 die Stoiberger die Eschweiler Erohnleichnams-Prozession
unter freiem Bimmel an! Als Jahrzehnt auf Jahrzehnt ohne Entscheidung
verrann, lag die scherzhafte Eedensart, dass dem Längstlebenden der G<
stand des Streits, also Stolberg, anheimfallen würde, gewiss nahe. Ein
ähnliches Sprichwort kommt in Eupen vor. Dort heissf es: ..Wer am
-ten lebt, bekommt Heuckenbend.'' Eöchst wahrscheinlich beruht auch
hier die Redensart auf einem langen Prozess, der zwischen der Gemeinde
•) Neuere Beispiele aus drei Hauptsprachen: Qui vivra, verra; Campbeils
ergreifendes, von Veiten aus dem Englischen ins Deutsche übersetztes Qedichl
„Der letzte Mensch"; die schöne, auch bei uns verbreitete Redensart „100 Ja! r
Gnad bei Gott", welcher freilich Thomas von Kempen sein ernstes „Peccator centuiu
annorum morictur" entgegenstellt.
184 Antwort et i.
Eupen und dem Baron von Belderbusch bis zum J. 1778 schwebte, und in
welchem eine „Hückenbempd" genannte "Wiese die Hauptrolle spielte ; vgl.
Rutsch, Eupen und Umgegend S. 39. [Mitgetheilt von Herrn Apotheker
E. Pauls zu Bedburg.]
Zu Frage 16, Jahrg. I, S. 96 (Judengasse) : Merkwürdig, aber vielleicht
nur zufällig ist, dass die Judengasse in Regensburg, ebenso wie in Aachen,
bei der Fleischplanke und der Propstei lag. Das Saalbuch des Stiftes Nieder-
münster in Regensburg, geschrieben 1444 (Verhandlungen des bist Vereins
in Niederbayern, Bd. XXJJJ, Landshut 1885), hat S. 245 : ,,Item von einem
haus und hofstat under den Juden binden gen der Tumprobstey über zunächst
der fleischplanch." Vgl. M. Stern in Geigers Zeitschrift für die Geschichte
der Juden in Deutschland I, S. 383, Anm. 3. Berücksichtigung verdient
auch, was Prof. Bock in den Bonner Jahrbüchern V. VI, S. 93, Anm. 160
bemerkt: „Nordwestwärts von dem Pallaste fällt sie (die von der Maas
kommende römische Heerstrasse) mit der Trichtergasse (viciis Traiectensis
in einer Urk. von 1290) zusammen, welche das Judenquartier (mansionat.-
cum Iudaeorum in dem Capitular. de discipl. palatii Aquisgranens.) absondert.
Auch zu Regensburg hatten die unter landesherrlichem Schutz stehenden
Juden die Grenzen der Königsstadt inne (W. Dönniges, Das deutsche Staatsrecht
u. die deutsche Reichsverfassung Th. I, S. 251)."' Ganz kurz berührt die
Frage auch Dresemann, Die Juden in Aachen S. 3, ohne sie indessen zu
lösen. Hierzu müssten vor Allem Ermittlungen über die Lage der Juden-
gasse in andern rheinischen Städten und ihr Verhältniss zur ältesten Be-
festigung derselben vorgenommen werden. [Mitgetheilt von der Red.]
Chronik des Vereins 188587.
Im Sommer 1885 traten in Aachen mehrere Freunde der lokalen Ge-
schichte zusammen, um über die Gründung eines Vereins für die Erforschung
der Vergangenheit der Schwesterstädte Aachen und Burtscheid, sowie ihrer
nächsten Umgegend zu berathen. Man ging hierbei von der Ansicht aus,
dass in der alten Kaiserstadt eine Vereinigung, welche sich zur Aufgabe
stelle, die im Wege der Forschung gewonnenen Ergebnisse nicht sowohl
durch Drucklegung, als vielmehr in erster Linie durch populär gehaltene
Vorträge und daran geknüpfte Besprechungen in häufigen und zwanglosen
Zusammenkünften zur allgemeinen Kenntniss zu bringen, ein lange und
vielfach empfundenes Bedürfniss sei. Am 15. Oktober desselben Jahres
wurde der „Verein für Kunde der Aachener Vorzeit'1 auf Grund der am
Schlüsse mitgetheilten Statuten gestiftet und in Ausführung des § 6 der
Vorstand aus folgenden Personen gebildet:
Beigeordneter K. Zimmermann, erster Vorsitzende.
Kanonikus Dr. J. H. Kessel, zweiter Vorsitzende,
Gymnasiallehrer Dr. H. Klinkenberg, erster Schriftführer.
Lrchitekt C. Rhoen. zweiter Schriftführer,
Stadtarchivar E. Pick, Redakteur,
Staatsanwaltschafts-Sekretär M. Schollen. Bibliothekar.
Buchhändler F. Kremer, Schatzmeister.
Kaplan H. Schnock,
Stadtverordneter J. Schaffrath,
Chefredakteur H. Abels, Beisitzer.
Tuchfabrikant Tb. Müllenmeister.
Fabrikant H. F. Maeco.
Herr Kanonikus Kessel Lehnte in einer öffentlichen Erklärung die auf
ihn gefallene Wahl ab, er wurde durch EeiTD Kaplan Schnocl ersetzt. Auch
Herr Beigeordneter Zimmermann sah sieh sehen bald nachher durch Kränk-
lichkeit genöthigt, aus dem Vorstand auszuscheiden, au seiner stelle übernahm
Herr Vikar IL J. Gross aus Laurensberg die Leitung des Vereins. Stber auch
isi; Chronik des Vereins 1885/87.
diesem machten es vermehrte Berufsgeschäftc unmöglich, über Ostem 188(3
hinaus in der Stellung des ersten Vorsitzenden zu verbleiben-, es wurde
nunmehr als solcher Herr Gymnasiallehrer Dr. K. "Wacker gewählt. Für
den mit Ostern 1886 an das Marzellen-Gymnasium nach Köln versetzten
Herrn Dr. Klinkenberg trat Herr Gymnasiallehrer Dr. K. "Wieth als erster
Schriftführer ein, während ersterer seitdem als Beisitzer dem Vorstand
angehört.
Mit 40 Mitgliedern begann der Verein seine Tbätigkcit; ihre Zahl
beträgt gegenwärtig Dank der erfreulichen Aufnahme, welche die Vereins-
bestrebungen in der Bürgerschaft gefunden haben, 152.
In den beiden Generalversammlungen, welche statutenmässig am
22. Oktober 1886 und am 27. Oktober 1887 stattfanden, erstattete der Vor-
sitzende einen ausführlichen Bericht über die Lage und Wirksamkeit des
Vereins, die Jahresrechnung wurde geprüft und dem Scbatzmeister Decharge
ertheilt.
Ausserdem hielt der Verein in Erfüllung der dun obliegenden Auf-
gabe bis Ende dos Jahres 1887 eine Beihc von Monats Versammlungen, in
welchen unter zahlreicher Betheiligung der Vereinsmitglieder folgende
Gegenstände zum Vortrag und zur Besprechung gelangten:
1885.
1. Am 10. Dezember: Die Entstehung und Entwicklung des Aachener
Reichs (Vikar Gross); Aachen zur Römer- und Erankenzeit, im Mittelalter
und in der Neuzeit, an der Hand eigens angefertigter Planzeichnungen
dargestellt (Architekt Bhoen); Bericht über eine amtliche Besichtigung der
Stadtmauer in Aachen um 1450 (Stadtarchivar Pick).
1886.
2. Am 21. Januar: Die Anfänge Burtscheids (Vikar Gross); Meinten
und seine Kapelle (Kaplan Schnock).
3. Am 18. Februar: Das Leben des h. Gregorius, des ersten Abtes
von Burtscheid (Vikar Gross); Das Sonnenlehn Schönau (Gymnasiallehrer
Dr. "Wieth) ; Das Gedenk- und Familienbuch des 1691 zu Aachen geborenen
.Notars Johann Leonhard Schröder (Stadtarchivar Piek).
4. Am 13. April: Die Mosaiken des Aachener Münsters (Architekt
Kimen); Ein Herzogenrather "Weisthum (Staatsanwaltschafts-Sekretär Schollen);
Hie Wachtordming der Stadt dachen von 1537 (Stadtarchivar Pick); Der
Maler Joh. Chrysant Bollenrath (derselbe); Aachens Befestigung vor 1172
Chronik dos Vereins L885/87. L87
(derselbe); Ißt Karl d. Gr. im Proserpina-Sarkophag bestatte! worden?
(derselbe); Das Dankfest zu Aachen aus Anlass der Wiedereroberung von
Budapest 1686 (derselbe).
5. Am 11. Mai: Die Familie von Scbwarzenberg (Arzt Dr. Scheen);
Aachen zur Römerzeit (Stiftsvikar Becker).
6. Am 8. Juni: Der Fackelsonntag und seine Gebrauche (Referendar
Weiter); Karls d. Gr. äussere Erscheinung (Stiftsvikar Becker); Hin Aachener
Fehdebrief von 1302 (Stadtarchivar Pick); Aachens Wurfgeschosse im
14. Jahrhundert (Gymnasiallehrer Dr. Wieth).
7. Am 24. Juli: Das alte Seffent (Stiftsvikar Becker): Der Name
Friesengraben (Stadtarchivar Pick); Das Sprichwort „Ich gönt, du wüosch
op jensie Muffet" (derselbe); Die Befestigung Aachens im .1. 1248 (derselbe);
Die mittelalterliche Benennung Käuberberg für den Salvatorberg bei Aachen
(derselbe).
8. Am 22. Oktober (Generalversammlung): Die Personennamen im
mittelalterlichen Aachen (Gymnasiallehrer Dr. Wieth); Der Name Marschier-
strasse (derselbe) ; Die Schutzheiligen von Melaten (Stiftsvikar Becker); Der
Ortsname Brand (Stadtarchivar Pick).
9. Am 26. November: Der Lousberg und seine Anlagen (Gymnasial-
lehrer Dr. Wacker); Der Zar Peter d. Gr. auf dem Lousberg (Gymnasial-
lehrer Dr. Wieth).
1887.
10. Am 4. März: St. Gertruden Minne (Gymnasiallehrer Dr. Wieth);
Das Schiff von Inden (Cornelimünster) aus dem J. 1139 (derselbe); Die
Steigerung der Eigenschaftswörter in der Aachener Mundart (Staatsanwalt-
schafts-Sekretär Schollen).
11. Am 3. Juni: Geschichte der Armenpflege in der Pfarrei St. Peter
zu Aachen (Oberpfarrer Planker); Geschichte des neutralen Gebiets von
Muresnet (Dr. Dresemann); Eine handschriftliche Aachener Chronik des
18. Jahrhunderts (Stadtaivhivar Pick) ; Eine Bittfahrt zur St. Rumolduskirche
in Mecheln 1347 (derselbe).
12. Am 4. August: Die vormalige Bruderschaft vom Leiden Jesu in
der St. Peterspfarre zu Aachen (Gymnasiallehrer Dr. Wacker); Bericlri über
die dem Verein geschenkten üeberreste des Schönauer Archivs (Gymnasial-
lehrer Dr. Wieth).
13. Am 27. Oktober (Generalversammlung): Das Mailehn in Aachen
(Staatsanwaltschafts-Sekretär Schellen); Die Sakramentsbruderschafl in der
Ins Chronik des Vereins 1885/87.
Pfarrei St. Foüan zu Aachen (Kaplan Schnock); Die Reise einer Aachener
Gesandtschaft nach Brüssel im J. 1744 (Stadtarchivar Pick).
14. Am 13. Dezember: Alte Hänsernamen in Aachen (Stadtarchivar
Pick); Die innere Umwallung Aachens (Architekt Rhoen).
In der Versammlung vom 24. Juli 1886 war auf Anregung des Herrn
Stadtarchivar Pick beschlossen worden, Sommerausflüge nach geschichtüch
merkwürdigen Punkten der Umgegend in das Programm des Vereins auf-
zunehmen. Infolge dessen wurden bisher drei Ausflüge veranstaltet, und
zwar :
1. Am 29. Juli 1886 nach Alt-Schurzelt, Seffent und Meisten. Unter
der kundigen Führung des Herrn Vikar Gross wurde zunächst der Hof
Alt-Schurzelt, das Cirsoli in der Urkunde König Zwentebolds vom J. 896,
und der dort aufgestellte, 1885 in der Nähe des Hofes aufgefundene römische
Steinsarg besichtigt. Die weitere Wanderung führte durch das Seffenter
Thal nach Seffent, wo man die Reste des einstmaligen Königsguts, einen
Fisehweiher und einen terrassenförmig angelegten Baumgarten (vormals
wohl der zu jenem Gut gehörige Weinberg), sowie den alten Fronhof
in Augenschein nahm. An den sieben Quellen vorbei ging es nach
Melaten, dessen architektonisch merkwürdige Kapelle das Interesse Aller
lebhaft fesselte.
2. Am 4. August 1886 nach Friesenrath und Coriielimünster. Bei
Fricsenrath liegt die mit Gestrüpp bedeckte Ruine eines römischen Wart-
thurms, vom Volke die Maiburg genannt, Die Umrisse sind im Ganzen
noch deutlich erkennbar, die Einzelheiten aber wegen des überwuchernden
Strauchwerks nicht mehr zu unterscheiden. Nach eingehender Besichtigung
dieser Ruine wandte man sich dem Hauptziel des Ausflugs, dem alten von
dem vorbeifliessenden Flüsschen so genannten Inda, dem heutigen Corncli-
münster zu. Die Merkwürdigkeiten des Orts, namentlich die Abteikirche
und die auf dem Berge gelegene, arg verwahrloste ehemalige Pfarrkirche,
wurden in Augenschein genommen und ihre Geschichte in kurzen Umrissen
von Herrn Dr. Scheen, der mit dankenswerther Bereitwilligkeit die Führer-
schaft übernommen hatte, dargelegt.
3. Am 28. Juni 1887 nach Stolberg, wo die seit 1881 dem Bahnhof
gegenüber aufgedeckten Grundmauern einer römischen Villa und die im
Orte selbst aufragende Burgruine, an deren Stelle einst nach derVolkssagc
ein Jagdschloss Karls d. Gr. gestanden haben soll, besichtigt wurde.
Von der Herausgabe einer monatlich erscheinenden Vereinszeitschrift,
wie sie anfänglich beabsichtigt war, musste vor der Hand aus finanziellen
(iründen abgesehen werden; dagegen liess der Verein im Februar 1887 ein
Chronik des Vereins 1885/87. ls'.i
erstes Heft seiner Mittheilungen erscheinen, dem Anfangs ISNS das Schluss-
heft des ersten Jahrgangs folgen soll.
Der Vereinsbibliothek wurde von dem Aachener Geschichtsverein und
den Herren Fabrikant Macco, Buchhalter F. Peltzer, Stadtarchivar Pick,
Gymnasiallehrer Dr. Wattendorff und Gymnasiallehrer Dr. Wieth mehrere
zum Theil werthvolle Schriften geschenkweise zugewandt. Sodann schenkte
Herr Vikar Gross bei der Uehersiedlung uach Kalk in Folge seiner Er-
nennung zum Pfarrer daselbst dem Verein die in seinem Besitz befindlichen
Ueberreste des Schönauer Archivs. Ein Verzeichniss der einzelnen Stücke,
welche demnächst dem Aachener Stadtarchiv als Depositum überwiesen
werden sollen, wird eines der nächsten Hefte der Mittheilungen bringen.
In Schriftenaustausch trat der Verein mrl dem Aachener Geschichts-
verein, dem Verein für Geschichte und Alterthumskunde zu Frankfurt a. AI.
und dem Verein Herold zu Berlin.
Am Ende einer zweijährigen Wirksamkeit darf der Verein mit Genug-
thuung auf seine bisherigen Leistungen und Erfolge zurückblicken. Er gib!
sich der Hoffnung hin, dass das "Wohlwollen, welches er bis jetzt nah und
fern gefunden, ihm auch in der Folge erhalten bleibe und insbesondere die
Bürgerschaft der Städte Aachen und Burtscheid fortfahren werde, sieh an
seinem schönen Streben nach Kräften zu betheiligen. Die mehrfach gehegte
und vereinzelt ausgesprochene Befürchtung, seine Gründung möchte dem
in Aachen bereits seit 1879 bestehenden „Geschichtsverein" Schaden bringen,
hat sich, wie die Stifter der neuen Gesellschaft mit Gewissheit voraussahen,
nicht verwirklicht. Im Gegentheil ist die Zahl der Mitglieder jenes Vereins
seitdem beträchtlich gewachsen. Der richtigen Auffassung hat denn auch
der Präsident des Aachener Geschichtsverems, Herr Professor Dr. I rsch.
jüngst in der Generalversammlung desselben mit den Worten Ausdruck
geliehen, dass die Gründung des Vereins für Kunde der Aachener Vorzeit
als ein Symptom des steigenden Interesses für die lokale Geschichtsforschung
anzuseilen sei, weshalb man ihm bestes Gedeihen wünschen müsse.
Statuten.
§ 1. Der „Verein für Kunde der Aachener Vorzeit" hat den Zweck.
besonders che Geschichte der Städte Aachen und Burtscheid, des Aachener
Reichs und der nächsten Umgebung nach jeder Seite zu erforschen und
möglichst zum Gemeingut zu machen.
§ 2. Diesen Zweck will der Verein durch Wort und Schrift erreichen.
Darum bält er
a) in der Regel monatliche Versammlungen ab, in denen durch
Vorträge oder Besprechungen die Kunde von der Vergangenheit
vermittelt wird, und gibt
b) eine Monatsschrift unter dem Titel „Aus Aachens Vorzeit."
heraus l.
§ 3. Der Verein besteht aus ordentlichen Mitgliedern und Ehrenmit-
gliedern. Ordentliches Mitglied kann Jeder werden, der sich zur Zahlung
eines Jahresbeitrags von drei Mark verpflichtet. Die Aufnahme erfolgt nach
Anmeldung beim Vorstand durch Aushändigung der Mitgliedskarte. Zu
Ehrenmitgliedern werden Männer gewählt, welche sich durch wissenschaft-
liche oder sonstige Leistungen um den Verein besonders verdient gemacht
haben; sie zahlen keinen Beitrag, haben aber alle Eechte der ordentlichen
Mitglieder. Die Ehrenmitglieder ernennt auf Antrag des Vorstands die
Generalversammlung.
§ 4. Die Mitgliedschaft geht verloren:
a) durch schriftliche Abmeldung beim Vorstand ;
b) durch den Tod.
Auch hat der Vorstand das Recht, solche Mitglieder, welche den
Zwecken des Vereins entgegenwirken oder sich den notliwendigen Anord-
nungen des Vorsitzenden in den Versammlungen nicht fügen, aus dem
Verein auszusehliessen.
') Durch Beschluss der (Generalversammlung vom 27. Oktober 1887 wurde für
die Vereinszeitschrift, der Titel „Mittheilungen des Vereins für Kunde der Aachener
Vorzeit" eingeführt.
Statuten. 191
$ f). Die Mitglieder und Ehrenmitglieder haben das Recht, sich an allen
Vereinsversammlungen zu betheiligen und die Yereinsbibliothek zu benutzen.
Auch erhalten sie die Veröffentlichungen des Vereins unentgeltlich.
§ 6. Der Vorstand des Vereins besteht aus einem ersten und zweiten
Vorsitzenden, einem ersten und zweiten Schriftführer, einem Redakteur,
einem Bibliothekar, einem Schatzmeister und fünf Beisitzern. Der Vorstand
wird alle drei Jahre von der Generalversammlung durch Stimmenmehrheit
gewählt. Scheidet vor Ablauf dieser Frist ein Mitglied aus dem Vorstand
aus, so ist derselbe berechtigt, sich durch Kooptation zu ergänzen. Der
erste oder -bei dessen Verhinderung der zweite Vorsitzende vertritt den
Verein nach aussen, beruft und leitet die General- und Monatsversammlungen.
sowie die Vorstandssitzungen. Bei den etwa entstehenden Debatten h.it er
besonders darauf zu achten, dass dieselben in würdiger Weise geführt
werden und nicht auf das Gebiet der Religion und Politik binüberschweifen.
Der Schriftführer besorgt die Protokolle und unterzeichnet mit dem
Vorsitzenden die Ausfertigungen.
Dem Redakteur liegt die Herausgabe der Veröffentlichungen unter
seiner alleinigen Verantwortung ob.
Der Schatzmeister erledigt die Geldgeschäfte des Vereins unier der
Kontrole des Vorstands. Auszahlungen finden nur statt auf Anweisung des
ersten bezw. zweiten Vorsitzenden und des Schriftführers.
§ 7. Die Generalversammlung findet jährlich im Oktober statt. Die Ein-
ladung zu derselben erfolgt durch öffentliche Bekanntmachung unter Bei-
fügung der Tagesordnung. Mit der Generalversammlung, wird regelmässig
der Bericht über die Lage des Vereins und seiner Kasse verbunden.
Anträge an die Generalversammlung sind spätestens bis zum L5.
September beim Vorstand einzureichen.
§ 8. Abänderungen der Statuten können nur durch drei Viertel derauf
der Generalversammlung anwesenden Mitglieder beschlossen werden.
§ 9. Bei Auflösung des Vereins fallen die Bücher der städtischen Biblio-
thek, die Urkunden dem städtischen Archiv und das Baarvermögen dem
Suermondt-Museum zu.
Yerzeichniss der Mitglieder.
(Endo Dezember 1887.)
I. Vorstand.
Erster Vorsitzende: Wacker, Dr. K., Gymnasiallehrer in Aachen.
Zweiter Vorsitzende: Schnock, H., Kaplan in Aachen.
Erster Schriftführer: Wieth, Dr. K., Gymnasiallehrer in Aachen.
Zweiter Schriftführer: Rhoen, C, Architekt in Aachen.
Redakteur: Pick, E., Stadtarchivar in Aachen.
Bibliothekar: Schollen, M., Staatsanwaltschafts-Sekretär in Aachen.
Schatzmeister: Kremer, F., Buchhändler in Aachen.
Beisitzer: Abels, H., Chefredakteur in Aachen.
Klinkenberg, Dr. H., Gymnasiallehrer in Köln.
Mac co, H. F., Fabrikant in Aachen.
Müllenmeister, Th., Tuchfabrikant in Aachen.
Schaff rath, J., Stadtverordneter in Aachen.
IL Mitglieder.
Abels, H., Chefredakteur in Aachen.
A Isters, Dr. N., Gymnasial-Oberlehxer in Aachen.
Appelrath, F., Kaufmann in Lmdenthal.
Becker, J., Pfarrer in Hallschlag.
B o c k, P., Nadelfabrikant in Aachen.
Bock, C. jun., Kaufmann in Aachen.
Böckeier, BZ., Stiftsvikar und Domchordirigent in Aachen.
Böhmer, stud. ehem. in Aachen.
Bohlen, J., Rechtsanwalt in Aachen.
Bruch, R., Fabrikant in Burtscheid.
< !a pell man n. I.'., < reoineter in Aachen
Verzeiehniss der Mitglieder. 193
Chantrain e, Dr. "W\, Arzt in Aachen.
Clar, M., Gymnasiallehrer in Aachen.
Cornely. Bürgermeister a. D. in Elchenrath.
Oo ss mann, Th., Möbelfabrikant in Aachen.
Creme r. Chr. J., Architekt in Aachen.
Creutzer, A., Buchhändler in Aachen.
Cnrtins, Dr. A., Gymnasiallehrer in Aachen.
D ahm en, F., Kaufmann in Aachen.
Daverkosen, J., Kaufmann in Aachen.
Demense, H., Fabrikant in Aachen.
Dresemann, Dr. 0. in Aachen.
Driessen, J. L., Vikar in Prummereii.
Effer, Dr., ProgymnasiaÜehrer in Enpen.
Eibern, M., Architekt in Aachen.
Erven s, J. P., Banquier in Aachen.
Eschweilor, H., Handelsgärtner in Aachen.
Eschweiler, J. ,L, Religionslehrer in Aachen.
Feldmann, J., Gymnasiallehrer in Aachen.
Ferbeck, J., Fabrikant in Aachen.
Fey, Joh., Gerichtsassistent in Aachen.
Fey, Jos., Rentner in Aachen.
Firmanns, Apotheker in Altenberg.
Firmanns, J., Juwelier in Aachen.
Flaam, Vikar in Immendorf.
Flamm, J. J., Kaufmann in Aachen.
Fl e seh, Vikar in Eschweiler.
Förster, J., Kaufmann in Aachen.
Forckenbeck, 0. von, Bürgermeister a. D. in Aachen.
Fürth, Freiherr H. A. von. Landgerichtsrath a. D. in lachen.
Geyer, Dr. H., Schulamtskandidat in Horbach.
Gobi et, A., Seifenfabrikant in Aachen.
Goebbels, Jos., Architekt in Aachen.
Goecke, Dr. W., Realschul-Oberlehrer in Aachen.
Grimmendahl, Dr. P., Gymnasiallehrer in Aachen.
Gross, H. J., Pfarrer in Kalk.
Hagelücken, F., Realsclmllelnvr in Aachen.
Hammers, H., Photograph in lachen.
Heinen, Dr. L. J., Arzt in Aachen.
Henues, F., Rentner in Aachen.
18
I!i| Verzeichniss der Mitglieder
&'
II on trieb, Aktuar in Aachen.
Her man düng, L., Lehrer in Aachen.
Hermens, J., Spediteur in Aachen.
Herren, L., Kaufmann in Aachen.
Heus eh, A., stud. iur. et cam. in Aachen.
Hoff, H. von den, Rechtsanwalt in Aachen.
Jaul us, Dr. H., Rabbiner in Aachen.
Jonas, Dr. Chr. J., Religionslehrer in Aachen.
Kahl au, H. J., Kaufmann in Aachen.
Koller, L,, Kaufmann in Crefeld.
Kesselkaul, E., Fabrikant in Aachen.
Kessels, Rektor in Heerlen.
Kl aus euer, Referendar a. D. und Stadtverordneter in Burtscheid.
Klein, Dr. "W., Gymnasiallehrer in Aachen.
Klinkenberg, Dr. H., Gymnasiallehrer in Köln.
Klinkenberg, H., Kaufmann in Aachen.
Kloth, J., Konditoreibesitzer in Aachen.
Knapp, F., Kaufmann in Aachen.
Krem er, F., Buchhändler in Aachen.
Krichel, J. M., Rendant in Aachen.
Kruszewsky, Dr. A., Gymnasiallehrer in Aachen.
K ü p e r, "W., Rektor in Aachen.
Kuetgens, P., Stadtverordneter in Aachen.
Langebeck, .]., Kaufmann in Aachen.
Lauffs, "W., Kaufmann in Aachen.
Leyen, E. von der, Rittergutsbesitzer in Bonn.
Linnartz, W., Direktor der Taubstummenanstalt in Aachen.
Lob, R., Tuchfabrikant in Aachen.
Lörkens, Dr. J., Gerichtsassessor in Köln.
Loersch, Dr. H., Professor der Rechte in Bonn.
Lovens, J.. Pianofoitefabrikant in Aachen.
Lückerath, "W., Kaplan und Lehrer an der höhern Schule in Heiusberg.
Lussem, J.. Kaplan in Aachen.
Mac co, H. F., Fabrikant in Aachen.
Meder, Dr. J., Gymnasiallehrer in Aachen.
Meessen, Bauunternehmer in Forst.
Menghius, W., Fabrikant in Aachen.
Meurer, Dr. A., Realgymnasiallehrer in Aachen.
Müllenmeister, .!., Tuchfabrikant in Aachen.
Verzeichniss der Mitglieder. L9f
Müllenmeister, Th., TucMabrikarit in dachen.
Nelson,1«!., Oberlehrer in Aachen.
Neu, F., Keligionslelirer in Aachen.
Neufforge, E. Th. von, Kaufmann in Aachen.
Ni essen, Architekt in Aachen.
Ochs, Kaplan in Aachen.
Oppenhoff, M., Gymnasiallehrer in Aachen.
Ortmanns, P., Tuchfabrikant in Aachen.
Palm; F. N, Buchdruckereibesitzer in Aachen.
Pauls, E., Apotheker in Bedburg.
Peppermüller, H., Bibliothekar der technischen Hochschule in Aachen.
Peetz, Kaufmann in Aachen.
Philipps, F. in Düren.
Pick, E., Stadtarchivar in Aachen.
Pier, H. von, Nadelfabrikant in Aachen.
Pier, L. von, Nadelfabrikant in Aachen.
Planker, S., Stadtdechant in Aachen.
Printzen, Dr. "W., Progymnasiallehrer in Eschweiler.
Pschmadt, J., Realgyrnnasial- Vorschullehrer in Aachen.
Pütz, Kaufmann in Aachen.
Key, van, Kaufmann in Aachen.
Rhoen, C, Architekt in Aachen.
Richter, J., Bauinspektor a. D. in Bonn.
S aedler, J. H., Pfarrer in Derendorf.
Saget, P., Redakteur in Aachen.
Schaf frath, J., Stadtverordneter in Aachen.
Scheen, Dr., Arzt in Comelimünster.
Schervier, A., Fabrikant in Aachen.
Schlenter, H., Gerichtssekretiir in Aachen.
Schmitz, Kaplan in AValheirn.
Schmitz, .1.. Fabrikdirektor in Aachen.
Schneider, Dr. J., Professor in Düsseldorf.
Schnock, H., Kaplan in Aachen.
Schnütgen, M., Religionslehrer in Aachen.
Schollen, M., Staatsanwaltschafts-Sekretär in Aachen.
Schriever, C, Gerichtsassistent in Aachen.
Schwartzenberg, F. von, Steinmetzmeister in Aachen.
Schweitzer, J., Buchhändler in Aachen.
Servais. Apotheker in Aachen.
l.:
196 Verzeichniss der Mitglieder.
Sommer, J., Gymnasial-Oberlehror in Aachen.
Spelz, F., Kaufmann in Aachen.
Stein, F., Gymnasiallehrer in Aachen.
Strom, F., Kaufmann in Aachen.
Theissen, Dr. F., Gymnasiallehrer in Aachen.
Thisson, F., Kanzleirath in Aachen.
Timm erm ans, .T. L., Kaufmann in Aachen.
Urlichs, B., Buchdruckereibesitzer in Aachen.
Yaassen, Dr. B., Bechtsanwalt in Aachen.
Veith, C. von, Generalmajor z. D. in Bonn.
Vi gier, L., Schirmfabrikant in Aachen.
Vogelgesang, K., Kaufmann in Aachen.
Wacker, Dr. K, Gymnasiallehrer in Aachen.
"VVangemann, Dr. A., Zahnarzt in Aachen.
Wangemann, Dr. P., Zahnarzt in Aachen.
Wattendorff, Dr. J., Gymnasiallehrer in Emmerich.
Weerth, Dr. E. aus'm, Professor in Kessenich.
Welt er, H., Beferendar in Aachen.
Wendland, L., Pfarrer in Bheinhach.
Wergifosse, E., Bektor in Aachen.
Weyers, B., Buchhändler in Aachen.
Wiertz, P., Bierhrauereibesitzer in Aachen.
Wieth, Dr. K., Gymnasiallehrer in Aachen.
Zimmermann, K., Beigeordneter in Aachen.
Druck vm F. N. Palm in Aachen.
MITTIIEILUNGEN DES VEREINS FÜR KINDE DER AACHENER VORZEIT.
IM AUFTRAG DES VORSTANDES HERAUSGEGEBEN
VON
m KARL WIETH.
(JIIT 1 PLAX UXD 1 SKIZZE.)
ZWEITER JAHRGANG.
AACHEN.
Kommissions-Verlag der Ceemer'schen BuCHHANin-irMi (C. Cazin).
1889.
INHALT.
Seite
1. Der angebliche Aachener Stadtbrand 1146. Von R. Pick 1
2. Die Aachener Stadtpläne. Von C. Rhoen (Mit Abbildung) .... 4
3. Ein in Aachen entstandenes Schauspiel und Siegeslied zur Befreiung
Wiens von den Türken im September 1683. Von E. Pauls. . . . 10
4. Kleinere Mittheilungen:
1. Zur Biographie des Pfarrers Heinrich Brewer. Von R. Pick . 12
2. Domgraf und Schuz. Von W. Weit z 14
3. Das Grundhaus bei Aachen. Von R. Pick 15
5. Fragen 16
6. Vereinsangelegenheiten 16
7. Die Pfarrer von St. Peter in Aachen. Von S. Planke r 17
8. Zur Granussage. Von E. Pauls 21
9. Die Aachener Stadtpläne. Von C. Rhoen (Schluss) 26
10. Kleinere Mittheilungen:
1. Eine Aachener Silbermünze von 1419. Von R. Pick 31
2. Die Bruderschaft der Wollen weber-Gesellen in Aachen. Von R. Pick 32
11. Fragen 32
12. Antworten 32
13. Vereinsangelegenheiteu 32
14. Die Pfarrer von St. Peter in Aachen. Von S. Planker (Fortsetzung) 33
15. Zur Erklärung des Namens Marschierstrasse. Von K. Wieth . . . 37
16. Kleinere Mittheilungen:
1. Die Retheischen Fresken im Rathhaussaale zu Aachen. Von
A. Curtius 43
2. Heinrich Copzoo. Von R. Pick 44
3. Eine Bescheinigung des Vorstandes der Aachener Bäckerzunft 1647.
Von E. Pauls 44
17. Fragen ».">
18. Autworten 46
19. Chronik des Vereins 1888 47
20. Bücheranzeige 48
21. Die Pfarrer von St. Peter in Aachen. Von S. Planker (Schluss) . . 49
22. Der Luftschiffer Franz Blanchard zu Aachen im Jahre 1786. Von E.Pauls 53
23. Kleinere Mittheilungen:
1. Der erste Buchdrucker in Aachen. Von B. M. Lersch . . . . 61
2. Meteorstein oder Hagelstein ? Von B. M. Lersch 61
3. Aachener Tuch. Von B. M. Lersch 61
4. Karl der Grosse im Bade. Von B. M. Lersch 61
5. Eine Aachener Wachtordnung aus dein Jahre 1759. Von B. Schnoi k gl
24. Fragen 62
25. Antworten 62
26. Vereinsano'eleq'enlieiten 64
27. Bücheranzeige 64
Seite
28. Aquisgrani? Von B. M. Lersch 66
29. Ein Aachener Schuldrama des 18. Jahrhunderts. Von E. Pauls . . 75
30. Kleinere Mittheilungen:
1. Nachgrabungen in Cornelimünster nach dem Grabe des heiligen
Benedikt von Aniane. Von H. Schnock 77
2. Der Vogelfang bei Maxen, den 20. und 21. Novembris 1759. Von
K. Wieth 80
31. Vereinsangelegenheiten 80
32. Zur Baugeschichte des Grashaiises. Von C. Bhoen 81
33. Zur Geschichte der Aachener Patrizierhäuser. Von C. W. Menghius 89
34. Kleinere Mittheilungen:
1. Kornpreise in Aachen in den Jahren 1560 — 1628 und 1708 — 1713.
Von C. Böhmer 91
2. Ausgrabungen auf dem Stephanshofe, der Prinzenhofkaserne und
in der Korneliusstrasse. Von K. Wieth (Mit Skizze) .... 94
35. Vereinsangelegenheiten 96
36. Namen in Aachen. Von H. Kelleter 97
37. Verhaltungsmassregeln in Pestzeiten. Von C. Böhmer 108
38. Fragen , 112
39. Das Landschiff von Cornelimünster im Jahre 1133. Von K. Wieth . 113
40. Kleinere Mittheilungen:
Der Rodensteiner. Von K. Wieth 123
41. Verzeichniss der Vereinsmitglieder 124
< ••' »
Vereinsangelegenheiten.
1. Generalversammlung am Mittwoch den 9. Oktober 1889,
Abends 7x/2 Uhr, im Hotel zum Elephanten (Ursulinerstrasse).
Tagesordnung: Jahresbericht. Vorträge: Aachens Thermen.
Beitrag zur Glockenkunde Aachens. Zur Erklärung des Namens
Lousberg. Miscellen.
2. Monatsversammlung am Mittwoch den 6. November 1889,
Abends 11\2 Uhr, im Hotel zum Elephanten (Ursulinerstrasse).
3. Monatsversammlung am Mittwoch den- 11. Dezember 1889,
Abends 7J/2 Uhr, im Hotel zum Elephanten (Ursulinerstrasse).
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Jährlich 8 Nummern
ä 1 Bogen ltoynl Oktav.
Preis des Jahrgangs
4 Mark.
Kommissions -Verlag
der
( Iremer'schen Buchhandlung
ll'. Ca /.im
in Aachen.
v&&
Mittheilungen des Vereins für Kunde der Aachener Vorzeit.
Im Auftrage des Vereins herausgegeben von Dr, K. Wieth.
Nr. 1.
Zweiter Jahrgang*.
1888.
Inhalt: R. Pick, Der angebliche Aachener Stadtbrand 1146. - C. Rhoen, Die Aachener
Stadtpläne. — E. Pauls, Ein in Aachen entstandenes Schauspiel und Siegeslied zur Feier
der Befreiung Wiens von den Türken im September 1683. - Kleinere Mittheilungen: Zur
Biographie des Pfarrers Heinrich Brewer. - Domgraf und Sehn/. Das Grundhaus bei
Aachen. - Fragen. — Vereinsangelegenheiten.
Der angebliche Aachener Stadtbrand 1146.
Von R. Pick.
In den lokalgeschichtlichen Schriften über Aachen begegnet man viel-
fach der Angabe, dass im Jahre 1146 ein grosser Brand, der erste uns
bekannte, die Stadt verwüstet habe, ja es wird sogar behauptet, dass
Aachen bei diesem Brande fast völlig zerstört worden sei1. .Man stützt
sich hierbei, soweit überhaupt auf eine ältere Quelle Bezug genommen
wird, auf die wahrscheinlich von Geistlichen dvs Älarienstifts nieder-
geschriebenen Aachener Annalen (Annales Aquenses), die allerdings zum
Jahre 114(> von einer auch anderwärts2 bezeugten Hungersnot!) und zugleich
von einem Brande in Aachen berichten, von letzten» mit den knappen
') Vgl. Meyer, Aachensehe Geschichten I, S. 249; C. P. Bock, Geschichtliche
Darstellung des Aachener Rathhauses S. 7'.) ff.; Eaagen, Geschichte Lehens 1. S. 122;
Kessel und Rhoen in der Zeitschrift des Aachener Geschichtsvereins III, S. 7.~>; Rhoen,
Zur Aachener Befestigungsfrage S. 18. Der älteste Geschichtschreiber Lachens,
P. a Beeck (Aquisgranum p. 115), schliessl sich eng an die Aachener Annalen an: irre-
cuperabili quoque clade ignis ibidem conflagrauit (auch bal das Feuer daselbst unersetz-
lichen Schaden gethan).
2) Vgl. ■/,. li. Annales Brunwilarenses zum Jahre 1146 bei Böhmer, Fontes III.
]>. 887; Annales Rodenses bei Emst-Lavalleye, Histoire du Limbourg VII, p. 60. Dil
Chronica regia Coloriiensis (!><•;. untere Ausgabe aus den Mon. Genn.) p. 82 setzl die
Hungersnot!) ins Jahr 1 1 17.
— '2 —
Worten: „Aquis irrecuperabiliter concrematum est." So lautet die Stelle
in dem neuesten, von G. Waitz besorgten Abdruck der Annalen *, während
sich in den frühem Ausgaben derselben2 zwischen Aquis und irrecupera-
biliter noch das Wörtchen (hie) eingeschoben findet.
Man kann nicht gerade sagen, dass der Sinn der Stelle auch ohne
das völlig unverständliche hie 3 ein besonders klarer sei, dass es sich aber
hier nicht um einen grössern Stadtbrand handelt, dürfte doch aus den
AVorten selbst und mit mehr Gewissheit noch, wie mir scheint, aus ander-
weitigen Nachrichten zu erweisen sein.
Unterzieht man zunächst den Wortlaut einer kritischen Prüfung, so
kann es nicht zweifelhaft sein, dass Aquis hier nicht als Nominativ, sondern
als Ablativ von Aquae gebraucht ist, also deutsch „zu Aachen" heisst.
Hierfür spricht einmal die sächliche Form des Zeitworts, concrematum est,
welche sich sonst in den Annalen nur bei unflektirbaren Namen kleiner
Festen wie Lemborch (Limburg), Hemesberch (Heinsberg) u. s. w. ange-
wandt findet, während bedeutendere Orte wie Köln, Jerusalem und
andere in regelrechter Weise weiblich benannt sind, dann aber auch
der Umstand, dass der lateinische Name für Aachen, mag nun Aquae
oder Aquisgranum gewählt sein, in den Annalen stets flektirt wird
und in richtiger grammatischer Anwendung vorkommt. So heisst es,
um nur zwei Beispiele anzuführen, zum Jahre 1107: Godefridus, dux
Lovaniensis, Aquas invasit et ducem Heinricum expulit (Gottfried, Herzog
von Löwen, drang in Aachen ein und vertrieb den Herzog Heinrich);
zum Jahre 1163: Domus militum destruete sunt Aquis iussu imperatoris
. Friderici, quia leserant canonicos sanete Marie Amelium et Lambertum
Curcum (Die Häuser der Kitter wurden zu Aachen auf Befehl des Kaisers
Friedrieh zerstört4, weil sie die Kanonichen des Marienstifts Amelius und
Lambert Curcus verwundet hatten). Ist aber Aquis die Ablativform, so
kann das Zeitwort concrematum est nicht anders als unpersönlich auf-
gefasst und deutsch durch „es hat gebrannt" übersetzt werden, man müsste
denn annehmen, dass der Text der fraglichen Stelle verstümmelt und das
Subjekt, etwa palatium oder ein sonstiges Neutrum, von dem Abschreiber
übersehen worden sei, was zwar möglich, aber nicht gerade wahrscheinlich
ist. Der impersönliche Gebrauch des Wortes concremare oder des gleich-
0 Mon. Germ. SS. XXIV, p. 37.
2) Quix, Codex dipl. Arjuensis no. 100, p. 71; Böhmer 1. c. III, p. 393; Ernst-
Lavallcye 1. c. VI, p. 79.
:!) Vgl. Böhmer 1. c. III, p. LIX, wo auch über den Mangel an „Sinn für die
Wissenschaft und Verständniss derselben" in Aachen sehr beherzigenswerte Worte zu
lesen sind, in dem frühern Abdruck der Annalen, Mon. Germ. SS. XVI, p. 686, vermuthet
Pertz in dem (hie) bei Quix und Ernst-Lavalleye einen Druckfehler für (sie); die neue
auf Grund der inzwischen wiederaufgefundenen Handschrift des 13. Jahrhunderts ver-
anstaltete Ausgabe (s. Anm. 1) bemerkt darüber: „hie." inseruit apographum Ernstii; sed
eiusmodi nihil codex.
4) Die Zerstörung eines Banscs als Strafe findet sich im Mittelalter öfters, vgl.
Quix 1. c. no. 209, p. 138; Loersch, Achener Rechtsdenkmäler S. 37; Böhmer, Acta.
imperii selecta no. 146, p. 138.
— 3 —
bedeutenden comburere ist der mittelalterlichen Schreibweise nicht fremd.
In der Ausgaberechnung der Stadt Aachen von 1376/77 findet sich z.B.:
[tem portantibus amarum, guando comburebatur in Kurtscheil, 8^2 ni. '
(Ferner den Ahmträgern, als es in der Strasse Queue de chaine brannte,
s1 , Mark).
Winl demnach in den Annalen berichtet, dass es 1146 in Aachen
gebrannt habe, so zeigt das beigefügte irrecuperabiliter, uirwiedererlangbar,
dass von dieser Feuersbrunst nicht sowohl eine grössere Zahl von durch-
gängig wohl ans Lehm und Fachwerk errichteten Wohngebäuden, die sieh
wahrlich alle ersetzen Hessen, als vielmehr ein hervorragendes Bauwerk
betroffen wurde, das nach seiner Zerstörung durch Brand in der frühern
Weise oichi wiederherzustellen war. Was für ein Gebäude es war, lä
sieh bei dem Mangel jeder weitern Nachricht mit Zuverlässigkeit nicht
bestimmen. Man könnte an einen Theil der Pfalz oder der Pfalzkapelle
oder auch heider denken, und in der That hat die lokale Forschung
angenommen, dass es vornehmlich die nach Westen hin gelegenen Theile
der Pfalz und das Münster waren, welche 114(1 von dem Brandunglück
heimgesucht wurden, freilich ohne überzeugende Gründe dafür, namentlich
in Bezug auf das letztere Gebäude, beizubringen. Professor Bock, der
Urheber dieser Meinung, gibt zugleich der Vermuthung Baum, der Brand
habe in dem sich westlich an die Pfalz anschliessenden vicus seinen Anfang
genommen und sich von dort auf die karolingischen Baudenkmale, die Pfalz
und Pfalzkapelle, fortgepflanzt2, eine Vermuthung, die aus den Worten der
Annalen nicht im Geringsten zu begründen ist.
Aber noch ein weiteres gewichtiges Zeugniss stellt der Annahme,
dass im Jahre 1146 eine grössere Feuersbrunst die Stadt Aachen verheert
habe, entgegen. Bekanntlich besuchte Anfangs 1147 der h. Bernhard auf
seine)' Rückreise von Speier nach Clairvaux die niederrheinischen Lande.
Von Köln, wo er am 9. Januar eintraf, kam er über Brauweiler und Jülich,
wo er sich am 15. Januar aufhielt und mehrere Blinde heilte, nacli Aachen8.
Heber die ganze Eeise, speziell über Bernhards Anwesenheit in der Krönungs-
stadt, gibt namentlich das Tagebuch, welches die Begleiter des gewaltigen
Mannes, die Mönche Gerhard, Eberhard und Gaufried, sowie die Aebte
Theuderich 1. von Camp und Eberwin von Steinfeld, führten, ziemlich genaue
Nachricht, und was wird hier berichtet? Gaufried erzählt: „Als der
Mann Gottes in <Wr Pfalzkapelle (in illa famosissima toto ßomanorum orbe
i Laurent, Aachener Stadtrechnungen S. 256, '/.. 11, wo aber, wie an zahlreichen
andern Stellen, für das in der Vorlage abgekürzte guando irrig guum gedruckt ist.
-) Vgl. c. P. Bock a. a. 0. S. 80.
::i Merkwürdigerweise lassen einzelne hiesige Lokalforschcr den k. Bernhard ersl
aacli der Krönung Eeinrichs, des Sohnes Konrads III.. die am 30. März mit stattfand,
in Aachen erscheinen; vgl. Meyer, Aachensche Geschichten I, S. -Je»; Quix, Geschichte
der Stadt Aachen I. S. 63; A. von Reumont, Aachener Liederchronik S. 192. Seine
Ankunft hierselbsl wird am 15. "der 16. Januar MIT erfolgt sein. Vgl. Annalen des hist.
Vereins f. d. Niederihcin X \ II. S. L43 f. (wo offenbar MCXLII1 für MCXLVI1 verdruckt
isl ) und XX, S. 272.
— 4 —
capella) die h. Messe feierte, wurde ein Blinder und ein Lahmer geheilt,
die Krücken hing man sofort zum Andenken auf." Gerhard bemerkt:
„Nie auf der ganzen Reise ist Bernhard so gedrückt und gedrängt worden,
wie in jener Kapelle, denn der Ort war sehr enge und die Schaaren des
Volkes drängten einander, wie im Meere die eine Woge die andere fort-
wälzt." Eberhard endlich schreibt: „Aachen ist ein hochberühmter und
sehr angenehmer Ort (celeberrimus et amoenissimus locus), jedoch angenehmer
für die Sinne als für das Seelenheil (accomodatior corporum voluptati quam
animarum saluti), das Wohlleben der Thoren gereicht ihnen zum Unter-
gang, und wehe dem Hause, wo keine Zucht herrscht. Ich sage dies
nicht aus Hass, sondern möchte nur Einer dies lesen, der es bessert, und
gebe Gott, dass sich doch Einige von ihnen bekehren und leben1." Ins-
besondere die letztere Aufzeichnung kommt für die Beurtheilung der Aus-
dehnung des Brandes im Jahre 1146 in Betracht. Hätte der Mönch
Eberhard, so darf man hier wohl fragen, Aachen so, wie er es thut, schildern
können, wenn die Stadt kurz vorher vom Brand fast völlig zerstört worden
und der Schutthaufen, wie es unter diesen Umständen nothwendig der
Fall gewesen wäre, wenigstens zum Theil noch vor den Augen des
Schreibenden da gelegen hätte? Sicherlich nicht. Würde aber auch, so
muss man weiter fragen, der fromme Mönch, den das unkirchliche Treiben
der Aachener so tief ergriff, nicht in jedem Falle auf den kaum über-
standenen Stadtbrand als ein Strafgericht Gottes hingewiesen haben, wenn
ein solcher wirklich sich im Jahre vorher ereignet hätte? Ein kleinerer
Brand, etwa der Pfalz, konnte ihm dazu keinen Anlass geben, um so
weniger, als letztere nicht den Bewohnern der Stadt gehörte, sondern
Eigenthum des Kaisers war. Das gänzliche Schweigen aber über den
angeblichen Stadtbrand und die Schilderung des üppigen Lebens in dem
„überaus angenehmen Orte" scheinen mir im Zusammenhang mit der obigen
Deutung der Worte der Annalen ein unumstössliches Zeugniss dafür abzu-
legen, dass die Verwüstung oder gar fast völlige Zerstörung der Stadt
durch Brand im Jahre 1146 nichts anders als ein Phantasiegebilde
unkritischer Forschung ist.
Die Aachener Stadtpläne.
Von C. Rhoen.
(Mit A b b i 1 d u n g.)
Bis zum 16. Jahrhundert entbehrten die Reiselbeschreibungen eines
Reizes, ohne den wir sie uns heute kaum denken können, nämlich der
bildlichen Darstellungen. Daher tragen auch die Schriften älterer Reise-
beschreiber, wie des Marco Polo, des Ritters von Harff, des Johannes
von Maundeville u. A. zum Theil den Charakter des Unbestimmten und
Dunkeln, zuweilen des Phantastischen, da ihnen die Grundlage der
') Vgl. Annalen des bist Vereins f. d. Niederrbein XU, S. 154 ff.
Beschreibung, die bildliche Darstellung", fehlt. Als jedoch durch die
Erfindung der Kupferstecherkunsl die Möglichkeil gegeben war. solche
Darstellungen zu vervielfältigen, erhielt die Literatur der Länder- und
Völkerkunde durch den altern Holzschnitt bald einen raschen A.ufschwung.
Es entstanden nicht bloss Beschreibungen entfernter Gregenden, sondern
auch der Länder. Städte und Sehenswürdigkeiten unseres Erdtheils.
Insbesondere boten die Städte einen günstigen Gegenstand sowohl für
die Beschreibung als auch die bildliche Darstellung, und so entstanden
bald die sog. Städtebücher, oft wahre Prachtwerke, geschmückt mit herr-
lichen Initialen und Tafeln, welche vielfach von den besten Meistern der
Kupferstecherkunst ausgeführt waren. Zu den Erstlingswerken dieser Art
in Deutschland dürfte wohl das von Bruin (Braun) und Hogenberg zu zählen
sein, welches zuerst im J. 1572 in Köln herausgegeben wurde. Schon
früher, im J. 1544, war die erste Originalausgabe der Cosmographey
von Sebastian Münster, jedoch ohne Holzschnitte und Illustrationen,
erschienen, welcher ersten Ausgabe im J. 1550 andere mit Plänen
folgten. Im 17. Jahrhundert, etwa von 1640 bis 1678, gab Merian sein
grosses Werk in 31 Foliobänden und Guicciardini das seinige heraus.
Andere kleinere Werke dieser Art wollen wir nicht erwähnen.
Die diesen Beschreibungen beigefügten Ansichten sind in der sog.
Kavalier- oder Vogelperspektive ausgeführt, einer Darstellung, die nicht
bloss den Plan der Städte, sondern auch die Ansicht ihrer Gebäulichkeiten
zeigt. Das gilt auch von den Plänen der Stadt Aachen, die in alle
diese Werke aufgenommen sind.
her älteste mir bekannte Plan von Aachen bestand wahrscheinlich
ans 14 Blättern von je etwa. 282 nun Breite und 343 mm Höhe,
deren jedes einen Theil der Stadt darstellte. Unter jedem Blatt war in
flacher, kräftiger Schrift der betreifende Stadttheil bezeichnet. Die Auf-
nahme hatte von der Ostseile ans stattgefunden, und das Kölnthor zeigte
sieh in vorderster Reihe. Von diesem äusserst, selten gewordenen Plan
besitzt die Aachener Stadtbibliothek nur 4 Blätter, die augenblicklich in
zwei Rahmen unter Glas eingefasst sind. Aul' einem Blatt steht in dem
grossen Bogen vom Wassert hurin in (Wv Nähe der St. Adalbortskirche
die Jahreszahl der Anfertigung des Plans 1566. Die Technik ist
manierirt; die Striche in den Dachflächen laufen rund und bilden Kreis-
theile, die Platter der Bäume und des Strauchwerks tragen eine gewii
Oberflächlichkeil zur Schau. Die sämmtlichen Blätter t\rs Plans werden
wohl von einer und derselben Hand ausgeführl worden sein: es ist dies
wenigstens bei den 1 vorhandenen der Fall. Der Name des Künstlers
ist jedoch nicht bekannt.
Der dem Werke „Civitates orbis terrarum" von Bruin und Hogen-
berg beigefügte Plan i\rv Stadt Aachen vom J. L572 ist augenscheinlich
eine verkleinerte Reproduktion der zusammengestellten 14 Blätter dieses
ersten Plans der Stadt. Durch die Zusammenstellung derselben und
zwar in einer (Srrösse von 363 mm Breite und 295 mm Höhe gewinnt
man eine leichtere Uebersichl über die Gesammtheil der Blätter des
6 —
ersten Plans, und die vielen in denselben befindlichen Verzeichnungen
fallen daher um so mehr ins Auge. Diese Verzeichnungen sind derart
gross, dass, wenn nicht die öffentlichen Gebäude — die übrigens mit
grosser Treue und Feinheit wiedergegeben sind — die Stadt erkennen
Hessen, dies aus der Lage der Strassen völlig unmöglich wäre. Aber
auch die Lage der öffentlichen Gebäude ist eine unrichtige. Rathhaus,
Münster und Foilanskirche sind so gestellt, als ob alle drei in der verlängerten
Längsaxe ständen und ihre Langseiten statt nach Norden und Süden,
vielmehr nach Osten und Westen gerichtet wären. Aehnlich verhält es
sich auch mit den andern Kirchen. Durchaus fehlerhaft ist ferner die
Lage des sog. langen Thurms wiedergegeben, welcher noch weit über
das Jakobsthor nach Westen hinaus vorzurücken scheint. Auch das Eos-
thor schiebt sich zu weit nach Süden vor die Rundung der Stadtmauer
hinaus. Als Darstellung der Stadt hat dieser Plan keinen Werth, dagegen
verdienen die eingezeichneten öffentlichen Gebäude A\regen ihrer Genauigkeit
Beachtung.
Als heraldische Beigabe zeigt der Plan in Wappenschildern oben
rechts den einfachen Adler als Wappen der Stadt und oben links Oester-
reichs Doppeladler mit einem Schildchen auf der Brust als Wappen dos
Reichs. Mitten zwischen den beiden Adlern steht in Majuskeln das Wort
„Aich". In der untern linken Ecke befindet sich die Andeutung „Cum
Privilegio", und am Fusse des Plans ein Bild in den Trachten der damaligen
Zeit, einen Mann und zwei Frauen darstellend, von denen die eine dem
Beschauer den Rücken zuwendet. In der untern rechten Ecke steht in
einem mit Renaissanceverzierungen umrahmten Tableau die Inschrift :
„Aqyisgranvm, vrbs praeclarissima primvm inter qvatvor imperii civitates
locvm obtinet."
Von diesem Plan sind, soviel ich weiss, drei Ausgaben, zwei
lateinische und eine deutsche, erschienen, die erste im J. 1572 in dem
obengenannten Werke von Bruin und Hogenberg: „Civitates orMs terrarum."
Der Text, welcher in Majuskeln die Ueberschrift „Aquisgranum" trägt,
beginnt mit den Worten in Typendruck: „Aqyisgranvm, vrbs Imperialis in
Menapioruni finibus", und endigt: „cum inter se, tum a suburbanis nonnihil
discrepant,"
In der Cosmographey von Sebastian Münster l ist eine reduzirte
Kopie dieses Stadtplans wiedergegeben. Dieselbe ist in Holzschnitt aus-
geführt, misst 155 mm in der Höhe und weist sämmtliche Fehler und
Verzeichnungen des Originals auf. Um auf die Blätter des Werks die
Darstellung der Stadt in möglichst grossem Massstab bringen zu können,
ist die äussere Befestigungsmauer last dicht bis an den ans einer einfachen
Linie bestehenden Rand ausgedehnt, so dass von der Umgebung der Stadt
nur wenig sichtbar ist. Der in der Ausgabe von 1502 unter Kap. 208
l) Die erste Originalausgabe '1er Cosmographey datirt von 1544, dieselbe enthält
jedoch weder Pläne noch Illustrationen. Dieser folgten weitere Ausgaben L550, 1569,
1572, 1574, 1578, 1592, 1598, Hill. J>ie im .1. L550 erschienene Ausgabe enthält die
ersten und zugleich besten Pläne und Illustrationen.
» — 7 —
mit der Ueberschrift „Aach" beigefügte Text beginnt S. 721 mit den
Worten: „Diese Stadt Aach wird zu Latein Aquisgranum: Das ist Gran-
wasser genannt", und schliessl S. 723 mit: „bis er sie begnadet." Da die
in den beiden letzten Ausgaben befindlichen Pläne und Illustrationen sich in
einem bessern Etat befinden, als die unmittelbar vorher erschienenen, so ist anzu-
nehmen, dass die dazu gehörigen Holzstöcke nachgearbeitet worden sind.
Die zweite Ausgabe erschien in der „Beschreibung und Contrafactur
der vornembsten Städl der Welt" von Bruin und Hogenberg, Cöln 1574.
Der in deutschen Typen gesetzte Text mit der Ueberschrift „Aich" beginnt:
„Aich, ein kayserliche Stadt zwischen Rhein und der Maasen" und schliesst
mit den Worten: „an kraft und tugend des wassers underscheiden."
Die dritte Ausgabe, wiederum in lateinische]- Sprache, hat die Anfangs-
worte: „Aqvisgranvm, vrbs Imperialis in Menapiorum finibus" und den
Schluss: „cvm inter se, tum a suburbanis nonnihil discrepant." Die Initiale
A des lateinischen Typendrucks ist von Erdbeerpflanzen umschlungen. In
dieser Ausgabe ist die Platte neu aufgestochen und verändert, ausserdem
sind an der untern linken Seite 35 Nummern Erklärungen hinzugefügt.
Kurz nachher, im J. 1576, wurde von Henrick van Steenwyck ein neuer
Plan Aachens von der Nordseite aufgenommen, so dass das Pontthor im
Vordergrund steht. Die Zeichnung ist im Ganzen mit grosser Treue
ausgeführt, wenn auch einzelne kleine Unrichtigkeiten sich eingeschlichen
halien. So liegt die Trichtergasse falschlich in der Verlängerung der
Klappergasse, das Rosthor steht nicht quer, sundern schräg über dem
Stadtgraben, auch der Graben am Jakobsthor ist unrichtig eingetragen.
Die Ausführung des Stichs ist kräftig und deutlich. In der obern Ecke
links steht auf einem mit verzierter Cartouche umfassten Schild der Doppel-
adler (\q> Reichs mit einem in drei Theile getheilten kleinern Schild auf
der Brust; rechts im gleichen Schild der einköpfige Adler. In der untern
Ecke links steht eine bloss mit einem Perlenstab umfasste Schrifttafel
mit folgender Inschrift: „AQVISGRANVM, vulgo Aich. ad Menapiorum
fines, perantiqua [mperij vrbs, monumento Caroli Magni, Thermar.
prestantia, ei peregrinorum ob reliquias frequentatione memorabilis. Anno
partae salutis CIO.IO.LXXVI. Coloniae Agripp." Etwas oberhalb dieser
Schrifttafel steht: „Cum priuilegio." In der untern Ecke rechts befindet
sich das Dämliche Trachtenbild wie auf dem vorerwähnten Plan und
zwar auch in derselben Grösse. Dicht neben diesem Bild, in einem
Weg eingravirt, steht der Name <\^s Stechers Henrick van steenwyck.
Innerhalb des Bildrands sind in lateinischer Sprache die vier Himmels-
•enden angegeben. Die Bildgrösse beträgl 387 nun in der Breite und
322 mm in der Höhe1.
Dieser Stadtplan ist in mehrorn Etats in dem Werk von Brühl
und Hogenberg erschienen2. Der älteste und beste bringt auf i\w Rück-
M Vgl. ilii' Abbildung.
-i Von diesem Werke sind ausserdem Doch folgende Ausgaben erschienen: 1579,
;; Bde.; L581 82s 3 Bde. mii französischem Text; 1612 und L618, 3 Bde. mit 360
Kupfern, vollständige Ausgabe.
— 8 —
seite unter der in Majuskeln gedruckten Ueberschrift „Aquisgranuni" die
Beschreibung der Stadt in lateinischer Sprache, beginnend mit den Worten:
„AQVISGRANVM, vrbs imperialis" und endigend mit: „& Bartholomaeus a
Cliuolo Medicus Taurinensis libris quatuor." Die Initiale A in „AQVIS-
GRANVM" ist 31 mm breit und 30 mm hoch und stellt Adam und Eva
dar: der Typendruck ist ziemlich gut. Der zweite Etat zeigt einen weniger
guten Abdruck der Kupferplatte; der auf der Rückseite befindliche Text
der spätem Ausgabe des Werks ist indessen von sauberer Ausführung,
er beginnt und schliesst wie in der ersten Ausgabe. Die Initiale A, 53 mm
breit, 55 mm hoch, ist mit Maskarons und kämpfenden Kindern verziert.
Die weitern Etats in den folgenden Ausgaben zeigen die Platte neu
aufgestochen, doch olme bemerkbaren Zusatz in Bezug auf die topographische
Darstellung. Der Name des Stechers Henrich van Steenwyck ist von der
frühern Stelle fortgeschabt, doch auf den ersten bessern Abdrücken leicht
erkennbar. Dagegen ist etwas unterhall) des in der obern rechten Ecke
stehenden Adlers ein fliegendes Spruchband mit der Inschrift : „Depingebal
Henri(ciis) Steenwichi(us)" angebracht worden.
Ein Abdruck der erneuten Platte ist der von Bruin und Hogenberg
herausgegebenen andern Auflage der „Civitates orbis terrarum" zugegeben
worden. Der auf der Bückseite befindliche Text beginnt wieder mit den
Worten: „AQVISGRANVM, urbs imperialis" und endigt mit: „tumasubur-
banis nonnihil discrepant." Die Initiale A, mit Blätterwerk verziert, jedoch
ohne Band, ist 40 mm breit und 39 mm hoch; der Text nebst Ueber-
schrift und Initiale ist von mittelmässigein Druck. Eine fernere Ausgabe
der erneuten Platte, jedoch von weniger gutem Abdruck, hat auf der
Bückseite den lateinischen Text, wieder beginnend mit den Worten:
„AQVISGRANVM, urbs imperialis" und endigend mit: „Bartholomaeus a
Cliuolo Medicus Taurinensis libris quatuor." Die Initiale A des Textes,
mit einfachem, aber kräftigem Band, 53 mm breit, 65 mm hoch, ist sehr
schön geschnitten und zeigt die h. Dreifaltigkeit mit der dieselbe anbetenden
h. Jungfrau und Engeln. Eine weitere Ausgabe hat deutschen Text,
beginnend mit: „Aich, ein kaiserliche Stadt" und endigend mit: „an kraft
und tilgend des Wassers underscheiden." Die französische Ausgabe beginnt
mit ...Vix-la-chapelle" und endigt mit dem Worte „Fauxbourgs".
Die Kupferplatte dieses Plans ging mit den andern Hogenbergschen
Platten in den Besitz von Janssönius über, der sie 1657 in seinem Städte-
buch wieder verwandte. Hierbei wurde der Text umgeändert und nahm
in vier Spalten die erste und vierte Seite des gefalteten Bogens ein. Der-
selbe schliesst mit den Worten: „reliquis partibns illaesis."
Schwerlich dürften von einem Städteplan aus dieser Zeit so viele
Ausgaben erschienen sein wie von diesem.
In dem Städtebuch des Guicciardini: „La description 'de !<»us les
Pays-Bas", das im J. 1582 in- Antwerpen von Plant in herausgegeben wurde,
befindet sich ebenfalls ein Plan von Aachen. Derselbe ist eine Kopie des
von Steenwyck gestochenen, in mittelmässig guter Radirung, 315 mm breit
und 232 mm hoch, und hat als Band nur eine feine Linie. Oben links,
• 9
etwa 80 mm von der Ecke ab, befindet sich ein in einer Cartouche ein-
gefasstes Schild mit dem Doppeladler, rechts an entsprechender Stelle, mit
gleicher Verzierung, der einfache Aachener Adler. In der untern linken
Ecke ist ein einfaches Schild angebracht mit der Aufschrift: „Aquisgranum
vulgo Aich, perantiqua Imperii urbs Monumento Caroli Magni Thermar.
prestantia ... et Memorabilis". In der untern rechten Ecke erblickt man das
Trachtenbild des Steenwyckschen Plans, nur verkleinert und nicht so
schön. Der französische Text beginnt auf S. 488 mit den Worten:
„Si nons croyons Munster (Sebastian Münster), la cite d'Aix appellee en
la rin Aquisgranum", und endigt auf S. 4(.).j mit: „ä tant que j'ai
achemine c'est oeuvre a sa fin et perfection." (Die Beschreibung von
Aachen bildet nämlich den Schluss des Gruicciardinischen Werks.) Die
Initiale S des Textes, ohne Band, ist mit Blatt Verzierung- und zwei
springenden Pferden, deren hintere Hälfte in Blätterranken ausläuft, versehen.
Ein anderer Plan der Stadt Aachen, welcher augenscheinlich nicht
zu einem Städtebuch gehörte, und dessen einziges mir zu Gesicht
gekommenes Exemplar sich im Besitz des Badeinspektors Herrn Dr. Lersch
in Aachen befindet1, ist von kleinerm Format, 268 mm breit und 208 mm
hoch, mit einer einfachen Linie als Rand, von G. Keller im .1. 1614
gestochen. Es zeigt als Staffage die Belagerung der Stadt Aachen durch
Spinola im Jahre 1614, und wird bei dieser Veranlassung auch wohl
angefertigt worden sein. Die Ueberschrift : „Belegerung und Einnehmung
der Stadt Aach vom Spinola" ist in Majuskeln, von denen die Anfangs-
buchstaben der Hauptwörter grösser sind als die andern. Am obern Rande
ist ein kleiner Theil von Burtscheid dargestellt; in der obern Ecke rechts
befindet sich eine Windrose, enthaltend die Himmelsgegenden in lateinischer
Sprache. Am untern Theil der linken Randlinie zeigt sich in ungenauer
Zeichnung die St. Salvatorkirche mit dem sie umgebenden Terrain, auf diesem
eine Batterie von vier Kanonen nebst Bedienungsmannschaft. Die untere
Ecke rechts zeigt die Gegend vor Königsthor am sog. „Bäumchen"; eine
Batterie mit fünf Kanonen ist daselbst aufgepflanzt, Spanische Truppen
zeigen sich im Mittelgrund dv^ Hildes, während die Wälle der Stadt mit
Aachener Soldaten besetzt sind. Als Trachtenbild stehen in der untern
rechten Ecke zwei spanische Anführer.
Ms kann keinem Zweifel unterliegen, dass auch diesem Plan der Steen-
wycksche als Unterlage gedient hat. Die auf dem letztern gerügten Fehler
linden sich auf diesem ebenfalls vor. Die öffentlichen Gebäude wie Münster.
Rathhaus, die Befestigungswerke der innern und äussern Umwallung n. s. w.
sind im Verhältnis-, ii-vi'^^r, die Strassen und Wege breiter gezeichnet wie
auf dem Steenwyckschen Plan. Die Namen der Strassen sind in deutscher
Sprache eingetragen; der Name des Stechers Gr. Keller mit der Jahreszahl
1614 befindet sich fast in der Mitte am untern Rand2. (Schluss folgt.)
') Sicherm Vernehmen nach li.it Eerr Dr. Lersch diesen Plan der Stadt Aachen
chenkt, und wird derselbe augenblicklich in der städtischen Bibliothek aufbewahrt.
-'» Der im Allgemeinen recht gut gestochene Plan isl durch J. La Ruelle in Lithographie
reproduzirt worden.
— 10 -
Ein in Aachen entstandenes Schauspiel und Siegeslied zur
Feier der Befreiung Wiens von den Türken im September 1683.
Von E. Pauls.
Nur wenige Ereignisse des 17. Jahrhunderts haben ihrer Zeit ganz
Deutschland mächtiger bewegt als die Belagerung Wiens durch die Türken
im Jahre 1683. Nicht mit Unrecht erblickte nämlich das deutsche Volk
im Türken den Todfeind aller christlichen Einrichtungen, dessen siegreiches
Vordringen gleichbedeutend mit dem Eintreten rohester Verwilderung
gewesen wäre 1. Unbeschreiblicher Jubel herrschte deshalb in allen deut-
schen Landen, als die Nachricht einlief, dass Wien entsetzt und das
türkische Heer entscheidend geschlagen sei. Allenthalben wurden Dank-
feste gefeiert, wobei auch Aachen nicht zurückblieb. Wie uns Meyer
erzählt2, fand Ende September 1683 „unter Kanonendonner und dem
Geläute aller Glocken der Stadt ein feierliches Dankopfer nebst einem
grossen Umgang statt, an welchem sich die Eegierung, die Geistlichkeit
und die Zünfte andächtig betheiligten".
Zur Feier dieses Jubelfestes verfasste der Pfarrer Brewer an der
Aachener St. Jakobskirche ein Schauspiel mit Siegesgesängen, welches
gedruckt (4 SS. 4°) in der Aachener Stadtbibliothek vorhanden ist3.
Schwerlich war das theils in lateinischer, theils in deutscher Sprache
geschriebene Stück zur Aufführung bestimmt, denn das Lateinische über-
wiegt ganz bedeutend. Im nachfolgenden Auszug sind die lateinischen
Stellen dem Hauptinhalt nach in deutscher Uebersetzung angedeutet; das
deutsche Siegeslied dagegen, in welchem jede der 3 Strophen mit einem
Bibelspruch in lateinischer Sprache schliesst, ist vollständig und wortgetreu
wiedergegeben. Abgesehen von diesem Siegeslied kommt im Schauspiel
die deutsche Sprache nur noch in wenigen Zeilen am Schluss zur Anwendung.
Der Schutzgeist Deutschlands (Genius Germaniae) erscheint und
begrüsst herzlichst die anwesenden Vaterlandsfreunde, die er auf eine
frohe Botschaft vorbereitet. Ihm folgt die Fama mit einer Tuba, aus
welcher das Triumphgeschrei Victoria, Victoria erschallt, dem das Echo
') Der kaiserliche Leibarzt N. W. Beckers gebürtig aus Walhorn bei Aachen, war
damals im Gefolge des Kaisers und schrieb von Passau aus unterm 25. Juli 1(383 nach
Eynatten: Vincendum pro Christianitate aut moriendum; Vienna enim deperdita periculose
stabit tota Christianitas ! (Vgl. Beckers' Lebensbeschreibung in der Eupener Zeitung,
A|>ril 1878.) Wie sich unschwer beweisen lässt, sprach damit Beckerseinein Deutschland
allgemein verbreitete Ansicht ans.
2) Meyer, Aachensche Geschichten I, S. 674.
3) Der Titel füllt die ganze erste Seile. Gekürzt und im Wesentlichen lautet der-
elbe: Drama et epinicion latino-germanicum quod in honorem imperatoris Leopoldi I. ob
liberatam Turcarum obsidione Viennam composuit, et dum D.D. Aquisgranenses festo
S. Michaelis in regali sua basilica .... et territorio epinicia agerent, postridieque ad
aras preces et sacrificia offerrent, edidit: Eenr. Brewer, Juliacensis, S. Theol. Licentiatus,
ad S. Jacobum pastor. Aquisgrani, Typis Joannis Henrici Clemens, dietae nrbis typo-
graphi iurati.
• — 11 —
mit E ia, E in antwortet. Fama meldet, dass die Belagerung Wiens auf-
gehoben sei und dass jetzt dort die Adler1 die Leiber der gefallenen Türken
zerfleischten. Kurz und ernst bestätigt dies das christliche Beer (Exercitus
Christianus), worauf die Fama zu einem allgemeinen Beifallklatschen und
zu Lob- und Dankliedern gegen Gott auffordert. Es folgt folgendes, vom
Schutzgeist der Christenheil (Genius orbis Christiani) gesungene Lied:
1. A-rcm btcfi tut toertfje C51niftenl)cit : 2» ®erm (Sonn* unb gtoölfft 7 6rt§ tag 2
ßeopolb I)üt i'tbcnmuiben. Mein (51)ri(t tau gnugfam obren:
X-te grofj ©efaljr \o Sien erleibt, ©otte§, ber alle S5ing bermag
oft ictuiub gan^ berfdjtounben. Bob [oll man brumfi bermefjren.
Xk groffe A*orrf)t, jo bir bereit, Aln ©Triften nelintt bejs tage§ tuabr,
oft iinbu metften§ (jittgeteit. Hub gefit alt' §u einer Sßfaljr,
Ter £ürcf i(t gefcfjtagen. ©ott, bem .Sterin 31t bamfeit.
Dies ultionis est; dies est et sortium. Hymnum cantate Domino, Deo
(L. Esther 8, vors. 12 et 9, vers. 26.) cantate nostro.
(L. Judith 16, vors. 15.)
::. 0 füffefter sxn W)n (Sfirift,
@§ lobet biet) mit Schalte,
Sßer bcineo 8^eid)§ begehren ift,
ü£)a§ fetnb mir Triften alte.
2Bir fingen alte, nitb feinb frob,
Sir fingen unb Hingen alfo.
Adonni Domine, magnus es. praeclarus in virtute.
(I,. Judith 1»>, vors. 16.)
Nach dem Siegeslied fordert die Fama zu einem Hoch 3 auf den Kaiser
und die Helden in Wien auf, welches mit voller Musik (Musica voealis
et Instrumentalis) ausgebracht wird. Noch einmal ergreift dann die
') 'toxi: Aquilae, wobei in einer Randbemerkung gesagl wird, dass hier ebensowohl
eine Anspielung auf die Bibelstellen bei MEathäus 2-1, V. 28 und Lukas it. V. :>T, als
auf die Wappen der Ueberwinder der Türken vor Wien vorliege. Als Probe des lateinischen
Stils Brewers Lasse ich hier 27 Zeilen des Textes folgen, die ich aber der Raumersparniss
wegen nur durch senkrechte Striche als Zeilen kennzeichne. Fama: Eaec nova porto ab
Istri plagis, j Vienna mis a Austriae, Solul 1 esl obsidio: | Et | Corpus ibi Turcicum Dila-
cerarunl Aquilae. | Exercitus Christianus: Ecce, bimestre jacel Corpus putre ante
\ ieiin am Unguibus et rostro dissecal illud Avis. | Fama: [gitur | Plaudite, dicite Prin-
cipes | [0 triumphe. Plaudite, dicite Cives I" triumphe. 1 Plaudite, dicite millies | [0
Coloni. | Germani dicite euneti [0 triumphe. 1 Recitent laetae carmina Musae, Res snl
Fontes, reboent Mtontes, Nemora, Valles, Avia Colle . Turres, Campanae, vespere ei mane,
Graudia prodant. Oppida, Vici, Hostes, Amici Urbes et Arces: Plebs atguc Patres: | Ore
sereno, gutture pleno, j Gfratias Deo canitc caeli; Canite laudes. ||
1 Die entscheidende Schlacht vor Wien fand am Sonntag den 12. September 1683 statt.
1 Luf den Kaiser und den Polenkönig findet sich hierbei '\-i - Chronogramm: Vivanl
Leopoldus tmperator et Joannes Rex Polonus. Von Starhemberg heisst es:
Vivat, honoret ur, \ ival fori issimu Eeros,
Yienuae Propugnator, Comes ä Starrenberg.
_ 10 _
Fama das Wort. Sie wendet sich an die Trompeten, Trommeln und Pauken,
die so oft zum ernsten Waffentanz den tapfern Soldaten aufgespielt hätten,
und fordert sie auf, heute in den allgemeinen Siegesjubel miteinzustimmen.
Mars tritt nach den Klängen der Militärmusik auf. Etwas verwundert
fragt er, ob denn die Kriegsmaschinen gelegentlich der heutigen hohen
Festfreude schweigen sollten? Davon dürfe keine Rede sein, auch jetzt
müssten die Geschosse mitwirken l.
Doch nicht mit Musik und Kanonendonner endigt das Schauspiel,
sondern nach echt deutscher Art mit einem fröhlichen Trinkgelage. Hierbei
geben die Namen Wien, Vienna und Vindibona zu harmlosen Scherzen
Anlass. Wien, so heisst es, ist gleich Wein, Vienna entspricht En vina;
beseitigt man in Vindibona die Mitte, so hat man Vinum bonum oder bon
Vin. Also:
Vina, En Vina: bibite vitra trina!
Brewers Schauspiel ist von den in Aachen während des 17. Jahr-
hunderts entstandenen Schauspielen vielleicht das einzige, welches uns
erhalten geblieben ist. Augenscheinlich mangelte es dein Verfasser nicht
an Geist; vergleicht man seine Leistung mit so mancher des 18. Jahr-
hunderts auf ähnlichem Gebiet in Aachen, so gebührt ihm weitaus die Palme.
Kleinere Mittheilungen.
1. Zur Biographie des Pfarrers Heinrich Brewer.
Per im 17. Jahrhundert lebende Pfarrer von St. Jakob in Aachen, Heinrich Brewer,
erwarb sich als Geschichtschreiber einen so bedeutenden Ruf, dass schon der Jesuit Hartzheim
ihm in seiner 1747 zu Köln erschienenen „Bibliotheca Coloniensis" eine längere Darstellung
widmen konnte und noch neuerdings die Herausgeber der „Allgemeinen Deutschen Bio-
graphie" ihn für würdig erachteten, in die Reihe der von ihnen behandelten Personen
aufgenommen zu werden. Um so auffälliger muss es erscheinen, wenn in der jüngst über
die St. Jakobskin-lie herausgegebenen Schrift 0. Dresenianns der historischen Studien dieses
Mannes und überhaupt seiner Lehensschicksale bis zum Antritt der Pfarrstelle von St.
Jakob mit keiner Silbe gedacht wird. Es mag daher gestattet sein, in diesen Blättern
vornehmlich an der Hand der beiden genannten Werke einen kurzen Rückblick auf Brewers
Lehen und Schriften zu werfen, auf letztere insbesondere, da sie zum Theil für die lokale
Geschichte nicht ohne Bedeutung sind.
Heinrich Brewer wurde zu Puffendorf, einem kleinen Kirchdorf im Kreise Geilen-
kirchen, am t>. September 16-Jo geboren. Das Datum seiner Gehurl ergibt sich aus einem
-einer Werke, das er im Jahre 1(374 mit den Worten schloss: „Manum iam nunc, Lector
benevole de tabula tollo, hac Septembris die sexta, nativitatis meae anniversaria trigesima
craarta." Nach seinem Geburtsort wird Brewer auch vielfach Heinrich von Puffendorf genannt.
Kr studirte an dein Jesuiten-Gymnasium (Tricoronatum) in Köln, damals einer Unterrichts-
anstall ersten Ranges, und erlangte, wahrscheinlich an der Universität derselben Stadt, die
Würde eines Lizentiaten der Theologie. In den sechsziger Jahren, jedenfalls vor L668, wurde
er zum Vikar der Stiftskirche von St. Kassius in Bonn, sowie zum Kaplan an der Pfarr-
kirche zum b. Reiniij'ius daselhsl (vicarius collegiatae ecclesiae et parochialis sacellanus)
ernannt; später, seit etwa H',70, versah er eine /eil laue- das Amt eines Rektors bei den
1) Text: Nequaquam mutae sint | Sed fartae improbo | Nitrato pulvere | Tonenl per
. !| (Hie exploduntur tormenta.)
13 -
Augustinernonnen von Gross-Nazareth unter Sachsenhausen in Köln. Aus diesem Kloster
(Coloniae e suo Nazarethani Parthenonis musaeo) sind die Vorreden zu seinen beiden 1672
und 1675 erschienenen Hauptwerken datirt. In dem erstem Werke gedenkt er da, wo
er auf die Einführung der Welschnonnen in Bonn (1664) zu sprechen kommt, auch seines
dortigen Aufenthalts: „Huic Parthenoni, dum hahitarem ibi, cum omnium et admiratione
et aedificatione* äggregavit sc Domini Cancellari (sie) Buschmanni Filia jamque praeest
puellari gregi." Und an einer andern Stelle desselben Werkes berichtet er: „Interea
(1668) nominat Nuntius Apostolicus apud Aquas Grani haerens, vigore rotalis commissionis
Oeconomum ac Sequestratorem seminarii Pontificii Fuldensis quondam alumnum ad sanetum
Remigium Bonnae Pastorem; apud quem ego tunc & Sacellanum & Commensalem agebam."
Am 29. Dezember 1682 wurde Brewer als Pfarrer von St. Jakob in Aachen eingeführt.
Hier starb er nach mehrjährigen Leiden, wie es scheint, inmitten des Streits, welcher
um seine Vertretung bezw. nach seiner Resignation um die Neubesetzung der Pfarrstelle
entstanden war. Sein Todesjahr ist unbekannt.
Schon frühe wandte Brewer seine Neigung geschichtlichen Studien zu, die damals
in Köln von dem 1652 in jugendlichem Alter verstorbenen Vikar an St. Kunibert, Johann
Adolf Brahel, und dem Professor am Laurentianer-Gymnasium, Christian Adolf Thulden,
aufs Eifrigste gepflegt wurden. Brahel hatte im Jahre 1650 bei dem Buchhändler
Kinckius in Köln eine Geschichte der Jahre 1618 bis 1649 in lateinischer Sprache erscheinen
lassen, welche er selbst in einer zweiten Auflage bis 1652 und dann Thulden bis zum
Jahre 1660 fortführte. Das Ganze umfasste sechs Theile. Die weitere Fortsetzung bis
zum Jahre 1672 besorgte Brewer, der im letztgenannten Jahre seine Arbeit als siebenten
Theil unter dem Titel: „Historica rerum notabiliorum, quae ex anno MDCLXI in annum
MDCLXXII in terris utriusque imperatoris, electorum, prineipum ac statuum utriusque
Germaniae, aeeidere, breviter ac succinete per Henricum Brewer Juliacensem, S. T. L.
adornata enarratio cum adjeeta appendice describente praesentem regis Christianissimi
adversus unitum Belgium expeditionem. Sive Historiae Brachelio-Thuldenianae continuatae
pars VII. Coloniae Agrippinae, Sumptibus Joannis Antonii Kinchii, Anno M. DC. LXXII"
herausgab. Zur Erläuterung fügte er eine Anzahl Denkschriften, Briefe, Unterhandlungen,
Verträge, Bündnisse u. s. w. bei. Der über 400 Seiten starke, mit 6 Porträts und 8 Tafeln
ausgestattete Oktavband enthält manche wichtige lokale Nachrichten, von denen eine, über
den Aufenthalt des päpstlichen Nuntius Agostino Franciotti in Aachen 1667 — 1670, hier eine
Stelle finden mag, um so mehr, als sie die bezüglichen Angaben A. von Reumonts in
Bd. V, S. 53 ff. der Zeitschrift des Aachener Geschichtsvereins berichtigt und ergänzt.
Brewer schreibt S. 334 über Franciotti: „consecravit anno eiusdem (sc. pacis) initae,
23. Sept. Deiparae virgini de pace, in perenne, rei feliciter gestae, Aquisgrani monumentum,
Ecclesiam Recollectinarum Virginum, tertiae, S. Francisci regulae, per Leonem X. resti-
tuiae: constituitque annuae celebrandae festivitati ipsam firmatae pacis, diem seeundam
Maji. Mortuus ibidem pientissime in Domino, tricesima Januarii 1670 apud Patres Soc.
honoriflcentissime appositus in crypta Comitum de Ambstenrath subsacello, per ipsos In
S. Josephi honorem erecto .... Praevierat hanc in cryptam, eiusdem conditor ante non
omnino sesqui annum, ultimus Stirpis ae uominis Arnoldus Wolffgangus, Comes ab lluyn.
cleeii & Ambstenrath etc. Caesari, ab [mperii, & Aulae consiliis: cui confraeta, in sarco-
phagum adieeta insignia, inspeetantibus & ad has caeremonias, ab ülustrissima Vidua
specialiter invitatis, Dominis Wylre, Maw & Nickel. Civitatis Aquisgranensis respective
Consulibus, Scabino ac Majore. Annum vero praecucurreral in hoc habitaculum Parentem
Filia, Godefrida Maria. Anna, Agneta, [gnatia, nondum biennium nupta Carolo Theodoro
Ottoni Principi Salmensi, Comiti Sylvarum & Rheni &c. relicta Filiola. Princeps Viduus
duxit superiore proxime anno, in Galliis, Mariam Ludovicam Palatinalem." (Ueber Fran-
ciottis Todestag vgl. auch von Fürth, Beiträge und Material zur Geschichte der Aachener
Patrizier-Familien II, Anh. 2, s. 182, über die Einweihung der Kirche des Tertiarierinnen-
Konvents in der Adalbertstrasse Neu, Zur Geschichte des Franziskanerklosters, der Kirche
und Plane zum hl. Nikolaus in Aachen s. 106, über die Beisetzung <\<> Grafen Arnold
Wolfgang von lluyn, (Ideen und Amstenralh, sowie seiner Tochter, der Fürstin Salin,
Scheins, Geschichte der Jesuitenkirche /um hl. Michael in Aachen s. :;;: 1. 1
— - 14 —
Im Jahre 1675 erschien von Brewer eine Geschichte der ausserdeutschen christliehen
Staaten in den Jahren 1661 — 1673. Sie wurde ebenfalls von J. A. Kinckius verlegt und
ist betitelt: „Historica rerum notabiliorum, quae ex anno M.DC.LXI usque in annum
M.DC.LXXIII in regnis terrisque Christianis extra Germaniam, puta in Italia, Hispania,
(üillia, Anglia, Suecia, Polonia, Lusitania, Dania & Moscovia contigere, enarratio, hreviter
ac succincte pro Historiae universalis Brachelio-Thuldenianae continuatione adornata per
Henrieum Brewer Jnliacens. S. Theol. Licent. Cum scriptis ac tractatibus publicis huc
facientibus usque ad Annum M.DC.LXXIY. Coloniae Agrippinae, Sumptibus Joannis Antonii
Kinchii, Anno 1675" (203 SS. 8°). Beigegehen ist das Brustbild des Papstes Klemens X.
Dem Text gehen vorauf Epigramme von Johannes Plaum, Jnliacens. SS. Theol. Licent.
Coloniae in Gymnasio Lanrentiano p. t. Physices Professor, anno 1674, 24. Au»'usti, von
Job. Arnoldus Kinchius Colon, iur. candidatus und von Henr. Bhoen, Cäsar, (sie) Poeta
laureatus. Auch der 1672 erschienenen Geschichte Dexitschlands von Brewer sind nach
der Sitte der Zeit mehrere Epigramme vorgesetzt, darunter folgendes witzig auf den Namen
Brewer (Brauer) anspielende, welches der Bonner Stiftsherr und Pfarrer Johann Buecken
verfasste:
Quid cöxti Brewerc, boni? proha ais ; probo, laudo:
Non es cervisiae Coctor, at historiae.
Haue sanus Lector pitisset, & ante maligne
Exspuere abstineat, quam meliora coquat.
In Bonn versuchte sich Brewer auch in der Dichtkunst; 1668 veröffentlichte er nämlich
dort: „CrluItYM poLI sIDVs" (1664), ein viele Chronogramme enthaltendes Schriftchen,
das er dem Kölner Erzbischof Maximilian Heinrich von Bayern widmete. Im Jahre 1681
folgte, bei Alstorff in Köln gedruckt, eine Biographie des Thomas von Kempen (79 SS. 8°),
in welcher Brewer mit aller Entschiedenheit für die Annahme eintrat, dass Thomas der
Verfasser der Bücher von der Nachfolge Christi sei. Das sehr verdienstliche Werkchen
ist Papst Innocenz XI. und Erzbischof Maximilian Heinrieh gewidmet, Mooren (Nach-
richten über Thomas a Kempis) citirt wiederholt eine Aachener Ausgabe desselben von
1682 (Thomae a Kempis Biographia. Aquisgrani 1(582), die mit einem Kupferstich des
Thomas geziert war, nennt dabei aber den Verfasser meist Jakob oder J., einmal auch
Heinrich Brewer. Hiernach scheint es, dass letzterer neben Heinrich noch den Namen
Jakob als Vornamen geführt hat, Ein leider defektes Exemplar der Aachener Ausgabe
(131 SS. kl. 8°), in welchem Kupferstich und Titelblatt nebst den ersten 16 Seiten
(Vorrede) fehlen, befindet sich im hiesigen Stadtarchiv.
Auch als Pfarrer von St. Jakob in Aachen blieb Brewer trotz seiner körperlichen
Leiden schriftstellerisch thätig. Hier schrieb er 1683 das oben (S. 10 ff.) von E. Pauls
behandelte Schauspiel mit Siegesgesängen zur Feier der Befreiung Wiens von den Türken
im September 1683 (4 SS. 4°) und zwei Jahre später ein für Aachen besonders merk-
würdiges Büchlein, wohl seine letzte Arbeit : „Der in der Reliquien Verehrung recht-
schaffen Catholisch und wahrhafftig grosser Kayser Carl bey gewöhnlicher Eröffnung der
Aachischen Schatz- Kammer Heiligthumbs durch Henrieum Brewer, Ss. Theol. Licent. und
Pastorn zu St. Jacob hieselbsten. 1685 zu Aachen bey Johan Henrich Clemens gedruckt"
(51 SS. 12°).
Sämmtliche hier aufgeführte Schriften Brewers, deren Zahl sich vielleicht noch
vermehren lässt, sind äusserst selten und gesucht, Schon dieser Umstand allein stellt, so
scheint mir, der Gelehrsamkeit und vor Allem der Glaubwürdigkeit ihres Verfassers in
geschichtlichen Dingen ein glänzendes Zeugniss aus.
Aachen. R. Pich.
2. Domgraf und Sclmz.
Die in diesen Blättern (Bd. I, S. 95, Nr. 3) aufgeworfene Frage nach einer Erklärung
der Aachener Schimpfnamen „Domgraf und „Schuz" veranlasst mich zu folgender Mit-
theilung. Beide Ausdrücke sind von annähernd gleicher Bedeutung; sie bezeichnen einen
zu losen, muthwilligerj oder übermüthigen Streichen aufgelegten jungen Menschen und
— 15 —
verhalten sich zu einander etwa wie der französische gamin oder Strassenjunge zum
polisson, qui fait ou dit des choses lieencicuses. Der Domgraf gehör! ausschliesslich der
Aachener Mundart an, während der Schuz oder Schuts in der Form Schaute, Schote und
Schott und in ähnlicher Bedeutung am ganzen Nieder- und Mittelrhein vorkommt. Was
nun den sprachlichen Ursprung oder die Etymologie beider Ausdrücke anlangt, so ist in
dem vom verstorbenen Prof. Dr. J. Midier und dem Unterzeichneten im Jahre 183(5 heraus-
gegebenen Idiotikon der Aachener Mundart bereits eine Erklärung des Wortes Domgraf
(vulgo Dumgrof und abgekürzt Grof) durch Zusammenstellung desselben mit dem gleich-
bedeutenden, heute schon fast ausser Gebrauch gekommenen Ausdruck Palzgrof (abgekürzt
Palz) versucht worden, indem danach der ersten Worthälfte (Dom) das lateinische domus
in der Bedeutung von palatium (Pallast, Pfalz) zu (■runde liegen würde, unterstützt
wird diese Annahme durch das mittellateinische, von domus abgeleitete domicellus, welches
Wort auch in den Aachener Stadtrechnungen aus dem 14. Jahrhundert für Junker vor-
kommt und -aus dessen weiblicher Form domicella für Edelfräulein die französische
demoiselle gebildet ist. Wenn nun Domgraf und Palzgraf als Spott- oder Schimpfnamen
identisch sind, so braucht darum doch nicht, wie es im Idiotikon geschehen ist, angenommen
zu werden, dass irgend ein Pfalzgraf als Schirmherr der Reichsstadt durch sein Verhalten
zu dieser Herabsetzung- seiner Wurde Veranlassung gegehen habe. Beide Ausdrücke
könnten auch wohl der im 13. und 14. Jahrhundert stattgefundenen Eintheilung der Stadt
nach den verschiedenen Strassen in Grafschaften (comitia) ihr Entstehen verdanken. Wie
es eine Adalherts-, eine Jakobs-Grafschaft u. s. w. gah, so mag man den um die Pfalz
und Pfalzkapelle gelegenen Theil der Altstadt scherzweise Dom- oder Pfalzgrafschaft
und die ausgelassene Jugend, die domicellos dieser sog. Immunität, Domgrafen oder Palze
genannt haben. Urkundlich lässt sich freilich weder die eine noch die andere Erklärung
Im gründen. Was endlich den Ursprung des Wortes Schuz (Schuts) betrifft, so ist das-
selbe wohl aus Schulze, holländisch scheut, entstanden, indem drv Dialekt das 1 vor s, t
und z ausstösst und z. B. Hals und Holz in Ho's und Ho'z, alt und kalt in o't und ko't
verwandeli. Wenn der ehrenwerthe Schuldheiss oder Schulte-;, dessen Amt ursprünglich
darin bestanden haben mag, Schulden zu heischen oder einzufordern, im Volksmund zum
Schuts geworden ist. so lässt sich dies bei der Neigung des Volkes, dergleichen obrig-
keitliche Personen zum Gegenstand des Scherzes oder Spottes zu machen, wohl leicht
erklären.
Burtscheid. II'. Weitz.
3. Das Grundhans bei Aachen.
Nahe bei der Stadt Aachen, an der Lütticher Strasse, liegt das Landgut Grund-
haus, beim Volke Grutes genannt. Es wird hier und da in der Aachener Geschichte
erwähnt, z. B. im Jahre 1776, als man am Grundhaus dem festlich eingeholten Mathias
Joseph Wildt, der zu Löwen den ersten Preis in der Philosophie erlangt hatte, den
Ehrenwein von Seiten der Stadt Aachen präsentirte. In den städtischen ßathsprotokollen
ist unterm 20. September L672 von „sieben viertel lands beym Gruithauß uf dem Scherpen-
bergh gelegen" und am 20. Oktober desselben Jahres von Grundstücken „in der Aacher
beiden alhie im Gruithauß gelegen" die Rede. .Müller und Weitz (Die Aachener Mundarl
s. 76) sind der Ansicht, dass der Name eigentlich Gruden- oder Grudhaus laute, was nach
Adelung ein Haus in einem Dorfe bezeichne, worin die Asche (niedersächsisch grude) auf-
bewahrt wurde. Diese Deutung ist aber unrichtig. Allerdings ist Grutes aus Gruthaus
entstanden, gerade so wie kompes aus Kompliaus, Gastes aus Gasthaus, Schlonnes aus
Schlachthaus, Koros aus Kornhaus u. s. w., allein das Bestimmungswort Grul hat mit
Asche nichts zu thun. Darunter versteht! man vielmehr am Niederrhein den Gagel,
mirica gale, auch Heidebalsam genannt, eine niedrige Staude, welche gern in Sümpfen
und Büschen svächsl und die, bevor man bei uns im 15. Jahrhundert den Hopfen einführte,
zum Bierbrauen verwandt wurde. Durch den Zusatz der Grut gab man dem Getränk
einen bittern aromatischen Geschmack, doch bedurfte sie einer besondern Zubereitung, ehe
sie gemahlen und zum Brauen benutzl werden konnte. Der Gratverkauf war durchgän!
— 16 —
ein Regal des Landesherrn, der dasselbe als Lehn (Grutlehn) oder sonstwie vergab. Ver-
schieden hiervon isr das Braulehn in Aachen, welches Kaiser Ludwig- der Bayer am
29. Februar 1340 dem Bitter Arnold von Schönau (Schönhoven) verlieh, aber noch am
31. August des nämlichen Jahres auf die Vorstellung des Magistrats hin zurücknahm,
weil die Belehnung erschlichen worden war. (Vgl. Qu ix, Codex dipl. Aquensis p. 228,
im. 328 und 329.) Zur Bereitung der Grut, die als ein Geheimniss behandelt wurde, und
zu ihrer Aufbewahrung wurden häufig besondere Gebäude errichtet, welche den Namen
Gruthaus erhielten. Solche Gruthäuser gab es z. B. in Köln, Xanten, Kempen, Dorsten und
in zahlreichen andern Orten. Auch in Aachen, wo der Bierverzehr in älterer Zeit kein geringer
war, wird es an einem Gruthaus nicht gemangelt haben. Als dieses kennzeichnet sich
durch seinen Namen das jetzige Grundhaus. Auffallend ist freilich, dass in den städtischen
Rechnungen des 14. Jahrhunderts nirgendwo, wie man wohl aus dem Fehlen des Worts
im Glossar bei Laurent schliessen darf, der Grut Erwähnung geschieht. Eine sichere
Erklärung hierfür vermag ich vorläufig nicht zu geben, doch wäre es nicht unmöglich,
dass der Grutverkauf in Aachen vermöge kaiserlicher Verleihung dem Herzog von Jülich
zustand, die Stadt also an dem Kauf und Verkauf dieses Krauts nicht betheiligt war.
Uebrigens scheint man liier schon im 14. Jahrhundert die Einführung des Hopfens ver-
sucht zu haben, wenigstens findet sich in der Ausgaberechnung der Stadt von 1386/87
die Eintragung: Item den weychteren, du sy die hoppe verboeden, 3 quart (vgl. Laurent,
Aachener Stadtrechnungen aus dem 14. Jahrhundert S. 343, Z. 4).
Aachen. R. Pick.
Fragen.
1. Wie ist der in der Gemeinde Brand vorkommende Flurname „Engeland" zu erklären?
P.
2. Wo finden sich Nachrichten über den vormaligen Prinzenhof in Aachen?
P.
3. In einer Aachener Urkunde vom 1. Februar 1567 ist von einem fünf Viertel grossen
Bend „der Honnenwyer genant ind gelegen angen Teperdel niest Johan Hundertz erf
up eine ind niest Jennis erf up den Poil up die ander syde" die Rede. Kann Jemand
die Lage dieses Bends bestimmen ?
P.
4. Wer kann den Aachener Strassennamen Mostardgasse deuten?
P.
5. Die Ausgaberechnung der Stadt Aachen von 1376/77 enthält die Eintragung: „Item
familiaribus civitatis, quando sancti venerunt Aquis, 1 sext." (Laurent, Aachener Stadt-
rechnungen S. 243, Z. 23). Wer ist mit den sancti gemeint und um welche Begeben-
heit handelt es sich ?
P.
Vereinsangelegenheiten.
Generalversammlung
am Donnerstag, den 18. Oktober 1888, Abends 71/« Uhr im Hotel zum Elephanten
(ürsulinerstrasse).
Tagesordnung-: Jahresbericht. Neuwahl des Vorstands. Vorträge:
Die städtischen Beamten Aachens im 14. Jahrhundert. Eine Hauseinrich-
tung aus dem 16. Jahrhundert. Miscellen.
Die Einführung von Nichtmitgliedern ist gestattet.
Druck von Hermann Kaatzer in Aachen.
WJ^Mi
Jährlich 8 Nummern
ä l Bogen Royal oktav
Preis des Jahrgangs
4 Mark.
©r&eii
Kommissions-Verlag
der
( !remer'schen Buchhandlung
(C. Oi/.im
in Aachen.
Mittheilungen des Vereins für Kunde der Aachener Vorzeit.
Im Auftrage des Vereins herausgegeben von Dr. K. Wieth.
Nr. 2.
Zweiter Jahrgang.
1888.
Inhalt: S. Planker, Die Pfarrer von St. Peter in Aachen. — E.Pauls. Zur G-ranussage.
C. Rhoen, Die Aachener Stadtpläne. (Schluss.) — Kleinere Mittheilungen: Eine Aachener
Sühermünze von 1419. Die Bruderschaft der Wollenweber-Gesellen in Aachen. —
Fragen. — Antworten. — Vereinsangelegenheiten.
Die Pfarrer von St. Peter in Aachen.
Von S. Planker.
Wer der erste Pfarrer von St. Peter war, lässl sich nicht bestimmen,
da eine unzweideutige Urkunde über die Zeit der Erhebung dieser Kirche
zu einer selbständigen Pfarrei nicht vorliegt. Urkundlich steht bloss lest.
dass es bis zum Jahre 12(><> in Aachen nur eine Pfarrkirche (una tanturo
matrix ecclesia) gab, dass aber ausserhalb der .Mauern drei von ihr abhängige
Kapellen bestanden, in welchen die zu denselben Eingepfarrten (parochiani
carinii) dem Gebrauch gemäss alle Sakramente empfingen, mit Ausnahme
dw Taufe, der h. Oelung und der Osterkommunion l.
Die erste Urkunde, weiche unzweideutig von mehrern Pfarrkirchen
Aachens spricht, ist ein Sendgerichtsstatul vom Jahre L331, das unter
Anderem bestimmt, dass der Sendgerichtstag in sämmtlichen Pfarrkirchen
der Stadt (per universas ecclesias parrochiales) bekannt zu machen sei.
und zugleich bestätigt, dass dieser Gebrauch seit unvordenklichen Zeiten
(a tempore, a quo deeidit memoria) bestehe. Der Vorsitzende Erzpriester
bezeugt in dieser Urkunde uoch persönlich, dass unter seinem Vorsitz
seit mehr als 40 Jahren dieser * rebrauch unwidersprochen beobachtet worden
sei-. Diese Urkunde ist denn auch besiegelt von den rectores ecclesiae
') Qnix. Geschichte der St. Peter-Pfarrkirche S. 123 ff., Drk. 7 und 8.
') Quix, a. a. 0. s. 128 ff., [Jrk. 12.
18 —
s. Petri et Jacobi, durch welche Titel der Charakter dieser Kirchen als
Pfarrkichen im Gegensatz zu ihrem frühem Charakter als Kapellen gekenn-
zeichnet wird. Die Rektoren der Kapellen werden nämlich in den Send-
urkunden entweder capellanus genannt oder höchstens rectores capellae,
z. B. s. Juliani in den Urkunden von 12G9 und 1446.
Hiernach muss angenommen werden, dass schon vor mehr als 40
Jahren vor 1331 St. Peter und St. Jakob zu Pfarrkirchen erhoben wurden.
Die von Quix angezogene Ablassbulle vom Jahre 1295 vermag dagegen
nichts zu beweisen, da immerhin der ältesten und Hauptpfarrkirche einer
Stadt, die mehrere Pfarrkirchen ausserdem besitzt, ein besonderer Ablass
bewilligt werden kann. Ja ich bin geneigt anzunehmen, dass schon im
Jahre 1269 die Erhebung der in der Urkunde von 1260 erwähnten drei
Kapellen vor dem Thore, worunter keine andern als die Kirchen von
St. Adalbert, St. Peter und St. Jacob verstanden werden können, zu Pfarr-
kirchen erfolgt war; denn eine Sendurkunde von 1269 ist von einem
rector s. Adalberti unterschrieben l. Ist aber St. Adalbert in Folge der
päpstlichen Bulle von 1260, welche den Archidiakou Marcoaldus von Lüttich
beauftragt, die Beschwerden der Bürgerschaft bezüglich der den drei
Kapellen vor dem Thore anhaftenden Beschränkungen zu untersuchen und
im gegebenen Fall Abhilfe zu schaffen, im J. 1269 schon zur Pfarrkirche
erhoben, so ist kein Grund vorhanden, dies nicht auch von St. Jacob und
St. Peter anzunehmen.
Sollte sich gegen vorstehende Schlussfolgerung kein urkundlicher
Gegenbeweis liefern lassen, so kann der die Sendgerichtsurkunde von 1331
unterzeichnende Joannes rector ecclesiae s. Petri nicht, wie Quix annimmt,
der erste Pastor von St. Peter gewesen sein; hätte er ja doch sonst
wenigstens 61 Jahre dieses Amt verwaltet.
1. Incless ist dieser Joannes immerhin der erste, urkundlich nach-
gewiesene Pfarrer von St. Peter.
2. Ein Zinsbuch der Münsterkirche aus dem 15. Jahrhundert führt
auf einen Herrn H. Friso als Pfarrer zu St. Peter, welcher Name zu
demselben Zinsobjekte unter dem Jahre 1445 wiederkehrt-.
3. Das Nekrologium der Regulirherren (im Pfarrarchiv von St. Peter)
führt unter II Nonas Junii einen Joannes Schirmer pastor s. Petri Aqu.
auf und nennt denselben unmittelbar nach der Memoria eines andern Stifters,
der 1451 gestorben war.
4. Peter Bickelstein (1459 — 1464), der zugleich Kanonikus des hiesigen
Münsterstifts war, unterzeichnet als rector ecclesiae s. Petri die Sendgerichts-
urkunde vom s. Januar 145«) und 16. Mai 1461 ;. In einem Zinsbuch
') Ich zitire nach einer durch Pfarrer Breuer von St. Peter i. J. 1638 angefertigten
Kopie. Quix, a. a. 0. I T r k . n sagt sogar „plebani st i. Adalberti". Vgl. auch Drese-
mann, die Jakobskirche zu Aachen, S. 17 ff.
'-') Quix, Geschichte der S. Peter-Pfarrkirche S. 21: lt. Her II. Fryso Pastoir zu
S. Peter zerzyt van sinen Iluse. dat Pilgeirmaghe was. l Ob. l Cap.; ebendas. Anraerk.:
Op die Sanckuil it. Priso Hoeifstal was.
:) Loersch, Achener Etechtsdertkmäler S. 220, 223.
19
des Münsterstifts aus dem 15. Jahrb. wird zu einem Hause „bi <lai Kurap-
huis" bemerkt: It. Dieselue Ka. alreneist da bi van Luters Schoppeils
Huis II mr. Redemtum ao. XLI per dnum. Pet. Bickelsteijn x. Es ist wahr-
scheinlich, dass es sich auch in dieser Stelle um dieselbe Person handelt
wie in den abgeführten Urkunden, aber nicht ersichtlich und unwahrschein-
lich, dass dieser dominus P. Bickelsteijn auch schon im Jahre 1441
Pfarrer war.
Von den bisher genannten vier Pfarrern von St. Peter ist urkundlich
nichts weiter bekannt.
5. Wilhelm Lentz (1465 — 1504) wird zuerst als Pfarrei' von St. Peter
erwähnt in Urkunden des Pfarrarchivs von L465 und 14692; er lebte bis
zum 5. August 1504. In seinem letzten Lebensjahre hatte er die Bruderschaft
vom Leiden Jesu oder den h. 5 Wunden aufgerichtet, welche nachweislich
bis 1722 bestanden hat. Er war ein besonderer Freund und Wohlthäter
der im Pfarrbezirk von St. Peter wohnenden Regulirherren, in deren
Kirche er auch auf dem Chore begraben wurde3. Da sein Bruder Jakob
Lentz mit ihm als Hausbesitzer zu Aachen in der Urkunde von 1465 erwähnt
wird, so ist zu schliessen, dass Lentz ein geborner Aachener war.
(i. Gerlacus Rotarius oder Radermecher (1565 — 1576 oder J577). Der
Name <\r> unmittelbaren Nachfolgers von Wilhelm Lentz ist nicht bekannt.
In dem Bruderschaftsbuch von dem Leiden Christi wird erst wieder 1565
ein Pastor von St. Peter als neuaufgenommenes Mitglied aufgeführt und
zwar der genannte Gerlacus Rotarius, welcher bis zum Jahre 1576 ein-
schliesslich als Pastor von St. Peter die Stuhltagsprotokolle besagter Bruder-
schaft unterschrieb. Er scheint einer angesehenen Aachener Familie ange-
hört zu haben; denn zum Jahre 1555 erwähnt Noppius eines doctor Gerlacus
Radermacher, der des Raths Syndikus gewesen und zu den wichtigsten
Sendungen an Kaiser Ferdinand verwandt worden war. welchen er durch
sein Rednertalent in solche Verwunderung gesetzt, dass derselbe ihn sinne
Rede habe wiederholen lassen und alsdann, zu seinen Käthen gewandt.
gesagl habe: „Ihr Oberländer! lernet reden von den Niederländern!"
In welchem Verwandtschaftsverhältnisse diese beiden gleichnamigen
Männer zu einander gestanden, oder wer von beiden der ältere gewesen,
darüber lässt sich keine sichere Nachricht beibringen: beide scheinen der-
selben um 1676 — 79 hierselbsl herrschenden Epidemie zum Opfer gefallen
zusein; denn, wie Noppius erzählt, war in den Jahren 107(1 7'.» ein solch
grosses Sterben in Aachen und namentlich unter den Rahtsherren, dass
vom 23. Juni bis zum 8. okiober 157b der Rath viermal hat erneuert
und ergänzt werden müssen. Um diese Zeit starb auch der Rathssyndikus
„Doctor Gerlacus Radermacher . . . maximo catholicorum damno". her
Pfarrer Gerlacus Rotarius starb Ende 1576 oder Anfangs l">77.
7. Heinrich Beyer tl577 1578). Nach inner Notiz, welche der
spätere Pfarrer Breuer aus einem alten Rechnungsbuche der Kirche abge-
') Quix, a. a. 0. S. 22.
2) Urkundliche Aufzeichnungen im Pfarrarchn von St. Petei' zu Aachen.
:l) Vgl. Wacker. Mittheilungen d. Ver. f. K. it. Aach. Vorzeil I. '. L45.
-
— 20
schrieben hat, ist im J. 1577 Heinrich Beyer als Pfarrer von St. Peter ange-
stellt worden, hat aber schon auf Neujahrstag 1578 seine letzte Predigt
daselbst gehalten „und ist casseert durch den lierrn parochian, dieweil er
die Communion sub utraquc ausgetheilet. Fuit praedictus Henricus reli-
giosus Carmelita1."
8. Cono von Langendorf (1579 — 1604 oder 1608), vorher Kaplan an
der St. Jakobskirche-, wurde sein Nachfolger. Er Hess sich schon im J. 1579
in die Bruderschaft vom Leiden Christi eintragen und unterschrieb die
Stuhltagsprotokolle derselben bis zum Jahre 1609, wird aber in dem Proto-
kolle von 1604 als alter Pastor von St. Peter aufgeführt, was anzudeuten
scheint, dass er resignirt, oder sich einen Koadjutor habe geben lassen.
Zum Jahre 1605 geschieht seiner in einem Protokollbuch des Kollegiat-
stiftes von St. Adalbert Erwähnung. Im Jahre 1609 wird er nochmals
als Greve der obengenannten Bruderschaft erwählt. Unter ihm erhielt die
Kirche die zweite Glocke: „Anno 1582 ist die Mess Klock s. Peter von
Mestr Joannes von Treyr ergossen und woget 2001 pfundt" 3.
9. Hermann Kinckes oder Kinckius (1608 — 1621) wird als Pfarrer
von St. Peter zuerst im J. 1608 genannt. 1616 erhielt er die durch den
Tod Lucae Rossii erledigte Präbende am Eollegiatstift von St. Adalbert
auf kaiserliche Fürsprache (preces imperiales producendo), wie nach Mit-
theilungen des verstorbenen Pastors Kreutzer aus dem betreffenden Proto-
kolle des Stifts hervorgeht. Er starb am 16. Oktober 1621.
Nach denselben Mittheilungen begehrte Kinckius im J. 1620 zur Residenz
zugelassen zu werden, doch so, dass er dabei auch sein Amt als Pastor
von St. Peter versehen könne, indem er auf die vom römischen Stuhle
erhaltene Erlaubniss zum Besitze beider Pfründen hinwies. Ausnahmsweise
wurde ihm die strenge Residenz nachgelassen. Er scheint aber von dieser
Vergünstigung wenig Genuss gehabt zu haben; denn gemäss den angeführten
Protokollen des Stiftes starb er bei seiner ersten Residenz den 16. Oktober
1621, „postquam viatico ss. corporis et sanguinis ( Ihristi Jesu munitus lüisset".
Das Porträt dieses Pfarrers wird noch heute nebst noch 10 andern
seiner Nachfolger in dem Pfarrhause von St. Peter aufbewahrt, Es zeigt
einen sehr kräftig gebauten, bärtigen Mann im Rochette eines Kanonikus.
Die Schrift lautet: „Adm. Rev. Dns. Hermannus Kinckius Canonicus ad
s. Adalbertum et ex dispensatione apostolica pastor ad s. Petrum".
Sein Wappen zeigt eine Hand, das Gelenk mit einer Spitzen-Man-
cliette geziert, weiche kräftig eine Gabel umschliesst, die eine Wiege
mit einem Männchen trägt, Der kleine Finger der Faust scheint etwas
vorzustehn. Bekanntlich wird der kleine Finger in dvv Aachener Mund-
art Kinckes genannt. (Schluss folgt.)
') Vgl. Planker, Mittheilungen d. Vor. f. K. d. .Wh. Vorzeit I, S. 177 ff.
-') Dresemann, Die Jakobskirche zu Aachen, S. 26, 64.
'■'■) Nach einem alten Rechnungsbuch im Pfarrarchiv.
• 21
Zur Granussage.
Von E. Pauls.
In dem zweiten Heft des ersten Jahrgangs unserer Mittheilungen ist
die Granussagjfe ' in kurzen Zügen dargestellt und zugleich auf die Schwierig-
keit ihrer richtigen Deutung hingewiesen worden. Wenn nun auch die
mehrfach liier vorliegenden Räthsel vielleicht nie vollständig gelöst
werden können, so lässt sich dennoch durch Zusammenfassung und Ver-
gleichung verschiedener Thatsachen aus römischer und mittelalterlicher
Zeit das Dunkel iu etwa lichten. Deshalb möge es gestattet sein, in Fol-
gendem einigen Betrachtungen in Bezug auf Ursprung und Ausbildung
dieser uralten Sage Platz zu geben.
Bei der einen Hälfte der Granussage befremden namentlich zwei Umstände.
Wo immer nämlich Sagen über die Gründung von Städten auftreten, fast stets
stossen wir auf das begreifliche, stolze Bestreben, den Ursprung der Stadt
thunlichst weit zurückzuverlegen und denselben mit irgend einer geschicht-
lich bedeutenden Persönlichkeit in Verbinduno' zu bringen-. Anders bei
Aachen. Wahrend viele uns nicht zu ferne Städte hinsichtlich ihrer Grün-
dung sagenhaft auf die ältesten Zeiten der Römerherrschaft und die hoch
berühmten Namen eines Cäsar. Drusus u. s. w. verweisen3, ist Granus
ungefähr ganz unbekannt, sein „Bruder" Nero1 sogar berüchtigt.
Zunächst seien mehrere Thatsachen aus der ältesten Geschichte
unserer Heimath erwähnt, um dann einige Folgerungen an dieselben knüpfen
zu können. Plinius erzählt in seiner, etwa um 7.~> n. Chr. vollendeten5 Natur-
geschichte, dass man kürzlich in der Provinz Germanien Cadmia (Galmei)
entdeckt habe6. Es kann sich diese Angabe nur auf die (legend zwischen
Altenberg und Langerwehe beziehe])', da andere Galmeilager in der links-
rheinischen, ehemals römischen Provinz Germanien nicht vorkommen. Plinius
hatte im 2. Drittel des 1. Jahrhunderts in Germanieü unter Claudius gedient.
Kr widmet der Beschreibung des Wassers und seiner Eigenschaften fast
ein ganzes Buch8; er sagt, das Wasser vermehre die Zahl der Götter mit
verschiedenen Namen; er nennt mehrere Städte, welche dem Wasser ihre
') Bezüglich des Granusthurms in Aachen sei hier bemerkt, dass die Sage, n
welcher dessen unterirdischer Theil an Grösse dem oberirdischen gleich ist. auch ander-
wärts bei alten Denkmalen sich findet. (Bonner Jahrbücher \.\. S. 129).
-') Bekanntlich ist das Gleich bei vielen Sagen über die Herkunft adeliger Geschlech-
ter (In- Fall.
s) Jülich und Cleve: Julius Cäsar; Neuss: Drusus. Die Reihe Lässt sich leicht
vermehren.
') Ein Ritter aus dem Gefolge Neros gill auch als der Gründer Utrecht . (P. a.
Beeck Aquisgranum cap. I ). Die Dtrechter Sage bangt mit der Aachener Granussage
zusammen, worauf hier nicht näher eingegangen werden kann. Erwähnt si i nur, dass
viele Gründe dafür sprechen, dass Aachen und Utrechl ziemlich gleichzeitig in der römi-
schen Geschichte hervortreten.
") Bonner Jahrbücher I X, S. 161,
,;i Plinius, bist, nat. XXXI V, cap. i'.
■I Gelegentlich werde ich hierauf ausführlicher zurückkommen.
8) Plinius 1. c. XXXI.
22 —
Gründung verdanken und erwähnt auch die heissen Quellen Wiesbadens.
Wenn ein so kenntnissreicher, mit den linksrheinischen Verhältnissen durch
persönliche Anschauung vertrauter Mann, wie Plinius es war, trotz seines
Interesses für merkwürdige Mineralquellen Aachen kurz vor dem Jahre 75
nicht nennt, seine Lage aber genau bezeichnet, so beweist dies, dass
Aachen damals nur wenig bekannt war \ Jedenfalls hat die Entdeckung
der Galmeilager bei Aachen im Beginn des letzten Drittels des 1. Jahr-
hunderts wesentlich mit zum Hervortreten Aachens in der Geschichte
beigetragen. Dem Kern des einen Theils der Granussage, nach welchem
Aachens geschichtliche Bedeutung ungefähr zu Neros Zeit beginnt, liegt
also eine Thatsache zu Grunde, die sich auch anderweitig stützen lässt.
Im Laufe des 1. Jahrhunderts füllte sich das ganze linke Rheinufer vom
Bodensee bis zur Insel der Bataver mit den Anfängen städtischer Grün-
dungen. Für unsere Heimath war damals Köln der Mittelpunkt römischen
AVesens; von dort aus Avirkten die Lockungen des römischen Handels-
geistes, die Genüsse des verfeinerten Lebens-. Sollten da Aachens heisse
Quellen in öder Einsamkeit unbenutzt und vergessen geblieben sein?
Zahlreiche zu Aachen in der Neuzeit gefundene Legionsziegel deuten auf
Legionen, welche zu Ende des 1. oder zu Anfang des 2. Jahrhunderts
n. Chr. im linksrheinischen Germanien standen3. Es ist möglich, aber nicht
wahrscheinlich, dass diese Ziegel erst lange nach der Zeit ihres Entstehens
durch irgend welche Zufälligkeit nach Aachen gekommen sind. Viel wahr-
scheinlicher verdankte die römische Aachener AVasserleitung, bei welcher
viele Ziegel der (3. Legion sich eingemauert finden, einer in Aachen stationirt
gewesenen Abtheilung dieser Legion ihr Dasein, stammt also ungefähr aus
dem Ende des 1. Jahrhunderts unserer Zeitrechnung4.
Weil es einen Granus genannten Bruder Neros nicht gegeben hat.
versuchte man früher, andere Persönlichkeiten des Namens Granus, Granius,
Granianus u. s. av., welche bei Tacitus genannt werden, mit der ältesten
Geschichte Aachens in Verbindung zu bringen"1. Diese Versuche scheiterten,
da selbst die geschraubtesten Erklärungen keine brauchbaren Anhaltspunkte
lieferten. Nero selbst hat Gallien und Germanien nie besucht; über von
ihm gegründete Städte weiss die Geschichte wenig zu berichten. Die von
ihm in Rom gebauten sog. Neronischen Thermen waren der Glanzpunkt
seiner gesammten baulichen Thätigkeit und erregten selbst in der Folge-
zeit noch ungetheilte Bewunderung G. Bei Nero darf man bestimmte Beziehungen
') Dies schliesst nicht aus, dass Aachen vielleicht damals bestand, wenn auch in
einem so unbedeutenden Umfang, dass das IJestehniniit dein Nicht bestehen ziemlich gleich war.
-') Vgl. .Schiller, Geschichte des römischen Kaiserreichs unter Nero. 8. 465.
;)) Zeitschrift des Aachener G-eschichtsvereins VII, S. 169 ff.
') Nach den Bonner Jahrbüchern LX, S. 27 ist diese Wasserleitung zwischen 70
und L20 n. Chr. entstanden.
"') Wohl die vollständigste Zusammenstellung hierüber findet sich in Lerschs Auf-
sätzen aus der Aachen-Burtscheider Kurliste des .1. 1872, S. 4 ff.
"i Schiller a. a. 0. S. 639.
' ■>' '
• -■>
auf Apollo annehmen. Griechische Münzen zeigen die Aufschrift Nero
Apollo, und schon Seneka vergleicht in Bezug auf Schönheit, Stimme und
Gesang den Apollo mit Nero1. Das Andenken Neros hat Jahrhunderte lang
sowohl in der Liehe als im Mass fortgelebt. Bei den Römern waren die
Ansichten gatheilt; für das junge Christenthum aber gab es keine ver-
rufenere Persönlichkeit als Nero. In ihm sah man den ersten und grimmig-
sten aller Christenverfolger, er galt als das Vorbild <h>> Antichrist-. Wohl
darum erhielt sich selbst bis zu den Zeiten des h. Augustin der Aberglaube,
Nero sei nicht todt, sondern lebe heimlich fort; wohl darum zitterten noch
im 11. Jahrhundert manche Bewohner Roms vor seinem Schatten3.
Bereits einige Jahrzehnte vor dem Sturz der Römerherrschaft war
bei uns der Sie«- des Kreuzes über das Heidenthum im wesentlichen ent-
schieden, doch kostete die Beseitigung der letzten Beste heidnischen Un-
wesens den christlichen Glaubensboten noch Jahrhunderte hindurch unsägliche
Mühe. Die Verdrängung der Hausgötter4, die Beseitigung gewisser Götter-
bildsäulen5, besonders auch die Ausrottung des an Quellgottheiten geknüpften
Aberglaubens stiess auf grosse Schwierigkeiten. Den Franken blieb der
Rhein noch lange ein heiliger Strom; der h. Remaklus hielt es noch i. J. 048
für angemessen, hei der Gründung von Malmedy die durch heidnischen
Aberglauben befleckten Quellen zu reinigen0; Konzilienbeschlüsse ans dem
('.. -9. Jahrhundert, sowie Kapitularien der Karolinger eifern ernstlich Liegen
den bei den Quellen fortdauernden Götzendienst7. Dass auch in Aachen
Quellgottheiten bekannt waren, beweist uns eben die Granussage. Es war
heidnischer Götter Weise, Quellen durch den Stab eines Gottes oder durch
den Hufschlag eines göttlichen Rosses der Erde zu entlocken8. Nicht nur
in Aachen, sondern auch anderwärts lässt die Sage nach dem Hufschlag
eines fürstlichen Rosses Quellen hervorbrechen9. Karls d. G. Pferd und
dessen Hufschlag in der Granussage sind also weiter nichts als ein Nach-
klang aus den Zeiten, in welchen man auch in Aachen an Quellgottheiten
glaubte10. Dass unter diesen Apollo GranuS obenan stand, kann nach den
1) Ebendaselbst S. 311.
2) Die berühmte, geheimnissvolle ZabJ 666 der geheimen Offenbarung (XIII, 18)
winl bis zur Neuzeit vielfach mittelst des hebräischen Alphabets mit Neron Kesar zu
deuten versucht.
Schiller a. a. 0. S. 290.
m Zeitschrift des Aachener Geschichtsvereins II. S. 151.
i [Jeher die Zerstörung mehrerer Götterbildsäulen in der Nähe der Maas und bei
Malmedy im 7. Jahrhundert vgl. Q regor von Tum- VIII, L5 und Not ger, Vita s. Remacli.
,;) Notger 1. c.
7) Bonner Jahrbücher WVI. S. 81.
s) Simrock, Deutsche Mythologie L878, S. 195 und Bonner Jahrbücher XXXIII, S. 76.
"i Le rsc h . < teschichte des Bades Aachen S. 1 9.
1 i Dies dürfte unzweifelhaft richtig sein. Dagegen halte ich Simrocks Versuch,
hieraus folgern zu wollen, dass in vorrömischer Zeil Odin und sein Etoss Grani in Aachen
verehrt worden seien, für einen zu gewagten.
. 24
gründlichen Untersuchungen von Müller1, Lersch- n. a. trotz des Mangels
eines inschriftlichen Beweises wohl nicht bezweifelt werden. Es fragt siel)
und steht mit der Granussage im Zusammenhang-, ob im Namen Aquae Grani
das Grani auf die Quellgottheit oder auf eine geschichtliche Persönlichkeit
zurückgeführt werden muss. Nimmt man das letztere an, so läge der
höchst seltsame, wohl niemals irgendwo vorgekommene Fall vor, dass eine
Stadt zwar den Namen eines Gottes, Heiligen, Helden u. s. w. trägt,
welcher zu ihr in Beziehungen stand, dass aber nicht der Gott oder Heilig»'
11. s. w. der Stadt den Namen gab, sondern eine zufällig (!) gleichnamige,
geschichtlich ganz unbekannte Persönlichkeit. Von einer solchen Häufung
von Unwahrscheinlichkeiten sieht man besser ab; zur Granussage selbst
sind ungeschraubtere Erklärungen möglich.
Am Ende der Römerherrschaft muss bei uns die Zeit des Hervor-
tretens Aachens in der römischen Geschichte ziemlich genau bekannt
gewesen sein. Inschriften, ferner vielleicht die verschiedenen Karten und
Nachweise (Meilensteine u. s. w.) über das allmählich entstandene Strassen-
netz, wahrscheinlich auch die Ueberlieferung mögen auf das letzte Drittel
des 1. Jahrhunderts n. Chr. gedeutet haben. Doch wohl keinesfalls hielt
die Römerzeit irgend einen Granus für den Gründer Aachens. Eher hätte
sie Nero als solchen ansehen können. Die Neronischen Thermen waren
berühmt, auch liegt ein gewisser Zusammenhang zwischen Apollo Nero
und Apollo Granus nahe. .So lockend indes solche Vermuthungen sein
mögen, sie haben doch nur eine sehr geringe Wahrscheinlichkeit für sich.
Es sind gar keine Beispiele bekannt, dass die Neronischen Thermen zu
Sagen von Gründungen von Badeorten Anlass gegeben hätten; Neros Ver-
gleich mit Apollo fiel mit dem Tod des Kaisers fast der Vergessenheit
anheim, zudem hatte Nero zu rheinischen Gegenden nur sehr wenig in
Beziehungen gestanden und auch dort kein fleckenloses Andenken hinter-
lassen. Wohl mögen sehr bald nach ihrer Ansiedlung in Aachen die
Römer den Ort Aquae Grani benannt haben 3, eine Gründungssage haben
sie später schwerlich an Aachens Benennung oder an seine älteste
Geschichte geknüpft4. Längst steht es fest, dass nur sehr wenige Orts-
') Bonner Jahrbücher XXXIII S. 56 if. Neben Apollo Granus sind in Aachen
vielleicht noch Apollo Borvo und andere Apollogötter verehrt worden. Dies ist nebensäch-
lich. Duldsam, wie es alle Anhänger der Vielgötterei sind, nahmen die Kömer sowohl
als die Gallier ihre beiderseitigen Götter als solche an und erwiesen ihnen gleichmässige
Verehrung, wobei sie vielfach verwandte Gottheiten mit einander verschmolzen. Bonner
Jahrbücher XIV, 95; Minirock a. a. 0. 8. 245.
2) Lersch a. a, 0. S. 3 II.
3) Plinius (Hist. nat. XXXI, 2) bestätigt ausdrücklich, dass das Wasser die Zahl
der Götter mit verschiedenen Namen vermehre und die Ursache der Gründung mehrerer
Städte sei. Eierfür liegen zahlreiche Belege vor.
4) Yini viel bedeutendem ßömerorten a.ls Aachen sind Gründungssagen aus der
römischen Zeil nicht nachweisbar. Die Zeit der Römerherrschaft hei uns war nicht lang
genug, um solche Sagen recht aufkommen zu lassen; vielfach auch mögen Sagen in der
stürmischen Frankenzeil nntergegangen sein.
•' 25
namen und Ortssagen aus der Römerzeit bis zur Neuzeit sich erhielten l.
Dem Mittelalter gehört die wunderliche Sucht an, Ortsbezeichnungen
lateinisch umzuformen und durch Kaltein aller Art eine Brücke zum Alter-
Ihum herzustellen. " Die trojanische Sage der Franken, die Geschienter]
von Brutus unter den Kymriern, vom Ritter Antonius in Utrecht, von
Trebela in 'Frier, von Marsilius in Köln- und zahlreiche ähnliche Märchen
sind mittelalterlichen Ursprungs. So auch die Saue von der Gründung
Aachens durch Granus. Wohl keinesfalls ist Granus, der Bruder Neros,
eine Erfindung der fränkischen .oder meroyingischen Zeit. Allzu schwer
mag es damals gehalten haben, im Kampf gegen den Quellgott Granus
denselben seines Göttergewands zu entkleiden; stammte Neros Bruder
aus dieser Eeit, so würden sich wohl in den bis ins Einzelne reichhaltigen
Geschichtsquellen zur Karolingerzeit Andeutungen finden. Granus wurde
erst dann unter die Sterblichen versetzt, als das Andenken an seine Ver-
ehrung fast erstorben war, als der Volksglaube die Quellgottheiten in
Quelldämonen verwandelt hatte3. An diese glaubten viele Christen; Aachen-
neuere Geschichte beginnt, so könnte man fast sagen, mit einem Kampf,
den Pippin der Kleine gegen einen Quelldämon bestand1.
Ob Granus bei uns als Quelldämon galt? Ob die Sagenbildung absicht-
lich den Dämon Granus neben den „Dämon und Antichrist" Nero setzte.
bezw. ob der in der Erinnerung furchtbare Nero deshalb gewählt wurde,
weil die heissen Quellen dem Volk furchtbar erschienen? Zur Erklärung
des Umstands, dass Neros Name in die Gründung von Aachen herein-
gezogen wird, bleibt kaum eine andere Annahme übrig. Namentlich hinsicht-
lich der ältesten Zeit nimmt die Sagenbildung oder der poetische Sinn
des Volks auf die Geschichte nieist keine Rücksicht; statt auf Nero konnte
deshalb die Sage ohne Weiteres auf die hochberühmten Namen und altern
Zeiten eines Drusus, Augustus oder Cäsar zurückgreifen. Wollte aber die
Sage, vielleicht in Uebereinstimmung mit den zur Zeit ihres Entstehens
reichlicher als heute vorhandenen Beweisen, die Geschichte Aachens zur
liömerzeit mit dem letzten Drittel des 1. .Jahrhunderts beginnen lassen"',
so waren Titus und Vespasian weit ansprechendere Erscheinungen. Die
Wahl des Schreckbildes Nero hatte jedenfalls ihre besonderen Gründe.
Es darf nicht auffallen, dass eist in den letzten 2 — 3 Jahrhunderten
ortsgeschichtliche Forschungen sieb der Erklärung des „Granunr in A<|iii>-
granum und der Granussage zuwandten. Nachdem der wahrscheinlich am
Ende der Karolingerzeit geborene Üruder Neros im unächten Privilegium
') Bonner Jahrbücher XXVII, S. 19 ff. für Köln schlagend nachgewiesen. Düntzers
Ausführungen gelten auch für andere Orte aus der Römerzeit. Der Name A.quae Grani
Stammt sicher aus der Uuinerzeit.
2) Bonner Jahrbücher III, S. 190.
i Lersch a. a. 0. S. L5.
') Rtittheilungen des Vereins für Kunde der Aachener Vorzeil I, S. 26 ff.
"') Kinen komischen Eindruck machen die Datirungsversuche alter Chroniken. Die
von Prof. Loersch herausgegebene Aachener Chronik aus dem 15. Jahrhundert gibl da-
Jahr 70 11. <'hr. als das Jahr der Gründung an; P. a Beeck wählt Neros Regierungszeit,
also vi 68 n. Chr., während Nonnius sich für „Tu und etliche Jahr" entscheidet.
— 26 —
Kalls (1. Gr. für Aachen Aufnahme gefunden hatte, hielt die ungeheuere
Mehrheit der Aachener das Märchen für wahr und durchaus unantastbar.
Ein Angriff gegen dasselbe wäre ein hochverrätherisches Unternehmen
gewesen, gleichbedeutend mit einem Zweifel an der Gültigkeit des hoch-
angesehenen Privilegs, auf welchem der Ruhm Aachens wesentlich zu
beruhen schien. Als im .Talire 1620 P. a Beeck sein Aquisgranum schrieb,
berührte er in der Einleitung die Granussage in vorsichtigster Weise.
„Ich will mir nicht", so etwa schreibt er, „den Vorwurf der Verwegenheit
zuziehen, indem ich Karls d. G. Privileg angreife und schwäche, welches
im Laufe so vieler Jahre treu bewahrt und von so vielen erhabenen Kaisern
für wahr gehalten worden ist.u Hauptsächlich diese Scheu vor dem gen.
Privileg hat es veranlasst, dass manche in mittelalterlicher Zeit wohl noch
in Aachen zur Granussage vorhandenen Anhaltspunkte uns nicht erhalten
geblieben sind. Nach K. Geltes, welcher im 15. Jahrhundert lebte, ist
Aachens Name Aquisgranum von Apollo Granus herzuleiten. Mit Hecht
nennt P. a Beeck1 diese Notiz ein Goldkorn; denn sie beweist uns, dass
die Erinnerung an den Quellgott, dem wahrscheinlich Aachen seinen
Namen verdankt, auch in mittelalterlichen Zeiten nicht erloschen war, so
sehr auch die in diesem Falle mächtig geschützte Sage an der Zerstörung
des Götterbilds gearbeitet hatte.
Die Aachener Stadtpläne,
Von C. Rhoen.
Schill,,,..
Ein sehr schöner Plan von Aachen, ohne Angabe des Stechers, dessen
klare und genaue Ausführung wohl dem Wenzel Hollar zuzuschreiben sein
dürfte, ist in der Zeit zwischen den Jahren 1638 und 1656 erschienen.
Diese Zeit ergibt sich aus der darauf befindlichen Bemerkung, dass der
lange Thurni in dem erstgenannten Jahre durch Grana zerschossen wor-
den sei, während die Bedachungen dos Rathhauses und dos .Münsters
noch die Formen aufweisen, die sie vor dein grossen Brand von 1656
/•■igten. Die Bildgrösse dieses Plans hat eine Breite von 522 mm und
eine Höhe von 415 mm. Die Gebäulichkeiten sind mit grosser Feinheit
und Genauigkeit dargestellt, auch ist die Anlage der Gärten der Stadt
durchweg angegeben. Offenbar ist diesem Plan wieder der von Steenwyck
zu Grunde gelegt worden, da er dessen Ungenauigkeiten aufweist und im
Wesentlichen von demselben nicht abweicht. Mehrfache Ergänzungen von
seit dom J. 1574 errichteten Gebäulichkeiten sind in demselben nach-
getragen worden, so unter andern das L603 auf dem Karlsgraben erbaute
Maus der Karlsschützen und die vor dem Köln- und Sandkaulthor erbauten
l.avolins. Die St. Salvatorkirche ist unter der Bezeichnung „St. Silvester"
zu nahe an die Stadt gerückt, ebenso der Berg, auf welchem dieselbe
') P. ;i Beeck 1. c. cap. I.
• 27
steht, zu steil dargestellt. Die Namen der Strassen, sowie die 61 Nummern
Erklärungen sind in holländischer, vielfach verderbter Sprache angegeben.
In einem flachovalen verzierten Schilde oben in der Mitte steht in
grössern Buchstaben „Aqüisgranum", darunter in kleinern „G-allis, Aix-la-
chapelle. Grermanis et Belgis Aken." In dw obern Ecke links befindet
sieh in einem mit Ornamenten umrahmten und mit einer Krone geschmückten
Schild der Doppeladler mit kleinem Schild auf der Brust, rechts eben-
falls in einem mit Ornamenten eingefassten Schild der einfache städtische
Adler. In der untern Ecke rechts, verhältnissmässig zu nahe bei der Stadt,
ist der Galgen mit der Bezeichnung- „das Greright" angedeutet1.
Der in holländischer Sprache geschriebene Text dieses Plans beginnl
mit den Worten: „Gelyck Godts aenbiddelycke vorsienigheyt" und schliessl
mit: „en eewige bontgenoot." Derselbe füllt in acht Spalten die erste und
vierte Seite des gefalteten Bogens, sowie ein noch besonders zugegebenes
Folioblatt,
Das grosse und schöne Werk Merians „Beschreibung- der vurnembsten
Statt und Platz," weist in dem Bande, in welchem der westphälische Kreis
(um 1645) beschrieben ist, auch einen Plan von Aachen auf. Der Druck dieses
Plans ist ein dem Auge angenehmer, erreicht jedoch nicht an Schönheit den
vorher besprochenen. Auch er stellt sich als eine Nachbildung des Steenwyck-
schen dar, wie die in beiden übereinstimmenden [rrthümer unwiderleglich
nachweisen. Die Stich- oder Bildgrösse ist 301 mm breit und 271 mm hoch;
der Rand wird durch eine einfache Leiste gebildet. Die innerhalb (\o^
Randes stehende Ueberschrift „Aquisgranum. Achen" ist in Renaissance-
Majuskeln; in der obern Ecke links ist in einem mit Barockyerzierungen
geschmückten Schilde der Doppeladler angebracht, auf dessen Brust sich
ein kleines Schild mit horizontalem Balken befindet. Ueber dem Adler,
jedoch noch innerhalb des Schilds, schwebt die Reichskrone. Oben in der
Mitte, zwischen die Worte der Ueberschrift Aquisg-ranum und Achen hinauf-
reichend, ist das Oberthor nebst einem Theile der Hauptstrasse von Burt-
scheid angedeutet; vom Oberthor aus zieht sich der Weg in der Richtung
des heutigen Knigonot'en weiter fort. In der obern rechten Ecke, ebenfalls
in barockverziertem Schild, befindel sich der sehr unternehmend aussehende
einköpfige Adler; unten fast in der linken Ecke ist die Windrose mit
lateinischer Inschrift angebracht.
Aus dem Merianschen Werke ist dieser Plan von Aachen auch in
mehrere andere übergegangen. So in die zu Leiden bei Johann du Vivie
im Jahre 1727 erschienene „Beschryving van de Stad Aken", worin die
29 in holländischer spräche gegebenen Erklärungen unterhalb der untern
Randleiste in Typenschrifl beigedruckl sind. Ferner wurde derselbe «lern
1736 in Amsterdam bei Pierre Mortier erschienenen Werke „Amusemens
des eaux d'Aix-la-Chapelle" beigegeben. Hierbei ist die Platte insofern um-
gestochen worden, als an den stellen, wo im ursprünglichen Merianschen
Plan oben links und rechts sich die Adler belinden, in dieser Ausgabe je
') Dieser Plan ist in photographischem Druck und verkleinert reproduzirt, jedoch
sind nur wenige Exemplare davon abgezogen worden.
— 28 -
ein Karton mit 46 Erklärungen, links in französischer, rechts in holländischer
Sprache angebracht ist. Im Allgemeinen sind die Abdrücke dos Pianos zu
diesem Werke nicht sonderlich kräftig.
Dem in lateinischer Sprache geschriebenen Werke des berühmten
Aachener Arztes Franz Blondel „Thermae Aquisgranenses et Porcetanae", in
dritter Auflage erschienen in Aachen im J. 1688 hei -Tos. Henr. ( llemens, ist ein
Planvoll Aachen heigegeben. Die Stichgrösse desselben hat eine Höhe von
225 nun und eine Breite von 233 mm, wobei jedoch an der rechten Seite
ein Verzeichniss von Gebäulichkeiten von 39 mm Breite und der Höhe des
Stiches sich befindet. Die Technik der Ausführung der Kupferplatte stellt
gegen die der vorherangeführten Pläne zurück, auch weisen die angebrachten
Schriften mehrfache Unschönheiten auf. Derselbe befindet sich auch in der
deutschen Ausgabe des Blondelschen Werks vom Jahr 1688.
Dieser Plan ist gleichfalls dein Steenwyckschen nachgebildet, doch
sind die Umänderungen, welche der grosse Brand von 1656 verursacht hatte,
ziemlich deutlich eingetragen. Selbst mehrere Einzelnheiten, die in dem
Steenwycksclien ausgelassen sind, finden sich in diesem Plan vor. Dahin-
gegen weist er auch eine Menge von Auslassungen den andern Plänen
gegenüber auf. Auf einem durch einfache Linien eingefassten Streifen steht
als Ueberschrift der Anfang des Hymnus auf Karl den Grossen: „Urbs
aquensis, urbs regalis, regni sedes principalis, prima regum curia". Eechts
neben dem Plan befinden sich in dem erwähnten Verzeichniss 28 Nummern
Erklärungen, worunter noch als Notiz die Worte: „destructa adhuc fuit
parochia S. Joannis, capella S. Servatii, capella S. Aldegundis" stehen.
Unter dieser Notiz befinden sich von a bis i wiederum Erklärungen, die
ausser der unter a bezeichneten „curia" nur die Bäder betreffen. Unterhalb
des untern Druckrands steht in Majuskeln: „Aquisgranum thermarum
Prestantia et salubritate celeberrimum".
1685 liess Blondel in Maestricht bei Jac. du Preijs eine „Thermarum
Aquisgranensium et Porcetanarum descriptio" erscheinen. Der beigefügte
Plan, 130 mm breit und 42 mm hoch, ist fein radirt, kann jedoch auf
Richtigkeit wenig Anspruch machen, da durch die übermässige Breite der
Strassen und Wege die Häuserinseln bis zur Unkenntlichkeit verzerrt
worden sind. In der obern Ecke rechts befindet sich ein nur 24 nun
langer und 7 mm hoher Streifen mit der Bezeichnung Aquisgranum, unter
diesem eine Gruppe. Flussgott nebst Nymphe und Amor darstellend. Die
Nachbildung des Steenwyckschen Plans ist nicht zu verkennen '.
Endlich sind noch die Amusemens des eaux d'Aix-la-Chapelle von
v. Pöllnitz zu erwähnen. Im .i. 1737 erschien in Berlin bei Johann
Andreas Rüdiger eine deutsche Uebersetzung unter dem Titel „Zeit- Vertreib
bey den Wassern zu Achen", welcher auch ein Plan der Stadt beigegeben
wurde. Demselben ist augenscheinlich der Meriansche zu Grunde gelegt
und hat man sich bestrebt, auch die Stechmanier desselben nachzuahmen,
wobei derselbe jedoch an Grösse etwas eingebüsst hat, da er nur 290 nun
') Das Werkchen erschien schon KiTl bei Metternich in dachen - ob mit Plan?
Vgl. Lersch, Schriften über die Thermen S. 5.
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breit und 2ö2 min hoch ist. In den Einzelheiten hat sich der Stecher sehr
ängstlich an das Vorbild gehalten, doch ohne dessen Feinheit in der Aus-
führung zu erreichen. Die oben in der Mitte innerhalb dvs Randes befind-
liche Ueberschrift : „Die freye Reichs-Stadt Aaachen oder Aacken" ist in
kleiner, liegender Schrift ausgeführt. In der obern linken Ecke ist eine
Tafel mit 23 Erklärungen, in der obern rechten Ecke eine Draperie mit
ebensoviel Nummern angebracht. Diese Erklärungen sind in deutscher
Sprache gegeben.
Dieser Plan ist, soviel mir bekannt, der Letzte in Kavalierperspektive
gezeichnete, auch der einzige im IS. Jahrhundert, welcher in Kupferstich
erschien.
Von jetzt ab treten an Stelle der in Kavalierperspektive gehaltenen
Pläne solche in geometrischer Zeichnung', die den Vortheil besitzen, auf
denselben Entfernungen messen zn können und daher in mancher Hinsicht
den Vorzug verdienen. Wenn auch Plane dieser Art vorerst nicht durch
Kupferstich mechanisch vervielfältigt wurden, so entbehren wir doch solche
in Handzeichnung nicht, und es gibt einige von Aachen, die mit ausser-
ordentlicher Feinheit ausgeführt sind. Ein solcher Plan im .Massstab
von 1 zu 10 000 gezeichnet, auf welchem nicht nur die Stadt allein, sondern
auch umliegende Ortschaften und einzelne Häuser eingetragen sind, befindet
sich in meinem Besitz. Derselbe ist von verschiedenen Händen gezeichnet,
jedoch nicht ganz vollendet worden, da noch ein Theil der Gegend süd-
lich von Burtscheid darauf fehlt. Derselbe scheint gegen das Jahr 1700
gezeichnet worden zu sein.
Im städtischen Archiv wird unter Rahmen gleichfalls ein in Hand-
zeichnung' ausgeführter Plan des Aachener Reiches aufbewahrt, der einer
spätem Triangulationsaufnahme zu Grunde gelegen hat. Die Zeit der-
selben ergibt sich aus der im Text befindlichen Jahreszahl 1710.
Von der Hand des in i\w Mitte des vorigen Jahrhunderts in Aachen
thätigen, talentvollen städtischen Baumeisters und spätem Stadt Sekretärs
Johann Joseph Couven befindet sich noch ein sehr schöner, im J. L725
gezeichneter Plan mit Ansicht der Stadt unter Glas und Rahmen auf dem
Aachener Stadtbauamt. Die Zeichnung, imGanzen 472 mm breit und 662mm
hoch, stellt im untern Theil den 315 mm breiten und 220 mm hohen geo-
metrischen Plan der Stadt im Massstal» von I zu 5000 dar. und war
ursprünglich kolorirt, doch sind jetzt die Karben theilweise sehr werblichen.
In der Zeichnung' sind Buchstaben und Zahlen eingetragen, welche auf die
in den an beiden Seiten befindlichen 7s mm breiten Randstreifen stehenden
Erklärungen sich beziehen. In der linken obern Ecke dieses Theiles stehen
die Worte „urbs aqiiensis". oberhalb dieses Plans, jedoch durch einen freien
Raum von 315 mm Breite und 47 mm Eöhe von demselben getrennt, befindel
sich die Ansicht von Aachen, von der Südseite ans aufgenommen. Diese
Ansicht hat 315 mm Breite und L32 mm Eöhe und ist ebenfalls in jetzt
freilich stark verblichenen Karben ausgeführt. Der Plan, die Ansicht und
der zwischen beiden befindliche Streifen sind von einem rahmenförmig «las
Ganze umschliessenden Randstreifen von 7s mm Breite eingefasst, in welchem
30 —
an den beiden Seiten und dem untern Theile die im Plane befindlichen
Buchstaben und Zahlen ihre Erklärung finden. Im obern Theile des Rand-
streifens jedoch ist die Ueberschrift angebracht: „Accurata Delineatio sive
Prospectus meridionalis. Planum Regiae sedis ac urbis renalis Aquis-
granensis. 1725". In der rechten untern Ecke steht der Name des Zeich-
ners: „Joannes Joseplius Couven Aquensis fecit et delineavit". Durch die
Einrahmung unter Glas geschützt, ist dieser Plan ziemlich gut erhalten
geblieben.
In meinem Besitz befindet sich ein ebenfalls von Couven gezeichneter
Plan von Aachen, welcher wahrscheinlich als erläuternde Beilage zu einem
Bericht gedient hat, da sich in demselben Buchstaben und Zahlen befinden.
die nur auf ein denselben begleitendes Schriftstück Bezug gehabt haben
können.
Ob im 17. Jahrhundert von Aachen und dem Aachener Reich Par-
zellarkarten bestanden, scheint zweifelhaft zu sein1, da den Rathsproto-
kollen zufolge am 14. Juli 1658 ein gewisser Weybrand sich erbot, eine
neue Karte des Aachener Reiches anzufertigen. Es ist mir unbekannt,
ob der Magistrat dies Anerbieten angenommen hat; zu vermuthen ist,
dass derselbe wohl das Bedürfniss einer solchen, die als Basis der damals
schon häufig geschehenen, wenn auch nur vorübergehenden Besteuerung
der Bodeufläche zu dienen hatte, erkannte, jedoch durch das grosse Brand-
unglück, welches zwei Jahre vorher die Stadt betroffen, sich der bedeu-
tenden Kosten wegen genöthigt gesehen, dies Anerbieten abzulehnen.
Gegen das Jahr 1700 jedoch wurde von dem vor Pontthor auf dem
Gute Süstern wohnenden Landmesser Scholl die Vermessung der Bürger-
meisterei Aachen ausgeführt. Von den in Folge dieser Vermessung gefer-
tigten Plänen befinden sich drei auf grosse Bogen gezeichnete zur Zeit im
Aachener Stadtarchiv; wo sich der vierte Plan, der das Terrain innerhalb
der Ringmauern der Stadt enthält, befindet, ist mir unbekannt. Einige
Jahre später sehen wir wiederum einen andern städtischen Beamten mit
einer neuen Aufnahme beschäftigt. Es ist Heinrich Copzoo, von dem ein
in sehr guter Durcharbeitung ausgeführter Plan aus dem Jahre 1777 auf
dem städtischen Archiv sich vorfindet. Derselbe umfasst sowohl das
gesammte Reich von Aachen als auch die Stadt selbst, letztere in einer
Grösse von etwa 170 mm Höhe und Breite.
Zählt man zu den oben aufgeführten Plänen noch einen von Harrewyn
in Brüssel gestochenen Plan, von welchem ich mir jedoch eine Einsicht
nicht habe verschaffen können, so dürfte wohl die Aufzählung der Aachener
Stadtpläne aus der Zeit der Freien Reichsstadt abgeschlossen sein. Es
ist in der That eine nicht unbedeutende Anzahl, und manche grössere
Stadt dürfte eine solche nicht aufzuweisen haben.
') Quix, G-esch. »I. S. Peter-Pfarrkirche S. 58, enthält, die: „Lymiten dero Bergh
und Sanckel Graffschaffl wir weht sich dieselbe an Land! und Benden hausseu dorn Statt
und Reigenoten zu A.ch under dem Klockenklangh ehrstrecken doutt zu folg getthanner
abmessung du anno 1639". oli die Ergebnisse dieser „getthanner abmessung" auf Karlen
eingetragen wurden, muss dahingestellt bleiben.
— 31 —
Kleinere Mittlieilungeu.
1. Eine Aachener Silbermünze von 1419.
Im JahreMH.sT wurde zu Monheim, einem Dorfe im Kreise Solingen, bei einem kleinen
Umbau, den man auf der Besitzung des Eerrn Quadflieg vornahm, etwa 1\i m tief in der
Erde ein Topf mit ungefähr 300 mittelalterlichen Münzen, goldenen and silbernen, gefun-
den. Da die jüngsten von ihnen die Jahreszahl 1498 tragen, so wird die Vergrabung ersl
im IB. Jahrhundert geschehen sein. Aus welchem Anlass sie erfolgte, bleibt unermittelt.
Mit Kriegsereignissen scheint sie kaum zusammengehangen zu haben, da für das Dorf
Monheim nach Zerstöruno- seiner Festungswerke im 15. Jahrhunderl eine lange Zeit der
Ruhe eintrat, die auch durch die Reformation und die sich daran anknüpfenden Kämpf
nicht wesentlich gestört wurde (vgl. F. E. von Mering, Geschichte der Burgen, Ritter-
güter, Abteien und Klöster in den Rheinlanden XI, S. 24). Zu den aufgefundenen Münzen,
welche sich gegenwärtig im Besitze des Herrn Apotheker Quadfiiee,- bierselbst befinden,
gehört auch eiue Aachener Silbermünze von der- Grösse eines Zweimarkstücks, aber erheb-
lich dünner als dieses. Auf ihrer Hauptseite ist Karl d. Gr. mit der Münsterkirche auf
der Rechten und dem Reichsapfel in der Linken dargestellt, darunter der Adlerschild der
Stadt; Umschrift: SOS . KAROL . MAG'. IPERATOR. Die Rückseite zeigt in einem Kreise
ein Kreuz mit Doppelumschrift, von welcher die innere: f MONETA. VRB\ AQVS'., die
äussere: f ANNO . DOMINI . MILESIMO .('( VC. XIX. lautet. Die Münze ist zwar nicht
besonders selten, dennoch erschien ihre Verzeichnung an dieser Stelle nicht überflüssig,
zumal die bisher veröffentlichten Nachrichten über die Münzen der alten Kaiserstadt
ausserordentlich dürftig sind.
Aach eu. B. Pick.
2. Die Bruderschaft der Wollenweber-Gesellen in Aachen.
Im Anfang des vorigen Jahrhunderts traten die Wollenweber-Gesellen in Aachen
zu einer Bruderschaft zusammen, deren Hauptzweck die Unterstützung der Mitglieder in
Krankheits- oder sonstigen Unglücksfällen bildete. Dass daneben auch die Pflege eines
braven christlichen Lebenswandels unter den Gesellen ins Auge gefasst war, verstand sich
zur damaligen Zeit von selbst. Bei der grossen Zahl von Wollenweber-Gesellen, welche
es seit Alters in Aachen gab, konnte es nicht fehlen, dass das Vermögen der Bruderschaft
bald stark anwuchs, obgleich der Beitrag für den Einzelnen wöchentlich nur eine Aachener
Mark betrug, um eintretenden Kalls die auf einen rheinischen dulden für die Woche
festgesetzte Unterstützung zu erhalten, musste man sechs Jahre der Bruderschaft angehöri
halien. Eine besondere Festlichkeii wurde für denjenigen veranstaltet, welcher fünfzig
Jahre hindurch Mitglied der Genossenschaft gewesen war. Dieser Fall trat im Sommer 1765
seltsamer Weise hei vier alten Gesellen ein. Der Bürgermeisterdiener Johann Janßen
(f 1780), dessen handschriftlicher Chronik der Stadt Aachen (:: Künde Fol. im hiesigen
Stadtarchiv) die vorstehenden Nachrichten entnommen sind, beschreibl ilie Jubiläumsfeier
(Bd. 11T, s. 199 f.) wie folgt: „Also seind dan I alte Gesellen gewesen, welche 50 Jahr
in diese Bruderschaft gewesen; diese haben ihr Jubiley gehalten mil solche ceremonien, als
wans im geistlichen Stand gewesen war. Diese i haben sich hübsch gekleidl mit einen
Crans umb den Kopf und seind in der Pfarkirch gangen mit alle ihre in der Bruderschafl
gehörige Mitgesellen und haben ein hohes Ambl gehalten oder beygewohnl mit Ealtung
ihren Fcstag, bey Embfangung des h. Sacraments mit Abführung der Böller zu :: Mal:
nach dem Ambt aber aus der Kirch nach ihre Leuf oder Beisanimenkörast-Haus zur Mittag
gespeiset; hernach die Mitleuf oder Zunfthaus iluminirl mit artige Versen, auf die Jubilarij
zielent, im .Mitten aber war das große Portrel Carli Magni, unser Stadtpatron, des Aliens
wider mit abfeurung der Böller den Schluß gemacht. Dieses Fes! ist mit allerhand närrische
Cermonien begangen und geendigel worden, welche alliier uichl habe notiren wollen, also
dal; sich alle verstandige Leu1 darüber bald zu Puckel gelacht." Ungewiss ist. ob mit
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dem „großen Portret Carlj Magni" ein der Bruderschaft gehöriges Bild Karls d. Gr. oder
vielleicht das im Jahre 1730 von dein Maler Johann Chrysanth Bollenrath wahrscheinlich
auf Bestellung der Werkmeister und Geschworenen angefertigte Uelbild dieses Kaisers,
das noch jetzt in dem Sekretariat des Rathhauses (Bureau Nr. 3), dem frühern Sitzungs-
saal des Werkmeistergerichts, hängt, gemeint sei. Man könnte an letzteres denken, da
in dem darauf angebrachten Doppelchronogramm : CaroLVs MagnVs hVIVs seüls regaLIs
ei Vrbls granensls LaVDabILIs et De pannls IbT statVentls IVDICII patronVs (zu
Deutsch: Karl der Grosse, dieses Königlichen Stuhls und der Stadt Aachen, sowie des hier
tagenden Werkmeistergerichts löblicher Beschützer) ebenfalls von dem „Stadtpatron" die
Rede ist.
Aachen. 7?. Pick.
Fragen.
1. Wo lag in Aachen die im Todtenregister des Marienstifts (Quix, Necrologium ecclesiae
B. M. V. Aquensis p. 53, 1. 1) erwähnte platea Dodonis? Lässt sich dieselbe sonst noch
urkundlich nachweisen? W.
2. Wer kann den Aachener Bachnamen Pau erklären? S.
3. Wann wurde in Aachen die Kunst, Ziegel zu bereiten, zuerst im Mittelalter geübt,
und wo findet sich das älteste Zeugniss darüber? P.
4. Woher stammt der Strassenname Rennbahn in Aachen? Ist die Ansicht von Quix begründet,
dass das öfters, namentlich im Winter, eintretende Ueberfiiessen (Rennen = Laufen =
Fliesseh) der Pau nach dem tiefer gelegenen Fischmarkt hin der Anlass zu dieser
Namengebung gewesen sei? P.
5. in einer ungedruckten Aachener Urkunde vom Jahre 1699 ist davon die Bede, dass ein
Durchgang nebst dem „offenen Platz", zu welchem er führte, nicht „zu einem Schlep-
spill oder Luderwinkel" gebraucht werden dürfe. Was ist mit deiu „Schlepspill"
gemeint? W.
Antworten.
Zu S. ]f>, Frage 1 [Engeland]: Nach Quix, Gesch. d. Karmeliten-Klosters S. 50, Anm.
ist der Flurname „Engeland" folgendermassen zu erklären: In den achtziger Jahren des
vorigen Jahrhunderts bewohnte ein Engländer, Comte de Rice, den Neuenhof bei Brand;
diesen Hess er in Stand setzen und ausserdem noch auf urbar gemachtem Boden der
Brander Heide mehrere Häuser errichten. Den ganzen Komplex nannte man seitdem
Engeland. (Mittheilung des Herrn Kaplan H. Schnock iu Aachen.)
Vereinsangelegenheiten.
Monatsversammlungen im Hotel zum Elephanten (Ursulinerstrasse).
1. Am Mittwoch, den 21. November 1888, Abends 77, Uhr. Vorträge:
Prähistorische Funde in der Umgegend von Aachen. Zur früheren
Uhrenfabrikation mit Beziehung auf Aachen.
2. Am Mittwoch, den 19. Dezember 1888, Abends 7V2 Uhr. Vorträge:
lieber ein registrum mortuorum d. a. 1622—1688. lieber Christian Quix.
Drück von- Hicrmaxn- Kaat/.i.i: rx Aachen.
Jährlich 8 Nummern
ä 1 Bogen Eoyal Oktav
Preis des Jahrgangs
4 Mark.
Kommissions -Verlag
der
Cremer'schen Buchhandlung
(0. Cazin)
in Aachen.
Mittheilungen des Vereins für Kunde der Aachener Vorzeit.
Im Auftrage des Vereins herausgegeben von Dr. K. Wieth.
Nr. 3.
Zweiter Jahrgang.
1889.
Inhalt: S. Planker, Die Pfarrer von St. Peter in Aachen. (Fortsetzung statt Schluss.) -
K. Wieth, Zur Erklärung des Namens Marschierstrasse. — Kleinere Mitteilungen: Die
Eethelschen Fresken im Bathhaussaale zu Aachen. — Heinrich Copzoo. — Eine Bescheinigung
des Vorstands der Aachener Bäckerzunft 1647. — Fragen. — Antworten. — Vereins-
angelegenheiten: Chronik des Vereins 1888. — Monatsversammlung. — Bücheranzeige.
Die Pfarrer von St. Peter in Aachen.
Von S. Planker.
(Fortsetzung statt Schluss.)
10. Gerardus Breuer (1621 — 1651). Am 16. Oktober war G. Kinckius
gestorben, und noch in demselben Monat ernannte der Erzpriester und
Kanonikus des Münsterstiftes Herr Gosswin Schrick, sein Patronatsrecht
"wahrend, den bisherigen Pastor von Moresnet Gerardus Breuer zum Nach-
folger, welcher sich, wie er es selbst notirt hat, den 4. November investiren
Hess. Breuer war nach Noppius ein „guter Oeconomus." Er restaurirte
Kirche und Pfarrwohnung, der Tlmrni erhielt eine schöne Uhr nebsl
Schlagwerk, die Kirche selbst eine Orgel, einen neuen Altar und viele
Stiftungen. Dabei liess er es sich angelegen sein, die vorhandenen Stif-
tungen sorgsam zu verwalten, die Urkunden zu sammeln und zu registriren,
die vergänglich gewordenen wichtigen Manuskripte zu kopieren, und die
Kirchenrechnungen selbst bis an seinen Tod zu führen. Aber er war auch
ein ebenso eifriger Seelsorger. Kr förderte »las kirchliche Leben durch
regelmässiges Predigen, Katechisiren und fleissigen Krankenbesuch; die
Bruderschaft vom Leiden Christi hob er zu neuer Blüthe. Er schenkte
der Kirche im Juni 1647 ein „Silber iibergultes Ciboriuma, welches ihn
über 100 thlr. gekostet, desgleichen stiftete er in seinem Testamente anno
1651 eine Jahresrente auf sein Haus in der Hartniannstrasse ..zu behoif
— 34 —
des Olichs in der Lampen vor dem hoc.hw. Sacrament", und für drei
Lesemessen, am 2. April abzuhalten *. Nach seinem Tode machten die hier
lebenden Geschwister desselben der Kirche verschiedene Zuwendungen und
stifteten eine Messe für ihren sei. Bruder. Hieraus ist zu schliessen, dass
Breuer ein geborner Aachener war, wie denn auch Quix ihn Aquensis nennt.
Die letzte von seiner Hand geschriebene Kirchenrechnung ist die
von 1649/50. Die Rechnung von 1650/51 ist von anderer Hand, und zu
Pfingsten 1651 wird der Kirch envorstand ohne Beisein eines Pastors
ergänzt. Die von Breuer gestiftete Rente für Oel wird zuerst den 6. April
1652 der Kirche eingezahlt und so fort im April jedes Jahres. Da nun
das damit verbundene Jahrgedächtniss stets am 2. April abgehalten wird,
so darf man schliessen, dass Breuer den 2. April 1651 gestorben ist. Sein
im Pfarrhause noch erhaltenes gutes Porträt stellt ihn dar in priesterlichem
Gewände, betend und mit gefaltenen Händen. Das stark bärtige Gesicht
drückt Ernst und Andacht aus. Sein Wappenschild trägt einen Kelch
zwischen den Buchstaben G. B2.
11. Winand Osteradius (1651 — 1663), geboren zu Hülchrad bei
Wevelinghoven, wurde im 52. Jahre Pfarrer an St. Peter und war zugleich
Vicarius in Neuhaus, wahrscheinlich Neuenhausen in der Nähe seiner Heimath.
Auf dem Grabstein, der im J. 1836 noch vor dem Pfarrhause zu BrauAveiler
lag, wird^er pastor vigilantissimus genannt. Er ist in der Kapelle des h.
Laurentius zu Brauweiler begraben. „Memoria anniversaria adm. Revdi.
Dni. Winandi Osterath, Pastoris ad s. Petrum Aquisgrani hie in Brauweiler
pie in Domino defuneti anno 1663 in sacello s. Lauren tii sepulti3". Indem
Rechnungsbuch der Kirche von St. Peter vom J. 1663 liest man: „und ist
folgendts den 14. Juni in praesentia pastoris Winandi Osteradii und Michaelis
Born als successoris . . . Rechenschaft gehalten worden". Demnach muss
Osteradius, wahrscheinlich weil er schwächlich oder kränklich geworden,
einen Koadjutor angenommen und sich nach Brauweiler zurückgezogen
haben, wo er denn auch noch in demselben Jahre 1663 am 30. Oktober
verschied.
12. Michael Born (1663 — 1690) trat sein Amt im Juni 1663 an und
verwaltete es bis zum 16. Dezember 1690, an welchem Tage er starb4.
Er scheint im Geiste Breuers die Verwaltung geführt zu haben.
Pfarrhaus und Kirche wurden wesentlich verschönert, in der Kirche neue
Bänke aus freiwilligen Gaben beschafft; er selbst vermachte aus seiner
„wenigen Hinterlassenschaft" der Kirche testamentarisch 100 rthlr. zu
einem Anniversarium.
Er war besonders befreundet mit dem schriftstellerisch bekannten
Arzte Blondel, welcher das Aachener Thermalwasser als heilwirkendes
Getränk in die ärztliche Praxis eingeführt hat. Er schrieb zu der latei-
') Urkundliche Aufzeichnungen im Pfarrarchiv.
~) Vgl. über ihn Wacker a. a. 0. S. 148 ff.
'■'■) Ans einem alten Kirchenbuch zu Brauweiler.
4) Gemäss einem Anniversarienhuche, welches er 1672 selbst angelegt hat. Cod. II,
2 im Pfarrarchiv \<>ii St. Peter.
35 —
nischen Ausgabe des betreffenden Werkes von Blonde] von 1688 als Zeichen
seiner Freundschaft einige Disticha und ein Chronicon, welche hier folgen
mögen :
Nobili et Expertissimo Viro Domino
I). Francisco Blondel
Ärchiatro et Aquarum Mineralium Aquisgranensium
Vindici solertissimo etc.
Non satis ille sapit Medicus, sed ab arte recedit,
Qui Medicos fontes, omnibus esse volet:
Nee minus a solida hune, dico ratione vagantem,
Nulli qui medicas, esse uegabit aquas:
'Qui bene (consilio Medici) thermalibus undis,
Utitur, inflrmis proficit usus aquae:
Haec etenim tot i sententia cognita mundo est;
Quod sanus, Medici, nee Medicae artis, eget;
usus servetur, tollatur abusus aquarum:
Usus si malus est, optima quaeque nocent.
Ut bene vel fotu vel eures corpora potu;
Optima Blondelii, regula Pandit iter.
amicitiae ergo posuit
Michael Born pastor S. Petri Aquisgrani, ac senior Venerabilis
Iudicii Synodalis assessor.
Chronicon.
noVYs therMaLIs aqVae VsVs, VInDICatVs.
13. Christian Blees (1691- -1692), canonicus regularis ordinis s.
Augustini Congregationis Windesimensis aus dem Kloster von Werdt
(warscheinlich von Werden?), wurde durch den Erzpriester Fibus zum
Pastor von St. Peter im .(. 1691 ernannt, aber diese Ernennung als rechts-
widrig von den Kirclienvorsteliern und Pfarrgenossen bestritten, da er eine
Ordensperson sei. Derselbe musste gemäss Sentenz der sacra rota Romana,
ergangen am 14. Januar 1692, weichen, und statt seiner wurde denominirt
und „mit guten contractu" den sämmtlichen Pfarrgenossen vorgestellt:
14. Johannes Henricus Scholl(1692 — 1724). „pastor bene meritus, licen-
tiatus s. theologiae" \ Die gegen Scholls Ernennung durch Christian Blees
erhobene Appellationsklage wurde ersl endgültig erledigl durch römische
Sentenz vom 29. Januar 1694. Dieser Henricus Scholl isl ein ebenso
thatkräftiger als einsichtiger Pastor gewesen. Er nahm zunächst eine
durchgreifende Erneuerung ilw Thurmspitze vor, dann wurde für die innere
Ausschmückung der Kirche gesorgt, und endlich fand er Muth und Mittel,
die für die Pfarre zu klein gewordene und baufällige Kirche durch den
Neubau der jetzigen zu ersetzen. Dass Schlussblatt des im J. L 700 ange-
legten Rechnungsbuches (('^1 I, 4) sagl von ihm: „Es ist hiebei gedenk-
würdig, dass indeme man L707 auswendig der Kirch bemühet und das
M Nach einem alten Rechnungsbucb im Pfarrarchiv von St. Peter, Cod. I. 2.
— 36 —
Dachwerk am Thurm ganz renovirt, hat der Ehrw. Herr Pastor Hinricus
Scholl mit seinem Fleiss auch nit ermangelt und hat das Haus G-ottes ein-
wendig mit die köstlichste Monstranz geziert, welche hat in Gewicht 11
Pfundt und 14 Lotli. Hiebei ist aus der Kirchen sieben Pfundt Silber bei-
geschossen, die übrigen vier Pfundt, welche seind beigelegt, wie auch den
Machlohn, welcher accordirt bei Hr. Eüttgers vor 1200 Acher Gulden
(= 100 Thlr.) seind ohne den geringsten Schaden der Kirchen von dem
Ehrw. Hr. Pastor versorget; dangestalten der ein und ander guter freundt
der Pfarrgenossen hierzu verehret, aber an ein so köstlich Werk nit hat
können klecken, hat vorgemelter Herr Pastor was hiran gefeit aus seinen
eigen Mittelen aus Liebe, so er gegen das Gottes Haus getragen, gar
williglich und gern verehret." Diese Sonnen-Monstranz ist in ihrer Art
ein wahres Prachtstück der Goldschmiedekunst und heute noch im Besitze
der Kirche. Gleicher Weise liess Pastor Scholl, wahrscheinlich auch von
demselben Künstler einen prächtigen Kelch in getriebener Arbeit für die
Kirche anfertigen, sowie ein kleines Ciborium, welches zugleich zu Verseh-
gängen benutzt werden konnte. Der Kelch ist 2 Pfund 1 Loth schwer,
das Ciborium wiegt 1 Pfund 2 Loth. Von demselben Pfarrer wurde im J. 1722
der Kirche eine grosse silbervergoldete Schüssel (22 Loth schwer) geschenkt,
um die Messkännchen darauf zu stellen; die Inschrift derselben lautet:
„D. 0. M.: B. M.V. et Patronis Henricus Scholl, s. Petri Pastor, dicabat 1722".
Um die zum noth wendigen Neubau der Kirche erforderlichen Mittel
zu beschaffen, erfand der muthige Pfarrer Scholl den Plan einer grossen
Lotterie von 50000 Thlr. in 25 000 Loosen, wozu der Stadt-Magistrat die
Erlaubniss ertheilte. Von dem Ertrag sollten 10°/0 zum Kirchenbau dienen;
und am 13. Juni 1714 konnte mit dem Baumeister Laurenz Mifferdatis
der Kontrakt zum Abbruch der alten und zum Bau der neuen Kirche
abgeschlossen werden. Ob Mifferdatis, dessen Name auf italienischen
Ursprung zurückzuweisen scheint, bloss den Bau der Kirche ausgeführt,
oder auch den Plan dazu entworfen hat, ist aus den Akten nicht ersicht-
lich; jedoch ist letzteres nicht unwahrscheinlich, da der Neubau ganz
offenbar Anklänge an italienische Stilart an sich trägt, namentlich die mit
der Kirche zugleich entstandenen Altäre, welche sammt den dazu gehörigen
Figuren in Marmorstuck ausgeführt sind.
Im J. 1717 war der Bau vollendet, wie ein Chronicon im Gewölbe des
Chors nachweist: „TabernaCVLa Del MoLIUntVr".
Scholl hat offenbar das möglichst Beste zur Ehre Gottes in seinem
Baue schaffen wollen. Er trug sich mit dem Gedanken, über der Vierung
des Transeptes eine Kuppel zu errichten, und er würde die Kirche wenig-
stens um ein Feld länger gebaut haben, wenn nicht Kaum und Geld gefehlt
hätten. Statt der Kuppel wurde die Vierung mit einer glatten Holzdecke
geschlossen und mit einem grossen Gemälde geschmückt1.
Seinem Bedauern über die Hindernisse, welche seinen weiter gehenden
Plänen entgegen gewesen waren, gab er Ausdruck in einigen interessanten
i Vgl. s. Planker, Mittheilungen des Ver. f. K. d. Aach. Vorzeit I, S. 112 ff.
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Hexametern, die bis zu Anfang dieses Jahrhunderts über dem Eingang zum
Thurm zu lesen waren :
Tres qui scribebal solidos dum coepit habebat,
Henricus templi fautor, promotor et auctor
Longius ivisset, ni sors inimiea fuisset
Jussa per osores sacros tardare labores.
Die feierliehe Konsekration der Kirche konnte erst unter seinem
Nachfolger am 9. October 1729 durch den Weihbischof von Lüttich Joh.
Bapt. Gillis, episcopus Amyzonensis. vollzogen werden.
Scholl starb im September 1724. Sein Porträt, gut gemalt, wird im
Pfarrhause von St. Peter aufbewahrt und verräth ganz den intelligenten
und energischen Mann, wie er sich in seiner Amtsführung bewährt hat.
Als Wappen führte er zwei übereinanderliegende Fische (Schollen), womit
auch die von ihm herrührenden hh. Gefässe geziert sind.
15. Leonard Jennes (1724 — 1725 bezw. 1727). Nach dem Tode Scholls
wiederholte sich der Streit um die Besetzung der Pfarre, indem der Erzpriester
den Leonard Jennes ernannte, der h. Stuhl dagegen im J. 1725 Bernardin
Heyden für die erledigte Pfarrstelle bezeichnete. Auch dieser Zwiespalt
wurde erst nach zweijährigem Prozess verfahren durch letzte Entscheidung
der s. rota vom 9. Mai 1727 endgiltig beigelegt.
16. Bernhardin Heyden (1725 bezw. 1727—1731). Jm J. 1726
Hess er in seinem 40. Lebensjahre sein Bildniss mit dem Ernennungsbrief
in der Hand anfertigen; dieser Brief trägt die Aufschrift: „Provisiu
Apostolica ob mensem reservatum et neglectum concursum." Seinen Kopf
deckt nach damaliger Zeit eine stark gepuderte Perücke. Dies Bild
befindet sich gleichfalls im Pfarrhause. Das darauf beigefügte Wappen
zeigt im ersten Felde ein Kreuz, im zweiten einen Stern, im dritten einen
Mohrenkopf und im vierten endlich einen Adler. Unter seiner Amtsführung
wurde die Kirche am 9. Oktober 172'.» durch Joh. Baptist Gillis, Weih-
bischof von Lüttich, konsekriert. »s.iiiu^s folgt.)
Zur Erklärung des Namens Marschierstrasse,
Von K. Wieth.
Drei Deutungen {k^ Namens Marschierstrasse, Marschierthor und
.Marschiersteinweg sind in Umlauf. Seit das Kloster Marienthal in der
Franzstrasse, der vormaligen Grossen Marschierstrasse, in eine Kaserne
umgewandelt ist, bringt das Volk den Namen derselben mit dem Marschiren
der Soldaten in Verbindung und sagt, weil die Soldaten dort marschirten,
nenne man die Strasse Marschierstrasse. Es wird dabei angenommen,
dass auch in frühein Zeiten, als die Strasse schon jenen Namen führte,
vielleicht die Bürgerschaft der Stadt daselbst ihre kriegerischen Uebungen
abgehalten habe. Durch geschichtliche Zeugnisse ist diese Ableitung in
keiner Weise zu stützen, daher hinfällig.
Wichtiger und vun vielen geschulten Freunden der Ortsgeschichte
— 38 —
auch heilte noch festgehalten, ist die Zurückführung jenes Strassennamens
auf die französische Stadt Mezieres, an der Maas unweit der belgischen
Grenze gelegen. Laurent spricht sich darüber folgenderniassen aus: „Das
Burtscheider Thor wird (wahrscheinlich nach der Stadt Mezieres in Frank-
reich) auf einem alten Stadtplan aus dem J. 1576 Miesirs-portz bezeichnet,
Noppins spricht von Meschir-Grafschaft ; die Strasse hiess Meschir-Strasse,
daraus machte sich das Volk Maschestross, was man heut (wohl um dem
Hochdeutschen gerecht zu werden?) in Marschierstrasse veredelt hat"1.
Gemeint ist der Plan von Henrich van Steenwyck. Derselbe hat allen
späteren von der Stadt aufgenommenen Plänen zu Grunde gelegen, und
auch die einzelnen Ortsbezeichnungen sind aus diesem Grundplan in die
Nachbildungen fast unverändert übergegangen. Er bildet demnach die
einzige Quelle, auf welche sich die von Laurent angeführte Deutung stützt.
In lautlicher Beziehung dürfte sich gegen diese Ableitung auch kaum
etwas einwenden lassen. Nur das der Zeichner des angezogenen Planes,
wahrscheinlich ein Niederländer, stark verdächtig erscheint, der Aachener
Mundart nicht mächtig gewesen zu sein und seine Bezeichnungen fehlerhaft
niedergeschrieben zu haben. Wenigstens zeigen keine gleichzeitigen Denk-
mäler die Schreibung Coelder-, Eoors-, Miesiers-, Bogharts-poortz 2. Man
sagt nun, wie es in Aachen eine uralte Kölnstrasse und eine Trichtergasse
gebe, welche in der Richtung von Köln und Mastricht (Mosae Traiectum)
liefen, so habe auch die Marschierstrasse ihren Namen davon erhalten,
dass sie in ihrer Verlängerung nach der Stadt Mezieres führte. Es stand
aber Aachen in einem ununterbrochen regen Verkehr mit Köln und Mastricht,
dagegen ist eine irgendwie erhebliche Verbindung mit Mezieres in keiner
Hinsicht nachzuweisen, abgesehen davon, dass letztere Stadt im Vergleich
zu jenen mehr als durch die doppelte, bezw. vierfache Entfernung von
Aachen getrennt ist.
Schwerer noch als diese Erwägungen fällt in die Wagschale, was
die geschriebenen Denkmäler Aachens uns darbieten. In den Urkunden
der letzten sechs Jahrhunderte wird unsere Strasse und die dazu
gehörigen Thore nicht selten genannt, um so öfter, je jünger die Quellen
sind, anfangs in lateinischer, später immer allgemeiner in deutscher Sprache.
Alle diese Bezeichnungen stellen eine innerlich zusammenhängende Ent-
wicklungsreihe dar und zeigen die allmähliche Umwandlung eines einzigen
Grundwortes im Munde des Volkes, und dieses Wort führt nicht auf die
Stadt Mezieres, sondern auf das benachbarte Burtscheid, lateinisch Porcetum.
auch Porchetum (ch=sch) genannt.
Das älteste Denkmal, in welchem meines Wissens unsere Strasse
aufgeführt wird, ist das von Quix herausgegebene Necrologium B. M. V.
Aquensis nebst angehängtem liber censuum eiusdem ecclesiae. Es endet
mit dem J. 1320, geht aber hoch in die frühern "Jahrhunderte zurück.
Daselbst findet sich: platea in purzen (i. e. porzetensi), de domo quadam
*) Aachener Stadtrechnungen aus dem 14. Jahrh., S. 22.
-) Vgl. Rhu eil, aus Aachens Vorzeit II, S. 7 ff.
• — 39 —
in porcetensi platea, domum cum orto in porcetensi via, de area in porche-
tensi platea, in platea porzel (wohl porzetensi); Adam, qni dedit domum
in porcetensi via, de domo in porcetensi platea, in platea porcetensi extra
muros, census in platea porcetensi, infra portam porticensem (wohl porci-
tensem) und in claustro porcitensi1.
Die Schenkungsurkunde der Eheleute Jonatas und Eildegunde an
die S. Salvatorskirche . . . vom J. 1215 verfügt zweimal über je ein
Haus mit Garten „in platea porcetensi extra murum sitam", über 12 Denare
und drei Kapaune „de hereditate, que sita est extra portam porcetensem
in loco, ojii dicitur Schouemunt", endlich über einen Garten „iacentem
extra portam porcetensem iuxta fossatum" 2.
Ein Aachener Bürger Konrad, Sohn Heinrichs zubenannt des Schwarzen,
vermacht im J. 1292 dem S. A.dalbertsstift unter anderm „inter portam
porcetensem et acutam portam super fossatis de fundo et domo ibidem 8
solidos 4 denariis minus"3.
Nach einer Urkunde vom 4. April 1350 kaufte das Marienstift das
Eckhaus „ex opposito eimiterii ecclesie beate Marie supra Conum platee
purchetensis". (Gegenüber dem Kirchhof des Münsters an der Ecke der
Marschierstrasse)4.
In den Stadtrechnungen des 14. Jahrhunderts wird wiederholt unserer
Strasse und der dazu gehörigen Thore Erwähnung gethan: De reparatione
porte Porchetensis inferioris 4*/a ni., de ripa in platea Porchetensi tegenda,
de Porcheto, zu Burschit, den van Porschierstrasse, zu den steynwege zu
helpen in Porschierstrase, deine rechter bynnen Porschierportz syn huys
ewenich zu erfaselen intl stuppen .V,., m., Winkin in Borschierstrasse van
den schaff up der nuwer schriverkameren 12 in., in Borschierstraisse 5.
In dm Aachener Rechtsdenkmälern wird zum J. 1338 eine „grayfschaf
van Burschiderporze" und zu dem J. 1395/99 eine „Portschierporze"
aufgeführt6.
Eine im Aachener Stadtarchiv aufbewahrte Urkunde vom J. 1435
handelt über die Gründung der „Capellae et hospitalis ad s. Jacobum
minorem in platea Portzetensi" 7.
Zum J. 1422 kommt in einer städtischen Einnahme-Rechnung vor
„an portzschirportz" ; aus derselben Zeil steht in dem Bruchstück einer
Baurechnung „ynburtschiedersstrois". Die „Bortscherderportze" ist 1437/38
in einem Verzeichniss von der Stadl gemachter Anleihen, die „uisserste
Burtschieder portze" in einer Urkunde von L467 erwähnt".
'i Quix, Necrologium ecel. B. M. V. Aquensis p. t, 9, L7, 23, 15, 51,61, 74, 75,78.
i Quix, die Königl. Kapelle und das ehemal. adelige Nonnenkloster auf d. Sal-
vators-Berge S. 86 ff. l'rk. 7.
::) Quix, Codex dipl. Aquensis II qo. 243, p. 164.
') Quix, a. a. 0. II qo. 354, p. 2
i Laurent, Aachener Stadtrechnungen aus dem L 4. Jahrhundert S. 127,89, 125,84,
243,28, 273,88, 319m, 317,89, 310, .. 386,8S and an vielen andern Stellen.
,;i Loersch, Aachener Etechtsdenkmäler S. 57, 189.
i Quix, das ehem. Spital zum hl. Jakob S. 18.
si Zeitschr. des Audi. Geschichtsvereins VIII, S. 233, ao. 19.
— 40 —
Sehr wichtig- ist eine im Archiv der S. Jakobspfarre befindliche
Urkunde aus dem J. 1442, die von einem Hause handelt „alreneist des
vaitz huyse van Burtscheit in Burtschierstrasse". Auf der Rückseite hat
ein Schreiber aus dem Ende des 16. Jahrhunderts die Bemerkung- gemacht:
„der gelisch d. eynner marck uff Semmenraedt huss inn Morscheterstras" 1.
Ein Kaufvertrag vom 19. Januar 1544 handelt über zwei Häuser,
gelegen in der „Burtscheder oder Burscheder Straissen" 2.
Des „Scheffenstuhls Klein geleit-protocoll ex anno 1583 bis im Jahr
1640" führt unsere Strasse in mannigfachen Abänderungen an: Bescheder-
strays, Bortscheiderstr., Marscherenstr., Buirtschederstr., Burtschederstr.,
Buirtscheder mittelpfortz, Burtschirderstr., Burtschierderstr., Marschierstr 3.
Ein Registrum mortuorum der S. Peterspfarre d. a. 1622 — 1687
verzeichnet mehrfach eine „Marschier Mittelpfortz" 4.
Bemerkenswert sind auch die wiederholten Erwähnungen bei Noppius ;
er schreibt: „Der Marienthal auf Latein vallis Mariae in Bortschirder Strass
gelegen ist gebawet Anno 1470 ... Es ist diss Klösterlein (der Klarissen)
gelegen in Bortschirder Strass . . . und ist diss Kloster (St. Leonhard)
gelegen in Bortschirder Strass schier bey der äussersten Pforten. ..."
Weiter heisstes: „Zehen Pforten, mit Nahmen: . . . Bortschierder Mittel-
pfort. . . . Die äusserste Stadt hat eilff Pforten . . . mit Nahmen. . . .
Bortschierder Pfort, so an Gewölben die allerstärkste". Unter den neun
Grafschaften, welche er anführt, befindet sich auch die „Meschir- oder
Bortschirder Graffschafft" 5.
Endlich seien noch verzeichnet „Borterstrass zum J. 1661 und
Burtscheiderstrasse zum J. 1681" 6. Vom 18. Jahrhundert an überwiegen
allmählich die mit m anlautenden Formen Meschir-, Marschier-Mosche-
Strasse, während die mit b und p anfangenden schliesslich ganz verschwinden.
Alle dieseBelege, welche sich noch leicht vermehren Hessen, zeigen uns die
innern Lautgesetzen streng folgende Abänderungsreihe eines einzigen Wortes :
Porcetensis, Porchetensis, (via, platea, porta). Porcheter-, Porscheter-,
Burtschierder-, Burtscheder-, Morscheter-, Marscheren-Strasse. — Porscheer-,
Porschier-, Borschier-, Marschier-, Maschier-, Meschir-, Maschestross.
In diesen Rahmen würde sich auch die von Henrich van Steenwyck
gebrauchte Bezeichnung Miesierspoortz unschwer einfügen lassen, wenn
man annehmen könnte, dass das s im Inlaut wie seh ausgesprochen wurde.
In solchem Falle müsste man aber die Schreibung mit ss voraussetzen,
welche nicht selten den Laut seh vertritt, wie z. B. Monssauwen für
Monjauwen = Montjoi, wo j wie weiches seh lautet7.
') D res em an n, die Jakobskirche zu Aachen 8. 89.
-') Quix, Gesch. d. Karmeliten-Klosters 8. 115 Nr. 1").
3) Papierhandschrift im Stadtarchiv zu Aachen.
*) Im Besitz des Herrn Gymnasiallehrer Fr. Oppenhoff in Aachen.
5) Aacher Chronik Th. I, S. 97 tf., S. lä, 127.
6) Dresemann a. a. (>. S. 72.
7) Zeitsehr. des Aach. Gescliiclitsvereins VIII, S. 220, Aum. 2.
— 41 —
Schwierigkeiten bei der aufgezählten Folge von Uebergängen scheint
auf den ersten Blick der Anlaut und die Betonung zu bieten. Denn weder
der Wechsel der Vokale o, n, a, e, i in der ersten Silbe, noch auch die
Zusammenziehung der letzten beiden Silben in ier, er, kann bei dem häu-
figen Vorkommen dieses sprachlichen Vorganges irgendwie Bedenken erregen.
Alier auch die Wandlung von p, b in m und umgekehrt ist, wenn sie auch
nicht allzuhäufig vorkommt, den Gesetzen der Lautlehre keineswegs wider-
sprechend. „Es darf nicht bezweifelt werden, dass m . . . wirklich nichts
anderes sind, als genäselte b, p . . . Man halte sich die Nase mit den
Fingern zu und suche m, n, ng zu sprechen; man wird unfehlbar b, d, g,
bezw. p, t, k erhalten, allerdings .... von den in der Sprache vorkommen-
den darin verschieden, dass der Verschluss der Nase nicht an den innern,
sondern in der Nähe der äussern Nasenlöcher stattfindet, und die, wie wir
hinzusetzen wollen, etwas tieferen Klang haben. Umgekehrt: richtet man
sich zur Aussprache b . . . ein, so kommen, wenn man das Gaumensegel
von der Eachenwand vor Lösung des Verschlusses abzieht, m . . . heraus ....
Leute mit verstopften Nasengängen verwandeln alle m, n, ng in b, p, d t,
Aelmlich spricht sich auch Zupitza über denselben Vorgang im Eng-
lischen aus und weist insbesondere auf Dickens Schriftstellernamen hin,
dessen Ursprung vom Verfasser selbst folgendermassen erzählt wird: „Boz
war der Beiname eines kleinen Kindes, eines jüngeren Bruders, den ich zu
Ehren des Vikar of Wakefield als Moses zum Ritter geschlagen hatte.
Wenn dies spasshaft mit geschlossener Nase gesprochen wurde, wurde es
Böses und verkürzt Bozu -.
Eine natürliche Veranlassung, ein b in m übergehen zu lassen, tritt
da ein, wo dem b der Nasenlaut m oder n zur Seite steht. Dann findet
eine Angleichung beider Laute derart statt, dass m 4- b = mm = m,
n -f- b=m b = mm = m werden, also : Mombartz = Mommartz, Brombeere =
Bromel, Weinbeere =Wimel, Karbonade = Karmenade. Eierher gehört wohl
auch, was Gymnasialdirektor Dr. Pohl über die rheinischen Ortsnamen auf
-mich äussert, dass nämlich diese Endung meist Korruption aus bach
sei, wie bei Falkemich aus Falkenbach3. A.ber auch ohne die Nachbarschaft
eines Nasenlautes tritt in einigen Worten Wechsel von b zu ra ein. im Anlaut
freilich äusserst selten, öfters schon im Inlaute:
Beschutt (biscuit) heisst im Mecklenburgischen Rfeschutteche4. Das
griechische brotos (sterblich) wird lateinisch mortuus. In den Stadt-
rechnungen des 11. Jahrhunderts kommt der Frauenname Jakomine
statt Jakobine vor'. Müller -Weitz, Die Aachener Mundart, fuhren
an: beschuppe = beschummelle, nibbele = oimele, Rubbelspott = Romels-
pott (eine Art Waldteufel). Alt französisch soubresault = suprasaltus =
') Trautmann M., Die Sprachlaute ... Li>zg. 1884—80, s. \n.
-) (iefällige Mittheilung dos Herrn Dr. 10. Teichmann zu Aachen.
;i Vgl. Marjan, Programm dei Realschule erst Ordn. zu Aachen ism>, s. is, Aum.
4) Gefällige Mittheilung des Herrn Prof. A.ndresen in Bonn.
I A. :,. 0. S. IN.
— 42 —
somersaull = somersel (Purzelbaum) '. Für den Uebergang von m zu
b zeugen Molbet aus Manuele (Spielstein der Kinder), Blothes für
M'lothes = Melatenhaus an der Strasse nach Gängelt-. In der Koblenzer
Mundart sagt man Baul, Bäulche für Maul, Mäulche = Kuss, Küsschen.
(„Gef dem Här e Bäulesche! und „Butterbaules")3. Die Präposition „mit"
lautet „bitft in vielen Sprachdenkmälern des Mittelalters längst des ganzen
Rheines bis nach Oberdeutschland hinauf1.
Was endlich den Einwurf gegen die undeutsche Betonung der zAveiten
statt der ersten Silbe in Marschierstrasse anlangt, so trifft derselbe gerade
so sehr die Ableitung des Strassennamens von Mezieres wie von Porcetum.
Allerdings haben die meisten romanischen Ortsnamen in der deutschen
Sprache ihre Betonung eingebüsst, und ist der Ton auf die erste Silbe
gerückt, aber es gilt dies nicht ohne Ausnahmen5. So ist auch in unserm
Falle bei der Bildung des Eigenschaftswortes Porcheter - Porscheter -
Borschier-Strasse die ursprüngliche Betonung beibehalten worden, während
bei der Umwandlung von Porcetum zu Burtscheid der Ton allmählich auf
die erste Silbe vorrückte, wahrscheinlich unter Einiiuss deutscher Orts-
namenbildungen auf — scheid, wie Kuhscheid, Vorscheid, Kohlscheid u. dgl 6.
Auf Grund dieser durch urkundliche Zeugnisse gestützten Erwägungen
wird man wohl die Herleitung unseres Strassennamens von der Stadt
Mezieres zurückweisen müssen, da dieselbe sich nur auf die einmalige,
dabei aber orthographisch verderbte Bezeichnung Miesierspoortz gründet
und durch sonstige geschichtliche Beziehungen zwischen beiden Städten
nicht gestärkt wird. Dagegen wird die Ableitung der Marschierstrasse
und des gleichnamigen Thores von der Stadt Burtscheid bezw. deren
lateinischer Benennung Porcetum unzweideutig festgestellt. Und in der
That ist dies nur natürlich, ja es wäre zu verwundern, wenn die Ver-
bindungsstrasse zwischen Aachen und Burtscheid, einem ( )rte, der seit uralter
Zeit eng mit der Kaiserstadt verbunden, durch seine Abtei und seine
berühmten Heilquellen allen Vororten Aachens an Bedeutung weit über-
legen war, der in Freud und Leid immer mit der mächtigen Nachbarstadt
zusammenstand, wenn jene Strasse nicht nach diesem Orte benannt wäre,
sondern nach einem andern von sehr massiger Bedeutung, aber um so
grösserer Entfernung, dessen geschichtliche Beziehungen zu Aachen die
denkbar geringsten waren.
*) Gefällige Mittheilung des Herrn Dr. E. Teiehmann zu Aachen.
2) Weitz, Klänge der Heimath I, S. 110.
■') Wegeier, Coblenz in seiner Mundart, S. 7.
4j Weinhold, Mittelhochdeutsche Grammatik, Paderborn L877, S. 128 ff.
5) Marjan, Rheinische Ortsnamen 4. Heft. Aachen 1884, S. II.
8) Ebendas., Kritische und Lateinische Ortsnamen in. der Rheinprovinz 3. TheiL
Aachen 1882, S. 12 ff.
— 43 -
Kleinere Mittheilungen.
1. Die Rethelschen Fresken im Rathhaussaale zu Aachen.
Wie Cornelius, so hat auch sein Schiller Alfred Rethel die Meister der italienischen
Renaissance zum Gegenstand eingehenden Studiums gemacht. l>ies beweisen die 1841
hei der Preishewerbnng um die Ausmalung des Aachener Rathhaussaales angefertigten
und gekrönten Entwürfe aus der Geschichte Karls des Grossen, welche endlich nach
längeren Störungen 1847 — 49 zum Theil vom Meister selbst im Karton und in Fresko aus-
geführt wurden. Dass auch die Studienreise, welche Rethel 1844— 4f> nach Italien macht'',
um sich auf die Ausführung jener Entwürfe vorzubereiten, nichl ohne Einfluss auf die
Komposition und Ausführung der Bilder gehlieben, ist um so wahrscheinlicher, als der
Meister vor Ausführung eines so hochbedeutenden monumentalen Werkes die Vatikanischen
Wandgemälde Raphaels zum grossen Vortheil für seine künstlerische Entwickelung zu
studiren Gelegenheit hatte. Ohne einer eingehenden und erschöpfenden Darstellung dieses
italienischen Einflusses auf Rethels Entwürfe vorgreifen zu wollen, möchte ich nur kurz
die Hauptpunkte zusammenstellen, in welchen sich der Einfluss der italienischen Meister-
werke auf unsern grossen Aachener Künstler geäussert hat. Zunächst ist es die archäolo-
gische Strenge und Genauigkeit in der Architektur und der Gewandung der Figuren, die
er am besten in Rom und zwar an den Raphaelschen Stanzenbildern studiren konnte;
ganz besonders ist es in den Rethelschen Bildern die strengklassische einfache und würde-
volle Gewandung mit ihrem grossartigen Faltenwurf, die an Vatikanische Vorbilder erinnert.
Doch wird man hierbei im Einzelnen wohl schwerlich den Einfluss der Raphaelschen
Stanzeiibilder nachweisen können. Eher gelingt dies in einigen Figuren und Gruppen, die
jenen offenbar entlehnt sind. Ich meine die zwei auf Zeltern heranreitenden Kardinäle,
welche auf dem Bilde „die Erbauung des Aachener Münsters" die vom Papst geschenkten
Säulen und Marmorstücke überbringen. Diese sind nämlich dem Stanzenbild „Attila"
entlehnt, mir der Abweichung, dass Rethel einen der Kardinäle mit der Gebärde des
Segnens zeichnet, welche er von der Figur des Papstes in jenem Bilde entnahm. Ferner
erinnert auf dem Bilde „der Einzug Karls in Pavia" der alte Krieger links, der mir
schmerzerfülltem Blick die Leiche eines Gefallenen mit Hülfe eines Genossen aufbellt, an
die ähnliche Gruppe links auf dem grossen Bilde der Konstantin schlacht, wo ebenfalls ein
alter Krieger sich bemüht, die Leiche eines gefallenen Jünglings aufzuheben. Endlich
scheint auch der Krieger auf dem Rethelschen Bilde der „Krönung Karls in Rom", welcher
mit lebhafter Gebärde sieh zur Krönungsgruppe binbewegt and auf den Vorgang hindeutet,
sein Vorbild in dem Bilde .Attila'', und zwar in dem Krieger in der Mitte zu haben,
der als Wegweiser dem Zuge des Hunnenkönigs voranschreitet und diesem das Nahen des
Papstes anzeigt. Weiter zeigt sich die Beeinflussung Rethels durch die Raphaelschen Stanzen
in der Oekonomie, mit weh-her der Aachener Meister den für die Gemälde angewieseneu
Raum ausfüllt, und in der Geschicklichkeit, mit welcher er die durch den Raum ver-
ursachten Schwierigkeiten überwindet. Die Wand, auf welcher die Krönung Ludwigs des
Frommen angebracht weiden sollte, war von einer Thür durchbrochen, deren oberer Theil
noch in die Bildfläche hineinreichte. Hiermit musste die Komposition rechnen, und Rethel
hat, indem er die Szene auf einer erhöhten Tribüne vor sich gehen lässt, auf deren
stufen zu beiden Seiten die Grossen des Reiches als knieende Zuschauer gruppiert sind,
die Schwierigkeit, welche ihm die Wand bot, in ähnlicher Weise durch geschickte Kompo-
sition gelöst, wie es Raphael in den Vatikanischen Bildern ..der Parnass", „die Befreiung
l'etri" und „die Messe von Bolsena" thut. Es isl demnach mindestens wahrscheinlich,
dass der Aachener Künstler diesen originellen Gedanken dem grossen Italiener abgelauscht
hat. Auch die Taufe Widukinds zeigt in der Komposition Aehnlichkeit mit jenen Stanzenbildern,
insofern auch hier die Szene auf einer Tribüne sich abspielt, zu welcher man auf stufen
hinaufsteigt, die von Ministranten und Zuschauem besetzt sind. Endlich isl es die malerische
Lichtwirkung in dem Hilde „Auffindung der Leiche Karls durch Otto III", welche lebhaft an
das Raphaelsche Stöanzenbild „die Befreiung l'etri- erinnert. Wie hier der Widerstreit
der verschiedenen Lichtquellen, des vom Engel ausgehenden Glanzes, der Fackel des Kriegers
— • 44 —
und des Mondlichtes der Scene einen wunderbaren äussern Eindruck verleiht, so bat Rethel
es verstanden, durch geschickte Nachahmung des Urbinaten in dem Bilde der „Auffindung
der Leiche Karls" durch den Gegensatz des Fackellichts und des durch die gebrochene
Oeffnung in die Gruft eindringenden Tageslichtes den Eindruck des Gebeimnissvollen
und Erhabenen zu steigern. Auch das von der Abendröthe erhellte Halbdunkel auf dem
freilich von Kehren ausgeführten Bilde „der Bau des Aachener Münsters" scheint sein
Vorbild in dem „Burgbrand" Raphaels zu haben. Doch ist Rethel an dieser Lichtwirkung
schwerlich schuld. Durch diesen Nachweis der Abhängigkeit eines grossen Künstlers
von einem noch grösseren ist natürlich das Verdienst und der Ruhm des jüngeren
Meisters nicht im Geringsten beeinträchtigt, wie denn überhaupt diese Zeilen nur den
Zweck haben, das Entstehen eines grossen Kunstwerkes nach einer Seite hin zu beleuchten.
Aachen. A. Curtius.
2. Heinrich Copzoo.
Das Aachener Stadtarchiv bewahrt eine in Handzeichnung sehr sorgfältig ausgeführte
Karte des Aachener Reichs, welche laut ihrer Aufschrift im Jahre 1777 von Heinrich
Copzoo angefertigt wurde, lieber diesen sonst unbekannten Mann geben die Rathsproto-
kolle der Stadt Aachen aus dem letzten Viertel des vorigen Jahrhunderts einige Nach-
richten, die ich hier mittheilen will. Am 14. November 1777 beschloss der Kleine Rath:
„Der supplicans Henrich Copzoo wird auf Verlesung deßen unterdienstlichen bittschrift
auf dem vom löblichen magistrat selbst nun bearbeitenden callmey- und andere sonstige
magistrats-bergwerken nicht allein, sondern weilen derselb in anderen vorfallenheiten
nutzliche diensten praestiren mag, auch zum stadt-bau aufseher auf- und angenohmen,
demselben auch ein jährlich gehalt von 100 rthlr. und zwarn quartaliter 25 rthlr. dafür
angewiesen, worzu dan die sonst dem Henrichen Schiffgens für Aviegung des callmey von
der rentcammer per centner validirte, aber von nun an hierdurch eingezogene 3 bauscheu
verwendet werden können, dan hat ein ehrbarer rath über deßen eigentliche und zufallige
Verrichtungen ein verhaltungs-reglement und ayd abzufaßen vorbehalten." Ein Raths-
protokoll vom 7. Februar 1794 meldet sodann: „Auf vertrag herren burgermeisteren hat
der hohe rath das durch absterben des herrn Kohl vacirende bauinspectors-amt seinem
bergwerks-inspectorn herrn Cupso in rucksicht deßen bisheriger treuen und mit geschick-
lichkeit bewiesenen diensten lebenslänglich mit einhelliger stimme dergestalt verliehen,
dass derselbe solches bauinspectors-amt zugleich mit seinem bergwerks-aufsehers-amt ver-
binden und zugleich versehen, sich aber für beyde mit dem dem bauinspectors-amt ankle-
bigen gehalt und emolumeuten allein und ohne weiteres begnügen solle." Dieser Beschluss
wurde in der Sitzung des Raths vom 14. Februar des nämlichen Jahres „dahin abgeändert*
dass Copzoo nicht die 2Ü0 rthlr., so durch tod des herrn Kohl vaciret, allein, sondern
dabenebst sein voriges gehalt auch beybchalten solle". An demselben Tage „approbirte
ein ehrbarer rath den von Copzoo gemachten und einem ehrbaren rath präsentirten und
vorgezeigten plan über den Luttiger weg und beorderte selben unverweilt vorzunehmen
und zu vollstrecken". Näheres über diesen Plan und seine Ausführung ist aus den Raths-
protokollen nicht ersichtlich.
Aachen. B. Pick.
3. Eine Bescheinigung
des Vorstands der Aachener Bäckerzimft 1647.
Bekanntlich hatten die ursprünglich Gaffeln genannten Zünfte in der Reichsstadt
Aachen eine ganz bedeutende Stellung und lag die gewerbliche Thätigkeit vorwiegend in
ihren Händen. Während bei Entstehung des Gaffelbriefs von 1450 nur elf Zünfte bestanden,
war bereits zu Noppius' Zeiten die Zahl um einige gestiegen. Ende des vorigen Jahr-
• 45 —
hunderts zählte man mit den sog. Splissen oder ünterabtheilungen 27 Zünfte1, die sich
mit ihren „Gräven" genannten Vorstehern jährlich am 23. Juni versammelten. Durch
Dekret vom 26. März 1798 wurden die Zünfte aufgehoben.
Für die Kultur-, Rechts- und Familiengeschichte unserer allen Kaiserstadt würde
eine detaillirte Darstellung der Entwicklung und Wirksamkeit des Aachener Zunftwesens
von ungemeinem 'Werth sein. Allein die Möglichkeit einer solchen Arbeit scheint dadurch
arg geschmälert, dass im grossen Brand von L656 höchst wahrscheinlich auch die Bücher
und Briefschaften der Zünfte meistenteils untergegangen sind. Jedenfalls sind bis jetzt
nur sehr wenige Auszüge aus alten Zunftbüchern veröffentlicht worden, weshalb ich die
nachfolgende kurze Bescheinigung für niittheilenswerth halte. Das in einer durch den Notar
Stephan Axeri beglaubigten Abschrift vorliegende Schriftstück gibt Aufschluss über die
bei der Ausstellung von Gesellenbriefen üblich gewesene Form; auch beweist die durch
3 Meister erfolgte Beglaubigung der „treulich" zurückgelegten Lehrzeit, dass man auf
gut geschulte, ordentliche Gesellen grossen Werth legte. Der Ort Oppem, das heutige
Oppen, liegt in der Pfarre Würselen im ehemaligen Reich von Aachen. Zur Erklärung
des Ausdrucks Marktmeister sei schliesslich hervorgehoben, da>< nach dem Aachener
Raths- und Staatskalender des Jahres 1788 nicht weniger als fünf Brodmarktmeister mit
einem Diener imd einem Fruchtmesser in Aachen angestellt waren. Die Bescheinigung
lautet wörtlich:
Wir Leönardt Schleicher und Simon von Ammei, vort ich Hinrich Maw zur zeit
respective greven und meistern wie auch marckmäistre deß becker ambachts alhie in Aach
tlmen kund, zeugen und bekennen mit diesem öffentlichen schein, daß vorwäiser dieses,
der ehrbar und frommer Dham Kratz von ( »ppein, auß dem reich Aach hieselbsten bärtiger,
nach außwiesung unsers vorbemelten ambachts oder handwerks lehrbuch, im jähr sechß-
zehnhundert und neunzehn, den acht und zwanzigsten iuny durch seinen dhomälligen
meistern Anthonißen Brewer, kraft beschehencr und verzeichneter bekentnuß Johanßen
von Münster und Balthasarn Fibus, seine lehrjahren trewlich und wie einem redlichen
ambachts gesellen gebühret, außgestanden, auch sich in allem unsers handwerks gebrauch
nach quitirt habe. Dergestalt dass wir ihnen darfur jederzeit erkennen, auch an alle und
jede unsers ambachts und zunftgenossen hiemit ganz fleissig ersuchen und requiriren
thuen, denselben obbemelten Dhamen Kratz allenthalben darfur anzunehmen und zu
erkennen, auch beförderlich zu erscheinen. ürkund unsers ambachts hierauf getruckten
insiegels und aigenhändiger unser vorermerlter greven underschrift. So geschehen Aach.
den sechß und zwanzigsten ianuarij, anno sechßzehn hundert, sieben und vierzig. War
uuderschrieben : Leönardt Schleicher und Simon von Ammei, ungleichen Hinrich Maw.
Daß gegenwertige copey u. s. w. (folgt notarielle Beglaubigung).
Stephanus Axeri, notarius m. p.
Bedburg. F.. Pauls.
Fragen.
1. Der obere Theil des Marschiersteinwegs führte in früheren Zeiten die Bezeichnung
Schouemunt. Schon im .1. L215 verfügen die Eheleute Jonatas und Hildegunde „de
hereditate que sita esl extra portam porcetensem in loco, qui dicitur Schouemunt" (über
ein Erbe, welches gelegen ist ausserhalb des Marschierthores an dem Ort, welcher
Schouemunt genannt wird.) Wie ist dieser Name zu erklären? II .
2. Die untere Adalbertstrasse liebst im Volksmund Dunau. Dieselbe Benennung für einen
Stadttheil findet Sich auch in Linz am Rhein. Kommt sie son>t noch vor und wie j-t
sie ZU deuten': /.'.
') So bei Haagen, Gesoh, A.chens li, s. B79. Dagegen führt Zimmermann im Aachener
Kalender für Isso iirktftndzwanzig Zünfte namentlich an Vgl. auch den Artikel in Qnix, Hast, topogr.
Beschreibung von Aachen S. 1-17.
— 46 —
In dem Begräbnissregister der S. Peterspfarre aus <1. ,T. 1622—87 kommen als Gewerbe-
treibende vor: Kaffa wirker, Kaffaienwirker, Kierfeienwirker. Wer kann eine Erklärung-
beibringen ? 0.
In demselben Register findet sich die Strassen- oder Hausbezeichnung plat alets vor.
Wer kann sie erklären? 0.
Antworten.
Zu S. 32, Frage 5 [Schlepspill]. Der erste Theil Schlep bedeutet Schürze. Neben
Schlep finden sich auch die Formen Schlip, Slippe, Schlippe, (vgl. Fromann, die deutschen
Mundarten V, 239 und VI, 479; Lacomblet, Archiv III, 336; Zeitschrift des Aachener
Geschichtsvereins VIII, 188 No. 600; Müller-Weitz, die Aachener Mundart S. 212.) Spill,
spielen ist coire (vgl. Grimm, deutsche Eechtsalterthümer S. 592) namentlich von Thieren,
(daher auch wohl die Spielart!) aber auch von Menschen gebraucht z. B. in dem Ausdruck
Overspil, Averspil = Ehebruch (vgl. Teuthon des Gerhard von der Schüren.) Schlepspill
ist also, glimpflich ausgedrückt, soviel als Schürzenabeiiteuer. Man sagt heut noch: Er
läuft jeder Schürze nach. Die Bedeutung passt vortrefflich zu Luderwinkel, mit welchem
Worte Schlepspill zusammengestellt ist. (Mittheilung des Herrn Gymnasiallehrer Fr. Oppen-
hoff in Aachen.)
Zu Heft 1, S. 95, Frage 4 [Beschluss vom 11. März 1658 betreffend den Ankauf
einer BibliothekJ: Zwar litt Aachen zwischen 1658 und 1811 mehrfach durch Kriegsunruhen,
neben welchen sich vereinzelt kleine Brände verzeichnet finden, aber es dürfte schwer
halten zu beweisen, dass während der genannten Zeit eine der Stadt zugehörige einiger-
massen bedeutende Bibliothek durch rohe Gewalt oder Feuer vernichtet worden wäre. Die
im Ganzen nicht wesentliche Schädigung des Aachener Archivs im J. 1795, über welche
Quix (Wochenblatt für Aachen und die Umgegend 1838, S. 89) berichtet, betraf fast nur
Archivalien. Sicher ist, dass zu Aachen im Anfang dieses Jahrhunderts eine öffentliche
Bibliothek nicht bestand. Dies bestätigt um 1808 Poissenot (Coup-D'Oeil sur la ville
d'Aix-la-C'hapelle S. 139), und noch deutlicher sagt Golberg (Considerations sur le depar-
tement de la Roer S. 489) um 1811: La prefecture, la municipalite et le College ne
possedent aueune bibliotheque. Es können somit nur wenige Möglichkeiten in Betracht
kommen. Vielleicht hat sich der Ankauf der in Köln vorhandenen Bücher in letzter
Stunde zerschlagen; doch ist dies unwahrscheinlich. Vermuthlich kam bald nach dem
Beschluss vom 11. März 1658 eine ziemlich ansehnliche Büchcrsammlung — eine grosse
Bibliothek war auch vor 200 Jahren für den Preis von ein paar Hundert Thalern nicht
zu beschaffen — von Köln nach Aachen. Hätte Feuer oder rohe Gewalt dieselbe ver-
nichtet, so würde sich dies jedenfalls mehrfach in Druckwerken verzeichnet finden. Das
Fehlen jeder gedruckten Notiz und die Erwägung, dass im zweiten Jahre nach dem grossen
Stadtbrand dem Magistrat sicherlich die Mittel mangelten, um andere als dringend not-
wendige Dinge zu beschaffen, legt den Gedanken nahe, dass die Büchersammlung über-
wiegend aus Schriften bestand, welche als Hülfs- und Nachschlagebücher in der Verwal-
tungsthätigkeit, beim Erlass von Verordnungen und dgl. unentbehrlich waren. Schriften
dieser Art veralten bekanntlich ziemlich rasch und sind meist nach ein paar Jahrzehnten
so werthlos, dass schon der Raumgewinnung wegen die Beseitigung not big wird. So mag
auch die hier in Rede stehende Büchersammlung grösstenteils - vielleicht zu Beginn
der neuen Zeit vor etwa 90 Jahren — in die Rumpelkammer gewanderl oder verschleudert
worden sein, obne dass es nötbig war, dies besonders zu verzeichnen. Der werthvollere
Theil scheint der Aachener Stadtbibliothek einverleibt worden zu sein; denn mehrere dorl
vorhandene ältere Bücher tragen den Vermerk: „Ex libris senatus populique Aquensis".
Bedburg. E. Pauls.
- 47 -
Vereinsangelegenheiten.
Chronik des Vereins 1888.
In Befolgung des § 2a seiner Statuten hielt der Verein im .1. 1888 wiederum eine
Reihe Monatsvereammlungen ab, in welchen unter reger Betheiligung der Mitglieder
folgende Gegenstände aus der Geschichte Aachens und seiner Umgehung verhandelt wurden:
15. Sitzung am 19. Januar: Gebräuche am Dreikönigstage (Staatsanwaltschafts-Sekretär
Schollen); die Orgel und der Organistendienst in der Pfarre von St. Peter zu Aachen
(Oberpfarrer Planker); Aerztliche Vorschriften aus dem 17. Jahrhundert, „wie man
sich in Pestzeiten zu verhalten habe" (Gymnasiallehrer Dr. Wieth); die Bezeichnung
Schabau (Derselbe); Kornpreise in Aachen aus den Jahren 1708 bis 1713, aufgestellt
durch „Quirin Brewer Vereitter Marckmeister patron" (Derselbe).
16. Sitzung am 30. April: Die äussere Dmwallung Aachens (Architekt Rhoen); Sagen
des Roergaues (Stadtarchivar Pick); Flurnamen aus Aachens Umgebung (Derselbe);
Ueber Eilendorf (Derselbe); Ausgrabungen auf dem ehemaligen Stephanshofe (Gym-
nasiallehrer Dr. Wieth); Musterstücke von Raerener Thongefässen des 16. und 17.
Jahrhunderts (Kaufmann Müllenmeister).
17. Sitzung am 1. Juni: Eine Horbacher Polizeiverordnung aus der Zeit der französischen
Okkupation (Chefredakteur Abels); eine Apothekerrechnung aus dem 17. Jahrhundert
(Derselbe); ein Kalender aus dem 30jährigen Kriege (Gymnasiallehrer Dr. Wieth); ein
mittelalterlicher Münzfund (Derselbe).
18. Sitzung am 27. Juni: Bericht über den Ausfing des Vereins nach Nideggcn
(Dr. Dresemann); das Elementarschulwesen in Aachen im 17. Jahrhundert (Derselbe);
die alten Aachener Stadtsiegel (Stadtarchivar Pick); der alte Landgraben (Kaplan
Schnock); J. J. Couvens Bericht über die Festlichkeiten in Aachen bei Gelegenheit
der Krönung Karl VII. 1742 und Franz I. 1745 (Gymnasiallehrer Dr. Wieth).
19. Sitzung am 3. August: Die Stellung König Ruprechts von der Pfalz zu Aachen
(Dr. Dresemann); eine handschriftliche Chronik des Stadtsyndikus Melchior Klocker
aus den Jahren 1602—1608 (Gymnasiallehrer Dr. Wieth).
20. Sitzung am 18. Oktober: Bericht über die 600jährige Jubelfeier der Stadt Düsseldorf
(Kaplan Schnock); eine Hauseinrichtung aus dem 16. Jahrhundert (Gymnasiallehrer
Dr. Wieth).
21. Sitzung am 21. November: Prähistorische Funde in Aachen und Umgebung (Gym-
nasiallehrer Dr. Wieth); zur früheren Uhrenfabrikation in Aachen (Stadtverordneter
Schaffrath); Ueber Sagen, welche sich an berühmte Uhrmachermeister der früheren
Zeiten knüpfen (Herr Stadtarchivar Pick).
22. Sitzung am 19. Dezember: Lehen des Christian C^uix (Gymnasiallehrer Dr. Wacker);
die alten Wandmalereien im Hochmünster zu Aachen (Architekt Ethoen); ein Begräb-
nissregister der St. Peterspfarre aus den Jahren 1622 — 1687 (Gymnasiallehrer
Fr. Oppenhoff). «•
Gleichwie im Vorjahr wurden auch im Laufe dieses Sommers zwei Ausflüge
unternommen :
4. Ausflug am 10. Juni nach Nideggen. In prachtvollster Lage erhebt sich daselbst
die Ruine der stolzen Burg Nideggen, Lange Jahre hindurch der sitz der mächtigen
und prachtliebenden Herzöge von Jülich. Die baulichen Anlagen wurden vom Herrn
Architekten Rhoen erläutert, während Herr Kaplan Schnock eine tJebersichl über
Geschichte und Schicksale der Burg und des Städtchens gab. Zu dem Gefühle der
Bewunderung gesellte sich ein tiefes Bedauern, dass diese Ruine, die ihrer reizenden
Lage, ihrer baulichen Schönheit, ihrer geschichtlichen Bedeutsamkeil nach eine wahre
Perle des Roerthalea darstellt, schutzlos dran Verfall und der Zerstörung durch Frost
und Wetter preisgegeben ist. Ks drängte 9ich allen der Gedanke auf, dass es Ehren-
pflicht der Umwohner, insbesondere der vermögenden Klassen sei, hier Wandel zu
schaffen und die, nicht allzugrossen Mittel zu beschaffen, welche nöthig sind, das noch
Vorhandene zu retten und so der Landschaft eine ihrer schönsten Zierden zu erhalten.
— 48 —
:>. Ausflug am 12. August nach Falkenburg. Das überaus lieblich im Geulthale gelegene
Städtchen wird überragt von den mächtigen Trümmern einer alten Burg, auf welcher
die im Mittelalter sehr einrlussreichen Grafen von Falkenburg hausten. An die ein-
gehende Besichtigung der malerischen Ruine schloss sich eine Wanderung durch die
Höhle, die schon in römischer Zeit angelegt, in den späteren Jahrhunderten weiter
ausgebaut wurde und das Material für die Bauten einer weiten Umgegend lieferte.
Die Aachener Stadtrechnungen des 14. Jahrhunderts bezeugen, dass auch die Aachener
den Falkenburger Sandstein vielfach verwandten.
In einer im Mai abgehaltenen Vorstandssitzung wurde beschlossen, die bisher jähr-
lich nur einmal in einem 12 Druckbogen fasseuden Hefte erscheinende Vereinszeitschrift
entsprechend dem § 2b der Statuten vom 1. Oktober ab in regelmässiger Folge heraus-
zugeben, derart, dass alle sechs Wochen ein Druckbogen in Royal-Oktav unter dem Titel
„Aus Aachens Vorzeit" zur Ausgabe gelangen sollte. Da der bisherige Redakteur Herr
Stadtarchivar Pick wegen Ueberhäufung mit anderweitigen Arbeiten die Redaktion nicht
mehr weiter führen konnte, wurde dieselbe dem ersten Schriftführer Herrn Gymnasial-
lehrer Dr. Wieth übertragen, und in seine Stelle Herr Dr. Dresemann kooptirt.
In der Generalversammlung vom 18. Oktober erstattete der Vorsitzende Herr
Gymnasiallehrer Dr. Wacker eingehenden Bericht über die Lage und Wirksamkeit des
Vereins im abgelaufenen Jahre. Es ergab sich eine stetige Zunahme der Mitglieder,
deren Zahl gegenwärtig 215 beträgt. Der Schatzmeister Herr Buchhändler Kremer legte
die Jahresrechnung vor, nach deren Prüfung ihm Decharge ertheilt wurde. Da in Gemäss-
heit des § 6 der Statuten der Vorstand immer nur für eine Dauer von drei Jahren zu
wählen ist, musste eine Neuwahl stattfinden. Dieselbe hatte folgendes Ergebniss:
Erster Vorsitzende: Wacker, Dr. K., Gymnasiallehrer in Aachen.
Zweiter Vorsitzende: Schnock, H., Kaplan in Aachen.
Erster Schriftführer: Oppenhoff, Fr., Gymnasiallehrer in Aachen.
Zweiter Schriftführer und Bibliothekar: Schollen, M., Staatsanwaltschafts-Sekretär
in Aachen.
Redakteur: Wieth, Dr. K., Gymnasiallehrer in Aachen.
Schatzmeister: Kr einer, F., Buchhändler in Aachen.
Beisitzer: Abels, H., Chefredakteur in Aachen.
Bott, Bürgermeister in Eilendorf.
Menghius, W., Fabrikant in Aachen.
Müllenmeister, Th., Fabrikant in Aachen.
Schaffrath, J., Stadtverordneter in Aachen.
Monatsversammlung im Hotel zum Elephanten (Ursulinerstrasse)
am Mittwoch, den 30. Januar 1889, Abends 7*/a Uhr.
Tagesordnung: Leben und Wirken des Christian Quix. 2. Tlieil.
Kleinere Mittheilungen.
In Kommission der F. Bag-el'schen Buchhandlung in Düsseldorf ist erschienen und
durch alle Buchhandlungen zu beziehen:
Professor Dr. J. Schneider:
Die alten Heer- und Handelswege der Germanen, Römer und Franken
im Deutschen Reiche.
Sechstes Heft. — Düsseldorf 1888. — Preis 1 Mark.
DnucK von Hermann Kaatzeu in Aachen.
Jährlich 8 Nummern
ä 1 Bogen Royal Oktav
Preis des Jahrgangs
4 Mark.
Kommissions- Verlag
der
( iremer'schen Buchhandlung
ii . (ii/.im
in Aachen.
Mittheilungen des Vereins für Kunde der Aachener Vorzeit,
Im Auftrage des Vereins herausgegeben von Dr. K, Wieth.
Nr. 4.
Zweiter Jahrgang.
1889.
Inhalt: S. Planker, Die Pfarrer von St. Peter in Aachen. (Schluss.) E. Pauls, Der
Luftschiffer Franz Blanchard zu Aachen im Jahre 1786. — Kleinere Mittheilungen: Der
erste Buchdrucker in Aachen. Meteorstein oder Hagelstein? - Aachener Tuch.
Karl der Grosse im Bade. - - Eine Aachener Wachtordnung aus dem Jahre 1759. Fragen.
- Antworten. — Vereinsangelegenheiten. - Bücheranzeige.
Die Pfarrer von St. Peter in Aachen,
Von S. Planker.
(Schluss.)
17. Rochus von Finkenberg (1731 IT.").'}). Er führte in seinem
Wappen drei Finken. Dieselben Finken finden sich auch in dein Mittel-
stück der grossen durchbrochenen Kommunionbank und in den Kanzellen,
welche das Presbyterium von dem Mittel- und den Seitenschiffen der Kirche
absperren, eingeschnitzt, sodass zu schliessen ist, diese seien ein Geschenk
des genannten Pfarrers. Im J. 1739 liess er eine kleinere Monstranz
anfertigen und weiterhin die Kirche mit prächtigem Geräthe ausschmücken
so mit dem bewundernswert« geschnitzten Beichtstuhl, welcher in kupfernen
Zeichen die Jahreszah] L748 trägt. Als am 4. Oktober 1745 in Frankfurl
.die Krönung' Franz [., des Gemahls Maria Theresias, zum Kaiser statt-
fand, leierte auch Aachen dieses frohe Ereignis. Am 19. und 20. Dezember
wurden seitens Aw Stadt und des Münsterstifts grossartige Festlichkeiten
bei prachtvoller Illumination der öffentlichen und vieler Privatgebäude
veranstaltet. Der damalige Stadtarchitekl Johann Joseph Couven hat die
meisten baulichen und künstlerischen Anordnungen selbst geleitel und
darüber einen in mehrfacher Einsichl interessanten Berichl abgefassl '.
*) Der weitschweifige Titel des Berichtes lautet : Allgemein Frohlocken and Freuden-
Fesl ! Uber die lim- erwünschte am 13. Septemh. I7i."> glücklich vollhrachtc Kayscrliche
— 50 — ■
Von der Pfarrgeistlichkeit der Stadt betheiligte sich nur der Pfarrei'
von St. Peter au diesen wahrscheinlich recht kostspieligen Veranstaltungen.
Deshalb möge der ihn betreffende Bericht J. J. Couvens auszugsweise hier eine
Stelle finden : „Herr Johann Rochus Finckenberg 1 Pastor S.ti Petri repraesen-
tirte über die vordere Maur dess Eingangs seiner Pastoral-Behausung
eine en Panneau vorgestellte illuminirte Gallerie, welche die gantze Länge
dieser Maur bereichete. Ueber dieselbe waren funff Repraesentationes
-cstellet, nemblich ein Mittel-Haupt-Stück, und zwey Nebenstücker beyder-
seits. Das mittlere Haupt-Stück stellete vor die fliegende Faniani, so die
beyde Portraiter des Kaysers und der Kayserin hielte, über welchen das
Auge Gottes, so Sie bestrahlete. . . . Unter der Famae:
ObWohL eUCh NelDeren es nlt WILt gefaLLen,
SoLL DoCh öffter VIVant In euren Ohren sChaLLen.
Das erste Nebenstück zur Rechten zeigte die Unterschrift:
FranCIsCUs besteigt Dess Kaisers Thron;
AUff Ihn soLL foLgen Ioseph sein Sohn.
ALLes UnhelL Von Ihnen Weich,
Gott gebe DarzU Seegen relCh,
Das erste Nebenstück zur Linken hatte die Unterschrift:
Grosser Kaiser In ZUfrleDenhelt Lang soLLest Leben,
Theresia grosse Kaiserin Darneben, c&
Grosser Hertzog zügeLelCh,
ALLes UnhelL Von eUCh WelCh "
Unter dem Pastor von Finkenberg wurde auch 1746 die noch heute an
St. Peter blühende Bruderschaft unter dem Titel: „Marianische Pilgerfahrt
nach dem gnadenreichen Bild der allerseligsten Jungfrau und Mutter Gottes
zu Kevelaer" errichtet.
Eine im J. 1785 angefertigte Bruderschaftstafel enthielt folgende
Notiz: „Confraternitas beatae Deiparae sacra, sub titulo processionis Keve-
lariensis in parochiali hac ecclesia canonice ereetafuit et stabilita anno 1746."
Gemäss einem notariellen Vertrag vom 24. Februar 1746, geschlossen
zwischen dem Pastor von Finkenberg und den Kirchenmeistern von St. Peter
Wahl j Und immediate druff, nemblich am 4. Octob. erfolgte j Crönung | Der Aller-
Durchleuchtigster, Grossmächtigster, | und Unüberwindlichster Römisch -- König- | und
Kayserlicher Majestät | Francisci Primi | . . . . | Das ist: | Die umbständliche schrifftliche
Verfassung der prächtigem | Illumination | und dess | Kunstreichen Feuenvercks, | Welche |
über diese G-lorreicheste Begebenheit j Ein Hochlöblicher, Hochweiser Magistrat | Dess
Königlichen Stuhls, und II. Römischen Reichs i Freyer Stadt Aachen | An dasigem Rath-
ll.-uiss und Marck-Fontain | So wohl als j Die gantze Bürgerschafft an ihren Häusern | Vor-
<4<-st 1 1 1< - ( Und dardurch ihr allgemein Frohlocken und Freuden in allertieffester | Devotion
allerunterthänigsl öffentlich bezeigen wollen I Am I9.ten respective 20.ten Decembris 1745. |
Auss besonderer! Von Eoch -Wohlgemelter Eochlöblicher Magistrat | Ertheilter Verord-
nung | Entworffen und eingerichtet durch | Joannen) Josephum Couven ] Hiesiger Stadt
Aachischen Architectum ei Secretarium. Vgl. S. -14 IV.
]) Das Wörtchen „von" vor dein Xanim l'clilt !
• — 51 —
einerseits und dem Praeses, Praefekt und den Brudermeistero der Bruder-
schaft andrerseits, sollte der jeweilige Pastor von St. Peter als „der
geistliche Herr Vatter der ersteren allezeit gehalten werden, ohne dessen
Bewilligung die Andacht und der Gottesdienst der Bruderschaft in Nichts
dürfe geändert werden".
Der jedesmalige Kaplan von St. Peter sollte „als der Bruderschafts-
Herr und Geistlicher, welcher alle deren kirchlichen Dienste zu verrichten
habe, angenommen und als Praeses confraternitatis anerkannt werden,
und — weil derselbe schlecht funderet sei — sollte ihm als Entgelt vor-
laufig- die Summe von jährlich 20 E.eichsthaler, jeden zu 54 acher Merk
zuerkannt werden".
Auf den Antrag- der Bruderschaftsvorsteher hat Papst Benedict XI V
unter dem 12. März 174<; zu den Bruderschaftsfesten verschiedene voll-
kommene und unvollkommene Ablässe bewilligt, welche später von Papst
Pius VII durch Breven vom J. 1801 und 1816 bestätigt und noch ver-
mehrt wurden.
Der erste Praeses der Bruderschaft war der Kaplan Wilhelm Hüben
Hoiiben. Ihm folgte 1753 Kaplan Johann Joseph Kloubert, diesem 1760
Kaplan Johann Peter Forster, diesem 1769 Kaplan Knops, diesem Kaplan
Yoegels im J. 1773, der wenigstens bis 1783 im Amte blieb.
Der erste Praefekt war Wilhelm Kremer, nach dessen Tode im J.
1753 als Praefekt Nicolaus Loupen gewählt wurde, welcher 1770 resignirte.
Ihm folgte Johann Schmitz bis zu seinem Tode, den 19. Januar 1788.
Sein Nachfolger war ein gewisser Schleig. Durch Kollekten und testamen-
tarische Messstiftungen erwarb die Bruderschaft einiges Vermögen, welches
jedoch nach der französichen Okkupation in die Verwaltung der Kirche
von St. Peter überging, aber von derselben genau nach den Bestimmungen
der Testatoren zu den Bruderschaftszwecken verwandt wird1.
18. Ludwig von Ottegraven (1753 — 1768). Er war der Sohn des
„praenobilis eques subeenturio" des Kurfürsten von der Pfalz Heinrich
Mathias von Ottegraven und der Maria Sophia Barbara de Voetz und wird
in der Urkunde vom 18. Mai 1745. nach welcher ihm das von seinen Vor-
fahren von Schörer gestiftete Bcncficium an St. Peter ertheilt war. clericus
Aipiensis genannt. Damals war er 21 Jahre alt, hatte aber noch nicht
die höhern Weihen erhalten. Dies Beneficium behielt er bis zu seiner
Ernennung zum Pastor von St. Peter durch den röm. stuhl 14. Kai. Julii
1753. zu welcher Zeit er jedoch eist 2!» Jahre alt war. Sein Porträt
trägt die Schritt: „aetatis :;o. ao. L754", er wurde durch den Pastor Hennen
von St. poilan den 2!). April I7.VI eingeführt. Als Wappen führt er ein
Kreuz, dessen vier Enden je in zwei Schlangenköpfe auslauten; vier Pfauen-
federn krönen den Kopf des Wappenschildes. Im J. I7i;i liess Pastor von
ottegraven das Innere der Kirche erneuern d. h. illuminiren, nicht kalken.
Bei der vor einigen Jahren vorgenommenen Polychromirung und vorherigen
Säuberung der Kirchenwände landen sich über der innern Eingangstlmre
') Nach rin, in Aktenhefl der Marianisch-Kevelarischen Bruderschaft und Andacht
im Archiv der Kirche von St. Peter in Aachen.
— 52 —
zum Kirchthurm Reste einer Schrift in einem Spruchband, welche hiervon
Zeugniss geben: „Henricus fautor, Ludovicus nunc restaurator . . . ao 1764".
Von Ottegraven scheint ein etwas heftiger Mann gewesen zu sein. Wenigstens
klagen der Präsident und die übrigen Beisitzer des Sendgerichts ihn an,
dass er den Vorsitzenden und das ganze Gericht „scandalose" beleidigt
habe und verurtheilen ihn zu einer nicht unbedeutenden Geldbusse, gegen
welches Urtheil er freilich bis zur höchsten Instanz appellirte.
19. Johann Laurenz Ganser (1768 — 1812), wurde vom h. Stuhl ernannt
am 20. August 1768. Er stammte aus Aachen, erhielt die niedern Weihen
zu Lüttich am 13. Februar 1761 und wurde am folgenden Tage auf den
Titel des Vikariebeneficiums an St. Peter zu Aachen, welches ihm bereits
am 8. Februar desselben Jahres durch Pastor von Ottegraven übertragen
war, zum Subdiakon geweiht; diese von Pastor Winand Osteradius gestif-
tete Stelle verwaltete Ganser bis zu seiner Ernennung als Pastor von
St. Peter. Als solcher fungirte er bis zu seinem am 14. Mai 1812 erfolgten
Tode, also volle 44 Jahre. Zu seiner Zeit erfolgte die französische
Okkupation und die damit verbundene gewaltige Umwälzung in den kirch-
lichen Verhältnissen. Viele Stiftungen gingen verloren, namentlich solche,
die in Renten fundirt waren, oder die mit Kapitalien der Armenverwaltung,
welche von jener Zeit an bürgerlich wurde, verbunden waren. Die Re-
klamationen nach dem Kongress unter der preussischen Verwaltung blieben
zum grössten Theil erfolglos. Bei der neuen Pfarreintheilung unter dem
ersten Bischof des neu errichteten Bisthuins Aachen wurden St. Peter
nebst St. Foilan und St. Nikolaus zu Kantonal- oder Oberpfarren erster
Klasse erhoben, und war Ganser also der erste Oberpfarrer von St. Peter;
als solcher wurde derselbe durch Bischof Marcus Antonius Berdolet ernannt
am 19. Juni 1803, und eingeführt am 11. Juli desselben Jahres; er winde
ausserdem Ehrenkanonikus des hiesigen Münsterstiftes. Die Bevölkerung
der Pfarre betrug damals 3251 Seelen. Gansers Porträt im Pfarrhause
von St. Peter ist im J. 1807 von Maler J. P. Scheuren J aufgenommen
und darunter notirt: „aet. a. 70"; demnach wäre Ganser 1737 geboren und
im 24. Jahre zum Vikar, im 31. Lebensjahre zum Pastor von St. Peter
ernannt worden. Als Wappenzeichen führt er eine Gans (Ganser). Sein
Nachfolger wurde :
20. Franz Xavier Lahaye (1812 — 1819). Er war schon Canoni-
cus regularis des hiesigen Kreuzherrn- Klosters bevor er am 18. Septem-
ber 1790 die hohem Weihen empfing. Zum Empfang der Priesterweihe
am 18. Juni 1791 bedurfte er noch Altersdispens. Nach Aufhebung
der Klöster scheint er in der Stadt als Privatgeistlicher und als Beich-
&'
tiger tliätig gewesen zu sein. Im J. 1804 den 13. Februar wurde
er zum ersten Pfarrer der zur Sukkursalkirche erhobenen ehemaligen
Kreuzherrnkirche ad s. crucem ernannt, in welcher Stellung er verblieb, bis
er am 24. August 1812 zum Oberpfarrer von St. Peter befördertwurde ; am
8. September desselben Jahres wurde er durch den Kanonikus und Dompfarrer
y) Er ist der Vater des ausgezeichneten, am 21. August 1810 zu Aachen geborenen
Landschaftsmalers Kaspar Scheuren (gest. zu Düsseldorf am 12. Juni 1887).
53
Julianus Gerardy Moulan eingeführt. Er starb schon am 15. Dezember L819.
21. Stephan Lambert Vonderbank (1820—1832), war vor Auf-
hebung- der Klöster Mitglied „ordinis s. Francis« recoll. in conventu Heidel-
bergensi", wurde später zum Pastor von St. Adalbert ernannt, und am
15. Januar *■ 1820 durch die Kapitels- und General-Vikare der Diözese
Aachen, Fonk und Klinkenberg, zum Oberpfarrer von St. Peter erhoben,
den 8. Februar desselben Jahres eingeführt und starb den 9. Juni 1832.
Sein und seines Vorgängers Bildnisse (ohne Wappen) geben durch den
Ornat Zeugniss, dass beide auch Ehrendomherrn des Münsterstiftes waren.
22. Johann Wilhelm Dillschneider (1832 -- 1872), war geboren
zu Aachen und zwar in der Peterspfarre am 27. Dezember 1705 und war
vor seiner' Ernennung als Oberpfarrer von St. Peter, die am 16. Oktober
1832 durch Erzbischof Ferdinand August Graf von Spiegel erfolgte,
mehrere Jahre Domvikar und Sekretär des erzbischöflichen General- Vikariats
zu Köln. Er starb den 9. Oktober 1872, war also volle 40 Jahre hindurch
Oberpfarrer von St. Peter. Während dieser langen Amtsperiode hat er
sich grosse Verdienste um die Ordnung der Stiftungsverwaltung, um die
Hebung des Kirchenvermögens, um die Verschönerung und Restauration
der Kirche im Innern wie im Aeussern, um die Errichtung von zwei neuen
Vikariestellen, um den Neubau von vier Kaplaneien und um die Hebung
des Gottesdienstes wie des kirchlichen Lebens erworben. Er verfasste
ein Pfarrgebetbuch und hob den Kirchengesang, gründete einen Begräbniss-
bund u. dgl. m. Dass seine Verdienste und sein Verwaltungstalent Aner-
kennung gefunden, beweist seine Erhebung zum Ehrenkanonikus am
Münsterstift, zum Klosterkommissar und zum Stadtdechant. Zu seinem
25jährigen Pfarrerjubiläum stiftete die Pfarre sechs grosse silberne Altar-
Leuchter und zu seinem 50jährigen Priesterjubiläuni eine marmorne Altar-
mensa und ein neues Tabernakel. Er vermachte der Peterskirche eine
Summe von 200 Thlr. zu einem feierlichen Anniversarium für seine Seelen-
ruhe und 400 Thlr., deren Zinsen zur Beschaffung von Handpostillen ver-
wandt werden sollen, die durch den jeweiligen Pfarrer von St. Peter braven
Brautleuten als Hausrath bei der Verehelichung geschenkl werden könnten.
23. Sebastian Theodor Planker wurde zum Oberpfarrer ernannt
den 8. November 1 s 7 2 . ist seit 1887 Stadtdechant und seil L888 Ehren-
kanonikus des Münsterstiftes in Aachen.
Der Luftschiffer Franz Blanchard zu Aachen im Jahre 1786,
Von K. Pauls.
Bald nach dem Bekanntwerden der Luftballons erregten in den acht-
ziger Jahren des vorigen Jahrhunderts die Luftschiffahrten des Franzosen
Franz Blanchard1 in ganz Europa ungemeines Aufsehen. Nach einer
') Geb. it:»::. gest. 1809, nachdem er bis L807 etwa 66 Luftreiscn geinachl hatte.
Seine Gattin, welche ebenfalls in der Luftschiffahri ihren Erwerbszweig fand, kam gelegent-
licb ihrer iiT. Auffahrt am 6. Juli 1819 in Paris ums Leben.
— 54
berühmten Luftreise über den Kanal bis Calais1 versuchte sich Blanchard
mit stets glücklichem Erfolg- in vielen Städten Frankreichs, Englands und
Deutschlands. Auch Aachen erhielt im Jahre 1786 seinen Besuch, und
zwar unter so merkwürdigen Umständen, dass eine nähere Darlegung wohl
am Platze sein dürfte. Freilich muss hierbei in Ermanglung aller andern
Berichte2 Blanchards eigene Erzählung die Hauptquelle bleiben3. Dies
verschlägt indes wenig. Einestheils nämlich hält es nicht schwer, die
Schwächen der Blanchardschen Mittheilungen herauszufinden, andererseits
ist der wesentliche Theil des Berichts des Luftschiffers amtlich beglaubigt.
Längere Zeit vor Blanchards Erscheinen war man bereits in Aachen
dem Gedanken an das Aufgehenlassen eines Luftballons näher getreten.
Im Dezember 1783 sammelte der Buchhändler St. Aubin in der Komphaus-
badstrasse Einzeichnungen, aus deren Ertrag ein grosser Luftballon „für
einige Eeisende" hergestellt werden sollte4. Jede Einzelzeichnung kostete
einen Kronenthaler {o,M. 4,70). Bald nachher trat der Apotheker Weiden-
bach in der Kölnstrasse in Mitbewerb5; bei ihm kostete die Einzelzeichnung
nur 4 Schillinge {&M. 1,50). Weidenbach hatte sich die zur Herstellung
und Füllung eines Luftballons nöthigen Sachen aus Paris kommen lassen;
er war gegen Ende Februar 1784 mit seinen Vorbereitungen fertig. Int
April desselben Jahres langte der Mechanikus Berschitz aus Wien in Aachen
an, welcher ebenfalls das Auflassen eines Luftballons beabsichtigte0.
Welchen Erfolg St. Aubin, Weidenbach und Berschitz hatten, meldet die
Aachener Zeitung nicht7; gross war derselbe keinesfalls.
Endlich brachte das Jahr 1786 8 zwei Luftschiffer nach Aachen: de la
Touche-Foucroy und Franz Blanchard. De la Touches Ballon hatte angeblich
1) Von Dover aus am 7. Januar 1785. Diese Reise brachte ihm das Bürgerrecht
von Calais nebst einer marmornen Ehrensäule am Ort der Landung' ein. Ausserdem schenkte
ihm der König von Frankreich 12 000 Frs. nebst einer Rente von 1200 Frs.
2) In ortsgeschichtlichen Werken finde ich nur die äusserst dürftige Notiz bei
Haagen, Geschichte Achens II, S. 390.
s) Ich benutze zwei in der Aachener Stadtbibliothek vorhandene kleine Druckschriften
in französischer Sprache, in welchen Blanchard über seine 20. Luftreise in Hamburg und
seine 21. Luftreise in Aachen berichtet.
4) Stadt-Aachener Zeitung vom 31. Dezember 1783.
5) Stadt-Aachener Zeitung vom 21. Februar 1784.
G) Stadt-Aachener Zeitung vom 24. April 17s l.
7) Andere Quellen fehlen. Tagesneuigkeiten aus Aachen brachte die damalige
Aachener Zeitung nur in Ausnahmefällen. Die Censur war zu streng; es hiess einfach,
dass solche Neuigkeiten ja sofort bekannt wären!
8) Aus den Jahren 1786 und 1787 ist noch folgendes zu erwähnen. Ein grosser
Luftballon von 75 Fuss im Umkreis, dessen Besitzer nicht genannt wird, ging um 7 Uhr
Abends am 17. Juli 1 780 zu Frankenberg bei Aachen auf. Derselbe nahm die Richtung
Stolberg-Eschweiler und gall nach einer Anzeige in der Aachener Zeitung noch am 20. Juli
als vermisst. Vielleicht war der Ballon unbesetzt, denn damals- scheint es beliebt gewesen
zu sein, grosse mit Wasserst of'fgas oder erhitzter Luft gefüllte Körper von den ver-
schiedensten Formen „ins Blaue" steigen zu lassen. So kam im J. 1787 bei Montjoie die
lo Fuss hohe, nur 26 Unzen (780 Gramm) schwere Bildsäule eines geflügelten Pferds mit
Heiter zur Erde. Aehnliche Bildsäulen werden zuweilen in den damaligen Zeitungen erwähnt,
ebenso Montgolflersche Luftkugeln.
• — 00 —
160 französische Fuss im Umfang und eine Höhe von 60 Fuss; er fassti
65 400 Kubikfuss Gas und konnte 2000 Pfund in die Eöhe ziehen1. Am
16. August stieg- de la Touche an der Bever vor Adalbertsthor 2, am 7. Oktober
in Yaels auf, beide .Male fast unbeachtet3.
Etwas "anders erging es Franz Blanchard. Dieser hatte Brüssel, wo
er reiche Anerkennung' gefunden, am 2. August verlassen und auf der
Durchreise nach Hamburg- in Aachen versprochen, anfangs September in
die alte Kaiserstadt zurückzukehren, um seine 21. Luftreise bei uns anzu-
treten. Seine Aachener Freunde legten Einzeichnungslisten mit der
Erklärung- auf, dass 400 Louisdor {&£. 7550 — 7650) zu decken seien, ehe
Blanchard „anfangen werde Anstalten zu machen": der Preis für eine
EinzelzeicBnung war auf einen Kronenthaler (-/£ 4,70) festgesetzt. Blanchard
hielt Wort. Er verliess Hamburg am 27. August und traf am 5. September
in Aachen ein. Hier scheinen die Vorbereitungen zur Auffahrt längere
Zeit in Anspruch genommen zu haben, denn frühestens am 1. Oktober
sollte die Luftreise stattfinden. Ueber das Ganze giebl Blanchard zwei
Berichte. Einer derselben ist amtlicher Art, weil er von mehreren Aachener
Schöffen und Beamten unterschrieben ist4; den andern hat der Luftschiff er
selbst verfasst. Folgendes ist in Kürze der Inhalt der amtlichen Darstellung :
„Blanchard beabsichtigte zuerst am 1. Oktober aufzusteigen, verschob
alier mit unserer obrigkeitlichen Bewilligung wegen allzu ungünstiger
Witterung die Auffahrt auf den 8. Oktober, doch gestattete erst am
«). Oktober das Wetter die Luftreise. Die städtische Mannschaft bezog
ihre Posten, Kanonenschüsse verkündeten die bevorstehende Luftschiffahrt5.
Blanchards Ballon erhob sich genau um 2 Ehr vom Jesuitenkloster aus6
x) Stadt -Aachener Zeitung vom 8. Juli 1786. Heber dir Grösse des Blanchardschcn
Ballons fehlen alle Angaben.
-) Stadt-Aachener Zeitung vom L6. August lTsc.
i An der Bever vor nur wenigen, in Vaels vor 22 (mil Einlasskarten versehenen)
Zuschauern. Blanchard, welcher der Auffahrt in Vaels beiwohnte, schildert sie als eine
ganz verfehlte. Kr spricht von seinem Mitbewerber in den schärfsten Ausdrücken und
nennt ihn einen den Brüsseler Gefängnissen entgangenen Charlatan, der auch aus Aachen
nach kurzem Aufenthalt ausgewiesen worden sei. Ob Blanchard Recht batte, braucht
nicht erörtert /.u werden.
li Anfang: Nous Magistrats et Echevins de la Ville d'Aix-la-Chapelle certifion
Datum: Fait e1 donne en notre Eötel de Ville, le LI. Octobre L786; Unterschriften:
De Loncux, Echevin. De Garzweiler, Echevin.
Baron de Witte, ., Baron de Fürth, „
.T. de Brauman, „
.1. Vossen, Docteur en Droit, Commissaire de Police.
Eenri Joseph Tilman,
Leonard Brammertz,
Nicolaus • !romm,
Joseph Heusch,
Aachens Bürgermeister konnten Blanchards
zeichnen, weil sie wegen der Wirreu in Aachen abwesend waren. Vgl. Eaagen a. a. 0.
i Text: La Troupe en grand teuue, selon nos ordres, pril ses postes; les canons
annoncerent la certitude du dßpart.
'•) llaagen a. a. ( >. nennt den Garten des Aachener Jesuitenkollcgiums als Ort der
auffahrt, die jedenfalls in der Nähe der St. Michaelskirche stattfand.
n H
In fidem:
•i -n
F. II. Strauch,
n
( lommissionis
n
actuarius.
Ernennung zum
Ehrenbürger nicht unter-
— 56
unter dem Beifallsrufen der Zuschauer majestätisch in die Lüfte; von der
Eöke herab grüsste der Luftschiffer mit seiner Fahne, welche das Wappen
Aachens zeigte. Es herrschte Südwestwind, der Ballon verschwand bald
in (\Qn Wolken, erschien aber nach einigen Minuten wieder und senkte
sich zur Erde. Gegen 2 Uhr 30 Minuten landete Blanchard glücklich in
einer Wiese mitten in den Waldungen bei Herzogenrath, zwei Meilen vom
Auffahrtspunkt entfernt. Selbigen Tags noch begab er sich zum Bathhaus,
wo wir ihn erwarteten und dankend seine Fahne in Empfang nahmen.
Wir legten ihm unsere Erkenntlichkeit an den Tag und veranlassten ausser-
dem, dass ihm zum Zeichen unserer Hochachtung seines Talents das Bürger-
recht in Aachen verliehen wurde1." Soweit der amtliche Bericht. Blänchards
ausführlichere Erzählung kann hier nur, insoweit als sie nennenswerthe
Ergänzungen des amtlichen Berichts bietet, kurz berührt werden.
Bald nach seiner Ankunft in Aachen, im September 1786, so erzählt
Blanchard, fand er sich enttäuscht. Die Einzeichnungen hatten ein sehr
unbefriedigendes Ergebniss geliefert, denn weit weniger als ein Viertel
der gewünschten Summe war gezeichnet worden. Weil Blanchard nicht
unverrichteter Dinge abziehen, auch seinen Bekannten das Sammeln von
Einzeichnungen nicht weiter zumuthen wollte, nahm er allein die Sache in
die Hand. Die Folge war, dass die Mehrzahl der wenigen Einzeichner
nunmehr das Becht zu haben glaubte, die frühere Einzeichnung als unge-
schehen zu betrachten, während neue Einzeichnungen kaum angemeldet
wurden. So kam es, dass Blanchard, trotzdem durch ihn Geld in Hülle
und Fülle nach Aachen strömte, weil seinetwegen die Stadt drei Mal mit
Fremden gefüllt war2, vor ziemlich leeren Bänken arbeitete3 und nach
einer Beise von 300 Stunden in Aachen 2000 Thaler einbüsste. (?) In
Frankfurt hatte man nach Ausspannung der Pferde den Wagen des Luft-
schiffers zum Theater gezogen; die Aachener zogen Blanchard auch, aber
bei den Haaren4. Um etwas zu sehen und doch ihre Kronenthaler zu
sparen, wussten selbst sehr reiche Aachener Bürger vortreffliche Auskunfts-
mittel. So fuhr ein Adeliger vor die Stadt und wartete draussen auf einer
Anhöhe auf das Erscheinen des Ballons; ein anderer nahm mit dem Kompass
in der Hand mit seiner ganzen Familie auf dem Festungswall 5 auf herbei-
geschafften Stühlen Platz. Noch klüger machten es zwei andere, deren
1) Text: Nous avons decide qu'il lui seroit delivre aujourd'hui des Lettres de
i ütoyen de cette Ville.
2) Am 1., 8. und '.). Oktober, an denen die Luftreise erwartet wurde. An anderer
Stellt' prahlt Blanchard, es habe nach dem I. Oktober in Aachen geheissen, die Ver-
zögerung .sei zwischen ihm und den Wirthen verabredet, um die Fremden in Aachen
zurückzuhalten.
3) Text: Jamais je n'ai vu moins de inende dans mon eneeinte. Aus einer Stelle
folgt, d;\<s Blanchard auf mehrere Tausend* Zuschauer gerechnet hatte, sich aber mit et wa
200 Personen begnügen musste.
') Ein Aachener hatte Blanchard auf dieses hübsche, aber bittere Wortspiel auf-
merksam gemacht. Im Text lautet es: trainer la carosse und trainer par les cheveux.
') Gemeint sind jedenfalls ein paar damals noch vorhandene Reste wallartiger alter
Befestigungen in der Nähe des Jesuitenklosters.
- 57 -
Häuser am Jesuitenkloster lagen. Sie hoben einige Ziegel aus dem Dache
und schauten so den Vorbereitungen für die Auffahrt zu '.
Zum Schaden gesellte sich der Spott. Am 9. Oktober warnten Unbe-
kannte in den Aachener Strassen die Vorübergehenden vor dem Besuch
des Pdanchardschen Zelts unter dem Vorgeben. es >ei dort so besetzt, dass
man ersticke2. Eine Stunde vor der Auffahrt erschien der Herzog von
Cumberland, welcher für 4 Personen Plätze belegt hatte, stiess die Thüre
ein und verlangte sofortiges Auflassen des Luftballons. Die Leute des
Herzogs folgten ihrem Herrn, ohne im Besitz einer Eintrittskarte zu sein.
Blanchard mochte und durfte die festgesetzte stunde nicht ändern, weshalb
er dem barschen Ersuchen nicht entsprach. Zum Dank erklärte später in
der Abendgesellschaft bei der Fürstin Gagarin in Blanchards Gegenwart
der Herzog, dass er einen Mann von Talent nicht höher schätze als seinen
Kutscher :!.
Ueber sein Aufsteigen und die spätere Landung schreibt Blanchard4:
„Als ich mich erhob, standen nach den mittelst meiner Apparate ange-
stellten Berechnungen die Wolken 1000 Toisen5 hoch über der Stadt; eine
halbe Meile südwärts dagegen hingen sie bedeutend tiefer, weil sie nach
dieser Seite hin die Erde meinen Blicken entzogen, nachdem ich kaum die
erste Höhenschicht erreicht hatte. Ich erblickte einen kleinen Ballon6,
welchen man nach dem meinigen aufgelassen hatte; er eilte in eine mir
nahe Wolke, stieg dann mit grosser Schnelligkeit und verlor sich bald im
unermesslichen Weltraum. Die Luft war ziemlich mihi, die unbeweglichen
Wolken gewährten in ihren mannigfaltigen Formen einen entzückenden
Anblick; meist glichen sie den Felsenbergen, deren Farbenreichtum von
so blendender Schönheit ist. Hingerissen von Bewunderung freute ich
mich des mir immer neuen Schauspiels, aber ich setzte mit Beharrlichkeil
meine Beobachtungen fort. Die zuletzt durcheilte Wolke war ungefähr
150 Fuss dick; ich befand mich jetzt etwa 7500 Fuss über der Erde und
öffnete die Klappe. Fast augenblicklich sah ich die Erde wieder, hatte aber
beim Landen mit Schwierigkeiten zu kämpfen, weil der Ballon über Wal-
dungen schwellte. Bald indes erblickte ich einen für die Landung günstigen
') Blanchard nennt die Namen, welche hier fortbleihen. Er hatte bei seinen Vor-
stellungen eigens bezahlte Aufpasso-, die ihm reiche, aus der Ferne umsonst zuschauende
Personen namhaft machten. Später veröffentlichte dann Blanchard die Namen.
-') Text: Gardez-vous bien d'entrer ehe/. .Air. Blanchard, La foule esl si grande qu'on
y etouffe.
8) Erzählt Blanchard die Wahrheit, so war wohl der Bildungsgrad des Herzogs ein
niedrigerer als der seines Kutschers.
4) Wahrscheinlich aus Unwillen über diegeringe Betheiligung verzichtete Blanchard
in Aachen auf ein sonst häufig gezeigtes Kunststück. Er führte nämlich meisl auf -einen
Luftreisen einen Fallschirm mit sieh, in welchen er ein Lebendes Thier (Kaninchen, Bammel
u. s. w.) Legte, um es aus einer Höhe v ihrem Hundert Fuss zur Knie zu senden, wo
es in der Regel unversehrt anlangte.
■) Etwa 1950 Meter.
6) Jedenfalls ein mit Menschen nichl besetzter Ballon; vgl. oben S. 54, An-
merkung 8.
— 58 •
Obstgarten1, auf welchen ich zulenkte, und wo sich sofort mehrere Land-
leute2 versammelten. Diese riefen mir zu: „Seien Sie unbesorgt, wir
sprechen französisch, wissen Näheres aus den Zeitungen und werden alles
tJmn, was Sie wünschen!" In der That halfen sie mir den Ballon leeren
und zusammenfalten, was schnell erledigt war. Hierauf kamen die Herren
von Bonn und Choren, welche meinen Landungsplatz im Gehölz gefunden
hatten. Ich stieg zu Pferde und traf bald meinen mir entgegen gesandten
Wagen. Der Ballon wurde oben auf den Wagen gelegt 3, worauf ich mit
mehreren Reitern nach Aachen zurückkehrte." In sehr anerkennender
Weise spricht sich Blanchard über die Aufnahme aus, welche er nach seiner
Luftreise im Aachener Kathliaus bei den Rathsherm fand. Die Ertheilung
des Bürgerrechts hatte ihm grosse Freude gemacht, ebenso das Geschenk
einer schönen Uhr nebst Kette, womit ihn der Rath beehrte. Angenehm
auch berührte Blanchard die Versicherung, dass nur die ungünstige Geldlage
der Stadt es dem Rath unmöglich mache, dem Luftschiffer den ihm in
Aachen erwachsenen Verlust zu ersetzen. Am Abend des 9. Oktober besuchte
Blanchard mit mehrern Rathsherrn den Schauspielsaal. Hier hatte man bis
zu seinem Erscheinen mit dem Beginn der Vorstellung gewartet; er wurde
lebhaft beklaschtundnahm in der mit Blumen und Laubgewinden geschmückten
Loge der Fürstin Gagarin4 Platz. Inmitten des Saals erhob sich Blanchards
Büste, welche schliesslich, ähnlich wie in Frankfurt, gekrönt wurde. Dabei
feierte eine Sängerin Blanchard als den König der Lüfte, dessen Talente
ihm schon auf Erden den Rang der Götter sicherten. Den Schluss des Tages
bildete ein grosses Abendessen, welches die Fürstin Gagarin zu Ehren des
Luftschiffers in einem Saal der alten Redoute gab.
Hier bricht Blanchards Bericht mit der Bemerkung ab, dass die
Fortsetzung5 in Lüttich erscheinen werde. Es lohnt nicht der Mühe nach
derselben zu forschen, da aus dem Vorhandenen der wesentliche Theil
des Sachverhalts genügend vollständig zu ersehen ist.
Als Blanchard in Aachen auftrat, stand die Luftschiffahrt hoch in
Ansehen, obschon sie erst in den Windeln lag. Allenthalben stellte man
Versuche an, meist aber mit so unglücklichem Erfolg, dass vielfach die
J) Nach den Aimalen des bist. Vereins für den Niederrhein (Bd. 43, S. 120) landete
Blanchard in Klinkheide bei Kohlscheid und fuhr vierspännig nach Aachen zurück.
-) Zwistigkeiten zwischen Landleuten und Luftschiffern sind oft unvermeidlich, da
die Regelung der Entschädigung beim Landen in Fruchtfeldern oder Gärten meist schwierig
ist. Zu Blanchards Zeiten rissen zuweilen zur Vermeidung von Weitläufigkeiten die
Landleute die Anker ans, welche die Luftschiffer zum Zweck der Landung herabliesseu.
Blanchard seihst erzählt, dass die holländischen Bauern ihm die Lust verleidet hätten, je
nochmals Holland zu besuchen.
8) Der Ballon dürfte also nicht allzu gross gewesen zu sein.
'i Die Fürstin Gagarin -Troubetzkoye, augenscheinlich eine besondere Gönnerin
Blanchards, besuchte vor 100-110 Jahren fast regelmässig jährlich die Aachener Bäder.
sir hatte eine eigene Wohnung in der Komphausbadstrasse ; ihr Gemahl scheint Haupt-
mann in der russischen Garde gewesen sein.
. 5) Der Aachener Setzer hatte deren Fertigstellung verweigert, weil Blanchard
die Aachener Zustände zu heftig tadelte^
— 59 —
Luftreisen von den Behörden verboten wurden1. Unbestritten war Blanchard
der erste Luftschiffer seiner Zeit und viele Unistände trugen dazu bei,
dass er, wo immer er auftrat, weit über Verdienst geehrt wurde. Der
grossen Menge schien er die Aufgabe des Fliegens durch die Lüfte, an
deren LÖsung*seit den ältesten Zeiten der Mensch sich so oft vergeblich
versucht hatte, gelöst zu haben. Ferner verstand er es in recht geschick-
ter Weise, den Glauben wach zu halten, dass er der Lenkbarkeit des
Luftschiffs emsige Studien zuwende und dass seine Beobachtungen der Physik
vortrefflich zu statten kommen würden2. In der Wirklichkeit nahm er,
wenigstens bis zum Jahre 178(5, bei seinen Luftfahrten nicht einmal ein
Thermometer oder Barometer mit3, und den mit den damaligen Hülfs-
mitteln ganz aussichtslosen Versuch, den Ballon nach beliebigen Richtungen
zu lenken, hat er ernstlich sicher niemals unternommen. Ehre und Ruhm4
wurden ihm reichlicher zu Theil als Gold, denn um seine Einnahmen war
es fast allenthalben schwach bestellt''. Seinen eigenen Angaben nach
hatte Blanchard in Gravenhage über 6000 Frs. verloren. Auch in London,
wo eine besondere Vorstellung- vor den höchsten Beamten der Stadt ihm
nur ein grosses Glas Branntwein eintrug, hatte er eine bedeutende Ein-
busse zu verzeichnen. In Rotterdam wurden kaum die Unkosten gedeckt.
in Lille war er geprellt worden, Gent, so schreibt er, hätte eigentlich
einen Ballon von 6 Zoll Durchmesser verdient. Etwas günstiger spricht
sieh Blanchard über Douay, Frankfurt und Hamburg ans, aber über Aachen?
In beispiellos unsinniger Selbstüberschätzung erklärt er6, da— sein .Miss-
erfolg in Aachen in der Geschichte Epoche (!) machen werde, und dass noch
in den fernsten Zeiten die Mehrzahl der Bewohner Aachens hierüber erröthen
müsste! Allerdings war Blanchards Auftreten in Aachen für ihn mit
Verlust verbunden; fraglich dagegen ist es, ob dieser Verlust 2000 Thaler
betrug- und noch fraglicher bleibt es, ob wirklich Blanchard die Stadt an
drei Tagen mit Fremden gefüllt hat7. Der Misserfolg war das fast unaus-
bleibliche Schlussergebniss einer Reihe von Fehlern. Verfehlt war die
l) Annalen des historischen Vereins für den Niederrhein a. a. 0.
-) Folgt aus mehreren Stellen der mir vorliegenden Druckschriften.
•:) [n Hamburg wurde ihm dies vorgeworfen; auch in Aachen scheinl er diese Instru-
mente kaum benutzt zu haben.
') in manchen Städten aber auch scharfe Angriffe; denn vielfach hiell man vor
L00 Jahren die Luftschiffahrt für eine /.war schöne, alier nidn eben sehr bedeutende
Erfindung. Witzig hiess es stellenweise, der Luftschiffer fülle seinen Ballon und leere
die Taschen der Zuschauer.
-') So auch in spätem Jahren. Blanchard besass sc) im J. L785 mindestens 20000
Frs. Vermögen. Seine Ehe blieb kinderlos; nach vielen Dutzenden damals berühmter
Luftreisen in den ersten Städten der alten und neuen Well betrug derNachlass um L819
höchstens 50000 Fr*. (Aachener Wahrheitsfreund 1819, Nr. L12).
c) Text: Eu verite" cette aventure presqu'incroyablc, qui fera epoque dans l'histoire,
devra faire rougir ä jamais et jusqu'ä La postöritC la plus reculöe la plüparl des habitants
de Celle ville.
7) Der Tag- des Aufsteigens war ja der Witterung wegen zu unbestimmt!
— 60 —
Wahl einer verhältnissmässig kleinen Stadt1, welche sich grosser Wohl-
habenheit nicht erfreute; verfehlt war es, eben in demjenigen Jahr nach
Aachen zu kommen, in welchem innerer Zwist und Aufruhr bei uns an
der Tagesordnung waren2. Wurde trotzdem Aachen, vielleicht mit Rück-
sicht auf seine vielen vornehmen Badegäste gewählt, so musste Blanchard
nicht am Schluss der Kurzeit, sondern etwa im Juli oder August auftreten ;
wahrscheinlich hätte sich dann das Ganze für ihn etwas günstiger gestaltet 3.
Nach dem 9. Oktober 1786 wird des Luftschiffers Blanchard in den
Aachener Zeitungen nur noch an sehr vereinzelten Stellen gedacht. Auf-
sehen erregte seine Landung im Walde bei Eupen zu Ende Dezember
1786; er war damals in Lüttich aufgestiegen und hatte die grosse Strecke
bis Eupen angeblich in kaum einer Viertelstunde zurückgelegt4.
Mehrfach noch ist dagegen bis zum Schluss der Fremdherrschaft5
von andern Luftschiffern und ihren Ballons die Eede. Hier nur zwei
Beweise. Vor der auch für das Geschick Aachens so verhängnissvollen
Schlacht bei Fleurus am 26. Juni 1794 hatten die Franzosen die feind-
lichen Stellungen von der Höhe eines an Stricken aufgelassenen Luft-
ballons aus beobachtet. Bald nach der Einnahme Aachens durch die
Franzosen im September desselben Jahres wurde dieser Ballon von Lüttich
aus nach Aachen gebracht und lagerte, vielfach bewundert, in einer Wiese
bei Burtscheid ';.
In friedlicherer Zeit als 1794 erhielt Aachen unter autfälligen Um-
ständen den Besuch der Luftschifferin Garnerm aus Paris. Diesel Ite stieg
in Paris gegen 101/« Uhr Abends am 19. August 1809 auf und landete um
11I2 Uhr am Morgen des folgenden Tags in Vaels bei Aachen7. Eine so
schnelle Reise von der französischen Hauptstadt nach Aachen hat selbst
das Zeitalter der Eisenbahnen wohl kaum aufzuweisen.
') Aachen hatte 25 000 Einwohner; der Geldwerth war ein viel höherer als heut-
zutage. Ein Vergleich mit den heutigen, viel grossartigeren Verhältnissen ergibt sofort,
dass es damals fast unmöglich war, für Blanchards Vorstellung die gewünschten 400
Louisdor durch Einzeichnungen aufzutreiben.
-) Im .f. 1786 waren die unter dem Namen Makelei bekannten Unruhen aufs höchste
gestiegen; wie Haagen a. a. 0. erzählt, befürchtete man auch gelegentlich Blanchards
Luftschiffahrt stürmische Auftritte.
■) Zum grossen Theil mögen Blanchards Aachener Freunde den Misserfolg verschulden ;
sie mussten die Verhältnisse besser kenneu als Blanchard, welcher Aachen fern stand.
4) Stadt-Aachener Zeitung vom 30. Dezember 1786.
5) Die spätere Zeit bleibt hier ganz unberücksichtigt.
6) Aachener Zuschauer, Nr. 119 vom 4. Oktober L794: „l>ie Aerostaten-Compagnie
hat den Ballon von Lüttich durch die Luft hielier gebracht."
7) Aachener Fremdenliste. Augustnummer 1809.
61
Kleinere Mittheilungen.
Der erste Buchdrucker in Aachen. Der Verfasser des Dictionnaire de Geographie
ancienne e1 lerne ä L'usage du libraire etc. 1883 hal bei jedem Orte die ersten dorl
erschienenen Drucke verzeichnet. Für Aachen gibt er an:
Jacolms H^vthusius Antverpianus : Exemplaria sive formulae scripturae ornatioris
XXXV. In quibus praeter diversa litterarum genera, varii earumdeni duetus, strueturae
et connexiones traduntur. Aquisgrani, 1591. i ". K> sind dies also Schriftproben.
Einer der ersten Drucker zu Aachen ist nach seiner Angabe Johann Schwuartzenbach.
Meteorstein oder Hagelstein? In einer holländischen Chronik, die ich jetzt nicht
mehr namhaft machen kann, fand ich beim J. L552 bemerkt: Te Sleusingen in Vrankryk
regenden het Keizelsteenen . . . En te Aken viel een steen nir de lugt.
Aachener Tuch. Zu Braunschweig erhielten 10 Personen, welche Pedellendienste
thaten, für de» Sommer jede 7 Ellen aachensches Tuch, für den Winter ebensoviel braun-
schweigisches Grautueh. Dürr, Gesch. d. St. Braunschw. 1875, S. 337.
Karl d. Gr. im Bade. Das Chronicon Balduini Ninoviensis erzählt folgendes
Histörchen: Carole cum nuntiaretur de casu Leonis papae in balneo, sedens -tili manu
tonsoris nuntium audivit. Qui mox de balneo exiliens juravit tonsuram sibi non perficien-
dam, donec vindieta facta papam sedi suae restitueret, quod ita factum est etc. Nicht
bloss wurden dem badenden Kaiser Gesandte vorgestellt, sondern dorr liess er sich auch
philosophische Themata vortragen, wie uns Alkuin (ep. 205) erzählt : de cuius numeri
mira significatione memoro olim nie domino meo David dixisse calido caritatis corde in-
fervente naturalis aquae balneo.
Aachen. 11. M. Lersch.
Eine Aachener AVachtordimng ans dem Jahre 1759.
In frühern Zeiten haben in fast allen Städten von einiger Bedeutung die Bürger
die Wachtdienste in der Stadt selbst und auch an den Stadtthoren hei Tag und hei Nacht
geleistet. Mitglieder der Zünfte und sonstige Bürger wurden dazu herangezogen. Da aber
deren Gewerbe darunter nothwendiger Weise leiden musste, so führte man später an vielen
Orten eine Steuer ein, aus der man die Wachtmannschaften bezahlte. In jenen Städten
aber, wo sich der persönliche Wachtdiensi erhielt, fanden soviele Loskaufungen davon statt,
dass er für die weniger Begüterten äusserst lästig und drückend wurde. Diese suchten
sich denn auch an dem unangenehmen Amte vorbeizudrücken, wo sie nur konnten; was
ihnen wesentlich dadurch erleichtert wurde, dass die Hauptleute selbsl ihre I 'Hiebt ver-
säumten und die Wachen nicht revidirten. Dies gab in Aachen im Jahre 1759 Anlass zu
einer Rathsverordnung, wodurch für jede Strasse fleissige und treue Wächter angestellt
wurden, die aus einer monatlich zu erhebenden Steuer bezahlt wurden. Hier haben wir
also einen amtlichen Nacht Wachdienst bereits so Jahre früher, als die vor Kurzem in einer
hiesigen Zeitung mitgetheilte Verordnung von 1836 feststellt. Die Verordnung lautete
folgendermassen :
„Die bei Tag und Nacht verschaffe Sicherheil is1 in allen Staaten und Republiquen
die starekste Mitprob einer löblich eingerichteten Policey: davor sonderlich zu sorgen, ist
die schuldige Obliegenheit deren Regenten: gleichwie nun Ein Eochweiser Ratb allzeit
wohl darauf bedacht gewesen, und auch hal gewärtigen dürfen, dass (so fern ihren Ver-
ordnungen jederzeit nachgelebet) in hiesige]- st ;i d t da ruber der mindeste Beschwer oiemahlen
erfolgen würde, so hat derselbe doch, leider! bittere Klagen vernehmen, und die unangenehme
Erfahrung haben müssen, dass bei dermahligen gefährlichen Zeiten schon von Jahren her
eine löbliche Bürgerschaft, und das ihrige bei nächtlicher Weil dem Raub- und Diebsgesindel
bloS gestellt gewesen, Welches daher gekiilimieii, daSS die l'.Ürgerl iihe Ober- Und l'nter-
Officiers von denen Wachten abgeblieben, und dadurch veranlasst haben, das- die Wacht
haltende wenige Bürger, weil selbsl ohne chef und folglichen ohne alle Direction waren,
gleich nach 10 Uhren Abends von ihren Posten ab, und mich Haus gegangen seynd: wan
aber aller Gefahr und üebel bei Zeiten muss vorgebogen werden, und dan zu befürchten
— 62 —
ist, dass bey herannahendem Winter das Rauhen und Stehlen, oder doch das böse Unter-
nehmen wiederum stareker werden dürfte, so hat Ein Hochweiser Rath nach reiflicher
Erwegung, der Vorsicht und Nothdurft zu sein erachtet, dass in jeder Strass fleissig- und
treue Wächtere, welche ihre geschärfte Instruction haben sollen, angestellet, und solche
Maass-Regulen genommen werden, damit die gantze Stadt gesichert seye: diese Vorsorg
und weitere Einrichtung soll nach Vermuthen jederman um damehr gefallen, als niemand
dabei beschweret wird, der Beytrag zum Unterhalt deren zu diesem heilsamen Werck
nöthigen Leuten ist in dreyen Classen vertheilet, und solle jeden Monat eingefordert
werden: die erste ('lasse gibt monatlich 3 Märck vom Haus, die zweyte vom Haus 6 Märck
und die dritte 12 Märck Aix. Dagegen spricht Ein Hochweiser Rath die gantze Bürger-
schaft von deine los und frey, was sie sonsten denen Hauptleuten zur Bestellung der unter-
lassenen Wachten zahlen müssen; selbe Wachten sollen den lOten des folgenden Monats
Novemhris (wiewohlen die Bürger-Compagnien in ihrem Esse bleiben) nachlassen, dargegen
soll alsdann die. neue Anordnung ihren Anfang nehmen.
Also überkommen im Rath, und einem jeden durch die Druck bekennt zu machen
verordnet, Aachen den 31 Octobris 1759".
Aachen. IL Schnöd-.
Fragen.
In den von Laurent herausgegebenen Aachener Stadtrechnungen werden folgende
Ausgaben verzeichnet:
It. den weichteren van den ballingen ind Lewerken 3 qu. S. 379,25; 302,32,33;
304,29.
It. den weichtern van den oister hier zu verbieden 3. S. 300, 9,io.
It. den weichteren van den hier ind van den lewerken ze verbieden 3. S. 306,i.
Welche Bewandniss mag es mit diesen Bestimmungen haben? W.
In dem Necrologium ecclesiae B. M. V. Aquensis heisst es S. 52:
Obiit Nicolaus pro quo habemus quartam partem domus supra riuulum merchul
(Es starb Nikolaus, für welchen wir haben den vierten Theil eines Hauses über dem Bache
Merchul). Dieselhe Oertlichkeit dürfte S. 62 verstanden sein: Obiit Steina que et maritus
eins wikerus dederunt doinum super merdenchul . . . (Es starb Steina, welche nebst
ihrem Gemahl Wirikus ein Haus über Merdenchul schenkten.) Was ist unter merchul,
merdenchul zu verstehen. M.
Ebendaselbst wird S. 66 zweimal eine platea foncellis ewähnt, eine Strasse, welche
S. 60 funschel heisst, Wo lag dieselbe? B.
Wer kann den Strassennamen Krakau erklären? Es sei bemerkt, dass dieser Name
mehrfach als Ortsbezeichnung vorkommt. In den Kämpfen zwischen Spanien und den
Generalstaaten im 16 .und 17. Jahrhunderte eroberte Spinola im Jahre 1605 am 27. Oktober
Wachtendonk und am 5. November Cracau, während Moritz von Oranien vergeblich einen
Anschlag auf Geldern versuchte. (Vgl. Wenzelburger, Gesch. d. Niederlande II, S. 762.)
Magdeburg gegenüber am rechten -Eibufer besteht ebenfalls ein Krakau und Krakauer
Werder. (Vgl. Droysen, Allgemeiner historischer Handatlas No. 43, Nebenkarte.)
A.
Antworten.
Zu S. 46, Frage 3. [Kaffawirker, Kaffaienwirker, Kirfeienwirker]: lieber die
Bedeutung des Wortes gibt Grimm, Deutsches Wörterbuch V, Sp. 21,26 und 850 Aus-
kunft. Kaffa oder caffa, caffar ist ein Seidenzeug, Sanimet (Kaftsammet) und findet sieh
in dieser Bedeutung in Urkunden des 17. Jahrhunderts aus Leipzig, Hamburg, Minden.
Zur Vergleichung dient franz. cafard und altengl. caffa. Jetzt bezeichnet das englische
caffa ein ostindisches Baumwollenzeug. Kaffawirker, Kaffaienwirker sind demnach Arbeiter,
welche bei der Herstellung dieses Sammets thätig sind. Hiervon zu trennen ist die
Bezeichnung Kirseienwirker ; (denn so, nicht Kirfeienwirker ist zu lesen.) Kirsei, männlich
— 03 —
und sächlich gebraucht, auch Kersei, Kirschei heisst ein gekepertes Woflenzeug, eine Art
Flanell (engl, kersey, el. karssai, dän. kersei, schwed. kersing, franz. cariset, ital. span.
earisea.) (Mittheilung des Herrn Gymnasiallehrer Fr. Oppenhoff in Aachen.)
Zu S. 32, Frage 2 [Pau]: Eine nach vielen Seiten sein- ansprechende Deutung der
Pau und Paunelle, zweier Bachnamen innerhalb der Stadt Aachen, gibl II. Marjan:
Rheinische Ortsn&men, Heft 4, 1884, S. 9 und 10. Es heissl daselbst :
Bei der Erklärung dieser offenhar dunkeln Formen weiden, wir am sichersten von
„Pawnella" ausgehen. Dieses Wort, welches in -einer Endung — eil sichtlich ein Ver-
kleinerungselement enthält, ist aus latein. pavonellus oder pavonella „junger Pfau"
entstanden, welches Deminutiv unter derselben Bedeutung im heutigen Französischen noch
als paomieau existirt. Demnach müsste ehemals das Stammwort pavea, die heutigePau,
die Bedeutung- oder doch wenigstens denselben Laut wie das Wort Pfau gehallt haben.
Der letztere Fall, der Gleichlaut, war in der That vorhanden; denn das Thier führte den
Namen Paw im den beiden Sprachen, die hier in Betracht kommen können, im Wallonischen
und Altniederdeutschen. Wallonisch lautet es pawon im Malmedier, pahon im Namürer,
pawe im benachbarten Lütticher Dialekt, welch letzterer also das n der Grundform pavon
(vom acc. pavonem) abgeworfen hat und nun eine mit altholländischem paaw „Pfau"
gleichlautende Form aufweist.
Aber was soll Pfau als Bachname?
Die folgende Zusammenstellung wird hoffentlich das Räthsel lösen.
Wallonisch: Althollandisch:
Aus lat. potion(em) oder spätlat. pusiou(em)
wurde altwallon.pouhon „ein aus Mineral- •=$ > die paawhoen, gespr. pauhon
quellen entstehender Bach-1: = das Pfauhuhn
pouhon lautet im lütticher Dialekt pawe < $>• paaw = Pfau
1 V
pavonella = junge Pfauin.
Vgl. frz. paomieau aus pavonellus.
Ueber Pouhon schreibt ein Kleister romanischer Etymologie (Grandgagnage, Dict.
etymol. de la Langue Wallonne, herausgegeben von A. Scheler. tom. II p. 260.):
Le niot pouhon, de puits, a degage dans les Ardennes le sens „fontaine d'eau
minerale" et comme tel, le mot est une denomination generique appliquee ä
toutes les sources minerales de ce pays et nullement restreinte ä la plus
connue d'entr'elles, la fontaine de Pierre-le-Grand ä Spa. Une ordonnance
rendue par Erard de la Mark ä Curenge, en nov. 1519, mentionne dejä les pouhons de
Sari et ceux du Barissart."
Eis hat nun eine Zeit gegeben — es wird gegen Ende der karolingischen Eerrschaft
(c. 900) gewesen sein, — in welcher in hiesiger Stadt, die seit Karl dem Grossen angefangen
hatte, zweisprachig zu werden, das Wallonische und das Alt holländische nebeneinander
existirten. Damals nannte man Paw, Pau sowohl den sich aus den Mineralquellen
der Stadt bildenden, an der sog. Ketschenburg in die Wurm fliessenden Bach als
auch den Pfau. Bei der Neigung des Volkes, die leblosen Gegenstände, namentlich Heim-
lichkeiten, in der Sprache als lebende Wesen darzustellen, musste die Vorstellung des
Thieres die andere, jetzt mit dem allmählichen Verschwinden des wallonischen Idioms
unverständlich werdende, verdrängen. Der „Pfau" hatte bald gesiegt. Was war nun
natürlicher, als das man den Nebenbach „Pfauchen, kleine Pfau" nannte? I'ml wenn
jemand an dem grammatischen Geschlechte der Bachnamen ..die Pau, die Paunelle"
Anstoss nehmen sollte, so sei hier bemerkt, dass im Aachener Dialekt da- hochdeutsche
Huhn von jeher weiblich war, man saute und sagt: die Huhu: „de hon", und da
man auch das romanische Wort ponel] als „junger Pfau" im Gebrauche hatte, so ging
dieses allmählich auf den Nebenbach über. Andere alle Namen haben diese ehedem
ganz ausserhalb de- Stadtbezirks fliessenden Gewässer nicht gehabt, denn auch der Name
des dritten Aachener Baches, de- Johannisbaches, ist offenbar erst jüngeren Datums.
Der älteste Name des Paubaches aber, pouhon. ist abzuleiten entweder \,,m Namen
pusion des spätlab pusio = Bach oder von dem nach Form und Bedeutung fast iden-
tischen lat. pot io Trank.
— .64 —
Zu Seite 16, Frage 1 [Engeland oder Ingelanden]: In Holland nennt mau Inge-
landen Grundstücke, die eingedeicht oder mit einem Wall umgeben sind. (Mittheilung
des Herrn Staatsarchivar J. Habets in Maastricht.)
Zu S. 32, Frage 4 [Rennbahn]: Der Strassenname „Rennbahn" in Aachen erinnert
an die so häufig vorkommende Bezeichnung „Rennweg'', „Rennstrasse", „Rennsteig", welchen
manche R hnerstrassen und auch vorrömische Wege führen; am bekanntesten ist der „Renn-
steig" oder „Rennstieg", welcher in einer Erstreckung von 2."> Meilen über den Thüringer-
und Frankenwald führt. (S. meine Schrift: Die alten Heer- und Handelswege im deut-
schen Reiche, Heft 3 und 6.) Hierbei ist zu bemerken, dass in der Umgegend von Aachen
die Bezeichnung „Bahn" statt „Strasse", „Weg" nicht selten vorkommt; so erscheinen
alte Wege, welche sonst „Heerstrasse", „Heerweg" heissen, dort unter dem Namen „Heer-
bahn", und dalier scheint es wohl nicht zweifelhaft, dass der in Aachen vorkommende
Name „Rennhahn" identisch ist mit der anderwärts vorkommenden Bezeichnung „Renuweg"
oder „Rennstrasse". (Mittheilung des Herrn Professor Dr. J. Schneider in Düsseldorf.)
Zur Erklärung des Xantens „Rennbahn" mache ich darauf aufmerksam, dass der-
selbe auch als Bezeichnung eines Drieschs in der Aachener Gegend vorkommt. In einer
Urkunde vom 24. Juli 1524 (gedruckt bei Quix, Geschichte der St. Peter-Pfarrkirche
S. 79 ff.) heisst es nämlich: item noch niyt eynen driesch, genant die Renbau, wie der
sievenden halven morgen myn of mee unbevangen haldende ind tuschen synen peelen ind
reygenoesen gelegen is, tuschen den zwen wegen buyssen sent Jacobs portze beyde nae der
Preusen gayude . . . ; noch eynen driesch, ouch genant die Renban, wie der seevenzien
morgen myn of mee unbevangen haldende ind tuschen synen peelen ind reygenoesen gelegen
is buyssen sent Jacobs portze lanx den wege nae der Preusen gaynde up eyne ind neest
deine wege nae dat Hasselholt z gaynde. Sollte vielleicht einer der hier erwähnten Wege
früher „Rennbahn" geheisseu haben und der Name später auf die anschiessendeu Grund-
stücke übergegangen sein? (Mittheilung des Herrn Stadtarchivar R. Pick in Aachen.)
Auch Dresemann, Die Jakobskirche zu Aachen S. 71 erwähnt einen Besitz „an der
Renban hoven die Koegass". Anm. d. Red.
Vereinsangelegenheiten.
Monatsversammlungen im Hotel zum Elephanten (Ursulinerstrasse).
1. Am Mittwoch, den 27. Februar 1889, Abends ll\2 Uhr. Vorträge:
Zur Geschichte Aachens aus dem Jahre 1823.
Die Einwohnerzahl Aachens im Anfang' des 19. Jahrhunderts.
2. Am Mittwoch, den 27. März 1889, Abends 7x/2 Uhr. Vorträge:
Mittheilungen über die Radermacher-, Schmiede- und Kupfer-
schmiedezunft in Aachen.
In Kommission der F. Bagel'schen Buchhandlung in Düsseldorf i>r erschienen und
durch alle Buchhandlungen zu beziehen:
Professor Dr. J. Schneider:
Die alten Heer- und Handelswege der Germanen, Römer und Frauken
im Deutschen Reiche.
Sechstes Heft. — Düsseldorf 1888. — Preis 1 .Mark.
Druck von Hermann Kaatzer ix Aachen.
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Jährlich 8 Nummern
a 1 Bogen Royal Oktav.
Preis des Jahrgangs
4 Mark.
Kommission«; -Verlag
der
Cremer'schen Buchhandlung
(C. Cazin)
in Aachen.
Mittheilungen des Vereins für Kunde der Aachener Vorzeit.
Im Auftrage des Vereins herausgegehen von Dr. K. Wieth.
Nr. 5.
Zweiter Jahrgang.
1889.
Inhalt: B. M. Lersch, Aquisgrani? — E. Pauls, Ein Aachener Schuldrama des 18. Jahr-
hunderts. — Kleinere Mittheilungen: Nachgrabungen in Cornelimünster nach dem Grabe
des heiligen Benedikt von Aniane. - - Der Vogelfang bei Maxen, den 20. und 21. Novem-
bris 1759. — Vereinsangelegenheiten.
Aquisgrani?
Von B. M. Lersch.
Veranlassung zu den nachfolgenden Ausführungen bot die von E. Pauls
in dieser Zeitschrift gemachte Bemerkung, dass zur Zeit des Naturforschers
Plinius Galmei in Deutschland gefunden worden sei \ was der Verfasser
auf unsere Gegend bezieht. Obwohl unser Landstrich mehr zum belgischen
Gallien gehört haben mag, scheint der Ausdruck „germanische Provinz"
doch kaum auf ein anderes Gebiet als auf die Rheinprovinz bezogen werden
zu können. Ausser Aachens2 Umgegend könnte er aber auch auf Gressenich
bezogen werden, wo die Römer ausgedehnten Bergbau betrieben haben;
dort soll die Strasse mit Galmeierz gebaut worden sehr'. Will man die
*) Die Stelle in Plinii bist, natur. XXXIV, 1 lautet: Ars iit et e lapide aeroso,
quem vocant cadmiam; celebritas in Asia et quondam in Campania, nunc in Bergomatium
agro, extrema parte Italiac. Feruntque nuper etiam in (ierinania pruvincia repertum.
Cadmia ist der Beschreibung nach sicher ein Zinkerz gewesen.
2) In der Mitte des 17. Jahrhunderts wurde im Gebiete von Verlautenheide Galmei
entdeckt und das Bergwerk Herrenberg errichtet. 1658 lie-> die Jtilichsche Regierung
des Reichswaldes die städtischen Arbeiter gefangen nehmen. Seit dem letzten Dezennium
des 18. Jahrhunderts liess die Stadt das Bergwerk nicht mehr bearbeiten und 1831 verkaufte
sie es an John Cockerill. Es hatte damals L 17345 Qu. Lachter Fläche. Es isl dies wohl
das Galmeibergwerk bei Nirm.
3) Zeitschrift des Aachener Geschichts- Vereins III, S. 146.
— 66 —
Stelle, die übrigens nur vom Hörensagen spricht, auf Aachen beziehen, so
müsste man doch römische Funde in unserm Galmeibergwerke nachweisen
können, was soviel ich weiss, noch nicht geschehen ist. Uebrigens war
für Plinius das westliche Rheinland keine unbekannte Gegend; er zählt die
Bewohner als zu Gallien gehörig auf1. Ausser Köln nennt er dort keine
Städte. Vielleicht hatte er in einem verloren gegangenen Werke, worin er
zwanzig Kriege in Deutschland beschrieb und welches er zur Verherrlichung
des Germanikus verfasste, weitere Angaben gemacht2.
Aber hätte er in seiner Naturgeschichte nicht unserer Thermen Erwäh-
nung thun müssen, wenn sie ihm bekannt gewesen? Dass er sie nicht erwähnt,
ist jedenfalls kein Beweis, dass er sie nicht kannte. Auch Wiesbadens
Quellen sind nur gelegentlich von ihm erwähnt, anders keine aus unseren
Gegenden, wenn man von Tongern in Gallien absieht 3. Wie viele Thermen
anderer Länder übergeht er nicht mit Stillschweigen? Welcher Schriftsteller
des Alterthums spricht von den mit weitläufigen Badegebäuden versehenen
Thermen zu Bath in England4, den Aquae Sulis, wo man der Dea Sul
d. h. der Minerva, kelt. Sol, gewidmete Altäre gefunden hat? Für Aachen
fehlen selbst darauf bezügliche Steininschriften5. Dennoch war Aachen
unter römischer Herrschaft, wie die Nachgrabungen aus älterer G und
neuerer Zeit beweisen, ein von ihnen beachteter Badeplatz, wo sie ein
grosses Badegebäude errichteten. Hier badeten nicht nur römische Sol-
daten, sondern, wie die grosse Zahl von gefundenen Haarnadeln neben
einem goldenen Ohrringe und zwei Gemmen, die wir fanden, zeigen, auch
vornehme Damen. An anderer Stelle 7 habe ich zu beweisen versucht, dass
etwa in den Jahren 70 — 90 n. Chr., theils vielleicht schon zwischen 58 — 68
diese Gebäude entstanden sind. Die 30. Legion hat auch später (etwa
101 — 107) daran gearbeitet, als sie mit der 1. und 6. in Untergermanien
lag. Viel früher aber war schon die 1. Legion in unserer Gegend; mit vier
*) Hist. nat. IV, 17: Rhenum accolentes, Germaniae gentium in eadem provincia
Nemetes, Tribochi, Vangiones, hinc Ubii, Colonia Agrippinensis, Gugerni, Batavi et quos
in insulis diximus Blieni.
2) Plin. Caec. ep. III, 5 : Inchoavit cum in Germania militaret, somnio monitus.
Adstitit enim ei quiescenti Drusi Neronis effigies, qui in Germania latissime victor ibi periit.
Commendabat memoriam suam, orabatque ut se ab iniuria oblivionis assereret.
:]) Hist. nat. XXIII, 3: Jenseits des Rheins am Meere lag eine süsse, aber den
Zähnen schädliche (Quelle. In Germania trans Rhenum castris a Germanico Caesare promotis.
4) Aquae calidae, Sulis im Hin. Ant., Aquae cal. Belgarum transductorum nach
Dict. de Geogr.
5) Könnte eine Mainzer Inschrift TRO ? AQVIS (Jahrb. de Vcr. f. Alt. XV, 95)
sich auf Aachen beziehen?
6) Bereits 1834 stiess man jenseits der Wilhelmstrasse auf die röm. Wasserleitung
und Ziegel der 6. Legion. „Bei Anlage der Gärten hinter den in der Neustrasse vor der
Stadt links gelegenen Häusern fand man eine grosse; Anzahl Bruchstücke solcher aus
gebrannter Erde bestehender Backsteine." Lorsch, Gesch. d. St. Aachen S. 10. Vor einigen
Monaten wurde eine grosse, Strecke der von Burtscheid kommenden Leitung auf dem Terrain
der ehemaligen Gasfabrik aufgedeckt.
7) Lersch, Römische Legionsziegel zu Aachen in der Zeitschr. d. Aacli. Gesch.
V.T. VII, S. 159.
• — 67 —
andern lag' sie, wie Tacitus berichtet, im Sommer des J. 14 n. Chr. „an
den Grenzen der Ubier in Müssiggang und Leichter Beschäftigung" sich
die Zeit vertreibend.
Jene Legionen scheinen ihre als transrhenan bezeichneten Ziegel
vorzugsweise4 jenseits Nymwegen angefertigt zu haben, aus welcher
Gegend noch jetzt Ziegel verführt und wegen ihrer Güte gesucht werden.
Jedenfalls war Aachen im 1. Jahrhundert nach Chr. schon „gegründet".
Ohne Zweifel bestand auch schon im 1. Jahrhundert vor Chr. und lange
vorher eine Ansiedlung an unsern Thermen. Einzelne Funde aus der Stein-
zeit und keltische Ortsnamen ' weisen daraufhin. Einst waren die Eburonen
in unseren Gegenden sesshaft. Cäsar vernichtete sie so völlig, dass sie
von da an 'aus der Geschichte verschwinden. Bei den Kriegen, die Cäsar
in oder doch nahe unserer Gegend führte, konnte ihm unser Thermalgebiet
nicht verborgen bleiben; so hochgradige Thermen verrathen ihr Dasein
durch den aufsteigenden Dampf und die Wärme des abfliessenden Baches.
Marjan hat wahrscheinlich zu machen versucht, dass Aduatuka, wo die
Römer überfallen wurden, das jetzige Vetschau sei 2. Die Gelegenheit,
unsere Gegenden kennen zu lernen, bot sich den Römern noch in höherm
Grade, nachdem dieser Landstrich den Ubiern übergeben worden, die, ob-
wohl Germanen, doch meistens den Römern treu blieben und an ihrer Seite
kämpften. Um 38 vor Chr. bestand schon die Kolonie der Ubier (Köln),
oder doch 19 v. Chr., wie Andere rechnen. Nach Sueton wurden 10 000
Deutsche nach Gallien an den Rhein verpflanzt, nach anderer Angabe
unter Tiberius sogar 40000. Sehr wahrscheinlich ist es, dass diese Ein-
wandrer auch unser Gebiet bevölkerten und vordrangen, bis sie auf die
Tungrer stiessen. Genau lässt sich die Grenze zwischen beiden Stämmen
nicht feststellen; sie fiel aber wohl eher westlich als östlich von Aachen.
Die Tungrer zählt Tacitus noch zu den Germanen, wenn sie auch im bel-
gischen Gallien wohnten. Zu Ammians Zeit war Tongern eine „eivitas ampla
et copiosa Germaniae secundae".
An den Kämpfen unter Germanikus nahmen wahrscheinlich die Ubier
Theil. Als derselbe mit 8 Legionen im J. 15 den Rhein überschritt, war auch
die Legio I Min. dabei, die im J. 14 mit der 5. und 20. bei den Ubiern
lag. Köln ward mit dem Namen Colonia Agrippinensis beehrt, weil Agrippina
dort zur Welt gekommen war. Dass zu Köln „eivitas oder oppidum übiorum"
auch die ara Ubiorum gewesen, scheint mir nicht streng bewiesen; bei dieser
überwinterten die 1. und 20. Legion unter Germanikus, hier treffen ihn
') Vgl. Marjan, Keltische Ortsnamen in der Rheinprovinz. Der Name Wurm
scheint „die Warme" zu bedeuten. Man hat im Römerbad einen steinernen Krätzer, in der
Adalbertstrasse einen Schlittschuh und ein Weberschiffchen, die man für keltisch hält,
gefunden, andere Steingeräthe in Heinsberg, Imgenbroich, Schafhausen, Wenau, Eschweiler.
2) Aduatiea bei Cäsar (B. G. VI, 32), Aduaca in Antonin. lim.. Atuaca der Tab.
Peuting. bat bekanntlich sehr verschiedene Deutungen veranlasst; nach Einigen Isl es Duacum,
jetzt Doway, nach d'Anvillicrs war Palais but La fttehaigne der Hauptort der Aduatici.
Der Verf. des weiter unten angeführten Dict. de Geogr. versetz! es bald nach Tongern,
bald nach Namur. Vgl. Marjan a. a. 0.
— 68 —
die vom Senate Abgesandten ; ebendort war Sigmund, des Segestes Sohn,
als Priester angestellt, ehe der Aufstand ausbrach1.
Es mag manche Orte diesseits des Eheins damals gegeben haben, die
aber für die römischen Schriftsteller als nicht befestigte Lagerplätze keine
Bedeutung hatten. Der gegen das Jahr 140 in Alexandrien lebende
Ptolemäus erwähnt nur wenige aus Belgien und der Rheinprovinz2. Von
Aachen, das in späterer Zeit Knotenpunkt von Römerstrassen war, ist bei
ihm keine Rede.
Gehen wir jetzt näher auf die früheren Namen von Aachen ein. Der
Verfasser des Dictionnaire de Geogr. anc. et mod. ä l'usage du libraire
gibt uns die Namen in folgender Folge: Aquisgranum (Itin. Anton.)? Urbs
aquensis, Veterra (Ptol.), Aquae Grani in Tungris (Chr. Carlov.), Grania
villa (Chart. Car. Calv. a. 886), Aquisgranum Palatium (Capit. Car. 1.)
Aquae, Aquis (Praecept. Car. III) en allemand Aachen. . . Fondee par le
Romain Granus l'an 123 de J. Chr. relevee par Charlemagne 3. Hagen in
seiner Festgabe: Aachen oder Achen? hat die alten Formen des Namens
sorgfältig gesammelt. In der ältesten Form erscheint die Benennung
in der indeklinabeln Form Aquisgrani (i. J. 753 und 765), wie später
meistens zu einem Wort verbunden. Bei Einhard zeigt die erste Hälfte
des Wortes sich schon deklinabel, 1166 in Aquisgranum auch die zweite
Hälfte; 804 heisst der Ort aquispalatium, 972 im Volksmunde ahha. Sehr
x) Vgl. auch Schwann, Wo war das Lager der 1. und 20. Legion zur Zeit des
Germanikus? Bonn 1881. Derselbe, Godesberg und die Ära Ubiorum 1880.
2) Ptolem. lib. II p. 9. Von Westen anfangend nennt er nach den Baseler Aus-
gaben: in der Gallia Belgica, regio quam circa renum fluvium inferior Germania appel-
lata: Batavodum (hier unrichtig als Aquisgranum, Aes, Ach erklärt), sub hac Vetera
civitas, Leg. trigesima Ulpia, postea Agrippinensis, Bonna, Leg. pri. inde Trajana Legio
(Koblenz), post Moniacum (Mainz). In den alten Ausgaben von 1508 Rom. und 1523
Argent. (Aach. Stadtbild. No. 5034 und 5033) sind die Namen sehr entstellt und auch
vermehrt. Nach Tacitus hist. V, 14 müssen Batavodurum und vetera castra am Unter-
rhein gesucht werden. Folgt man der tabula Peutingeriana und nimmt ihre Meile zu 2000
Meter, so sind die angegebenen Entfernungen von Col. Agrippina, Novesio, Asciburgium,
Vetera ziemlich entsprechend den Abständen von Köln, Neuss, Duisburg, Wesel oder
Xanten. Trajana ist wohl die von Trajan erbaute und nach ihm benannte Feste oder die
colonia Trajana in Antonins Itinerar. In der Einleitung, welche der Herausgeber der
römischen Edition vorausschickt, finde ich folgende mir räthselhafte Stelle: „Grünes inter
Coloniensem et Trajecensem urbes ultra Novesium oppidum reno adjacentem non memorat
Caesar, sed Tacitus, qui ut adjectura assequi possumus, clivis est locus, unde Clivensis
ducatus dicitur". Es sind dies wohl die von Tacitus (Hist. V, 20, 21) erwähnten, mit
der 10. Legion den Rhein im Kriege überschreitenden Grinnes, welche der Verfasser aber
verwechselte mit den auch von Plinius genannten Gugerni oder Cugerni unweit Novesium
und Gelduba (Hist. IV, 26, V, 16, 18). Wegen der Namensähnlichkeit mit den Granenses,
den Einwohnern Aachens, sind die Grinnes immerhin beachtenswerth.
3) Eine Hillweisung auf Aachen glaubte Pighius (Hercul. prod. p. 15) in einer vor
Constantin gehaltenen Rede zu finden: Rhetor suam patriam calidis fontibus, quibus per-
juria puniuntur et Apollinis sacro luco celebrem atque olim etiam fraterno populi Romani
nomine gloriatam jactitat : cujus tarnen nomen non exprimit. Nisi fuerit Aquisgranum
videant docti, apud quamnam urbem Belgicae vctustam thermae eiusmodi medicae reperi-
untur". Man könnte auf diese Meinung eingehen, wenn der Reduer das Thermalwasser
nicht als geschmack- und geruchlos bezeichnet hätte.
• — 69 —
häufig ist grani ausgelassen, selten als Eigenname behandelt. 075 bezeich-
net Grani palatium mehr die Pfalz selbst, ebenso bei Widukind: Aqnae
grani palatii, bei Liutprand: Thermae grani palatii, ferner aqueuse palatium,
aquisgranense palatium. Die Annales Lauresh. haben zum J. 1188 und
1189 Aquispalatium, in Ruotgeri vita Brunonis heisst es: „Ratherius ad
aquis, quod dicitur Grani". Allmählig erhebt sich der vicus oder locus
zur villa regia, regia sedes, zur civitas und urbs. Die Originalform ist
demnach wohl Aquisgrani, was obwohl grammatisch richtig auf die Frage
wo?, doch ein ungewöhnlicher Gebrauch des Ablativs auf die Frage was?
ist. Sollte es nicht früher vielleicht castellum oder ara aquisgrani oder
ähnlich geheissen haben?
Ohne' diese Verzeichnisse verbessern oder vermehren zu wollen, gehe
ich auf die bekannte Sage über, nach welcher ein Granus „unus principum
Romanorum, frater Neronis et Agrippae" Aachen gegründet habe. Eine
menschliche Persönlichkeit Namens Granus als naher Verwandter Xeros
begegnet uns in der Geschichte nicht. Bei den vielfachen Nachrichten über
die Familie der Neronen in Sueton, Tacitus und andern müsste ein solcher
wohl genannt sein, wenn er eine hervorragende Stellung gehabt hätte. Es
ist immerhin sonderbar, dass der östliche Thurm des Rathhauses seit Jahr-
hunderten als Granusthurm bezeichnet wird; aber für die Frage, ob Granus
als eine menschliche Persönlichkeit zu nehmen, ist dies nicht entscheidend,
wenn auch an dieser Stelle eine römische Veste gestanden haben sollte.
Der Name Granus oder Granius kommt ziemlich häufig vor. Plinins
(H. N. 284) nennt einen Arzt Granius. Zur Zeit des Tiberius war
Granius Marcellus Prätor Bithyniens. Ein Senator Granius Marcellus wird
35 n. Chr. erwähnt. Im J. 24 n. Chr. tritt Q. Granius als Ankläger auf.
Dagegen scheint der als Granius Sylvanus für d. J. 65 angegebene Granius
Sylvanus Gavius S. geheissen zu haben1. Im Bonner Museum ist der
Weihestein des Tit. Granius Victorinus. Ein Granus Fortunatus ist in
einer Steininschrift von Spalato genannt2. Granius Lacinianns ist bei
Macrobius (Sat. I, 16) genannt. Auf einen Serenius Granus s. Gratianus 3,
.Vorsteher Galliens unter Hadrian" hat der Verf. einer Dissertation
des ehemaligen Jesuiten-Gymnasiums vom J. 1759 wieder aufmerksam
gemacht4. Es ist dies der auch anderswo genannte Günstling Hadrians,
') Tacitus, Ami. I, 74; IV, 21; VI, 44, XV. Welcher Granus oder Granius Veran-
lassung gegeben hat, dass Blondel die Herkunft eines solchen aufs .fahr 53 gesetzt hat,
weiss ich nicht. Die Utrechtsche Chronik lässt einen von Nero vertriebenen EtathsherrD
Granus den Gründer Aachens sein.
•-') Jahrbuch d. Vcr. f. Alt. im Rheinl. XII, 87.
3) Der Name erscheint in dem gegen 1294 geschriebenen Chron. Bald. Ninov. als
Gratianus: Tres fratres olim fuerunt, Agrippa, Gratianus ei Nero, principes Romani, <ruorum
primus Agrippa Agrippinam fccit, Gratianus veto A.quisgrani, sie dictas iuia calidos
fontes ibi elaboravit, de quibus posl CCCC (wohl DCCC) fere annos Karolus Balnea fecil
valde utilia.
4) Vgl. das Kur- und Badebl. v. Aachen i. Mai 1872. Der Verf. des Aachener
Raths- und Staatskalenders vom .1. 1790 rechnete vom Ursprung der Stadl „durch Severus
Granius unter der Regierung Adrians" damals das 1665. Jahr, was also auch aufs J. 125
auskommt.
— 70 —
Serenus Qranius, welcher im J. 125 Aachen erbaut haben soll, dement-
sprechend im Dict. de Geogr. gesagt wird: „fondee par le Romain Granus
l'an 123 (sie) de J. Chr." Keiner dieser Granier kann als Gründer
Aachens nachgewiesen werden. In dem verwickelten Geschlechtsregister
der Neronen kommt kein Granius vor. Der berüchtigte Christenverfolger
hatte überhaupt keinen Bruder; dies konnte im frühen Mittelalter nicht
unbekannt sein. Wenn nun trotzdem die Sage eine Gleichzeitigkeit des
Granus mit Agrippa und Nero festhielt und diese beiden Namen mit der
Gründung Aachens in Verbindung brachte, so sollte man glauben, es läge
doch etwas Wahres der Tradition zu Grunde. Wenn dabei aber der Kaiser
Nero in die Zeit der Gründung Aachens versetzt wird, so dürfte die Sage
in ihrer jetzt üblichen Deutung auf einen sonderbaren Irrweg gerathen sein.
Nichts hindert uns, Agrippa, den Enkel Oktavians, in der Ueber-
lieferung festzuhalten. Er war schon als Schwiegervater des Germanicus mit
der Geographie Galliens, wozu Plinius unsere Gegend mit ihren deutschen
Bewohnern, den Ubiern, zählt, wohl bekannt; nach seiner Abschätzung gibt
Plinius die Länge und Breite Galliens an. Zudem bewies Agrippa durch
den Bau eines grossen Thermalgebäudes in Rom, welches er mit Gemälden
schmückte, und durch den Vorschlag, alle Kunstdenkmäler an öffentlichen
Orten aufzustellen, sein gemeinnütziges Streben. Wenn er Beziehung zur
Kolonisation Aachens hatte, so war dies im 1. Jahrhundert vor Chr., da
er schon im J. 13 oder 14 vor Chr. starb. Man könnte gar vermuthen,
dass schon sein Name, welchen man von den griechischen Worten für Beute
und Pferd ableitet, oder gar der Gleichklang seines Vornamens mit Marc, der
keltischen Benennung für Pferd, ihn einem Ort, gewissermassen einer Hippo-
krene, geneigt machte, in deren Name man den eines Sonnenrosses wieder-
erkenen will. Sei dem, wie ihm wolle, so ist doch ein chronologisches
Zusammentreffen der Gründung Aachens als römischer Kolonie mit der
Zeit des Agrippa nicht unwahrscheinlich, weil es sonst unbegreiflich
bleibt, wie eben die Sage zu seinem Namen gekommen wäre.
Jedoch mit Agrippa's Namen möchte ich, anstatt des Kaisers Nero,
lieber Nero Claudius Drusus (f 9 v. Chr.), Sohn von Tiberius Claudius
Nero, Enkel des Livia Drusilla und Vater des Germanicus, verbinden, der
in drei Namen mit dem Kaiser Nero übereinstimmte. Dieser Nero war
mit Agrippa, weil ihre Grossmütter beide Gemahlinnen Oktavians gewesen,
verwandt. Agrippa, Sohn der altern Julia, hatte Scribonia zur Mutter,
Nero Claudius Drusus die Livia Drusilla. Agrippa, der Liebling von
Augustus, von diesem zum Miterben seiner Söhne bestimmt, wurde von
Augustus, wenn auch nur auf kurze Zeit, adoptirt; dieser hatte mehrere
seiner Enkel, wie auch seinen Stiefsohn Tiberius Nero, adoptirt. Der Bruder
des letztern wurde so gewissermassen auch Bruder des Augustus. Für
denjenigen, dem diese künstliche Erklärung der Verwandtschaft nicht zu-
spricht, bleibt freilich nur eine weitere, von Unkundigen zur Bruderschaft
gesteigerte übrig.
Was Nero Claudius Drusus betrifft, dessen Zuname von einem Vor-
fahren stammte, der einen Gallier Drausus getödtet hatte, so ist immerhin
• — 71 —
erinnernswerth, dass sich fast dieselbe gallische Form des Namens (Ninnius
Drausonis) angeblich in einer Inschrift, die im Boden des Münsters ver-
graben sein soll, vorfindet. Livia, die Mutter des altern Drusus, hatte
einen Sklaven Crenäus, dessen Name, wie ein ähnlicher - Crane — wohl
von Krene Quelle stammt. Ist es vielleicht ein Aachener Junge gewesen,
von den Aquis grani? Diesen Drusus, früher Decimus, dann Nero zubenannt,
gebar Livia, als sie kaum Gemahlin des Augustus geworden. Er ist durch
seine Kriegführung in der Schweiz und in Deutschland, sowie durch die
Beschiffung der Nordsee und durch den grossartigen Kanalbau zur Ver-
bindung des Rheins mit der Yssel (noch Drusus -Yaard genannt) berühmt
geworden. Er starb in Deutschland im Sommerfeldlager im J. 9, drei Jahre
nach Agrippas Tod. Es ist zu vermuthen, dass er auf seinen Kriegszügon
mit unserm Orte mehrmals in Berührung kam; wie hätten die Aaehen-
Burtscheider Thermen seiner Aufmerksamkeit entgehen können?
Die vorstehende Erörterung kann nicht als strenger Beweis dienen,
dass schon zur Zeit von Agrippa und Drusus Aachen den Körnern bekannt
war, aber, indem sie von der Sage über die Gründung Aachens das Mögliche
als ungefähr zutreffendes chronologisches Moment festhielt, bezweckte sie,
eine gewisse Wahrscheinlichkeit für die Behauptung, Aachen sei bald nach
der ersten Ankunft der Römer in unsere Gegend ihnen bekannt geworden,
zu begründen. Damit soll die Entstehung der Wasserleitung, insofern die
6. Legion daran betheiligt war (zwischen 70—91), nicht weiter zurückver-
legt werden J ; doch bleibt eine frühere Beteiligung der 1 . Legion an der-
selben schon bald nach der Niederlage des Varus denkbar. Damit ist aber
nicht ausgeschlossen, dass noch eher eine Gründung stattfand, als welche
jede römische Okkupation gelten konnte. Der Gründer Aachens wird nun
nicht bloss als prineeps, als Erfinder, überhaupt als der Erste, der etwas
erfindet, bezeichnet, sondern als unus ex prineipibus Romanis, als ein hoch-
gestellter Römer, ja als Prinz. Soll dieser hohe Herr Granus geheissen
haben, so ist er nicht aufzufinden. Aachen würde damit das Loos einiger
andern Orte der Rheinprovinz theilen, deren Name auf einen römischen
Begründer hinweist, ohne dass dieser sicher gestellt weiden kann. Bei
Aachen gibt aber schon der Anfang der lateinischen Bezeichnung einen
Hinweis auf eine andere Erklärung. Es ist dies die jetzt gebräuchliche,
zuerst wohl von Geltes aufgebrachte mit den Werten: Aquis Graneo ab
Apolline dictis.
Diese Ableitung bezieht sich auf den bei den Römern viel verehrten
Apollo Gramms, von dem sich in England und Deutschland, namentlich
auch im Elsass, zunächst von hier bei Bonn, Denksteine gefunden haben.
Es ist dies wahrscheinlich eine keltische Gottheit, die von den Römern
als Apollo aufgefasst wurde. Der Name, immer Grannus geschrieben,
') Ein eigenes Zusammentreffen ist es, dass im J. tu ein Julius ftfartialis, tribunus
Legionis, in Rom auftritt (Tac. H. I, 82), während der Töpferstempel der hier gefundenen
Leitung einen Juli Martialis bei der 6. Legion nennt, and Votivsteine in Nieder-Gallien
denselben Namen bringen.
— 72 —
erscheint häufig- mit dem der Seirona *, des Mundes, verbunden. Der Kul-
tus des Apollo war den Kelten nicht fremd. Selbst bis zum höchsten
Norden reichte die Verehrung- dieses Gottes; von dort gingen Geschenke
nach Delphi, wie Plinius erzählt. Apollo war den Galliern Heilgott; Apollo
Gramms wurde vielfach als solcher von den Kömern angerufen. Nicht
selten war der Kultus des Apollo an Quellen gebräuchlich. Apollo ist
vorzugsweise der Gott der Orakel. An den Quellen wurden Orakel gegeben.
Man warf zu diesem Zwecke kleine Opfergaben, Münzen, Nadeln und dgl.
hinein, um zu erfahren, ob der Quellgott sie annähme oder verweigerte.
Zu einem derartigen Versuche eigneten sich von Gasen aufwallende Wässer,
wie die unsern, am besten. Die Orakelstätten waren aber nach christlicher
Aulfassung Sitze von Dämonen. Ein solcher Dämon besuchte ja, wie die
Sage geht, Pipin im Bade, wurde aber von ihm in recht derber Weise
abgewiesen, so dass sein infernalisches Blut das Badewasser färbte. Leider
war der Streich nicht tödtlich; wir vernehmen ja aus späterer Zeit, dass
der böse Geselle Schuld an einem Unglücke im Kaiserbad war, weshalb
man das Bad eine Zeit lang verschlossen hielt, sei es, um dem leibhaften
Teufel oder den übermüthigen Badenden den Zutritt zu verwehren. Immer-
hin erscheint diese Sage als Nachklang des Quell- und Dämonenkultus.
Diese Ableitung des Namens Grani hat gewiss viele Wahrscheinlichkeit
für sich, auf Gewissheit kann sie nicht Anspruch machen, bis ein glücklicher
Fund auf heimischem Boden sie bestätigt. In Ermangelung einer bessern
halten wir sie fest und suchen die Bedeutung des Beinamens zu erklären.
Wiewohl Apollo meist unbärtig dargestellt wird, scheint Gramms der
bärtige, strahlende Sonnengott gewesen zu sein, der „goldgelockte" Apollo
Pindars. Im Irischen heisst grian Sonne, greane Bart, altnord. grön und
dgl., im Spätlatein grani Barthaare, Schnauzbart, grano ein Haar am Maul
der Katze. So ist auch grani (barbatus) Odhins Name, nach der Gau-
treckssage: Hrossharsgrani. Merkwürdig ist auch der Name Granucomatae
der bei Plinius erwähnten Tetrarchien in Cölesyrien, wobei man einen Ort
„Haar des Granus" vermuthet hat. Für den Sonnengott ist eine Bezeich-
nung, in welcher die Strahlen als Haare aufgefasst werden, wohl passend.
Bei ihm ist aber zunächst an die Mähne der Sonnenrosse zu denken.
Sonne und Ross sind in der Mythologie nahe verbundene Vorstellungen.
Die Perser opferten dem Apollo, der Sonne das schnelle Ross. An der
Spitze der Schaar reitet Wuotan seinen Schimmel. Wuotan ist hier die
Sonne, die allen Wesen Licht und Kraft verleiht. Auch den Quellen steht
das Ross nicht fern; der Huf des Pferdes eröifnet sie: Hippokrene. Die
Deutschen entnahmen dem Wiehern weisser Pferde ihre Orakel. Zudem
ist das springende Pferd ein bei den Kelten gebräuchliches Symbol und
ist in keltischen Ortsnamen (Marcodurum, Marcomagus) der Name des
Pferdes nicht zu verkennen.
Eben das Wort Grane ist nähere Bezeichnung eines Pferdes. In der
Nibelungen Noth erhält Siegfried das kaum zu bändigende Ross Grane.
J) Das Wort ist stammverwandt mit Sirius.
• — 73 —
In der Edda reitet er durch's Feuer zu Brunhilde. Nach II. Müller hiess
Grane nach dem Griechischen erklärt Keisig-, Fackel. Auf Mitlirassteinen
ist öfters die Fackel abgebildet mit der Inschrift: Deo Soli. Sonne und
Eoss, Ross und Feuer! Alles zu Apollo passend. Mit dem verwandten
Wort grant s\>ll in England eine Art Dämon in Pferdegestalt bezeichnet
werden. — Waren es vielleicht die niähnenförmigen. in den Abflüssen der
Schwefelthermen flottirenden, weissen Oscillarien-Fäden, die an das weisse
Sminenross erinnerten? War es die Blut färbe solcher in Zersetzung-
begriffenen Organismen, die dem Helden Pipin das Badewasser röthete?
Uebrigens kann der Zuname Apolls, wie in andern Fällen, nicht
schon von der griechischen Bezeichnung für Quelle, oder von einer gleich-
namigen Qiiellnymphe abgeleitet werden? Es liegt dies nicht so weit ab,
da berichtet wird, dass die Gallier sich griechischer Schriftzeichen bedienten.
Der Zuname des anderswo verehrten Apollo Grynäus, von einer Amazone
entnommen, der Name der Waldnymphe Grane oder Crane, die Sonnenquelle
mit dem Ammons-Orakel bei Kyrene könnte man damit in Verbindung
bringen1. Apollos Geliebte oder auch Phöbus Schwester hiess Grana2.
Eine Handschrift des 13. Jahrhunderts leitet Grani ab von einem granuin
auri, welches Karl im Munde einer Nymphe glänzen sah, als ein Sonnen-
strahl hineinfiel3. Nach H. Müller4 wurden die auf Apollo sich beziehenden
Mythen später auf Karl den Grossen übertragen. Der Name Karl = König,
Herr, Gemahl ist ihm griechischer Herkunft und ist der Sonnengott, der
Herr des Siebengestirns, des Heerwagens, in verschiedenen Ländern Karls-
wagen genannt. Thorr, der nordische Zeus, lenkt, sieben Sterne in der
Hand haltend, den Karlswagen.
Das granum auri, nach Müllers Ansicht Quellnvmpho, oder auch de]'
gefoppte Teufel, welcher nach der Sage den Sandberg auf Aachen weifen
wollte, bringt uns auf eine andere vernachlässigte Erklärung des viel
erörteten Wortes, nämlich die von der sandigen Beschaffenheit des hiesigen
Bodens, wofür man den ähnlichen Klang der Worte Grant, granum für
Korn, das keltische Grian anführen könnte5. Die untern Thermen liegen
*) Nach Kyrene in Libyen, von einer Kolonie aus Thera gegründet, wurde «las
Karneicnfest des Apollo verpflanzt. „Von Sparta empfangen den Brauch, Karneyischer
Apoll, verherrlichen an deinem Festmahle wir Kyrenes festgegründete Stadt". - Kyrene,
die weissarnüge Jungfrau, die nicht des Webstuhls hinundwiedergehende Wege liebte,
sondern mit den ehernen Speeren und dem Schwerte kämpfend erlegte die wilden Thiere.
Pindar, Pyth. V und IX.
a) Ovid. Fast. VI, 107.
3) In Bezug auf dieses Goldkorn erinnere ich an einen Brief Petrarca's (De reb.
fam. ep. I, 3), worin sich folgende Stelle lielindet: Vidi Aquense Caroli sedem et in
teinplo marineres, verendum barbaris gentibus illius prineipis sepulchrum ... (Dort zeigten
ihm einige Geistliche) gemmam perexiguo annulo inclusam sub gelida rigentique Lingua
repertam. Annulum in vicinae paludis praealtam voraginem demersil . . . Aquis nil sibi
palude gratius . . . Aquis digressum, seil prius (unde ortum <>ii|>i<li nomen putant) aquis
ßajano more tepcntilms ablatum excepit Agrippina colonia.
4) Aquae Grani, Apollo Granus and der mythische Carolas dir trojanischen Franken,
Jahrb. d. Ver. f. Alt. im Rhcinl. Heft 33, 1863.
5) Lersch, Geschichte des Hades Aachen S. 3.
— 74 —
ja am Fasse der Sandkaal (Sandgrube). A. Jahn bemerkt zum keltischen
Worte griaii mit der Bedeutung Sand, Kies, dass dies Wort mit gleicher
Bedeutung sich in dem schweizerischen : Grien erhalten hat, z. B. Grien-
grube = Kiesgrube. Grian erinnert wieder an die Nymphe Gryne und
Apollo Gryneus1; grian hat man wieder in Verwandtschaft gezogen mit
Gr. cjrenos, Cyrene mit Kijros, d. i. Sonne.
Fassen wir nun das Ergebniss dieser weitläufigen Erörterungen zu-
sammen, so möchte dies darin bestehen, dass unser Aquis deshalb Grani
hiess, weil dort der Leuchtgott, Apollo der Goldlockige, Strahlende, sei
es als Orakelspender oder Heilgott, unter dem Namen Gramms, vielleicht
in Gestalt eines Bosses, verehrt wurde, womit aber nebenbei die Vor-
stellung einer Nymphe Grane verbunden sein könnte.
Eine beim Römerbade gefundene Gemme zeigt, ähnlich einer Münze
des Sonnenpriesters Elegabalus (218 — 223), das Bild einer nackten männ-
lichen Figur mit fünfstrahliger Krone, und mit einem Stabe (Peitsche?
Fackel? auf der Gemme doppelt), unter dessen erhobener rechten Hand
ein Stern steht, angeblich die Sonne. Im griechischen Name Mythras,
abgeleitet vom pers. Mihr, Sonne, fanden Mystiker die Zahl der Tage
des Jahres (360), richtiger ausgedrückt in der Abänderung Meithras (365) 2.
Auch das im Römerbad gefundene Steinchen, zwei gegen einen Baum
stehende Böcke (wohl arietes) darstellend, steht vielleicht in Beziehung
zu einem römischen Aberglauben, der sich bis ins Mittelalter erhalten
hatte. Cäsar von Heisterbach erzählt, dass zu Kirchhersten, als man
um einen auf den Baum gestellten Widder getanzt habe, ein schlimmes
Unwetter entstanden sei, und dass zu Aachen, wo man bei einer ähnlichen
Belustigung einen Kranz auf den Baum gehangen hatte, kurz nachher fast
die ganze Stadt verbrannt sei (1224). — Heidnischen Ursprungs ist jeden-
falls auch der von hier für's J. 1133 berichtete Gebrauch, ein Schiff von
Cornelimünster abzuholen, nämlich das Isis-Schiff3. Tacitus erwähnt, dass
ein Theil der Sueven die Isis verehrte und zwar in Form eines Schiffes
(Signum ipsuin in formam liburnae figuratum), woraus er schliesst, dass
ihnen dieser Kultus von auswärts überbracht worden. Wahrscheinlich bezog
sich das Bringen des Schiffes bis zum Meere auf die Zeit, dass die See-
Schifffahrt eröffnet wurde, die vom 11. November bis 10. März aufhörte;
die Wiedereröffnung derselben, ihr „Geburtstag", wurde mit feierlichen
Kampf- und Schauspielen von vielen Städten begangen. Im römischen
Kalender steht Isidis navigium beim 5. März verzeichnet4.
1) Wir hätten dann im „Apollo am Sande" ein Gegenstück zu dem Gott an dem
vielbesprochenen Sonnenquell Hammonis, von Arnim = leuchtend abgeleitet, von den Griechen
auf ammos Sand bezogen.
a) Eine andere im hiesigen Römerbade gefundene Gemme zeigt ein auf dem
Delphine reitendes Kindchen. Man hat Münzen mit ähnlichen Darstellungen; Strabo
erwähnt solche. Die in Plinius Naturgeschichte (IX, 8) erzählten Sagen geben uns die
Erklärung dazu.
3) L. Lorsch, Isis und ihr h. Schiff in d. Jahrb. des Ver. für Alt. i. Rh. IX, 12 ff.
4) Calend. Constant. M. in Petavs Doctr. temp., Jablonski im Panth. Aeg. II, 30">.
• — 75 —
Ein Aachener Schuldrama des 18. Jahrhunderts.
Im Anfang- des 17. Jahrhunderts eröffneten die Jesuiten in Aachen
ein von ihnen geleitetes Gymnasium1, dessen segensreicher Wirksamkeit
erst die grosse französische Staatsumwälzung ein Ziel setzte. Von Zeit
zu Zeit führten die Zöglinge dieser Anstalt unter der Leitung ihrer Lehrer
öffentliche Schauspiele auf. Wann die erste derartige Aufführung statt-
fand, ist nicht ermittelt. Das älteste der bis jetzt bekannt gewordenen
gedruckten Schuldramen des Aachener Jesuitengymnasiums gehört dem
Jahr 1699 an2; 1685 wurde gespielt: Herkules, der üeberwinder der
Ungeheuer, Daniel der Besieger des Bösen; 1706 3: Judith und Holofernes;
1713: Aachen in Machabaea. Alle diese Jahre waren für Aachen Heilig-
thumsfahrtsjahre, auch heisst es mehrfach, es sei zwischen dem 10. und
dem 24. Juli gespielt worden. Dem Anscheine nach traten also die Schüler bis
ins erste Viertel des 18. Jahrhunderts hinein nur alle 7 Jahre gelegentlich
der Heiligtliumsfahrt öffentlich auf; seit etwa 1725 sind jährliche Spiele
nachweisbar1. Fast könnte man aus zwei sehr interessanten Notizen 5 des
noch ungedruckten Tagebuchs des Stadtsyndikus Melchior Klocker schliessen,
dass schon in den Jahren 1602 und 1604 unter Mitwirkung der Jesuiten
gewisse Schauspiele in Aachen zur Aufführung gelangt seien. Aber wenn
in den Notizen von den „Patres Comoediantes von Naboth6" und der „Comedia
mit Abraham und Jacob" die Eede ist, so folgt hieraus nicht, dass die
Patres dem Jesuitenorden angehörten, oder dass die Darsteller Aachener
Jesuitenschüler waren. Letzteres ist um so unwahrscheinlicher, als damals
das Aachener Jesuitengymnasium noch in den Windeln lag. Wahrscheinlich
handelte es sich um ein paar in Aachen aufgeführte sog. geistliche Schau-
spiele, deren Wesen und Bedeutung Johannes Janssen vor Kurzem so
anziehend klar gelegt hat7.
J) Es hiess Mariengymnasium and wurde bis 1773 ausschliesslich von Jesuiten
geleitet. Auch nach der Aufhebung des Jesuitenordens waren ehemalige Jesuiten als
Lehrer an demselben thätig. Das Gebäude lag in der Nähe der St. Michaelskirche; die
Franzosen verkauften es bald nach dem Beginn der Fremdherrschaft. Vgl. Quix, Eisto-
risch-topographische Beschreibung der Stadt Aachen, S. 57, und Haagen, Geschichte
Achens II, S. 235.
2) Zeitschrift des Aachener Geschichtsvereins X. S. 277.
3) Irrig schreibt Haagen (a. a. 0. S. 309) 1708 statt 1706.
4) Meist im September iroleyentlich der Preisverteilung. Vgl. Zeitschrift des
Aachener Geschichtsvereins V, S. 265.
5) Dieselben lauten nach gütiger Mittheilung des Eerrn Dr. Wieth: 10. Juli 1602.
„eodem die patres Comoediantes von Naboth auff dem marckl gespielet, und isl selbigen
taghs Balthasar Kettenis hausfraw begraben, und bau einer ihm mitten des spiels mil
einer kugelen nit weitt von dem volck geschossen". Ferner zum 13. Juli 1604: „seindl die
Burg- und seiner alle amptrager \\i' der Comedia mil Abraham und Jacob gangen und
haben folgern» unsere weiber uf dem rahthauss gefuhrel und zimbliche gute Conversation
gehapt".
6) Vgl. Buch der Könige I, Kap. 21.
7) Janssen Johannes, Geschichte des deutschen Volkes VI, 255 ff.
— 76 —
Mehrere Aachener Schuldramen aus der Zeit zwischen 171(3 — 1785
sind von den Herren Gymnasial-Direktor Schwenger und Professur Bier-
linger veröffentlicht worden l. Ein kürzlich entdecktes noch älteres Schul-
drama verdient vielleicht auch eine kurze Besprechung-. Dasselbe stammt
aus dem Jahr 1713 und findet sich (8 Druckseiten in 4°) in der Aachener
Stadtbibliothek. Auf den beiden ersten Seiten steht der ungemein weit-
läufige Titel 2 nebst einer unbedeutenden Notiz ; auf den 4 folgenden Seiten
eine Uebersicht3 über den Inhalt des in 5 Abschnitte getheilten Dramas.
Den Schluss bilden die Namen der 61 mitwirkenden Schüler.
Nachstehend folgt in einer hinsichtlich der Schreibweise unwesentlich
geänderten Fassung der Abdruck der in deutscher Sprache vorliegenden
Inhaltsangabe. Da alle weiteren Einzelheiten in der Druckschrift fehlen,
entzieht es sich der Beurtheilung, in wie weit die Ausarbeitung des Dramas
eine gelungene war. Augenscheinlich hinkt der Vergleich zwischen Jeru-
salem und Aachen in den 3 letzten Theilen des Stücks etwas autfällig.
Vielleicht legte der Verfasser auf strenge Logik keinen besondern Werth.
Bedburg. Pauls.
yORSPIEL.
Aachen und Jerusalem stellen ein Freudenspiel an,
welches Krieg und Wütherei zerstören.
Erster Theil.
5 Auftritte. (1.) Den wegen eines in der Luft gesehenen Kriegs-
heers verstörten Bürgern (2.) wird die Ankunft des Königs Antiochi kund
gethan, (3.) worüber Solyma4 sich betrübt. (4.) Antiochus unterdessen
Gott lästernd, (5.) ruckt vor die Stadt Jerusalem.
Gegenspiel.
Lucifer entschliesst sich, die Stadt Aachen unter sein Joch zu bringen.
Zweiter Theil.
5 Auftritte. (1.) Da die Bürger Gott um Hülf anflehen, lauft Zei-
tung ein, als seie Antiochus todt. (2.) Weswegen Solyma Gott in seinen
l) Vgl. Zeitschrift des Aachener Geschichtsvereins IV, S. 91 ff., V, S. 265 ff., IX,
S. 218 ff.
'-') Gekürzt und im Wesentlichen lautet der Titel: Aachen in Machabaea. Den
Herren regierenden Bürgermeistern W. Tb. von Wilre und B. Feibus, ferner den Herren
Schöffen, Forstmeistern und Rathsmitgliedern dedicirt und durch deren Freigebigkeit
gelegentlich der Heiligthiunsfahrt auf offener Schaubühne aufgeführt von der Jugend des
liymnasiums Societatis Jesu zu Aachen, 1713 den 16. und 23. Heumonats. Coloniae
Agrippinae, Typis Caspari Drimborn, in platea lata. Anno 1713.
3) Die Uebersicht wird in lateinischer, deutscher und französischer Sprache gegeben.
4) Solyma=Hierosolyma oder Jerusalem. Solyma und Genius Caroli Magni sind
die einzigen vorkommenden Fremdwörter, was sehr beachtenswerth ist, da früher die
Fremdwörter vielfach überwucherten.
• — 77 —
Wunderthaten preist, (3.) und stellt über den berichteten Tod des Königs
ein Freudenfest an. (4.) Selbiges wird verstört durch Zeitung, dass der
König- noch lebe und auf die Stadt anrucke. (5.) Machabaea muntert die
Gemüther wiederum auf.
Gegenspiel.
Das verstörte Aachen wird von dem Genio Caroli Magni ermuntert.
Dritter Theil.
5 Auftritte. (1.) Antiochus, weil er von den Abgöttern guten Beseheid
bekommen, (2.) droht der Stadt Jerusalem den Untergang. (3.) Die er
auch mit stürmender Hand einbekommt, (4.) und darüber ein Sieggepräng
anstellt. (5.)' Trauer und Wehklag der Stadt.
Gegenspiel.
Lucifer beraubt die Stadt Aachen ihres Schatzes; selbige lässt sich
doch nicht abschrecken.
Vierter Theil.
5 Auftritte. (1.) Antiochus befiehlt auf Leib und Lebensstraf den Juden
Schweinefleisch zu essen. (2.) Welchem sie sich widersetzen. (3). Eleazarus,
den abfallenden Menelaum bestrafend, wird eingezogen, (4.) und weil er
dem König nicht will gehorchen zum Tod verdammt. (5.) Die Mutter
Machabaea frischt unterdessen ihre Söhne an zur Standhaftigkeit.
Gegenspiel.
Lucifer lockt die Stadt Aachen mit Schmeichlen, aber umsonst.
Fünfter Theil.
5 Auftritte. (1.) Die vier älteren Söhne werden zum Abfall ange-
reizt. (2.) Um selbige darzu zu bewegen, (werden) die drei jüngeren zuge-
führt; erwählen aber alle lieber zu sterben, als dem Gesetz zuwider
leben. (3.) Werden darum zur Marter geführt, den kleinsten ausgenommen.
(4.) Dem der König mit grossem Versprechen zusetzt, aber vergebens.
(5.) Muss derohalben eines grausamen Tods sterben. Worüber die Mutter
aus Freud ihren standhaftigen Geist aufgibt.
Gegenspiel.
Lucifer fällt die Stadt Aachen mit Gewalt an, muss aber unterliegen.
Kleinere Mittheilungen.
Nachgrabungen in Cornelimünster nach dem Grabe des heiligen
Benedikt von Aniane.
Die frühere Abtei und jetzige Pfarrkirche zu Cornelimünster i>i ebenso ehrwürdig
durch ihr hohes Alter als merkwürdig durch die vielen baulichen Veränderungen und Erwei-
terungen, die sie im Laufe der Jahrhunderte erfahren, und die alle den Styl ihrer Ent-
stehungszeit an sieh tragen, so dass wir in derselben nicht einen einheitlichen Bau, sondern
— •78 —
eine Schichtung von Bauten aus der karolingischen, der romanischen, der früh- und spät-
gothischen und auch der Zopfzeit vor uns nahen. Naturgemäss mussten die Ausgrabungen;
behufs Hebung der Gebeine des ersten Abts von Cornelimünster, des hl. Benedikt v. Aniane,
der 821 daselbst starb und nach Angabe seines Biographen und Ordensgeuossen Ardo in
einem steinernen Sarge beigesetzt wurde, ihren Anfang in jenem Theile der Kirche nehmen,
welcher unzweifelhaft karolingischen Ursprungs ist. Diesen Ursprung weist ein am
äussersten Westende der Kirche gelegener quadratischer Raum auf, der heute nicht
mehr kirchlichen Zwecken dient, sondern als Rumpelkammer verwandt wird. Dieser
Raum, den wir kurz als innere Vorhalle oder atrium bezeichnen wollen, ist in späterer
Zeit mit einem gothischen Spitzbogengewölbe eingedeckt worden, in dessen Kappen
nach Entfernung der Tünche gothische Ornamentmalerei zum Vorschein kam. In Mitten
dreier Wände derselben erheben sich ziemlich stark vortretende Mauerlisenen, die wohl
als Widerlager der angrenzenden Bautheile oder als Sübstruktion einer ehemaligen
Thurmanlage gedient haben. Der Boden des Atriums wie der ganzen Kirche hat in
früherer Zeit viel tiefer gelegen; denn erst nach Wegräumung einer Erdschicht von
71 cm Dicke kam der ursprüngliche karolingische Fussboden zum Vorschein. Derselbe
besteht aus einer mit römischen Ziegelstücken stark versetzten Betonlage nicht unähnlich
der, die man bei Aufdeckung der römischen Wasserleitung auf dem Terrain der ehemaligen
Gasanstalt zwischen den Wasserrinnen und der aus Bruchsteinen bestehenden Einfassungs-
mauer fand. Es dürfte dies als eine Erhärtung der seiner Zeit von Herrn Kanonikus
Dr. Kessel in den Beiträgen zur Geschichte von Eschweiler und Umgegend gemachten
Behauptung erscheinen, dass Inda Ursprung und Namen den Römern verdanke, die hier
ein castellum errichteten und dasselbe Indense nannten nach dem Trevirer Julius Indus,
dem Gründer und Befehlshaber der ala Indiana Pia Felix, einer Reiterabtheilung, die in
der Gegend von Trier ausgehoben war und wahrscheinlich längere Zeit in der Gegend
von Cornelimünster ihr Standquartier hatte. Doch kehren wir nach dieser kurzen Abschwei-
fung wieder zu unserm Atrium zurück. Um die West-, Nord- und Südseite der Umfassungs-
mauern desselben laufen mit Steinplatten gedeckte Sitzbänke herum, die nach Entfernung
einer etliche 20 cm dicken Lage angeschütteter Erde zum Vorschein kamen. Die Ost-
wand des Atriums ist mit zwei Rundbogen geschlossen, die sich zu beiden Seiten der
erwähnten Mauerlisene befinden und mit karolingischem Mauerwerk ausgefüllt sind. Dicht
vor dieser Mauer im Innern des Atriums stiess man nach Wegschaufelung von einer ungefähr
40 cm dicken Erdlage auf sechs Grabplatten aus Blaustein, die weder eine Verzierung noch
eine Inschrift trugen ; die eine Platte hatte in der Mitte einen kreisrunden Einschnitt von 16 cm
im Durchmesser, augenscheinlich herrührend von einem zum Heben angebrachten Eisenringe.
Einige cm tiefer senkrecht unter diesen Platten kam man auf leichtere Decksteine, nach
deren Entfernung vier sogenannte Kastengräber sichtbar wurden ; die Entfernung von der
Sohle des tiefsten Grabes, welches an sich 40 cm Tiefe aufwies, bis zur heutigen Fuss-
bodenhöhe beträgt 161 cm. Diese vier Gräber liegen in unbedeutenden Zwischenräumen
nebeneinander; sie sind in der Weise hergestellt, das auf eine in den Boden eingelassene
Platte aus schwarzem Schiefer vier andere Platten hochkantig im rechten Winkel gestellt
sind; von ihrem kastenartigen Aussehen tragen sie den Namen Kastengräber. In jedem
derselben liegt ein wohl erhaltenes Menschenskelett in gestreckter Lage, und ist augen-
scheinlich jedes für den in ihm gebetteten Leichnam eigens hergestellt worden; nach dem
Fassende laufen die Kasten etwas spitz zu. Unter der Halsgegend befindet sich eine
sichelförmige Erhöhung. Alle vier Leichen liegen mit dem Gesicht gegen Osten gewandt.
Während die Hände der drei letztern gefaltet waren, hält die erstere den auf der Vorder-
seite liegenden Schädel in der linken Hand des gestreckten Armes, und zwar niuss dies
nach der Lage der Sache die ursprüngliche Stellung sein, in der die Leiche begraben
worden ist. An eine spätere Verschiebung des Schädels ist bei der geringen Tiefe dieses
Grabes und bei der unmittelbaren Berührung der Leiche mit dem Decksteine nicht zu
denken. Dies ist das Resultat der Nachforschungen im Atrium. Es liegt nun gewiss
die Frage sehr nahe: Wer waren die Männer, deren Skelette wir hier vor uns haben?
Waren es Mönche oder Aebte des alten monasterium Indense ? Wie erklärt es sich, dass
der Schädel der einen Leiche diese sonderbare Laere hat? Ohne der demnächst statt-
— 79
findenden osteologischen Untersuchung irgendwie vorgreifen oder eine bestimmte Ansicht
aussprechen zu wollen, dürfte es «loch nicht uninteressant sein, hier an einige die Geschichte
der Abtei betreffende Thatsachen zu erinnern. Der Abt Regino von Prüm erzählt in
seiner Chronik zum Jahre 881, dass die Normannen nach Zerstörung mehrerer Städte
in Ripuariern wie Köln und Bonn die Pfalz zu Aachen, die Klöster Inda, Malmedy
und Stablo in ^fsche gelegt haben. Und in den Annalen von Fulda heisst es: Nordmani
vastaverunt totamque Ripuariam praecipue triam in eis monasteria id est Prumiam,
Indam, Stahulaus, Malmundarium et Aquense palatium. 892 ferner drangen die Normanen,
nachdem sie im Jahre vorher von Arnulf bei Löwen waren geschlagen worden, wieder
nach Ripuarien vor und zogen sengend, mordend und plündernd bis nach Bonn, wo sie
von dem Frankenheere aufgehalten wurden. Darauf zogen sie sich in das Dickicht
der angrenzenden Wälder zurück und gelangten durch dieselben mit unglaublicher Schnellig-
keit bis nach Prüm, wo sie die Abtei verwüsteten und viele Menschen erschlugen. Auf
diesem Zuge wurde der achte Abt von Cornelimünster Egilhardus mit Namen bei der
villa Berchheim ermordet. Quix gibt in seiner Geschichte der Stadt Aachen, sich stützend
auf einen in einer Anmerkung genannten Gewährsmann, an, dass zum Gedächtnisse des
Erschlagenen in dem nahen Walde bei Bohlendorf eine Kapelle errichtel werden sei, die
insgemein St. Eulard genannt wurde. Im Jahre 1310 sodann zogen die Aachener gegen
die Abtei Cornelimünster, vermuthlich weil ihr Abt Arnold von Müllenark sich unbefugter
Weise in ihre Angelegenheiten gemischt hatte, erstürmten dieselbe, beraubten Kirche und
Kloster und steckten sie in Brand; bei der Gelegenheit kamen mehrere Conventualen ums
Leben; der Abt Arnold wurde bei Nerzheid, einem Hofe in der Nähe von Oberforstbach,
erschlagen. Die Stadt musste zur Sühne 1000 Mark an die Verwandten der Umgekommenen
bezahlen und ausserdem Jahre lang zu den Kosten des Wiederaufbaues der Abtei beitragen.
Diese geschichtlichen Nachrichten sind wohl geeignet zu mancherlei Vermuthungen zu
verleiten; sie geben der Möglichkeit Raum, in dem einen der aufgefundenen Skelette.
dessen Schädel sich in der sonderbaren Lage befindet, den von den Normannen erschlagenen
Abt Egilhardus wiederzuerkennen; sie lassen ferner auch auf den ersten Blick einen
Zusammenhang der Skelette mit den 1310 ums Leben gekommenen Mönchen vermuthen;
gegen letztere Vermuthung wird freilich geltend gemacht, dass die näher bezeichnete
sichelförmige Erhöhung in den Gräbern nur in der karolingischen Zeit vorkomme; die
osteologische Untersuchung sachkundiger Fachleute wird wohl hoffentlich recht bald darüber
die wünschenswerthe Auskunft ertheilen. Angesichts dieser historischen Thatsachen drängt
sich uns ferner die bange Befürchtung auf, die wilden Normannenhorden möchten den die
Leiche des Heiligen bergenden Steinsarg, der möglicherweise offen auf Säulen oder einem
sonstigen Postamente an irgend einem Orte der Kirche ruhte, oder der vielleicht in der
Erde beigesetzt und durch einen Stein oder eine Metallplatte kenntlich gemacht war. zerstört
haben. Zum allerwenigsten erscheint es äusserst seltsam, dass weder die Benediktiner
von Aniane, die doch das Fest des im Rufe der Heiligkeit verstorbenen Abtes bald nach
seinem Tode als festum duplex gefeiert haben, noch auch die Mönche von Cornelimünster
sich nicht sollten um die Hebung und Verehrung der Ueberreste ihres Ordensheiligen
bekümmert haben, wenn sie überhaupt noch vorhanden gewesen wären. Doch diese einst-
weilen nur das Ansehen einer Vermuthung beanspruchende Ansicht dürfte erst an Gewiss-
heit gewinnen, wenn die noch im vollen Gange befindlichen Nachgrabungen, was gewiss
nicht zu wünschen ist, resultatlos verlaufen sollten. Dieselben sind bereits vom Atrium
auf das Mittelschiff der heutigen Pfarrkirche ausgedehnt worden. An der westlichen
Absehlussmauer der Kirche beginnend, wurde ein bis zum ersten Pfeiler unter der Kanzel
reichender meterbreiter Laufgraben aufgeworfen. In einer Tiefe von 71 cm fand sich
wieder der karolingische Betonboden ; 30 cm höher ein der romanischen Zeit und noch
29 cm weiter ein der gothischen Zeit angehöriger Fussboden. Bei dem bezeichneten Pfeiler
setzte eine von Norden nach Süden lautende Mauer weitern Nachgrabungen ein Ziel. Die
an der westlichen Abschlussmauer der Kirche entlang südlich und nördlich angestellten
Untersuchungen haben nichts Neues zu Tage gefördert. Eine dort im karolingischen Hoden
sich zeigende Unterbrechung liess anfangs der Hoffnung auf neue Gräberfunde Kaum.
Stellte sich alter schliesslich als ein bedeckter Abzugskanal heraus, wie deren in der Kirche
— 80 —
bereits mehrere angetroffen wurden. Sie sind wohl angelegt worden, um das sich ansam-
melnde Grundwasser abzuführen. Dieses füllt auch die beschriebenen Kastengräber augen-
blicklich bis zum Eande und steigt oder fällt mit dem Wachsen oder Schwinden der lüde.
So sind also bisheran die Nachforschungen noch nicht mit dem gewünschten und erhofften
Erfolge gekrönt worden, haben aber nichtsdestoweniger in archäologischer Beziehung
manches Interressante zu Tage gefördert ; auch steht zu hoffen, dass die alte Kirche in
ihren Grundmauern wird aufgedeckt werden, wodurch sich dann neue Anhaltspunkte für
weitere Untersuchungen ergeben dürften.
Aachen. H. Schnock.
Der Vogelfang bei Maxen, den 20. und 21. Novenibris 1759.
Die nachfolgenden Strophen, auf ein fliegendes Blatt von einer Hand des vorigen
Jahrhunderts niedergeschrieben, sind den Archivalien des Hauses Schönau bei Richterich
entnommen. In Inhalt und Form geringwerthig, sind sie doch beachtenswerth für die
Stimmung, mit welcher man in den hiesigen Kreisen die Erfolge der österreichischen
Waffen hegleitete. Am 21. November wurde bekanntlich ein preussisches Korps unter den
Generälen Fink, Wunsch, Rebentisch, Gersdorf und Lock von den überlegenen Truppen
des Marschall Dann und des Herzogs von Zweibrücken bei Maxen gefangen genommen,
und diese Niederlage von den Gegnern in schadenfroher Weise als Finkenfang bezeichnet :
Der Vinck mit »seinem Lock ging Lerchen aus zu fangen
Undt wolt auffen Reben tische mit diesen Braten prangen;
Doch Wunsch giengs nicht nach Wunsch, die Lerchen hielten Stich
Und nahmen Rebentisch, Wunsch, Vinck undt Lock mit sich.
Nun sitzt im Garn der Vinck und muss die Lerche singen,
Er schlagt: es stinckt, stinckt, stinckt, weils ihm nicht wolt gelingen,
Hingegen schwingen sich die Lerchen mit Gesänger:
Es lebe unser Nest, es lebe der Vinckenfänger.
Ein anderes:
Wo ist das beste Heerdt zum Vogelfang in Sachsen?
Nicht weit von Falckenhayn beym Rittergut „Frisch Maxen".
Auff einen Zug fiengt Daun, wer solt es wohl vermeinen,
Ja es wirdt aller Welt gantz lügenhafft doch scheinen,
Ein Vinck acht Schwärmen gross mit 18 000 Meissen,
Zum Braten taugen sie, doch aber nicht zum Speissen.
Ein anderes:
Wülste lehrnen Fincken fangen,
Geh beym Daun die Kunst erlangen,
Achtzehn tausendt auff ein mahl,
Ist fürwahr ein schöne Zahl,
Fangt er mit Wunsch in das Netz,
Gott starck seinen Muth und Hertz.
Aachen. K. Wieth.
Vereinsangelegenheiten.
Monatsversaininlung* am Mittwoch, den 22. Mai 1889, Abends
Vh Uhr, im Hotel zum Eleplianten (Ursulinerstrasse).
Dlil'i'K Von TIkkmaxn KaATZEK ix AACHEN.
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Jährlich 8 Nummern
ä 1 Bogen Royal < >kta\
Prei des Jahrgang
4 Mark.
Kommissions -Verlag
der
I iremer'schen Buchhandlung
(C. Inzin)
in Aachen.
Mittheilungen des Vereins für Kunde der Aachener Vorzeit.
Im Auftrage des Vereins herausgegeben von Dr. K. Wieth.
Nr. 6.
Zweiter Jahrgang'.
1889.
Inhalt: C. Iihoen, Zur Baugeschichte des Grashauses. — C. W. Menghius, Zur Geschichte
der Aachener Patrizierhäuser. - Kleinere Mittheilungen: Kornpreise in Aachen in den
Jahren 1560 — 1628 und 1708—1713. — Ausgrabungen auf dem Stephanshofe, der Prinzenhof-
kaserne und in der Korneliusstrasse. -- Vereinsangelegenheiten: Ausflug nach Montjoie.
Zur Baugeschichte des Grashauses.
Von C. Rhoen.
Die Stadt Aachen ist in letzter Zeit durch die WiederhersteUung
des sogenannten Grashauses und die Einrichtung desselben zum Stadt-
archiv um ein Monumentalgebäude bereichert worden, welches der geschicht-
lich ehrwürdigen Altstadt zur Zierde gereicht und zugleich eine stete, leben-
dige Erinnerung- an den Beginn der thatkräftigsten Zeit der Aachener
Bürgerschaft darstellt. Die Fagade dieses Gebäudes ist noch die nämliche,
welche Kaiser Richard von Cornvallis in der Mitte des 13. Jahrhunderts
zu dem damaligen Bürgerhaus hat aufführen lassen. Die Bauleitung hat
sich bestrebt, die alten vorgefundenen Können genau und treu wieder-
zugeben und nichts wesentlich Neues eigenmächtig beizufügen; bloss hat
man, was jedoch nur anzuerkennen ist, sowohl die Standbilder der sieben
Kurfürsten, als auch die übrigen Ornamente, welche fast alle aus dem
weichen Falkenburger Sandstein gefertigt und deswegen bis zur Unkennt-
lichkeit verwittert waren, in getreuer Nachahmung in besseren Steihsorten
ersetzt.
Bisher ist der Geschichte und Tradition nach angenommen worden,
dass das jetzige Grashaus ein für sich selbstständiges und abgeschlossenes
Gebäude gewesen sei und als solches seit der Zeit des Kaisers Richard
— 82 —
bis zum Ende des 14. Jahrhunderts als Bürgerhaus gedient habe. Bei dem
Um- bezw. Neubau sind jedoch Momente aufgefunden worden, welche
geeignet sind, diese Annahme erheblich umzugestalten, und welche die
Vermuthung nahe legen, dass das jetzige Grashaus nur einen Theil des
ehemaligen Bürgerhauses gebildet habe, dass aber der andere Theil im
Laufe der Zeiten abgebrochen worden ist und Platz für andere Bauten
gemacht hat. Diese Vermuthung des Nähern zu begründen, ist der Zweck
nachstehender Zeilen.
Das grosse und ausgedehnte Grundstück, auf welchem das Bürgerhaus
errichtet wurde, erstreckte sich, soweit es ursprünglich der Stadt Aachen
angehörte, von der Jesuiten- bis zur Annastrasse; nur mag der Theil
desselben, auf welchem die an der Westseite der Kleinmarschierstrasse,
von der Schmied- bis zur Jesuitenstrasse sich hinziehenden Häuser stehen,
bereits früher davon abgetrennt worden sein. Auch wurden in späterer
Zeit an der jetzigen Annastrasse, vom Fischmarkte ab, von der Stadt den
Bürgern Bauplätze abgetreten, auf welchen theils vor theils nach der
Errichtung des Bürgerhauses Wohnungen errichtet wurden. Die Grenzen
zwischen dem abgetretenen Terrain und dem der Stadt verbleibenden,
noch immer gross bemessenen Eigenthum sind regelmässig angelegte, lange
Linien, welche zeigen, dass bei dem Verkauf der Grundstücke ein regel-
rechtes System vorlag, nach welchem die einzelnen Bauplätze vergeben
wurden. Auch die noch in jüngerer Zeit seitens der Stadt an Private
abgetretenen Grundflächen zeigen in ihren Grenzlinien die Befolgung dieses
Systems. Nur die Häuser Schmiedstrasse Nr. 5, 7 und 9 weichen davon
ab; sie sind sozusagen aus dem städtischen Eigenthum ausgeschnitten, und
die Grenzen derselben sind nicht mit der Regelmässigkeit angelegt worden,
wie wir es an den andern Stellen sehen. Zudem zeigt das Haus Schmied-
strasse Nr. 9, welches dicht neben dem Archivgebäude liegt, eine so
geringe Breite, dass sicli die Vermuthung aufdrängt, dass dasselbe nur
einen kleineren Raum theil eines grössern Bauwerks einnimmt, welcher in
früherer Zeit an dieser Stelle gestanden hat, später aber abgebrochen
worden ist.
Obgleich Quix 1 sagt, dass die Treppe, welche zum obern Geschosse
des Grasgebäudes, dem ehemaligen Rathssaal des Bürgerhauses, führte, auf
dem Hofe des Grashauses gelegen habe, hat sich bei den mehrfachen
Ausgrabungen, welche auf diesem Hofe behufs Ausführung des Neubaues
gemacht worden sind, nirgend eine Spur eines Baues aus der Zeit Kaiser
Richards, welcher auf eine Treppe hinweisen könnte, vorgefunden. Es
kann daher die Treppe nicht, wie Quix aussagte, vom Hofe aus zum Saale
geführt haben. Als ferner von der südöstlichen Seitenmauer des obern
Geschosses die alte Pliesterung entfernt wurde, fand sich in der Mauer
selbst eine jetzt zugemauerte Thür von 0,72 m lichter Breite und 1,80 m
lichter Höhe mit hausteinerner Einlassung. Der in letzterer eingehauene
Falz sowie die darin angebrachten Löcher für die Thürgehänge waren
J) Gesch. (1. Stadt Aachen II, S.- 65.
— 83 —
dem Saale zugekehrt, woraus sich ergibt, dass der Thürflügel ehemals
nach dieser Seite hin sich öffnete. Aul" derselben Mauer wurde unter einer
nachträglich aufgebrachten Pliesterungsschicht auf einer untern, ursprünglich
aufgetragenen eine Zeichnung blossgelegt, welche mit einem Nagel oder
einem ähnlichen spitzen Werkzeug in die Pliesterung eingekratzt war und
zweifellos das ehemalige Bürgerhaus vorstellte. Die Darstellung zeigte in
roher aber leicht erkennbarer Ausführung das jetzige Grasgebäude, an
welches sich nach links hin ein schmaler thurmartiger Bau anschloss. Der-
selbe war mit einem spitzen Dach abgedeckt und hatte im Erdgeschoss eine
grosse rundbogig überdeckte Eingangsthür. Links neben diesem Tliurm
stand, in leichtern Umrissen angedeutet, ein weiteres Gebäude, welches
fast ebenso hoch wie das jetzige Grasgebäude war und im Erdgeschoss
vier Thüröffnungen zeigte, völlig übereinstimmend mit den zugemauerten
Oeffnungen im Erdgeschoss des Grashauses. Wenn auch die Fenster des
Obergeschosses dieses Gebäudes sich nicht vollständig gezeichnet vor-
gefunden haben, so war doch das dem Thurme zunächst stehende durch
seinen Bogen und das eine Seitengewände angedeutet, sodass man schliessen
muss, dass in diesem Stockwerk sich ebenfalls Fenster befunden haben.
Obgleich auf dem Bilde nicht völlig fertig gezeichnet, ist das Dach doch
durch die sich schräg hinaufziehenden Walmstriche und einen Theil des
Firstes ausreichend angedeutet. Wenn auch diese Darstellung auf ortho-
graphische Richtigkeit keinen Anspruch machen kann, so erkannte man
doch auf den ersten Blick, was der Zeichner gewollt. Eine ähnliche
jedoch sehr fragmenterische Darstellung, welche mit einem Messer in eine
halb vermoderte Wandbekleidung einer der Gefängnisszellen eingeschnitten
war und gleichfalls aufgefunden wurde, zeigte die Reste von ähnlichen
Formen wie die oben angedeuteten des Wandbildes.
Diese beiden Darstellungen sind jedenfalls Arbeiten von Gefangenen,
welche sich die Zeit damit vertrieben haben mögen, das Aeussere ihres
unfreiwilligen Aufenthalts auf die Wand hinzuzeichnen.
Es muss zunächst erwähnt werden, dass die in der südöstlichen Mauer
befindliche, jetzt zugemauerte Thür die einzige war, die zum Saale führte;
man gelangte zu derselben von einem südöstlich gelegenen Nebenbau aus, der
sich an der Stelle des heutigen Hauses Schmiedstrasse Nr. 9 befunden haben
muss, und welcher auf dem Wandbilde als Tliurm angedeutet ist. Die
Facadenbreiten der Häuser Schmiedstrasse Nr. 9 und 7 stimmen mit den
auf der Zeichnung angedeuteten Gebäuden völlig überein. Das dem Gras-
haus zunächst anstehende Haus Schmiedstrasse Nr. '.) nimmt bei seiner
geringen Breite nicht mehr Raum ein, als im Verhältniss auch die Zeich-
nung für den Tliurm angibt, während das Haus Nr. 7 dem neben dem
Thurm angedeuteten Flügelgebäude entspricht.
Offenbar diente der Thurm als Treppenraum, da auf einen solchen
auch die grosse von der Strasse aus hinführende Thür hinweist. Auch
ergibt die Breite des Hauses Schmiedstrasse Nr. ;i nicht mehr Raum, als
für eine Wendeltreppe zur Zeit der Erbauung des Bürgerhauses in Anspruch
genommen wurde. Die Lage einer solchen passl überdies vorzüglich an diese
— 84 —
Stelle, da sie fast mitten im Gebäude gelegen, im obern Geschosse rechts
zum Rathssaal und links zum Flügelanbau führen konnte. Letzterer Kaum
diente jedenfalls für die Verwaltung und die Schreibstuben. Dafür spricht
auch folgender Umstand. Die von der alten Pliesterung entblössten Mauern
des Obergeschosses des jetzigen Grashauses haben erkennen lassen, dass
der ehemalige Rathssaal nach keiner Richtung hin von Mauern durchzogen
war, mithin das ganze Obergeschoss in seiner vollen Ausdehnung als
Sitzungssaal diente. Es ist aber einleuchend, dass auch noch andere
Räume für Verwaltung der städtischen Angelegenheiten vorhanden gewesen
sein mussten und da solche nirgendwo anders nachzuweisen sind, liegt es
nahe, dieselben im südöstlichen Flügel zu suchen.
Das jetzt noch stehende Untergeschoss des Grashauses ist übrigens
älter als das aus Kaiser Richards Zeit herrührende Obergeschoss ; es stammt
aus der Zeit des frühromanischen Baustyls, also aus der ersten Hälfte des
zwölften Jahrhunderts. Da nun die südöstliche Mauer im Erdgeschoss
mit der Facade in Verband gemauert ist, so datirt sie selbstredend eben-
falls aus jener Zeit und bildete daher auch einen Theil des ursprünglichen
Baues. Von der ursprünglichen Hinterfagade waren keine Reste mehr
vorhanden.
Fragen wir nun, wie lange diese ursprünglichen Gebäudetheile, nämlich
der Treppenthurm mit dem daran stehenden Flügelgebäude, bestanden
haben, so müssen wir zunächst darauf hinweisen, dass dieselben jedenfalls
noch zur Zeit, als im Grashaus Gefängnisse eingerichtet worden sind, vor-
handen gewesen sein müssen, da sie sonst nicht auf die Mauer hätten
gezeichnet werden können. Es ist jedoch anzunehmen, dass, nachdem das
Rathhaus auf dem Markte fertig gestellt worden war, man das ältere
Gebäude allmählig aufgab und Theile davon veräusserte. Einen Hinweis
hierauf scheinen uns zwei aachener Urkunden zu bieten, wovon die eine
vom 12. Dezember 1398 und die andere vom 31. März 1457 datirt ist,
und welche Professor Loersch veröffentlicht hat 1. In der erstem dieser
Urkunden wird dem Bürger Grientz seitens der Stadt die Vergünstigung
verliehen, dass die Balken seines neuerbauten Hauses in der Mauer des
Bürgerhauses „in deir steide mure an der Burgerhuis vur't Pervisch
geleigen" belassen bleiben konnten. In der zweiten bekennt der Johann
Pastoir van Haeren, Bürger von Aachen, dass die Stadt ihm erlaubt habe,
auf der Mauer des Grashauses „up irre stede muren ... zu der stede
Grase" einen von ihm ausgeführten Bau zu stützen. Da es nun unwahr-
scheinlich ist, dass das von Grientz erbaute Haus nach 59 Jahren schon
so baufällig geworden sei, dass die Balken desselben erneuert werden
mussten, so dürfte anzunehmen sein, dass Pastoir sein Haus an der andern
Seite des Grashauses, möglicherweise auf dem Terrain des jetzigen Hauses
Schmiedstrasse Nr. 7, erbaut habe, was den Abbruch des südöstlichen
Flügelgebäudes voraussetzen würde. Die in den angeführten Jahren in
städtischen Urkunden dem Gebäude gegebenen verschiedenen Benennungen
2) Zeitsclir. d. Aach. Gesch.-Ver. I, S. 162, 168.
• — 85 —
dürften wohl auf den Zeitpunkt hinweisen, wann die bis daliin übliche
Bezeichnung- „Bürgerhaus" aufhörte und die Benennung- „Gras" begann.
Doch finden wir bereits im Jahre 1447 dasselbe in einer Urkunde Friedr. III.
als „Gras" erwähnt1.
Unter Kaiser Eichard ist demnach nicht der Neubau eines Bürger-
hauses aufgeführt worden, sondern ein bereits bestehendes Gebäude wurde
zum städtischen Bürgerhause umgebaut, und dieser Umbau beschränkte
sich wesentlich auf die Anlage eines Kathssaales mit dem entsprechenden
Facadentheil.
Wegen des schlechten Baugrundes mussten die Fundamente tief gelegt
werden und beginnen 2,50 m unterhalb der jetzigen Strassenoberfläche.
Es ist jedot.h in Betracht zu ziehen, dass die Schwellen der beiden zu-
gemauerten Eingänge zum Erdgeschoss am Fischmarkte in Folge allmählicher
Anschüttung jetzt um etwa 0,50 m unter dem Strassenpflaster liegen, die
ursprüngliche Fundamenttiefe mithin 2 m betrug. Trotz dieser tiefen Grund-
legung waren noch unter verschiedenen Hauptstützpunkten des Gebäudes
starke Pfähle aus Eichenholz eingerammt, auf welchen das Mauerwerk an-
gesetzt worden ist. Die Verblendsteine der Facade bestehen meistenteils aus
Grauwacke, das Innere der Mauer jedoch aus Steinen verschiedener Arten,
welche zwar unregelmässig vermauert sind, jedoch mit dem Mörtel eine
ziemlich feste Masse bilden. Die Mauerung des Erdgeschosses der Fagade
ist unregelmässig, die Schichten sind nicht geradlinig gearbeitet, doch
laufen die Fugen der vorhandenen Thürbogen zentral. Trotz der Unregel-
mässigkeiten in der Ausführung kann man dem Mauerwerk eine tüchtige
Technik nicht absprechen.
Bei der Aufführung des unter Kaiser Eichard errichteten Theiles des
Bürgerhauses sind jedenfalls die bisherigen Einrichtungen im Erdgeschoss
desselben zerstört worden. In der südöstlichen Seitenmauer wurden im
untern noch ursprünglichen Mauerwerk Löcher eingebrochen und in diese
die Kragsteine eingemauert, auf welchen die Balken zur Bretterbedielung
des obern Geschosses ruhten. An der Innenseite der Fagadenmauer waren
zwei grössere Kragsteine angebracht, welche, tiefer gelegen als die übrigen,
die Unterzüge der Balken trugen; bei der grossen Tiefe des Gebäudes
darf angenommen werden, dass die Unterzüge stellenweise von Pfeilern
unterstützt wurden. Die Kragsteine in der südöstlichen Mauer, von welchen
noch etwa 23 Stück aufgefunden worden sind, waren alle nach einem
bestimmten Profil gehauen; bei ihrer Auffindung zeigten sie sich sämmtlich
von dem Mauerwerk der Gefängnisse umschlossen. Sie sind an ihren alten
Stellen verblieben und von dem neuen Mauerwerk, welches man wider das
alte angesetzt hat, eingeschlossen.
Das obere Geschoss, der Rathssaal, rührt ganz aus der Zeit Richards
her. Dasselbe muss eine nicht unbedeutende Eöhe aufgewiesen haben,
wa« sowohl aus der undiirchbrocliencn Flache oberhalb der Fenster in der
!) Ebenda«. VI, 40. Augenscheinlich i>t die Bezeichnung „Gras" von dem binter-
liegenden städtischen Terrain, welches „Der bürger Grass0 (Laurent, Stadtrechn. 886, .'*7
ix. A.) genannt wurde, auf das Gebäude selbst übergegangen.
— 86 —
Fa§ade, als auch daraus hervorgeht, dass der jetzt noch vorhandene, aus
jener Zeit herrührende Theil der südöstlichen Seitenmauer nicht mehr bis
zur ehemaligen Decke des Saales reicht. Die Umfassungsmauern dieses
Stockwerks wurden neu aufgeführt. Dies ergibt sieh aus dem Umstand,
dass die Seitenmauern mit der Facade in Verband gemauert worden sind.
Das Mauerwerk ist dem des Erdgeschosses gegenüber besser und richtiger;
besonders gut und regelmässig sind die Pfeiler und Bogen am Innern der
Fenster. Obgleich keine Andeutung darüber erhalten geblieben ist, in
welcher Art die Decke des Rathssaales hergestellt war, kann man doch
nur annehmen, dass dieselbe aus Balken und Brettern gefertigt gewesen,
da für eine gewölbte Decke die Mauern als Widerlagen nicht stark genug
waren. Die Fenster der vordem Fagade sind uns durch die Restauration
in ihrer ursprünglichen Form und Grösse erhalten geblieben; von denen
der Hinterfagade wissen wir nichts, da sich keine Spur derselben mehr
aufgefunden hat.
Zu welcher Zeit der obere Raum aufhörte als Sitzungssaal für den
Rath zu dienen, ist nicht genau festgestellt. In den Stadtrechnungen des
14. Jahrhunderts wird derselbe im J. 1349 zuletzt als Rathssaal - - domus
consilii — und durch den Rath benutzt erwähnt l. Von da ab kommt er
als Rathssaal in den Stadtrechnungen nicht mehr vor; es muss jedoch
bemerkt werden, dass vom J. 1349 ab, mit Ausnahme kleiner Bruchstücke
aus den Jahren 1353 — 1373, diese Rechnungen bis zum Jahre 1376 sämmt-
lich fehlen.
Erst im J. 1391 2 wird das Bürgerhaus gelegentlich einer baulichen
Reparatur wieder erwähnt, desgleichen im J. 1394 3 bei Erbauung des
„duyster loich in der burger huys". Es unterliegt wohl keinem Zweifel,
dass man im letztgenannten Jahre mit der Errichtung der Gefängnisse
daselbst beschäftigt war. Durch die Anlage der Gewölbe über den Gefäng-
nissen musste die Bretterdielung des Rathssaales wegfallen, da die Krag-
steine, auf welchen ehemals die Balken geruht haben, in dem Gewölbe ver-
mauert aufgefunden worden sind. Indem somit die Benutzung des Saales durch
die Fortnahme des Fussbodens unmöglich gemacht wurde, ist anzunehmen,
dass im J. 1393 das Bürgerhaus aufgehört habe als solches zu dienen,
und die Rathssitzungen nunmehr im neuen Rathhause auf dem Markte
stattfanden. Der bekannte Vertrag, den die Stadt Aachen im J. 1370 mit
dem Bildhauer Peter van der Capellen abschloss, dürfte diesen Zeilpunkt
näher feststellen 4.
Das neue Rathhaus war damals im Aeussern bis auf den Bilder-
schmuck der Fagade, im Innern wahrscheinlich ganz vollendet. Im J. 1376
werden 2 M. „nuncio portanti litteram de celebracione misse super domum
consilii" erwähnt, und es scheint von dieser Zeit ab bei gewissen Raths-
*) Laurent, Aachener Stadtrechnungen S. 225, 5 ff.
2) Ebendas. S. 373, 32—34.
3) Ebendas. S. 393, 31.
4) Quix, Biographie des Ritters Chorus, S. 55.
»' — 87 —
Sitzungen in dem mit einem Chörchen versehenen aeuen Saal Messe gelesen
worden zn sein. Es hat demnach das Bürgerhaus mehr als ein Jahrhundert
der Stadt als Rathhaus gedient.
Bei der Anlage der Gefängnisse wurden sechs Zellen hergerichtet,
zwei an der JFacade, die vier andern hinter diesen. Eine siebente besonders
starke Zelle wurde im Anschluss an die vorherigen an der südöstlichen
Mauer aufgeführt. Es war dies das sogenannte „Hanseloch", in welchem
gewöhnlich die zum Tode verurtheilten Verbrecher bis zu ihrer Hinrichtung
verwahrt wurden. Neben den vier vordem Zellen lag an der Nordwest-
seite eine Thordurchfahrt, von welcher aus man vermittelst eines Ganges
zu jenen vier Zellen gelangen konnte; die drei übrigen hatten ihren Zugang
vom Hofe -aus. Auf dem obern Geschosse, den Raum des alten Rathssaals
einnehmend, wurden nebeneinander drei Räume abgetheilt, von denen nur
der mittlere kleinere als Zelle diente. Von den beiden andern grössern
scheint der eine als Detentionslokal für die Bürger, welche das Grasgebot
einhalten mussten, benutzt worden zu sein, und hier hat sich die Eingangs
erwähnte Zeichnung vorgefunden, das andere dürfte für den Gefangenwärter
bestimmt gewesen sein. Von demselben führte eine Thür zu einem kleinen
an der Hinterfacade gelegenen Vorraum, von welchem aus man zu den
beiden andern Räumen des Geschosses gelangte.
Man muss wohl befürchtet haben, dass die allerdings aus nicht sehr
hartem Material gefertigten Mauern des ursprünglichen Baues dem Aus-
brechen der Gefangenen nicht Widerstand genug bieten könnten, und setzte
daher im Innern wider die Umfassungsmauern eine neue Mauer aus behaueuen
Blausteinen von 0,65 m Stärke an. Auch die Zwischenmauern, welche die
Gefängnisszellen von einander trennten, waren aus diesem Materini in
verschiedenen, doch bedeutenden Stärken angelegt; die Gewölbe waren
ebenfalls aus Blausteinen ausgeführt. Die Bausteine waren so dicht
zusammen gefügt, dass ein Ausbrechen derselben selbst mit starken Brech-
werkzeugen ausserordentlich erschwert war. Die Zellentliüren, nur l]/.,m
hoch und a/4 m breit, bestanden aus 8 bis 10 cm dickem Eichenholz,
waren an der innern Seite mit starken Eisenplatten versehen und an der
äussern derart mit Eisen beschlagen, dass ein Zerbrechen derselben unmög-
lich wurde; auch waren sie durch schwere Riegel und Vorhängeschlösser
versichert. Besonders fest war das Hanseloch angelegt; ausser dass die
Thür ganz besonders kräftig hergestellt war, befand sich mitten in der
Zelle ein grosser schwerer Stein in den Boden eingelassen, an welchem eine
eiserne Kette, deren Glieder Fingerdicke and etwa 10 cm Länge hatten, befestigl
war; an diese Kette wurde der Gefangene angeschlossen. Ein ähnliche)' Stein
mit Kette befand sich in der mittlem ( refängnisszelle an der südöstlichen .Mauer.
Von den sieben im Erdgeschoss befindlichen Zellen hatten nur das Mause-
loch und die beiden am Fischmarkt gelegenen etwas Licht, die übrigen
waren durchaus dunkel. Bei den am Fischmarkt gelegeneu Zellen hatte mau
in das innere neue Mauerwerk Lichtöffnungen eingefügt, in dir Facaden-
niauer aber ohne Rücksicht auf deren Architektur diesen Lichtöffnungen
entsprechende unregelmässige Löcher eingebrochen und mit einem Eisengitter
— 88 ~
versehen. Durch diese Oeffnungen konnte jedoch nur wenig und bloss Ver-
streutes Licht einfallen. In den vier Zellen zunächst dem Fischmarkt befanden
sich steinerne Abtritte, welche ihren Ablauf in einen Kanal fanden.
Die sämmtlichen sieben Zellen des Erdgeschosses waren enge, kalte,
feuchte und dunkle Löcher und boten das trostloseste Bild menschlichen
Aufenthalts ; in denselben musste auf die Dauer auch der stärkste mensch-
liche Körper zu Grunde gehen.
Die Räume des obern Geschosses waren nicht so schauerlich wie die
des untern. Wenn auch der mittlere, kleinere Raum den Charakter einer
Zelle für schwere Verbrecher trug, so hatte derselbe doch direktes Licht
von der Strasse her und gestaltete sich dadurch in etwa freundlicher. Die
beiden neben anliegenden Räume waren gross und wohl beleuchtet, der
über dem Thorweg gelegene sogar gedielt.
Einen weitern Umbau erhielt das Grasgebäude etwa gegen Anfang
des 17. Jahrhunderts. Zu den um diese Zeit geschehenen Umänderungen
und Erneuerungen gehörte die Hinterfacade, der im Thorweg befindliche
Bogen, welcher noch bis zum jüngsten Abbruch stehen geblieben war und
das in die Facade gebrochene Thor. Aus dieser Zeit rührt auch das
Abdeckungsgesims der vordem Fa?ade, welches bereits ausgebildete
Renaissanceformen zeigt, her. Die Hinterfacade, in der Bauweise der
damaligen Zeit ausgeführt, zeigte abwechselnd Schichten von Bruch- und
Hausteinen, aber derart, dass die letztern nur als Verblendungen nach
Aussen sich zeigten, während die Mauer selbst so wie die innenseitige
Fläche aus mittelmässig grossen Bruchsteinen hergestellt war. Im Erd-
geschosse befanden sich gekuppelte Fenster von je 0,55 m Breite und
1,18 m Höhe, welche durch einen Steinpfeiler von einander getrennt waren.
Ueber diesen Fenstern, und zwar einen Meter höher, standen ähnliche,
deren Höhe bei gleicher Breite jedoch nur 0,95 m betrug. Im obern
Geschosse war genau über dem des Erdgeschosses ein grosses Kreuzfenster
angebracht, dessen vier Lichtöffnungen je etwa 0,55 m breit und 1,25 m
hoch waren. In dem Raum hinter diesem Fenster, welcher sich auch
über das sogenannte Hanseloch erstreckte, befand sich ein hübsch gemauerter
Kamin. Von der Abdeckung der Hinterfacade so wie auch der Ueber-
deckung des anstossenden Raumes ist uns nichts bekannt.
Nach dem grossen Brande vom J. 1656, durch welchen das Grashaus
eingeäschert wurde, blieben die Trümmer bis zum J. 1663 liegen1, dann
wurde eine Erneuerung vorgenommen, aber nur in nothdürftiger Weise;
insbesondere scheint das Dach äusserst dürftig hergestellt gewesen zu sein'
sonst würde es sich wohl bis in unsere Zeit erhalten haben. Nur die vordere
Facade erhielt eine regelmässige Abdeckung, aber auch da Hess man die
Innenseite der Mauer unbeschützt.
So blieben die schauerlichen Gefängnisse bestehen, bis nach Vertreibung
der Franzosen aus Aachen durch die preussische Regierung ein neues
Gefängniss auf dem Terrain des ehemaligen Franziskanerklosters in der
*) Qu ix, Wochenblatt vom 17. Februar 1838.
Der Stephanshof.
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Grosskölnstrasse erbaut wurde. Von da ab blieben die Gefängnisse des
Grashauses verödet und wurden nur für altes Gerumpel verwendet. Vor
etwa dreissig Jahren wurde der Abtrag des obern Geschosses begonnen,
aber nicht durchgeführt, sodass die Gefängnissräume und ein Theil der
hintern Facade noch stehen blieben. Ein kurz nachher über die vordem
Zellen gelegtes Nothdach verhinderte nicht, dass der Regen durch dasselbe
hinab bis auf und durch die untern Gewölbe rann. Im J. 1887 endlich,
als der Neubau des städtischen Archivs begonnen werden sollte, wurde mit
Ausnahme der vordem Facade und der beiden Seitengiebel alles nieder-
gelegt, und keine Spur der alten Gefangnissmauern ist mehr bestehengeblieben.
Die Ausgrabungen von Erde, welche zur Anlage des Kellergeschosses
des Seitengebäudes gemacht worden sind, haben nichts hervorgebracht,
was archäologisch oder architektonisch bemerkenswerth wäre. Von römischem
Mauerwerk, welches man daselbst zu finden gedachte, war keine Spur vor-
handen; die wenigen Scherben von römischen Töpfen, welche man aus-
gegraben, bewiesen nur, dass sie von andern Stellen herrührten. Nur fand
sich die oben beschriebene Zeichnung des Grashauses, welche zwar roh
in der Form, um so interessanter in Bezug auf den Inhalt, die wichtigsten
Fingerzeige bot, um die ursprüngliche Gestalt und Bestimmung dieses alt-
ehrwürdigen Baues wieder erkennen zu lassen.
Zur Geschichte der Aachener Patrizierhäuser.
Von C. W. Menghius.
Manchem Aachener dürfte es wohl von Interesse sein, etwas über
die Geschichte der alten Patrizierhäuser seiner Vaterstadt zu erfahren.
Es mögen daher hier einige Nachrichten folgen, welche sich auf das Haus
Peterstrasse Nr. 50, jetzt der Frau Wittwe Joseph Menghius gehörig,
beziehen. Vielleicht geben sie Anlass, dass auch Andere in ihren Haus-
akten Umschau halten und das geschichtlich Merkwürdige daraus den
Lesern dieser Zeitschrift mittheilen.
Das genannte Haus, nur aus einem Stockwerk bestehend, wurde im
Anfang des 18. Jahrhunderts erbaut. Schon seine ernste schlichte Fagade
und die einen fast quadratisch angelegten Hof umgebenden inneren Flügel
lassen vermuthen, dass es die Wohnung einer vornehmen Familie war.
Auch das breite, die Höhe des Gebäudes bis zum Dachfirst einnehmende
Treppenhaus weist darauf hin. In den vorliegenden Akten wird es zuerst
am 14. Juli 1759 erwähnt, als die Eigenthümerin des Hauses, die ver-
wittwete Freifrau Maria Regina von Merode zu Frentz, geb. Gräfin von
Waldbott-Bassenheim, dasselbe an Theodor Korschgens auf zwölf Jahre
gegen Zahlung einer Versatz- oder Belehnungssiimme von 14ö() Kthlr.
überliess. Nach dem Tode der Freifrau von Merode fiel das Haus an
deren Neifen Balduin Franz Karl Freiherrn von Merode zu Frentz, der es
durch Akt vor Notar Xaver Schwartz vom 18. Juni 1771 dem bisherigen
— 90 —
Pächter Theodor Körschgens nach Ablauf der zwölfjährigen Pachtzeit
wiederum zu „vollem Eigenthum, Nutzen und Gebrauch" überlässt „anders
aber nicht als wie selbiges dermahlen separirt sich befindet und von ihm mieth-
weiss bewohnt und occupirt wird." Die vortrefflich erhaltene Pergament-
urkunde trägt in doppelter Reihe je vier durchaus unverletzte Siegel folgender
Zeugen : Richter Rudolf Freiherr von Geyr zu Schweppenburg, Theodor Joseph
von Speckheuer, Johannes Jacobus von Wylre zu Hegern, Casparus Aloysius
Limpens, Joan Jacob Willi. Gar. Deod. von Fürth, Johann Martin von Oliva,
Friedrich Leonard von Pelser, Schoefen, Philip Maria Vincent de Witte
von Limminghe.
Etwa drei Jahre später den 7. März 1774 nach dem Tode Theodor
Körschgens geht das Haus in neue Hände über. Freiherr Balduin
Franz Karl von Merode zu Frentz verkauft es an den Freiherrn Damian
von Pallandt und seine Gemahlin Amalia von Hagen für die Summe von
2337 „cordonirter, wichtiger Dukaten, welche der freyherrliche Ankäufer
anfangs März dem Herrn Verkäufer Freiherr von Merode oder hochdessen
Bevollmächtigten in eine unzertheilte Summe allhier in Aachen jedoch
ohne Interessen richtig und baar zu erlegen versprochen." Armengelder
und sonstige Kosten trägt der Käufer. Endlich soll noch bis zum 15. Septem-
ber des laufenden Jahres 1774 dem jüngeren Freiherm von Collenbach als
wirklichem Einwohner erlaubt sein, im Hause zu wohnen gegen „pro rata
verfügender Zahlung des accorderten Pachtschillings." Die gut erhaltene
Pergamenturkunde ist unterschrieben von: Joann Arnold Joseph Hoebell,
Freyherrlich von Merode'scher Sekretarius als Bevollmächtigter des Frei-
herrn von Merode (derselbe wird im Akt Fürstlich Hildesheimischer Hof-
kammerrath genannt), Damian Baron von Pallandt, Johannes de Graaff
und Willem Matar als Zeugen, Laur. Jos. Schwartz und Carolus Longree
als Notaren. Dass Herr Damian von Pallandt . . die in vorstehendem
Verkauf angegebenen „allingen Kaufschillingen in die in actu bestimmte
Zeitfrist Kraft darüber ertheilter Quittungen gezahlt habe", wird in einer
Nachschrift vom 20. Juni 1782 bescheinigt und den 22. Juni durch die
beigedrückten Siegel nachstehender Zeugen beglaubigt: Majorei-Stadthalter
Jan Friederich Wilhelm von Schulz, Joannes Jacobus von Wylre zu Hegern,
Jos. Franc. Xav. von Richterich, Joa. Wilm God. Franc. Maria von
Lommessem, Joan Jacob Willi. Car. Deod. von Fürth, Johann Martin von
Oliva, Godfried Joseph B. von Broich zu Durwis, Martiims Franc, von
Loneux.
Die Gemahlin Damians von Pallandt Amelie de Hagen vermacht
durch notariellen Akt vom 16. Dezember 1783 „ein Viertel der Hälfte",
die ihr an dem besagten Hause Peterstrasse Nr. 595 (jetzt Nr. 50) gehört,
ihrem Gatten und die drei übrigen Viertel den drei Kindern ihres Gatten
aus erster Ehe Georg, Wilhelm und Maria Theresia, welch letztere an
einen Herrn de Lapaliere vermählt war.
Damian von Pallandt, welcher jetzt 5/8 des Hauses besass, verkauft
diese seinem Sohne Georg am 21. Germinal des Jahres 11 vor Notar
Le Febvre in Mastricht, sodass dieser also t:/8 oder lö/a., des Hauses besitzt.
• — 91 —
Der Enkel Damians von Pallandt von seinem zweiten Sohne Wilhelm,
der ebenfalls den Namen Wilhelm führte, verkauft am 15. Brumaire XII
vor Notar Winkens in Aachen „son tiers de sa huitieme part" (= 1j2i) an
seinen Oheim Georg von Pallandt. Die Schwester des letztgenannten
Wilhelms von Pallandt, Therese, also die Enkelin Damians von Pallandt,
war vermählt mit Andre Arnould van Velthoven, Drossard zu Cranendonck
und Büdel in Holland. Sie verkauft vor Notar Dautzenberg den 4. Juni 1806
ihr 1ju ebenfalls an ihren ( >nkel Georg- von Pallandt für den Preis von
50 Louisd'or (= 1185,15 fr.), sodass dieser 20j2i des Hauses sein eigen nannte.
Diese 20/24 überträgt Georg1 von Pallandt kurz darauf, nämlich am
29. September 1807, in Folge eines Tauselivertrages an Karolina von
Bentinck, Wittwe Hugos von Leerodt, und ihre beiden Söhne Maximilian
und Franz von Leerodt. Desgleichen erwirbt dieselbe für 4000 fr. auch
die 3/24 Antheile, welche bis dahin im Besitze des Herrn Marin de Gueroult
de Lapaliere, „General de Brigade, pensionnaire de l'Empire francais",
und seines unmündigen Sohnes von der verstorbenen Maria Therese von
Pallandt, Louis Charles de Gueroult de Lapaliere, sich befanden. Nach
diesem Kauf verfügte Karolina von Leerodt demnach über 2:)/L<4 Antheile
des in Kede stehenden Hauses. Den letzten 1f2i Antheil besass (icorg
von Pallandt, als Rentner in Stolberg wohnend. Es niuss dies ein Enkel
des oben genannten Damians von Pallandt von seinem zweiten Sohne
Wilhelm sein und ein Neffe des Georg von Pallandt, der in seiner Hand
20/24 Antheile vereinigte. Diese beiden Inhaber nun, von denen die eine
über 23/24, der andere über 1/24- Antheile verfügen, verkaufen am 6. December
1808 vor dem Notar Jean Dautzenberg ihren bezüglichen Theilbesitz an
den Tuchfabrikanten Guillaume Gaspard Pohlen, „wohnhaft in Wirichs-
bongardt" und seine Ehefrau Maria Josepha geb. Ibels zum Preise von
14000 Reichsthalern, jeder zu 54 Mark berechnet, und einer Leibrente
von 294,35 fr. für Frau Karoline von Leerodt.
Am 21. September 1821 erstand Wilhelm Zurhelle das Haus von
den Kuratoren der Fallitmasse Pohlen, und im Jahre 1849 endlich ging
es in die Hände des Sammetfabrikanten Conrad Joseph Menghius aus
Viersen über, dessen Wittwe noch heute in Besitz desselben sich befindet.
Kleinere Mittheilungen,
Kornpreise in Aachen in den Jahren 1500 1 628 und L708— 1713.
Unter den Archivalien von Schönau, welche gegenwärtig im Besitz unseres Vereins
sind, befinden sieb die nachfolgenden drei Verzeichnisse der Kornpreise, die vom Jahr
1560— lfill , von L612 1628 und von L708 1713 „zu Aach auff freyen Marckt" mass-
gebend waren. Sie bieten in ihrer auf und ab schwankenden Bewegung beachtenswerthe
Fingerzeige für die Beurtheilrng des sozialen Lebens der damaligen, durch so mannigfache
innere und äussere Erschütterungen tief aufgeregten Bürgerschaft.
Das erste und umfassendste dieser Verzeichnisse bestehl aus zwei zusammengehefteten
Bogen Papier in Folio. Das deutlich erkennbare Wasserzeichen stellt zwei mit Zinnen
gekrönte und mit je einem Fenster versehene Rundthürme dar, dir einen rundbogigen,
— 92 —
■ •
spitz überdachten Thoreingang flankiren. Das Getreidemass, welches in diesem Verzeichnisse
der Berechnung zu Grunde gelegt wird, ist ein Mudt. Ein Mudt wird bald als Scheffel
bald als Malter erklärt; hier dürfte die letztere Deutung auf Grund folgender Erwägung
anzunehmen sein.
Im Jahre 1587 wird ein Mudt Koggen mit dem höchsten Preis von 108 Gulden
bezahlt. Zu demselben Jahre berichtet K. F. Meyer: „und beyni Anfang des folgenden
Jahres riss in Aachen eine so grosse Theurung ein, daß ein Faß Roggen 13 gülden, und
ein Brod 13 Mark kostete; hierauf erfolgte aber ein so merklicher und schleuniger Abschlag,
daß der Brod-Preis um Ostern auf 4 Mark und urn Weihnachten auf 13 Aachensche
Bauschen zurückgieng" 1. Ein Faß Koggen wäre demnach der 84/13 Theil eines Mudt,
oder ein Mudt hatte 84/13=81/3 Faß2. Dies stimmt auch zu den Massen von Neus, wo
ungefähr zur selben Zeit 1 Malter 8 Fass betrug3.
Anno sechszehenhondert und funffzehenn, denn achten Dag deß Monats Augusti,
ist nachfolgende Fractie außer der Herrn Marcktmeister Buch deß Kon : Stuels imd
Heiligen Reichsstatt Aach durch mich zu Endtbenenten Kay: Notariell extrahirt und auß-
gezogen Avorden in vorgemeltter Herrn Marcktmeistere personlicher gegenwertigkeit,
nemblich Johannen von Eyß, Arnoldten von Sauelßberg, Johannen Heugen, Claeßen
Klunckardt und Johannen von Schwertten, warauß zu ersehen, was ein Mudt Roggen von
dem Jahr 60 biß ins Jahr 1611 inclusive von Jahr zu Jahr auff freyen Marckt gegoltteu hatt:
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gering
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17
—
20 „ -
16 „
—
1) Aachensche Geschichten S. 491, § 29.
2) Ein Malter hatte 12 Scheffel, 1 Scheffel war demnach noch kleiner als ein Fass und kann
also keinesfalls ein Mudt gewesen sein. Laurent erklärt in seinem Glossar zu den Stadtrechuungen :
Muclde, Mud . . Ein Getreidemass von Modius ; in Eupen war noch unlängst das Wort Mod gebräuchlich
und bedeutete ungefähr 4 Scheffel.
3) Unvergreiffiicher Status über das Hauss und die Reichssfreye Herrschaft Mylendunck. . . .
„Die Früchten Maass ist besonder dieser orths, komt doch bald mit der Xeusser übereinander, ist doch
etwass stareker, gehet mit Maklern, ein Malter hatt 8 Fass 4 Summern. 1 Summer 2 Faß, das Faß
2 Viertel, das Viertel 2 Pinten." (Manuskript des 17. Jahrb. im Vereinsarcliiv.)
*) Jm Original finden sich die 3 Preisangaben untereinander. Der Raumerspamiss wegen wurden
sie hier neben einander gesetzt. Neben Preyss ist auch das Wort Kauft' angewandt, oder beides
weggelassen.
s) Muss wohl 27 gl. heissen.
9a —
höchst. Preyß
mittelster Pr.
geringster Pr
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1583
galtt
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11
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24 „
Joauues Köning sacra Aptia (apostoliea) et imperiali authoritatihus Notarius publicus
ad praemissa requisitus in fldem subsript.
Unnd dweill unsere vorgeineltte Marcktmeistere und Bürgermeisterei!, Schelfen unnd
Rath vorß. Königlichen Stuels unnd Stadt Aach unterthenigüch zu erkennen gehen, daß
diese effractie oder Auszugh in viin probationis tanquam Documentum validum villeicht
ahn Kays. Cammergerichtt oder sunst ihm recht gepraucht und ingehen werden muesse,
so haben dieselbige in Nahmen der Partheien, so solche effractie von Hinnen ersucht!
unnd begert, unß gebetten dieses mit unserer Stadt auffgedrucktvii ovnieinen Insiegell zu
hckrefftigen, so wir Innen der warheit zu Steuer nit verwigeren wollen.
Signatum. Aach, am achtzehenden Augusti A°. tausend sechshundert unnd funffzehen
Nikolaus ron Münster*.
') Wabrscheinlicb 41 gl.
2) Das Original war früher mit einem Siegel versehen, beute Bind nur noch Spuren grünen
Wachses vm seilen.
— 94 —
Das zweite Preisverzeichnis», die Jahre 1612—28 umfassend, ist nur in einer Ab-
schrift aus dem 18. Jahrhundert erhalten, als Getreidemass ist das Fass der Berechnung
zu Grunde gelegt: Effractio Generalis pro anno 1600, so die hh. Capitularen von unser
lieher frawen Kirchen sich haben jarlichs laeßen bezahlen:
1612 1 Vaß rogg.
1613
ii
11
1614
11
11
1615
JJ
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11
11
1621
11
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11
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11
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11
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Das dritte Verzeichniss für die Jahre 1708 — 13 liegt im Originale vor und ist
von dem vereideten Marktmeister Quirin Brewer ausgestellt. Es lautet: Es wirt hiemit
bescheinigt, daß befunden worden seyn in die protocolla der hh. Marckmeistern dieser
freyer Reichsstadt achen, dass die freuchten gegolden haben als folgt:
Anno 1708 den 25 november hat ein Faß Korn gegolden 33 inr. 34 mr. 35 mr.
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40 „
411/* „
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Quirin
Brewer
vereitter
Marckmeister
patron.
Diese fracksie kost
24
merek.
ichen.
C. Boehmer,
Ausgrabungen auf dem Stephanshofe, der Prinzenhofkaserne und
in der Korneliusstrasse. (Mit Skizze.)
Im J. 1887 wurden auf dem früheren Stephanshofe, einer ehemaligen Beguinen-
anstalt, welche zwischen der Hartmannstrasse und dem Heppion sich erstreckte, die auf-
stehenden, zum Theil baufälligen Gebäude sowie <l i«- ehemalige Kapelle abgebrochen, um
für die Anlage einer Strasse und moderner Bauten Platz zu machen. Im verflossenen
Jahre 1888 wurde die neue Strasse angelegt, desgleichen auch die Behauung der an die
Hartmannstrasse stossenden Grundstücke in Angriff genommen. Bei den Erdarbeiten nun,
welche zum Zweck der Kanalisirung der Strasse und der Fundamentirung der Neubauten
vorgenommen wurden, legte man eine Anzahl eigenartiger, mit Eolz ausgeschlagener vier-
seitiger Gruben bloss, deren Alter und Zweck sieh bisher mit Sicherheit noch nicht hat
bestimmen lassen. Die Erde wurde bis zu einer Tiefe von etwa 1 m ausgeschachtet.
Die obere 1 bis 1,50 m hohe Schicht stellte sich als aufgeschütteter Hoden dar, unter
welchem der gewachsene, feste, etwas rostbraun gefärbte Letteboden sich zeigte. Aus
diesem festen und undurchlässigem Muttergrund waren die Gruben ausgehoben, deren
bisher 16 aufgedeckt worden sind. Auf der beiliegenden Skizze sind dieselben mit punktirteu,
• — 95 —
die Umfassungsmauern der aufstehenden Gebäude mir durchgeführten Linien gekennzeichnet.
Die fortlaufende Nummerirung gibl zugleich die Zeitfolge an, in welcher sie freigelegt
wurden. Nr. 1 — 13 liegen unter den neu errichteten Häusern Hartmannstrasse 28, 30, 32,
34, 36; Nr. 14, 15 und 16 unter der Axe der neu angelegten Elisabeth-Strasse. Nr. 1
misst 2:2'", Nr. 2 2,75:3,15™, Nr. 3 und 4 L,50: 1,50 »"», Nr. 5, 6 und 7 zusammen 4:4 '».
Die übrigen konnten nicht genau vermessen weiden und sind nur abschätzungsweise
augegeben, halten sieh aber innerhalb derselben Masse. Während demnach die Grösse
schwankt, war die Tiefe überall dieselbe, die Sohle reichte bis 4 in unter die Oberfläche.
Die einzelnen Wandungen waren senkrecht abgestochen. Damit aber die Erdmassen
nicht in das Innere stürzen konnten, wurden sie mit Holz verkleidet, lu die vier Ecken
rammte man starke Pfosten, welche 4 m lang, am Kopf 0,33 m dick und unten zugespitzl
waren, ein, während man die Zwischenräume mit gleich langen, aber nur 1 1.") ein starken
Planken ausfüllte. Einige derselben stellten sich als Fassdauben dar. Durch je einen
Querbalken, welcher an der Iuneuseite von einem Eckpfosten zum andern reichte, wurden
diese Planken gegen die Aussenwände angedrückl und verhindert, nach innen zu stürzen.
Ausserdem waren dieselben, um dem von Aussen wirkenden Drucke noch besser wider-
stehen zu können, in der Mitte durch Versteifungen gestützt, welche man schräg in die
Sohle eingetrieben hatte.
Sämmtliche Gruben waren in ziemlich gleicher Weise mit einer dunkelgrauen,
vielfach schwarzen uud fettglänzenden Dungerde augefüllt, in welcher stellenweise das
verfaulte Stroh noch zu erkennen war. Ueberall war die Füllerde mit zahlreichen Kirsch-
körnern durchsetzt, ferner wurde eine Anzahl ganzer und zerbrochener Thongefässe ver-
schiedener Gestalt und ungleichen Alters zu Tage gefördert. Neben einem kleinen römischen
Trinkbecher fand man etwa 12 bauchige, nicht glasirte Henkelkrüge von roher Arbeit aus
grauer, grober Masse, die Herr Staatsarchivar Habets in Maastricht auf Grund ähnlicher
datirter Funde in Holland als dein 10. — 14. Jahrhundert angehörig bezeichnete. Ob die-
selben aus Holland eingeführt, oder in Aachen nach holländischen Vorbildern hergestellt
wurden, muss vorläufig dahin gestellt bleiben. Auch Scherben Raerener Gefässe waren
nicht selten. Auf der Sohle der mit Nr. 2 bezeichneten Grube stiess man auf eine kupferne,
einst vergoldete Schüssel romanischer Arbeit etwa aus dem 12. Jahrhundert, welche aber
in jüngster Zeit von fachmännischer Seite für gefälscht erklärt wird. Neben einigen ganz
oxydirten Kupfermünzen von anscheinend nicht sehr hohem Alter, zeigten sich noch die
Kiefern und Knochen eines Schweines, ein kunstloser verrosteter Eisenschlüssel, ein kupferner
Erahn und 5 Gussformen aus grauweisser Masse, von denen die grösste zerbrochen war
und starke Spuren einstigen Gebrauches zeigte. Aus dem Hoden unter der Kapelle hob
man eine .Masse Menschenknochen, welche dort bestatteten Leichen angehörten. An derauf
der beiliegenden Skizze mit einem Kreuz und der Zahl IT bezeichneten stelle brachte
man aus dem Mauerwerk eines Kellergewölbes ein gekuppeltes romanisches Kapital aus
Kalkstein zu Tage, welches möglicherweise dem einsl hier errichteten Gotteshause angehört
hat und einen Schlnss auf den Baustil desselben gestattet. Hin Stück geschmolzenen
Kupfers in der Nähe könnte von der Bedachung dieses durch einen Brand zerstörten
I lebäudes herrühren.
An der Jesuitenstrasse, schräg gegenüber der Michaelskirche, erstreckl sich das
Grundstück der ehemaligen Prinzenhofkaserne. Im verflossenen Sommer wurden daselbsl
die Fundamente für das neue Realgymnasium gelegt. Hierbei deckte mau 5 mit Holz ein-
gefasste Senkgruben von ganz ähnlicher Grösse und Beschaffenheil und mit nahezu gleich-
artiger Füllung auf, wie die auf dem Stephanshofe beschriebenen. Zur selben Zeil
wurde die Korneliusstrasse kanalisirt und auch bei dieser Gelegenheil eine solche Grube
aufgedeckt, in welcher aeben Tl scherben und Kirschkörnern sieb auch eine Steinkugel
von etwa 30 cm Durchmesser, eine sogenannte Bleidenkugel, vorfand. Als man in derselben
Strasse zu dem neuen, neben dem Eckhause gelegenen Gebäude den Kanal legte, stiess
man in der Tiefe von 2 m auf einen Eichenbohlen von 3 m Länge, welcher quer unter
der Strasse lag; derselbe ruhte auf drei Balken von derselben Dicke, welche zu beiden
Seiten des aufgeworfenen Grabens in die Erde verliefen und durchgesägl werden mussten.
Darunter lag dunkle Humuserde, spärliche Knochen und Kornreste enthaltend, und unter
-
— 96 —
dieser in einer Tiefe von 3,60 m wiederum ein Balken, genau unter dem ersten und in
derselben Lage; ob dieser abermals auf Querhölzern ruhte, war nicht festzustellen. Bei
denselben Erdarbeiten brachte man in dieser Strasse eine römische Münze aus Mittelerz
zu Tage, welche das Brustbild Hadrians mit der Mauerkrone darstellte.
Schliesslich sei noch erwähnt, dass nach einer mündlichen Mittheilung auf dem
Grundstück des Klüppels, einer Weinhandlung an der Ecke der Ursulinerstrasse und des
Holzgrabens, vor mehreren Jahrzehnten ganz ähnliche Gruben aufgedeckt Avorden sind
und sich darin soviele Kirschkörner vorgefunden haben, dass man auf die Vermuthung
kam, es wäre an dieser Stelle einst Kirschwasser hergestellt wordeu.
Wann und in welcher Absicht diese Vorrichtungen angelegt worden seien, liess sich
noch nicht bestimmen. Soviel darf aber als sehr wahrscheinlich gelten, dass sie in der
letzten Zeit, ehe sie ganz überdeckt wurden, als Düngergruben zur Aufnahme der Abfälle
menschlicher Wohnungen und vielleicht auch als Aborte gedient haben. Es liegt nahe,
besonders an die Zeiten der alle 7 Jahre wiederkehrenden Heiligthumsfahrten zu denken,
wo Hunderttausende von Menschen in der nicht sehr umfangreichen Stadt Unterkommen
finden mussteu. Wir wissen, dass die Pilgerzüge aus den östlichen Ländern, die als
Ungarn bezeichnet werden, von der Stadt auf dem Mathiashofe verpflegt Averden mussten.
Es geschah dies mit andern Pilgern auf andern Plätzen. Die Masse der Kirschkörner
wäre dann leicht aus dem Umstände erklärlich, dass diese Wallfahrten im Juni gerade in
die Kirschenzeit fielen, und diese Frucht damals wie heute viel gegessen wurde, wie man
es in dem verflossenen Heiligthumsjahr 1888 deutlich sehen konnte. Nicht unpassend
dürfte es sein, zur Beleuchtung des Treibens bei solcher Gelegenheit die Aufzeichnungen
des Buches Weinsberg aus dem Jahre 1524, einem Heiligthumsjahr, anzuführen, welche
freilich auf Köln sich beziehen, aber nicht weniger auch für Aachen zutreffen: „A. 1524 im
somer war die hiltumsfart, die man zu 7 jaren plach zu halten, und zouch grois folk
zu Trier, Aich und Collen, und es waren diss fart mehe dann 2 ader 3 tausent Ungaren,
Behemer, Oistericher und anderer fremden zu Ooln, die das hillichtumb besuchten. Man
gaff groiss gut den armen pilgeren umb gottes willen. Sei lagen die Bach uff und ab
in allen heusern, auch lagen sei mit heufen zu Weiiisberch in meines fatters haus im
stall jamerlich, aissen kirssen, prumen und obsts, sei hatten auch mit züchten uff den
hindersten hoff ir noittorft gemagt, das kirsboum da uissclogen wie ein walt und pliben
lang stain uuabgehauwen. Disse pilgeren drogen auch in den dorn, zu s. Marien, zu Weissen-
frauwen groisse sware wasskerzen, darin sei vil geltz staichen, und offerden dieselben, auch
brachten sei ungars gelt, kleine silbere penninkger, die lange zit gankpar waren. Etlich
Ungarn brachten dissmail groisse berren von pertzlengden mit, die im haus Weinsberch und
in andern winhusern und uff der gassen sich uffrichten und danzten nach dem spil, das
die Ungaren hatten, peifer und bongelger (Paukenschläger), und bliben disse berren nach
der hiltumsfart lange zit in Coln und umb die stat in andern landen, bis dass sei uff
das lest mit den berren ire morderei im lande antriben und also vertilliget worden."
Aachen. K. Wieth.
Vereinsangelegenheiten.
Sonntag, den 16. Juni, Ausflug; der Herrn Mitglieder und ihrer
Damen nach Montjoie. Abfahrt 111 am Rheinischen Bahnhof. 922 Ankunft
in Kalterherberg. Fusswanderung über die Burg Reichenstein nach Montjoie
und Besichtigung der dortigen Burg. Mittagessen im Hotel Hern ha eh
(Gedeck 2 Mark). Abfahrt von Montjoie 6iL
Anmeldungen nimmt Herr Buchhändler Kremer, Pontstrasse, bis
Samstag, den 15. Juni, entgegen.
Druck von Hkkmann Kaatzek in Aachen.
Mmm Ämchem^ Ybratit
p
Jährlich 8 Nummern
ä 1 Bogen Royal Oktav.
Preis des Jahrgangs
4 Mark.
.'•■
Kommissions-Verlag
dei
( Iremer'sehen Buchhandlung
(C. Ca/.in)
in Aachen.
Mittheilungen des Vereins für Kunde der Aachener Vorzeit.
Im
Auftrage dt
■s Vereins herausgegeben von Dr. K. Wieth.
Nr.
7.
Zweiter
Jahrgang.
1889.
I:
ii h a 1 1
: H.
Kelleter,
Namen
in Aachen.
zeiten.
- C. Boehmer,
- Fragen.
Verhaltuugsniassri'gelu in Pest-
Namen in Aachen.
Von H. Kelleter.
Einleitung-.
In den nachfolgenden Zeilen soll an der Hand urkundlicher Formen
und einschlägiger Belege der Versuch gemacht werden, eine Auswahl
alter und neuer Aachener Vor- und Familiennamen sowie der etwa damit
in Verbindung zu bringenden Ortsbezeichnungen im alten Reiche von
Aachen mit Erklärung ihrer Herkunft, Entwicklung und Bedeutung vor-
zuführen. Die einzelnen Namensformen sind folgenden Quellen entnommen :
Q.uix Chr., Necrologium Eccl. B. M. Y. Aquensis mit Lib. Censuum
d. A. 1320. Aachen und Leipzig 1820.
Laurent J., Aachener Stadtrechnungen aus dem II. Jahrhundert.
Aachen 1866.
Loersch H., Aachener Rechtsdenkmäler aus dem L3., 14. und 15.
Jahrhundert. Bonn 1871.
Pick R., Aus dem Aachener Stadtarchiv. 2. Heft. Fehdebriefe.
Bonn 1888.
Die genannten Werke umfassen einen Zeitraum von 600 Jahren,
während dessen Aachen aus einer kaiserlichen Pfalz sich allmählich zum
städtischen Gemeinwesen und schliesslich zur mächtigen, gewerb- und
handelblühenden Reichsstadt entfaltet, hierbei unterstützt von dem ganz
besonderen Vorzüge, die „prima regum curia", die Krönungsstadl deutscher
Könige zu sein. Da bethätigte sich eine rege kirchliche und bürgerliche
— 98 —
Gesinnung-. Das Nekrologium des Münsterstiftes überliefert uns eine grosse
Anzahl Namen von Personen nicht bloss aus dem Stande der reichen
Grundherrn und Adelsgeschlechter sondern auch aus den Seihen der
Gewerbetreibenden und kleinen Besitzer, welche Schenkungen und Stiftun-
gen an die Kaiserin Muttergottes machten. Die Stadtrechnungen und Sechts-
denkmäler gewähren uns genauen Einblick in das innerste Getriebe der
städtischen Verwaltung.
Bei allen diesen Gelegenheiten treten manche noch heute lebende
Namen hervor. Ihre Träger erscheinen bald im schwerfälligen Gewände
des Seisigen, des Geistlichen oder des Saths, bald in dem einfachen Anzug
des bürgerlichen Handwerkers, oder gar in dem Pfeffertuch des städtischen
Trommlers, Pfeifers oder Läufers. Aber die Namen wechseln auch ihre
Träger. Ein ehemals hochtönender Name von furchtgebietender Bedeutung
wird der Zuname oder gar Spottname eines Wächters, während der Name
eines Obermeisters im Pferdestall zu den vornehmsten des Landes von
Aachen steigt. Nichts bezeichnet mehr den Wechsel der Dinge und
Zeiten als das Steigen und Fallen der Namen und ihrer Bedeutung.
Zu ihnen selbst übergehend, kann man sie in zwei Hauptklassen
unterbringen. Die einen bezeichnen das christianisirte Bönierthum, die
andern das heidnische Germanenthum. Gegen das Ende des ersten
Jahrtausends nach Christus ist dieser Unterschied nicht mehr feindlich und
trennend - Karl der Grosse hat da mit gewaltiger Hand der Bonifatius-
arbeit geholfen - jedoch ist der Gegensatz noch nicht so ausgemerzt, dass
man ihn wenigstens als Form in einer Besprechung nicht beibehalten dürfte.
Da Quix in dem Sufe steht, zuweilen dem Beispiel des Vater Homerus
(quandoque dormitat pater Homerus) zu folgen, so sind ihm seine Formen nicht
auf den Buchstaben zu glauben. Er erhält aber durch das überreiche
Aachener Namenmaterial bei Laurent und Loersch eine so grosse Unter-
stützung, dass man an vielen Stellen ganz fest auf ihn bauen kann.
Dazu kann durch Heranziehung der Lacomblet'schen Sammlungen, beson-
ders der Nekrologe und Hebe-Segister in Band II und III des Archivs
für die Geschichte des Niederrheins eine willkommene Vergleichung zu
manchen dunkeln Formen der Aachener Quellen gefunden werden, was denn
auch in besondern Fällen hier geschehen ist.
Beim Aufsuchen der Herkunft und Bedeutung dunkler Wörter vergegen-
wärtige man sich, wie das Volk stets bereit gewesen ist, die vollen Wort-
bauten zu zertrümmern. In den meisten Fällen wird nur die betonte Silbe
als Seele des Wortes d. h. als Träger der Bedeutung zurückgelassen.
Thaten dies die Italiener und Spanier mit beinahe sämmtlichen Wörtern
ihres Sprachschatzes, so unterliessen sie es auch nicht, dem gebliebenen
Sest („Eestform") als Trost- und Heilmittel ein neues liebevolles, zärtliches
Endsilbchen anzuflicken: Da entstand die „Koseform." Schon sehr früh
hatten unsre Vorfahren dasselbe — und das ist für ihren gemüthvollen
Charakter besonders sprechend — mit den Namen ihrer Verwandten und
Stammesgenossen gethan. Weil gewöhnlich nur ein Ton, ein Treff, in
einem Worte sich findet, so konnte in dvn meisten Fällen bei der Verkürzung
— 99 —
nur eine Restform eines und desselben Wortes sich ergeben. Zwei
Eestfonnen konnten entstehen, wenn das zn kürzende Wort zwei Treffe
d. h. einen Haupt- und einen Xebentreft' hatte, z. B. Bärtholomäeus.
Die Zahl der Koseformen, die sich aus einer und derselben Restform
ergaben, konnte unbeschränkt sein, da die Flickwörtchen — ko, ka, zo,
za, lo, la etc. und die Anhängung des diminutiven -lin, ferner die Latinisirung
derselben eine grosse Auswaid boten.
Dazu vermochten die Endungen — win - frid — man — her
hart — bode (poto) u. a, in. selbst untereinander zu wechseln und sich
an alle möglichen Stämme zu fügen z. B. Earduin = Hartmann, so dass der
Wechsel der alten Harduin- zur neuen Hartmannstrasse also auch ohne Heran-
ziehung einer bestimmten Person erklärlich ist.
Ein Schema mag die Bildung der Rest- bezw. Koseformen veran-
schaulichen:
Aus Reginhart wurden als Restformen: Regin und Re(g)in. Rein.
Daraus konnten dann entstehen als Koseformen: Reginzo, Reinzo, Renzo.
Renneko, Renneken, Renchin, latinisirt Renkinus u. s. w. und dazu alle weib-
lichen Bildungen. In unsern Quellen sind besonders — elo, -- ela; --zo, - za
und -- ko, — ka als Endungen, die an die Restform anzufügen sind, bemerkbar.
Die Urkunden, ausser dem Nekrolog, reden zu einer Zeit, wo alle Wandlungen
möglich geworden, als man die Bedeutung der Stämme nicht mehr so genau
nahm und stellenweise auch sogar durchaus nicht mein' kannte. Da ist
denn auch der Fall eingetreten, dass man den verkürzten und nicht mehr
gekannten Stamm mit ähnlich oder gleichlautenden Wörtern verwechselte.
So entstanden die „ Wechselformen a, hauptsächlich verursacht durch Latein-
schreiber. Wir werden Gelegenheit haben, auf solche Formen zu verweisen
und gehen nun zu den Namensformen des alten Testaments über.
I. Christlich -römische Namen.
Es entstand aus Adam eine Restform Däm. Die Urkunden
schreiben Daem, etwa zu sprechen Daa'm. Reine Form hei Pick ETehde-
briefe S. 52: ich Dame van Palant; S. 54 dialektische Färbung im Selbst-
lauter: ich Daem van Pallant. Echt altaachensche Form musste sein:
Doem oder Doim, wie S. 58: Doem Hunt van dem Busch. Im Genitiv
gab es Daemcn und Doemen. Seit uralten Zeilen bezeichnel der Genitiv
die Sohnschaft; dasselbe gilt bei uns: des Doemen Johann oder Johann
Doemen. Eine zweite Genitivbildung durch Anhängung von s lässl
Daemens, Doemens entstehen1. Die StadtrechnungeD S. 378 nennen einen
Doemen van Berge (Laurensberg) und S. 385 einen Du(o)ymchiins. Bei
letzterer Form ist es aber unentschieden, ob man da nichl eine Verwechslung
mit Dumen (lat. ,,pollexu) begeht.
Eva ist für die Bildung von Rest- und Koseformen nicht ergiebig
gewesen.
Dagegen hat Noe hier in Aachen schon frühe Namensverwandte
') Dieser Vorgang kommt schon L398 vor, /.. B. Goessena bei Pich a. a. I ». S. 87.
— ioo —
gehabt. Im Liber Censuum bei Quix S. 76 ist zu lesen: „Planka quondam
job. filius noy. Ist de zu ergänzen, so beisst dies: Von wegen der Planke
des weiland Johannes Sohn (!) Noy oder Noy Sohn. Jedenfalls ist gerade
an dieser Stelle ein Irrthum des Schreibers oder des Herausgebers der
Urkunde mituntergelaufen. Wenn die Lesart noy richtig ist, so ist hier
ein Nowi, wie heute noch das Volk sagt, genannt, der in den Planken als
carnifex, als „vley'sch — euwer" (Fleischhauer) 1320 thätig war. Der in
unsrer Zeit in der hiesigen Königstrasse sesshaft gewesene und vor noch
nicht 25 Jahren allda verstorbene Herr Noe, der ebenfalls „vleyscheuwer"
war, ist vielleicht in gerader Descendenz nach Namen, Blut und Erwerbs-
zweig von jenem auch schon alten Noe herzuleiten. Hat sich bemeltes
Geschlecht so treu bei Namen und Stand erhalten, so ist dies gewiss ein
löbliches Beispiel von Ausdauer und Liebe am angestammten Erwerbszweig
und kann unsern jungen Zünften als leuchtendes Muster vorgehalten werden.
Elias (auch Helias) kommt vor, lässt aber seine Form unverändert.
Ebenso Anna und Elyzabeth, welch letzteres schon sehr früh die
Kürzung in Lysa eingeht,
Der hl. Erzengel Michael hat seinen schönen Namen manchen Wand-
lungen ausgesetzt gesehen. Am wunderlichsten klingt wohl Choila für
Michaela 1. Die Bildung selbst ist aber streng regelmässig und ist deshalb,
sofern Quix sein Original richtig gelesen und der Drucker das Richtige
gedruckt hat, nichts gegen eine Restform chael einzuwenden. Wie aus Adam
und Ysäac die Restformen Dam und Sac, so wird aus Michael Chael. Nach
dem Aachener Lautgesetz geht dann ae in oi vor liquiden über. Siehe bei
Loersch- zum Jahre 1380: zemoyl statt zemael. Vorher ist die Trennung
ae gefallen, nach demselben Vorgang wie bei Regin = Rein, Egin =
Ein, Hufnagel = Hufnayl3 u. a. m. Aus Chael konnte, wie Hufnayl
zeigt, auch Chayl, und wie Neil (Nagel = Instrument) bei Laurent S. 318
beweist, auch cheil und daraus Gheil entstehen, da ch und gh sich oft ersetzen.
Schon Quix, Necrol. S. 70 hat Geila: „Obiit Geila pro qua habemus
mr." „Es starb Micheila, für die wir 1 Mark haben." Daher mit Geil in
Verbindung zu bringen wie Ludowicus deGeylroyde = von Michaelsrott4,
Gu(o)yde de Geyllenhuscn = der Jutta von Geyllenhausen 5. Deshalb dürfte
auch Geilenkirchen, dessen erste Form nach Lacomblet Gelenkirchen0,
30 Jahre später aber schon Geilenkirchen lautet, hier unterzubringen sein,
d. i. die Michael geweihte, oder von einem Michael erbaute Kirche, analog
einem Odenkirchen (Otto), Euskirchen (Eustachius). Allerdings ist es nicht
zu bestreiten, dass auch Gelb, die Farbe, hierbei mitspielen konnte7.
Eine volle Form findet sich schon 1338 bei Laurent S. 131 : „Migheyltzberg",
>) Quix, Necrol. S. 71.
'-') Aach. ßechtsdenkm. S. 79 „of breyt hee vee aj'gter der zijt int rieh, dat sal mir
der reygter zemoyl (allesammt) nemen".
■'') Stadtrechnungen S. i">7.
4) Stadtrechnungen S. 191. 5) Ebendas. 174, °) Lacombl. ÜB. I, No. 430.
7) Eine Erklärung aus „gell" findet aber «an der Klangfarbe des darin vorkommenden
kurzen c mehr Schwierigkeit als dies bei der Dehnung in der Form Cheil der Fall ist. —
Hei = gel ist m,,.]) nicht ausgeschlossen.
• — 101 —
deren interessante Schreibung manchen Zweifel lösen kann. Von dem stamm
Grheil, Geil, Geel, Griel sind die genitivischen: Geilen, Geelen und (Tiden
zu Familiennamen geworden.
In Maria ist die Zerdehnung von i wichtig-: Quix s. 50 hat mareia
und 1320 schon mareye.
Der liente in Aachen erdrückend vertretene Name Joseph isl in den
alten Quellen unbekannt. Es gibt zwar einzelne Formen, die auf den
ersten Blick verführerisch genug aussehen, dass sie mit einem Joseph in
Verbindung stehend sich denken Hessen. Vor allem könnte man G-oswinus
als Vater von Josefinus in Wechselform annehmen und von der Restform
„Gos" und „Jos" dabei ausgehen. Jedoch gibt, wie sich leicht nachweisen
lässt, Goswin nur Goesen und Goessens, die heutigen Fennen der Familien-
namen. Merkwürdig allerdings bleibt es, dass Josepha bezw. Josephina
im heutigen Dialekt Jys oder Ghys gibt. Das alte Gyse ist aber Rest-
form von Giselbert, verkürzt Giso. Daher der Familienname Giesen.
Betonte man nach alter Weise Joseph, so ergibt sich Seph oder Sepp als
Restform. Bei Laurent findet sich nun vielfach Syepchin, das man als —seph
verdächtigen könnte. Doch ist dieses Syepchin wahrscheinlicher die Koseform
von Sibo männl., Siba weibl. Die längere Form findet sich ebenfalls im Nekrolog :
Sibodo aus Sigipoto „Bote des Sieges", also ein wahrhaft urgermanischer
Name1. Das auf S. 168 der Stadtrechnungen vorkommende Joyst kann
hier, da es nur einmal sich findet, wenig in Betracht kommen, zumal
da es ebensowohl als von Goswin kommend angesehen werden könnte. Ausser-
dem müsste das t erklärt werden. Es ist deshalb richtiger Joyst, wie
es auch allgemein geschieht, als von Jodocus = Jo(d)oc = Joe herstammend
auszugeben. Joes, Jops und Joyst sind zu Jodocus berechtigt. Weiter
finden sich keine mit Joseph in Verbindung zu bringenden Formen, und muss
man bei dein grossen Reichthum aller sonst gebräuchlichen Namen schliessen,
dass Joseph in den Zeiten bis 1500 in unserer Gegend als Name von Per-
sonen wenig bekannt war.
Zum Kalendarium des neuen Testaments gehören vor allem die A.postel.
Ausser Petrus und Jakobus, deren Namen wenig Veränderung erleiden,
Cop ist auch Wechselform; ein Petchiin kommt bei der Belagerung
von Schloss zur Dick (1383) vor2 — ist vorzüglich Bartholomaeus, in
alter Schreibung Bartolomeus, ein sehr beliebter Name. Da er zwei
Treue hat, nämlich auf der ersten und vorletzten Silbe: Bärtolomeus, so
ergibt er einmal Bartel, hier Berte! und das anderemal Meus als Rest-
formen. Bertel ist bekanntlich jetziger Familienname. Die Restformen
der neutestamentlichen Eeiligen wie Meus, Thiis von Mathias, Dries auch
Dres von Andreas, Tewis oder Zewis von Matheus und viele andere mehr
haben unter Beibehaltung dr<. lateinischen Endungs s in genitivischer
Form die Familiennamen: Meissen ;, Mieessen, Miessen, Drehsen, Driessen,
Thyssen, Zeus, Thiwissen etc. etc. gebildet. Andere als A.postelnamen
*) Quix, Necrol. S. L6: Sibodo prepositus a. Malberti.
2) Stadt r. S. 282.
'■') Meissen, entstanden aus einer Form Meis, die mit Meus Leicht wech elte.
— 102 —
sind: Cornelius (Nellis), Marsilius oder auch von Garsilius (Zillis),
Aegidius (Gillis), Dionysius (Niis, Nys); sie haben die Familien-
namen Nellissen, Zillissen, Guussen, Niessen zur Folge gehabt. Lacomblet
erwähnt um 1554 einen „Neliss uff dem Driesch Bürger binnen Aichen1."
Der Name Ciaessen ist in seiner Ableitung von Nikolaus bekannter. Maassen
jedoch kann von Thomas und dem Fluss Maas herkommen. Die Stadt-
rechnungen S. 288 nennen einen in städtischen Diensten stehenden „Dummois
(Thomas) van Oepen, de den swingel vurt" und 305 einen „heren" Moysse.
Martin gibt Mertens und Thienes als Familiennamen.
Die Wechselformen, welche die aus Servatius kommende Restform
(Vats, Vaz) Yais oder Vaes ansprechen könnten, sind die jetzigen Vaessen,
Vossen, Vussen auch Füssen. Vaes verhält sich zu Claes wie das modernere
Föss zu gleichem Clöss. Daher ist der Familienname Vaessen nur von
Servatius abzuleiten. Ein altes Voeschin in der Koseform, wo ae = oe,
gehört dazu 2. So leiten sich auch die heutigen Namen Voessen und Vosen
(Vossen) von Servatius, Vossen dagegen besser von Vuhs oder Vuss (Fuchs)
ab. Zur Klasse der Füchse gehören demnach: Werner Vu(o)ysgin3, ein
Vu(o)ys de Schonenberg4 und Vos, der „umb beringe" 9 M. erhält5.
Der auf S. 107 angeführte Jo. Leytfuys ist der moderne „Leichtfuss" und
entspricht einem Tzartfoiss der Verpflichtungsurkunden G. In hiesiger Stadt
kommen im Dialekt Voesse = Vaessen und Fus'se = Vossen noch zur
Unterscheidung. Das missbräuchliche Vossen ist ein hochdeutscher Ein-
dringling.
Frines und Krines sind Zusammenziehungen aus Severinus bezw.
Quirinus 7. Diese Formen sind auch dadurch merkwürdig, dass sie die Konso-
nanten der Urform so ängstlich wahren. Der Vokal ist nur in der betonten
Silbe voll geblieben. Das S. 78 der Stadtrechnungen erscheinende Flips ist
nach demselben Princip aus Philippus hervorgegangen. Frines und Krines
haben die Familiennamen Frings und Krings verursacht. Die Nasalirung
des n zu n, die sich dabei ereignet, ist im Dialekt schon alt. Dies ist
ersichtlich aus der Form rengmeister = Rentmeister8 und aus dem im
Glossar irrthümlich erklärten Wort „bancklocke", welches als Bann-Klocke
aber nicht als „Bange Glocke" zu verstehen ist.
Eine Erinnerung an die weltberühmte Kapelle San Vitale von Ravenna
klingt aus dem Namen Fittayl. Derselbe, nach Art der alten Restformen
gebildet, ist in den Stadtrechnungen9 häufig unter den verschiedenen
Schreibungen : Fittoyl, Ficcoyl und Fittayl vorflndlich.
') A. a. 0. III, Nr. 340.
2) Aachener Stadtrechnungen, S. 309.
3) Ebendas. S. 258.
4) Ebendas. S. 269.
s) Ebendas. S. 276.
6) Zeitschr. d. Aach. Gesch.- Ver. VIII, S. 251,
7) Uebrigens entspricht die volle hiesige Dialektform : Kurincs dein altlateinischcn
Kurinus.
8) Aachen. Stadtr., S. 392.
°) Ebendas. S. 104, 105, 111, 117, 124, 138.
• — 103 —
Es erübrigt noch, zwei Namen anzuführen, die schon früh in den
Rechtsdenkmälern und Stadtrechnungen angegeben werden. Es sind
dies die Namen Statz und Colin. Beide sind ans den Heiligennamen
Eustüfchius bezw. Jolinus entstanden. Als Vornamen hat Eustachius oder
Eustathius drei Formen erzengt: Euskin(us)1, Staz undEstas2. Estas ist
der heutige Familienname Istas, während der Vorname Statz in seiner
alten Form zum Familiennamen geworden ist. Ein Heinrich Stach von
Keifferscheid gewährt 1431 der Stadt Aachen einen sechswöchentlichen
Waffenstillstand3. Statz von Segroede ist 1412 Schöffe in Aachen4. Dass
Statz Familiennamen geworden, beweist folgende Stelle der Stadtrechnungen,
S. 386: „It. junffer Tnlen Statz mu(o)nen eyn dirdeil gul." Starz hat
mit Staz nichts zu thnn, da ersteres nach Dr. Steubb „Oberdeutsche
Familiennamen" S. 41 von dem altdeutschen Starkolf (= Starkwolf) abzu-
leiten ist.
Der Name Colin ist durch die Formen Jolinus, Golinus, Kolinus vom
Vor- zum Familiennamen gegangen5. Jolinus war dem Altaachener ein
leicht zu wählender Taufname, da die jetzige Kreuzkirche Sint Joline hiess0.
Auch die lateinischen Genitive der vorerwähnten christlichen Namen
konnten, in dieser Form erstarrt, als Familiennamen auf uns kommen,
z. B. schon im Nekrolog: Andreae = Andree, Lambert i, im Bussenregister
Winandi; vollständig schon in den Stadtrechnungen. S. 125: Jo. Christiani.
IL Namen von lateinischen Bezeichnungen für Stand. Gewerbe.
Herkunft.
Die lateinischen Bezeichnungen für Gewerbe und Stand sind insofern
beachtenswerth, als sie ein Bild der hiesigen sozialen und kulturellen
Erscheinungen in älterer Zeit ergeben. Es ist jedoch nicht angehend,
denselben hier erschöpfend Raum zu geben, deshalb genüge auch für sie
eine Auswahl hervorstechender und gebräuchlicherer Formen:
Advocatus, Fürsprech, Vogt. Allutarius (Necr.), Feinlederbereiter.
Apothecarius, Apotheker. Aureus textor, Goldwirker.
Braxator, Brauer. Cambitor, Wechsler.
Campanator, Glöckner. Candelator, Kerzenbäcker.
Capellanus, Kaplan. Carbenarius (= Carbonarius), Köhler.
Carnifex, Fleischer. Carpentarius, Zimmermann.
Caupo, Schenkwirth. Oerdo, Handwerker, Schuhflicker.
Cervisicator, Biervorkäufer. . Cocus, Koch.
Colerator (= Colorator), Färber. Colonus, Landwirth.
Comestabuli, Stallgraf. Cultellator, Messerschmied,
Dimicator, Kämpfer. Domicellus, Junker.
') Ebendaselbst S. 198.
2) Fehdebriefe, S. 28 wird ein Estis und Estas von Vurde erwähnt.
fl) Ebendas. S. 54.
*) Aach. Stadtr., S. 263, zum Jahre 1376: Eustacius Segroede. I rsch, Rechts-
denkmäler, S. 80.
5) Aachen. Stadtr., S. 302, 342, 262, 122. ") Ebendas. S. 302,
— 104 —
Factor vitronim, Glasmacher. Fusor pottorum, Kannengiesser.
Herbarius, Kräutermann, (v. Apotheker.)
Institor, Krämer. Lapicida, Steinhauer.
Ligator vasorum, Fassbinder. Luminatrix (in foro), Leuchter (in).
Major, Oberer, Meyer. Mercator, Kaufmann.
Mi »netarius, Münzermann.
Parator anfrarum, Eimermacher, Küfer.
Pellifex, Fellbereiter, Pelzer. Pistor, Bäcker.
Pugillator, Faustkämpfer. Rubeator, Rothfärber.
Saccifer (= Saxifer), Sackträger. Sartor, Schneider.
Scabinus, Schöffe. Scultetus, Schultheiss.
Sutor, Schuster. Textor, Weber.
Venator, Jäger. Villicus, Meier.
Vinitor, Winzer. Wambasiator, Wammsstricker.
Aus der Zahl vorstehender GeAverbenamen sind in alter Zeit nur
wenige in ihrer lateinischen Form gebraucht worden. Es war erst der
Humaiiistenperiode vorbehalten, unsere ehrlichen deutschen Familiennamen
zu latinisiren. Von den oben angegebenen „deutschen" Ausdrücken
sind bereits in alter Zeit einige zu stellenden Familiennamen geworden.
So in den Stadtrechnungen: Klocker (Glöckner), Kremer, Schroeder
(Schneider), Roeder (Rothfärber), Beckergin (Bäcker), Pelzergin (Pelzer)
u. s. w. Interessant ist es, dass Seite 213 sich auch schon ein Familien-
name Kapployn (= Kaplan) befindet. Dazu fügt sich passend der Familien-
name Klausener, der als clusenarius schon im Nekrolog, S. 43 auftaucht.
Geradezu überraschend ist aber die Angabe Necr. S. 18: 0. Gerardus
sacerdos dictus Kempo pro quo habemus dim. m. „Es starb der Geistliche
Gerard Kämpfer, für den wir 1j2 M. erhalten". Ein Geistlicher kann doch
nicht gut Kämpfer sein, wenn er auch im Mittelalter lebte. Er kann
aber wohl von Kämpfern abstammen. Kempo ist wörtlich das oben
angeführte lat. dimicator. Diese dimicatores bildeten das hiesige städtische
Institut der Klüppel- und Faustfechter, welche in den Stadtr. erwähnt
sind. Das Haus „Klüppel" in neuer, und „Hermann Üluppel" (Stdtr. 310)
in alter Form deuten auf jene Stockfechterliebhaberei hin, die noch heute in
Holland an manchen Orten in Schwung erhalten wird. Die Pugillatores sind
wohl eine Art Boxer gewesen; sie verewigte der Familienname „Fausten" *.
Den alten hiesigen Beamten sind ihre lateinischen Bezeichnungen
vielfach erhalten geblieben, allerdings sind die betr. Formen entsprechend
dem Genius unsres Dialekts umgebildet worden. Aus Advocatus
wurde Vaigt heute Voyt; Major gab Mayer, Maier, Meyer und Meier.
Villicus ist anscheinend verschwunden, jedoch ist der noch blühende
Familienname Vlix bezrw. Vliex leicht an ihn anzuknüpfen. Villicus bildet
Vlix, genau wie Philippus = Flips. Wurde, ehe dieser Vorgang eintrat,
die lat. Endung - us abgeworfen, so entstand Vlic mit der hiesigen
Verdumpfung Vlec, genau wieder wie aus Philipp Fiep. Vlec (Flec) bildete
M Necrol., S. 58. „filia pugilis = des Faustkämpfers Tochter".
»' — 105 —
den Stamm zu modernem Vleccen, Vleggen, Flecken. Die Ortsbezeichnung
Flecken = kleiner offener Ort, gewöhnlich mit Amtssitz, kann von einem
ehemaligen Villicat oder einer Villicatio ihren Ursprung herleiten. Pick1
nennt einen Heinrich Vlecke von der Molen; es liegt nahe anzunehmen,
dass dieser ..Zuname Vlecke hier im Sinne von „Meier eines Mühlhofes"
gebraucht ist, entsprechend dem Vaigt auf Seite 64: „Junker Heinrich
Vaigt, herre zo Honoulsteyne". Der Ortsname Fleggondalc oder Vleggen-
ilale hat von der örtlichen „flachen" (Viech) Beschaffenheit seinen Namen.
Jedenfalls ist keine Fliege dabei im Spiel. Ebensowenig wie bei dem
Johann Tzartfoiss genannt Koevliege -, letzterer Ausdruck bezeichnet nicht
etwa eine böse Fliege, sondern einen bösen Villicus. Koevliege ist das heutige
Quadflieg.- Koe ist eben Mittelform zum neudialektischen Kue, entstanden
aus dem alten quad „böse"3. Unsern starknervigen Vorfahren war eine
böse Fliege nicht so lästig als dies ein böser Villicus unter Umständen
ganz sicher sein musste. Man nennt noch heute eine heikle Angelegenheit
„verflixt" = Dat esn verfiixdc Jeschichte! Quadflieg ist ein eminentes
Beispiel einer durch Gleichlautung verursachten Wechselform. In Analogie
entstanden zu Quadflieg = quad villicus Hesse sich hier noch anfügen:
Heynrich Qua(o)ytaff4 = quad afecaj-t (advocatus) = böser Vogt
Quoduytz S. 294 der Stadtrechnungen könnte einem quadvitz d. h. bösen
vicedominus entsprechen 5.
Die Herabwürdigung des Scultetus (als Familienname Scholtus und
Scholtis) zu Schouits als Spottnamen ist bekannt ; Schouits ist aber auch
Familienname wie Quadflieg.
Praepositus = Propst hat die Abkürzung nach der Art von Philipp
= Flip erfahren und änderte vielmals Proifst, Froist, und Proift! Aus
letzterer Verwandlung entpuppte sich auch Prent, der Aachener Familien-
name, unter vollständiger Diphthongirung dvs alten Ealbdiphthongen.
Als Beisitzer im Synodalgerichi von Aachen wurde der Parochian
berufen. Der Name dieses Würdenträgers ging durch Zusammenziehung
und Schleifung des eh in ff in den Namen eines städtischen Zimmermeisters
Proftia(o)n über. Der Wandel von ch zu ff ist unserni Dialekt durchaus
nicht fremd (vgl. kriechen, kruyffe).
Die alten städtischen Schutzleute hatten den Namen ihres Chefs
Casta(o)vel, aus Comestabuli abzuleiten. In England heissen bekanntlich
noch jetzt die Schutzleute mit. ihren unmittelbaren Vorgesetzten the c<»u-
stablery. Unser casta(o)vel entwickelte a durch d;\± explosive k (Knaller),
und die Silbe ta(o)vel geht denselben Gang wie das stärker dialektische
toffel = Tisch aus Int. tabula6. Casta(o)vel tral zu Christoffel (Christophorus)
in Wechsel und so ergaben sich Kerstoffel und im vorigen Jahrhundert
l) Fehdebriefe S. 70
-) Piek, Verpflichtungsurkunden . . in Zeitsehr. d. A.ach. Gesch.-Ver. VIII, S. 257.
3) Stufe: quad, kod, koe, Kur.
') Loersch a. a. 0. S. L89. > Quademeier ist noch heute Familienname.
ü) Noch heute lautn Tafelmesser = Toffelmetz. In den Fabriken heissl Tuch auf
glattes Bretl wickeln „Doich toffele".
— 106 —
sogar Kurstoffel. In Kerstoffel ist Umstellung wie in Kerstioen (Christian).
Durch das an den Stamm Kyrie (Kericli) anklingende Ker verleitet, bildete
das Volk durch Uebertragen des Begriffs der Sache (Kirche) auf die den-
selben vertretende Person (papa niederl. pape) den Spottnamen Papstoffel.
Im Nekrolog sind Iudeus und Paganus als Familiennamen aufgeführt,
ludeus erklärt sieh durch die Abstammung von einem luden wie Paganus
durch solche von einem Heiden. Das bei Quix Necrol. p. 32 angeführte
Wolterus Paganus ist also aufzufassen. Paginus vir, welches S. 34 vor-
kommt, bezeichnet einen Mann aus dem Gau. Paginus ist wieder zu
trennen von Goudingus S. 50, ein zum Gauding d. h. Gaugericht Gehörender.
Von der Form Paganus ist unser neudialektischer payaan = „tölpelhafter
Vierschröter" abzuleiten. Die Verachtung, welche man gegen den Unge-
tauften liegte, endete in Spott. Paganus, der im Gau draussen auf der
Heide Lebende, stand unter denselben Kriterien der Dummheit wie der
von der Stadt entfernt lebende „Bauer" unserer Tage. In den romanischen
Ländern leitet sich daher „Bauer und Heide" z. B. frz. paysan, und
paien aus dem gemeinschaftlichen lateinischen Namen paganus her K Es
ist nur natürlich, dass an der Grenze zu den Romanen dieselbe Vorstellung
Platz griff. Uebrigens entstand der Name Heide bei den Deutschen eben-
falls auf demselben Wege (haithi = Feld)2.
Unter die von Oertlichkeiten herrührende lateinische bezw. latini-
sirte Namengebung fallen hier nur wenige Formen. Die gewöhnlichen
Bezeichnungen sind ja nur Uebersetzungen aus dem Deutschen. Einige
Aufmerksamkeit verdient der Name Juncheit, weil von unzweifelhaft
lateinischem Stamm und in der ersten Form der Urkunde bis heute
geblieben. Juncheit ist entstanden aus juncetum3 = Ort, wo Binsen
wachsen. Die Beschaffung der Binsen für Bestreuung der Strassen bei
feierlichen Prozessionen und für die Gemächer der Vornehmen und
Klostergeistlichen ist vielfach bezeugt. Die Binsen wurden auf den
Boden gestreut und ersetzten den Teppich. Es konnte sein, dass bei
Reichsstädten wie Aachen sich manchmal ein grosses Bedürfniss für diesen
Artikel zeigte und dass die Sorge für seine Beschaffung einem besondern
Beamten anvertraut wurde. Bei den eigenthümlichen Verhältnissen des
Mittelalters konnte es eintreten, dass ein derartiger „Hoflieferant" auch
Junker, in diesem Falle vollendeter „Krautjunker" war. Seltsam ist es
entschieden, dass man sehr oft die Juncheit mit Junkerthum verwechselt
hat. Die Aachener Juncheit liegt vor Vaelserthor, ist aber jetzt eine in solch
prosaischem Zustand befindliche Mühle, dass man schwer sie als Sitz eines
darnach benannten alten Geschlechtes, welches sogar Münzrecht besass,
ansehen würde. Im Bering des alten Reichswaldes findet sich auch ein
Junggenwinkel erwähnt1. Man kann nicht daran denken, die bei Quix
Necr. S. 23 erwähnte Jutta de junecis, noch die S. 33 angeführte Ida,
1) Diez, Etym. Wörterbuch I. 232.
2) Ebendaselbst.
3) Marjan, Keltische und lateinische Ortsnamen in der Rheiuproviuz III S. 14.
4) Lacomblct, Archiv III 226.
. — 107 —
Tochter des Simons von Juncheit, in dem mich Montjoie zu gelegenen
fernen Junggenwinke] aufzusuchen. Audi die Stadtrechnungen erwähnen
die von Junchheit, aber in der Form de junccis, ebenso wie Quix. Ist das
etwa ein Lesefehler? Die richtige Schreibung ist de junceis: „De Junceis ' . . .
Et custodi dormitorii dantur \'l ligaturae, quas projiciunl in dormitorium
et in ambitum". „Betreifs der Binsen .... Und zwar werden dem Auf-
seher des Schlafsaals sechs Gebund gegeben, die man in den Schlafsaal
und in den Umgang streut". Ist junceus richtig und c Ziselier, so ist
es für den Aachener Dialekt schwierig, aus juncetum = Juncheit mit
explosivem k zu bilden. Porcetum = Burtscheid hat ja auch c zu tsch
gebildet, Diese Schwierigkeit löst aber der Altmeister romanischer Sprach-
forschung-Diez2, da er gerade für die Form juncetum den sonderbaren
Charakter des c feststellt. Danach lautet schon im Italienischen die
Bezeichnung für eine Art Xarcissen Güunchiglia, im Spanischen junquillo,
im Französichen jonquille. In allen drei Sprachen ist also c nicht Zischer =
tsch sondern Knaller = K. „Dass man nicht giunciglia bildete," (also mit
Zischlaut) fährt Diez fort, „zeigt eine spätere Entstehung des Wortes an,
aber (und das ist hier sehr wichtig) man behandelte juncetum auf dieselbe
Weise, indem man giuncheto sprach." Hieraus folgt klar, dass Laurent
und Quix durchaus keine Lesefehler gemacht haben, als sie de junceis
schrieben. Die oben angeführte Kölner Quelle bei Lacomblet hat zwar die
lateinische Schreibung junceis wiedergegeben, ist aber für die Sprechung
nicht anzuziehen. Richtiger ist da unser Aachener Junceis und Junggen-
winkel mit k haltigem cc und gg. Wir sehen, dass unser richtig dialektisches
Jonkeit genau dem richtigen lat. juncetum entspricht, die Verwechslung
mit Junker fällt auch deshalb nicht dem Dialekt sondern der Verhoch-
deutschungssucht zur Last.
Es ist nur gerechtfertigt, dass. wenn der grosse Diez den gordischen
Knoten in dem Junket durchhauen hat, die Leuchte seiner Wissenschaft
auch einmal auf den hiesigen Namen „Venu", bekannt lieh eine Strassen-
bezeichnung, gerichtet werde. Man kann unser Venu nicht wohl zu dem
grossen „hohen Venn" in Beziehung stellen. Während man das hohe
Venn nach seiner ganzen Beschaffenheit durch das noch heute im Eng-
lischen gebräuchliche „fen" :i als eine gedehnte und hoch gelegene,
in ehemaliger Zeit ganz und heute noch stellenweise überschwemmte
Gras- oder Riedfläche, als ein Moor erklären und mit Grund dafür
halten kann, ist dieselbe Erklärung nicht auf unser kaum wenige Schritte
langes Venu, welches zwischen zwei uralten Strassen liegt, anzuwenden.
Es müsste denn vorige Bezeichnung von einer grossen Fläche auf diesen
engen Raum übertragen worden sein. Das ist aber unmöglich, da »las
Venn auf einem vom Aachener Wald»' aus nach dem Markl zu fort-
J) Ebenda*, a. a. 0. II, S. 12.
2) Etym. Wörterbuch I, S. 167.
3) Webster, Dict. S. 399: fen = low Land overflowed, oi eovered wholly or palliativ
witli water, but producing sedge, coarse grass, or other aquatic plante; boggy land; a
inoor or niarsh.
— 108 —
während sich senkenden Höhenzug, nicht auf einer ebenen Fläche liegt.
Venn bedeutet einfach Mühlen schleuse. Auch war noch bis vor
Kurzem und ist vielleicht noch heute ein altes Mühlrad in dem anstossen-
den kleinen Fabrikgebäude zu sehen. Sicher aber ist, dass in früherer
Zeit eine Mühle daselbst gestanden hat. Die von Diez zu venna =
Mühlschleuse gegebene Erklärung ist ihrem ganzen Inhalte nach für
unsern Ort und die ganze Gegend so zutreffend, dass sie hier voll-
ständig wiedergegeben werden möge1. Er sagt: „Vanne fr. kleine schleuse
in mühlgräben u. dgl. Venna in fränkischen und andern Urkunden bedeutet
eine verzäunung in Aussen oder teichen, um die Fische abzusperren, z. b.
unter einem König Childebert : Cum piscatoria (Fischfang), quae appellatur
venna, cum piscatoriis omnibus, quae sunt in alveo Sequanae. Unter Chil-
dericli: Aviaco, ubi Gara lacus vennam habuit. In einer späteren aus
Deutschland : concessit . . . unam vennam pro capiendis salmonibus ....
quas ipse testis reparavit cum perticis et virgultis. Daher der name eines
ortes an der Seine Car Oliven na, jetzt Chalevanne. S. DC (Ducange) und
Graff III. 126. Das Wort ist noch ungelösten Ursprungs und scheint
weder der celtischen noch der deutschen Sprache zu entstammen. Graff,
der es für einen Korb zum Fischen hält, was es offenbar nicht ist, ver-
weist auf benna oder gar, wie auch Ducange, auf fenna sumpf. Aber der
franz. anlaut v lässt sich aus keinem andern labial ableiten, er weist ent-
schieden auf den gleichen lat. anlaut. Hier scheint einige anspräche zu
haben viminea (etwas geflochtenes), denn diese absperrungen bestanden
gewöhnlich aus flechtwerk, welches dem Wasser den durchgang erlaubte.
Da der Franzose das suffix eus nicht anerkennt, so zog er viminea in
vimna zusammen, wie er z. b. auch faginea in fägina (faine), der Proven-
zale femineus in ferne zusammenzog, indem der accent auf die Stammsilbe
zurückwich. Auch vinne begegnet im Mittelalter."
Danach wäre der künstliche Lauf der Pau, welche die Venne bedingt,
schon in fränkischer Zeit vorhanden gewesen, und da sie Fische führte,
auch das frühe Vorkommen des Namens Fischer (Vischer) erklärlich.
(Fortsetzung folgt.)
Verhaltimgsmassregeln in Pestzeiten.
Von C. Boehnier.
Auf vier Papierblättern in Quartformat (Wasserzeichen eine Wein-
traube und ein Blattornament mit den Buchstaben A und M ?), welche
der Handschrift nach zu urtheilen, aus dem ersten Drittel des 17. Jahr-
hunderts herrühren, und in den Archivalien von Schönau sich vorgefunden
haben, sind eine Keine von Vorschriften mitgetheilt, welche die gesammte
Lebensführung der Menschen während einer Pest zu regeln bezwecken.
Dieselben sind wahrscheinlich in den Jahren 1622 — 36 verfasst und vielleicht
mehrfach abgeschrieben worden, als die Pest in Aachen mit Unterbrechungen
') a. a. 0. II, S. 695.
• — 109 —
wüthete. (Vgl. Lersch, kleine Pest-Chronik, Aachen 1880 und das hand-
schriftliche Begräbnissregister der St. Peterspfarre von 1622 — 1688.) Die
Schreibweise des Originals ist beibehalten, nur das vokalische v ist in u
verwandelt, 11 und tt im Auslaut in 1 und t vereinfacht worden. Das
Gleiche gilt*won nn im Inlaut des unbestimmten Artikels.
Wie man sich ihn Pestzeiten zu verhalten habe.
Daß vornembste ist die praeservation.
Undt weils per contagium wirt vortgepflantzet, alß solle man sich
huetten viel unter leuht zue kommen undt alle grosse versamblungh deß
volcks meiden.
Sich voirsehen in kleider, tuech, leihnwadt etc. zue kautfen.
Hunde undt katzen gäntzligh abschaffen.
Alle grosse bewegungh deß leibß undt gemühts meiden,
Die wohnungh soll sauber sein, wie auch die kleidungh,
Der Lufft gereiniget durch fewer auß gifft vertreibendem lioltz.
durch reucheren so wohl mit feuchten alß mit truckenen Sachen, item durch
bestrewungh der gemacher mit gewissen kreutteren etc.
Die feilster sollen nit offen gehalten werden sunderligh ahn trüben
tagen, wanß schon weiter ist, solle man sie doch nit ehe eröfnen, biß
die sonne eine stundt oder zwo geschienen undt gegen abendt voir der
sonnen niedergangh geschlossen, die gemacher gegen morgen undt mitter-
nacht seint die bequemste.
Der leib soll rein sein ihnwendigh. dan wan der leib stettigh offen
natura vel arte durch zäi>flein,klistier,pillen,kuehlein, morseilen ', confectiones
syrop etc. und weiln die purgirende artzeneien nach Constitution und
gelegenheit des gewitters, complexion und alters, auch andere umbstände
müssen geordtnet werden, ist rahtsanib dass man sulge nit ohne raht
eines medici einnehme, welges auch zu verstehen von dem aderlassen.
Ihn essen undt trincken soll man mässigh sein, meiden obst, grobe
fisch, stinckendt fleisch undt alles, wahs zu faulungh und bösen feuchtig-
keitten uhrsach gibt, die speisen offt bereitten mit saurampffer, essigh undt
anderen sachen, die der faulungh wiederstellen all.'» citronen, pomerantzen etc.
Viel wein und andere hitzige sachen überflüssig!] gebraucht seint
nit nützlich. Ein trunck warmuht, cardenbenedeitten wein ander der
mahllzeit ist guet. man kau auch ovdenen lassen ettlighe species zum
tranck.
Artzeneien zur praeservation seint pulffer, küchlein, morseilen, lat-
wergen2, gitftessigh etc. alles morgens zue gebrauchen. NB. man mueß
aber offt umfrwexelen mit den artzeneien undt halt dieses balt ienes
gebrauchen, damit die natur derselben nit gäntzligh gewöhne.
Die kleider sollen sauber sein, die uembter otl't vernewert, die kleider
bereuchert. Daß ahngesicht, half.;, unter den armen, die schäm etc. uli't
mit, wohlrichenden wässeren und wohlrichender seid' gewaschen etc.
') Zuckertäfelchen, denen man in geschmolzenem Zustand Arzneimittel zusetzt.
2) Musartige Arzneiform.
— 110 —
Man soll nit nüchteren auß dem hauß gehen, sonderen erstligh die
obgesachte artzeneien brauchen entweder allein oder uf einem bissen brodt
mit butter undt rautten etc.
Item man soll haben ein knöpflein, darum ein schwämlein mit rosen
oder hardienessigh genetzet und selbiges autf den gassen voir die nase
halten. Man macht auch underscheidtlighe baisam ahn die naßlöcher zue
streichen. Item amuleta oder gifftschildtlein um ahn den halß zue hencken.
Zeichen, ob einer mit disser krankheit begriffen sei, wan er sich
beklagt über plötzlighe mattigkeit deß liertzens undt aller glieder, fehlt
ihn schewr oder frost undt balt darauf grosse hitze, bißweilen haben
sey ihnwendigh grosse hitze und eusserligh frieren ihnen die glieder, klagen
über hefftigen kopfwehe undt Schwindel deß haupts, seint ungewohnligh
schwermüttigh und trewrigh, haben einen uberauß grosse Zueneigungh zum
schlaff, verwandelen ihre natürlighe färbe ihm ahngesicht undt werden
grewligh. fahllen zue zeitten ihn Ohnmacht, bekommen einen eckel über
die speise undt verliehren den appetit, empfinden dürre ihm mundt undt
bißweilen durst, bekommen einen kurtzen athem, hertzklopfen, drücken umb
die brüst undt dergleichen zuefäll, brechen undt übergeben sich auch offt-
malilß undt schwitzen einen kalten ubelrüclienden schwitz auß, haben
schnellen undt ungleichen puls. Auch wo die natur stark, schiessen blätteren
und beulen auff hinder den obren, ahn den knien, untter den armen, ihm
geschöß undt anderen örteren deß leibß, welge autfschiessungh bei den
meisten erst ahm anderen oder dritten tagh zue geschehen pflegt, dero-
wegen man mit der cur nit allzeit daß zeichen erwarten soll.
Wan nuhn ihn sterbenßzeitten sich bey iemandt ietzgemelte zeichen
finden oder der mehrertheil, (dan bey iedem menschen sey sich nit all-
zeit alle finden) soll man nit erstligh nach dem medico senden, sonderen
ohne verzugh ein alexipharmacum 1 oder eine artzeney wieder den gifft ein-
nehmen, die man dan nit erst auß den apotecken holen soll, sunderen
tagh undt nacht bey sich bereit haben soll: dann die krankheit leidet
keinen verzugh, sunderen sey eihlet alßbalt zum hertzen undt wo 8 oder
12 stunden verflossen, wirt man ihr wenigh abbrach thuen künnen, auch under
hundert kaum einen auffbringhen künnen, da nembligh die natur stareker
alß daß giift, welges doch selten geschieht.
Solge anticlota seint Thiriack2, Mithridat, Diascondium etc. ein
quintlein oder zwey eingenohmen, zertriben ihn einem gifftessigh etc., sich
alßbalt ihnß bellt gelegt undt wohl geschwitzt; aber ia acht geben, daß
er nit schlaffe den ersten tagh undt sunderligh nit ihm schwitzen.
Darumb er ettwaß essigh voir die nase soll halten, wan er die artzeney
veleicht wieder alßbalt von sich gebe, soll er nach außspülungh deß
niimdts alßbalt eine andere nehmen biß zum dritten undt vierten mahl,
biß er sey endtligh behalte.
Wan er nit schwitzen kuntte, soll man ihm warme Ziegelstein ihn
ein genetztes leinentugh gewicklet oder eine fiesche mitt heissem Avasser
') Giftiuistreibendc Mittel wie, Kampfer, Moschus, etc.
2) Ein altes Universalmitte] von sehr verwickelter Zusammensetzung.
— 111 -
ahn die fuesse setzen undl darneben wohl zuedecken, oder lege ihm ein
warm brodt ihn beide seilten ; oder schneide die untere rinde vom brodl
ab einer glitten handt breidt, giesse darein brandtwein oder sunsten spanischen
wein mit Thiriack vermischt, legs ihm warm auff den nabel undt laß
ihnen so schwitzen; daß brodt muß man hernach tief ihn die erde begraben.
Den gifft vom hertzen zue ziehen, binde ihme ihm wehrenden schweiß
gestossen rättigh ahn die fueßsolen, ziehet gifft undt hitze herunter; oder
lege ihme ein vesicatorium auff den pultz, ahn die handt, oder ahn den
grosse zehe auff den fueß, biß eß einen zimblighe blase anffzeugt, durch
welge hernach ein wulner laden gezogen, daß eß stättigh außfliesse.
Damit er aber ihm schwitzen nit krafftloß werde, halte ihm weiß-
brodt ihn n'ialveser granaten wein, citronen saff't etc. geweichet voir die
nase; oder ein schwämlein genezt ihn gifftessigh und rosenwasser, darum
thiriack zertriben, oder halte ihme eine frische citron voir die nase. Inner-
ligh zue erquickungh gib ihme einen leffel citronen oder granaten wein,
joliansbeersafft, rosenzueker, confect de hermes ihu einem bequemen
wasser zerlassen.
Wan er geschwitzt, huette er sich voir die lnfft undt wan man ihme
den schweis mit warmen tucheren abgetrucknet undt ein weisses hembt
ahngelegt, bringhe man ihnen ihn ein gantz neu zugerichtes frisch bebt,
ia wo mögligh ihn eine andere kammer.
NB. Wan sichs znetrüge, daß einer alßbalt nach dem essen mit
der krankheit wurde begriffen, soll er trachten, daß er durch hulff eines
vomitory die speise alßpalt wider von sich gebe; undt hinfort sich alßbalt
zum schwitzen schicken, wie ietzt gesagt.
Deß kranken speisen sollen wohl dewligh sein zuegerustet mit citronen
undt granaten safft, joliansbeersafft etc. gerstengranen, hünner suppen,
iunghe hüner, gestossene mandelen, darunter man hirschorn undt bereittete
perlen mag vermischen.
Der tranck seye ein geringhes bier oder ein gersten wasser, man kan
allzeit ein wenigh gifftessigh darunter mengen.
Wan der patient nuhn einmahl außgesehwitzet, auch et! was speise
zue sich genohmen, soll man nit gedencken, daß nuhn alles geschehen sey.
Sunder über ettlighe stunden ihm wieder ein Antidot um eingeben (alterius
generis), ihn lassen schwitzen undt machen wie obengesagt. Mau ihn den
ersten zweyen oder dreyen tagen ist nöttigh, fast alle stunden entweder
durch artzeneyen, speis undt tranck dem gifft zue wiederstehen undt offl
continuiren, dan die pest ist tuckigsch.
Zum durst brauche man niandelmileh undt mische allzeit et t was
giffttreibendes daruntter alß gebrandt uirschorn etc. Item gebrauche kühlende
latwergen undt dieses alles continuire biß zue augenscheinligher besserungh,
da man dan allgemagh die Antidota minuiren kau ohne darauf zue schwitzen ',
undt wan er gantz genesen, pleibe er noch . . .' zue liaiili, damit ettwas
anders gecansirt werde.
*) unleserlich.
— 112 —
Wan die natur daß gafft ahn einigem ort, nembligh hinder den oliren,
under den knien, under den achselen nndtilim geschös [erzeugt], snlges kan man
merken, so man huestet oder reuspert, dan also findet man schmertzen
ahn den örtheren, da die blätteren oder beulen willen auffahren, so soll
man den orth warm halten undt einen laßkopf oder vesicatorium, wohe die
natur zue schwach wäre, von sich gelbsten außzuetreiben, darauff setzen,
ytem ein biachylonpflaster oder ein cataplasma von gebratenen Zwiebelen,
Thiriack, venedigscher seifen, rettigh etc. So palt aber die blätteren
almfanghen schwartz zue werden, so müssen sey mit einer Hinten eröfnet
werden.
Zu den flecken ist guet schrepfen under den armen undt neben der
schäm, doch nitt ihm ahnfangh alßpalt, sundern nach dem schwitzen. »
Welge den patienten anffwarten, sollen wochentligh zweymahl ein
quintlein pestilens pulver nehmen, abends undt morgens den nmndt wohl
spülen mit gitftessigh, daß Zahnfleisch reiben mit Mithridat, die nase
offt besehniireii mit einem nasensälblein, ihm mundt
i
Wan der kranken 1 nöhten, soll man . . . . 1. voller wasser bey ihnen
setzen, auch ein warmes . . . 1. von einander gebrochen dan sulges zeugts
g-ifft ahn sich.
Den tödten soll man innerhalb 24 stunden nit begraben, dan offt
erfahren, daß sey nuhr ihn eine Ohnmacht gefallen undt darnach wider
zue ihnen selber kommen.
Wegen anderen znefällen kan man sich durch eine discrete person
bey dem medico rahts erholen.
NB. so palt einem eine drüsen außschiesset lege er alßpalt einen
eyer dotter darauf mit einem wenigh saltz (oder aber öhl) undt verendere
die eyer dotter offt.
J) unleserlich.
Fragen.
1. Wer kann den Namen Lousberg erklären? Derselbe wird in einer Urkunde vom
Jahre 997, 27. Oktober dreimal genannt „in monticulo Luouesberg dicto", „monticulum
luouesberc nominatum", „in monticulo luouesberc". Im Jahre 1005, 7. Juli heisst er
„huiesberc". 1059,4. März „nominatim autem eapellam in monte luouesberch positam".
1226, Juli. „Capellain in monte Luiesberch positam". (Vgl. Lacomblet, (Trkunden-
buchBd. I, II.) In der Grafschaft Altena liegt ein ehemals zur Abtei Siegburg gehörender
Berg last gleichen Namens. Derselbe heisst zum Jahre 1096, 13. Dezember „Louesbore,"
1109, 28. November „Luuesbercli", 1116 „Lüuisberg", 1181, 18. November „Luues-
berg". (Ebendaselbst.) A.
2. Der Thiergarten, in welchem Karl der Grosse öfters zu jagen pflegte, erstreckte sich
in südöstlicher Richtung von Aachen. Die gleichzeitigen Urkunden nennen ihn „bro-
gilus" = Brühl. Sind in dieser Gegend vielleicht noch Flurnamen vorhanden, in welchen
eine Erinnerung an diesen Park fortleben möchte? B.
Dkcck von Hermann Kaatzeh in Aachen.
Mmb Mmh^uB übtzeil
Jährlich 8 Nummern
ä 1 Bogen Royal Oktav.
Preis des Jahrgangs
4 Mark.
Kommissions -Verlag
der
Cremer'srlu'ii Buchhandlung
(C. Cazin)
in Aachen.
Mittheilungen des Vereins für Kunde der Aachener Vorzeit.
Im Auftrage des Vereins herausgegeben von Dr. K. Wieth.
Nr. 8. Zweiter Jahrgang.
1889.
Inhalt: K. Wieth, Das Landschiff von Cornelimünster im Jahre 1133.
Mittheilungen: Der Rodensteiner. - - Verzeichniss der Mitglieder.
— Kleinere
Das Landschiff von Cornelimünster im Jahre 1133.
Von K. Wieth.
Rudolf, ein Abt des Klosters St. Trond in Belgien, verfasste in der
ersten Hälfte des 12. Jahrhunderts eine Geschichte seines Klosters und
der Aebte desselben. Im 12. Buche seiner Chronik berichtet er nun eine
merkwürdige Geschichte, die auch Aachen in besonderem Masse angeht
und deshalb hier kurz mitgetheilt werden möge. Er sehreibt1:
„Gott erweckte — ich weiss nicht zum wievielten Male! über
uns den Engel des Satans, damit er unsere Sünden strafte. Und bis heut
noch ist seine Hand über uns ausgestreckt, und sein Zorn noch nicht
abgewandt.
Es gibt eine Klasse von Handwerkern, deren Thätigkeit es ist, ans
Flachs und Wolle Gewebe herzustellen. Sie stehen allgemein in dein
!) Gesta abbatum Trudonensiura lib. XII ad annum 1133 in Mon. Genn. SS. X p. 309
sequ „Cumque ad baue abbas et sollicitaret officiatos et sollicitaretur a fratribus,
suseitavit Deus, en nescio qnota vice! super nos angeluui satanae, ut ei operis impedimento
nos contristaret, et substantiae detrimento peceata nostra puniret. A.dhuc enim manus
eius extensa super nos, et ira uon erat aversa. Provenit autem sub hac occasione.
Est genus bominum mercennarioruui, quorum officium est ex lino et lana texere
telas, hoc procax et superbum super alios mercennarios vulgo reputatur. Ad quorum
procacitatem et superbiam humiliandam et propriam iniuriam de eis alciscendam pauper
quidam rusticus ex villa nomine Inda (Cornelimünster) hanc diabolicam exeogitavil tegnam
(dolum). Accepta a iudieibus mlucia et a levibus hominibus auxilio, qui gaudenl iocis
— 114 —
Rufe, gegen andere Handwerker anmassend und hochmüthig zn sein. Um
nun diesen ihren Uebermuth zn deniüthigen und persönlich erlittenes Unrecht
an ihnen zu rächen, ersann ein armer Landmann aus dem Dorfe luden (jetzt
Cornelimünster) folgenden teuflischen Plan. Mit Erlaubniss der Richter
und mit Hilfe leichtfertiger Menschen, die an Spässen und neuen
Einfällen Freude haben, zimmerte er im benachbarten Walde ein Schiff
und befestigte es auf untergelegte Bäder, sodass es über Land gefahren
werden konnte. Er erwirkte auch von der Obrigkeit, class die Weber
genöthigt wurden, dasselbe mittelst über die Schultern geworfener Stricke
von luden nach Aachen zu ziehen. Obgleich es in Aachen unter grosser
Prozession von Menschen beiderlei Geschlechts eingeholt worden war,
wurde es nichtsdestoweniger von den Webern nach Mastricht gefahren,
dort ausgebessert und mit Mast und Segel versehen, darauf nach Tongern,
von da nach Los gebracht. Als der Abt Rudolf von der Annäherung
des in sündhafter Absicht erbauten Schiffes hörte, warnte er die Mitbürger
eindringlich, sich doch ja der Aufnahme desselben zu enthalten; denn
unter diesem possenhaften Aufzuge würden Teufelsgeister verschleppt und
durch sie in kurzer Zeit Empörung, Mord, Brand und Raub erregt und
Menschenblut in Menge vergossen werden. Aber trotzdem er in dieser Weise
unausgesetzt abmahnte, so lange als der Satanstempel in Los verweilte,
so wollten unsere Bürger doch nicht hören, sondern sie nahmen denselben
mit gleicher Begeisterung auf, wie einst die Trojaner das verhängniss-
volle Pferd, durch welches sie sich selbst zu Grunde richten sollten.
Feierlich wurde es mitten auf dem Markte aufgestellt. Sogleich erhalten
die Weber des Ortes die Weisung, den gottlosen Wachtdienst bei dem
Götzengebild zu übernehmen, so sehr sie sich sträubten.
0 heiliger Vater! Wer hat jemals eine solche thierische Rohheit
bei vernünftigen Wesen wahrgenommen, wer eine solche Gesinnung bei
novitatibus, in proxiina silva navim coinposuit et eam rotis suppositis affigens vehibilem
super terram effecit.
Obtinuit quoque a potestatibus, ut iniectis funibus textorum humeris de Inda
Aquisgrani traheretur. Aquis suscepta cum grandi hominum utriusque sexus processione,
nihilominus a textoribus Traiectum est pervecta, ibi enieudata et malo veloque insignata,
Tungris est inducta, de Tungris Los. Audiens abbas Rudolfus navim illam infausto com-
pactam omine, maloque solutam alite cum buiusmodi gentilitatis studio nostro oppido
adventare, presago spiritu bominibus predicabat, ut eius susceptione abstinerent, quia
maligni Spiritus sub bac ludificatione in ea traherentur, in proximoque seditio per eam
moveretur, unde cedes, incendia rapinacque fierent, et humanus sanguis multus funderetur.
Quem ista declamantem omnibus diebus, quibus malignorum spirituum illud simulacbrum
Los morabatur, oppidani nostri audirc noluerunt, sed eo studio et gaudio excipientes, quo
perituri Troiani fatalem equum in medio fori sui dedicaverunt. Statim proscriptionis
sententiam accipiunt villac textores, qui ad profanas buius simulacbri excubias venirent
tardiores. Papc! Quis hominum vidit unquam tantam — ut ita liceat latinizare — in
rationalibus animalibus brutuitatem? quis tantam in rcnatis in Christo gentilitatem? Coge-
bant scntentia proscriptionis textores nocte et die navim stipare omni armaturae genere,
sollicitasquc excubias nocte et die contfnuare. Mirumque fuit, quod non cogebant eos
ante navim Neptuno hostias immolare, de cuius naves esse solent regionc; sed Ncptunus
eas Marti reservabat, cui de humanis carnibus fieri volebat. Quod postea multipliciter
factum est.
• — 115 —
den in Christo Wiedergeborenen?! Sie zwangen die Weber, Tag und
Nacht den beschwerlichen Wachtdienst fortzusetzen. Und zu verwundern
war es noch, dass sie dieselben nicht nöthigten, vor dem Schiffe dem
Neptun Opfer- zu schlachten, dessen Bereich die Schiffe zugehören sollen;
aber Neptun* sparte sie für Mars auf, welchem nach seinem Willen
Menschenopfer gebühren, was auch später wirklich geschah. Indessen
riefen die Weber heimlich und mit inbrünstigem Seufzen Gott, den gerechten
Richter, zum Rächer über Diejenigen an, welche sie zu dieser Schmach
herabgestossen ; da sie ja doch nach dem Beispie] der alten Christen und
apostolischen Männer von der Arbeit ihrer Hände lebten. Tag und Nacht
arbeitend, um sich und ihre Kinder zu ernähren und zu kleiden. Sie
beklagten sich gegenseitig unter Thränen. warum gerade ihnen mehr als
andern Handwerkern diese Schmach und schandbare Vergewaltigung angethan
würde, da doch unter den Christen noch mehr andere Geschäfte und
verächtlichere als die ihren wären, wiewohl sie keines für schimpflich
halten könnten, womit ein Christenmensch ohne Sünde sein Fortkommen
finden möchte, und dass nur das allein meidenswerth und niedrig wäre,
was eine Befleckung der Seele herbeiführe, und dass ein bäurischer und
armer Weber besser sei als ein städtischer und vornehmer Reicher, der
Waisen und Wittwen bedrückte. Während sie so jammerten, ertönte von
jenem abscheulichen Sitze, ich weiss nicht welches Götzen, ob des Bachus
oder der Venus, Neptuns oder des Mars, wahrscheinlich aber aller bösen
Geister, die verschiedenartigste Musik und schändliche, der christlichen
Religion unwürdige Lieder, welche im Chore gesungen wurden. Es war
auch von der Obrigkeit bestimmt worden, dass mit Ausnahme der Weber
Jedermann, der das Schilf berührte, ein Pfand von seinem Halse den
Webern zurücklassen musste, wenn er sich nicht nach Belieben loskaufte.
Soll ich weiter sprechen oder schweigen? 0. dass doch der Geist
der Lüge von meinen Lippen tröpfelte! Beim Schwinden des Tages, als
Textores interhn oeculto sed precordiah' gemitu Deum iustum iudicem super eos
vindicem invocabant, qui ad haue ignominiam eos detrudebant, cum iuxta reetam vitam
antiquorum ehristianorum et apostolicorum virorum manuum suarum laboribus viverent,
nocte ac die operantes unde alerentur et vestirentur liberisque suis id ipsum providerent.
Querebant etiam et conquerebantur ad iuvicem lacrimabiliter, unde Ulis magis quam aliis
mercennarüs baec ignominia et vis contumeliosa, cum inter ebristianos plura alia essenl officia
suo multuiu aspemabiliora, cum tarnen nullum ducerenl aspemabile, de quo ebristianus
posset se sine peccato conducere, illudque aolum essel vitabile ei ignobile quod immun-
diciam peccati contraberet animae, meliorque sit rusticus textor ei pauper, quam exaetor
orphanorum et spoliator viduarum urbanus et nobilis iudex. Cumque haec ei horum similia
secum, ut dixi, lacrimabiliter conquererentur, concrepabanl ante illml, nescio cuius potius
dicam, Bacehi an Veneris, Neptuni sive Martis, sed ut verius dicam, ante omnium mali-
gnorum spirituum execrabile domicilium genera diversorum inusicorum, turpia cantica ei
religioni christianae indigna concinentium. Sanccitum quoque erat a iudieibus, ut preter
textores quieunque usque ad tactum navis appropinquarent, pignus de collo eorum eroptum
textoribus relinquerent, nisi se ad libitum redimerent. Sed quid faciam? Loquarne an
sileam? Utinam gpiritus mendacii 3tillaret de labiia iuris! Sub fugitiva adbuc Iure diei,
imminente iam luua, matronarum catervae, abiecto femineo pudore, audientes Btrepitum
buius vanitatis, passis capillis de stratis suis exiliebant, aliae seminudae, aliae simplici
— 116 —
schon der Mond am Himmel stand, kamen Schaaren verheiratheter Frauen,
als sie den Lärm dieses unsinnigen Treibens vernahmen, unter Hint-
ansetzung* aller weiblichen Scham, mit aufgelösten Haaren aus ihren Gassen
hervorgesprungen, die einen halbnackt, die andern nur in einfachem Unter-
rock, und mischten sich, schamlos vordringend, unter die Leute, welche
um das Schiff herum Chortänze aufführten. Da konnte man zeitweilig an
1000 Menschen beiderlei Geschlechtes sehen, wie sie bis Mitternacht die
ungeheuerlichste und abscheulichste Abgötterei trieben. Endlich brach
man die verwünschten Tänze unter wüstem Geschrei ab, und Männlein
und Weiblein verloren sich in wildem Sinnentaumel dahin und dorthin.
Was nun geschah, das mögen jene erzählen, denen es gefiel zuzusehen
und mitzumachen, an uns ist es, zu schweigen und zu trauern, die wir
dafür büssen müssen.
Nachdem man solchen Götzendienst mehr als 12 Tage auf obengenannte
Weise gefeiert hatte, hielten die Bürger Rath, was zu thun sei, um das
Schiff schnell wieder hinwegzubringen. Die Vernünftigeren nun, denen es
leid war, dass man das Schiff aufgenommen hatte, da sie für das Geschehene
die Strafe Gottes .fürchteten und schon das künftige Unheil ahnten, malmten,
das Schiff zu verbrennen oder es sonst auf irgend eine Weise aus der Welt
zu schaffen. Aber die thörichte Blindheit Einiger sträubte sich schändlich
gegen diesen heilsamen Vorschlag ; denn die bösen Geister darin hatten
im Volke den Glauben verbreitet, dass der Ort sammt seiner Bevölkerung
für alle Zeiten verrufen sein würde, in welchem das Schiff zurückgehalten
worden wäre. Daher beschlossen sie, es zur Nachbarstadt Leew weiter
zu fahren.
Unterdessen hatte der Herr von Löwen von dem gotteslästerlichen
Wesen jenes Schiffes Kunde erhalten. Von religionseifrigen Männern ermahnt,
tantum clamidc circumdatae, chorosque ducentibus circa navim impudenter irrumpendo
se ammiscebaut. Videres ibi aliquando mille honiinuin auimas sexus utriusque prodigiosum
et infaustura celeuma usque ad noctis medium celebrare. Quando vero execrabilis illa
chorea rumpebatur, emisso ingenti clamore vocum inconditarum sexus uterque hac illacque
bachando ferebatur. Quae tunc illic agebantur, illorum sit dicere, quibus libuit videre
et agere, nostrum est tacere et deflere quibus modo contingit graviter luere.
Istis tarn nefandis sacris plus quam duodeciin diebus supradicto ritu cclebratis, con-
ferebant simul oppidani, quid agerent amodo de deducenda a se navi. Qui sanioris erant
consilii et qui eam susceptam fuisse dolebant, timentes Deuin pro bis quae facta viderant
et audierant et sibi pro Ms quae futura conitiebant, hortabantur, ut combureretur, aut isto
vel illo modo de medio tolleretur. Sed stulta quorundam cecitas huic salubri consilio con-
tumeliose renitebatur, nam maligni spiritus qui in ea ferebantur disseminaverant in populo,
quod locus ille et inhabitantes probroso nomine amplius notarentur, apud quos remansisse
inveniretur. Deducendam igitur eam ad villam quae iuxta nos est Leugues decreverunt.
Interea Lovaniensis dominus audiens de demonioso navis illius ridiculo, instructusque
a religiosis viris terrae suae de illo vitando et terrae suae arcendo monstro, gratiam suam
et amicitiam mandat oppidanis nostris, commonefaciens eos humiliter, ut pacem illam, quae
inter ipsos et se erat reformata et sacramentis firmata, non infringerent et inde preeipue,
si illud diaboli ludibrium viciniae suae inferrent. Quod si ludum esse dicerent, quererent
alium cum quo inde luderent, quia si ultra hoc mandatum committerent, pacem predietam
in cum effringerent, et ipse vindietam in cos ferro et igne exequeretur. Id ipsuin manda-
verat Duracbiensibus dominis, qui et homincs eius fuerant manuatim et interpositis sacra-
• — 117 —
das Götzengebild von seinem Gebiete fern zu halten, entbietet er unsern
Städtern Gruss und Freundschaft und bittet sie inständig, den zwischen
ihm und ihnen feierlich geschlossenen Frieden nicht dadurch zu brechen,
dass sie jenes Teufelswerk seinem Gebiete zuführten. Wenn sie meinten,
es sei nur ehi Spiel, so möchten sie sich einen andern suchen, mit dem sie
ihren Spass trieben; denn er würde, falls sie diesem seinem Verlangen nicht
nachkämen, den Frieden für gebrochen ansehen und mit Feuer und Schwert
Rache an ihnen nehmen. Das Gleiche begehrte er von den Herren von
Durach, seinen Lehnsleuten. Aber obschon er dreimal diese Forderung
stellte, wurde er dennoch sowohl von den unsrigen als auch von (\m Herren
von Durach abgewiesen. Denn wegen der Sünden der Einwohner wollte
der Herr über unsern Ort das Feuer und die Waffen der Lovanienser
herabsenden. Auch Graf Gyselbert schloss sich entgegen dem Adel seines
Geschlechtes dem verblendeten Volke an und liess das Schiff bis nach
Leew, jenseits der Stadt Durachium, überführen, begleitet von allen
unsern Städtern und ungeheuerem Jubelgeschrei der rasenden Menge. Die
Bürger von Leew jedoch, klüger als unsere, gehorchten dem Willen des
Herrn von Löwen, schlössen die Thore und Hessen das unselige Gebild in
ihre Stadt nicht eintreten. Der Herr von Löwen aber wollte die Nicht-
beachtung seiner Bitten und Befehle nicht ungestraft lassen Er
führte also ein grosses Heer gegen uns, und alle unsere Besitzungen wurden
niedergebrannt und geplündert .... alles wegen des unseligen Erscheinens
jenes Landschiffes."
In diesem Berichte fällt zunächst der irreligiöse Charakter auf,
welcher dem Aufzuge beigelegt wird. Abt Rudolf kann nicht Worte
genug finden, seinem Abscheu gegen das Schiff und seine Verehrung Aus-
druck zu geben. Er nennt das Unternehmen des Erbauers eine teuflische
List „diabolicam technam", und dass es in unseliger Absicht gezimmert
„infausto compaetam omine", der Sitz aller bösen Geister und
heidnischer Götzen sei „simulacrum malignorum spirituum", „execrabile
domicilium Bachi, Veneris, Neptuni, Martis", sed, ut verius dicam, omnium
malignorum spirituum". Unerhört ist ihm eine solche thierische Rohheil
mentis et datis obsidibus sibi confoederati. Hoc cum iam tercio fecisset, spretus esl tarn
ab oppidanis aostris quam a Durachiensibus dominis. Nam propter peccata inhabitantium
volebat dominus immittere super Locum nostrum ignem et arma Lovaniensium. A.d haue
igitur plebeiam fatuitatem adiunxit se comes Gyslebertus contra generis sui uobilitatem,
trahendamque deerevit navim illam fcerream usque Leugues ultra Durachium villam. Quod
et fecit malo uostro omine cum omni oppidanorum uostrorum multitudine e1 ingenti deba-
chantium voeiferatione. Leuguenses oppidani, uostris prudentiores ei Lovaniensis domini
mandatis obsequentes, portas suas clauserunt, et infausti ominis monstrum villam suam
intrare non permiserunt. Lovaniensis vero dominus precum suarum e1 mandatorum con-
temptum nolens esse inultum, diem constituil comitibus tanquam suis hominibus, qui neque
ad primum neque ad seeundum sed nee etiam ad tertium venire voluerunt Eduxil ergo
contra cos et contra nos multae multitudinis exercitum armatorum tarn peditum quam
militum pedites et milites per omnia nostra circuadiacentia se diffuderunt, villas
Dostras, ai'cclesias, molendina et quaeeunque oecurebaut combustioni ei perditioni tradentes
propter terrestris navis malignum adventum.— "
— 118 —
(brutuitas), ein solch heidnisches Gebaliren (gentilitas) bei Christen. Scham-
los und sündhaft nennt er das Treiben der Männer und Frauen, ihre
Gesänge, ihre Tänze. Er lässt die Weber die Rache Gottes herabbeschwören
über diejenigen, die sie zu solch verabscheuungswürdigem Götzendienst
gezwungen hätten.
Ganz das entgegengesetzte Benehmen zeigen die weltlichen Behörden.
Nicht nur geben sie die Erlaubniss zur Erbauung des Schilfes, sondern
unterstützen auch durch ihre Autorität die Forderung, dass die Weber die
Beförderung und den Dienst desselben übernehmen müssten, und dies in
den meisten Ortschaften, durch welche der Aufzug seinen Weg nimmt!
Dabei bewegt sich der ganze Kult in festen, sicheren Formen. „Wie
wäre der Bauer im Walde zu Inden, fern von aller Schifffahrt, sagt Jakob
Grimm, darauf verfallen, ein Schilf zu bauen, wenn ihm nicht Erinnerungen
an frühere Prozessionen, vielleicht auch in benachbarten Gegenden vor-
geschwebt hätten ? " Wie hätte er sonst sofort die Zustimmung und freudige
Unterstützung anderer finden können, wenn es wirklich blos ein zufälliger
Einfall „iocus et novitas" eines Einzelnen gewesen wäre? Das Schiff zieht
von Ortschaft zu Ortschaft. Ueberall wissen die Weber, welche Art von
Dienstleistungen sie auszuführen haben; Männer und Weiber singen Chor-
lieder, die seit längst bekannt und gesungen sein mussten, führen Tänze
auf, erkennen ohne Widerstreben den Webern das Recht zu, für die
Berührung ein Pfand, einen Loskaufpreis zu erheben. Und gar die Art
des nächtlichen Treibens ! Das unehrbare Auftreten der Weiber aus sonst
achtbarem Bürgerstande! Wäre es bei einem plötzlichen Einfall, einem
schlechten Scherze eines unbekannten Bauers erklärlich? Schlechter-
dings nicht. Der gesammten Aufführung muss ein altes Herkommen,
eine gewohnte und allen bekannte Sitte zu Grunde gelegen haben,
deren von der Geistlichkeit so stark getadelter Charakter vermutheil
lässt, dass sie vielleicht bis in die heidnische Vorzeit zurückreicht.
Dafür erklären sich auch die besten Kenner heidnisch-germanischen Alter-
thums wie Jakob Grimm, Simrock u. a. Und in der That lässt sich eine
Reihe von Berichten herbeiziehen, aus denen man erkennt, dass unsere
heidnischen Ahnen religiöse Umzüge ähnlicher Beschaffenheit geübt und
auch noch in die christliche Zeit vererbt haben. Jakob Grimm sagt:
„Wahrscheinlich lebten unter dem gemeinen Volk jener Gegend damals
noch Erinnerungen an einen uralten heidnischen Kultus, der Jahrhunderte
lang gehindert und eingeschränkt, nicht vollends hatte ausgerottet werden
können. Ich halte dieses im Land umziehende, von der zuströmenden
Menschenmenge empfangene, durch festlichen Gesang und Tanz gefeierte
Schiff für den Wagen des Gottes oder lieber jener Göttin, welche Tazitus,
der Isis vergleicht, die den Sterblichen gleich Nerthus Friede und Frucht-
barkeit zuführte. Wie der Wagen verhüllt war. so mochte auch der Eingang
in das innere Schiff den Menschen verwehrt sein, ein Bild der Gottheit
brauchte nicht darin zu stehn, ihren Namen hatte das Volk längst ver-
gessen, nur die gelehrten Mönche ahnten noch etwas von Neptun oder
Mars, Bacchus oder Venus; auf das Aeusserliche der alten Feier kam die
•' — 119 —
Lust dos Volkes von Zeit zu Zeil wieder zurück1". Grimm beruft sich auf
Tazitus. Dieser römische Schriftsteller aus der Wende <\r* ersten zum zweiten
Jahrhundert unserer Zeitrechnung berichtet über die Verehrung einer
weiblichen Gottheit, Nerthus, der mütterlichen Göttin der Erde, bei den
germanische» Stämmen, welche der Ostsee anwohnten, den Longobarden,
Reudignern, Avionen, Angeln, Varinen, Eudosen, Suardonen und Vuithonen:
„Das einzig- bemerkenswerthe bei diesen einzelnen Stämmen, sagt er, ist ihre
Verehrung der Erdmutter Nerthus. Sie glauben, dass die Göttin unter den
Menschen erscheine und bei den einzelnen Völkern umherfahre. Auf
einer Insel des Ozeans befindet sich ein heiliger Hain und in demselben
ein geweihter, mit einer Decke verhüllter "Wagen. Nur dem Priester allein
ist die Berührung gestattet. Dieser lebt der Ueberzeugung, dass in dem
Innern des Wagens die Göttin wohne, und er begleitet sie mit vieler Ver-
ehrung, wenn sie in demselben, von Kühen gezogen, einherfährt. Dann
sind glückliche Tage und Feste in allen Orten, welche die Göttin ihres
Erscheinens und Verweilens würdigt. Gebannt ist aller Kriegslärm, keine
Waffe wird berührt; alles Eisen bleibt verschlossen. Friede und Ruhe
sind nur dann bekannt, nur während dieser Zeit geliebt, bis die Göttin,
an dem Umgang mit Menschen gesättigt, von demselben Priester in ihren
Tempel zurückgeführt wird. Alsbald wird der Wagen und die Decke und
— wenn man es glauben will — auch die Göttin selbst in dem verborgenen
See gereinigt, die dabei beschäftigten Sklaven sogleich im See ertränkt.
Daher eine geheime Scheu und heilige Unwissenheit in Betreff jenes Wesens,
dessen Anblick nur mit dem Tode erkauft werden kann-". Soweit über
die östlichen Stämmen Germaniens. Für die westlichen Völkerschaften,
besonders die suevischen Stämme, berichtet derselbe Gewährsmann von
einem ähnlichen Göttinnendienst, bei welchem statt des Wagens ein Schiff
umhergeführt wird: „Ein Theil der Sueven opfert der Isis. Woher dieser
fremde Dienst Grund und Ursprung herleitet, habe ich zur Geuüge nicht
erfahren können. Nur der Umstand, dass das Heiligthum der Göttin nach
Art eines kleinen Schiffes gebildet ist (in modum liburnae ftguratum), legt
die Vermuthung nahe, dass dieser Kult aus der Fremde eingeführt sei3".
Dieses Fremde liegt aber nicht in dem Namen Isis; denn die suevische
Göttin führte gar nicht diesen Namen. Derselbe ist, wie auch die Namen
Herkules, Merkur, Mars von den römischen Berichterstattern den ger-
manischen Göttern beigelegt worden und zwar deswegen, weil sie mit den
entsprechenden römischen Gottheiten Aehnlichkeü hatten und also dem
Verständniss des römischen Lesers naher gerückl winden. Der lsi>kuli
stammte aus Aegypten, war aber bei den Griechen und Römern der
Kaiserzeit weit verbreitet und eifrig geübt. Schriftsteller wie Plutarch,
Apulejus u. a. berichten ausführlich darüber.
Beim Anbruch des Frühlings, wenn das im Winter unbefahrene Meer
wieder schiffbar winde, pflegte man in feierlichem Umzüge dm- [sis ein
!) Grimm, .1. Deutsche Mythologie S. L62.
2) Taeitus, Germania Cap. 40. :) Ebendaselbsl Cap. 9.
— 120 —
Schiff darzubringen. Es geschah dies am 5. März, und dieser Tag wird
im Kalendarium rusticum durch Isidis navigium „Schifffahrt der Isis"
bezeichnet. Apulejus schildert uns den Vorgang also:
„Nachdem der Göttin glorreiche Erscheinung aus den Wogen des
Meeres verschwunden ist, der Himmel in reinster Klarheit strahlt, beginnt
der Zug mit einer Art Fastnachtsvermummungen. Einer hat sich als
Soldaten, der andere als Jäger, der dritte als Mädchen verkleidet. Hin-
wiederum ein anderer als Gladiator, einer als Konsul, einer als Philosophen,
als Vogelfänger, Fischer. Es erscheint ausserdem ein zahmer Bär in
Frauenkleidung, ein Affe mit Ganymed, ein geflügelter Esel mit Bellero-
phon. Diesen Vortrab, der mit unsern Fastnachtszügen eine überraschende
Aelmlichkeit hat, nennt Apulejus XI, 9 „oblectationes ludicras popula-
rium". Hierauf der eigentliche Zug: weissgekleidete, bekränzte Frauen,
die den Weg der Göttin mit Blumen bestreuen, andere mit Spiegeln auf
dem Kücken, mit elfenbeinernen Kämmen, mit denen sie das königliche
Haar (der Göttin?) ordnen und flechten, andere, die duftende Salben und
Balsam auf die Strassen spritzen. Hierauf ein Zug beiderlei Geschlechts
mit Laternen, Kerzen und Fackeln. Dann sanfte Flötenmusik: „sympho-
niae dehinc suaves, fistulae tibiaecpie modulis dulcissimis personabant."
Ferner ein Sängerchor im weissen Gewände, und die tibicines des grossen
Serapis, die den heiligen Tempelmarsch blasen. Sodann der Zug der Ein-
geweihten in weissen linnenen Kleidern, eherne, silberne und goldene Sistra
schlagend. Hierauf erscheinen die Oberpriester, einer mit einer Laterne,
der zweite s. g. auxilia, eine Art von Altären tragend, der dritte mit
Palme und Schlangenstab, der vierte eine linke Hand, derselbe ein goldenes
Gefäss in Form einer weiblichen Brust, der fünfte eine goldene Wanne,
der sechste eine Amphora tragend Dann die mystische Kiste der
Isis und das heilige geheimnissvolle Bild der Göttin, von einem andern
Diener getragen, das ich für ein Schiff halten würde, sowie Tazitus von
den Sueven sagt, sie verehrten die Isis in Form eines Nachens, wenn nicht
Apulejus ... es weiterhin nur zu klar als eine gehenkelte Vase beschriebe.
Aber auch hier fehlt der Göttin heiliges Schiff keineswegs. Nachdem
die Verwandlung des Esels in einen Menschen vor sich gegangen, eilt
der ganze Zug ans Meer und der höchste Priester weiht nach mannig-
fachen Reinigungen und Gebeten der Göttin das heilige mit wundersamen
ägyptischen Gemälden geschmückte Schiff. Mit Aromen wird dann das
h. Schiff von allen Anwesenden überschüttet, und, sobald die Anker gelöst
worden, dem weiten Meere anvertraut. . .Ä1.
*) Apulejus, Metamorphoseon XI 7 ff. Vgl. Lersch L. Bonner Jahrbücher IX
111 ff. Herr Dr. M., Lersch theilt die nachfolgende Stelle aus der Schrift de mcnsihus
des Johannes Lydus mit, eines Schriftstellers, der um die Mitte des 6. Jahrhunderts u. Chr.
in Byzanz blühte; aus derselben geht hervor, dass diese Feier noch in sehr später Zeit
lebendig war und jährlich am 5. März begangen wurde: „Ante diein 3. nonas Martias
Isidis navigium agebatur, quod etiam nunc agentes „ploiaphcsia" (Schiffsentlassung)
vocant. Isis autem Aegyptiorum lingua idem quod antiqua valet, i. e. luna et merito eam
colunt ingredientcs itinera niarina, propterea quod illa aquarum naturae praeest." Herr
• — 121 —
In ähnlicher Weise, wie Apulejus hier schildert, müssen die westlichen
Germanen ihre Göttin gefeiert haben, sodass Tazitns den Eindruck erhalten
konnte, es sei der ihm aus Born bekannte Isiskult dorthin eingeführt
worden. Nun ist allerdings nicht zu leugnen, dass die römischen Ein-
dringlinge ihre religiösen Gebrauche mit an den Rhein gebracht und
daselbst eifrig geübt haben, und zahlreiche Denkmäler bezeugen uns die
Verehrung des Mithras, der Isis und anderer Gottheiten daselbst. Es ist
deshalb nicht ausgeschlossen, dass die alten Deutschen manches aus dem
römischen Ritual für ihren heiniathlichen Gottesdienst übernommen und
ihrer Eigenart angepasst haben, sodass allmählich in den Gegenden starker
römischer Bevölkerung eine Mischung germanisch-römischer Kulte sich
vollzogen haben mag.
Noch Jahrhunderte später, als die irischen Missionare das Heidenthum
in Germanien auszurotten bemüht waren, beriefen sich die Franken und
Allemanen, um ihre heidnischen Umzüge gegen die Vorwürfe des Bonifazius
zu vertheidigen, auf ganz ähnliche Vorgänge im christlichen Rom, wo sie
ja unter den Augen des obersten Hirten der Christenheit statt fänden!
Der berühmte Apostel der Deutschen beklagt sich darüber ernst in einem
Briefe an den Papst Zacharias1, wie man ihm von Seiten der Germanen
entgegenhalte, dass am Neujahrstage jedes Jahr in Rom dicht neben der
Peterskirche nach heidnischem Gebrauch bei Tag und Nacht Chortänze
und Gesänge und allerlei anderes heidnisches Wesen aufgeführt würden,
und dass die Frauen nach Heidensitte Amulette und Schutzbinden um
Arme und Beine trügen und solche auch zum Verkaufe feil böten. „Wenn
Ihr, o heiliger Vater, so schliesst er, solch heidnisches Treiben in Rom
verhindern möchtet, würdet Ihr Euch damit ein Verdienst erwerben, uns
aber den grössten Vorschub leisten für die Verbreitung der kirchlichen
Lehre." Der Papst kann in seinem Antwortschreiben dies nur bestätigen
und erklären, dass er wie alle Christen dies heidnische Unwesen von
ganzem Herzen verabscheue und für verderblich halte.
In den Verordnungen der Karolinger, den sogenannten Kapitularien,
wiederholen sich immer wieder die strengsten Verbote diese]- imchristlichen
Gebräuche, wie in dem Karlmanns zum Jahre 742, dem Verzeichniss aber-
gläubischer und heidnischer Glaubensmeinungen „indiculus superstitionum
et paginiarum", in welch letzterem ausdrücklich der Aufzüge im Februar,
„de spurcalibus in Februario" Erwähnung geschieht.
Auch von Freyr, dem germanischen Frühlingsgott, und seiner Schwester
Freya, wie auch seiner Gemahlin llolda oder Gerdr wissen wir, dass sie
im Frühjahr auf Wagen durch's Land zogen, günstiges Wetter und ein
Dr. Lorsch drückt die Ansicht aus. dass die Aehulichkeii der Mondsichel hier im Spiele
sei. Vielleicht biete die Beziehung der Isis zur Unterwell für das Eerumziehen mit dem
Schiffe einen Anhaltspunkt. In Aegypten wurde bei Leichenzügen Arche oder Schiff herum-
getragen; ähnlich gestalteten sich die Prozessionen der Phönikier. Clair traf in Syrien
selbst bootförmig gestaltete Grabdenkmäler. Auch Charons Kahn lässl die Reise in die
Unterwelt als Schifffahrt erscheinen.
J) Vgl. Ideler, Leiten und Wandel Karls des Grossen, II v. 16.
— 122 —
fruchtbares Jahr erhoffen Hessen. Das ganze Mittelalter blieb diese
Anschauung und der damit verbundenen Gebrauch lebendig-. Ein Ulmer
Rathsprotokoll vom Nikolausabend 1530 enthält das Verbot: „item es sol
sich nieman mer weder tags noch nachts verbuzen, verkleiden, noch einig
fassnachtkleider anziehen, ouch sich des herumfarens des pflugs und mit
den schifen enthalten, bei straf 1 gülden . .*". Sebastian Brant's Narren-
schiff spiegelt die gleiche Auffassung wieder und zwar mit bewusster
Anspielung an das Umfahren des Schiffes in Aachen:
„Dem Narrenschiff laufen sie nach,
Sie finden es hie zwischen Aach2".
Nach des Abtes von St. Trond Bericht erscheint die Betheiligung
der Weber und Weiber an dem Aufzuge wesentlich. Es deutet dieser
Umstand gleichfalls auf uralten Götterdienst. „Die Priesterschaft der
Weber erscheint schon bei der römischen, ja bei der ägyptischen Isis;
auch bei andern deutschen Festen finden wir sie neben den Metzgern, die
wahrscheinlich die Opferung zu vollbringen hatten, betheiligt. So bei dem
Trier'schen Frühlingsfest, auch zu Münstereifel Hessen die Weber das
flammende Rad von dem sogenannten Radberge lauten. Neben den Webern
sind es Frauen, die an dem Kultus Theil nehmen, und sie thun es ohne
Widerstreben, mit sichtbarer Vorliebe, im unerloschenen Gefühl ihrer alten
Priesterschaft3".
Der tiefste Grund für diese geheimnissvollen Beziehungen von
Webern und Weibern zu der verborgenen Gottheit ist wohl darin zu
suchen, dass die alten Deutschen ähnlich wie die Griechen und Aegypter
des Glaubens lebten, die für das Leben so wichtige Kunst des Spinnens
und Webens sei ihnen einst von einer Gottheit gelehrt worden. Die
germanische Göttin, welche zur Zeit des Krieges als Wallküre an dem
blutigen Streite der Männer wirksam Theil nahm, vertauschte nach
Beendigung des Krieges den Speer mit der Spindel. Sie lag derselben
Beschäftigung ob, welche in den ältesten Zeiten eine der Hauptpflichten
der Frauen des germanischen Hauses, auch der Herrin des Königs-
palastes, ausmachte. „Bei dem Zwölftenumzug sieht sie (die Göttin)
nach, ob das Ackergeräth an gehöriger Stelle sich befinde, und wehe
dem Knechte, der nachlässig war. Am aufmerksamsten ist sie für den
Flachsbau und das Spinnen. Sie tritt in die Spinnstuben oder schaut
durch das Fenster und wirft eine Zahl Spulen hinein, die bei Strafe
abgesponnen werden sollen. Zu Weihnachten und wieder zu Fastnacht
umss alles abgesponnen sein4". Später, als allmählich die Lebensverhältnisse
ausgebildeter und verwickelter wurden, und Arbeitsteilung eintrat, fiel
die Herstellung der Gewebe berufsmässigen Handwerkern, den Webern,
anheim. Im Bewusstsein des Volkes aber blieb das ursprüngliche Verhältniss,
!) Grimm J. a. a. 0. S. 163.
2) Simrock, K. Handbuch der deutschen Mythologie S. 355.
) Ebendaselbst S. 356.
4) Ebendaselbst S. 365.
• — 123 —
wenn auch dunkel, haften und man Legte sowohl den Webern wie den
Frauen jene religiösen Beziehungen zu dem geheimnissvollen, verborgenen
Wesen bei, die ihnen eine Art priesterlichen Charakters mit allen Pflichten
und Rechten aufdrückten.
Was einst in grauer Vorzeit Ansfluss ernster, naiv gläubiger Stimmung
war, wurde später unter dem Einfluss des Christenthums, durch den an-
dauernden Kampf der kirchlichen Autoritäten zurückgedrängl und fristete
nur noch als possenhafter Aufzug ein nicht mehr verstandenes Dasein.
Geistreich und wahrscheinlich ist die Yermuthung deutscher Forscher,
die in den noch heute üblichen Fastnachtsgebräuchen, insbesondere
den Aufzügen mit ihrem Mummenschanz den Rest jener ursprünglich
heidnisch religiösen Feierlichkeiten erblicken. Die Bezeichnung Fastnacht
wird mit Fasten ebensowenig zu thun haben, wie der Name Karneval m i t
„0 Fleisch, lebe wohl!" zu übersetzen ist. Die alten Formen Fassnacht
und Vastelovent (Faselabend) weisen auf des Zeitwort faseln hin, welches
in alter Zeit Possenreissen, Tollheiten treiben bezeichnete. Desgleichen lässl
sich das Wort Karneval richtiger auf car navale „Schiffswagen" zurück-
führen, welcher ja den Mittel- und Glanzpunkt der Fastnachtszüge bildet.
Der von dem Abt von St, Trond geschilderte Vorgang würde sich
demnach als ein Fast nachts- oder Frühlingsumzug darstellen, der aus
germanischer Urzeit herüberreichend, von Zeit zu Zeit wieder lebendig
wurde. Ob jedes Jahr, ist zu bezweifeln, wenigstens in Hinsicht auf so
allgemeine Betheiligung und weite Verbreitung. Möglich, dass gerade
damals eine starke, kirchenfeindliche Stimmung im Volke Platz gegriffen
hatte und diese Erregtheit Behörde und Volk veranlasste, die der Geist-
lichkeit verhasste Feier aus Opposition möglichst geräuschvoll zu begehen.
Wenigstens berichten uns die Annalen des benachbarten Klosterrath zum
Jahre 1135, dass im nahe gelegenen Lüttich, zu dessen Diözese Aachen
gehörte, Ketzer aufgetreten seien, welche in heftiger Weise gegen Ehe,
Kindertaufe und andere kirchliche Einrichtungen angingen und durch ihre
Predigten grossen Aufruhr erregten.
ö
Kleinere Mittheilungen,
Der Rodensteiner.
Der germanisch-heidnische Kriegsgott Wodan tral nach dem Glauben der alten
Deutschen nicht erst im heissen Kampfgetümmcl der Wahlstatl mitwirkend auf, sondern
auchschon vor einem Kriege machte er sich an der Spitze seiner Scharen, „des wüthendon
Heeres", bemerkbarund deutete damit das Ausbrechen des Streites an. In späterer Zeil
jedoch wird er nicht mein- selbst genannt, sondern das Volk setzt einen seiner Lieblings-
helden an seine Stelle, der unsterblich durch seine Etuhmesthaten, nichl verschieden
war, vielmehr in einen Berg entrückt, seine Stunde erwartete. Von diesen Heldengeistern
ist neben Barbarossa der Rodensteiner am bekanntesten, der im Schnellert, einem Bergschlossdes
Odenwaldes verborgen ruht. Sein Erwachen und Umherspuken gall der Bevölkerung bis
in die jüngste Zeit als unfehlbare Anzeige bevorstehender Kriegsunruhen. Bimrocl schreibt
darüber in seiner deutschen Mythologie also: „Wenn ein Krieg bevorsteht, zieht der
Rodensteiner von seinem gewöhnlichen Aufenthaltsort Schnellerts bei grauender Nachl aus,
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begleitet von seinem Hausgcsind und schmetternden Trompeten. Er fährt durch Hecken
und Gesträuche, durch die Hofraithe und Scheune Simon Daums zu Oberkainsbach bis
nach dem Rodenstein, flüchtet, gleichsam als wolle er das Seinige in Sicherheit bringen. Man
hat das Knarren der Wagen und ein Hohoschreien, die Pferde anzutreiben, ja selbst die
einzelnen Worte gehört, die einherziehendem Kriegsvolk vom Anführer zugerufen werden
und womit ihm befohlen wird. Zeigen sich Hoffnungen zum Frieden, dann kehrt er in
gleichem Zuge vom Rodenstein nach dem Schnellerts zurück, doch in ruhiger Stille, und
man kann dann gewiss sein, dass der Friede wirklich abgeschlossen wird. . ."
Es scheint nun, dass man auch in der Umgegend von Aachen dem Erscheinen des
Rodensteiners eine Bedeutung beilegte. Es findet sich nämlich in den Papieren der
Herren von Schönau bei Aachen eine amtliche, darauf bezügliche Mittheilung, welche
wahrscheinlich erbeten worden ist in der Absicht, danach die nöthigen Maßregeln zu
treffen. Das unter diesem Gesichtspunkte nicht unbedeutsame Schriftstück möge iu seinem
Wortlaute folgen:
Pro Nota:
Von einem abermahligen Heers-Zug des Rodensteinischen Kriegs-Geistes ist hiesiger
Gegendt noch nichts bekant; derselbe ist nach geendigtem Kriege in das Friedens-Schloss
Schnellert eingezogen und ist zur Zeit der Römischen Königs-Wahl nach Aus weiß des
anliegenden Protocolli wiederum herauß und den Weg in das Kriegs-Schloss Rodenstein
marchiret, worinnen er noch würeklich seinen Aufenthalt hat. Der Aufenthalt in diesem
Schloss ist nach denen gleichmässigen Beobachtungen eine jedesmahlige Anzeige eines
bevorstehenden und höchstens binnen 3 Jahren erfolgenden Kriegs. Wenn aber der Krieg
sehr nahe komt, und die Gegenden des Rhein oder Mayn-Strohms betrifft, so erfolgt ein
abermahliger Heerszug durch den Orth Fränkisch Krumbach, allwo der Geist vor einer,
vormahligen Huf-Schmiede einen Halt macht und das Beschlagen seiner Pferde deutlich
hören läßt, demnächst seinen Marche, ohne zu wissen wohin, mit einem Getösse fortsetzet
Heidenfelß, den 16^5 Septembris 1765. in fidem . . .
(Ort und Datum sind zur Hälfte abgerissen und nicht sicher lesbar, die Unterschrift
fehlt ganz.)
Aachen. K. Wieth.
Verzeichniss der Mitglieder,
I. Vorstand.
Erster Vorsitzender: Wacker, Dr. K., Gymnasiallehrer in Aachen.
Zweiter Vorsitzender: Schnock, H., Kaplan in Aachen.
Schriftführer: Oppenhoff, F., Gymnasiallehrer in Aachen.
Bibliothekar: Schollen, M., Staatsanwaltschafts-Sekretär in Aachen.
Kassirer: Kremer, F., Buchhändler in Aachen.
Redakteur: Wieth, Dr. K., Gymnasiallehrer in Aachen.
Beisitzer: Abels, H., Chefredakteur in Aachen.
Bott, P., Bürgermeister in Eilendorf.
Menghius, C. W., Fabrikant in Aachen.
Müllenmeister, Tb., Fabrikant in Aachen.
Schaf frath, J., Stadtverordneter in Aachen.
II. Mitglieder:
Abels, H., Chefredakteur in Aachen.
Alsters, Professor Dr. N., Gymnasial-Oberlehrer in Aachen.
Appclrath, F., Kaufmann in Lindenthal.
Barth, Gymnasiallehrer in Aachen.
Becker, J., Pfarrer in Hallschlag.
ßoek, P., Nadelfabrikant in Aachen.
• — 125 —
Bock, C. jun., Kaufmann in Aachen.
Böckeier, H., Stiftsvikar und Dumchordirigent in Aachen.
Böhmer, 0., stud. ehem. in Aachen.
Bohlen, J., Rechtsanwalt in Aachen.
Bott, P., Bürgermeister in Eilendorf.
B*ruch, R.; Fabrikant in Burtscheid.
Buchholz, Jos., Kaufmann in Aachen.
Brückner, Dr., Arzt in Aachen.
Bücken, W., Uhrmacher in Aachen.
Capellmann, R., Geometer in Aachen.
Chantraine, Dr. W., Arzt in Aachen.
Clar, M., Gymnasiallehrer in Aachen.
Classen, Pfarrer in Verlautenheide.
•Comp es, J. G., Pfarrer und Ehrenstiftsherr in Aachen.
Cornely, Bürgermeister a. D. in Elchenrath.
Cossmann, Th., Möbelfahrikant in Aachen.
Cremer, E., Lehrer in Aachen.
Cremer, Chr. Jos., Architekt in Aachen.
Creutzer, A., Buchhändler in Aachen.
Curtius, Dr. A., Gymnasiallehrer in Aachen.
Dahmen, F., Kaufmann in Aachen.
Daverkosen, J., Kaufmann in Aachen.
D erneu se, H., Fabrikant in Aachen.
Dohmen, H., Gymnasiallehrer in Saarbrücken.
Dresemann, Dr. 0., Redakteur in Köln.
Dri essen, J. L., Rektor in Essen a. d. Ruhr.
Dujardin, Jos., Rektor in Aachen.
Eisenhuth, Dr. Jos., Gymnasiallehrer in Aachen.
Eibern, M., Architekt in Aachen.
Engels, C, Realgymnasiallehrer in Aachen.
Ervens, P., Kaufmann in Aachen.
Eschweiler, J. J., Religionslehrer in Aachen.
Feldmann, J., Gymnasiallehrer in Aachen.
Ferbeck, J., Fabrikant in Aachen.
Fey, Joh., Gerichtsassistent in Aachen.
Firmanns, Apotheker in Aachen.
Firmanns, Jak., Juwelier in Aachen.
Flamm, Vikar in Immendorf.
Flamm, J. J., Kaufmann in Aachen.
Flesch, W. S., Priester in Aachen.
Forcke, A., Lehrer in Aachen.
Forkenbeck, von, Rentner in Aachen.
Förster, Jos., Kaufmann in Aachen.
Fraiquin, Lehrer in Aachen.
Gerstung, Job., Kaufmann in Krefeld.
Geyer, H., Gymnasiallehrer in Aachen.
Goblet, Aug., Seifenfabrikant in Aachen.
Göbbels, Jak., Architekt in Aachen.
Göbbels, Jos., Architekt in Aachen.
Goecke, Dr. W., Realschul-Oberlehrer in Aachen.
Greve, Dr. Th., I!ealgyninasiallehrer in Aachen.
Grimmendahl, Dr. P., Gymnasiallehrer in Aachen.
Groeninger, K., Fabrikdirektor in Aachen.
Gross, H. J., Pfarrer in Kalk.
Hagelücken, F., Realschullehrer in Aachen.
— 126 —
Hammels, J., Kaufmann in Aachen.
Hammers, H., Photolithograph in Aachen.
Hammers, Joh., Rentner in Aachen.
Hansen, Dr. Jos., Kgl. Archivassistent in Münster.
Heine, E., Mahr in Burtscheid.
Heinemann, 0., Privatlehrer in Aachen.
He inen, Dr. L., Arzt in Aachen.
Heller, W., Geometer in Aachen.
Hennes, F., Rentner in Aachen.
Hentrich, Aktuar in Aachen.
Herrn an, A., Maschinenfabrikant in Burtscheid.
Hermeus, Jos., Spediteur in Aachen.
Herren, L., Kaufmann in Aachen.
He Ticken, Jos., Kaufmann in Aachen.
Heusch, A., stud. iur. in Aachen.
Hilgers, Dr., Priester in Aachen.
Hoff, H. von den, Rechtsanwalt in Aachen.
Hube, M., Geschäftsbücherfabrikant in Aachen.
Janssen, P., Kaufmann in Aachen.
Jardon, Gymnasiallehrer in Aachen.
Jaulus, Dr. H., Rabbiner in Aachen.
Jonas, Dr. Ohr. J., Religionslehrer in Kemperhof b. Coblenz.
Jörissen, A., stud. iur. in Aachen.
Jö rissen, H., Kaufmann in Aachen.
Kaatzer, H., Buchdruckereibesitzer in Aachen.
Kaentzeler, Vikar in Montzen-Moresnet.
Kahl au, H. J., Kaufmann in Aachen.
Kaltenbach, J., Fabrikant in Aachen.
Keller, H., Ingenieur in Aachen.
Keller, L., Kaufmann in Krefeld.
Kell et er H., cand. phil. in Aachen.
Kelleter, Dr., Gymnasiallehrer in Aachen.
Kesselkaul, E., Fabrikant in Hamburg.
Kessels, Rektor in Heerlen.
Kickartz, J., Gasmeister in Aachen.
Klausener, Bürgermeister in Burtscheid.
Klein, Dr., Gymnasiallehrer in Bonn.
Klinkenberg, Dr., Gymnasiallehrer in Köln.
Kloth, J., Konditoreibesitzer in Aachen.
Knapp, F., Kaufmann in Aachen.
Krem er, F., Buchhändler in Aachen.
Krichel, J. M., Rendant in Aachen.
Kricker, E., Apotheker in Aachen.
Kruszewski, Dr. A., Gymnasiallehrer in Aachen.
Küper, W., Rektor in Aachen.
Kuetgens, P., Stadtrath in Aachen.
Lambertz, H., Pianofortefabrikant in Aachen.
Lamberz, Ingenieur in Aachen.
Langebeck, J., Kaufmann in Aachen.
Lauffs, W., Kaufmann in Aachen.
Lennartz, W., Hof-Uhrmacher in Aachen.
Lersch, Dr., Arzt und Bade-Inspektor in Aachen.
Lessenich, M., Kaufmann in Aachen.
Leven, Th., Kaplan in Aachen.
Leyen, E. von der, Rittergutsbesitzer in Bonn.
• — 12? —
Linnartz, W., Direktor der Taubstummenanstalt in Aachen.
Lol>, I!., Tuchfabrikanl in Bürtscheid.
Loerckens, l>r. .1., Rechtsanwalt in Bonn.
LceiBch, Dr II.. Geh. Justizrath and ordentl, Professor der Rechte in Bonn.
Lovens, J., Pianofortefabrikanl in Aachen.
LückeiMth, W., Kaplan und Lehrer an der höheren Schule in Eeinsberg.
Lussem, J., Kaplan in Aachen.
Maastricht, Staatsarchiv.
Macco, H. F., Kaufmann in Aachen.
Magdeburg, Gr., cand. ehem. in Aachen.
Mar jan, H., Oberlehrer in Aachen.
Meder, Dr. J., Gymnasiallehrer in Aachen.
Me es sen, Bauunternehmer in Forst.
MengJiius, W., Fabrikant in Aachen.
Mensing, A., Kaufmann in Aachen.
Mertens, F., Möbelfabrikant in Aachen.
M eurer, Dr. A., Realgymnasiallehrer iu Aachen.
Meyer, Ed., Fabrikant iu Aachen.
Müllenmeister, J., Tuchfabrikant in Aacheu.
Müllenmeister, Th., Tuchfabrikant in Aachen.
Nelson, Dr., J., Oberlehrer in Aachen.
Neu, F., Rektor in Aachen.
Neufforge, Th. von, Kaufmann in Aachen.
Neujean, E., Maler in Aachen.
Ochs, Kaplan in Aachen.
Oppenhoff, F., Gymnasiallehrer in Aachen.
Ortmanns, P., Tuchfabrikant in Aachen.
Otten, H., Cigarrenfabrikaut in Aachen.
Palm, F. N., Buchdruckereibesitzer in Aachen.
Pauls, E., Apotheker in Bedburg.
Pauls, Dr. 0., Realschullehrer in Aachen.
Paulssen, F., Bierbrauereibesitzer in Aachen.
Peerenboom, Realgymnasiallehrer in Aachen.
Peetz, P., Kaufmann in Aachen.
Pelser-Berensberg, 0. von, Bergwerksinspektor in Kirchrath.
Pcppermüller, H., Bibliothekar der technischen Hochschule in Aachen.
Peveling, J., Realschullchrer in Aachen.
Pick, R., Stadtarchivar in Aachen.
Pier, H. von, Nadelfabrikant in Aachen.
Pier, L. von, Nadelfabrikant in Aachen.
Plancker, S., Stadtdechant und Ehrenstiftsherr in Aachen.
Pohl, W., Bildhauer iu Aachen.
Prinz, Dr., Seminarlehrer in Cornelimünster.
' Pschmadt, J., Realgymnasial -Vorschullehrer in Aachen.
Pütz, J., Kaufmann in Aachen.
Quadflieg, A., Kaufmann in Aachen.
Reinartz, P., Kaplan in Aachen.
Reinartz, J., Architekt in Aachen.
Rey, A. van, Kaufmann in Aachen.
Rhoen, C, Architekt in Aachen.
Rottmann, Fr. W., Kaufmann in Aachen.
Saedler, H., Pfarrer in Derendorf-Düsseldorf.
Saget, P., Schriftsteller in Aachen.
Schaffrath, J., Stadtverordneter in Aachen.
Scheen, Dr., Arzt in Cornelimünster.
— 128 —
Schervier, A., Fabrikant in Aachen.
Schiffers, H., Steinmetzmeister in Raeren.
Schlenter, H., Gerichtssekretär m Aachen.
Schmitz, Pastor in Waiheim.
Schmitz, Direktor in Aachen.
Schmitz, J. Dr., Arzt in Aachen.
Schmitz, C, Baumeister und Stadtrath in Aachen.
Schmitz, P., Import-Geschäft in Aachen.
Schneider, Dr., Gymnasiallehrer in Aachen.
Schneider, Dr., Professor in Düsseldorf.
Schnock, H., Kaplan in Aachen.
Schnütgen, M. Dr., Religionslehrer in Aachen.
Schöddrey, Regierungs-Baumeister in Saarbrücken.
Schollen, M., Staatsanwaltschafts-Sekretär in Aachen.
Schriever, C, Gerichtsassistent in Aachen.
Schulze, J., Gymnasial -Vorschullehrer in Aachen.
Schuster, L. Dr., Arzt in Aachen.
Schwartzenberg, P. von, Steinmetzmeister in Aachen.
Schweitzer, J., Buchhändler in Aachen.
Sommer, J. Dr., Gymnasial-Oberlehrer in Aachen.
Spelz, F., Kaufmann in Aachen.
Stein, F. Dr., Gymnasiallehrer in Aachen.
Sterze nbach, Gymnasial -Vorschullehrer in Aachen.
Strom, F., Kaufmann in Aachen.
Spölgen, Dr., Realgymnasial-Oberlehrer in Aachen.
Teus, W. A., Kaplan in Aachen.
Theissen, H., Hotelbesitzer in Aachen.
Theissen, Dr., Gymnasiallehrer in Emmerich.
Timmer man n s, Kaufmann in Aachen.
T hissen, F., Kanzleirath in Aachen.
Tönnissen, W., Kaplan in Stolberg.
Urlichs, B., Buchdruckereibesitzer in Aachen.
Vaassen, Dr. B., Rechtsanwalt in Aachen.
Vecqueray, Kaufmann in Aachen.
Veith, von, Generalmajor in Bonn.
Vi gier, A., Schirmfabrikant in Aachen.
Vigier, L., Schirmfabrikaut in Aachen.
Vogelgesang, C., Kaufmann in Aachen.
Wacker, C. Dr., Gymnasiallehrer in Aachen.
Wangemann, A. Dr., Zahnarzt in Köln.
Wangemann, P. Dr., Zahnarzt in Aachen.
Wattendorf, Dr., Gymnasiallehrer in Emmerich.
Weerth, Dr. E., aus'm, Professor in Kessenich.
Weidenhaupt, P., Lehrer in Aachen.
Welter, H., Rechtsanwalt in Aachen.
Wendlandt, L., Pfarrer in Rheinbach.
Wergifosse, R., Rektor in Ehrenfeld.
Weyers, R., Buchhändler in Aachen.
Wiertz, P., Bierbrauereibesitzer in Aachen.
Wieth, Dr. K., Gymnasiallehrer in Aachen.
Wirtz, Gymnasiallehrer in Aachen.
Zander, A., Gymnasiallehrer in Kempen.
Zimmermann, H., Bürgermeister in Aachen.
Druck von Hühmasn Kaatzkk in Aachen.
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