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Full text of "Aus dem Nachlass Varnhagen's von Ense"

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42.4 








Aus dem Nachlaß Barnhagen’d von Enſe. 


— — — — 


Tagebücher 


von 


K. A. Barnhagen von Enfr. 


A SILELALLI LS 


Elfter Band. 





I Ze — 


Hamburg. 
Hoffmann & Campe. 


1869. 


Das Recht der Ueberſetzung ins Englifhe, Franzöſiſche und andere frembe 
Sprachen ift vorbehalten. 








1854. 


Dienstag, den 21. März 1854. 

Der König ift fehr aufgebracht über die Richtung der 
öffentlihen Meinung, die nicht feiner Politik blindlings ver: 
trauen, fondern fich felbftftändig geltend machen will. Schim⸗ 
pfen über die Kammern, fie hätten die 30 Millionen gleich 
durch Zuruf einftimmig bewilligen follen c. Man macht 
ihn darauf aufmerffam, daß auch ſchon vor 1848 eine Anleihe 
ohne Zuftimmung von Reichöftänden nicht möglich geweſen 
wäre, fein Bater habe diefen Riegel vorgefchoben ꝛc. — 

Der König fährt fort die Strafen zu erlaffen, welche 
wegen folder Schmähungen gerichtlich audgefprochen worden, 


die gegen Demokraten oder aud nur gegen Liberale verübt 


waren. Dieje Partheilichkeit macht im ganzen Rande den 
fehlimmften Eindrud. — 

Das Abfchieddgefuch des Präſidenten von Gerlach hat der 
König nicht angenommen. Die Zuneigung für Die Kreuz: 
zeitungsparthei ift offenbar; diefe rühmt fich auch, der König 


. babe die wiederholte Befchlagnahme ihrer Rundſchauen miß⸗ 


billigt! — 

Die Kölnifche Zeitung ift wegen politifcher Artikel über 
Preußens Schwanken von der Polizei mit Befchlag belegt 
worden. — Die Nationalzeitung bezeichnet heute wieder mit 
Nachdruck und Schärfe die ganze Nichtswürdigkeit der infamen 
Parthei, welche nicht Frömmigkeit, nicht Baterlandöliebe, nicht 
Königdliebe, fondern nur Selbftjuht und Hoffahrt hat Die 


Barnhagen von Enſe, Tagebüder. XI. 


+ 





! 





5 


und ara dre Blätter deutfch mitgetheilt wird, iſt ein Weltereig- 
wis. Der Kaifer von Rußland erfcheint darin als ausge: 
madter — und Ränkeſchmied; er ift für alle Zeiten an den 
Pranger geftellt! Wahnfinnig hat er felbft diefe Veröffent⸗ 
tihung herausgefordert, fie iſt ein größerer Nachtheil für ihn, 
ald vie Vernichtung feiner Flotte wäre. Alles wird gegen ihn 
aufgeregt, Frankreich unverföhnlich, Preußen, Defterreich, das 
an feinen — doch Theil genommen, ganz Europa. Die enge * 
liſchen Blätter nennen ihn gradezu einen —, der verdiene ale 
ein out-law behandelt zu werden. — 

Die Königin von England hat dem König von Preußen 
eigenhändig gefchrieben, ihm feine früheren Gefinnungen und 
ertbeilten Zuficherungen in's Gedächtniß gerufen, und fein 
ießiged zweidentiges Verhalten gradezu für unritterlich und 
unloyal erflärt. Diefer ſchimpfliche Vorwurf, der von feinee- 
gleichen kommt, hat.ihn ganz außer Faſſung gebracht, und be- 
kümmert ihn tief. — 

Bunfen foll jeßt die Schuld tragen, durch feine Ueber- 
lung den König unvorfichtig gegen England bloßgeftellt und 
ihn weiter verpflichtet zu haben, als er feiner Anweifung nad) 
durfte. Sch glaube fein Wort davon! Bunfen mag viel 
verihußden, aber das gewiß nicht. — 


Freitag, ben 24. März 1854. 
Fortſetzung der Mittheilungen aus dem neuften ruffifch- 
engliihen diplomatifchen Verkehr. Die gewichtigften Sachen, 
die tiefften Eindrüde! Der Kaifer Nikolaus, wie hat er und 
Alle betrogen, die wir etwas Edles und Tüchtiges in ihm 
glaubten! Er, der ein gentleman fein wollte, feine polis 
tiſchen Verabredungen als ſolcher gar nicht erft in Verträge 
formuliren, durch Protokolle fihern wollte, erfcheint von 
langem ber ala ein heimtüdifcher und dabei hoffährtiger —, 
. 





6 


zugleich aber ala ein dummer! Diefe Schriften haben ihn 
entlarvt! — 

Beſuch von Frau Bettina von Arnim. Fragen wegen der 
Angelegenheit der rau von Corvin-Wierdbigfi. Bettina will 
nun auch ihre „Gefpräche mit Dämonen“ prächtig binden 
laffen, und durch den türkijchen Gefandten dem Sultan Abdul 
Mevihid Khan, dem fie aus Spaß zugeeignet find, im Ernft 
- überfchiden. Ich foll ihr einen guten Buchbinder zuweifen. 
Sollte der Sultan ſich dankbar erzeigen? Wer weiß? — 

Audgegangen mit Ludmilla. — Im Afademiegebäude dad 
ausgeftellte Gemählde von Zeuge „ Wafhington in der Schlacht 
von Monmouth“ befehen; mit wahrer Andacht, ein vortreff- 
liches Bild! Schöner Ausdrud Wafhington’d, de? edlen 
Lafayette ꝛc. — | . 

Auf dem Rückwege dem Grafen von nn» und Knyp⸗ 
haufen, hannöverfchen Gefandten, begegnet, der mich freund- 
lich anfprad. Er hat fehr gealtert. — 

Im „grünen Heinrich“ von Gottfried Keller gelefen. 
GSriehifched von Demophilod und Demokrates, fpäter im 
Plutarchos. — 

Der König hat fich vorgeitern im Garten von Charlotten⸗ 
burg beim Spazierengehen an einen Aſt geftoßen, und eine 
Wunde davon unter dem linken Auge, die nicht unbeträchtlich 
fein kann, denn er hat heute Fieber. — (Der König ift in der 
Dunfelbeit gefallen, er fam ganz blutbededt heim.) | 

Den Kaifer von Rußland nennt man nun ganz kurz den 
Gentleman! Die Kreuzzeitung ſelbſt muß nım die Aktenſtücke 
liefern, die ihn in feiner Blöße darftellen. Die Parthei weiß 
ſich nicht mehr anders zu helfen, ald daß fie täglich gemeiner 
wird und pöbelhafter fchimpft. — 

Ein möglicher Umſchwung der Dinge zu Gunften Ruf- 
lands! In Wien laffen fich erhebliche Gründe dazu geltend 
machen. Was kann Deiterreid gewinnen gegen Rupland ? 

® 





7 


Nichts, ald die Abwehr der Ueberflügelung, die leßteres ihm 
droht, und wie lange fann diefe Abwehr vorhalten ? bald wird 
doch wieder die Uebermacht da fein! italien, Deutfchland 
bleiben indeß der Großmuthb — dem Verrathe — Louis Bos 
näparte’3 preidgegeben. Andrerſeits, wenn Oeſterreich mit 
Rußland geht, in welchem Falle Preußen fih anfchließt und 
der deutfche Bund noch hält und mitgehen muß, Krieg gegen 
das revolutionaire und ufurpatorifche Frankreich macht, be- 
fommt es aus der türfifchen Beute Serbien und Bosnien, 
fihert Italien und Deutfchland, hat Ausfichten des Gewinnes, 
der Sicherheit. Ob nicht die ruffiihe Diplomatif in diefem 
Sinne thätig ift? Meyendorff ift nur nicht geſchickt genug, 
dieſes alles geltend zu maihen! — 

Der Gengal von Wrangel, der bei allen Gelegenheiten 
jih vordrängt, um was Alberned oder Ungefchidtes zu jagen, 
begrüßte neulich den Prinzen von Preußen in Gegenwart der 
verfammelten Offiziere mit dem Glüdwunfh, dag die Wolfe 
zwifchen ihm und dem Könige fich verzogen habe, worauf der 
Prinz fogleich einfiel, er fei der treufte Unterthan und der ge- 
horſamſte Diener des Königd, und er könne feine befonderen 
Anfichten haben, werde diefe jedoch nie dem Wollen des Kö— 
nigs entgegenfegen, von Wolke könne daher gar feine Rede 
fein ꝛc. — - 


Sonnabend, den 25. März 1854. 

Die Nationalzeitung wirft einen belehrenden Rüdblid auf 
den preußifchen Bafeler Frieden und auf die fpäteren Haug- 
wiz'ſchen Verträge. Kaldreuth, Möllendorff, Köderik, Lom⸗ 
bard, Beyme fommen dabei fchlecht weg; alled jehr aus dem 
Standpunkte des Buches von Perk über Stein, aber Beyme 
Hatte nicht den geringften Einfluß auf die äußere Politik, und 


8 


ſeine Macht im Innern war ihm ſelber noch verborgen. Der 
Aufſatz ift vom Herrn Aſſeſſor Paalzow. — 

Dem Grafen zu Stolberg aus Paderborn wird der Spruch 
Chrifti unter die Nafe gerieben: „Wer fagt, er liebe mich, 
und haft den Bruder, der ift ein Lügner.“ in wenig be- 
fannter Jude fchliept feine maßvolle Gegenrede mit diejer 
Iharfen Spitze. — 

In Schleſien follen gegen 20,000 Flüchtlinge aus Ruf: 
fifch- Polen fein, die fich der ruſſiſchen Refrutirung entzogen 
haben, alle ohne Paß und mehr oder minder verftedt. Nach 
den beitehenden Verträgen müßten fie an Rußland audgelies 
fert werden. Die meiften unfrer Behörden unterlaffen Dies 
gern. — 

Der König lieft nicht? als die Kreuzzeitung, feine andre 
Zeitung. Die Barthei macht ſich das gut zu Nutze. Geit- 
dem ihrem Gerlach der Abſchied verweigert worden, trägt fie 
das Haupt wieder hoch empor. In's Minifterium zu ges 
langen, ift ihr einziges Ziel, aber das gelingt noch nicht. Auch 
hat Goediche, Gerlach's vertrauter Freund, der verabfchiedete 
Poſtſekretair, noch feine Anftellung wieder befommen. — 


— — — —— — 


Sonntag, den 26. März 1854. 

Nachmittags Beſuch vom Grafen Cieſzkowski. Die Polen 
find aufgeregt, fehen ihre Nationalfache zu großen Hoffnungen 
ermuthigt, können aber auf eigne Hand nichtd beginnen, es 
fehlen Waffen und jogar alle ‘Mittel der Verabredung, des 
Berathſchlagens. Alle Welt denft an Bolen, niemand fpricht 
davon! Werden die Mächte die verwundbarfte Seite Ruß⸗ 
lands unbeachtet laffen, Tieber, ftatt die Herjtellung Polens zu 
beichließen, und dem Feind einen verntchtenden Schlag beizu- 
bringen, ihre beiten Kräfte nuglos an Kronftadt und Sebafto- 
pol vergeuden ? a, lieber! denn alle Höfe fcheuen Bolksauf- 


g° 


fand, Erwachen der Rationalität, alle find zur Unterdrüdung, 
zur Deöpotie geneigt. Die Polen müſſen warten, ob die 
Ruſſen harte Niederlagen erleiden, und dann das Beſte felbft 
tun, wenn fie ed fönnen; andre Hoffnungen find Täu— 
dungen. Wir dürfen nie vergeffen, wer diefen Krieg macht, 
— lauter fchlechte Regierungen, und fehr wider Willen! — 


Der König hütet noch das Bette; die Gefchwulft im Ge- 
fiht ift rofenartig geworden, er nahm geftern feinen Bor- 
trag an. — 

Man fagt, Markus Niebuhr habe den König bewogen, mit 
der Anleihe zugleich eine Steuererhöhung zu verlangen, man 
müffe dem Bolfe zeigen, daß. es feine Kriegeluft gegen Ruß— 
land gleih im Beginn tüchtig bezahlen müffe, der König 
‚babe fih vor Vergnügen die Hände gerieben, „Das Geld 
müffen wir in jedem Fall einziehen“, habe er gefagt; Man: 
teuffel dagegen foll nur indgeheim den Wunfch verratben, die 
Anleihe möchte von der Kammer verfagt werden. Ob dies 
alles wahr ift, ſtehet dahin, erzählt aber wird es, und ge: 
glaubt. — 

Es ift jtark die Rede Davon, Preußen werde fich plößlich 
für Rußland erklären, und es fei fehr im Werk, auch Defter- 
reich dahin umzuftimmen. Schon werden Maßregeln genannt, 
die auf fol eine Wendung hindeuten, Vorkehrungen auf den 
Eifenbahnen wegen Truppenfendungen nach dem Rhein, Maß- 
tegeln ded Minifterd von der Heydt wegen der Handels: 
ſchifffauhrt, — die fonft in den Sommer fallenden Salz- 
anihiffungen aus Portugal follen gleich jest gefchehen, unge: 
achtet der weit größeren Koften, und dergleichen mehr. — 


Die Rofe hat der König aus Aerger über den ſchnöden 
Brief der Königin von England bekommen. Es ſoll durch⸗ 
aus nicht heißen, daß er gefallen iſt, er ſoll ſich nur geſtoßen 
haben! — 


10 


Lord Aberdeen hat fi) über die Sendung unſeres Gene: 
rald Grafen von der Groeben fo geäußert: „Pour expliquer 
une chose inexplicable on nous a envoy& un homme qui 
ne sait pas s’expliquer.* Weil Groeben weder Franzoſiſch 
noch Enalifch kann, noch die Sache verfteht! — 

Bon Groeben's Franzöfifch erzählt man hier dieſes Beis 
ipiel! Er fol in London gejagt haben: „Le roi mon maitre 
veut faire la guerre à la Russie pas!“ — (Doch wohl 
nur Berliner Witz!) 

Der Kaifer von Rußland hat feinen Offizieren in St. Be- 
tersburg unterfagt, jebt preußifche Orden zu tragen. — 


— — 





Montag, ben 27. März 1854. 

Die Rufen find über die Donau gegangen. Die englifche 
Flotte im Anfegeln auf Kiel. — Enthüllungen aus Paris 
gegen Rußland. — Die Defterreicher ftellen ein Heer in Sta- 
lien auf. — 

Goethe's Farbenlehre wird fortwährend von den Natur- 
gelehrten vom Fach nicht anerfannt. Er verzichtete auf den 
Beifall der mit ihm gleichzeitigen, fühlte aber doch, daß er den 
der fünftigen haben müſſe; der Beifall der geiftreichen Philo- 
ſophen, Schelling, Steffend, Hegel, war einftweilen gut, ges 
nügte aber nicht. Da Goethe außerhalb des Faches ftand, fo 
wird ihm dad Gelten auf diefem Boden länger ald jedem Ans 
dern verfagt werden. Mußte doc, der große Linnäus erleben, 
der gewiß vom Fach war, und einen ungeheuern Fortſchritt in 
der Botanif mit feinem Namen verfnüpft hat, daß feine be- 
rühmten Mitftreber, Albrecht von Haller und Adanſon, 
weder fein Syftem, noch feine Namenbezeichnungen annehmen 
wollten! — 


11 


Dienstag, ben 28. März 1854. 

Gefchrieben; über die Weltlage, Warnung an diejenigen, 
he ſich des Krieges gegen Rußland freuen, und mit Recht 
en, nicht einen Augenblid zu glauben, daß in dieſem 
ge unmittelbar ihre Sache, die Sache des Bolt und der 
heit, begriffen fei! Nein, das ift durchaus nicht der Fall! 
fehr unmittelbar! Die Verbrecher und Schufte ziehen 
einen der fie für feineögleichen erkennt, zu züchtigen, weil 
28, was fie gemeinfam fein wollen, etwas zu fehr auf eigne 
d fein wollte. Freilich iſt fehon ihre Zwietracht eine 
ıde für uns, aber bei ihrer Zwietracht auch büßen doc 
allem die Völker! Vergeſſen wir auch der Ruffen nicht, 
die jept alles fchimpft, und die ald Volk fo edel, freiheitd- 
big, freiheitöbegierig, und bildungsfäbig find, ald irgend 
3. Und vergefien wir der Polen nicht, deren Sache in 
diefem Getümmel und Gewirr noch nicht einmal nur ge- 
at worden! — 
Recht im Gegenfage zu diefen Anfichten fommt mir das 
: Bud) von Arndt vor Augen, dem er den gezierten Titel 
ben hat: „Pro populo germanico.“ Der alte Mann 
nt und wundert fi der neuen Welt, die er um ſich fieht, 
t in die alte zurüd-, und muß feinen nun nur noch pols 
den Eifer in unnügem Gefhwäg auslaſſen. Geſchwätz 
lles, was er jeßt vorbringt, wenn auch daſſelbe vor dreißig 
° vierzig Jahren ganz verftändige zwedmäßige Rede war. 
» aller Düntel von ehemals lebt nod in dem polternden 
ife, fein Tächerlicher Stolz auf eine Deutfhheit, aus der er 
Befte heraustadeln muß, damit fie recht die feine werde, 
' Dentichen will or alle Macht und Ekro und eins Krei⸗ 


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geſchmähten Wälfchen, die la grande nation fein wollen, und 
ed wahrlich lange genug waren? Zu fo was möcht’ er und 
machen, die wir in Schmad und Noth liegen! Rechter Bettel: 
ftolz! Weber die Vorgänge des Jahres 1848 in Berlin, Wien, 
Frankfurt am Main, fpricht er wie ein — Baffermann, be- 
Klagt die Märztage, die Berfammlung des PBorparlaments, 
ipriht von Straßenauftritten in Berlin, als wenn bier 
Gräuel gejchehen wären. Lobt die Gothaer, die Profefforen ! 
Weg mit dem alten Faſelhans, in welchem nie ein Staat$- 
mann war, und ein Bolfömann nur, infofern er mit dem 
Deutihthum gegen das Ausland prahlte. Er verdirbt mit 
mit feinem Gefhwäß die gute Stimmung. — 

In Grote gelefen, im Herodoted. Franzöfiihe Neuig- 
feiten. — 

Der öfterreichifche General von Heß ift hier angefommen. 
Erwiederung der Sendung des Oberftlieutenants von Mans» 
teuffel. — 

Der Herzog von Parma ift auf der Straße von einem 
Unbelfannten in den Unterleib geftochen worden und an der 
Wunde gleich geftorben. Der Mörder ift entlommen. — 


Mittwoch, ben 29. März 1854. 

Wie dumm und roh der alte Arndt über Mazzini fchimpft, 
deſſen Stellung, Berhältnig und Gefühl der deutfche Tölpel 
nicht verftebt, nicht faßt! So blind und blöd’ ift der Mann, 
daß er die Empfindungen und Betreibungen, die ihm felber 
ald Deutſchem gegen die Franzofen fo natürlich und aufdring- 
lich waren, in ganz gleichem alle dem taliener gegen die 
Defterreicher nicht zugeftehen will! Dünkel und Selbſtſucht! 
Freut fich der Siege Radetzky's! Alles Prahlen und alle Eitel- 
feit, die fie an den fSranzofen tadeln, wären ihnen fchon recht, 


13 


wenn ſie nur in den Deutfchen fi aufbläheten! Das ift 
grade ſehr undeutſch! — 

Rachmittags Beſuch von Herrn Profeffor * aus Leipzig. 
Ehrliher, eigenfinniger, gutmüthiger, unfundiger deutfcher 
Gelehrter! Mit ihm über Politik zu fprechen, ift eine Bein, 
und grade hierüber nur fpricht er gern! Er glaubt an die Er- 
Märungen der Kabinette, an die Macht einer öffentlichen 
Meinung in Deutfchland, — „a, fie fann den Tifch mit dem 
ganzen Schachbrett ummerfen, aber auf dem Schachbrett felbit 
vermag fie feinen Zug!” — an die Ehrlichkeit der Fürſten, 
an Scham und Gewiffen, und an was nicht alles! — Ich kann 
ihm zulegt nichte fagen, ald die Worte des Pindaros: 
„Autogas d’ irsikoınoı uaprvpss Vopwra To1.“ (OAvun. 1. 
59. 54.) — 

Der Redakteur der Neuen Preußischen Zeitung, Dr. Beut- 
ner, war wegen Beleidigung ded Breslauer Stadtgerichtd zu 
4 Wochen Gefängnig verurtheilt; das Kammergericht hat 
14 Tage daraus gemacht. Sein Bertheidiger war fein wür⸗ 
Diger Kumpan, der Afjeffor Wagener. — 

Der realtionaire Thee beim Grafen von Findenftein ift 
alle Mittwoch ; ein abfcheulicher Klub, wo hundert Bosheiten 
ausgehedt werden. Adolph von Kleift, die Gerlach's, Stahl, 
— aud) Wagener und Goedjche haben fchon die Ehre gehabt, 
Graf von Voß ze. 2. — — 

Die dummen Leute wundern fich, daß man dem Aufftande 
der Griechen jebt nicht eben fo Heil und Gelingen wünſcht, 

wie vor fünfundzwanzig und dreißig Jahren! Man könnte 
der Dummheit das verzeihen, aber nicht der Tücke, die doch 
auch dabei iſt. Damals diente die ruffifche Macht der grie- 
chiſchen Freiheit, jest follte die griechiihe Hülfe unt dem 
Schein der Freiheit dem ruffiichen Ehrgeiz und Gewaltſtreben 
dienen! Sehen die Halunken den ungeheuern Unterjchied etwa 
nicht? Damals waren fie felber ja nicht auf griechifcher, und 





14 


alfo auch nicht auf ruffifcher Seite, fondern griechenfeindlich 
und öfterreichifch gefinnt. — Wie im Berlauf der Gefchichte 
die Dinge ſich umfeben, und auf entgegengejegte Weiſe fich 
einpflanzen, fieht man auch an der Marfeiller Hymne; im 
Fahre 1813 konnten die Franzoſen fie nicht mehr fingen, aber 
wir fonnten es; die Rollen waren völlig umgetaufht. — 


— — — — 


Donnerstag, den 30. März 1854. 

Beim Mittageffen erfhien Bettina von Arnim, fien war 
ganz ermüdet, und aß etwas mit. Sie lad mir vier Brief- 
entwürfe vor; einen an Frau von Schorn in Weimar, der fie 
reinen Wein über den Dr. Schade geben mußte, einen an den 
König wegen des Mahlerd Ratti, worin fie Anfpielungen 
machte über den Urfprung der demfelben von ihr gezahlten 
Geldſumme; dann wegen ded Strafgefangenen von Corvin⸗ 
Wiersbitzki einen Brief an den PrinzsRegenten von Baden 
und an den Prinzen von Preußen, — diefe beiden lebtern 
find wahre Meifterftüde, ganz geeignet Herzen zu öffnen, ein⸗ 
gegeben von der rührendften Menfchenliebe, ich hörte fie nicht 
obne Gemüthsbewegung, und mußte ihr den wärmſten Beifall 
ſchenken, was fie nicht wenig zu freuen fchien. — 

Nachmittags Beſuch von Herren Gottfried Keller. Sein 
„Grüner Heinrich * ift ein Roman wie Rouffeau’d Bekennt⸗ 
niffe einer ift, voll Piychologie, unbeabfichtigter Pädagogik, 
friiher Naturbilder, alled in edler höherer Haltung. Zu den 
dort abgelegten dichterifchen Bekenntniſſen fügt er mündlich 
noch andre mehr profaifche. Ein eigenthümlicher, gehaltvoller 
Menſch, aber für die Welt etwas verjchoben, nicht aanz 
brauchbar zugerichtet! Er lebt feit vier Jahren hier. Sein 
doppelted Talent für Dichtung und Mahlerei fihert ihn gegen 
Harſcher's Unglüd. Ich rief Ludmilla herzu. Er erzählte 





15 


fehr merkwürdig von Scherenberg, deſſen Wefen, und machte 
dabei die treffenditen Bemerkungen. 

Die Ruflen find über die Donau gegangen, bei Mat: 
ſchin zc. in die Dobrutfcha. Der Zar, in feinem Zorn, hatte 
den entfihiedenen Befehl dazu gegeben. 

Der König hat den öfterreichifchen Yeldzeugmeifter von 
Heß empfangen, lange mit ihm verhandelt, und darauf, nach 
mebrftündigem Weinen und Schludyzen, mit Mühe fich darein 
gefügt, den öfterreichifchen Vorfchlägen beizutreten. Es foll 
ihm aber jchon wieder leid fein. — 

General Kalergis, früher ein ruffifcher Betreiber, jegt ein 
franzöfifcher, hat in Athen den Verſuch gemacht, den König 
Dtto auf Bonaparte’d Seite herüberzuziehen, ijt aber fchlecht 
aufgenommen worden, und die Griechen fehen ihn ald einen 
Derräther, als einen Abtrünnigen an. — 


— — — — nn 


Freitag, den 31. März 1854. 


Der König bat nun auch den Titel Feldzeugmeifter für 
den Obergeneral der Artillerie eingeführt, und ihn dem Prinzen 
Karl verliehen, mit dem Range eines Feldmarſchalls. Prinz 
Adalbert ijt zum Admiral ernannt worden — Admiral ohne 
Flotte — mit dem Range eined Generald der Infanterie. — 
Der General von Wrangel wimmert nun auch nad) dem Titel 
Feldmarſchall! — 


Sonnabend, ben 1. April 1854. 
Geſchrieben, was der Tag erfordert! Laßt und bei allem, 
was geichieht, feinen Augenblid vergeffen, wad unfre Sache 
ift, daß fie gegenwärtig nirgends öffentlich erfcheint oder ver- 
treten wird, daß fein Sieg jegt unmittelbar für fie erfochten 
wird! Laßt und überall den Geift juchen, und ihm vertrauen, 


16 


dus Körperliche im Staats⸗ und Bürgerleben dem Geifte fletö 
unterordnnen und nachſetzen! — 

Frau Bettina von Arnim beſuchte mih, lad mir neue 
Briefe vor, und fragte um Rath wegen der Sache der frau 
von Corvin. Sie eilte darauf zu diefer, damit fie das Nö- 
thige ſchriebe. — 

Die in Bromberg angebaltenen, nad Rußland beſtimmten 
24,000 belgifhen Gewehre find nun doc weiterbefördert 
worden. Man bat fidy befonnen, daß ja noch fein Krieg ers 
flärt war. — | 

In der Kredit-Kommiffion der zweiten Kammer hat be: 
fonders der Kriegäminifter von Bonin die fchlagendften Erflä- 
rungen gegeben, daß ein Anſchluß an Rupland ein Berbredyen, 
eine Unmöglichkeit fei, daß niemand daran denken dürfe. Der 
König hat ihm diefen Eifer entfeglich übel genommen, und 
dem Kriegdminifter die bitterften Beinamen ertheilt. — 

Die zweite Kammer hat fich erlaubt, in einer Geldfadhe 
den Mliniftern einen Verweis zu geben, weil fie die Kammern 
nicht befragt hatten. Die Minifter fträubten fich gegen den 
Zadel, mußten ihn aber hinnehmen! — 

Der Oberpräfident der Nheinprovinz, Herr von Kleift- 
Retzow, hat die Kölner Zeitung mit Befchlag belegen laſſen, 
wegen eines heftigen Artikels gegen die Kreuzzeitungdpartbei, 
unter dem frechen Borwande, dadurch werde Haß und Miß— 
trauen zwifchen den Staatdbewohnern audgefäet! Freilich ift 
die angegriffene Parthei die ded Oberpräfidenten felbit; aber 
bat der fromme Beamte je den aeringften Anftoß an den gif- 
tigen Ausfällen, den gemeinen — der Kreuzzeitung genom- 
men? — Die Zeitung ift übrigens freigefprochen worden. — 





17 


Sonntag, den 2. April 1854. 

Audgegangen mit Ludmilla. In den Thiergarten, mit 
Ummegen bis zum Hofjäger und zurüd. Ein herrlicher Früb- 
lingstag! Alle Sträucher voll aufbrechender Knospen, einige 
ſchon mit zarten Blättchen, die fich entfalten. Die Luft frifch, 
aber die Sonnenwärme überwand alles! In freudigem nnd 
wehem Muthe durchwandelte ich die oft durchfchrittenen 
Gänge, gedachte aller meiner Lieben, beſonders der theuern 
Rahel, die hier fo oft ald Troft und Freude des Lebens mir 
zur Seite war. Auch das unvergeßliche Frühjahr 1797 ftand 
mir vor der Seele, wie ich nach überftandener fchweren Krank: 
beit an der Seite des geliebten Baterd die erften Genefungss 
gänge nah Hamm und Wandöbel machte, und das junge 
Grün wie der blaue Himmel und des Vaters Liebe mich be- 
glückte. Sie find nun Alle fort, und ich rufe fig doch immer 
noch an, die theuren Menfchen, „Sch muß fie wiederhaben, “ 
fie dürfen mir nicht entriffen fein! — Wir freuten und aller 
Knospen, und der einzelnen ſchon hervorgepflegten Blu- 
men, der fhimmernden Himmelöbläue, der frifchen Luft; wir 
faben den Spielen eined jungen Eichhörnchene zu. Unfere 
Gefpräche waren ſpärlich, Doch munter, fie waren andrer Art 
ald das, was in meiner Seele vorging, eind hinderte Das andre 
nicht. — - 

Ein ſehr ftiller Nachmittag. Ich lad in Grote; arbeitete 
dann in meinen Papieren, fam aber zu feiner Ausarbeitung. — 

Ich theile nicht die Meinung derer, die da glauben, Ruß⸗ 
land werde fchnell und gänzlich unterliegen. Das wäre bei 
den wider Dafjelbe aufgebotenen Kräften wohl möglich, allein 
die Gegner jind felbft eines ſolchen Willens nicht fähig, fie 
haben alle zuviel Eiferfucht und Miptrauen, zu fchlechted Ge- 
wiflen, zu niedrige Denkungsart. Uber der Zar fann drüber 
zu Grunde gehen, oder fonit etwas in Rußland ſich ereignen ! 


Ueberhaupt wird Neues, Unerwarteted eintreten! Die Stel- 
Barnbagen von Enfe, Zagebüder. XI 2 


18 


lung der Dinge Fann fich gänzlich verändern, das Gute und 
Nechte plöglich auf der entgegengefebten Seite ſich zeigen; 
iteht e8 Doch gegenwärtig, wenn auch noch fo bedingt, auf der 
Seite des Louis Bonaparte, des —, daß er dies fei, wollen 
wir nicht vergeffen! — 

Die Defterreicher, heißt ed, rüden in Serbien ein. Alſo 
vor allem auch eine Pfandnahme! Wäre es Ernft gegen die 
Rufen, jo müßten fie in die Moldau, nad) Bolhynien vor- 
rüden, aus Galizien hervorbrechen. igenfucht und Verrath, 
andre fteht nicht zu erwarten, von diefer und von jeder andern 
jegigen Regierung. Am Ende wird doch die Türfei getheilt 
vorläufig ſucht jeder ſich Stüde davon anzueignen! Warum, 
Tollen Franzoſen Konftantinopel befegen? Vorwärts an die 
Donau, dahin gehören die Hülfstruppen! — 

Der Schaufpielerin Rachel, die St. Peterdburg wegen des 
Krieges verließ, gaben vornehme ruffifhe Gardeoffiziere ein 
glänzendes Abſchiedsfeſt. Man fagte ihr, halb im Scherz, 
halb im Ernft, man hoffe fie bald in Paris wiederzufehen, 
und dort ihr Wohl in Champagner zu trinfen. Sie erwie- 
derte mit bedeutendem Lächeln: „Ecoutez, Messieurs, du vin 
de Champagne à Paris c’est cher pour des prisonniers!“ 

Der Herzog Georg von Medlenburg:Strelik, Gatte der 
Großfürſtin Katharina, iſt beute aus St. Peterdburg mit 
einem eigenhändigen Schreiben des Kaiferd an den König hier 
angefommen, und hat letztern fogleich gefprochen, und bei ihm 


geipeift. — 


Montag, den 3. April 1854. 
Vorgeſtern bat zwiſchen dem Prinzen von Preußen und 
feinem Bruder, dem Prinzen Karl, ein heftiger Auftritt ftatt- 
gefunden. Der Prinz Karl ift ganz ruffifch, und machte jenem 
Vorwürfe, daß er ed nicht fei. Es fam zu gewaltigem Zank. 
Da der Prinz Karl „mehr Berftand hat“, fo trieb er feinen 


19 


Bruder bald in die Enge, und diefer ging in zorniger Auf- 
wallung for. Man hält eine Berfühnung für unmöglich. — 

Wieder Tſchako's anſtatt der Pickelhauben! Für Jäger 
und Shüpen. Immer die alte Zaunenhaftigfeit und Flickerei! 

Dem Dr. Kuno Fiſcher, Berfaffer einer Gefchichte der Phi- 
loſophie, find in Heidelberg feine Vorträge plöglich unterfagt 
worden. Man weiß feinen Grund dafür, ald eine dunfle pfäfs 
fiſche Angeberei. Das ganze badijche Land ift folchen Einflüf- 
jen hingegeben ! Die Hochberg’fche Dynaftie zeigt bi jetzt nur 
jämmerlihe Regenten! — 


Dienstag, den 4. April 1854. 


In der Bau-Akademie die neuefte New⸗Yorker Nähmafchine 
befehen ; eine ſchöne bewundernswürdige Erfindung! — " 

Reue Erbietungen des Kaiferd von Rußland, er will die 
Fürſtenthümer räumen, wenn die franzöfifchsenglifche Flotte 
dad Schwarze Meer räumt, den Ehriften in der Türkei Schuß 
und Recht gefichert wird u.f.w. Man ficht, es wird ihm bange! 
Gr möchte gern die alten Berträge hergeftellt fehen, die ihm 
künftige Lebergriffe offen erhalten, und feßt dabei die Heuchelei 
fort, als jei ihm nur an der Religion gelegen; den Chriiten ift 
in der Türkei mehr gewährt, ald in Rußland! Er hofft wenig- 
hend Preußen binzubalten, und durch deffen Unentichiedenheit 
auch Defterreih. Die ruſſiſche Diplomatie ift thätiger als je, 

bietet alle Hülfsmittel auf, läßt alle Federn ſpringen. — 

In Baden fängt die Regierung ſchon an, dem ulttamon- 
tanen Erzbiſchof, der freilich von Defterreih und Frankreich 
unterjtügt wird, und zwar eifrig, feige nachzugeben, hat aber 
feinen Danf dafür. Der Pfaffe fieht alles Gewährte ald fein 
 Reht an, und meint, es fei noch lange nicht genug gethan. 
Und fo lange man ihm feinen Standpunft zugeftebt, hat er 


auch Recht! — 


2* 





20 


Die Ruffen haben 50 Meilen der Tſcherkeſſenküſte am 
Schwarzen Meere geräumt und völlig preidgegeben. Die 
Truppen aus den dortigen Kleinen Feſtungen hat der 
Admiral Nachimoff von Sebaftopol aud abgeholt, und jicher 
in diefen Hafen gebracht. Die englifch-franzöjifche Flotte hat 
ed nicht gemerkt. — 

Der neue Feldmarfchall und Oberjtfänmerer — fo, mit 
„ft“, heißt das Hofamt jest, — Graf von Dohna, hat in 
Preußen zu verfammelten Offizieren beim Abſchiede gejagt: 
„Auf Wiederfehen, meine Herren, zum drittenmal in Paris!“ 
Dies jebt zu fügen, bleibt eine Dummheit, auch wenn Die 
Sache wahr werden follte, wozu doch wahrhaftig eben jebt 
wenig Ausficht ift. — 

Annahme der Regierungsvorlage in Betreff der Vorrechte 
der ehemaligen Reichdunmittelbaren auch von der ziveiten 
Kammer. Gerlady möchte auch den ehemaligen Reichsjtädten 
befondere Vorrechte zugewielen jehen. Reichenſperger ſchließt 
ausdrüdlich die Stolberg’fhen Häuſer aus, ald nicht beredy- 
tigt zu Vorrechten. — 

Bei der Debatte über die Befugniffe der Polizei bei Druck— 
fachen werden viele Hebergriffe und Willfürlichkeiten gerügt, 
aber matt, und es bleibt dabei. — 

In Nürnberg war ein preußifcher Kaufmann aus bloßer 
Namendverwechfelung in den Thurm gefperrt, und erft auf 
Einiprache des preußifchen Gefandten in München wieder los- 
gelaffen worden. Dabei hat es fein Bewenden. Es wird 
nicht einmal gejagt, ob das Vieh von Polizeidireftor in Nürn- 
berg wegen Dummheit gerüffelt, oder wegen Eiferd belobt 
worden! — | 

Berlinifhe Erzählungen: Der König will von Hindeldey 
wahren Aufſchluß über die Stimmung ; Hindeldey befennt, es 


jei fein Menſch hier.ruffüih, außer —; der König erwiedert - 


ſchnell: „Ah was! Das weiß ich beffer! Gehn Sie, gehn 


a SE De ——— 


—2 


21 


Sie! Sie find ein Phantaft!* und wendet ihm den Rüden. — 


Fernet: Der Kaifer von Rußland fagt zu feiner Umgebung: 
„Mein Schwager geht alle Abend ald Engländer zu Bett und 
ftebt alle Morgen als Ruſſe wieder auf!“ — 


Mittwoch, den 5. April 1854. 

In Einf und Humboldt gelefen. Franzöfifches. — Elende 
politiſche Schrift des Grafen von Ficquelmont; er fafelt wie 
ein altes Wafchweib. — | 

Der jebt etwas vom Könige, mittelbar fogar von den 
Miniftern, will, muß ſich an den Generallieutenant Reopold 
von Serlah wenden, der ganz und gar das Ohr des Könige 
bat. Ber dem Ehrgeiz und der Gitelfeit dieſes Gerlach 
ſchmeichelt, kann alles erlangen, fogar bisweilen etwas, das 
fonft nicht den Grundfäben des fanatifchen Schalfd gemäß 
it. — Auch der Graf von der Groeben, der frömmelnde Held 
von Bronzell, gilt viel beim Könige. — 

Man wollte mir heute die Polen fchimpfen, ich litt es 
nicht! Freilich ift fein Volk, wie das andre, und Vorzüge und 
Fehler find fehr verfchieden ausgetheilt; allein Menfchen find 
fie doch alle, und haben diefelben Anfprüche an Recht und 
Freiheit, wann und wo fie nach Diefen ftreben, da müſſen wir 
ihnen Erfolg wünfchen, ihnen Beiftand leiften. Alle Völker 
haben wechſelnde Schidfale gehabt, alle haben Niederlagen, 
Unterdrüdung erlitten, das hat ihre Ehre, ihre Anfprüche 

nicht geſchwächt; und daß fie es nicht zu großen Staatebil- 


dungen gebracht haben, wer will fie deshalb verdammen, der 


je 


+ 
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" 
n 3 


da erwägt, wie viel Höheres ed giebt, dem nachzuftreben ift! 
An Staatömwefen fehlt ed den Ruffen nicht, aber an Geiftee- 


bildung find fie nicht weiter ala die Polen, und weit hinter 


den Italiänern. — Juden in der Zerftreuung. Alte Griechen. 
Deutihe. — 





22 


Donnerstag, den 6. April 1854. 

Im Plinius und in Humboldt gelefen ; deutfche Tagesſachen. 

Gerücht, daß die beiden Minifter von Manteuffel und von 
Bonin ihre Entlaffung genommen, und legterer fie auch ſchon 
erhalten hätte. Es wäre fein Wunder, fchon längſt jucht der 
General von Gerlach ihm ein Bein zu ftellen! Und Man— 
teuffel ift von der Kreuzzeitungsparthei längſt verurtheilt. — 
Auf der Börfe Unruhe deshalb. — 

Die Sefellihaft la vieille montagne in Brüffel fauft für 
viele Millionen Bergwerfe und andern Grundbefik in Schle- 
fien, und hat diefe Millionen gleich baar zur Zahlung bereit. 
Man hegt die Bermuthung, die von vielen Umftänden unter: 
ftüßt wird, daß diefe ungeheuern Baarfchaften den Helfer: 
helfern des Louid Bonaparte bei feinem Schandftreiche ge: 
hören, und zu den Belohnungen und der Beute gehören, 
die jenen für das Verbrechen zu Theil geworden find. Die 
Spisbuben bringen ihr Geld in Sicherheit. — 

Die in Reipzig erfcheinende „ Autographifche Korrefpondenz *, 
von preußifchen Kammerabgeordneten der Linken herausgege⸗ 
. ben, iſt in Preußen verboten worden! Diefer Linken, das 
will was heißen! — 

Der in Dresden beftandene Sängerbunt, im Januar poll 
zeilich aufgelöft, unter Angabe von Gründen, die den füch 
fifchen Behörden zur ewigen Schande angemerkt zu werden ver: 
dienen, — weil der Morfteher ehemals zur freien Gemeinde 
gehört, Andre zum Baterlandöverein, oder zum Handwerker⸗ 
verein, — hatte fich dennoch wieder verfammelt; jebt find 
deßhalb über dreißig Perfonen zu Geldftrafen von 10, 7,5 
und I Thaler verurtheilt worden. Die Auflöfung war ganz 
geſetzlos, die Strafen find es ebenfo. — 

Der preußifche Gefandte in London, Herr Bunfen, wurde 
beihuldigt, nicht nach feinen Inftruftionen gehandelt zu haben. 
Aus Schonung für ihn wollte der Diinifter ihm einen längeren 


23 


Urlaub bewilligen. Bunfen aber wollte diefe Demüthigung 
nicht annehmen, und fandte feinen Sohn hieher mit allen 
Papieren, die ihn beim Könige rechtfertigen ſollten. Allein 
der König ließ den Sohn nicht vor. Da wandte fich diefer 
an den Prinzen von Preußen, der nun aus den eigenhändigen 
Schreiben des Königs erfah, zu was derfelbe Bunfen ermäch— 
tigt hatte, Weifungen, die dem Könige felbit nicht mehr im 
Gedähtnig waren, ald er ſpäter die entgegengefegten gab 
oder billigte. Der König foll darüber, daß ſich Bunfen an 
den Prinzen von Preußen gewendet, in gränzenlojen Zorn 
gerathen fein, und nun Bunſen's Abberufung befohlen haben. 


Freitag, ben 7. April 1854. 


Nachmittags fam Bettina von Arnim, jie fand mich auf 
dem Sopha liegend mit bloßen Füßen, hörte meine Entichul: 
Digung nicht an, fondern warf fich in den von Dore heranges 
rüdten Lehnftuhl, fchleuderte mit dem Fuße einen meiner 
Schuhe weit unter den Sopha, und al® ich Darüber o weh! 
rief, auch den zweiten. Dore froh hinunter, und holte fie 
wieder hervor, ftellte fie lachend wieder hin, und Bettina hatte 
mittlerweile ihre Rede vom Prinzen von Preußen u. |. w. 
Ihon begonnen; faum aber ftanden die Schuhe wieder an 
ihrem Drt, fo gab fie ihnen neue Fußſtöße, daß fie wieder 
weit wegfuhren, und Dore mußte fich zum zweitenmale büden 
und wieder fie hervorhofen; ich lachte dazu und fagte: „Dore, 
die unartige rau macht Ihnen viel Mühe!“ Da ftund Bet: 
tina auf, fagte Adieu, und ging zur Stube hinaus, ehe ich 
noch meine Schuhe wieder hatte, war fie auch zum Borzimmer 
hinaus und ſchlug die Thüre zu. ich eilte die Schuhe anzu— 
ziehen und ihr nachzugehen. Aber fchon Flingelte fie wieder, 
und fagte zu Karolinen, die ſchneller als ich an der Thüre war, 
fie folle mir beftellen, es fei gar nicht ſchön von mir, daß id) 


24 


fie habe gehen laffen, ihr nicht nachgeſchickt und fie zurüdgeholt 
habe. Darüber war ich herangefommen, und hörte den Schluß 
der Beftellung noch felber; dad machte fie verlegen, um fo 
mehr, ald auch der junge Graf von Groeben in ihrem Nüden 
die Worte hörte, der die Treppe weiter hinauf wollte. Ste 
fand erft den Grafen mit einigen Scherzworten ab, that als 
ging fie fort, und als jener aus dem Geſicht war, fehrte fie 
dennoch um und fam wieder zu mir, der ich unterdeffen er- 
wartend in meiner Thüre geftanden hatte. Ich lud fie wieder: 
holt in's Zimmer, fie jedoch wollte nicht hinein, fagte mir im 
Vorzimmer was fie mir von ihren Briefen zu fagen hatte, 
verficherte, daß fie gar feine Zeit habe, bei Savigny's erwartet 
werde, und ging auch bald, nachdem fie mir doch ein paarmal 
herzlich Adieu gejagt und die Hand gereicht hatte. Es that 
ihr leid, fo unnöthig der findifchen Laune gefolgt zu fein, das 
war ſichtbar. ch aber fehreibe diefen unbedeutenden Borgang 
mit aller Genauigfeit auf, weil er Bettina’n auf's ſprechendſte 
in ihrer Art und Unart bezeichnet, und weil ed doch möglich 
ift, daß an folcher Kinderei das ganze Berhältniß zerbricht. 
Ich möchte nur jehen, wie fie ed nehmen, und was fie fagen 
würde, wenn jemand ihr fo etwas thäte! Die alten Bren- 
tano’fchen Auägelaffenheiten und Tollheiten! — 

Heute fol es zum Abfchlug einer PVerftändigung mit 
Deiterreich gelummen fein. Ob ein eigentliches Schutz⸗ und 
Trutzbündniß zu Stande gebracht ift? Das wird fehr bezwei« 
felt! Dap die Generale von Gerlach und Graf von der Groeben 
zulegt beauftragt waren mit dem dfterreichifchen Feldzeugmei⸗ 
jter von Heß zu berathen, läßt auf ein militairifche® Abkom— 
men fchließen ; ein vernünftiges und ehrenwerthes für Preußen 
dürfte unter dieſen Umftänden fchwerlich vorauszuſetzen fein. 

Die demofratifche Parthei hat befchloffen, ſich auch ferner 
bei den Wahlen, jeien fie einzelne oder allgemeine, nicht zu 
betheiligen, und diefer Schritt zeugt allerdings von großer 


et u EEE ——— 


4 





25 


Standhaftigkeit und Zuverſicht. Das Warten iſt in politiſchen 
Dingen ſehr ſchwer; Leute, die warten können und wollen, 
ſind ihrer Sache gewiß. Die Demokraten wollen nicht nach 
und nad) Fleine Erfolge, fie wollen in Hauptfchlachten fiegen. 
— In ganz Europa fteht die Revolution drohend im Hinter: 
grunde. — 

Das Pfuel’fche Haus in Jahnsfelde hat die gute Inschrift: 
„Slüd herein, Unglüd heraus! Das ift der Pfuele ritterlich 
Haug, feit vierhundert Jahren ; Gott wolle bewahren in Glück 
und Gefahren Gefchlecht und Haus.“ — 


Sonnabend, den 8. April 1854. 
Nachmittags Beſuch von Herrn Dr. Ring, der mit Frau 
von Nimptich in der zweiten Kammer war; fpäter Befuch vom 
Herrn Grafen von Wartendleben, der auch von daher Nady- 
richten brachte. Die Abendblätter liefern nur Anfang und 


Mitte der heutigen Verhandlung. Leute aus dem Volke, die 


nur auf die Hauptfache gefpannt waren, wußten ſchon vor vies 
len Andern, daß die dreißig Millionen bewilligt feien, und 
diefe Nachricht ging wie ein Lauffeuer durch die Stadt. — 
Dinde hat eine fcharfe Nede gehalten gegen die Bewilli: 
gung, hat die Minifter hart mitgenommen, befonders aber den 
— Gerlady; den König hat er mittelbar getadelt, indem er 
vom Kaifer von Rußland alles Gute fagte, was beim König 
als Mangel zu rügen iſt. Auch Bethmann-Hollweg hat gut 
gefprochen, und befonders den Halunfen Gerlach, feinen ehe- 
maligen Freund, fchwer getroffen, dem auch der Graf von 
Zieten aut auftrumpfte. Gerlach hat die ſchamloſeſten Frech» 
heiten herausgewürgt, ein ſchmutziger, giftgejchwollener Boffen- 


{ reißer! In's Zuchtbaud gehört er! — 


„Correspondence, despatches and other papers of 


- 


26 


viscount Castlereagh, edited by his brother Charleı 
William Vane, marquis of Londonderry. London 
12 vols. 8.“ ch hab’ es indeß nur mit den vier legten Bän 
den, der dritten Serie zu thun. Die Diplomatie zeigt hie 
ihre vielfachen Erbärmlichkeiten und Gebrechen. Befonder: 
eriheinen unfre Staatömänner Hardenberg, Bernitorff, An 
cillon ꝛc. in geringem Licht! Wie diefe Leute ftetd die Volke 
angelegenheiten angefehen haben, wie fchnöde, wie verachtend 
Die ſpaniſche Erhebung, die Preßfreiheit, dad Ringen dee Frei 
find in Frankreich, in Deutfchland! — Gut, daß alles an dei 
Tag kommt! Und doch gehören Hardenberg und Bernitorf 
noch zu den Allerbeften ; fie meinten es wenigſtens gut um! 
ehrenwerth, wogegen die Werther, Goltz, Ancillon, Anftett 
Berftett 2c. als vollfommene Qumpen daftehen! — 

Der Minifter von Manteuffel hat der Kammer erflärt, fü 
habe verfafjungdmäßig das Recht, die 30 Millionen zu bewil: 
ligen oder auch zu verweigern. Außerdem aber machte er di 
Mittheilung, Preußen habe jept eben in Wien ein Protofol 
mit den andern drei Mächten unterzeichnet, ganz auf de 
Srundlage der früheren. — 

Da nun doch die Anleihe durchaus die Bezeichnung eine 
antiruflifchen trägt, fo hätte die Kreuzzeitungsparthei dagegeı 
jtimmen müffen. Sie hätte jedoch dadurch den Schimme 
ihrer Augendienerei für den Königlichen Willen verloren, un! 
bat daher lieber die Dornen in's eigne Fleifch gedrüdt! — 

Der Herzog von Koburg-Gotha hat in Paris und London 
das Benehmen des Könige von Preußen dadurch entjchuldigt 
daß er den Karakter defjelben fchilderte und gänzlich bloßgab 
St fagte, derſelbe fei aufgeblafen, Tindifch-eigenfinnig un! 
furchtſam, man möge ihn nur nicht drängen , ihm Zeit laffen 
er werde nicht im Stande fein, einen muthigen Entſchluß zı 
nehmen, leicht aber einen übereilten, den er dann ſchwer be 
teuen müßte. Der Berlauf der Dinge werde ihn von felbf 


27 


und aud wider Willen auf die Seite der Weftmächte werfen. 
— Inzwiſchen fprechen franzöfifche und englifche Blätter mit 
äußerfter Berachtung und bittrem Hohn von ihm. — 


— —h rſ — — 


Sonntag, den 9. April 1854. 

Bettina von Arnim fam Nachmittags wieder. Sie wollte 
mit mir über die geftrige Kammerfißung fprechen, war bejon- 
ders freundlich und artig. Sie läßt ein Titelblatt für ihre 
Dümonengefpräche prächtig mahlen, will dad Buch prächtig 
eindinden laffen, und dann dem Sultan fchiden. — 

In Thiers Kaiferreich gelefen. — Deutſche Gefchichte vom 
Iode Friedrich’8 des Großen bis zur Gründung des deutjchen 
Bundes. Bon Ludwig Häuffer. Reipzig, 1854. Erfter Band. — 


Montag, den 10. April 1854. - 

Die ganze Bevölkerung Berlins ift aufgereizt und voll 
Unmwillen über die frechen Hanswurftiaden Ludwigs von Ger: 
lach; alle Leute wiederholen die Worte Binde’3, Bethmann- 
Hollweg's, felbft in den unterften Klaffen nimmt man Kennt: 
niß davon, freut man fich derfelben. An der Börfe günftige 
Bewegung. Dagegen auch das erneuerte Gerücht vom Ab- 
ſchiede Manteuffel’e, Bonin’s. — 

„Veuvres de Frangois Arago, publices sous la di- 
reetion de M. J. A. Barral. Tome I. Paris, Leipzig, 
1854, 80.“ Ein Borwort von Humboldt: „Histoire de ma 
jeunesse“, von Arago felbft, feine Denkrede auf Fresnel, 
Volta, Young, Fourier, Watt, Carnot, — die auf Young 
und Garnot mit freude gelefen. — 

„Preußen und Rußland. Leipzig, ©. Hirzel, 1854. 8.* 





q, 


28 


Eine gediegene, ſcharfe Schrift, durchaus gegen die infame 
Kreuzzeitungsparthei. — (Sie ift vom Profeffor Mar Dunder - 
verfaßt. —) Der Herzog von Koburg-Gotha foll der Schrift 
auch nicht fremd fein, einige Beiträge dazu gegeben haben. — 


Dienstag, ben 11. April 1854. 

Bettina von Arnim befuchte mich ſchon früh. Sie fchenfte 
mir ein Zettelchen von ihr an Ludwig Tied in ihrer früheften 
Zeit gefchrieben, auf Antrieb ihres Bruderd Clemens, al? fie 
eben den „Sternbald“ gelefen hatte. Sie zeigt mir Ent- 
würfe zu dem bunten Titelblatte ihrer Dämonengelpräche 
für den Sultan; ich kann aber feinen derfelben billigen, und 
fie will andre verfuchen. Sie erzählt, was fie von angeſehe— 
nen Perfonen über den König gehört; er fei in verzweifelter 
Lage, wolle bald das eine, bald dad andre, weine, ringe die 
Hände, bleibe unfchlüflig, auch wenn er fehon einen Entſchluß 
gefaßt habe, er fei fähig die größten Thorheiten zu begehen, 
fih zu Grunde zu richten. Sie möchte an ihn fchreiben, ihm 
an's Herz legen, fich zum Volfe zu halten, eine Amneftie zu 
geben, u. ſ. w. Es fann nicht fehaden, wenn fie fchreibt, 
aber helfen auch nicht. In folcher Hof» und Regierungd: 
iphäre ift alle von weither vorbereitet, fein Zugang offen, 
außer der Gewalt und Noth, dem fchon vollendeten Unheil! — 

In Wien ift die von Heß und Gerlach und Groeben bier 
entworfene militairifche Hebereinfunft nicht gebilligt worden. 
Alſo auch dies Verhältniß, das man fchon feſt glaubte, wieder 
zweifelhaft. Nun giebt e& auf’d neue hier Ränfe und Wider: 
ſprüche die Fülle, und unfägliche Arbeit für die Minifter. — 

Den Kriegdminifter General von Bonin hat der König 
gar nicht mehr ſehen wollen, er ift ihm tödtlich verhaßt 
durch feine Neußerungen in der Kredit-Kommiſſion der zweiten 
Kamıner. — * 


29 


Die wahre Volksſtimmung zeigt fi mit außerordentlicher 
Kraft und Schärfe; des Kaiſers Nikolaus wird allgemein ges 
jpottet, ver Name Ruſſe ijt allgemein zum Abſcheu; den Kaifer 
nennt man höhnifch den „Gentleman“ mit den fchimpflichiten 
Beiwörtern, man lacht ſeines Gleichniffee vom „kranken 
Mann“, man erflärt ihn für einen hartgefottenen Heuchler 
und Betrüger, der aber zu dumm fei, feine Ränfe durchzu: 
fegen, wie zu unfähig um feine Heere in Perſon zu führen. 
Der König würde jet viel wagen, wollte er fich noch ganz mit 
, diefem Schwager verbünden. — Eine friegerifche Schlappe, 
gemeinfam mit den Ruſſen erlebt, könnte Preußen an den 
Hand des Untergangs bringen. — 

Neue Kommiffion zur Verhandlung mit Defterreich: Prinz 
von Preußen, General von Reyher, General von Bonin. 
Alſo feine Kreuzzeitungähelden mehr, fein Gerlach, fein 
Groeben! — 

Die Regierungsbehörde hat die Frechheit, den Elbingern 
arade heraus zu jagen, die von ihnen gewählten Stadtbeamten 
würden höheren Orts nicht beftätigt, weil die Gewählten bei 
den Kammerwahlen nicht nad) dem Sinne der Regierung 
geitimmt haben! Heißt Das nicht Hohn und Spott mit der 
Wahlfreiheit treiben? Berdienen die Spigbuben nicht, öffent» 
lih ausgehauen zu werden für ſolche Frechheit? Welche 
Schande für die Kammern, auf ſolche Art zu Stande gefom- 
men zu fein, daB feine freie Wahl ftattgehabt! — Aber jie 
fühlen feine Schande! — 

Bunſen's Abberufung foll nicht wahr fein; man glaubt 
aber, dag der König die fchon auögefprochene wieder zurüd- 
genommen habe. — 


30 


Mittwoch, den 12. April 1854. 

Der König hatte in dem Abkommen mit Defterreich feft: 
ſetzen wollen, daß er nie genöthigt fein follte, feine Truppen 
den ruffifchen Boden betreten zu laffen; das ift in Wien fo- 
gleich verivorfen worden. Die Defterreicher fragen, ob man 
fie zum Narren halten wolle? Sie benußen Preußens Un- 
Thlüffigkeit beftens, um und am Bundestag entjchieden vorzu- 
greifen. Niemand fchließt ſich dem an, der immerfort zeigt, 
daß er nicht weiß, was er will! — 

Abfihten und Entwürfe des veritorbenen Fuͤrſten Felir. 
von Schwarzenberg, Preußen zu verkleinern, zu theilen, an— 
ftatt der Türkei; Defterreich befäme Schlefien, Rußland Pofen 
und Oftpreußen, Frankreich die Rheinlande, Weitphalen käme 
an Hannover. Des Grafen von Münfter altes Vorhaben, 
Hannover zu einem großen norddeutfchen Staate zu. machen, 
würde noch heute von England begünftigt werden. Kür das 
Haus Koburg ließe fich auch was finden. Alles aber ift eitler 
Kram, die Völker find aus der Rechnung gelaffen, die Revo: 
Iution fteht jegt überall mit auf dem Schauplag, wenn nicht 
in Bordergrunde, doc, gewiß im Hintergrunde! — Die Nevo- 
Intion greift zuverläffig auch in Rußland durch ! 

In Hamm ift ein Mann wegen „Gottesfäfterung “ zu drei— 
monatlihem Gefängniß verurtheilt worden! Chriftlicher 
Staat! — 

In Frankfurt am Main hat das Stadtmilitair die noch 
beibehaltenen deutſchen Kokarden endlicd auf Befehl feierlich 
abgelegt, auf der Parade, die Helme find nun wieder frei! 
Die Kokarden wurden verbrannt. Dabei fprechen Oeſterreich 
und Preußen immer dreift von ihrer Sorgfalt für Deutſch— 
lande Wohl und Ehre. — 

Die Neue Preußifche Zeitung überbietet fich felbft an täg- 
lich wachfender Gemeinheit, Armfeligfeit und Bosheit. Eine 
Schande unfrer Zeit und unfrer Stadt! — 


al 


Der ruffifche Gefandte von Budberg bier hat ohne Scheu 
gejagt, dag Preußen durch Unterzeichnung ded Wiener Proto- 
folls (vom 9. April) eine Infamie begangen habe! Und die 
Kuugeitungsleute wiederholen dad mit Wohlgefallen! — 

Der General Leopold von Gerlach hat vom Könige ge: 
jagt, er jei der größte Haſenfuß, man müffe ihm nur Furcht 
machen und dabei etwas fchmeicheln, dann könne man mit ihm 
machen was man wolle. — 


Donnerstag, den 13. April 18564. 
Beſuch von Bettina von Arnim. Sie beginnt damit, 
mir zu fagen, daß ich ihr bei einer ntrigue helfen foll! 
Sarigny'd feiern am 17. ihre goldene Hochzeit, find aber ganz 
betrübt, weil fie vorausfegen, daß der König fich ihrer bei 
diejer Gelegenheit nicht erinnern, ja gar nichts von dem 
Jubeltage wiffen werde, — fie jind feit längerer Zeit gar 
nicht mehr beachtet worden, halten fich für ganz vergeffen. — 
Dettina fagt: „Die alten Leute find doch ihr Leben lang 
immer in den Schuhen der Pflicht und der Dienjttreue einher: 
gewatſchelt — mögen fie ſolche auch oft genug platt und ſchief 
getreten haben, — fo fann man ihnen doch gönnen, daß fie 
grade den Lohn nicht entbehren, auf den fie den hödyiten 
Werth ſetzen“; zu diefem Behuf foll ich an Humboldt jchrei- 
ben, ob er nicht dem Könige wenigjtend jagen wolle, daß Sa- 
vigny’d goldene Hochzeit am 17. ift. Ich fehe dabei fein 
Bedenken, und fchreibe ed an Humboldt, indem ich doch an⸗ 
merke, dag „Sefpräche mit Dämonen“ meinen Schritt veran- 
laſſen. — Bettina blieb noch lange, und ſprach noch mancherlei 
mit mir durd. — 
Unſer Gefandte in London, Herr Bunfen, ijt doch abge: 
rufen worden! Ein Günftling ohne Gunft jept! Wer weiß? 





32 


Solche Leute haben alte Schliche, und find unerwartet wieder 
da, wo man fie nicht erwartet. — 

Nachrichten aus England, daß der Kaifer von Rußland in 
der Wuth alles perfönliche Befisthum, das der Gefandte Sey— 
mour in St. Petersburg zurüdgelaffen, mit Beichlag belegt. 
Herbe Aeußerungen über diefe unmwürdige Barbarei, Erinne- 
tung an des verrüdten Kaiſers Paul Benehmen gegen englische 
Handelsſchiffe, die er alle verbrennen Tieß, weil ed zweien 
geglüht war, fich der verhängten Beichlagnahme zu ent- 
ziehen. — 

Lord Ruffel hat im englifchen Parlament erflärt, die Ber 
weife feien in feinen Händen, dag der König und die Königin 
von Griechenland ald Mitanftifter des Griechenaufitandes in 
der Türkei zu bejchuldigen find. — Der König Otto verfichert 
- in einem Schreiben an den König von Preugen da& Gegen: 
theil und bittet um Schuß; der König hat feine Seemacht (die 
„Amazone!*) nad dem Piräus beordert, um nöthigenfalle das 
Königepaar, wenn es flüchten müßte, aufzunehmen. (Nicht 
die „Amazone”, fondern das Kriegeichiff „ Danzig“.) — 

Die englifchen Blätter fprechen fcharf über Friedrich Wil- 
heim den Vierten; das Land der Erbiweisheit ſchenkt ihm 
nichts! — 

Der gedrudte Bericht des Fürſten Gortſchakoff an den 
Kaifer beweift, daß die Ruſſen ohne Kampf und Sieg in die 
Dobruticha eingerüdt, alle Angaben von blutigen Gefechten, 
eroberten Kanonen , 7000 Gefangenen — die fihon in Ben- 
der anfommen — falſch find! Die Kreuzzeitung wird ſich 
ärgern! — 

Das Miniiterium des Innern, das die von beiden Kam: 
mern befchlofjenen Aenderungen des Preßgeſetzes nicht anneh— 
men will, hat eine neue Inſtruction an die Behörden erlaffen, 
in der fcheinbar der wefentliche Inhalt jener Aenderungen 
enthalten, das Ganze aber doch nur eine Täufchung iſt. Die 


33 


Beſchraͤnkung der Polizeiwillfür ift eben nur fcheinbar.. Das 
bat man auch gleich entdedt, und die Rechte, von der die Nen- 
derung ausgegangen, klagt ſehr über den Mintjter, der doch 
ſonſt grade der ihrige iſt. Welch fpipbübifches, feiges, und 
Dabei ganz unnüßes Verfahren! — 


Stiller Freitag, den 14. April 1854. 

Audgegangen mit Ludmilla. — Zu Haufe find’ ich ſchon 
Antwort von Humboldt, liebenswürdige, angenehme, er will 
dem Könige wegen Savigny's goldner Hochzeit eifrigft fchrei- 
ben, und jelber zu dem Tage glückwünſchend fich einfinden. 
Alſo das wäre gelungen, in fo weit! — Er ſchenkt mir ein 
Autograph von Arago. — 

Nahmittage Beſuch von Herrn **, — zwei Stunden. 
Mannigfache Unterhaltung. Lage Frankreichs, Hoffnungen, 
niht eben nahe! Karafter des — Louis Bonaparte; finn- 
lid, — gewillenlos, dabei gar nicht klug und ftarf, ein 
eingebildeter Selbitling, wie jo viele der römischen Cäſaren 
und griechifchen Tyrannen, die durch Verbrechen oder Glüd 
zur Serrichaft famen! — 

Zu Haufe fand ich Abends ein zweites Billet von Humboldt; 
er hat unverhofft jchon heute in Charlottenburg beim Könige 
geipeift, und der ihm gefagt, er wife von Savigny's Feſt, und 
babe jchon längſt alles dazu bereitet. — 

Im Suvenalis gelejen ; im Plinius. — 

Bunfen’s Abberufung wird wieder von den Zeitungen 

verneint. Dad Gerücht war aber in London allgemein ver: 
breitet, und die Conſols fielen Darauf um 1 Prozent!! — 


— — — — 


Bern Hagen von Enſe, Tagebüder. XI. 3 


= = 
. ” 





34 


Sonnabend, den 15. April 1854. 


Nah ſchweren Träumen zu düjtern Betrachtungen auf- 
gewaht. Mic übernahm die nicht erfreuende Erwägung, wie 
mit zunehmenden Jahren alles mehr in die Ferne tritt, nicht 
nur das Vergangene, fondern auch die Gegenwart, man fühlt 
zu febr, wie bald fie vergangen fein wird; dad Schlimmite 
jedoch ift, dag wir eine fo troftlofe, öde, in Unthätigfeit hin- 
nehmen müffen,, obne das Glüc der Freiheit, ohne den Reiz 
edler, ausgebreiteter und ausgezeichneter Geſelligkeit, obne den 
Glanz und die Macht [höpferiicher Litteratur. Dei beſaßen 
wir es einſt alles! — 

Allerlei geſchrieben; dann ausgegangen mit Ludmilla, in 
den Thiergarten, um Bettinen von Arnim die Humboldt'ſchen 
Nachrichten zu bringen; fie begegnet und in einer Droſchke 
mit ihrer Schwiegertochter, ich fage ihr eiligit Das Nötbige, 
fie will darauf zu Savigny's, die auf'd Land reifen, um der 
Schmach zu entgehen, dag etiva der König fie bei ihrem Jubel— 
feft unberüdjichtigt ließe! Auch die Nachricht, die ich bringe, 
wird daran nichts mehr ändern, jchon dephalb nicht, weil man 
Bettinen nicht recht glauben wird! — Weiterer Spaziergang 
im Thiergarten ; das junge Grün herrlich, die Knospen an 
den Baumzweigen ſtrotzen. — 

Zur Mittagdzeit fommt Bettina, Savigny's jind richtig 
abgefahren. Frau von Savigny feufzte, was immer der König 
thun wolle, dad Nechte werde er doch nicht treffen! „Und. was 
wäre denn das?" Zögernd geitand fie, das, wonach Saviany's - 
und ihr Herz am meijten verlangten, was fie am meiften er- 
freute, das wäre die Erhebung in den Grafenſtand!! — Sind 
das alte Leute! — 

Dann viel Abgefhmadtes vom Pſychographen, was ich 
alles ruhig anhörte, und nur endlich ganz unbefangen fragte: 
„Sagen Sie doch an, was frißt er?* worüber fie herzlich 


35 


lahte,meine eigne Antwort aber: „ Gehirn und Vernunft frißt 
er!" fait übel nahm. — 


— — — — — 


Oſterſonntag, den 16. April 1854. 

Ich bewundere den Fleiß und Eifer, der ſich in großen 
und Heinen Schriften umſtändlich mit Erörterung der ſoge— 
nannten Tageöfrage, der orientalifchen, oder jegt vielmehr 
vorzugsweiſe rujfifhen, beſchäftigt. Es widmen ſich dieſer 
Erörterung auch beſonders ſolche Männer, die ich in Betreff 
der yolitifchen Gefinnung mir gleichdenfend weiß oder glauben 
muß, und von folchen allerdings begreife ich Eine jo durchaus 
lebhafte Betheiligung nicht. Je mehr die Sachen fi auf: 
hellen, beftimmter geftalten, defto weniger erfenne ih meine 
Sache darin, jie ift nur in einigen Nußentheilen mit jenen 
Dingen verflochten, und mir ift keineswegs entjchieden, ob fie 
bei dem Verlaufe gewinnen oder verlieren werde. Der Neben- 
gewinn, den meine Sache bei jeder Bervegung, bei jedem Ber: 
geben von Zeit unfehlbar einzieht, fommt nicht in Betracht, 
weil der immer feftfteht. Aber fonit, — was ift von diefen 
Höfen und Kabinetten zu erwarten? Sie fchimpfen jest auf 
die ruffifche Politif; aber hat irgend ein Staat eine beſſere? 
ift e& irgend einer Regierung jetzt um Recht und Freiheit zu 
thun? ch fürchte täglich den fchreienditen Verrath, alle find 
deflen fähig, und aus den Beſchützern fönnen jeden Augenblid 
Räuber und Raubtheiler werden. Daß fie durch die Macht 
der Verwicklung, in der fie fich finden, alle in einer Richtung 
fortgepeitfcht werden, die fie eigentlich nicht wollen, ja verab- 
ſcheuen, ift freilich ein Schaufpiel, das auch mir täglich Ver: 
gnügen macht. — 

Uebrigens bleibt es dabei, non mea res agitur! — 

Die englifchen Blätter geben die Reden Vincke's und 
Betbmann-Hollweg’3 ganz oder theilweife wieder, beſprechen 

\ 3” 


36 


fie, loben fie, und fpeien Gift und Galle gegen das preußifche 
Minijtertum, gegen den König felbit, den einige arg miß- 
handeln. — 

Der Admiral Napier ift am 13. früh von Kiöge gegen die 
ruſſiſchen Küften hingefegelt. Nächitend wird man von ihm 
hören! Alles hier wünjcht feinen Unternehmungen Heil, mit 
Ausnahme der fehon fehr geminderten Kreuzzeitungspartbei, 
die mit landeöverrätherifcher Tüde und felbftfüchtigen Zwecken 
mehr ruffifch als preußifch, ja ganz ruffifch ift. Ein General, 
— vielleicht Leopold von Gerlah — hat fich erfrecht, in einer 
Sefellfchaft zu fagen: das ganze preußifche Heer, mit wenigen 
Ausnahmen, fei ruſſiſch gefinnt, und würde der Zumuthung, 
gegen Rußland zu ziehen, nicht Folge leiten. Erſtlich iſt 
das eine infame Lüge, eher dad Gegentheil könnte behauptet 
werden; dann aber müßte ein General bei Annahme einer 
folhen Thatſache nicht prahlend jubeln, fondern erichreden 
und trauern, befonderd einer, deſſen Handwerk ed bisher war, 
dem Anſehn und der Befehlsmacht des Königd unbedingte 
Huldigung zu fordern. Aber diefe Burfche find diefelben, die 
im März 1848 den Könige nicht gehorchen wollten, ihn mit 
den fchändlichften Schimpfivorten belegten, ihm auswichen, um 
ihn nicht grüßen zu müffen. — | 

„La question du lendemain“ und „Pour repondre à 
la question du lendemain“, zwei fleine Flugſchriften, in 
London gedrudt, in kleinſter Schrift und Format. Boll luger 
und edler Angaben deſſen, was nach einer neuen Revolution 
zu thun fei, um ihr Gelingen dauernd zu fichern, denn ihr 
Kommen wird ald unfehlbar angenommen für ganz Europa. 
Daß die Völker fich verbünden, feinen Krieg gegen einander 
führen werden, daß man die Kriegöheere abjchaffen wird, Die 
Kriegäbefchlähaber entbehren zc., daß die Arbeit reiheit 
fer ꝛc. Alles recht ſchön und aut; aber es ift ein Nichtver- 
ftehen der menfchlichen Dinge, wenn man glaubt, der Feind 


37 


werde rafch, gleich, ganz und für immer überwunden fein; im 
Gegentheil, die neue Revolution muß friegerifch, gewaltberr- 
Ihend, gerüjtet und wachfam fein. Der neue Zuftand ift ja 
nicht ganz neu und frei, er trägt die Erbfchaft des alten in 
jih, und muß die verarbeiten, das geht nicht leife und fried- 
lich. Dazu ift nicht mehr die Zeit; der Verſuch 1848 war 
jhön und groß, das Alte hat ihn nicht gewollt, fondern vers 
worfen, graufam beſtraft. Das geht nicht zum zweitenmale, 
wenigitend kann es nicht beabfichtigt werden! — 


Montag, den 17. April 1854. 

Verahtung, die fiih in England gegen Preußen allgemein 
und bitter auöfpricht; die Matrofen eined preußifchen Kauf> 
fahrteifchiffes, das aus fernen Landen anfam, begriffen nicht, 
weßhalb man fie verhöhnte, wie Geächtete mied; als ſie's 
erfuhren, ſchämten fie fih. Ihre Flagge hatte man ihnen mit 
einem Befen vertaufcht, der am frühen Morgen das Gelächter 
aller Nahbarfchiffe verurfachte. Dies alles ift aus zuverläffl- 
gem Jeugenmunde ! — 

In Jean Paul Richter gelefen, in Voltaire und Luchet; 
die Franzofen des achtzehnten Jahrhunderts haben Borzüge, 
die wir und mit Erfolg aneigneten, die aber weder fie nod) 
wit im neungehnten behalten haben. — 

General Leopold von Gerlach fagte zum Feldmarſchall 
Gtfen von Dohna: „Heß meint, er hat ihn (den König) ſchon 
in der Tafche, da ift er fehr irrig.“ Er merkte, daß ein Dritter 
die Worte gehört hatte, und wurde ganz verlegen. — 

Das englifche Wigblatt „Punch * fagt über des Königs 
Unfall im Garten zu Charlottenburg, er habe ſich an die Nafe 
geftogen, vielleicht in der Betrunfenheit, jedenfalls folle es 
ihm zur Warnung dienen, feine Schleichwwege mehr im Dun- 
keln, fondern Die grade helle Straße zu gehen! — 





38 


Herr Profeffor Dirichlet ift an Leopold’3 von Bud, Stelle 
zum Mitglied der Akademie der Wilfenfchaften in Paris er: 
nannt worden. Gine große und wirkliche Ehre! — 

Der Gefandte Theodor von Rochow in St. Petersburg ift 
Schwer erkrankt. Auf feinem Poſten ift er ganz unbedeutend, 
und dephalb gern gejehen. — 

Der Polizeipräfident von Hindeldey ift nun auch Direktor 
einer Abtheilung im Minifterium ded Innern geworden. Sein 
Ehrgeiz ift zu langfamem Emporklimmen verurtheilt! — 

Die kleinen Schriften „La question du lendemain“ x. 
follen von einem Herrn Gantagrel verfaßt fein, der früher mit 
Confiderant verbunden war. 

Der König, im Zorn über Bunfen’d angebliche Eigen: 
mächtigfeit, hat gefagt, mit der Diplomatie müfle e8 vorbei 
fein, die Könige müßten, wie er jebt thue, felber ihre Sache 
in die Hand nehmen. Dabei verfichert er, daß er Bunjen pers 
fönlicy liebe, nad) wie vor. — 


Dienstag, den 18. April 1854. 
Frankreich hat eine ernite Aufforderung an Preußen er: 
gehen laſſen, fich bejtimmt zu erflären, welche politifche Hals 
tung e8 wähle, denn die zweideutige Neutralität mit heimlicher 
Hinneigung zu Rußland fcheint man ihm nicht zugeftchen zu 
wollen. Bon England jteht diefelbe Aufforderung bevor. Große 
Derlegenheit und Angſt! „Die Könige befommen ihre Einge- 
bungen von oben.“ Dad werden wir jet fehen! Bekamen 
fie daher ihre Eingebungen auch im März 18482 Die famen 
ziemlich offenbar [ehr von unten! — 
Die Ruffen haben die feite Zuverficht, daß Defterreih und 
Preußen ſchließlich mit ihnen gegen Frankreich gehen werden. 
Roher und. frecher Aufruf Gortfchafoff’s an die Einwohner 
der Dobrutſcha; der Gipfel von drohender Prahlerei, unver: 


39 


fhämter Lüge, gemeinen Hohns. Immer derfelbe Spuf von 
Religion, Sittlichkeit, heiliger Sache, heiligem Zar, der die 
Barbaren trafen und beffern will! — 

Die Engländer haben in der Oſtſee ſchon acht ruffifche 
Schiffe aufgebracht, alle ruſſiſche Häfen find für blodirt er: 
flärt. — 

Der Troft bleibt und jedenfalld, daß wir ald Tropfen 
im Weltmeer unvergänglidy mitfhwimmen, oder ald Sand- 
förner ungeheure Berge bilden helfen. — 

Der preußiſche Generalfonful in Bufareit, Herr von 
Meuſebach — ſchlechten Andenken? hier — bat dafelbit, un- 
geachtet feiner beeiferten, bis zur Rächerlichfeit getriebenen 
Aufenfreundfchaft, mit den ruffifhen Behörden nicht fertig 
werden fönnen, und feine Amtöverrichtungen einftellen 
müflen. — 

Der König Spricht viel von den „elenden Türken, den rohen 
Ungläubigen,* wie man fie mit Recht nenne, für die fein 
Plaß mehr in Europa fei. Dagegen nimmt feine Politik fich 

doh der Türken an, und will die Fortfchritte der Ruſſen 
u benmen! — 


Mittwoch, ben 19. April 1854. 

Bejuch vom bremifchen Bundesgefandten Herrn Bür- 
germeifter Smidt; er nimmt zur Reife nah Frankfurt den 
Umweg über Berlin, weil in diefer Woche zu Frankfurt noch 
Ä feine Sigung ift. Er ift rüftig bei feinen achtzig Jahren, 
| fieht aber fo verfallen aus, daß er einem die Luft benimmt, fo 
alt zu werden. Bon den hiefigen Dingen ift er ziemlich unter: 
rihtet. Bemerkungen über Nordamerifaner, Geldanlagen dort 
3u6, 7 ja 10 Prozent! Blühender Handel! — Smidt ift das 
Gegentheil von Pfuel; er muß Gefchäfte haben, und bezieht 
alles auf diefe, nichts andres reizt und befümmert ihn. Das 
Hohmenfchliche, dad Schöne und Edle ficht ihn wenig an; das 





40 


Alter hat ihn verfchlimmert, wie meiſtens gefchieht; Pfuel ift 
nur beffer geworden, hat wärmere Theilnahme für alle® Gute 
und Schöne. — 


Nachmittags unerwarteten Beſuch vom hamburgifchen Ar: 
hivar, Dr. Lappenberg; er macht einen Erholungsausflug ; 
Elagt ſehr über fein Auge, kann wenig mehr lefen und ſchrei⸗ 
ben, ſetzt doch feine litterariſchen Arbeiten möglihft fort; 
Flemming, Eulenjpiegel xc. Nachricht vom Gurlittfeit; es 
war ein langwieriges Effen und langweiliges Reden oder Bor: 
lefen von Reden. Lappenberg felbit war nicht dabei, wegen 
Unwohlfein. Grüße von Profeſſor Ullrich, — 

Ruſſiſche Erflärungen im Journal de St. Pötersbourg 
über die englifchen Enthüllungen ; ſchwach, gleißneriſch, ſo⸗ 
phiſtiſch! — 

Hier wird endlich audgefprochen, daß Bunfen nicht abbe: 
rufen fet, jondern nur auf fein Anfuchen einen längeren Ur⸗ 
laub erhalten habe! Auf fein Anfuchen? Längeren Urlaub? 
In diefer Zeit? — 

Englifches Spottgedicht auf den Admiral Dundas, Hoff⸗ 
nungen auf den Admiral Napier! — 


Der König war in dieſen Tagen nahe daran, ſich ganz für 
Rußland zu erflären, und er dachte fchon eine Anfprache an 
fein Volk zu erlaffen, um daffelbe förmlich zum Beiftande Ruß: 
lande, des Kreuzes, und der bedrängten Chriften aufzufordern. 
So was fieht ihm ganz ähnlih! Eine Proflamation mit 
ſchwungvollen Redensarten, Weberrafchung der Welt, Begeifte: 
rung für ihn in Rußland, in allen legitimiftifchen Kreifen, 
o ja! das wäre was! An die wahre Stimmung der Nation, 
an die Richtung der Weltentwidelung, an die Macht des 
Weſtens, an alled Unheil und alle Strafe, die der Mißgriff zur 
Folge haben würde, denkt man nit! — 


In einem englifchen Blatte wird der König von Preußen 


EEE —— 


41 


that damned fool bezeichnet, und dabei bemerkt, daß ein 
Preuße in Dresden fchon im Fahre 1840 ihn einem Englän: 
der fo bezeichnet habe ! 


Donnerstag, den 20. April 1854. 

Schwäche des Kunfturtheild bei *, fie Hält fich an Gehörtes 
und beffeidet ed allenfall® mit neuen Worten, ohne eignen 
Sinn. Wie ed damit, mit dem Kunfturtbeil, befchaffen ift, 
das üderjteigt allen Glauben ! Goethe wußte, und Rahel wupte 
es, und ich weiß es, welche Scheinfamteit, Lüge, Verſtocktheit, 
welher Dünfel und Unverftand in diefem Gebiete fich tum- 
men! Mer unterfängt fi) nicht in diefem Gebiete finnloe 


mitzuſchwatzen ? Jeder Lump, jeder Affe! Und doch dürfte jeder 


mit Recht hier mitfprechen, der nur aufrichtig und ehrlich her: 
audfagte, was er wirklich fühlt und meint! — 

Ein Bündniß zwifchen Preußen und Deiterreich foll im 
Entwurf unterzeichnet fein ; die Feltfegungen, fagt man, ſind 
aber nur vorläufige, wenig entſcheidende. — 

Der preußiſche Geſandte in Paris Graf Mar von Hatz⸗ 
feld hat ein Schreiben des Könige an den Kaifer Bonaparte 
zu überreichen gehabt. Neue Bermittelungsverfuche, die von 
Kaifer Nikolaus auch unmittelbar unaufhörlich erneuert wer: 
den, er bietet allca auf, um feinen „bon ami“ noch wicder zu 
gewinnen, ihn von Enaland abzuziehen, er macht ihm die 
größten Berfprechungen, felbft auf Koften Preußens, das zu- 
gleich fi dazu heraiebt, den ruffifchen Vorjpiegelungen Ein- 
gang zu verfchaften! — 

Neuer Auswurf ruffifher Orden bier, an Militairper- 
fonen und Ziviliften. Der Kaifer findet plöglich in Preußen 
viel zu belohnen, zu danken! — Ungemeine Thätigkeit ruffifcher 
Agenten an allen Höfen Deutfchlands, in Belgien, England, 
Ftankreich, Italien, befonders auch in den Vereinigten Staaten 


42. 


Nordamerifad. Der Kaifer hofft dad Bündniß zu ſprengen, 
von ihm abzuhalten, demfelben neue Feinde und Verlegen: 
heiten hervorzurufen. Hier und in Potsdam foll der bekannte 
Louis Schneider dem Kaifer alle vertraulichiten Nachrichten 
fleißig fchreiben. — In der Türkei, in Montenegro, Serbien, 
‚Griechenland, ja in Konftantinopel felbft, ift ruffiicher Einfluß 
und ruffifches Geld überaus geichäftig. — 

Der König glaubt feit, er werde den Frieden vermitteln, 
und geht dabei von der Ueberzeugung aus, daß Rußland in 
der That nur dad wolle, was es jagt. Budberg und Xeopold 
von Gerlach nähren dieſe Ucberzeugung, und lachen fich dar: 
über in’ Fäuſtchen! Man foll ihn nur in feinen Bemühungen 
nicht hindern, meint der König, ihm freie Hand laffen, ja, 
alles in feine Hand legen. Dazu hat aber feine Seite Luſt. — 





Freitag, den 21. April 1854. 

Der Keldzeugmeifter von Heß ift geftern Abend mit dem 
unterzeichneten Bündnißentwurf von bier nad) Wien abgereift. 
Er war in der legtern Zeit wegen der wiederholten Hinzöges 
rungen fehr ungeduldig geworden, und hatte erflärt, unver- 
tichteter Sache abreifen zu wollen. Als man den König ent: 
ſchuldigte, daß es ihm biöher an Zeit gefehlt, den Gegenjtand 
der Verhandlungen genauer zu prüfen, ließ der Defterreicher 
nicht unerwähnt, der König habe in diefen Tagen vier Stun: 
den lang der Einkleidung einer Diakonifjin in Bethanien 
beigewohnt. — Der unterzeichnete Entwurf fagt noch nicht 
viel. — 

Der Minifterpräfident von Manteuffel hat zu dem Grafen 
von Solmd-Baruth gejagt, er glaube, ed werde für Preußen 
gar nicht einmal zur Mobilmahung, gefchweige zum Kriege 
fommen ; daß man aber mit Rußland gehen könne, fei vollends 
eine Unmöglichkeit. — 


en T 


43 


Die Engländer nehmen ruffifhe Schiffe und bringen fie 
nah Memel. Der Kapitain eines englifchen Kriegafchiffes, 
der an’ö Land gekommen war, ertrank als er wieder an Bord 
jurüdfehren wollte, die Wellen verjchlangen fein zu Pleines 
Boot. — 

„Der Menſch ift was er thut.“ Nachdenkliches Wort von 
Hegel! Herrliche Sachen ftehen in feiner Enzyklopädie, welche 
jebt von niemanden mehr gelefen wird. Man follte eine 
Blumenlefe daraus veranftalten! — 

Hegel ift fein Bewunderer des geftirnten Himmels, der 
giebt ihm nur abftrafte Lichtpunkte, das Licht fei dort in feiner 
erften unverarbeiteten Rohheit. „ Man hat in der Stadt her- 
umgetragen, * fagt ex, „ ich habe die Sterne mit einem organifchen 
Ausihlag von organifchen Körpern verglichen, oder mit einem 
Ameiſenhaufen, worin auch Berftand und Nothwendigfeit ift. 
In der That mache ich aus einem Konfreten mehr ald aus 
einem Abſtrakten, aus einer auch nur Gallerte bringenden Anis 
malität mehr ald aus dem Sternenheer." Siehe Enzyflopä- 
de Thl. I, S. A61 und ©. 94. 95. „Man kann die Sterne 
wegen ihrer Ruhe verehrten, an Würde find fie aber dem fon- 
freten Individuellen nicht gleich zu ſetzen. Die Erfüllung des 
Raumes fchlägt in unendlich viele Materien aus; das ift aber 
une dad erjte-Ausfchlagen, das den Anblid ergögen fann. 
Diefer Lichtausfchlag ift fo wenig bewunderswürdig, als einer 
am Menfchen, oder ald die Dienge von liegen.” — 


Sonnabend, den 22. April 1854. 

Der preußifihe Gefandte in St. Peteröburg, General: 
tieutenant Theodor von Rochow, genannt von Brieft, ift am 
20. dort geftorben. — 

Der preußifche Gefandte in London, Herr Bunfen, bat 
feinen Abfchied gefordert, fobald er erfahren, daß ihm „auf 


414 


feinen Wunſch“ ein längerer Urlaub ertheilt worden fei, den 
er gleich anzutreten habe. So tritt einer nach dem andern ab, 
der Günſtlingspoſten ift ein gefährlicher, nutzt feine Leute ab. 
Guſtav von Rohow, Malkan, Bülow, Canitz, Radowitz, 
Brandenburg, Savigny, Kleift, alle find fchnell verbraucht 
worden. — . 

In den Kammern ging ed wieder etwas fcharf her; Reichen- 
jperger von Köln fprach über unfer Kunftwefen, und daß man 
die Alterthümer, 3. B. Danzige, zu Grunde gehen laſſe. 
NReichenfperger von Geldern ſchimpfte auf Hegel's Einflup 
recht wie ein pfäffifcher Ignorant! Patow verlangte, daß 
700 Thaler, welche der Kabinetsrath Niebuhr aus den Ma- 
rinegeldern ald Zulage ganz unnüß beziehe, geftrichen werden 
follten ; Manteuffel rettete fie ihm noch, aber die Sache tft doch 
nun offenbar. Auch das Briefgeheimniß fam zur Sprache. 
Der Präfident von Gerlach Handwurft wie gemöhnlih! — 

Die Neue Preußiſche Zeitung fagt heute: „Man fpricht 
von ruffiichen Sumpathieen ; wer hat ruffifche Sympathieen 2 * 
und in demfelben Blatte find fie ausgefprochen! Solche Un: 
verichämtheit verdient auf ruffifche Weife beftraft zu werden. 
Die Peitſche, die Peitſche! — 

Der General von Wrangel hat dem König verfichert,, im 
ganzen Heere feien nicht zehn Offiziere, die gern gegen Ruß— 
land fechten würden, wad der König gern zu hören fehlen. Der 
Prinz von Preußen aber zog Wrangel’n unwillig zur Seite, 
und fagte ihm: „Wie fünnen Cie fo gewiffenlos reden, und 
den König fo falfch berichten! Sie wiſſen ja felbft, wie klein 
die Zahl derer ift, Die es mit Rußland halten möchten!” — 
Gewöhnlich verlangt man, das Kriegäheer foll gar feine Mei- 
nung haben, aber das hält nicht Stih! In Wahrheit freut 
man fich, wenn die Soldaten der Meinung find, die man 
ihnen wünſcht; das nennt man dann, fie feien vom beiten 
Beifte beſeelt! — 


De En 57— 


45 


Sonntag , den 23. April 1854. 
VBeſuch von Bettina von Arnim. Sie ift nicht früher ge- 
fommen, weil fie fich fchämte, daß die Savigny'ſche Sache fo 
kahl abgelaufen ift, der König hat fich nur erkundigen laffen 
durh einen Hoffourier, ob Savigny hier fei? und da das ver- 
neint wurde, fo geſchah weiter nichte. Savigny's find indep 
von Dresden wiedergefehrt, und grübeln nun traurig darüber, 
od, wen fie hier geblieben wären, der König fie vielleicht be> 
juht hätte! Bettina felber begreift nicht, wie fo fromme 
Leute fo Kleinliche weltliche Ehrfucht haben können, daß die 
geringiten, werthloſeſten Aeuperlichfeiten fie glücklich oder un: 
glüdlich machen; die Sache ift leicht erflärlich. Bettina Flagt 
dann, daß ihre Gefchäftögefihichte noch inımer nicht zu Ende 
it; der Nechtöanwalt Caspar will nichte gegen M. unter: 
nehmen ; ihr Schwiegerfjohn Graf Driola fagte, fie fei im Un- 
teht; neue Klage vom Papierhändler, vom Druder, der ihr 
das Gedrudte vorenthält; fie will auf den Verkauf der Bücher 
vertröften, die fich nicht verkaufen, fie feßt den ungeheueriten 
detrug voraus, um nicht an den Nichtabfab zu glauben, fie 
meint, die Spigbuben hätten etwa taufend Gremplare für fi 
nachgedruckt, und diefe-feien verfauft worden, während die ihr 
abgelieferten nutzlos daliegen. Nun will fie wieder mit Wei- 
mar drohen, mit der dortigen „ Behörde“! Alles fchief und 
grundlod! Sie Flagt, daß fie franf von den Gefchichten fei, 
ganz gebrochen, unfähig, etwas zu thun. — Dann fpricht fie 
vom Piychograpken, mit Eifer und Luftigfeit, ich könne die 
Thatfachen nicht läugnen, ich folle ed nıır einmal mit anfehen! 
Eie erzählt eine Menge jchnurrige Antworten, Schalkheiten 
and Grobheiten ded Pſychographen, die alle dad Arnim'ſche 
Zeichen tragen, und immer waren ed auch Armgart, Gifela, 
der etwa Guſtel Grimm, die das Holz berührten; lauter 
Späße aus dem engften Kotteriefreife. — 


— — — — — 


46 


Montag, den 24. April 1854. 

Nachmittagd Beſuch von Frau Bettina von Arnim. Dies — 
mal war hauptfächlich vom Pfychographen die Rede, fie hracht 
auf einem großen Bogen die Antworten deifelben, wie fie au 
der Stelle nach feinen Buchftabenbezeichnungen niedergeſchtie — 
ben worden, nämlich mit Irrungen, Abkürzungen, falfcher — 
Schreibungen. Sie wollte durchaus, ich follte einen Aben— 
zu ihr fommen, die Sache mitmachen, ich würde ſtaunens — 
werthe Dinge erfahren, vielleicht für meine bisherige Spöttere 
abgeftraft aber dafür auch gläubig werden! — Ich hate 
Bettinen gut gedient, unter Scherz und Lachen; ich habe 
unter andern gefragt, ob der Pſychograph auch antworte, 
wenn ein Pudel feine Pfoten auf ihn legt? Sie nahm 
nicht? übel, beitand aber ſtets darauf, ich foll einen Abend 
hinauskommen! Sie fragt fehr angelegentlih, ob wohl der 
König was von der Sache wiffe und davon halte? Ya, nun 
ſeh' ich’8, den König möchte man im Spiel haben! Das 
wäre freilich eine wohlfeile Art, fich feiner zu bemächtigen! 
Sie ſprach noch fehr verächtlih von * und ** und Andern, 
die ihre erflärten Anhänger find; auch dem jungen Siegfried, 
den fie mir doch empfohlen, und der füch für fie abquält, hing 
fie einigen Tadel an, den er nicht zu verdienen fcheint. Zuletzt 
noch Abſcheu gegen **! Sie ift unzufrieden mit der ganzen 
Welt, und möchte was bewegen, treiben, ausrichten, — der 
König wäre da der befte Piychograph, dem man die Hände 
auflegte, um dann zu erwirfen, was man wünjcht und ver: 
langt! Und Große? würde es nicht fein; es dreht fich doch 
alles um ganz kleine, perfünliche Sachen. — 

Keine erheblichen Neuigkeiten, al® daß die Ruſſen aller 
Orten ungemein thätig find, und viele Leute fchon glauben, 
der Kaifer Nikolaus könne feine Sache doch glücklich durchfüh— 
ten, befonderd da Defterreich und Preußen noch nicht wider 
ihn find, und die Weitmächte felber zu zaudern fcheinen. — 


47 


Shöne Italiänerin Gaggiotti, verheirathet an einen Eng- 
länder Richards, die hier Bildniffe mahlt, Humboldt’, Rauch's, 
ded Bringen von Preußen ꝛc. Der Prinz befucht fie oft, auch 
in Stunden, wo nicht gemahlt wird. — 

Der unfaubere Gefell Markus Niebubr, in welchem der 
König feinen Taufpashen und des Vaters Namen liebt, hat 
ein rothes Buch, in welchem Tauſende von Namen ftehen, mit 
km Vermerk, ob jie im Jahre 1848 bloßgeftellt oder übel 
genannt worden; bei jedem Vorſchlage zu Beförderung, Aus- 
zeihnung oder neuer Anftellung läßt nun der König erft 
Rebuhr in feinem Buche nachfehen, und fpricht das nicht 
günftig, fo ift ein Genehmigen unmöglich von ihm zu erlan- 
gen. Dan kann fich vorftellen, was für Schäfligfeit, Privat: 
feindihaft, Berläumdung, Ungerechtigkeit, und wie zahlreiche 
Ittthümer dabei ftattfinden! — Und doch find Simons und 
von der Heydt unter den Miniftern, Ryno Quehl, Minutoli 
find Generalkonſule ꝛc. — 


Dienstag, den 25. April 1854. 

Die erfte Kammer bat nun auch den Kredit von 30 Mil- 
lionen bewilligt. Eine ganz rujfifche Nede des Geheimen 
Rathes Stahl war das oberflächlichfte Sophiftengefhwäg, ' 
wurde aber beflatfcht von dem blöden Partheitroß, der 
blindlingd dem Führer folgt; diefe Parthei fagt unauf- 
börlih, die politifchen BVerhältniffe gehörten nicht vor die 
Kammern, feien bloß dem Könige zu überlaffen, und grade 
dieſe Barthei treibt am hitzigſten darauf, dag man fich für Rup- 
land erfläre! Die Schufte und Rumpen fcheuen feine Krech- 
keit, widerfprechen fih in Einem Athem, und find fo von 
Bosheit und Gift durchfreſſen, daß man wohl fügen fann, 
ebe dieſes „ſtrophulöſe Gefindel* nicht vertilgt ift, darf Preus 
ben fein Heil hoffen, feine Ehre, Die Kreugzeitung fehleudert 


48 


auch heute wieder die ftinfenden Ausflüffe ihrer ( 
auf Bethmann=Hollweg, auf Binde; ihren Hanswu 
von Gerlach dagegen will fie zum Staatsmann, ja 31 
helden machen! Es weiß alle Welt, daß die ſämmt!l 
lach's, den General an der Spike, feine Helden | 
wo fie in voller Sicherheit ihr frecheg Gefchwäg f 
nen, am Hof in ihren Kotterieen, in die ſen Mino 
Zumpenfammern! — 

Zwei telegraphifche Depefchen aus Wien in t 
blättern, erſtens daß Odelfa von den Engländern ' 
werde und in Flammen ftehe; zweitens daß Pask 
Räumung der Fleinen Wallachei, die Abbrechung all 
dung mit Serbien, und die Auflöfung aller Freiſd 
fohlen habe! Das wäre eine große Nachgiebigkeit, 
für Deiterreich berechnet! Daneben aber Neffelr 
lauffchreiben über die Aufftände in der Türkei und 
land ihnen Schuß und Beiftand angedeihen la 
daneben wieder das Siegsgeſchrei der Kreuzzeitung 
gehe der Krieg an, feit Pasfewitfch, der Nadyfolge 
bitfch, der Sieger von Erivan und Warfchau, auf de 
platz erfcheint? Die Unfähigkeit und Schwäche des « 
marfchalld find aller Welt befannt. — 

In Weinsberg ftarb am Ofterfonntage Juftinu 
rau, Ridele! Sie war hochbetagt, und feit le 
ſchwach. — 

Man erzählt ſich von einem Schreiben des 
Kaiſers, worin er dem Könige Vorwürfe macht, er 
ſchweren Verwickelung, die jetzt vorhanden, ganz all 
wäre er zur rechten Zeit des Muthes geweſen, ſo z 
wie er zu denken verſichere, jo wäre es gar nicht z 
gefommen. So hat der König auch von dieſer ©ı 
Dank! — 


49 


, Mittwoch, den 26. April 1854. 
Vermählung des Kaifers in Wien, Amneftic, doch be: 
Ihränfte. — 


Donnerstag, den 27. April 1854. 

Audgegangen mit Qudmilla; unter den Linden im Pictoria- 
Hotel bei Madame Gaggiotti. Bildniß von Humboldt, von 
Rauch. Madame Gaggiotti, erfcheint, eine ſchöne Frau, mit 
Bliden der fanfteften Kraft, von hoher, fchlanfer, graziöfer 
Geftalt, überaus zuvorkommend und freundlich; lächelnd, ge: 
ſprächig — franzöſiſch, deutſch, engliſch, italiäniſch, mit ger 
laͤufigſter Zunge, — fie bemerkt, daß ich fie noch lieber als ihre 
Gemählde anſehe; darauf ihr kleiner Sohn Raoul, ihre Mut⸗ 
ter. Wir folgen ihr zwei Treppen hoch in ihr Atelier, wo das 
angefangene Bildniß des Prinzen von Preußen fteht, dann in 
'hten Salon. Das Ganze ein allerliebftes kleines Abentbeuer! 
Die Frau ift wirklich eindrudsvoll fchön, fehöner als ihre 
etwas rajch gemahlten Bilder. — 

"Reimer ſchickt mir den fünften Band von Perg Biographie 
Stein's. Ich habe den ganzen Regen⸗Nachmittag darin ge: 
leſen und geblättert. Wider Willen enthüllt bier Berk den 
gereizten, oft befchränften, oft fich jelbit beftreitenden Sinn 
Stein’, feine Hoffahrt und Eitelfeit, die nicht felten zur Prah— 
letei wird; er bildet fich befonderd immer auf Sittlichfeit viel 
äin,.die doch in vielem Betracht nur Einbildung ift! Sein 
ewiges Gerede über Stände, wie fie fein follten, zeigt wie ſehr 
et hinter feiner Zeit zurüd war, wie unpraktifch es in feinem 
Kopfe ausſah. Er fhimpft auf die Karlsbader Befchlüffe, 
aber man fieht, er hätte fie auch und noch fchärfer gefaßt, 
wäre er an der Spike der Angelegenheiten gewefen. Sein 
Gift und Haß gegen Hardenberg ift ganz efelhaft, und geht 
bid zur Berläumdung. Hätte er Doch erlebt, wie er felber 


Barnhbagen von Enfe, Tagebüder. XI. 


50 


vom General von der Marwitz angeſehen wurde in deſſen 
Denkſchriften! Das könnte ihm zur heilſamen Selbiterfennt- 
niß gedient haben. Offenbar fehlt dem heftigen Eifer und der 
unruhigen Kraft Stein's in diefer Friedenszeit ein tüchtiger 
Gegenjtand, er ſucht ihn in der Zerfplitterung der vaterlän: 
diſchen Sachen vergebene. Auch Wilhelm von Humboldt zeigt 
fi) in feinen Mittheilungen an Stein nicht auf feiner fonjtigen 
Höhe, er fügt fi etwas zu ſeht unter Stein's Art, mit dem 
er ed nicht verderben will. Und Stein hinwieder, Der die 
Unfittlichfeit in den Berhältniffen Hardenberg's immer jo ſcharf 
rügt, läßt die Humboldt'ſchen jchweigend unberührt. ‘Berk iſt 
feinerfeitö Theilnehmer an diefer heuchleriihen Anbequemung, 
er ift ganz und gar partheiifch, verfchweigt alles, was für 
Stein mißlich herausfommt, z. B. Wittgenftein’d großes 
Schreiben an Stein vom Jahre 1807, und fhmüdt ihn auch 
wohl mit fremden Lappen, 3. B. dag Stein Miturfache an dem 
Srfolge Badens auf dem Kongrep in Wien geweſen, was ganz 
und gar nicht wahr ift. — 

Berathung im Staatsminiiterium über dad Verhatten bei 
Priſen, die in preußifchen Häfen aufgebracht werden. Man 
wählt den vorfihtigen Ausweg, auf den Urjprung der Schiffe 
nicht zu achten, jondern nur auf die Flagge, unter der fie ein- 
laufen. — 

In der zweiten Kammer fpricht Binde jeine Verachtung 
gegen Ludwig von Gerlach aus, fo Fräftig, daß der Präfident 
ihn zur Ordnung ruft. Bethmann-Hollweg geht jämmerlich 
zurüd, und glaubt gegen die Scheuplichkeit Des Straßenunfuge 
im Jahr 1848 zu Berlin reden zu müſſen! Es gab feinen 
Unfug, ald den, den die Reaktion angezettelt. 


— ln nn 





51 


Freitag, den 28. April 1854. 

In Stein waren ftets zwei Naturen in Streit, und wur: 
Den niemals einig, die repolutionaire demokratiſche, und die 
antirevolutionaire ariftofratifche, in feinen fpäteren Sahren 
wurde die [eßtere ganz überwiegend. Er fchimpfte zwar fort- 
während auf die Fürften und ihre Minifter, aber doch lieber 
auf die Bolfdmänner und freien Geifter. ch werde in mei- 
rem alten Urtheil bejtärft und beftätigt, er war ein tapferer 
Held, er mußte fich ſchlagen, mit welchem Feinde, dad ergaben 
Die Umftände. Sein Ruhm wird durch Perg nicht eben fehr 
erhöht werden. — 

Herr Aſſeſſor Paalzow ſendet mir die zweite Lieferung fei- 
rer „ Altenftüde der ruffifchen Diplomatie”. Lehrreich, ver: 
Dienſtlich! — 

Der König hat Savigny’n nachträglich einen kurzen Be: 
Juch gemadt. — 

Der König ift mehr ald je ruſſiſch; der Troß und die 
irehheit der rujfifchen Lakaien, der Kreuzzeitungsparthei, 
Teißt ihn fort, die vielfachen Einwirkungen des Kaiſers Nikolai 
Mragen fehr dazu bei. Der Kriegdminifter von Bonin foll ent: 
Naſſen werden. Man nennt als feinen Nachfolger den Grafen 
won Walderjee, der deßhalb auch fchon von Frankfurt a. M. 

Wier eingetroffen fein fol. — 


Sonnabend, den 29. April 1854. 
Geſchrieben. — Alles iſt voll von neuen Friedenshoffnun— 
gen, die vom Hofe hier ausgehen; der König ſchmeichelt ſich 
immer auf's neue, das Vermittleramt ausüben zu können, 
feinen Anträgen, — die aber, wie Manteuffel felber gefteht, 
bis jegt nur Phrafen ohne eigentlichen Inhalt find, — Ein- 
gang zu verfchaffen. Im Frieden würde dann die Parthei 
der. ruffifchen Lakaien recht ungeftraft ruffifch fein können. 
4° 


52 


Rußland macht die größten Anerbietungen an Preußen, will 
alle Gränzfperre aufheben, den Handel begünftigen ꝛc. 
Warum gefchah das nicht im Verlaufe von vierzig Friedens— 
jahren? Warum ließ man alle vandelsvertraͤge wider Fug 
und Recht unausgeführt? — 


Sonntag, den 30. April 1854. 

Mittags Beſuch von Bettina von Arnim, die ganz erfchöpft 
anfam, buftete und Blut ſpie, alles von Aerger und Verdrug, 
die fie zu Grunde richten, wie fie jagt. Sie hat die größten 
Anflagen wider den Juftizratb Caspar, der anftatt ihre Sadıe 
zu führen, ſich auf die Seite ihrer Gegner jtellt! Das ift in fo 
fern richtig, ald er die Anfchuldigungen, welche Bettina gegen 
fie erhebt, nicht fo wie fie e& will, begründet finden kann; der- 
felbe hat fchon zu Herrn Siegfried gefagt: „Am Ende wird 
fie auch noch von mir fagen, daß id) fie betrüge!* Dies bat 
Bettina von Siegfried wiedererfahren, der aber, ald jie davon 
jpäter wieder anfing zu reden, und ihn fragte, wer ihr das 
doch wohl gejagt habe — als fünne fie fich nicht befinnen — 
und meinte, es fönnten wohl Spitta und Leutz es gefagt 
haben, dies gleich gelten ließ, und klüglich verfchwieg., dap 
ed von ihm fomme! Nun ift ihr auch Siegfried etwas verdäch— 
tig, wenigftens der Verfhüchterung und Zagbaftigkeit! Sie 
dauerte mich unendlih; denn wenn auch verworren und 
irrend, und vielfältig ſchuld an ihren Leiden, geht fie dody nicht 
weniger daran zu Grunde! Sie lad mir einen Briefentwurf 
an Caspar vor, an dem fie auf mein Anrathen einiges 
änderte, denn die Annahme, dag fie an einen Mann fchriebe, 
der vielleicht "in der Folge ihr Gegner werden fönnte, wurde 
von ihr begierig aufgefaßt. Ich entließ fie mit beiten Troſt⸗ 
worten und Ermunterungen, wofür fie herzlich dankte, und 
anjtatt zu jchlafen überlegte ich noch lange Zeit, was ſich 


53 


wirffam für fie thun ließe, wiefern ich dabei hülfreich fein 
fönnte? Leider, ohne dabei auf ein gutes Ergebniß zu fom- 
men. Sie will bald auf's Land gehen. — 

Nachricht, daß am 23. wirflih Odeſſa bombardirt worden, 
ald Strafe dafür, daß dort auf ein englifches Parlamentair; 
ſchif geichoffen worden. Sonft nichts Ernftliches von Seiten 
der Weſtmächte! — Hier fpriken die Ruffen- Preußen fort: 
während ihr Gift aus, in Reden, in Zeitungen ꝛc. — 

Am 25. April ftarb zu Tarputichen der Rittmeifter Ernſt 
Friedrich von Sauden, geb. am 24. Augujt 1791. Ein ächter 
preußischer Baterlandöfteund, fo tapfer, als edel und freifin- 
nis. Im Bereinigten Landtag und in der Nationalverfamm- 
lung ein erprobter Biedermann! — Ä 


Dienstag, den 2. Mai 1854. 

Im Thiergarten bei den Zelten, Anfprache bei Bettina 
von Amim, wo ich Herrn Siegfried antreffe; Bettina faate 
mir, fie habe große Luft an Humboldt zu fchreiben ivegen dee 
Pſychographen, weil ihr der, auf die Trage, ob der König fie 
noh liebe, geantwortet habe, „die Liebe glühe unter der 
Adel" Das folle Humboldt wiffen! Humboldt foll es dem 
Könige jagen, das ift die Meinung! Immer will fie wieder 
mit dem König anbinden; Tann fie ihn nicht endlich ruhen 
laſen? Diefe Sucht mißfällt mir auf’8 äußerfte! — 


Mittwoch, den 3. Mai 1854. 


Der Kaifer Nikolaus vermag feine Kriegsheere nicht felbft 
zu führen, das überläßt er jeinen Generalen, die auch fchlecht 
genug find! Dafür fommandirt er zu St. Peterdburg in eig> 
ner Berfon die — Reichenparade des preußifchen Gefandten 
von Rochow!! Die dem Lebtern in den Zeitungen gehaltes 


51 


nen Lobreden find ekelerregend; freilich ein Lob, das ſole 
Nullicät decken fol, fann nicht groß genug fein! — 


Donnerstag, den 4. Mai 1854. 


Am 2. Mai ftarb zu Bonn Sulpiz Boifjeree an der Bruf 
waflerfucht, 71 Jahre alt. Ich ſah ihn zuerjt in Dresden i 
Frühjahr 1810, und gab ihm Empfehlungen nad Prag uı 
Wien. Gefallen hat er mir nie, er hatte ein vornehm anma 
liches Wefen und war voll von Vorurtbeilen, katholiſche 
arijtofratifchen, romantischen. Seine Verdienfte find grı 
in einer Nichtung, die an fich zu loben wäre, wenn fid) nic 
jo viel mächtiger Dufel damit verbunden hätte. Der Mahl 
Meier aus Rathenau konnte ihn Schon 1810 nicht leiden; d 
Graf Reinhard führte bittere Klagen über ihn. -- 

Jakob Grimm's Vorrede zum deutfchen Wörterbuch q 
lefen. Mit aller Ehrerbietung vor feinem großen und reich 
Wiffen, vor jeiner bürgerlichen Rechtlichkeit, ift er Doch au 
voll mürrifcher Eitelkeit und Teidenfchaftlicher Nechthaber: 
Seine Gegner Sanders und Wurm glaubt er mit hohl: 
Machtſprüchen und eiteln Schmähungen vernichten zu könne 
Adelung und Voß muß er doch diegmal mit Ehren erwähne 
doch ſucht er ihr Lob eiligft wieder zu befchränfen. Alt 
trägt er im gereizter Stimmung vor, und nicht ohne Zi 
rerei. Die Gothaer halten zu ihm, fchlechte Gefellichaf 
Unter feinen Quellenfchriftitellern bin aud ich genann 
aber nur mit den fünf Bänden biographifcher Denkmal 
Hegel fehlt, aber Kant, Fichte, Schelling find da, Friedri 
Auguft Wolf auch, doch nur mit feiner Proſa, nicht mit di 
funftvollen metrifchen Ueberfegungen. Grimm's Lettern wı 
Schreibweife thun mir in den Augen web; ich will nicht hoffe 
daß jie jemals allgemein werden! — 


55 


Freitag, den 5. Mai 1851. 

Seit 4 Uhr ohne Schlaf, und doch zu müde um aufzu- 
teben, überlegt’ ich mir den Zuftand der Welt, mein Berhält- 
niß zu ihr und zu den Menfchen, und fand meinen Geſichts⸗ 
freid zwar fehr erweitert, den Boden aber, auf dem ich ftehe, 
äußerft verengt, faft zur Angft! So viele Stüßen find meinem 
chen aefunfen, immer noch fallen deren zuſammen, und die 
verfuchten neuen erweifen fih unbrauchbar. Sich einzig auf 
ich felber zurückzuziehen, in Gedanken und einfamen Gefühlen 
feinen Troft zu haben, iſt ſchwer und hart! Doch bleibt zulekt 
nichts andred übrig, denn die Welt, wenn wir fie nicht mit 
unfern Zwecken und Neigungen erfüllen, ift öde, das Men- 
Ihentreiben verworren, traurig, widerwärtig. Nicht eigen: 
ſüchtig ſeh' ich alles an, als verdiente grade ich e8 beffer; in 
ten Gebrechen und Widrigfeiten der Andern feh’ ih auch 
meine eignen, mit gleichem Urtheil, gleicher Abneigung. Be⸗ 
ſonders fchmerzlich ift e8 mir, daß neben der Geſellſchaft auch 
die Ritteratur fo widrig audeinanderfällt, verwildert, zergeht. 
Die Blüthen alle ſchwinden, und die Frucht fieht man noch 
nicht; fommt fie auch gewiß, und fieht man fie herrlich gedei- 
ben, jo gleicht fie doch nicht der erften, deren Anblick erfreute, 
deren Genuß entzüdte! — . 

Der Kriegsminifter General von Bonin ift entlaffen, 
General Graf von Walderfee tritt an feine Stelle; von Bonin 
bekommt eine Divifion in Neiße. Der König ift wüthend 
über Bonin's Aeußerungen über Rußland; aber aud Bonin 
ift tief beleidigt! — 

Daß Bunfen dagegen auf feinem Poften bliebe, ift wohl 
ein leered Gerücht. In der herfömmlichen Unrichtigfeit wäre 
es jedoch ganz richtig! — An Rochow's Stelle nad) St. Peters⸗ 
burg geht einftweilen Herr von Werther. „Nun, darin ift 
doh Konfequenz! Der eine dumme Kerl durch einen nod) 
dümmern erſetzt!“ — 


L) 
De St TE 


56 


Was wird, nicht allein Frankreich und England, was 
wird Defterreich zu der neuen preußifchen Schwenfung zu 
Rußland fagen? Was follen die deutfchen Höfe von Preußen 
denken? Gine jämmerlihe Wirthfchaft, aus Widerſprüchen 
und Schwäche, Trog und Albernheit zufammengefegt! — 

Die Entlaffung Bonin’d iſt durch ein eigenhändiges 
Schreiben des Kaiferd Nikolaus an den König erfolgt, und fo- 
gleich ohne alle weitere Berathung oder Rüdiprache. — Man 
hat in Bonin’® Aeußerung befonders dad Gleichnig vom Ba- 
termord übelgenommen, als habe er damit auf den Tod Paul's 
des Erften, des Vaters des jetzigen Kaiſers, angefpielt. Der 
jegige Raifer aber war bei Paul's Ermordung noch ein Knabe, 
und auch der ältere Alerander ohne unmittelbare Schuld. Die 
Bosheit ift aber fo groß, daß fie fich gar nicht fcheut, auch 
die größte Dummheit zur Hülfe zu nehmen! — 


Sonnabend, den 6. Mai 1854. 

Ueber zwei Hinrichtungen, die geftern im Zellengefängniß 
bei Moabit ftattgefunden, berichten unfere Tagesblätter fehr 
anftändig; die Verbrecher, elende Raubmörder, konnten: Fein 
beſonderes Bedauern erwecken, dennoch fpricht fih im Alt: 
gemeinen der Widerwillen gegen die Todesftrafe auch bei diefer 
Gelegenheit aus. Nur alte fteife Gerichtäleute, und die fana- 
tifchen Junker der Kreuzzeitungöparthei find heftig für Blut- 
urtheile; könnten diefe Teufel je freie Hand befommen, wir 
hätten unfere Schredendzeit, wie die Franzoſen fie gehabt, an 
Marat's, Collot d'Herbois, Fouquier-Tinville’s ꝛc. fehlt es 
nicht, wenn ſchon die Talente fehlen! Unſere ſchwarzweißen 
Jakobiner ſind nur Bluthunde! — 

Die heute amtlich bekannt gewordene Entlaſſung Bonin's 
hat an der Börſe ſchlimmen Eindruck gemacht, und die Kourſe 
ſind etwas gewichen. — 


97 

Man verfichert, unfere erfte Kammer werde nun bald ale 
neugeſtiftete Pairskammer hervortreten, und man will wiflen, 
dab Stahl unter den ernannten Paird obenanfteben werde! 
So wird unter den hochadeligen Großen des Reiches gleich ein 
getaufter Jude mitglänzen! Es ift ihnen zu gönnen, er ift 
unter ihnen noch immer ein Kopf, wenn auch ein chledhter 

ſophiſtiſchet. — 

„Denn wir unfre Truppen mobil machen, fo geichicht ce 
zuerjt- am Rhein.” Ich glaube das leicht, es paßt zu allem 
Hebrigen. — 

Der Kriegeminifter von Bonin war beim König zur Tafel, 
diefer überaus freundlich mit ihm; nad) dem Eſſen aber nahm 
er ihn in fein Kabinet, verjicherte ihn, daß er feine Dienfte 
ganz anerfenne, allein feine Politif fordere, daß er ihn ent: 
laſſe. Bonin batte nichts einzuwenden. Draußen fagte ihm 
der Feldmarfihall und Oberfammerherr Graf von Dohna, 
der Kreuzzeitungsmann, ungefähr dafjelbe, aber mit dem 
Tone des Vorwurfs, worauf Bonin mit Schärfe antwortete. 
Am folgenden Tage ſprach dew König mit Dohna, jams 
merte und Mlagte, fie hätten ihn den treueften Diener, den 
beiten feiner Minifter entfernen laffen, er wolle ihn aber be> 
halten, ed reue ihn, Bonin müffe bleiben. Da nahm Dohna 
das hobe Wort, ſprach vom Kaifer von Rußland, und fchüch- 
terte den König fo ein, daß der betrübt abging, und e8 bei der 
Entlaffung ließ. Und wer ift Dohna? Ein altes Weib, wie 
auch Gerlah und Stahl alte Weiber find; mächtig allein durch 
die Gefpenfter, mit denen fie den König fchreden. Dieſelben 
Leute haben auch Bunfen weggebiffen, gegen den der König 
aufgebracht ift, dem er fein Unrecht nachweiſen fann, und der 
noch immer zu feinen Lieblingen gehört! — 





— — — — — — .- 


58 


Sonntag, den 7. Mat 1854. 

Wie Bonin feine Entlaffung aufgenommen hat; fehr ent: 
Ichloffen und unbefümmert! Der Prinz von Preußen wußte 
gar nicht? davon, war ganz übertafcht und betroffen, machte 
feinem Unwillen in den heftigſten Ausdrüden Luft. Es war 
im Werke, dem abgetretenen Kriegäminifter eine öffentliche 
Huldigung zu bringen, der Prinz von Preußen wollte daran 
Theil nehmen, e8 unterblieb, um Bonin nicht zu fchaden. — 

Zu Ludwig von Gerlach hat jemand gefagt: „Fürchtet 
ihr denn nicht, euch den Thronerben fo ganz zum Feinde zu 
machen?* Gerlach antwortete lachend: „Pah! noch ift er 
nicht König und muß fufchen, ift er aber erft König, dann 
werden wir ihn auch fchon zu fangen wiffen!* — Die Ger: 
lach's find frech, und oft nicht Flug genug, das fieht man! — 

Der Prinz von Preußen hatte am freitag eine lange 
Unterredung mit Bonin. Geftern fchrieb er an den König, er 
fei frank, und bedürfe einer Kur; bieberberufen, weil man 
feinen Rath wünjchte, habe er dag Mißvergnügen zu fehen, 
daß fein Rath unnüß fei undmie beachtet werde, er fei frank 
aus Aerger und Verdruß. Der König antwortete Togleich, er 
könne geben. Heute Abend ift der Prinz nad) dem Rhein und 
nach Baden-Baden abgereift, wo die Prinzeffin ſchon einge: 
troffen. — 

Der Minifter von der Heydt ift der einzige Minifter,; der 
bei dem entlaffenen Bonin einen Befuh gemacht hat. Der 
Schächer will ed mit dem Prinzen von Preußen nicht verder: 
ben! Ein edler Beweggrund it bei ihm niemald vorauszus 
legen! — 

Die Kreugzeitungeparthei fteht in lebhaften Verkehr mit 
dem Kaifer Nikolaus, und hat ihn zur gelegenen Zeit zu einem 
neuen Brief an den König veranlaßt, wodurd die neuefte 
Schwenfung bewirft worden. Der Graf von Dohna, ganz 
unbedeutend, ein altes Weib, aber Feldmarſchall und Ober: 


59 


kammerherr, ift eine wichtige Verftärfung der Ruffenfreunde, 
er fpriht den König täglich und ganz vertraut. — 

Manteuffel’d Wirkſamkeit fol ſehr befchränft werden, 
durh Dohna und durch Bigmard-Schönhaufen, der eben hier 
angefommen ift; wenn er nicht endlich doch lieber ganz den 
Adjhied nimmt ! Aber die VBortheile, auch pekuniairen, feiner 
Stellung, ſollen ihm zu wichtig fein! — 

Ein junger von der Marwig nach St. Peterdburg gefandt; 
jeine Tante, die Gräfin Münfter, hut es bewirkt; einem folchen 
fann man fichre Briefe mitgeben. — 

Der Bring von Preußen ift auf fechd Monate beurlaubt 
(nad andern auf unbeitimmte Zeit), von allen auilitatrifchen 
Dienſtgeſchäften vollftändig dispenfirt. — 

Der Kaifer Nikolaus hatte vom König die Entlafjung Bo- 
nin's verlangt, der König dem Prinzen von Preußen die Hand 
darauf gegeben, daß es nicht gefchehen folle. Bier Stunden 
Ipäter war es gefchehen! — 


Zum 7. Mai 1854. 

As der Prinz von Preußen die Entlaffung des Kriegami: 
nifterg von Bonin, erfuhr, war er außer fih vor Unwillen 
und jhrieb fogleich an den König einen heftigen Brief, den er 
vor der Abfendung dem General von Bonin mittheilte; 
diefer, über den barten Ton des Prinzen erfchroden, bat ihn, 
den Brief nicht abzufchiden, da derſelbe nur nachtheilig fo- 
wohl für den Prinzen ald auch für den General felbit wirken 
könne. Der Prinz verfprah, den Brief zurüdzubehalten, 
fandte ihn am folgenden Tage aber dennody ab. Der. König 
gerieth in den höchften Zorn, und war fo tief verlegt, daß er 
einige Generale berief, um fie zu fragen, ob der Prinz nicht 
vor ein ſtriegsgericht geitellt werden, und ob dieſes nit ihn 
der Felonie fchuldig erflären müfe? Wrangel, Neumann, 


60 


Möllendorff und Andere, flimmten dem Könige bei. Der 
Prinz hatte unter andern gefchrieben, die Armee werde ſich 
ein fo willfürliches Berfahren nicht gefallen laſſen. Man 
Iprath davon, daß durch ſolche Drohungen der Kopf verwirkt 
werde. Der Prinz, feiner Stellung theilmeife entſetzt, reifte 
nach dem Rhein. Die Sache war noch in der Schwebe, und 
fonnte dem Prinzen gefährlich werden, da viele Perſonen ihm 
entgegen waren, und fogar die Hoffnung hegten, ihn von der 
Thronfolge audgefchloffen zu fehen; allein fein Bruder Al: 
brecht vermittelte e8, daß bei nächfter Gelegenheit der Prinz 
von Preußen einen Brief an die Königin richtete -- ich glaube, 
es war ihr Geburtötag herangekommen, — in weldyem er feis 
nen Auedrüden in dem Brief an den König eine mildere 
Deutung gab, und durd diefe zu einer Art Ausföhnung die 
Hand bot. Der General von Bonin hat alles, ihn biebei 
Betreffende, dem General von Pfuel ausführlih erzählt; von 
diefem hab’ ich ed. — 


Montag, deu 8. Mai 1854. 

Nachmittags Beſuch von Bettina von Arnim. Sie denkt 
den gerichtlichen Berfolgungen bier durh eine Reife nad) 
Weimar oder auf’d Land zu entgehen, und auch wohl zu be- 
wirken, daß alle Klagfachen in Weimar anhängig gemacht wer: 
den, ftatt hier gegen ihre Perfon, dort gegen den Arnim’fchen 
Berlag; allein die Gläubiger werden dazu jchwerlich zu bewe⸗ 
gen, nocd weniger zu zwingen fein. Uebrigens ift fie ganz 
erfüllt von den hiefigen politifchen Vorgängen, den Ränfen 
und Einflüffen der Kreuzzeitungsparthei, den ruffifchen Betrei- 
bungen, der Schwenfung ded Könige nach diefer Seite hin. 
Die Entlaffung Bonin’d macht das größte Auffehen, er: 
weckt den ftärfften Widerfinn gegen den König Man jagt 
ohne Scheu, Bonin habe in der Kreditfommiffion fo fprechen 


61 


müflen, wie er gethan, er fei dazu beauftragt gemwejen-und 
ganz gebilligt worden, weil man ja die 30 Millionen haben 
wollte und jie ander® nicht zu befommen glaubte, ald unter 
Darlegung antirufjifcher Abfichten; jebt habe man die 
30 Millionen, da verwerfe man die Mittel durch die fie ge: 
haft worden. — — | 

Ein angefehener Mann bier, nicht Demofrat und faum 
Kiberaler, bat im Unwillen gejagt, die hiefige Wirthfchaft laufe 
auf ein foldhes Ende hinaus, wie Jakob der Zweite von Eng- 
land ed gehabt; erſt prahlerifch, gehälfig, eigenfinnig, dann 
zum Erbarmen flein und jämmerlich; folche Könige feien 
Strafruthen Gotted für die armen Bölfer. — 

Manteuffel foll zwar Minifterpräjident bleiben, aber die 
Leitung der auswärtigen Angelegenheiten an Bismarck-Schön— 
baufen abgeben. Das wird fchön werden! — Stahl zum 
Kultusminiſter beitimmt, der getaufte Jude! Berberrlichung 
für Breußen! — 

Die aus Bethanien mit einem Hausknecht entflobene Dia- 
fonifiin fest die fromme Welt in größten Aufruhr. Die 
Scheinheiligen, die Eitelfrommen , find voll erbitterter Scham 
und Wuth. Erjt wollte man den Borgang dem König und 
der Königin verbergen, da das nicht ging, fo will man wenig- 
itend die Deffentlichkeit möglichft vermeiden, und ein höchiter 
Befehl verbietet von der Sache zu reden. Hindeldey hat die 
Zeitungen vertraulichit warnen laſſen, befonders den Kladdera- 
datich. — | | 

Manteuffel, der in der Kreuzzeitungsparthei am Hofe die 
bitterften Feinde hat, wird für den niedrigften Menſchen er: 

Härt, weil er Bonin allein abtreten läßt ohne mit wegzu— 
gehen. Auch die Parthei Bethmann-Hollmeg macht ed ihm 
zum Vorwurf, daß er wider alle Ehre auf feinem Poſten 
bleibt! — 

In. Baden hat eine fatholifche Gemeinde, die katholiſch 


62 


bleiben will, fih vom Erzbifchof losgeſagt! Die Regierung ift 
darüber nicht erfreut, fondern erichroden. — Über der Pfaffe 
fol! nun einmal wagen, fein Interdift über das Land auszu: 
Iprehen! — 

Bon Zeit zu Zeit wird an der neuen Zuſammenſetzung 
unfrer erften Kammer gearbeitet, das heipt an Beftimmung 
der Familien, die zur erblichen Mitgliedfchaft beftimmt jein 
jollen. Der König ſchwankt und zögert, indeß treiben die 
Miniiter das Werk möglihft, da ſolches zur Bollftändig- 
feit unſres Berfaffungspoffenfpield einmal unentbehrlich er: 
Iheint. — 


— — — — nn 


Dienstag, den 9. Mai 1854. 

Aufregende Träume; der Kaiſer von Rußland war hier 
angekommen, und durch ſeinen Einfluß wurde das Heer von 
einer Menge Offiziere geſäubert, die als ruſſenfeindliche 
bezeichnet waren; dann kam auch der Pabſt, und ſchaffte die 
Treigeifter und wirklich proteſtantiſchen Eiferer ab; Gerlach's, 
Stahl, Wagener, Goediche, Dohna, und ihre Spießgefellen 
erklärten jih als Diener ded Kaiferd von Rupland und des 
Pabſtes; Preußen hatte zu fein aufgehört. ch war wie 
errettet, als ich aufwachte! Perſönlich war mir von beiden 
Seiten nichts gejchehen. — 

Ueble Gerüchte von einem Minifterium der Kreuzzeitungs- 
parthei. Dafjelbe würde kurze Zeit heftig im Innern wüthen, 
feine Spießgefellen überall in die beften Aemter fegen, die 
Preſſe der Gegner unterdrüden, aber nach innen und außen 
ſchnell banfrott fein. „Ein Minifterium Polignac! Welches 
andere hat je der Revolution beffer gedient ?! — 

Viele Leute behaupten noch immer, der König fpiele Kos 
mödie, und fuche dem Kaifer Nikolaus was weiß zu machen ; er 
wolle gezwungen fcheinen, damit der Kaiſer ihn fpäter nicht 


63 


zur Rechenſchaft ziehen könne. Die Leute meinen, das jei flug 
gerehnet, aber nur der Verluſt an Ehre und Würde in der 
Rechnung ausgelaſſen. — 

Im Haufe Bethanien ſoll eine ſchlechte Wirtbichaft fein. 
Bei aller Pracht des Aeußern, aller Raumverfihwendung in 
der Anjtalt, jind doch zu zehn Kranke in einem mäßigen Zim— 
mer aufgehäuft, und die eigentlihe Krankenpflege joll fehr 
vernabläffigt fein. Beten und Singen aber wird mit Eifer 
getrieben. Die geringen Leute jagen, es fomme auch viel 
Liederlichfeit vor, die Diakoniffinnen feien zum Theil ſchlechte 
Weibsbilder ꝛc. — 


— — — 0 —— 


Mittwoch, den 10. Mai 1854. 

Es wird verſichert, Die Kreuzzeitungsparthei werde zuver: 
läjfig nicht in das Minifterium gelangen, faum erjcheine fie 
teigend, ‚jo werde fie auch gleich wieder dem Könige unan- 
genehm und verdächtig, ald wolle nun fie ihn leiten und 
lenken. Diefer Gedanke it dem Könige der unerträglichfte, 
dap er nicht ſelbſt alles leite und beſtimme. In dieſem Be⸗ 
treff, jagt man, ift es das Allerflügite von Manteuffel, bei 
jeder Gelegenheit ji ale den willenlofen Diener und Aus— 
führer ded Königlichen Willens binzuftellen, nichtö wirft beifer 
auf den König, nimmt ihn mehr gefangen. Das Allerflügite 
nennt man dad? Mag fein! Uber aud das Würdigite?! — 

Der König foll die Voſſiſche Zeitung, in der Bonin’s Ent: 
laſſung fcharf beiprochen, und der König mittelbar hart geta- 
delt worden, dem Polizeipräjidenten von Hindeldey vorgelegt 
und ihn gefragt haben, wie er dergleichen dulden könne? 
Hindeldey habe die Achſeln gezudt, und gemeint, er vermöge 
dawider nichtd, die Gerichte [prächen gewöhnlich frei! Darauf 
fei der König zornig geworden, und hat ausgerufen: „Sie 
müffen ſolchen Unfug abjchaffen, das ift Ihre Pflicht!“ 


64 


Hindeldey erinnerte, daß ed noch nicht lange her fei, dap 
Revolution die Herrfchaft gehabt, da müſſe man vorſicht 
fein. — Der Kern der Sache ift, daß Hindeldey nicht für Andı 
jondern für fich arbeiten will, die Kreuzzeitungsleute hab 
auch ihn oft angegriffen, fo läßt er jegt gegen fie die Dem 
fraten gewähren. — 

Hier hört man im Stillen von Perſonen aus höheren Kr« 
fen die Meinung ausfprechen, der König leide an einer Gehir 
erweichung, und fo Laffe jich diefes Springen und Wechieln 
feinem Kopfe erflären, diefer Wirbel, in welchem fein Gedan 
flar und feft werden könne. — 

Ganz unbedeutende Leute haben den größten Einfluß, t 
unfähigiten, dunfelften, ein Marfus Niebuhr, ein Lou 
Schneider, eine Rammerfrau, ein Lafai. Und welche Un 
bedeutendheiten und Unfähigkeiten in großen Namen us 
Würden jteden, ift auch befannt! Eſel überall, in graue 
Tell, unter eignem Namen, oder in gefticdten Uniformen 
andrem. — | 

Bei dem legten Militairavancement find eine Menge höb 
ver Offiziere übergangen worden, die dadurch gewiſſermaß 
genöthigt werden, den Abfchied zu nehmen. Es find fehr tür 
tige darunter. Die Auserwählten find größtentheild Gun 
linge der Kreuzzeitungsparthei, die Ausfcheidenden von 
angefeindet. — 


— — — — — 


Donnerstag, den 11. Mai 1854. 
Nachmittags Beſuch von Bettina von Arnim. Sie [pr 
ernftlich von ihrer Reife nah Weimar. Der Nechtsanz 
Caspar hat ihre Papiere verloren, die ala Belege nöthig ji3 
um eine Vorladung zu verſchieben, hat er ein Ärztliches Atı 
verlangt, daß ihr Gefundheitszuftand von der Art fei, daß 
feinerlei Gemüthsaufregung jet ertragen könne, nachd 





65 


Dr. Büding ein ſolches Zeugnig ertheilt hat, ſagt jener, es 
würde wohl nicht nöthig fein! Sie fieht ordentlih ſchlimm 
aus, von allem Aerger und Berdruß, und wenn fie auch 
gropentheil® felber daran ſchuld ift, die Kolgen find darum 
nht weniger traurig! — Bon politischen Dingen erzählt fie 
manderlei, was fie bei Savigny's gehört hat, darunter auch 
einiges, wad fie nur von mir weiß! Sch dachte erft, fie wolle 
Spap machen, es war aber voller Ernſt, und die Sache mir 
zugleich ergöplih und bedenflih! Herr von Meding, ganz 
und gar ein Mitglied der Kreuzzeitungsparthei, klagte bitterlich 
über die Angriffe, die jie von allen Seiten zu beftehen hätten, 
und gen die fie nichts thun könnten, als jie ſchweigend bin- 
nehmen! Er wünjcht die Zenfur zurüd, die ihnen allein freie 
Rede gäbe, den Anderen dag Maul jtopfte. Herr von Die: 
ding wundert jich wohl gar, daß man ihn und jeinesgleichen 
niht hochachtet und ehrt? Ja, das ift zuviel verlangt! — 


Im Potsdam find die Gardeoffiziere fehr aufgebracht gegen 
; den Prinzen von Preußen, fie ſchimpfen laut auf ihn, wie 
1848 auf den König. Damals war der Prinz ihr Abgott, 
den fie mit Eifer dem König gegenüber ftellten! Jetzt ift der 
Knig ihr Held, weil er ruffenfreundlich erfcheint! Dies ift 
oh, wie damals, nur die Stimmung der Gardeoffiziere, 
im übrigen Heere denkt man ganz andere. Spaltung in den 
Inıppen, eine fchlimme Sache! — 


Man ſagt, der König fei gegen feinen Bruder fchneidend 
| ht geweſen, und habe fich recht gefreut, daß er ed gegen ihn 
durhgefept, einen fo widrigen Tadler endlich entfernt habe. 
Jedoch lange, meint man, werde er ed nicht aushalten, fon- 
dem reuig eben fo nach feiner Wiederkehr jammern als 1848. — 


Auf Bonin wird in Potsdam ſchrecklich gefhimpft. Wer 
Ad fo vergehe, wie er, der müffe geftraft. werden, der müſſe 


ganz aus dem Heere fcheiden. — Wenn Reden beitraft würden 
Barnhagen von Enfe, Tagebüder. XI. 5 


66 


nad) Gebühr, wie viele der Tadler müßten ohne Abſchied ent- 
laſſen werden. — 

Heute früh flarb Frau Sara Levy, geb. Itzig, beinahe 
93 Jahre alt. Die Schwefter der Arnftein, Eskeles, Ephraim — 
Oppenheim, Salomon. Sie war eine gebildete, Muge una 
auch — befonders in den fpäteren Zeiten — mwohlthätiges, 
Frau; doch ohne höheren Geift und ohne alle weibliche An= 4 
muth, man fagte daher auch von ihr, fie fei ein rehtfchaffener — 
Mann! — 

In Roftod find die drei Advofaten Müller, Wedmann un” = 
Ehlers verhaftet worden. In Mainz Herr Dr. Müller— 
Melchiors bei feiner Rückkehr aus Newyork verhaftet® ab ı 
gleich wieder freigegeben. —— 


Freitag, den 12. Mai 1854. 

Zu Mittag fam Frau Bettina von Arnim wieder; fie 
erzählte die große, und zugleich Läherfiche Neuigkeit, der König 
babe dem Prinzen von Preußen fchon den Feldmarſchall und 
Oberfammerheren Grafen von Dohna nachgeſchickt (ſiehe den 
13. Mai), um ihn zu begütigen, weil er fürchtet, der Prinz 
möchte ſich der Feier feiner filbernen Hochzeit hier entziehen, 
was ein Nergerniß und ein Schimpf vor der ganzen Welt fein 
würde! Bettina hat es von Fräulein von Kalb und vom 
Grafen von Flemming. — 

Der ehemalige Staatsminifter Graf von Alvensleben hat 
ſich doch wieder bewegen laffen, eine Sendung nah Wien an— 
zunehmen. Er foll dort die übeln Gindrüde, die des Königs 
letzte Verfahrungsweiſe verurfacht hat, wieder auszulöſchen 
ſuchen. Man ift in Wien fehr aufgebracht, und in Paris 
nicht minder, Louis Bonaparte hat ſich ſeht hart und fhnöde 
über den König ausgeſprochen, ihn karakterlos, unzuverläffig 


67 


genannt, eine gute Lektion fer ihm nöthig, und könne ihm 
verden ꝛc. — 

Man hat die Bemerkung gemacht, daß bei den letzten Mi- 
itairbeförderungen nur rufjischgefinnte Offiziere bedacht, ruf- 
enfeindliche entichieden übergangen worden feien. Das macht 
uted Blut! — 


Auch wegen Bonin's fühlt der, König fchon reuiged Unbe- 
rigen; er hat der familie deffelben das Schloß Schönhaufen 
ur Sommerwohnung einräumen laffen. Sie wäre lieber im 
Krieggminifterium geblieben! Bonin will, ehe er nach Neiße 
geht, eine Urlaubereife machen, man fagt, zum Prinzen von 
Preußen. — 

Ich jchreibe meijt noch nach alter Urt falſch, Oberfammer: 
herr“, e8 beißt aber „Oberſtkämmerer“; der König liebt Die 

<uperlative, und hat ein jt eingejchoben, und den Rang er- 
hoͤht. — 

Die Berhaftungen in Roſtock hängen mit dem fogenannten 
Närztomplott zufammen. Sowohl die dortigen als die hie⸗ 
ngen noch zahlreichen Gefangenen vom eriten Zugriff her find 
nun fhon vierzehn Monate in Unterfuchungshaft!! Man bes 
fraft ie im voraus für den Verdruß, den fie den Staatöret- 
term machen duch ihre Unfchuld! — 


Die Kreuzzeitung jagt ſchon, der Prinz von Preußen hate 
nur auf vier Wochen Urlaub und werde im Anfange des Juni 
wieder bier fein. Sie verfündigt, was der König zu verlangen 
hofft. Dem Prinzen wird aber von feinen Sreunden, die dem 
König äußerſt gram find, eifrigft gerathen nicht zu kommen, 
ınd jeine leidende Gejundheit vorzufchügen. — Er wird 
ommen. — 

Die vormald dänische, jetzt preußifche Fregatte Gefion 
Edernförde) ift nun doch glüdlich durch den Sund gewitfcht, 


nd vor Danzig angeflommen! Die Dänen hatten verlauten 
5* 


4 


68 


laſſen, unter dem ihnen ſchmachvollen Namen Edernförde ſolle 
fie nicht durchfommen ! — 


Sonnabend, den 13. Mai 1854. 

Bei aller Auflöfung und Verwirrung, in der ſich die heu- 
tige Welt befindet, gefchieht Doch immer genug Bernünftiges 
und Gutes, es kommt nur darauf an, daffelbe gehörig wahr: 
zunehmen, zu erfaffen und feftzuhalten. Ich ſehe Sauten 
auögeftreut werden, die herrlich aufgehen werden. In den 
Deutfchen find gute Triebe mächtig regfam, die beiten Kräfte 
in Thätigfeit. Ich will vertrauen und hoffen! Und ift es 
in Frankreich, in Italien, ja auch in England und jelbft in 
Rußland anders? Grade heute bin ich fehr zu diejer Betrach— 
turig geftimmt, und ihrer bedürftig. Mein Tagewerf foll nicht 
fehlen. — 

* erzählte mir feine Erfahrungen in Potsdam während 
des Jahres 1848. Gr fügte, Potsdam, obwohl eine Stadt 
des Hofes, vom Hofe lebend und begünftigt, ſei wohl die am 
meiften demofratifche Stadt des ganzen Staated geweſen; der 
König wagte eine Zeitlang nicht durch die Stadt zu fahren, 
fondern fuhr außen herum; felbft Hofdiener, der Kaitellan des 
Schloſſes 3. B., hielten fich zu den Demofraten. Der König 
wollte Potsdam gänzlich verlaffen, es nie wieder betreten, nad) 
Brandenburg überfiedeln! „Berlin, Breslau, Königsberg, El— 
bing, Poſen, Stettin, Magdeburg, Erfurt, Halle, Düffeldorf, 
alle diefe Städte wollte der König fortan meiden, ivenn dad 
jo weiter ging, fo ſchmollte er fich bald aus dem ganzen Land 
hinaus!“ Leute, die ed mit dem Könige gut meinten, ihm in 
dem Sinne der Zeitumftände dienten, — wie neulich Bo- 
nin —, wurden ihm verhaßt, wurden fpäter geftraft, andre, die 
fälſchlich angeklagt worden, behichten auch nad aufgededter 
Berläumdung den [hwarzen Fled für immer! — 


69 


Die Gerlah’fhe Klique liegt dem Könige ſehr in den 
Ohren, und fucht ihn mit dem Gedanken zu erfüllen, der Prinz 
von Preußen habe fich militairifch gegen ihn ſchwer vergangen, 
müſſe eigentlich vor ein Kriegdgericht geftellt werden und die 
gehührende Strafe mindeitend ausgefprochen werden, Davor 
erſchrick aber der König doch. — 

Dohna hat den ihm ertheilten Auftrag an den Prinzen 
von Preußen abgelehnt, weil er dem Prinzen unangenehm jei, 
und daher wenig Erfolg bei ihm hoffen könne. Der König 
hat darauf felber an den Prinzen fehr beiveglich gefchrieben. — 

Welche — ſich der Kreuzzeitung anfchließen! Eduard Ja- 
coby, Börfenberichterftatter ded Blattes, fchrieb an Louis 
Mayer, er habe es in feiner Hand, gute oder ſchlechte Nady- 
rihten über Eifenbahnaktien zu geben! Mayer veröffentlichte 
das Schreiben, Jacoby antwortete hochfahrend, er gehöre zur 
guten Barthei, das mache alled gut! — 


Sonntag, den 14. Mai 1854. 


Gefhrieben. — Früh ſchon fam Bettina von Arnim, 
munter und luftig, erzählte, daß Frau Mathilde von Guaita 
wieder hier it und mich befuchen will; fie fommt von Parig, 
bringt Nachrichten und Grüße von Heine, hat Ramartine ges 
ſehen, Alerander Dumas, den Fürften von Püdler in 
einer Krankheit gepflegt, Herrn von Circourt befucht ꝛc, 
Dann fam zur Sprache, daß Studenten ſich an Bettinen 
gewendet, fie folle ihnen zu einem Konzert für den Kölner 
Dombau den Konzertfaal vom Könige auswirken! Anftatt das 
Anfinnen abzulehnen, will fie darauf eingehen, an Humboldt 
fchreiben, der joll’d dem Könige zeigen. Ferner hat jie auch 
Luft, jebt an Humboldt zu ſchreiben, was fie früher bei 
Hindeldey anbringen wollte, daß die zweitaufend Thaler, welche 
fie dem Mahler Ratti für die Kopie eined Gemähldes gezahlt, 


70 


nicht ihm deßhalb gegeben wären, um ihn über angeblihe 
demofratiihe Gefchichten, die fie mit ihm betrieben habe, 
jchweigen zu machen, fondern daß dies Geld aus einer Quelle 
fomme, die fie nennen dürfe und wolle! Diefen lebtern 
Unfinn red’ ich ihr einigermagen aus. Wer bat an eine fo 
lächerliche, aberwigige Befchuldigung je gedacht? Sie redet ſich 
ſolche nur ein, um eine unnütze Bertheidigung darauf zu grün- 
den. — Ein Buch von Sophie Yaroche, von diefer durch einge: 
Ichriebene Worte an Dorothea von Rodde geborne Scylöger 
gewidmet, eignet fie jich mit Heftigfeit zu. „Das gehört mir, 
das nehm’ ich !* 2c., verfpricht mir aber einen Brief von ihrer 
Großmutter Laroche dafür zu bringen. — 

Ich brachte den Nachmittag in wachen Träumereien bin, 
die Gegend von Düffeldorf, der jtrömende grünliche Rhein, die 
Ichattigen Dörfer, die Anblide und Erlebniffe meiner Knaben: 
zeit lagen vor meinen Augen ausgebreitet, die Enge der Dert: 
lichkeit und der Zujtände genügte mir, ich wünſchte mit leiden: 
ſchaftlicher Sehnſucht mich zurüd zu Vater, Mutter und 
Schwerter! Gin ſchöner Eommernachmittag wirft oft fo in 
mir, er ijt die beglüdendite Gegenwart, die ganz verfchwimmt 
in ihr ähnliche Vergangenheit. Welche Tage fo beglückter 
Stimmung hab’ ich mit Nabel verlebt! Hier, in Töplig, in 
Wien, Frankfurt und Baden, und wieder hier, in Gärten, auf 
dem Felde! — 


— 


Montag, deu 15. Mat 1854. 
Beſuch von Bettina von Arnim. Neue Beiprechung der 
geftrigen Sachen, Abfaffung eines Briefed, Erwägung von 
Schwierigfeiten. — 
Die Fürftin von Püdler foll geftorben fein. (Sie ftarb 
am 8. Mai auf Schloß Branis, 79 Jahre alt.) 


71 


Der König hat dem abgeſetzten Kriegdminifter General 
von Bonin feine Marmorbüfte gefchenft! Bonin hat von allen 
Seiten Adreffen, Kränze, Gedichte. 2c. befommen. Der König 
fühlt don Neue und Berlegenheit dazu! Er hat Rupland 
kaum etwas zufrieden geftellt, und nur etwas, fo fommt nun 
Oeſterreich, England, Frankreich, und die möchte er auch zu= 
frieden ſtellen! — 

Ich fragte den Fürften Wiäſemskii, ob der Kaifer Nikolai 
nicht feine Heere felbit führen werde? „Oh non! non, non!“ 
war die Antwort. ch fagte, fein Kaiſer habe früher den 
Louis Bonaparte fehr gefhägt und begünftigt; „Oui, comme 
maitre de police!“ erwiederte er. Im. Schimpfen auf den 
Retter der Gefellfchaft find die Ruffen jest ftarf! „Il nous 
a fit peur du spectre rouge! lui-möme fait partie de ce 
spectre!“ — 


Dienstag, den 16. Mai 1854. 

Meine Sympathieen find natürlich in den gegenwärtigen 
Kämpfen vorzugsweife für die Weftmächte, werden jedoch von 
diefen keineswegs erfchöpft, fondern großentheild noch frei 
gelaſen. Nicht meine Sache ift e8, um die hier gefämpft 
wird, dad muß ich mir ſtets gegenwärtig erhalten, darf ich im 
Gedtänge der Tagesftimmungen nicht aus dem Auge verlieren ! 
Ich wünſche allerdings, wie die Sacherr jegt liegen, den Sieg 
der Weftmächte, aber ich bin nicht ohne Troft, wenn Ruß— 
land fiegt! Das will ich ebenfalls nicht vergeffen! Bor ein- 
brechender Barbarei, vor dem Schaden, welchen Wilfenfchaft, 
Kunft und Bildung erleiden könnten, fürdt’ ic) mid) im ge- 
ringften nicht! Unfere Zuftände find, inmitten aller Bildung 
und alles Eiferd für Kunſt und Wiſſenſchaft, barbarifch genug! 
Die Leute denken auch gar nicht, daß die Nuffen jeden 
Augenblid in eine neue Entwidelung treten können, daß fie 


72 


nicht immer unter der Zucht bleiben werden, die jekt fie 
drüdt! — 

Zwiſchen Berlin und St. Petersburg foll ein lebhaftet — 
Briefwechſel fowohl von höchſten ald von untergeordneten 
Berfonen beftehen, und namentlich der Tegtere von Bedeutung us 
fein. — 

Der griechifche Gefandte Herr Schinas (Savigny's Schwie= = 
gerfohn) hat beim Könige Zutritt gehabt, um defien Schu. 
für den König Otto anzufprehen. „Wird und kann nichte 1 
helfen!" — 

Für den abgefeßten Kriegaminifter von Bonin giebt ſick 
fortwährend die lebhafteſte Theilnahme fund. Der Köni 
wantt ſchon wieder, und die Gerlach's geben fich alle Mühe — 
ihn auf ihrer Seite zu befeftigen. Die Königin war in Dres = 
den, wo fie mit der Erzherzogin Sophie zufanımengefommen ; 
fie ift heute zurüdgefehrt, und gewiß nicht ruſſiſch, aber um ſo 
mehr öfterreichifch angefärbt. — 

Die Neue Preußifhe Zeitung ift wieder reih an Angebe- 
teien; fie wiederholt Artitel der Voffishen Zeitung aus dem 
Jahre 1848, die follen den König erbittern! Sie möchte gern 
Gewaltfchritte gegen die andern Zeitungen bewirken, und die 
Barthei ſchimpft auf den Polizeipräfidenten von Hindeldey, 
der ſich dazu nicht hergeben will, fondern froh ift, wie er 
jagt, daß die öffentliche Meinung folche Ventile hat. Alles 
das ift indeß nur Willkür, Zufall, augenblidliche Laune; unfre 
Preßfreiheit beruht nur darauf! — . 

Trog aller Nachrichten von eifrigen Kriegerüftungen in 
Frankreich und England, und befonders auch in Defterreich, 
fann ich mic des Gedanfens nicht erwehren, daß man den 
Kampf diesmal noch nicht ausfechten, fondern wieder heilegen 
und vertagen wird. Rußland hat überall große Stüpen, und 
fann mit einiger Geſchiclichkeit noch glüdlih aus allen 
Schwierigkeiten feiner Tage heraustommen. Selbft Louis 


Bonaparte ift nicht der wahre Feind Rußlands, nicht der be> 
rufene Bertreter der Kreiheit und der Bölfer. Ebenſowenig 
iſt es Lord Aberdeen, oder der Kaifer Franz Joſeph von Defter: 
reih. Sie haben alle diefelbe Luft, am Raube theilzunehmen, 
miit Rußland fich zu demfelben zu vertragen. Thun fie es 
rriht, ſo ift e8 ein Zeichen, daß die Umftände ftärker find, ale 
Die Neigungen diefer Heinen Leute, aus denen die Geſchichte 
Feine Helden machen wird! — 


_ Mittwoch, den 17. Mai 1854. 

Im Wiener Lloyd vom — Mai fteht ein angenehmer Be: 

richt von Fräulein Betty Paoli über das Wiedererfcheinen 

der hochbetagten berühmten Sophie Schröder auf der Wiener 

Schaubühne, wo fie zwar nur deflamirend auftritt, aber mit 

rm größten Erfolg und Beifall. Auch hier wieder ein Erb- 

füd von Rahel! fie zuerft hat den Leuten gefagt, wie groß 
tiefe Künftlerin, welchen Ranges fie fei! — 

Rahmittags Befuch von Frau Bettina von Arnim. Sie 
lieft mir eirfen Huldigungöbrief vor, den ein Mahler Eorrodi 
aus Winterthur ihr gefchrieben hat; dann einen Brief von ** 
an Clemens Brentano voll religiöfer Liebesinbrunſt. Ich 
fann nicht mit Bettinen über dieſe Gefühle lachen, die wenn 
auch in mipfälliger Ausdrucksweiſe vorgetragen, doch ehrlich 
und wahr und tief fchmerzlich find! Der Brief wird mir ge 
Ihentt für meine Sammlung. — | 

Der König foll bei und nach der Ausfertigung der dem 
Örafen von Alvensleben für Wien ertheilten Anweifungen 
geweint haben aus Verdruß und Nerger, daB ihn Defterreich 
in eine feindliche Stellung gegen Rußland bringen fönnte, und 
er bereue, fagt man, die mit Oeſterreich abgefchloffene Ueber- 
einkunft. „Er will immer alled zugleich, mit Rußland gut 
ſtehen, mit England, mit Defterreih und mit Frankreich, ein 


74 


findifcher Wille, den man leiten muß, beftimmen muß, 
wenn man ihn nicht will in’® DVerderben rennen laffen!“ 
Worte ded Grafen von Alvensleben. — 

Bei den Zelten war am Montage — diefer Tag wird be 
ftimmt angegeben — eine ungewöhnlich zahlreiche Verſamm— 
lung von Gäſten, und eine ziemliche Aufregung unter den: 
jelben. Sie forderten von den anweſenden Mujifanten die 
öfterreichifche Hymne, die gefpielt wurde. Als es dunfel ge- 
worden war, zogen große Haufen durch dad Brandenburger 
Ihor wieder in die Stadt, fammelten fih vor dem Palafte dee 
Prinzen von Preußen, und brachten ihm und dem Kaifer von 
Defterreih Tautes Hoch. Die Polizei wußte nicht was ji 
thun follte, oder fam zu fpät. Sie fuchte den Vorgang zu 
vertufchen, erließ Mahnungen an die Zeitungsredaftoren, 
defjen nicht zu erwähnen, fie fürchtete den Zorn des Könige. 
— An ſich ift die Sache gering, ald Zeichen aber höchft bedeu: 
tend! — Bor dem Palafte des Prinzen foll auch der Ruf ge 
hört worden fein: „Der König foll abdanken!“ — 


Donnerstag, den 18. Mai 1854. 

Nachmittags kam Bettina von Arnim. Sie Flagte wieder 
ſehr über **, ***, Caspar; lebterer hält ihr Krankenzeugnif 
nicht für genügend, um vom Gericht einen Aufſchub zu er- 
langen. Bettina, wenn es ihr gelingt, einer Sache nur 
augenblidlich auszuweichen, hält jie dann gleich für erledigt, 
und ift dann ganz erftaunt und empört, wenn die Ungelegen: 
beit fpäter wieder auftritt. Auf ihre Schreiben an den 
Prinzen von Preußen, den PrinzRegenten von Baden ꝛc. 
hat jie noch Feine Antwort erhalten. Auch die Anregungen 
bei Humboldt, Grafen von Redern ıc. ruhen einftweilen, — 

Wenn der Krieg wirklich ausgefochten werden foll, bis zur 
Demüthigung nicht nur, fondern aud bis zur Schwächung 


75 





Rußlands, fo bedarf ed vor allem, daß die Flotten- und Land⸗ 
truppen Englands und Franfreiche namhafte Vortheile erfäm- 
pfen; dann wird Defterreich hinzutreten, vielleicht Schweden, 
mit Widerjtreben und Unluſt Preußen (das heißt, der König 
und die Ruffenparthei), und wenn fein Umfchlag erfolgt, end- 
ih au die übrigen deutfchen und europäifchen Staaten. 
Das wird aber eine weitläufige Gefchichte! Polen fommt dann 
in Stage, die Revolution fpricht ihr Wort mit, in Rußland, 
ie im übrigen Europa. Wird man fo lange die Einigkeit zu 
erhalten, Eiferjucht und Mißtrauen abzuwehren wiffen? Wie 
viele Spalten wird der ruffifche Kaifer finden, wo er fich ein- 
bohren, wie viel Hebel, die er wird bewegen können! Freilich 
it er mehr liſtig als Hug und geſchickt, und feine Diener find 
nur elende Wichte, aber die Gegner jind auch nichts werth, 
einige brave Seeleute und Heerführer abgerechnet. — 


— 


Freitag, den 19. Mai 1854. 

Rahel's Geburtätag und Fichte's. Betrachtungen über 
ein folhes Nachleben, wie das meine ift! Mein eigentliches 
Leben war das mit Rahel, ich fühlt’ und wußt' es immer, und 
fie wußt' es auch. — 

Berlin ift heute jo voll Gährungsftoffes, Unzufriedenheit 
und Kımpfmuthes, wie im Frühjahr 1848. Es fehlt nur ein 
Greignig, das die Menfchen plößlich vereint, der zündende 
Funken. Aller Drud, alle Verfolgung und Scheererei haben 
das Bolt nicht geändert, nicht matt gemacht, den Freiheitseifer 
nicht unterdrüdt. Die Regierung darf e& nicht wagen, die 
Truppen wegzugiehen, und für Zwecke zu verwenden, die der 
öffentlichen Meinung entgegen find. Mit den Konftablern 
würde das Volk bald fertig fein; Die Behörden der Stadt und 
des Staates würden flüchten oder ſich unterwerfen wie 1848. 


76 


— Niemand aber will das willen, niemand foldhe Warnung 
hören. — 

Herr von Weftphalen, Minifter des Innern, mehr Werk; 
zeug ald Mitglied der Kreuzzeitungsparthei, hat im Staats: 
minifterium darauf angetragen, die Preſſe ftrenger zu halten, 
und der Kölnifchen Zeitung, der Elberfelder, und dem Preußi⸗ 
hen Wochenblatte die Konzeffion zu entziehen. Da Bonin 
nicht mehr Minifter ift, Simons und von der Heydt fnechtifche 
Seelen find, fo ftand die Sache fhlimm. Doc fand Man- 
teuffel fürerft die Ablenkung, einen Bericht von Hindeldey 
über den Zuftand der Zeitungspreffe zu verlangen. SHindel: 
dey berichtete günftig, nannte fein Blatt, fagte aber, fie hielten 
alle das gehörige Maaß und zeigten.preußifchen Eifer. Indeß 
wird die Sache damit nicht abgethan fein! Die Kreuzzeitung 
fieht fi von allen Seiten angegriffen, will das Gebiet allein 
beherrfchen, die Gegner zum Schweigen bringen, man ſoll nicht 
mehr gegen Rußland fchreiben dürfen, — 


Sonnabend, den 20. Mai 1854. 

Hengftenberg ift wegen feiner Kirchenzeitung in Zwei⸗ 
brüden zu drei Monat Haft verurtheilt und fein Blatt einft- 
weilen verboten worden. — 

In der Malmene’fchen Knabenanftalt ift wieder ein Knabe 
an einen Klotz gefettet gefunden und von der Polizei in Frei: 
beit gefept worden. Die Neue Preupifche Zeitung erhebt 
darüber ein großes Gefchrei, weil Malmene ein Freund Man- 
teuffel's ift, und fie diefen in jenem mit angreifen fann. Auch 
die Gerichtözeitung und der Publizift find eifrig hinter der 
Sache her. — 


71 


Sonntag, den 21. Mai 1854. 


Mit Ludmilla ausgegangen, auf der Straße Frau Bettina 
von Arnim und deren Schwefter, frau von Savigny, ges 
ſprochen, die zum griechifchen Gefandten Schinad eilten, — 
dem ehemaligen Schwiegerfohn der Frau von Savigny. — 

Rahmittage Beſuch von Bettina von Arnim. Sie ers 
säblt von ihrem Befuch bei Schinas; er hat in zweiter Che 
eine reiche Rumänin geheirathet, verfieht feine Geſandtſchaft 
in Bien, Berlin und München unentgeltlich; der General 
Reopold von Gerlah mar grade bei ihm, brachte ihm vom 
Könige die günftigiten Berficherungen für Griechenland, die 
Ihmeihelhafteften Lobreden! Bettina verjicherte, er und feine 
Reden feien ihr ganz efelhaft gewejen, ein giftgefchwollener 
dider Krot. Bon ihren Angelegenheiten neue fchlimme Nach: 
tihten; jegt endlich hat ihr Juftizratb Caspar erflärt, ihr 
Geihäftsführer müffe gerichtlich behandelt werden! (Wenn 
bierbei nicht wieder von ihrer Seite ein Mißverftändnip waltet; 
die Folge wird's zeigen.) Sie bedarf inzwifchen Geld. — 


Montag, ben 22. Mai 1854. 

Ih werde jetzt öfter® zu der Betrachtung geführt, wie fel- 
ten mir Menfchen noch eigentlich gefallen. Nur wenige Per: 
fonen weiß ich und find’ ich, deren Umgang mich wahrhaft er: 
freut, erhebt; und es ift feine Täufchung, wenn ich fage, daß 
die Belt in diefem Betreff ärmer geworden ift, nicht ih! Was 
für Namen könnt' ich nennen, denen die Gegenwart durch— 
and feine ähnlichen entgegenzuftellen hat! Nicht Rahel, Goethe, 
Fichte, Friedr. Auguft Wolf, Erhard, Schlabrendorf allein, 
nein, hundert andre. ch fühle tief dieſe Verwaiſung, und wie 
ſeht jie zunimmt. Dabei bin ih nicht undanfbar für alles, 
was mir in täglicher Nähe Ludmilla ift, wenn ich gleich nicht 

machen fann, daß fie Zeitgenofjin deſſen fei, was vor ihrer 


18 


Geburt Liegt! Wie freut mich die edle Freundin Charlotte 
Wynn, wie erfenn’ ich die Vorzüge von Henriette Solmar. 
Bettina von Arnim, wäre fie nicht unzuverläfjig und faft 
immer von Aeußerlichkeiten befangen, fünnte ein reizender 
Umgang fein, Hermann Franck desgleichen , hätte er ſich nicht 
jo ſehr zurüdgezogen. Die Andern find meift nur eine Laſt, 
die man ertragen, Kranke, die man fchonen muß, und das 
Sclimmite ift, man fühlt, daß man auch ihnen eine Laſt, auch 
ihrer Schonung bedürftig ift! — - 

Was ift das für ein Leben! Und befonderd wenn man die 
Wiffenihaft und Bildung fich verdüftern, Staat und Pater: 
land fchwinden fiehbt! Ich habe in diefer Zeit einen wahren 
Durft nach PBaterland, ich möchte den fihern Boden eines 
folchen unter den Füßen haben! Aber Amerika kann ich mir 
nicht dafür anbieten laffen, der Boden muß mir näher, die 
Menfchen müffen mir vertrauter fein. Solcher perfönlichen 
Wünſche kann ich mich nicht erwehren, befonderd wenn die 
Wiederkehr des Frühlings alle Kräfte belebt, alle Amfprüce 
fteigert! ch jtebe jedoch zum Glüd’ mit meinen Gedanken 
höher, und eigne mir Vergangenheit und Zufunft mächtig an, 
jo day die öde Gegenwart von ihnen eng zufanımengedrüct wird. 

In meinen Papieren unverdroffen gearbeitet. Vielleicht 
nubt es etwas! — 

Die Engländer haben im Schwarzen Meer durh Sturm 
die Fregatte Tigrid verloren, die Ruffen auf die Schiffbrüchis 
gen ein heftiged Feuer gerichtet, fie zu Gefangenen ge: 
macht, bei Odeſſa. Neue Beforgnig daher für Odeſſa. Die 
englifche Flotte vor Sebaſtopol; die türfifche bringt Berftär- 
fung an die tfcherkeffiichen Gränzen. 

Perfien wieder gegen Rußland aufgeboten ; wenigſtens den 
Türken unſchädlich. — Griechenland, Athen, von den Weft: 
mächten bedroht. — 

Endlich fängt man in Baden an, mit dem kirchlichen Un- 





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79 


hold, dem Erzbifchof von Freiburg, Ernft zu machen; er wird 
zur Kriminalunterfuchung gezogen. Aber wird man es durch: 
ſeßen? — 

Nahmittage Befuch von Frau Bettina von Amim. Sie 
mar fehr munter und ergöglich, erzählte lächerliche Geſchichten 
von Ranke. — 

Franzöſiſche Zeitungen berichten von revolutionairen Un- 
rubenin Toscana und Portugal, angeblich von Rußland erregten! 

Nahrichten von ruſſiſchen Schiffen, die von englifchen 
aus dem Hafen von Kibau geholt worden, von Zerftörung 
tuſſiſcher Schanzen in Finnland, 1500 ruffiichen Gefan⸗ 
genen ꝛc. — 

In Bamberg kommen die Bertreter der deutfchen Mittels 
faaten zufammen am 25., um über die Haltung des deutjchen 
Bundes in der orientalifchen Frage und über das Vorfchrei- 
ten Defterreichd und Preupend in derjelben zu berathen. — 
In Dresden fpricht fich entfchiedener Gegenfinn aus, man 
will feinen Bruch mit Rußland, man will fih nicht an 
Deſterteich und Preußen anfchliegen. Hier glaubt man, dem 
Könige von Preußen fei das heimlich Lieb und recht, er habe 
jogar in diefem Sinne gegen feine öffentliche Politik heimlich 
eingewirkt ; Die Königin war fürzlich in Dresden! — 


Dienstag, ben 23. Mai 1854. 


Die Neue Preußifche Zeitung erwähnt heute mit dunfeln 
Worten des Borgangd, der am Montage vor acht Tagen jtatt- 
gefunden haben foll. Sie will ihn nicht glauben, weil er ein 
derber Schlag für-die Parthei üft, fie meint, unfere vortreffliche 
Polizei würde ihn nicht gelitten haben; als ob die Konftabler 
wagen würden, ein dem Prinzen von Preußen und jelbit ein 
dem Kaifer won Defterreich dargebrachtes Hoc, zu flören! — 
(Siehe den 17. Mai.) 


80 


Die englifhen Zeitungen treten lebhaft für Bunfen auf, 
und fihimpfen dabei auf den König mit den brennendften Aus- 
drüden. — | 

Im Thiergarten bei den Zelten fehlt plößlich wieder das 
Gerüft, auf dem fich die Muſik aufzuftellen pflegte, die an zwei 
oder drei Tagen der Woche dort zu fpielen pflegte. Die Polizei 
hat e8 abbrechen laffen, und die Mufif an diefer Stelle unter: 
fagt, weil ſich zu viele Xeute verfammelten, und Schlägereien 
veranlagt würden! Offenbar Folge der Forderung, weldye hier 
am 15. (oder 16.) den dfterreichifchen Volksgeſang ſpielen 
lieg! — Das Gerüft diente 1848 zur Rednerbühne, wurde 
zur Zeit ded Belagerungsftandes entfernt, lange nachher erß 
auf'd neue zum Gebraudy der Mufikanten hergeitellt. Wir 
vermißten dafjelbe bei unferm heutigen Spaziergang. — 

Der Polizeipräfident von Hindeldey hatte Anfangs die 
Abfiht, am nächſten Mufiktage viele Konſtabler in Zivilflei- 
dern dad Preußenlied fordern zu laffen. Das MWegräumen 
der Mufitbühne und Unterfagen aller Muſik fchien ihm dann 
ficherer. — 


Mittwoch, den 24. Mai 1854. 

Gefchrieben. — Die firchlihe Parthei wirft in Preußen 
immerfort, geheim und offen, in verderblichiter Weife; beſon— 
ders fucht fie der einjlußreichen Memter fich zu bemächtigen 
und im bürgerlichen Leben Fuß au faffen. Mögen Andre ihr 
in die Schlupfivinfel ihres dunfeln Treibens folgen, ihre off: 
nen Schamlofigfeiten rügen, ich kann und will darauf nicht 
eingehen! Genug, dag ich im Ganzen das Pfaffenvolk verfluche! 
Wie jämmerlich fteht ed mit unferen Geiftlichen, deren große 
Mehrheit ohne Glauben und Einftimmung dennoch in Diefe 
gebotene Bahn ftürzt, auf der man freilich am ficherften welt: 
liches Gedeihen findet. Da jtand es doch fogar zu Wöllner’d 
Zeit, ja zu Eichhorn’s, noch beffer! Das einzige Gute dabei ift, 


8l 


daß nichts in die Tiefe gebt, daß alled nur oberjlächliche Hülle 
und äußerer Schein bleibt, — ein Hauch verweht alles. — 

Dr. Jucho in Franffurt a. M. ift vom Oberappellationd- 
gericht der vier freien Städte zu Lübeck wegen Nichtablieferung 
der vom Frankfurter Parlament befchloffenen deutfchen Ber: 
faſſungsurkunde völlig freigefprochen worden. “Die Urkunde ift 
in ihern Händen zu London, denen der deutſchen Regierungen 
aljo glüdlih entrüdt! Schande den Regierungen, daß man 
fi darob freuen muß! — 

In Goethe gelefen, im Juvenalis; franzöfifche Sachen. — 

Der König hat es durch fchmeichelbafte Bitten dahin ge- 
bradıt, daß der Prinz von Preußen zum 7. Juni, dem Todes- 
tage de Waters, und zur eier feiner jilbernen Hochzeit 
wieder hier fein wird. Der Prinz thut fich dabei wieder 
auf feine Loyalität, feinen Unterthanen-Gehorfam etwas zu 
gute, — 

Feuilleton der National- Zeitung: Beſuch auf der fran- 
;ölfhen Flotte im Kieler Hafen, von Keodor Wehl, lebhafte 
friſche Schilderung. — 

Ftau von Uſedom wird befihuldigt, die heftigen Artikel in 
den „Times“ gegen Preußen und gegen die Perfon des 
Königd verfaßt oder wenigftend eingefandt zu haben. Die 
Beihuldigung ift falfch, wie die gegen Wilhelm von Hum- 
boldt, im Jahre 1819 und 1820 wider Hardenberg folche Ar: 
tifel durch Friedrich Auguft Wolf den englifchen Blättern zu: 
gefertigt zu haben. ber dem Zwede, Herrn von Ufedom 
zum Abſchiede zu bringen, dient dergleichen vortrefflich. Einige 
lagen, er habe den Abſchied fchon. — 

Unfere hiefigen Garpeoffiziere, als junferliche Kreuzzei— 
tungöfnappen, haben auf dem Caſino den Borfchlag beſprochen, 
alle nicht ruſſiſch Gefinnten fofort aus der Geſellſchaft hinaus 
zu ballotiren. Der Graf von Pourtalès hat darauf ſogleich 


dvarnhagen von Enſe, Tagebücher. XI. 


| GERT" ud 


82 


erflärt, er fei ein Nuffenfeind; biöher haben fie ihn nicht auf 
ballotirt, die Junfer! — 


Donnerstag, den 25. Mai 1854. 
Himmelfahrt. 

Die geftrige Urwählerzeitung ift heute mitgeliefert wor— 
den; die Polizei hatte erlaubt, daR eine ihr mipfällige Stelle 
weggelaffen, und dad Blatt umgedrudt würde, wie glimpflich 
und wohlmeinend! Aber auch wie gefährlich! Es kommt dabin, 
daß man fich gegenfeitig lauter Gefälligkeiten erweift, wobei 
die Zeitungen offenbar im Nachtheil find. — 

Die heutige Urwählerzeitung bringt eine leſenswerthe Er⸗ 
innerung an den verftorbenen Minifter von Bodelfchwingb, 
mit gebührender Anerfennung feiner Verdienfte, und mit ges 
höriger Rüge feiner Mängel. — 

Der Pfaffe Krummacher hat in Potsdam eine Predigt ges 
halten ganz in ruſſiſchem Sinn. Unter andern fagte er, jeder 
wahre Soldat müſſe cd mit Rußland halten, wobei der König 
feine freudige Zuftimmung fichtbar zu erfennen gab! Man 
ſah die Königin ernjt und unzufrieden, den König aber mit 
freudigem Ausdrud lebhaft in fie hineinreden. Man erfubr 
nachher, die Königin habe nur mißbilligt, dag überhaupt auf 
der Kanzel politiiche Dinge befprochen würden. — 

Der König bat das gejtrige Geburtöfeft der Königin von 
England wie gemöhnlic durch ein großes Gaſtmahl gefeiert 
und die Gejundheit Victoria's ausgebracht. Er war fehr ge: 
neigt dieſes zu unterlaffen, indeſſen gab er den Vorſtellungen 
nach, daß er dadurch eine offene Feindſchaft ausſprechen würde, 
und ernfte Folgen daraus entitehen könnten. — 


83 


Freitag, den 26. Mai 1354. 


Nachmittags fam Frau Bettina von Arnim. Sie lieft mir 
- wer Auffäße wor, in denen das Benehmen von ** und von 
»auseinandergeſetzt tt, und die ihrem Nechtöbeiftande 
; Sam Baspar zur Grundlage bei dem einzuleitenden gericht: 
lichen Verfahren dienen follen. Die Sache wird allmählich 
ad klarer, doch ift fie ed mir noch nicht ganz. Eigenmäch— 








{MT Br 
e Sr Bo tigfeiten find ohne Zweifel vorgefommen, ob jedoch zu erwei— 
imper. | imder Betrug, das ſteht noch fehr in Frage. — Bettina fagte, 
Pin Jiht ſei ein Stein vom Herzen, fie fei ganz verwirrt und ver: 
mer BE Nihtet geweſen durch dieſe fcheuplichen Gefchichten, nun hoffe 
fie ſolche los zu fein, Das Uebrige habe der Rechtsbeiſtand und 

e & 8 te Beimarer Buchhändler abzumahen. ch fürchte, fie irrt 
rg ME Nih hietin! Sie war ganz munter, und fprach immer wieder 
or von dem vielen Danf, den fie mir fchuldig ſei. Leider fann 

j ich ihr wenig nußen! — 

ar Der Erzbifchof von Freiburg in feinem Palafte jebt als 
er Gefangener bewacht. Kleine Volksbewegungen in Freiburg, 
Pe im Mannheim, im Schwarzwalde. Soweit hat ed die Dumme, 
F gedankenloſe Nachgiebigkeit gegen die katholiſchen Pfaffen 
ſchon gebracht! Das ſind die Folgen der blinden Liebhaberei 
8 am katholiſchen Kirchenweſen und an jedem andern! Der 
ar Großherzog von Baden folgte nur dem Beifpiel Größerer, die 


ihn auch noch jeßt hemmen werden! — 

In Köln ift der Redakteur der Kölnifchen Zeitung Herr 
Brüggemann wegen Beleidigung des Minifterd von Weftpha- 
len zu 25 Thalern Strafe verurtheilt worden. Der Staatd- 
anıalt hatte auf zwei Monate Gefängnis angetragen. — 

Die neueften Verträge Preußens mit Oefterreich find und 
durch Parifer und Londoner Beröffentlihungen jegt zuerft be- 
kanntgeworden. Alle Welt fchreit Darüber, daß die Preußen ihre 
neuen Stuatöverhältniffe Durch das Ausland erfahren müſſen, 


daß die eigne Regierung nicht zuerft damit hervortrat. Alle 
6* 


84 


Welt lieft nun auch deutlich aus dem Wortſchwall heraus, deß 
Preußen gegen Rußland ift, in Fällen, die man als [chen ein— 
getreten anfehen kann, zum Kriege gegen Rußland fich ver 
pflihtet hat, — wie foll man das reimen mit den täglichen 
Zärtlichkeiten für Rußland, die man vom Könige, von feinen 
Bertrauten und Schranzen, von Gardeoffizieren, von den hie 
figen Lakaien Rußlands unter dem Kreuzzeitungsgefchmeit 
immerfort hört? Gin Engländer hier hat Faltblütig gefagt 
„Der König ift entweder ein Schwächling oder ein Betrüger 
tertium non datur !* — 


Sonnabend, den 27. Mai 1854. 

In Goethe gelefen, in Schiller’d Briefen, im Juvenalis 

Das heutige Preupifche Wochenblatt (Bethmann- dolle 
ift polizeilich weggenommen worden. — — 

Der englifche Geſandte, Lord Bloomfield, hat hier eu 
vertrauliche Mittheilung gemacht, welche ein Befremden üb 
Bonin’d und Bunfen’d Entlaffung ausdrüdt. Man thı 
hier, ald nähme man diefe Anfrage erftaunlich übel! — 

Daß die franzöfiiche Flotte im Hafen von Kiel verwei 
und in der weiten Umgegend die Sympathieen für ſich aı 
ſpricht, macht hier dem Könige auch Unruhe und Verdruß! 

Nachdem eben Defterreich Träftig aufgetreten, fcheint 
ſchon wieder einzulenfen. Man hegt wieder Mißtrauen m 
allen Seiten! Verhandlungen und Ränke find immerft 
thätig. Rußland bietet alle Mittel auf, Berwandtichaften, Ge 
Berfprechungen; es rechnet auf Zwiefpalt, fucht ihn zu bew 
fen, auf Bolföbewegungen ꝛc. — 

Was ich gegen Bunfen habe? Weiter nichte, als daß 
ein Günftling ift, damit ift alles gefagt! Seine Kenntni' 
Talente, Meinungen, alle ftürzt in diefen Strudel und v 


— — — 





85 


ſchwindet in ihm! Er hat immer nur gethan und geſagt, was 
der Gunſt entſprach. Daß er dabei in Widerfprüche gerathen 
und endlich gefallen ijt, darf doch wahrlich nicht ale Verdienft 
gelten! Und wir wollen erjt fehen, ob ed mit der Gunſt fchon 
je ganz vorbei ift, ob er felber fchon fo ganz darauf ver- 


zichtet! — 


Der Prinz von Preußen ſoll in ſchmerzlicher Bitterkeit 
geäußert haben: „Mein Bruder bildet ſich viel darauf ein, 


daß er im Jahre 1848 feinen Titel „von Gottes Gnaden“ ge- 


tetet hat, leider aber giebt feine Regierung jedermann die 


; Meberreugung, dag fie für Preußen eine „von Gottes Ungna- 
den iſt!“ — 


Sonntag, den 28. Mai 1854. 
Unruhige Nacht, unterbrochener Schlaf. Mir träumte 


bon meiner Schwefter Rofa Maria, fie wollte mich nach Hanı= 
burng abholen. Erſt als ich längft erwacht war, fiel mir ein, 
Ab heute ihr Geburtätag ift! — 


In diefen Tagen foll der Polizeipräfident von Hindeldey 


fee gewankt haben; die Kreuzzeitungsparthei fieht längft in 


ihm einen Feind, und jet wirft fie ihm vor, die Frechheit der 
Drefe gegen Rußland und deren unaufhörliche Angriffe auf 
de Kreuzzeitung zu begünftigen. Seine Befchlagnahme des 
Preußifchen Wochenblattes wird fie ihm wenig anrechnen. 
Kur die Bürgfchaft, die er für die perfönliche Sicherheit 
des Rönigd übernommen, und auf die der König feft baut, ift 
nicht fo feicht auf einen Nachfolger zu übertragen, und dieſe 
Schwierigkeit hält ihn. Beſonders fieht die Königin eine 
Menge von Gefahren mit Hindeldey’d Entfernung verbunden. 
Die Kreuzzeitungsparthei wird am Ende genöthigt fein, auch 
in diefem alle ihre Minen von St. Peterdburg her anzu: 
legen, — 


— 


—E——— — 


86 


Der König ift nad) Reglingen gefahren und wird aud 
Thüringen ſich umfehen. Auf folchen Reifen wird mander 
gebraut, da hat man Zeit und Gelegenheit, benupt Ei 
drüde ꝛc. — 

Der deutſchkatholiſche Prediger Flos aus Magdebı 
durfte in Frankfurt a, M. nicht bleiben. — Der Gemei 
evangelifcher Ehriften in Königsberg wurde angezeigt, fie dü 
ihre fonntäglihen Erbaunngen nicht in den gewöhnlid 
Kirchenftunden mehr halten, weil funft die beauffichtigent 
Polizeibeamten verhindert würden, felber die Kirche zu | 
fuhen! ine beuchlerifche Zärtlichkeit für die rohen Burſe 
denen an der Kirche gar nichtd liegt! Das Schifaniren in | 
ner höchſten Niederträchtigkeit! Damit glaubt das fchuft 
Heuchlervolf einen großen Sieg erfochten, etwas Herrlid 
ausgerichtet zu haben! — 

Preußens Hauptgebrechen in diefer Zeit üjt dies Firchli 
Lügenweſen, diefe dumme Rohheit und hohle Phantafterei! 

Die ruſſiſche Diplomatik ift von außerordentlicher Thät 
keit. Un allen Höfen wird gearbeitet, PBorjpiegelung 
Ränke, Verdächtigungen aller Art find im Gange. Man 
mit den Werkzeugen in Berlin und Wien nicht zufried 
Meyendorff und Budberg follen abberufen werden, durch 9 
tionalruffen erjeßt. — 

In Wien hat der Kaifer Nikolai vorftellen laffen, v 
denn Defterreicd, dabei gewinne, wenn Rußland befiegt wer! 
Serbien, dad er ihm, der angebliche Feind, zugeftehe, we 
ihm von den Bundesgenofjen durchaus nicht zugeftant 
und die Revolution von denfelben Bundesgenoſſen un 
jtügt, drohe ihm von der andern Seite unausgelekt. 
dagegen verfpricht, Feine Revolution mehr zu begünitigen, 
nachden er Griechenland fchon aufgehept, und ganze Bevö 
rungen entzündet! — fich hinter den Pruth zu ziehen, ı 
den Fünftigen Gewinn der Moldau und Walachei an die ! 


87 


dingung zu fnüpfen, daß Defterreich Serbien befomme. — 
Hier in Berlin, wo man in jedem Kalle nichts befommt, 
nicht einmal ein Verſprechen, wäre man mit diefer Wendung 
hoch zufrieden! — 

„Le gendre de M. Poirier. Comedie par Emile 
Augier et Jules Sandeau,“ lujtig zu lefen, gute Szenen 
und Reden, aber feine Karaftere. — 

Hätte ich einem jungen Ritteraten, der zwar auf fein Ge: 
werb angewieſen ijt, aber dabei doch nicht ſich zu übereilen 
brauht, einen Rath zu geben, jo wäre e3 der, fich auf den 
Theil der Litteratur zu werfen, der jept ganz vernachläffigt ift, 
auf die Litteratur des achtzehnten Jahrhunderts, beſonders 
auf die franzöſiſchen Schriftiteller, die jegt niemand mehr bei 
und lieſt, beſonders auf Voltaire, aber auch auf alle Schön: 
geifter feiner Zeit. Man fände da Schäße der feltenjten Art, 
die bei einer gehörigen Umprägung mit dem außerordentlich 
fen Erfolge wirken würden. Der vom Gewerb unabhängige 
Shriftfteller bedarf feines Nathes, der durchaus abhängige 
tann feinen brauchen in der täglich erneuten Hetze. Doch der 
Nittelllaffe wüßt’ ich nichts Vortheilhafteres! — 


Montag, den 29. Mai 1854. 

Rahmittagd kam Frau Bettina von Arnim, Sie brachte 
mit die freundlichften Grüße von ihrer Schweiter Meline 
ven Quatta, Die mich gern befucht hätte, aber fchon wieder ab- 
gereift ift, „fie fonnte e8 bei den Savigny's feinen Tag länger 
aushalten, ach Gott! was ift dad mit den Savigny's! die 
frankbaftefte Berjtimmung und Rangeweile herrfcht dort, die 
zwei alten Mumien find ein Anblid des Jammers und der 
Betrübniß; fie wiffen gar nicht mehr wie fie dran jind, mitten 
im Reichthum fehlt eö ihnen an allem, der Sohn Leo thut 
alles für die Eltern mit größter Hingebung, aber fruchtlos; 


2 
a un — 


88 


die Meline konnt’ es nicht aushalten, fie machte, daß fie fort: 
kam!“ Darauf fprach Bettina über M., der nun wirklich 
wegen feiner auegeftellten Wechjel verklagt if. Ganz flar 
find mir die Sachen noch nicht; fie werden es erft durch ge: 
richtliche Unterfuhung werden, da muß das Thatſächliche 
fi) von den Bermuthungen, Annahmen und Einbildungen 
endlich abfcheiden. Bon andern Dingen ſprach Bettina mit 
großer Munterfeit; der Duc de Luynes, der jebt bier ift, 
und den Fräulein Armgart, von Paris her, fennt, wird fie bes 
ſuchen und ihr Goethedentmal fehen. Sie Magt, daß ihr die 
Ausführung des Denkmals verfagt fei, fie möchte dafür allge: 
meine Unterzeichnung amfprechen, jie hofft noch auf König 
Ludwig von Bayern, Zu mir hat fie jept wieder das größte 
Zutrauen. — 

Gegen den heuchlerifchen und fredhen — Malmene häufen 
fich die Zeugniffe in erfchredender Weife. Die Polizei felbft 
ift gegen ihn, und er wird entlarut. — 

In Defterreich droht eine Umkehr, man ift nicht mehr fo 
feindlich gegen Rußland, ftatt in Galizien follen in Stalien 
und Vorarlberg Truppen aufgeftellt werden. (Mehr Wunſch 
ale Thatſache!) — | 

Siliftria wird von den Ruffen hart bedrängt. Engländer 
und Franzoſen rüden an den Balfan vor. Athen foll von 
den Franzoſen befegt werden, griechifche Kriegsfchiffe von den 
Engländern aufgebradht. — 


— u — — — 


Dienstag, den 30. Mai 1854. 
Geſchrieben; zur Aufklärung des Tageszuſtandes; wenn 
die Ruſſen unterliegen, kann der Freiheitsfreund ſich nur halb 
freuen, wenn er bedenkt, wer die Sieger ſind; und wenn Frans 
zojen und Engländer gefchlagen werden, bleibt ihm noch der 
Troſt, daß Bonaparte und Aberdeen nicht? anderes verdienen. 


89 


Für und in Preußen aber bat die Lage der Dinge noch eine 
beſondere fcharfe Beziehung: bier fteht alles, was ſchuftiſch, 
gwalttbätig, heuchlerifch und gemein und niederträchtig if, 
auf ruffiiher Seite, dadurch allein fehon wird jeder Ehren» 
mann, jeder freie und edle Geift von felbft auf die Gegenfeite 
geftellt. — 

Man bemerkt an öffentlichen Orten eine zunehmende Drei: 
fafeit unter den Leuten, ein fröhliches keckes Weſen, laute 
Anperungen über politiſche Sachen und ‘Berfonen ; die Poli: 
ji it darüber beunruhigt und verdoppelt ihre Aufmerf: 
ſamkeit. — 

Preußiſche Kriegsfchiffe haben zur Erlernung des Dienfted 
eine Anzahl Seekadetten in England abgegeben, die auf die 
Oſtſeeflotte gefchictt worden find. Der Gedanke, daß fie dort 
gegen die Ruffen dienen müffen, hat den König plöplich ver: 
mocht, die Seefadetten wieder abrufen zu laffen, nachdem dies 
geihehen, hat er fich jedoch befonnen, und fie follen bleiben ! 

Dan Spricht hier von einer bevorftehenden Zufammenfunft 
des Könige mit dem Kaifer von Rußland in Tilfit. Das 
mirde einen fchönen Lärm geben! „Warum nicht lieber gleich 
einen neuen Frieden von Tilfit? in welchem und Rußland 
| oſtwarte, Frankreich weſtwärts pflückt?“ fagt man fchon jekt. 

Lom Kriegsfchauplap nicht? Neues. Vermuthungen über 
Deiterreichd Abfichten, über die ruffiichen ihm aemachten Bor: 
(hläge und Verfprechungen. — 

.Waſhington. ine Vorlefung gehalten in Jena von 
Dr. E. von Stodmar. Braunfchweig, 1854. 301 ©. in 8.” 

douis Bonaparte zieht jegt auch Herrn Thiers zu Rathe, 
und der ſchwache Thor läßt ſich darauf ein, ihm mit feinen 
Kenntnifien zu dienen, die auch in militairifchen Dingen durch 
da8 genaue Studium der Napoleonifchen Feldzüge ſich geltend 
machen! — 

Zu der Sonntagsbemerfung! Und unfre deutfchen Schrift: 





90 


jteller des vorigen Jahrhunderts, wie find fie vernachläffigi 
Bon Leſſing ift in neueiter Zeit viel die Nede, aber es ift nick 
wahr, daß ihn die heutigen Kitteratoren wirklich kennen, daß a 
der großen Leſewelt wieder aufgefrifcht worden. Daffelbe gi 
von Kant und feinen Schülern, von Windelmann, Klopftoc 
Möfer, von Fichte fogar und Voß. In den Litteraturge 
ſchichten ſtehen fie, aber fie find nicht mehr in den Händen de 
Leſer, faum noch in den Händen derer, die jene Ritteratum 
gefchichten — fo elende als zahlreiche — zufammenfchmieren 
— Die Franzoſen find hierin anders, fie fennen ihre Schrif 
jteller. — Wir find zu ſehr gehetzt, zu ſehr auf den Tag em 
picht, zu wenig beifammen; — diefer Grundfehler wiederho 
jich überall. Wie wär’ ihm abzuhelfen?? — 


— — — — 


Mittwoch, den 31. Mai 1854. 

Der Erfurter Oberbürgermeiſter von Oldershauſen br 
eine Bekanntmachung erlaffen, in der er von den fchmachvolle 
Ereigniffen des Jahres 1848 ſpricht, und die eines der ſchmach 
vollen Ereigniffe ded Jahres 1854 it! Der König hatte all 
Gmpfangöfeierlichfeiten ftreng verboten, der hündelnde Ober 
bürgermeifter bat und flehte, der König möchte jie erlauben 
diefer aber fand ed zu langwierig, und erlaubte nur, daß dei 
Einwohnern gefagt würde, der König habe nicht? mehr geger 
fie! Der elende Schädher heißt von Oldershauſen — un 
mag jo ferner heißen einjtweilen. — 

Der Abgeordnete von Senfft hatte in der Kammer di 
hoben Juſtizbeamten genannt und fcharf getadelt, die in 
Jahre 1848 den König zur Unterzeichnung Des Jagdgeſetze 
vermocht haben. Unter diefen war auch der jekige Ober 
landesgerichts-Präfident Nintelen, im Brandenburg: Dlan 
teuffel’fhen Minijterium furze Zeit Juftizminifter, feige 
Heberläufer. Diejer Erz— wehrt jih nun in den Zeitunge 


91 


gegen die Anflage, die er in der Hauptſache nicht läugnen 
ann, mit den lumpigften Entjchuldigungen! — So bringt er 
‚Id doppelt in widrige Erinnerung, den Demofraten und den 
Junfern. — Auch der Major Blefion befommt von der Neuen 
Preußiſchen Zeitung wiederholte Ruthenſtreiche für fein 
ihlehtes Benehmen beim Zeughausſturm. Die Kreuzzeitung 
übernimmt das Strafamt für die Demofraten, die jebt es 
nicht üben können. — Doch das find nur Kleinigfeiten! — 

Das fogenannte Märzfomplott vom vorigen Jahre, wegen 
Hochverrath und Theilnahme an Kinkel's Befreiung, foll nun 
nähftens zur Verhandlung kommen. Nachdem viele Bes 
ihuldigte entlaffen worden, find noch zehn Belaftete in Saft, 
unter ihnen der Lehrer Gerde, Dr. Ladendorf, Arzt Dr. Kal: 
tenthal, Buchhändler Weidle, Kaufmann Salomon Levy. — 

Ftankreich verlangt von Sardinien Hülfötruppen im 
Orient. Dagegen fucht der — Louis Bonaparte im Berein 
mit Deiterreich das liberale Minifterium in Turin zu flürzen, 
und wahrfcheinlich gelingt eg ihm! — 

England bearbeitet die Dänen und befonders die Schwer 
den zur Theilnahme am Kriege gegen Rußland. — 

Im Piräus find 6000 Franzoſen gelandet, bereit in Athen 
einzurücken. Der König von Griechenland hat plöglich. nad): 
gegeben, feine Minifter entlaffen ꝛc. — 


Donnerstag, ben 1. Juni 1854. 

Nichts Erhebliches vom Kriegöfchauplage. Die franzd- 
ſiſhe Flotte von Kiel abgefegelt, um zur englifchen zu ftoßen. 
Eiliftria hält fih noch aegen die Stürme der Ruffen. Der 
Lump Gretſch in St. Petersburg fpottet über die Unthätigkeit 
der englifchen Flotten; die Nationalzeitung erinnert ihn, daß 
die tuſſiſchen gar Hausarreft haben! — 

Der Kaifer von Rußland hofft auf Zwietracht unter den 


92 


MWeftmächten; mit Defterreich, und befonderd mit Preußen 
ftehbt er fortwährend in vertraulichen Berhandlungen, e 
ichmeichelt beiden fo viel er fann, im Grunde jedoch tft e 
wüthend aufgebracht gegen beide, und ſpricht Dies gegen fein 
Umgebung auch aus, Man erzählt von ihm — oder leih 
ihm — folgendes Wort: „Die zwei größten Narren, vo 
denen er je gehört, find Sobiesfi, der Wien von den Türken 
befreite, und ich felbit, der ich für Defterreih Ungarn be 
fiegte !* — 

Nichtd gebt über unfre fanatifchen Weiber hier! Wahr 
Megären jind die Offizieräfrauen, Hofdamen und die knech 
tifchen Bürger: und Beamtenweiber, die jenen nachſchwatzen 
Sie legen jebt fo grimmig gegen die Türken, Engländer un 
Franzoſen lo8, wie früher gegen die Demokraten und 184: 
gegen den König. Sie erheben die Ruffen und ihren Kaife 
in den Himmel. Man muß das nichtewürdige Gefindel feine 
Antwort würdigen ; daflelbe ift ganz ungefährlich, denn auße 
Ihimpfen fönnen fie nichts, fie find zu dumm und unfähie 
um politifche Weiber vorzuftellen. — 

Preßprozeſſe gegen ein Keipziger Blatt, gegen eines i 
Kaffel. Das Urtheil lautet, da man Verleger und Berfaffe 
hier nicht verurtheilen fann, auf Vernichtung der Blätter un 
Verbot derjelben. — 

Der Erzbifchof von Freiburg, faum verhaftet und verhör 
ift fchon wieder auf freiem Fuß! Die elenden feigen Regie 
rungen! Die tüdischen Machthaber! — Nur weiter fo! — 


Freitag, den 2. Juni 1854. 
Diefe Nacht fprach ich im Traume mit dem rufjifche 
Kaifer, er hatte mich zu fid einladen laſſen, war überaus arti 
und freundlich, aber durchaus unfähig das zu verftehen, wa 
ich bemüht war ihm zu fagen ; ich ftellte gar nicht? Aeußerſte 


93 


auf, nur ſolche Dinge, die einigermaßen zuläffig fehienen, 
Ginlentungen in die liberale Richtung des Kaiſers Alexander 
— aber alles fruchtlos, nicht weil er nicht wollte, jondern 
weil er nicht Ponnte. Auch Adolph von Willifen, den ich fchon 
vorfand, und der veranlaßt hatte, daß ich gerufen worden, 
fonnte nicht8 ausrichten. Nicht einmal das konnten wir er- 
langen, daß der Kaiſer zugeftünde, Louis Bonaparte’d Staate- 
reich fei ein — Frevel, eine Mifjethat! Wir fahen, da dad 
Shidjal ehernen Fußes feinen Gang fortfhritt! — 

Gegen Malmene ift Unterfuchung eingeleitet. Wenn er 
auch vor Gericht nicht ganz zu Schanden wird, fo wird er ed 
doch vor dem Publikum. Die Ichamlofe Frechheit imponirt 
niht, alle Blätter fahren gegen ihn los; er war urfprünglich 
Riemer, ift ſchon wegen Verbrechen gegen die Sitten beftraft, 
wird als eigennüßiger, hartherziger Lump entlarvt, ala Herum- 
lieger in Wirthöhäufern bei Trunk und Spiel. Manteuffel 
jelbft wendet fich von ihm ab. — 

Brief von Marie von Fouqué, die fich mit liebevoller Er: 
innerung alter Zeiten an mich wendet, um Rath und Bermitt- 
lung ven mir in litterarifchen Dingen zu erhalten. Gie 
wünſcht Schriften, auch wohl politifche, aus dem Englifchen 
zu überfegen. — | 

Beſuch von Herrn Gottfried Keller, gehaltvolles, aber 
nicht flüffiges Geſpräch. Er ift fleißig am vierten Theile 
feind „grünen Heinrich“ und denft ftarf an die Abreife. -- 

Ftau von Treskow bei Qudmilla. Bettina von Arnim bei 
mir; fie ift guter Laune, erzählt, fcherzt; große Kobfprüche für 
mid und meinen Bülow, fie hat dad Buch in der legten Nacht 
durhgelefen, findet es mein befted, alle Offiziere lobten es ıc. 
So ſchmeichelhaft es für mich ift, fo fehwer ift ed mir doch an- 
zuhören. Was für ein Geficht dazu machen? — 

Die Bamberger Konferenz der deutfchen Könige erklärt 
ihten Beitritt zum djterreichifch-preußifchen Vertrage unter 


94 


drei Bedingungen, daß ihre Souverainetät auf’d neue gewähr 
leiftet, ihnen beim fünftigen Friedensſchluſſe Mitwirfung zus 
geftanden, und das Verdienft Rußlands um die nationale 
Entwidelung Deutfchlande anerkannt würde! Das Leptere, 
falle es wirflih To lautet, iſt die größte Albernheit und 
zugleich Beleidigung und Schmach für Deutichland. Der 
ſächſiſche Staatsminiſter Freiherr von Beuft foll den Wiſch 
verfaßt haben. Deutfihland lernt nad und nad alle feine 
Halunfen auf der hellbeleuchteten Staatsbühne fennen. An 
der nationalen Entwidlung Deutichlands, wie fie jetzt vor« 
liegt, bat gewiß niemand größern Antheil al& der alte Kaiſer 
Napoleon, der das heilige römische Reich zeritörte, die Fleinen 
Fürſten mediatifirte, den Rheinbund ale Vorbild des deutfchen 
Bundes ftiftete ꝛc. ꝛc. — j 

Alle Bewegung ringt zur Freiheit, geſchieht in ihrem 
Dienft. Der Despotismus ift Ruhe; fängt er an ſich zu 
regen, feine Erftarrung zu verlafien, fo iſt er verloren! Laßt 
nur die Ruffen fommen! Sie werden ala gefchlagene beim: 
fehren, aber die Saaten der Freiheit mitnehmen, oder als 
liegende fi und verbrüdern, und zuleßt mit und ihr und 
unfer och zertrümmern. — Wie die Sachen jetzt ftehen, halt’ 
ich das preußifche Heer allein ſchon fähig, aller ruffifchen 
Heeresmacht die Spike zu bieten, vorauägefeßt, daß nicht Hof: 
einfluß ihm lähmend beigegeben wird. Unter diefem halt’ ich 
feine Niederlage für gewiß! — 


Sonnabend, ben 3. Juni 1854. 
Frühmorgens ein Billet von der Frau Generalin von 
Tettenborn, die eben aus St. Peter&burg eingetroffen ift. 
Sie will mich befuchen,, ich komm' ihr aber zuvor; um halb 
zehn Uhr in ihrem Gaſthof, wo ich ſchon Herrn von Meyſen— 
bug bei ihr finde, — der Legationsſekretair bei Tettenborn in 





95 


Bien war. Herzliche Grüße von der Gräfin von Bludoff, 
deren Aufgeregtheit auf3 höchite geftiegen ift, fo daß man 
| fum noch mit ihr fprechen kann! Sie liebt mich dabei fehr, 
wie fie fagt, und mich wolle fie befehren,, das habe fie fich zur 
Aufgabe geftellt! Der junge Tettenborn ift in St. Peterd- 
burg, die Großfürftin Helene gleichfalle. Die Generalin ers 
‚zählt auch von der in St. Peteröburg herrfchenden Begeifte- 
| tung, von den Opfern und Anerbietungen der Reichen und 
Armen; ed find aber diefelben wenigen Beifpiele, die in den 
rujiühen und deutſchen ruſſiſch gejinnten Blättern bis zum 
Ueberdruß wiederholt find, und hinter denen fich eine ent: 
. gegengefehte Stinnmung fehr wohl verbergen fann. „Die fom- 
menden Tage werden das Wahre zeigen!" — 

Machmittags Beſuch von Frau von Tettenborn und ihrer 
‚ Reilegefährtin, Frau von Vohnftedt. Letztere eine eifrige Le— 
ſetin und Berehrerin von Rahel. Hunderterlei Nachrichten 
1 über Berfonen und Berhältniffe aller Art. Etwas ruſſiſche 
Faͤthung fhimmert überall Durch ; natürlich haben fie fich alles 
weiß machen laffen, was man in St. Peteröburg den Leuten 
| wei machen will! Daß der Kaifer alle Anftrengungen macht, 
um dad Volk zu fanatifiren, zugleich alles aufbietet, um diplo- 
nmatiſch im Bortheil zu fein, daß er um alles in der Welt 
 deflerreih vom Kriege abhalten möchte, daß er mit dem Kö— 
‚ Age von Preußen äußerft unzufrieden fei, und ihn fünftig 
einmal ftrafen werde 2. Die Damen aßen um 5 Uhr bei 
, meinem Wandnachbar Meyfenbug zu Mittag. — 

* Der Kurfürft von Heffen und fein würdiger Minifter 
Haſſenpflug hatten die Mitglieder der aufgelöften heſſiſchen 
: Ständeverfammlung fänmtlich der Steuerverweigerung,, des 
Hochvertaths 2c. anlagen laffen. Das Kriminalgericht zu 
Kaſſel hat nach langer Berathung die Anklage für unzuläffig 
s erklärt und abaewiefen. Sie zu verſuchen war jchon Ber: 
brechen und Schande genug! — 


96 


Der Reaktion ift ed nun gelungen, auch den legten T 
deutfchen Minifter vom Jahr 1848 aus dem Amte 
drängen. Der Minijter von Wydenbrugf in Weimar hat d 
Abfchied befommen. — 

Siliftria hält fih noch. Die Ruffen leiden in fleiner 
Gefechten und durd Krankheiten große Verluſte. Die Ne 
Preupifche Zeitung wird immer pöbelhafter und nichtewü 
diger, Herr Goedfche überflügelt die Herren Wagener, vı 
Gerlah ꝛc. — 


Pfingftfonntag, den 4. Juni 1854. 

Ueber: die Kriegdbegeiiterung in Rußland. Sie ift thei 
die aus der Volksſtimmung natürlich entjpringende, denn i 
Allgemeinen find die Völker ftetd willig zu frifher Bewegu 
— wie war es bei und 1850 ald ein dummer Krieg geg 
Defterreich in Ausficht ftand? theils aber auch, und aute: 
theile, die Folge der Pneihtifchen Verhältniffe, die eine fchei 
bare Freiwilligkeit gebieten, befonderd bei den Großen u 
Neichen, die dem Kaifer bemerkbar find, und ihren Eifer zeig: 
müffen — 

Hoffmann von Falleröleben und Oskar Schade find nı 
wirklich in Weimar angefiedelt, und follen eine neue Litter 
turzeitung begründen, wozu der Großherzog ihnen — aı 
dem Goethe-Fond — jährlich taufend Thaler giebt. Bettin: 
it ihre Werk alfo geglückt. — Die Neue Preußiſche Zeitu 
Iprigt auch fchon ihr Gift auf den armen Hoffmann, u 
macht den Großherzog ängitlih! — 


97 


Montag, den 5. Juni 1864. 

Am 5. Juni 1799 ftarb in Hamburg mein theurer ge⸗ 
liebtee Bater. ch lerne täglich mehr einfehen, weld, ein vor: 
treffliher Mann er geweien, wie ftarf und fchwer er fid 
durhgefämpft. Wie früh hab’ ich ihn verloren! Er würde 
an feinen Kindern Freude erlebt haben; er hat im Sterben 
den Trojt gehabt, ed vorauszufegen. — 

Gefchrieben; über die Rohheit der öffentlichen Kriege: 
urtheile; unfre fchlechten Zeitungen, die Neue Preußifche Zei- 
tung, die Wehrzeitung, überbieten alles Gemeinite und Nie: 
drigite, was uns ehemals an den franzöfifchen, an Napoleon’s 
Bulletins und Zeitungsartifeln fo jehr empörte, und was wir 
damald für einzig hielten! — 

Bettina fam wieder, ald wir beim Mittageffen waren. 
Neue Lobſprüche über mein Bülow-Buch. Sie fagt, es fei viel 
wahrhaft Mufifalifched darin, fo viel glüdliche Gruppirung 
de Einzelnen und dann Zufammenfaffung zum Ganzen. — 
Klagen über M. und den Juſtizrath Caspar; große Ver: 
luſte werden nicht abzuwenden fein! Bettina jagt, fie fei diefer 
Lage ganz bin gewefen, ganz erfchöpft von Verdruß und Arbeit 
und Störung. Daß ihr die Frau von Tettenborn entgangen 
if, beflagt jie ungemein, fie hätte fie gern gefprochen; Frank— 
furter Berwandtfchaft ꝛc. — 


— — — — — 


Dienstag, den 6. Juni 1854. 
Louis Bonaparte hat in Deutfchland einen Xobredner ge 
Funden: Wolfgang Menzel! Der giftige Wurm, der bisher alle 
edeliten und beften Männer des Vaterlandes begeiferte, ift 
ganz dazu gemacht jenen zu preifen! — 
Die Defterreicher find von der Pforte ermächtigt, in Albani- 


nien und Montenegro einzurüden, wenn dort Aufftände aus- 
Barnpagen von Enfe, Tagebüder. XI. 7 


98 


brechen ; aber jeßt grade ift dort alled ruhig. Ob fie nun doc 
einrüden? — 

Der Prinz und die Prinzeffin von Preußen fommen heu 
hier an, um morgen den Todestag des verftorbenen König 
mitzufeiern. Die Prinzefjin hat in Baden geäußert, die Rei 
nach Berlin rege fie fieberhaft auf, es fei ihr ein Gräuel bi 
am Hofe zu erfcheinen, in diefem Nefte chlechter Gefinnungen 
elender Schwanfungen, unvernünftiger Einfälle, und friecher 
der wie hoffährtiger Heuchelei; fie werde glüdlich fein, diefe 
Kreid unbefchädigt wieder zu verlaffen! — 

Im Plutarchos gelefen, im Baco. Letzteren fann ic 
eigentlich nicht leiden, doch war er ein außerordentlicher Geiſ 
der in vielen Dingen feinen Zeitgenofjen weit voraus war; « 
hat die Bereitung fünftlicher Mineralwaffer zur Aufgabe ge 
ftellt, den Werth der vergleichenden Anatomie eingefehen, zw: 
Stüde, die erft in unferer Zeit zur vollitändigen Ausführun 
gefonmen. Ueber Platon und Ariſtoteles urtheilt er jet 
herbe, offenbar wie jemand, der beide nicht durch gründliche 
eigned Studium fennt. — 

Es ift ein gewaltiger Unterfchied, den Wechfel der Zı 
ftände und Berhältniffe blos aus Geſchichtsbüchern kennen z 
lernen, oder denfelben zu erleben! Jenes bleibt eine todi 
Kenntniß ohne Anfchauung, daher auch aus der Gefchichte 
funde gewöhnlich für das eigne Leben nicht gelernt wird. Di 
Anfchauung aber, das Miterleben, febt in Geiſt und Gemüt 
wahre Ergebniffe ab, anwendbar und brauchbar für dag eign 
Handeln. Nur empfangen wir fie gewöhnlich zu ſpä— 
wenn ed mit dem Gebraudy fchon vorüber if. Aus di 
bloßen Ueberlieferung die Anfchauung zu gewinnen, ift wı 
nigen Menfchen gegeben; ich darf mich diefer Gabe rühmen 
mir ift viele Bergangenheit, die weit vor meinem Leben lieg 
verftändlich und vertraut, al® wäre fie Gegenwart. Das i 
meine ganze Gefchichtefunde! — 


99 


Mittwoch, den 7. Juni 1854. 

Heute, am Sterbetage des vorigen Königs, find alle Theater 
gefhloffen, auch Die Nicht-Königlichen; die Feier ift, wie die 
Aeußerlichkeiten alle, ftrenger geworden. Die Schaufpieler 
aber, des freien Tages froh, haben fich zu einer Luftfahrt auf's 
Land vereinigt, wobei es luftig genug hergeben wird, troß des 
Ihlehten Wetters. Den König ſah man Vormittags in die 
Stadt fahren, unter den Linden waren viele Leute, es fiel un: 
angenehm auf, daß man den König, der dieſen Tag ale 
Irauertag anfehen heißt, in Scherz und Luftigfeit ſich mit 
einem Wagengefährten (Prinz oder Adjutant ?) eifrig unters 
halten, heftig geftituliren fah und laut lachen hörte: „Ein 
Gewieher.“ Heine. — 

Bute Nachrichten von der Donau: fiegreiche Gefechte der 
Sürfen ; Siliftria behauptet; Defterreich macht Ernjt. In der 
Oſtſee die Weftmächte Meifter; die Engländer zerftören ruf- 
fihe Schanzen auf der finnifchen Küfte, holen abermals 
Schiffe aus Riga ꝛc. — 


Donnerstag, ben 8. Juni 1854. 

Nachmittags Befuch von Herren Erepet. Er war bei Bet: 
tina von. Arnim und ift fehr mit der ihm gewordenen Auf— 
nahme zufrieden; fie war natürlich, einfach, wohlwollend, 
mittheilend, erzählte, zeigte ihm ihre Zeichnungen; die Töchter 
kamen nicht zum Vorſchein. Grepet denkt entfchieden an 
baldige Abreiſe, will aber beftimmt zum Winter wieders 
kommen, — 

Nachtichten aus Moskau. Die Stimmung dort ift nicht 
für den Krieg, alles leidet von den Truppenaushebungen, von 
der Berfchlechterung ded Papiergelded, von der Handels: 
Nodung, Der Aufruf an die gedienten Soldaten, wieder in 
Dienſt zu treten, hatte zuerft gar feinen Erfolg, es bedurfte 

* 


ae 7 





100 


verfchärfter Mahnung, zuleßt des entichiedenen Zwanges. Di 
Geldopfer find auch großentheile erzwungen, die Leute fünneı 
nicht anders; Leute wie Demidoff und Jakowleff bringen fi 
aud Eitelfeit. Nur das unterjte Volk und die wirflice 
Truppen find in Hitze gebracht, die fich aber auf dem Kriegs 
ihauplag bald abfühlt, und im Innern große Erwartungen 
aufitellt,, die nicht getäufcht werden wollen. Die ungeheuern 
Berlufte an Menſchen, welche Rußland fchon erlitten bat, jin. 
befannt und maden tiefen Eindrud, Die Truppen werde 
zu Taufenden dem fichern Tod entgegengetrieben, die Genera 
bieten alle& auf, den Befehlen des Kaiſers zu genügen; d- 
jeßt vergebend. Die Hofberichte finden wenig Glauben. — 


Der König ift heute früh mit dem Miniiterpräjidenten v 
Manteuffel und dem Generaladjutanten von Gerlach zu eir 
Zufammenfunft mit dem Kaifer von Defterreich nach Tetſch 
abgereift; Iegterer bringt feinen Minifter, Grafen von Bu 
mit. Zwei Monarchen! zwei Minifter! — 


Die Neue Preußifche Zeitung vertheidigt die Mittelita 
ten, deren Beauftragte in Bamberg verfammelt waren, 
ihrem Widerftande gegen Preußen und Dejterreich, diefe Tolle 
jett im Bunde nicht das entfcheidende Wort führen. Da 
ließe fich allenfalls hören, nur die Kreuzzeitung darf es nid 
fagen, die früher mit frehem Hohn jeden ſolchen Selbititän 
digfeitöverfudy verwarf amd verjpottete. Die preußiſche 
Ruſſen greifen aber zu allem, was für Rußland im Au 
genblicke dienlich jcheint, das eigentlihe Vaterland iſt ihne 
nichtd, oder vielmehr fie haben keines, ubi knute it 
patria heißt es bei ihnen. Und dabei find fie im dümmſte 
Irrthum, daß fie als Ruſſen ihr Junkerthum gedeihe 
ſehen würden, die ruſſiſche Regierung iſt demſelben gar 
feindlich! — 


Der Erzbiſchof von Freiburg giebt endlich etwas nach, d 


101 


badiihe Regierung auch, — fo fucht man den alten ftinfenden 
Drei zu erhalten und gießt laues Waffer hinzu! — 


Freitag, den 9. Juni 1854. 

Nachrichten aus Rußland; die Anftrengungen find fehr 

groß, aber man ijt auch ſchon beforgt, daß fie ſich bald er- 
ſchöpfen, nicht nur der Eifer, fondern auch das Geld, die 
Sasen, fogar die Menfchen ; es foll unendlich ſchwer fein, aus 
der wenn auch jechzig Millionen betragenden, doc) zerftreuten, - 
überall dünnen Bevölkerung die nöthigen Soldaten zu fchaf- 
fen, die denn doch wieder in der Kriegführung felbft mit grau- 
famer Berfchwendung aufgeopfert werden, fowohl dem feind: 
lichen Feuer, ald dem Mangel und der Bernachläffigung. Der 
Kaiſer ift mit allen feinen Generalen unzufrieden , fie find es 
natürlich auch mit ihm. Das in's Ungeheure vermehrte ruf: 
\ifche Papiergeld erregt große Befürchtungen und Zurüdhal- 
tung. — 

Herr Dr. Hermann Frand beſuchte mich Nachmittags; er 
ſprach ſehr geiftvoll und bezeichnend über Schelling, dem er 
volle Gerechtigkeit widerfahren ließ, mit höchfter Achtung von 
Fichte, mit ehrerbietigfter Bervunderung von Kant, dem er 
doeh vor allen Andern den Preis zuerfannte, fowohl der 
größten Begabung ald auch der größten Wirkung. Bon Hegel 
befannte er mit Trauer und Scham, daß wir von ihm in den 
Steigniffen von 1848 wenig Freude und Ehre würden gehabt 

haben, Schöne Geſchichten vom Mathematifer Jacobi, von 
Gans, von Piron. — Plöplich that fich die Thüre auf, Bettina 
von Amim jtredte den Kopf herein, rief: „ Adieu, Barnhagen! 
mahte die Thüre wieder zu und verfchwand. Ich eilte ihr 
nach, fie war aber nicht weggegangen, fondern in die hinteren 
Zimmer, erft an der Küche konnt’ ich fie erreichen und auf 


102 


halten, do nun war fie durch Fein Zureden zu bewegen, be — 
mir einzutreten; fie fagte, fie habe durchaus feine Zeit, borgt 
fih zehn Silbergroſchen, und eilte fort. Sie weiß, ri 
Franck ihr größter Verehrer ift, wenn fie ihn aber doch nich 
jehen wollte, warum ging jie nicht ftill wieder fort, ſonder 
meldete fi fo herausfordernd ? ch weiß recht gut, ein tiefe 
Zartgefühl in ihr ſchämt fih, Xob und Bewunderung vor — 
Zeugen auf’fich zu nehmen, und doch liebt fie den Reiz dee S 
Spielens mit folchen Verhältniffen. Doch beides ziemt ihr nicht — 
recht mehr, und ſteht ihr nicht gut, und für Andre iſt dad Be- 
. nehmen verdrieplih. Franck fand fich allerdings etwas ver- 
legt, ging aber leicht darüber hin, und fuhr in feinen Erzäh— 
lungen fort. — 

Heute find in der Mauerftrape die Röhren zur neuen 
Wafferleitung gelegt worden, meift durch englische Arbeiter. — 

Für Bunfen’d Abberufung giebt man jept noch einen be 
fondern Grund an. Es heißt, der Polizeidireftor Stieber 
babe ihn geftürzt! Diefer fei von ihm in London nit ehrens 
voll genug behandelt worden, habe fich beklagt, dag er in 
feinen Aufträgen gegen die Flüchtlinge von dem Gefandten 
feine Unterftügung gehabt, dag derjelbe die Spipbuben wohl 
gar begünftigt habe! Dies foll auf den König Eindrud ge: 
macht haben; — doch gewiß nur durch gute Nahhülfe von 
Seiten der Gerlach's ıc. So gemein und unwürdig das Flingt, 
e8 kann fehr wohl wahr fein! — 


Sonnabend, ben 10. Juni 1854. 
Früh aufgeftanden und gefchrieben. — Nach 10 Uhr fchon 
fam Frau Bettina von Arnim, fehr erfchöpft und übel aus: 
fehend, wie fie fagte — fie hielt die Hand vor’s Geſicht —, 
wurde aber bald munter, und brachte ihre ärgerlichen Klagen 
mit fräftiger Krifche vor. Ihr Gefchäftsführer hat ihr einen 


103 


wirklich tüdifchen Streich gefpielt, und fie einen Wechſel 
unterfchreiben laffen, den er bezahlen follte, fie nun aber für 
ihn bezahlen mußte. Der Juſtizrath Caspar nimmt ihre 
Sache fehr lau, und überaus wandelbar, jest räth er ihr wie- 
der, den gerichtlihen Weg gegen M. nicht einzufchlagen. 
Freilich macht auch Bettina ihrerſeits ihm das Leben fauer, 
und er klagt, daß fie ihn, nie zu völliger Klarheit gelangen 
laffe, und namentlich die nöthigen Beweisſtücke nicht beis 
bringe! Soviel ift gewiß, daß ** die für ihre Bücher cin- 
gelaufenen Gelder theilweife für feine Zwecke verwendet hat, 
den Ausfall nicht deden kann, und fie wegen Zahlung verklagt 
iſt! — Don geftern ſprach Bettina fein Wort! — Wir fprachen 
nachher noch vieles durch, auch die Sache des Dr. Alerander 
Jung, deſſen Brief fie fhonungslos zerfnitterte. Sie ging, 
ſich weiteren juriftifhen Rath einzuholen, wußte aber weder 
Namen noch Wohnung ded Mannes, den fie im Sinn 
bitte! — 

In der Jägerftraße bei Sachfe befahen wir die am Fenſter 
aus geſtellten Bilder, eine Anficht von Berlin war nicht ganz 
deutlih, wir fprachen zweifelnd darüber, da gab ung ein 
junger Handwerfölehrburfche, der in fchlechteftem Arbeitsan- 
juge dicht neben und ſtand, unaufgefordert gute Auskunft, 
freimüthig und zugleich befcheiden, aus klarer Unbefangenbeit 
heraus; auch hatte er ein ganz gutes, nicht gemeines Geficht. 
Das freute ung fehr, als ein Zeichen jeßiger Volksart, Sitte 
und Bildung. Der Junge wollte gar nichts vorftellen, nicht 
einmal einen Grflärer, e8 war ald ob er und gar nicht merfte, 
nur unfre Zweifel. — 

Das politische Wochenblatt war angeflagt, den Minifter: 
präfidenten von Manteuffel beleidigt zu haben. Das Stadt: 

gericht hat die Klage ald unbegründet abgewiefen. Inzwiſchen 
iſt Herr von Jasmund von der Redaktion zurüdgetreten, 
Her Fürftenhaupt hat fie übernommen. — 


104 


Nachricht aus Wien, daß das ruffifche Hauptauartier von 
Bukareſt nach Jaſſy zurückverlegt wird. — 


Sonntag, den 11. Juni 1854. 


Unter den Linden große Erleuchtung wegen der Feier der 
ſilbernen Hochzeit des Prinzen von Preußen. Die Gafthöfe 
zeichnen fich aus, die Hoffieferanten, der rufjifche Gefandte. 
Am präctigften war der Gafthof zur Stadt Rom. In an- 
deren Straßen nur einzelne Häufer oder Stodwerfe. In der 
Mauerftraße alles dunkel. Der Prinz von Baden und der 
badifche Gefandte hatten fein Licht. Selbit der -Tupezier 
Kuntz war diesmal befcheiden. 

Der König ift aus Tetſchen zurüd, Man erzählt die fon- 
derbarften Dinge von dort. Der König foll ſich auf das aben— 
theuerlichite betragen haben, der Kaifer und die Kaiferin dars 
über höchit erjtaunt gewefen fein. Die tolliten Poſſen und 
der tollite Schwulft! Indeß haben die beiderfeitigen Minifter 
ihre Gefchäfte jo ziemlich abgethan, nicht zur Zufriedenheit 
gewiffer Leute! --. Diefe Nachrichten fommen aus einer 
Quelle, die den Generaladjutanten von Gerlach ale Erzähler 
vermuthen laffen. Der kann offenbar mit dem jegigen Gang 
der Dinge nicht zufrieden fein, und am wenigften mit dem Kö- 
nige felbft, den er ruffisch gefinnt weiß und Doch gegen Ruß- 
land fortgeriffen fieht. — 

Warum ich nur fo fporadifch lefe, nicht methodifch, in 
ordentlicher Folge? Heine fagte ſchon früh: „Sch lebe nur 
zum Bergnügen!“ Darf ich im ſiebzigſten Fahr nicht „nur 
zum Vergnügen“ lefen? — 

Warum iſt dad Alter gewöhnlich jo mißmuthig? Weil 
allem Leben ſo vieler Schein, der ſein Schmuck war, abfällt, 
auch der eigne Schein, der uns begleitet, und ohne den das 
Weſen, das doch die Hauptſache iſt, für und weniger ver⸗ 


105 























ftändlich und ſchwerer darftellbar wird. Bon diefer Seite 
bleibt das Alter, dem doc font die größten Befriedigungen 
gewährt find, den meiften Menfchen unbefriedigend. — 


Montag, den 12. Juni 1854. 

Viel war von Bettinen die Rede, zum Theil tadelnd, zum 
‚ Theil lobend, faft immer aber unrichtig; fie fehen nur das 
Einzelne, nicht den Zuſammenhang, und glauben diefen Reich- 
thum mit dem gewöhnlichften Maßſtabe meffen zu dürfen. Ein 
Urtheil von Herrn Dr. Hermann Frand, das diefer zu Erepet 
| gejagt hatte, daß nämlich Bettina in Berlin nicht an ihrem 
Orte geweſen fei, daß fie anderwärts beffer gedichen wäre, zu 
höherer Reife gelangt fein würde, muß ic) ganz und gar bes 
| flreiten. Gin glüdlicherer Ort ale Berlin konnte für jie nicht 
| gefunden werden, Berlin war das günftigfte Fußgeſtell für 
ihre Erſcheinung, in anderer Atmofphäre ale der hiefigen 
würde fie bald erfticdt, oder nur eine gewöhnliche Frau ge⸗ 
| wefen jein. ch möchte fügen, Friedrich der Große hat erft 
| den Boden geſchaffen, auf dem foldhe Freiheit und Eigenheit, 
| wie fie in Rahel und Bettina ſich zeigen, ihre volle Entwides 
; lung finden konnten. Für Rahel freilih blieb noch manches 
| zurüd, ihr hätte andere Stellung gebührt. — 

| Man ſuchte den König auszuforjchen, welches Maß von 
Huldigungen für den Prinzen und die Brinzeffin von Preußen 
ibm wohl genchm fei; er ſprach das Wort aus: „Was man 
F meinem Bruder thut, das thut man mir!" Da war jede Be 
eiferung denn äußerlich berechtigt, innerlich aber wird eine zu 
große Doch übelgenommen, meint man, beſonders joll Die Kö— 
nigin große Eiferfuht hegen. — “Der Minifterpräfident von 
 Manteuffel hat erft ſpät durch den Telegraphen angeordnet, 
Em jein Miniſterhotel feſtlich erleuchtet werden folle. Er 
iſt mit dem Prinzen mehr einveritanden, ald mit dem König; 


106 


eben deßhalb wollte er fich zurüdhalten, und nichts Uebriges 
tbun. — 

Die Anleihe von dreißig Millionen Thaler wird mit dem 
Haufe Rothſchild hier unterhandelt. — 

In Magdeburg wird die freie Gemeinde mit frecher Bil: 
für und ſchnöder Gewaltlift ald Handwerkerverein behandelt! 
Die nichtswürdigen Pladereien dauern unaufhörlich fort. Die 
Heuchelei befiehlt, die Augendienerei gehorcht eifrigit. — 
Preußen ein Militairjtaat? Ein Pfaffen- und Schranzen⸗ 
ftaat! Aber, aber — ed lebt auch noch Andres in ihm! Gott⸗ 
lob! — Ä 

Der Prediger der hiefigen freien Gemeinde Herr Hofmann 
wollte eine Borlefung über die Gefchichte Der Waldenfer gegen 
geringes Eintrittögeld halten; die Polizei erflärte, Borle 
fungen für Geld müßten eine befondere Erlaubniß haben; er 
wollte fie nun umfonft halten, und die Polizei wußte keinen “ 
Einwand, ale aber die Zuhörer ſchon verfammelt waren, löfle _- 
der beauffichtigende Konftabler die Verſammlung auf, ohne: 
einen Grund anzugeben. Die nicht gehaltene Borlefung if’ 
nun im Drud erfchienen. — Die Waldenfer waren eine freie. 
Gemeinde jener alten Zeit; der König von Preußen beicüpt 
noch heute deren Nachkommen in Piemont ; die heutigen Wals 
denfer verfolat er! — 









Dienstag, den 13. Juni 1854. | 

Sch hatte es heute ſehr mit der Goethelitteratur zu thun, 
fand viel aufzuräumen, Bergeflened wieder in's Gedächtniß zu: 
rufen. Das Bedürfniß, Goethe's Briefe in Einen Körper ge: 
ſammelt zu fehen, wird immer fühlbarer. Welche Scaßs, 
fammer von Lebendweisheit und Lebensreizen, Gefühlen und 
Geſtalten! — | 
Nachrichten aus St. Petersburg. Der Kaifer Nikolai‘ 


107 


wüthet, ſtößt VBerwünfchungen gegen die Monarchen von 
Derterreih und Preußen aus, droht an beiden feine Rache zu 
nehmen. Er will Rußland ganz fanatifiren, alles ſoll zu den 
Baffen greifen, die Koſaken follen ihre Pferde wieder in der 
Seine tränken, Preußen foll nur als ruſſiſcher Vaſall fortbe- 
Reben 2c. Es beftätigt ſich au, daß Mehendorff in Un- 
‚ gnade ift, der Kaiſer nennt ihn einen eitlen Geden, der jich 
anaebildet babe Deiterreich zu lenken! Es jollen ächte Rufen 
 amdie Stelle der Deutichruffen kommen; da wird die ruffifche 
; Diplomatif und Heerführung fchlecht genug fahren! — 
Der Fürſt Paskewitſch ift Schwer erkrankt. Siliftria hält 
ſich. Franzoſen und Engländer rüden nah Schumla vor. 
Oefſterreich rüftet Präftig.und eilig. Die englifch-franzöfifche 
glotte in der Oſtſee fährt hin und her, nimmt Schiffe, beob- 
achtet die Häfen und Küften. — | | 
Der König ift nach Preußen gereift. Daß er in Zilfit 
oder font wo eine Zufammentunft mit dem Kaifer von Ruß⸗ 
| land haben werde, wird ausdrüdlich verneint. — Der Prinz 
' von Preußen auch nad Königöberg, Truppen zu bejichtigen. — 





Mittwod, den 14. Juni 1854. 

Ludmilla fam von Fräulein Neander zurüd, die fehr franf, 
und von den Xerzten aufgegeben ift! ch ſah fie nicht, doch 
aeht ihr Berluft mir ſehr nahe, auch Yudmilfa wird untröftlich 
fein! Die Kranke hat geftern etwas irre geredet, zwifchen ganz 
hellen Augenbliden ; fie fragte nach ihrem Bruder: „Wo ift 
denn Auguft? warum ſeh' ih ihn nicht?“ Man fuchte ihr 
begreiflich zu machen, daß er längft nicht mehr lebe. „Was? 
fo viele Jahre ſollt' ich ohme ihn gelebt haben? das ift gar 
nicht möglih! ganz vor kurzem hab’ ich ihn ja noch ges’ 
ſprochen!“ In diefem Wahn offenbart fich ihr Innerſtes, das 
Leben ohne ihren Bruder war feines, es ſchränkte fich im Be⸗ 


108 


wußtfein auf eine Spanne Zeit ein. Sie hatte es ſchon 
immer fo gefühlt, auch gefagt; bei ihrer fonftigen Heiterkeit 
und Frifche wollte man ed nicht glauben! — 

Der vielfach verfolgte, zum Auswandern gedrängte Pre 
diger Wander aus Schlefien ift im Staat Ohio am 6. April 
geftorben, furz nach Antritt ſeines Predigtamtes bei einer 
dortigen freien Gemeinde. — 

Heute ift bier endlich die Malmene’fche Anabenanitalt ge 
ichloffen und Malmene felbit verhaftet worden. Der Staat® 
anwalt Nörner und der Polizeidireftor Stieber führten & 
gemeinfam aud. — 

So weit erfennt doch der König die Verfaſſung an, daher 
jich darein fügt, für feine Kabinetöbefehle ſtets die Unterfchrift 
eines Minifterd zu verlangen ; nur im Kriegsweſen und in den 
auswärtigen Angelegenheiten verfügt er biöweilen ohne die 
Minifter deßhalb anzugehen. Bei manchen Gelegenheiten bat 
er auch ſchon im Kabinet audgefertigte Befehle durch Illaire 
oder Niebuhr den betreffenden Miniftern zugefandt, mit der 
Weifung, fo lange dort zu bleiben, bie der Minifter unter 
fchrieben habe. Da machen diefe denn freilich feine großen 
Umftände! — 


— — —— — 


Mitte Juni 1854. 

Vor kurzem war Dr. Walesrode aus Königsberg hier. Et 
kam mit einem ordentlichen Paſſe, der nach Hamburg und 
England ausgeſtellt war. Er bemerkte, daß ihm hier überall 
ein Konftabler folgte, und ihn genau beobachtete, was er that 
mit wem er verkehrte; auch in feiner Wohnung gefchahen po 
lizeiliche Nachfragen. Er war daher fehr vorfichtig, und ver 
mied manche Leute lieber, um fie nicht bloazuftellen ; auch wa 
ihm unter diefen Umjtänden der Aufenthalt nicht angenehm 
und nad fünf Tagen betrieb er feine Weiterreife. Sein be 


10 


zei aufbewahrter Pag wurde ihm wiedergegeben, er 
den Hamburger Bahnhof und nahm fein Fahrbillet. 
ihn ein Polizeimenn an, fagte, er folle fein Auffehen 
und ihm ftill folgen, feine Sachen müßten unterfucht 
Er folgte ohne Widerrede. Dian führte ihn in ein 
nes Zimmer, das von Soldaten bewacht war, und 
te fein. Gepäd, alles auf's genaufte, die Zeitungs⸗ 
worin feine Stiefeln eingewidelt waren, beſah man 
ıd behielt fie, deßgleichen einige Briefe von unnam- 
erfonen. Nachdem dieſes alles gefchehen war, fagte 
1: „Mein Herr, wir haben Befehl, Sie auch am Leibe 
ſuchen!“ Er widerjprach nicht, und mußte fi nun 
ziehen, Kleider und Wäſche wurden auf's genaufte 
Man fand nichts, und war fichtlich ungehalten 
Fruchtloſigkeit des Bemühens. Ich muß noch nad: 
dag man ein altes Exemplar feiner „ Unterthänigen 
and, und dies wegnahm; ferner machte ein Miniatur: 
Bed Vedenken, dad den Abbe Sieyes vorftellte, — 
de hatte dafjelbe von dem einftigen Mainzer Klubbiften 
 geichenft erhalten, — und in weldhem man den 
ann Jacoby erkennen wollte; auf die Berficherung, es 
Jacoby (und wenn er’d nun gewejen wäre??!), 
in eifrig, wer eö denn fei, worauf Walesrode endlich 
te, es ftelle einen franzöfiichen Geiftlichen vor, deſſen 
fie wahrjcheinlich nie gehört hätten; nad langem 
und Weberlegen ließ man ihm das Bild. All dieſes 
hrere Stunden gedauert, der Bahnzug war längit 
ls man den PVerhafteten nun entlaffen wollte, fagte 
t fein Billet bereite bezahlt aber den Zug auf den es 
fäumt habe; er glaube verlangen zu fünnen, daß die 
die ihn an der Fahrt verhindert habe, ihm das Billet 
nächfte umſtempeln laſſe. Dazu ließ fie fich bereit 
as Billet wurde umgeftempelt, Walesrode jedoch blieb 





110 _ 


unter Auffiht, und durfte bis zur wirflichen Abfahrt mit nie- 
mand fprechen. — 

Was iit das für ein Verfahren ? wie foll man es nennen? 
— Sie find in Noth wegen ihres Märzfomplottd, fie möchten 
gern was finden, und hofften in Walesrode einen geheimen 
Sendboten der deutſchen Demofraten an die Flüchtlinge in 
England ertappt zu haben; fie dachten Aufträge der Könige 
berger und Berliner bei ihm zu finden, und ließen ihn vorher 
unangefochten, um ihn ficher zu machen, und im legten Augen: 
blide zu faffen. — 

Sein Freund, der Referendarius Meyerowicz, war zum 
Abſchied auf den Bahnhof gefommen, und einen Augenblid, 
bloß weil er lebhaft fragte, was denn geſchehe, mitverbaftet. — 
Während Meyerowicz in Haft war, hielt man bei ihm Hause 
ſuchung. — | 


Donnerstag, den 15. Juni 1854. 

Früh aufgeitanden und gefchrieben. Die Bamberger Br 
rathungen! Schredlid, daß alles was in Deutichland zum 
Guten gefchehen fönnte und follte, nur dann möglich und wirk- 
lih wird, wenn ed zum Schlechten dient. Ein Berein deub 
ſcher Regierungen gegen die Großmächte des Bundes, zur 
Wahrung des Rechtes, der Freiheit, zur förderung der Bun— 
deöfraft und Bundesehre — unmöglich! Aber im Sinn und 
zu Gunften Rußlands, das geht, und man wagt cö nicht ſie zu 
ftören! Ein deutſcher Fürjt, der für Volfäreht und gegen 
Willkürmacht den Nachbarn und dem Bundestage Troß böte, — 
unmöglich! Aber ein Kurfürit von Heffen mit feinem Hafen: 
pflug in despotiſcher Abficht darf e8 ungeftraft! — 

In Jacobi gelefen; feine philoſophiſchen Schriften machen 
auf mid, immer denfelben unangenehmen Eindrud, es ift mit 
dabei jtetd zu Muth, ald machte einer mit weinerlihem Ixoge 


111 


rin gutes Recht geltend; Necht hat er in feiner Weife, und 
rit ehrlicher Meberzeugung, aber fein Vortrag ift fehr unan- 
jenehm. — Schelling ift unwürdig mit ihm verfahren, Fried⸗ 
tich Schlegel hat ihn fpäter ehrend anerkannt, Schleiermacher 
teoß alter Vorurtheile bei perfönlicher Befanntfchaft ihn fehr 
lebgewonnen. — 

Der General von Scharnhorft ift am 13. in Emd an 
einem Nervenfchlage geftorben. Er war ein tapferer, ein 
Nhtövoller Offizier und fehr braver Dann. — 


Freitag, ben 16. Juni 1854. 

Beſuch von Herrn Dr. Vehſe, neue Schwierigkeiten von 
dolizeilicher Seite gegen feine Einbürgerung ; Hindeldey fchrie 
af, ale die Sache an ihn gelangte, und meinte, man hätte 
ja gern ihm jahrelangen Aufenthalt hier aeftattet, aber Ein» 
hürgerung fei zuviel! Indeß kann er die Sache nicht rück— 
gingig machen, wohl aber fie liegen laſſen. Mittlerweile 
fwebt Bebfe zwiichen Himmel und Erde, ein Sachſe ift er 
nicht mehr, ein Preuße noch nicht. Er lacht darüber, ich aber 
md’ es abfcheulih. — 

Abende Herr Graf von * mit mancherlei Neuigfeiten, zum 
Ihil etwas wunderlihen. Gr fagte mir unter andern, daß 
die hiefigen Berichter über die Gerichtöverbandlungen für 
die Zeitungen ein förmliches Burean errichtet haben, wo 
man ihr Schweigen erfaufen kann; 3. B. daß eines Ärgerlichen 
drtzeſſes nicht erwähnt wird, dafür zahlt man 50, 100 bis 
NM Thaler; ein Beamter, der für feine Vermittelung Theil 
a dem Gewinne zog, ift deßwegen vor einiger Zeit abgefept 
worden. Gr fagte mir auch, daß der Polizeidireftor Stieber 
eh jeßt von der Voſſiſchen Zeitung jährlich 900 Thaler be- 
pn dag er von der Kroll'ſchen Verwaltung jährlich über 
MO Thlr. hat, daß er von der Polizei bedeutende Summen zu 





112 


geheimen Ausgaben empfängt, daß er binnen weniger Jahre 
Dermögen von über 30,000 Thalern zufammengebraht 5 


Sonnabend, den 17. Juni 1854. 

Ludmilla fuhr um halb 7 Uhr zur Eifenbahn, nach Har 
burg. Ich war zu unwohl, fie zum Bahnhof zu bringen. 
> ch brachte die Nacht fait fchlaflos zu; gegen 1 Uhr Mo 
gend großer Lärm von der Feuerwehr, fie war allarmirt wo 
den, und fammelte ſich beim Opernhaus aud allen Enden d 
. Stadt, fehr rafch und in voller Bereitfchaft, — aber fie hat 
heimlich die nöthigen Winfe befommen! Das Schauſpi 
wurde den Herren von Rothſchild gegeben — fie hatten v 
der Abreife dies noch jeben wollen. — 

Mittags fam Bettina von Arnim; fie lad mir ihren Bri 
vor an den Dr. Alerander Jung in Königeberg. Ihre Sat 
mit ** und *** fiheint zu Ende zu gehen, doch mit der We 
dung, daß Bettina die Berlujte trägt. 

Während wir bei Tifche fapen — Bettina aß etwas mit- 
fam der Direktor Schadow aus Düffeldorf ; der Arme jolle 
Montag eine Meine neue Operation am Auge beitehen. | 
war ſehr erfreut, Bettina zu fehen, fprach vieled mit il 
die auch länger blieb als jie anfangs wollte. Nach ihr 
Weggehen blieb er noch eine Stunde allein mit mir, |pt 
von feinem Werk über Mahlerei, das hier im Drud 
von einem Roman in Drei Bänden, den er gefchrieben | 
und von zwei Dramatijchen Stoffen, — Johann von Orle 
der eine, der andere Thomas Morus, — die er im Kopfe tr 
beide will er vom firengreligiöfen Standpunft aus behande 
er befennt ſich als gläubiger Kathofif, und meint, das al 
habe ihn bei feinem Erblinden vom Selbitmord gerettet. 
der Beichte, der firhlichen Anjtalten ; doch verlangt er 7 
dung und Anerkennung für Anderödenfende. Biel über 


113 


fünftleriihe Schaffen, in der Mahlerei, in der Dichtkunft, über 
Talent und Lehrweiſe. — 


Sonntag, den 18. Juni 1854. 

Rüdblid auf mein Verhältniß im preußifchen Dienſt; es 
war durchaus ungewöhnlich, obfchon ich feine hohe Stellung 
erreichte, jo hatte ich doch in jeder einen hoben Grad von 
; Selbititändigkeit, ich that nicht wie ein Staatsdiener unbe: 

dingt das Befohlene, fondern brachte meinen eignen Sinn und 
Villen mit. In Karlöruhe lieh ich der preußifchen Leitung 
meine Anfichten, ja drang fie ihr auf. Später in Berlin, als 
der Miniſter Graf von Bernitorff mir Aufträge gab, war die: 
ſet ſo ehrenhaft, mich zu fragen, ob ich gewiſſe Ausführungen 
| ud gern übernähme, ob fie mir nicht zuwider wären? Es 
war glüdlicherweife nur Einmal der Fall, der jedoch ohne 
mein Widerjprechen von ſelbſt unerledigt blieb. Merfwürdig 
iſt es mir, daß Bernftorff manche meiner Arbeiten erſt durd) 
 Ranzelliften abfchreiben ließ, damit fie nicht in meiner Hand— 
shift zu den Akten fämen. Ich fann mir es nur dadurd) er- 
ären, daß er die Eiferfucht Ancillon's oder Eichhorn's, denen 
I ih freilich oft vorzugreifen hatte, ſchonen wollte. — Bernſtorff 
war ganz und gar Ariftofrat, aber aus innerfter Natur, ohne 
ſpitfindige Grübelei oder hipigen Eifer, und ich fonnte vor- 
; teiflich mit ihm zurechtfommen. — 


— — — — * 


Montag, den 19. Juni 1854. 
Wieder ein ruhiger Tag. Bon früh bis ſpät gefchrieben, 
mit mäßigem Erfolg. Die Arbeit ſelbſt ift vielleicht nicht 
FE viel werth, defto mehr aber mir die Erregung, die fie mir giebt, 
; Die Gedanken und Bilder, die fich herbeidrängen. Zeiten und 


Nenſchen fern’ ich immer mehr einfeben, und das Verſtändniß 
Barnkagen von Enfe, Tagebüder. XI. 8 





114 


führt Billigfeit des Urtheild mit fi, Beruhigung, Hoffnung ! 
Hoffnung auf weiteren Fortſchritt aller Dinge, auf helleres 
Licht, entwiceltere Zujtände. Ameifenarbeit; aber die grade 
ficherer ald Herfulesarbeit! — Brieflihe Anfrage vom Gehei— 

men Staatd-Archivar Dr. G. Friedländer, wegen eined Buches, 

fogleich beantwortet. Wie die deutjchen Bücher, felbit aus 

ganz naher Zeit verſchwinden, iſt fehr auffallend, des Nächit- 

vergangenen nicht zu achten iſt unfer fchlimmer Febler; 

jo haben die Deutfchen ihre fchwäbifche Dichterzeit ganz aut 

dem Leben hinaudfallen laffen, fo daß ihre Wiederentdefung 

und Hervorziehung jet nur noch als eine gelehrte möglich iſt, 

die trog aller Bemühungen in den heutigen Lebensſtrom nicht 

mehr einfließen fann. Wie hat man fich mit den Nibelungen 

gequält, fie in Schulen eingeführt! Grade dA ftehen fie abet 

den Knaben weniger nah, als der griechifche Homerod. — 

Nachrichten von Siliſtria; neue große Berlufte der Ruffen! 
Die Soldaten werden furchtbar hingeopfert! Die Generale 
jelber mülfen hart heran, Paskewitſch verwundet, SchilDel, 
Selvan geblieben. Der Kaiſer ſoll befohlen haben, Siliſt ria 
um jeden Preis zu nehmen, ehe die Feindſeligkeiten öſterreichhi⸗ 
fcherfeitö beginnen. — 

Die Gränzboten waren wegen eines Artifeld über DU 
preußifche Politik polizeilich hier weggenommen worden. Dat | 
Gericht hat die Befchlagnahme aufgehoben, und die Kritik u FW 
feres Verhaltens zwar für eine fcharfe, aber nicht ſtrafbare & " 
flärt. Dieſe Freiſprechung ift ſehr auffallend, und es bleu ri 
vielleicht nicht dabei. — 

In Elbing hat der Polizeidireftor den Neuen Elbing €! 
Anzeiger mit Entziehung der Konzeffion bedroht, wenn er feir 8° 
politifchen Artikel jo wie bisher fortiege. Die Artikel er 
nämlich ächt preußifch, aber nicht ruffifch! Bei der ſchlaf— 
fen Wandelbarfeit oben natürlich freche Willfür unten! — 

Betrachtung über Bettina von Arnim, den Zufammen—“ 









| 


115 


bang ihrer Eigenschaften, und deren Widerftreit. Es ift nicht 
leiht, den Schlüffel zu ihrem Wefen zu finden, den Schlüffel, 
der alle Fächer deijelben öffnet. Man muß fich hüten, nicht 
ungerecht gegen fie zu werden um des Einzelnen willen, das 
Ganze ift vortrefflih. Wer aber in die Einzelheiten hinein; 
geräth, der wird freilich Urfache haben ſich zu beklagen, dem 
fann oft graufam mitgefpielt werden! Ich erinnere mic, einft 
den Vorwurf der Unmenfchlichkeit gehört zu haben, deren man 
dettinen und ihren Bruder Clemens befchuldigte. Diefer ift 
in fo fern gegründet, al& beide Gefchwiiter, fobald es die Um— 
Hände oder auch nur die Laune fo wollen, feinen Menfchen 
Ihonen, jeden zum Spiel benugen und verbrauchen. Bettina 
it für jeden Bedürftigen in jeder Art zur Hülfe bereit, mit 
größten Opfern, mit größter Anftrengung, aber vorher und 
nahher wirft fie denfelben Menfchen fpottend weg, behandelt 
iin als Sache, giebt ihn dem Gelächter preis; jeden, — ihre 


Kinder ausgenommen! In Clemens ging diefe Unmenfchlich- 


kit in’d Fabelhafte, — in Bettina geht fie — auch weit 
genug! — Sonderbar, von den vielen Gefchwiftern Brentano 
And nun ſchon drei in wahndumme Frömmigkeit gefallen ; 
Clemens, Chriftian und Frau von Dedbordes (frühere Jordis, 
Loulou); Bettina ift vor folhem Unglüd bewahrt, fie wird 
ihrem furchtlofen Berftande treu bleiben! — 


Dienstag, den 20. Juni 1854. 
Nachrichten aus Preußen. Weußerer Prunf und Jubel 
beim Erſcheinen des Königs, von ihm gewollt, von den Be- 
hörden veranftaltet, im Stillen aber ſchlechter Eindrud, Miß- 
fallen und Verſtimmung. Der Sinn ift weit mehr dem Prin- 
ien von Preußen zugeiwendet, der aber die lauten Bezeigungen 
moͤglicht ablehnt. Man fürchtet, daß während diefer Reife 
große Ränke gefpielt, dem Könige gewifle Eindrüde gegeben 
8* 


116 


und Entfchliegungen abgedrungen werden, die fchlechte Bart 
wendet jetzt alle ihre Thätigfeit auf dieſes Gebiet, das einzic 
wo fie noch ungefchlagen fteht. Meines Erachtens ift nic 
viel zu fürchten, die Rage der Dinge ift fo, daß die Willf- 
wenig vermag. — 

Die Junkerparthei feufzt auch nach den Kammern, ” 
fonnte fie jidy breit und geltend machen! Die Qumpen bedenf- 
nicht, daß fie dort nur quted Spiel haben, jo lange die Dem. 
fratie fic) des Wählen? enthält, und die Kammern verachte 

Sch blieb zu Haufe. — In Fontenelle's Lobreden gelefe- 
in Tagesneuigfeiten, im Horatiud. — 

Die Belagerung von Siliftria aufgehoben! Vergeblich— 
Berfuch der Ruffen, den türfifchen Befehlshaber zu bejteche- 
General Schilder hat ein Bein verloren. Uneinigfeit um 
Eiferfucht der ruffiichen Generale, wechfeljeitige Anfchult 
gungen. — 

Größte Hige heute 220 Reaumur im Schatten. — 

Der Fürſt von Metternich hat in altem diplomatische 
Eifer eine Friedendvermittelung ausgedacht, und feinen Pla 
in einer Denffchrift ausgearbeitet, die der Kaifer von Oeſte— 
reich gebilligt haben fol. Metternich hat feinen Entwu 
darauf an Lord Aberdeen gefandt; dem mag jie denn freilie 
gut gefallen. Alter Ehrgeiz, der gern noch einmal mitfpiele 
will! (Siehe die Berichtigung unter dem 29. uni.) 


Mittwoch, den 21. Juni 1854. 
Zu Haufe Befuch von Frau Bettina von Arnim, fie faı 
ale Sturmwind, flagte über Juſtizlente und Druderleut: 
feste jüch hin eiligft etwas zu fchreiben, fprah vom Mufif 
Joachim, ftürmte dann wieder fort. Sie war wenigften 
munter und fräftig. — Bon der Mufit Felix Mendelfohn 
ſprach fie ganz geringfchäßig, der fei der Marſyas, den di 





117 


Ehrgeiz verführt habe, etwas fein zu wollen, was er nicht fein 
fonnte; von Meyerbeer’& Muſik meinte fie, der fei nicht einmal 
werth, dap ihm das. Fell abgezogen würde, der möge fein 
ftodenes, enges nur behalten! — 
Nahrichten aus Jaſſy, aus St. Peteröburg. Jämmer- 
licher Zuftand der Truppen, felbit der Offiziere. Mißftim- 
mung der Großen. Der Groffürft Konftantin angefehen ald 
der Anjtifter ded Krieges, ald Heßer der altruffifchen fana- 
tifchen Barthei, der Großfürft Thronfolger zurückgezogen, feine 
Gemahlin der Mittelpunkt der deutfchen, der Friedensparthei. 
Das Bolt im Ganzen dem Krieg abhold. Der Kaifer in 
beihämter Wuth. — 
Klemme, in der fich die ruffifchen Diplomaten befinden; 
entweder jie jagen die Dinge der Wahrheit gemäß, aber wie 
man fie nicht wünjcht, dann jind fie mißliebig, oder fie fagen 
die Dinge falfch, aber wie man fie wünfcht, dann fallen fie in 
Ungnade; alſo in jedem Falle entgehen fie nicht dem Unheil; 
wählen fie den erftern, fo fommt es früher, wählen fie den 
andern, fo fommt es jtärfer. — . 
Bon den bewilligten 30 Millionen leiht Preußen vorläufig 
15 an; Königliche Verordnung hierüber. Deßgleichen wird 
die Erhöhung der Einfommenfteuer ausgefchrieben. — 
Rußland macht auch eine Anleihe, von 50 Millionen Si: 
terrubel ; das hiefige Haus Mendelsfohn übernimmt davon 5 
Millionen. Ob ihm das binnen furzem noch erlaubt fein wird ? 

Die Ruffen haben im bothnifchen Meerbufen ein englifches 
Voot genommen, drei Offiziere getödtet. Großer Jubel dar- 
über in den Blättern von St. Peteröburg und gemeinfter 
Biderhall in der hiefigen Kreuzzeitung! — Der Lange’fche 
Telegraphı in der Franzoſenzeit hier war ein edled Blatt gegen 
dieſe Kreuzzeitung; pöbelhaftern und niedrigern Ton als diefe 
bat noch feine deutfche Zeitung angefchlagen. Bravo, Herr 
Goedihe, Herr Stahl, Herr Wagener, Herr von Gerlah! — 


118 


Donnerstag, ben 22. Juni 1854. 

Der König ift an der ruffiihen Gränze durdy den vorm 
Kaifer an ihn abgeſchickten General von Grünwald begrüß 
worden; auch der preußifche Militairabgeordnete in St. Pe- 
teröburg, Graf von Münfter, hatte jich eingeftellt. „Wenr 
der König zeigt, er möchte anterd, ale er muß, wer hat den 
Schaden davon 2?" — 

Bettina von Arnim fam gegen Mittag, jchenkte mir ihr: 
Briefentwürfe an den Prinz-Regenten von Baden, und ar 
den Prinzen von Preußen — die ihr beide nicht geantworte 
haben — in der Sache des unglüdlihen Corvin-Wierdbigfi 
nebft zwei Briefen von deſſen Frau. Sie flagte, dap fü 
im Weggehen von Haufe auf der Treppe gefallen fei, und fid 
am Arm und am Bein gefchunden habe, ich bot ihr Arnici 
oder Goulard'ſches Waſſer an, fie wollte nichts, litt aber ſicht 
lib. Sie machte meinem Bülow, den fie bei fich trug, di 
größte Lobrede, es ſei fo lebendig, man ſehe alles, es ſei fi 
gut gruppirt, daß man ein wahres Bergnügen habe vom Leſen 
fie fagte, fie fenne fein zweites Buch der Art, auch lobten e 
alle Offiziere. Cinen Meinen Fehler wollte fie gefunden haben 
ich hätte gefagt, die Truppen empfingen das Feuer, ich hätt 
fagen follen, das Teuer empfing fie, das wollte fie geänder 
haben. — Bettina machte mir auch einen wehmüthigen Ein 
drud, fie ſchien zu leiden, nicht blos won ihren Berlegungen 
fondern von tiefem Diißvergnügen, von Dingen, die fie zı 
fagen wünjchte, und doch nicht entfchloffen war zu fagen. Si 
war fo ernjt, nachdenklich und ergeben! Nachdem fie wegge 
gangen war, Fam fie noch einmal wieder, fie hatte was ver 
geffen. Man darf ihr nicht zeigen, welchen herzlichen Anthei 
man an ihr nimmt, fie will feine Rührung fehen noch haben 
wenn fie fie auch erregt. — 

Abends ging ich in den Thiergarten, wo es ſehr lebhaf 
war, von Menfchen und — Raupen! Bis zu Teichmann" 





119 
Bhumen garten, dann zurüd. Rafengrün erquidend, Blumen: 
dor täch! — 
Zu Haufe Thee; Sprachjachen vorgenommen. Im Hora- 
ts gelefen. — Gute Nachrichten von Siliftria! — 
Bertrauliche Nachrichten aus St. Peteröburg fprechen ge: 

beimnigvoll von einem Mordanfchlag auf den Kaifer, der in 
großer Gefahr geweſen fein fol. Der Schlag ift noch eben zu 
rechter Zeit verrathen und fo vereitelt worden, die Verſchwörer 
ind wahrfcheinlich ergriffen und bei Seite gefchafft, ihre Namen 
bleiben ungenannt. Dan deutet an, daß ſchon einige Mord» 
anſchläge gegen den Kaifer ftattgehabt, von denen dad Publi- 
fum niemald etwas erfahren, daß aber in Folge derfelben der 
Kaifer feine Strenge bis zur Wuth gefchärft und der vielfachen 
Polizei die eifrigfte Späherer und Aufficht anbefohlen habe. — 
Man wiederholt bei diefer Gelegenheit, was ſchon früher ge: 
ſagt worden, daß der Kaifer feines Kriegäheeres nicht mehr 
über, demfelben Beichäftigung zu geben gedrungen gewefen, 
und dephalb früher, als ſonſt gefchehen wäre, die Verwicklung 
im Orient herbeigeführt habe, wobei die trügerifchen Berichte 
feiner Diplomaten ihm zu Hülfe kamen. — 


Freitag, den 23. Juni 1884. 

Geſchtieben, von früh bis zum Abend, mit kurzen Unter: 
brehungen, mit leidlichem Erfolg. Eine Meine Arbeit zum 
Abſchluſſe gebracht, ein biographifches Bild, in welchem ein 
Roman ſchon ganz fertig liegt. Schade nur, daß der Ausgang 
jo tragiſch ift! Ich war beim Schreiben immerfort fehr bes 
wegt, — | 

Endlich einmal eine ehrliche Begnadigung, aber in Sadıs 
ſen, niht hier! Der Hauptmann von Rohrfcheidt, wegen 
Theilnahme an dem Maiaufftande von 1849 zum Tode ver: 
urtheilt, auf lebenslängliche Haft begnadigt, dann auf einjäb- 


120 


tige, ift am 18. Juni vom Königftein frei entlaffen worden. 
So fehr „ehrlich * find’ ich diefe Begnadigung aber nicht, fon: 
dern ungroßmüthig, kleinlich. — 

Daß der PrinzeRegent von Baden, und der Prinz von 
Preußen auf Die rührenden Bittichreiben Bettina’s von Arnim 
gar nicht antworten, ift recht bezeichnend! Der arme Corvin— 
Wiersbipfi! Dabei tft er das Opfer feined Zutrauens umd dr 
ihm gelegten Kallitride. 

Nachmittage wieder Nachrichten aus Rußland; es fieht 
dort bunt aus, niemand überficht das Ganze, am wenigſten 
der Kaifer, dem grade das verborgen bleibt, was er wien 
follte. Die Studung des Handeld wird in St. Petersburg 
ehr ſchwer gefühlt. — Gute Nachrichten von der Donau, DW 
Ruffen in vollem Rückzuge. — 

Zu Haufe in Schadow’s Bogen gelefen, in den Oden Dei 
Horatius, in den Denkſprüchen ded Plutarchos. 

In Potsdam fchwören die Offiziere Stein und Bein, De 
Kaifer von Rußland habe mit dem Könige heimlich eine > =4 
fammenfunft gehabt, und freuen fich der guten Folgen! Sr 
lich? Das wäre ja die größte Schande! Haben die Jun 
denn für ihren Kaiſer nicht mehr Ehrgefühl ? Deffentlih, — 
das wäre längft angezeigt, aber aud) Darin läge ein Bekenn 7 
niß der Schwäche, der Noth, — befonders nach dem Bündu- 
mit Defterreidh. — 

Scändliche, verrätherifche Aeußerungen Aberdeen's ine 
englifhen Parlament in Betreff des Kriegs und des Friedens— 
Scharfe Bemerkungen der Nationalzeitung (Dr. Bucher's) 
über den alten Lump, der zeitlebens eine ſchlechte Rolle gefpielt. 
Wie ein folder Kerl mit offen eingeftandener Ruſſen- und 
Knechtſchaftsliebe jekt nod) immer Minijter fein kann, ift un: 
begreiflih! — 


121 


Sonnabend, den 24. Juni 1854. 

Der König hat — vom Anhaltifchen Bahnhof aus — die 

Kabinetsordre erlaffen, dag in Zukunft die Wachen am Char- 
freitag und am Bußtag ohne Mufif aufziehen und überhaupt 
tin Spiel gerührt werden fol. Wie gottlod war bisher der 
preußifche Staat! — 

Der lippifche Bundesgefandte Viktor von Strauß, einer 
ter größten —, die aus der Reaktionszeit ſich heraufgemacht, 
hatte Briefe über Staatsfunit herausgegeben, in denen dem 
Könige gerathen wurde, feinen Berfaffungseid für nichts zu 
ahten und zu brechen ; dad Buch war hier bei Hertz erfchienen, 
und wurde von der Sunferparthei mit Jubel begrüßt. Der 
Staatsanwalt aber mußte einfchreiten, und da der Berfafler 
nicht erreichbar, To wurde der Berleger zu einer Geldftrafe ver⸗ 
urtheilt. Der König hat ihn jebt begnadigt und ihm die Strafe 

geſchenkt. Zeichen, an dem fich vieles erfennen läßt! — 

Herr von Jasmund unterzeichnet wieder das Preußiſche 
Bohenblatt ale Herausgeber. Gr war zu den Landwehr: 
übungen gezogen worden, das allein hatte den furzen Wechfel 
verurfacht. — Die polizeilih weggenommene Nummer dee 
Blattes ift wieder freigegeben worden. 

Vo bleibt die erfte Kammer? die verheißene Pairie ? 
Reh man mit der unbedingten Vollmacht, jie zu machen 
ganz nach Belieben, fo gar nichtd anzufangen ? Gefteht man 
unbedingte Zeugungsunfähigkeit? Soll dad Nergerniß einer 
gewählten erften Kammer, die nicht Fiſch noch Fleiſch iſt, noch 
immer fortbeitehen ? Jämmerlich, jämmerlich! — 

GineNeubildung der erften Kammer Liegt noch im weiten Felde, 
aber die Wiederherftellung des Staatsraths fteht in naher Aus- 

richt, Diefe ſchwerfällige, unnüge, koftbare Behörde kommt nach 
großen Mühen endlich wieder zu Stande, jet, wo fie neben 
den Kammern unnöthig geworden. Früher war fie, wenn 
auch ſchlecht organifirt, doch gar nicht überflüffige. In 





122 


Preußen denkt man nicht an Vereinfachung, immer nur an 
Bervielfachung des Getriebed. Dem neuen Staatsrath fol 
auch Stabl angehören; fo wird der Sophift und Schwätzer 
nicht fehlen! — 

Der Präfident Leite wird nicht wieder in den Staaterath 
eintreten, weil der Dieziplinargerichtöhof eine Nüge gegen ihn 
ausgejprochen hat; dagegen follen die Pfaffen Büchjel und 
Hoffmann Mitglieder werden. — 


Sonntag, den 25. Juni 1854. 

Frau von Treskow erzählte folgendes köſtliche Stüd! Ein 
ächter märfifcher Edelmann (ein Verwandter des Herrn vort 
Prudelwig aud tem Kladderadatich!) redete von früherert 
Späßen und allerlei Unfug, den Offiziere und Junker ſich 
öffentlich erlaubt. Sie fügte mit Empörung: nun Gottlob ? 
jo was ift denn doch jet nicht mehr möglich! „Freilich nicht, ” 
verjeßte er, „das durfte man nur damald, wie noch mehr Frei⸗ 
heit und Gleichheit unter den Leuten war!“ Das nennt er 
Freiheit und Gleichheit! Bortrefflih! Er hat die Worte oft 

gehört, und bringt fie im entgegengefeßten Sinn an. — 


Montag, den 26. Juni 1854. 

In Hegel gelefen; gefchichtliche Sachen nachgefehen. 

Geftern war hier auf dem Schloffe die Johanniter-Ordens- 
Spielerei, 51 neue Ehrentitter, Beförderungen mancher Art. 
Warum es jetzt immer Herrenmeifter heißt, anftatt wie fonft 
Heermeijter, wiſſen felbft alte Johanniterritter mir nicht zu 
fügen. Vielleicht wiffen es die allerneuften! — 

Die Neue Preußifche Zeitung (die Neue Ruſſiſche wird 
fie jegt immer genannt!) thut ſehr höhnifch über Die vereinig- 
ten Flotten, die nur gegen Theer und Bretter Krieg führen, 


123 


da fie doch des Ruſſen Nachimoff Heldeuthat gegen Sinope 
vortrefflich fand; fie findet, die Unthätigfeit der Flotten fei ge⸗ 
gen die Waffenehre! Was ſagt die Giftfpinne denn zu denen, 
de aus Kronftadt, Smweaborg und Sebaftopel fich nicht her: 

vorwagen? 

An 24. iſt das Urtheil des Schwurgerichts in Fulda über 
die wegen Theilnahme an der deutſchen Nationalverſammlung 
in Stuttgart des Hochverraths Angeklagten bekannt geworden. 

der Marburger Profeffor Hildebrandt, der Bürgermeifter 

von Hünfeldt, Förfter, und aus Kaffel Doktor Philipp Schwar- 
| berg, find zu zwei Jahren Zuchthaus und Verluſt der fur: 

u beſſiſchen Kokarde verurtbeilt. Alle drei find außer Landes in 

Sicherheit. — 

Die Erforſchung der deutfchen Sprache, die Beleuchtung 
W unierer Alterthümer und Die Herausgabe der verfchollenen 

alten Schriften ift ein großes, in vieler Hinſicht dankenswer⸗ 
theb Wert, und die Meifter deffelben, die Brüder Grimm an 
der öpige, find hoher Ehren wertb. Mitten in diefer Aner- 
fennung aber überfchleicht mich bisweilen ein Zweifel, ob nicht 
dieſes ganze Bemühen, in der Geftalt, die ed angenommen hat, 
den Deutfchen mehr fchädlich ala nüglich fei? Auf dem Gan— 
| jenliegt ein verdrigßlicher, mürrifcher Geift, der fih in Ein- 
feitigfeiten und Befchränfungen gefällt, die das heutige Leben 
nt dulden kann, wohl aber ihnen theilweife erliegen muß. 

3 liebe die Vergangenheit, das Alterthum, ich weife ſtets 

darauf zurüct; aber wenn das Alte mit der Anmaßung auf: 

| Mt, der jungen Gegenwart zu gebieten, fie zu hemmen, dann 
verwünsch” ich e& in tiefe Grabesnacht! — Wie heiter, frifch 
und fruchtbar war die Wiederauferftehung des klaſſiſchen Alter: 
thums der Griechen und Römer! Wie belebend drang das 
hervor! Die ftarrite Pedanterei ftubengelehrter Philologen 
bat diefen Lebensgeiſt nicht bezwingen fünnen, und wie herr= 
lich ſtrahlt er aus den Arbeiten der edlen, der wahrhaften 







' 124 


Philologen! Alle Nibelungen und alle Grimm's werden nie 
dem Homer und feinem Friedrich Auguft Wolf gleicykommen. 


Dienstag, den 27. Juni 1854. ! 

Die Heirath der Prinzefjin Quife, Tochter des Prinzen | 
Karl, follte in einigen Tagen fehr feierlich ftattfinden, ift aber ° 
heute in aller Stille, nur in Beifein der Königlichen Familie, 
in Charlottenburg vollzogen worden; die Neuvermählten fin 
darauf gleich zu dem Landgrafen von Helfen-Philippäthal: - 
Barchfeld nach Wilhelmsburg abgereift, der im Sterben ligm _ 
foll. Man hat die Heirath befchleunigt, weil nach dem Ar 
leben des Landgrafen fie ein ganzes Jahr lang hätte aufgelder 
ben werden müffen. Die Mutter des neuvermäblten Prinzen 
Aleris ift die Fürftin Sophie von Bentheim, die von mir einit 
bejungene Schönheit. — 

Heute früh ftarb hier die Frau Amalie Beer i in ihrem acht⸗ 
undachtzigiten Lebensjahre. Sie war ehr reich und wohlthätig. 

Der Stadtgerichtörath * warnte neulich einen Belann: 
ten, feine urfundlichen Papiere gut in Ordnung zu haben, 
und fich nicht darauf zu verlaffen, dap ein ihm wichtiges Schrift: 
ftüct in den Akten der Polizei vorhanden fei; wenn es ihr de 
liebe, fchneide die Polizei ohne alled Bedenken das ihr Unbe— 
queme aus den Akten heraus. — Oder thut auch wohl Fat 
fches hinein, wie mir einft der Obertribunalerath Gad von DeM 
Halunken Tzſchoppe verficherte! — 








— — 


Mittwoch, den 28. Juni 1854. 
Der König hat bei der Vermählung der Prinzeſſin Qui 
dem Lande wieder die fogenannte Prinzeffinfteuer, wie je 
fünfzig Jahren immer gefhicht, erlaffen, doch mit Vorbeha! 
feines Nehts zu deren Erhebung. Man fragt, ob er ohn 


die Kammern noch irgend eine Steuer einfordern dürfte, und 
die Antwort ift entfchieden Nein. — 

Die Stadt Berlin braucht neue beträchtliche Geldfummen, 
de Miethöfteuer foll um 1 bis 11/, Prozent erhöht werden. 
Man Magt ohnehin ſchon fchredlich über dieſe fehr hobe 
Steuer, von der nur die ganz Unvermögenden auögenommen 

ſind. — 
Die Zeitungen find leer. — Daß der Graf Perfigny mit 
Louis Bonaparte uneins ift, und defjen Abjicht der Stiftung 
aned neuen Kaiferlichen Adels widerjpricht, iſt eine fleine 
Rerhvürdigfeit. Die Wiederherftellung eined Bonaparte’fchen 
Mels iſt aber feine Verſtärkung des alten Adele, im Gegen- 
theil eine Schwächung. Der Beichluß der preußifchen Na⸗ 
 tonalverfammlung, der Adel fei abgefchafft, und die Stiftung 
ſolchen Bonaparte’schen Adels wirken ganz überein. Langſam, 
aber gewiß! — 

Begen Verbreitung ded Harkort’fhen Wahlkatechismus 
Weite noch ſtets Verfolgungen. Der Landſchaftsrath und 
Abgeordnete zur zweiten Kammer Brämer berief fi) auf Ber: 
lührung, und nad) langer Berathung jprad) ihn das Ober- 
tibımal frei. Daffelbe war der Fall bei dem Gutäbefiker 
hay und dem Rittergutöbefiger Siegfried. Man fcheint fich 
dach endlich zu fchämen. — 

‚Der ruffifche General Schilder ift, nachdem ihm das Bein 
14 genommen worden, in (Folge der Operation gejtorben. Der 
deldmarſchall Fürft Paökewitfch verwundet in Jaſſy. Alle 
derfuche deifelben, die türkifchen Befehlshaber zu beitechen, 
ind mißlungen ; im Jahr 1829 waren fie gut geglüdt ! — 

Man findet oft Bruchitüde der berrlichiten Bildhauer: 
sm dere zu bloßen Mauerfteinen verbaut; diefe beklagenswerthe 
MM Larbarei zeigt ſich auch in der Ritteratur, die beften Werfe 
| und höchiten Namen werden ohne Kunde und Beachtung oft 
me ald Schutt zu Füllungen verbraucht, zur Unterlage, auf 










126 


der elende Nachtreter ſich jo fümmerlih als prableriih 
richten. — 

Dad alte heilige römische Reich deuticher Nation, die : 
der Kaifer und Kurfüriten, der Füritbifchöfe und Aebte, 
Reichsſtädte und Klöfter ꝛc. noch gejeben zu haben, ijt mir 1 
höchſtem Werth! Es ift ein Schaß, der immer wächft, je 
ringer die Zahl derer wird, die ihn mit mir theilen. Wie fi 
ed jept aus, gegen damals! Wie wird ed in fünfzig Jah 
gegen jet ausfehen ?! — 

Wie felten ftirbt ein Menfch in derſelben Welt, in dei 
geboren worden! Er wird aus diefer mit taufend Hebeln t 
ausgehoben, und in eine andre verfeßt, die Micht mehr 
feine ift. — \ 


Donnerstag, den 29. Inni 1854. 

Die Volfdzeitung nennt den Nedakteur der Kreuzzeitr 
Wagener — er ift nur zum Schein abgetreten — den Oberm 
fowiter und Bize-Engel; lebteres ift der — bei den Irv 
gtanern. Die Kreuzzeitung heißt immerfort die Neue R 
fifche, was die Parthei ganz infam ärgert. Sie will die Sa 
doch nicht den Namen, ihre Heuchelei iſt aber Thon vollitän 
aufgededt. — 

Eine nicht unbedeutende Neuigkeit! Die Wehrzeitu 
ein würdiges Schweiterblatt der Kreuzzeitung, ift nach fec 
jährigem Beſtehen — feit 1848 — jept eingegangen. ( 
fonnte fich in ihrem Nuffeneifer bei der Stellung der Rei 
rung nicht mehr halten. Die Kreuzzeitung gebärdet fich 
jämmerlih bei dem Tod ihrer Schweiter, und fpricht 
lächerlicher Verehrung von ihr. Wenn fie felbft nur t 
nachfolgte! Preußen hat eine Giftbeule an diefem hämife 
Junker⸗ und Ruffenblatt! — 

Das Stadtgeriht hat die Berwaltung der Kroll'ſe 





127 


Wirt durch die Polizei nicht geduldet, Herr Stieber hat 
ſich ttoll en müffen. Unfere Gerichtöbehörden fangen an, wie 
der mas jelbitjtändig zu werden, aber jie fangen nur an, und 
wur ein wenig! — 

Die Sahe mit der Denkſchrift Metternich's, von der fo 
‚viel die Rede war, befonders in englifchen Blättern, wird jebt 
| für nicht wahr erflärt. Das ift völlig ohne Geltung! Solche 
Berläugnung hat es fchon oft gegeben. Daß die Sache wahr 
ſei, steht aber auch nicht Feit. — (Xord Aberdeen hat im eng: 
lichen Oberhaufe die Berneinung ausgefprochen.) 

Ich habe heute in Bettinend: „ Günderode * geblättert. Es 
ind einige fhöne Bilder, frifche Blicke, tiefe Wahrnehmungen 
drin, aber ich war verwundert und etwas erfchroden, wie 
| geringen Gehaltes dad Ganze ijt, wie fehr ohne Gedanken und 
Stoff. Mich foll nicht wundern, wenn dieſes Tändeln der 
Phantafie und des Gefühl mit der Zeit fo fchwach wird, daß 
niemand mehr begreift, wie man vor zehn und fünfzehn Jah: 
ten davon fo entzüct, jo beraufcht fein konnte! — 


Freitag, den 30. Juni 1854. 

Mich unterbrach im Schreiben ein Beſuch von Bettina von 
Amim, die über anderthalb Stunden bei mir blieb, und 
äußert lebhaft und vergnügt war. Sie vergißt gern alles Ver: 
rießliche, wenn es fie nur nicht unmittelbar berührt und in 
Anfpruch nimmt, auch die Geldverlufte, find fie einmal ge- 
ſchehen, nimmt fie nicht fhwer. Sie war während des ganzen 
dfuhs ungemein liebendwürdig, heiter und auftichtig, nichts 
von dem vielen Störenden, das fich fonit fo leicht einmifcht, 
lam heute vor. Sie erzählte mit luſtiger Laune die ergöß- 
lihten Auftritte, die fie mit befuchenden Leuten gehabt, mit 
einem bettelnden Dichter, einer begeifterten Schaufpielerin. 
Dann fprach fie ernft und gehaltvoll über Muſik und Poefie, 


128 


iiber meinen Bülow, der ihr, wie fie fagte, die größte Ci 
furcht für den Soldatenftand eingeflößt habe. Sehr ausfül 
lich fprach fie von dem Muſiker Joachim, feinen außerordei 
lichen Anlagen, feinem graziöfen Weſen; jekt habe Herm 
‚Grimm jich feiner bemächtigt, weßhalb fie ihm neulich zu 
rufen: „Philiſter über dir!“ Grimm, ſagte fie, fei ' 
Hoffahrt felbit, glaube in „ Traum und Erwachen“ das Hödy 
der Poeſie erreicht zu haben, halte jich für den größten Dich! 
und benchme jich al& folder; da doch ihres Erachtens jen 
Gedicht überaus gebildet und fein, aber auch ganz leer u 
wirkungslos fei, man brauche nur anzufangen es zu leſen, 
höre man gleich daß ed die Langeweile anrufe, die denn ar 
jofort fomme und zuhöre! — 

Die Deutfchkatholifen in Breslau wieder einmal gequäl 
Erit freigefprochen, Dann verurtheilt, weil fie politifche Gege 
ftände behandelt haben ſollen! Der alte Need von Eſenb 
zu 30 Thalern Geldftrafe verurtbeilt, er der feinen Heller he« 
Zwei Andre auch. — 

In Baden dauern die fatholifchen Kirchenftreitigkeit 
fort. Die Regierung benimmt fih ſchwach. Der Erzbiſch 
thut in den Bann, Ein exrfommunizirter Pfarrer wird vı 
feiner Gemeinde beibehalten. — 


In Weilburg hat ein Fatholifcher Pfaffe von der Kanz 
herab öffentlid, den Bann gegen einige naflauifche Offizie 
audgefprochen, weil fie zu Oftern nicht gebeichtet haben. — 


Nachrichten aus Rußland. Große Beftürzung wegen d 
Niederlagen vor Siliftria und wegen ded Auftretens d 
Defterreicher. Die Altruffen befchuldigen Die deutfche Pa 
thei, diplomatifch und militairish an allem Unheil fchuld 
fein. Die Deutfchen fagen, es feien die altruffifchen Di 
föpfe, Kiffeleff in Paris und Titoff in Konftantinopel, die all 
verdorben haben. Uneinigkeit der Generale, alle Schuld wi 


129 

















auf die Todten gefchoben ! Detrügereien und Gemwaltthaten 
überall und immerfort! — 


Sonnabend, den 1. Juli 1854. 

| Geihrieben. Ueber deutfhe Sprache, gegen die Anma- 
J sungen und Borfchläge der Gebrüder Grimm; die gelehrte 
J Kenntniß und die Behandlung des Todten bleibe ihnen unbe: 
ſttitten, aber mitten im Leben der Nation ftehen fie nicht, als 
Geſezgeber der Gegenwart haben fie feinen Beruf, weder im 
| Staat, noch in der Sprache. Das fagt’ ich geftern Bettinen 
| und fie gab mir vollen Beifall. — 
| Rrafrügge, der verfolgte Kradrügge in Erfurt, war in 
einen Preßprozeß abermals zu 9 Monaten Gefängniß verur- 
heilt worden, die angerufene Verjährung follte für ihn nicht 
u gelten. Das Obertribunal jedoch hat fie anerfannt und ihn 
W ftigeiprochen. — 
Der Pole, Herr von Taczanowski, der vor ein paar Fahren 
J reußiſcher Kammerherr wurde, ift nun auch preußifcher Graf 
5 zmorden. Seine Landsleute denken leidfich gut von ihm, und 
machen ihm Feine erhebliche Schuld daraus, in die Gunft des 
| Dofes gelangt zu fein. Ganz anders ift ed mit dem Grafen 
AUthanaſius Raczinski, den erflären fie für einen feigen Ver: 
ber, den fpeien fie an. — 
Was fagen die Demokraten zu den jegigen Sachen? „Sie 

iagen, daß ihre Zwecke nicht durch ihre, fondern durch fremde 
- Rttel gefördert werden! Rußland war die hochmüthige 
Süße aller Reaktion, es ift gedemüthigt. Frankreich ala 
Reyublik war unfriegerifch, es ift als Kaiſerthum in’ Feld 
| gerüdt. Die Demokratie hatte feine Soldaten, England, 
Frankreich, Defterreich und felbft Preußen müffen ihr deren 
leihen. Die Staatsjhulden mehren fih, mit ihnen die Ber 


Bornbagenvon@nfe, Tagebücher. XI. 9 


130 


legenheit und Schwäche der volfsfeindlihen Regierun 
Das fagen die Demokraten!“ ft das nicht genug? — 

Der Stadtgerichtärath Graf von * hat mit dem Pri 
Adalbert vor einiger Zeit ein Geſpräch über Hindeldey get 
Der Prinz lobte den Präfidenten wegen feiner Umficht 
Kraft; der Graf erfannte diefe Eigenfchaften an, meinte i 
in geordneten Verhältniffen, wie fie jetzt wieder beftün 
müßten jene Eigenfchaften ſich nur in ftrenger Gefeglic 
bewegen, das fei aber bei Hindeldey nicht der Fall, er m 
ſich immerfort der größten Uebergriffe fchuldig, befondere g 
die perfünliche Freiheit ; das mache den ſchlimmſten Eint 
im Bolfe, verbreitete die ärgfte Mipftimmung, und dephall 
Hindeldey jebt gradezu dem Staate wie dem Könige felbil 
höchſt ſchädlicher Mann, der Widerwillen gegen die Regier 
ausſäe. Der Prinz fragte: „ft das Ihr Ernſt? Sie jpi 
wohl?“ Auf ''s Berfiherung, es fei allerdings fein E 
ging der Prinz fort. — 


Sonntag, den 2. Juli 1854. 


Betrachtungen über das Chriftentbum. Man fann 
Sicherheit ausſprechen, daß das jetzige Zeitalter in fe 
hohen und lichten Kreife® ein Wunder-Ehriftentbum ı 
mehr anerfennt. Goethe und Schiller waren feine rechtg 
bigen Chriften, Wieland auch nicht, und jelbft Herder n 
obſchon er — zu feinem Unglüd — ein Schwarzrod ı 
daffelbe gilt von Schleiermadher, von Kant, Fichte, Schel 
Daß Steffend zulekt ein Gläubiger wurde, war zugleid 
Beginn feiner Schwäche, bei Stein war died chenfalls ' 
Beichränftheit. Hardenberg, Metternich, Beyme, Alteni 
alle waren Freigeifter, Hegel dudte nur vorfichtig unter 
er ed den Berhältniffen fhuldig zu fein glaubte. Die gri 





— — — 


131 


Giferer für das Wunder⸗Chriſtenthum, die ich kenne, machen 
mir nicht den Eindrud von Frommen, ſie mißbrauchen Die 
Religion und Kirche nur, weil fie darin eine herrliche Polizei⸗ 
hülfe zu finden meinen. Bei vielen diefer Leute treibt auch 
nur die Phantafie ihr Spiel. — 

Gottihall hat in Breslau für das Feſt des Prinzen von 
Preußen einen Theaterprolog gedichtet. Seine Freunde ver: 
denken ihm es. ch kann nur die Achfeln zuden, und die Ge: 
walt der Umftände und Berhältniffe anerkennen, gegen die zu 
impfen nicht jedem gegeben ift, oft ganz unmöglich wird! 
Das Leben des Tages hat immer die erften, die mächtigften 
Anfprüche; nach unferer Neigung, unferm Gefchmad, unferer 
Geſinnung zu leben, ift erft ein Zweites, das ſich mühſam zu 
tere gefellt, felten und nur theilmeife zur Erfüllung fommt. 
Ver in günftiger Lage ift, die ihn weniger Anforderungen 
augſetzt, joll fich deffen nicht überheben! Dem Dichter ift aud) 


hietin mehr erlaubt, ald allen Anderen; auf feinem Gebiet ift 
ſſghon feine ſtarre Wirklichkeit mehr, er hat mit Gebilden zu 
tun, die jich vom Boden abgelöft haben. — 


Der neue Präfident in Minden, Herr Peters, früher Pos 
Igeidireftor in Königsberg, hat feinen Spießgefellen Linden- 
berg mit dorthin genommen, wo er wie früher in Königsberg 
tin niedriged ganz gemeines Schmugblatt herauögiebt. Der 
Deich hat im Zuchthaus gefeffen, ihm war die National: 
tofarde abgefprochen, die Gerichte haben ihn wegen frecher 
%rläumdungen und Beleidigungen namhafter Perfonen zu 
eträhtlichen Geldftrafen verurtheilt ; fchadet alles nicht! Die 
Strafen find ihm aus Gnaden erlaffen, er bekommt Anftellung 
und Geld, und der König hat fi freundlich mit ihm unter« 
alten. Die Kreuzzeitung empfiehlt eifrig das verfchmwifterte 
Blatt und den würdigen Rampfgenoffen. — 

Stäulein Sohanna Neander ift hier heute früh nach langen 
Beiden fanft entfchlafen! Qudmilla verliert viel an ihr! — Sie 

g® 


132 


war 77 Jahr alt, und ſehr lebensmüde, obſchon noch Tee: 
fräftig und heiter. — 


—— 





Montag, den 3. Juli 1854. 

Die „ Feuerfprige“ bringt neue Nachrichten von Unfäl 
der Ruffen, denen die Türken hart zufeßen. — 

Im Eonftitutionel wird von Herrn Laguerronnière du 
einen großen Auffab dem rufjiichen Kaiſer dringend gerath 
abzudanfen, ja die Nothwendigkeit dazu vorgehalten ! 
St. Petersburg fihimpfen die Blätter auf Louis Bonapaı 
nennen ihn den Nügenkaifer, werfen ihm den Staatöftte 
von 2. Dezember ald Verbrechen vor. Der Kaifer Rifo 
war ihm zu Diefem Streich eng verbunden! — 

Mit der ruffifhen Anleihe will ed weder hier noch 
Frankfurt am Main, no in Brüffel und Amfterdam geling: 
In England und Frankreich ift jede unmittelbare Betheiligu 
unmöglih. Der Kaifer Nikolai lernt auch in diefem Betr 
die Gränzen feiner Macht erkennen. Doch follen die ruſſiſch 
innern Hülfsquellen noch fehr groß fein, nur auf die Dau 
nicht ausreichen. — 

In den hiefigen Staatörath find auch die Profeſſor 
Ranke und von Keller berufen ; ferner Homayer, Profeffor u 
Tribunalsrath; Herr von Bismarck-Schönhauſen; bie ji 
weder Leo noch Gerlach, noch Goedſche, noch Wagener. Rai 
wird im voraus als die lächerliche Perſon des Staantsral 
bezeichnet! Ob Eichhorn berufen wird? Gewiß! — 

Im Plinius gelefen. Neulateinifches. Franzöſiſche Tag 
ſachen. — 

Ereignig in Madrid: ein paar verbannte Generale, un 
ihnen O'Donnell, ftellen fi) an die Spike von 2000 Reit 
der Beſatzung, rufen Lebehoch der Königin, aber Tod den x 
rätherifchen Miniftern! Doc das Volf bleibt ruhig, die ı 


133 


deren Truppen auch, die Aufftändifchen ziehen aus Madrid 
ab, werden verfolgt. — Auch der mißlungene Streich, könnte 
zur Warnung dienen! — 

Die Hofleute erzählen Wunder von dem Poffenipiel voll 
Albernheiten, das der König und der Prinz Karl am Johan- 
niterfeft hier aufgeführt. Der Graf von der Affeburg meinte, 
der König fei nahe daran, ganz thöricht zu werden, und über: 
iufhnappen. In allem was er thue und angebe fei weder 
Ordnung noch Folge, nur wechfelnde Laune, und baare Phan- 
tafterei ! — 

Der Präfident von Kleift, der im Jahr 1848 feinen Ab- 
fhied nahm, ift auch wieder in den Staatsrath berufen. 
Grhat im voraus erflärt, daß er es nicht erwarte, in feinem 
jall aber e8 annehme, nie werde er die Verfaſſung be- 
ſchwören, die er verabjcheue. Er meinte auch, der ganze 
Staatsrath danke feine Herftellung blos der Eitelfeit Hindel: 
dey’8, der fich ala Mitglied deifelben habe zeigen wollen. Der 
Geheime Rath Sulzer, verrufenen Andenkens, ift aud Mit: 
gied! — Eine wackere Geſellſchaft! — 


Mittwoch, den 5. Juli 1854. 
Früh aufgeftanden und um halb 9 Uhr mit Ludmilla zum 
degräbnig der guten Johanna Neander gefahren, Koch: 
fraße, Ad. — Der alte Strauß überaus freundfchaftlich mit 
und; er hielt am Sarge die Liturgie und eine Rede, welche 
vorzüglich der treuen Liebe der Verftorbenen zu ihrem Bruder 
gewidmet war. Wir folgten der Reiche auf den Kirchhof vor 
dem Hallefhen Thor, wo die Verjtorbene neben ihrem Bruder 
eingeſenkt wurde; der Prediger Lisco wiederholte hier die 
Liturgie. Dad Ganze war feierlich und rührend, und ich 

hatte dabei die weitgreifendften fruchtbarften Gedanken. — 





134 


Donnerstag, den 6. Juli 1854. 

In franzöfifchen Blättern wiederholen ſich die Auffor De⸗ 
rungen und Zunöthigungen an den ruffifchen Kaifer, er [elle 
abdanfen, denn in Unglüd und Schande, die er felbft verfch zals 
det und feine Ausficht habe zu verbeffern, önne ı er über fetne 
Völker nicht fortregieren. — 


Die Antivort ded ruffifchen Kaiferd auf die letzte von 
Defterreich und Preußen ihm geftellte Aufforderung ift durd 
den preußifchen Oberftlieutenant von Manteuffel hier über: 
bracht worden. Sie lautet friedliebend, ſophiſtiſch, quer, 
durhaus unbefriedigend. Es werden die jämmerlihiten 
Kniffe gemacht, um den wahren Stand der Dinge zu ver 
hüllen, den Schein an der Stelle der Wirklichkeit gelten zu 
laffen. Thut doch der Kaifer ald habe er die vom türkiſchen 
Sultan den Mächten ertheilten Verficherungen in Betreff Det 
in der Türkei lebenden Chriften zu billigen oder anzunehmen! 
Darum ift er gar nicht gefragt worden; er aber möchte DU 
gefcheiterte Beſchützerrolle fortfpielen! Unſere inländiih en 
Ruſſen, Stahl, Wagener, Goedſche, Gerlach ꝛc. finden Den 
alled erhaben und |hön! — | 


Bunfen hat dem Könige bei der Affyrifchen Sozietät ®" 
London 200 Fuß Basreliefs aus dem Palafte Sanherib’s fe 
1000 Pfund Sterling zufichern laffen. — 

Der Legationdratb Graf von der Golg, Mitglied de ' 
Bethmann-Hollwegs Barthei, hat fich mit diefer entzweit, vor —“ 
her aber mit dem Könige, bei dem er bi dahin ziemlich gu 
ftand. — 

Man fagt, auch im Falle wirflich der Friede zwiſchen Rup- 
land und den Weftmächten zu Stande fomme, werde der König 
zulegt doch noch das Heer auf den Kriegöfuß ftellen, — troß 
den 10 oder 12 Millionen Thaler Koften —, bloß um feine 
Kriegsmacht zu zeigen, diefe Genugthuung werde ibm nicht zu 





135 


{heuer fein, um fie fich zu verfagen. „Obne Kampf wenig- 
end nalen, * fagt ein General. — 


Freitag, deu 7. Juli 1854. 

Geſchrieben: Bemerkungen über die Kriegsführung gegen 
Rußland; mir erfcheint der fehließliche Sieg der Verbündeten 
noch keineswegs verbürgt. Zahlreicher noch ale die Heeres- 
| äfte werden auf allen Seiten Ränfe und Schliche aufgeboten, 
um für Rußland zu wirken. — 

: Sale wurde in Sandfouci der Geburtätag des Kaiſers 
von Rußland gefeiert. Der Graf von Königemard war zu 
dem Gaftmahl vom König eingeladen worden, und ift gleich 
uchher mit Aufträgen nad) St. Petersburg abgereiſt. Wich— 
ige wird man ihm wohl nicht anvertraut haben, dagegen fann 
gewählt fein, um alle Schimpfreden des Kaiferd und tropi- 
gen Gehäffigkeiten der Rufen in Empfang zu nehmen; in 
| mande wird er fogar von Herzen einſtimmen. — 

Heute früh ift der große Gewerbömann Borfig am 
Shlagfluffe geftorben, erſt fünfzig Jahr alt. Er befchäftigte 
über 3000 Arbeiter. — 

Die Sachen in Spanien ftehen ‘noch zweifelhaft. Die 
Auftändiichen fordern Konftitution, Verbannung der Königin 
Mutter Chriftine, dieſes unheilvollen Scheufald, und Einzie- 
bung ihres fehändlich erworbenen Vermögens. Endlich reißt 
die Geduld! — 

Königgmard foll nur Glückwünſche zum Geburtöfefte der 
Kaiferin — am 13, Juli — überbringen. Das kann er aus: 
richten! — 

Sefeplich darf keine Hausſuchung gefhehen, ald auf rich- 

terlichen Befehl. Der Polizeipräfident von Hindeldey achtet 
dieſer Borjchrift nicht, noch niemals hat er das Gericht wegen 





136 


Ausfertigung eines foldhen Befehl angefprochen. Dieje Ber 
legung der Geſetze wird endlich bemerkt, gerügt; aber niemand 
wagt gegen den mächtigen Mann aufzutreten. Der Staats 
anwalt Meyer, der ed wollte, ift deßhalb nach Magdeburg 
verfeßt worden. Große Gefälligkeit ded edlen Juſtizminiſtere 
Simons! — Man glaubt aber doch, das Reich Hindeldey? 
babe am längften gewährt, er werde nächftend einmal übe 
Bord gehen. Vielleicht aber findet er Gelegenheit, noch ein 
mal den Staat zu retten, das Leben des Rönige zu ſchůtzer 
Komplotte zu entdeden! — 

Der König fpricht nie von Kammern, immer nur vr 
Ständen; er betrachtet die Kammern immer noch ala Be 
einigte Ausfchüffe der Provinzialftände, auf dieje Bedeutisı 
und Benennung möchte er fie zurüdbringen. Die erfte Kar 
mer foll ihm den Herrenftand des Vereinigten Landtags wi 
der darftellen; er betrübt fich darüber, daß er dieje herrlic 
Körperfchaft fo Tange durch das aus Volkswahlen hervorgega 
gene plebejifche Gefindel hat müffen vertreten laffen und ne 
muß, weil er fich nicht anders helfen fann. „Wenn ars 
Herren darin find, fo find ſie's doc, nicht ale ſolche, fonde 
durch ihrer unwürdige Wählerei aller Klaſſen.“ — 


Sonnabend, ben 8. Juli 1854. 

Gefchrieben, über politifche Verbindungen, die eigentli 
wenig nüßen, nur augenblidlich und örtlich helfen können, i 
Großen wirkt die allgemeine Thätigfeit der Geifter, die Sumr 
unzähliger Beiträge — die namenloe find oder ed bald we 
den — ficher und mächtig. Wenn jeder Wohlgefinnte n 
feine Ueberzeugung feftbält, nah Maßgabe der Umftän 
darnach handelt, fie ausfpricht, fo ift dad hinreichend, me 
braucht ed nicht. — 


137 


u Im Plinius gelefen; Bibel- und Glaubendfahen, vom 
ers 2 Sichenratb Paulus, Strauß ꝛc. — 
53 Das Kreitgericht in Magdeburg hat den Prediger Uhlich, 
2 derangeflagt war, die Religion und die Obrigkeit beleidigt zu 
a4 haben, freigefprochen. Die Verhandlung war nicht öffentlich. 
mer Die Neue Preußifche Zeitung hat heute mich wieder eins 
za mal bedacht; fie jagt: „Der große Biograph Varnhagen 
ned von Enje und die kleinen Juden der Volfäzeitung * das fei der 
1 ’sr Utel eines Drama's, an dem der Zufchauer jept arbeite, und 
deſen erfter Akt fast fertig fei. — Wieder ein Nachhall der 
zur giftigen Inſinuation, daß ich heimlich an der Volkszeitung 
als 3 mitarbeite! — 


fr Sonntag, den 9. Juli 1854. 
kr 2 Nachmittags fam Frau Bettina von Arnim, ohne Gefchäft 
ze Und Zweck, aber wohlgeftimmt, munter. Sie ſprach lebhaft 
er über Muſik, pried den Herrn Joachim außerordentlih, lud 
IR mich ein, ihn bei ihr zu hören. Heute hätte fie nicht an Goethe 
jene @ihrieben: „Du mußt ein Chrift werden, Heide!“ Sie 
meinte, e8 habe nie einen ſolchen Chriftus, wie ihn die Kirche 
Ihtt, gegeben, fein Dafein fei eine Fabel, feine Lehre fei ſchon 
ki Indern und Aegyptern gewefen, und das thatfächliche 
Chritenthum habe der Welt mehr Schaden ald Heil gebracht; 
namentlich wirkte der Fabelkram in unfrem Könige, wenn man 
ihm den aus dem Kopfe nehmen fönnte, würde er ein ganz 
guter Fürſt fein, alles Unheil fomme aus dem Religionswahne 
ber. Sie fagte Dinge, mit denen Voltaire ganz zufrieden fein 
fönnte, mit großem fühnen Geifte, und mit voller Kraft einer 

tiefen Ueberzeugung. — 

Geipräh mit Ludmilla. Altteftamentarifche Sachen ge: 
lefen ; Michaelis über das Mofaifche Recht, ein Zeugniß tüch- 
tiger und freier Gelehrſamkeit im achtzehnten Jahrhundert, 





138 


wie verfchieden von unferen jebigen Leitungen in diefem Fach! 
So ift auch Michael Ignaz Schmidt noch ftetd eine Delhi 
mung aller derer, Die nach ihm eine Geſchichte der Deutſchen 
verfucht haben. 

Unfere preußiſchen Ruſſen bieten alles auf, um ung in die 
vom Kaiſer Nikolaus gelegte neue diplomatifche Kalle zu loden 7 
und uns von Defterreich wieder abzuziehen. Der König erläft 
nach Wien den Nath, auf die rufjishen Erbietungen einjzu— 
gehen. — g 

In Sachſen neue Begnadigungen von fieben Maigefange 

nen in Zwidau, von fechzig — fagt man — in Waldheim; 
. 08 heißt von Allen. Der Himmel gebe feinen Segen dazu! — 
Preußen allein verharrt in tüdifcher Bosheit, und läßt feine 
beiten Söhne im Kerfer und im Ausland ſchmachten! — 
(Das von Waldheim ift nur frommer Wunſch!) 

Jemand, der den Polizeipräfidenten von Hindeldey nähel 
fennt, will mit Sicherheit behaupten, diefer fee feinen ganz EN 
Ehrgeiz darein, durch bürgerliche Verdienite um Berlin DI 
Flecken auszutilgen, die auf feiner politifchen Thätigkeit liege F- 
Er fol ſich der Rolle, die er im Prozeſſe Waldeck gefpielt, c 
Ihämen, daß er roth wird, wenn deflen erwähnt wird; au 
feinen Schergen Kayfer darf man vor ihm nicht mehr nenne #8 
„Uber mit all feinen Waſſer- und Wafchanftalten wird F 
diefe Flecden nicht wegwafchen !* — Ich miptraue dem ganze 7 
Beriht! — 

„Wi, dem das Gelächter als befondere Beilage vom Ur 
heber gleich mitgegeben wird, ſonſt lacht: niemand. * — 








Montag, den 10. Juli 1854. 
Viele Leute in Bewegung, wegen Borfig’d Xeichenbegäng- 
niß, das heute Vormittag ftattgehabt. — Bettina von Arnim 
fam Vormittags, brachte mir einige Briefe und Blätter aus 


139 


vem Nachlaſſe von Sophie Brentano (Mereau), und ließ mir 
ine Antwort Humboldt's zurüd, fie felbft wollte feinen 
Hugenblid! verweilen, denn unten wartete jemand auf fie, mit 
yem fie nothiwendig zu fprechen hatte. Humboldt beflagt, daß 
ei der Fülle herrlicher Gaben, die Gott über fie ausgefchüttet, 
br die des Mißtrauens nicht verfagt worden, fie folle doch 
ticht auf alberne Reden hören. Don den Berdächtigungen, 
yenen fie in Betreff ded dem Mahler Ratti ausgezahlten Preis 
es für feine Tizian-Kopie bloögeftellt worden fei, habe er nicht 
a3 Geringfte vernommen, werde ihnen aber entgegenwirken, 
o fehr er es vermöge. Mit guten, artig vorgetragenen Grün 
en lehnt er ab, ihre Aufträge wegen des hiefigen Dombau- 
'ereind — der eine Muſik aufführen will —, wegen des Mu: 
ikets Gorneliud und wegen Ratti’8 Gemähldeausftellung zu 
Ibernehmen, er fagt, er jpreche nie mit dem König über folche 
Dinge, auch helfe Fein mündliched Befprechen , eö müffe alles 
ieſer Art gefchäftsmäßig an das Kabinet gerichtet werden. — 

Brief und Buch aus Köln von Herrn Profeffor Dünger. 
Sein Werk über Goethe’ Iphigenia. Ankündigung neuer 
Arkeiten. Ein ftaunenswerther Fleiß und unermüdlicher 
Sharfinn. Möchte ihm nur die verdiente Anerkennung zu 
Theil werden! Das Minifterium des Kultus erweift ſich roh 
und ftumpf. Der litterarifche Erfolg iſt nach den Umftän- 
den noch groß genug, aber keineswegs ergiebig für den 
Autor! — 

Die Neue Preußiſche Zeitung ift heute Abend ausgeblie- 
den; wie man nachträglich erfährt, weil der Redakteur Heinife 
auf Befehl Hinckeldey's Nachmittags verhaftet worden ift, und 
daher die nöthige Unterfchrift für die Polizei-Abdrücke nicht 
geben konnte. Heinike weigerte fih, den Berfaffer eines be- 
timmten Auffages zu nennen, und noch mehr, ein Berzeichniß 
Uer Mitarbeiter einzureichen, welches zu fordern allerdings 
sindeldey gar nicht befugt iſt. Schufte find ed, aber den 


140 


Schuften geſchieht Unrecht. Hole fie der Teufel, aber nicht 
Hindeldey! — | 

Der Bräfident Adolph von Kleift hat feine Berufung in 
den Staatsrath entfchieden abgelehnt, ungeachtet ihm jeine 
Sreunde fehr zur Annahme gerathen haben. Der König fell 
„fuchswild' darüber fein! — 

Die Ruffen räumen die Walachei minder eilig, man glaubt, 
fie werden ftehen bleiben, in der Meinung, daß dann die 
Deiterreicher nicht einrüden. Vielleicht foll auch nur der 
Gindrud einer zu plößlihen Räumung gefchwächt werden! — 

Der ruffifche General Manfuroff iſt hier amgelommen, am 
Hofe fehr befannt und beliept. Der Kaifer Nikolai hoft, 
durdy Preußen? Zögern auch Defterreich noch zurüdzuhalten. J 
Aber die Türken, die Franzofen und Engländer, wie ml et J 
jich deren erwehren? Bisher ift feine Heeresmacht einzig an 
den Türken gefcheitert! — | 


[4 





Dienstag, den 11. Juli 1854. 


Die von Bettinen von Arnim geftern mir gebrachten Briel’ 
ichaften aus dem Nachlaß ihrer Schwägerin verfegen mid ſo 
lebhaft in eine mir bedeutende Vergangenheit, daß ich der Ge⸗ 
genwart darüber fait entrüdt werde. Wir waren noch Kinde 
meine Schwefter und ich, ald und die Gedichte von Sophie 
Mereau zu Bewunderung und Kiebe hinrifien, fie felber zit 
fehen, den Saum ihres Kleides zu berühren, und das herrlichit‘ 
Glück gewefen wäre. Nun blid’ ich in ihre vertraufichiten 
Beziehungen, leider ohne die liebe Schwefter! Später, wie 
jehr erregte mich der Name Eichen, feine Ueberſetzung dee 
Horatius, fein unglüdlicher Zod in der Schweiz, dann fein 
Andenken im NReichardt’fchen Haufe zu Gibichenftein, er war 
mit Luife Reichardt verſprochen; dann auch Böhlendorf’s 


141 


lamen, jeßt von niemanden mehr gekannt, einft aber mir 
heuer, und auch Fichte'n, der ihn mit Billigkeit beurtheilte, 
ein Trauerjpiel „die Schlacht von Marignano“, war fein uns 
verdienstliches Werk; bier nun kommt ein Brief von ihm mir 
vor Augen, an Sophie Mercau, auch feines Freundes Eichen 
gdenfend. Desgleihen wird Erhard erwähnt, Woltmann 
Reinhold, Böttiger in jener frühen Zeit, alle in gleichzeitigen 
Jeugniffen der eigenen Handſchrift. Das Köftlichite aber iſt 
tine Meine Silhouette von Hardenberg-Novalis, ihn in feinem 
eiften Jahr voritellend, fprechend ähnlich dem fpäteren Bild» 
fe, eine wahrhaft einzige Reliquie, die ich mit Andacht be: 
tahte! Man muß jene früheren Eindrüde mit erlebt haben, 
um mein Gefühl zu verftehben! — 

Sendung aud Oldenburg, der dritte Band von Stahr's 
Jalien! zweite Auflage, mit Stahr's gelungenem Bildniß. 

Glah nach dem Eſſen fam Frau Bettina von Arnim. 
Sie beiprach den Brief Humboldt’ mit mir, und bemerfte fehr 

nötig, daß er beim Könige nicht viel mehr gelten müffe, daß 

weggedrängt fei, da er nicht mehr Abends dort erſcheine, 
niht mehr vorlefe, — aber je mehr verbrängt, defto ehren: 
voller für ihn. — 

Die Kreuzzeitung ift heute wieder audgeblieben. Die 
Yarthei muß erfahren, daß fie troß allen Einfluffes doch nicht 
herrſcht. — | 

Sejuitenfachen gelefen. Peter Philipp Wolf's Gefchichte 
der Jefuiten, in vier Bänden, ift mir aus früheiter Zeit ein 

werthes Buch, das von allen fpäteren Schriftftellern, auch von 
Ranke, jehr benußt, aber fait gar nicht genannt worden. 
die Gruͤndlichkeit, Ehrlichfeit und der helle Sinn, welche darin 
errſchen, werden in den Schriften der Späteren oft vermißt. 


142 


Mittwoch, den 12. Juli 1854. 

Heute ift die Neue Preußiſche Zeitung zum drittenma 
ausgeblieben, jtatt ihrer fam ein Zettel, der die Nachlieferum 
der Nummern verfpricht. Der Redakteur Heinike ift noch in Haft, 
obſchon das Obertribunal feine Freilaffung verfügt hatte; der 
Unterfuchungsrichter legte gegen diefe Verfügung Einſpruch 
“ein. E83 handelt fi um einen Artikel, bei dem die Behörde 
eine Amtöveruntreuung vorausfegt, aljo ein Verbrechen, deſen 
Urfprung fie erforfchen will. In wie vielen Fällen hat die 
Kreuzzeitung folhe Mittheilungen von den höchſten Beamten 
empfangen, und man hat dazu gefchiwiegen! — 

Die Gräfin Rofji (Henriette Sonntag) ift am 17. Jun 
zu Mericv an der Cholera geftorben. — 

Die Türken unter Dmer Paſcha find bei Giurgewo über 
die Donau gegangen, haben diefen Ort eingenommen, und eine 
jtarfe rufjische Macht aus dem Felde gefchlagen. — 

Vom Tifihrüden und andern folhen Alfanzereien. si 
eine fich ftetö wiederholende Thatfache, daß alled Gute un? 
Edle in der Welt zuerft mit Widerfpruh und Anfeindund 
empfangen wird, jede neue Thorheit aber mit Gunft um 
Beifall. — | 

Die Kreuzzeitungsparthei findet ihre ftärffte Stüße in de 
Königin, der man eingeredet hat, der Thron habe feine beilt 
ren und treueren Bertheidiger. Die Königin verfteigt fl 
nicht in die eigentliche Politik, fie begehrt nicht diefe Fäden ;) 
. ziehen; aber fie befümmert ſich eifrigjt um alles Perſönlich 
und weiß dem Könige die Eindrüde, die man ihr giebt, m 
gutem Erfolge beizubringen. Man fagt hier, um die König 
babe fih der fruchtbarfte Klatſchkreis gebildet, für den auch 
Kreuzzeitung meiſt ihre Bosheiten gefliffentlih einrichtet. — 


143 


Domnerstag, den 13. Juli 1854. 

Gegen Abend Beſuch vom Grafen von *. Erzählungen, 
Ein Zeuge ift verpflichtet, ver Gericht auszufagen, kann dazu 
geſwungen werden, Durch Geldſtrafen, Durch Gefängniß, letz⸗ 
tered ohne Maß und Ziel bis der Zeuge gehorcht. Aber der 
Juſtizminiſter kann die Freilaffung verfügen. Dies geſchah 
.B. in Königöberg in dem Muckerprozeß, zu Gunften der 
Gräfin von der Groeben, die ſolcher Thatfachen, die mit ihr vor- 
gegangen waren, fich nicht erinnern wollte, und Die Ausfage ver: 
weigerte. Gelditrafen hatten nicht gefruchtet, es erfolgte Haft, 
fe fandte eine Stafette an den Juftizminifter, der befahl man 
ſolle fie frei laffen, undaufihr Zeugniß verzichten, dad ohnehin 
bei folder Hartnädigkeit ald von geringem Werthe zu fchäßen 
ki Diefe Berfügung, fo unhaltbar ihre Gründe waren, 
mußte befolgt werden, das Gericht war aber fo aufgebracht, 
Kies nun auch der Gräfin’ ihre Geldftrafen — gegen 300 
Thaler — zurüdzahlen ließ. Auf ähnliche Weife wird Hei- 
uile's Freilaſſung erfolgen, das erwartet man mit Sicherheit. 
Heute ift die Kreuzzeitung wieder erfchienen, und drei 
| Rummern dabei find nachgeliefert worden. Heinike hat fie im 
Gefaͤngniß unterzeichnen dürfen, oder ift ſchon wieder frei; 
man weiß ed nicht. — 

Der König hat ſchon Hinkeldey'n rufen laffen, und ibn 
befragt, wephalb die Neue Preußifche Zeitung nicht erjcheine ? 
Hindeldey hat ſich entfchuldigt, es fei eine Juſtizſache. Die 
„liebe, liebe” Kreuzzeitung! Wie fönnte man die am Hofe 
miffen! — Man muß unterjheiden, was die Polizeibehörde 
und was das Gericht von Heinife begehrt, nur erjtere konnte 
das unbefugte Anfinnen ftellen, daß er alle Mitarbeiter nam- 
baft machen folle. Die Sache felbit, die ein Beamter ihm 
muß mitgeteilt haben, foll unerheblich fein, aber die Mitthei- 
lung immer gegen die Beamtenpflicht. In taufend Fällen 
fieht man darüber bin; wie ftrafbar würden fonft beide Ger: 





144 


lach's, Bismard-Schönhaufen, Stieber, Markus Niebuhr 
ericheinen! — 

Dennoch hat das Gericht das Anfinnen gemacht, und d 
DObertribunal den Berhafteten aufgefordert, dem Anfinn 
zu genügen! — 

Malmene zu 20 Thalern Strafe verurtbeilt, weil er 
jeiner Zeitfchrift, die feine Kaution geftellt, von Politik ſprid 
Er hat fi vor Gericht dumm benommen und lächerlich 
macht. — 

Die freie Gemeinde in Magdeburg iſt vom Minif 
von Raumer mit ihrer Bejchwerde gegen die dortige Regierui 
abgewiejen worden. Natürlich! Die Behörde handelte ja na 
feinen Befehlen! — Das Fortbeftehen unter ſolchen Umftä 
den ift ein Wunder! — 

Der alte Prozeß in Bremen gegen den Prediger Dulı 
it endlid, abgeichloffen. Dulon ift verurtheilt, aber weit we 
Röfing und die Andern find freigefprochen. — 


nn ee — 


Freitag, den 14. Yuli 1854. 

Die Kreuzzeitung bringt heute Bericht über ihren Reda 
teur Heinife. Er ift erft geftern Nachmittag der Haft entlafjt 
worden, nachdem er dem Gericht — anftatt der ſämmtlich 
Mitarbeiter — die Mitglieder der Redaktion namentlich a 
gegeben, und der Mittheiler des fraglichen Artikels ſich a 
eignem Antriebe genannt hat. Bon beiden Seiten feige Na 
giebigkeit, doch ijt die Zeitung dabei im Vortheil, denn fie t 
der Anforderung nur zum Schein, und zu fehr mattem Sc 
genügt, und der Berichterftatter, der ſich gemeldet, jagt nic 
woher er die Sache weiß! — 

Der Fürſt Paskewitſch hatte den Kaifer Nifolai dring« 
ermahnt, nichtö gegen die Türkei zu unternehmen, wenn 


uw "nn 





145 


Oetterreihd und befonderd Preußens bollfommen ficher fei, 
worauf der Kaifer lachend geantwortet, das fei er vollfommen ! 

As der franzöfifche Gefandte Caſtelbajace von St. Peters: 
burg abreifte, faate ihm des Kaiſer: „Avec votre empereur 
je pourrais m’arranger facilement, rien ne s'y oppose; 
mes les Anglais, ce sont de vilains juifs, l’Autriche est 
d’une ingratitude infäme, et mon frere de Prusse c’est 
un —poete!* Dasleptere Wort fteht für ein härteres, das er 
zu gebrauchen pflegt. — 

Omer Paſcha geht über die Donau, fchen find Engländer 
und sranzofen mit ihm vereint. Neue Schlappe der Ruffen. 
General Chruloff hat den einen Arm verloren. — 

In der Spener’fchen Zeitung fteht heute ein Nefrolog des 
Öenerald von Scharnhorft, diesmal ein folcher, dem ich faft 
ganz beiftimmen kann; alles Gute, was von ihm geſagt wird, 
itmwahr. Einige TIhatfachen hätten anders gefaßt werden 
finnen; die Schlacht von Haffelt ift lediglich nad) feinen An- 
gaben gemonnen worden; bei Naftatt warf man ihm Fehler 


; ter, deßhalb nahm er den Abſchied. Cr hatte ein liebevolleg, 


licht verliebtes Herz. Als Fehler rechn’ ich ihm an, daß er 


| inten Gindrüden von 1813 zu lange verblieb, fie wurden zu 
} Lerurtbeilen. — Die Bewegung von 1848 verftand er nicht. 


Die Zeitungen bringen ein Schreiben des ruffifchen Kanz- 
lerz Grafen von Neſſelrode an den General von Budberg in 
der Walachei, welches das fchreiendfte Zeugniß roher Gewalt: 
humteit und zugleich ſchamloſer Lügen ift. Die ariechifche 
Kirche der — wie ich glaube — weder Neffelrode noch Budberg 
angehören, ift die einzige rechtaläubige, der Kaifer der einzige 
Nachthaber und Berechtigte, alle hriftlihen Einwohner der 
Türkei ftchen unter ihm, die andern Herrfcher in Europa find 
irrgläubig und machtlos! So fpricht der von allen Seiten 
eingeihnürte, durch die Türken allein biöher geſchlagene Zar! 


Barnpagen von Enfe, Tagebücher. XI. 10 


146 


Sonnabend, den 15. Juli 1854. 

Frau Bettina von Arnim fam, lud und zu morg« 
Abend ein, wegen zwei Amerifanerinnen Namens Ray, Mu 
ter und Tochter, von Paris ber ihr empfohlen. Bettina fpric 
mit mir viel über ihren verftorbenen Satten, wünfcht, dap i 
über ihn fchreibe, will mir noch ganze Maffen feiner Papie 
zum Durchfehen und Ordnen bringen. Ich bin ihr gern b 
hülflih. Sie war fehr gut und liebenswürdig, ſah auch fel 
aut aud. — 

Dffene Fehde zwifchen der Neuen Preußiſchen Zeitung ur 
dem Polizeipräfidenten von Hinckeldey. Diefer hat ihr cir 
Berichtigung zugefandt, mit dem Befehl, ſolche augenblidli 
und gleich vorn in ihr Blatt aufzunehmen. Sie thut's, abı 
fügt gleich ihren Einſpruch hinzu, daß feine Forderung üb 
die gefegliche Berechtigung hinausgehe, daß die Befugniß fe 
ned Einſchreitens noch nicht erbelle, daß er auf die Hauptſad 
nicht eingehe 2c. Kein anderes Blatt dürfte dies Tropbiete 
ungeftraft wagen. Die Kreuzzeitung indeß treibt es auc nid 
aufs Außerfte, und rügt nicht Die Nachgiebigfeit des G 
richts, weil ihr diefe doch auch fehr erwünfcht iſt; fie müß 
doch fehr fürchten, daß zum Beifpiel Markus Niebuhr ala dei 
jenige herausfäme, der ihr Nachrichten zuftedt. Hinckelde 
wird ſich ſchmählich ärgern. — 

Der Profeſſor Biedermann in Leipzig, ſchon feit eine 
Jahr wegen feiner fchriftftellerifchen politifchen Thätigkeit i 
feinem Lehramt ſtillgeſtellt, ift jebt gänzlich entlaffen und ibı 
Borlefungen zu halten verboten worden. — 

Bon einem angefehenen Mann wird mir verfichert, de 
wicht nur der ruſſiſche Gefandte, fondern auch der franzoͤſiſch 
und ohne Zweifel der öfterreichifche, hier eine vollſtänd 
organifirte Polizei habe, die über alles berichte, auch üb 
jtädtifche Vorfälle; fo fei die erfte Anzeige über das Sceil 
begräbniß Tomaſchek's, an deſſen Statt ein Plättbrett | 





147 


| Sarge Ing, der biefigen Polizei vom frangöfifchen Gefandten 
gekommen. Und unfere fehwerbezahlte, auf Stadt und Staat 
laſtende Polizei taugt nicht einmal dazu, dergleichen Un- 
weſen der fremden Gefandtjchaften abzuitellen, unmöglich zu 
machen! — 


Sonntag, den 16. Juli 1854. 
Oeſterreich veröffentlicht feine neueften Verträge mit 


Preußen und mit der Türkei. Defterreich verfündet die Ein- 


fübrung von berathenden Landesverſammlungen in allen fei: 
nen Kindern ; aljo ein Vorſchritt in Eonftitutioneller Bahn ; 
und grade jetzt, in Ausficht eined großen Krieges, bei unges 
heuern Rüftungen und Anleihen. — 

Nachrichten aus Wien; der Kaifer Kranz Joſeph und feine 


‚ Umgebung fprechen in den fehimpflichften Ausdrüden von 


Preußen; alle Militairehre fei hier erfticht, fie gebe fein Lebens— 
zeichen. Wenn es feine Demokraten und Volkshaufen nieder: 


ulhmettern gebe, fei das preußifche Militair lammfromm 


und fumm. In Wien find au fchon Stimmen laut ge- 


 !orden, daß Defterreich, wenn ihm die Donaufürftenthümer 
entgingen, allenfalls Schlefien wiederbefommen fönne; dad 


neuloſe Preußen, deſſen zweideutige Haltung allein noch 


J Deetteich vom kräftigen Vordringen abhalte, verdiene eine 
gründliche Beſtrafung! — Ob wohl dergleichen auch in den 
Kiandtihaftlichen Depefchen dem Könige gefchrieben wird? — 


— — 6 — — — 


Montag, den 17. Juli 1854. 
«ste denn wirklich fo gerathen und ſicher, mit Louis 
Vonaparte, dem Staatsftreich-Kaifer, in enges Bündniß zu 


gehen?" Sofragt ein altpreugifch gefinnter Mann, der aber in 
dem Wahre ſteht, fein altes Preußen fei noch jept vorhanden 


‚10° 


148 


und wirffam! ch antworte: Solcher Bund wird von 
manden ftärfer verabjcheut, ald von mir! Aber durd a- 
was ihr bisher gethan, oder vielmehr gefündigt, ii 
jest geboten. hr könnt nicht anders! Mir zu Gefa 
nennt ihr ihn den Staatsſtreich-Kaiſer, aber ihr Flatfchtet C 
Staatöftreich Beifall, euch war er lieb! Schon dadurch Ten! 
ihr in die fchlechte Bahn, in der ihr jetzt nicht vorwärts wo 
die ſchimpfliche Senofjenfchaft wähltet ihr! Die müßt ibr n 
weiter führen, oder mit ihr brechen, was ihr nicht fünnt, v 
euch übel befommen würde. Das fommt davon, wenn 
Regierung fich zur Parthei herabwürdigt, zur volksfeindlich 
gewaltthätigen, wenn fie dad Volk fpaltet und drüdt, anil 
ed zu einigen und zu heben! Preußen freifinig und gr 
müthig, und noch heute ftünd’ es ald erfte Macht in Eur: 
da, ald die Gebieterin über Deutfchland. Doc ſolch ein 
ſehene Unmöglichfeit fann und nicht mehr täufchen. Frei 
nig und großmüthig zu fein, dad muthet euch niemand m 
zu; fo feid wenigſtens klug und kräftig! Ergebt euch in 
Schande, und zieht aus ihr nun die geringen Vortheile, de 
Fülle aus der Ehre zu gewinnen, ihr weder Herz noch Gejd 
hattet! Eine fchnelle Fräftige Kriegsführung gegen Rußla 
iſt euch auferlegt ; ihr zögert, bis alle Welt fieht, daß ihre n 
als Sezwungene fie übernehmt ?! — 

Der Staatsanwalt des Stadtgerichtd hat die Kreuzzeiti 
gezwungen, nun auch den in ihrer Sache erlaffenen Beſch 
des Obertribunald zu veröffentlichen. Die Polizei und 
Gerichte find ihr nicht gewogen, aber bei Hofe ſteht fie 
größter Gunſt! — 


Dienstag, ben 18. Juli 1854. 
Die englifchen Blätter ſchimpfen und drohen gegen ı 
wegen unjered Zauderns und Schwankens. Dabei wird 


149 


König art mitgenommen, gefcholten und verhöhnt, ihm alle 
Miännlicfeit abgefprochen! In England am meiſten wünfcht 
ver König geachtet und geehrt zu fein, und da grade geht ea 
ibm am fchlechteften! — Aber audy die Ruffen loben ihn nt 
und dad Inland ſchweigt. — 


Das neue Bundespreßgefeb befchneidet wieder etwas mehr 
den geringen Raum, der unferer Prepfreiheit noch geblieben 
it. Wird ed in Preußen eingeführt, die etwas freiere eigne 
Geſetzgebung dadurch befeitigt, — nun dann wiſſen wir wie: 
der etwas mehr, woran wir find! Die Gewalt: und Willkür: 
Regierung fann und die freien Zeitungen nicht laffen; — aber 
es geht langfam, wir fünnen noch lange die Nationafgeitung 
und Volkszeitung genießen; außer wenn wir ung. für Ruß— 
land erklären, dann hat e8 mit ihnen ein Ende. — 


In Spanien greift der Militairaufftand um fich; hier find 
Öenerale und Soldaten die Demofraten! Es fehlt nicht an 
Leuten, die den Aufftand in Zufammenhang glauben mit ruf: 
‚ fühen Ränfen ; er ift allerdings für Frankreich und England 
| unbequem. — 

Die Vereinigten Staaten von Nordamerifa haben es bei 
| Dänemark durchgeſetzt, daß ihren Schiffen und Erzeugniffen 
die Fahrt durch den Sund freigegeben wird. (Nicht ganz, doc) 
' großentheils.) 
Der General von Anrep, der im ungarifchen Kriege den 
 beftigen Auftritt mit feinem Oberbefehlshaber Paskewitſch 
' hatte, dann von den Türken an der Donau eine Schlappe er: 
her, ſoll ſich durch einen Piftolenfchuß getödtet haben. Grade 
jest, da fein Feind Paskewitſch mit Schimpf und Schande 
vom Schauplak abzieht? Es heißt, Anrep fei von feinen Mit: 
generalen fchändlich im Stich gelaffen, und vom Kaiſer unwür: 
dig gedemüthigt worden; er fei am wenigiten fchuld geweſen 
an feinem Unfall. — 











150 


Das Berliner Leben ift jest in trauriger Stockung; nir- 
gends etwas Frifches, Anregendes. Aller Muth und Geil, 
alte Fröplichkeit und Kraft ift ſchweigend in's Innere gedrängt. 
Ueberall Ueberwachung, Polizei, Hemmung, Schifane; fein | 
lautes Geſpräch, fein Zufammengehen! Recht der Ausdtuc 
dieſes ganzen lumpigen Regierwefens, der höfifchen Geiſtloſg 
feit und Langweile, der fafelnden Phantafterei und Chn- 
macht! -— 

So dange noch feine Regierung wagt, mit freient offenen 
Muthe die Frage wegen Polen aufzuwerfen, ift alles ma 
gegen Rußland gefchieht, der ganze Krieg, zu Waffer und zu 
Lande, nur Sumperei! Wäre in der preußifchen Politif ein 
Zunfen von fühnem Heldengeifte, fo müßte fie diefe Frage 
jetzt in die matte Kriſis kräftigend fchleudern. Entweder 
müßte Preußen das hergeftellte Polen ſich aneignen, und Die 
Stücke der Anderen bekommen, oder fein eignes Stüd gu: 
mütbig aufgeben, und dafür überreichen Erſaß in Deutfhlarat 
ſelbſt erlangen. — O wie weit entfernt von ſolchen Anſichte "ı 
von folhen Entfehlüfen! — 


Mittwoch, den 19. Juli 1854. 

Beſuch vom Herrn General von Weyrach ; er reift mit je 
ner Frau nach Preußen zum Befuche der Sauden’fchen I 
wandten. Ueber Herrn von Sauden-Tarputfchen viel q 
ſprochen, ihn hochgerühmt, und feinen frühen Tod bedauer” 
Er ftand mit dem König in vertrautem Briefwechſel, empf 
oft die ausführlichften eigenhändigen Schreiben von ihm ; ſcho 
durch den Vereinigten Landtag fühlte ſich dieſes Verhältnig 
welches ganz abbrach durch die Weigerung des Könige, die ihr⸗ 
von der deutfchen Nationalverſammlung zugeſprochene Kaiſec— 
frone anzunehmen. Weyrach ift ganz weſtlich gefinnt, gege 


151 


Rußland, deffen verderblichen Einfluß auf Preußen er lebhaft 
erörtert. — 

In Spanien geht es luftig vorwärts! „Es lebe die Köni- 
gin, Die Konjtitution! Tod den Miniftern! Fort mit Chri- 
ſtine!“ — Wird endlich diefed Scheufal aus Spanien ver: 
bannt, dann läßt fich hoffen. — 

Es giebt hier von alten Zeiten ein fogenannted Bürger: 
rettungsinjtitut, das den Zweck hat, braven Bürgern aus 
unverfchuldetem Unglüd aufzuhelfen. Neulich nannte jemand - 
Das neben dem Dom erbaute Campo santo mit jenem Namen. 
Man fragte, wieſo das? „Weil da die Könige begraben wer— 
den follen,* war die Antivort. — 


Donnerstag, den 20. Juli 1854. 

Schon im fiebenten Jahr feit der Revolution, fchon im 

dritten jeit dem — Pariſer Staatsftreih! Zeit brauchen die 
politifchen Entwidelungen, viele Zeit! Aber fie fchreiten vor, 
und find grade jet in vollem Gange, wiewohl wir die Um— 
wege befeufzen, die fie machen. Die hulbeuropäifche Revo: 
fution von 1848 muß zur ganzeuropätfchen werden, dahin zielt 
altes! Rußland und England werden furdtbar vorbereitet, 
von entgegengejegten Seiten arbeiten fie beide auf ihr gemein: 
fames Schidjal hin. Doc freut mich dieſer Gang nicht, 
er verlest mein innigfted Gefühl, meine redlichfte Ueber: 
zeugung! — 

Die Regierung, nicht zufrieden , die der herrichenden Par— 
thei mißfälligen Beamten, wegen politifcher Gefinnung und 
Wirkſamkeit, zurüdzufegen, zu drüden, ja gradezu abzufegen, 
treibt ihre Berfolgungefucht fo weit, deren Wiederanftellung 
auch in Rommunalämtern, ja bei ‘Brivatgefellichaften, zu ver 
hindern. Der Minifter des Innern, Herr von Weitphalen, bat 
eben ein Zirfular ergehen laffen, durch dag allen Behörden 


152 


eingejchärft wird, ihren gefammten Einfluß anzumenden, 
dergleichen Wiederanftellung — 3. B. bei Feuerkaſſen — r® 
leicht gemacht werde! — Wie fann die preußifche Regiere 
bei ſolcher elenden gehäffigen Betriebjamkeit eine grpuf 
Politif haben! — Man kann nur rufen Pfui! — 

Der Seehandlunaspräfident, Herr Bloch, hat feinen et⸗ 
tenen Abſchied erhalten, zugleich aber den Rothen Adletorde⸗5 
zweiter Klaſſe mit Eichenlaub, zum Danke dafür, daß er gem 
Seit Jahren ſucht man ihn wegzubeißen, hat ihn verläumde —? 
und fränfen laffen, dem Verläumder Wagener die Strafe ga" 
ſchenkt, endlich ift man ihn los! Er gilt für den fähigiteee? 
Finanzmann im ganzen Staat, er ift auch gar fein Demofrar ⸗ç 
aber ein Jude, ein aufgeflärter Mann! — An feine Stelle it 
der Geheime Finanzrath Samphaufen gefommen. —- 

Un der Donau, im Schwarzen Meer, in der Ditier, 
überall wieder Stodung, auch Defterreich zaudert, und Preußen 
— vermittelt und fchafft den Ruſſen Zeitgewinn. — Eine 
lebendige, eine feurige Theilnahme fann für dDiefe Betreibun: 
gen, für die ſe Mitfpieler in dem Drama fchlechterdingd nicht 
Statt finden! — Die Türken felbft find noch die beiten. — 

In Wien und in Kafjel find Nummern der Kreuzzeitung 
polizeilich weggenomwen worden, Ihr Freund Haffenpflug 
auch untreu?! — 





Freitag, ben 21. Juli 1854. 

Schon vor fieben Jahren erlangte der Herzog von Suther— 
land von unferem Könige das Verſprechen, daß diefer ſich für 
ihn wolle mahlen laffen, und zwar durdy Henſel. Das Bild 
ift endlich jebt fertig geworden. Henſel beging die Taftlofig- 
feit beim Könige anzufragen, ob der Herzog das Bild ald ihm 
ſchon gehörend, zugeſchickt erhalten und bezahlen folle, oder 
der König ed bezahlen und dem Herzog fihenten werde? Der 


153 


wortete darauf ebenfalle fonderbar, er wolle fich noch 

Nun ſteht das Bild einftweilen und wartet, und 
e warten. — Man will wiffen, der König fei bedenf: 
fein Bild nad England zu fchiden, weil dort jet 
ihn fchimpft, was ihn entfeßlich ärgert. — 


— — — — — — 


Sonnabend, den 22. Juli 1854. 

kleinen Geſchäfte des täglichen Lebens werden mit 
ifer und Ernſt betrieben, als wären ſie der wichtigſte 
Daſeins; in ihnen auch wird vorzugsweiſe die Nütz⸗ 
gelegt, auf die der Menfch fo ftolz zu fein pflegt, in 
jern feine Beruhigung fucht. Diefe Betriebfamteit 
der höchfte Zweck, aber fie hängt allerdings mit ihm 
, und ein Menſch, der fie ganz vernachläffigt, der, 
zu fagen pflegt, nicht zu brauchen ift, auf den man 
en kann, iſt bei aller fonftigen Begabung ein unvoll- 
oder verfrüppelter, auch in füttlicher Beziehung. Zwar 
nige, welcher der Welt nichtö Tiefert als fich jelber, 
efem einen wahrhaft und allfeitig gebildeten, klaren, 
und feften Menſchen, für die Welt weit mehr, ale 
fort Fleine nügliche Thätigfeiten in geringem Stoff 
- geringer Stoff ift auch die gewöhnliche Menfchen- 
allein wer fich zu jenem Stand emporgehoben, der 
» fähig fein, dad Geringere zu leiften. Die foge- 
nüglichen Ihätigfeiten find großentheild problema- 
Werkleute, die nach fürftliher Laune ein Luſtſchloß 
‚ nennt man nüßlich, aber ebenfo die, welche nadı 
ern Laune ed wieder abtragen ; die Kriegeleute, welche 
Ihlagen, und die Wundärzte, welche fie wieder hei: 
menſchlichen Angelegenheiten liegen in tiefer Ber: 

und wo wir einmal einen guten Faden nicht zu 








154 


ſchnell wieder verlieren, da glauben wir fchon die re 
ganzen Wirrniffes gefunden zu haben! aber bald müf- u 
den Irrthum einfehen. Dies ift eine fruchtbare Geihie® 
trachtung leider! — 


Sonntag, den 23. Juli 1854. 

Gegen 7 Uhr fam Frau Bettina von Arnim begleitet 
Herrn Joachim. Sie betrich mit Eifer die Vermittelung 
näheren Befanntfchaft, hebte ihn, hepte mich, aber in der. 
müthigſten Abſicht, und liebenswürdigſten Weiſe. Bi 
mußten gezeigt werden, Lob wurde geſpendet. Nach einer 
ben Stunde führte Bettina den Gaſt wieder fort, dem ich 
Buch Rahel geſchenkt hatte, auch auf ihr ausdrückliches 
langen. — 

In Spanien ift die revolutionaire Bewegung fiegt 
Der Siegeöherzog Espartero fteht an der Spike, das Sche 
Chriſtine ift auf der Slucht. Auch dad Wort „ Republif* ı 
gehört, eine zu frühe Verkündigung, aber eine! — 

Der König von Bortugal tft von London hier angefomı 
Dan möchte gern viel draus machen, es iſt aber nichte. 
Zeiten, wo ein reifender König Auffehen erregte, find voı 
Und folche ordinaire Könige gar, ohne Saft und Kraft! - 


Preußen fängt an, Pferde zur Verftärfung der Rei 
und zur Beſpannung der Geſchütze zu kaufen; vorgemerkt 
fie fehon. Ein Borjpiel zur Mobilmahung, Noch i 
durchaus zweifelhaft, gegen- wen die preußifche Rüftung 
treten wird; zwar ift Preußen durch den Vertrag mit O 
reich ziemlich gebunden, allein Defterreich ſelbſt ift nich! 
Ginge etwas in Frankreich vor, wodurd Louis Bonapc 
Macht ſänke oder ganz fiele, oder ihm eine revolutionaire 
tung auferlegt würde, fo gingen Defterreih und ‘Preußen 


155 


Rußland vereint am liebften gegen Frankreich; das heißt die | 


Hör, Die Kabinette!! — 

Der König, fo fagen Einige, fei nicht fo fehr ruſſiſch ae- 
ſinnt, aber habe eine angeborne, ganz unüberwindliche Furcht 
vor Rußland, eine weit größere, als die vor Louis Bonaparte, 
wiewohl diefe auch nicht gering fei! — 

Man erzählt vem Könige wieder eine Aeußerung der Art: 
teine Macht der Erde folle ihn jemals dahin bringen, gegen 
Rußland Krieg zu führen. — „Heine Macht der Erde! man 
fennt dag!" — 


Montag, ven 24. Juli 1854. 

Zweifelhafte Nachricht, Daß der Ginmarfch der Defterreicher 
in die Walachei begonnen habe. — Neue Schlappe der Ruffen, 
Hop durch die Türken. — Franzöfifche Landtruppen in der 
Oftſee angekommen, General Baraguay d'Hillers in Kopen— 
hagen. — 

Der Kaiſer von Rußland hat — jetzt! — ſeinen Titeln 
den, Protektor der Donaufürſtenthümer“ beigefügt, ohne alles 
Recht, ohne die nöthige Zuſtimmung, aus prahlendem Eigen— 
ſinn; der Augenblick iſt gut gewählt! — Nachrichten aus 
&t. Petersburg zufolge finft das perfönliche Anfehen des 
Katfere, Das ohnehin auf Fünftlicher, großentheild Tügne- 
tiſcht Grundlage mühfam errichtet war, mit jedem Tage 
mehr. Die Niederlagen feiner Truppen, fein erfolglofes 
Wüthen, feine Unfähigkeit die Sachen felbft zu führen, machen 
den fhlimmften Eindruck. Die Nuffen fehen ihren Dünfel 
überall niedergefchlagen, und die Bornehmen fchimpfen auf 
den Kaifer. — 

Wenn ich ftill daliege, und wach die Augen Schließe, thun 

ſich mir, wie von felöft, Gegenden, Städte, Wohnungen, Gär: 
ten auf, deren Wirklichkeit in bunten Lebensgewimmel fchnell 





156 


mit Phantafiebildern jich mifcht, und die mannigfad 
jtalten hervorruft; ich kann mir fein reicheres, Fein 
genderes Theater denken, und es fteht immer offen, e 
nur auf den Entichluß an, bineinzugehben. Der fi 
öfters. — 

Die Gräfin von Münfter geb. von der Marwig, d 
rald und Alexanders Schweiter, die lange Zeit ! 
Könige mit den ſchlimmſten Ausdrüden ſprach, ift 
zufrieden mit ihm, und fagt es laut. Das iſt ein fı 
Zeihen! — 

Aus fehr guter Quelle wird verfichert, daß die. 
tung eine fehr ftarfe Geldunterftüßung aus St. Pe 
bezieht. Man giebt die Summe auf zwanzigtaufen 
jährlih an, ungefähr achtzigtaufend Rubel Aſſignater 
land bezahlt damit feinen eignen Schaden, die Kraı 
thut ihm den größten an. Die Franzoſen und E 
müßten die Zahlung fortfeken, wenn Rußland jie 
Nüsen fann die Kreuzzeitung nur in der Sphäre hiefi 
verhältniffe und in gewiffen Amts: und Gnadenfa 
allen andern Beziehungen ift ihre Lob nur Sc 
Schande, Nachtheil. — 


Dienstag, den 25. Juli1 

Im Seneca gelefen, in Voltaire's Henriade, be 
wenigftend begriff, wiejo fie dad Entzüden und die B 
rung der Beften ihrer Zeitgenoffen fein fonnte, di 
ordentlichen Vorzüge diefer Dichtung liegen in de 
menjchlichen, und nationalen Gefinnung, und in der 
gen, theils erhabenen, theild anmuthigen Ausdrucksw 
ſtets Forreft und lebhaft ift; der Fünftlihe Bau und I 
gedrungene Erfindung treten für und ganz in den Hint 
Dan muß fich in die Tage derjenigen Leſer verſetzen, 


157 


Ä Srfheinen der Henriade erlebten, man muß fich in den Bereich 
| ihrer vollen Wirkung ftellen, in die Zeit, ehe fie da war. — 
| Nichts Erhebliched vom Kriege gegen Rußland. Aber in 
Spanien geht es luftig her! Der Palaſt des Scheufals Chri— 
fine zerftört ; fie foll noch in Madrid bei ihrer Tochter der 
Königin fein, und fann noch fchlimm fahren, wenn fie nicht 
jur rechten Zeit entlommt! — | 
Wieder hat jich eine Stimme vernehmen laſſen, die mic 
beſchuldigt, ich hätte bei Ausarbeitung der Biographie Bülow's 
die trefflichjten mir angebotenen Hülfsmittel von der Hand 
gewieſen! Fit eö etiwa der General von Reiche, der mir Diefen 
Bomurf macht? Benutzt hab’ ich feine Denfwürdigkeiten, 
aber freilich nicht in dem Sinne, den fein Dünfel wünſcht. 
Oder gar der Oberjt von Szwikowski? Sein Geſchreibe hat ſich 
als das grundloſeſte Gewäſch eriwiefen, und fein mündlicher 
Anedotenfram ijt von der Urt, daß ınan ibm weder Bedeu: 
tung noch Vertrauen geben fann, fo fehr er beides behaupten 
und möglichit viel Geld für Die zweifelhafte Waare einzieben 
möhte! — 

Der König und die Königin reifen nah Münden, und 
laſen den König von Portugal bier bei dem Prinzen Friedrich 
Wilhelm, dem Sohne des Prinzen von Preußen. -— 

Der franzdfifche Gefandte in London, Graf Walewöki, 
Sohn des alten Napoleon und einer Bolin, hat feinen Nb- 

| Idied genommen, weil er mit dem Verfahren Louis Bonaparte's 
nit mehr einig iſt. — 

Die Kreuzzeitung verjichert, der rufjiiche General von 

Antep habe fich nicht erfchoffen. Sie zuerſt hatte diefe Nadh: 
richt gegeben, und thut nun, als ob fie Andere berichtige. -- 





158 


Mittwoch, den 26. Juli 1854. 

Daß die Gefchlechtfolgen der Menfchen einander die Sc 
böten, daran ift fürerjt wohl nicht zu denken; im Gegenth 
um fo felbitfüchtiger treten die Generationen auf, je mob 
ner die Zeiten werden, um fo begieriger nur für füch zu f 
gen, und um die nachfolgenden fi nicht zu befümme 
In der Behandlung der Wälder und im Staatfchuldenwe 
ift das recht fichtbar, auch großentheils in den Bauwerken, 
nicht auf große Zufunft berechnet find. Das zunächft Brau 
bare aus der Vergangenheit verzehrt wohl die Gegenwart, al 
ohne Dank, und in verändertem Sinn; Wiffenfchaft u 
Kunft haben alle Mühe, den Zufammenhang mit Früher 
nur einigermaßen zu erhalten. Gine neue Entwidlungsft 
wird es der Menfchheit fein, wenn nicht nur Zeitgenoffen, ſe 
dern auch Gefchlechtfolgen mit bewußtem und treuem Sinn 
derfelben Richtung zu gleichem Ziel ftreben. — 


Aus Wien fehr zweifelbafte Nachrichten über die öft 
reichifche Politik, man foll nicht? Großes und Kühnes von | 
erwarten, fie fei, wie die aller Staaten jetzt, eine fleinlid 
babfüchtige, trügerifche ; fie gehe jept Darauf aus, Frankre 
und England zu großen Zugejtändniffen zu bringen, und da 
beide zu entzweien, indem der Kaifer Franz Joſeph mehr | 
dem Louis Bonaparte verbünden will, als den Engländer 
er hat ihn, heißt es, wegen Italien nöthig, dag wieder in v 
ler Gährung tft. — Aufſtand in Parma, durch öfterreichtj 
Truppen gleich gejtillt, aber ein Zeichen deifen, was ır 
zu erwarten bat. — 

Nachmittags ausgefahren mit Ludmilla. Im Thiergar 
herum; herrliche frifche Quft und fühler Wind, nur 160 Re 
mur; eine wahre GErlöfung! Kattunfabrif an der Sp 
Schöne Ausſicht am Ufer nach Moabit hinüber. Im Ih 
garten viele Spagiergänger, bejonders aber zahlloſe War 





159 


alles will fich erfrifchen. Beim Hofjäger große Mufif und ge- 


J maltiger Zudrang. — 


Im Plinius gelefen, im Seneca, in Goethe. — 
Die Stettiner Zeitung wurde _polizeilich weggenommen. 


Der dortige Polizeidireftor ift ein Kreuzzeitungsfnappe, der 
J niät erlauben will, daß gegen die Ruffen gefchrieben werde. — 


Profeſſor d'Alton ift in Halle geftorben. — 
Jimmerliche Späße der Neuen Preupifchen Zeitung mit 
' erdihteten telegraphifchen Nachrichten, fo plump und roh und 
albern, dag kaum ihre Junker ſich daran ergößen fünnen; viel: 
leiht aber doch Ludwig von Gerlady, der feinen Goedſche licht. 

In englifchen Blättern wird Preußen wieder tüchtig her: 


5 untergemacht und auf den König bitter gefchinpft, man wirft 


im Karakterloſigkeit, Schwindelei und tüdifche Streiche 
‚ (trieks) vor, — 
Der König bat fih nun befonnen, und ſchickt fein Bild ala 


'Geihent an den Herzog von Sutherland durd den Mahler 


benſel ſelbſt. — 


Donnerstag, den 27. Juli 1854. 


Geſchrieben. Nothwendige Grörterungen einiger poli- 
tiſhen Begriffe; Unterfchied von jittlich, ftaatlich, gefchichtlich. 
Nachmittags Bejuc von rau Bettina von Arnim; fie 


| lieſt mir einen Brief vor, den fie aus dem Zuchthaus zu Bruch: 
Wal von dem unglüdlichen Gorvin-Wiersbigfi erhalten hat, 


und deffen Inhalt zu großer Hoffnung bereihtigt, daß man fein 
8008 erleichtern werde. Sp wären die menfchenfreundlichen 
demühungen Bettinend doch nicht ganz vergeblich gewefen, 


| etihen es abfeheulich ift, daß weder der Prinz-Regent von 


Duden, nody der Prinz von Preußen ihr geantwortet haben. 
Nachher Iprechen wir von Bildern, und Bettina befchreibt mir 


mehrere ihrer Zeichnungen, — fie hat eine Fülle der finnreich- 
ſten Einfälle, der anmuthigjten Gebilde, eine wahre Fundgrube 


160 


für Rünftler, wiewoht fie jelber gefteht, daß die fichere Künft: 
lerhand ihr zur Ausführung fehle; fie bat nicht Durch Fleiß 
und Uebung, alled durch Eingebung, durch unmittelbares Er: 
faffen, wobei fie Doch viel verfuchsiweife und mühevol! arbeitet. 
Faſt alles, was fie mir fchilderte, drückte den fchönften, den 
edelften Geift in freien Schöpfungen aus; und was mir von. 
jeher auffiel, alle ihre Zeichnungen gehen nicht zur Mablerei _ 
ſondern entfchieden zur Bildhauerei hin, namentlich zum Bam 
relief ; von Schatten und Helldunfel will fie nichts hören, alles 


ift heil und licht bei ihr, und wenn je Karben in’s Spiel form: #.. 


men, fo find es heitre. Sie behauptet gradezu, SchinFel 
habe feine beften Darftellungen von ihr entnommen, ihre Arı: 
gaben nur ausgeführt ; eben jo Wichmann vieled. Darin aber 
irrt fie fich, daß fie fagt und glaubt, fie babe erft einige Jabre 


nach Arniın’d Tode zu zeichnen angefangen ; ich habe mehrer? Mi, 


Jahre vorher fie bei Frau von Helwig angetroffen, wo fie um 
Oelmahlen Verſuche machte und im Bilden aus Thon; fre® rk 


lid) waren Died damals nur Spielereien, auf die fie kein en Tri 


Werth legte; der rechte Ernft mag erft fpäter eingetreten jirt: Pr 
Geheimnißvolle Mittheilung, in St. Petersburg fei em! | 
vorgefallen, man fagt nichts Näheres. (Vielleicht die Fi # 
fahr in der See zu ertrinfen, aus der der Gropfürft Konta n' Pi 
tin faum gerettet worden? Man muß die Tagesangaben ve T 


gleichen.) — In einer Zeitung wird behauptet, der Genre Mi 


von Anrep fei in ſolche Ungnade gefallen, daß der Kaifer ir! 
habe nach Sibirien abführen laffen. Dies widerfpräche nick“! 
der Nachricht von feinem Selbjtmorde, fondern Fönnte die? 
vielmehr begründen. Wie lange folche tbatfächlichen An⸗ 
gaben in Zweifel bleiben können! 

Der Präfident Kisker ift im Bade zu Misdroy plötzlich ar A 
ftorben. Gr war Abgeordneter in der Nationalverfammlung 
und furze Zeit Juſtizminiſter. — 





161 


Freitag, den 28. Juli 1854. 
















Die Volkszeitung ift die einzige, Die von Vorgängen in 
St. Petersburg fpricht, deren Inhalt nicht näher befannt 
ſei. Man fpricht aber von heftigen Auftritten zwifchen dem 
Großfürſten Thronfolger und dem Großfürſten Konftantin, in 
deren Folge der eritere, vom Kaifer felbft dazu gedrängt, auf 
die Thronerbfchaft verzichtet hätte. — Der Graf von Könige- 
mad ift aus St. Peterebürg heute wieder hier eingetroffen. 
' Grrühmt den guten Empfang, den er gehabt. Er hat natür- 
ih nur Hofluft geathmet. — 

| Im Plinius gelefen, in Goethe, — Die, Zeitungen 
kt — 

Ich habe ‚den tiefen Zufammenhang überdacht, der 
 zeifchen Rahel und Goethe beftand, und fehe ihn gründlich 
en. Er war ein innerer, von ihr einfeitig gehegter, Goethe 
| wußte wenig davon, denn was äußerlicd zur Gricheinung fam 
jwiſchen beiden, war fein Hunderttaufendtheil defien, was in 
ihrem Herzen lag. ch glaube, ed mußte fo fein, beiden war 
| die Entbehrung auferlegt, ihm unbewußt, ihr bewußt. Und 
ſo war fie doch die Begünftigte in dem Verbältniß, fie 
wußte was fie an ihm hatte, wußte, was er ihr noch mehr 
ſein konnte, und blieb, doch im befcheidener Stille, ftredte 
die, Hand nicht aus nach dem, der von ihr mehr empfan- 
w ge konnte ald von allen, die fo eifrig nach ihm griffen. 
Wie anderd Bettina von Arnim, deren ganze Neigung zu 
Gvoethe doch eigentlich darauf hinausging, daß fie früh er- 
tannt hatte, er fei das fhönfte Juwel, mit dem man fich 
\hmüden fönne. — Immer doch eine Anertennung ! — 


Sorapagen von Enfe, Tagebücher. XI. 11 


162 


Zonnabent, ten 29. Juli 1854. 

Vormittags ein Beſuch, Der mir den Unterjchied zwiſchen 
Temoftatie und Pöbel ſprechend klar macht; dem leptern 
gegenüber joll und muß man Ariftefrat jein! Ein tyreibitis 
eiferer, ein Gleichmacher von der eriten Sorte, tbut gegen 
mid) ganz unterwürfig und friechend, nennt mich zmwanzigmal 
Herr Gebeimratb, ſchmeichelt mir auf das ummürdigfte, wei 
er mich braucht, und ich ibm belfen ſoll — nicht blos mil 
Geld, aud mit Lob, mit Anerkennung — und er glaubt, geger 
mich dürfe er jich fo benehmen, weil ich ja jein Gejinnungt: 
genoffe feit Mit nichten! Er hat die Gejinnung eine 
frechen Zafaien, der bereit ift für entiprechende Vortheile jeden 
zu dienen und alleö zu thun. Apage! — 

Dem Profeffor Molefchott in Heidelberg hat das badiſch 
Minifterium förmlich eröffnen laffen, er foll feine phyſiolo— 
gifchen Vorträge nicht in bisheriger frivofen und unſittlichen 
Weife halten, fonjt werde man ihm jein Lehramt nehmen. © 
hat freilich gegen jene Bezeichnung unwillige Berwahrung ein 
gelegt und erklärt, dag er auf fein Lehramt verzichte. — 

In. Halle war die freie Gemeinde vor etwa dreivierkt 
Jahren von der Polizei unter nichtigem Vorwand geſchloſſe 
worden; jeßt — nach dreiviertel Jahren — hat das dort 
Kreiögericht die freie Gemeinde wieder in ihr Necht eingefch 
und die Schließung aufgehoben, blos thatfächlich, ohne weite 
Erklärung. Und das erlittene Unreht? Und die frei 
Willfür der Polizei? Und die nichtewürdige Rangfamteit d 
Gerichts? Davon ift nicht weiter die Nede! Edler Zuftan 
würdige Behörden! -- 

Bei Ludmilla fah der junge Ferdinand Afcherfen, d 
Philologe, Goethe's, Dichtung und Wahrheit” liegen, u 
fügte, es vergehe fein Jahr, daß er nicht das Buch wie 
durchlefe. Das freute mich herzlichft! — 

Aus allem Getreibe des Tages, der Sorgen und Widr 


un auunneviwny muy un yumamann, jvaveu un win 
en, denen aber alles, was Unliebes und Gemeines mit 
doch verbunden war, hier genommen ift. Niemand ver 
1 diefe gemeihten Kreife zu dringen, als wer wirklich in jie 
. Das berrlichfte Lebensſchauſpiel bewegt ſich vor den 
+ Wie liebt man diefe verflärten Geftalten! Ich war 
ganz in die Vergangenheit von Weimar, Jena, von 
rg, und Draßendorf verfenft, und befonders liebt’ ich den 
n Ort. Neben Goethe's Briefen an Frau von Stein, 
l's und Merd’s Briefihaften, waren es befonders auch 
teinifchen Denkfchriften des trefflichen Eichſtädt, die 
ir mit allen fonftigen Erinnerungen und Gindrüden 
ebensvollen Drama verwandelten. Eichſtädt felber ift 
ı feinem prächtigen Kultus der ihn umgebenden Welt 
ers lich. Er ift durch und durch in Maffifches Alter: 
geträntt, und faßt das moderne Leben mit antifem Sinn 
ieift nur defto feuriger. — 


Sonntag, den 30. Juli 1854. 
Frühmorgend ein Billet von Humboldt, nur um feinen 
auszufprehen über den wirklich beim Könige amtlich 
em Ruftusminifter Raumer geſchehenen Antrag, die nad: 
Yildfäulen von der Schlogbrüde wieder abnehmen zu 





164 


bäufern, gänzlich ftill. Kein durchgreifender Gegenitand b 
wegt die Gemüther, feine Neuigkeit, fein Ereigniß, weder yı 
litiſches noch gefellfchaftliches , Feine litterarifche Erfcheinun 
fein ungewöhnliches Schaufpiel, und der im Süden u 
Norden fortgefepte Krieg erwedt in feinen unfichern und ni 
entjcheidenden Borgängen wenig Theilnahme. Auf die € 
gebniffe ift man gefpannt, nicht auf die Borgänge, wel 
langfam und unficher dahin führen. Dagegen ijt die: 
drücte Stimmung fehr merflih, welche Gewerba - und Ha 
delöftodungen bier hervorbringen. Die Beforgniß wegen! 
Zufunft, die Furcht vor neuen Steuern, vor Entwerthung ! 
Staatöpapiere. Dan hört täglich von Gefchäftseinitellung: 
Banferotten ꝛc. — 


Der Anfauf von Pferden für die Reiterei und das C 
ihüß hat hier wie anderwärts begonnen, und verjchlingt M 
lionen, die verloren find, wenn Preußen, wie der König bo 
und betreibt, nicht am Kriege Theil nimmt, und viellicht 9 
ein Frieden zu Stande fommt. Die allgemeine Schlaffb 
und Jämmerlichkeit macht ed möglich, daß Rupland diesn 
noch leidlich aus der Klemme fommt. — 


Der Graf von Königsmarck beftätigt, daß man in O 
nienbaum die Mufif der englifchefranzsfiichen Schiffe geb 
und fogar, zum Scherz, angefangen bat nad) derfelben 
tanzen. Der Kaifer gebt etwas vorgebeugt, und man ji 
ihn öfters verftimmt und finſter. Die Kaiferin ift dageı 
wohlauf und guter Dinge, mehr als ſonſt. — 

. In Kopenhagen eine neue Gefammtverfafjung verfünd 
ein Flickwerk, das nicht halten Fann! — 

Der Graf von Königemard foll ſchon wieder abreifen, 
Aufträgen des Könige, nad London. Die Sendung k 
ſchwerlich eine politifche Bedeutung haben, da der Mann n 
von der Art iſt. Mber freilih, unfere Wertber — 


165 


St. Petersburg, — unjere Hapfeldt — in Paris u. f. w. 
find auch nit von der Art! — 

Der Generalmufifdireftor Meyerbeer ift fchon vor 
längerer Zeit um Erhebung in den Adelſtand eingefommen, 
hat aber bis jeßt fein Gehör gefunden. Man hat ihm ge: 
rathen, fich nach Wien zu wenden, dort adele man Juden! — 


Montag, den 31. Yuli 1854. 

Das Raub der Bäume hat gelitten, dad Gras ift hin und 
wieder verbrannt, die Luft hat etwas Herbftliched ; der Sommer 
it vorbei, fagen die Leute! doch wohl mit Unrecht! — 

Brief von Humboldt; verneinende Antwort in Betreff 
kr Ftage Bettinend von Arnim; bedeutendes Wort über die 
einigten Staaten von Nordamerika, das Streben gehe dort 
uf Rüglichleit und Vortheil, nicht auf höheres Geiftes - und 
hemüthsleben: die Vereinigten Staaten feien aber ein car- 
leaniſcher Wirbel, alles fortreipend und langweilig nivellirend. 
36 fann ihm hierin nicht beiftimmen, dort jagt die Maffe 
wilih dem Gewinn und Genuffe nah, aber hier nicht? in 
Ingland, in Frankreich, in Rußland etwa nicht? Daß Ein- 
eine in Amerifa wie hier höheres Streben fundgeben, zeigen 
eine Dichter und andere Schriftfteller. Das Wort Hum: 
voldt's iſt aber doch von ihm fchön, es zeigt, Daß fein Urtheil 
ih nicht beftechen läßt, denn verehrt und geliebt wird er am 
neiten in Amerifa! — 

Rahmittags Beſuch von Herrn von Viedert. Als er 
ing, Fam Frau Bettina von Arnim, begleitet von einem 
irtigen Fräulein, fie eilte an mir und Biedert vorbei, gerades- 
wegs in Rudmilla’d Zimmer, und zeigte dem Fräulein die an 
der Band hängenden Bildniffe. Weder Ludmilla noch ich er: 
fuhten den Namen des Fräuleins, ja Bettina verbot ihr, ihn 


166 


zu fagen, alles in lachender Luftigfeit. Es war Fräulein ı 
Strang, eine Mahlerin, von Elugem, anmuthigen Weſen. 
theilte dann Bettinen den legten Brief Humboldt's mit, wei 
der fie betreffenden Stelle. Sie lud und zu Mittw 
Abend ein. — 

Herr Neu, Ludmilla's Zeichenlehrer, ift erfranft. Gr 
Iheilnahme für den wadern guten Mann, der es in al 
Dingen, befonderd auh in der Kunft chrlih und er 
meint. — | 

Der deutfche Bundestag hat ſich bequemt, den Anſich 
der verbündeten Regierungen von Defterreih und Preußen 
Betreff des ruffiihen Verhältniſſes unbedingt beizuftimm 
Die Bamberger Betreibungen find verfchwunden. Nur bt 
Medlenburg haben eine Ausnahme gemacht und nicht bei 
ftinımt, vielmehr die Vorfchritte jener Mächte nicht genug 
gründet für den Bund erflärt. Formell haben die bei 
Mecklenburg ſogar Recht. Der Bund wird mißbraudt ı 
den Großmächten für ihre Zwecke. — 

Ich höre nachträglich, dag Königdmard mit feiner A 
nabıne in St. Peterdburg nicht Urfache hat, zufrieden zu ſe 
Die Kuiferin war ziemlich falt, der Kaiſer aber bat ibn me 
mals hart angefahren und faft gar nicht beachtet. Köni 
mard ſchweigt über feinen ganzen Aufenthalt. — 


Dienstag, den 1. Auguft 1854. 
Befuch von Frau Bettina von Arnim; Mittheilung ei 
Briefed. Bedeutende Aeußerungen über Kunft; daß 
Volk grade die befte am beften vertragen dann, daß die | 
bildung weniger Rohheit hat, als die faljche Bildung, 
heuchlerifche Ziererei; Verdammung der Schloßgruppen, ı 
nicht and Nactheitggründen. Unfer ganzes Kunftw: 
jämmerlih. — 





167 


Der General von Anrep ift wohlbehalten in Bufareit. 
Eh Pasfewitich in Ungnade fiel, ftand ed bedenflih um 
Antep, jeßt ift er wieder obenauf, als einer der tapferften 


' Generale von Obern und Untern anerfannt. Zum Ober: 
beſehl halt man ihn jedoch nicht reif, zu leidenfchaftlih und 
verwegen. Auch traut ihm der Kaiſer nicht. — 


Dan erwartet, daB Baden in feinem Streite mit der 
tatheliichen Kirche nächftend nachgeben wird. Oeſterreich, 
Ftankreich, Baiern und felbft Preußen drängen es dazu. 
das wird herrlich fein, und große Folgen haben, zuvörderſt 
die, daß wieder eine Regierung ſich in ſchreiendſter Weiſe 


| ſtwach und verächtlich zeigt. — 


Mittwoch, den 2. Auguſt 1854. 
Geſchrieben. — Ich ſollte dem Stiftungsfeſte des medi⸗ 


imniſch-chirurgiſchen Friedrich-Wilhelms · Inſtituts (Pepiniere) 
beiwohnen, aber ich war zu unwohl, das Wetter zu drückend. — 


Nachrichten aus Wien; Defterreichd Zögerungen erflären 


| Ih, wie ich e8 längft gedacht, aus dem Bedürfniß, wegen der 


Zukunft Sicherheiten zu erlangen; Frankreich, England und 
de Türkei follen im voraus für Defterreich den Befig der 


WValachei, das Schugamt über Serbien und mehr noch feit- 


Itten, während jene Mächte den Ertrag des fünftigen Friedens— 
ſchluſes noch ungewiß laſſen möchten, oder wenigftens für fich 
ähnliche fette Biffen jichern wollen. Wenn der Kaifer Nikolai 
niht ein ebenfo unfähiger Staatemann ald Feldherr wäre, 
wie guted Spiel könnte er gegenüber folchen Verbündeten 
haben! Wie würde Friedrich der Große, wie würde der 
alte Rapoleon die offenbaren Blößen zu benußen wiflen! — 
Der Kölner Redakteur Brüggemann, angeklagt, den König 


168 


und die Regierung beleidigt zu haben, ift vom Gericht frei 
fprochen worden. — 


Gegen die freie Gemeinde zu Magdeburg werden imm 
fort von der Polizei und der Verwaltung die drüdendf 
uälereien ausgeübt, die Oberbehörden und Gerichte laj 
die depfalld erhobenen Befchwerden unerledigt. Es ift off 
bar die Abficht, grade diefe Gemeinde mit allen erdenklid 
Mitteln zu Grunde zu richten. Es heipt, der König h 
in diefem Betreff feinen entfchiedenen Willen ausgeſproch 
und es fei den Behörden demgemäß der Befehl erthe 
immer neue Werfolgungen anzuordnen. Die Gemei 
hat feit längerer Zeit gar feinen Gottesdienft. „Der gel 
ift der, dag die Leute, bei allem Freiſinn, noch immer 
Glaubensbefenntniß aufftellen, und Religion und Kirche t 
itellen wollen, jie fönnten einzeln als freie Deijten lebe 
Diefer Meinung bin ich nicht; fie würden dann zu ira 
einem beftehenden Kirchenwefen gehören, und diefe Heud 
täglich fortfegen müffen. Ja, wenn man fih um Kirche 
Staatöbehörde nicht befümmern dürfte, dieſe nicht übe 
unbefugten Eiferd eingriffen! Die freien Gemeinden 
nicht meine Riebhaberei, aber ich erfenne fie als eine Nothn 
gegen fhlechte Staatdeinrichtungen! — 


Gräßliches Schimpfen der Timed und des Wiener Lo 
gegen Preußen; die Defterreicher behandeln und mit ſchm 
vollem bittern Hohn, und die Schmähungen treffen zuni 
alle den König felbit. Angeſehene Perfonen freuen ſich 
über, theil® gönnen fie ed dem König, theild auch be 
fie, e& werde dadurch das Bündniß mit Defterreich 
lodert. — 


Was will denn die Stahl» Goedfche - Gerladh- Part 
Daß Preußen ſich zu Rupland halte? Und von Defter 
in Schlefien, von Franfreih am Rhein angegriffen we 


hes Berhaliniß, UDI I1DETLIAS 1D1 patriaà heihlt es DIEL, 
yenn wirklich Freiheit herrſcht, ſo thut der Name weniger 
ade, ob der Staat Preußen heiße oder Oeſterreich. — 
find in dieſer Zeit die Volks- und Freiheitsfreunde 
immer die größten Preußeneiferer zugleih! Sie find 
ie an Friedrich dem Großen, an dem Staate Preußen, 
nem Heer und Ruhm am ftärfiten halten, die Kreuzzei⸗ 
leute lügen und heucheln diefe Gefinnung nur. — 


Rit Ludmilla Papiere ducchgefehen. — Thee. — Schadh. 
m Sencca gelefen, in Boltaire. — 


Der Geh. Hofrath Karl Heun (Clauren) ift heute ge- 
en, 84 Jahr alt. Er war im Leben, wie in der Kitteratur 
ielthätiger , nicht gerade fehlechter, aber wenig achtungs— 
kt Menſch, eine durchaus gemeine Natur, wie auch feine 
Nte ganz gemein ivaren. — 


Donnerstag, ben 3. Auguft 1854. 


det Rüdzug der Ruffen aus der Walachei hat nun ernft- 
egonnen. Man gründet auf diefe Maßregel Friedens⸗ 
ingen. Sogar die Türken möchten jet Frieden Schließen 
hre Verbündeten loswerden. Louis Bonaparte jedoch 
entfihieden Bortheile für Frankreich aufweiſen; wer foll 
ben? Der Staatdretter macht den Geretteten — alle 


- L.B-._ı.. ML Ta FINAL... zul. Mus [M!. (8. 





170 


In Spanien ift man dicht an der Republik, mit genaue 
Noth der Thron gerettet. Dahin hat das Scheufal Chriflin: 
ed gebracht! Die Proflamation der Königin Iſabella iſt ein 
demüthiged Sündenbefenntniß, ein angſtvolles Verſprechen 
und Geloben. Die Berfolgten werden gepriefen, die Ber: 
folger der Anklage preiögegeben. Alles erinnert an unit 
Märztage von 1848. Der Kampf war in Madrid fehr ernithaft 
die Barrifaden wurden behauptet und ftehen noch, viele Todtı 
und Berwundete. Espartero in Madrid. — 

Erflärlih genug, aber darum nicht weniger auffallen) 
freuen ſich die Ruſſen jetzt über jede Revolutionsbewegung 
denn für den Augenblid tft fie den Feinden unbequem, bejon: 
derd dem Louis Bonaparte, und in italien den Defter: 
reichern. — 

Um 8 Uhr fuhren Zudmilla und ich nad den Zelten ji 
Frau von Arnim. Hermann Grimm und feine Schweſtet 
Fräulein von Strang und deren Bruder, Offizier in hollän 
diſchen Dienften, die Mahler Keller und Ratti, Fräulein voı 
Malkan — Tochter des baierifchen Gefandten, Mufiter Bar 
giel, Herr Joachim — die Hauptperfon! Lebterer fpielte vo 
Bargiel begleitet eine Sonate von Beethoven in größt 
Meifterfchaft, eigenthümlich und eindringlich, Bettina wi 
etwag leidend, und trat wenig vor, Fräulein Gifela munt 
und freundlich. — 


Freitag, den 4. Auguft 1854. 
Der König hat ſchon wieder einen Unfall gehabt, fi 
geftern Abend im Charlottenburger Garten an einer fteinern: 
Bank den Fuß verlegt, fo daß die Reiſe nach Puttbus u 
einige Tage verfchoben bleiben muß. Die Liebe des Bol 
hat er fo ganz verloren, daß man nur ſchadenfrohe und fpü 


ı marftfchreierifcher Phrenolog und Litterat Board 
en Redakteur der Kreuzzeitung Affeffor Wagener, in 
hriften beleidigt, und war zu längerer Haft gerichtlich 
eilt worden. Gr bat beim König um Begnadigung; 
lichen Fällen ift fie den Reaftionsleuten, die fih an 
eunden vergangen hatten, ftets bewilligt worden, für 
er hat der König felbft bei dem Präfidenten Bloch Ber 
ig eintreten laſſen, derfelbe möchte auf Befttafung von 
Berzicht leiten. Aber für Bofjard giebt es feine ſolche 
fein Geſuch ift abgewiefen. — 

U hier ausgewiefene Prediger der freien Gemeinde 
auner, der vor furzem aus der Schweiz frank hieher 
fehrt ift, und hier bleiben zu können hoffte, ift am 2. 
n. So bleibt er nun freilich bier! — 

inzöfifhe Blätter melden, daß der befannte Schrift: 
dotvins de Monbreton in Pau geftorben fei, im 83. 
Ich kannte ihn 1816 in Baden-Baden fehr gut. Er 
iher franzöfifcher Präfekt in Rom, ſchrieb ein Lehrge— 
1 Alegandrinern über die Unfterblichkeit der Seele, die 
hte Napoleons ꝛc. Er hatte doch nur mittelmäßige, 
ud) brauchbare Talente und fein Inneres war hohl und 
lend. 

Gichſtädt's lateiniſchen Denkſchriften geleſen; im 
es Briefſchaften; Franzoöſiſches. — 


ur mh Ballen m Kia Nashihan MMEhbe vn Kan 


172 


Mächte thun werden? Defterreich aber fieht die Lift, um 
rüstet nur um fo mehr. Oeſterreich fragt Die Weitmächte mus 
beſtimmter über die Bortheile, die ihm von diefen zugefider! 
werden follen. Ein Schutz- und Trutzbündniß wird ge 
Ihloffen werden. — 


Auffifche vornehme Damen, die in Preußen ankamen, 
fagten unverhoblen: „Oh! La Prusse ne peut nous in- 
quieter, la cour et l’armee sont pour nous.“ In Betreff 
des Heeres find fie im Srrthum. Nur die Hof: und Gare 
Offiziere find ruſſiſch. — 


Sonnabend, den 5. Auguft 1854. 

Ich fchlief geftern unter lebensmüden Vorftellungen ein, 
die fi) aber wunderbar in anregende, muntere Träume vers 
wandelten. Was meine Tage jebt fehr ftört, ift der Mangel 
an Einfamteit ; die leßtere würde mir fruchtbar fein; ich Fönnte 
weit mehr Menſchen fehen, das fchadete nichts, aber die vielen 
Berhältniffe, die vielen Anforderungen und Yumuthunge 
ſchaden. — 


Gefchrieben. Die Leute follen im Gedränge des pol 
tifhen Treibens nicht vergeflen, was fie gewollt, gebofft, zum 
Theil fchon gehabt; daran muß man fie immer wieder er 
innern. Jetzt giebt Spanien ein Beifpiel! Alles Berlorent, 
Aufgegebene — plöglich fteht e8 wieder aufgerichtet da, feim 
ächte Forderung ift erlofhen. So war es in Frankreich be 
jeder neuen Revolution, fo war ed und wird es in Deutſch 
land fein! In Spanien ift fogar'von Nepublif die Rede ge 
wefen, von Aenderung der Dynaftie! — 


Die Polizei macht fich wieder viel zu thun! In Stett' 
ift ein Zeitungsredakteur verwarnt worden; eine Form, d 


semspuns Sreympsung vum emguys vun auuny wir 


1848 thätig waren, und auch jept wieder politifcher 
bungen verdächtig fein follen. — 


ı Minden find fünf Zigarrenmacher verhaftet worden, 
ie auf- der Straße revolutionaire Lieder gefungen 
— In Löwenberg Berurtheilungen gegen den fathor 
Kaplan Morig von Huff, der über den Verfall der 
ꝓtatholiſchen Kirche gefehrieben hat, und gegen den Vers 
er Schrift. — 


ie Rufen haben Bufareft verlaſſen; die Türfen rüden 
- Man zweifelt nicht mehr, daß die Ruffen auch die Mol- 
men. In diefem Fall erachtet Preußen fein Bündnig mit 
reich erledigt und es treten ganz neue Berhältniffe ein. 
uffifchen Einflüfterungen und Liſten kann es gelingen, 
en ganz für ſich zu gewinnen, oder deſſen freie Selbft- 
eit in ſchlimme Berwidelungen mit Frankreich gerathen 
en. Dem kranken Manne — jept der Kaiſer Nifolai — 
es aber am meiften darauf an, jept überhaupt Frieden zu 
m, um fürerft nur aufzuathmen, dann das Bündniß der 
ächte, das ſchon durch feine bloße Dauer Gefahr leidet, 
gen. „Wenn wir ohne Krieg abfämen, fo hätte doch der 
fehr recht gehabt, fo zu zaudern, wie er gethan, das Land 
es ihm fehr danken!“ Darauf war die herbe Antwort: 
was, nicht er hat Recht gehabt, nicht er ift klug ger 





174 


die Frage; der Staat Preußen ift jämmerlich herabgelor: 
und hat alles Anfehen verloren !* — 


Sonntag, den 6. Auguft 1854. 


Am 3. Auyuft Teierlichfeit auf der Univerfität. ' 
Rektor Ende trat ab, der Rektor Mitfiherlich ein. Preis 
theilung an Studenten. Den theologifchen Preis erfaı 
der Rektor einem Studirenden Namen? Quant zu; daaı 
fih Prof. Henaftenberg, ging zu dem Rektor hin, fagte 
einige Worte, worauf fich diefer befann und dann laut 
flärte, es fei ein Irrthum, diefer Name fei nicht der re 
dann nannte er einen andern. Diefer Vorfall machte 
macht großed Aufſehen, man fieht darin einen fehändli 
Berratb, der zuerfi Genannte war dem Fanatikern 
techtgläubig genug, und der „Wifchlappen* Ende -- ı 
ih nenn’ ihn fo, Andere gaben ihm die Bezeichnung 
war ſchwach und niedrig genug, den Berechtigten einem ! 
pfohlenen aufzuopfern, — und dies in einer feierlichen H 
lung ganz öffenglich, ein ſchmachvolleres Aergerniß fan 
nicht geben! Wäre der Sachverhalt anders, ſo müßte 
darüber eine öffentliche Erklärung geben, doch dieſe er 
nicht, und alle Welt fpricht von der Schändlichfeit. — 


Inder Fägerftrage, neben Treu und Nuglifch, hat 
ganz in der Stille eine fatholifche Geſellſchaft eingeniftet 
find Urjulinerinnen, die unter Leitung eines Priefters zu L 
rinnen ausgebildet werden. Erſt durch ein Aergerniß 
man ihr Dafein erfahren. Der Priefter fand Gefalle 
einer jungen Engländerin ; die Kolgen wurden fidhtbar. 
Mädchen wurde fchleunigit fortgefhidt, der Priefter ve 
Aber die Anftalt befteht, die Mädchen leben in einer 


I bei! In einer Zeit, wo er die Donaufürftenthümer 
fen muß und alle feine Anmaßungen aufgeben muß, nennt 
d nicht nur ausdrüdlich Protektor derſelben, fondern fügt 
binzu: Proteftor aller rechtglaͤubigen Chriften in der 
fi, was er nie war, und jet weniger als je Ausficht hat 
erden! — 


Montag, ben 7. Auguft 1854. 
Bas wollen mir Träume tiplomatifchen Inhalts? Träume, 
ien ich aus Berlin an Metternich berichte, und ftatt der 
ten Zuftände altvergangene fchildere? Dazu die Ber 
yit, die in Träumen fo gern waltet, Daß das Gefchriebene 
tnicht das rechte ift, immer anders gefchrieben werden 
Es war fehr verdrießlich. — 

efchrieben. Innere Freiheit kann aud der Anecht und 
e haben, der Knecht und Sklave auch in der äußern noch 
fein; wenn aber der innen Freie auch äußerlich frei 
» genießt er des würdigften und freudigften Zuftandes, 
f Erden zu erlangen fteht. Herrfhfuht und Geldgier 
anke Abarten des Freiheitstriebes, und beide oftmals 
herſten durch Knechtſchaft befriedigt. — 

ı Plinius gelefen, in Goethe's Briefen. Franzö— 


er berüchtigte Malmene dat eine Schrift, „An meine 





176 


doch fo wefentlichen Eingeftändniffen, daß feine Schuld nur 
um fo greller hervorgeht. — 

In Italien gährt es aller Orten. Mazzini mahnt in 
einer neuen Proflamation zum unmittelbaren allgemeinen 
Aufftand! Ob der Zeitpunkt der rechte fei, fteht fehr zu 
bezweifeln, aber das Beifpiel Spaniens, feine neue, ſchnell 
gelungene Revolution ift für Jtalien von großem Gewicht, 
eine ftarfe Mahnung! Und wenn es auch nur Lebenszeichen 
find, diefe Bewegungen find gleichfam Uebungsftüde, und « 
ift merfwürdig, daß ihr Miplingen gar nicht entmuthigt. — 
Die Sachen gehen einen eignen, von höherer Hand vorge 
zeichneten Gang, nicht wie wir ihn ancathen oberbeftimmen 
mödten. — 

Die Demüthigung des Kaiſers von Rußland wird immer 
größer, und wird in ganz Europa laut ausgeſprochen. Gt 
hat ſich wirklich erboten, den deutfchen Großmächten zu fie dt 
die Walachei und die Moldau zu räumen, findet aber zum 
fo weniger Gehör, ald er die Walachei ſchon hat räumen 
müffen. 

Des Königs Fußverlegung ift noch nicht beffer, vielm ebt 
die Rofe dazugetreten, was ihm erfchredtt hat, da der Miniſter 
Graf zu Stolberg am folhem Uebel geftorben if. Pre 
König hält fo erſtaunlich auf die Bezeichnung: „Bon Gottes 
Gnaden,“ man erinnert ſich, wie wild er ſich gebärdete, al 
im Jahr 1848 die preußifche Nationalverfammlung dieln 
Titel unterdrüdte. Seltfamerweife fpielt gerade jept wie 
das Bolf höhniſch mit dieſen Worten, man hört: „Bon Gottes 
Gnaden hat die Rofe“ ı.. — 

Der Großfürft Konftantin wäre bei einer Spazierfahrt im 
finniſchen Meerbufen bei St. Peterburg bei einem Haar er- 
trunfen. Das Boot ſchlug um, ein anderes eilte herbei, und 
mit genauer Noth wurde er bei den Haaren aus dem Wafler 


Nachrichten aus Wien; gehäffige Stimmung gegen Preußen, 
bilder auf den König; Die Regierung thut, als könne ſie's 
hindern. Man fagt, un Krieg gegen die Ruſſen zu 
n, müſſe man zuerſt die deutſchen Ruffen angreifen, d. h. 
teußen! — 

Ye fürzlich in Stralfund Verhafteten find al8bald wieder 
tlich freigegeben worden, einige ohne alles Berhör. Audı 
jprechen fie der falfchen Angabe, dap fie im Jahre 1848 
maligen Unruben jich betheiligt hätten. Mißariff der 
ei! Was folgt daraus? Nichte. Sie darf alle Miß— 
ungejtraft thun. — 

achmittags brachte Yudmilla die traurige Nachricht mir 
Haufe, daB ihr waderer Zeichnenlehrer Theodor Neu 
n Abend gejtorben ift. Sie verliert viel an ihm. — 

ie Brüder Hermann und Adolph Schlagintweit haben 
totben Ndlerorden vierter Klaffe befommen. Eine Unter: 
ng zu ihrer Reife nach dem Himalaya hat der Kultus: 
er von Raumer noch immer nicht bewilligen wollen, 
n der König dazu geneigt ſein foll; aber es fei ihm nicht 
‚ jagen Manche. — 


Mittwoch, den 9. Auguft 1854. | 
ch fühlte mich fehr leidend, wie im Fieberzuftand, mit 
eb, rheumatifchen Schmerzen. — Vom Verſuche zu 





178 


durch las ich doch, in Ritter's Afrika, im Plinius, dem älteı 
und dem jüngern; der leßtere, bei feinen unläugbaren Vor 
zügen, thut mir nicht wohl; die Bildung der Nömer ift di 
Abnahme ihrer Freibeit, das ift ein verfehrtes Weſen! Bil: 
dung muß zur freiheit führen! — 

Ludmilla bringt von Bettina von Arnim die traurig 
Nachricht, daß fie feit unferem Beſuch, wo fie jchon leiden 
war, täglich ſchlimmer geworden. Sie foll fehr übel au: 
feben. ch bedauere fie herzlich; wenn jie fich frank befennt, 
fo muß es wohl arg fein, fie ift ein Held im Ertragen, im 
Standhalten. Sie fagt felber, was ich nur müſſe getadl 
haben, fie fo lange nicht zu fehen! — Vielleicht Fönne fie 
morgen fommen, meint fie. — Ich verweilte mit Wohlge 
fallen in der Betrachtung, was doch ein ſolch ausgejeich— 
netes Dafein werth ift, wie danfbar man dafür zu far 
habe, daß es ſolche Perfonen giebt, und man fie fennt! — 

Das geringfte Wort von Goethe wirkt belebend auf mid 
nicht nur deö Gefühld oder Gedanken wegen, die es aus 
drüdt, fondern hauptſächlich auch wegen der Sicherheit, di 
ich empfinde, daß jedes Wort von ihm wahr, richtig und id 
ift, daß er immer die Sache fiebt, die ganze Sache, die 
nennt, mit allen Beziehungen derfelben. Rahel hat wo 
Recht, wenn Goethe fagt: Natur, Liebe, Wahrheit, Cinfid 
jo ift ed ganz anders, als wenn ein Anderer foldhe Worte i 
braucht. — Wie ih mich nad) Nabel fehne, wie fie mir feb 
Dafür fehlt mir aller Ausdrud! — 


— — — — Q — 


Donnerstag, ben 10. Auguſt 1854. 

Unfere Lage wird täglich fchwieriger, die Berhältnifie . 
ſpannter, nicht blos die politifchen, auch die bürgerlichen, 
Klemme wird drüdender, Handel und Gewerbe jtoden, 


179 


Laſten mehren ſich, alle Leute klagen, daß das Dafein faum 
neh zu erhalten ſei; die Bankerotte jind zahlreich, die 
Shwindeleien wachfen in's Unendliche. Daß der Aufwand 
keigt und die Verſchwendung ift nur die Kebrfeite deffelben 
Uchelö, deren Scheinglanz nur Unfundige täuſcht. — 

In Herzogenbuſch kommt ein Buch heraus, das den Titel 
führt: „La vie d’Anna Maria a Schurman, par G. D. J. 
Schotel.“ Bon frühfter Zeit hab’ ich den Ruhm diefer ge: 
Iehrten Jungfrau vernehmen müffen, erjt fürzlich ihre gefam- 
melten Schriften durchgefchen. ch bin begierig, ob der Ber: 
hffer der Biographie, der neue Hülfsmittel benugt haben 
will, im Stande fein wird, die merfwürdige Erfcheinung auch 
ald eine bedeutende, wirffame darzuftellen. Wirklihen Geift 
kann man ibr nicht zufprechen, — 

Der König von Sachſen ift geſtern auf der Rückreiſe von 
Minden mit dem Wagen umgeworfen und durd einen Huf: 
ihlag des Pferdes getödtet worden. Die Nachricht hat fich 
gleih verbreitet, die Leute machen nichts draus, „Von 
Gottes Gnaden durch ein Pferd erfchlagen,” beit ee. Als 
König war er unbedeutend, dabei falfch und ziemlich boshaft, 
welches der Karakter der meiften heutigen Fürften iſt. Sein 
Nachfolger, der Prinz Johann, ift befannt durch feine Ueber⸗ 
'esung ded-Dante, fo wie durch die Mepelei in Leipzig, die er 
richt den Muth hatte ald von ihm befohlen zu befennen. Die 
rmen Sachſen! — 

In Defterreich neuer Stillftand in den Truppenbewegungen. 
sollte wirflih alled zum Frieden einlenfen? Der Kaifer 
ifolai und der Kaifer Louis Bonaparte? Würdig wären 
5 einander die Hände zu reihen! — 


180 
Freitag, den 11. Auguft 1854. 

Brief aus Hamburg vom Hauptpaitor Dr. Noodt, 
„Bor fünfzig Jahren Ihr Mitfchüfer im Johanneum ur 
Gurlitt, vor einundvierzig Jahren Ihr Kampfgenofje un 
Tettenborn und Wallmoden* — er empfiehlt mir einen 
und wegen einer Schrift im Jahre 1848 abgefegten Ob 
prediger G. Schweißer, damals in Kremmen, der Hofm 
hat eine Stelle in Bremen zu befommen, ich fell ihn t 
Bürgermeifter Smidt empfehlen. — Gleih an Smidt 
ichrieben, fo eindringlicdy als mir möglich! — 

Sn meinen Karlsruher Denfwürdigfeiten fortgefabt 
Schwierig. — 

In Roftod, wo vor längerer Zeit auf preußifche Anfoı 
rung mit großem Lärm viele Verhaftungen jtattfanden, fü 
man an in der Stille die Verhafteten wieder freizulaffen 
jest einen Advofaten. — 

Die Zeitungen berichteten, in Bromberg feien Waffen 
gelangt, die aus Belgien nah Rußland gingen. Aw 
bliflih) wurde Dies dahin berichtigt, es feien nicht Waf 
jondern Telegraphendrähte! Niemand glaubt das. Am wenig 
werden ed die Engländer und Franzoſen glauben. 5 
Preußen nicht aufrichtig handelt, ift gewiß. — 

Unjere Behörden haben wieder ein ſcharfes Auge auf 
Leihbibliothefen, und verbieten diefen viele Bücher. 
Unfunde verbieten fie aber manches ganz unfchuldige, 
viele der vermeintlich gefährlichften gehen unbewacht dı 
Wie früher Beifpiele von Zenfurdummheiten erzählt man 
jolche von Polizeidummheiten. — 

Die Neue Preußiſche Zeitung bringt heute ein Kriegs 
das in den fchärfiten Worten auffordert, Preußen jolle 
Waffen gegen Weiten fehren. England und Frankreich 
den geſchmäht. — 


181 


Ueber der Thüre des Banfgebäudes ift heute eine weiße 

Tafel angebracht worden, zum Andenken des Grenadiers, der 
als Schildwacht am 18. März 1848 dafelbft auf feinem Poften 
in Bertheidigung feined Gewehre den Tod gefunden hat. Die 
Yusdrüde „Revolte“ und „Meuchelmord* fommen vor. Die 
ganze Sache ift eine nußlofe, erbitternde Aufregung, und wird 
von allen Seiten mißbilligt. Den ganzen Tag ftanden Volks— 
gruppen vor der Banf, um die Tafel zu fehen; immerfort 
hörte man Bemerfungen , fcherzhafte und grimmige, die dem 
Könige nicht Tieb fein fönnen, die hervorzurufen nicht Flug ift. 
Belher Teufel hat ihm dazu gerathen? Solcher Troß, fügen 
hie Rente, ziemt- ihm nicht, er felbft habe feinen Poften 
nicht vertheidigt, fondern fein Gewehr gleich ausgeliefert, 
fh dem fiegenden Volk ergeben und angefchloifen. Die Tafel 
erwedt das Andenken an die Gräber im Friedrichshain, fie 
leitet Diefelben Dienite, wie die verhüllten Infchriften jener 
leiſteten; die Revolutionairs fönnen fich freuen! — 

In badifchen Sachen gelefen, in Stein’? Leben von Perk 
mit fehr ungleichen Empfindungen, bisweilen zuftimmend, 
öfters empört. In der griechifchen Anthologie gelefen. — 

Auf den Alandinſeln franzöſiſches Fußvolk gelandet, 
300 Mann. — Im Schwarzen Meere werden Truppen eins 
geihifft zu einem Angriff auf Sebaſtopol oder Odeſſa, oder 
Anapa. — 

Die nächtlichen Promenaden des Königs im Schloßgarten, 
auf denen er fich nun fchon zweimal übel geſtoßen hat, und von 
denen er fich biäher, aller Bitten der Königin ungeachtet, nicht 
abbringen ließ, haben, wie man verjichert, einen ganz befon: 
den Zweck. Er hofft auf eine Geiltererfcheinung, irgend eine 
immliſche Offenbarung ; ein himmlifcher Bote, ein Geift feiner 
dorfahren foll ihm eingeben, was er thun, wie er ſich ver: 
alten foll. — Bisher mußte ihm, gegen feinen Befehl, der 
achtbabende Offizier ftetd heimlich nachfolgen; da fonnten 


182 


denn freilich die Geifter nicht fommen. ine amdere Aut 
legung der Promenaden, bei der es nicht auf Begeiftern, ſon— 
dern auf Ernüchtern anfäme, geht unter dem Bolt im 
Schwange. — 


Sonnabend, den 12. Auguft 1854. 
Zwei merfwürdige Beifpiele unfrer Zeit von lange for 
beftandener falfher Schätzung. Wie lange galt Kaifer Frar 
von Defterreich für einen ſchlichten, aufrichtigen, wohlwoller 
den Mann! Seine nächften Umgebungen wußten wohl, de 
er feige, hämifch, verftellt und in jeder Art Mein und erbär 
lich war, aber das Volk blieb lange getäufcht; jetzt weiß 
die ganze Welt. Ebenſo geht ed mit dem Kaifer von Au 
land, man hielt ihn für einen muthvollen, entfchloffen: 
willendfeften und dabei fich felbit beherrfchenden Mann, \ 
fträubt” ich mich zu glauben, als ich es zuerft von Ruffen hör 
das alles fei nur Schein, er fei furchtſam, verſchmitzt, h 
fährtig, gewaltfam und betrügeriſch, dabei unfähig etwas 
leiten oder auch zu ertragen; jest ift fein Karafter groß 
theils enthüllt, die heuchlerifche Frömmigkeit ift offenbar 
worden als der Dedmantel feines räuberifchen Chrgei, 
feines Verrathed an Verwandten und Verbündeten. — 
Nachmittags kam Bettina von Arnim; fie hatte m 
Billet noch nicht. Ihr Ausfehen war ſehr fchlimm, fie ı 
ganz erfchöpft und fagte: „Sch bin kaput!“ Sie fli 
mir wahre Beforgniß ein, und ich fchlug ihr vor, ſich 
auf den Sopha zu legen und auszuruhen, vielleicht zu ſchla 
Das wollte fie doch nicht. Neue Klagen über * *, * 
Eifenmann, den Juſtizrath Caspar. Sie erzählte dann 
ihrer Arbeit mit dem zweiten Theil der „Kronenwächt 
und wurde dabei ganz belebt. Sie fcherzte heute nicht. 
fchied in wehmüthiger Rührung und ließ mich in fo! 





183 


zurül. Ich überdachte ihr Weſen, ihr Geichid; ihr 
Saft war gemacht alled zu überfliegen, zu überwinden, 
nur nicht die Mitgift alles Menſchendaſeins, der allmähligen 
Sterblichfeit, der fie erliegt, wie Goethe, wie Rahel! — 
Sie zu verlieren, gerade jetzt, wäre mir fchredlich! — Sie will 
in vierzehn Tagen nach Gaftein reifen. Meine heißeiten 
Wünſche begleiten fie! — 

Wie ein Gegenftand, den wir eine Weile Träftig ange: 
fehen, nach längerer Zeit, nachdem wir den Blid anderswohin 
geimendet, fein Bild im Auge läßt, wie ein gehörtes Tönen im 
Ohr nachflingt, fo behält auch der innere Sinn noch lange den 
Eindrud den er empfangen und überträgt ihn auf anderes. 
Denn ich lange mit Ernft in Goethe gelefen habe, und gleich- 
ſam mit ihm durchdrungen bin, dann aber plöglich abbrechen 
und etwas ganz Berfchiedenes lefen muß, fo begegnet mir 
wehl, daß ich dies Neue ganz in demfelben Ton und Gefühl 
innerlich fortlefe, wie dad Goethe’fche, und z. B. die Volke: 
4 tung durchaus fo, als ob Goethe weiterfprähe. Nach 

einer Weile jedoch fprengt ‚die Wirklichkeit den tänfchen- 
den Traum, die Uebertragung bricht zufammen, ed ift wie 
in Erwachen, und es ift rein und baar die Volkszeitung, die 
ih gleihfam ernüchtert lefe. — 


— — — — — 


Sonntag, ben 13. Auguſt 1854. _ 

Welch ergreifende herrliche Briefe von Rahel hab’ ich ges 
leſen, aus dem Jahr 1819, an mich, an Delener, an Lindner! 
Sie ficht das Allgemeine mit großerhabnem Sinn, mit 
llarſter Wahrheit und drückt das Perfönliche mit Innigfeit 
und Schönheit aus. Sie iſt ſich ihrer Geiftesmacht, ihrer Anzie- 
hungfür die Menfchen vollfommen bewußt, gebraucht ihre Gabe 
jedoch zu Teinen Zwecken, ald nur den Menfchen wohlzuthun, und 





184 


steht und wirft in deren Mitte, als wenn Alle ihreögleichen wärı 
Sie vermißte und beflagte es oft, Feine Fürftin zu fein, w 
fie fühlte, was fie als folche hätte ausrichten können, al 
mit Anftrengung und Künftlichfeit ſich zu einer ſolchen 
machen, fam ihr nicht in den Sinn. Bei den größten 8 
hältniffen pflegte fie die fleinften, wenn nicht mit größer 
wenigſtens mit gleicher Liebe. ch mußte zulegt aufhören 
lefen! — | 

Kein Befuh kam, Fein Brief. Die Einſamkeit v 
ſchön. — 

Gegen Abend ging ich mit Ludmilla in den Thiergart 
Wir gerietben nad) Kemperhof, wo große Muſik war ı 
mitteljtändijche, bürgerliche Gejellichaft, gepußter als 
bildet, aber äußerlich ganz ordentlihen Verhaltens. 
Mufit war nicht fonderlich, zulept die Schlachtmufif, auf 
ich mich gefpibt hatte, nur eine rohe Beigabe der Tromn 
und Gewehrfchüfle, ftatt daß es umgekehrt hätte fein fol 
Der Deffauer Marſch, der das Ganze ſchloß, wurde fehr 
Flatfcht. Unter den fünf- bis fehshundert Gäften fein 
fanntes Gejicht! — 

Im Cicero gelefen, in Goethe, — 

Nachrichten aus Spanien verfünden dortigen ftarfen H 
zur Nepublif. Sie wird wohl diedmal noch vermieden ı 
den, fann aber bald ald Nothwendigkeit eintreten, wenn 
dynaſtiſche Stoff ausgeht, oder unmöglich wird. — 

In Italien gährt es immerfort, in Frankreich fpri 
einzelne unten. — Was im Stillen fid) bereitet und 
wächſt, ift unberechenbar! — 

Für unfere Stimmung bier ift die Tafel über dem | 
gang ded Bankgebäudes ein Zugpflafter, das viele Blafen 3 
Das Volk fpricht feinen Unwillen in Hohn und troßender' 
achtung aus, die Mittelflaffen find beforgt und mißtrau 
die höheren Beamten finden die Sache unflug, unzeitgemäf 


t 


185 


den für jebt noch ſchwachen Anfängen preußifcher 
hung fällt es fehr auf, daß die erfte Sorge dahın 
e militairifchen Punfte der Dftfeefüften zu verftärken, 
gen. Swinemünde, Kolberg, Danzig; fürchtet man 
aß die Rufen zur See gegen und etwas unter: 
I — Der König foll mehr ald je geneigt fein, ſich 
a anzuschließen, und heimlich die franzöſiſch⸗-engliſche 
ı der Oftfee ftets ala den Feind anſehen. — Auch 
a werden in den Feſtungen bedeutende Vorkehrungen 
preußische Gefandte in Wien hat fich geweigert, an 
öfterreichiichen Minifter berufenen Zufammenfunft 
thung über die ruſſiſche legte Note, Theil zu nehmen. 
» ohne ihn dennoch Statt. In Wien meinte man, 
icheide dadurd) aus der Reihe der Großmächte aus. — 


Montag, den 14. Auguft 1854. 

König ijt von feinem Fußleiden noch nicht hergeftellt. 
e nach Putbus in das Seebad foll ganz aufgegeben 
es Fußübels wegen, „oder fürchtet er, daß ihn die 
er fangen?* — 
Prinz von Preußen hat fi) ebenfalld am Fuß leicht 
auf der Nüdreife von Oftende, und wird nun in 
bleiben, nicht, wie er anfangs wollte, nad) Baden- 
ben. — 
taffau hat das Gericht den Biſchof von Limburg, der 
: war, mit einigen feiner Geiftlihen Firchliche Er: 
n ausgeübt zu haben, freigefprochen. — 

von Hindeldey ift zum General: Bolizeidireftor er: 
mit einer ſich über den ganzen Staat erftredenden 
feit; doch noch ganz wie bisher unter der Oberleitung 
ifterd des Innern. 


Bor der Tafel über der Thüre des Banfgebäutee® Med 
no immer einige Volfdgruppen. Ein Mann frag bi 


nisch: „Das ift wohl mit dem noch übrig gebliebene ra 


Blu 


gefhrieben ?* Nie hat e8 etwas Gehäffigered, Erbärm licher“ 


gegeben, ala Diefe Tafel! — 


nn mn 


Dienstag, ben 15. Auguft 1854. 
Die Ernennung Hindeldey’s zum General-Polizeiditekt or 


verfchnupft die Gerichtömänner fehr, fie fagen, damit Jet 
die Willfür, die Ungefeplichfeit gerade als Herrfcherin ein? 


geſetzt, ja man geht fo weit zu erflären, daß Berlin, wenn e® | 
die Tragweite diefer Amtserhöhung vollftändig erfennte, 
darin hinreichenden Grund zu erneuertem Aufſtand finden 


würde! 

In Schleſien iſt der meiſte Adel ruſſiſch geſinnt, wird be: 
ftätigt. Es ift auch ganz richtig; die eine fchlechte Sache 
ſchließt fich der anderen an. — 

Der hiefige Publizift beeifert ſich aus Anlaß der berüh- 
tigten Tafel am Banfgebäude den Vorfall, dem fie zum Denk—⸗ 
mal dienen foll, genau zu erörtern, und es ergiebt ſich auo der 
forgfältigften Unterfuchung aftenmäßig, daß der Soldat im 
Ningen um fein Gewehr durch deſſen zufälliges Losgehen it 
die Bruft getroffen, und nicht vom Bolf ermordet worden if; 
er hat noch viele Stunden gelebt, und ift unter bürgerlider 
Pflege ruhig geftorben. Die Folgerungen aus diefem Betich 
überläßt das Blatt den Lefern, die bloße Anführung aber der 
Thatfachen zeiht den Wortlaut jener erbärmlichen Tafel einer 
groben Unwahrheit. — 

Der engliſche „ Bundy” macht den König von ‘Preußen auf 
eine ſchreckliche Weife zurecht, überfchüttet ihn mit Spott un 
Hohn, mit Rächerlichkeit. Wie empfindlich der König für die 





| 


187 


Aeußetungen der englifchen Blätter ift, fieht man daraus, daß 
er led auf die Drohung einer englifchen Zeitung, die Eng- 
länder fönnten fi) an der preußifchen Küfte irgendwo eines 
feiten Platzes verfichern, den Befehl gegeben hat, die Küfte 
in Vettheidigungsſtand zu fegen. — 

Im Goethe gelefen, in Cicero's Reden. Der gute Cicero 

mit feiner philofophifchen, den Griechen entlehnten Bil- 
dung! — 

Elender Artikel der minifteriellen Preußiſchen Korrefpon- 
den;, der beweifen foll, Preußen habe durdy den Bertrag mit 
Defterreich feit dem Zurückweichen der Ruffen feine Berpflid)- 
tung mehr; es ift eine deutliche Schwenfung zu Rußland hin. 
Die Kteuzzeitung wagt fehon zu fordern, die Verproviantirung 
der sslotten in der Oftfee aus preußifchen Häfen müſſe ver: 
boten werden. — Wer weiß, wohin wir noch fommen! wenn 
niht wieder die Furcht das Mebergewicht erhält! — 

Die franzöfifhe Gefandtfchaft hat den 15. Auguft als 
Rapoleondtag durch einen großen Gotteödienft und ein präch- 
taed Gaſtmahl glänzend gefeiert. Unſere Minifter und alle 
Selandten haben das Wohl des — Louis Napoleon trinken 
müfen! Wohl befomm’d ihm und ihnen! — 

Im neueften Hefte der Gränzboten ift ein Auffa über 
sihte, worin Kant nad Gebühr fehr hochaeftellt, aber von 
ihm gefagt wird, er habe die in feine alten Tage fallende fran- 
öffhe Revolution nicht beachtet; das ift grundfalih! Er 
ebte und webte in ihr, und hielt ungeachtet aller Gräuel feine 
Yoffnungen auf fie fo feft, daß er, ald er die Verfündigung 
er Republif erfuhr, lebhaft ausrief: „ Herr! Nun laffe Dei: 
m Diener in Frieden dahin fahren, denn ich habe das Heil 
r Welt geſehen!“ — 


188 


Mittwoch, den 16. Auguft 1854. 

In Belgien ift Confiderant auf Anfordern der fra 
jifchen Regierung verhaftet worden, nebft einigen Anderen, jr 
werden befchuldiat, eine Höllenmafchine gegen Louis Bon: 
parte bereitet zu haben; das ift gewiß nicht wahr! Te 
Dberft Charrad audgewiefen. — 

In Parına Hinrichtungen dur Pulver und Blei. — 
Paris Berurtheilung — außergerichtlihe — zur Verbannun 
nach Sayenne für Boichot und Andere. — In Rom Hinrich 
tungen. — 

Der elende Artikel der halbamtlichen Preußiſchen Kor 
ſpondenz, der beweiſen ſoll, Preußen fei durch die ruflild 
Räumung der Walachei und Moldau feiner Plichten gege 
Defterreich ledig, und der Vertrag zwifchen beiden finde fein 
Anwendung mehr, wird mit Inwillen beſprochen und al 
jopbiftifch verdammt. — 

In Goethe's Briefen gelefen, in Cicero's Reden. J 
Cicero ift viel Chateaubriand, viel Friedrich Heinrich Jacob 
dabei ift er aber ein Römer, der die Schredenszeit Sullo 
hinter fih, und die der Triumviren vor fich hatte! Ge 
Geifteöbildung ift außerordentlich und wie fein klarer und al 
muthiger Ausdrud als gerechte Urfache der durchgreifent 
Wirkung feiner Schriften anzuerfennen. — 

In Spanien überall Junten, aufiteigende Republik 
danfen ; fonftituirende Cortes in Einer Berfammlung, erw 
terted Stimmredbt. Das Scheufal Ehriftine noch nicht 
griffen, die nichtöwürdigen Staatöftreichminifter noch v 
ſteckt. — 

Der — Louis Bonaparte weilt in Biarig, und ift z 
Napoleonsdtage am 15. nicht nach Parid gefommen. Möcht 
mit Chriftine zufammen zur Hölle fahren! — 

Die Leute nennen die Tafel über der Thüre des Banl 
bäudes den neuen Geßlerhut. — Eine Frau aus dem Bı 


189 


ihrer Nachbarin aus dem Fenſter, fo daß ein Borbei- 
ed hörte: „Wenn er ed gleich gethan hätte, das wäre 
egangen ; aber jet nach ſechs Jahren, das find’ ich 
dinair! — 

Prinz von Preußen ift nun doch nach Baden-Baden 


— — — — — 


Donnerstag, den 17. Auguſt 1854. 
widrigen fihredvollen Träumen fchon früh um 
ah. Im Gicero gelefen, weil der grade zur Hand 


Volkszeitung, die Spener’fche und die Nationalzeitung 
pfer gegen die Preußifche Korrefpondenz vor; daß 
at, fie kenne nicht die Anficht der Regierung, machen 
er fich zu Nuß, um zu beweifen, daß die Regierung 
aficht, wie jene Korreſpondenz aufftelle, unmöglich 
ane. — 

Mittageffengzeit kam rau Bettina von Arnim, die 
yergejtellt ift und wieder munter ausſieht. Sie ſprach 
Arnim's Kronenwächtern, erzählte fchöne Züge und 
ı daraus und beflagte, daß fie unvollendet geblieben. 
der Ratti'ſchen Kopie des Gemählded von Tizian 
ig, will fie, da es ihr hier damit in feiner Weiſe 
ı den König Ludwig von Baiern fchreiben. ch ver: 
y immer nicht, wie e& mit diefem Bilde fich eigentlich 


minifterielle „Preußiſche Korrefpondenz * lenkt ſchon 
der ein und entfehuldigt die — ohnehin gar geringen 
ingen an der preußifchen Küfte ald eine Maßregel, 
die einfache Folge des Kriegöftandes in der Dftiee 
schon Furcht vor dem franzöfifchzenglifhen Zorn! — 


190 


Der König wird nun doch nah Putbus in’s ef 
gehen. Die Minifter fehen diefe Zeit als eine der Etholu! 
an, die politische Umgebung des Königs fucht auf ihre 4 
Nupen davon zu ziehen; für Einflüfterungen, Stimmunge 
ift die Gelegenheit gut. — 

Heute pfropfte fih mir Goethe auf den Cicero und fi 
gingen längere Zeit recht qut zufammten, dann aber fie 
diefer aus, und die Goethifchen Briefe herrſchten allein al 
glänzendes Gejtirn in der Wüſte des Aethers, wie Pindare 
fagt. (Dasıvov «orgor Zpyuas dr al$Epos. Olvun.L.! 


Freitag, den 18. Auguft 1854. 

In Spanien wird das allgemeine Stimmrecht verlung 
Ob es eingeführt wird, iſt vor der Hand gleichgültig, d 
Forderung ift die Hauptfahe. Der jekige Umſchwung mir 
nicht dauern, alles ift für fchliegliche Zuitände noch nid 
reif; der Gefchichte genügt, daß fie ihre Pulsfchläge fühl 
läßt. — 

Der Kirchenitreit in Baden ift vorläufig abgemadt, d 
Negierung giebt den Erzbiſchof alle Forderungen zu, erh 
jtimmt die Erziehung der Geiftlichen, vergiebt die Pfründe 
der Großherzog behält ein elendes Beitätigungsrecht. Den Bar 
wird der Erzbifchof auf Bitten zurüdnchmen! Wieder b 
jih eine Regierung recht gründlich ſchwach und jämmerlic « 
wiefen, nachdem jie das Maul recht voll genommen, eine Rey 
rung, Die durch und durch volföfeindlih und wortbrüchigi 
Und hat die fatholifche Kirche troß ihres. Sieges nicht aı 
ihre Ohnmacht gezeigt? Die Demokratie darf fich dieſes Aı 
gangs freuen! — 

In Hamburger Blättern ftand ein Artifel über die Te 
am Banfgebäude, der bier fehr geärgert hat. An Min 


191 


eine Zeitung, die ihn wiedergab, mit Befchlag belegt 
den." — 
„Die Schandtafel am Banfgebäude verdrießt euh? Da 
n wir ganz andere Denkmäler, von Eiſen!“ — Wo denn 
— „Am Königlihen Schloffe die Thorgitter, die Eifen- 
um alle Wachthäufer. Die geben Zeugniß vom 
Ritz." — 
ie Kämpfe am 18. März find ein wunderbares Gr- 
Kein Zweifel, daß die Truppen hätten fiegen können, 
Ehatfache ift, daß fie nicht gefiegt haben. Den Sieg des 
3 hat der Schreden, die Berzagtheit, die. Rathlofigfeit 
egner entjchieden, die in Berzweiflung den Befehl zum 
ige der Truppen ertheilten. Es war gar feine Regie: 
mehr da, fein Minifter, fein General fonnte diefen 
wel erjegen. Gott hat fie gefchlagen durch ihr eignes 
btfein, fie fühlten fi erbärmlich und in diefem Gefühl 
ı fie wie gelähmt! — „Die Truppen zogen ab, unbefiegt; 
uch zogen ab, unbefieat! it die Demokratie etiwa ge- 
en? Iſt fie in ihrem Rückzuge nicht ftarf und trotzig? 
ſt es mehr ald vorher.” — 


Sonnabend, den 19. Augnft 1854. 
schon um A Uhr wach und in Cicero's Neden gelefen. 
man aus den Luftfpielen der Römer ihr Privatlchen am 
ı kennen lernt, fo ihr öffentliched aus diefen Gerichtd- 
Staatöreden ; daß neben dem Schwerte fo dad Wort zur 
ıng fommen fonnte, bezeichnet eine hohe Bildung, doch 
diefe indem die Freiheit ſank, ein trauriges Beifpiel in 
jefchichte! — 
dachmittags gefchrieben. Unſere Thätigfeit wird durch 
ag bedingt, und muß ihm ſich fügen, aber unjere Ge- 
ng und das Ziel, zu dem fie ftrebt, müſſen ſtets diefelben 





192 


fein! Das möcht’ ich vielen Leuten zurufen, die jept mei 
nen, alles fei für und erreicht, wenn nur Rußlands Demi 
gung erfolgt; ſie fann und ganz recht fein, aber der Ein 
Louis Bonaparte's, Defterreich® und Englands ift nicht yr 
tade unfer Sieg; in gewiſſen Fällen könnte Deren Demüthi 
gung ung lieber fein, als die der Ruſſen. Wir müffen me 
nur geitehen, unfere Sache fpielt nicht mit in den heutigen 
Berwidelungen; nur einige dünne Fäden laufen mit durd, 
und entziehen ſich oft im Gewirr dem Auge ganz; fie werden 
aber in der Stärke von Schiffstauen ſchon wieder fihttr 
werden. — J 

Die ſpaniſche Bewegung zeigt, daß die Sache des belle 
und der Freiheit noch in voller Kraft ift, und nur der Gelezen⸗ 
heit harrt, um fiegend aufzutreten. Gin Augenblid der ifreikit 
ift durch Jahre des Harrens und Ringens nicht zu theuererluft. 
Sie fragen immer, was die Folge fein wird? Das Greignik, 
die Bewegung ift ſich felber genug, ift felber ſchon Folge un 
Ergebnig. Stehen bleiben kann die Gefchichte bei feinem. — 

Am 16. it Bomarfund von den Franzoſen und En 
(ändern genommen worden, mit geringem Verluſt; die 2000 
Rufen der Beſatzung find kriegsgefangen. Freude darüber 
bier im Volke. — 

„Dentfchland im achtzehnten Jahrhundert. Bon Kurt 
Biedermann. Erfter Band, Leipzig, 1854.“ Das Bud vet 
dient die Empfehlung, die ihm Hettner in der Nationale 
tung gab. — 

Die franzöfifchen Truppen in der Türkei haben ſchen 
15,000 Mann durch Krankheiten verloren, durch Cholera, 
Typhus; die Engländer verhältnigmäßig ebenfo. Ja, ja! Der 
Krieg if ein Glücksſpiel. Flotten und Heere können zu 
Grunde gehen, ohne daß der (Feind fie ſchlägt! — Un 
die Politif, in Händen von Schuften und Schwädlin: 
gen, was ift in der nicht alles möglih? Den Ruffen nicht 


193 


‚it ſchon recht! Aber fann man e3 den Defterreichern, 
anzofen, den Engländern? Den Preußen traut man 
n fchon längſt nicht mehr. Wir find vielleicht nicht die 
nften, aber wir fcheinen fie gewiß! — 

tern. hat Hindeldey alle Zeitungsredafteure zu fich 
laffen und fie nicht „vertwarnt*“, fondern nur „freunds 
ch verjtändigt“, daß die Preſſe zwar frei fei, und aud 
rei wolle, aber dag fie die von der Regierung eingehal- 
olitit nicht befämpfen dürfe; er fei nicht für noch gegen 
id, fondern für Preußen; Preußen aber wolle Krieden, 
yürfe man nicht zum Kriege heben, bei dem auch nichts 
innen fei für Preußen. „Polen? da fei nichts zu holen!“ 
ie Zeitungen über Die Befeftigungen an der Dftfee ges 
n, tadelte er fehr. Nach diefer Anfprache ift das bischen 
eiheit jo gut wie aufgehoben. Wehe dem Blatte, das 
undſchaftlichen Rath nicht befolgte! — 


Sonntag, ben 20. Auguft 1854. 
‚dem Buche von Biedermann gelefen, mit fchmerzlichem 
‚über die deutfchen Zuftände, die er jchildert, und von 
ich ein gutes Theil mit eignen Augen gefehen. Warum 
ttner, Biedermann habe fich nach dem Vorbilde Macaus 
gerichtet Sole Schilderungen find längit bei ung 
ish, Doc find fie hier in größerem Zuſammenhang 
aß. Der Gegenftand eignet fi) aber meßr zu leiden» 
her Rede ale zum rubigen Geſchichtsvortrag; mit. euer 
lammen, mit Zorn und Haß müßte das gejchrieben 
! Das Buch ift fehr zeitgemäß und wirkſam hof 
8 guter Quelle wird verfichert,, der Prinz von Preußen 
it der Zeit, daß er als Flüchtling in London bei 


nhagen von Enfe, Tagebücher. XI. 13 





194 


Bunfen gewohnt, die befte Meinung von diefem, und fei dur 
viele ernfte Gefpräche mit demfelben zu freieren politiſche 
Anfichten befehrt worden, wozu natürlich der Anblick der eng 
lifchen Zuftände fehr mitgewirkt habe; der Prinz fei jept a 
richtig fonftitutionell, fehe fein Borbild mehr in Rußland, e 
fenne, daß das Volk Nechte habe u. ſ. w. Ich laſſe alk 
dahingeftellt. — 

Wer unbefangenen Blides ift, der kann eö den Schrift 
leicht anfehen, ob fie im Strome der Zeiten unterjinfen od 
obenfchwimmen werden. Der augenblidlibe Erfolg od 
Miperfolg entfcheidet darüber nicht. Der tiefe und reiche G 
halt rettet fich immer, aber meift indem er Namen und Flag 
wechfelt. Das wahre geiftige Eigenthum behauptet ſich mı 
in edler und fchöner Seftalt. Wo dieſer aber fein Inhalt be 
gegeben ift, verfchwindet jie wie täufchendes Nebelgebill 
Bon wie wenigen deutfchen Schriftftellern wird die Nachwe 
etwas willen wollen! — 


Montag, den 21. Auguft 1854. 

Brief und Buh aus Köln von Herrn Dr. Dünke 
„Goethe's GH und Egmont“. in ftaunenswerther Flei 
der lange nicht nach Berdienft anerfannt wird! — 

Gegen Abend fam Frau Bettina von Arnim, und bi 
anderthalb Stunden. Sie las mir die Schlußbruchitüde vi 
Arnim’d „Kronenwäctern“ vor, Profa und Gedichte, die! 
zum Drud zufammengeftellt hat. ine große Phanta 
waltet darin, die aber, in diejer Geftalt, die des Leſers ſchwir 
lig macht. Bettina Flagt noch über förperliches Leid, fie 
bin, fie falle zufammen u. f. w. Sie ſieht in der That ſchlin 
aus. Mitteilung eined Briefed aus dem Zuchthaus 
Bruchſal von Herrn von Corvin-Wiersbitzki, er fchreibt gi 


195 


hoffnungsloe, Der Unglüdlihe! Sein Fehler war, daß er Per: 
trauen hatte in das Wort deö preußifchen Generals, Grafen von 
der Groeben, des Frommen! Obgleich der ‘Prinz » Regent von 
Baden nicht der Ehren war, Bettinen auf ihren fchönen Brief 
zu antworten, möchte fie doch nochmald an ihn fihreiben. 
darin iſt jie außerordentlich brav. Sie ſprach noch viel und 
ſeht jhön über Mufil, deren Zauber und Macht, die in der 
Welt immer zunehmen und einft noch große Wirkungen auf 
das Menjchengefchlecht ausüben werden. — 

Eine Flugſchrift aus Weimar, Sendfchreiben an Stahl, 
zut Rarakteriftif der neupreußifchen Parthei, iſt hier mit Be: 
jölag belegt worden. Man weiß nicht weßhalb. Bielleicht 
aus Müffiggang, die Beamten wollten fih was zu thun 
machen. — 

Der König ift in’d Seebad nach Putbus gereift. — 

Man ſpricht wieder einmal von Bildung einer Pairs⸗ 
lammer; diefen Namen jedoch wird fie in feinem Kalle führen. 
In feinem Staate will der König niemanden als feines gleichen 
anertennen. Auch vom Staatsrath ift Die Rede. An amt: 
liher Schreiberei wird es nicht fehlen, dafür fteh’ ich! 
Veto mehr an gutem Geift und rechten Sinn. Diefe 
ganze Regierung ift ein traurige Gewirre fchlechter Gewohn⸗ 
hiten und böfer Leidenſchaften. Ginzelne Zweige fönnen qut 
fein und find ed, aber dad Ganze nimmt ſich kläglich aus! — 

Ein Finanzmann hat berechnet, daß zu feiner Zeit Preußen 
jo belajtet und angeftrengt gewefen fei, wie unter der Regie: 
rung des jeßigen Könige, auch unter Friedrich dem Großen 
niht, obfchon der die gewaltigen Kriege zu führen hatte, und 
Me jetzige Regierung doch eine unfriegerifche ſei. — 

Lyriſche Gedichte! Schon vor fünfzig Jahren fehrieb mir 
friedrich von Schlegel, fie genügten nicht mehr, einen Dichter 
ı machen, fpäter hat aud, Goethe geldene Worte gefagt, daß 
ie Sprade und die Bildung zu fehr fortgejchritten find, um 

13* 


196 


nicht ihre Handhabung auch in Verſen zum Gemeingı 
machen. Wie viel mehr ift das jet der Fall; Dichten ij 
wie ehemals Lefen und Schreiben war, eine empfehlende € 
ſchaft, die allgemein verlangt wird. Und doch wird der G 
auh in Ddiefem Gebiete fih zum Höchſten auffchwi 
Uhland und Heine werden am litterarifchen Himmel ew 
ſchöne Sterne glänzen. — 


Dienstag, den 22. Auguft 185: 

Nachrichten aus St. Petersburg. Troß der amt 
Prahlereien und der gemachten Begeifterung foll im © 
dort eine große Niedergefchlagenheit und Beftürzung herr 
die Niederlagen von Siliftria und dire Räumung der D 
fürftentbümer machen in allen Klaffen den tiefften Ein 
Die Vorftellung von der Macht des Kaifers, der Glaub 
die Unüberwindlichfeit ded Heered — der fchon früher 
rechten Grund hatte —, find gebrochen, der Kaifer felbit 
ſich gedemüthigt und ift franf aus Erbitterung und Grimm. 
fommt noch der Verluft von Bomarfund binzu! Der! 
fieht mit banger Sorge auf Preußen, und firengt alle ! 
an, dies für fich zu gewinnen. Das kann ihm gelingen 
der Bortheil wird nicht groß für ihn, wohl aber für Pr 
der Nachtheil unermeplich fein, Krieg von den Franzoſen, 
reigung Deutſchlands 2c. — 

Der König ift in Putbus unpäßlich angekommen. 
der Reife war er voll bittern Unmuths, den er öfters 
ganz Unfchuldige ausließ. Er mißtraut dem Volke, dd 
dephalb haft, die guten gepriefenen Pommern nicht : 
nommen. — Ä 

Bei allem was mir begegnet, ift mein erfter Gedanl 
immer Rahel, bei allem Freudigen der Schmerz, dap 


197 


nicht theilt, bei allem Schlimmen eine Genugthuung, daß fie 
davon nicht berührt wird. hr Andenken giebt mir Stärke; 
wenn ich erwäge, was fie alles gelitten und ertragen hat, fo 
fhäm’ ich mich, minder ftandhaft zu fein. Sie nannte ibr 
Unglück eines ohne Titel, und für die Welthat ed noch immer 
feinen; wenige Menfchen find fähig ein folches Leid einzu: 
ben, dazu gehört jchon ein verwandtes Dafein. Ihre ganze 
Umgebung, von frühefter Zeit bis zur legten, widerfprach 
ihtem innerften Weſen, den lauten, gerechten Anſprüchen ihres 
ſeinen edlen Sinnes, alle ihre Verhältniffe waren mißgeftellt, 
und dad längite Leben hätte nicht ausgereicht, fie zurechtäu- 
fellen, für ihre herrlichiten Gaben fehlte fat immer das Ele: 
ment, in dem fie Ichen und wirken konnten. Damit wäre 
eine Art Titel ausgedrückt, aber für die rohe Menge noch immer 
ungerftändlich. — ' 


Mittwoch, den 23. Auguft 1854. 

Feier der Schlacht von Groß-Beeren, nicht fo feftlich und 
lirmend wie vor einem Jahr. Wrangel und Hindeldey hatten 
ih entfehuldigen laffen. Das Volk ift lau bei ſolchen Ge: 
kaenheiten, wenn nicht die Behörden es erhigen. — 

In Goethe gelefen, in Biedermann; des letztern Buch ift 
doch fehr nach Zufall zufammengetragen und könnte weit mehr 
geben, der Stoff ift der traurigfte von der Welt und macht 
tinen niederfchlagenden Eindruck, es ift ald ob man immerfort 
hmmern hörte. Das hätte der Autor verhindern müflen, 
wenn er auch nicht im Zorn und Grimm eines Juvenalis reden 
durfte, fo mußte er doch ermuthigen und kräftigen; das thut 
end, —  ” 

Der König hieß ea, habe nicht nad) Putbus gewollt, um 





198 


nicht den Verdruß zu haben, von den Flotten der Weftmähte 
große Chrenbezeigungen annehmen zu müflen. Die lotten 
find aber weit! — 


Bon vielen Seiten wendet man alles an, dag Jahr 1848 
und feine Erfcheinungen aus dem Gedächtniß fallen zu lafın. 
Daß die Höfe, die Ariftofraten, die Behörden, die Kriegsleute 
dies thun, iſt ſehr begreiflih, aber daß auch deinofratiikt 
Blätter fo fprechen, ift gar nicht recht! Manche tbun fe, 
als läge jene Zeit weit hinter uns, ald hätte fie feinen Be 
zug mehr auf unfere Gegenwart, fie wollen damit andeuten, 
daß nun auch alle Verfolgung aufhören, Amneftie eintreten 
müßte; allein dies erreichen fie doch nicht, für ihre Rache haben 
die Höfe, Ariftofraten 2c. nur ein zu gutes Gedächtniß 
— m untern Volke gefchieht viel, um das Andenken ver 
1848 zu bewahren, bedeutende Zeitungsblätter, Flugſchriften 
und gefchichtliche Berichte werden in bürgerlichen Familie 
forgfältig bewahrt, und an geeigneten Tagen andächtig vorge 
lefen. Auch bildliche Darftellungen mancher Borfälle un 
Bildniffe der ächten Volksvertreter, die in feinem Bilderlade 
mehr zu haben find, erhalten fich bei dem gemeinen Man 
werden in Bibeln gelegt. Die Kitteratur ift wandelba 
dad Volk Hält feinen Befiß fe. Wenn einft eine ne 
Bewegung fommt, wird man fehen, wie wenig die Gedanf 
erlofchen,, die Gefinnungen verändert find! — 


Wie fi Berlin feit einem halben Jahrhundert veränd 
bat, ift faum begreiflih zu machen für jemanden, der ni 
felber durch diefen Wechjel mitgegangen ift. Die Verarö 
rung der Stadt, die Vermehrung und Verdichtung der Bol 
menge, die Zunahme der Gewerböthätigfeit, des Reichthu 
— und leider auch der Armuth —, das alles ift nicht 
Hauptfache, fondern die Art des Lebens, die ganz veränd: 

Stimmung und Anfiht, die fi in allem fund giebt. 1 


199 


malö war alles feit und ficher, was jetzt loder oder los ift, 
die Alaffen der Menfchen waren äußerlich geſchieden aber 
duch Bildung vereint, jebt ift alled getrennt auch im Zufam- 
menlaufen, Feiner gehört zum andern, alle Harmlojigkeit ift 
vertört, edle Bildung jteht ganz im Hintergrunde, zufrieden, 
wenn jie dem Ehrgeiz und der Heuchelei dienen darf. Und 
welhe Polizei jeßt, welche Verordnungen! Früher wußte 
man von dergleichen nichts. — 


Donnerstag ; ben 24. Auguft 1854. 


Bettina brachte mir die Drudbogen der zweiten Hälfte von 
Aerander Jung's Buche, die der Sendung an fie für mid 
Kigelegt waren. Sie war wieder befferer Gefundheit und in 
guter Stimmung, erzählte muntere Gefchichten, ſprach dann 
mit tiefem Ernſt über ſich, über ihren Bruder Clemens, 
Goethe'n und ihr Verhältniß zu ihm, über die Günderrode ꝛc. 
Ion Ahim von Arnim fagte fie, die Königin Luiſe fei in ihn 
verliebt gewefen ; das ijt aber eine ftarfe Mebertreibung, die 
Königin Quife war niemals verliebt, daß ihr jemand zum Ber: 
lieben gefallen hätte, kam nicht vor, fie nur wollte gefallen, und 
jedem. — Bettina hatte in den Briefen Goethe's an Frau von 
öttin gelefen ; man fehe klar, fagte fie, daß er ihrer ſchon lange 
vor der Reife nach Italien überdrüffig gewefen und daß ee 
mit den Liebichaften — allen — nichts Rechtes fei! Sie 
ezählte, Goethe habe fie in Weimar zu einer Volksluſtbarkeit 
mitgenommen, eine herumziehende Sängerin fei in den Saal 
getreten und habe ein ziemlich gemeines Lied gefungen, „O 
Beiber, o Weiber, o Weiber!“ fam darin vor, und Goethe 
abe Beifall genickt, fie felbft aber ausgerufen: „Das ift ja 
anz ſchlecht!“ Da habe er fie angefahren mit den zürnenden 


200 


Worten: „Dir fann man aud nichts recht machen!” und iht 
feien darüber Thränen in die Augen gefommen. Erzürnt ſaß 
er neben ihr, das fonnte fie nicht ertragen. „ch ließ wie 
abfichtelog ein Stüd Brot auf die Erde fallen, ich wußte dah 
er’d aufheben würde; wie er’d that, ſchlüpft' ich unter den 
Tisch, als wollt’ ich ed auch thun, und küßte ihm verftohlen di 
Hand, da waren wir verföhnt!* Bon ihrem Bruder Clemens 
fagte fie, er habe fie von frühefter Zeit nicht verftanden und 
ganz falfch beurtheilt, er habe gemeint, fie würde tolle Streihe 
machen, dazu habe fie nie die geringfte Neigung gehabt, fie 
fei immer und gern in feften Schranken geblieben, nur Be 
wunderung habe fie ſtets lebhaft ausgedrückt, und fic nie von 
einer guten richtigen Handlung dadurd abhalten laffen, daß 
diefelbe eine zufreie ſche in en könnte. Darin ſpricht fie ganz 
wahr. — Sie aß etwas von unfrem Effen mit, was von eine 
guten Stimmung zeugt. „Ihr Buch befommen Sie nicht wieder, 
das behalt’ ich!” fagte fie noch; es ift der dritte Theil det 
Goethe’fchen Briefe an Frau von Stein, ich wollte ihr eir 
reine Gremplar ſchenken, fie will aber das mit meinen Bel 
ftrichen. — 

„Goethe und Werther. Bon U. Keftner herausgegeben. 
Endlich, endlih! Daß ich dies noch erlebe, freut mih! € 
ift der Mühe werth. Was kann einem Höheres, Wichtiger‘ 
zukommen, als folche Offenbarungen des innerfi Menfchlichen, i 
einem Götterbilde, das einen auf dem ganzen Lebenswege al 
ein geiftiger Schub und Troft begleitet hat? — 

Gefpräh. — Im Cicero gelefen, in den Wertbe 
Briefen. — | 

Der Redakteur C. D. Hoffmann, dem die Polizei ei 
Borlefung über die Waldenfer unterfagte, hatte fih darüt 
beim Miniſter ded Innern befchwert; die Dumme Antwort t 
Herm von Weftphalen, der die Befcbwerde in dummen Au 
drüden abweiſt, ift veröffentlicht. — 


F 





In Magdeburg hatte Uhlich und noch ein anderer Autor 
gegen die Kirchenvifitation gefchrieben. Die Polizei nahm 
die Drucblätter weg, das Gericht aber gab fie wieder frei. — 

Dr. Aloys Boczef aus Mähren, al& demofratifcher Abge: 
srineter zur deutfchen Nationalverfammlung aus Defterreich 
verbannt, ift nun als Fatholifch-Firchlich gefinnter Zeitungs⸗ 
fhreiber aus Naffau weggeiviefen. — 

Die Oefterreicher find in der Walachei „in Gemäßheit der 
von ruffifcher Seite zugefagten Räumung der Fürftenthümer “ 
— ſo heißt die Redensart — nun wirklich eingerüdt. Das 
fingt jämmerlich genug! — 

Schelling ift am 20, in der Schweiz geftorben. — 


Freitag, ben 25. Auguft 1854. 
Die Nacht war ich im Traum erft mit Goetbe, dann mit 
Robeöpierre befchäftigt ; Den erftern fah ich in einer rheinischen 
Gegend mit einer Gefellfchaft, die zu Wagen nicht ohne Gefahr 
uch ein breites Waffer fuhr, den letztern zu Pferd in einem 


dert, ganz jung und luftig, er redete vertraulich zu mir 
md lachte über die dummen Leute, die ihm einen fo fchlechten 


Rımen gemacht! Ich wunderte mich, gegen den jungen 
NRann den Abfcheu nicht zu empfinden, den mir fonft der 
Rumen einflößte. ch erftaunte auch, daß er noch fo jung 
fi. — 

Die Kreuzzeitung fpricht mit großem Prunk von dem Tode 
Schelling's, er ift ihr der Philofopb, der die Philofophie zu 
den Füßen der Offenbarung niedergelegt hat, der Mann des 
Königs! Ein großer Denker war er gewiß, aber ein fchwacher 
Karakter und ein falfcher, er hing feine Philofophie nach dem 

Winde, hielt ed mit der Macht, war in Baiern rheinbündnifch- 


202 


franzöfifh, neigte fich zur fatholifchen Kirche, haßte Preußen, 
wurde dann preußifch, eiferte proteftantifch, war für den König, 
wider die Freiheit, und war zugleich empört über die, welche 
ihm zutrauten, feine Geifteötraft den Pfaffen und Höflingen 
unterzuordnen. Er hatte ſich überlebt. — 

Aus Wien fehr Zweifelhafted über Defterreichd Abfihten. 
Preußen hilft diefe Zweifelhaftigfeit hervorbringen, und be 
nugt fie zur Stärkung der eignen. Gin elendes Stüd, in 
dem feine Heldentolle ift, nur elende Rollen für elende Schau: 
jpieler! Wenn der Teufel die ganze Bande holte, — det 
der will fettere Biffen! — In Spanien gährt und kocht es 
Das Scheufal Chriftine ift noch im Palaſt. Espartero ma 
fich in Acht nehmen! Der fpanifche Umſchwung wirft au 
Italien mächtig ein, auf Sizilien, Neapel. Berubigt un 
verföhnt ift in diefen Landen nichts, wie in feinen Landen 
Die Regierungen meinen, fie hätten die Revolution w 
einen armen Sünder hingerichtet, und erziehen nun d 
Waiſen, das heißt, neue Nevolutionen; fie irren fi 
nur darin, daß es feine Waifen find, daß der Pater nı 
lebt! — 


Sonnabend, ben 26. Auguft 1854. 

Am Potsdamer Thor, ala es ſchon dämmerte, begegnet 
wir Bettinen von Arnim, fie klagte wieder, fie fei faput u 
ſah leidend aus; fie ging zu einer armen Tifchlerfrau, um 
Kleidungsftüde und Geld zu bringen; fie ift außerordent! 
brav in ſolchen Dingen, und nicht zu ermüden. — 

Im Cicero gelefen, tm Florus, in Goethe's Briefen 
Keftner’d. — 

Der Kaifer lehnt die Anträge der Weftmächte ab, natürli 
— Wie hat man die Prahlereien und Lügen der Kriege 


203 


rihte Rapoleon’d gefcholten! Aber die ruffifchen übertreffen 
fenoh! Der Kaifer Rifolai fagt in einem Tagesbefehl an 
ine Truppen: „Zum Schuß der Donaufürftenthümer gegen 
eine Invafion der Türken übernimmt der langjährige Bundes: 
genoffe Seiner Majejtät des Zaren, die Verpflichtung, diefelben 
einfweilen zu beſetzen.“ An der Freundfchaft Dejterreiche 
will ih nicht zweifeln, aber in Bufareft find einjtweilen die 
Türen unter Omer Paſcha, und die Ruffen find von den 
Türken überall gefchlagen! — 

In Aſien haben die Ruffen die unregelmäßigen Streit: 
baufen in die Flucht geſprengt. Wie groß und bedeutend die 
Sache ift, läßt ſich noch nicht beurteilen, es giebt nur ruſſiſche 
Betichte. — 

In Varna große Feuersbrunſt, wobei alle Vorräthe der 
Ftanzoſen und Engländer verbrannt ſind. — 

In Spanien noch immer republikaniſche Regungen! 
die Cortes ſollen entſcheiden. Espartero zum Präfidenten 
ſpaniſcher Vereinigten Staaten gewünſcht! Jetzt, neben 
Ftankreich, dem neuen Kaiſerthum, unter dem die Republik 
noch nicht erloſchen iſt! — 


Sonntag, den 27. Auguſt 1854. 

Ein Herr „Rhetor“ **, vor vielen Jahren bei mir Ab- 
ſchteiber, meldete ſich um eine Unterftüßung. Sein Vater 
war ein Pöniglicher Schloßdiener, wurde aber entfernt, weil 
der Sohn einmal Abends auf einem Schloßgange die Königin 
mit einer derben Umarmung überrafcht, und nachher fich unge: 
ſchidt entfhuldigt hatte, er habe fie für feine Konfine ange: 
feben, „die auch lahm fei*. Dem Herren „Rhetor“ will feit- 
vem nicht? gelingen! — 

Die Neue Preußifche Zeitung tritt — etwas ſpät — gegen 
ie aftenmäßige Erzählung des „ Publiziften * über den Tod dee 





204 


Grenadierd Theiffen auf, und will den Ausdrud „Mad 
mord“ als richtig behaupten. Sie hat die freche Dummheit 
zu fagen, für jeden Preußen müffe genügen, daß der Königes | 
jo genannt habe. Dem Nedakteur Thiele wird dabei foͤrmlich 
gedroht. — 


Ih war noch in voller Arbeit, da fam gegen halb adı 
Uhr Abends Bettina von Arnim, blieb zum Thee, und 
bis nah 10 Uhr. Sie las mir weitere Merkworte Ahime 
von Arnim zu feinen „Kronenwächtern“ vor, zu deren Sid: 
tung und Grläuterung aber genaue Gefchichtöforfchungen ge 
hören, die ich jeßt nicht anftellen kann, ich habe dazu weder die 
nöthigen Bücher, noch die nöthige Zeit. Bettina erzählte um 
ftändlich die Unglüdsfälle und Zuftände einer Goldarbater 
familie Ahmet, dann von Herrn Joachim und Herman 
Grimm, ſprach von Harthaufen, von Beethoven, von Mufl. 
Goethe's Briefe an Keftner’d wollte fie noch nicht gelefen, 
nur davon gehört haben, verlangte aber heftig mein Urteil | 
in einer Weife, daß ich fah, fie hat fie gelefen! Ich ſagte 
ihr daffelbe, was ich am Dünger gefchrieben habe. Sie lieh 
den Gegenftand fallen. Sie war äußert liebenswürdig und 
unterhaltend, auch für Qudmilla, und zeigte überhaupt ihre 
beiten Seiten. Wenn fie Menfhen und Vorgänge ſchildert, 
ift fie unübertrefflich! jie greift alles Bezeichnende mit ficheret 
Hand, ihr Humor, ihre Ausdrüde, Mienen, Blicke, alles reizt 
zum Lachen. Wir bedauerten,. daß fie fchon ging, aber fie 
fürchtete fpäter Feine Drofchfe mehr zu befommen. Sonder? 
bar, auch unter Scherz und Lachen werd’ ich durch ihre Reden, 
wenn e& lange dauert, wie magnetifch, und möchte in Schlaf 

finfen! — 





In Belgien haben alle Minifter ihre Entlaffung einge: 
reicht, weil man die Berfaffung verlegt, und auf Louis Bona- 
parte's Andringen willfürliche Ausweifungen und Berhafs 


205 


tungen verfügt. Ein fchönes Beifpiel! Wird aber wohl nod 
indere Triebfedern haben! — ) 


Montag, den 28. Auguft 1854. 

Ich dankte Gott beim Auffteben, daß ich meine Strümpfe 
leicht anziehen fonnte, ohne die graufame Marter, die ich 
etgangene Nacht empfand, ale dies im Traum durchaus nicht 
lingen wollte, während Tettenborn im Reiſewagen mit einer 
inzen Geſellſchaft ftundenlang auf mich wartete, und Boten 
ber Boten ſchickte! Je länger es dauerte, deſto unbefleideter 
ed ich und defto entfernter von aller Hülfe. Zulebt ging 
uh Qudmilla fort, und ich blieb allein mit den Strümpfen 
nd Stiefeln, die mir nicht gehörten. — 

Nahrichten aus Putbus. Der König foll wirklich die 
sucht gehabt haben, die Engländer oder Franzoſen fönnten 
hu als „Pfand“ wegholen! — Hindeldey hat alle möglichen 
Siherheitömaßregeln angeordnet, befonderd werden Fremde 
ſeht ſcharf beobachtet, manche gar nicht zugelaffen. Er hat 
ganz techt, die patriarchaliſche Zeit ift vorbei. — Man wünfcht 
in Putbus ftürmifche See; des ftärfern Wellenfchlages wegen 
für dad Seebad ? oder aud andern Gründen? — 

Ale deutfchen Zeitungen, die hiefigen befonders, ſetzen 
immer voraus, oder fordern, daß Defterreich und Preußen, 
vereint oder einzeln, etwas für Deutfchland thun, rühmen 
ülled, was irgend folchen Schein giebt. Als wenn das irgend 
je geihehen wäre oder heute in den Abfichten läge? Dun 
hrauht nur den hergeftellten Bundestag anzufehen! Einmal 
berfprach der König für Deutfchland etwas zu thun, Preußen 
ollte fogar in Deutichland aufgehen. Das war 1848, in 
saft der Revolution. Für Deutichland wird erft wieder 
mas geſchehen, wenn fünftig die Revolution wieder auftritt. 
ab man das gemeinfame Vaterland wenigftend als Wort in 


206 


Erinnerung hält, will ich nicht tadeln; aber täufchen fell man 
fich nicht laffen, als hätte man im Wort ſchon die Sache! — 

Im Cicero gelefen, in Goethe's Briefen. Rottech's wer: 
mifchte Schriften. Briefe von Delöner und von Stägemann 
durchgefehen. — 

Aus fiherer Quelle erfahre ich, daß Bunfen in Xonden jo 
weit gegangen ift, ohne Ermächtigung den Vorſchlag anu- 
regen, daß der König von Sachſen einen Theil von Polen be 
fäme, Preußen aber den Reft von Sachſen. „Bunſen ift ein 
ſcholaſtiſcher Phantaft; aber hat er nicht auch einen ſolchen 
zum Herrn und Meiſter?“ — 

Das bürgerliche Leben iſt in einem großen Uebergang br 

‚griffen, es quillt auf allen Seiten über die ihm geſtedten 
Gränzen hinaus, die Geſetze fünnen es nicht mehr halten, & 
müffen neue gemacht werden für neue Lebensverhältniſſe. In 
den großen Städten ift das Leben ein erfchredend aufge 
Ihraubtes, da ift die Gährung am ftärfiten, die Gährung, 
welche niemand macht, aber jeder fühlt. Alles Gewerbe it 
verändert, aller Handel. Nur das Größte und das Kleinft 
gedeiht noch, das Mittlere fchwindet ein. Die Geldverhält 
niffe müfjen den größten Umfchwung erleiden. Unzulänglid: 
keit überall. in allgemeiner europäifcher Bankerott wird 
unvermeidlih. Die Theurung und der Luxus führen gleicher 
weife zu ibm. Den größten, den ausfchweifendften Lurus 
führt der Staat, ift der Staat, fo wie er jest da ift! — 


Dienstag, den 29. Auguft 1854. 
Großjprechereien der Rufen. Der Sieg in Afien ift vo 
geringer Bedeutung. Schändliche® Benehmen gegen ti 
walachifchen Truppen, die nicht nur ihrer Waffen , fondeı 


207 


ud ihrer Bekleidung beraubt worden find. — Der Brand 
in Barna von Griechen angelegt, die auch mit Gewalt das 
töihen hindern wollten. — Tiefer Eindrud in St. Peters- 
ug über den fehnellen Berlujt von Bomarſund. — 


Merfiwürdigkeit! In Hannover trägt die Bürgerwehr noch 
eutſche Kofarden, und will fie behalten! Und eine Bürger: 
hr befteht noch! Auch merfwürdig ! In diefer Zeit! — 


Bettina von Arnim wiederholte neulich, was fie mir fchon 
er zwanzig Jahren gefagt, daß fie ihren Mann nicht eigent- 
ch geliebt, -[ondern nur aus Ehrfurcht geheirathet habe, und 
habe ihr die Ehre angethan, fie zur Mutter feiner Kinder 
wählen. (Daher verehrt fie auch ihre Kinder, als ob fie 
ehr wären ale die Mutter!) Das mißfiel mir damals und 
ügfällt mir jebt. Es ift eine prablerifche Demuth, die jo 
wicht. Da gefällt mir der Ausſpruch von Frl. von Crayen 
fer, die da fagt: „Wenn mid) einer heirathen will, fei er 
uch noch fo wenig angenehm, eine Politefje iſt's doc 
umer!“ — 


Wie oft muß ich jept meines einftigen geliebten Lehrers, 
ei trefflichen Kieſewetter gedenken! Er war ein heller Kopf, 
in beredter, lebhafter Sprecher, von freier Gejinnung und 
dem Herzen. Einige Schwächen, die er zeigte, vechnete ich 
Im zu hoch an, wie ich fpäter wohl eingefehen. Ich begreife 
et befier, ala ich es Damals fonnte, mit welchem tiefen nagen- 
en Schmerz er die franzöfifche Freiheit, an der er mit leiden- 
haftlicher Liebe hing, erft in den herrlichen Girondiften, dann 
nterBonaparte ganz und gar untergehen fah. Seine höchiten 
eberzeugungen,, feine reinften Hoffnungen und Lebensaus— 
hten ſah er verleßt, verdunfelt. Wie Goethe’d Taffo mußte 
ſich zufegt an das anflammern, was ihm früher das Gleich: 
tigfte, wo nicht das Widrigfte war, an den deöpotifchmili- 
rifhen Staat, an den Hof, an die alten Gegner der fran- 


208 


zöſiſchen Freiheit, jegt freilich nur als die Gegner des fin | 
zöfifchen Machtgebieterd erfcheinend ! — 







Mittwoch, den 30. Auguft 1854. 

Traum von einem guten Freunde, der Seeräuberzüge mit 
macht und mich dazu verlodt; es ift und beiden fchredlich lat, 
aber wir thun's doch, fchonen aber der Menfchen und haben 
feinen Gewinn. Und dennod Seeräuber! Traumunfinn! — 

Gefchrieben. Ich muß den zu reichen Stoff zufamme: 
drängen; der eine Sommer und Herbit von 1819 fönnte einen 
ganzen Band liefern, befonderd wegen Rahel, deren Gkif, 
Karakter und Talent zugleih Blüthen und Früchte trieben. 
Ich kann das nicht in gefchichtlicher Form darftellen, e& mühte 
in dichterifcher gefchehen. Wie waren wir einig und wr: 
gnügt, troß aller Schläge des Schickſals und aller Scheerereir : 
der Menfchen! Wir grollten feinem der Leute, Die und Böͤſes zu⸗ 
gefügt hatten, nicht Berftett, nicht Bernftorff, wir entfchuldigten ; 
fie. Wenn ich jebt von dem erfteren nicht Gutes fagen kant, | 
fo ift e& nur Zwang der Gerechtigkeit, die ich endlich nach fünf 
unddreigig Jahren üben mug. Nabel fagte immer, die Merz 
ſchen alle find in fchlechter Tage, fie wiſſen jich nicht zu helfen, 
und da machen fie dumme und fchlechte Streiche, ohne gerade 
jelbit immer dumm und fchlecht zu fein. Sie meinte foget, 
Berſtett's Naturell fei urſprünglich gut, nur durch Hofluft und 
Ehrgeiz verdorben. — 

Gegen 2 Uhr kam Bettina von Arnim; fie war akt 
etwas angegriffen, hatte Blätter, die fie mir vorlefen wolle, 
vergeflen, erzählte manches, fprach viel über Muſik und viel 
über Goethe's Briefe an Keftner’3, die fie wirklich erſt nah 
unjerm neulichen Geſpräch gelefen bat; jie gefallen ihr aa 
nicht, auch Lotte nicht, und am wenigften Keftner, obfchon un 


209 


elleiht weil er ſich fo berliffen in's Schöne hat mahlen wollen. 
oethe hat mit allen feinen Liebjchaften fein rechtes Glüd, 
m gefielen auch meift folche Frauen, die nicht mehr zu haben, 
: verfprochen oder verheirathet waren, Lotte Buff, Marimi- 
ne Brentano, die Stein, die Mailänderin! Unergründlich 
d die Tiefen der Neigung, unzählbar ihre Eigenarten, und 
mer reizend die Studien darüber. — 

Der Nachmittag war fchön, ich trieb Alle zum Spazieren- 
ben. Ich blieb am Schreibtifch und in der Vergangenheit. 
& hatte jchönere Tage in der Erinnerung, ala unfere [hönften 
bt fein könnten! — 

Die Regierung in Darmftadt erflärt, die Nachricht von 
mem Nachgeben gegen den Bilchof von Mainz fei ganz und 
munwahr. Sie ift aber wohl nur verfrüht, fie wird ihre 
orichläge jo gemacht, der Bifchof fie nur noch nicht anges 
ommen haben. ' 

Vielen darmijtädtifchen Soldaten, die wegen 1848 zeit- 
dend in's Zuchthaus verurtheilt waren, ift erlaubt worden, 
ah Amerifa auszuwandern. — 


Donnerstag, den 31. Auguft 1854. 

Nachrichten aus Putbus; der König fränkelt und ift fehr 
erdrießlich; feine Umgebungen Mlagen über die heftigen Aus- 
rühe feiner üblen Zaune, über die argen Worte, deren er ſich 
edient; er ift ganz und gar ruffifch gefinnt. — 

Herr von Ufedom geht nicht nad) Rom zurüd; er ift Wirk: 
her Geheimer Rath geworden und zur Dispofition geftellt. 
in Opfer des Gerlach'ſchen Einfluffes, wie Pourtalès, Bunfen, 
iher Radowig; dem Könige werden die ihm Liebften und 
gebenften genommen. — 


Heute ift nun General Graf von Bendendorff aus St. Pe: 
Barnhbagen von Enie, Tagebüder. XI. 14 





210 


tersburg in Stettin eingetroffen, und zum König nad Pı 
gereiſt. Man weiß fchon, daß er nicht Frieden bringt. - 

In Hannover ift der Staatdminifter Qudivig Konrad ( 
von Ompteda im 87. Jahre geftorben. Er war einft 
növerjcher Gefandter in Berlin und ging im ariftofrat 
Weſen tapfer mit. Seine Frau, geb. Gräfin von Schli 
bach, war immer gerührt und weinerlih, und man nanı 
deßhalb die Wehmutter. Ompteda zog fi aus dem T 
zurüd, als der König Ernft Auguſt von Hannover das S 
grundgeſetz umgeftoßen hatte, an dem jener mitgearbeitet 
auch wohl weil er wußte, daß der König ihn nicht bei 
würde, — 

Abende mit Ludmilla zu Kalkreuth's. Sternberg do 
Stein. Durch Klotildend liebenewürdige, immer ft 
TIhätigfeit war der Abend munter und angenehm. — 

Im Florus gelefen, in Goethe's Briefen an Fraı 
Stein. Illuſtrirte Welt und andere Blätter. — 

Die Königin Chriftine ift von Madrid nach Portug 
gereift, das Volk erhob ſich und baute neue Barrifaden 
aber von den Soldaten und Nationalgardiften erftürmt wı 
vorgeftern. Man hofft, daß dem Weibsbild noch unte 
ein Schaden zuftößt. Die Hemmung der Volkswuth if 
feine Umkehr zur Hofknechtſchaft. Das Wort , Republ 
einmal genannt in Spanien, dad wird nicht mehr zu 
fein, verfolgt oder herrichend, im Kerker oder auf dem ? 
ed wird mitleben. — 

Unfre preußifhen Ruſſen, Stahl, Gerlah, Bid 
Königemard, und wie die Schaar von Junkern und 
fingen fonft heißen mag, find nicht einmal eigentlich ı 
gefinnt, denn fie wollen feine Kaiferherrfchaft, fo 
fie Volksherrſchaft wollen, jondern ihr Zwed ift Adel 
ſchaft, Oligarchie; fie würden entſetzlich geftraft fein, 
ruffifche Herrfchaft zu fommen, wo der vornehmite Fü 


211 


r Sflav ijt vor dem Kaifer. Sie find ruffifh, weil 
iuf eine auswärtige Macht ftügen mülfen, die das Bor: 
vr Könige für fich hat, und Rußland für ihre Heuchelei 
emiten ift. Dieſe Barthei iſt bei diefer Bewandtniß 
je nur um fo nichtewürdiger, um fo veriverflicher, weil 
dliched Treiben nicht einmal Ernit, jondern nur Rüge 
rath if. — 


— — — — — — 


Freitag, den 1. September 1854. 
hrieben, aber nicht viel; die Nerven litten es nicht ! 
milla auf der heute eröffneten Kunitausftellung, wo 
ehr leer war, an Bildern und an Menfchen. Herrn 
g geſprochen, Heren Prof. Rauch, der von Rom er: 
n PBaradiefe, jagt er, könne es nicht ſchöner fein, als 

Frühling in Rom war, man möchte jich fein andrea 
ünfchen! Gr will mir feine Gruppe von Goethe und 
ſchenken. — | 
en Abend fam rau Bettina von Arnim. Sie brachte 
hiedsgrüße von Herrn Joachim, und fagte mir Aeuße— 
yon ihm über Rahel. Ste lad mir Arnim’she Frag— 
r, dann einen Brief, den jie an den König Ludwig 
ern fchreiben will, über fich felbft und über die Tizian— 
a Ratti, ich fonnte manches nicht billigen, und es foll 

werden. Wir Forrigirten einen Drudbogen von 

Fragmenten der Fortfegung der Kronenwächter. 

ſprach mit Innigkeit und Wehmuth von Rahel: 
gen! wenn wir die nod hätten! Was würde Die 
asüben! was für ein Beifpiel fein!" — 





— 


Sonnabend, den 2. September 1854. 


mittagd fam Frau Bettina von Arnim angefahren, 
n großen Wafchforbe voll Papieren, den ihr Bedienter 
. 14° 


212 


berauftrug, lauter Poefieen von Achim von Arnim. Keine 
geringe Aufgabe, das zu fichten und zu ordnen! — Sie fprab 
von Familienſachen, es drüde fie viel, fie könne nicht alles 
jagen. Sie hat feinen Umgang, der fie freute. Die alte” 
ift ihr ſchrecklich, was hat die für Zeug geſchwatzt! Goethe 
jet fo heruntergefommen! Wiefo? Hat er nicht dad Pri- 
difat Erzellenz befommen und große Orden? Das heißt doh 
wohl im Sinne der **'ſchen Familie hinauf? Ach, laßt je 
reden, die dummen Leute! Bettina fchimpft auf die fogenannte 
Bildung, will mit Mägden und Knechten lieber umgehen, alt 
mit folchen Gebildeten ; fie hat ganz Recht, befonders in dielen 
Fall; Frau von ** ift urfprünglich naiv und unfchuldig, alt 
Bildung aber läßt jie fih eine Menge Dummheiten und Per: 

urtheile einreden, die fie felber nie erfunden hätte. je älter 
die wird, deſto fchlimmer, die hätte ein junges Mädchen bleiben 
müflen! — 

Spazierfahrt nad Stralau. Noch viel Ueberſchwemmung. 
Zuchthausgefangene, die im Freien arbeiten. Die Bauwerle 
zur Wafferanftalt erjt im Entſtehen. Ungeheurer Umfang. 
— Früh nad Haufe. Meberblid auf die Arnim’fchen Pr 
piere. — Thee, Schach. Arnim's Stammbuc mit Qudmilla 
durchgefehen. — 

Der freien Gemeinde in Magdeburg hat die Regierung 
nun erflärt, nach Zurüdnahme der ihr früher ertheilten Kor 
zejfion fei fie feine geduldete Religionsparthei mehr, dürfe un 
Sonntagen in den Stunden des Gotteödienfted feine Berfamm 
lungen halten, könne überhaupt die Eigenfchaft eines religiöien 
Vereins nicht anfprechen, in den Augen der Regierung fei ihr 
Thätigkeit feine religiöfe. Meint die Regierung, die Miniftet 
von Raumer, von Weftphalen 2c., hierin religiös, chriſtlich, ehr: 
lich zu handeln? — 

Die Betrachtung in Wilhelm Meifter’d Lehrjahren, daß 
aller Boden auf der Erde fhon genommen, ſchon in irgent 





213 


einem Befig ift, hat man auf das geiftige Gebiet anwenden 
nellen, und gemeint, in Poefie und Philofophie ſei jegt nichts 
mebr zu leiften, alles fei bejebt und erfüllt, neben Goethe und 
Shiller, neben Kant, Fichte, Schelling und Hegel fönne jegt 
nihte mehr aufkommen, ald bid dieſe zerfallen und vergeffen 
wären. Sch kann das nicht gelten laffen. Die unfähige 
Mittelmäßigfeit möchte ſich auf diefe Weife gern entfchuldigen, 
daß fie nicht ald fiegender Genius auftritt. Aber neue Große 
ſchaffen fih Raum und finden ihren Weg, nicht weil jene 
weichen, und fein Gedränge jie mehr hindert, fondern weil fie 
neue Wege gehen, und neue Einöden in fruchtbared Rand um: 
ſchaffen. Ueberhaupt brauchen fich die Menfchen feine Sorge 
ju machen, daß ed an frifehem Leben fehlen werde! Sie denken 
allzu geringe won der fchöpferifchen Gotteskraft! — 


Sonntag, den 3. September 1854. 

In einem ältern Blatte, das wahrfcheinlich non meinem 
eben Wilhelm Neumann herrührt, fand ich eine treffliche 
Andeinanderfegung des jogenannten Walter-Scottismug; er 
ſagt, Walter Scott habe für halbgebildete Mittelklaſſen ge: 
ſhtieben, mit großem Talent, aber ohne Begeifterung, daher 
ohne alle Poefie. Schon vor zwanzig Jahren wurde das bei 
und gedruckt! Die Kritit will das noch heute nicht annehmen, 
aber die Leſewelt hat es beftätigt, fie hat fi von Walter Scott 
ganz abgewwendet. Es gab Häufer, Kotterieen, wo Walter 
Scott der Nächſte an Shafefpeare fein follte! Man glaubt 
eht faum, daß das möglich war. Und fie bildeten ſich ordent: 
ch was drauf ein! — 

Abende fam der Herr Oberlandforftmeiiter von Burgs⸗ 
rf, der mir viel zu erzählen hatte. Dazu fand ſich Frau 
tina von Arnim ein, die mir neue Päde von Arnim’fchen 





214 


Papieren brachte, und fi mit Burgsdorf ganz leut 
benahm. Sie ging dann, er blieb noch lange. — 

Im Cicero gelefen, in Goethe's Briefen. — 

Der ruffiihe Gefandte Herr von Budberg verfücert, 
Kaifer ſei jegt wieder ganz wohlauf, entichloffen und ft 
freudig, nur über des Kaiferd von Defterreich ſchwarzen 
dank gräme er fich, der nage ihm am Herzen! — 

MWiener Reifende fagen, die Frau von Meyendorff {r 
von ihrem Bruder, dem Minifter Grafen von Buol, mit 
fter Berachtung, mit wahrem Haß. 

Und dabei will man thun, als ftehe man mit Defte 
gut! Dieſelben Reifenden erzäblen, der Kaifer Franz J 
ſpreche mit feiner Mutter, der Erzberzogin Sophie, nie 
aus Furcht, dag man jagen könnte, fie lenfe ihn. Sie 
jest in der That gar feinen Einfluß. — 

Wenn ich nicht widerftünde, fo machte mich Bettina 
und gar zu ihrem Sklaven; es ift unglaublich, wie fi 
Menfchen unvermerft einfänat und umſtrickt; ich bin erft 
wie ſehr ich mich ſchon von ihrem Treiben, ihren Anforderu 
und Wünfchen umfponnen fühle! Ich kann mid, aber 
auf meine Natur verlaffen, fommt ed zu einem gewiffen P 
jo hört alles auf, und die fefjelnden Bande reißen plößlich. 
pflanzt einem das Gefühl ein, ald habe man fein höheres 
liegen, als fie zufrieden zu ftellen. Sie will immer etwa 
dem Menfchen, den fie vor ſich hat, ihn bewundern un 
brauchen und neden, oder von ihm bewundert, gebrauch 
nedt werden. Kabel hatte nichts hievon, fie ftand 
Menschen rein menfchlich gegenüber, betrachtend, wohlwo 
und wenn fie einmal das Gegentheil fagte, einer fei gu 
zu dienen, für ihre Zwede gebraucht zu werden, fo wc 
nur Redensart, und geichah dann gewiß am wenigſte 
Bei großen, edlen Uehnlichkeiten welche Grundverfch 
heit! — 


215 


Bettina bat die zartefte Empfindlichkeit, kann durch dad 
Kleinfte tief verlegt fein, verlangt unausgeſetzt die forafäl- 
tigfte Rückſicht, die aufmerkfamfte Beachtung, und ift außer 
ſich wenn ihr dieſe nicht zu Theil wird. Recht ſchön, wenn 
diefe Eigenfchaft auch für Andre wirkte, diefen ebenfalld zarte 
Rüdjiht widmete! Aber im Gegentheil! Für Andre bat 
Bettina nicht die geringite Beachtung, behandelt Alle mit will- 
fürliher Yaune, ja mit fchnöder Rohheit, mit graufamer 
Shonungslofigkeit! Ihre oft gränzenloſen Unarten werden 
aber meifteng arg beftraft, fie kommt an die unrechten Leute, 
und wird felber behandelt, wie nur fie die Andern behandeln 
bil. Savigny's, Ludwig Tied, Schinkel, Rumohr, Wilhelm 
von Humboldt, Grimm's, Ranke — und wer nod fonft 
ale! — haben fie bitter empfinden laffen, wie ſolche Schnö- 
digkeit fchmerzt. — 


Montag, den 4. September 1854. 

Ih hatte einen berrlihen Traum von Friedrich dem 
Großen, — noch nie vorher hat mir von ihmgeträumt! Ich fah 
und ſprach ihn, ich küßte ihm den Rod nach alter Sitte, oder 
wollte ihn küffen, er aber gab mir die Hand. Er war prächtig 
anufhauen, ungeadhtet feiner abgetragenen Kleidung, feiner 
geüdten Haltung. Was er ſprach war kernhaft, geiftvoll, 
tel, man hatte feine iyreude daran. Das ift ein König! 
Naht’ ich, und weinte vor Rührung! — Der Traum war eine 
ſchöne Mitgabe in den Tag hinein! — 

Abende fam Bettina von Arnim wieder — fie war 
ſchon Nachmittags dagewefen, und hatte mir neue Päde ge- 
bracht —, blieb zum Thee und bie nah 9 Uhr. Sie war 
ufgewedt, voll guter Laune, erzählte Fleine Begegnifle ſehr 
omiſch. Sie Magte mir aber auch ernfthaft, ihre Stimmrigen- 
ntzündung iſt noch nicht vorüber, ihr ganzes Geficht aufge: 


216 


dunſen, fie hujtet ftarf. Dabei müht fie fich ununterbroden, | 
im Kleinen wie im Großen, beforgt alles felbft und allein; d 
it eine ungeheure Lebenskraft in ihr. Auch über Gortk 
wurde viel verhandelt, über das unerhörte Wagniß, den 
Werther herauszugeben; ich fagte: „Das ift freilich ned 
nicht vorgefommen! Schneidet ein junger Dann feine beften 
Freunde, feine Geliebte felbft, mit andern Leuten zufammen 
furz und Fein, mifcht es untereinander, ſtopft's in eine Di 
tung, und wirft die in’d Publikum!“ Da ich auf Goethen 
nichts wollte fommen laffen, meinte Bettina: „Der bataud | 
feine Sünden!” — Ja wohl, verfehte ih, aber es ſchadet 
nicht. — Ich felbft rechnete einige, Sündchen“ her, aber fprad 
ihn auch wieder frei; erfannt, vergehen fie aud) ſchon. — 


In Spanien legt man auf das Einfommen und die Güte 
des Scheufald Chriftine nun Beichlag; die Cortes ſollen ent: 
ſcheiden. hr meiſtes Vermögen hat dad Weib in den 
Vereinigten Staaten von Nordamerika ; in Betreff der Sicher: 
heit ift ihr auch Die Republik ganz recht. — 

Tolles Gerücht, der Kürft von Monaco habe fein Fürſten 
thum den Bereinigten Staaten verkauft, aber Sranfreich, En: 
land und Sardinien thäten Einfpruh! Als Gerücht jun 
merfwürdig! uropäifched Land ale Kolonialbefig Ro ' 
amerifa’3! — 

Die ruffifhe Flotte hat fih aus Kronftadt vor die Thüre 
gewagt, ift aber gleich erfchredtt wieder in's Haus gekrochen. — 

Shah. Im Cicero gelefen, in Goethe. Zwei Schriften 
über Goethe: „Der zweite Theil und indbefondere die Schluß: 
ſzene der Goethe'ſchen Fauſttragödie. Bon Dr. J. Bärens, 
Hannover 1854." 8 Dann: „Ueber dee und Zufammen: 
hang der Goethe'ſchen Fauſttragödie, namentlich des zweiten 
Theild. Bon Prof. Dr. J. F. Horn. Kiel 1854." 8. 

Meine Denktwürdigfeiten vom Jahr 1819 in Karlörube 





217 


md Baden bracht’ ich heule vorläufig zum Schluß. Es fehlt 
ich einiged. — 


Dienstag, den 5. September 1854. 

Iſt denn seht befondere eine Zeit der Träume für mich? 
elleicht weil ich den Tag über mid) mit Bildern viel beſchaͤf⸗ 
ige und wenig Leute ſehe, ſo daß die Ueberfülle ſich im 
hlaf abſetzt! Mir träumte ſehr lebhaft von der jetzigen 
belwerwirrung, ich verkehrte mit den verſchiedenſten Menſchen, 
at manches, ohne daß jemand eine Ahnung hatte, es ſei von 
it gethan, und wurde zuletzt ganz unruhig, ob ich das Rechte 
than? — 

Geſchrieben. — Beſuch von Herrn Dr. Levinſtein, einem 
tzte, der ſich ſeit dreißig Jahren aus Liebhaberei mit dem 
aamlet abgiebt, etwas über dieſes Trauerſpiel geſchrieben 
at, und nun mich zu Rathe ziehen will, ob er auch wirklich, 
ie er glaubt, alle Räthſel gelöſt habe? Ich glaube es nicht! 
Fin fleipiger Grübler. Den Seinen giebt ed der Herr im 
ohlafe. — 

Lager bei Boulogne, nahe an hunderttaufend Mann! Sind 
je gegen Rußland aufgeftellt ? Zum Ueberſchifftwerden in die 
Offee? Schwerlich! Aber wie ſchnell können fie am Rhein 
kin! Wem ift zu trauen in diefer Zeit? Einem Bonaparte 
jeniß nicht! — 

Man bietet nun alles auf, um in Spanien die Monarchie 
Auubalten, außer den wirklichen Royaliften find auch Frei: 
eitöfreunde zu diefem Zweck eifrigft bemüht, fie glauben eine 
jnaßvolle Freiheit dadurch zu fichegn, während eine ftürmifche 
ıld wieder verloren fein würde, Sie irren hierin, ihre Klug: 
it wird nichts bewirken, als vielfache verworrene Kämpfe, und 
n nochmaligen Berluft der Freibeit, die, wie jeßt die Dinge in 
ropa ftehen, nur im Sturm und Siege ſich halten fann. — 


218 


Welch andere Lebendbedingungen jetzt hier Statt finden, alt 
früher, läßt fich ganz einfach entwideln, wenn man vergleidt, 
was vor fünfzig Jahren ein junger Menfch zu thun batte, wenn 
er bier leben und gedeihen wollte, und was ihm jeßt zu thun 
auferlegt ift. Ob er Kaufmann, Beamter, Litterat oder Off 
zier fein mag, weld andern Weg findet er jept vor ih! 
Einen mit hundert Hinderniffen gepflafterten, ftatt des freien 
Feldweges, den er früher gehen konnte. So vieles ift unmög 
lich geworden, und wenig von dem möglich, was Damals un 
möglich fchien. Der Staat ift auf eine erfchredliche Wei 
ausgebildet und bereichert und geſchmückt worden, und ſelte 
fann man fagen, wen das zu Gute fommt. Der Staat oh 
leitende Getfter, ohne Staatdmänner, ift ein beſchwerliche 
Maſchinenwerk, bald mehr hinderlih ala nützlich. Ma 
nennt fo oft, noch jest, Preußen den Staat der Intelligenz; i 
alaube, es giebt heute feinen geiftloferen, gottwerlafenere 
Staat ald Preußen, ungeachtet noch viel Geift und Schmur 
außerhalb der Staatögeleife etwas wild in und herum 
läufts — 


Mittwoch, den 6. September 1854. 

Träume wilder Art, Seegefechte, Verlegenheiten weg 
Unfolgſamkeit der Schiffsführer, Matroſenaufſtand. — 

Die Nationalzeitung beginnt in ſehr preußiſchem Ton 
reden, die jetzige Politik Preußens unter gewiſſen Vorar 
ſetzungen richtig zu finden; bis jetzt kann ich ihr noch b 
ftimmen, aber der Wendepuntt ift ein gefährlicher! Sie neh 
fih in Acht! — . 

Gefchrieben. Dann Arnim’s Gedichte zu ordnen geſue 
eine harte Arbeit! Ginige taufend Blätter, fait alles fch 
zu lefen!. Und immer noch nicht alles, felbit dad Gedru 
ift nicht vollftändig da! Bon Rechts wegen müßte alles 


219 


ben werden ; wer will dad unternehmen, wer fann es? 
eund, ein fundiger Litterat ift dazu nöthig! — 

ı Bicero gelefen; Italieniſche KReifebefchreibungen, 
ag'ſche Streitfadhen. — | 
tiger Wind erhebt jich zur Radıt Sch denfe an die 
in der Dftfee, im Schwarzen Meer! Sie fünnen 
einen Sturm zerjtört werden. Wie hat die Cholera 
hon unter den Landtruppen gemüthet! — 

? Kreuzzeitung macht höhnifch die Bemerkung, ihre 
fei jegt die der Nationalzeitung geworden. Das ift 
lich nicht wahr, aber des Scheined ift fchen allzu: 


B die franzöfifchen Landtruppen aus der Oftfee fo 
g heimfehren, ift ein bedenfliches Zeichen. it die 
nicht eine Folge des preußifchen Verhaltens, welches 
mehr ruffiich wird ? denn neutral heißt in diefem Fall 
hiräglihede. Der Graf von Königsmarck war in 
teräburg beim Kaifer und der Kaiſerin, ale ein Schrei- 
er armen Wittwe gebracht wurde, Die ihre Erfparniffe, 
el, dem Kaifer ald Kriegsſpende einfandte. Der Kaifer 
Blatt, gab es dann der Kaiferin zu Iefen, indem er 
halt verkündete und die Hände zufammenfchlugend aus- 
Bott, wie fchredlich, daß man gezwungen ift, jo was 
ymen!* — Königdmard ift ein eingefleiichter, wüthen— 
fenfreund, oder vielmehr ein Freund des Despotismus, 
ie Ruffen ale folche find ihm ganz gleichgültig. Die 
‚die er im März 1848 perfönlich befommen hat, mar 
ht art genug! — 





220 


Donnerstag, den 7. September 1854. 

Die Vollszeitung rügt den Umfchwung, den die Nationul 
zeitung genommen hat; jene will Preußend kräftiges An: 
ſchließen an die Weitmächte, fie vergipt dabei nur, daß man 
ed mit Schuften und Lumpen zu thun hat, auf deren Emmi 
man fich nicht verlaffen fann. Freilich, wer felber Tabıd 
raucht, braucht die Gefellfhaft von Rauchern nicht zu 
ſcheuen! — 0 


Nachmittags in Arnim's Papieren gearbeitet. Alben! 
Ludmilla zu Kalkreuth's. — Bettina von Arnim Fam ver 
halb 8 Uhr, tranf Thee mit mir, und ging gegen 10 Uhr 
Sie war voll Dankbarfeit für meine begonnene Arbeit 
bewunderte unaufhörlich, was ich ſchon gethan, wollte mid 
hundertmal umarmen, „wenn Ihnen daran was gelegen 
wär!" Wahrheit und Schmeidelei. Wir befprachen dann 
viel Einzelned in den Gedichten, Lebensbeziehungen, Anfpie 
lungen ꝛc. — Ueber Preußen, den König, wie er war und wie et 
jet geworden ; die Veränderung ging gleich nach dem Regie 
rungsantritt vor fich. Zwei große Umftimmungen über Nadt, 
in Königsberg 1840 ald um Neichöftände gebeten wurde, in 
Berlin 1848 wegen der Kaiferfrone; beides wollte er, dann 
plöglich nicht. Ueber den Borwurf, der allgemein dem 
Könige gemacht wird, daß er feige, erzfeige fei, befonter® 
von den Hofoffizieren und Ariftofraten ihm gemacht wird; Huf 
diefer Parthei gegen ihn. — 


Mit Ludmilla Geſpräche. — Im Eicero gelefen, in Goethe 
Tagesfachen, franzöfifhe Blätter. — 


Man will verfihern, die preußifche erſte Kammer fei | 
gut wie fertig. Man bat die bedenflichen Zeitläufte benutz 
fo heißt ed, um die Abneigung ded Königs zu überwinden, ı 
babe jich endlich dazu verftanden, die geeigneten Perfonen ; 
erblihen Paird zu ernennen. Wer foll denn das bewir 


221 


aben? Seine nächte Umgebung? Seine Minifter? Sollen 
te und am Ende noch für Konftitutionelle gelten? — 

Die jepige Haltung Preußens ift zwar feine fehr ehrenvolle 
nd dauernd nüßliche, aber für den Augenblic vielleicht doch 
fe befte, die bei den vorhandenen Perfönlichkeiten möglich ift. 
Aber an eine einjichtövolle Leitung ift dabei nicht zu denken, 
iemand hat das Berdienft oder die Ehre einer folhen! Es 
N lediglich das Schidfal, das die Sache fo führt, lediglich die 
Naht der Umftände, die aus der entichiedenen Bolkaftimme 
gen Rußland, und der entfchiedenen Hinneigung ded Königs 
uRupland, diefe Diagonale hervorbringt, die zwifchen beiden 
Rihtungen die Mitte hält. Preußen war vielleicht nie fo 
mm an Leitern und Führern wie grade jept! Kein gefunder 
Ropf it vorhanden, fein Staatsmann, der nur über das Mit: 
telmäßige wäre, die meiften find tief drunter. Und welche 
Diplomaten! Die trübfeligften aller Schächer! — 


Freitag, den 8. September 1864. 

Unruhige Träume, von Tettenborn, von Berlegenheiten ; 
dergleichen läßt für den Beginn des Tages eine fchlechte Stim- 
mung zurück! — 

Ich ſtützte mich in die Arnim'ſchen Papiere, mit einigem 
Erfolg; ich fand fehlende Stücke glücklich heraus und zu: 
ſammen; aber welcher Wuft ift noch aufzuräumen. Dabei 
das bloße Lefen fo ſehr ſchwierig! — 

Billet und Sendung von Herrn von Henning, er ſchickt 
nit vierzig ſchöne Autographen, von Jakob Grimm, Rückert, 
ꝛeo, Bopp, Gries, Beſſel, Gabler, Minckwitz ı. — 

Brief aus Köln von Herrn Dr. Düntzer. Anfrage. — 

Sendung aud Straßburg vom achtzigjährigen Dichter 
amey, einen Abdrud feiner Gedichte, die erfte Abtheilung 


222 


ihon 1852 erfchienen, die zweite 1854. Die Sendung mir 
ein Vierteljahr unterwegs. Wie vor den Eifenbahnen! — 

Bormittage Beſuch von Herrn Dr. Vehſe. Nachrichten 
aus Sahjen. Der Schädelfnochen des Könige war vom 
Hufſchlag des Pferdes in fünfzig Stüde zerfchlagen Pa 
Reibarzt Carus fand im Gehirn Anlagen zum Trübjinn, de 
ich unfehlbar entwidelt haben würde. Daß der König ein 
ſchwacher unbedeutender Menſch gewefen, darin jind Al 
einig, ebenfo darin, daß er ein erbärmlicher König geweſen: 
ob auch ein boshafter, Darüber wird gejtritten. — 

Bettina von Arnim brachte mir nachträgliche Papiere. 
Dann auch einen Band handfchriftliche Dramen, die fie in di 
Druderei geben will. Ich fell fie durchſehen, und die Drud- 
revifion übernehmen; ich lehne beides ab. Das wäre zuviel! 
Sch widme ihr fo ſchon eine ganze Reihe von Tagen, von 
Wochen vielleicht! Und von meinen eignen Sachen überlaft 
ih die Drud- Korrektur Anderen. Die Augen, die Augen: 
Sie nahm das Paket wieder mit. Dankte nody hunde: 
mal. — | 

Der Oberſt Grad, der Vertheidiger Siliftria’s, ijt in 
Ruſtſchuk an der Cholera gejtorben. Schade! in dem beiten 
Dannesalter! — 

‚Nun feht ihr doch, wozu der — Louis Bonaparte gut 
it? Die Gefchichte brauchte einen ſolchen, um den Dünte! 
und die Macht des Kaiferd Nikolai zu demüthigen, der 
Dienft leiftet jener, und ein waghalfiger — mußte ihn leijten 
die Demütbigung wäre fonft nicht vollftändig gewefen; un 
feiner der fogenannten legitimen Fürſten hätte den Muth un 
dad Zeug dazu gehabt; auch feine republifanifche Regierun 
hätte ed wagen und durchführen können.“ Die Auffaffun 
iſt nicht übel! — 


223 


Sonnabend, den 9. September 1854. 

Shlehte Nacht, durdy Träume und Schlaflofigkeit. Bet: 
nend Sachen lagen wie ein Alp auf mir. — 

Geihrieben, und in Arnim's Papieren fleißig gearbeitet. 
in wenig lichtet jich das Didicht, aber nur ein wenig. Noch 
il mühfelige Arbeit ift zurück! — 

Bettina von Arnim fam Nachmittags, und bradyte mir 
inige Blätter, die fie mit Mühe entziffert und abgefchrieben 
at; aber anderes hatte fie vergeſſen. Sie erzählte mir von 
deiprächen, die fie gehabt, auch über Rahel, und ſprach fo be- 
eiſtert und treffend über fie, Daß ich es befonders aufgefchrieben 
abe. Sie fagte, manches habe fie felber auch, was Rahel 
atte, aber nicht alles und nicht in folchem Grade, fie hulte 
ichts feſt, es ließe ihr alles wieder weg. Merkwürdig war 
oh, was jie über Clemens Brentano’d Philifter fagte, es fei 
ar nichts drin, fein Wis, fein Humor, gar nichtd. Das 
and ich beim Wiederlefen — vor längerer Zeit — auch; 
ıber Thatfache iſt, Daß vor dreiundvierzig Jahren die geijt- 
oolien Männer Berlins außer fi waren Vor Lachen und 
bewundern dieſes tollen Erzeugniffes. Bei Arnim's Gedichten 
tomme ich auch auf befondere Gedanken, die ich Bettinen 
nicht fagen darf; er war edel und edlen reichen Geiftes, aber 
it jelten etwas reif bei ihm geworden, und er gab das Un- 
teile hin, ald wenn es doch fein Beſtes wäre! Nachläflige 
Villküͤr lag in feiner Natur, an (Fleiß und Arbeit hat er es 
nicht fehlen laſſen, es finden fich vier bis fünf Umarbeitungen 
md Ausfeilungen defielben Gedichts, aber fein Feilen und 
Raharbeiten war nichts andres, als das erfte Dichten fortges 
tt, ohne mehr Strenge und Befonnenbeit.e Auch hat er 
nendlich viel geichrieben. — 

Staliänifche Reifeichilderungen gelefen ; im Plinius, wegen 
3 Befund. — 

„Der bier im Haufe wohnende Prinz Wilhelm von Baden 





224 


ift bei Hofe nicht recht angefehen, er iſt zu freifinnig!“ 
ſpricht die Dienerfchaft hier unter ſich; ordentlich diefes 
„Freiſinnig“, es hat im Volke ſich in Umlauf geſetzt! — 

Ein altes Bild, dag jeder Menſch ein Staat im A 
fei, mit allen möglichen Anftalten, die alle in Harmonie ; 
halten find und in fteter Wirkjamfeit, wenn das Gan; 
deihen foll; ein altes Bild, auf das man aber nicht oft ı 
zurüdtommen fann! — 


Sonntag, den 10. September 1854 

Unruhige Nacht. Gefchrieben, und in Arnim's Pay 
gearbeitet. Heute verzweifle ich faft, fo fchwierig und 
widelt ift alles! Hätte ich mir doch diefe Sache nicht u 
laden! Ich fann fie doch nicht auf meine Art erledigen, 
auf Bettinend Art auch niht! Es wird mit Verdruß e 
und anftatt mir zu danken, wird fie auf mic, fchelten. 
muß die Saden über’d Knie brechen, es geht nicht aı 
Wie hat Arnim mit jenen Sachen gewirtbfchaftet! 5 
viermal kommt daffelbe wieder vor, allein, in Berbin 
wieder in anderer Berbindung, in Proſa eingeflidt, m 
vermifcht. Und die Handihrift? Nicht zu leſen! ( 
eine Herkulesarbeit! — 

Mit Ludmilla ausgegangen. Als wir nach Haufe k 
fanden wir Bettina .von Amim und Frl. Gifela uns e 
tend. Bettina brachte Abjchriften, die fie angefertigt 
und neue Blätter, wieder größtentheild unledbare! . 3 
und Schwierigkeiten! — Wie fie mich wieder lobte, 
ich ihr, daß ich fürchte, fie werde Fünftig ganz unzufi 
mit mir fein; da verfeßte fie ganz ernft, fie glaube 
daß fie jemald, wenn man ihr einen Gefallen, einen 1 
erwiefen, died mit Undanf gelohnt habe, daß fie mir 


225 


gen müffe, mit folcher außerordentlihen Güte und Freund— 
qhleit, wie ich, habe ihr noch) niemals jemand einen fo großen 
zefallen und Dienft erwiefen. Da wurden denn meine Ketten 
we um fo fefter angezogen! — Sie blieben zum Thee, und 
5 gab Luſtiges und Ernſthaftes genug, auch Gifela trug 
dad Ihrige hei. — 

Unfere Minijter find unzufrieden mit Hindeldey, er nimmt 
ſich in feiner neuen Würde viel heraus, thut ald wenn er ihres 
gleichen wäre, und doch fehr ärgerlich es nicht zu fein. Die 
Unterbeamten paflen ihm fehr auf, und rechnen ihm feine Aus- 
gaben nah. Der Magiftrat fieht ihn ald eine Plage der 
Stadt an. — 

Das Unternehmen auf Sebaftopol findet nun wirklich Statt. 
Aus der Dftfee kehren die Landtruppen nad Frankreich 
urüd, — 

In Spanien republifanifche Ausbrüche, in Madrid felbft 
ſt das Anfehen der Königin für diesmal noch erhalten. — 

Man träumt und fehnt fih oft in ein anderes Zeitalter, 
a andere Berhältniffe, und meint, man würde in diefen glüd- 
iher gewefen fein, mehr geleiftet und mehr erreicht haben. 
darin hat man nur in fo weit Recht, ald man fich einzelne 
zezüge und Richtungen denkt, Bruchftüde ded Lebens, der 
Bünfche, der Begabung; fo wie man den Blid auf dad Ganze 
irft, Diefes in allen feinen Theilen umfaßt, wird man zulebt 
fennen müffen, daß man nur recht in die Zeit und die Ber- 
iliniſſe paßt, die man wirflich durchlebt hat. Das Demüthi- 
ade in dieſer Betrachtung wird durch das Tröftliche in ihr 
fgewogen. — 


jarnhagen von@nfe, Tagebücher. XI. 15 


226 


Montag, den 11. September 1854. 

Befuh von Herrn S.; er fommt aus Paris, und brint 
mir feine Schrift: „Entrevue de Napoleon L are 
Goethe,“ die ihm von Louis Bonaparte mit einer goldenen 
Denkmünze gedankt worden; er jchildert den Zuftand von 
Frankreich als fehr unficher, und hält den Kaifer bei großen 
Kriegeunglüd fogleih für verloren. Der Marſchall Samt 
Arnaud, ein elender Kerl, der fogar feinem Herrn und Meiftt 
200,000 Franken in Bankzetteln aus dem Zimmer geſtoh—⸗ 
len hat! — 

Gegen Abend kam Frau Bettina von Arnim, trank The 
mit und, und blieb bis halb 10 Uhr. Anftatt mir Papier 
zu bringen, auf die ich warte, bringt fie mir andre, und fiel 
mir ohne weitered einen ganzen Akt eined Arnim'ſchen Trauel 
ſpiels vor, ich foll ed durchfeben, und dann will fie eö eilia 
zum Drud abgeben. „Warum denn fo eilig? warum ei 
in's andre fchieben ?* Die Druderei quält fie jo ſehr, es fel 
gerade an Arbeit! „Nun, Sie find doch nicht verpflichtet, 1 
Druderei zu befchäftigen ? Laſſen Sie fie warten!” Nein, d 
gehe nicht, was noch im November fertig werde, das kom 
auf die nächfte Nehnung. Das ift der wahre Grund! € 
wollte ihn aber nicht angeben, er entfchlüpfte ihr wider Wille 
Biele Erzählungen von Savigny’d, von Arnim, von Grimm 
von der Gräfin von Bohlen, aus Kaffel vom Hofe Jerome 
viel Muntres und Yuftiges, aber man kann fich auf nichts ve 
laffen. Etwas Wahres liegt ihren Erzählungen immer zu 
Grunde, aber alles drum und dran ijt willfürlich zwrecte 
macht, gränzenlos übertrieben, trügeriſch ausgeſchmückt. Ar 
ift fie nicht dahin zu bringen, auf bejtimmte Fragen beitim 
zu antworten, nicht die kleinſte Thatfache läßt fich auf's Rei 
bringen, feine Jahrszahl, kein Ort, alled bleibt unbeftim 
und willfürlih. Wieder hat fie an den König Ludwig ı 
Baiern gefchrieben wegen der Tizian’fchen Kopie von Ra 


227 


diesmal aber grade heraus, er fol ed kaufen, „auf andre Art 
it der Ratti'ſchen Familie doch nicht zu helfen!" So heißt ed 
heute, vorher aber hieß ed, man wolle nicht? dafür haben, der 
König folle dad Bild nur irgendwo aufftellen, bezahlt fei ed ja 
hen! Heute fagte jie auch, Ratti folle nur gleich felbit das 
Bild nach) München bringen, fie habe ihm dazu 150 Thaler 
Reifegeld gebracht. „ Nicht von meinem Gelde, ſetzte fie hinzu! 
Jh glaube doch, von ihrem! Sie hat ed mit Ratti, wie mit 
Steinhäufer gemacht, ihnen Dinge vorgeipiegelt, die nicht 
ganz richtig find, und ift nun in Verlegenheit. ch beflage 
fe, fie bat viel Noth und Leid, aber wahrhaftig fie macht's 
auh darnach! Geſchmeichelt hat fie mir wieder heute fehr. 
Ih bin aber nicht der Narr, der alled glaubt, — 

Dr. Gutzkow in Dreöden ift Ritter des weimarifchen Falken⸗ 
ordend geworden. Im Jahr 1835, in meiner Antwort an den 
Fürſten von Metternich, der mich gefragt hatte, was es mit 
dem jungen Deutfchland fei, hab’ ich fo was vorausgefagt. — 


Dienstag, ben 12. September 1854. 


Ich hatte einen böfen Traum von Bettina von Arnim, fie 
benahm fich fo unartig, fo gewaltfum, daß ich im Ernft ärger: 
ih wurde, und ed zu unangenehmen Erflärungen fam. ch 
machte um A Uhr auf, und die gereizte Stimmung dauerte 
noch lange fort, mir fiel alles Widrige ein, von dem meine 
Lerhältniſſe belaftet find. Mit der Tageöhelle begann ich im 
Sicero zu lejen, und fchlief fpäter wieder ein. — 

Wie gewöhnlicdy aufgeftanden. Gefchrieben. Weber die 
on der Nationalzeitung gemachte Schwenkung. Sie erfennt 
gewiffem Sinne die Verfaffung an, die jegige! Dann muß 
auch an den Wahlen theilnehmen. ch ftellte vor längerer 


it leptered in Frage, ohne damit das erftere zu verbinden. 
15* 


"228 


In Arnims Papieren gearbeitet. Wer es nicht mi 
fiebt,, hat feinen Begriff von den Schwierigkeiten. 
wie verlarot, durch fchlechte Handfchrift, Durchbeſſ 
andere Abfchriften, andere Titel, andre Einreihung. 
einem Maskenball quält man ſich mit langem Rat 
Enträthfeln, und findet zulegt ganz unbedeutende ! 
wieder, Dabei fommt Bettina ftet® mit Neuem, ic) 
ſicher, alles zu überjehen! — 

Im Morgenblatte fteht von Dünger — ohne fei 
men — die Rechtfertigung Goethe's gegen Oken's A 
auf Entdedung des Zwiſchenknochens. Goethe's Br 
völlig erwiefen und fteht unzweifelhaft feſt. Aber aı 
braucht ed nicht von Goethe genommen, Tann ed ebenf 
det haben. Das geht ja gar oft jo. Wenn ein Ge 
erft an der Zeit ift, fo fieht ihn mancher, ohne von 
zu willen, Leibnitz und Newton. Ein deutjched Un 
ale Gegenfag zum Bundestag, wurde auch von ı 
gleichzeitig in’d Auge gefaßt, öffentlich indeß hat es ı 
jo viel ich weiß, ausgefprochen. Hätten wir's nur, 
es einerlei, wer zuerit den Gedanken gehabt ! 

Der Minifter des Innern hat ausgeſprochen, day d 
Mitglieder der bürgerlichen Gemeinden find, ein v 
Jude alfo nicht feiner religidfen jüdifchen Gemeinde 
fällt, fondern der bürgerlichen, zu der er gehört. Einm 
Geſcheidtes von einem Drte ber, der fonft wenig de 
liefert ! — 

Der alte Hofgerichtörath von Itzſtein aus Mannh 
in Naffau lebend, befannt wegen feines tapfern rei 
den badischen Ständenerfammlungen und in der 1 
Nutionalverfammlung, ift vom Mannheimer Gerich 
Geiſtesſchwäche entmündigt worden. Er ift über 
Fahr alt. — 

Bettina von Arnim fam als wir beim Thee wa 


229 


ſtelte aber nur draußen, daß fie feine Zeit habe, und nur 
jagen wolle, Grau von Goethe fei bei ihr gewefen, und erwarte 
meinen Befuch, fie bliebe nur ein paar Tage, dann reife fie 
nad Rom. — 

Zur Abwechslung mal wieder im Homeros gelefen. Wo 
it mein fchöner Hefiodos hingefommen! Und die andern 
Klaſſiler! — 


— — — — 


Mittwoch, den 13. September 1854. 

Die Schwenkung der Nationalzeitung erregt Aufſehen, 
abet niemand verdächtigt fie Deshalb, man ſetzt nur reine Trieb- 
fetern voraus, die der Ucberzeugung,, welche freilich im eige- 
nen Sinn ein Jrrthum und Mißgriff, anderer Ueberzeugung 
gegenüber eine falfche fein kann. Es ift unfere befondere 
Rage, daß unfere Baterlandsliebe in Preußen nicht aufgehen 
fann, fie fließt immer etwas über auf Deutfchland, und in 
manchen Fällen fließt faft alles dahin über! Diefer Klumpen 
von Rindern und Menfihen, wenn er vertheilt, oder ganz ruf: 
ih wird, ift er dann noch Preußen? Preußen, das ich meine, 
bat nicht bloß einen Körper, hat aud) eine Seele, einen Geift, 
— der todte Leib, wenn Seele und Geift nicht mehr in ihm 
ind, mag begraben werden! — 

Geſchrieben, und meine Arbeit in Arnim’d Papieren fort- 
geieht. Manches darin ift ohne thatfichliche Angaben gar 
niht zu verftehen, Bettinen’d Erläuterungen find aber feine, 
ie verwechfelf alles, und wenn man ihr beweift, daß fie das 
ue, fpringt fie zu anderm über. „Das ift im Jahr 1809 
wefen, darauf fönnen Sie Sich verlaffen, — oder im Jahr 
25,” fügt fie hinzu! — 

Rheumatiſches Kopfweh zwang mich bald von aller Arbeit 
uftehen und mid) rubig hinzulegen. Sehr verdrieglih! — 

ch laſſe mich verleiten, gegen 3 Uhr in den Thiergarten 





230 


zu gehen zu dem Volksfeſt, das zu Guniten der Sd 
anftaltet worden. Gin großer Theil des Thierga' 
Thore bis zum Großen Stern durch Tagdneke ı 
innerhalb deren fechzehn Militairmufifen ohne Unt 
an fo viel verfchiedenen Orten ſpielen. Zahlloſe V 
Buden, Corfofahrt, alle Konjtabler auf dem Plake 
zu Fuß. Ungefähr wie im Prater, die Polizei a 
Nach anderthalb Stunden Umberwandeln Famen wi 
nah Haufe. Im Ganzen fein freudiger Eindrud'! 
man unerfreuliche Gefichter, ein befohlene® Bergn 
Steuer, die Hindeldey ausgefchrieben! Man rechne: 
80,000 Menſchen im Thiergarten waren, — 

Frau Bettina von Arnim fam, ald ich eben K— 
fie hatte nody nicht gegeffen, war ganz verhunge 
Stüd von meinem Brot, ich merk' ed an, weil fie 
fonft um feinen Preis thut, ed muß groß nöthig fei 
eiligft über Frau von Goethe, wünfht daß i 
fuchen möchte; ich weiß nicht, weßhalb Bettina Die 

Empörendes Benehmen der ruffiichen Generale 
berg und von Often-Saden gegen die walachiſche 1 
meine Schergen und Despotenknechte! — 

Furchtbare Proflamation des ruſſiſchen Be! 
Krufenftern in Odeſſa! Man wird dem Feinde 
Kräften widerſtehen, fullte er aber doch im Vorthe 
wird man die Stadt in Schutt verwandeln, und 
Einwohnern, die verfuchen würden, den Brand zu I 

Schach mit Yudmilla. In der Ilias weitere 
Goethe's Gedichten, in denen immer Neues gefunde 
neu veritanden wird! — 


Die Polizei hat alle befannten Tafchendiebe 
morgen in eine Art Haft gebracht; hat fie dazu t 
Bloß weil e3 ihr bequem ift, aud Verhütung? — € 


231 


{8 verhaftet worden, weil er Schmähungen auf den König 
= ausſtieß. — 

Der König hat eine Höflingsklaſſe, die bei uns lange nicht 
mehr beſtand, wieder eingeführt. Gr hat ein paar Kammer⸗ 
:  junfer ernannt, eine Abart der Kammerherren. — 

Dreer Bundestagdgefandte Herr von Bismard-Schönhaufen 
führte bier die wohlfeile Klage, daß unfere diplomatischen 
Schriftſtücke ſo jämmerlich abgefaßt würden, und und überall 
- Schande machten. Herr von Manteuffel nahm ihn beim 
VWort, und erfuchte ihn, felber eine jept eben nöthige Depefche 
abjufaſſen. Bismarck mußte wohl oder übel dran gehen, und 
lieferte die vom 3. September, die unter allen fchlechten die 
w ihlehtefte geworden, und nun auch nur verächtlich die Bis— 

maic'ſche heißt. — 


Donnerstag, den 14. September 1854. 


Bettina von Arnim giebt Abfchriften ab, ungenaue, wenig 
hrauchbare. — Abends famen Frau von Goethe und Fräulein 
Ftommann. 

In der Ilias geleſen, und etwas im Pindaros. Welche 
Belt, dieſe griechiſche! Wir können nur ſtaunen, ung in die 
Mitte diefer zauberifchen Fülle zu verfeßen, gelingt uns nicht. 
| Und fo was hat untergehen müffen! Doch lebt es in unfrem 
Staunen vielleicht ſchöner fort, als es in der Wirklichkeit war. 
' Bir haben aber von diefer feinen Begriff. — 

Zuletzt las ich in Cicero’d Briefen an den Atticus. Wie 
ganz anders iſt fchon dieſe römische Welt! Sie lebt noch in 
F uns fort, al& Unterbau unfrer Lebendeinrichtungen und Gejins 
nungen ; in ihr iſt viel Modernes; gegen die griechifche, heitre, 
jtrahlende Welt fommt fie mir ganz falt und düjter vor. — 
Humboldt ift heute fünfundachtzig Jahr alt geworden. 
Die Unternehmung auf Sebaftopol wird ausgeführt; die 





232 


Flotten find aud Barna abgeſegelt. Was wird erfolgen? G 
fann ein Wendepunft für vieled werden! — 

Der Prinz-Regent von Baden ift bier angelommen. — 
Der Kaifer Nikolai fchreibt eine neue Nefrutirung aus, zehn 
Seelen auf taufend, das beißt taufend männliche Seelen; — 
man fann daraus fehen, wie falfch die prahlerijchen Angaben 
über die Truppenmenge waren, und wie groß die Berlufte ar: 
weſen fein müffen. — Thätig ift Rußland nach allen Seiten, 
mit Erfolg jet auch wieder in Perfien. — 

Die Karliften find in Frankreich und auch in Spanien 
wieder fehr in Bewegung, jedes neue Ereignig machen fie ſich 
möglichft dienftbar, und ihre Sache halten fie, fogar indem je 
ihr abtrünnig werden, noch mit Zähigfeit fell. Wenn die 
Sreiheit mißräth, kann ed den Karliften gelingen, bid zu ge 
wiffem Grad, und keineswegs auf fehr lange. — 

Preußen, der Schlinge ledig, die ihm Defterreich einen 
Augenblid um den Hals gelegt, erflärt nun gradezu in Parie 
und London, es wolle neutral bleiben. Necht gut, wenn die 
Andern ed zugeben! Aber wehe, wenn fie ed nicht erlauben 
wollen, wenn fie darin eine Partheilichfeit für Rußland feben 
und ftrafen! Die Leute, die in Preußen am Ruder find, wer 
den ed bereuen, oder wenigſtens das Land wird es bereuen, 
wenn ihr Unverjtand und Uebermuth und dad Lager von 
Boulogne auf den Hals zieht! — Wenn das Unternehmen 
gegen die Krim gelingt, werden die Weftmächte, und Defter 
reich mit ihnen, eine hohe Sprache führen! — 


Freitag, ben 15. September 1854. 
Wenig Schlaf, und früh aufgeftanden ; gefchrieben und i 
Arnim’d Papieren gearbeitet; einen großen Theil bewältia 
und zwei Bände Gedichte ziemlich in Ordnung gebracht, wob 


233 


illa mir durch fleißiges und fchnelles Abfchreiben gut ge⸗ 
. Für einen dritten Band ift noch Borrath übrig, aber 
eſte ift vorweggenommen, und es ift mit zwei Bänden 


+ 


ım Thee kam Bettina von Arnim und blieb zwei 
en. Sie brachte einige Abfchriften, die fie gemacht 
Ne aber fo wie fie find gar nicht gebraucht werden 
. Sie lad die meiften Sachen vor; einige abweichende 
en in den verfchiedenen Urfchriften waren fogleich nicht 
teine zu bringen. Allerlei Erzählungen, auch von 
's Leidenschaft für Fräulein Schwind, nachherige rau 
dißmann. Arnim foll zwei Tage vor Prinz Louis 
and’d Tod deifen Adjutant geworden fein; gewiß nur 
dung! Nie hab’ ich gehört, dag Arnim je im Kriegs: 
gewefen, audy war er nachher in Königsberg nur als 
ling; wie hätte er fo fchnell den Abſchied nehmen kön— 
Bettina macht ihre Phantafieen, ihre Wünfche, unbe: 
h zu Wirklichkeiten; fie bezeichnet auch Arnim’fche Ge- 
ald an fie gerichtet, die ed unmöglich fein Fönnen. 
war fie heiter und fomifch, zum wahren Ergößen. Mit 
"Behandlung der Arnim’fchen Gedichte iſt fie — jebt — 
tieden, daß fie mit liftigem Lachen mir droht, näch— 
yürde ich eingefangen werden, und nicht eher wieder los— 
1, als bis das Letzte von Arnim's Sachen fertig gedrudt 
wie früher die Alchymiften, um Gold zu machen! — 


ch ihrem Weggehen plauderten wir noch. — In der 
jelefen, in Cicero's Briefen. — 


re Schredensnadhricht! Morik Hartmann ift in Buka— 
n den Defterreichern verhaftet und nach Defterreich abs 

worden. Der Unglüdlihe! Die Nachricht fchneidet 
3 Herz! Ich mochte Ludmilla'n nicht merken laffen, wie 
Aber wiefo er in Bufareft blieb, fich dem Feind anver⸗ 


234 


traute, kann ich nicht begreifen. Der cdle freifinnige Bater: 
Iandefreund und Dichter! — 


/ 


Sonnabend, ben 16. September 1854. ! 

Nachmittags wieder mit allem Fleiß gearbeitet, mande : 
umarbeiten müffen, Bettina jtört mich mehr durch ihre Sulfe, ° 
ald dag fie mir hilft, und bei allem drängenden Eifer ver ; 
nachläffigt fie das, was fie allein thun fann, nämlich das Ser 
ausjuchen von Papieren, die noch fehlen; dafür möchte jie mt ; 
ſchon wieder andres aufbürden; mit ihr Gefchäfte zu haben, 
ift eine fehwere Aufgabe. Ich habe zum Glück nicht Geſchaͤfte 
mit ihr, fondern beforge nur einen Theil der ihrigen, ohne 
eigne Verantwortung. — 
Zudmilla ging gegen 7 Uhr zur Gräfin von Ahlefeldi. 
Gleich darauf fam Bettina von Arnim zu mir, und blieb den 
ganzen Abend. Sie fah ſchlimm aus, und Elagte wiederhelt, 
ed fei aus mit ihr, fie fei hin! Ihre Stimmrigen- Entzündung 
ift nicht geheilt, fie fürchtet ſchlimme Folgen. Dabei ware: 
doch ganz aufgewedt, erzählte die luſtigſten Gefchichten, ſprach 
ausführlich über ihre Gefchwifter, über Frau *. Die legten, 
fagt fie, habe fich vorgefeßt, eine Rolle zu fpielen, eine Bettin 
zu werden, wolle ein Buch druden laffen, deffen Proben gan 
erbärmlich feien, fie nehme alle Zonarten an, die muthwillg 
iten, die frömmelnditen, und babe ein gewiſſes Talent, ihr 
Unruhe und Betriebfamfeit ale Anmuth und Genie geltend! 
zu machen. — Sie ift für Bettinen die ergöglichfte und auf 
wieder abjtopendfte Erjcheinung, fie lacht über ihre Abentheuer 
lichkeit, und ſchilt auf fie, will fie jedoch gejchont willen. 
Bettina brachte auch ein Heft mit, das ihr einige Studenten 
ale Danf für die Widmung der „ Günderrode* überreicht haben, 
eine fchöne Zeichnung, wie Bettina ihrer Freundin, die am 
Fenſter figt und auf den Rhein blidt, niedergebeugt die Haare 






235 


icht, von ſechs Sonnetten begleitet, die ich ihr vorlefen mußte; 
ie hatte vergeffen, daß fie mir alles fchon gezeigt. Am Ende 
agte fie: „Das fönnten Sie recht gut dDruden laſſen!“ Ich 
ging aber darauf nicht weiter ein. — Zum Thee fam aud 
Ftau von T., die fchon eine ganze Zeit hinten geſeſſen hatte, 
weil fie meinte, Bettina und ich hätten was Befonderes zu 
ſptechen. „D Gott bewahre!” rief Bettina, „wir zwei find 
einander ſchon lang ſatt!“ Nun erfolgten die anziehenditen, 
gebaltreichiten Geſpräche. — 
Für Morig Hartmann erheben jich viele Stimmen. — 


Sonntag, ben 17. September 1854. 

Gefchrieben. In Arnim's Papieren gearbeitet, einiges 
Unangemeſſene aus der Neihe wieder ausgefchieden. — 

Ausgegangen mit Ludmilla in den Thiergarten; Beſuch 
bei Bettina von Arnim, Gijela fam auch zum Borfchein, gute 
muntre Stunde; Bettina begleitete ung eine Strede, und lief 
dann durch den Wald zurüd bid zu ihrer Wohnung, um 
unfere Rückbegleitung zu verhüten. Mich entzücte das junge 
frifche zweite Grün der hohen Wipfel, das auf den Raupen 
fraß gefolgt war, und nun im Herbſte nocd wie (yrühling 
auefieht. — 

Zu mir fam Bettina von Arnim und brachte einen großen 
Pat Drudblätter, lauter Rezenfionen ihrer Bücher und 
ritiſche Auffäge über fie; wir ſahen fie durch, es waren meift 
ortheilhafte, aber auch einige ſchlimme; wie fie fich dabei be— 
ahm, ijt gar nicht zu bejchreiben, bald hochmüthig wegwer- 
nd, bald geichmeichelt aufmerffam, bald ald ginge fie die 
ache gar nichts an, bald als ſei ihr alles daran gelegen, die 
nze Sammlung in einem Bande gedrudt erfcheinen zu fehen. 
(es was fie von Andern gejagt wünfchte, fagte fie felbit, 
mches wollte fie durchaus vergeffen haben. ch hatte bei 


236 


ihren Abentheuerlichkeiten oft alle Mühe die Faſſung zu behalten. 
Sie that mir auch fehr leid, ihr wird.alles fo fchwer, fie mötte 
fich geholfen fehen, und ihr kann doch niemand recht helfen, 
fie macht es einem zu ſchwer, und faft unmöglich ; dieſes At 
fpringen, Died Durcheinandermifchen,, diefe fich Durchkreugen: 
den Plane, diefed Fallenlaffen und Wiederaufheben, diees ? 
Unvolltändige in allem, wer kann dag alles mitmachen und 
aushalten! Auch ein andres Padet, Briefe des Ilius und } 
der Ambrofia, hatte fie mitgebracht, zeigte mir es aber nur . 
obenbin, und nahm es wieder mit fort. — Wir tranfen The. | 
— Ludmilla Fam aus dem Theater, fehr zufrieden mit dem 
Erfolg von Sternberg’s Meinem Stüd. Bettina blieb ned | 
eine Weile, dann ging fie mit ihrer Begleiterin ab, und ließ 
mir dad Packet Drudblätter auf dem Hals, das ich dann mit ; 
Ludmilla einigermaßen ordnete. — 

Befümmernige um Mori Hartmann! Was jich für ibn | 
thun läßt? Nicht das Geringfte, außer dag man in öffent | 
lihen Blättern ihn bedauert, fein Schidjal beflagt, ihn ald4 
Dichter und als Tiebenewürdigen Menfchen preift. Jeder | 
andere Schritt, z. B. eine Bittfchrift für ihn mit vielen 
Unterſchriften einzureichen, oder England und Frankreich zu 
feinem Schuß anzurufen, würde nur erbittern, in Wien und ' 
hier erbittern. — Noch fehlen alle näheren Nachrichten. — 


“ 





Montag, den 18. September 1854. | 
Während ded Sturmes fchlief ich zwar, hatte aber ſchwere, 
beängftigende Träume, die Noth mit den Arnim’fchen Gr 
dichten ftieg auf's äußerfte, und ich fagte mir im Traum, fe 
arg fei es doc) bisher nicht gewefen, und fünne es eigentlid 
nicht fein. — 
Gefchrieben. Einige Geſchäfte beforgt, dann das Regifter 
von Arnim’s Gedichten verfaßt. Es trat der feltene Fall ein, 


237 


ah ich mit allem, was ich mir vorgefeht, im Laufe des Bor: 
mittags völlig fertig wurde. — Den Nachmittag verdarb ich 
mit damit, daß ich zufällig in einer alten nordamerifanifchen 
Zutihrift „The dial“ — Boston im Oktober 1840 — einen 
Artifel über Goethe lad, worin der ungenannte Berfaffer (doch 
nicht Emerfon ?) — er ift nur mit E unterzeichnet, — neben 
dem vollften Lobe das ungewafchenfte Zeug von Tadel vor⸗ 
bringt, dümmer und befchränfter und felbftzufriedener und ge⸗ 
meiner als wir es diefjeitd® des Weltmeerd gewohnt find, wo 
wit doch nicht wenig der Art auch haben. ch habe mich 
wahrhaft geärgert, ala hätte ich heute perjünlich den Unfug 
erlebt. Freilich hätte ich über den nordamerifanifchen Efel 
aut lachen follen, Die Mipurtheile werden dauern fo lange 
wie dad Menichengefchlecht. — 

Da kommt zum Unglüd noch ein Schreck; wir fißen nad) 
rm Thee beim Schach, da Flingelt es, wir denfen es fei Bet- 
ina, aber nein, ein Bote von ihr, fie fönne nicht kommen, 
veil fie plöglich unmwohl geworden! Das muß arg fein, wenn 
ie fo was fagen läßt. Und der Schred war um fo größer, 
als ich in diefen Tagen felber oft unwillfürlich den Gedanfen 
hatte, ihr ganzer Zuftand fei bedenklich! Der Himmel wolle 
fie noch erhalten, und zu vielen Freuden! — 

Die Nationalzeitung Fämpft mit feftem Muthe in die Zeit 
nein, und ſucht ihr Dafein tapfer zu erhalten. Aber es läßt 
ih nicht verfennen, daß fie unter miglichen Umftänden fämpft. 
Sie ift wie ein Schiff, das auf offnem Meer eine Flagge führt, 
er nirgends mehr eine Küfte gehört, nirgends ein Hafen offen 
eht. Die Sadye, mit der zugleich fie entftanden, für die fie 
fochten, ift für den Augenblick verfchwunden, darf und fann 
ht mehr durch eine Zeitung vertreten fein. Don Rechts 
gen hätte die Nationalzeitung längft eingehen müflen. Die 
litiſchen Gegenftände, welche fie jept verhandelt, find nur 
bendinge, in welchen die urfprüngliche Sache oft faum noch 


238 
zu finden ift, meift gänzlich fehlt. Hr. Dr. Zabel fühlt dieſe 
Uebelftände fehr wohl, und fie drüden ihn ſchwer. Der be 


voritehende Hochverrathsprozeß wird auch nur dazu beitragen, 
die chlimme Lage fühlbar zu machen. — 


Dienstag, den 19. September 1854. 
Unruhige Naht. ch zündete mir Lihtan, und las in J. 
Cicero's Briefen an Atticus; auch hier Widrigfeiten genug, 8 
ed hat feiner Zeit daran gefehlt, und feinem Menfchen! Spät J. 
Ichlief ich ermüdet ein. — | | 
Bettina von Arnim, nad) deren Befinden ich fragen lieh, J. 
war [hon wieder auögegangen, der Schredfhuß war geiten J 
alfo ſehr unnöthig! Zu mir fam fie aber nicht. — 1. 
Erwägung der allgemeinen Zuftände; alles geht vorwärts, J. 
unzweifelhaft, aber ungeſtüm, wild, in feinem für und jchönen J. 
Gange; dad Menfchengefchlecht abarbeitet fih in Folge der 
in ihm liegenden Naturkräfte, nicht in Folge des Geijtes, der 
in ihm wohnt, und der leiten fönnte und müßte; blind, nict 
jehend. Der Mangel an guten und fichern Leitern ift offenbar, | 
fein Yürit, fein Held, Fein Weifer, fein Dichter! Der Fort⸗ 
jhritt ift in der großen Maſſe, das ift eine gute Bürgſchaft, $- 
die Sache hängt an feiner Zufälligkeit einzelnen Lebens mehr, & 
recht [hön! Aber einen Friedrich den Großen, einen Waſbing⸗ J. 
ton, einen Goethe vor Augen zu haben, wär" doch ein großes $ 
Glück! — ; 
In Eicero’d Briefen und in Voltaire's Briefen gelefen. — P 
Zeitblätter, auch Nachträgliched von Arnim durchgejeben. — # 
Die legte Nummer des Politiſchen Wochenblattes ijt von 
der Polizei weggenommen worden. Was will dieſe Partbei & 
DethmannsHollmeg? Warum ftreitet fie gegen die Miniſter 
und ihre Politik? Die Partbei ift ein Zwitterding ; nur die 





289 


Seite von ihr taugt etwas, die gegen die Kreuzzeitung ges 
richtet ift. — 

Ueber Walter Scott, noc eine frühe Stimme guten Ge- 
halts! Der hochbegabte Banquier, Freiherr von Stieglig in 
St. Petersburg, den Rahel mit Redht, ald er noch ein unbe- 
deutender junger Menfch war, durch ihr Lob auszeichnete, fchrieb 
am 9. Mai 1824: „ch habe in diefem Winter viel gelefen, faft 
nur Ernſthaftes und Belehrendes, — doc auch Ivanhoe, 
Waverley, Kenilworth. Klaſſiſch ift Walter Scott nicht; aber 
binreißend meifterhafte Schilderungen ; aber nicht die allgemeinen 
Anfichten, Bemerkungen, die den Meifter charakterifiren. Er 
ijt ein großer Mahler, aber fein großer Denfer, fcheint mir. 


E Die Begebenheiten an ſich intereffiren zu fehr, und in ihnen 





F liegt das Hauptintereffe, daher man ſchwerlich feine Werke 
bp mebreremale lefen fann. Allgemeine Bemerkungen über 
E Menichen und Welt, die in Goethe's und anderer Meifter 
Werfen, das eigentlich Bleibende und Treffliche jind, fehlen.“ 
E Sehr gut, braver Stieglig! — 


Sommer 1854? 

Der Kurfürit von Hefjen war in Paris infognito, und bes 
friedigte jeine Neugier, ohne fi um den Kaifer Louis Napo- 
leon zu fümmern. Dad ging fo vierzehn Tage; dann fam 
: fein Gefandter von Dörnberg beftürzt und meldete ihm, der 
franzöſiſche Miniſter habe ihm gefagt, der Kaiſer wife, dap 
der Kurfürft in Paris fei, wenn er aber noch fernere acht Tage 
dableibe, obne jih dem Kaifer vorzuftellen, fo werde diefer 
; feinen Gefandten von Kafjel abrufen. Der erfchrodene Kur: 
fürſt reifte am nächſten Tage ab. — 


240 


Mittwoch, den 20. September 1854. 

Kriegsübungen bei Königd- Wufterhaufen. Sonft men 
Neued. Am Hofe, jagt man, wird gegen Hindeldey ftart y 
arbeitet, feit feiner neuen Würde mehr ald je! Die Bart 
der Kreuzzeitung ift ihm feindli, der General von Gera 
der Kabinetsrath Markus Niebuhr ꝛc. Er felbft ift aut 
neswegs befriedigt, fondern will Minifter fein, wenigſte 
Erzellenz heißen. Das Lebtere wird er erlangen, aber ı 
mehr Mühen und Leiſten ald fo viele Andere, denen es 
Schlafe gegeben wird. — Wegen der erjten Kammer fin 
weniger Verhandlungen ald lebhafte Ränfe Statt, der Kö 
ändert über Nacht immer wieder feine Entfchlüffe, baldı 
er den einen nicht mehr, bald nicht mehr den andern. 1 
Nitterfchaft aber die Hauptitärfe in der Kammer zu geb 
wird er fchwerlich noch zu bewegen fein; er hängt fehr 
großen Namen und Titeln, obwohl deren Träger ihm perſi 
lich oft ganz verhaßt find, 3. B. Fürft von Hapfeldt, Graft 
Dyhrn, und felbit Graf von Nord, Die Sachen werden zie 
lich geheim betrieben, mehr als fonft; es liegt dies im V 
theil aller Betheiligten, To lange fie alle noch hoffen, fi 
werden die Unzufriedenen fchon laut werden! — 

Der Prinz von Preußen ift Gouverneur von Mainz 
worden, da diefer, der Reihenfolge gemäß, jetzt wieder t 
Preußen ernannt wurde. Der König foll auf den erften V 
Ihlag dazu — man fagt fogar, er fei öfterreichifcherfeit 
geregt worden — in großen Zorn gerathen fein, ging a 
bald Darauf ein, und war felbft beeifert, diefen neuen Ben 
feiner Bruderliebe zu geben. — 

Die Wiener flagen bitter, daß der dortige „Lloyd“ bei 
vom Minifterium verboten worden; er hatte die preußi 
Politik verfpottet und verächtlich gemadt. „So? er hat 
gethan ? ich glaubte, fie felbft wäre es geweſen!“ — 

Zuverläffige Nachrichten aus Defterreih. Der Kaifer 


241 


nicht geliebt noch acachtet, nicht einmal fonderlich beachtet; 
das Bolt iſt gleichgültig, aber troßig dabei. Nichts ausge— 
föhnt! Alles auf Erwartung geftellt. Die Kaiferhymne 
wurde mehrmals in den Theatern anzuftimmen verfucht, es 
ging aber nicht. Lauter Revolutiondboden! Die fogenannte 
freiwillige Anleihe ift durch die angeftrengteften Gewaltsmaß— 
regeln zu Stande gebracht worden, — 


Donnerstag, den 21. September 1854. 

Befuc von Herrn Dr. Vehſe. Später fam Bettina von Ar: 
nim. Sie brachte mir einige Abfchriften, die faum brauchbar find. 
Dann erzählte jie mir den genauen Hergang der „Günder: 
tode'ſchen“ Gefchichte; jie meint, ihre fchöne Freundin babe 
bei großer Schüchternheit den empfindlichften Ehrgeiz gehabt, 
und der Gedanke, ganz Frankfurt werde über fie Flatichen und 
fpotten, weil ein Liebhaber wie Creuzer — budlig und roth: 
haarig — ihr abgefprungen, ſei ihr ganz unerträglich ge: 
wien; auch das Aergernig, welches ihre Mutter gegeben, die 
mit dem Hofmeifter ihrer Kinder, Namens Heim, eine Lieb- 
idaft gehabt und mit ihm durchgegangen, habe fie tief verlekt. 
Die Schilderung war fehr lebhaft ımd ergreifend. Bon Arnim 
eäblte fie auch viel, und lobte ihn ungemein; in ihm habe 
de edelite Bolfögefinnung gelegen, er habe gewollt, daß der 
Staat jeden Menſchen müſſe erziehen laffen, und zwar nach 
deſſen Anlagen; er habe jedes Kammermädchen wie eine Dame 
behandelt, jei vor ihr aufgeitanden ; feine Berirrung in Betreff 
der Juden mißbilligt fie ganz, auch feine Ungebühr gegen 
Johann Heinrich Voß; von Wieperödorf wird viel erzählt, 
on der alten Tante Frau von Labes, von fchlechten Ränfen 
es Grafen von Arnim = Boypenburg 2c. — 

Große Neuigfeit endlih! Die Yandung in der Krim bat 
i Eupatoria ftattgehabt, die Truppen marjchiren auf Seba« 


Barnhbagen von Enfe, Tagebüder. XI. 16 


242 


ftopol. Es wäre ein Wunder, wenn jeßt, nachdem die Lan⸗ 
dung geglüdt, das übrige Unternehmen nicht gelänge! — Di 
Neue Preupifche Zeitung ift ſchon gang Heinlaut! — | 

Im Cicero gelefen; die Briefe nad) Cäſar's Ermordung 
find die merfiwürdigften; Brutus und Caſſius wegen der That 
hochgepriefen, aber ihr nachheriged Verhalten für unzulängid 
erklärt, fie haben den Tyrannen getödtet, aber den Erben hr 
Tyrannei, den Antonius verfhont. Wie artig und freundlih : 
die Feinde einander fehreiben! Cäſar dem Cicero, Cicero dem 
Antonius! Viel Bildung, die aber der politifchen Schärfe 
Eintrag that. — | 

In Frankfurt am Main ift ein Buchdruder wegen Ber i 
breitung irreligiöfer Schriften zu zweijähriger Zuchthausſttaft 
verurtheilt worden. Das foll wohl fehr religiös fein? Ein 
Polizeidienit dem lieben Gott erwiefen! — | 

Unfere neuefte diplomatifche Note hat nicht Hand ned: 
Fuß! Ein Schlechter Kopf hat fie abgefaßt, oder ein fchlechter : 
fie jo befohlen. Es ift eine Schande, daß dergleichen ſinn⸗ 
loſes Zeug von unferm Minifterium ausgeht. — 

Daß man im Alter die Welt der eignen Jugend nur ned 
als Geheimniß hat, das man allein weiß, das fein Anterr : 
veriteht, diefed Entbehren der Mitiheilung, der mittundigen Ge 
meinfchaft, ift eine der fchwerften Bürden, die ung auferlet : 
find, Ein auffprühendes euer, dem jtetd Waſſer entgegen 
fprüst, dem Erlöfchen nab, und doch nicht erlöfchenn! Bir 
oft erftirbt mir dad Wort im Munde, wie oft bereu’ ich dab 
audgefprochene! Wer beim Spazierengeben freie Bahn ver 
fich zu haben meinte, und dann bei jedem Schritt plößlich ein 
Hindernig fände, ein fich quer vorlegendes, der würde bald dub 
Spazierengehen felbft lieber aufgeben, — 








243 


Freitag, den 22. September 1854. 


Gejchrieben, und in Arnim’d Papieren Nachträge ge- 
net. — 

Ausgegangen mit Ludmilla. Bei Kranzler in „Journal 
ss debats“ einen Artikel über Meyendorff und Metternich 
leſen, wo die Ungnade des erfteren gerade fo erflärt wird, 
wich fie früher gleich in Furzen Worten erflärt hatte, — 
daß Meyendorff deutfchen Gefchlechtes ift, Dünft mich mehr 
ebenjache, fo wie auch daß Metternich ihn gewarnt haben 
I. — 

In der Rindenftraße bei Herren Dr. Zabel, ihn wegen der 
mdung beglüdwünfcht; nichts Näheres über Morig Hart: 
ann! Herr Julius Berende hat eine Leihbibliothek von 
utſchen Büchern in San Antonio, die fehr gut gedeiht. — 

Die Sammlungen für die überſchwemmten Schleſier find 
wip recht gut, und gern geb’ ich meinen Beitrag ; aber die 
tt, wie bier die Minifter und Hindeldey und Andere fih an 
e Spige ftellen, mit ihrem Anfehen prahlen und recht große 
ummen erzwingen wollen, ijt mir in der Seele zuwider. 
ie thun, als wären fie lauter Menfchenliebe und Bulfe- 
eunde, fie die dad Volk auf's fchändfichfte mißhandelt, um 
ine Rechte gebracht, gefniffen und gefnebelt haben, fie die 
ahumanſten aller Menfchen! Als Behörden wollen fie das 
trauen gewinnen, das fie weder ald Behörden noch ale 
enfhen verdienen! Nein, in Wohlthätigfeitsfachen muß 
ın am wenigften mit ihnen zu thun haben, da muß man für 
‚ allein handeln. — Heute ging die Manteuffel’fche Lifte 

Unterzeichnung hier im Haufe um; auf dieſer hab’ ich 
nen Beitrag unterzeichnet. — 

Die Manöver find heute beendigt, nun geben die Par- 
ejagden an. Dies rohe Jagdweſen war in Preußen ziem- 
abgefommen, unter der jegigen Regierung blüht es wieder. 

16* 


244 


Und doch it der König felbit äußerſt furzfichtig, und kann 
nicht ſchießen! — | 

Gegen Abend fam Bettina von Arnim. Sie Flagte übe 
ihre Gefundheit und huftete ſehr. Sie geftand, dap fie, 
neulich Abends einen Anfallvon Brechruhr gehabt, den fie aker 
gleich durch eine homöopathiſche Dofis von Pulfatilla gefilt. 
Sie erzählte noch Mehreres, von ihrer Freundin Günderrot, | 
Ind einige? von ihr und auch von fich ſelbſt laut vor, undfprad 
viel von- Arnim und feinen Schriften, es fei noch ein großer 
Vorrath von Manuffripten da, wenigſtens zu 14 Bünde. 
Vom Grafen Athanafius Raczinski, von Philipp Nathufus 
und Andern mancherlei Erzählungen. Gegen 9 Uhr fuhr ſie 
in einer Drofchfe nad Haufe. Sie will mir ihren ganzen 
Borrath zur Herausgabe nah und nach aufpaden, fie but 
als wenn es fchon gang meine Sache wäre, fpricht immer 
in Wir, was wir dabei beobachten müffen, was wir zuerl & 
nehmen ıc. — | | 

Es ift überaus leicht, den Menfchen Urtheile aufzudrängen, 
die aus ihrem eignen Sinne niemals hervorgegangen wären, 
ja denfelben ganz entgegen find; ‚man muß ed nur geſchich 
anfangen. Manche Leute verftehen das trefflich, üben 4 
im Staat, in der Familie, in Kotterieen mit größtem Erfolg; 
aus. Ich kenne Menfchen, die in diefer Art ganz angefüll: 
find mit fremden Meinungen, die fie heftiger vertheidigen, J 
als fie die eignen vertheidigen würden, und doch ganz leidt J 
wieder aufgeben, wenn es ihr Borurtheiler fo fügt, dap rt 
die eine Meinung durch eine andere erſetzt. — 








Sonnabend, den 23. September 1854. 
Die heutige Volfözeitung greift unfre legte diplomatiſche 
Note mit ſcharfer Kritif an, zeigt ihren Mangel an Logik und: 


245 


Folgerichtigkeit. Jämmerlich ift das Machwerk, das iſt gewiß, 
und die andern Kabinette werden die ſchiefen Ausdrücke und 
falſchen Angaben auch ſchon rügen; ſie ſchenken uns nichts! — 


Beſuch von Herrn Dr. Hermann Franck; ernſthafte Unter⸗ 
redung über den Stand der politiſchen Dinge; Europa als 
ein Ganzes betrachtet; England fängt an zu wanken, England, 
das iſt ein großes Zeichen! Dieſer bisher ſo feſte Boden! 
Freiſinn und Machtwillkür entwickeln ſich um die Wette; die 
nächſten Wandlungen werden dem Freiſinne nicht günſtig ſein! 
Ausſicht auf lange, ſchwere Geburtswehen! Wir dürfen auf 
das Erleben guter Zeiten wenig Hoffnung ſetzen, genug, daß 
wir fie in der Zukunft mit Gewißheit ſehen! Wie wir im 
beten Sprechen waren, fam Bettina von Arnim, fagte, 
fie müfle gleich wieder fort, Gifela fei krank, und anderes, 

& batte fi) aber ihre Abholerin erft um halb 9 Uhr beftellt 
} blieb au zum Thee, und wollte und nachher noch große 
= Stücken vorlefen, wad nur unterblieb, weil die Hand: 
F Schrift zu ſchwer zu entziffern war. Sie und Frand waren 
"5 tehr fomifch miteinander, Frand übte den fchalkhafteften Wis 
»J gegen fie, fie lachte laut vor Vergnügen. Als fie ihm die Ge: 
E Tdihte von ihrem Gefchäftsführer (fehr fchlecht, und wenig 
J verſtändlich) erzählt hatte, und er einigen Zweifel äußerte, ob 
J der gerichtliche Ausgang für fie günftig fein würde, fchalt fie 
5 Ühn wegen feiner jchlaffen Denfart. Es waren höchſt ergößliche 
F Wechſelreden und Bemerkungen. Franck empfahl fih um 
E 8 Uhr, Bettina blieb noch länger und trank Thee mit und. — 
Franck hat es für immer bei ihr verdorben. — 






| Bettina ließ geftern durch Ludmilla forgfam auffchreiben, 
& welche Bände von Arnim's Schriften mir noch fehlten, ale fie 
E den Zettel hatte, waren ihr die einzelnen Nummern läftig, und 
s fie ſagte, fie wolle mir lieber alle Bände ſchicken, gleichviel 
ob ich einige ſchon habe oder. nicht. Heute follte ich fie ber 





246 


kommen. Ich befam fie aber nicht, und es war au 
Rede von ihnen. Aecht Bettinifh. Meinerfeits hatte 
den leifeften Wunfch geäußert, im Gegentheil ihren € 
ſchwichtigt. — 

Bettina rühmte fih gegen eine Dame, gewiſſe 
pitanten Inhalts, die vor ihr lagen, habe fie in der N 
Goethe's Geburtstag gefhrieben, der längjt vorüber w 
Dame fah näher hin, und rief erftaunt: „Uber was 
Die Dinte des Schlußblattes ift ja noch ganz naß ?* 
höchſt unwillig über die Entdedung, fuhr die Entdederi 
an: „Ad, gehen Sie doch! Was ift das für 
Zeug!" — 


Sonntag, ben 24. September 1: 

Geſchrieben! Was wir zu hoffen, und wie wir und 
halten haben; die Gefinnung und Denkungsart n 
Dingen laffen, wie ſehr es auch unfte Handlungen fein 
nur was wir innerlich aufgeben, ift und verloren, ni 
und geraubt oder vorenthalten wird, das dürfen wir 
gefien! Die Menge wird abfehweifen, ſich verirn 
ſchadet nicht! im rechten Augenblide lenkt fie rafch n 
den rechten Weg ein! — 

Prof. Rauch fendet mir mit einem äußerft arti 
ſchmeichelhaften Briefe das Gypsmodell feiner Gru 
Goethe und Schiller. Wir fahen fie geftern in fein: 
ſtatt, und hörten, fie fei für jemanden beftimmt, 
Profeſſor wolle aber dazu einen Brief fehreiben. Ob 
die Gruppe von Anfang an nicht gebilligt habe, ift 
chen? doch fehr angenehm. — 

Gegen Abend fam Bettina von Arnim, und blieb 
9 Uhr, wo ihr Vedienter fie abholte. Sie erzählt 
fehr viel, von ihren Geſchwiſtern, befonders von ( 


247 


ihren Vermögensſachen, — ihr Ehefontraft hat fich ver: 
1, das fei eine eigne Geſchichte, die fie aber nicht ers 
en wolle — von Schleiermacher, der berühmten Frau 
ber und deren magnetifhen Gaufeleien, von Schleier: 
her's Predigten; im Thatfächlichen oft unficher und auch 
zu falſch, auch in allem nur immer ſich felber hervor: 
md, gleichgültig gegen alles andere. Später, ala auch 
milla gefommen war, ſprach fie hauptfächlich ihre bittern 
zen gegen ihren Gefchäftsführer aus, gegen Bürenftein und 
n Advofaten Caspar, zulegt ganz leidenfchaftlih, fo 
fie befannte, es ftebe ihr Xeben auf dem Spiel bei folchen 
rüfen, aus denen fie dann gleich darauf fich gar nichts 
ven will! Sie hat gehört, ed könne gerichtliche Pfändung 
ihr ftattfinden, wenn Bürenftein durchaus bezahlt fein 
e, darauf hat fie erwiedert, nicht? könnte fie mehr freuen, 
hre wurmftichigen Möbel los zu werden. Aber fie denft 
n zu entgehen dadurch, daß fie den Prozeß nad Weimar 
n will, fie meint, wenn jie dorthin reife, müffe fie ale 
maranerin angefehen werden, und rechnet darauf, daß die 
igen Gerichte zu ihren Gunften fprechen werden. Ihren 
alter * * hält fie mit * * * und * * einverftanden, und 
ft ihn doch nicht ab. Sie fürchtet, dag ** durchgehen 
te, und Hindeldey foll ihn fefthalten. Damit Hindeldey 
arin zu Willen fei, möchte fie ihn durch einen Beitrag 
ie Schlefier, der aus einem zu verfaufenden Dürer-Bild- 
— in Folge der befürchteten Pfändung — zu hoffen fei, 
ich einnehmen. Folgendes fei gejtern gefchehen, erzählt 
Ibft. Herr Caspar befuchte fie, und fprach mit ihr über 
Sache, fie verweigerte jede Ausfunft, wollte nichts hören, 
te ab, fagte fie, und er folle nicht wiffen wohin, damit er 
uch nicht ſchreiben könne. Caspar hatte fie um Arnim’d 
e gebeten, fie gab ihm die einige und zwanzig Bände; 
igte darauf: „Warum geben Sie mir die Bücher?“ und 





248 


fie antwortete — nicht etwa das natürlichfte: „Sie haben mid 
ja darum gebeten,“ fondern: „ Damit Arnim nach Gebühr er 
fannt werde, und mir, der Stau, die fo lange mit foldy edlem 
Geiſt verbunden war, der gehörige Reſpekt ju Theil werde.‘ 
Auf den Advokaten machte das aber keineswegs den gewünſch 
ten Eindrud; man fieht aus feiner Frage, daß er die Büce 
nicht begehrt hat. Frand, ihr größter Verehrer, hat es au 
immer mit ihr verdorben, weil er den Zweifel geäußert, o 
dad Gericht, wie fie, den Drud eines von ihr noch nicht be 
ftätigten Titel für ein Verbrechen anjehen werde — fie fpruc 
von ihm in den verwerfenditen Ausdrücken. ** bat fidr au 
eine Schrift, die er von ihr habe, berufen ; fie jagt, fie wif 
nicht, was fie gefchrieben habe, es könne ja aber aud ihr 
Handſchrift nachgemacht fein. Ihre Phantafie fpielt nad 
allen Richtungen, der Berftand verliert fih in dem Gewin 
ganz. Die arme Frau! Sie leidet entfeklih, und daß ii 
am meiften durch fich felber leidet, am eignen Naturell, mad 
die Sache nur um fo fehlimmer, denn ed macht fie unheilbaı 

Wir Sprachen noch lange über fie mit berzlihem Bedauem 
aber ihre Einbildungen find unerträglich, jede Berfnüpfun 
mit ihr gefährlich; ihre Ansprüche gehen in’® Unglaublid 
nach ihrem Sinne wären Arnim's und Brentano's die Haup 
fahhe in der Welt. — 


Montag, den 25. September 1854. 

Zu Mittag fam Frau Bettina von Arnim, ſehr mun 
und vergnügt, fie hat dem Herrn Juſtizrath Caspar erflä 
fie ziehe nad Weimar, und hat an Herrn Hofrath Schöll 
MWeinar gefchrieben, fie wolle ſich dort niederlaffen, und 
warte, daß er ihr binnen acht Tagen den dortigen Bürgerb' 
ausfertigen laffe! Es hilft nicht, ihr zu widerfprechen; fie nim 
ed nur übel, und folgt ihrem Kopfe bid er anjtöpt. 


249 


weint, die Sachen und Perfonen müffen ſich ihr beugen. — 
deftern brachte fie-mir zwei Quartbände des Preufifchen Kor: 
eipondenten von 1813 und 1814, legte fie mir hin und fagte: 
Das hat der Arnim gefchrieben.” Diefe Zeitung, von Nie: 
uhr gegründet, hat Arnim aus Gefälligkeit während vier 
Donaten beſorgt, und von eigenen Sachen findet ſich wenig 
satin, ein Peiner Artifel über Fichte, drei poetifche Beiträge, 
and ein Abfchiedöwort an die Leſer, das ift alles! Sie meinte 
Wunder was daran zu haben. Und fo geht es mit allem, was 
te vorträgt, was fie fchildert. — 


Nachmittags Beſuch von Herrn Galusky, der geftern aus 
Paris hier angefommen iſt. — Ueber den fonitigen Zus 
ſtand in Frankreich, übereinftimmend mit anderen Nachrichten, 
daß nichts befeftigt ift. Nach der Fuſion (der Orleans und 
Bourbons) war eine große Berfhmwörung im Wert, die Trup: 
pen in Afrifa follten gewonnen werden, zugleich die in Paris. 
— Changarnier und RYamoriciere waren einverftanden, viele 
Republikaner fogar ; der Krieg im Orient aber hat alles unter- 
brochen. 


Aus der Krim gute Nachrichten. Die Landungstruppen 
im Befik von Eupatoria und im Marſch gegen Sebaftopol. — 


Ich bin wie ein Schiff auf ftürmifchen Wogen hin und 
ber geworfen. ch habe feinen Halt, als in mir felber, fo 
lang’ ich den behaupte, bin ich nicht verloren. Aber es ift 
eine harte Aufgabe ohne allen Beiftand von außen, ohne alle 
Gmunterung nur eine fchwere Pflicht zu erfüllen, ohne Ber- 
gnügen, ohne Reiz! Ich habe feine Gemeinde und gehöre zu 
feiner, meine Sache hat feine Fahne, Teine Vertretung, feinen 
gefiherten Boden. ch ftehe ganz vereinzelt, ohne andern 
Zufammenhang mit der Welt, als dem allgemeinen geiftigen, der 
m Ganzen freilich fruchtbar und wirkſam ift, aber im praf: 
ſchen Tagesleben nicht Augenblidliched vermag. — 


250 


In der Augdburger Allgemeinen Zeitung vom 21. Cr 
tember ff. (Nr. 264 ff.), ein Auszug aus Heine's Belent- 
niffen. Ganz der alte Schalt und Wigbold. Die Leute ur 
jtehen ihn aber nicht recht mehr. Mean hört die albernfen 
Mikurtheile, und gerade von folhen, die ihn verftehen müpten, 
wenn Unredlichkeit und Selbftfucht fie nicht um alle Einf 
brädhten. — 


Dienstag, ben 26. September 1854. 

Die Volkszeitung bringt heute die Nachricht, daß Merk 
Hartmann’d Freunde in Paris gar nicht an feine ‘Berbaftum 
glauben, fie meinen, er fei nicht mehr in Bufareft, ſonden 
ſchon wieder auf der Rückreiſe nach Konftantinopel in Scuml 
geweſen, frank fogar, was doch immer befler ift ald in der & 
walt feiner Feinde! — 

Gegend Abend Fam Bettina von Arnim; fie fam ven 
Juſtizrath Caspar, hatte deſſen Frau beichentt, und ih 
fchmeichlerifch gefagt: „Sie müflen zu mir halten, und a 
Ihren Mann einwirken, daß er meine Sache gut beforat‘' 
Dann rief er aus: „Was geben Sie mir, wenn ich Ihnen de 
Prozeß noch gewinne?“ Sie war’empört über diefe Aue 
rung und erwiederte: „Sie werden’ihn aber nicht gewinnen 
ich werd’ ihn gewinnen!” Sie meint, durch ihre Verpflan 
zung nad) Weimar. — 

Aus der Krim nichts Neues. — Louis Bonaparte führtt 
gebietende Wort in Wien, die Defterreicher in der Wald 
dürfen den Türken in ihrem Vorfchreiten nicht hinderlich fein. 





— 


Mittwoch, den 27. September 1854. 
Gut gefehlafen bis 6 Uhr. Dann in Goethe’d Taſſo 
fefen, mit einer Erfchütterung, einer Erhebung, die mich 


251 


yfreiten von aller gemeinen Drangfal; ich fühlte mich auf 
beftem Boden, auf Goethe’d, auf Rahel's, eine reinere Luft 
frömte mir an's Herz, ich fühlte was jene gefühlt, den gei- 
figen Gewinn des Leids ohne das Leid felbft. Ich lad auch 
in Goethe’ Eugenie, diefem von allen Kritikern als kalt ver: 
Ihrieenen Gebilde. Mir bewegte ed das Herz, erwärmte, be- 
feuerte meinen Sinn ; welcher Baterjchmerz ift darin auöges 
drüdt, welches tiefe Leiden einer jungen edlen Seele, die zur 
Hoheit berufen in Niedrigkeit hinabgeftoßen wird! — 

Gejchrieben. Ein eigned nahes Feld zu befruchten, ift 
jest nicht möglich, man leidet die Ausfaat nicht und zerftört 
dad zarte Grün; fo werfen wir denn auf gut Glüd unſre 
Kömer in’d weite Blau, vielleicht führt fie ein günftiger Wind 
an gute Stätte! — Könnt’ ich hier nur eine Fleine litterarifche 
Gemeinde fammeln! Die Beftandtheile wären wohl vor- 
handen, aber die Hinderniffe find zu groß. — 

Nachmittags in Goethe'd Eugenie weiter geleſen, mit 
heißen Thränen! Was regten die goldnen, gefühl- und ge: 
danfenvollen Worte nicht alles in mir auf! Wie fchmerzlicht 
innig gedacht” ih an Rahel! Heute vor vierzig Jahren war 
unfere Hochzeit! — 

Später las ich in den Memoiren der Frau von Genlig, 
die viel Ergögliches haben, wenn man über den erften Aerger 
hinaus ift, den man bei den Zierereien der felbftfüchtigen, ſchein⸗ 
eiligen rau empfindet, welche alle ihre Abweichungen von 
em, was fie Tugend, gute Sitte und edle Grundfäge nennt, 
it dem Schleier des Neligiondeiferd zu bededen fuht. Sie 
gt dabei nad) Herzensluſt, entftellt oder verfchmweigt ꝛc. — 

Abſchrift eines Schmähgedichtes, welches beweift, daß die 
tuth der Ultra's gegen den König aus dem Jahr 1848 noch 
igeſchwächt fortdauert, fo fehr fie ihm vor den Augen 
meicheln. — Das Gediht kommt aus den vornehmften 
eifen. — 


—— — — 





252 


Donnerstag, den 28. September 1854. 


Die Volkszeitung gebt wider die Nationafzeitung, und 
giebt ihr Fieberphantafieen Schuld; es ift wahr, fowohl Zabel 
‚ale Paalzow haben ſich in Tepter Zeit etwas verftiegen. — 


Schändliche neue Schifanen gegen Uhlich und deffen Sonn: 
tagsblatt in Magdeburg. Wegen diefed Blattes wurde er in 
Minden vorgeladen, troß feines Einſpruchs, aber das Gericht 
ſprach ihn frei; daffelbe geihah dann in Paderborn. — 


Ausgegangen mit Rudmilla im Thiergarten bi? zum Denk: 
mal des Könige. ich finde diefes Denfmel gut, ich weiß nicht 
was die Reute wollen! Der König hatte was Hölzernes, Trode- 
ned, Dürftiges, ann feine Bildfäule, die Doch ähnlich fein foll, 
anders fein? Der Unterfab aber, wo der Künjtler freie 
Hand hatte, ift anmuthig und reih. Schöne Blumen um- 
ber, aber feine Bänfe! Ludmilla meint, weil der König ftebe, 
foll niemand in feiner Nähe fiben. Es giebt folche Abge— 
ſchmacktheiten, und es ſieht unferer Zeit ähnlich, fie forgfam 
feftzuhalten. — 


Das Buch von Wilhelm von Schadew: „Der moderne 
Bafari* aus der Buchhandlung empfangen. — 


In der Augsburger Allgemeinen Zeitung fteht ein Artikel 
aus der Uckermark, der die glänzenden Polizeianftalten Hindel: 
dey's lobt, die Schönen Pferde und Uniformen der Konitabler, 
denen feine Truppe des Heeres fich vergleichen könne, die Mar: 
morftufen feines neuen Wohngebäudes, die Telegrapbendräbte 
zu feinem Landhaus; mit diefem koſtbaren Prunf wird die 
Unfcheinbarkeit ded Magiftratd, die Bedrängniß der Stadt, 
welche die ungeheuern Koften tragen muß, in Vergleich ges 
ftellt; der Artikel ift äußert feindfelig gegen Hindeldey, ohne 
daß die Worte ed find. Bon verjchiedenen Seiten arbeitet 
man gegen ihn. — Ihm felbft ift das Unangenehmite, dap er 





| 


5 253 


mmer nur ald Polizgeimann prächtig und mächtig ift, aber 
arüber nicht hinaus fommt. — 

Ein Gardeoffizier hat diefer Tage laut gefagt,. wenn die 
zreußen gegen Rußland fechten jollten, fo würde wenigfteng 
te Garde zu den Ruſſen übergeben! Was will man mehr? 
sit Das nicht die vortrefflichite preußifche Gefinnung?! — 
ber auch im untern Volke ſucht man folche zu erregen; ein 
emeiner Mann fagte an einem öffentlichen Ort: „ Da ließ ich ale 
Zreuße mir ja lieber todtfchlagen, alö daß ich mit Franzoſen und 
ngländern zufammen gegen die Ruſſen ginge!“ Zurecht ge: 
viefen und geftogen von den Anwefenden, gejtand er, fein 
Jert, ein Hofbeamter, habe ihm gejagt, fo müffe er reden! — 

Es verlautet, die Königin Viktoria von England zeige 
euntuhigente Spuren einer Neigung zum Tieffinn, die in 
er englifchen Familie fchon öfters vorgefommen ift. Streng 
nd ſtolz war fie ſchon immer, jetzt foll fie auch leuteſcheu 
derden, was mit ihrem unrubigen Herumteifen freilich fchlecht 
ujammenjtimmt. — 


— — nn — — 


Freitag, den 29. September 1854. 

Die Nationalzeitung vertheidigt fich gegen die Bolfe- 
eitung. Das Rechte und Wahre darf fie nicht Jagen, näm⸗ 
ih, daß an allen diefen Regierungen nichts Gutes, nichte 
>altbares ift, daß die Sache des Volks und der Freiheit jeder 
iefer Regierungen die größten Niederlagen gönnen Mag; daß 
ur die Zufälligfeit der perfönlichen Angehörigfeit einen for- 
nellen Baterlandeeifer begründet, der, um ächt und ganz zu 
ein, eines beftimmten Inhalts bedarf. — 

Ausgegangen mit Ludmilla. — In den Thiergarten, zu 
Stau Bettina von Arnim; jie fah äußerft leidend und ange- 
riffen aus, klagte auch ſehr über Hinfälligfeit, Schlaffucht, 
Schroähe. Sie fihenkte mir einen Brief von Felix Drouin, 


254. 


Sie erzählte mancherlei, was fie verhindert haben foll, mid in 
den legten Tagen zu befuchen, es waren aber Dinge, die ſchon 
vor vierzehn Tagen vorgefallen waren, und die fie und gleich 
damals erzählt hatte! Auch andere Wunderlichfeiten kamen 
vor, Meine Lügen, Verkleidungen der Wahrheit, Verſchwei⸗ 
gungen. Sie ging mit und zur Stadt, um der Gräfin Driola 
(der alten) einen Brief abzugeben. — Montag will fie ab: 
reifen. Der Druder, der biöher ungeduldig nach Manuſkript 
verlangt haben foll, der angeblich jede Woche vier Bogen | 
und mehr zu liefern bereit fein follte, läßt feit fech® Wochen | 
auf den Schlußbogen des zweiten Theild der Kronenwädter | 
warten, fo daß diefer Band nicht verjendet werden fann! | 
Welche Widerfprühe! — | 

Sendung von Bettinen von Arnim, ihre eignen Werfe, zehn | 
Bände, für Ludmilla, die Schriften Achim’? von Arnim, neun: | 
zehn Bände, für mich; fie ſchickt mir lieber alle vorhandenen, 
als daß fie die herausfucht, die mir fehlen! — 


Sonnabend, den 30. September 1854. | 
Gefchrieben. Wiefern Preußen recht thut, fich als eine | 
Macht zweiten Ranges zu beuchnen? Allerdingd recht, wenn | 
eine Regierung befteht, die den Staat in höherem Range nit 
behaupten fann, die in Olmüg und BWarfhau bereite fo | 
ſchmachvolle Niederlagen angenommen hat, wie zu ihrer Zeit | 
Jena und Tilfit waren, eine Regierung, deren gefteigerte 
Tätigkeit nur gefteigerted Unglüd bringen müßte! — | 
Der Graf von * fchimpfte heute wüthend über die Kams 
mern, der Unfinn könne nicht bleiben! „Sehen Sie, ein | 
Kerl wie ih, der gar nichts davon verfteht, war beauftragt, 
das Sportelgefeg machen zu helfen! Ich habe auch alles 
dazu beigetragen, es fo hart und ſchlecht ald möglich zu 
machen." Dabei jparte er die Seitenhiebe auf den König 





255 


richt, der die Berfaffung beſchworen habe! Graf * felbft hat 
ie ja auch befchworen ! — 

Englifche Blätter nennen das Benehmen des Könige von 
Preußen in der jebigen Weltlage ein abgeichmadtes, das 
einem Menfchen von Berftand und Muth einfallen könne. 
Richt mit dem Gebetbuch hinter Dem Ofen feien die Nieder: 
agen von 1806 wieder ausgeglichen worden, ein Feigling 
vage nichts und gewinne nichts u. |. w. Deutjche Blätter 
euten dernleichen nur an, indem fie auf die englifchen auf: 
nerfjam machen. — 

Der ruſſiſche Gefandte von Budberg war in Potsdam und 
yat Dringend auf Unterdrüdung der Volkszeitung angetragen. 
Dindeldey hat dem ſich widerfegt, und das Blatt gerettet. 
Dindeldey Befchüger der Volkszeitung, der Prepfreibeit! — 


Sonntag, den 1. Oltober 1854. 
Gegen Abend Beſuch von Herrn Galusky, er bringt mir 
die Nachricht von dem Siege der Franzoſen in der Krim. — 
Bald darauf ein Ertrablatt der Kreuzzeitung mit den tele: 
grapbifchen Depeſchen. — 


Montag, den 2. October 1854. 
Nachrichten aus der Krim; Mentichikoff geichlagen, Seba- 
topol genommen; letzteres bezweifl' ich noch. Große Freude 
iberall; nur Hofoffiziere, Kreuzzeitungsritter, Königsmarck, 
Wagener, Niebuhr, und ſolche Käuze trauern. — 


256 


Dienstag, den 3. Oftober 1854. 

Traurige Nachricht aus Wien, daß Morig Hartmann am | 
25. September wirflih in Wien als Gefangener eingebracht | 
worden! Was wird aus ihm werden?! In diefen Klauen! — | 


Mittwoch, den 4, Oktober 1854. 
Beſuch vom badifchen Geheimen Hofrath Bed, bisher Mit: 
glied des fatholifchen Kirchenvorftandes, jept den Ultramen: & 
tanen geopfert. Er bringt mir einen Brief vom Geheimen # 
Mathe Nebenius, der aber leider nicht felbit ſchreibt, weil er 4 
ftaarblind geworden! Schlimme Zujtände in Baden, den / 
Pfaffen wird alled nachgegeben aus Feigheit und Unverſtand! J 
Bed ift felber katholiſch, — wie ih. — Befuh von Herm F. 

Dr. Michael Sachs; er bedauert Schelling’d Tod, jpricht von 
Humboldt, recht brav und gut. — - 
Nachmittags fam Bettina von Arnim mit einem großen # 
Pad Schriften. — 
Neue Nachrichten ; verforene Schlacht der Ruſſen; der 
Fall Sebaftopold noch nicht zuverläffig. — | 


— — —— — — 


Donnerstag, den 5. Oltober 1854. 

Bettina von Arnim fab aeftern jehr fchlimm aus, fie 
klagte, fie fei recht Frank gewefen, und erzählte mandherlei 
Vorgänge, die nicht recht Mar wurden; fie wollte in Wind und | 
Regen einen Tag auf dem Köpenider Feld ausgehalten haben, 
wie fo und warum \var nicht zu ergründen ; dann im tiefiten : 
Ihiergarten ganz allein gewefen fein; auch war Frl. Gifela | 
franf geweſen und noch frank. Die Papiere, die ich ordnen | 
und durchſehen foll, lagen auf Tiſch und Bette vor mir, fie 
lad mir Einzelne daraus wider meinen Willen vor, gab als 








257 


Arnim'ſch aus, was ſich ale abgefchriebenes Volkslied erwies, 
börte mitten drin auf, gab mir einen Brief von Schudht und 
einige Autographen, wollte dann gehen, zum Thee wieder: 
fommen, vielleicht auch nicht ; griff ein paarmal nad) meinen 
Beinkleidern in der Meinung es fei ihr Mantel, wollte 
ſich darüber todtlachen, und Tief endlich fort; der ganze Praß 
blieb mir auf dem Halfe. — 
| Heute früh aufgeftanden. Die Papiermaſſe Bettina's 
durchgeſehen; meiftend unbrauchbare, doch auch einige merf- 
würdige Sachen, z. B. Arnim's Briefe an Goethe, zwei an 
Sapigny, die ich mit großem Antheil gelefen habe, Arnim be: 
jtreitet Savigny’d Anficht über den Beruf unferer Zeit zur Ge: 
ſetzgebung recht wader. — 
Später kam Frau Bettina von Arnim. Das gewöhnliche 
| Spiel, jie müffe gleich wieder fort, aber fie blieb zum Thee 
und hatte fi) ihren Bedienten nach 9 Uhr beftellt. Sie fieht 
entſetzlich angegriffen aus und befennt, daß fie fehr elend fei. 
* Bon der Reife ift faum nod die Nede, man möchte glauben, 
alles fei nur Borfpiegelung gewefen, die fie bei ihrem Advo⸗ 
| Taten für nöthig hielt, und der Sicherheit wegen auch bei uns 
ſpielte; wenigftend Gaftein und Meran find aufgegeben ; höch- 
| Mens reift fie noch nah Bonn. Sie ſchenkte mir ein paar 
| Handjchriften, lieferte Nachträge zu den Gedichten, und las 
| und ein paar Briefe vor, die fie gleich nad dem Selbftmorde 
der Frl. von Günderrode, über, diefen an ihren Bruder 
: &lemend gefchrieben hatte, fehr bedeutend durch Inhalt und 
; Ausdrud. Dann las fie aus einem frühen Reifebuch Arnim’d 
| einige fchöne Stellen; ich fagte, diefe hätte fie alle in ihr 
Konigsbuch aufnehmen fönnen, worauf fie erwiederte: „ Warum 
| nicht gar! Da hab’ ich gar zu großen Reſpekt vor dem 
| Amim, als daß ich feine Sachen unter meinen Quarf mifchen 
 follte!* Einen großen Bad, Briefe zwifchen ihr und Clemens 


gewechfelt, nahm fie wieder mit. — 
Barndhagen von Enfe, Tagebüder. XI. 17 


258 


Ueber Morig Hartmann ift wieder alles zweifelhaft; 
Pariſer und Londoner Blätter nehmen fich feiner mit Wärme 
und Klugheit an, auch die unfrigen; man ftellt ſich, als könne 
Defterreich nicht fo Gehäffiges thun! — man erinnert, welchen 
Haß Preußen durch die Behandlung Kinkel's auf fih ge 
laden! — 

Daß der Graf von Buol den frangöfifchen Gefandten in 
Wien, und nun audy der öfterreichifche Kaifer felbft, durch 
feinen Gefandten in Paris, den franzöfifchen Kaiſer wegen der 
Niederlage der Ruffen in der Krim hat von ganzem Herzen be 


glüdwünfchen laffen, macht ein ganz unverhältnigmäpige 


Auffeben! — 


Freitag, den 6. Oltober 1854. 


Was hab’ ich mid den ganzen Vormittag wieder mit | 
Arnim’d Gedichten geplagt! Und meift umfonft; die Ab⸗ 
ſchriften, welche mir Bettina gebracht hat, jind fait alle un: | 
richtig, ganze Reimzeilen find weggelaffen, in einigen Fällen 1 
das Gedicht nicht aud, in andern erfennt man zulegt Bolte | 


lieder, die er felbft nur abgefchrieben hat. — 


Brief aus Genf von der armen Helmina von Chezy, der 
ich doch leider nicht helfen kann! Ihre Theaterfachen kann ic | 


nicht beforgen, faum anrühren. 


Ich erfahre die merfwürdige Thatjache, daß ungeachtet der | 
Prinz von Preußen — der künftige König — Mitglied und : 


Beichüger des Freimaurerordens ift, jegt weniger als je vorber 


Dffiziere ſich einweihen laffen. Die Urfache diefer auffallen: | 
den Erfcheinung blieb zweifelhaft. Proteftantifche Geiſtliche 
find in Menge unter den Freimaurern ; bei der Aufnahme des ’ 


Prinzen waren allein vierzig. — 


Ich war den Mbend in ftiller Beichäftigung ganz vers ; 
gnügt, las und fihrieb, fo lange Die Augen es ertrugen, und | 





259 


überließ mich nachher allerlei Betrachtungen, die mich erfrifchten 
und ftärkten. — 
| In den Memoiren der Frau von Genlis gelefen, und — 
| welcher Abiprung! — einiged im Pindaros, griechiſch und 
t Humboldt’jche Ueberſetzung. — 
| Die Einnahme von Sebaftopol wird jept amtlich verneint ; 
| jo weit ift ed noch nit! Der Hof bier athmet wieder etwas 
4 auf! Louis Bonaparte'd Berfündigung an die Truppen war 
| übereilt. Der Sieg über die Ruſſen aber ſteht fell. — 

























Sonnabend, den 7. Oltober 1854. 
In Mainz find fiebzehn Perjonen, meift junge Xeute, 
; verhaftet worden, auf Berlangen einer auswärtigen Regie: 
; rung, der preußifchen, wie man glaubt! „Ein Hindeldey- 
Strich!" — 
| Die Gefangenen in Roftod — Wiggerd ıc. — ſchmachten 
 feit anderthalb Jahren in Unterfuhungshaft, die hiefigen 
ze ebenfalld! Die öffentlihe Berhandlung foll nächſtens be- 
 ginnen. — 
Eine Nachricht, mir fo bedeutend und wichtig, wie der 
Ball Sebaftopold ed Anderen wäre! Louis Bonaparte hat 
3 befohlen, ohne weiteres und ohne alle Bedingungen den be- 
- rübmten Barbed aud der Haft zu entlaffen. Das ijt ein 
Feuerzeichen für ganz Europa, das den Regierungen eine Lehre 
giebt, und eine Andeutung, welche Richtung Frankreich nöthigen: 
5 falls nehmen dürfte; Demokratie! Revolution! — 
In Frankreich erwachen ſchon Stimmen, die zum Rhein 
rufen! — In England ſagt man, die preußiſchen Häfen müßten 
ſebenſo, wie die ruſſiſchen, geſperrt werden, um Preußen für 
ſeine falſche, hinterliſtige Rolle zu beſtrafen. — 
| Defterreichifhe Depeſche, die dem preußiſchen Kabinet 
empfindliche Belehrungen und Zurechtweiſungen giebt! — 
17° 


260 


Wie zum Hohn wird am Schluffe die Einfiht und Hochherzig: 
feit des Könige gerühmt! — | 






















Sonntag, den 8. Oltober 1854. 

Die Schrift von Adolph Hapfeldt über Platon's Staats J 
(ehre macht mir große Freude, fowohl um ihrer ſelbſt willen, J 
als wegen des Zeugniffes, welches fie giebt, daß immer wieder J 
junge Geifter fich diefen edlen Studien widmen und noch dazu J 
in Frankreich! — Der — (trog der Freilaffung von Barbes J 
bleibt .er ed) Louis Bonaparte hat wirklich Glück, der “ 
Marſchall Saint - Arnaud ift in der Krim geftorben. Ken 
Menſch hat dem Kaifer fo geholfen, als diefer elende Ber- J 
brecher, fein Menſch war ihm ſo unbequem und befchäment. J 
Nun ift er ihn los! — i 
Der König bat dem Herausgeber ded Danziger Dampf F 
boote3, einem Lumpen Namens Denefe, der wegen Berläum- 
dung des gewefenen Elbinger Bürgermeifterd Philipps zu J 
Geld - und Gefängnißftrafe verurtheilt worden, die Strafe in $° 
Gnaden erlafien! — | 
Bei feiner leßten Anwefenheit in Bromberg hatte der 
König, wie fhon mehrmald, den Appellationdgerichte-Präfi | 
denten Gierke dafelbit, der im Jahr 1848 kurze Zeit Minifter J- 
war, nicht fehen wollen. Der Regierungdpräfident von 
Schleinig meinte, dergleihen Zurüdjeßung kränke das ganze 
Geriht, und wandte fih an den General Grafen von def 
Groeben mit der Bitte, beim König ale Vermittler einzuwirken, 
aber der fchlug ed rund ab, und fagte, der König thue ganz" 
teht. Da ſprach Schleinig mit Dem Könige, der anfangs aufs; 
braufte und fchimpfte, Dann aber den ernften Borjtellungen J 
von Schleinip nachgab, bejonderd da diefer auch verficherte, F 
Gierke habe fich feit jener Zeit ganz verändert. Bei der Aufej 
wartung der Gerichtöperfonen war alfo auch Gierke; der König: 














261 


hielt ſich die Lorgnette vor's Auge, fuchte ſich den Gierfe her- 
aus, und fagte dann mit größter Berwunderung: „Ei, Gierke! 
Mein Gott, wie haben Sie fi) verändert!“ ‘Damit war die 
Sache fertig. Schleinig aber verficherte, der König fei wirk: 
lihein guter Schaufpieler, nur wähle er oft fchlechte Rollen! — 

Feuersbrunſt in Memel, der größte Theil der Stadt ein- 
geäihert. — Noth und Mangel auf allen Seiten! — 

Der General-PBolizeis Direktor von Hindeldey, dem bei 
dem heginnenden Hochverrathsprozeß etwas fchwül zu Muthe 
ft, will die Verhandlungen ftenographiren laffen und allen 
Zeitungen umfonft mittbeilen. Natürlich würden diefe Ber 
ihte die Polizeifärbung tragen, und beliebig weglaffen oder 
ufegen, was ihm taugt. Diefer Falle zu entgehen, haben 
re Rationalzeitung und die Volkszeitung für die Mittheilung 
rer Berichte ablehnend gedankt, fie hätten dafür nicht genug 
rein Raum. Darauf hat Hindeldey ſich erboten, ihnen die 
Berichte umſonſt ala Beilagen zu liefern, fie haben aber auch 
ns abgelehnt. — 


Montag, ben 9. Oktober 1854. 

Befuh von Herrn General von Weyrach. — Waderer 
zrief Saudend- Tarputfchen an den Grafen von Dohna- 
Schlobitten und Ablehnung der neuen Poſſe mit dem Johan: 
üter-Orden, die man ibm zugemuthet hatte mitzumachen. — 
zroße Freude des Generald an den beiden Kabinetdordern 
friedrich8 ded Großen, in welchen diefer die Kammerherren⸗ 
ürde ala einen leeren Titel bezeichnet, der feinen Werth habe 
nd feine Ehre bringe. Ueber unfre Politit. — | 

Nach ihm kam Frau Bettina von Arnim, höchst aufgeregt und 
grimmt, anfündigend ich werde ftaunen und lachen, fo Arges 
ie ihr geftern begegnet, könne ich mir nicht vorftellen! Der 
lahler Ratti ift von Afchaffenburg wiedergefehrt, hat dem 


262 


Könige Ludwig von Baiern den Brief Bettinend perfön 
übergeben, das Bild aber, von dem darin die Rede, in Münd 
gelaſſen, fein Anliegen mit feiner Silbe erwähnt, und ol 
eine Antwort auf den Brief abzuwarten, den der König in | 
Audienz nicht gleih lad, ift er eine Stunde nad die 
wieder abgereift und geftern hier angefommen. Bettina 
außer jih, hat mit Ratti die heftigften Erörterungen geha 
ihn einen — genannt, der fie fompromittirt habe ꝛc. V 
hält fih alle fo, ift nicht® verfchwiegen, fo hat allerdir 
Ratti’8 Benehmen keinen Sinn. Aber die ganze Geſchic 
hatte feinen von Anfang an, und die gehegten Abfichten fini 
fi vereitelt, gefcheitert. Genug — Bettina's Untern 
mungen haben fein Glück mehr! — Aber fie denkt imr 
wieder an neue! Sie will nun ernftlich ihre „Gefpräde ı 
Dämonen, die dem Sultan Abdul Medfchid gewidmet fi 
an diefen ſchicken; aber die türfifhe Familie Achmet, die f 
in Dürftigfeit lebt, fol ihr einen ſchicklichen Borwand geb 
als wenn alles nur gefhähe, um die Großmuth und We 
thätigfeit ded Sultan? für diefe Familie anzufprechen. Kr 
lein von Strang mahlt bereits ein Bild für Bettina, das! 
Buche zur äußern Zierrath dienen fol, Konjtantinopel 
Hintergrunde, auf vier Minaretd vier Nefter von Störchen 
Ungarn, Staliäner, Polen, Deutfche vorftellend —, die 
heranihiffenden Weftmächten freudiged Willkommen zufl 
pern; Sprüche aus der Bibel, in’d Türkiſche überſetzt, fo 
zur Erklärung dienen; auch ich fol deren auffuchen und 
Ihlagen! — 

Nachmittags kam Herr Habfeldt, ein feiner geiftv: 
Mann! Wir fprachen über Platon, feine dialektiſche Kı 
feine Dichterifche Anmuth, feine fortreißende Kraft, ich me 
wir bedürfen einer andern Dialektik, einer minder elemento 
um nicht zu fagen Findifchen; ich bezeichnete ihm Schl 
macher's Platonifche Kritit und Ueberſetzung, die er nur 


263 


zu fennen fchien. Einem hallifchen Studenten von 1806 fam 
das unglaublich vor, daß ein Gelehrter ſchon nad) vierzig bis 
fünfzig Jahren bei Platon den Schleiermacher unbeachtet 
laffen fönnte! Doc „die Lebenden reiten ſchnell“, nicht die 
Todten! Sch dachte auch an Friedrich Auguft Wolf, an 
Johann Heinrid Voß, an Wilhelm und Friedrih Schlegel. — 
Herr Dr. Hermann Franck erfhien, und das Gefpräd 
wurde lebbafter und mannichfaher. Bon Raphael’d Madonna 
in Dresden war die Nede, und daß Denon — wie ich von 
1806 ber wußte — fie für unädht erflärt habe, was Strand für 
den Gipfel des Unfinnd hielt. Den zweiten Theil des Fauſt 
von &oetbe vertheidigte ich, es gebe einfache Gedichte und 
gelehrte, gemeinverftändlihe und efoterifche, Dante's Dich- 
tung zum Beifpiel. Ich fand auch den zweiten Theil nicht fo 
. ganz verfchteden von dem erften, wie man auf den äußern 
Schein hin fo jehr behauptet, in beiden ift viel Gleichartiges, 
befonders der Gedanken, der Weltanficht. Vieles im zweiten 
Theil ift auch älter, ald man glaubt. — Bu 


Dienstag, den 10. Oktober 1854. 
Bericht des Marfhalld Saint » Arnaud über die Schlacht 
an der Alma; Pariſer Blätter rühmen die Beicheidenheit, daß 
‚ er nicht von fi fpricht, allein er hat den Bericht nur anbe- 
e foblen, nicht gemacht, und war fhon fterbend; auch unter: 
F fchrieben mag er ihn nicht mehr haben; dergleichen fommt 
vor. — 

3 Nachmittags Fam Herr Galusky; dann fam Bettina von 
- Arnim. Sie bradte mir Sprüde, die in's Türfifche überjegt 
ihr Buch für den Sultan zieren follen; jie lieft fie mir vor, 
: und läßt jie mir zum Ueberlegen und Berbeffern. Sie lad 
E mir auch einen freundlichen Brief des Könige Ludwig von 





264 


Baiern, den fie eben empfangen, vor; von dem Bilde, das er 
ja noch nicht geſehen fagte er nichts; Ratti foll nun morgen 
wieder nady München reifen. — 

Herr * brachte mir den Anklageaft gegen die des Hochver- 
raths Beſchuldigten Gerde, Ladendorf, Falkenthal, Salomon 
Lewy u. ſ. w. und machte mir haarfträubende Eröffnungen. | 
Ränke zwifchen Manteuffel und Hindeldey liegen zum Grunde; 
der Teptere hat die Rolle eined agent provocateur gefpielt | 
und durch einen Rieutenant a, D. Henge fpielen laffen. Ein 
Gegenftüd zu dem Walded’fchen Prozeß, zu den infamen Ent- 
hüllungen. Wehe dem Staate, wo die Behörden foldhe Shan 
ftreiche begehen, fih in fie verwideln laſen. Die Sache if 
himmelfchreiend! — 

Im Pindaros einiged gelefen; in Mar Ring's „Handıwer 
und Studium *. — 

Die Kreuzzeitung zieht im Namen Rußlands fürchtetlich 
gegen Defterreich los. — 


— — — — — 


Mittwoch, den 11. Oktober 1854. 
Vortrefflicher Artikel der Spener'ſchen Zeitung wider die 
Kreuzzeitung; dieſe, welche jetzt von dem Tartaren, der die 
falſche Nachricht verbreitet hat, ſoviel Aufhebens macht, hat 
zuerſt dieſe Nachricht geglaubt und durch ein Ertrablatt ver | 
fündet, erfchroden und demüthig! — | 
Bettina’d Sprüche dDurchgefehen und verbefiert. — Beſuch 
vom Grafen von Kleiſt⸗Loß. Er gefteht mir aufrichtig, daß 
er wegen feiner Befißungen in Rußland ruffifch gefinnt fcheinen 
müffe; die ruffiihe Polizei, die im Ausland aufmerkfamer 
und thätiger fei ald im Inlande, habe ein Auge auf ihn. Gr 
ſchimpft wie gewöhnlich auf Preußen, die Erbärmlichkeit diefer 
Regierung. Er hatte Bettinen von Arnim auf der Straße 
getroffen, fie ihn eingeladen, er einige Abende bei ihr zuges 





265 


tacht , Giſela ihm etwas gezeichnet, dazu gefchrieben ꝛc. 
Jiefe heiße Bewerbung hatte fie mir Müglich verfchwiegen ! 
Sie kam als Kleift grade da war, und wollte ſich gleich vor 
hm als Herrfcherin zeigen: „Wo ift mein Blatt? Sind Sie 
fertig?“ rief fie mich an; ich gab es ihr, fie meinte ich hätte 
nichts daran getban, und fagte: „Sie Faulpelz!“ ch zeigte 
ibr meine Berbefferungen ; Kleijt bemerkte, er fehe wohl, ich 
jei ihre Wäfcherin ; ich erwiederte: „Viel Ehre, daß Sie mich 
zu Voltaire und Frau von Arnim zu Friedrich dem Großen 
mahen!" br aber war ihr eigner Scherz dann unange— 
nehm. Sie hielt dem Grafen dad Blatt hin, und als er 
darnach griff, zog ſie's zurüd. Nun griff er ernftlidh zu, 
wobei das Blatt zerfnitterte und faft zerriß, nahm es ihr weg, 
bielt es hoch und fing an zu Iefen, fie konnte nicht hinanreichen. 
Verdrieglich, erzürnt, ging fie weg, Kleift nach, auf der Treppe 
‚wurde fie wieder gut, nahm feinen Arm, aber ald ob fie den 
ſchwachen Mann führen und fügen müßte; unter Gelächter 
fhieden wir, und fie gingen, wie ſchon Anfangs verabredet 
War, zur Kunftausftellung. — Wir gingen zu Kranzler und 
; dann auch zur Ausitellung, und trafen bald Bettinen an Kleiſt's 
Arm wieder an. Auch jetzt wieder wollte fie ſich zeigen, fagte 
mad wir fehen müßten, urtheilte freuz und quer verwerfend 
; und lobend, wollte, dag man ihre Urtheile als Orafelfprüce 
anhören follte, als das nicht ging, verfuchte fie grob zu wer: 
ten, was aber auch nicht ging, denn fie merkte, daß auch mein 
Geſchütz geladen war. Sie war voll Unruhe, Eitelkeit und 
Hoffahrt; der Graf hatte fie beraufcht, und fie hätte gern 
mit ihm geprahlt, was aber bei und nichts verfing! Das Bildniß 
Abdul Medſchid's follten wir bewundern, wir thaten’d nicht. 
Sie ging dann mit Kleift fort. Mir hinterließ fie den wid⸗ 
rigſten Eindrud wie nur je in früherer Zeit, das ganze Neft 
lag offen vor mir, diefe Eitelfucht, Abfichtlichkeit, Liſt, dieſes 
Drängen nady dem Vornehmen, Geltenden, fih Büden und 






266 


Trotzen, je nach den Umſtänden, diefed Einrichten aller Ur: 
theile nad) perfönlichen Bedingniffen, diefed ewige Kofettiren 
und Närgeln, diefer Launenwechſel — ih war alles ber: 
lich fatt! Wenn der Umgang aufhörte, ich verlöre nichtd 
dabei! — 

Gegen Abend fam Herr Graf von * und blieb drittehalb 
Stunden. Er mar fehr zutraulic und führte feltfames Ge: 
ſpräch. Er fragte nad) meinen Manuffripten, gewiß fei alles 
in [hönfter Ordnung, und viel Wichtiged werde einft erjcei- 
nen; es fei recht, daß man alles in guter Ordnung halte, man 
wiffe nicht, wann man abgerufen werden könne, er fagte auch 
fo zuverfichtlih, die Negierung werde meinen Nachlaß von 
Papieren durchſehen laffen, daß es faft wie eine abſichtliche 
Warnung Hang. Dann fprachen wir von Teftamenten, ihren 
Schwierigkeiten, ihrer häufigen Fehlbarfeit. Er ſprach von 
des Juſtizraths Crelinger's Teſtament, das ungültig befunden 
wurde. — 

Bettina wiederholte heute mehrmald gegen den Grafen 
‚ von Kleift die Aeußerung, das Bild des Sultans auf der Aus: 
ftellung ſei noch unverkauft, wenn er es kaufen und ihr fchenfen 
wolle, könne er fich bei ihr beliebt machen, fie nähme es an, 
zu Weihnachten, zu ihrem Geburtötage, auch auf der Stelk. 
Der Scherz dabei verhüllte den Ernft nur fchleht; es mißfiel 
mir fehr. Der Graf übrigens denkt nicht daran! — 


— — — — — ·— 


Donnerstag, den 12. Oktober 1854. 

In Stahr's Torſo gelefen, in Hatzfeldt's Platoniſcher 
Schrift; einiges Pindariſche. Im ganzen Griechenthum it 
uns nichts ſo fremd, ſo ſchwer uns anzueignen und in unſer 
Lebensgefühl zu bringen, als Ariſtophanes, und dann Pin- 
daros, der lebtere erregt ein beftändiged Staunen. — 

Sch glaube nicht, daß jebt eine vollitändige Schwächung 


267 


Rußlands erfolgen wird, nur eine augenblidliche, der bald 
wieder eine Stärkung folgen fann. Mber ich fürchte das 
Uebergewicht Ruplande nicht, auch wenn e& vorübergehend ein 
drüdendes würde. Befreiungskräfte würden fich gar bald 
wieder vereinigen. Uebrigens nimmt Rupland in jedem Bor: 
ſchritt fremden Beftandtheil und Bildung auf, und wenn es 
über ganz Europa berrfchte, würde mit Einer Revolution 
Europa und Rußland frei fein. Iam magnitudine laborat 
sua, fagte Vellejus Paterculus vom römifchen Reiche, daffelbe 
fann man vom ruffifchen jagen. Und woran ging Napoleon 
zu Grund, wenn nicht an der Größe und Zufammenfeßung 
feines Herrſchgebietes? — 

Wie fremd und unfaßlich Pindaros und dafteht, beweilt 
audy der Umstand, dag bisher feiner Meberfeßung deffelben ge: 
lungen ift, ein wirkſames Abbild von ihm zu geben. Die Er- 
babenheit, Kraft und Schönheit feiner Dichtung ſchwindet 
unter den Händen des Leberfegerd dahin, man fteht erftaunt 
vor dem ſcheinbar Wiedergegebenen, und begreift nicht, wo 
denn das Wunder diefer Poefie ftede. In der That, es ift 
verfhrwunden! Diefe Poefie will nicht entkleidet fein, fon- 
dern in ihrem urfprünglichen Gewande bleiben. Am meiften 
giebt vom Pindaros doch die Humboldt’fche Ueberſetzung 
wieder. — 


Freitag, ben 13. Öftober 1854. 
Ausgegangen mit Qudmilla ; bei Kranzler gefrühftüdt, bis 
zur Schloßfreiheit gegangen ; die neue vorgeftern aufgerichtete 
fiebente Gruppe auf der Schloßbrüde angefehen, fie ift von 
Bläfer und eine der beften. DieLinden hinab zum Branden- 
burger Thor, und zurüd. — Wie vieled ging mir durch die 
Seele bei diefem Spaziergange, den ich in harmloſeſter Stim- 


268 


mung machte! Der Anblid diefer Pläge, Straßen, Baum: 
reihen, Denkmale erwedte in mir großartige Bilderreihen der 
Bergangenheit und Zukunft, eine herrliche Gefchichtsentmide 
lung, die gleich einem wogenden Meere dad Fleine Schiff des eig 
nen Daſeins trug. ch fah das Leben mit freier Selbftftändigkit | 
an, erhoben über defjen Heine Sorgen und Kümmerniffe. — 

Bettina von Arnim drängte mich fo heftig mit der fe | 
daftion der Gedichte, fie follten noch vor Weihnachten erfcher 
nen; die Druderei — hieß ed — verlange ungeftüm nach Me⸗ 
nuffeipt, fie habe gerade feine Arbeit; ich bin längit fertis 
aber alles bleibt liegen, es ift vom Drud nicht die Rede. Bet 
tina fagt nicht®, aber den Grund erfahr’ ich nun doh. ZI 
Druder will fein Papier borgen, der Papierhändler aud nic 
der Gefchäftöführer in Weimar foll ed erſt anfchaffen und „it 
der es thut, ift noch zweifelhaft. Ein Labyrinth, aus dem DM 
arme Bettina nicht herauskommt! ch bedauere fie. — 

Neulich bezeichnete jemand die jeige Regierungsart mm 1 
eine vorzugsweiſe „Lleinlich” zu benennende. Alles fei klei = 
lich, was hier gefchehe, auch wenn es äußerlich noch fo ur 
fangreich erfcheine. — 

Drei Bände vermifchter Schriften von Heinrich Heine fir F 
glücklich eingetroffen. ch fürchte, fie zeigen eine Abnahw® 
in Heine; das Zueignungsfchreiben an den Fürſten von Pic 
ler vor dem zweiten Bande ift ſchwach, der Wib erzwunger F 
In den alten Auffäben aus der Louis Philippe- Zeit ift viele“ 
was durch 1848 — das gefegnete herrlihe Jahr! — mat” 
geworden, ja mehr ald matt, unleidlih. — 





Sonnabend, den 14. Oltober 1854. 


Furchtbare Erklärung von Barbes in Parie, daß er— 
rechtswidrig entlaffen wie verhaftet worden, daß dem Menſchen, - 


269 


er nicht Gefep und Glauben mit ihm gemein hat, feine Ges 
Ännungen nichts angehen, daß er zwei Tage in Paris warten 
werde, um zu fehen, ob man ihn wieder einiteden werde, dann 
aber in freiwillige Verbannung gehen wolle. Sold ein 
Karakter! Ich bewundere ihn, aber es ift etwas Schauer: 
liches darin, etwas Erfchredendes! — 

Beſuch vom General Adolph von Willifen. Er empfiehlt 
nir das in Weimar gedructe Sendichreiben an.Stahl, das 
ier freigefprochen, in Halle verurtheilt worden. Er findet 
te legte preußifche Note an Defterreich — von Balan verfaßt 
— ein erbärmlich ſchlechtes Machwerk. — 

Dann fam Frau Bettina von Arnim, etwas aufgeregt, er: 
‚bite von den Aegyptern, die hier ftudiren und fich mit ihrem 
ofmeifter und den Konftablern geichlagen haben, Sie nahm 
Gihied, kommt aber wahrjcheinlich nochmals. — Bettina 
agte mich, ob ich nicht auch wie Barbed gehandelt haben 
wurde? Ich antwortete Nein! ich bewundere feinen Troß, 
ↄne ihn nachahmen zu wollen. — 

Ueber dad Schreiben von Barbes erhob fich ein lebhafter 
Streit; Galusky mißbilligte ed, Crépet nahm fich deſſelben 
Trig an, ich vertheidigte es bedingterweife. Crepet konnte 
jegen Galusky nicht auffommen, der mehr Logik und Aus 
rud zur Hand hatte, auch einigemal die Schärfe zu fehr 
gebrauchte. Zulegt ftritten Galusky und ich über den Werth 
des politifchen Mordes, ded Tyrannenmordes, Harmodios und 

Anftogeiton, das Ruhmlied des Kalliftratod auf beide. Mit 
beitigem Eifer, doch Iuftig, mit fomifchen Ausbrüchen, unter 
dielem Rachen. --- 

Nah 10 Uhr zu Haufe Noch Gefpräh mit Lud- 
Mille, — 

In der Schrift „ Zur Karakteriftit neupreußifcher Politik, 
ein Sendſchreiben an Stahl“ (fie ift von Dr. Haym in Halle). 
eleſen. Biel Schleiermacher'ſche Diateftit und Tonart, dod) 


270 


bei weitem nicht jo meifterhaft und bündig, indep genügen) 
zur Vernichtung des tüdifchen Rabuliften. — 


Sonntag, den 15. Oltober 1854. 

Frühmorgens Muſik von der Schlopfapelle herab. Kanc 
nendonner im Thiergarten, Spiker'ſche Stanzen in feiner Je 
tung! — 

Gegen alled Erwarten hat Louis Bonaparte der Erflärung 
von Barboͤs Aufnahme in den Moniteur verftattet. Noh 
geftern hielten wir faum für möglich, daß die belgifchen Blätter 
fie aufnähmen. — 

In Heine gelefen, Wie hatte ich mich auf diefe neuen Bände 
gefreut, und wie fehr find’ ich mich getäufcht! Ich nehme die 
beiden Aufſätze, welche die Revue des deux mondes zueri 
veröffentlicht hat, billig aus, aber das Uebrige macht mir eine 
Mißempfindung, die Berfe find widrig und gemein, die Pro | 
verräth eine Gefinnung, die ich von Heine nie erwartet hätte. 
Er fpriht vom Volke, vom Jahr 1848, in Ausdrüden, an 
denen fich die infame Kreuzzeitung erfreuen mag, nicht id. 
Died an Heine zu erleben, ift mir eine wahre Demüthigung: 
ich werde dabei erinnert, daB ſchon vor einem Bierteljahrhun | 
dert Rahel große Gefahr der Ausartung vorausſah, freilich n 
andrer Richtung, fie ſprach von, ſchmutzigem Harlekin“; me 
aber wenn ſolcher noch gar vornehm thun und der wohlgellei⸗ 
deten Ariftofratie gefallen will! Armer deine, warum nidt 
lieber früher geftorben ! 

Bettina von Arnim war heute mit Fräulein Gifela und 
Herman Grimm in der Oper; man will darin eine Bezeigung 
für den König ſehen, es war aber nur Eifer für die Gluck'ſche 
Mufik, fein Orpheus wurde gegeben. — 

Der König hat einen Troftbrief an Schelling's Wittwe ges 
ichrieben, in welchem er preiit, daß durch Schelling's Auftreten 








271 


Pantheismus fihtbar abgenommen habe! Die Heuchelei 
d Augendienerei durch die Zeitumftände zugenommen, dad 
te rihtiger gefagt. Schelling’d Auftreten! Das in Berlin 
v nichts, ald eine gründliche Blamage. — 

Der Präjident von Kette wird heftig gedrängt, er folle den 
Tchied nehmen, fich penjioniren laffen. Er will nicht. Um der 
möthigungen und Quälereien, die ihm widerfahren, frei zu 
den, hat er fich an die beiden Minifter gewandt, unter denen 
ſteht, und die er für feine Verfolger hielt. — Beide, Herr 
n Weitphalen und Herr Simons, haben ihn freundlich auf- 
wmmen und ihn verjichert, fie feien nicht wider ihn, im 
gentheil. Aber an höherer Stelle werde der Haß gegen ihn 
chürt, mit einer Heftigfeit und Stärke, gegen die fie nichts 
möchten. Nicht einmal ſich feiner annehmen und verthei- 
jen dürften fie ihn, denn das würde dad Uebel nur ärger 
ıhen. Sie baten ihn, er möchte fie nicht verfennen, fie 
ten ed nicht, die ſolche Gehäſſigkeit billigten ıc. Welche 
Henntniffe! Welche Zuftände! und welche Minifter! — 


Montag, den 16. Oftober 1854. 

Gejchrieben; über die deutfche Entwidelung und Zukunft, 
: fann nicht felbftftändig, nur in Gemeinschaft der größeren 
topäijchen fich geſtalten; wir liegen mitten drin; an wen 
Iten wir und vorzugsweife anfchließen ? An die Franzofen! 
Ih ein Gewinn, wenn wir hierin den Engländern nach» 
gen könnten! Aber welche Borurtheile ftehen entgegen ! 
zt auch der — Louis Bonaparte, — indeß quand même! 
Der König bat am 12. Folich die Verordnung über die 
dung der Erſten Kammer unterſchrieben, und heute bringt 
der Staatsanzeiger. Seine Abneigung gegen Perſonen 
der König überwunden zu Gunſten feiner ſächlichen Nei⸗ 
jen, die Mitglieder des Herrenftanded des Vereinigten 


272 


Landtages von 1847 find aufgenommen. Dad Ganze ift bunt: 
jchedig genug, veraltet und ftumpf, Univerfitäten fpielen ihre | 
Rolle, Stifter, Magiftrate, zur Zeit aber noch feine Biſchöfe. 
Ein engherziged, weitjchichtiged® Machwerk, dem Volke jo 
gleichgültig, wie die bisherige erfte Kammer, wie Die noch vor: 
handene zweite, wie died ganze Verfaſſungsweſen, das zum 
Ernſte zu wenig, zum Schein viel zu viel ift. Ungemad wid 
au diefe erfte Kammer den Leuten genug verurfachen! — 

Heute begann der große Prozeß vor dem Stantögeridtr 
hofe. — | 

Das Sendichreiben an Stahl — welches diefen — init 
That an den Pranger ftellt — ift nun wie in Halle aud in 
Königeberg vernichtet worden durch Urtheilsſpruch. Hier im 
Gegentheil vom Staatdanwalt freigegeben. — 

Der König hat einen Preid ausgeſetzt für das beite bite | 
tifche Werk; wie man fagt, foll diefen Preis der Oberft von | 
Höpfner für feine vierbändige Gejchichte des Krieges von | 
1806 und 1807 erhalten. — (Richtig, 1000 Thaler in Go; 
die Bücher mußten aus den fünf Jahren von 1847 bie 1852 
fein). — 

Der Kaifer von Rußland macht in Verbindung mit der 
Kreuzzeitungsparthei — welches Bündniß des mächtigen Kai- 
jerd mit ſolchem Schmug! — die größten Anfttengungen, um 
den Minifter Manteuffel hier zu ſtürzen. „ Was würd’ es ihm 
helfen *, fagt jemand, „ Einen Minifter, der gegen ihn ift, würde 
ex doch nicht befeitigen fönnen!* — Welchen denn ? — „Die 
Furcht vor Frankreich, England und Defterreih." — 

„Eigentlich dürfte die neue erſte Kammer gar nicht aner- 
kannt werden, der König hat dickhm gegebene Befugniß über- 
Schritten und Mitglieder ernannt, die weder erbliche noch leben?» 
längliche find.“ — 





273 


Dienstag, den 17. Oltober 1854. 

Der Publizift und die Gerichtözeitung find von der Poli- 
iweggenommen worden, wegen ihrer Berichte über den Prozeh 
jerde, Ladendorf, Falkenthal, Levy 2c. Der Polizetmeifter 
mn Hindeldey ift wüthend, daß die Blätter feine ftenogra- 
hiſchen Berichte nicht wollen. — 

Sranzöfiihe Schrift, die auf Herftellung Polend dringt; 
mit, und damit allein würde Rußlands Macht gebrochen 
in. Oeſterreich fünnte an der Donau entſchädigt werden. 
nd Preußen? Berlöre Pofen, und vielleicht etwas mehr. 
yahin hätte die Reaktion ung glüdlich geführt, vom darge: 
otenen Kaiſerthum auf ein verftümmelted, faum lebengfähiges 
‚Önigthum ! — 

Die Zufammenfeßung der Erſten Kammer weckt denn doch 
inigen Unwillen und Hohn; man erffärt das Machwerk für 
ine jämmerliche Aufwärmung des mißrathenen Gekoͤchs von 
8347, man erkennt die Einwirkung der Junkerparthei, der 
herlach's, die weniger fich dem König als diefen ihren Abs 
ihten anbequemt haben. Gerümpel aus der Zeit vor 1789, 
Schon zur Zeit des Wiener Kongreſſes wäre dergleichen nicht 
u bieten gewejen! Noch weniger 1847, noch weniger 
eßt. — 

Puſchkin's, Onegin * von Bodenftedt überſetzt. Bewunderns⸗ 
dürdige Leichtigkeit! Aber mit welchem Eindrude fi das 
m Ruſſiſchen lieft, davon giebt die Ueberſetzung feine Bor: 
tellung, und fann fie nicht geben. Die Art und {Folge der 
Bilder und Gebilde Puſchkin's verträgt nicht die leifefte Ver- 
änderung, ohne daß Kraft und Anmuth dabei verloren 
Singen. — 

Bas macht wohl jept mein guter Neweroff, mit dem ich 
zuerſt den Onegin las? — Wie viele Menfchen find mir ent: 
rüdt, durch den Tod und durch das Leben! Wie fehnlich ge- 
den ich Neumann's, Chamiſſo's, Koreff's! — 


der mhagen von Enſe, Tagebücher. XI. 18 


274 


Ueber den Hochverrathsprozeß erde, Ladendorf, Fal- 
fenthal, Levy ꝛc. hört man die fchneidendften Urtheile. 
Das Ganze, heißt ed, fei von Hindeldey künſtlich gemadt, 
ohne den von ihm geleiteten und bezahlten Verräther Henke 
wäre gar nichte vorhanden. Dabei ift es merkwürdig, 
wie die eigentlichen Häupter der Freiheitd: und Volksparthei 
beinahe gar nicht berührt werden. Die höhere Organifatien 
und Wirffamfeit der Demokratie fol ganz ungefährdet fort: 
beftehen, von der Polizei unentdedt. Die armen Schelm, 
die jet vor Gericht ſtehen, büßen dafür, daß fie ungeduldig 
auf eigne Hand etwas anfangen wollten, was denn aud nur 
auf Kinderei hinauslief, — in der fie das Opfer eines Halunten 
wurden. — Merkwürdig ift ed, daß nad der Schmad un 
Schande des Prozeſſes Waldeck man fo bald wieder einen ähn 
lihen zu bringen wagt, nad einem Ohm jept einen Henkt 
bringt! — | 


- Mittwoch, ben 18. Oftober 1854. 

Die Rationakzeitung Scharf gegen die Kreuzzeitungsparthei 
und gegen die Zufammenfegung der Erſten Kammer. 9 
verfluche das verrottete Zeug und bin heute recht zum Fluchen 
aufgelegt! — Großes Feft zur Einweihung des Denkmals auf 
dem Invalidenkirchhofe für die am 18. März 1848 gefallenen 
Soldaten. Der König dort. Kanonendonner, Glodengeläutt. 
Das Pegräbnißfeft der Barrikadenfämpfer wird in der Erinne⸗ 
rung lebhaft aufgefrifcht; das war doch ganz was andres, de 
Stadt nahm Theil daran, die Geiftlichkeit, der Magiftrat, die Be⸗ 
hörden, und e8 war der Sieg, den man feierte, nicht die Rie- 
derlage, die Freiheit, nicht die Knechtſchaft. — Der König 
hat die Marmortafel mit der rothen Infchrift über der Bank⸗ 
thüre wieder wegnehmen, und an deren Statt eine eherne Tafel 
mit derſelben Infchrift in die Mauer zwijchen zwei Fenſtern 





275 


einſetzen laſſen. Dieſer Wechfel, der fchon aeftern befannt 
war, heute zu fehen ift, erregt viel Gelächter und Spott. — 

Der König läpt für Schlefien einen Buß- und Bettag 
augihreiben! — 

Der König ift nad) Zeplingen zur Jagd gefahren. „Ges 
yränge, Jagd, Hofwirthfchaft, Kirchenwefen, Theologie, — nur 
niht Krieg.” Viele Offiziere follen mit der Feier fehr unzu⸗ 
frieden geivefen fein und laut ihre Unzufriedenheit geäußert 
baden. — 

Abends bei mir Thee; Ludmilla, Croͤpet, Galusky, Hatz⸗ 
feldt, Franck. Vom erſten Augenblick an äußerſt lebhaft und 
exxgößlich. Viel Streit, meiſt über litterariſche Gegenſtände, 
doch immer in guten Schranken und ein Ende mit Lachen. 
Galusky war immer der fchärffte; Hatzfeldt der heredtefte, 
Cepet der geſinnungsbeſte. Die Herren gingen erft nach 

1 Uhr fort. — Im Plinius gelefen. — 
'  Barbes in Brüffel angelommen. — Die Zeitungen fagen 
jeßt wieder, Hartmann fei beftimmt ald Gefangener in Wien 
 tingebracht worden. — 


Donnerstag, den 19. Oltober 1854. 
Die Nationalzeitung befpricht die Note des fächlifchen 
| Niniftere, Freiherrn v. Beuft, durch welche diefer Ruffenfreund 
die Borwürfe des englifchen Kabinets abzumweifen fucht; von 
dem Dank, den Deutfhland den Rufen ſchulde, fpricht er 
zwar weniger ale in Bamberg, aber das dumme Vieh hat die 
Frechheit, in dem jebigen Zuftande die Einheit Deutſchlands 
gewahrt, und das Bundeöprinzip befriedigend zu finden ! 
Wenigſtens empfängt er hier eine Feine Züchtigung. — 
Ausgegangen mit Ludmilla. — In der Werkſtatt von Kiß, 
gegenüber von Monbijou; die folofale Gruppe St. George 
ınd des Drachen, des guten und böfen Prinzipd, ald Sinn, 
18° 





276 


bild des Jahres 1848. Der Bildhauer fchein 
fteller zum Narren gehabt zu haben, dad Pfert 
Drachen nicht mehr zu retten, und der Ritter bo 
Drachen, ohne ihn treffen zu können; dabei if 
häplich, und das vermeintlich böfe Prinzip ift im 
In Heine's -Qutezia gelefen. Der Autor wı 
berathen, diefe Tagesartifel geſammelt herauszu 
enthalten viel Geiftvolles, Wibiges, aber um defien 
mußte man fie einzeln haben, ihre Folgereihe ftelli 
Willkür und Zufälligfeit bloß, mit denen hier Lo 
audgetheilt wird, und man erfennt zu fchnell, t 
theilen nur die Bosheit des Augenblided zum G 
fie verlieren dadurch allen Werth. Niemald w 
Leſen Heine’fcher Sachen fo unbefriedigt, feine p 
Ihärfe fticht gegen feine fonftige Schärfe um fo 
Schade, ſchade! — 

Furchtbare Rechnung, wenn man im Alter fi 
was alles man gehabt hat, was man noch hat, u 
noch haben fann! Die Zeitgenofjen find meift 
Lebensgüter aufgebraucht, die Hoffnung befchrär 
nehmende Verfall vor Augen! — Es wäre nicht « 
wenn man blos im eigerfft Perfönlichen lebte, we 
Zheilnahme am Allgemeinen, am Geiftigen, am F 
den, an den Menſchen und der Menichheit, 
Zröftungen und Erwedungen brächte, die über dar 
weit hinausgehen. Und dennoch gefchieht es, dal 
manchen Augenblicken mit fchredlichem Ueberg 
Andere in die Luft fchnellte! — 

Der Generals BolizeisDireftor von Hindeldey 
Geſellſchaft gejagt, die des Hochverraths angeklagt 
müßten verurtheilt werden, da® ginge gar n 
Seine Majeftät der König „fei gar zu wüthig 
gegen fie! — 


277 


Freitag, ben 20. Oktober 1854. 

Gefhrieben. Ueber den Hochverrathsprozeß und Die 
Mitihuld der Behörde. — Audgegangen mit Ludmilla; im 
Thiergarten bei Bettina von Arnim, wir wollten erfahren, 
ob fie abgereift fei; fie fam herunter und ging mit und zur 

Stadt zurüd. Sie entfchuldigte, daß fie noch bier fei, mit 
Giſela's abermaligem Erkranken, das arme Mädchen muß 
immer herhalten, wenn die Mutter einen Borwand braucht! 
Irworrene Erzählungen über Steinhäufer, der wieder der 
größte Bewunderer ihres Denfmals fein foll, dem König 
taffelbe dringend empfehlen will u. f. w., dann über Ratti, 
deſen Angelegenheit immer räthfelhafter wird! Bettina fprach 
J immerfort, Tieß und Andre gar nicht zu Worte fommen. — 
Se zeigt und Verzierungen, mit der Feder gezeichnet, die in 
Gold ihr Dämonenbuch für den Sultan ſchmücken follen; fie 
wvill die Sache zur Ausführung bringen. — Unter den Linden 
J begegneten wir der Gräfin von Oriola, mit der wir Bettina 
} ließen. — 

Als wir nad Haufe fommen, trafen wir Fanny Elpler 
go wit ihrer Tochter, die eben wieder weggehen wollten. Sie 
I dringt mir das längft erwartete Bildniß des Herrn George 
J Stote, dad mir Mrd. Harriet Grote ſchickt. Fanny iſt lieblich 
und anmuthig, einfach und harmlos, fieht noch recht gut aus. 
% Der Faktor der Trowitzſch'ſchen Buchdruckerei war bei 
5 wir und fragte wegen der Drudfertigkeit der Arnim'ſchen Ge: 
J dichte. Der Drud foll beginnen, fobald das Papier da ift, 
J velches aus Weimar geſchickt wird. — 

Ludmilla hat diefen Sommer ihre Freundin Neander ver: 
Ioren, und ift jett in Gefahr, auch ihre Freundin Gräfin von 
| Ablefeldt zu verlieren! Wir befpradhen dies traurige Ver: 
| Mingnig auf unftem Abendwege, den wir über die hellerleuch- 
teten Sinden nahmen. Auf wen fell ſich die arme Ludmilla 
fügen, wenn ich nicht mehr da bin? Wir überdachten alle 


| 
+ 

















278 


unsre Berhältniffe, an allen war nicht viel, nicht das red 
und nöthige. Ludmilla fagte zu mir: „Du fiehft, du mu] 
noch lange, lange bei mir bleiben! und wenn du mid den 
doch endlich allein zurüdläffeft, fo habe ich auch nicht viel meh 
in der Welt zu thun, ich beforge noch beftend deine Papier 
und dann fomme ich dir nah.“ Das erfchütterte mich in 
Innerften, und diefe Art das Leben anzufehen lag noch lanı 
wie ein Alp auf meiner Seele! — 


Sonnabend, ben 21. Oltober 1864. 

Reste Hand an Arnim’d Gedichtfammlung gelegt. Gr:ı 
Mühe mit Bettinend nachläffigen Abfchriften. — Guter Art 
der Nationalzeitung über die Forderungen, welche Deutf 
land in der jebigen Krife zu machen bat: Deffnung Pole: 
Miedergewinn Schleswig-Holfteind, Aenderung der däniſck 
Thronfolge, Hülfe den Kurheſſen! — 

In Frankfurt am Main war ed am 14. Oktober Aber 
ſehr unruhig. Singende Schaaren zogen umher, fie fange 
das Hederlied, das fo fehwer verpönt ift, und dad ichn 
immer nicht fenne. Mehrere Berhaftungen fanden Statt. 

In’ Baiern ein neued Wahlgefeb für die zweite Kamm 
natürlich ein rüdfchreitended. Albernheiten ded Herrn x 
der Pfordten, der wortbrüchigen Reaktion! — — 

In Heflen-Kaffel find die angellagten Hanauer vom he 
ften Gerichtshof freigefprochen worden. Ob ihnen das vn 
helfen wird? Der Halunke Haffenpflug macht fich viel a 
Urtheil und Recht! Er wird fie ſchon zwiden! — 

Der jüngere Manteuffel hier ift Minifter geworden, i 
zu Liebe ift ein AderbausMinifterium errichtet worden. Sp⸗ 
famteit! Immer neue Behörden! Die Sachen wurden b 
ber ohne Minifterium hinreichend verwaltet. — 





279 / 


Seit einiger Zeit unterhalten fich ſpät Abende unter mei» 

nen Fenſtern mehrere Leute, die wahrfcheinlich aus einem be- 
nachbarten Wirthehaufe fommen und vor dem Scheiden noch 
allerlei Bemerkungen austauſchen. Da ihr Schwähen und 
Laden mih am Schlafen hindert — zwifchen 12 und 1 Uhr 
— fo ging ich wohl an's Fenſter, und hörte, was fie verhan- 
delten. Zum Theil ihre eignen Gefhichten, die ich nicht ver- 
fund, zum Theil aber auch öffentliche Angelegenheiten, mit 
einer Schärfe und Verwegenheit, die wenigſtens bei Tage auf 
unſten Straßen fich nicht zeigen dürften! Aber die Leute jind 
nicht fo dumm, in der einfamen laternenhellen Nacht kann kein 
Konftabler ſich nähern oder verfteden, und was man im Haufe 
vielleicht hörte, ift für fie ungefährlihd. Heute fchienen fie 
mich bemerkt zu haben, fprachen leifer und gingen dann bald. 
leber den Prozeß Gerede, Ladendorf ꝛc. fprachen fie mit bittrem 
Hohn, mit Schimpfreden auf die Polizei, die Minifter, die Ge- 
tichte. — 

In Kopenhagen ift das Volksthing aufgelöft worden. Die 
Dünen erfahren, was es heißt, ihre Sache auf die Kabinette 
geftügt, ihre Freiheit und Volksthümlichkeit mit ruffifchen 
Einfüffen befleckt zu haben. — 

Londoner Blätter ſprechen vom hiefigen Hochverrathsprozeß 
mit großer Berachtung, und rügen die Schändlichkeit, daß man 
agents provocateurs gebraudye, wie früher den Schuft Ohm 
und jeht den Schuft Henke. Auch der geweſene Kriegsminifter 
von Bonin befommt fein Theil, weil er dem Hentze gefagt, 
feine Rolle fei nicht gegen die Offizierdehre. Dann aber wird 
geſagt, der größte agent provocateur, der Hunderttaufende 
verführt und ftraffällig gemacht, fei wie jene genannten auch 
one alle Strafe geblieben, außer der Berachtung, die ihn wie 
jene treffe! — 





280 


Sonntag, ben 22. Oktober 1854. 

Gefchrieben. In meinen Papieren gearbeitet; es gieht 
unaufbhörlih was zu thun! Manches für den Tag Wichtige 
oder Unerläßliche, was nachher in Unbedeutenheit hinfchwinde, 
anderes im Augenblid Unerhebliche, was aber in der Folge 
[häßenswerth wird. Goethe jagt, das geringfte Geſchäft ſei 
beiler als Müffiggang, was aber leßterer eigentlich fei, hab 
ich Gottlob noch nie erfahren, denn der jcheinbare if ja 
feiner! — 

Audgegangen mit Ludmilla. — Unter den Linden Her * 
Direktor Wilhelm von Schadow geſprochen, dem es mit den 
Augen vortrefflich und auch ſonſt gut geht. Er wird ſein 
großes Gemählde hier ausſtellen, das der König ſehen will. 
Er klagt über Olfers, der allerdings einen Nebenbuhler in ihm 
wittern mag. 

Im Thiergarten ſchickte ich zu Bettinen hinauf, fie war 
aber nicht zu Haufe, oder nicht zu fprechen. Unſer Spazier 
gang dauerte zwei Stunden, und war ganz vortrefflih. Der 
Herbit prangte in feinen fehönften Karben, wir betrachteten 
Großes und Kleines, fammelten bunte Blätter, beſprachen die 
bunte Mannigfaltigfeit und Fülle. Die Luft war frifch und 
ftärfend, der Athem leicht. — Wir begegneten dem Herrn 
General Palm, der und etwas beffere Nachrichten von der 
Gräfin von Ahlefeldt gab. — 

Im Ovidius gelefen, die Schilderungen von Tomi, — ob 
der Ort in Befjarabien oder in der Dobruticha gelegen, iſt 
zweifelhaft, doch mir letzteres wahrſcheinlich. — 

Der Hochverrathsprozeß nimmt durch die Ausſage der Ro- 
jtoder Betheiligten eine fchlechte Wendung. Freifprehung ift 
nicht zu erwarten. Thorheit, Dünfel, Unfinn werden wie 
Verbrechen beftraft; im Grunde könnte die Demofratie felber 
darauf antragen, es find ihre unartigen, vorlauten Leute, die 
ihr nur fchaden und fie bloßftellen. — 





281 


Preußifche Note vom 13. Oftober als Antwort auf die 
fterreichifche vom 30. September. Das elendeite Gewäſch, das 
immerlichfte diplomatifche Machwerf, das feineögleichen nicht 
ndet! Kein Wunder, wenn Preußens Anfehn und Einfluß 
ı den Koth hinunterfinft! Die ſchönſten Worte der Welt 
nd ihre geichictefte Anordnung wären freilich nicht ver: 
sögend, diefe Haltungslofigfeit und Verwirrung ald Feftig- 
tt und Beritand erfcheinen zu laffen! — 

Bei dem Hochverrathsprozeß will man doch fehr die Ent- 
altfamkfeit ſowohl Hindeldey’s ale des Oberſtaatsanwalts 
ühmen, die viele Nebenzweige der Unterfuhung haben fallen 
fen, 3. B. die Aeußerungen von Jacoby und Rodbertug, 
te Geldfpenden , welche gegeben worden, die Theilnehmer an 
en Bezirfövereinen in Berlin, an den demofratifchen Kon: 
reſſen ꝛc. Hinckeldey ſchickt den Zeitungen die ftenographifchen 
Yerichte nun doch zu, aber fie fcheinen nicht entftellt; die 
‚ationalzeitung läßt fie überarbeiten. 

Der Kirchenftreit in Baden fchien durch die Nachgiebigfeit 
er Regierung fo gut wie ausgeglichen; er ift ed nicht! Der 
xjbifchof beharrt in feinem Trotz! — 


Montag, den 23. Oftober 1854. 

Gleich nad, 10 Uhr fam Bettina von Arnim; fie brachte 
rir einen Brief, den ich lefen und behalten follte, er war von 
'“, der fie unter großen Schmeichelreden um ihre Schriften 
at, nachdem er die ihred Mannes fchon von ihr bekommen. 
Sie ſchimpfte auf den unverfchämten Kerl, das Schwein, den 
ump, und wie fie ihn ſonſt nannte, wollte nicht, daß ich feine 
;chmeicheleien leſen follte, und da ich's unterließ, wollte fie 
doch wieder! Dann mißhandelte fie mit ſchimpflichen Bei: 
srtern *, der geftern Abend habe kommen follen, aber nicht 
tommen fei, fondern heute ein Schreiben von ihm, daß er 





282 


Durch einen Freund abgehalten worden, den er ihr heute vr 
ftellen wolle, ſie meinte, der knirpſige Kerl habe gar fein Ad 
ihr jemanden zu bringen, und ftatt ihn heute zu erwarten, fi 
fie zu mir gefommen ; der Freund aber ift Hagfeldt, von de 
ein Billet beigelegen,, nebft einem Buche, das er über Plato 
gejchrieben und ihr, der Platoniſchen Frau, darbringe, © 
wußte den Namen nicht, ale ich ihr dad Buch zeigte, war j 
ärgerlich, daß auch ich diefe Bekanntfchaft habe, eben fo m 
es ihr unangenehm, daß ich F. geftern gefprochen zu haben b 
fannte; fie fehimpfte nur um jo mehr. Dann fagte fie, ih 
Abreife habe Steinhäufer noch verzögert, der den Stönig ſpreche 
werde, falld es Olfers leide, der offenbar fürchte, Steinhäuf 
fönne dem Könige ihr Denkmal anrühmen; dies nämlidi 
ihre Hoffnung, obfchon fie ed läugnet! Steinhäufer, der no 
vor wenig Tagen nur ein Techniker, ein Behaner deö Ma 
morg, fein follte, ift plößlich wieder ein begeifterter Künfle 
feine Madonna ein Meifterwer! Dann ließ fie mir ii 
Grafen von Flemming hoch Flingen, der wolle fie auf der Rei 
begleiten, und wegen feiner habe fie ihre Reife bis Mittwe 
aufgefehoben. Nun aber kommt das Schönfte! Sie ſag 
indem fie ſich in dem Lehnſtuhl weit zurückwarf: „Ach, ich ! 
alt und ftumpf, ich kann nicht mehr, was ich fonft konnte 
fegte dann aber mit Nachdrud hinzu: ‚Doch nod) immer 
reit, Ihnen die Spige zu bieten!“ ch nahm das ala Sch 
merkte aber bald, dag eö eine Bedeutung habe, das alte Di 
trauen regte ſich, fie hatte was über mich gehört, oder fich ı 
ergrübelt! ch fagte ihr: „Heraus mit der Sprade! ı 
ift’3 für ein Klatſch?“ Erſt nach vielen Zwifchenreden fam 
darauf zurüd, und fagte: „Nicht, wie Sie vorher fag 
Klatfh, fondern Infpiration!* Sch zudte die Achfeln. 
fie dann ging, fagte fie doch wieder, wenn fie allen Dant, 
fie mir ſchulde, ausfprechen follte, müßte fie da fich zur € 
büden, und immerfort Allah, Allah! rufen. Sie nahm d 


En E Fe 
. ——— 





283 


Abſchied, weil ſie am Mittwoch reiſe. Sie hinterließ mir die 
übelſten Eindrücke von Verkehrtheit, Wahn, Unſicherheit. 
Das ſoll das Schimpfen auf F., auf *, die ihr doch wieder zu 
andrer Zeit ganz recht find, und denen fie fchmeichelt, wie jene 
ide? was foll das Berwerfen der Leute, die ihr, wenn fie nicht 
ihr allein gehören, gleih an Werth verlieren? und der un⸗ 
ſelige Argwohn, daß Andre fo verftedt und abſichtsvoll feien, 
wie fie es iſt? Erfreuliche Nachricht über Mori Hartmann, 
eritin Konftantinopel, nicht verhaftet, nur krank! Die Bruft 
wurde mir ordentlich erleichtert! — 

Nachmittags kam der Faktor der Trowitzſch'ſchen Druderei ; 
in Folge von Bettinend Weifung übergab ich ihm das Manu- 
ſttipt. — 

Abends Beſuch von Herrn Erepet. Herr * hat heute 
Herrn Hapfeldt zu Bettinen gebracht, und fie ihn vortrefflich 
aufgenommen, ihm ihre Bücher gefchenft, ihre Zeichnungen 
vorgelegt ; fie fagte ihm, fie empfange ihn, weil ich ihr ge: 
fagt, er fei ein talentvoller und fchöner Mann! Sie muß von 
mir eiligft nach Haufe gegangen fein, um den Beſuch, den fie 


: anfangs verfäumen wollte, nicht zu verfäumen. — 


Der öfterreichifche Lloyd ift in Sachen verboten worden, 
duch den Minifter Freiherrn von Beuſt. So recht! zanft 
euh! — 

Der baierifche Minifter von der Pfordten ift hier ange: 


fommen, und wird nah Wien gehen, um zu vermitteln! 
| Baiern macht fih wichtig und Preußen macht fih un- 
wichtig! — 


Dienstag, den 24. Oltober 1854. 
Ausgegangen mit Ludmilla. Auf der Kunftausftellung ; 


| Herrn Generalauditeur Friccius geſprochen, Bekanntſchaft mit 
| dem jungen Mahler Bleibtreu, der die Schladht von Groß⸗ 


284 


Beeren und die Erftürmung von Leipzig gemablt hat. Dat 
Gemählde von Menzel wieder mit Luft betrachtet, einige Bild: 
niffe und Landſchaften, Mofes, der Waller aus dem Felſen 
\hlägt. Einen widrigen Eindrud macht das Bild des König 
im Krönungsmantel, von Krüger gemahlt. ALS wir [hen 
weggehen wollten, ergriff mich jemand heftig am Arın und ri 
mich zurüd, ed war Bettina von Arnim, die mich vor ein Gr 
mählde führte, aber fogleich Die häßlichſte Quängelei mit mir 
begann. Sie fagte, fie habe von *, wo fie eben gewefen, hören 
müffen, daß die ganze Stadt davon fpreche, Barnhagen get 
Arnim’d Gedichte heraus, laſſe fie nun aber fchnöde fallen, 
wolle fi um die Drudbogen nicht fümmern, man finde de : 
abfcheulich, könne es aber nicht glauben! Ich ging aufden 
Scherz ein, bemerfte daß * heute in Potsdam fei, da id nidt 
gewußt, daß diefe fo gute Bekanntſchaft mit dem Falter vr 
Druderei habe, dem ich geftern allerdings gejagt, ich würde 
nur die zwei eriten Drudbogen durchfehen,, nicht aber die fol: 
genden, weil cd mir die Augen anftrenge, weßhalb ich ud 
mein eigned Buch im vorigen Sommer dem Korrektor über 
laffen habe. Sie erwiederte, da ich aber Fremdes übernommen 
habe, fo hätte mich der Eifer, die Begeifterung für die Sache 
hinreißen follen, mehr dafür zu thun, als für das Eigne. Ali 
ich verfeßte, folche Wirkung habe ich nicht empfunden, das 
Feuer müffe nicht ftarf genug gewefen fein, war fie fehr ge: 
reizt und meinte, fie hätte mir mehr Rührung zugetraut. Dar 
auf fchimpfte fie auf den Franzoſen, den ich ihr angerühmt, 
auf fein dummes Buch, das fie mir fchenten wolle, damit ic 
es zweimal habe, ich folle fie nicht mehr heimfuchen mit ſolchen 
Leuten, denen ich Verehrung widmete, fie denke noh an Mrs. 
Try, die ich ihr auch gerühmt. ch hätte ihr gut antworten 
fönnen, antwortete aber nur mit Scherz. Das verdroß für 
auf’® neue. Sie fagte, da ich fo Iuftig bei der Sache fei, febı 
fie wohl, daß ich fie aus dem Haufe feße, fie werde mich nic! 


285 . 


mehr inkommodiren. ch nahm ed noch immer leicht, und 
fagte, wir müßten gehen und bot ihr die Hand zum Abfchied, 
fie zog ihre zurück, gab fie aber Ludmilla'n, wandte fich vor 
ein Bild hin und und den Rüden. Da ließ ich fie ftehen, und 
wir gingen fort. Was diefe ganze Handwurfterei hinter ſich 
hat, weiß ich nicht und kann es nicht errathen, auch nicht die 
Spige ded Borwurfd kann ich erfennen; daß ich die Korrektur 
der Drudbogen nicht beforgen mag, ift doch etivad zu Gering- 
fügiges, um Davon Lärm zu machen, die Erdichtung mit *, 
die harten Ausdrüde aller Art zu begründen, von aus dem 
Haufe werfen, von nicht mehr infommodiren zc. und die Falſch⸗ 
keit in Betreff ded Herrn Hapfeldt, den ich ihr nicht gebracht, 
den fie aber mit fchmeichelnder Artigfeit aufgenommen, be: 
ſchenkt und für fich zu gewinnen gefucht hat. Genug, ich habe 
den Schlüffel zu dem Benehmen nicht, finde ed aber ganz 
abgeſchmackt, unpaſſend und widerwärtig. Sie muß nicht 
glauben, daß ich ihrer bedarf; ich kenne fie nur — feit mehr 
als dreigig Fahren — um ihr nüglich und gefällig zu fein, ich 
babe nie etwas von ihr, fie ſtets vieled von mir begehrt. 
Längſt erwartete ich, wie ſchon öfters gefchehen, ſolche Wen- 
dung, doch da fie nun eintritt, ift fie mir in ihrer Art gleich: 
wohl eine verdrieliche Ueberraſchung. — Und dad nach den 
jeftrigen Dankverfiherungen, und nad) dem Abſchluß einer 
virflich großen Arbeit, die ich für fie gemacht, und während 
ine fait nicht geringere noch in Ausficht fteht! — 

Befuh von Herrn Habfeldt Abende. Cr reift morgen, 
nd trifft Galusky'n in Magdeburg. Er iſt von Poitiers 
ach Grenoble mit bedeutendem Bortheil verfebt worden. Mit 
Sharfiinn hat er Bettina’n durchſchaut, und ſetzt beftimmt 
oraus, daß fie nach der geftrigen Freundlichkeit übel von ihm 
richt. — Er nimmt meine Biographiſchen Denkmale mit 
nd will einiges überfegen. SHerzlicher Abſchied. 

Am 22. ftarb in Iſchl, an den Folgen einer Handvers 





‘ 286 


legung, der Fürft Karl Egon von Fürftenberg, 58 Jahr alt, 
Er war nicht ohne Geift und Schwung, in früherer Zeit 
liebenswürdig. Doc artete er zulegt in einen ordnungsloſen 
eitlen Phantaſten aus. 


Mittwoch, ben 25. Oktober 1854. 4 
Die ftenographifchen Berichte über den Hochverratbe : 
progeß, welde Hinkeldey anfertigen läßt und den Zeitungen 3 
zufendet, werden von diefen zwar ald Material angenommen, | 
aber nur überarbeitet in den Drud gegeben; die bejonder | 
Färbung, die man befürchtete, war biöher nicht [ehr wahrnehm: 1 
bar, plöglich aber fehlt darin der Inhalt der Bertbeidigung. | 
reden, und wird furz angegeben, welcher Anwalt und für war ı 
er geiprochen. Hier alfo zeigt fich die bisher verſteckte Schlange: | 
Die Volkszeitung rügt heute diefe Thatfache mit freiem Muthe. 
— Der Prozeß wirft mächtig auf das Volk, und dient im ; 
zur großen Lehre. Der Unterfchied, den die Staatsanmal | 
{haft zwiſchen tother und blauer Demokratie macht — die ° 
legtre foll die edle fein — , wirkt dahin ein, daß auch nun de 
rothe Flüglich nur als blaue gelten will. Daneben will man 
bemerken, daß die fogenannten Gothaer fich ftärken, und nem 
Anhänger gewinnen. Immerhin! Was die leute für Zeichen 
aufſtecken, ift gleichgültig, ed fommt nur darauf an, welche? 
fie fünftig tragen werden. — 

In meiner Abwefenheit war Bettina von Arnim hier, da 
fie mich nicht fand, verbot fie Karolinen ftreng, etivad davon 
zu fagen, daß fie dageweſen fei! Daß fie mich verföhnen 
will, ift fehr natürlich , vielleicht hält fie für das befte Mittel 
dazu, mich wader auszufhelten! Man darf mit ihr nicht 
rechten, nur fie bedauern! — 

Das heute Vormittag befannt gewordene Urtheil des 

. Staatögerichtähofes, welches Gerde, Ladendorf und Falken⸗ 








287 


bal zu fünf, Collmann, Neo, Levy und Geisler zu vier, Pape 
md Weidle zu drei Fahren Zuchthaus verurtheilt und nur den 
schlofermeifter Härter freifpricht, hat unter der hieſigen Volks⸗ 
aenge einen furchtbaren Eindrud gemacht, nicht der Nieder: 
eihlagenheit, fondern der Empörung, des Unwillend und des 
zorns. Zwar war dad Gericht noch milde, der Staatdan- 
valt hatte bis auf 15 Fahre Zuchthaus angetragen; aber die 
Ugemeine Ueberzeugung tft, daß die fämmtlichen Angeflagten 
außten freigefprochen werden; auch gewiegte Rechtögelehrte 
nd diefer Meinung und erflären das Ganze für eine Gräuel- 
hat der Polizei und des Gerichted zufämmen. Der Staate- 
erihtöhof, heißt es, fei mit Bedacht aus den willfährigiten, 
hmiegfamften Richtern zufammengefeht, er würde nie gewagt 
aben alle freizufprechen, er würde es für feine Pflicht ange- 
eben haben, zu verurtheilen, die Polizei nicht ſtecken zu laffen. 
degen Hindeldey wird furchtbar gefchrieen, er habe diefe armen 
deute zur Stufe feiner Beförderung gebraucht, und da die 
Ieötere noch nicht nach Wunfch groß genug erfolgt fei, fo werde 
er neue Opfer fuchen, um fie zu einer neuen Stufe zu ge 
rauhen! Henke wird ein ehrlofer Schuft genannt, ein Judas 
Hharioth, ein Ohm, ein Goedfche. Solche Reden fielen auf 
Wentlicher Straße vor, in der Lindenſtraße, Charlotten- 
traße ꝛc. — Keine Gefchworenen, fagt man, hätten hier das 
Shuldig ausgeſprochen, man jehe, der Staatögerichtöhof erfülle 
ie Abfichten, die man bei feiner Gründung gehabt, allein das 
ertrauen in die preußifche Rechtspflege erleide im Volke den 
irteften Stoß! — 

Der fächfifche Minifter von Beuft bier. Ekelhaftes 
reiben! — 


288 


Donnerstag, ben 26. Oftober 1854. 
Endlich gewiſſe Nachricht, daß am 18. d. M. das Feun 
gegen Sebaftopol eröffnet worden! Die Ruſſen geftehen 
500 Mann Berluft, unter denen der Generaladjutant Fer: 
niloff. — 

Ausgegangen mit Ludmilla. Trotz des Sturmwindes in 
den Thiergarten gegangen, wo der Wind in den Wipfeln here: 
lich raufchte, und immerfort Blätter und Zweige niedenwarf 
Wir fahen am Karpfenteiche eine italiänifche Pappel liegen, Di 
zwanzig Fuß über dem Boden abgebrochen und niedergeftür 
war. Eine Eiche war umgeftürzt, und hatte einen Menſchen 
blutig geſchlagen. Windſtöße wechjelten mit Sonnenbliden 
ed war fhön und friſch. — 

Zu Haufe Herrn von Biedert und Frau Bettina vor 
Arnim verfäumt; letztere hatte wieder ſtreng verboten 
etwad davon zu jagen, daß fie dagewefen fei, dann abe 
doch gewollt, man folle mir fagen, fie habe Abfchied nehme 
wollen. — Nach dem Eſſen fam fie wieder, trat bei mir ei 
rief aber gleich nach Dore, fie folle dableiben und Zeuge fei 
was vorginge, denn mir fei nicht zu trauen, nachdem id | 
ichon aus dem Haufe geworfen (! 721), könne ich ihr auch for 
was thun. Nachdem wir und fie mit und hierüber gelai 
trat fie an mich heran, und fragte mit fpigem Ernſt: „€ 
find alfo wirklich entfchloffen, an der Sache nicht ferner Tt 
zu nehmen, und zurüdzutreten?* Keineswegs! Ich we 
immer ein Auge darauf haben, allein die Korrektur der Drı 
bogen regelmäßig zu beforgen, bin ih nicht im Stande. 
„Nun gut, fo muß ich veranftalten, dag die Bogen an He 
von Schöll nah Weimar oder an mich nah Bonn geſch 
werden!” — Aber warum die Umftände? Wenn die Sc 
im Gang ift, fann jeder Student, oder auch der Faktor 
Korrektur beforgen. — „O nein, das muß ic) felbft thur 
Ich bewies ihr, daß ihr das Auge für diefes Gefchäft fe 


289 


t ihr fcherzend vor, was fie ſchon im Abfchreiben für 
jemacht. Dazu lachte fie denn fröblih, und lieg es 
t. Nah einigem andern Gefpräch gab fie mir. die 
rd nahm freundlich Abſchied. Ich rief ihr gute Reife: 
und Grüße für Fräulein Gifela nad. — 


deldey warnt die Neue Preußiſche Zeitung, nicht wie: 
e Ausfälle, wie neulich ein paarmal, gegen das fran- 
Staatöoberhaupt zu machen, fonjt würde man die 
‚unterdrüden. Allgemeine Warnungen, die Regierun- 
bar zu behandeln, bat die franzöfifche ergehen laffen, 
reichiſche. Was will das jagen! Ohrfeigen können's 
r nicht zu laute! — 


Freitag, ben 27. Oltober 1854. 

neues Regulativ des Minifterd von Raumer für Die 

ulen beitimmt, daß die Lehrer weniger zu willen 

i, daß alfo das Volk auch weniger lernen joll. Man 

; Auswendiglernen begünftigen, das Selbftdenfen be- 
1, nad unten eine Art Verdummung einführen. 


heutige Publizift wurde von der Polizei weggenom: 
St enthielt eine Unterfuchung über den Begriff Hoch— 
Augsburger Allgemeine Zeitung ift wegen eine? preu- 
lichen Artifeld vom Stadtgericht verurtheilt, und ein 
tal aus gleichem Grunde von der Polizei weggenoms 
rden; wird fie wieder verurtheilt, fo hat der Minifter 
ht, fie im ganzen Staate zu verbieten. Geſchäh' ihr 


echt! wenn auch aus andern Gründen! Sie war eine 
. Ra im Cache ARAQ Na Malbätrıca nawurach 








290 


überlaffen, Konzeffionen zu gewähren oder zu entziehen; da 
biöher zufäffige Rechtsweg ift verfchloffen worden. — 


Sonnabend, ven 28. Oktober 1854. 

Unter den Meinen Bürgern und Handwerkern zeigt fd 
rege Theilnahme für Die neulich Verurtheilten, es wer 
Sammlungen für deren Angehörige gemacht 2. Eine den 
einem Litteraten aufgefepte Bittſchrift am den König wein 
Vegnadigung foll feine Unterichriften befommen haben; in 
Handwerker ftieß fie zurüd mit der fräftigen Ausrufung: „Eon 
daher ift nichts zu erwarten!“ Schlimm, wenn das Ballon 
die Gnade des Königs nicht glaubt! — 

Den Befuh von Herrn Direltor Wilhelm von Scham 
und von Bettina von Arnim verfäumt. — Gegen Abend lım 
Bettina wieder. Sie lad mir einen Brief aus Braunfhmig 
vor, der Nachrichten über die Familie Achmet giebt. Am 
Ende des fiehzehnten Jahrhunderts hat Herzog Anton Und 
von Braunſchweig im Kriege auf Morea drei Türken gefangen 
genommen, und mit nad) Braunſchweig gebracht. re fofbare 
Kleidung und ihre reichverzierten, miteiner Krone gefcpmüdten 
Waffen wurden in Braunfchtweig aufbewahtt, bis 1806 
der Kaiſer Napoleon diefelben mit andern Koftbarfeiten nach 
Paris bringen ließ. — „Das ift mir doch bedeutend, dap den 
Nappleon auf diefe Sachen fo großen Werth legte! Pie 
Familie Achmet, jegt in tieffter Noth, ift gewiß vom edelnern 
und reinften Stamm, dafür zeugt ihr Wappen auch, ein velle! 
Halbmond mit einem Turban drüber und Mantel, Em 
alte Frau in Braunfchiveig weiß noch viel zu erzählen, dad 
altes ift forgfam von ihr zu erfragen, und dann aufzuſchreiben 
Müßt ich nicht nad) Weimar, und wäre nicht die Gifel, i# 
fieß alles und reifte nad Braunſchweig! Ich will an der 
Eircourt ſchreiben, der foll ſich erfundigen, was in Paris ax 


291 


den Sachen geworden ift; die Gefchichte kann auf dieſe Art bie 
an den Kaifer fommen!* Dann foll der türfifche Kaifer be- 
wogen werden, etwas für die Familie Achmet zu thun. Bet: 
tina hätte auch Luſt, gleich felber nad) Parid zu reifen, und 
die nöthigen Schritte einzuleiten. Sie fühlt fich nur gehin- 
dert, durch Gifela, Durch alles was fie umgiebt, fie möchte 
ganz allein leben, um jeden Augenblid alles thun zu fönnen, 
was ihr einfällt. — Dann nimmt fie ernftlih Abfchied. Der 
Faltor Klein hat fie beruhigt wegen der Korrefturen, „dazu 
haben wir Rente genug”, hat er gefagt. „Da Sie nun dieſer 
Sache ledig find, lieber Varnhagen, und dod was zu thun 
haben müſſen, jo will ich Ihnen gleich neue Aufträge geben! 
Suchen Sie mir die gefchichtlichen Angaben über den Krieg in 
Morea zuſammen.“ Unter vielem Lachen und der Berfiches 
tung, daß fie noch viel für mich zu thun hat, dag ich ihre 
Kundichaft behalten foll, gebt fie fort. — 
In Goethe gelefen, in der Ilias. — 
Nichte Erhebliched aus der Krim! — 
Das Preuß. Wochenbl. ift heute von der Polizei befchlagen 
worden. Daffelbe führt nachdrüdlich Krieg gegen dad Minifte- 
rium Manteuffel, daher ruht der gegen die Kreuzzeitung etwas. 


Sonntag, den 29. Oltober 1854. 
In der Ilias gelefen, in Wachsmuth ꝛc. — 
Die Bolfezeitung ift heute weggenommen worden, weil fie die 


Unierrichtöverordnungen des Minifters von Raumer prüft und 
tadelt. hr Ton ift befcheiden, ohne alle Bitterfeit. Hilft 


nichts! — 


Im Ganzen ift es doch der Polizei gelungen, in Betreff 


des Hochverrathsprozeſſes die Prepfreiheit nad Gutdünfen zu 
unterdrüden oder zu leiten. Bon den Berhören fam nur in 
den Drud, was der Polizei beliebte, die fchlimmen Sachen 


19 * 


292 


blieben unerwähnt. Bon den Vertheidigungsreden famen 
magere Angaben in die Zeitungen. Die ftenographifcen 
richte, welche Hindeldey anfertigen und den Zeitungen zu 
len ließ, follten zwar überarbeitet werden, aber in der: 
war das nicht gleich auszuführen, oder es trat auch Läſſi— 
ein. Genug, die Polizei behielt alles in der Hand! Der 
zeß macht gleichwohl einen tiefen Eindrud im Volke. 
Unfittlichfeit des Verfahrens, der Schuß, den ein verrät 
ſcher Schuft wie Henge erfährt, die Willfährigfeit des (ai 
geſuchten) Staatögerichtöhofes, alles hilft die Achtung und! 
Vertrauen zeritören, welche die Behörden ohnehin chen 
wenig haben! — 


Montag, den 30. Oktober 1854. 

Der Mapftab, der heutigen Tages an die Bedürfnifle ı 
Ausgaben des Staates gelegt wird, muß fünftigen Zeiten ! 
glaublih vorfommen. Für eine mögliche Kriegsrüſtung, 
gen einen noch unbeftimmten Feind, werden mit Leichtig 
30 Millionen Thaler bewilligt, und wenn fie zu einer nuplo 
Mobilmachung verwendet werden, kräht fein Hahn dar 
Aber für das Unglück in Schlefien hat der Staat fein G 
da greifen Hof, Minifter und Polizei zu allen möglichen Be 
leien, machen Grofchenfammeln ꝛc. Hofleben, Gepräi 
Luxus, dummer Aufwand für Jahdebuſen und Scewe 
diplomatische Schwelgerei, alleö gebt feinen Gang; inzwil 
dreht im Thiergarten der einarmige oder ftelzfüßige In 
von 1813 feinen Leierkaſten ꝛc. Das kann nicht fo daı 
das muß feine Früchte tragen; die Wendung zum Beſſere 
nicht zu hoffen, aber die zum Schlimmern wird nicht auöbfei 

Man jagt und, wir follen die Hände nicht in den Sc 
legen, wir follen die Zukunft nicht erwarten, fondern 
zeiten, wir follen an den öffentlichen Zuftänden Theil 


293 


nen u.f.w. Meint man Damit, wir follen auch da Hand 
anlegen, wo Verkehrtes betrieben wird, wir follen unfere 
Anfihten und Gefinnungen den Umftänden unterordnen, fo 
it diefe Zumuthung ſchon durch fich felbit gerichtet. Meint 
man aber, wir follen gegen Wind und Wetter allerlei ver- 
juhen und anregen, was unferer Gejinnung entſpricht, To 
beißt das, uns die unglücklichen Gerde, Ladendorf, Falfen- 
tal ıc. zum Muſter aufitellen. Eines fo thöricht wie das 
Andre! Die wahre Thätigfeit iſt, Geift und Gefinnung frifch 
und wach zu erhalten, unfre Handlungen und Urtheile jenen 
möglihft gemäß einzurichten, und der Gewalt nachgebend ihr 
nicht huldigen, — daraus wird alles Andre von felbit erfol- 
gen. — Manche der Schreier behaupten auch, nur die Deut: 
ihen ertrügen alles; aber was alles haben Engländer, Fran— 
zoſen, Jtaliäner ertragen, was Römer und Griechen! — 

Der König von Dänemarf ift in Altona; der König von 
Preußen hat ihm ein eigenhändiges Schreiben durch den Ge— 
neral Reopold von Gerlach geihidt, um ihn zu befomplimen- 
ren! „In diefen Kreifen weiß man nichtö von Scham. 
dor wenig Jahren noch ſchickte Friedrich Wilhelm der Vierte 
line Garden, half die Schleswig-Holfteiner bewaffnen, litt in 
Sütland und an den eignen Seefüften die größte Schmach, 
leg dann Schleswig Holjtein im Stih, gab Land und Leute 
den Deiterreichern preid; und jetzt!“ — 


| Dienstag, den 31. Oltober 1854. 
Beluche. Herr und rau von Walter aus Wien, die aber 
von London fommen ! Sie erzählen von ihrem Schiwiegerfohn 
Herrn von Pulszky, von Koffutb, Herzen ꝛc. Frau von Walter 
ganz diefelbe wie vor zwanzig Jahren in Wien, und darauf in 
Kiſſingen. — 
Wie altfräͤnkiſch-abgeſchmackt find die Vorſchriften zur 


294 


Bildung der Erften Kammer! Alter Grundbefiß, befeftigke 
Grundbeſitz, Grafen-Berbände 2c. Keine großen Füge, lauter 
verjchnippelter bunter Kleinfram. Es ift zum wahren Clel, 
wie die ganze Wirthfchaft! — 

Seit ein paar Tagen ift hier am Hof die Stimmung weni 
ger rufiisch und etwas kleinlaut. Nachrichten drohenden Em 
fted aus Paris und Wien haben den König, fo heißt es, ein 
gefchüchtert, beſonders ſoll eine harte Aeußerung Louis Bone: 
parte's, den man der ftärfiten Streiche fähig weiß, tiefen Ein 
drud gemacht haben. Preußen erläßt eine neue dringende 
Note an Rußland, obgleich dieſes ihm ſchon die früheren übel 
nimmt. Sollte der Krieg in der Krim eine für die Rufen 
günftige Wendung nehmen, fo würde man es hier tief bereuen, 
grade jept den Kaifer Nikolai durch Andringlichfeit erzürnt zu 
haben. Der Kaifer foll feinem Schwager mehr grollen, al 
dem Kaifer von Deiterreih. — 

Ein englifches Blatt höhnt unfere Polizei und Gerichte, 
ein paar arme Teufel hätten ji fangen laffen, ein yaat 
Dupend Gewehre feien weggenommen worden, ob man wohl 
glaube, damit die Kraft der Demokratie gebrochen zu haben! 
Die wahren, die großen Vereine feien gar nicht berührt, be 
ftünden unter fihern Firmen ungeftört fort ꝛc. An eigene 
lichen Vereinen muß ich doch zweifeln; aber wenn von Geſin⸗ 
nungen die Nede ift, da darf man gewiß das Stiche 
glauben! — 


Mittwoch, ven 1. November 1854. 
Ruſſiſche Nachrichten aus der Krim lauten nachtbeilig T 
die Weftmächte; diefe theilen nichts Neues mit, es fcheint ' 
Truppen finden fehr große Schwierigkeiten und tapfern WiD 
ftand. Auch ſprechen die St. Peteröburger Blätter wiei 
in hohem Ton und befonders gegen England. Der Kad 


295 


Ritolai fcheint noch immer Hoffnungen auf den — Louis 
Bonaparte zu feßen, daß der plötzlich umſchlagen, und England 
im Stich laffen könne. Unficherheit muß jederman fühlen, 
der ih mit dem — einläßt! — 

Rußland zettelt überall feine Ränke an, hebt die Bereinig- 
ten Staaten von Nordamerika gegen England und Frankreich. 
Ueberall niedriged gemeined Weſen! Wohin der Blick fällt, 
immer nur trifft er auf Unfittlichfeit und Verderbnig! — 

Der Premierlieutenant außer Dienften Hentze hat fich von 
Brangel ein Zeugniß audftellen laffen, daß er feine Ehre 
nicht verwirkt habe. Nicht gut für Henke, fchlimm aber für 
Brangel! — | 

Die Magdeburger freie Gemeinde hat, nad erlittenen 
zahlloſen Polizeifchifanen, endlich unter dad Vereinsrecht — 
fat unter das einer Religionsgeſellſchaft — ſich geftellt, und 
dad Berzeichniß ihrer Mitglieder — noch immer einige taus 
ſend — der Polizei eingereicht. Allein damit hat fie feine 
Ruhe erlangt, die Schifanen gehen fort! Die Polizei fordert 
ht die genaue Angabe jeder Fleinften Beränderung, der Wohs 
kungen der Mitglieder, ihrer An- oder Abweſenheit, Dinge 
welhe der Vorſtand felber nicht weiß noch wiffen fann. Nun 
geht alfo der Betteltang der Beſchwerde, des Hins und Her⸗ 
Ihreibend, der Pladereien aller Art wieder recht los! Man 
Andet nicht Worte, um die Nichtöwürdigkeit eines ſolchen 
Schikanirens zu bezeichnen; man nennt die Regierung, die 
ſolcher Hülfsmittel bedarf, oder fie liebt, eine verabſcheuungs⸗ 
wirdige, fchändliche, eine, die fich ihrer Schwäche und Feigs 
kit bewußt ift. Bei den Oberbehörden findet ſich feine Ab- 
hilfe; dies elende Verfahren fei, heißt ed, von obenher vorge- 
ſchtieben! — 

Ad der Herzog von Gotha das leptemal hier war, wurde 
es ihm unmöglich gemacht, den König einen Augenblic allein 
zu ſehen. Die Umgebung litt ed nicht, und der König felber 


296 


fchien die Gelegenheit dazu nicht geben zu wollen. Der Ser 
zog mußte gewiffe vertrauliche Eröffnungen feitend des Kaifers 
von Oeſterreich und der Königin von England, die er machen 
follte, für jich behalten. -- „I ne m’a pas été possible de 
percer cette bone qui entoure Ic roi.* — (Der Herzog ven 
Gotha fam von Wien, und meldete ſich beim Könige, der ihn 
zur Tafel laden ließ. Bor derTafel war der König nicht allen, 
er fagte zum Herzuge, nach dem Eſſen würden fie ungeitirl 
Iprechen können. Als aber die Tafel aufgehoben war, un 
der Herzog erwartete, der König werde ihn jept in fein Rab 
net mitnehmen, trat die Königin heran, nahm den Königam 
Arm und fagte: „Fritz, der Herzog will jich dir empfehlen!‘ 
Der König entließ ihn freundlid, und ging mit der Königin 
ab. Eigne Erzählung ded Herzogs.) — 


Donnerstag, den 2. November 1854. 

Zweifelhafte Nachrichten aus der Krim. Aufregung in 
England wegen des Ausdruds „avis timides“, deſſen Louis 
Bonaparte ſich in dem Brief an die Wittwe Saint-Arnaud's 
‚ bedient hat. — 

Abends Beſuch von Herrn C. Mittheilungen au 
Paris. Louis Bonaparte wartet nur auf den Fall Sebaſto⸗ 
pols, um in Verbindung mit Defterreich eine ſcharfe Anſprache 
an Preußen zu richten. Wenn Preußen aber auch zur Theil 
nahme am Kriege gegen Rußland beftimmt wird, fo wird ed 
durch feine Mitwirfung mehr hemmen als fördern, daher wätt 
den Gegnern faft lieber, Preußen erflärte fich für Rußland, 
dann hätte man ein erwünjchtes Kriegsfeld, dann könnte mat 
ihm unmittelbar zu Leibe gehen. Ueber die innere Lat 
Frankreichs, feine Zukunft; Bonaparte liege nur loder obe" 
auf, jeder Zufall fönne ihn herabftürzen, die öffentliche ME 
nung ift durchaus wider ihn, er hat nur Schufte und Schwã 





— 


297 


age um fich her; alled was Geift und Würde in Frankreich 
at, hält fich fern von ihm. C. hofft auf allgemeine Freiheit 
vr Völker, auf die Verbündung der enropätfchen Staaten ; 
dann wird es gleichgültig fein, welchem man angehört, wie es 
gleichgültig ift für den Nordamerifaner, ob er aus Maſſachu⸗ 
jettö oder aus Ohio ift. — 

Neue Schwierigkeiten wegen der Arnim’jhen Gedichte. 
Berathung mit dem Faktor der Druderei; mißrathener Probe: 
drud. — Bettina von Arnim feheint wirklich adgereift zu 
fein. — 

Man Spricht von neuen Befchränfungen und Schwierigkei> 
ten, die der Zeitungspreffe gemacht werden follen. Auch die 
Eheſcheidung ſoll erfchwert werden. Die Kammern laffen fidh 
zu allem gebrauchen. Die Regierung fcheint feinen andern 
Joel zu haben, ald das Volk immer enger einzufchnüren und 
immer ſchwerer zu befaften. Das Leben ift von allen Seiten 
umftellt, zu allem bedarf es der Erlaubniß, der Konzeſſion, auf 
allem liegt eine Steuer, eine Abgabe. Die bürgerlichen Ber: 
bältniffe find äußerft gefpannt, und werden es mit jedem Tage 
mehr, — 


Freitag, den 3. November 1854. 

Das Jahr 1848 hat meiner ganzen Lebensftellung eine 
große Veränderung gebracht ; der äußeren zu gefchweigen, wies 
wohl auch diefe erheblich genug ift, fo hat die innere fich un- 
viderruflich dadurch erhoͤht, daß die kühnſten Forderungen, die 
nd nicht hervorwagten, die in ftillem Schlummer lagen, plöß- 

Äh durch die reinen und vollen Freiheitserfcheinungen jenes 
Rhtes unerwartet zur thatfächlichen Wirklichkeit wurden, und 
Yedurh unmöglich gemacht haben, mit Geringerem, als fchon 
dageweſen, zufrieden zu fein. Vorher war jeder Schim- 


| 


298 


mer ein Gewinn, jede Lleinfte Gewährung ein köſtliches Ge 
ſchenk, ja man glaubte die völlige Freiheit ein unerreichbare, 
ein nicht zu hoffendes Gut. Aber jebt, nachdem wir Uwah⸗ 
len auf breitefter Grundlage, volles Bereindrecht, volle Pre 
freiheit, Nationalverfammlungen in Berlin, Wien und Franb⸗ 
furt, völliged Verſchwinden der Polizeis und Regierungs 
willfür gehabt, und dies alles ohne Graufamtleiten, ohne Or: 
waltthaten und fonftige Gräuel, nachdem wir, wenn aud nut 
einen kurzen Sommer hindurch, wahre Freiheitsluft geathmel, 
was follen und jebt die elenden Kammern, die falt er⸗ 
lofchene Prepfreiheit, neben der äußerften Polizeimacht, wos 
jollen und die geringen Weberbleibjel nach der großen ädten 
Fülle? Ich weiß wohl, es ift doch Unendliches gewonnen und 
felbft der Name von Kammern bedeutet etwas, ja felbft die 
‚neue abgefchmadte, verzwidte Adelöfammer ift der Willie 
macht ein Stein auf der Bruft; — aber ſolche Rechnung il 
nur für die Gedanken, die Empfindungen wollen andre Befrie 
digung, und die einft gewährte ift jebt verfagt. Die änder 
dad Verhältniß unſres Tageslebend. — 

In Volke hier werden die verurtheilten Demokraten Gerd, 
Ladendorf, Falkenthal, Levy ꝛc. nicht nur fehr bedauert, for 
dern auch vertheidigt ald Männer, die gar nicht thöricht for 
dern auf rechten Wegen gewefen, die nur dad Unglück gehalt, 
an Verräther zu kommen. Das Bolf will nicht anerkennen, 
daß fie blöde Thoren geweſen, ed meint, die verlorene Revo 
Iution müfle mit Gewalt wiedergewonnen werden, und d 
hänge von wenigen entfchloffenen Leuten ab, dies zu bewirten 
Im März 1848 war dies freilich fo. Das Heer, die Behörden 
die Polizeimacht, alles died wird für fein zu großes Hinderni 
gehalten, man glaubt Died alled mit Einem Streich lähmen od 
auch für die neue Sache verwenden zu fünnen. Bei diel 
jehr verbreiteten Denfart müffen wir erwarten, daß die g 
ſchehene Berurtheilung neue Umtriebe und Anſchläge nic 


299 


n, und die Polizei immer wieder neue Entdeckungen zu 
n haben wird, Alle Ehrerbietung vor der Regierung 
gehört. — | 


Sonnabend, den 4. November 1854. 
ngünftige Nachrichten aus der Krim, die englifche Reites 
t beträchtlichen Berluft erlitten ; franzöftiche Linienſchiffe 
tark beſchädigt. Doch fieht man den Fall Sebaftopold 
wiß an. — 

'efürchtungen in Betreff Nordamerikas, das gegen Frank⸗ 
und England auftreten zu wollen fcheint, zu Gunften 
inds wirken könnte. Diefe Befürchtungen kümmern 
venig; und wär’ ed denn ein fo großes Unglüd, wenn 
chtswürdigen Regierungen, die jebt in Parid und Lon⸗ 
errfchen, etwas in’d Gedränge fämen? find fie um ein 
beſſer als die ruffiiche? Bon Rändern und Bölfern ift 
nehin gar nicht die Rede! — 
ch las heute zufällig in Johannes von Müller's Schwei- 
hichte, und der Haupteindrud war, daß Diefed ungeniep- 
Werk und ohne fonderlihen Schaden verloren geben 
e, ja der Nachwelt verloren fein wird, auch wenn es fich 
. Und kaum ein andered Werk ift im achtzchnten Jahr⸗ 
rt und im Beginn ded neunzehnten jo allgemein bewun- 
und gefeiert worden, die entgegengefeteiten Richtungen 
ten in deſſen Lob überein. Aber auch zur Zeit feines 
en Ruhmes wurde das Buch faft gar nicht gelefen, hödh- 
einige Stellen daraus hervorgehoben. Solches ganz 
zelefen zu haben rühmte ſich nur der felige Steffend, und 
er hatte fih der Dual nur dephalb unterzogen, weil er 
it dem Sohne des Feldmarſchall Grafen von Yord zu 
hatte, der daraus Ernſt und Gefhmad der Gefchicht- 
ung lernen follte! Johannes von Müller’d Ruhm hing 





300 


mit feinem Leben eng zufammen;; fein großes hiftorifches Bil 
fen machte fi) in hundert Anwendungen geltend, er ftand in 
großen Verbindungen, die er forgfam pfleate, fein Briefwechſel 
erftreefte jich nach allen Seiten, überall wußte er zu loben, ju 
ſchmeicheln, Kämpfe vermied er, indem er doch immer tapfer 
ihien. Mit feinem Leben, das übrigens politifch fehr un— 
glücklich ſchloß, verblich gleich der Glanz feiner Schriften. — 
Sch glaube, ich habe Aehnliches ſchon Früher über ihn aufge: 
ichrieben. — 





Sonntag, den 5. November 1854. 

Audgegangen mit Yudmilla, — Unter den Linden einem 
Herrn mit einer Dame begegnet, wir erkennen einander zw 
gleich, e8 ift Herr Lewes, der geftern hier angekommen ift; er 
fommt von Weimar, wo und in Thüringen er drei Monate 
fich aufgehalten hat, wegen feiner Abficht, Goethe's Leben zu 
ſchreiben, die er fchon vor längerer Zeit gehegt, dann aufge 
geben hatte, und nun dennoch ausführen will. Seine Ge 
fährtin ift eine Engländerin Miß Evans, die das „West- 
minster review“ heraudgiebt, dad „LXeben Jefu* von Strauß 
und Fenerbach’3 „ Chriſtenthum“ überfegt hat. — Im Thiers 
garten bis zum Königddenfmal gegangen. Die Luft war 
frifch, der Himmel Far, die Herbitfarben noch ſchön; aber bald 
wird alled Laub abgefallen fein! — 

Herr von Elöner, der ſich als wüthiget Reaftionair and: 
zeichnet, und als Landrath in Schlefien einen Brief an die 
Wähler fchrieb, der an Frechheit und Hohn feines gleichen 
ſucht. Die Preffe rügte die Unverfchämtheit, auch in der 
Kammer wurde davon mit Unwillen gefprodhen. Der König 
und die Königin aber dankten ihm für feinen Eifer, und der 
Mann wurde hier in einem Miniſterium angeftellt. Der Be 
günjtigte wünfchte jept eben in die geographifche Geſellſchaft 


301 


ufgenommen zu werden. Allein dieſe fonft ganz zahme 
defellichaft empörte fich und bei der Abftimmung erfolgte das 
ihiedenjte Nein. Der alte Karl Ritter war bei diefer 
'ppofition befonders thätig. Unberechenbar, auf was für 
unkten und bei was für Menfchen bisweilen der Widerjpruch 
wacht! — 

Der General von Bonin wird in fremden Blättern hart 
tadelt, daß er ald Kriegsminiſter den fchändlichen Henke in 
ner Rolle beftärkt, und ihn verfichert hat, die Offizierehre 
de nicht dabei. Man beglückwünſcht mit Hohn das preußi- 
e Heer, daß ein General ihm folchen — ald Ehrenmann 
koyiren darf. — Nach fpäteren Angaben ift der Befcheid, 
ihen Bonin dem Hentze ertheilt hat, gar nicht jo vortheil⸗ 
ft für diefen und ganz anders, ald man vorgejpiegelt hat. 
e öffentlichen Berichte hierüber find gefliffentlich gefälfcht 
tden. Und nur das ift zu verwundern, daß bei folcher 
lſchung alles jchweigt, dad Gericht, die Advokaten, die Zei⸗ 
gen, Bonin felbft ! 


| nn nn 


Montag, den 6. November 1854. 

Morgend Beſuch von Herrn Lewed. Ueber die Borur: 
le gegen Goethe; Lewes hält eine große Lobrede auf ihn. 
Ein ftiller Nachmittag und Abend. Der Regen bringt 
Sliche Einfamfeit, fein Beſuch ftört. ch verbringe einige 
inden in wehmüthig-froben Gefühlen, denen theild eigne 
nderinnerungen, theild große Gefhichtöbilder zum Grunde 
en. So verflößt fih mir in demfelben Genuß alled Herr⸗ 
> und Beglüdende aus Rahel's reichbelebender Nähe und 
mächtige Eindrud des griedhifchen Alterthums, wie ich es 
in dieſer Zeit aus Homeros und Pindarod, Herodotos, 
rius, und aus Grote, Windelmann und Stahr zufammens 

Welcher Frieden kommt über mich in ſolcher Betrach- 


802 


tung, die zwei Welten glüdlich vereint! Ich habe nur ie 
Einen Kummer, daß ich die Sachen und die Empfindungen 
nicht in Rahel's Sinn und Herzen wiederfpiegeln fehen kann! 
Die Nachrichten aus der Krim fehr lückenhaft, dabrm 
verftändlich. — In franzöfifchen und englifhen Blättern tritt | 
die Frage wegen Polens ftarf hervor. Unſere deutichen Bit | 
ter machen fich wieder dad Vergnügen, daß ein Volk, welhe 
nicht durch eigne Kraft frei werde, nicht frei zu fein werdien, 
zu beweifen! Das elende Geträtſch unfrer Zeitungen! — 
Anordnungen und Wahlen zur erften Kammer. Die Könige 
lichen Prinzen und die Mediatifirten befommen Lehnftühle — 
Das ganze Zeug tft mir zum tiefiten Ekel! — | 
In Spanien regen fich republifanifche Beftrebungen. Die | 
Nation ift des Hofes, feiner Camarilla, feiner Verſchwendun⸗ 
gen und Ränke längft überdrüffig. Für jet bleibt wohlnd 
die Monarchie, für jeßt! Aber wie gründlich wird in gan 
Europa gearbeitet, dad Königthum zu Grunde zu rihten: | 
Nicht von den Feinden, nein von den Trägern! — 


Dienftag , ben 7. November 1854. 

Enalifche Blätter fprechen von der nothwendigen, unau® | 
bleiblihen Beftrafung, welche Preußen für feinen Verrath an 
der guten Sache zu gewärtigen habe; ihm falle das fortgelehtt 
Blutvergiegen zur Laft, und die unermeßlichen Opfer, weldt 
der Krieg ſchon gefordert habe, und weiter fordern mühe; 
wäre Preußen ehrlicher verfahren, hätte ed gehalten, was e? 
argliftig verjprochen, fo würde der Krieg längft beendet unt 
auch Rupland beffer gefahren fein, als es jetzt fahren werde; 
aber Preußen habe die eigne Nation betrogen, um die 30 Mil⸗ 
lionen zu erlangen, habe der Kriegdminifter von Bonin den 
Kammern verfihern müffen, fie würden das Geld zum Kriege 





803 


gegen Rußland bewilligen, faum habe man die 30 Millionen 
bewilligt erhalten, jo fei der arme Bonin geopfert worden zc. 

Die franzöfifchen Blätter find vorfichtiger, aber dem Bona⸗ 
parte traut man die unerwartetften Streiche zu, und fällt 
Sebaſtopol, fo wird er bald genug feine Gefinnungen durd) 
die That zeigen! — 

Nachrichten aus Rußland fchildern den Kaifer Nikolai ale 
ſehr ergrimmt,, verdüftert, mißtrauifch, befonders foll er in der 
übelten Stimmung gegen feine Söhne fein, den Thronfolger 
hält er für einen unfähigen Schwächling, der nur nicht den 
Muth habe, ihm zu trogen, der Großfürft Konftantin aber 
erregt ihm Argwohn und man will Heußerungen gehört haben, 
die an dem Kaifer den Gedanken verrathen, fein zweiter Sohn, 
dieſer Ronftantin, könne ihn und den Thronfolger befeitigen 
wollen! — 

frau von Genlid macht ed unter andern auch zum bittern 
Borwurf gegen Boltaire, daß er gegen beſſeres Wiffen und 
überreugende Thatfachen, aus bloßem Eigenfinn, ftarrföpfig 
die Unächtheit des fogenannten politifchen Teſtaments des 
Kırdinald von Richelieu behauptet habe. Diefed Buch wurde 
bon Betitot nach Handichriften aus zwei Bänden bis zu zehn 
Binden vermehrt herausgegeben, und nun erfchien Voltaire’ 
Unglaube erft vollends unrichtig und als böslicher Eigenfinn. 
Aber die nähere Prüfung zeigte, daß Voltaire's Pritifcher 
Scharfblick durd dies vermehrte Material nur gerechtfertigt 
rde. Ranke bat died überzeugend dargethan, durch eindrin- 
‚ade Prüfung, bei der es ihm doch nicht beliebte, Boltaire’s 
verdienten Ehren zu gedenken. — 





304 


Mittwoch, den 8. November 1854. 
Gefchrieben ; wider die Anordnung unferer eriten Kamm, J. 
ih kann's nicht laſſen! Ich will mit dem efelhaften Jrux 


nicht zu thun haben, aber id muß doch einen Schuß gar Mi; 


das Unthier losfnallen! Welche fcheußliche Bürgermeiker 
werden von den Magiftraten, welche fcheupliche Profefern 
von den Univerjitätfenaten dazu gewählt! — e 

Wahlzettel zur Stadtverordneten: Wahl am 24. Riqht Er 
für mih! War ich früher ein Nitter, fo bin ich jet cn Mi 
Mönch, oder vielmehr ein geiftlicher Ritter, der auf die Ge Mi; 
legenheit feinen Beruf zu erfüllen wartet. Diefe Wahlen aber 
find feine Gelegenheit. — 

- Die Zeitungen bringen nichte Erhebliches, ihr Ton it ſche *X 
herabgeſtimmt, fie müffen äußerſt vorſichtig fein, die Poli Bay 
drüdt ſchwer auf fie, und wirft ſich Dabei ald deren Beſchüſern en 
auf! — J 

Die erſte Kammer wird wieder fo ein buntſcheckiges, u Madin 
behülfliches Gemache, wie der vereinigte Landtag war; dieltik ME 
armfelige Phantafie macht in beiden ihre Mäglichen Zudungt | 
Der vereinigte Landtag hat feine der Regierung erfprieplik 
Folgen gehabt, fönnen jie von der erften Kammer zu ertvarkt 
fein? — 

Man fpricht wieder viel von Schleswig» Holjtein, m 
Deutjchlande Anfprüchen auf das Land. Das find Stimun Wi: 
der Gothaer, die an diefer Einzelheit ihren Narren gefreftn Fe 
haben, und Stimmen folcher, die ihnen bewußt oder une 
wußt nachplappern. Die Gefchichte von Schleswig. Holſtein 
ift ein Gräuel von Schändlichkeit, ein unvertilgbarer Fleden 
auf Preußen, aber die Hauptfache unferer Zeit ift fie nid.’ 
Freiheit, Freiheit! ift die Hauptfache, Freiheit, wie das Ja Wi 
1848 jie hatte, und alles Mebrige folgt von ſelbſt! Nicht wur 
von Deutjchland gilt das. — N 

Die Schwierigkeit wegen des amerifanifchen Geſandten 











805 


Soule, von dem die preußifchen Ruſſen fhon Krieg zwifchen 
sranfreich und den Vereinigten Staaten hofften, ift auf leichte 
Art auögeglichen. — 

Früher wollte Preußen die vier Garantieen, welche von 
den Weitmächten gefordert wurden, nicht für nöthig halten, 
\hlug fie dennoch dem ruffifchen Hofe vor, erhielt die fchnd- 
defte Abfertigung. Sept will Preußen fie für durchaus nöthig 
halten, nur foll man nicht darüber hinausgehen! Preußen 
felber will fie nun fordern, mit dem Deutjchen Bund und 
Defterreich vereint. Nußland zeigt Neigung darauf einzu: 
geben c. Immer hinten nach verfpätet, jämmerih! — 

Unter das Bildniß des Könige hat ein hiefiger Graf die 
folgenden Worte gefchrieben: „Statura fuit paene justa: 
eorpore maculoso et foedo: suffllavo capillo, vultu 
pulero magis quam venusto: oculis caesiis et hebetiori- 
bus: cervice obesa, ventre projecto, graeillimis eruribus, 
valetudine prospera.* Aus dem Suetoniud, Nero Clau- 
dius Caesar, Cap. 5l. — 

Man verfichert, noch heute fei von mandyen Seiten der 
Plan und die Hoffnung nicht aufgegeben, die Thronfolge von 
dem Prinzen von Preußen ab» und auf den Prinzen Karl zu 
leiten. Die Ränke zu diefem Behuf würden in der Stille 
tortgefponnen. Das Verhältniß des ruffiichen Thronfolgers 
u feinem Bruder, dem Gropfürften Konftantin, wird in diefem 
Sinn eifrig befprochen. — Ä 


Donnerstag, ben 9. November 1854. 


Man erwartete allgemein, daß der Senat der hiefigen 
Iniverfität den Halunken Stahl in die erfte Kammer wählen 
‚ürde, eö fchien nicht anderd möglich, ſelbſt Heffter hatte feine 
Iusficht, wiewohl er ald Anechtifchgefinnter beftend empfohlen 


ar. Über es kam doc anders! Homayer ift gewählt 
Barnbagen von Enfe, Tagebüder. XI. 93 


306 


worden. Zwar ift ee nur Homayer, aber auch d 
Homayer! — 

Des König hat einen Buß⸗ und Bettag für Schlefien 
geordnet, der Fürftbifchof von Breslau bietet auch die $ 
dazu. „Finger Gotted, Strafgericht für begangene Sün 
Heimfuhung.* Der alte Prediger-Fargon, deſſen Un 
auch dem geringften Bauer fchon einleuhtet! Warum | 
grade Schlefien? Und die andern Provinzen fündenfte 
Und wenn der Finger Gotted die Ueberſchwemmung und 
Verderben berbeigeführt hat, wie darf man fich unterfte 
feinem Willen durch Menfchenhülfe entgegen zu hand 
Abgefhmadtes Zeug, gut für das Mittelalter, nicht für 
neunzehnte Jahrhundert! — 

Arthur Schopenhalier „Ueber den Willen in der Nat 
zweite Auflage mit einer Borrede, die wieder hart auf 
Philoſophen und Naturforfcher losgeht. — Im Cicero gel 
Franzöſiſches. — Fortfeßung der Histoire de ma vie 
Frau von Dudevant; fie mag fchildern was fie will, 
wird reigend unter ihrer Darftellung, die nie ein Blend 
ift, fondern die reine Wahrheit, fie fchlägt diefe und 
innere Xeben aus allen Gegenftänden heraus, Die Fra 
durchaus edel, edlen Geifted und Herzens. — 

Nachrichten, die aus Paris hier eingetroffen find, ſchil 
den dortigen Zuftand als höchſt bedenflih. Louis Bonay 
ift fehr forgenvoll und befümmert, harrt mit Ungeduld 
Siegesnachrichten aus der Krim. Alles ift verloren für 
wenn das Unternehmen fcheitert. Die Finanzen find 
Ihöpft, die Stimmung ift gefpannt und lauernd, viele Gen 
äußern Unzufriedenheit, man hört von Unverftand, 
Abentheuer fprechen, von Hinopfern der Tapfern, von P 
geben der Nation. Bonaparte foll Augenblide der Berzweil 
haben. Alfo grade fo wie der Kaifer von Rußland! 2 
tragen die Schuld und die Folgen des Uebermuthes, und g 


— — EEE TEE ———— ——— —— — 


307 


fie beide jetzt zu Grunde, fo ſehen wir nur die Gerechtigkeit Der 
Beltregierung! — 


Freitag, ben 10. November 1854. 

Korrefturbogen von Achim's von Arnim Gedichten. Zu 
den Unfinn und der Liederlichkeit ded Autors nun auch noch 
die ded Druders! Es ift eine faure Arbeit, Doch werd’ ich fie 
fortfepen müffen, ich fann fie nicht Andern überlaffen. — 

Nachrichten aus Wien. Bedenklihe Zuftände. Neben 
der ſtarken, zahlreichen Militairmacht die größte Schwäche der 
Regierung im Innern, feine Zuverfiht! Man hält nichte 
für feft und dauernd, man rechnet auf nichts ald auf den Tag. 
es Hier viel anders? in Paris? in ganz Deutfchland ? in 
ganz Italien? — 

Der König wird doch Geiftliche, ſowohl fatholifhe ala 
proteftantifche, in die erfte Kammer aufnehmen, aber nicht ala 
duch ihre Stellung berechtigte, fondern aus perfönlicher 
Onadenwahl. Man fagt, er müffe Rotbftrümpfe und Biolet- 
frümpfe haben, der Buntheit wegen. — 

Daß die Wahlen der Magiftrate, Univerfitäten, Ritter- 
ſchafts- und Grafen-Berbände zur erften Kammer noch der Be- 
Nätigung des Königs bedürfen, die Wahlen demnach nur Vor⸗ 
ſhläge find, erregt viel Mißfallen unter den Betheiligten. 
Der Demokratie ift das gleichgültig. „Das preußifche Ober- 
haus ift und was und die Schloßfapelle ift, eine buntgemahlte 
Rumpelkammer.“ — Das Herzogthum Stettin, das Fürften- 
tum Kamin und andre ſolche dem preußifchen Regierungs- 
weſen längft fremdgetwordenen Benennungen hängen mit der 
Bappenfpielerei des Herrn von Stillfried zufammen. — 

In Paris und London, aber auch — was mehr fagen 
will — in Wien find ponifche Vereine thätig, und hier will 
man neuen Anschlägen in Poſen, die mit ruffifhen Behörden 

20* 


308 


in Warfchau Verbindung haben, auf der Spur fein. Ruſſiſch 
Betreibungen aller Art finden Statt, die man nicht vorau 
weiß, welcher Art man bedürfen wird; diejenigen, die maı 
nicht wird brauchen können, kann man fpäterhin ja verläug 
nen und opfern. — 

Die Neue Preupifche Zeitung lenkt heute gar befcheiden i 
Friedenswünſche ein, fei e8 dag Sebaftopol falle oder nid 
Selbſt das Scheitern der Unternehmung der Weftmädte i 
der Krim, fagt fie, werde dem Kaifer ed nur erleichtern, di 
Hand zum Frieden zu bieten! Aber die Parthei glaubt nid 
an Scheitern, fondern an Gelingen, und baut deßhalb far 
mütbig vor. — Im Grunde fteht bei Sebaftopol alles noı 
zweifelhaft, und wenn die Sache ſich ferner in Die Länge ie 
jo kann fie allerdings unglüdlich werden. — 

„Der Schulmeifter von Hims“ in den Makamen de 
Hariri, von Rückert. Den Leader und dad Athenäum durd 
gefehen. Griechiſches gelefen. — 

„Aus dem Tagebuche des Rittmeifterd von Colomb. Strei 
züge 1813 und 1814. Berlin, 1854. 8. eichthin o 
ſchrieben und leichthin zu lefen. Mit guter Abficht wahr 
fein, aber auch mit der Unfähigkeit etwas Hinzuzudict: 
Für die Kriegdgefchichte unerheblih. Höhere Anfchaur 
und reifed Urtbeil fehlen gänzlih. Ein Wachtmeifter o 
Feldwebel konnte auch folhe Aufzeichnungen machen, 
brauchte fein General der Reiterei zu fein. Uebrigens ſchi 
Colomb mit ſchon geſchwächtem, untreuen Gedächtniß. — 


— — — — — 


Sonnabend, den 11. November 1854. 
Berathung, ob man ſich bei den Wahlen zu Stadtverc 
neten — am 24. — betheiligen ſolle? Die entfchieden‘ 
Demofraten, die grollenden, unverföhnlien, thun es ni 


309 


63 bleibt aber freigeftellt, jeder hält ed nach eignem Guts 
dünken, nady eigner Zuftändigfeit; das Verhalten in diefem 
Betreff foll feine Spaltung bewirken. Die ftädtifche Ange— 
legenheit ift offenbar eine andre, als die ftaatliche, bei 
jener gilt mehr das Stoffliche, bei diefer das Geiftige. Die 
Zufammenfegung der erften Kammer, weit entfernt, den 
fonftitutionellen Geift zu beleben, fchredt nur noch mehr 
davon ab, in diefe Bahn einzugehen. Auch fieht man ein, 
daß Preußens Beftand und Entwicelung nicht mehr von innern 
Antrieben,, fondern hauptfählih von äußern Ereigniffen ab: 
hängt, — 

Die Beforgniß, daß Preußen in der gegenwärtigen Kriſis 

durch die Schuld feiner Unentſchloſſenheit und Falſchheit — 
wie die engliſchen Blätter es nennen — große Niederlagen 
erfahren, und arg gerupft werden könnte, wird von vielen 
Seiten ohne Hehl ausgeſprochen, und theilweife ſchon, anftatt 
mit Schmerz, in höhnifcher Bitterkeit. Rheinland für Frank: 
reich, Schlefien für Defterreich, das hört man fehon oft; und 
Bofen für Bolen, Oſtpreußen für Rußland — da würde ja der 
Bunfh der Kreuzzeitungdparthei, Preußen zu einer Art Han- 
nover oder Mecklenburg herabgebracht zu jehen, vortrefflic 
erfuͤlt! Ob es dann aber auch eine Junkerſchaft von Gottes 
Önaden fein würde, was doc die Hauptfache wäre, das flünde 
noch ſehr in Frage! Hoffen wir, daß es überhaupt ſo arg 
nicht kommen wird! Wir ſehen fo oft mehr Glück als Der: 
ſtand. — 

Griechiſche Epigramme und Fragmente geleſen, in Goethe's 
Einzelgedanken und Sprüchen ꝛc. — 

Die preußiſche Regierung beſchäftigt ſich ruckweiſe mit der 
Zeitungspreſſe; man wünſcht Miniſterialblätter zu gründen, 
der Einfluß auf die vorhandenen Zeitungen zu gewinnen, 
der auch diefe durch firenge Maßregeln einzufchränten, zu 
chrecken. Aber alles das gefchieht rudweife, ohne folgerechte 


310 


Durchführung, und am wenigften mit Cinigfeit der dabei 
thätigen PBerfonen. Auch möchte ſchwer anzugeben fein, welde 
Richtung eingehalten werden fol, Was der eine für nik 
ih hält, dünft dem andern ſchädlich. Jeder möchte für 
fi) allein den ganzen Vortheil haben. — Jetzt ift die Re 
davon, dag Manteuffel ein neues Blatt gründen und demfelten 
beträchtliche Geldmittel zumenden will; aber auch Hindelder 
möchte daffelbe thun! — 


— — — — — 


Sonntag, den 12. November 1854. 

Geſchrieben, ein Wort über die Krim und die Kriegsfuh— 
rung dort; man hätte nach der Schlacht an der Alma die 
ganze Halbinfel rafch einnehmen müffen, der alte Napoleon 
hätte es gethan. Frankreich entbehrt feiner beften Generale; 
Deutfchland und Preußen insbefondere feiner tüchrigften 
Baterlandeeiferer! Aber daran denkt niemand, als bis es zu 
ſpät tft. — 

Bunſen ſpielt noch immer den Staatsmann und Staats⸗⸗ 
beamten und thut ſehr wichtig, am meiſten geht er mit Theo⸗ 
logen um, und hofft auch yon der theologiſchen Seite her wie 
der die Gunft des Könige zu gewinnen; doch preift er aut 
den Prinzen und die Prinzeffin von Preußen. Er hat viele 
Freunde unter den Engländer, viele befuchen ihn, aber auf 
viele Feinde hat er in England, und manche die auf ihren 
Reifen durch Heidelberg kommen, äußern fich mit Verachtung 
und Haß über ihn, erzählen häßliche Gefchichten ꝛc. — 

Nachrichten aus Wien. Man ift dort in Unruhe megen 
Entdedungen, die man gemacht haben will, hinfichtlich gehei⸗ 
mer Verhandlungen, welche zwifchen Louis Bonaparte und 
dem Kaifer Nikolai ftattfinden follen. Man weiß nicht, wer 
diefer Bonaparte betrügt, ob den Ruffen oder die Engländet 
und Defterreicher. Daß er befonders mit letzteren nicht je! 








311 


ſein kann, müſſen ſie recht gut wiſſen. Doch hofft 
e Parthei in Wien, es werde gelingen, mit ihm ge⸗ 
Preußen zu demüthigen und zu rupfen. Der Fürſt 
ernich ſpricht zwar in vieles mit hinein, hat aber in 
nicht den geringſten Einfluß mehr. Er ſoll übri- 
fig für Preußen fein. — 
v8 mit Ludmilla zu * gegangen — es kamen Für: 
n von Reumont empfohlener tosfanifcher General 
riftori, mit dem Franzöſiſch gefprochen werden mußte, 
neral von Pfuel. Der Graf Serriftori, vor Kurzem 
oskaniſchem Dienfte und Minifter, hat früher zum 
n in Rußland gedient, unter Diebitfch gegen die 
inter Paskewitſch im Kaukaſus, nad 1830 nahm er 
schied. Er ſcheint ein kenntnißreicher, aufgeflärter 
sollte vom Hof und vom Kriegöwefen nichts wiflen, 
von gelehrten Arbeiten, von Kunft, Gewerbfleiß. 
tede vom Kriege war, befannte er, daß er zu näherem 
nden Ereigniſſen veranlaßt fei, indem er einen Sohn, 
zigen, dort habe; man fragte, wo? in der Krim, oder 
nau? Kleine Baufe, dann fagte er furz: „Il n’est ni 
ıoins qu’aide-de-camp— d’Omer Pacha!“ Welche 
ung! Allgemeines frohes Erftaunen und Heiterwer: 
kwünſche! man war gleich auf vertrauterem Fuß! — 
erzählte von den Defterreichern in Florenz, daß fein 
ner mit ihnen umgehe oder nur fpreche, daß wer es 
gleich geächtet fein würde 2c. Und fo durch ganz 


find Alle fo ziemlich dem alten Schlabrendorf gleich, 
rgerfinn fucht ein Bürgerthum, unfer Staatöeifer 
at! Wir finden fie nicht, oder verlieren, die wir zu 
bnten, und werden darüber alt. „Civis civitatem 
lo obiit octogenarius“, hatte er fich ald Grabſchrift 


312 


Montag, den 13. November 1854. 

Gefchrieben und in Rahel’8 Papieren gearbeitet, — Ir 
General von Pfuel fam und brachte die Nachricht, der Schlag 
bei Sebaftopol ſei gefchehen, im ruffifhen Gefandtfchaftshaue 
jei große Bewegung, die eingegangenen Nachrichten feien dem 
Könige zugefertigt worden, Daß man fie nicht eiligft veröffent 
liche, fei Schon ein gutes Zeichen. Nach feiner Art nahm Pu 
den Fall Sebaftopols für gewiß an, und erging fich in Erörte 
rungen, was nun zu thun fei? Er nahm an, die verbündeten 
Truppen müßten fich theilen, zugleich Odeffa und Anapa ars 
greifen, die ZTfcherfeffen freimahen u. f. w. ch jehüttelte 
zu allem den Kopf, meinte, ein Sturm fei wohl nod nihter WE: 
folgt, vielleicht ein Entfahgefecht vorgefallen, allein er wolle 
davon nicht® hören, häufte Gründe auf Gründe, aus denen de Bi 
Niederlage der Ruſſen hervorgehen follte, die Befchaffenkeit 
der Krim, deren Umfang er viel zu groß annahm, — | 

Herr Lewes befuchte mich; er hatte mit Miß Evans geftern 
Nathan den Weifen aufführen fehen, beide waren entzüdt von 
dem Drama, wunderten ſich, daß es hier nicht verboten fi. | 
Pfuel ging erft um 2 Uhr. Ich hatte ihm meine Anficht übe 
den ruffifchen Kaiſer mitgetheilt, den ich fähig halte, den nad 
theiligften Frieden zu unterzeichnen. — 

Gegen Abend fam Graf von *. Merkwürdige Mitther 
lungen über den Prozeß des zu dreijährigem Zuchthaus verur | 
teilten Baron von Köller. Diefer gehört einer angefehenen ' 
und reichen pommerfchen Familie an, führte aber ein wüfte® 
Leben, — Mehrere Umftände machten den Prozeß zu einem höchſt 
merfwürdigen, das Gericht verfuhr mit großer Schonung. Die 
Ausfchliegung der Deffentlichkeit gefchah aus Rückſicht auf die 
Sittlichkeit, weit mehr aber aud andern Gründen. Es ergab 
fich nämlich aus den Verhören, dag Köller vom Minifterpräfis 
denten von Manteuffel gebraucht worden ift, den Polizeipräfis 
denten von Hindeldey zu überwachen, daß er aus geheimen 





313 


nde ein Gehalt von 1800 Thalern dafür bezogen ; indeß 
r Hindeldey klüger, und ließ den Köller überwachen und 
inteuffel’n dazu ! Köller befam auch von Manteuffel mehrere 
fend Thaler, um deffen Wahl zur Kammer hier durdh- 
een, diefe Beitechungsgelder hat er indep nur zum fleinern 
ale gebraucht, den größten Theil für fich eingeftedt. „ Den: 
Sie doch, was das für ein Nergerniß gegeben hätte, wenn 
ntlih vorgefommen wäre, daß der Minifterpräfident felber 
Wahlbeſtechungen erlaubt und dazu die Staatögelder miß⸗ 
ucht hat!” Ich denke vielmehr, daß die Pflicht des Gerich- 
fei, dem ein Verbrechen befannt wird, died ohne Anfehn 
Perſon zu verfolgen und zu beftrafen. „Die preußifche 
Htöpflege ift durch politifchen Einfluß fehredlich verdorben, 
it eine Dienerin der Oberbehörden, des Hofed geworden !* 
Zelegraphifche Nachrichten aus St. Petersburg und aus 
ne. Heißer Kampf bei Sebaftopol am 5. aber nicht? ent⸗ 
den. — 


Dienstag, ben 14. November 1854. 

Die Ereigniffe am 5. vor Sebaftopol waren eine wahre 
lacht, allem Anfcheine nach ftanden die Franzoſen im Vor⸗ 
le, die ruffifchen Angriffe mißlangen. Die ruffifchen Be- 
te, die feit Kurzem etwas aufrichtiger werden, befennen es. 
ie müffen wohl etiwa® aufrichtiger fein, die früheren Auf: 
tidereien und Berfchweigungen machten den fchlimmiten 
drud.) — | 

Abends kam Herr Oberlandforitmeifter von Burgedorf, 
erzählte mancherlei. Den König liebt er, aber den Hof 
das Regierweſen haft er, die Pfaffen, die Schmeichler. 
‚ Manteuffel, den er genau fennt, hat er eine fehr geringe 
nung, er geiteht ihm weder Geift noch Talent zu, nur die 
Mittelmäßigkeit. — „Er zeigt feine fchönen Hände; ein 


312 


Montag, den 13. November 1854. 

Gefchrieben und in Rahel's Papieren gearbeitet, — Ser 
General von Pfuel fam und brachte die Nachricht, der Sala 
bei Sebaftopol fei gefchehen, im ruffifchen Geſandtſchaftshauſe 
fei große Bewegung, Die eingegangenen Nachrichten feien dem 
Könige zugefertigt worden, daß man fie nicht eiligit veröffent 
liche, Tei fhon ein gutes Zeichen. Nach feiner Art nahm Pfud 
den Fall Sebaftopols für gewiß an, und erging fich in Erörte 
rungen, was nun zu thun fei? Er nahm an, die verbündeten 
Truppen müßten fich theilen, zugleich Odeſſa und Anapa an 
greifen, die Ticherkeffen freimacen u. |. w. ch fchüttelte 

„ zu allem den Kopf, meinte, ein Sturm fei wohl nody nicht er 
folgt, vielleicht ein Entfaggefecht vorgefallen, allein er wolle 
davon nicht® hören, häufte Gründe auf Gründe, aus denen die 
Niederlage der Ruſſen hervorgehen follte, die Beſchaffenheit 
der Krim, deren Umfang er viel zu groß annahm, — 

Herr Lewes befuchte mich; er hatte mit Miß Evans geftem 
Nathan den Weifen aufführen fehen, beide waren entzüdt von 
dem Drama, wunderten fi), daß es hier nicht verboten fe. 
Pfuel ging erft um 2 Uhr. Ich hatte ihm meine Anficht über 
den ruffifchen Kaifer mitgetheilt, den ich fähig halte, den nat 
theiligften Frieden zu unterzeichnen. — 

Gegen Abend kam Graf von *. Merkwürdige Mitthei— 
lungen über den Prozeß des zu dreijährigem Zuchthaus verur: 
theilten Baron von Köller, Diefer gehört einer angefehenen 
und reichen pommerfchen Familie an, führte aber ein twüfte 
Reben. — Mehrere Umftände machten den Prozeß zu einem höchſ 
merfwürdigen, dad Gericht verfuhr mit großer Schonung. Die 
Ausſchließung der Deffentlichfeit gefchah aus Rückſicht auf die 
Sittlichfeit, weit mehr aber aus andern Gründen. Cs ergab 
fich nämlich aus den Berhören, daß Kölfer vom Miniſterpräſt⸗ 
denten von Manteuffel gebraucht worden ift, den Polizeipräft* 
denten von Hindeldey zu überwachen, daß er aus geheime" 








313 


jonds ein Gehalt von 1800 Thalern dafür bezogen ; indeß 
nr Hindeldey klüger, und ließ den Köller überwachen und 
Ranteuffel’n dazu ! Köller befam auch von Manteuffel mehrere 
ufend Thaler, um deffen Wahl zur Kammer bier durch: 
ſſehen, dieſe Beſtechungsgelder hat er indeß nur zum fleinern 
heile gebraucht, den größten Theil für fich eingeftedt. „Den: 
n Sie doch, was das für ein Nergerniß gegeben hätte, wenn 
fentlich vorgekommen wäre, daß der Minifterpräfident felber 
h Wahlbeftechungen erlaubt und dazu die Staatögelder miß- 
auht hat!“ Ich denke vielmehr, daß die Pflicht des Gerich- 
zſei, dem ein Verbrechen befannt wird, Died ohne Anfehn 
tBerfon zu verfolgen und zu beftrafen. „Die preußifche 
echtspflege ift durch politifchen Einfluß ſchrecklich verdorben, 
iſt eine Dienerin der Oberbehörden, des Hofes geworden!“ 

Zelegraphifche Nachrichten aus St. Peterdburg und aus 
ame. Heißer Kampf bei Sebaftopol am 5. aber nicht? ent» 
ieden. — 


Dienstag, ben 14. November 1854. 

Die Ereigniffe am 5. vor Sebaftopol waren eine wahre 
hlacht, allem Anfcheine nach ftanden die Franzoſen im Bor: 
eile, die ruffifchen Angriffe mißlangen. Die ruffifchen Bes 
hie, die feit Kurzem etwas aufrichtiger werden, bekennen es. 
sie müflen wohl etwas aufrichtiger fein, die früheren Auf- 
meidereien und Berfchiweigungen machten den fchlimmiten 
indrud,) — | 

Abende Fam Herr Dberlandforftmeifter von Burgsdorf, 
ad erzählte mancherlei. Den König liebt er, aber den Hof 
nd das Megierweien haft er, die Pfaffen, die Schmeichler. 
Im Manteuffel, den er genau kennt, hat er eine fehr geringe 
Deinung, er gefteht ihm weder Geift noch Talent zu, nur die 
ur Mittelmäßigkeit. — „Er zeigt feine fchönen Hände; ein 





314 







Mann mit Schönen Händen, da ift nie was Rechts dahinter!” 
Uebrigens wiffe Manteuffel unter allen Umftänden ſich ſelbſt 
gut zu bedenken. Vom Kultusminifter von Raumer erzählt | 
er und verbürgt ed mit feinem Ehrenwort, derfelbe habe, als 
er Vizepräfident war, in Burgsdorf's Haufe, ald vom Minifter 5 
Grafen zu Stolberg die Rede war, mit Bitterfeit geäußert, dad #- 
fei ein Minifter, der zu weiter nichtö tauge, ald daß man ihn p 
an der Laterne aufhänge, da werde er zwar nicht leuchten, aber | 
doch dem Lichte nah fein. Vom Präfidenten von Gerladh ev R 
zählt er auch hübſche Stückchen. Er kennt diefes Gezücht ge # 
nau. Raumer iſt jebt der größte Frömmler. — 


Mittwoch, den 15. November 1854. 

Nachrichten aus Paris und London, Fortfegung der Ri 
ftungen. Lord Palmerfton in Paris erwartet, vertraute de F 
rathungen mit Louid Bonaparte; man fürchtet, es Tommen | 
feindliche Abfichten gegen Preußen an den Tag! Preußen gilt 
als geheimer Bundesgenoffe, Gefchäftsträger und Bote Ruf: 
lands, den diefed doch jeden Augenblid aufzuopfern bereit if. $ 
Und unfer innerer Zuftand! Kann der trauriger fein! — ' 
(Balmerfton traf erft am 15. in Paris ein.) — 
In der Augsburger Allgemeinen Zeitung, Nr. 308 und 
309 vom A. und 5. November einen guten Auffag von Dr. } 
Heffner gelefen über einen meiner alten Lieblinge Augeriud x 
Gislenius von Busbeck; es freute mich herzlich, die mannid } 
fachen Berdienfte des trefflichen Mannes in gebührenden Ehren J 
dargeftellt zu jehen. — ; 
„Rupland’s foziale Zuftände von Alerander Herzen, Aus‘ 
dem Nuffifchen. Hamburg, 1854.* Sehr fenrig, keck und eins | 
fhneidend. — { 
„Jahrbuch für deutfche Litteraturgefchichte. Von Auguf 
Henneberger. Erfter Jahrgang. Meiningen 1855.* 8. Darin: 


315 


leber Goethe’ Satyrod, von Dünger *, und „Friedrich von 
agetorn, von Karl Schmitt,“ lehteres breit und nicht ge⸗ 
ũgend. — 

.Leſfing's Proteſtantismus und Nathan der Weiſe, von 
Dr. Aug. Wilhelm Bohtz. Göttingen, 1854. Nicht fcharf 
jenug. — 

Busbel brachte aus dem Driente unter andern die Roß⸗ 
aſtanie und den ſpaniſchen Flieder (Lila) nach Europa. — 

Der Herzog von Gotha, heißt es, will aus dem preußi⸗ 
chen Kriegsdienſt ausſcheiden. Er iſt Generalmajor. Seine 
Borliebe und Zuneigung für Preußen wird ihm übel belohnt. 


Donnerstag, den 16. November 1854. 

Die Zeitungen bringen die öfterreichifche Inftruftion für 
ven Bräfidialgefandten am .Bundestage, Herrn von Prokeſch, 
äber die orientalifchen Angelegenheiten, die nöthigen Erflä- 
rungen und Rüftungen ded Bundes; Oefterreich dringt ftark 
in, droht den Bund feinem Schidjal zu überlaffen, klagt über 
Preußen. Gigentlich lauter Obrfeigen für diefes, und das 
Shlimmite ift, diefed muß fie hinnehmen! — Preußen hat 
andere Gejchäfte! Beränderung der Namen feiner parlamens 
karifchen Formen ; feine Kammern mehr! fondern ein „Herrens 
haus” und ein „Haus der Abgeordneten“, beide zufammen 
Allgemeiner Landtag *. Die Bezeichnung „Herrenhaus“ wird 
Rlö eine der unglüdlichften angefehen. Nein ftändifch iſt das 
danze Weſen noch nicht; der König hofft aber, es dahin zu 
bringen. Qui vivra, verra! Bei all diefen Dingen ift fein 
Bogen. Niemand freut fich ihrer; nicht einmal die preußi- 
ben Ruffen, die Kreuzzeitungsleute, die ganz andre Dinge 
ehofft Haben, von denen nur geringe Abfchnigel in die neue 
vrm aufgenommen worden. Beißende Bemerkungen des 
räfidenten von Gerlach) und des Profeſſors Stahl, die beide 








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anderes 
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darauf ant 


ihr nur fehl 























berm General von Pfuel; während 
} Mögliche vor, auch Kanarienvoͤgel 
adırd aber Mittbeilungen aus frühe⸗ 
a nichte Reues; Pfuel aber ift uner- 
‚amd Folgerungen. — Geftern früh 
Ban von Baldow, im dreiundacht- 
be hat fie nicht mehr bekommen. 
E nichtd mehr zu hoffen. Friede 












$ von Glöner in die geo⸗ 
weitere Folgen. — Aud unter 

| ob jie nicht ausiheiden 
dejbalb beim Grafen ven 
e Sache wurde turk die Bes 
kınzen der Gelellichutt anie= 
ken es die Ofiniere sah. — 
ws der Peltzei die &rT are 
ter Insttuuiea iı Ze 
m ie Beise sur disı 

ru Siler in) ;ı 

ke ie Begueimeri „777, 


. 


Be wur et. 3 
au rs ’iıı a 
Seiser. zı Yısır, 
Sen £ Ile: 12725 
‚18 Iris 










utſch⸗ 
erland 
haben, 
ie weit⸗ 
ts weni⸗ 
cſten alle, 
ſehr ver⸗ 








318 
wiedererrungenen Macht, die ein folches Denkmal aufricten 
‚tonnte. Aber thöricht vergißt man, daß ein folches Denkmal 
auch der Gegenfeite miterrichtet ift, es ift Die Erinnerung on | 
jenen 18. März und die Welt wird es nicht vergeflen, dakın 
jenem Tage Hof und Regierung und Krieggmacht erlegen ver 3 
dem Zorn und der Tapferkeit des Volkes, welche feier da 
Volkskämpfern zu Theil wurde, welche Fahnen ein halt ; 
Jahr lang nad jenem 18. März in Berlin wehten, welt 3 
Kokarde feitdem das Kriegäheer trug. — 










Sonnabend, ben 18. November 184. 1 

Sch habe heute in ftillen Stunden VBeranlafjung gehalt, 3 
auf meine bisher durchlaufene Lebensbahn prüfend zurüdi- 3 
hauen. ch habe wiederholt in großen Gefahren geftanten, Z 
die ich als folche nicht erfannte, und nur jeßt erft wor ihnen; 
zurüdfchrede, da fie längft vorüber find, viele eifrige Wünſch, 
deren Erfüllung mir mein Glüd zu fein ſchien, wurden mit 
nicht gewährt, zu meinem Glück, denn diefes Tag nicht in 
ihnen, fondern in andern Dingen. Begehrte Wege, auf den 
ich ſchöne Ziele erreichen konnte, mußt’ ich aufgeben, um 
Beſſeres zu erlangen. Ich ftieg unaufhörlich, felbft durk' 
Unfälle zu Erfolgen, und bis zu Rahel's Tode war alles mit 
fteigender Gewinn! Seitdem aber nur einigeö! Mein Bent! 
hat ſich noch ferner behauptet und erhellt; das Glück aber blich 
ftehen ald Andenken und Erinnerung! — Wenn id) auf meine 
Jugend zurüdblide, auf diefe Zurüftungen und Anläufe, je 


muß ich mir fagen, es ift alles weit beffer geworden, ala ih & 
dachte, das Ganze ein leidliched Schaufpiel, das fo nicht zu 
werden verfprach. — 

Briefe aus Paris argwöhnen, der — Lonis Bonapartı 
fönne plöglid mit Rußland Frieden machen, und Englanl 
und Defterreich dabei verrathen. Daß lebtere beide ihm miß 


319 


auen, ift gewiß, und fie haben allen Grund dazu. Er be 
raft Alle, die fich mit ihm einlaffen, und fie werden noch alle 
tefen ihren gepriefenen Staatsftreiher und Staatöretter zu 
krwünjchen haben. — 

Wie in allen menfchlichen Dingen, fo geht ed auch in den 
politiihen, man fängt fie mit Eifer und Gewiffenhaftigkeit an, 
und läßt allmählich in beiden nach; durch das wiederholte Bei- 
Ipiel der Bernadhläffigung, der Unordnung und des Gehen: 
laſens werden auch die redlichften Männer zulebt angeftedtt, 
oder doch ermüdet, und daher gefchieht ed, daß meiftend die 
Schufte und Lumpen den Plag behaupten und fich’8 wohlfein 
laſſen. — . a 


Sonntag, den 19. November 1854. 

Frau Bettina von Arnim foll noch in Weimar und dort 
mpäßlich fein. Man erzählt Abentheuerlichfeiten von ihr. 

Der Drud der Arnim'ſchen Gedichte hier fteht ftill, die 
Iruderei wartet auf Bapier. — Herr Lewes erzählt, Bettina 
abe ihm einft gefagt, erſt habe fie Jeſus Chriftus geliebt, und 
auf Goethe. Weder ſchön, noch ſchicklich, noch wahr aue- 
drüdt! — 


(es — — 


Montag, ben 20. November 1854. 

Die Art, wie die Baterlandsliebe jet wieder in Deutich- 
ıd getrieben wird, zum Theil von denen, die das DBaterland 
entlich verratben, feine Sache zu Grunde gerichtet haben, 
mir ein Gräuel! Die Anfchuldigung ift leider eine weit 
fafjende , fie trifft ganze Klaffen, die unter fi nichts weni- 
als einig find, zuvörderſt die wortbrüchigen Fürſten alle, 
n die nicht minder wortbrüchigen Gothaer, ein fehr ver- 


820 


breitete® Gefchleht, das mit Kenntniffen und Talenten wis ; 
ausgeftattet ift, wegen diefer in verdientem Anſehen fteht, un 
deßhalb auch ſtets mit Wort und Schrift wirkt, aber auf pele 1 
tifchem Gebiete die auffallendfte Unfähigkeit und Schwäh | 
zeigt. Wenn die öfterreichifche, die preußifche, die baieriide 3 
Regierung jebt von Deutfchland reden, daß fie deſſen Sa ; 
wahrnehmen, fo ift das nur ein Gaufelfpiel, das fie unter 4 
einander treiben, und bei dem man mit Figaro fragen könnte: ; 
„Wer wird bier betrogen?“ Andere kleinere Schreier find nur 3 
zum Lachen und zum Efel. Das hohle Prahlen mit dem ; 
Baterlande ift vollends ganz undeutfh. Wir Deutichen für ; 
nen das Baterland nicht fg lieben, nicht in derfelben Art, wie 
der Franzoſe, der Engländer, ja felbit der Rufe, das jeint; 
bei diefen fällt Land und Staat in Eins, bei uns ift ie 
unmöglih; die andern können für das Paterland ned 
partheiifh und eifrig fein, wo daffelbe in falfcher Kid ; 
tung, im Unrecht, oder in der Unterdrüdung ift, fie haben 
ed mit grober Wirklichkeit zu thun, fo kann der Preuße auf 
noch Preußen, der Baier Baiern lieben, aber der Deutfät ; 
nicht Deutfchland, das ein edleres, idealeres Vaterland ift, und 
zu rohen Berfnüpfungen fich nicht hergiebt ; will man ihm eine 
Wirklichkeit aufnöthigen, die es nicht hat, fo wird eine när 
rifhe Phantafterei daraus, die zu den verderblichiten Taͤu⸗ 
ſchungen, zu den fchändlichiten Betrügereien mißbraucht win! 

Der General-PBolizei-Direftor von Hindeldey will für der 
Befhüger der Preffe gelten, und läßt fi dafür öffentlid | 
loben. Er hat ed durch die unaufhörlichen Scheerereien | 
Wegnahmen, Anklagen, Verwarnungen, Rathichläge, dahin: 
gebracht, daß feine unferer Zeitungen mehr wagen darf, ein 
Minifter namentlich zu tadeln oder perfönlich anzugreifen, nut‘ 
einzelne Maßregeln dürfen noch einer fachlichen Kritik unter 
jogen werden, und auch died nur mit größter Vorſicht. ©e} 
oft ed verfucht wird, erhebt ſich am Hof und in den oberften' 










321 


Behörden gleich ein Staunen, ein Zorn und ein Lärmen, ala 
fei das Ungeheuerfte gewagt worden. — 

Man möchte gern verordnen, daß die Zeitungen den Wort: 
lautder Rammerreden nicht mehr ganz geben dürfen, am wenig: 
ften die ftarfen Ausfälle gegen Minifter,; man weiß ed nur 
noch nicht anzufangen. Die Zeitungen verantwortlich zu 
mahen und vor Gericht zu jtellen wegen folcher Aeußerungen, 
die an ihren Urhebern nicht geftraft werben können, und in 
den ftenographifchen Berichten ftehen, ift doch gar zu unfin« 
ng. Aber man wird am Ente doch den Unfinn annehmen. 
Sie fönnen feinen Tadel vertragen, die Sammermenfchen, 
ie können's nicht, fie nicht! — 


Dienstag, den 21. November 1854. 

Außer feinem allmäcdhtigen Gott will der Menſch auch 
fine Götter haben, nenn’ er fie Heilige, Genien, Helden, oder 
uch nur Kürten. Wenn ed ihm an diefen fehlt, hat er eine 
raurige Zeit. Wie ſchlecht fteht es darin jegt mit und? Wie 
eſegnet war das achtzehnte Jahrhundert! Friedrich der Große 
nd Joſeph der Zweite, Kant, Goethe, Voltaire, Rouffeau ! — 

Es hatjemand die Bemerfung gemacht, daß troß aller herr⸗ 
benden, begünftigten und belohnten Yugendienerei und Höf- 
ngsbeeiferung, doch nur Außerft felten ein Gedicht vorfommt, 
elches dem Könige, der Königin, den Prinzen, oder gar den 
Iiniftern gewidmet ift. Die frühere Zeit war hierin viel 
tiger und befliffener, und brachte folchen Berfonen oft Gutes, 
gar das Beſte, reichlich dar. Jetzt wird nur das fchlechtefte 
ug zu folhen Zweden verwendet. Der König foll ſchon 
hrmals über diefen Mangel fich unzufrieden bezeigt haben ; 
nöchte, jagt man, gar zu gern befungen fein, aber freilich 
# in der Art wie Heine, Herwegh und Freiligrath es ge⸗ 


sarnhagen von Enfe, Tagebüger. XI. 


322 


than haben! Seine fihwerbezahlten Tief und Nücert babın | 
ihn übel getäufcht, und Kinkel, der ihn früher befungen, iſ 
ſogar umgefchlagen. — | 

Sch mag es noch fo gut wiffen, und ed mir vorhalten, daß 
alle Rüdfchritte, die wir machen, nur dazu find, um den neuen 
Anlauf zu verftärfen, daß die Troßbuben der Gefchichte de 
Scheitern zufammentragen, die dann plöglich angezündet in 
Flammen aufgehen, daß die wachjende Reaktion zugleich die 
wachjende neue Aktion it: das innerfte Gefühl fträubt ſid 
gegen diefen Troft, immer nur aus dem Schledhten das Gut | 
hervorgehen zu fehen. Die Bande, von denen man weiß, Wh! 
die Spannung fie fprengen muß, immer enger um die Buſt 
gezogen zu fühlen, ift eine unerträgliche Beflemmung! Die: 
Raumer’schen Regulative für den Bolfdunterricht laſſen mid 
diefe Beklemmung fchmerzlichit jebt empfinden. — | 


Mittwoch, den 22. November 1854. 

Nachrichten aus Turin. Ganz Italien ift in fieberbaftrg 
Aufregung, heißt ed, und verlangt nach Erhebung, nad Rewe 
lution ; man habe in Deutfchland feinen Begriff von dem Sa 
und der Verachtung, die man in Italien gegen alles Beſtehende 
hegt, gegen Die Kirche, gegen die einheimifchen Regierungen, 
gegen die fremden. Alle Geifter harten auf neue Gelegenhetſe 
revolutionairen Ausbruchs; nur die Hebermacht roher Kriegbp 
gewalt vermag diefen noch zurüdzubalten. An eine Beriög| 
nung, an allmähliches Sichſchicken in die jegige Tage Ni 
Dinge fei nicht zu denken, das fommende Gefchlecht wächſt ı 
die Gefinnungen und Leidenschaften hinein, die das früher: 
ihm überliefert, und dauere ed noch hundert Fahre fo fo 
auch nach hundert Fahren wird Italien zur Revolutich 
bereit fein, zur Abfchüttelung des Joches der Einheimifcek 








823 


nd Fremden. — So fteht ed nun freilih in Deutfchland 
ht; hier find die Gemüther verföhnlich, und die Gewöhnung 
irft allmächtig. Aber die Zuftände felbft find revolutionair, 
id laſſen es zu feiner rechten Beruhigung fommen! Die 
enge ded Volks ergiebt fi dem Zwang auf einige Zeit, aber 
bleiben Männer und ünglinge genug übrig, die vom 
ifte der Freiheit ergriffen nur an Zerbrechung diefed Zwan- 
ı denken, und das mißlungene Jahr 1848 al? ein gelunge- 
} zu widerholen hoffen. — 
Ueber das „ Bürgermeifter-Gefchmeiß *, das von allen Sei— 
auf Lebenszeit in die Erfte Kammer eindringt, wird viel- 
’ gefchimpft, am heftigften von den Junkern, die fich ſolchen 
ürgerftops* fchämen. Leider ift ed wahr, daß in ganz 
eußen feit den lebten Jahren in diefe Magiftratftellen durch 
berrfchenden Umstände nur die allerfchlechteiten Lumpen, 
knechtiſchſten Burfche gelangt find. Man wollte nur folche. 
rausnick, Groddeck⸗Olfers ꝛc. ꝛc.!“ Wenn die Mebdiatifirten 
njtühle bekommen, ſollten jene billig nur Schemel haben! — 
Betrachtung über Sitten und Lebensart; ſie werden beſſer, 
will ich nicht läugnen, aber fürerſt nicht feiner, nicht ange: 
mer. Wie felten findet fich jemand, der den Anftand und 
Höflichkeit früherer Zeiten noch übt, noch weiß! Die Pir- 
jität des gefellichaftlichen Xebens, eine fo wohlthuende, mil- 
nde, erhebende Kunftmeiiterfchaft, verfchwindet felbft bei 
Franzoſen. Und wahrlich, ed war viel Edles, Schönes, 
nfchenfreundliches in dieſem Gebiet erzeugt, bewahrt, an 
gt, . welches jet vermißt wird. In diefem Betreff bin ich 
t demofratifch gefinnt. Doc hat ed in manchen Beifpie- 
den Anſchein, als fei das Vermißte auch in den ariftofra- 
en Kreifen nicht mehr zu finden. — 
Der Theologe Wuttfe von Breslau ift hier unerwartet ale 
feffor der Univerfität angeftellt worden; die Univerjität 


te nichts davon. Er war biöher den Frömmlern ver: 
21° 





| 


dächtig, man witterte Schleiermacher’fches und Heael’fce in 
ihm. Nun aber hat ihn Hengftenberg — eine Hauptperien 
im Raumer’jchen Minifterium — unter feine Flügel genommen. 
Man argwohnt, daß Wuttfe ihm arge Verficherungen un 
Bürgfchaften gegeben habe! — 





324 


Donnerstag, den 23. November 1854. 

Die Nationalzeitung greift die vom Kultugminifter von 
Raumer für den Volksunterricht erlaffenen Regulative kühn 
und gründlich an, zeichnet deren Anmaßung, Verderblichkei 
und Dummheit. Wöllner ift ein aufgeflärter Freigeift gege 
diefen Raumer! — 

Den König haben die Feltfegungen über die Hoffeierlid 
keiten bei der bevorftehenden Vermählung in diefen Tagen ſet 
in Anfpruch genommen; es find ein paar Fleine Abweichung 
von dem früheren Jeremoniell beliebt worden. Dem Publitu 
erfcheint es nur lächerlich, daß der Oberft-Truchfeß dem Könk 
die Suppe, der Oberſt⸗Schenk ihm das Trinken darreih 
jeder Kellner fagt man, verftünde das geſchickter zu made 
Auch fpottet man über dad „St“, den großen Zumal 
den der Titel der Hofämter befommen hat; fonft gab es m 
Ober⸗, jetzt heißt e8 Oberft-, die Hoffchranzen felber madk 
fich darüber luſtig. Ich mag nicht niederfchreiben, was | 
alles fügen! — 

Berathungen der nordamerikanifchen Diplomaten in Euroy 
zu Ditende, die Erwerbung von Cuba betreffend. „Dasi 
was anders!“ heißt es in einer holländiſchen Grabjchrift a 
Tromp. — 

Der Falkenthal'ſche Meineidsprozeß it auf unbeftimm 
Zeit aufgefehoben worden, weil die Anklage noch Zeugen find 
will. Falkenthal hat nämlich gefhworen, den Befreier Kinkel 


325 


enten Schurz, nicht gefannt zu haben; die Perfon 
lich gekannt, aber unter einem andern Namen, 
a fpäter Zeit erfahren, daß diefe Perfönlichkeit die- 
die Schurz heiße. Auch der Schließer, der Kinkel's 
jünftigt hat, ift wieder verhört worden, ‘Diefe Kin- 
iche wird mit gehäffigfter Schärfe behandelt, man 
ı einen höhern Orts noch ungeftillten Zorn und 
fennen. 

'adrid wurde am 7. November ein Schaufpiel aufs 
eſſen Stoff die Hinrichtung Riego's war. Das Pubfi- 
Riego’n und Espartero'n, der unter den Zufchauern 
nmen wurde, hoch leben. Ein Zeitungsblatt feierte 
. November 1823 ftattgehabte Hinrichtung durch 
d, und durch furchtbare Berwünfchungen des bruder: 
en und feigen Königs Ferdinand des Siebenten. — 


Freitag, ben 24. November 1854. 

Rationalzeitung fest ihren Angriff auf ded Miniftere 
er Regulative für den Bolfdunterriht muthig und 
ort; die Meberlegenheit ded Geifted und der Kennt: 
» groß, daß der Minifter, wenn ed nur auf Diefe 
mit Schimpf und Schande auf dem Rüden läge und 
von fich ftredte. Aber die rohe Gewalt fteht ihm 
, mit diefem Beiftand fann auch ein Orangutang 
tinifter gebärden. Wie ed mit dem Machtivefen bes 
:, bat man nod) nicht genug ergründet; es iſt viel 
tartiged, aber auch etwas Geheimnißvolles dabei, 
ed fonft möglich, daß einzelne Menfchen, troß allae- 
iſſes, allgemeiner Berachtung, im Befige der Macht 
ich behaupten! Daß fie auch im Beſitz aller Macht 
ichkeit elend und nichtewürdig bleiben, das ift eine 
he; died Fönnen fie nicht ändern. — 


326 


Böckh fendet mir feine Feftrede vom 15. Oftober m 
freundlichen Empfehlungen. — In Böckh's Rede ift man 
Gute, fehr viel Geſchicktes; das Beſte ift die lobende Wi 
digung Fichte's, des edlen Fichte. — 

Die zweite Hälfte der von den Kammern bewillig 
30 Millionen Thaler wird jebt durch Anleihe flüffig gem 
Wo will dad hinaus? Ohne Rüſtung, ohne wirkliches 4 
treten! Was foll erft werden, wenn die Truppen in’) 
rüden, wenn ein mehrjähriger Krieg geführt werden muß? 

Der König will durchaus, daß Werder ale ordentli 
Profeffor angeftellt werde, er liebt ihn wegen des Columt 
Allein der Minifter von Naumer und die Frömmler find ge 
den Segelianer, der auch noch nicht einmal peccavi gejagt, 
die Univerfität ift ebenfalld gegen ihn. „Die Univerfität t 
gewöhnlich gefragt bei neuen Anftellungen, bei folcen a 
die man als befonderd wichtig anficht, wird es unterlal 
Dan ift höflich, jo lange man es bequem findet, dann ı 
plöglich einmal grob, und dann fchweigt alles.“ — 


— — — —— — 


Sonnabend, den 25. November 1854. 
Nachmittags kam Graf von Wartendleben ; wir gi 
feine Familienpapiere durch und beſprachen frühere Ber! 
niffe. An einem genenlogifhen Faden Täßt fich ganz « 
nehm ein Gang durch die Gejchichtdereigniffe machen. 
fieht dabei recht deutlich, wie viele Herrlichkeit und 
fpurlos zu Grunde geht. Einem jungen Offizier ift ein ! 
mentöfamerad, eine Schaufpielerin, ja ein ſchönes Pfe 
Augenblide mehr werth, als alle feine Ahnen, deren Urf 
und Bilder. — 
Der Faktor der Trowitzſch'ſchen Buchdruderei bracht 
den zweiten Bogen der Arnim’fchen Gedichte. Große ' 


327 


DerSeper kann die Arnim’sche Handichrift noch weniger lefen, 
ala ih, er läßt ganze und halbe Zeilen zur Ausfüllung Teer, 
Ich weiß mir dabei nicht zu helfen. Es war mir bei der Bot- 
ſchaft, ald wäre mir eine friſche Wunde gefchlagen, fo fühlt’ 
ih dad Unheil, und wurde es den ganzen Abend nicht los. 
Ale Stimmung war dahin. Bettina, Bettina! Was hat fie 
mir aufgebürdet! Es thäte noth, ich ſchriebe alle Arnim’fchen 
Gedichte ſelbſt ab, oder noch beffer ich Dichtete fie neu! — 

Wie traurig fieht ed in dem armen Würtemberg aus! 
Der König iſt ganz in Nichtigkeit verfallen, läßt die Mächte 
und den Bundestag und die Reaktion walten! Dem Lande foll 
eine ungeheure Laſt aufgebürdet werden in Entfchädigunge- 
fummen, die der Adel verlangt und die der Bundestag ihm 
zuſpricht. Das wird ſchlimme Folgen haben, nicht jept gleich, 
aber fünftig ; der Adel wird feinen jegigen Gewinn büßen ! — 
Zu gleicher Zeit herrſcht Dunkelwefen und Polizeigewalt. 
Dem Profeſſor Roßmäßler find in Stuttgart feine geologifchen 
Vorlefungen verboten worden. Beim Buchhändler Göpel 
war Hausſuchung wegen eines Buches, dad man von Diezel 
verfaßt glaubte, da die Handſchrift aber eine andre war, fo 
land man von weitern Dingen ab. — 

Klofe fragt nach dem Urfprung ded Spruches „habent 
ua fata libelli“. Die Philologenverfammlung in Alten: 
ırg wußte ed nicht; man glaubte, er fei von feinem Alten; 

Dresden fagte jemand, er fei von Erasmus. Späterhin 
gte mir Bödh, er jei aus dem Terentianus Maurus. 

„On meurt deux fois, je le vois bien; 
Cesser d’aimer et d’&tre aimable 
Est une mort insupportable, 


Cesser de vivre ce n’est rien. 
Voltaire. 





328 


| Sonntag, den 26. November 1854. 

Ich begann den Tag mit der Arnim’fchen Korrektur, m 
der ich Augen und Berftand fchmerzlich anftrengen muht. 
Arnim's dichterifcher Ausdrud erfcheint oft als Unfinn, mil 
er durchaus mit Versformen und Reimen entzweit war, — u 
hätte nur in Profa fchreiben follen, wo ihm Vers und Reim, 
wie doch oft genug gelingen, ift ed ein Glücksfall, — kann 
man nur eine Zeile nicht lefen, fo will man einen klaren Sinn 
heraugsiffern, während der rechte eben nur ein fehr unklare 
ift. Nachdem ich mich weidlich abgequält, und einen Abfhlus 
mehr erzwungen als gefunden hatte, ging ich aus, um Luft 
zu fchöpfen, mit Ludmilla. Beſuch beim Geheimrath Bödh; 
er war fichtlich erfreut. — Großes Lob Fichte's, „das wur 
doch noch ein Mann!“ Ueber die Philologen klagte er aud, 
die meiften trieben ihre Sache blos als Pedanten, als ga: 
lofe Wortflauber; ich erinnerte ihn, daß er feiner Rede ein 
Wort von Pindaros, ohne ihn zu nennen, einverleibt hal, 
er wußte nicht was ich meinte, nachdem ich die Stelle genannt 
— anigaı Ö’ Enthoınoı uagrvpss Gopwraros —, jagt ti: 
„Ja da fehen Sie gleich ein Beifpiel der fpibfindigen Klügelei, 
da hat einer vorgefchlagen, anftatt ded guten vopwrare 
das fchlechtere vaysoraros zu ſetzen!“ Darauf noch übt 
Galusky, Hapfeldt, Ravaiffon ꝛc. — 

Man fagt, das Minifterium beeile fich, die zweite Hälfte | 
des Anlehnd von dreißig Millionen flüffig zu machen, beat 
noch die Kammern eröffnet werden, da nachher eine neue Er * 
laubniß nöthig fein würde. Gin Bedürfniß zum Gebraud it 
nicht vorhanden, fogat von der erſten Hälfte find nur erft, heit 
ed, drei Millionen verbraucht. — Entwürfe zu einem neuem i 
Wahlgeſetz für die zweite Kammer, einer fehlechter ale der 
andre. Sie wollen den Unfinn der biöherigen Wahlordnung 
für die erfte Kammer auf die zweite übertragen, doch find 
fie no nicht darüber einig. Sie möchten auch die zweite 








829 


ı einer Adelöfammer machen; das ftändifche Prinzip 
te eigentlich eine von Bürgern und Bauern. Sie 
zweite Kammer lieber ganz abjchaffen, und die erfte 
eile fchneiden, dann haben fie zwei! — Des dums 
fein Ende! — 


Montag, den 27. November 1854. 
Rontagsblatt „die Feuerſpritze“ verliert von heute 
bisherigen Redakteur Dr. Koſſak; fehr fchade! er 
yaderer Kämpfer und voll guter Einfälle. — Ge— 
über ein Herrenhaus, das mit Sträflingen bevölkert 
Zuchthaus für vornehme Leute! — 
eichnung eined Zufag-Artifeld zu dem preußifch- 
hen Bertrag in Wien; Defterreich hat in der Form, 
ber in der Sache nachgegeben. Am Bundestage 
einig! 
nd erflärt, die vier Garantieen zur Grundlage von 
rhandlungen annehmen zu wollen, Preußen glaubt 
I empfehlen darauf einzugehen. Das giebt Spiels 
ſeuen Ränken, zu neuen Rüftungen! Wem ift hiebei 
— 
yon Raumer's Buch über Univerfitäten, oder vierter 
er Gefchichte der Pädagogif. Für mich ſehr anzies 
‚ feine Erwähnung feiner und meiner Univerfitäts- 
Ne, feine Anhänglichkeit an Steffens, Schleiermacher 
rich Auguft Wolf, Seine beffere Gemüthsart 
it oft die rohen chriftlichen Frömmigkeitsauswüchſe, 
ı äußerlich angebildet hat. Unter frifchen Leuten 
beſſer geblieben fein, jchwächliche Freunde und Ge- 
n haben ihn früh abgefchwächt. — 
ar heute zu folgender Betrachtung veranlaßt: Wenn 
dadurch daß ich die Andern, wie hoch fie auch ftehen, 


330 


zurüdlaffe, fo it das fo ehrenvoll ald richtig; will ich af 
dadurd höher ftehen, dag ich die Anderen herabſetze, fo £ 
zeichne ich damit nur, wie tief ich unter ihnen ftehe. D 
ift politifch wahr und litterariſch. — 

Die Negulative für den Voltsunterricht hat nach Anw 
ſung des Kultusminiſters von Raumer der Geheimrath Stie 
verfaßt; dieſer und fein würdiger Geſelle Geheimrath Wi: 
find die Haupthelfer des Minijterd in allen Rückgangsma 
regeln. Schinderhannes und Cartouche mit ihren Spie 
gefellen allen haben nicht foviel Schaden geftiftet und Ueb! 
gethan ale diefe Grundverderber ded Volles und des Staat 
dieſe Heuchler und Knechte! — (Stahl Mitarbeiter.) — D 
fer Geheime Regierungsrath Stiehl hat noch vor.ein pa 
Jahren, ald er mit Böcdh aus einer Gefellfchaft nah Hui 
ging, auf der Straße laut die freifinnigftien Reden geführt, 
dreiften Tadel gegen die Minifter ausgefprochen, daß Ds 
ihn noch warnte, nicht fo laut zu reden! Solche Leute fü 
und hegt und befördert die Regierung! — 

Geheime Nachrichten über Perfonen, von der Polizei ı 
ſammelt, Tiegen auf dem Polizeiamt in großer Menge geordı 
zum Nachſchlagen bereit, Berhältnifle, Gefinnungen, Umga 
Heußerungen, alles wird hier eingetragen, natürlich nad ! 
unzuverläfjigiten Angaben der untergeordneten Zuträger, lei 
finnigen oder boshaften Klätſcher. Herr General v. Braudi 
befah mit einem fremden Prinzen das Polizeiweſen bier, ı 
durfte das unter feinem Namen Eingetragene zum Spaß Ic 
doch natürlich nur die äußerlichen Angaben, nicht Die gebein 


Dienstag, ben 28. November 1854. 
Die elenden Regulative find nun wirklich an die St 
behörden zur Nahachtung übergeben. Nun jollen ähn 


\ 


331 


für die höheren Echulen auegearbeitet werden. Auch die 
Spener'fche Zeitung eifert gegen den Unfug. Verruchtes, heil- 
loſes Getreibe der Heuchler und Frömmler! — 

Es fommt nun ziemlich an den Tag, daß wie der Kaifer 
von Rußland im Kriegsweſen nur das Untere verfteht, fo auch 
Louis Bonaparte von den Einfichten feines Onkels nichts geerbt 
hat. Der Krieg wird von allen Seiten fchlecht geführt ; Omer 
Paſcha fcheint noch am meiften Feldherr zu fein, allein die 
Hände find ihm gebunden. Blut fließt in Strömen, es ift ein 
wahrer Gräuel! — 

Der Deutfche Bund foll alfo auf Defterreihd und Preu- 
bene Anregung fich wehrhaft zeigen! Mir ift dabei zu Muthe, 
wie im Jahr 1848, ald die deutfche National-Berfammlung 
fh durch fcheinfame Borfpiegelungen berüden ließ, und eine 
Stätkung der Kriegsmacht in ganz Deutfchland anbefahl. Das 
beißt den Regierungen, den erfchrodenen aber nicht überwun- 
denen Regierungen, Waffen in die Hände geben, die auch ſchnell 
genug gegen den Bund gebraucht wurden! Wenn jebt Deutjch- 
land waffnet, wer wird denn ftreitbar? Die Regierungen, die 
mit wenigen Ausnahmen alle indgeheim oder auch offen für 
Rußland geftimmt find! Wer weiß, in welcher Richtung Die 
Dundeäfräfte vertvendet werden! In Berlin herrfchen die 
Aufenfreunde, in Wien haben fie noch großen Einfluß, — 
wenn die Weftmächte in der Krim großed Unglüd haben, fo 
fönnen wir ungeheure Schwentungen erleben. — 

Der ruffifche Gefandte, Herr von Budberg, hat einem hie- 
figen Hofmann im Vertrauen gefagt, feit der Unterzeichnung 
ded neuen Vertrages zwiſchen Preußen und Defterreich, fei 
Preußen für Rußland nicht mehr zuverläffig, fondern zweifel- 
haft; er habe auch ſchon diefe Meinung nad) St. Peterdburg 

berichtet, er wolle es nicht machen, wie Kiffeleff oder Meyen- 
dorff, fondern die Wahrheit fagen, auch Die unangenehme. — 

Hannover bat gegen die preußifche Erwerbung ded Jahde⸗ 


332 


buſens Einfpruch gethan, fie fei den Verträgen des Haufe? 
Braunfchweig mit Oldenburg entgegen. Hannover will an 
den Bundestag deßhalb gehen, ein Aufträgalgericht fordern 2C- 
Preußen beachtet den Einſpruch nicht. — | 
Ein ſehr ftiller, praftifh mit Erfolg thätiger Mann, vet 
von allem politifchen Treiben auch im Jahre 1848 fih feet 
gehalten hat, „weil er in fich dazu feine Fähigkeit fühlte ' 
fagte neulich ganz Falt und aelaffen, zum Erftaunen der pas! 
Freunde, die ed hörten: „ch verlange nur fo lange zu lebeut, 
bis die Republik da ift, die will ich gern noch mit meine 
Augen fehen, dann will ich fröhlich fterben!* — 











Mittwoch, den 29. November 1854. 

Königliche Ernennungen zur erften Kammer, lebenslͤnc 
lihe Mitglieder aus perfönlichem Vertrauen und vie 
Kronſyndiker. Der Kehricht ded alten Staatöprunfes, ee 
Sammelfurium zum Ekel, ed wird einem ganz jämmerli 
dabei! — Herr von Arnim-Krieven, Mühler, Uhden, Savignu@ 
Stahl, Brüggemann, Pernice ꝛc. — 

Sturmwinde im ſchwarzen Meer. Scheitern vieler Tran 
portfchiffe und einiger Kriegefchiffe, große Verluſte. Be 
Sebaftopol ftill. — 

In Goethe gelefen. Englifches, Franzöſiſches. — 

„Sollten die Ruſſen fiegen, follten Preußen und Defter- 
reich und der Deutiche Bund fich mit ihnen zur neuen Heiligen 
Alltanz vereinigen, die ganze Maffe fich gegen Frankreich und 
England wenden, dann — ift ed Zeit audjuwandern, dann 
wird der Zuftand nicht mehr zu ertragen fein, und die Weiter: 
entwidlung, die unfehlbare zur Fünftigen Freiheit, können 
wir nicht mehr abwarten, wir müſſen den Reſt unfres Lebens 
dann retten!" — 











338 


Donnerstag, ben 30. November 1854. 

Gejchrieben; gegen die Nationalzeitung, die von mir 

gröpern Eifer für die Sache der Franzofen und Engländer ver- 
langt, als ich haben fann. Diefelben Gründe, die mich be- 
fimmen, an den Wahlen nicht Theil zu nehmen, beftimmen 
mid, den Kriegsgeſchicken nur eine bedingte Theilnahme zu 
widmen; meine Sache findet dabei feine Stelle. Gewiß find 
mir befiere Wahlen lieber als fehlechte, die Erfolge der Ber- 
bündeten lieber als die der Ruſſen, — aber meine Leute fün- 
nen nicht gewählt, meine Erfolge nicht errungen werden ! 
Bergefien wir feinen Augenblid, daß unfere Suche die der 
Freiheit, die des Volkes ift, und diefe jet nicht zur Entſchei⸗ 
dung liegt. — 

Die Zeitungen überrafchten mich durd den Bericht von 
Der heute ftattgehabten Eröffnung unferer Kammern, — diefer 
Auddrud ift noch seibehalten. Ich hatte diefer Gefchichten 
garnicht mehr gedaht. Die Ihronrede farblos, das Ge- 
Pränge deito bunter. In der erften Kammer ftanden eilf 
Lehnſtuͤhle leer; die Königlichen Prinzen haben ihre Pläpe 
nicht eingenommen. Die Mediatifirten find auegeblieben, 
zum größten Verdruß des Könige; fie meinen durch den Ber: 
faſſungseid fich etwas zu vergeben. Die zweite Kammer ift in 

ihrer alten geringen Einrichtung geblieben , die erite dagegen 
vrahtool! aufgepugt worden, man fagt für eine fehr große 
Summe habe der Tapezier Arbeit dazu geliefert. „Da wird 
der Tapezier,“ bemerkte die Gräfin Klotilde launig, „zur Bes 
lohnung ſelbſt Pair werden, wenn er ſich ein Landgut kauft 
und den Grundbefig alt und befeftigt werden läßt!“ Im 

Ganzen fpricht man von den Kammern — und bejonders von 

der erftien — nur mit Verachtung und Spott oder mit völlig- 
fter Sleichgültigfeit. — 

In Goethe gelefen, in Thaderay; neulateinifche Gedichte 
Ducchgefehen. 





334 


Der König bat den Verdruß, daß die Bevorzugung ii 
alten und befeftigten Grundbefiged, auf die er fo viel hält, 
im Pofenfchen ganz zu Gunften der Polen ausfällt, denn de | 
eingewanderten deutſchen Edelleute find alle nur neue Befike. 
Es ift große Luft vorhanden, den Grundſatz durch VWillir 
abzuändern. Willfür und Laune follen ftets über alles gehen, 
das ift die Hauptfache. — 


Freitag, den 1. Dezember 1854. 

Nachrichten aus Wien; die Berhältniffe find äußerſt a 
ipannt, befonders ift man beforgt wegen der Finanzen, min 
fürchtet alle möglichen Mißgeſchicke; die Regierung ift ein 
der bloßen Gewalt, alles Bertrauen, alle Xiebe find dahın. 
Der wiederbergeftellte, auf ein ftarfes Kriegsweſen gejtüptt 
Kaiferftaat ift doc immer in Gefahr yplößlich gefprengt ju 
werden, feine Beftandtheile ftreben auseinander, Wäre Kt 
Kaifer von Rußland, heißt es, der rechte Dann, er hätte lid 
ted Spiel mit Defterreich. — Ja, wär’ er der rechte Man: 

Hier ift ein Konftabler, der eine Frau mißhandelt hattt 
vom Geridht zu 6 Monat Gefängniß verurtheilt werke ' 
Hindeldey nahm den Mann nicht in Schuß, und läßt ſich nun 
ungeheuer dafür loben. Uber die brutalen Mighandlungn, | 
die gegen Demokraten verübt worden, durch den ſchändlichen 
Schergen Kaifer, bleiben unbeftraft! — 

Ein Gutsbeſitzer hatte mit den Eingefeffenen feined Dorjei 
fich berathen wegen einer von ihnen zu gründenden Schule; 
der Landrath Flagte, daß man ihn nicht vorher davon benad- 
richtigt habe; Das Gericht aber ſprach den Gutsbeſitzer frei, der 
für gutgefinnt gilt. — 

Diele Erzählungen und Spöttereien über die legten Hof 
fefte, deren Prunf und Aermlichkeit ; neue Livreen und Koftüme 
und Mangel an Speifen; es fol eine wahre Bettelwirthſchaft 


335 


efen fein; die verhungerten Lieutenantd, zufammen mit 
ſolchen Fräuleins in einen Saal gebannt, öffneten einen 
tank, in Hoffnung, daß Lebensmittel darin feien, e8 fanden 
aber nur Wafchfchüffeln und andere Gefäße. Die Stadt 
ol von Geſchichten der Art, von Anidereien und Mängeln 
nöthigften Dinge. Man fchimpft allgemein auf die Hof- 
ihtungen, und fpottet über die Anfprüche, die der Hof 
bt, einer der prächtigften zu fein! Man findet, daß die 
fachheit ded Hofd unter dem vorigen Könige viel reicher 
' würdiger gewejen fei. — 
In Thaderay gelefen; im Philoftratos und Plinius. — 
Bon Stahr in der Nationafzeitung ein guter Auffag über 
ing’® Emilia Galotti und deren legte Vorftellung hier auf 
Königlichen Bühne. Schönes Lob Leſſing's, herzerfreuend! 


Sonnabend, den 2. Dezember 1854. 

Die Frage wird aufgeworfen, wie ed nur möglich fei, daß 
ſolches Minifterium der Mittelmäpigkeit, wie das jebige 
ußifche, fich fo lange hält? Die Antwort ift fogleich, weil 
de ein ſolches den Erforderniffen am beiten entfpricht; der 
nig würde bei kräftigen, entſchloſſenen, gejinnungsvollen 
niftern nicht felbft zu regieren glauben, die fremden Mächte 
ı diefen allerlei fürchten, die Partheien im Lande diefen 
off gegenüber fteben; die jegigen Minijter find wie die 
he, auf denen man fchreibt, wie auch der Inhalt des Ge- 
iebenen ausfalle, niemanden wird es beffommen, das Holz 
aus jene beitehen, dephalb zu befchuldigen. Auch die Kam⸗ 
n entiprechen diefen Miniftern, es ift alles in demjelben 
ın. Die Kraft ded Staates, durch welche Diefer noch be: 
t und einigermaßen gedeiht, beruht auf den tüchtigen Mit- 
und Unterbeamten, die noch aus früherer Zeit übrig find, 
die Meberlieferungen eines befjern Geiftes fortjegen, durch 


336 


Kenntniß, Ordnung, Redlichkeit. Doch wie weit diefe Kraft 
reicht, ift jehr zweifelhaft; in den obern Regionen hat fie fein 
unmittelbare Wirkſamkeit, wird fie vielmehr — fofern fie in 
ihrem Wefen erkannt wird — gehaßt und gefchmäht, und ei 
ift nicht zu läugnen, daß unfer Beamtenftand im Ganzen ſchon 
Ihredlih verloren hat, an Ehre, an Selbftftändigkeit und | 
Gediegenheit. Man will nur Knechte und findet fie in Meng. | 

Nachrichten aud Paris; Louis Bonaparte finnt auf aufer 
ordentliche Schläge, die ihm vor der Welt neues Anfehen 
geben, denn er fühlt den Boden unter feinen Füßen manten. 
Er foll neue Eröffnungen an Cavaignac und Ramoriciere ge 
richtet haben, er foll bemüht fein Leute von Geift und Talent 
für fi zu gewinnen; bis jeßt ohne Erfolg; feine beften Diener 
im Krieg wie im Frieden find doch nur ald Gefindel angeſehen, 
und er ſelber ſchämt fich ihrer, mißtraut ihnen. — 

Die Rufen führen den Krieg mit barbarifcher Graufım- 
feit, tödten die Berwundeten, morden und metzeln noch nah 
dem Kampf, ihre eignen Verwundeten ftechen und fchießen auf 
die Wundärzte, von denen fie verbunden, auf die Offiziere, 
durch die fie gerettet, gelabt worden. Doc hat im müthen: 
den Kampfe der menfchliche, gefittetere Soldat das entſchiedene 
Mebergewicht über den wilden, thierifh wüthigen. Entſetz⸗ 
liche Beifpiele roher Graufamleit von Seiten der Ruffen wers 
den in englifchen Blättern thatfächlich angeführt. — 

Der König ging, ald er die erfte Nachricht von der Ab: 
weifung Elöner’d erhielt — man verfehlte nicht ihm diefe ala 
äußerfte Gehäffigeit gegen die Treue an ihn und fein Haus 
vorzuftellen, — ganz aufgebracht im Zimmer umher, indem er 
fich wiederholt auf die rechte Wade fchlug und immer ausrief: 
„Es ift gar nicht zu glauben! Es ift zu arg! und darf nicht 
geduldet werden !* So erzählen Elsner's Freunde. — 





— — — — 


337 


Sonntag, ben 3. Dezember 1854. 

Bon Sebaftopol geträumt, Kämpfe, Berivundete, wie ich 
bingefommen, und was ich dort follte, war unklar. — 

Besuch vom Geheimen Rath Bödh; er erzählte manches 
und ſprach überaus frei. Seine großen Kenntniſſe und fein 
ftarfer Geift find anzuerkennen. — Bald nachher kamen die 
Herren Kapp, Bater und Sohn; der erftere um Abſchied zu 
nehmen. Ueber die hiefigen Kunftbeftrebungen, Bildhauerei, 
Muſik ꝛc. Weber die politifchen Ausfichten ꝛc. — 

Geſtern, in der Monatsfigung der geographifchen Gefell- 
ſchaft, haben die fämmtlichen Offiziere, welche bisher Mitglie- 
der derfelben waren, fchriftlich ihren Austritt angezeigt. Die 
Reaktion ift eifrig und verfolgt ihre Sache mit Nachdruck. Es 


" wird ihre heimkommen! Geduld! — 


Der König hat fich über die Zeremonie bei der neulichen 


„A. Bermählung, die immerwährenden Knire, den Yadeltanz ıc. 
SI 0 Spott» und Wigreden luſtig gemacht, die den Erzellenzen 
Und Höflingen fehr empfindlich find. „Warum ordnet er die 

Zeremonie denn an?" hört man fragen. Gewiß ift es, daß 
alle dergleichen Poſſen, Koftüme, Buntheiten außer der Zeit 


liegen, altfränfifch und lächerlich erfcheinen, in der Zeit, aus 
, der fie herftammen, waren fie in Webereinftimmung mit allem 
| andern, jetzt wird der Widerſpruch, in welchem fie mit allem 
ftehen, täglich größer. Das Brautpaar felber foll nur mit 
| Biderwillen und Beſchämung feine Rolle in diefen „ Chinefe- 
reien“? gefpielt haben. — 
Boͤckh jagte, der Spruch „Habent sua fata libelli“ fei 
: aus dem Grammatifer Terentianus Maurud, dem Zeitge- 
| noffen des Martialis. — Das Boraudgehende „Pro captu 
; lectoris“ hält er für den fpätern Zufaß eined Anwenderd, — 
Engliſche Blätter bedrohen Defterreih, wenn es ſich nicht 
5 bald enifcheide, fo werde man es gar nicht mehr berüdfichtigen, 
| und den in fich zerfallenden Staat fünftig ale Entihäbigungs- 


Barnbagen von Enfe, Tagebüder. XI. 








338 


maffe betrachten, aus der man die kriegführenden Mächte zu 
frieden ftellen könne; das Schickſal von Polen wird angeführt. | 
Das Gewichtige diefer Drohung Tiegt in der Wahrheit, dh 
wirklich Defterreich wie Preußen nur noch in der Henperlid: 
feit ftark ift, jeden Augenblid ift Schwäche, Verfall, Auf 
löfung möglih. Zum Glüd für diefe Staaten ift aber nur 
der falfche, nicht der rechte Bonaparte da; was hätte Letzteret 
für ein gutes und leichted Spiel! — 


Montag, den 4: Dezember 1854. 

Nachrichten aus Rußland; wie überall auch dort, was mit 
dem Hof und der höheren Staatsbehörde zufammenhängt, 
fpiegelt Eifer und Begeifterung für den Kaifer und feinen 
Krieg vor, das Volk ift ganz gleichgültig, der befohlene Re 
ligionsfanatismus will ſich nicht zeigen, im Gegentheil wäh 
Mißmuth und Tadel, daß der Kaifer aus leichtfinnigem Chr | 
geiz den fehweren Krieg in’d Rand gerufen, der fo ſchlecht ge ; 
führt wird. In St. Petersburg liegt aller Handel darnieder, , 
in Moskau leidet man weniger, fpricht aber die Unzufrieden 3 
beit fi mürrifcher und drohender aus, Eine Regierung, de: 
fein Glück hat, die fortgefegte Unfälle trägt, ift jept gleich ein: 
gefährdete! Wie verfchieden von jonft! — 

Die Zeitungen brachten die Nachricht, daß am 2. Degember | 
zwiſchen Defterreich und den Weitmächten ein Bündnißvertrag . 
unterzeichnet worden. Alſo gleich hinter dem Vertrage bet, , 
den jest eben Preußen mit Defterreich gefchloffen, und bevor ; 
noch der Bundestag fich ausgeſprochen hat! Hier wollte 
man fich jchmeicheln, Preußens neueiter Bertrag habe geheime 
Artikel, Die Defterreich hemmen, fi ohne Preußens Einftim- 
mung weiter mit den Weitmächten einzulaffen; man fiebt, dap 
died nicht der Fall ift, dag Defterreich nicht gehemmt iſt, oder 





839 


ung troßt. Preußen erfcheint bei allem diefen in 
r Geftalt! — 

könig war bei der erften Nachricht von dem in Wien 
neten Bertrage ganz wie betäubt, nachher aber gerieth 
n, und wüthete heftig, nun fei e8 Zeit, gleich das 
il zu machen, und mit Rußland vereint über Defter- 
ufallen. Danteuffel gab ihm in allem Recht, um 
Widerſpruch nicht noch mehr zu reizen. Alles am 
mie ein, Krieg! Krieg! war die Rofung, man ſprach 
ı wildeiten Reden aus. — 


Dienstag, den 5. Dezember 1854. 

nittagd Befuch vom Herrn Grafen von *. Der Ein- 
am 2. d. M. zwiſchen Defterreich und den Weft: 
ohne Preußen geſchloſſenen Vertrags erregt hier in 
en Beftürzung, Unmillen, Befchämung. Einige 
fern Gefandten in Wien an, andere den Minifter- 
n von Manteuffel; warum nicht Tieber dad Ganze 
leitung, die Durch und durch unfähig, falſch und 
ſt? Sonntagdfeier, Frömmelei, Umkehr der Wiffen- 
ahlerei, Feigheit, Verfhwendung, Eigenfinn, Rach⸗ 
es gehört alles zufammen. Dabei könnten die fähig« 
idten, die beiten Generale, denen feine Oberleitung 
nichts helfen! — Mittheilungen mancher Art; er 
erfährt viel, was ich nicht unmittelbar erfunden 
er befommt er von mir gefchichtliche Auffchlüffe, die 
ı geblieben. — 

teuzzeitung berichtet über einen Artikel über Preußen 
eften Revue des deux mondes, worin der König, 
1 und die Kreuzzeitungdparthei furchtbar herunter 


erden. Die Angriffe fcheinen von Wohlunterrich- 
22° 


340 
















teten zu fommen, das Blatt deutet auf die Barthei Bethmann- | 
Hollweg. — 

Der Bundestag, von Defterreich gut geſchult, hat eiligi 
feinen Beitritt zu dem preußifch - öfterreichifchen Vertrag er : 
flärt. Defterreich war des Beitrittes verfichert, und warte 4 
nicht erft, daß er audgefprochen würde, fondern ſchloß mit ia 
Weſtmächten ab. Für's erfte alfo — Fein Rheinbund! — 
Künftig? Wer weiß? — 
 Nahträglich erfahren: Nur erft die Rommiffien, nicht det 
Bundestag felbft.) 

„Rebenderinnerungen von Chriftoph Heinrich Pfaff. Kiel, 
1854." 8. Bom Prof. H. Ratjen in Kiel herausgegeben. 
Die trodene und dürftige Aufzeichnung der Lebendgefhik 
eines deutfchen Gelehrten, deſſen frühe Begeifterung für de! 
franzöfifche Revolution bald verdampft, und deffen fpätt | 
Weltbetrachtung ſich im Kreife der Gewöhnlichkeit hält. Der: 
Eindrud unerfreulih. — 

Am Hofe fehreit alles Wuth und Nahe, Preußen foll ) 
feft mit Rußland verbünden, feine Heere marfchiren laſſen, u: 
Böhmen einrüden, am Rhein vorgehen, fich Belgiens ur: 
fihern; die Hofoffiziere überbieten fi in hbeidenmüthigm: 
Verheißungen. Der König hält Franfreih und England fr} 
bereits erfchöpft, unfähig zu neuen Kraftanftrengungen ; wen 
bad Unternehmen gegen Sebaſtopol ſcheitert, fo iſt man w 
Stande, den verderblichiten Täuſchungen thöricht zu folgen! —: 

Der König, vom General Leopold von Gerlad aufge“ 
ftachelt, hat befohlen, daß alle Offiziere aus der geographiſchen 
Geſellſchaft austreten. Doch hat es der Prinz Adalbert nel 
nicht gethan, auch der Prinz Wilhelm von Baden ne 
nicht. — 


— —o — — 


341 


2 . Mittwoch, den 6. Dezember 1854. 

\ Geſchrieben; über den Sammer der politifchen Zuftände;. 
se nirgends in Europa, mit Ausnahme Spaniens, ift jet die 
; Freiheit voran, auch in England nicht ; überall ift Macht und 
mi Anſehn Der beftehenden Regierungen, alfo der freiheitöfeind- 
ip 5 lichen, die Hauptfache, und felbft die beften Freiheitsmänner 

laffen fi in diefe hineinziehen, ale wär’ e8 auch) ihre. Daß 
- Ne jetzigen Streitverhältniffe zu guten Erfolgen leiten können, 
rn weiß ich recht gut; aber welche Umz- und Nebenmwege! — 

1 Die Pariſer Zeitungen ſagen es laut, daß Frankreich die 
Fr preußifchen diplomatifchen Eröffnungen gar nicht beantwortet, 
SE jaderen Empfang nicht mehr befcheinigt, und ebenfo verächt- 

FE lich werde Preußen von England behandelt. Die Weftmächte 
EEE find einiger ald je. — 

Yu Nachmittags Beſuch von Herrn Bentejoul; ein harmlofer, 
Se gutmüthiger und recht kluger Menſch. Wir fprachen von 
_ | neueren Schriftftelleen über die franzöfifche Revolution — 
a vom Aufenthalt in Paris ꝛc. Die neueren Schriftfteller 
E über die franzöfifche Revolution haben unendlich mehr That: 
ſachen, Einfichten, Enthüllungen, Ueberblicke, ald den früheren 

m Gebote ftanden ; allein diefe haben, was jenen faft ohne Aus- 
mas uhme fehlt, den wahren Geift, das Achte Gefühl, den eigent- 
 fhen Karakter der Dinge, die fie erzählen; in diefem Betreff 
ſtehen Michelet, Louis Blanc, Thiers und Lamartine weit zu: 
rück gegen Rabaut de Saint⸗Etienne, les deux amis de la 
Häiberte, Bailleul ꝛc. — 

B__ Sn den Abendblättern fteht nichts Neues, als daß die Be: 
fchießung Sebaftopols, die kurze Zeit unterbrochen war, wieder 
Mfortgeſetzt wird. Beiden Heeren bringt der Winter große 

Roth, doch den Ruſſen weit mehr ald den Verbündeten. — 

Es ſollen Nachrichten aus St. Petersburg bier fein, daß 
der Kaifer Nikolai auf den Krieg mit Defterreich ganz gefaßt 
it, und an keinen Frieden denkt, aber dagegen feft darauf 
















342 


rechnet, daß Preußen und der deutfche Bund neutral bie 
oder doch nicht Exrnftliches gegen ihn thun werden. Derfi 
foll ihm hierüber die beftimmteiten Verficherungen er 
haben. Die Ruffen fammeln eine große Macht in Polen 


Biel in Goethe's Tpäteren Gedichten und profaiichen 
fägen gelefen; da giebt ed immer Neues zu erkennen 
Altes zu verarbeiten! So fehr Goethe’d Alter im Ge 
heiter, kräftig und im edelften Berufe thätig war, fot 
ich doch heute mich nicht ded Eindrudd erwehren, daß er 
chwere Stunden des Mißmuths und Unbehagens zu erh 
gehabt, nicht gerade durch beftimmte Vorgänge, fondern 
die Stellung jelbft, welche das Alter zu Neben und Wel 
merklich befommt — es find nicht mehr diejenigen, denen 
fi) innig angehörig fühlt! — 

Eckermann ift in Weimar am 3. Dezember gefte 
Geh. 1792. — 

Ein enalifches Blatt jagt, wenn Preußen feine Au 
nicht willig ausführe, fo bleibe nicht? übrig, ala es ſchim 
auf den Kampfplatz zu fhleppen ; wenn die deutjchen Fi 
zauderten, gegen den allgemeinen Feind Parthei zu nef 
jo müffe man mit ihren Unterthanen fprehen. Das ift 
deutlich gefprochen und zeigt, daß man jehr gut weiß, w 
es anfommt! — 

Die meiften Menfchen haben viel Schaufpielerhaft 
Mimifches, wie ed Harfcher zu nennen pflegte, — di 
Großen wie im Kleinen ſehr läftig und widrig ift, bei: 
für ſolche Leute, die ed gleich erfennen, und feinen Aug 
davon getäufcht werden. ch werde davon gleich zur 
tigiten Angriffe gereizt, oder zu gänzlichem Berftumm 
bracht. Keine Spur von folhem Shaufpielmefen n 
Rahel, keine! — 

Heute Vormittag ift der König wieder bedenflich gew 


343 


Manteuffel's BVorftellungen gehört, in ganz verän- 
Stimmung. — 


Donnerstag, ben 7. Dezember 1854. 

Sonnenblid ift ſchon was in foldhen trüben Tagen, 
gengrug! Man hält etwas Gutes und Frohes ſchon 
möglih. Doch muß ich mir beim Erwachen geftehen, 
felten ein Tag erfcheint, der feine Freude mitbringt, 
ffnung, feine friſche Ihätigkeit; ich muß aus eigner 
m alles dies erſt zu geben tradhten, und in meiner 
ingt dad nicht immer, und wenn ed gelingt, fo ift ed 
, ald wenn man dad mangelnde Tageslicht durch an- 
e Kerzen erjegt. ch follte billig wieder eine fchaffende 
mfangen. — 

z in der Geſchichte fpäter ald großer Abfchnitt, als 
oender Wendepunkt gilt, das ift in der augenblicklichen 
art oft ganz unfcheinbar, tritt fat unmerflich in die 
ed Tageslebend, das fich in den noch herfömmlichen 
reiten bewegt, und fi um Weiterhinaudliegendes im 
m nicht fümmert. Bei den Alten drangen die öffent: 
reigniffe viel mächtiger in das Einzelleben ein, da wan- 
anze Bevölferungen aus, wurden erjchlagen, gefnechtet ; 
ırmen allenfalld einige, während andere reich werden, 
yeitet, fingt und fpielt fo weiter, und jeder richtet fich 
ver Weife in den neuen Zufland zurecht. In diefem 
id fühlt niemand in Berlin die Obrfeige, die Preußen 
bekommen hat, und ob man bier ruffifch ift oder öſter⸗ 
und franzöfifch, fieht niemand dem Tage an. — 

habe zum Pergnügen und Studium Goethe’? Götz 
clichingen in der älteften Geftalt wieder durchgeſehen, 
uch in der neuften, die freilich feine gelungene heißen 





344 


kann, wenn ſchon Einzelnes darin bedeutend und merkwürdig 
erfcheint. — | 
„Die deutfchen Myſtiker des vierzehnten und fünfzehntn 
Sahrhunderts, Tauler, Sufo, Rusbroek, Groot, Radevynjon, 
Thomas von Kempen. Bon Friedrih Böhringer. Zürih, 
1855." Ein ftarfer Oftavband. ch bin von Diefer Ritter | 
ratur fehr abgefommen, doc fühl’ ich für Tauler, Edart md 
Sufo nod die größte Vorliebe. Sie fuchten in ihrer Bee 
die höchfte Freiheit, und ftanden der vorweltlichen Kirche und 
dem Pabſt entgegen. — | 

Man erzählt, der ruffifche Gefandte in Wien, Yürft Gert- | 
ſchakoff, habe zwar nichts von den Verhandlungen gewußt, die zu 
dem Vertrag zwiſchen Frankreich und Defterreich geführt haben, 
fei aber doch einer der Erften gewefen, die den Abſchluß er 
fuhren. Sogleich habe er die Nachricht durch einen Kourief 
bieher an Budberg zu fenden beſchloſſen, aus kollegialiſchet 
Gefinnung aber doc den preußifchen Gefandten in Bien, 
Grafen von Arnim, fragen laffen, ob er etwas mitfchiden 
wolle? Diefer jedoch, unbekannt mit der Neuigfeit und jehr 
faul, habe nur erwiedert, es fei nicht feine Gewohnheit, auf 
am Nachmittage Depefchen zu fehreiben! Als der Kourier fort 
war, erfuhr Arnim die Neuigkeit. Man ſchimpft Hier ſehr 
auf ihn. — 

Der Kaiſer von Rußland hat fich bewogen geſehen, den 
öfterreichifchen Hofe zu erklären, daß er die Grundlage der ge: 
forderten vier Bürgfchaften zur Friedendverhandlung an: 
nehme. Defterreich hat diefe Erklärung den Weftmächten mit: 


getheilt. Indeß bat died den Abfchluß des Vertrags nid 
- hindern können. — 





345 


Freitag, ben 8. Dezember 1854. 

Ausgegangen mit Ludmilla. — In der Lindenftraße beim 
ntiquar Meyer. — Darauf bei Heren Dr. Zabel, wo au 
err Afjeffor Paalzow erjchien ; die guten braven Männer find 
it ihrer politifchen Rolle etwas im Gedränge, fie fühlen, 
aß fie für ihre wahre Meinung keinen Boden mehr haben, 
aß fie das Beſte, das Eigentliche jept unmöglich fagen können, 
nd wohin fienun fich einftweilen wenden follen, ift ihnen nicht. 
anz flar; meinen Rath, in Ermangelung der Freiheitd- unt 
zolksſache, die des Landes, wo fie leben und wirken, die Sache 
Breußens, voranzuftellen, möchten fie zwar befolgen, allein die 
egigen Zuftände find einmal nicht zu loben, und man geräth 
n Gefahr, wenn man ed doch verfucht, in fie verwidelt zu 
derden. — 

In Magdeburg hielt die freie Gemeinde Berathung über 
neue Statuten, Die fie fich geben wollte, nad) kurzer Zeit löſte 
der anweſende Polizeimann die Berfammlung auf. — 

In Göppingen ift der Schriftfteller Guſtav Diezel, der 
ben von einer Reiſe heimkehrte, fogleich verhaftet worden. 
Er foll des Hochverraths angeklagt werden! Man nahm keine 
zürgſchaft für ihn an. — In Würtemberg ift es jebt beträcht- 
ch dunkel! — 

Der König hat den Profeſſor Baumſtark und einige 
adere zur erften Kammer „präfentirte” Perfonen nicht be⸗ 
fen, weil fie ihm mißfällig find. PYorck rügt den Wider: 
uch, in den der König hiedurd mit feiner Thronrede 
illt, wo er fagte, er ehre auch Meinungen, die von der feinen 
wichen. — 

Die Kreuzzeitung erwähnt heute Abend des Ausfchneiderd 
röhlih mit einigem Lobe, trotzdem Fanny Lewald und die 
ationalzeitung ihn empfohlen haben. Sie fügt dann hinzu: 
Biele dürfte bei der Gelegenheit die Notiz intereffiren, daß 
ıch ein biefiger berühmter Memoirenfchreiber der oppofitio- 


346 


nellen Barthei, außer famofer Auffchneider in der Vollszei⸗ 
tung, auch famofer Audfchneider in Schwarzpapier if.” — 
Wenn ich mir nicht vielleicht zu ſehr ſchmeichle, fo bin ih ge 
meint, obſchon dad mit der Volkszeitung eine abgefhmadte 
Lüge ift. — | | 

Im geftrigen Konzert wurde zum erftenmal eine Ower- | 
ture von Richard Wagner bier aufgeführt, und mit leiden: 
Ihaftlichem Beifall beflaticht, theild aus Anerkennung feiner 
Muſik, theild aus Widerfpruch gegen die Regierung und Herrn 
von Hülfen. Der Prinz Karl entfernte fich in großem 
Aerger, die Königin ſchon früher. — 


Sonnabend, ben 9. Dezember 1854. 

Ein trauriger Tag, der nichts von außen bringt, und innen 
alles verfchloffen hält! Ohne Licht, ohne Freude! Die große 
weite Stadt erfcheint arm und hülflos, denn jeder frifche Gei n 
ift verbannt, oder ſchweigt feufzend im engen Verſteck. Zu desrt 
unglüdlichen Klima noch diefe verwünfchte Unterdrüdung * 
Wenn man nicht zwanzig Jahr alt ift, kann man des Dinge$ 
wohl müde fein! ch bezwinge fonft wohl foldye Verſtim⸗ 
mung, heute gelingt’8 mir nicht. Daß es eben Andern audy 
fo ergangen, weiß ich recht gut. Wie mancher Stoßſeufzer 
Goethe's fällt mir ein, und Friedrih Auguft Wolf's erſchüt⸗ 
ternder Ausdrud: „Wo ich ganz in mir zufammenftürze!* — 

Die Zeitungen melden, daß wirklich ſchon die Erklärung 
von bier nach Wien abgegangen fei, Preußen finde fih wohl 
zufrieden mit dem Vertrag, den Defterreih mit den Weſt⸗ 
mächten abgefchloffen hat! — 

Erft nachträglich hat man bemerkt und höchſt auffallend 
gefunden, daß weder der englifche nod der franzöfifche Ges 
fandte bei der Eröffnung der biefigen Kammern gegenwärtig 





‚347 


geweſen, und ift Darüber ziemlich betroffen. Sie mögen vor- 
auögewupt haben, daß die Thronrede der Weftmächte gar nicht 
erwähnen würde. Auch der öfterreichifche Gefandte foll ge- 
fehlt haben. Am Tage felbit hat ed niemand geachtet. — 

Die Zeitungen meldeten die Anweſenheit der Ge⸗ 
ſandten. — 

Wie man in Wien Preußen anfieht, giebt fich offen zu 
erfennen. Weniger befannt ift, daß die öfterreichifchen Offi— 
jiere mit Stolz und Hohn auf die preußifchen herabbliden, und 
noch lieber ald gegen die Rufen, gegen die Preußen fechten 
wollen. Die preußifchen Offiziere find in der That in einer 
Ihlimmen Lage; man gönnt ihnen nicht die geringfte geiftige 
Freiheit, auch ihre Privatverhältniffe ſtehen unter ftrenger 
Auffihtz außer der militairifchen Zucht erleiden fie auch eine 
moͤnchiſche, man bewacht ihren Umgang, ihre Sitten; fie 
müfen zur Kirche gehen, eine Art Frömmigkeit wenigſtens 
heucheln; die Gardeoffiziere geben den Ton an, fie find meift 
ufffh gefinnt, und dürfen dies laut befennen, fie haben den 
Sof und die Regierung für ſich, die anderögefinnten Offiziere 
'  müffen ſchweigen, müffen jeden Freiſinn verhehlen. Dies ge- 

drüdte Wefen macht einen üblen Eindrud. — 

Der Leader giebt Koſſuth's neuefte Rede ganz ausführlich. 
Bortreffliche Wahrheiten find darin, die freilich den Englän- 
dern jebt ungelegen kommen, ſowie Bictor Hugo’d Ausfälle 
gegen Rouid Bonaparte. Wir aber, die wir feine Regie: 
tungen find, die wir fein nothwendiges Scheinverhältniß mit 
ben thatfächlichen Mächten haben, wir dürfen nie vergeffen, 
wer und gegenüberfteht, wer unfer Feind ift. — 

Die aus der „Revue des deux mondes* abgedrudte 
Schrift über Preußen heißt „La Prusse, la cour et le ca- 
binet de Berlin dans la question d’Orient. Paris, 1855. 
Au bureau de la revue des deux mondes.* 71 Seiten 
in gr. 8. Der Abdrud ift aber kein franzöfcher, fondern 


Mk es En 3 — 






| 





. 348 


ein deutfcher. In den Thatfachen, die der Autor ana, | 
findet fi) nichts geradezu Unwahres; nur in dm Ur 
theilen über die Perſonen ift vieles zu mild audgedrüdt, und | 
manches aus Schonung verfchwiegen., Der König und de 
Königin werden nur mit großer Zartheit angefchuldigt; — 
auf die Kammern wird ein nicht zu rechtfertigender Werth ge 
febt. — 


Sonntag , ben 10. Dezember 1854. 


Heute ift die Nationalzeitung polizeilich weggenommen! — | 

Gefchrieben,, über parlamentarifche Formen, daß fie niät 
die Sache felbft find, fondern ein Behelf; mit ihnen ift noch 
die furchtbarfte Tyrannei möglih, wie in Rom unter den 
Cäfaren, wie in England unter dem elenden Jakob dem 
Zweiten. — 


Die Kaiferin von Rußland ift fehr erkrankt. Man meint, 
der König werde Durch diefe Nachricht in feinen Gefühlen nut 
noch ruffischer werden ; Andre fagen, wenn diefed Band zer 
reift, werde die Sympathie für Rußland bald erfalten; noch 
Andere halten diefen Umstand für politifch gleichgültig, und 
den König für gar nicht empfindfam. — 

Nachrichten aus Wien. Man ift dort fehr dreift und body 
fahrend, fpottet über Preußen, und fagt, wenn diefed die 
Artigkeit, mit der man es behandle, nicht verftehe oder nicht 
würdige, werde man ibm bald mit Unart und Grobheit fom- 
men. Des Bundestages ift man verfichert; außer Defterreidh 
haben auch Frankreich und England auf die Fürften mit Rad: 
drud eingewirkt; und Preußen, wenn ed auch den Willen 
hätte, entgegenzuwirken, hat nicht die Macht dazu. Kein 
Fürft, feine Regierung vertraut und noch, — 





349 


Fabeln von neuen -Umtrieben, Verſchworungen, die fid 
n untern Volke durch die deutfchen Länder erftreden follen. 
denn auch in der Sache viel Wahres fein mag, denn die 
tudenten und die Handwerker find gewiß nicht ohne mannig⸗ 
he Betreibungen, fo ift doc) das, was die Polizei davon ers 
jt, und wie fie ed erfaßt, nur Fabel und Thorheit. Man 
wicht von Zeit zu Zeit ſolche Nahrung für gewiffe Perfonen, 
mit fie fich fürchten und fügen. — 

‚Der Tacitus ift etiwad Ungeheures! Die Cäfaren, die 
ſchildert, bedurften eines ſolchen Gegengewichte, er rächt 
ihnen die durch fie gefchändete Menfchheit, ein Prachtitüc 
lichen Unmillene und großer Tugend! Aber die ganze 
eligeſchichte in ſolchem Tone wäre nicht auszuhalten! Es 
eine Bein, ſtets im ſolch feierlicher Strenge zu verkehren, 
an rubet aus, indem man nad ihm den Julius Cäfar oder 
mophon lieft. — 
Zwei Gefchichten ruffifchen Verfahrens, die ein fundiger 
ewaͤhrsmann mir erzählt hat! — In Riga befteht eine 
nterftügungsfaffe der Handwerker, von ihnen felbit ges 
tindet; der Generalgouverneur Fürft Sumworoff läßt fie 
fordern, das Kapital dem Staate zur Baterlandöverthei- 
sung zu leihen, oder noch beſſer zu ſchenken. Die Hands 
eter leiden durch den Krieg und ftellen vor, daß fie der 
aſſe bedürftiger find als je; der Fürft läßt die beiden Ab⸗ 
ordueten, die ihm Died an's Herz legen, fogleich zu Soldaten 
heexen und fchidt fie nach der Krim. — In Finnland hatten 
e Landleute zur Küftenvertheidigung freiwillig eine Anzahl 
m Ruderbooten bemannt, und waren dafür belobt worden; 
it Eintritt ded Winterd und Abzug des Feindes wollten fie 
ch Haufe kehren, das wurde nicht geftattet. Als der Groß» 
ft Konſtantin fie befichtigte, erneuerten fie die Bitte. Finfter 
f der Sroßfürftihnen zu: „Wer von euch will nach Haufe? * 
e ſchwiegen aus Furcht, nur neun oder zehn Männer wagten 


350 


endlich fih zu melden. „Was?“ ſchtie der Großfuͤrſt ſie 
wüthend an, „ihr Rebellen wollt euch dem Dienft entziehen? 
Nun follt ihr ihn erft recht kennen lernen! Tert, in de 
Krim!” Die Männer wurden gefchoren — lauter Famikien- 
väter — und abgefchidt. — 


| Montag, ben 11. Dezember 1854. 

Der Bundestag ift geftern dem preußifch = öfterreichifcher 
Vertrag einftimmig beigetreten, auch die Bamberger, Ofden 
burg ꝛc. Die beiden Medlenburg enthielten ſich der Ab 
flimmung. Was ein großer vaterländifcher Entſchluß fen 
könnte, tritt als eine Jämmerlichkeit auf, als ein Erzeugnil 
der Furcht und Fügſamkeit deutjcher Fürften! Diefe Spipa 
feiner Erſcheinung find offenbar der fehlechtefte, der verdet 
benfte und verderblichfte Beitandtheil von Deutfchland. Wi 
fehr ftehen Diefe Fürften gegen die des achtzehnten Jahrhun 
dert? zurüd! Sie machen ed zur Unmöglichkeit, fich ihne 
anzufchließen, mit ihnen zu gehen; jedes Lob machen fie 
Schanden! — | 

Die Nationalzeitung von geftern Morgen ift heute Abe 
nachgeliefert worden ; da® Abendblatt fagt, wegen Außerer B 
hinderungen habe fie geftern nicht ausgegeben werden fünneı 
man weiß, daß diefe Behinderungen in der polizeilichen Be 
nahme beitanden, durch Weglaffung einer Stelle aus Lond 
aber die Freilaſſung erfolgt ift. Das ift nun eigentlich ı 
Zenfurverfahren, allerdingd auch zum Vortheil des Blatt 
aber für die Prefreiheit verderblich, das gerichtliche Verho 
deln wird umgangen, ein Ablommen mit der ‘Polizei tritt 
die Stelle, die Redaktion verliert ihre Unabhängigkeit. — 

In der Schneider’ihen Buchhandlung find befondere 9 
drüde des Artilelö über Preußen aus der Revue des de 
mondes zu haben, bis jeßt unverboten. Die Hof: u 


351 
Staatöwelt hier ift ganz außer fich über diefen Aufſatz, den 
fie dem Grafen von Pourtalès zuſchreibt. Er enthält nur 
Wahrheiten, die hier in weiten Kreifen längft bekannt find. 
Das öffentliche Ausfprechen ift den Leuten fo arg! — 

Die Nachrichten aus St. Peteröburg lauten in Betreff der 
Kıiferin weniger ſchlimm. Daher ift heute die Galla-Oper, 
die noch zu den Bermählungsfeierlichkeiten gerechnet wir, 
wieder angefebt. Die Hofleute widerfprechen der Meinung, 
daß der König aus Gefchwifterliebe ruffifch fei, von einer 
folden habe man überhaupt noch feine Spur entdeden können, 
die Öroßherzogin Alerandrine von Medlenburg-Schwerin habe 
bon jeher gefagt, ihr Bruder thue zwar fchön mit feinen Ge- 
Ihwiftern, aber es fei nichts dahinter. Man führt Aeupes 
Eungen diejer Art von der Gräfin von Münfter, geb. von der 
Marwitz, von der Gräfin von Brandenburg, und auch vom 
Stufen von * an. Gewiß, der König hat feine ſchlimmſten Auf- 
Paffer und Gegner unter feinen nächften Höflingen, die vor den 
Augen ihm fchmeicheln und huldigen! — 

Die Neue Preußifche Zeitung jammert nach Frieden ; ihr 
bird bei den neuen Verträgen angft und bange; was man 
enn von Rußland wolle? Der Kaifer habe ja die vier Bürg⸗ 
haften ſchon rückhaltlos angenommen, und dergleichen Ge⸗ 
hmwäp mehr, während die Gegenfeite darthut, dag es damit 
in Emft, fondern nur Spiegelfechterei fei, um Zeit zu ge: 
nnen. — 


Dienstag, ben 12. Dezember 1854. 
Nachmittags Beſuch vom Grafen von *. Er beweift mir 
er feinen Willen, aber umftändlih und mit Anführung 
Thatſachen, daß in Preußen aud) die Rechtöpflege eine 
de der ſchreiendſten Willkür ift; der Staatsanwalt, defjen 















" niffe völlig ſchweige, als 
bei 





wenn er fic aber num: ach 
⸗ummum jur sum ia 
Dr. Rein unt ira. er 
politiſche Artikel geherer 
binterlegen. Dr. Kl 
will nicht mit der Sprache 
bobe Behörde ihm weil €“ 
wolle, bie Kaution erlahr 
langt, weil eine Röniglide* 
Fönnte, den Aueſchluß der : 
willigt ibn. biedurch if 
premittirt! So ſchlecht, 
dumm! — 
Gin aus Rußland zurüd: 
Daß niemand dert vom Arien 








rung aber verfündigt alle 









[de Zur ze 0 


er zımnm'ia 
zu ter pi hun 

wer. Ira. Died- 
sem enter dor Befebl 
ee Jelge zu geben, 
m bar — Dies wur 
1 Rampp Juftigminifter 
vom * aus Neuvorpom ⸗ 
eten feiner Ramrruces 
aber Herr von Runısı, 
vxrid nic· Ten. 











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u eilig! 
für, daß 
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aber den 
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n Preußen 
, fo fange 
nen damit 
verpflichtet 
sathen, und 
unterworfen 
ad! Diefer 
on will, bat 
ie Hand ber 
von, ale das 
\ fie, daß der 


x auswärtigen 
mit diefen Ber 
Einwirkung ver⸗ 
mmert man ſich 
23° 


354 


Beide fehr freundlich und traulich. Rebekka beftäti 
Meinung, die ich von jeher von ihr gehabt. — 

Im Plutarcho8 gelefen; in der Revue du dix. 
siecle vom 1. November. Viele junge Schriftfte 
fich hier mit Eifer auf die Bearbeitung wiffenfchaftli 
ftände, der Piemontefer Emil Nerva, der Ar; 
Ch. Lemonnier, H. Chavee, Ev. Colombel, € 
G. Lejean, Stanislaus Bellanger, Achille Guillar 
Pelletan, Nus, Henri Martin, Frand (vom Snftit 
Lucas ꝛc. Auch Eugene Erepet ift unter den D 
angeführt. — Solche Thätigkeit ift ein gutes Zei 
Franzoſen find noch da, leben, arbeiten; fie find un 
den Augenblid, aber bezwungen nicht! Und fo ift 
den Deutihen! — 


Donnerstag, den 14. Dezembe 
Die Thronrede der Königin von England bei 
Öffnung des Parlaments hätte telegraphifch bereit 
jein follen. Man jagt, die Regierung halte die ve 
tunge-Redaktionen theuer bezahlten Depefchen, fo 
tigkeit und folchen Inhalts, ohne weiteres zurück, 
für ſich allein die Nachrichten zu haben und auszube 
ſoll man ſolch ein Verfahren nennen, Herr von der 
Heute bringen die Abendhlätter die Thronrede, u 
die Angabe, daß der Aufihub durch eine Störun 
graphen in England verurfacht worden. Alfo | 
feine Behörde anzuflagen. Daß aber bei ſolch 
gleich die ganze Kaufmannswelt den fchlimmiter 
hegt, ift übel genug! — 
Herr von Drlich, ehemaliger Offizier und feit 1 
friedener, ift gerade jebt, aus Trotz, der geographife 


355 “ 


[haft beigetreten. Auf die Bemerfung, jept fei e8 eine Ehre, 
Äh dort anzufchließen, erwiedert ein Anderer: „Nicht zu eilig! 
Gi möchte zu ſchnell Reue folgen! Wer fteht Ihnen dafür, daß 
die geographifche Gefellfchaft nicht in kurzem zu Kreuze riecht, 
und Herrn von Clöner ald Mitglied aufnimmt?* In der 
That, e8 ift nicht zu frauen. — 

Der König ift außer ſich vor Zorn über den Artikel über 
Preußen in der Revue des deux mondes; er findet fi 
darin auf’3 ärgſte mißhandelt, und will, daß eine Gegenfchrift 
erſcheine; wer fie aber abfaffen foll, darüber ift großer Zweifel 
und große Noth, man hat nicht Eine Feder, die der Aufgabe 
gemahlen wäre, zu Gebot. Abeken wurde genannt, aber den 
will man nicht, Selig Caſſel ift ein unangenehmer Mann, 
Shlefier'n traut man nicht. uch glaubt man, die Gegen: 
ſchtift müfle franzöfifch gefchrieben werden! Es wird wohl 
bei einigem Schimpfen in der Kreuzzeitung fein Bewenden 
haben. — 

Hier hat man beſchloſſen, dad Bundespreßgefeß in Preußen 
nicht ala Gefeh zu veröffentlichen, befonders nicht, fo lange 
Defterreich es nicht thut. Beide Mächte befennen damit 
ſchamlos, dag fie ſich nicht durch ein Bundesgeſetz verpflichtet 
halten, daß fie ein ſolches wohl hervorrufen, berathen, und 
den Anderen auflegen wollen, aber ohne felber ihm unterworfen 
wu fein. Genug, wenn die Andern gebunden find! Diefer 
Uebermuth, der außer und über dem Geſetze ftehen will, hat 
aber auch noch den Hintergedanfen, daß man freie Hand bes 
alten will, fchärfer mit der Preffe zu verfahren, als das 
Bundesgeſetz es vorfchreibt! Und dabei wollen fie, daß der 
Bundestag Anfehen habe, geehrt werde! — 

Die meiften Menfchen find ganz von der auswärtigen 
Bolitif eingenommen, befchäftigen fich eifrigft mit diefen Ver— 
ältniffen, auf die ihnen feine unmittelbare Einwirkung ver 


attet iſt. Um die inneren Zuftände befümmert man fidh 
23° 


856 





wenig, und doch werden fie immer trauriger. Der Staatit 
im Innern von böfen Giften zerfreffen. Bon da droht ihn E 
größere Gefahr ald von außen. Die Regierung, felber ohne 
Gewiffen, ftrebt died auch in Anderen zu zerftören,, fie arbeite 
nicht nur an der Knechtung, fondern auch an der Entfittlichung 
und Verderbniß ded Volks. Die Nichter, wie alle andern 
Beamten, find in die unwürdigfte Abhängigkeit gebracht, die 
Kammern der Abjchaum des knechtiſch gefinnten Theile ii 
Volks, der Ariftofraten und Beamten. Jede Weberzeugung 
muß unterduden, jede freie Stimme verftummen. Die ganjt 
Derwaltung ift Gewalt und Rüge, geiftliher Dünkel, politiide 
Nohheit, elende Kniffelei. Die Heuchler treiben ihr freche 
Gewerbe, alles ift gefälfcht, angeſteckt von fehleichendem Gift. 
Wenn ein Bolt in feinen Sitten zurückgeht, unredlich, lügne J 
riſch wird, fo könnte eine edle Megierung es noch retten; J 
aber wenn das Verderben von oben auögeht, Heuchler und 
Buben mehr und mehr fich feitfegen, einander heben und tra‘ 
gen, und das Volk treten und entfittlichen, woher foll da die 
Hülfe fommen ?! — 


Freitag, den 15. Dezember 1854. 

Heute gelingt mir feine Arbeit! Das Wetter fpannt mid 
gänzlich ab, erjchlafft mir die Nerven. Die Natur draußen 
ift fo finfter, wie die Menfchengefichter jetzt alle find. Bon 
feiner Seite Hellung! Doc wiffen wir, daß hinter diefer 
Finſterniß die leuchtende Sonne fteht, die wieder hervorbrechen 
wird! ber unterdeflen! — 

Die Kreuzzeitungsleute Gerlach, Stahl, Goedfche ꝛc. waren 
heute zufammen, und freuten fich gemeinfchaftlich, dag nächftend 
der Anfchluß Preußens an Rußland würde erflärt werden. 
„Der Wahnfinn Diefer Leute geht fo weit, ob auch Die Regie 


857 


jo wahnfinnig fein werde, fteht dahin.“ Wahnfinn ? 
n Preußen nicht demofratifch fein will, und nicht von 
m höheren Geifte geleitet fein kann, weil diefer überhaupt 
‚fo muß ed wohl ruſſiſch fein! — 

Indre fchmeicheln fih, Preußen gehe eine enge felbitftän: 
Verbindung mit England ein, um Defterreich zu über- 
In. Wenn jened Bündniß mit Rußland ald Wahnfinn 
int, fo muß diefed mit England noch ald Wahn gelten. 
nicht daran zu denken. — 

Die Zeitung „Lloyd“ in Wien ift auf drei Monate dort 
drüdt, weil fie — gegen Rußland gefprocdhen, die unbe: 
te Herrfchaft eines Einzelnen getadelt hat! Natürlich 
dad auch Defterreih! — 

In Paris hat Lord Palmerfton mit Louis Bonaparte 
den Fall beiprochen, daß Frankreich wieder im Beſitz des 
n Rheinufer? fäme; die englifche Zuftimmung würde unter 
fen Bedingungen nicht fehlen. Preußen? Zerpflüdung 
e leicht Defterreichd und auch Rußlands Beifall! — 


Sonnabend, den 16. Dezember 1854. 

Der Vertrag zwifchen Defterreich und den Weftmächten ift 
in Wien feinem Wortlaute nach bekannt gemadt. Er 
aber auch geheime Artikel, die einftweilen verſchwiegen 
en. Ueber Preußens Entſchließungen verlautet noch 
3 Zuverläffiged. — 

Infere erfte Kammer wird von allen Seiten ſehr ungünſtig 
heilt; man nennt ſie eine Auswahl der Unbedeutenden, 
emeinen und armſeligen Vornehmheit. Die meiſten Mit⸗ 
r find dem Publikum völlig unbekannt. „Ein Zuchthaus 
Sträflingen hat mehr Berühmtheiten“. Die Namen: 
enhaus“, „Haus der Abgeordneten“ und „Allgemeiner 


358 


Landtag“ find jebt in Vorſchlag gebracht, man glaubt, de | 
Kammern werden Schwierigkeiten machen, befonders mikäll 
der Ausdrud: „Herrenhaus.“ Man fagt, grade an diefem In 
dem Könige alles gelegen, daran hänge fein Herz. „Le 
pauvres heres et le pauvre Sire!“ foll ein rheinifcher Of 
gejagt haben. 

„Korrespondenz des fächlifchen Premierminiftere Grafen 
von Brühl mit dem fächfifchen Generallieutenant Freiherm 
von Niedefel, Refidenten bei der ruffifhen Armee. Alsen 
Beitrag zur Gefchichte des fiebenjährigen Kriegs 1760 — 1762. 
Don Mar von Eelking, fachfen-meining’schem Hauptmann. 
Reipzig, 1854. Gr. 8. 

Mehr ala fonft wenden fich feit einiger Zeit meine Gedan: 
ten nach Hamburg, und es fehmeichelt meinen Gefühlen, mit 
dorthin zu verſetzen. Aber ich weiß im voraus, daß ich den 
längern Aufenthalt dort nicht ertragen würde, da dad Ham 
burg meiner Borftellung, meiner Erinnerung ein ganz andre? 
ift, als das der Wirklichkeit. Und dann, wenn mir aud ri 
zend und lodend erfcheint, mich dorthin zurückzuziehen, fo iſ 
mir doch gleich daneben der Gedanke, daß ich Berlin verlaffen 
hätte, ganz erſchrecklich! — Zum Glüd fteht mir feine Wab! 
frei! — 

Der Kultusminifter von Raumer, der reaftionaire Kan’ 
tiker, der kirchlichgeſinnte Eiferer, der allergetreufte Könige 
unterthan, bat als Regierungspräfident zu Frankfurt an de 
Oder, im Jahr 1848, ald die Nationalverfammlung di 
Steuerverweigerung audgefprochen hatte, der Befehl audge- 
fertigt, die Negierungshauptfaffe zur Verfügung der National: 
verfammlung zu ftellen. Er glaubte damald an den Sie 
der letzteren. Wenige Tage nachher war er glüdlid, de 
Befehl wieder unterdrüden zu können. Solche Beamte diene 
der Macht, fie fei von Gott oder dem Teufel. Und dami 
find die Machthaber zufrieden! — 


859 


Sonntag, ben 17. Dezember 1854. 

Nah dem Eſſen befuchte mich der Fürft Heinrich von, 
arolath, der Oberjägermeifter. Seit feiner neuen Heirath 
atte ich ihm noch nicht gefehen ; er hat fehr gealtert, ift aber 
üftig und vergnügt! Wir fprachen vielerlei Perfönliches, 
ann aber auch über die politifche Zage der Dinge, Er klagte 
ber Rußland, jammerte über Defterreih, und hatte feine 
Borte über Preußen. In Louid Bonaparte wollte er den 
‚geiheidten Kerl“ ehren und fchägen, ich nannteihn einen — ! 
sonderbar, das Unfittliche, das Böfe, erfcheint den meiften 
Renihen als die wahre Kraft, die wahre Klugheit, fobald nur 
Srfolg dabei ift; nah Straßburg und Bonlogne fahen fie alle 
a dem Menfchen feinen Helden, nur einen Hand Narren! 
Der Fürft beflagte, daß in einer Republik fo viel Unruhe, 
Rönte, Gefahren, Unficherheiten feien. „Und in Monar- 
hieen weniger?* fragte ich; „fehen Sie die gegenmärtigen, 
Öredlichen Berwirrungen an, die angſtvollen Zuftände von 
an; Europa, wer hat fie hervorgerufen? Die Ränke der 
Ronarchen, der gemeine Ehrgeiz folcher Leute, die Helden fein 
nöhten, aber feine find; die drei Kaifer, alle drei Feinde der 
Revolution, der eine fogar ald Staatöretter gepriefen, haben 
töpered Unheil angeftiftet, als die Republik Frankreich es je 
xımocht hätte!” Das fehien ihn fehr zu treffen und zu bes 
türen. Sch erinnerte ihn daran, daß er mir unfere Revo— 
uion von 1848 ganz beftimmt vorausgefagt hatte; er mußte 
no recht gut, und feufzte Darüber, daß er auch heute wie: 
er nur ein Unglüdöprophet fein könne! Daß der König 
ht eigentlich dazu gemacht fei, Revolution hervorzurufen 
nd den Staat in’d Unglüd zu ftürzen, habe ihm ſchon 1840 
i der Huldigung der Fürft von Neuwied in's Ohr geraunt! 
Wenn doc, Frieden würde, Frieden! damit die Krifis für 
reußen diesmal noch, vorüberginge!“ — 

Wieder ift eine Berfammlung der freien Gemeinde zu 





360 


Magdeburg aufgelöft worden; der anweſende Polizeibeamte 
Pehauptete, die in der Rede vorfommenden gefhichtlihen Cr 
wähnungen feien politifche! — 


— 


Montag, den 18. Dezember 1854. 

Abermald wird mir eine gedrudte „Lettre d’un veteran 
de l'armée russe en 1812* zugeſchickt, diesmal von Karli- 
tube; der darin herrſchende fpöttifche Weltmanndton und 
Phraſengebrauch ift mir ganz efelhaft; ich habe fie genug gr 
hört, dieje Leute, die ohne Geift und Kenntniffe von beidem 
die Maske annehmen und dreift mitfchwagen ale hätten fie kt: 
des! Unter den Ruſſen befonders ift dieſes Gefchwäß her- 
kömmlich, fie haben fich das Schlechte angeeignet, was die bef- 
feren Sranzofen wegwerfen. Nur Fürft Kosloffskii macht eine 
ehrenvolle Ausnahme, die fonft Nambafteften — Golofin, 
Woronzoff, ſelbſt Raftoptichin — prangen und prunfen mit 
jolchem Kehriht! — 

Der Faktor aus der Trowitzſch'ſchen Druderei bringt mir 
eine neue Korreftur. Es ift Papier angefommen, der Drud 
geht nun auch vorwärts. 

Befuch von Herrn von Biedert. — Er glaubt, dag der 

„Veteran de l’armee russe 1812 der Fürft Wiäfemstit fei, 
was mir gleich einleuchtet. — 

Die frühere Weihnachtsſtimmung in Berlin will, fo ſcheint 
es, nicht zurückkehren; fonft war fie im Allgemeinen heiter, 
freudig, hoffnungsvoll zum Empfangen und Geben geneigt, die 
Wohlthätigkeit war zu Feiner Zeit bereitwilliger, eifriger, der 
Verkehr belebt, die Handeläleute froh ded guten Gewinnes. 
Sept hört man überall von Sorge, Zurüdhaltung, Einfchrän: 
fung; die Stimmung ift hart, mißmuthig, die Verhältnifie 
find gefpannt, man fürchtet die Zukunft. Die Philifter ſehen 





361 


in, daß die Staatöretterei nichts geholfen, nicht die preußifche 
ınd öfterreichifche, nicht die franzöfifche. Die Demokraten find 
som Schauplatz verfchwunden, nur unbefchränkte Kaifer und 
Könige füllen ihn, und doch giebt ed nur Unheil, Verwirrung, 
Blutvergiegen, Noth und Schreden in der Welt! Nirgenda ift 
Ruhe und Sicherheit, nirgende Glauben und Zuverficht auf 
Feten Beftand. — 


Der Bertrag vom 2. Dezember ift von den drei Mächten 
ratifzirt, dem preußifchen Hofe mitgetheilt, und diefer zum 
Beitritt aufgefordert worden, Was wird man antworten ? 
Große Verlegenheit und Noth! Das Wüthen und Toben, das 
Shimpfen und Knirſchen muß unter der diplomatifchen 
Sprache füch forgfältigft verbergen! — 

Der König bat zum Namendtage des Kaiferd von Ruß— 
and heute ein großes Feſtmahl angeordnet, wobei er felbft die 
Sefundheit des Kaiferd ausgebracht, Budberg dann die des 
Tinige, — 

Am 13. ftarb zu Gotha nach furzer Krankheit Pauline 
ion Schelling geb. Gotter. So bald nad dem Tode des 
Batten. Dies fchnelle Folgen hat etwas Glüdliches, Rüh—⸗ 
endes! 

Die Oppofition in der erften Kammer hat e& doch zu 13 
timmen gebracht! Der Graf von Nord erflärte, daß er dem 
inige herzlich dankbar fei für die ihm verliehene erbliche Mit- 
edfhaft, daß er aber nicht zugeben könne, dies als ein Pri- 
egium, ald ein Vorrecht bezeichnen zu laſſen. Ungeſchickt 
d unridhtig zugleich! Wenn dies fein Vorrecht ift, fo giebt 
überhaupt feines! — 

Geftern hat der Minifterpräfident den Gefandten Defter- 
hs, Frankreichs und Englands erklärt, der König trete dem 
trage vom 2. Dezember vorläufig noch nicht bei, fondern 
le neue Friedensverſuche vermitteln. Die Gefandten waren 


362 


ſehr unzufrieden mit diefer Ausweichung, gaben aber 
feinen weitern Beſcheid. — 





Dienstag, den 19. Dezember 18: 

Beſuch von Herrn Dr. Hermann Franck; er vertra 
feine Abfichten in Betreff feines Sohnes, der Feine N 
zum Studiren, dagegen die größte zum Seedienit ha 
war nur deßhalb im Sommer nad) England gereift, u 
fundigungen in diefem Betreff einzuziehen und Verabret 
zu nehmen; er fpricht hierüber mit größter Klarheit un 
väterliche Liebe weiß den beften Ausweg zu finden zr 
den Vorfchriften der eignen Einfiht und den Neigung 
Sohnes; er richtet e8 fo ein, daß dem Sohne, follte den 
nad) zwei, drei Jahren eine andre Richtung lieber fein, | 
auch dann noch wenig Zeit verloren ift. Weber den h 
politifchen Zuftand; „Keine Luft von feiner Seite!* — 

Zwei diterreichifche Zeitungsblätter find wieder in 
mit Beichlag belegt. Das ift deutfche Preßfreiheit, 
Wien fo auch in Berlin! Die Regierungen fünnen 
Willkürmacht nicht beftehen, fie find unfähig auf | 
Rechtsboden zu leben. — 

Der Wirflihe Geheime Rath von Meding hat in de 
ten Kammer von „NReften demofratifchen Schwindel 
ſprochen, wofür ihn die öffentliche Stimme ſchon gez 
Diefe freche Erzellenz foll fich erinnern, wie fie nach den 
1848 erbärmlih um Berzeihung gebeten und vorgeftel 
wie fie wie früher den Geboten der Willkürmacht jef 
denen des Tonftitutionellen Staates zu gehorchen gan 
ſei! Pfui über das vornehme Gefindel, das überall f 
drängt, wo was zu erfchnappen fcheint! — 

Zwifchen dem Prinzen Karl und feinem Schwiee 
dem Landgrafen von Heffen-Philippsthal-Barchfeld fü 


863 


ringen Anlaß heftige Streitigkeiten ausgebrochen, auf einen 
hriftlichen Verweis des Prinzen hat der Schwiegerfohn fo 
antwortet, daß jener diefen zum Zweikampf herausforderte. 
Die Sache wurde beigelegt, Aber der Landgraf reifte fofort 
nah Barchfeld ab. — Gleichgültige Hofgefchichte, aber als 
Beiſpiel wichtig! — (Sie famen am 27. Dezember nach Berlin 
zurüd.) — 


Mittwoch, den 20. Dezember 1854. 

Die Nationalzeitung geigelt fcharf den Grafen von Itzen⸗ 
pliz und feine Genoffen in der erften Kammer, die gleich mit 
einem jämmerlichen Reviſionshieb in die Verfaffung ihre neue 
Ihätigkeit begonnen haben, und hält dem Junferpad die Be: 
merkungen Vincke's entgegen, daß ed weder alt, noch befeitigt, 
no hergeftellt und neugebildet, fondern nur die abgefchmadte 
Grundfuppe fei, die unfere fämmtlichen Gerichte ungenießbar 
made. — (Dies find nicht die Worte, aber doch der Sinn des 
trefflichen Artikels.) 

Der Herzog von Sachfen-Altenburg hat dem berüchtigten 
Joel Jacoby, biefigem Kanzleirath und litterarifchem Spür- 
bund, feinen Verdienftorden gegeben. Meinetwegen könnte 
aud der Joel Jacoby auch dem Herzog einen Verdienftorden 
geben! Und vielleicht hat er's gethan! — 

Beſuch von Herrn Joachim, nur kurz. Er fpielt heute zum 
letztenmal und reift gleich morgen nach Hannover zurüd. Will 
m Sommer wiederfommen. Cr machte mir den Eindrud 
ines herrlichen Menſchen, der außerhalb ded gemeinen Lebens 
eht. — 

Ausgegangen mit Ludmilla; Beſuch beim Kriegsrath Müchler, 
eue Grünſtraße 32. Der dreiundneunzigjährige Mann rüſtig 
ı feinem Schreibtiſche die Spener'ſche Zeitung ohne Brille 





364 


lefend! Er hat fein ganzes Gedächtniß, für Neues, mie für 
Altes, wußte fogleich alles, was er mir zu fagen, worauf er 
fih zu beziehen hatte; er fragte nad) den „ Tahreszeiten“, 
wußte, dag nicht mehr Feodor Wehl, fondern Ernſt Rillfomm 
fie redigire, war gegen leßteren aufgebracht, fchalt auf Preuß, | 
auf Häring ꝛc. Bon Friedrih dem Großen, von der Kar: 

ſchin, von Karl Philipp Morig erzählte er mancherlei. — | 


Der König hat den ehemaligen Gefandten Heren von Ufe | 
dom nach London geſchickt mit einem eigenhändigen Schreiben | 
an die Königin Victoria. Gleiche Sendung wird nady Paris ; 
beabſichtigt. Man hofft, dem Bunde der Weftmächte durd | 
ſolche Maßregeln ſich entziehen zu können. Man glaubt nod J 
Anfehn zu haben und Vertrauen zu gewinnen, wo beide 
längft verloren ift! — : 













Die Magdeburger freie Gemeinde ift nun vorläufig ganz 2° 
gefchloffen, bis zur gerichtlichen Entſcheidung. Dan hf 
diefe armen Leute dadurch, daß man ihnen grade jet zut 
Weihnachtszeit alle kirchliche Erbauung und Gemeinſamleit 
entzieht, völlig mürbe zu machen und zur Auflöfung zu 
bringen. — | 

In Breslau wurde am 18. der Lehrer an der höheren: 
Bürgerſchule Dr. Stein durch Erkenntniß ded Staatäminifte | 
riums disziplinarifch feines Amtes entlaffen, wegen feines Ber } 
haltens vor und nach dem Jahre 1848. Seit dem 1. Oftober | 
1849 war der brave Mann fuspendirt, feit dem Juni 1850. 
in Unterfuchung, die alfo beinahe 41/, Jahre gedauert hat!— 2 
Die Demokraten werden fich diefes Verfahren merfen! — | 

Es ift eine verzweiflungsvolle Wahrheit, daß wir eigen 
lich feit Friedrichd des Großen Tode, mit der furzen Ausnahme 
von 1813, in demfelben politifhen Schlamm und Schmuy 
weg mühfam fortwaten! Es ift immer derfelbe Sammer, die, 
felbe Wirthfchaft, derſelbe Kampf gegen Unfähigkeit und | 


865 


lechtigkeit. Der Wechfel, der dennoch vorkommt, ift für 
Ganze nur unbedeutend. — 


Donnerstag, den 21. Dezember 1864. 
In Kaffel ift jegt — erft jetzt! — der Kriegszuſtand auf: 
oben worden, der fogar dem Bundestage zum Aergerniß 
orden war! — 


Freitag, den 22. Dezember 1854. 

Sendung aus Reipzig, der fiebente Band von Baader's 
driften. Diefe von Geift und tiefen Einfichten fprudelnden 
hriften find mir verleidet durch Baader’? eigne fpätere Ge⸗ 
yungenheit, fi) eng an die fatholifche Kirche anzufchließen, 
ad durch dad Bemühen ded Herausgebers, diefen Anſchluß 
ls einen innerlich gebotenen und wefentlichen vorzufpiegeln, 
fgentlich war Baader ein reidenker, der mit den Dogmen 
er Kirche nur umging, wie Kant mit Bibelfprühen. Er 
außte im Katholifchen daſſelbe Gefchid erfahren, das Schleier: 
saher im Proteftantifchen erfuhr; beide wollten fih unab⸗ 
ängig von der Kirche bewegen, beide wurden auf fie zurüd- 
drängt, und mußten fich mit dem verbinden, was fie beitreis 
m wollten. Das macht die fpätere Erſcheinung beider fo 
ndrig, jo zum Gegentheil deſſen, was ihre frühere geweſen. 
Bie Baader nach 1823 in Berlin mit mir fprad), und 1827 
ı München, — wie verfchieden von diefen Schriften! Freis 
h waren die Zeitumftände und Lebendverhältniffe andre ger 
srden. Und der arme Profeffor Franz Hoffmann in Würz- 
rg, was fann er anders, als immer auf's neue die fatho- 
he Seite hervorfehren, die freifinnige verdeden, um nur 
ht verfegert zu werden, um nur feine Herausgabe fortfegen 





866 
















zu fönnen! Seine Hingebung und Ausdauer find aller Inc: 
fennung werth. — | 
In Dresden hat die erfle Kammer der Stände das For Er 
beftehen der Patrimonialgerichte befchloffen. Nur zu! &t & 
fammeln Stoff fünftigen Aufräumend, das nicht ausbleiben 
wird! — | 
Die englifchen Blätter, „Punch * Nr. 194 und „Tins‘ We 
Nr. 21882 waren bier vor Geriht, und follten vernihti 
werden, weil fie Haß und Verachtung gegen den preußiſhn 
Hof ausbreiten; die Verhandlung war nicht öffentlich, da 
Schluß war, daß die Blätter frei blieben. — 
Das neue dänifhe Minifterium gilt für ein antiruſſiſcheh 
freifinniged. Wir werden ja ſehen! ch traue nit! — 
Lord Bloomfield hat vom Minifter von Manteuffel mt 
Achſelzucken gefagt: „Poor innoeent fellow! what can le. 
do?“ (Nah) Andern: „Poor little man.“) | 
Die Artifel aus Berlin in der Augeburger Allgemeine; 
Zeitung galten bier in früheren Jahren etwas, man vernahn 
durch fie Thatfachen, die von inländifchen Blättern nicht; 
wähnt wurden, man hörte freifinnige Urtheile, geiftwolle de 
merfungen. Nicht? von all diefem jegt! Nur die dürrften de; 
richte, die alltäglichften Betrachtungen, ganz im Sinne Mi; 
Regierung, denn wenn ein wenig Oppofition zuweilen durd; 
klingt, fo ift es nur, weil in der Regierung felbft nicht Eimg} 
feit ſtattfindet. Die fämmtlichen Berichterftatter find im Solde 
der Regierung, der Freiherr von Cotta hat und will feim 
andern! Daher haben dieſe Artikel alle Geltung verlor, 
und man lieft fie kaum. — 


Sonnabend, den 23. Dezember 1854. 
Wieder Arnim’fche Korretturbogen! Dan möchte fel 
mehr verbeflern, als die Drudfehler; die Nachläffigkeiten 


867 


sprache, Versbau, Reim find unerträglich, oft ift gar nicht 
u errathen, mas der Dichter eigentlich meint. Daneben ift 
naweilen das Alltäglichite gefagt, wie ed nur Schmidt von 
Berneuchen fagen möchte; in dem Gedicht „ Stralauer Filch- 
ug" ift der Märker Arnim von jenem andern märkifchen Dich- 
ter gar nicht fo fehr entfernt; „Dedel klappen in den Krug“, 
dad iſt wie geftempelt aus Werneuchen! Und hinwieder ift 
joviel Hechted und Schönes in diefen Liedern! — 

Nachrichten vom Rhein. Man fordert und erwartet dort 
ungeduldig, daß Preußen fich den Weftmächten anfchließe. Sm 
voll das Gegentheil gefhähe und die Rheinlande zum Kriegd- 
fhauplage werden müßten, fo würde man von der Stimmung 
der Einwohner nur Feindliches zu erwarten haben. Die 
Demokraten fprechen ihre Gefinnungen unverhohlen aus, daß 
fie mit den Franzoſen vereint deren und der Deutfchen Freiheit 
zugleich anſtreben. Die Volldangehörigkeit tritt in den Hin- 
lergrund, da jetzt feine fich der Freiheit erfreut, alle unter dem 
Drud leben. — 

Im Plutarchos gelefen. Franzöſiſches. — Briefwechfel 
ton Geng und Johannes von Müller. — 

Ein Feſt ift es, freilich ein Trauerfeft, in diefer Zeit die 
Briefe wiederzulefen, welche Gens und Johannes von Müller 
a den Jahren 1804, 1805 und 1806 gewechfelt haben. Wieder 
ft Preußen, wie damals, in eine Klemme geftellt, in der ee 
veder feine Unmacht bekennen, noch feine Macht bethätigen 
ann! Diefelbe Unentfchloffenheit, Zagbeit, Windbeutelei und 
faufelei, wie damals! Aber damals hatte Preußen neben dem 
nentfchloffenen König noch feine Hardenberg, Stein, Scharn- 
ef, Blücher, Rüchel, Prinz Louis Ferdinand, — welche Leute 
t es jetzt?! — Einzig lehrreih, erwedend und reifend für 
edanken und Empfindungen, iſt diefed Leſen! Aber wer außer 
x giebt fi damit ab? Wenige Ältere Leute haben diefe und 
nliche Mittheilungen beim erften Erfcheinen beachtet, Die 


868 


meiften jüngeren find flüchtig darüber hinweggegangen, die 
jüngften, deren Federn täglich politifche Fragen erörtern odergar 
entfcheiden, wiffen gar nicht? von dem Dafein folcher vaterlär- 
difcher Denkſtücke; diefe find gedrudt, aber nicht befannt, ver 
öffentlicht, und doch nicht veröffentlicht, wie Ariftoteles dem 
Alerander fagte! — Ueberhaupt, wie liegt alle brach bei un, ; 
wie vereinzelt, wie verftedtt! — ch habe redlich das Meinig 
gethan, unfer Gut in Bewegung zu erhalten, an's Licht u 
ftellen, befannt zu machen ; aber was vermag ein Einzelner! 


Sonntag, ben 24. Dezember 1854. 

Sendung aus Madrid, mein Better ſchickt mir Aushänge 
bogen feined portugiefifchen Geſchichtswerkes über Brafilin, 
obne Brief, nur mit Beifchrift von zivei Zeilen. — | 
Im deutfhen Mufeum von Prutz ift ein Auffap „Bad : 
vor und nad) dem 14. Oktober 1806“ von einem jeßt fiebjig - 
jährigen Herrn K. Litzmann, der damals Auskultator bein 
Stadtgericht war. Was er damals ſelbſt geſehen und gehit, - 
mag in gewiſſem Sinne treu berichtet fein, allein die Folgezei ; 
ſcheint feinen befchränkten Geſichtskreis wenig erweitert, fin : 
fpäteres Licht auf die Borgänge geworfen zu haben, das Ganze | 
ift daher dürftig und mangelhaft geblieben. Die Farbe jener Zeit 
ift theils äußerft blaß, theils ganz falfch aufgetragen. Dievonden - 
Gendarmenoffizieren aufgeführte Berhöhnung der Werner'ſchen 
„Weihe der Kraft“ durch eine Schlittenfahrt — im Sommtt, : 
auf Rollwagen — wobei Luther, Katharina von Bora, Theo z 
bald, und die andern Perfonen jenes Dramas in ihren Kofi | 
men paradirten, ift ganz falfch erzählt. Die Offiziere dachten. 
nicht daran, die Erfcheinung Luther's auf der Bühne anſtoͤßig 
zu finden, foldhe Srömmigfeit war ihnenıfern, ihnen mißnd; 
dad Stüd, und fie wollten fich einen Spaß machen, das wat: 
alles! Einer polizeilichen Erlaubniß bedurften fie nit, und 





| 
i 






369 


he handelten wider kein Derbot. Der König war anfangs 
nicht erzürnt, fondern lachte, ald er davon hörte, und fagte in 
\einer Art: „ Schade, daß ich es nicht gefehen habe, muß recht 
hübſch geweſen fein!" Aber dann kam Iffland, der feine 
Shaufpielerwürbe verlegt fühlte, und Magte über Mißachtung 
der Religion, nun erft nahm der König die Sache übel. — 
Schulenburg⸗Kehnert wird Minifterpräfident genannt, ſolches 
Amt gab ed damals nicht. Auch die bei Todesftrafe den Bür- 
gern gebotene Ablieferung der Wäffen ift falfch angegeben, der 
Magiſtrat befahl fie, nicht die Franzoſen, im Gegentheil be- 
kam von diefen der Magiftrat gleich darauf einen öffentlichen 
Verweis, daß er die guten Bürger durch fcharfe Drohung un- 
nöthig erfhredt habe! Die Hasfeldt’fhe Nichträumung des 
Zeughaufes verhielt fich auch anders. Kurz, der ganze Auf- 
ſaß taugt nicht! — 


Montag, den 25. Dezember 1854. 

Traum von Stein, der in feiner Art ausführlich fprach, 
über Staatd- und Gefellfchaftsfachen, er wollte die Welt zu- 
rudihrauben, eben die Wiffenfchaft umkehren zu Taffen, fand 
er dumm und lächerlich; ich widerftritt dem einen wie dem 
andern, ſprach eben jo derb wie er, und er — im Traum — 
ließ es fich gefallen! — 

Gefchrieben, über den ruffifchen Krieg. — 

Der König liebt, dag ihm Bücher zugeeignet werden, und 
Wandert fih, daß dies fo felten gefchieht; er meint, noch fein 
Knig habe fo viel für die Gelehrten und Schriftfteller gethan, 
wie er durch die Errichtung der Friedensflaffe des Ordens 
year le merite, aber diefe Leute feien ein undankbares Ge⸗ 
hlecht; daß ihm nicht Schelling, Rüdert und Tieck mehr litte- 
srifche Ehre gebracht, findet er unbegreiflih. Wenn er erft 
üßte, Daß die glänzendite Widmung, die ihm geworden, die 


Barnhagen von Enfe, Tagebilder. XI. 


370 


ded Kosmos von Humboldt, nur durch meinen Betrieb u 
Rath bewirkt worden ift! — Wenn die Schriftfteller jene Lie 
haberei ded Könige nur wüßten! wie würden fie herbeidring 
mit ihren Huldigungen! Freilich giebt es deren auch, die fi 
Ihämen, und fi) aus dem Beifall von oben nicht3 machen. - 

Der König OU in der lebten Zeit wieder großen Hang ji 
gen, in die Berirrungen feined Großvaters zu fallen, mit abge 
ſchiedenen Geiftern zu verkehren, himmlifche Dffenbarungn 
zu erhalten; er hält fich ſchon ald König dazu berufen un 
würdig. Es fehlen nur die Bifchoffswerder’3, Wöllner’s un 
ihre Gehülfen und Gehülfinnen! Die Gerlach's, Stahl‘ 
Wagener's ꝛc. find mit allem Pietiemud und Irvingianism 
doch zu ungefchidt und dumm. Sie find auf andere W 
ohnehin ihres Spield verfihert. — 

Der vom Könige verlangten neuen Benennung „HerT 
haus“ für die erfte Kammer werden viele Schwierigkeiten 
macht, auch von den „Herren ſelbſt, die fih durch einen T 
wenig geehrt fühlen, den fie mit elenden Profefforen und 1 
achteten Bürgermeiftern theilen follen. Berliner Witz ma 
allerlei Iuftige Vorfchläge, unter andern den, daß die zwe 
Kammer ſchicklich , Packkammer“ heißen könnte, denn im © 
genfaß zu den Herren fei in ihr doch nur Pad! — 

Wenn man die Briefe und Tagebücher von Genp lief 
die Befenntniffe, die er niederlegt, die nichtswürdigen Men: 
[hen und Triebfedern fieht, mit denen alled Staatsweſen jı 
thun hat, an die es gefeffelt ift, — wenn ich meine eigne 
Aufzeihnungen anfehe, wie feit länger als dreißig abe 
immer daffelbe Jammerweſen ſich hier fortfchleppt, ohne da 
mit Ausnahme des Frühjahrs und Sommers 1848 aud m 
ein einzigmal die Sonne in diefen Abgrund von Schmuß u: 
Gemeinheit leuchtet und befiere Keime befruchtet — denn I 
Schimmer im Sommer 1840 war nur eine Mägliche Ti 
hung —, fo möhte man wirklich die Warnung des Epih 


371 


17 roAzev sc9as zur Richtſchnur nehmen, und ſich mit ihm 
nur fo weit ala möglich abfinden. Allein auch das geht nicht, er 
bat feine Klauen überall hin audgeftredt, und wir fönnen und 
nicht regen, ohne fie zu fühlen. — 


Dienstag, den 26. Dezember 1854. 

. Dem Könige bier ift nur darum zu thun, Zeit zu gewin- 
nen und felbftftändige Entjchließungen nody abzumwenden ; der 
Minifter von Manteuffel hat den Gefandten der MWeitmächte 
nachträglich erflären müfjen, der König habe fich über den 
Beitritt oder Nichtbeitritt zum Bertrage vom 2. Dezember 
noch gar nicht ausgefprochen, er wolle die Frage noch ruhen 
lafien, bi8 er den Erfolg feiner neuen Schritte in London und 
Paris erfahren habe; die bisherige Antwort fei demnach gar 
nicht ala eine Ablehnung zu verftehen u. f. w. 

Man fieht hier mit Entfeten die neue Verwickelung vor- 
aus, in welche Preußen geräth, wenn in Folge der von ihm 
ſelbſt hervorgerufenen Befchlüffe des Bundestages eine allge- 
meine Rüftung und fogar Truppenaufftellung gegen Rußland 
gefordert wird. Wie foll man fich der Theilnahme entziehen ? 
wie kann man fie leiften? Man fühlt die Erniedrigung, man 
fieht, wie man gebunden ift und gefchleppt wird! — 

„Georg Forſter der Naturforfcher des Volls. Bon Jacob 
Moleſchott. Frankfurt a. M. 1855." — 

Einige Mitglieder der zweiten Kammer, unwillig über das 
elende konftitutionelle Gaukelſpiel, das hier getrieben wird, 
- find in Berathung getreten, wie der Berfaffung aufzuhelfen 
. und wahres Leben einzuhauchen wäre? Der Vorſchlag, fich 
x der demofratifchen Parthei zu nähern, fie zum Antheil an den 
Wahlen zu bewegen, fand Schwierigkeiten, und es fam zu 

feinem Beſchluß. Ohne beſſre Wahlen, die es nur durch Theil: 


nahme der demokratiſchen Wähler werden können, iſt nicht? 
24° 








372 


zu mahen. Die Demofraten aber jagen, daß ihre Betheü — 
figung fogleich ein fie wieder ausſchließendes neues Wahlgeſer — 
zur Folge haben würde. Außerdem baben fie noch and 
Gründe, nicht zu wählen, und fi mit den Gothaern nick 
einzulaſſen. 

Man nennt die erſte Kammer ſpottweiſe: la chambre de=s 
peres et meres (pairs et maires, wegen der Bürgermeifter_ — 


Mittwoch, den 27. Dezember 1854. 

Mir träumte, Louis Bonaparte habe Paris in Brand au“ — 
gehen laſſen, wie Nero Rom; er könne joldye Hauptftadt nie 
leiden, habe er gefagt, und der Kaifer von Rupland ihm be— 
fällig zugeftimmt. — 

Der Landgraf von Heffen Philippsthal-Barhfeld ift um 
feiner Gemahlin wieder hier eingetroffen. Der König hat ſe— 
nem Bruder dem Prinzen Karl in dem Streit Unredyt gegebe — 
und eine Ausſöhnung bewirkt, die bei erfter Gelegenheit wie 
fallen wird. — 

Neue große Kriegsrüftungen in Frankreich, deutliche Dras” 
hungen der frangöfifhen Blätter, den Krieg gegen Rußlam ® 
auch durch andre Ränder hindurch zu führen, das heißt durch 
Preußen, mit andern Worten, diefem den Krieg zu machen, ſich 
an diefem ſchadlos zu halten! — 

Man will ſchon wiffen, daß Herr von Uſedom in London 
ichlecht aufgenommen worden fei, feine feiner Borftellungen 
das geringfte Gehör gefunden habe. Der König foll darüber 
ſehr erbittert, gleich darauf aber niedergebeugt geivefen fein; 
fo erzählen die Hofleute. — 

„Wenn wir no) einiges Heil erwarten können, fo liegt es 
in einem Thronwechſel,“ fagte neulich ein General, „Biel: 
leicht," antwortete ein Anderer, „aber in einem fortge- 
festen!" — 


873 


Donnerstag, den 28. Dezember 1854. 

Frau Herwegh geb. Siegmund ift aus der Schweiz hier 
gekommen, um ihre Familie hier zu fehen. Auf acht Tage 
+ SHindeldey ihr hiezu die Erlaubniß gnädiaft bewilligt. 
5 fie früher als Hochverrätherin hier angeklagt und fted- 
Leflih verfolgt worden fei, wie einige Zeitungen fagen, wird 
eneint. — 

In Friedrich Auguft Wolf Briefen an Heyne gelefen. — 
rı Westminster Review ein XArtifel von Lewes „Goethe 
, a man of science ift gerecht gegen Goethe und Ofen und 
eiſt die verläumderifchen Ausfälle des letztern zurück; aber 
. Betreff Newton’ kann der Engländer nicht zu gleicher Ge- 
tigkeit fi erheben; er gefteht, daß er felber über den 
treitpunkt nicht urtheilen könne, findet aber aus Aeußerlich⸗ 
hen, die er zufammenftelft, nur zu wahrfcheinlich, daß Goethe 
m Unrecht und deffen Farbenlehre eine Schwäche ſei! Diefe 
Innahme hätte ſich Herr Lewes fparen können, nachdem er 
jeſtanden, daß er fein Urtheil in der Sache habe. Wenn er 
Jar ald Thatſache gelten läßt, daß Newton's Theorie des Lichts 
und der Farben noch heute bei den Gelehrten allgemein für 
richtig gelte, fo ift er fehr im Irrthum. Ich ſelbſt fühle mich 
auch nicht berufen, hier ein wiffenfchaftliches Urtheil abzu- 
geben, afein die äußern Gründe, die für Goethe fprechen, dürften 
die für Newton doch weit überwiegen. dudFas d’ ärrikoınos 
Naprupss Voywraroı! — 

Es Heißt, der ruffiihe Kaiſer habe einen Ukas erlaffen, 
daß jeder, der einen Berwundeten födtet oder einen Wehrlofen, 
uf der Stelle erfchoffen werden fol. Der Kaifer fühlt 
ıenfchlicher ald fein roher Befehlshaber, der die Thatfache 
iht läugnete, fondern entfhuldigte, ja der, nad) der Mei- 
ung einiger, das Morden fogar felbit befohlen hat. — 

Man meint hier, einen großen Erfolg zu erringen und die 
litiſche Selbftftändigkeit glängend darzuthun, wenn Preußen, 


374 


anftatt dem Vertrag vom 2. Dezember beizutreten, eigne Be 
träge mit Frankreich und England fchliegt, immer doch— 
Wahrheit zu gleihem Zweck und gleicher Verpflichtung ; den 
nachgeben wird der König, das will man ſchon wiſſen. — 

„Wer aber wird über die preußifche Kriegsmacht den Ober 
befehl. führen?* — Die Wahl ift nicht groß, und fchon ge 
troffen: Groeben und Wrangel. — „Der Held von Yütlan 
und der Held von Bronzell? D weh!" — 


Freitag, den 29. Dezember 1854. 

Beſuch vom General von Pfuel. Er ſpricht mit größte 
Einfiht und Klarheit über die erforderlichen Eigenfchaften 
eined Kriegsbefehlshabers, wie derfelbe ſtets mit Geiftesaugen 
das Verhüllte fehen, ungeirrt rechnen und urtheilen müffe, und 
bei aller ruhigen Kälte doch des feurigften Eiferd nicht ent 
behren dürfe. Ueber die hiefigen Zuftände, ihre Urſachen, 
ihre Folgen, ihre FJämmerlichkeit, find wir ganz einverftande. 
Ufedom’d Sendung nad) London wird von den Kreuzzeitung® 
leuten, die des Oberften von Manteuffel nad) Wien andrerjeitt 
ſehr getadelt. 

Nachmittag befam Ludmilla den unverhofften Beſuch We 
Frau Doktorin Emma Herwegh, und ließ mich dazu rufen. Di 
freudigfte Ueberrafhung! Die Frau fah fehr gut aus, u 
gefiel mir beffer ala je; fie ift lebenserfahrener geworde 
veifer, und bei unverfürztem Muthe weicher; fie ſprach m 
guter Laune. Sie lebt in Zürich, zieht aber den Aufenthe 
zu Paris und noch mehr den zu Rom, dem in der Schw 
weit vor. Dr. Herwegh ftudirt Naturmwiffenfchaften. € 
leben zumeift mit Jtaliänern, unter denen die vortrefflichft 
Menſchen find, fie nannte einen Florentiner Piero Eiro: 
In Baden ift fie doch ald Hochverrätherin angeklagt und r 


375 


ieddriefen verfolgt worden. Leider gebt fie ſchon übermorgen 
der fort! — Humboldt's Handfchrift. — 

In Friedrich Auguft Wolf's Briefen an Heyne und in 
\inen Prolegomenen gelefen ; ein Bergnügen, eine Stärkung! 
— Englifches. — . 

Nachrichten aus St. Peterdburg fagen, daß der Kaifer 
äußerft unruhig und verftört ift, und aus allen Kräften nach 
Frieden verlangt. Der König freut ſich diefer Hinneigung, 
und wünſcht ihr eifrigft nachzubelfen, ift aber unangenehm 
davon berührt, daß Rußland ſich veranlaßt findet, ſoviel nach— 
ugeben; wenn Rußland nicht mehr ſo ſtark iſt, ſo fühlt auch 
er König kein rechtes Zutrauen mehr. — 

Daß in Wien die Berathung der Diplomaten beim eng= 
Shen Gefandten war, wo der ruffiiche fich bereitwillig ein- 
ınd, und Preußen ausgefchloffen blieb, macht bier einen 
hlimmen Eindrud. — 


Sorinabend, den 30. Dezember 1854. 

In Wolf’d Prolegomenen gelefen ; neben der Vortrefflich⸗ 
teit des Geiftes, der kritiſchen Betrachtungaweife, Forſchung 
und Acheit, wird das eigegtliche Ergebniß faft gleichgültig ; es 
geht mir damit wie mit Goethe's Farbenlehre, deren eigent- 
liher Gegenftand mir nie nahe gerüdt ift, an deren Behand- 
lungdart und Beiwerk aber der Geift immer auf’d neue ſich 
tftiſcht. Im den Homerifchen Fragen muß ich doch in der 
sache ſelbſt, als ein nicht Unkundiger, mich zu Wolf's kritifcher 
nfiht befennen, abweichend won Goethe, der ihr in feinen 
äteren Jahren untreu wurde, 

Abends fam Wilhelm von Willifen, und blieb wohl andert: 
Ib Stunden. Perſönliches wurde bejprochen und Wllge: 


376 


meined. Ich ftellte ihm meine Anficht auf, daß ein nahe 
Frieden möglich fei, bei verlängerten Unterhandlungen abı 
ganz neue Dinge ſich aufthun können, und ſchließlich deh 
die Türkei die Zeche bezahlen werde, infofern könne der Kalle | 
von Rußland endlich doch Recht behalten, nur daß die Zul 
etwas anders vertheilt werde, ald er ed gemeint. Ob man 
Preußen dann auch bedenken wolle, wird eine Sache Wi 
Gutdünfens, der Gnade fein! Das Ganze ift und blaiht 

eine Abfcheulichkeit, würdig der Verbreder und Schmit- 
linge, die jebt regieren. Wird der Krieg fortgefegt, fo il 
ed nicht viel beffer. Der Unſinn und die Schlechtigfeit liegen 
überall! — 

. Der General Graf von Bendendorff wirbt hier über hun 
dert Aerzte und Wundärzte für den ruffifchen Tazarethdienf, 
unter für fie vortheilhaften Bedingungen. — | 

Nachdem in Folge des Königlichen Zornd die Offiziere 
aus der geographifchen Gefellfchaft ausgefchieden waren, ftellten | 
der Prinz Adalbert und Humboldt dem Könige vor, wie übel 
diefe Sache in englifhen und franzöfifchen Blättern werde wr: 
arbeitet werden. Dafür ift der König empfindlich. Er ſprah 
daher bei erfter Gelegenheit fehr freundlich mit Karl Ritter, | 
verficherte die Gefellfchaft feiner Gnade ꝛc. Gleich darauf 
fandte ev ihr mit einem fehmeichelhaften Schreiben ein fh 
bares Gefchent, ein geognoftifches Bildwerk der Brüder Schlay 
intweit. Der General von Reyher, der früher den Off 
zieren eingefchärft, fie müßten austreten, fucht nun ihten 
MWiedereintritt zu vermitteln. — Died alled macht einm 
jämmerlichen Eindruck. Der Prinz und Humboldt Haben durd 
ihren Rath nichts gebeffert. — 








877 


Sonntag , ben 31. Dezember 1854. 

Nachrichten aus Wien; größter Haß gegen die Ruffen, 
ann aber auch Haß gegen die Preußen, und dann Haß und 
Riptrauen gegen Frankreich und England! So ftehen die 
Scchen! Haß überall, und Miptrauen überall! Dabei find 
uch wieder viele Bornehme in Wien ruffifch gefinnt, und 
jalten den ruffenfeindlichen Eifer im Schach, der Graf von 
Buol felbft wagt fich nicht weiter, als foweit er durch Kaifer- 
liche Befehle gedeckt ift, und fo fehr die Ruſſen auf ihn fchims 
pien, fo wäre er doch gleich bereit, ihnen die Hand zu bieten, 
wenn die Umftände dafür günftig wären. Gin karakterloſer 
Mann und von ganz mittelmäßigen Fähigkeiten, einer von 
den Resten, die vor allem in Amt und Würden bleiben wollen, 
alles andre it ihnen Nebenjahe. — Wenn in Frankreich 
nichts vorgeht, im der Krim die Sachen fich halten, oder 
gar die Ruſſen gefchlagen werden und Sebaftopol fällt, wird. 
aber doch Defterreih, und mit ihm Preußen — fo hofft 
man — in den Krieg gezogen \werden. Wie diefer dann 
geführt werden mag, dad weiß niemand anzugeben! Die 
Deſterreicher haben doc wenigſtens Genevale, aber wo find 
die preußifhen? Und mit welchem Bertrauen follen fie 
lmpfen, wenn fie wien, daß am Hof eine Parthei herrfcht, - 
die mehr noch einen Sieg ale eine Niederlage ihnen zum 
Berbrechen mat? Genug, es iſt ein gräuelhafter Zuftand, 
ind es iſt nicht zu jagen, wer irgend einen wahren Bortheit 
avon hat, oder haben wind. Die Sache der Monarchie ges 
rd nicht — 

Im engliihen Parlament ift wader auf die Deutfchen ge- 
bimpft worden, nicht nur auf die Negierungen,. Die faum des 
chimpfens werth find, ſondern auch auf die Völker, man 
stexfteht fh, ihre Kriegstüchtigkeit und: ihren Muth in 
meifel zu ziehen. Dem dummen Webermuth der Engländer 
das eher zu verzeihen, als den deutſchen Fürſten, daß ihre 


3.78 


Feigheit und Wortbrüchigkeit und in foldhe Rage gebracht, wo 
man und jeden Schimpf ungeftraftanthun kann. Dabei wollen 
die Engländer doch eine Fremdenlegion vorzüglich aus Deut: 
chen zufammenwerben! Hier in Preußen find alfogleich die 
beftehenden Verbote gegen jede fremde Kriegewerbung von den 
Behörden in Erinnerung gebracht worden. — 

Spät Abende, nad) dem Thee, kam noch Graf Cieszkowẽki, 
und wir hatten eine lange Unterhaltung, die in feherzender 
Laune und gewichtigem Exnfte die Fragen ded Tages und die 
Ausfihten der Zukunft erörterte. Wieder einmal Anwendung 
der großen Wahrheit, dag man das Belannte nur berechnen 
fann, aber das Unbekannte nicht, das immer hinzutritt, und 
in großen Beftandtheilen. Möglichkeit eines rafchen Friedens, 
mit langen Nachverhandlungen, in denen fi) ganz neue Dinge 
darbieten können, Ländertauſch, Zerpflüdung der Türkei x. 
Elendigkeit der preußifchen Kammern, Mattigkeit der Stim- 
mung. Ueber die Herftellung Polens: „die Polen ziehen 
ihre Bolföthümlichkeit weit der Freiheit vor, find lieber unter 
dem heimischen Joch, ald in fremder Volksthümlichkeit 
frei.“ Der Gang der Entwidlung ift im entgegengefeßten 
Sinn, erft die Freiheit, dann Volksthümlichkeit, die lebtere 
verliert an Bedeutung, fo wie die Freiheit wächſt und die Bils 
dung! — 

Das Neue Jahr erfchien unter Sturm und Regen. Bir 
begrüßten es guten Muthes, aber ohne Freudigkeit, ohne be 
ftimmte Erwartung oder Zuverficht. — 

Probeblatt einer neuen preußifchen Vaterländiſchen Zei⸗ 
tung, die in ächtem Unterthanenfinn wahr und unpartheiiſch 
berichten will, in Meinem Format, und äußerft wohlfeil, mit 
der Abficht die Bernftein’fche Volfdzeitung zu verdrängen! 
Der Redakteur der neuen Zeitung ift der bankerotte Kunfts | 
händler Julius Kuhr, nichtönußiger Treubündler, und ſelbſt 
aus dem Treubund audgeftoßen. Das heipt alles gefagt, um 





379 


18 Unternehmen zu fennzeihnen. Man jagt, er bekomme 
seid aus den Minifterien. — 

Der Landrath von Eldner, durch die Ausfühnung des 
öniged mit der geographifchen Gefellichaft äußerſt blosgeſtellt 
nd gleichfam preiögegeben, ift hiedurch fo beftürzt und er- 
ittert, daB er feinen Abjchied nehmen will, und aus einem 
ienftergebenen Unterthan nun ein auffäffiger Feind gemwor- 


en ifl. — 


1855. 


Montag, ben 1. Januar 1855 

Träume guter Art, die liebe Geftalt Rahel's erf 
darin! — 

In Gent gelefen, in den Briefen des Plinius an 
Trajanus; der Einblid in das römische Regierungsweſt 
ſehr lehrreich, und erwedt viel Gedanken! — 

‚ Hier in diplomatischen Gefellfchaften ift das Gerede 
breitet, der ältere Willifen fei nur bieber gefommen, un 
der englifhen Geſandtſchaft ſich zur Befehlshaberſchaf 
Fremdenlegion zu melden und zu empfehlen, die En 
werben will. Es ift fein wahre® Wort daran! Man 
nur neuen Haß auf ihn laden. — 

Gerücht, daß Herr von Prokeſch beauftragt fei, den 
herzog Albrecht darüber auszuholen, ob er geneigt fei, 
tretenden Falles die Königdfrone von Polen anzunehmen 

Der Prinz Triedrih Karl hat in Potsdam heut 
Offizieren, die fih zum Neujahrsglückwunſch eingefu 
hatten, öffentlich gefagt, er wünſche ihnen in diefem 
einen glüdlichen Feldzug. Ebenſo hat der Oberſtkamme 
und Feldmarfchall Graf von Dohna fich geäußert. Beid 
die higigften Ruffenfreunde. — 


381 
Dienstag, den 2. Januar 1855. 

Beſuch vom General Adolph von Willifen; mannichfache 
Mittheilungen und Erörterungen ; den ruffifchen Krieg von 
allen Seiten betrachtet, die polnifche Frage, die Betheiligung 
Vreußens. — Geftern Abend wußte Humboldt noch nichts von 
Br Wendung, welche die Sache der geographifchen Gefellichaft 
gruommen hat; er hoffte, wenn die Geſellſchaft eine Gelegen- 
Brit fände, dem Könige zu ſagen, daß fie gar feine politifchen 
Beſtrebungen habe, ſo würde der König das Vorgefallene da⸗ 
Bingeftellt fein laſſen; er ahndete nicht, daß feine Vermittelung 
nen fo glänzenden Erfolg gehabt, einen ſolchen Umſchlag be- 
Jirkt hat. Willifen wußte auch nichts, und war nicht wenig 
Maunt, ed von mir zu hören. Klagen über die Gerüchte, 

man gegen feinen Bruder Wilhelm ausftreut, — 

Abends kam General von Pfuel; einige Neuigkeiten von 
ot3dam. Allgemeine Anfihten und Erwägungen; Pfuel 
18 über alled nachgedacht, hauptfächlich vom Kantifchen Stand- 
Kuft aus, wobei ihm doch ein geheimes MWunderwefen lieb 
Mtichen ift, das doch nur ald Ergoͤtzlichkeit dient, auf fein 
Enden feinen Einfluß bat; die großen Wunder, welche der 
Krchenglaube lehrt, feheinen durch die Meinen des Privataher- 
aubend erfeßt zu werden! Es war nahe daran, daß er fich 
E93 Tiſchrücken vertieft hätte, Doch die fcharfen Verwerfungs- 
Etheile gegen diefe Albernheit bewahrten ihn. — 

Ein feltener Fall! Die Spener’fche Zeitung vom Sonn- 
war dur) die Polizei weggenommen worden, und durfte 
nach Entfernung eines Artikels, der die preußifche Politik 

tach, audgegeben werden. Der Artikel gab zum Theil die 
agriffe des franzöfifchen Eonftitutionnel wieder, diefe waren 
BRößig. Unfere Prepfreipeit ift ganz und gar eine Täu- 
bung. Daß unendlich viel Started doch durchfchlüpft, darf 
wundern, das geſchah auch unter der Herrichaft der 
fur, zum fteten Aerger der Regierung. — 












382 


Das Schandgefeh, das ſchon entworfen war, die Zein 
für die Aufnahme mißfälliger Aeußerungen der Abgeon 
in den Kammern zu ftrafen, wenn auch diefe Neuerungen 
nicht zu beftrafen fein können, dieſes Gefeß, mürdi 
Schikanen und Quängeleien, mit denen man in Preuf 
gern regiert, foll dem Vernehmen nach, fürerft nicht von 
werden. — Woher kommt plöplich diefe Berfhämtheit? 

Die Neue Preußifche Zeitung ift feit einiger Zeit 
matt und ftumpf; fie muß üble Nachrichten aus Ruflan 
tommen haben, oder von dort der gewöhnlichen Weiſi 
entbehren. Das Gift ſcheint fhaal geworden. — 

Man fagt ohne Scheu, die Armee fei gegen den König 


"übel geftimmt, und habe, was er auch befcließen ı 


fein Vertrauen zu ihm. Die Kreugzeitungsparthei, die! 
den Anfchluß an die Weftmächte wittert, verbreitet diefed 
rede gefliffentlih. — 

Unter den Offizieren wird geſagt, der König werdel 
abdanken, ald gegen Rußland zu Felde ziehen. Die Hofe 
fürchtet eine Abdankung jept eben fo, als fie früher f 
wünfchte, verlangte. Man ſchimpft auf den Prinzen 
Preußen, man rühmt den König, das heißt unter dr 
dingung, daß er ruſſiſch fei. Im den Feldtruppen hr 
die entgegengefepte Gefinnung, da wünfcht man den Pi 
von Preußen ꝛtc. 

Merktwürdige Aeußerung eines Minifterd: „Geber 
Acht, wenn jept ein Friede zu Stande fommt, fo wird fl 
König einbilden, er habe den {Frieden vermittelt, um 
Menſch wird ihm das ausreden koͤnnen!“ — 

Die Polizei geftattet den Zeitungen manche Freiheit 
über die Polizei dürfen fie nie tadelnd reden. Man I 
Blätter fo lange gequält und ſchikanirt, bis fie alle 
erfennen müffen, ihr Beftehen hänge davon ab, den Her 


— "Gern Grey, ber ar 
————— He pet, de 


* ‚still er wieder hier fein und 
N. — 

‚re der Konftablerwirthfchaft 

‚ daß diefe bewaffnete Schaar, 

Ser ganzen Regierung ruhe — 

sroße meinte, auf dem Kriegs: 

;vergnügte, demokratiſch gefinnte, 


- pitzbübiſche Mitglieder. enthalte, 
— Täuſchung ſei, daß mit dieſer 


her Kartoffelkrawall zu bekämpfen 
iq, bei welchem Hinckeldey ſich be⸗ 
:te Schutzmannſchaft geltend macht 
ahren Sachverhalt wüßte, fo wäre 
‚infehen und Macht gethan. 


Freitag, den 5. Januar 1865. 
:bimpfen fortdauernd auf Preußen, oder 
z geringfhägig; Die Warnungen der Bes 
rungen mit Achtung zu behandeln, gelten 


an Preußen die Aufforderung erlaffen, bei 
injtalten der Rufen in Polen nun auch feis 
:traggmäßige Hülfe kriegsmäßig aufzuftellen. 
ing an den deutfchen Bund. Preußen will 
ausweichen und zögern, noch greife ja Rußland 
igentlich foll fi die Aufforderung nur darauf 
am Bundestage mit Defterreich gemeinfchaftlich 


zu machen.) | 
In von Enfe, Tagebüder. XI. 25 


884 


neben dem Ffriegerifchen Eifer auch ſchon friedfertig. Die 
fromme kirchliche Salbung ift eine widerwärtige Heuchelei! — 


Donnerstag, den 4. Jannar 1855. | 
Die Zeitungen enthalten die Mittheilung, es fei definitiv | 
Abftand genommen, den Kammern das im Minifterium de} 
Innern bereitd entworfene neue Wahlgefeß für die zmeite | 
Kammer in der diedjährigen Sigung vorzulegen; nach diefem 
Entwurf follen künftig nur die MagiftratSmitglieder, die | 
Stadtverordneten, die Gemeindeverorbneten, die Zünfte und 
Kreidtagdberechtigte dad Wahlrecht haben. Wo bleibt das | 
allgemeine Wahlrecht, Die Urwahlen auf der breiteften Grund® | 
lage? Muß man nicht fpeien auf diefed ganze Berfaffunge- 
wefen und die nichtswürdigen Halunfen, die daffelbe fofchänd- 
lich zurichten? Wie richtig, wie vorausſichtig Flug hat das | 
Volk fich bisher ſchon vom Wählen zurüdgehalten, Das man ! 
ibm ohnehin ſchon ſtets zu entziehen dachte? Man fage nict, 
es würde anderd geworden fein, wenn das Volk ſich fortwäh- | 
rend betheiligt hätte! Nur um fo fchneller würde man ihm 
das Wahlrecht gefehmälert und genommen haben, ja die ganze 
Berfaffung hätte weichen müflen. — 
Die Volkszeitung bringt einen farkaftifchen Artikel über | 
die im kurheſſiſchen Orte Bodenheim, unter den Augen des 
Bundestages, eröffnete Werbung für die englifche Fremden: ' 
legion, mit fchneidenden Hieben auf die Kreuzzeitungsparthei, 
auf Stahl namentlich und auf Leo. — k 
Nachmittags kurzer Beſuch von Herrn Dr. Ring, ſchönes 
Manuffript von ihm, er ift fleißig bei der Arbeit mit einem | 
neuen Roman, und troß mancher Hemmniffe und Befchwerden :' 
ganz vergnügt, was ich ihm herzlich gönne. Er hat viel von i 
Koreff, aber nur dad Gute, — . 





385 


Korrelturbogen von Arnim's Gedichten. Für die Augen 
angreifend. — Abende Beſuch von Herrn Crepet, der Ab- 
ſchied nimmi. In zwei Monaten will er wieder hier fein und 
feine Arbeit über Preußen vollenden. — 

Ein Beamter, der in das Innere der Konftablerwirtbfchaft 
hier tief eingeblict hat, verfichert, daß diefe bewaffnete Schaar, 
auf der das Beitehen und Heil der ganzen Regierung ruhe — 
nicht mehr, wie Friedrich der Große meinte, auf dem Kriegö: 
heer —, viel unzuverläffige, mißvergnügte, demoftatifch gefinnte, 
anderntheils auch feige und fpisbübifche Mitglieder. enthalte, 
dag die Brauchbarkeit eine Täufchung fei, daß mit diefer 
,Mannſchaft kaum ein ernftlicher Kartoffelkrawall zu bekämpfen 
; fein würde. Wenn der König, bei welchem Hindeldey ſich be⸗ 
ſonders duch die fogenannte Schugmannfchaft geltend macht 
E und geltend erhält, den wahren Sachverhalt wüßte, fo wäre 
; ed bald um Hindeldey’s Anfehen und Macht getban, 















Freitag, den 5. Ianuar 1865. 

Wiener Blätter ſchimpfen fortdauernd auf Preußen, oder 
ſprechen von ihm ganz geringfchäßig; die Warnungen der Bes 
| hörde, fremde Regierungen mit Achtung zu behandeln, gelten 
nur zum Schein. — 

Defterreih hat an Preußen die Aufforderung erlaffen, bei 
| den kriegeriſchen Anftalten der Rufen in Polen nun auch feis 
nerſeits die vertragsmäßige Hülfe kriegsmäßig aufzuftellen. 
Gleiche Mahnung an den deutfchen Bund. Preußen mill 
möglichft noch auöweichen und zögern, noch greife ja Rußland 
nicht an zc. (Eigentlich foll fi) die Aufforderung nur darauf 
befchränten, am Bundestage mit Defterrei gemeinfchaftlich 


den Antrag zu machen.) 
| Barnhbagen von Enfe, Tagebüder. XI. 25 


386 


Der König hat dem Landrath von Eldner dad Riiterfreu | 
des Haudordend von Hobenzollern verlieben. Er wollte ihn | 
zum Kammerherrn machen, zum Johanniterritter, beides verbat 
Elsner. Hindeldey hat an Elöner gejchrieben, der König habt | 
der geographifchen Gefellihaft nur unter der Bedingung ver: | 
ziehen, daß fie Elöner’n zum Ehrenmitglied aufnebme. Diefer | 
Angabe Hindeldey’3 entfpricht aber dad Berfahren des Könige J 
nicht; weder Humboldt noch Ritter willen von folcher Be 
dingung. Möglich bleibt, daß der König dergleichen obenhin | 
geäußert, dann aber ed vergefien, oder nicht darauf beftanden 
habe. — 
















Sonnabend, den 6. Jannar 1855. 
Ein trüber Negentag, Taum Tageshelle! Nachmittage U 
über 50 R.W. Dem Wetter entfpriht meine Stimmung, U 
die zum Ueberfluß auch durch rheumatifhe Schmerzen nod | 
getrübt wird. Es foll mid wundern, wenn der Tag noch J. 
etwas Heitered bringt; ich glaub’ ed nicht! Und die traurige 
Tröftung, daß ed fchlimmere Tage geben fann, daß dieſer ver- W. 
hältnißmäßig noch zu den guten zu technen fein wird, troöſtet J. 
mich nicht. — 1 
Spät aufgeſtanden, dann einen Druckbogen von Arnim's P 
Gedichten durchgeſehen, mit Anſtrengung der Augen! — 
Antrag des Appellationsgerichts⸗Praäſidenten Wentzel in J 
der zweiten Kammer zur Beſchaͤftigung der Strafgefangenen | 
außerhalb des Gefängniffed und zur Abrechnung ihrer Mehr: 
arbeit von der Strafzeit. Menfchenfreundlih, mit Kenntniß 
und Erwägung aller Umftände. Die Begründung iſt ſorg⸗ 
fältig ausgearbeitet. Der Graf von Nord hatte mir die de⸗ 
fallfige Druckſchrift mitgetheilt, md ich fann in das Lob, dat 
er ihr giebt, nur einſtimmen. — | 


387 


Der Tag ſchloß ungünftig, wie er mgefangen. In der 
Illias gelefen, ald Betäubumgamittel! Armer Homeros, wie 
mißbraudt! — In Sean Jacques Roufſeau's Politiſchen Schrif⸗ 
ten geleſen, franzöſiſche und engliſche Zeitungsblätter. — 

Die Kreuzzeitung iſt fehr geſchlagen durch das Unterliegen 
ihrer Parthei bei der Präſidentenwahl in der zweiten Kammer. 
Der Graf von Schwerin iſt ſchließlich gewaͤhlt. Aus der Ver⸗ 
bindung der Bethmann⸗Hollweg'ſchen Fraktion mit der Linken 
weiffagt die Kreuzzeitung dem Thron Unheil! — 


Sonntag, den 7. Januar 1855. 
Sendung von Humboldt, fein Vorwort zu den Reifeer: 
innerungen des Brinzen Waldemar von Preußen, der 1844 
und 1845 in Dftindien war, und am 17. Februar 1849 ſtarb; 
das Vorwort iſt ſehr ſchicklich abgefaßt und fagt alles was fich 
bei foldher Gelegenheit jagen läßt, mit Gefhmad und 


Wärme. — 


Br 


Humboldt giebt in der Zeitung Nachricht von den Brüdern 
— es find jet drei — Schlagintweit, daß fie im Sturm am 
2. November nicht untergegangen, fondern am 28. Oftober in 
Bombay glüdlih angelangt find. Er fagt, fie reiften auf 
Koſten unfered Königs und der oftindifchen Gefellihaft in 
London; bisher war nur bekannt, daß die letztere allein die 
Koften trägt, da der Kultusmimifter von Raumer feine Unter: 
ſtützung für diefe Naturforjcher für räthfih fand, und Hums 


- Boldt’3 wärmfte Empfehlung nicht achtete. — 


Die Leute fürchten eine zu enge Verbündung Defterreiche 
und Frankreichs als der beiden mächtigften fatholifchen Staaten, 
und beforgen daraus Gefahr für die. Proteftanten. Ich theile 
ſolche Beforgniffe nicht! Wie katholiſch find denn Defterreich 

25° 


388 


und Franfreih, und befonders ihre jebigen Häupter? Da 

aanze Gegenfag von Katholifch und Proteftantifch ift heutige 

Tage? nur ein ganz untergeordneter, der in der politiihen 

Freiheit — wir haben ed 1848 gefehen — ſogleich wt 

ſchwindet. Als er fih in Frankfurt zuerjt wieder gelten? 
machte, da war ed mit den fchönen und guten Tagen jchon vor 
bei, da begannen die argliftigen Ränke, Blendwerke, Ber 
räthereien, fowohl der Fürften ald der Volksvertretet. Der 
Hauptgegenſatz in unſerer Zeit iſt der des Freiſinns und det 
Willkür, in anderem Ausdruck der Revolution und der Reef 
tion, des Vorwärts und des Rückwärts. Die Revolution hal 
jegt die Bedeutung ded Chriſtenthums in feinen Anfängel 
die Reaktion die Bedeutung der graufamen Gegner und BU 
folger deſſelben. Das eigentlich Mächtige ift überall das Mr 

volutionaite. Das, was jept den Kaifer von Rußland ve 
drängt, ift doch in Wahrheit das Revolutionaire, und TH 
womit er fich helfen wollte, und helfen fönnte, wenn er MI 
Muth und Geift dazu hätte, auch wieder dad Revolutionaire- 7” 






Montag, den 8. Januar 1855. 

Artiges Zwifchenfpiel in Neapel, wo der König die Jeſuiten 
austreibt, weil er fie in Verdacht hat, für den Prinzen Murat 
zu arbeiten! Der Prinz Murat erflärt, dag er fich nie mit 
den Jefuiten gemein machen werde! Alles ift fihen wieder 
audgeglichen, die Jeſuiten bleiben in Neapel, und der König 
erkennt in ihnen feine Freunde. — 

‚Ein Mitglied der äußerften Rechten der zweiten Kammer 
klagt bitter über das Unterliegen feiner Barthei in der Präft- 
dentenwahl: „Wenn das fo fortgeht, * jagt er, „fo werden wir 
bald, fürdht’ ich, auseinandergejagt!" Das ift ed! Kine frei: 


389 


nmer wird nicht geduldet! Da wendet man zur 
r Willfür gleich Gewalt an! Der Gewalt aber zu 
‚ dazu find die Konftitutionellen zu furchtſam. Wie 
en die Demokraten, hat das Volk getban, fih an 
Lumpenweſen nicht zu betheiligen! — 

ois s’en vont!“ Dieſes große Wort Lainé's fin- 
ag feine Beftätigung, und fichtbarlich eben jept 
e Könige allmächtig fcheinen, und wirklich im Be- 
glihen Macht find. Zwar fällt gerade jept fein 
n fiebt feinen flüchten und betteln, aber jeder Tag 
en etwas, von ihrem Anfehen, ihrer Bedeutung, 
ntergräbt die Throne, auf denen ſchon nicht mehr 
ſtigten, fondern neue, revolutionaire Fürften fißen. 
nen Kaifer aus der Bolköfouverainetät, aus der 
ıenmebrheit, einen Louis Bonaparte unter fid 
thut ihnen mehr Schaden, als die größte Republif 
ihnen thun koͤnnte. 

n hat nad) Wien eine Note geſandt (man fagt, 
auar), worin e8 gegen feine Ausſchließung von den 
n proteftirt und feine Rechte ald Großmacht wahrt, 
opäifchen Angelegenheiten eine Stimme zu haben, 
erträge, die es mit unterzeichnet, nicht revidiren 
me fein Zuthun. Das ift fehr gewagt, und kann 
ihren! — 

m Wert Großmaht wird ein großed Weſen ges 
viel Unfug getrieben. Für Preußen ijt der Bes 
noch anmwendbar. Es hat fich feit dem Herbit 
ß nicht als Großmacht erwiefen. Und was ed 
15 war, war es durch den Geift ded Volkes und der 
e den Staat in die Hand genommen hatten. — 


390 


Dienstag, den 9. Januar 1855. 
Gefchrieben ; über die Kriegsführung der Weſtmächte, die 
ſchlecht iſt aus Mißtrauen, Schuldbewußtfein und Feigheit.— 
Beſuch von Fräulein Aline von Schlichtkrull, die eben aus 
Bommern wiedergefehrt ift, und unerwartet die frühere de— 
kanntſchaft wieder aufnimmt, fröhlid, munter, — 


Nachricht aus Wien, Daß der ruffifhe Kaifer die Aus 
fegung der vier Gewährungen, melde die Weſtmächte ver | 
langen, vollftändig gelten laffe und demzufolge Unterhandlungen 
eröffnet feien. — 


Klagen über ruffiihe Umtriebe in Stalien und Ungam, | 
beide Länder gegen Defterreich zum Aufftande zu reizen. Mn | 
will Schon Anzeigen haben, daß der Kaifer von Rupland mt 
Kofuth Verbindungen anfnüpfe. Warum greift er die Co | 
nicht gründlicher an, in Polen? Da fürchtet er für ichje | 
zuviel! Ein großer Schlag wird im Stillen vorbereitet, | 
dem ſchon viel gethan fein foll, nämlich ein Schlag im Franl 
reich zu Gunſten der Bourbons, der Erfolg wäre Ruplandı | 
größter Triumph. Aber um das franzöſiſche Heer zu geyeinuen ; 
für das alte Kömigögefchlecht, müßte Louis Bonaparte Kriege | 
unglüd haben, und verſchulden, oder einen dummen Frieden 
ſchließen. Kür erfteres muß in der Keim geforgt werben, fir 1 
legteres in Wien. Die ruffifchen Thätigkeiten werden über 
mit großem Gifer betrieben, leiden aber. an den einbeimilden | 
Gebrechen, an lähmender Anechlögelinnung, und an und 
licher Selbſtſucht; die Ansführer dürfen nicht freifinnig fen, 
nicht höheren Antrieden folgen, fie dürfen höchſtens einigen 
Freiſinn lügen, zur Täuſchung der Anderen; fie finden 
natürlich nirgends Vertrauen, ald bei den verſchmitzten Griechen, 
die auch im gegenfeitigen Betrügen immer noch zu gewinnen 
hoffen. — u 

Angebliche Aeußerung ded Fürſten von Metternich, fein 





391 


Inſtinlt fei für den Frieden, feine Vernunft für den Krieg. 
Bahr oder nicht, viel Sinn und Berftand iſt in dem Aus⸗ 
pruche nicht! — 


Mittwoch, den 10. Janunar 1855. 

Beſuch von Herrn Lewes; die politiſche Lage der Dinge, 
>08 ein Friedensſchluß bedeuten würde; wo die wahre Macht 
iegt, welche Krifen noch bevorftehen ; wenn die nächite Revo: 
ution nicht in frankreich entfteht, wie ich doch erwarte, fo 
ind fie in England, in Rußland entftehen, aber fommen wird 
ie! Der jetzige Zuftand von Lüge, Gewalt und Feigheit ift 
tin folher, der fich befeftigen und dauern fann, da war der 
us dem Wiener Kongreß hervorgegangene noch beffer — in 
er Ihat hat dies Werk, obſchon nur Flickwerk, doch dreißig 
Jahre gedauert! — 

„Sonnets on the war, by Alexander Smith and Syd- 
ey Yendis,“ von denen der Xeader Proben giebt. — 

Die Rationalzeitung bringt das freifprechende Erkenntniß 
es Kammergerichts für dag 12. Stüd der „Gränzboten*, das 
m vorigen März von der Pelizei weggenommen worden war 
md durchaus ſtrafbar fein follte; die Gerichte jedoch, fanden 
wa Tadel der preußischen Politik, der hier ausgelprochen war, 
och innerhafb der Gränzen des Erlaubten. — Ein neuer Ges 
thentwurf zux Beſchränkung der Eheicheidung, den der König 
den gebilligt, foll den Kammern vorgelegt werden. Die Ge: 
einplätze halber Gründe find hier im Dienſte der Heuchelei 
braucht, dad Machwerk ift ein ganz jämmerliches, und thut 
ht einmal dem Pfaffengeifte Genüge, denn ein Sakrament 
d unauflößlich wird Die Ehe dody nicht, dazu müßten die 
ste vollends kathelifc werden, und das Tönnen fie Doch aus 


392 


anderen Gründen nit. Durchgehen wird dad Gefeb ohne 
Zweifel, denn die Scheingründe der Heuchelei find allgemein 
verbreitet und allmächtig. Für Die Ehe ift nicht damit ges 
wonnen! Und wenn wir erft ganz fatholifhe Ehe hätten, was 
wäre Damit denn gewonnen? Man fehe die Sitten in katho⸗ 
fischen Rändern! — . 


In den Briefen des Plinius aelefen; Franzöſiſches, Eng 
liſches. — 


Nachrichten aus Wien; man glaubt dort an Frieden. - 


Der Ukas des Kaiſers Nikolai, wonach Todesitrafe gefest 
wird auf Ermordung von Berwundeten, ift eine bloße Erdich⸗ 
tung. Die Kreuzzeitung fagt fogar, ein folher Ufas würde 
die Ehre des ruffifchen Heeres beleidigen. Doch die Thatfachen 
haben nicht geläugnet werden können, man hat nur gefudt 4 
fie zu entfchuldigen! — 


Eine Sache von großer Wichtigkeit, von möglicherweilt 
außerordentlichen Folgen, ift die Gründung einer freien ruf 
Shen Preffe in London. Der erfte Verfuch diefer Art. ift eben 
gemacht worden, durch den befannten Alegander Herzen, der 
fih) ald Autor Iskander nennt. Er bat fein eignes Werl 
„Gefängniß und Berbannung*, worin feine Schidfale erzählt | 
und das Innere Rußlands in thatfächlichen‘ Beifpielen vorge 
führt wird, in London ruffifch herausgegeben. Freilich wid | 
der ruffifche Kaifer alles aufbieten, Tolche Erzeugniffe nicht in 
fein Reich eindringen zu laffen, er wird die härteften Strafen 
gegen die Berbreiter verfügen, fowie gegen die Beſitzer und 
Lefer; aber alle feine Macht wird nicht ausreichen, die Wir- 
fung diefer Preſſe zu vernichten. Es ift fchon viel gewonnen, 
wenn ſolche Bücher nur bis an die ruffifche Gränze gelangen, 
von andern Slaven, von Ruffen im Auslande gelejen werden. 
Welchen Nugen haben die ausländiichen Drudorte Genf, Haag, 





393 


üfel, Lüttich, Köln ꝛc. der franzöfifchen Litteratur des ſieb⸗ 
nten und achtzehnten Jahrhunderts gewährt! — | 


Donnerstag, den 11. Januar 1855. 

Die Rationalzeitung klagt, daß Preußen, die fünfte Groß: 
cht in Europa, bei den jepigen Verhandlungen der andern 
t Großmäcdhte, gar nicht zugezogen werde, für fich verein» 
: daftehe, und fein ihm gebührendes Anfehn verliere! Doc, 
eußen i ft feine Großmacht, ald unter gewiflen Bedingungen, 
jebt fehlen. Uebrigens wird es den Schein doch immer 
h retten und fi in den Rath der Mächte wieder hinein- 
ifteln; dazu bieten fie fchon die Hand! — 

Arnim'ſche Drudbogen durchgefehen, peinlichſtes Ges 
ift! — 

Betrachtung. Jeder noch fo fchlechte Zuftand kann qute 
üchte bringen, die wollen wir anerkennen und pflegen, aber 
bt um ihretwillen jenen Zuftand loben, oder gar hervor: 
fen, wie wir auch das aus Laſter oder Verbrechen erzeugte 
nd aufnehmen und lieben. Aber hiebei waltet wieder 

Unbarmberzigkeit der Gefchichte, daß diejenigen, welche 
» Schlechte tragen, felten die guten Früchte defjelben er: 
en! Für den Einzelnen ift die Geſchichte nur Schidfat, 
das ganze Menſchengeſchlecht wird fie Gerechtigkeit ; der 
nzelne — fehe wie er durchkommt; auf ihn wird Feine 
dficht genommen, er hat mit Gott und Borfehung fein per: 
liches. Berhältnig zu ſuchen. — 

Die Demokraten find billiger, ald die andern politifchen 
rtheien, fie fönnen Könige und Ariftofraten dulden und fich 
ihnen recht qut behelfen, wenn diefe nur ächt find, was 
lich felten genug vorkommt! Die andern Partheien dulden 
echterdingd nichts neben ſich, außer wenn es unädht ift, 





394 























unächte Könige, unächte Vollemänner, nur mit foldden migen 
fie zu thun haben, — 

Der alte Arndt hat in das fogenannte Radetzky⸗Album zu 
nöprud ſchlechte Verſe zum Lobe des öfterreichifchen Keldherm 
geliefert. Mögen ihn die Defterreicher befingen, die Deut | 
ſchen haben Dazu feine Urſache, er gehört auch nicht zu und. | 
Die in der Frankfurter Nationalverfammlung fo verderhlid 
aufgeftiegene deutfche Hoffahrt, die Deutfchen follen mädtis 
fein und frei, die Polen und Staliener aber dienen, fpuft u 
dem alten Eſel noch fort, und mitſprechen meint er aud noh 
zu müffen! Verächtliche Selbftfuht! Auch Profefor Simrot | 
in Bonn hat elende Berfe in das Album geliefert, ex prall 
dad Riederfchlagen des Aufruhrs; derfelbe Simrod wurde 
1830 in Berlin aus dem Fuftigdienft entlaffer, weil er de 
drei Tage und drei Farben der Juli» Revolution durch ein 
Zeitungsgedicht gefeiert hatte! War das nicht Aufruhr! 
oder hätte er vielleicht damald den Marfhall Marmont gr 
feiert, wenn bdiefer den Aufruhr besiwungen hätte? O wei B: 
für erbärmliche Menfhen! — J 

Mit welcher Luſt hab' ich mich wieder zu Jean "Zargen | 
Nouffean gewendet! Sein Buch du contratsocial iſt und blelt | 
ein Meiſterſtück. Der kurze, derbe, abfprechende Bortrag ift ver! 
eindringlichiter färffter Wirkung Welch gediegene folgen 
reihe Wahrheiten fpricht ex aus! Doc beisundere ich meht 
noch feine Mäßigung als feine Kühnheit! Biele feiner Der; 
hauptungen, feiner Schlußfolgerungen, laffen wir als imgi 
fallen, aber der Kern ded Ganzen ift unauslöſchliches & N 
das fchon feit fiebzig Jahren die Welt exleuchtet, und no? 
lange, fange die Welt erleuchten wird, Wie vieles ift hier: 
audgeiprochen, was Gemeingut geworden, und non bem Die 
Welt gar nicht mehr weiß, daß cd von Reufenu herlemmitl 
Ich habe folhe Wahrheiten eifrig von Leuten aufftellen ui 
behaupten hören, die erſchrecken würden, wenn fie den oontreff 





895 


al vertreten follten! Das Bud) ift bei und nur nod 
ig gekannt; unſere Philofophen, deren Tiefe nicht bes 
ten werben foll, deren Dünfel aber nicht felten noch größer 
haben folche Bücher, wie Monteöquieu’d Geift der Geſetze 
Rouſſeau's gefellfchaftlihen Vertrag, zu fehr bei Seite 
ängt, ald angeblid) überwundene, weit überflügelte, ver- 
te; aber im (runde leben fon mehrere Gefchlechtöfolgen 
Menſchen von diefem Inhalt und Beift, und feit fiebzig 
ren find die Geſchichtsereigniſſe ganz erfüllt von jenen 
en und Anfchauungen, während die Nufftellungen unferer 
lofophen, bei aller wahren oder eingebildeten Tiefe, zu 
er rechten Wirkung gelangen konnten. — 


Freitag, den 13. Januar 1855. 

Sm Fahr 1803 traf mih Koreff im oontrat social 
id, er lächelte, und meinte, wir wären weit Darüber hins 

Drei Jahre Später in Halle urtheilten Harſcher und 
weiß ebenjo; fie meinten in Schleiermacher, in Steffens 
beſſere Stontölehrer zu haben; doch Schleiermader's 
atslehre hatte viel von Rouffeau aufgenommen, und mas 
ffens über Staatslehre geishrieben, ift das Schlechteſte, 
worrenſte, Unheltbarite, was Unkunde und Schmiegſam⸗ 
jemals über Diefen Gegenſtand zu Tage gefördert haben. 
vie befannte ſich von jeher als Verehrer Rouſſeau's, Schels 
‚ meinfe weit über ihn hinaus zu fein, Hegel nit minder, 
wohl er felbft und die beiten feiner Schüler, Gans, Yewer- 
), Strauß — wiſſend oder unwiffend — ganz voll von 
ıffeau waren ; etwas wefentliched Neues haben indeß weder 
elling noch Hegel über den Staat vorgebradht, und ihre 
ung auf die Welt ift in diefem Betreff null, — Auch 





896 























Fichte's Staatslehre, gewiß ein tiefed und reiches Ber 
aus dem die treffendften Wahrheiten hervorfchlagen, bat ver- | 
hältnigmäßig wenig Eindrud gemacht, daffelbe ift ein ayi- # 
vsone gegen die Bonapartifche Gewaltherrfchaft, kam für ſJ. 
diefen Zwed zu ſpät an’d Richt, und der Sohn ald Heraus J. 
geber verdarb die Sache vollends dadurch, daß er dem Geiſt 
des Vaters ein chriftliched Mäntelhen umbängte Außen 
unferem nächſten Sreife (Rahel, Ludwig Robert, Can, 
Abraham Mendelsfohn ꝛc.) ift dad Werk meines Wiffend ga 
nicht zu rechter Würdigung gelangt. Die Frömmler bil 
auf den biblifchen Köder am wenigjten an. — 

Es ift mit den Staatöformen wie mit den Philoſophieen 
und Religionen, die vollendete, allgemein gültige wird gejudt, | 
und nur immer annähernd, nie ganz gefunden. Auch wenn ; 
auf ſchon beffere wieder jchlechtere folgen — wie Dahme 
auf Jeſus — darf und das nicht irren; der Fortfchritt ift doch 
vorhanden, man muß ihn nur an rechter Stelle mehruchmn. 
Künftliche Berfaffungen, wie die von Sparta, Benedig, die 
deutſche Reichsverfaſſung, haben zum Theil ihren Mäne “ 
ihre längere Dauer zu verdanken. Die hoͤchſten und reinft 
Formen, die Demokratie von Athen, die franzöfifchen reihe ö 
verfafjungen, glichen mehr vworübereilenden Himmelderjchei 
nungen! — 

Wie viel tiefer und reicher Fichte's Staatolehre ift, al 
Rouffeau's contrat social, zeigt der flüchtigfte Ueberblich 
Aber wie wenig hat Fichte's Bud gewirkt, wie mächtig 
und andauernd wirft Rouſſeau's! jenes ift ein ſanfteß 
ſtilles Licht, Died ein zündendea, unauslöfchliches Feuech 
zeichen. — Y 


f 


897 


Sonnabend, den 18. Januar 1855. 
‚Gegen Abend Beſuch vom Herrn Grafen von *; er zwei: 
et am Frieden, will aber die Politif Manteuffel’3 hoch preifen, 
nenn fie durch den Frieden befiegelt wird. „ Manteuffel’3? 
des Könige, wollen Sie fagen, denn der befiehlt, und Man: . 
teuffel ift nur der Audführer der empfangenen Befehle. Wo 
Andet fich eine Spur eigener Politit des Minifterd?* Die 
Gefinnung ift für Rußland, die Nothwendigkeit befiehlt dies 
af neutraled Verhalten herabzuftimmen ; fonft find Hof, 
Rinifterium und Kreuzzeitungsparthei ganz daſſelbe, Aus⸗ 
drud und perfönliched Verhältniß abgerechnet. Herr Lewes 
Im in den Befuch hinein, wollte aber nur Bücher umtauſchen, 
md ging gleich wieder. 
Alle unfere Blätter ftreiten heftig gegen die Neue 
Preußiſche Zeitung; wenn man bedenkt, daß diefe Zeitung 
He des Hofes ift, daß der König, nachdem er oft von ihr 
gefholten und verwarnt worden, ſich ihr gefügt und unter- 
porfen hat, daß fie zugleich den Schub und Beiſtand Ruß⸗ 
ands genießt, fo ift es allerdings anzuerkennen, daß dem 
nfamen Blatt ein fo fräftiger Widerftand geleiftet wird. Und 
vie zieht alles gegen Rußland los! Niemand denkt daran, 
red zu unterdrüden, wenn ed nur nicht geradezu die Perfon 
ed Kaiſers angeht. Welch ein Unterfchied gegen fonft, wo 
sarı es ald eine große Kuͤhnheit anführte, dag Heine in den 
teifebildern 5 hatte druden laſſen, „unfer allaugroßer Freund 
. Diten ”. 

Die Zukunft wird große Spiphühereien der heutigen poli: 
fchen Leitung der Staaten enthüllen; wir fehen die Wir 
ıngen vor Augen, aber die Urfachen nur wie im Nebel. 
Benn wir aber auch alled flar fähen, wie es doch im Einzelnen 
je und da der Fall iſt, ändern würde Died im Augenblide 
icht das Geringfte. Denn die ftärfte fittliche Empörung ift 
hne Macht, ohne Werkzeug, fie muß erft langjam Außere 





398 


Kraft gewinnen, um den Feind auf deffen eignem Gebiet 
greifen. - Diefe Jwifchenzeit, wo die Ginficht vorhanden 
-nod nicht zur Kraft geworden, ift hart. Aber man m 
tröften, e8 wächft in ihr der Samen des Beſſeren! — 

Merkwürdig ift ed, wie vortheilhaft Rouffeau Bir 
fafjung und den Beruf des deutjchen Reiches anſieht 
überhaupt die Bundesftaaten oder Staatenbünde. Sein 
berfagungen find wit eben glücklich, aber immer dei 
bedeutend. Er hielt eine neue große Revolution in € 
für unmöglih, und fie ftand vor der Thüre; er q 
Europa weniger von Rußland bedroht, als Rußland v 
Iortaren. — 

“ Humboldt hat den biefigen Mitgliedern der Frieden 
ded Ordens pour le merite den Willen des Königs 
theilt, daß diesmal, zum Erfah des Bhilofophen Schellir 
Gefchichtfchreiber gewählt merden fol, und daß der 
dabei Ranke'n bedacht willen wolle. Böckh, Biemi 

zufrieden, bat gefagt, er werde für den alten Si 
ſtimmen. — Ä 


Sonntag, den 14. IJamuıat 185 
Wir haben und in Deutſchland im neunzehnten Yat 
dert angewöhnt, die Franzoſen des achtzehnten für oberfld 
unwiſſend und leichtfinnig zu halten, und jeder Stuben 
einige philoſophiſche Vorlefungen gehört hat, glaubt fi 
rechtigt, auf die berühmten franzöfifhen Namen jene 
mit Lächeln herabzufehen. Wenn man ihre Schriften 
vornimmt, erfiaunt man über die Geiftesfhärfe, Den 
Ernft und die umfaſſende gelehrte Kenntniß, die fich hir 
legen ; Montesquieu, Rouffeau, Boltaire, P’Alembert, 9 
Buffon u. f. wm. — 
Der Koͤnig if fchon benachrichtigt, daß der won ib 


899 


voraus auigeheißene Eheſcheidungs⸗Geſetzentwurf auf ftarfen 

Widerſpruch in den Kammern ftogen, und die von ihm ge- 

wollten neuen Benennungen der Kammern abgelehnt werden 

follen. Er fei darüber, heißt ed, in unglaublichen Zorn ge- 
rathen, habe anf die Kammern gefchimpft, fie feten demo- 
kratiſches Gefindel, das er ſchon werde zur Ordnung bringen, 
nad Haufe ſchicken, auseinander jagen z.. Dabei llagt er 
| feine Minifter der Unfähigkeit an, dap fie nicht beffer zu 
wirthſchaften verkünden ꝛc. — — 
























Montag, ben 15. Jannar 1856. 

| Die Magdeburger freie Gemeinde thut beicheiden Ein- 
ſpruch gegen die verläumderifchen Entftellungen, die durch Bes 
„a börden in den Zeitungen gegen fie veröffentlicht worden, die 
falſchen Nachrichten über angebliche Zwiſtigkeiten zwifchen 
Muhlich und Sachſe, die nur Meinungöverfchiedenheiten feien, 
A von denen die freie Gemeinde nicht gefährdet werde; fie Mlagt 
; über das Borgeben, daß fie ein politifcher Verein fei, fie war- 
te — anf diefed Borgeben hin polizeilich gefchloffen — die 
Entſcheidang der Gerichte ab, — und da kaun ſie lange 
; warten! — 

Aud die hiefige chriftlatholifche Gemeinde, bisher noch 
5 mit einiger Schonung ſchikanirt, wird jet offen angegriffen. 
BE Yinerwartet fehen fich die Frauen und Kinder ploͤßlich von den 
 gotteödienftlichen Berfammlungen zurückgewieſen, die Kon⸗ 
; Radler fagen ihnen, wenn. fie zur Kirche wollten, fönnten fie 
zum Dom gehen u. f. w. Die Männer aber läßt man ein! 
jGiebt ed eine unfinnigere, verrüdtere Maßregel als diefe? 
Sollte man nidyt denken, böje Buben treiben im Staat unge: 
ſtraft ihr freches Spiel? Durch Ouälen und Nergeln, durch 
 zobed Schilaniren will man die Leute auf äußerfte treiben, 
damit fie fich vergehen und man fie dann beftzafen könne! 





400 


Diefe Rotte böfer Buben, diefe Rotte von Heuchlern im 
Halunken, werd’ ich fie noch einft gezüchtigt fehen? Das mil N 
ih, daß Chriftus, nach welchem fie ſich nennen, fie aladttem J 
gezücht längſt verflucht hat! — 

Die Schikanen gegen die hriftkatholifche Gemeinde ſingen J. 
ſchon um die Weihnachtszeit an. Auch die Geldbüchſen fr | 
Armenfpenden nahmen die Konftabler weg, die man dodam | 
Ende den Vorftehern wieder ließ. Einige Mitglieder wurn 
verhaftet und erft nach 24 Stunden wieder entlafien. — 

In den Kommiffionen der zweiten Kammer haben die Ri: | 
nifter unglaubliche Dinge anhören müffen, fich die ſchimpflid⸗ 
ften Beichuldigungen in's Ungeficht fagen laffen, befonden | 
Weftphalen, Raumer und von der Heydt. „Wenn ein yunfe 
von Ehrgefühl in diefen Burfchen wäre, fo müßten fie den Ah 
jhied nehmen.” Ja! ein Funken von Ebrgefühl! Danad 
ſuchen wir fchon lange. -- 










Dienstag, ben 16. Januar 1858. 

Korrefturbogen von Arnim's Gedichten; eine große Qual 
fowohl wegen der Beichaffenheit der Handſchrift, ala wegen 
der des Inhalts; auch wo die Handfehrift Mar und unzweiie, 
haft ift, glaubt man bisweilen Verfe aus dem Irrenhauſe ver 
fich zu haben — . 
Nachrichten aus St. Peteräburg. Die Kriegsbegeiſterung 
dauert nur noch in fchlechten Gedichten und ſchlechten Jar 
tungsartifeln fort; die Großen wünfchen lebhaft den Frieden: 
find aber auch ſtets bereit den Kaifer zu. tadeln, wenn der Jrier 
den nicht den Schein eines für Rußland vortheilhaften hal 
Der Kaifer ift nun in der Klemme, und was er auch thull 
mag, alles wird ihm zum Borwurf gemacht, wird gegen ih 
gebraucht werden. Ein großer Theil der Ruffen fcheint feine 
Regierung müde; die Freifinnigen verabfcheuen feine Willkür— 


401 


ine Unterdrüdung und Abſchließung der Nation, den 
ven ift er nicht gewaltthätig und bejonders nicht ver: 
ich genug; beide Partheien ſtimmen zufammen in 
gen über die fchlechte Kriegführung, die Unfähigkeit 
erd, feine Heere felber zu befehligen 2. — Bon 
h fpriht man in St. Peterdburg mit wilden Haß, 
Ben mit bitterer Verachtung, die man fogar den Ge- 
ühlen läßt; freilich find die auch wenig geeignet 
inzuflößen! — 
dachricht von der Abberufung des öfterreichifchen Ger 
trafen von Schlid wird jebt verneint; daß er aber 
fenliebe nicht verhehlt, beftätigt ſich; daſſelbe gilt 
Seneralen Freiherr von Jellachich und vom Grafen 
llas. — 
Mann von hohem Rang und Anſehn ſtand neulich 
straße mit einem Freunde ftill vor einem Haufe, und 
nem Schilde die Worte „Königlich Preußifcher Hof: 
'; dann fagte er bitter: „Sa, noch lejen wir es fo! 
bald können wir nur noch lefen: „ Markgräflich Bran- 
her!“ und eigentlich ftehen ftatt jener Worte diefe 
Der innere Sinn lieft fie!" — 
oU der Fall vorgefommen fein, daß der König einem 
derung vorgefchlagenen Beamten diefe verfagt und 
vifter Vorwürfe gemacht habe, daß er ihm einen 
Tann empfehle. In dem rothen Buche nämlich, das 
Riebuhr für den König führt, war bei dem Namen 
Gefinnung angemerft. Es ergab fih indeß, daß 
Niebuhr den Mann mit einem gleichnamigen verwech- 
. Diesmal konnte der Irrthum aufgeflärt und 
werden. — 
Aſſeſſor Wagener, dem feine Parthei zum Lohn für 
nfle ald Zeitungsſchreiber ein Rittergut gekauft hat, 


verfhämt gewefen, in der Kammer öffentlih von 
agen von Enfe, Tagebüder. XI. 26 


402 


feinen „ Wohlthätern“ zu reden. Ganz knechtiſch! Gejhmd- 
[08 obenein! — 



















Mittwoch, den 17. Januar 1855. 

Gefchrteben; über parlamentarifche Formen, warn fe mi h 
taugen, und warn nicht; bei ung find fie nur erft eine Schul: J 
übung für die Schwachen, Teined wahren Inhalts und & 
brauchs; die böfen Buben benupen folche zu ihren Zwecen. | 

Sendung von Heren Dr. Bucher in London, fein neueftd 
Wert: „Der Parlamentariömus, wie er iſt.“ Seltfam, daj 
ich grade heute früh über denfelben Gegenftand ſchrieb! Yucert 
Fleiß und fchriftftelleende Kraft muß ich ſehr bewunden, 
wenn ich auch feinen Urtheilen nicht immer beipflichte. — 

* fpricht feinen Unmuth über unfere äußere Politik au 
Ich rufe feine Aufmerffamkeit auf den innern Zuftand zurüf, 
den die meiften Leute mit Gleichgültigkeit anfehen, um: 
der doch fchlimmer ift, als alled Aeußere, dieſe Verderb 
niß, Heuchelei, Nechtälofigkeit, Polizeigewalt, Beamten‘ 
ſchikanen! Er gefteht mir, daß diefer Zuftand empörend un 
heillos ſei. Er war neulich in einer Geſellſchaft beim Grafen 
von Schwerin, dem Präfidenten der zweiten Kammer; viele 
wadere Männer waren dort verfammelt, und Außerten fra 
ihre Meinungen, aber keiner wußte Rath und Hälfe, af 
feufzten unter dem Drud der Gegenwart, dem Regimente der: 
böfen Buben, denen der Staat unbegreiflichertveife preisge⸗ 
geben ift, die ihn nach innen und außen zu Grunde richten. 
Bom ruffifhen Gefandten Herrn von Budberg wird erzählt, 
er gehe umher und fage zu den Leuten, fein Raifer fehe num 
ein, daß er feinen Schwager biöher verlannt, der König em 
heine ihm jept als der weifefte Staatsmann. Diefe ſchn 
dende Ironie foll als plumpe Schmeichelei wirken! — 

Die Spener’fhe Zeitung bedient heute das Ei 


408 


it gehörigem Raugenguß. Immer gut, daß dies ge- 
ı 68 doch einmal nicht einzurichten ift, daſſelbe durch 
hliches Schweigen lahm zu legen! Die Büben leben 
Inariffen, mit denen man fie beehrt, von der Preſſe, 
Demokraten, den Kammern, gegen die fie fhimpfen 
iten. — 

onth in the camp before Sebastopol. By a non- 
nt. London, 1855.* Im Oftober, da war ed noch 
fo fhlimm, wie fpäterhin! — 

die Königin Victoria und ihr Gemahl Prinz Albert 
li den Krieg gegen Rußland wollen, daß fie viel 
ruſſiſchen Weſen günftig find, daffelbe dem eng- 
it vorziehen, if gar nicht zweifelhaft. Was hat 
y der Prinz Albert von England, als unvollftän- 
n und nicht eingeftandene, verſteckte Machtübung ? 
iftofraten find Beide, eigenfüchtig, ohne Geift, ohne 
Sliebe, ohne höheres Beftreben. Der Herzog von 


ſichert, beide hätten die herrliche Eigenfchaft immer 


aufrichtig zu fein, fie Pönnten gar nicht etwas Fal- 
eben, eine doppelte Nolle fpielen u. f. w. Credat 
Apella! Ih halte diefe Behauptung für einen 
und Haudglauben, der aber außerhalb feines Krei- 
dedeutet, etwa wie eine Haus-Erzellenz! — 


Donnerstag, den 18. Januar 1855. 
tönig hat das ftolze Gefühl ausgeſprochen, er fei in 
igenblick die entſcheidende Macht in Europa, ſein 
ertes Beharren in ſeiner Stellung gebiete den an— 
ten, ſich zum Frieden geneigt zu zeigen, dieſem fei- 
uffe habe fich Defterreich zu fügen, Frankreich und 

und ſelbſt Rußland. Die Höflinge, die Kreuzzei- 
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404 


tungsritter, beftärfen ihn in Diefer Meinung. Mitt 
ift er zur Theilnahme an den Wiener Berathungen gu 
eingeladen, fein Gefandter nicht zugelaffen! — 

In Brüffel ift erfchienen „La cour et le gouvern 
de Prusse en face de la coalition.* Es foll eine 
ſchrift des Artifeld in der Revue des deux mondes [i 
darin ald ein unmwürdiger Klatſch, eine widerwärtige, 
liche Beröffentlihung genannt wird, da doch in Wahr 
Artikel nur ein haltungsvoller, ſchonender, befonnener 
über offenkundige Berhältniffe und Vorgänge ift. Die 
ichrift ift ein elender Bombaft voll Drebereien und. 
und verräth weniger preußifhe Gefinnungen, als ı 
ganz in der Richtung und Art der Kreuzzeitung. Ma 
der als nicht zur Parthei gehörig bei dem raufchendf 
der von ihm geleiteten Politif dody namentlich kaum 
wird, ift fehr unzufrieden mit dem elenden Bombatft ; 
aber gefällt dad Gewäſch. — 

Das Pamphlet „La cour et le gouvernem 
Prusse“ ift von einem gemeinen Schwäßer abgefaß! 
Halbbildung fi in klaſſiſche Zitate verfteigt, und fc 
geläufigen Phrafen ergeht, die dem vornehmen Pöbel 
Europa eigen find, abgedrofhene Wendungen und Bil 
fie jeder Lakai im Salon erhorchen fann. Mir ift 
ſcheinlich, daß der Berfaffer ein Ruffe fei. Jedes Wor 
Unwahrheit, Verdrehung oder Verhüllung. — 


Freitag, ben 19. Ianuar 1 

Die Spener’fche Zeitung erfreute mich durch ihr 

Angehen wider den abfcheulichen pfäffiihen Geſetzentw 

die Ehefcheidung, mit dem unfere Heuchlerfrommer 
haben hervorzutreten. — 


405 


Rerfwürdige Aeußerungen preußifcher Offiziere; die frei- 
nten find in ungeheurer Mehrheit, leben aber im Drud 
nüſſen ſchweigen; die Minderheit der nechtifchen darf das 
Wort führen; auffallend genug find jene noch am mei: 
ir den König, diefe haffen ihn, obfchon fie den Schein 
men, feine eifrigften Diener und Berehrer zu fein. — 
enig gelefen ; nur Abends etwas in Bucher’d Werk, das 
er wichtigften unfrer Zeit ift. Ich bewundre den Ber: 
der bei feinen großen Tagesarbeiten noch ein fo gediege- 
iuf die gründlichfte Gelehrſamkeit und die Tebendigfte 
nntniß geftüßtes Werk zu liefern im Stande war; fein 
finn und Marer Umblid find die eines wahren Staatd- 

Einen folhen Mann hat das arme Preußen aus 
er Gehäffigkeit in die Verbannung gefandt! Als ob es 
Ihe hätte! Das arme Preußen! — 


Sonnabend, den 20. Januar 1855. 
e Spener’fhe Zeitung febt ihre Beftreitung des pfäffi- 
hegefeßentwurfed wader fort. Das Preußiſche Wochen: 

t heute von der Polizei weggenommen worden. — 
englifchen Blättern wird Preußens König und feine 
ſehr verächtlich behandelt; fie fprechen von King Cliquot, 
n Champagnertrinfen anfpielend, von feinem Unver⸗ 
‚ feiner Furcht! Es thut einem weh, fo was zu leſen! 
ıher’d Werk zeigt an dem Beifpiel des Parlamentaris- 
dag in den gepriefenften Staatsſchöpfungen neben dem 
das Schlechte liegt, daß wir und täuſchen, wenn mir 
r Nahahmung engfifcher Gebilde ein beftimmtes Heil 
n, daß einftweilen die Vereinigten Staaten von Nord- 
ı noch die beften Grundlagen haben; mic) lehrt e8 auch 
Shefondere, daß der Staat als folcher nicht das Höchfte 























406 


und Einzige ift, worin der Menſch feine Befriedigung ya 
kann, daß ed andere würdige Beftrebungen giebt, die mi 
ſchadlos halten für dag, was der Staat und vermifen lit 
Ich weiß das lange, in manghen Zeiten ynd Umftänden akt 
wird es ſchwer, ja unmöglich, ſich darein zu ergeben, beſonden 
wenn der Staat, wie jept hei und, frech und roh und gleijne 
riſch in alles ſich einmifcht, und feine plumpen Tapen nicht a 
vermeiden find! — 

Der Kaifer von Deſterreich hat bei feinen Truppen ie 
Spiepruthenftrafe abgeſchafft. Erſt jept! Doch ift es gut! - 


Sonntag , ben 21. Januar 1855. 

Die Spener’fche Zeitung wieder ſehr Fräftig und brav. - 
Korrekturbogen der Arnim’fchen Gedichte. — Nachtidt au 
‚Bonn, daß Bettina nebft ihren drei Töchtern an der Gripk 
danieder liegen. — 

‚Herz Laboulaye, der gefhäpte franzöfifche Schriftiln J 
der ein eifriger Katholik zu fein keineswegs aufgieht, hat ua 
das neue vom Pabſt ausgeſprochene Dogria der unkefletta 
Empfängnig der Jungfrau ine ſcharfe kritische Unter 
ſuchung bruden laffen; gr fürdhtet den angedrohten Pana 
eines ehere gar nicht! — 
Frau von Freäfow Fam, dann guch Lutunikla, yah da S 
ſpräch wurde fehr lebhaft. Zulept kam Herr Dr. Herman 
Franck, und wir beſprachen die öffentlihen Zyikände; ihm 
ſchien der Frieden als ein vexhaͤngnißvolles Unglüd, gla an 
folgenreiche Schmach; gang Europa werde eim Bild dei ſich 
lofeßen Berfals fein, auch England mit eingefchlofieg. Ag 
mweithinaus! Denn auf immer yerzweifelt ex nicht an da 
Franzoſen noch an den Engländern, 










407 


Ordenefeſt. — In Bucher gelefen, in Fichte, in Jean 
Jacques Rouſſeau. — 


— — — — — 


Montag, ben 22. Januar 1855. 

Ordensfeſt: Herr von Savigny hat den erfehnten Schwar- 
zen Adlerorden befommen. Der Rothe Adlerorden hat durch 
feine buntfchedigen Abftufungen — mit und ohne Eichen- 
laub, mit Schwertern, mit der Schleife, mit dem Stern — 
alle Würde verloren, er ift mit unvertilgbarer Lächerlichkeit 
behaftet. Der jebige König lachte ald Kronprinz über die von 
feinem Bater damit vorgenommenen Schnibeleien, er bat ale 
Rönig fie nur vermehrt. — 

Herr Dr. Koſſak greift in der Montagdzeitung den pfäf- 
nichen Chegefebentwurf tapfer an. Dagegen hat der Graf 
von Voß — der fogenannte rothnafige, der mit mir in Halle 
1806 ftudirte — mit andern Kreuszeitungdgefellen in der 
erſten Kammer den Antrag geftellt, Eheicheidungsfachen immer 
jleich den Appellationögerichten zu überweifen. Sie lechzen 
in allen Dingen nach Ausnahmen, Vorrechten; die Gleichheit 
des Gerichtöftandes ift ihnen ein Gräuel! — 

Der Proteft Preußens erregt in Parid Unwillen und wird 
von dortigen Blättern wie auch amtlich ſcharf zurechtgemwiefen, 
man zeigt ihm, daß es fich bisher nicht ald Großmacht benom- 
men babe, und mit diefer Eienſchaft neben den Rechten auch 

Pflichten verbunden ſeien. — 

Herr Dr. Levinſtein beſuchte mich und ſprach in ſeiner 
was ſeltſamen Weiſe recht gute und wackere Dinge. Xerzt: 
icher Rath: Kaviar und Tokayer! „Über das ſag' ich nicht 
ederman; dad ift mein Geheimnig!* — 


408 


Dienstag, ben 23. Jannar 185. 

Die Polizei fucht fi heute in den Zeitungen wegen ihm 
Verfahrens gegen die hriftlatholifche Gemeinde zu rehtfet, 
gen, auch ihre Wegnahme der Armenbüchfen, wegen unerlaus ' 
ten Kollektirens! Sie beruft fih auf ihre „Auffaffunge!' 
Ja, eben diefe Auffaffungen find die Schändlichkeit. da 
Artilel macht den jämmerlichften Eindrud, man fieht ii 
Gewiſſen! — Ä 





| — — — — 


Mittwoch, den 24. Januar 1855. 

Unfere politifche Rage wird nun im Ernft gefährlich, Ni 
franzöfifche Zurüdweifung der Anſprüche Preußens ift ve 
Drohungen begleitet, die erbitternd wirken, Rußland und die 
preußifchen Rufen Gerlach und Spießgefellen ſchüren mas fi 
fönnen; die verzweifelte Lage der Engländer in der Krim wirt 
auch ſtark ein; Rußland hat die medlenburgifchen Großherzoge 
wegen ihrer Abftimmung am Bundestage belobt, Neapel rüfd 
auf Rußlands Anftiften ein ſtarkes Heer; wie leicht Tann ein 
unglüdlicher Augenblid und ald Rußlands Dienftmannen in 
den Krieg ftürzen, der am Rhein und in Schlefien zu führen 
fein würde! Alles kann ſich noch anderd wenden, bejonder 
wenn Sebaftopol erflürmt, oder ein Sieg in der Krim erfochten 
wird; aber die Gefahr ift da, und niemand ihr gemadjien. 
Wir find, wie die Times es von England fagen, in den Hi 
den einer verderbten, unfähigen, prablerifchen, und vollkever 
rätherifhen Nriftofratie. Kein einziger hober Beamter, tat 
einziger Minifter und General, der wahrer Achtung gendft 
Bertrauen einflößte, überall nichtsnutziges Junkerthum! — 

Man kann die politifchen Tohnfchreiber gleich daran e 
tennen, daß fie, wie in dem ruffifhen Pamphlet über Preuße 
nicht vorzugdweife das fagen, was auf die Menge Eindn 
machen könnte, fondern das, was ihren Herren gefällt; 


409 


t für die Sache durch Gründe, fondern für fi 
Schmeichelei wirfen. — In dem erwähnten Bam- 
ſchamlos vorgeftellt, die Königin Luiſe fei ale 
der Napoleonifchen Härte geftorben, — fein wahs 
— Ferner wird verfichert, in der Königlichen 
t berrfche die größte Einigkeit, ed wird vom häus⸗ 
des Kaiferd Nikolaus gefprochen, und andres der 
Igel — " 
urbogen von Arnim’d Gedichten, — diesmal leichte 
auf ein von Bettina abgefchriebened Blatt, wo fie 
leer gelaffen,, und die Urfchrift nicht beigelegt hat! 
org Spiller von Hauenfchild (Mar Waldau) ftarb 
Lebensjahre auf feinem Gute Tſcheidt in Ober: 
ı 20. Januar. Eines der wilden Talente, deren 
werlich zu hoffen iſt. Er war cin braver, eifriger 


Donnerstag, ben 25. Januar 1855. 
ig aus Lauſanne „trois nouvelles lettres d’un 
ısse de l’annde 1812*, in Lauſanne gedrudt, 
lich vom Fürften Wiäſemskii, der feine fonftige 
rläugnet, und in Höflingsgrobheiten und Sophi- 
die Gegner Rußlands höhnt und ſchimpft. Schlechs 


zweiten Kammer Streit wegen der Elbinger Peti- 
hen Binde und den Miniftern von der Heydt und 
denen ſtark zugefeßt wird, der lebtere nimmt fogar 
Heydt erfheint in ganzer Erbärmlichkeit. Auch 
titfchle-Rollande, ein Wicht, den ich aus früherer 
mifcht fich ein, und macht fich lächerlich, wird 
der Rechten, der er angehören will, ausgelacht. 
m Herrn Jakob von Niefen und andern Elbingern 





410 
von der Regierung angethane Unrecht, ſchon zweimal von da 
Kammermehrheit anerfannt, bleibt unerledigt! Auch der Pi; 
fident von Gerlach ließ wieder ald boshafter Hanswurſt ſih 
vernehmen. in jämmerlicher Zuftand! — i 

In Frankfurt a. M. offener Streit zwifchen Oeſterreih 
und Preußen! Bismard-Schönhaufen gegen Probeſch-Oſten 
Wenn Preußen nicht nachgiebt — warum follt’ es nicht? ci 
ift deffen ja gewohnt, — fo wird der Bund gefpalten; Def 
veich fordert feine Anhänger ſchon auf, ſich jedenfalls ihm an | 
zufchließen, auch wenn der Bund es noch nicht thut, Wahl 
eined Bundesfeldherrn angeregt; fie ſoll auf den Kailer vn | 
Defterreich gelenkt werden. — 

Rachmittags Befuch von Herrn Dr. Frand; er ift aufe 
fi über die fchlechte Wirthſchaft in England, das Zugrunde 
gehen des Staates durch Dummheit, Unfähigkeit und Ber 
rätherei eines Haufens von Ariftofraten, er meint, der um 
Napoleon ausgefprochene Gegenfag „entweder koſackiſch et | 
republikaniſch!“ rüde von beiden Seiten näher zur Entſchei⸗ 
dung; ich formulire den Ausſpruch etwas anders, ich fag: 
„zunächft Tofadifch oder republilanifch, aber ſchließlich republi 
fanifch ;* die Rufen, wenn auch augenblidlich vielleicht Euren 
beſiegend, machen doch deſſen Entwidelungen alte mit, un 
alle ihre Fortſchritte ſind Schwächungen ihrer Despotie. — 
In England Staatsſtreich oder Revolution, beide führen auh 
zu demfelben Ziel! — 

In Münfter ift Fräulein Auguſte von Brieft geftorben; 
mit ihr erlifcht diefe alte märkifche Familie, berühmt dure 
den Landrath von Brieft auf Bähne zur Zeit des großen Kur 
fürften. Als ich im Jahr 1807 zuerk Nennbaufen befucte, 
war das Fräulein ein Meines Kind (Stieffchiweiter von Kara 
line von Fouqué, geb. von Brieft, und Tante von Marie 
von Kouque.) — 

Wenn fich die Menfchen beffer auswiefen, als ich fie ge: 





u 


ht, war ich immer froh geizrt zu haben; ärgerlich aber, 
en mein Irrthum fie für beffer gehalten, als fie ſich aus⸗ 
ieſen. Doch hat mich das Beſſere vorauögefept zu haben nie 
eteut! — Bei Gelegenheit von M. ıc. — 


Freitag, ben 26. Januar 1855. 

Der König hat vorgeftern in der militairifchen Geſellſchaft, 
ie den Geburtätag Friedrich's des Großen feierte, eine 
hwungvolle Anrede an dig Offiziere gehalten, die ſtarke poli- 
Ihe Andeutungen gegen Frankreich ausgefprudelt haben foll. 
Ye „Neue Preußifche Zeitung“ erwähnt diefer Rede, giebt 
ber die Worte nicht wieder, entweder wagt ſie's nicht, oder 
e darf nicht. Die Offiziere ſchweigen darüber. Alle Der: 
uthungen gehen dahin, daß die Rede nicht mitgetheilt wer- 
m wird, außer in neuredigirter Faſſung. — 

In Bien find die Friedendunterhandlungen noch nicht 
öffnet. Es ift wunderbar, wie man bier faft einftimmig 
'ünfcht, der Krieg möge fortgefept werden und eine größere 
müthigung Rußlands, als die fchon jetzt erlangte, zur 
olge haben. Nur die Kreuzzeitung feufzt fcheinheilig nad) 
tieden, damit dem Blutvergießen ein Ende gemacht werde! 
ont war das Scheufal doch eifrig für das Leo'ſche Wort, 
m frifcher Krieg fei nöthig, um das ffrophuldfe Gefindel 
us der Welt zu fchaffen! Der Menfchenfreund, der Ehrift! 
Ind wie gut berechnet! Als ob das flrophulöfe Gefindel 
ı den Krieg zöge! in übermüthiged Gefindel, ein vom 
hweiße des Volkes gemährtes, zieht in den Krieg, die 
unter = Dffiziege! Das würde ein ſchönes Jammern geben, 
san unfte Garden in’g euer kämen! Jetzt frohlodt die - 
uſſenparthei hier über die Perluße der engliſchen Adeldfami- 
g in der Krim! — Ich kann für meinen Theil feine Kort- 
yung des Krieges wüͤnſchen, weil ich der einen Geite mohl 





412 


die Niederlage, der andern aber nicht den Sieg günne; m FE: 
den Völkern ift ohnehin gar nicht die Rede, nur von ihm 
Leitern, die auf allen Seiten nit? taugen. Der Kin 
gegen die Ruffen ift nicht mein Krieg, aber mein Rrigif | 
auch nicht der Für fie! — 

Ich las im Jean Jacques Rouffeau, in Fichte; franzöfiide 
und englifche Blätter. — | 

Defterreich verfpricht den deutfchen Bundesgliedern, di | 
fih ihm anſchließen — mit oder ohne den Bundestag — Ni 
Gewährleiftung ihrer Befigungen und mögliche Bortheile bum | 
Frieden, Die andern Bundeöglieder find alfo nicht gefigertt | 
Und das foll noch Bund heißen! Aber machte Preußen ein | 
Erfurt nicht ebenfo? Nur daß der Muth fehlte, und man 
ſchimpflich nachgab! Gepriefened Warfchau, gepriefenes Olmih: 
Und das herrliche Bronzell dazu! — | 

In der militairifchen Gefellfchaft war von Leuthen und 
Roßbach gefprochen worden, der König in feiner Anrede nahm 
nur Roßbach auf, und ließ Reuthen fallen. Eine Menge vor | 
Bariationen laufen über diefe Ansprache um. Das komm 
wohl daher, weil einige Berichte nur wiedergeben, was der 
König feierlich an alle Anwefende gerichtet hat, Andre damit 
folhe Neußerungen- verfnüpfen, die gefprächsweife von ihm 
gegen Einzelne gemacht worden. — 





J 


Sonnabend, den 27. Januar 1855. 
Die Nationalzeitung ift heute von der Polizei weggenom— 
men worden. Das war zu erwarten, fie hatte in letzter Zeil 
einen trogigen Ton angefchlagen, und die Kreuzzeitung fie 
denunzirt! — Die Spener’fhe Zeitung ſpricht wieder gegen 
das pfäffifche Eheſcheidungsgeſetz, und gegen die Mehrheit der 


413 


ten Kammer, die über die gerechten Elbinger Petitionen 
Tagesordnung überging! — 

Befuch von Herrn Dr. Levinftein. Cr lieft mir einige 
werfungen über Hamlet vor... Er hat gehört, ich fei einer 
fleißigſten Mitarbeiter, Förderer und Austheiler der Volks⸗ 
ng, befuche fleißig eine Bierftube in der Johannisftraße, 
fih Bernftein auch einfindet u. f. w. Manteuffel und 
deldey follen dies feit glauben! Wenn das der Fall it, fo 
fie zu bedauern, fo ſchlecht bedient zu fein! — 

Ueber die Anrede des Königs an die Offiziere in der mili- 
chen Geſellſchaft gehen noch immer die mannichfachften 
ihte um. Nach einigen war der Hauptitoß gegen Die 
nzofen gerichtet, nach andern gegen Defterreidh, nach noch 
een Die heftigite Partheinahme für Rußland ausgeſprochen. 
inur einfach Friedrich der Große gepriefen worden, wie 
‚ verfichert wird, glaubt kein Menſch. Die Verficherung, 
Rede fei harmlos gewefen, denn fie fei ja vor dem Saft: 
l gehalten worden, vertheidigt den König in fehr unge: 
fter Weife, das wird in anderer Richtung beleidigend. — 
In England ift Lord Sohn Ruffell aus dem Minifterium 
bieden. Man hofft Aberdeen's Entlaffung, Palmerfton’d - 
tritt. Ob damit viel gewonnen fein wird? Palmerjton 
in den letzten Zeiten fehr übel enthüllt worden, er weift fich 
t viel befjer ald die anderen aus. — | 
Der König bat. den Generallieutenant von Wedell mit 
m eigenhändigen Schreiben an Louis Bonaparte nad) 
18 gefhidt. Er foll den Sturm befchwören, der gegen 
ußen audzubrechen droht. Bloße Worte werden mit Wor- 
erwiedert werden. Indeſſen fchreiten die öfterreichifchen 
läge rafch vor. — 

Der englifche „Punch * ift hier an allen öffentlichen Orten 
oten worden. Erenthielt in jedem Stüd die ſchmähendſten 
fälle gegen den König, der ald Trunkenbold, ale Feigling, 





414 


ale Wortbrüchiger, dargeftellt wurde. — (King Eliguet u. .w) 
Er ift doch noch zu haben! — 1 
Auf die preußiſchen Diplomaten wurde geſchimpft, aufiht 
Unfähigkeit, Unwiffenbeit, Schwäche. Zugegeben, Sittim 
armfelige Zucht, eine jämmerliche Gefellfihaft.. Dann de 
Ichuldigte man ihren Führer, den Minifterpräfidenten ven 
Manteuffel, derfelben Eigenfchaften. Auch das fand keinen 
Widerfpruh. „Aber,* fuhr endlich ein alter Staatsmimier 
heraus, „was können die armen Teufel dafür, daß fie mt , 
arme Teufel find? Und fie felber haben fich doch hit ihr 
Anftellungen gegeben!” Das flug tief ein, und alk 
ſchwieg! — 


Sonntag, den 28. Jannar 1858. 
Seltfames Fortleben abgefchiedener Seelen im Gericht 
wefen! Die heutige Zeitung bringt eine Liſte von Teftamente, 
die umeröffnet bei Gericht liegen geblieben find, darunter if 
eines vom Jahre 1795 des Heren und der Frau von Grottbui; 
“wie lange find diefe einffaflbefannten, viefbewegten und welt 
lich angefehenen Perfonen todt und vergeffen, nur am ie: 
Namen Goethe, Genlis und Rahel noch leife angefmüpft! N 
fommt dad Gericht, und führt fie mit allen Namen ausfährlt 
auf. Das Teftament Tonnten fie Tiegen laſſen, fie Hatten beit 
nichts mehr zu vermachen, und brachten ihre legten Xebendfahtt 
in großer Dürftigfeit hin. — | 
In Karl Philipp Morik gefefen, in Louis Blam; in 
Shafefpeare, um den Forfchungen des Dr. Levinſtein übe 
Hamlet's Karakter nachzugehen; ich kann feiner Auffaffurd 
noch nicht ganz beiftimmen, verwerfen fie aber auch noch nidt. 
Die Beihäftigung mit diefem Gegenftand ift anregend uf 
ergiebig. — 


415 


Der König hat in der militairifchen Gefellfehaft, — fo lautet 
: neufte und ziemlich glaubhafte Bericht, — den Offizieren 
jagt, er werde den Frieden erhalten, fie follten ſich daher 
ht auf Kriegsgedanken einlaffen, fondern Friedensſtudien 
nben, auf die Nachrichten in den Zeitungen nichts geben, 
haupt fich nicht mit Politik befchäftigen. Trotz diefer 
auptrichtung feiner Worte foll er aber dennoch aufregende 
ebendinge erwähnt, und feine Gefinnungen für Rußland ge- 
ist haben. — („Steden Sie Ihre Degen ein, meine Herren, 
it und bleibt Friede!” Dies find eigene Worte des 
öͤnigs.) Späterer Zufap: Nicht die eignen Worte, nur . 
t Sinn! Der König ſprach jtotternd, unficher, wortefuchend, 
id nannte die Arbeit des Friedens frucdhtbarer und beffer 
die des Kriege. Seine Rede machte den fchlimmften Eins 
ud. — 


Montag, den 29. Januar 1856. 

Ich ließ die 8 Bände Wolf’iher Schriften bei Frau Dof- 
tm Körte abholen und begann fogleich fie durchzufehen. 
Re mußt’ ich auf's neue den herrlichen Mann bewundern, der 
Roße und mannichfache Dinge geleiftet, mit folchem Fleiße, 
Ihem Scharffinn, folder Anmuth! Ich fand ziemlich alles 
der, was ich von ihm fenne, eine Erflärung gegen Herder _ 
genommen, und die Schrift über die Klatfchereien von 
oigtel in Halle, Teptere ift wohl mit Abſicht weagelaffen, ob 
ih mit Recht ift eine andere Frage. An Briefe hat man, 
e es fcheint, nicht gedacht. Dem Direktor Ferdinand Ranke 
ij ich eine Ehrenerflärung machen, er hat die Tateinifchen 
jriften mit großer Müh’ und Sorgfalt zur Herausgabe ge- 
net, eine ausführliche Iateinifche Einleitung dazu gefchrieben 
auch Anmerkungen nicht gefpart. Ich kann es nicht uns 


416 


billig finden, wenn er auf ein Honorar für diefe Arbeit mitt 
verzichten will. — Unerwartet fand ich hier auch zwei Geb— 
liamben wieder, die bei einem Feſte bei Keriten im Thier: 
garten im Frühjahr 1807 Wolf aus dem Stegreif mir jun 
Dank für mein galliambifhes Feſtgedicht fagte, und de 
mein Gedächtnig nur unvollflommen aufbewahrt hatte; ft 
lauten: 
















„Wie gelehrt und kunſtvoll wagft du, du Zauberer des Belange, 
In des Salliambus Taktſchritt die begeifternde Melodie!“ 


Welche Zeit ruft alles diefed mir zurück! Welches Auf⸗ 
ftreben, welchen Eifer, Fleiß und Umblick, welche Genofe | 
ſchaft! — 

Befuch vom Herrn Grafen von Wartendleben. Merlwir⸗ 
dige Mittheilungen! Frau von Nimptſch kam dazu. Spike 
Herr Dr. Ring. — | 

Gerücht, daß der Geheime Juſtizrath Pernice Minife 
werden fol. Der König liebt. ihn ſehr. Man fpricht vom 
Austritt der ‚beiden Minifter von Raumer und von U 

phalen. Was kann das helfen? — 

Herr von Stillfried foll der Vorftand eines neweinguik 
tenden Heroldamtes werden, mit 4000. Thalern Gehalt, fan! 
beiden Gehülfen, Herr Märder und Herr von Ledebour, folk 
jeder 300 Thaler befommen. Das Amt ift eine Sinekur, d 
fol 6108 der Unlap fein, dem Günftling ein tüchtiges Stud 
Geld zuzumwenden. Des Borwanded wegen muß man nu 
außer den 4000 Thlrn. auch noch 600 Thaler ausgeben, de 
Bureaukoften ungerechnet. Friedrich Wilhelm der Erſte hob: 
das Heroldamt gleich bei feinem Regierungdantritt auf, um 
. feitdem hat Preußen ohne diefe Behörde recht gut beftanden. 

Gegen Polizeibeamte fann feine gerichtliche Klage meh 
ftattfinden, die Polizei erhebt fogleih ein Konfliktverfahreg 
und das Gericht muß abftehen. In der zweiten Ka 


417 


offen ausgefprochen worden, daß Verwaltung und Polizei 
rlih handeln dürfen, ohne an irgend ein Gefeg gebunden 
a. Scham giebt ed nicht mehr, bie Willtür ſteht auf 
ipfel der Frechheit. — 

ie Erflärungen Oeſterreichs in Betreff der deutfchen 
m wird mit Recht ale ein Staatöftreich gegen den deut: 
Bund, ald deffen Sprengung angefehen. — 

er General von Wedell, den der König nach Paris 
‚ it wegen Theilnahme an den preußifchen Aufitänden 
hre 1809, — Schill, Katte ꝛc. — von dem Kriegsge⸗ 
des Kaiſers Napoleon zum Tode verurtheilt, von dem 
zu den Galeeren verurtheilt worden. Erſt das Jahr 
bat ihn wieder befreit. Er trägt noch die Buchftaben 
(travaux fore&s) eingebrannt. Iſt dieſe Wahl eine 
eſſene? Scwerlih! Außerdem fpricht er fo gut wie 
icht Franzoͤſiſch. — Ein anderer Wedell wurde in der- 
Zeit erfchoffen. — 

er General von Wedell forderte eine Inſtruktion für 
Sendung, der König wies ihn an Manteuffel. Man- 
fagte, er fönne feine geben und wies ihn an den König 
‚ aber fihlieglih mußte ihm doch Manteuffel einen Wifch 
tigen, mit dem Wedell erflärte nichts Rechtes anfangen 
nen, doch reifte er damit ab. — 


Dienstag, den 30. Jannar 1855. 
ie Offiziere find mit der neulichen Anfprache des Könige 
tzufrieden, und es ift fonderbar, wie jeder etwas anderes 
gehört hat. — 
n Bundeötage fcheint die öÖfterreichifche Aufforderung 
werchzudringen, Sachſen widerfpricht, dagegen flimmt 


ver zu, auch Darmitadt und Kurheſſen. Batern wollte 
nhagen von Enfe, Tagebüder. XI. 37 





418 


vermitteln, aber Defterreich wies jede Vermittelung ab, 
der Minifter von der Pfordten, der ſchon nach Berlin ı 
wollte, bleibt in München. — 

Preußen hat erflärt, wenn ed auch den Verbündeten ı 
Rußland nicht beitreten wolle, fo fei hinwieder ein Anſchh 
Rußland ganz undenkbar. Aber daß diefer Anfchluß ſeit 
halben Fahre eifrigft gewünfcht, vorbereitet und bei wieder! 
Anläffen fogar verheigen worden, läßt fich nicht abläugn 

Das englifche Minifterium ift gefallen! Ed nimmt & 
und Schande reichlich mit, läßt aber auch deren nod 
zurüd, in die fich die Nachfolger theilen werden! Piel 
werden fie nicht fein. — 

Der Schweizer Ochfenbein franzöfifcher Brigadege 
Er war ſchon früher von den Liberalen zu den Konferv 
übergegangen. — 

Unfer General Graf von Noftiß hat hier, auf die Raı 
daß Hannover für Defterreich am Bundestage ſtimmt, | 
den Befehl erhalten, auf feinen Geſandtſchaftspoſten 
Hannover abzureifen, und entgegenzuwirken! Der wir 
Rechtes ausrichten! — 

Der Gefandte von Ufedom muß beute aus Londo 
eintreffen, unverrichteter Sache! Sie meinen bier, all 
Einzelnen zu betreiben und einzurichten, wenn das Gan; 
fäumt und verfhoben tt. — 

Bei der Wahl neuer Wahlmänner wegen eines r 
wählenden Abgeordneten zur zweiten Kammer haben di 
liner fi wieder ſchwach betheiligt; in einem Bei 
wegen Mangel an Wählern gar nicht gewählt werden fi 
„Das ift ganz Recht! Warum ſich Ungelegenheiten ı 
um folhe Kammern zu haben, deren Mehrheit fih a 
feigite, bübifchjte Gefindel benimmt ?* — 

Die häpliche Verwidelung ded Prinzen Karl mi 
Namen Wedede foll fih noch immer fortfchleppen. 


419 
irde ſchon längſt, heißt es, verurtheilt fein, wenn er nicht 
‚ihidterweife jeine Sache immer wieder mit dem Prinzen zu 
tfnüpfen wüßte, der, da es ihm nicht gelinge ſich von ihm 
zulöfen, nun ſehr wünfchen müffe, daß die Sache niederge- 
lagen werde. — 


Mittwoch, den 31. Januar 1865. 

In der Nationalzeitung fteht in einem Bericht aus Kon- 
ıtinopel das bedeutende Wort: „Wenn auch Rußland auf 
Oberfläche fortwährend wächſt und zunimmt, unter der: 
ven verliert ed in größerem Maße, indem Deutfches und 
topäifches in ihm unmwiderftehlich zunimmt.“ Das mein’ ich 
nfalld, ehe Europa ruffifch wird, hat Rußland aufgehört, 
nich zu fein! — . 

Befuh vom General Wilhelm von Willifen; die polis 
ven Zuftände befprochen, Defterreich® troßiged Vorgehen, 
upend Mägliched Nachgeben. Das Schlimmſte ift die 
ere Auflöfung und Verderbniß, die von obenher angeord- 
' Entfittlihung des ganzen Staates, der Verwaltung, der 
htöpflege, der Geiftlichkeit, der Gelehrten, die aufgedrungene 
ıhelei, die Unterdrüdung aller Freiheit, alled natürlichen 
bie. Man will nur Knechtsgeſinnung und Augendienerei; 
Bolizei mit ihrer Willlür und Gewalt, und ihren Spähern 
geheimen Angebern, zerftört alle Ehrenhaftigkeit, fogar 
Offizierftand ift in gedrüdter Lage, darf feine Meinung, 
 Selbitftändigkeit haben. Oft genug ift dieſes alles durch⸗ 
tochen worden, aber man muß es ſtets mit neuen Stacheln 
a8 Bewußtfein eindrüden! — 
Rorrefturbogen Arnim’fcher Gedichte, Papier fehlt in der 
derei, wo Bettina von Arnim ift, weiß man nicht zuver⸗ 
j. — 

Breußen ift jehr ärgerlich, dag ihm die Verbündeten nicht 
re Beadhtung widmen. Aber wie geringe Beachtung 

27° 





420 


widmet ihm Rußland, feit langer Zeit, und befonders feit tem 
Beginn der jegigen Gefchichten! Für diefe Schnödigkitn 
ſcheint das preußifche Kabinet nicht empfindlich! 

Herr von Mitfchke-Kollande macht fich zum dreiften Sant | 
wurft der zweiten Kammer, wagt fih an Binde'n, der ihm jmr | 
gute Badenitreiche giebt, fich aber doch eines folchen Lumpen 
geaners ſchämt. Wir werden den Lump aber nächftend befür 
dert fehen, er legt ed ganz darauf an, und warum follt' es ihm 
nicht gleich fo vielen Anderen gelingen! — 

Daß der berüchtigte Goedfche in den Adelſtand erheben 
werden foll, iſt wohl nur eine luſtige Erfindung. Aber mt 
weiß! Der Mitjchke’fche Abelftand ift auch nicht viel kin 
verdient worden! — 

Alles Hagt über Stoden der Geſchäfte, Nahrungelofget 
und Theurung, die Armen leiden bittere Noth, der Hill 
wird immer weniger. Dabei DBergnügungen über Vergni⸗ 
gungen! Die Spaltung in zwei Nationen, Reiche und Arm, 
wird immer deutlicher, die beide Theile vermittelnde Wahl 
habenheit ſchwindet, fie fteigt entweder zum Reichthum ar 

| 






oder finft — häufiger — zur Armuth hinab. — 

Einige Landräthe haben auf Grund von Miniftermab 
nungen fi erlaubt den Befehl ausgehen zu Taffen, daß die 
jungen Leute nad) der Konfirmation noch bis zum zwanzigſin 
Jahre dem fonntäglichen Katechifiren der Prediger beimohnn 
follen, unter angedrohter Geldftrafe! Ganz ungefeplih! Dr. 
Augendiener aber machen fich durch ſolche Uebergriffe ei 
Natürlich ift bloß von Proteftanten die Rede. — 

Hunderttaufend Franzofen follen durch Defterreih mar 
fhiren, um gegen die Ruffen zu fechten. Wird der deutiät 
Bund, wird Preußen den Durchzug geftatten? Er kann auf 
durch Stalien geſchehen, wird aber doch jedenfalls öſterreichiſche 
Land berühren, das zum Bunde gehört. — 

General Adolph von Willifen ift mit befonderen Aufträge 


421 


ig an den Prinz-Regenten von Baden nach Karlsruhe 

vorden. — (Wegen der Minie-Büchfen, die man in 
bei den Truppen einzuführen beabfichtigt, und mit 
Karlöruhe Ihon Proben angeftellt worden find.) — 


Donnerstag, den 1. Februar 1855. 

e Huftennaht! Wie häßlich fieht der Tag aus! Die 
öde, nirgends eine Spur von Fröhlichkeit. Keine 
bricht, von feiner Seite, man erwartet ſchon feine 
Ind feine Luſt zur Thätigkeit! Doc das Tebtere 
loß von meinem Kranfheitszuftand. — 

ch vom Grafen Arhibald von Keyferling und vom 
Arthur von Seher: Thoß. Letzterer hat früher in 
en Dieniten geftanden, dann fich auf feine Beſitzung 
m zurüdgezogen, ift in den Krieg verwicdelt worden, 
nun wieder hier. Lebhafte Erzählungen aus jenen 
erfäumniffe der Ungarn, perfönliche Verhältniffe; er 
r Briefe von Görgey und Klapfa mit. Ueber die 
higkeit der öfterreichifchen Kaifer, über die fchändliche 
ie dem General Yellachich aufgetragen und von ihm 
'pielt wurde, „Ungarn ift heute wieder ganz bereit, 
abzuwerfen, und für die Freiheit in den Kampf zu 
zes Hoffeft. Feuerwehr in Bewegung, 6 bis 8 Spriben 
ein in der franzöfifchen Straße. — 

Soethe’3 naturwiflenfchaftlihen Sachen gelefen, in 
fen des Plinius. — i 

Sngland noch Fein neued Miniſterium, ein tüchtiges 
feinem Ball zufammentommen, immer nur der alte 
was anders gemifcht! — Omer-Paſcha foll feine 
ung niedergelegt haben; öfterreichifche Ränke! — 








422 


Meberhaupt, welche Spigbübereien find im Schwange, vn 
allen Seiten! — 

Defterreih hat am Bundestage feine Anträge zuridg 
zogen, und ift den preußijchen beigetreten, daß anitatt me | 
Mobilmahung des halben Bundeöheered eine Marichfertigit 
binnen 14 Tagen für alle Kontingente befchloffen werden jellt. 
Dies ift einftimmig angenommen worden. Preußen, unter 
dem Schein ded Eigenwillend alfo doch gefangen! Defterrit, 
unter dem Schein des Nachgebend alfo doch im Bortheil! — 

Schwierigkeit ein engliſches Minifterium zu bilden. Bu 
eintritt, muß die Bedingungen der Lage annehmen, nicht nut 
der troftlofen äußern, fondern auch der mißlichen inneren; 1 
muß den Prinzen Albert ald ungenanntes und nicht zu nm 
nendes Haupt des Staats annehmen, defien Willen berüdiid: 
tigen, weil derfelbe den der Königin beftimmt oder in mandın 
Fällen fogar erfegen muß. Die Lage Englands ift Rußland 
gegenüber noch lange nicht fo verfänglich, als gegenüber 
Frankreich, nachdem die englifche Seemacht nirgends viel aut 
gerichtet und die Landmacht zu Grunde gerichtet ift, fteht En® 
land neben feinem mächtigen und ſtets gefürchteten Bunde? 
genoffen ganz Hein und armfelig da, braucht defien Unte 
ftügung, darf nicht den geringften Eigenwillen zeigen ıc. M« 
fühlt in England died demüthigende Verhältnig mit Scha 
und Schreden. — 





Freitag, ben 2. Februar 18585. 
Das ſcheinbare Nachgeben Defterreihd am Bundestas 
das ſcheinbare Rechtbehalten Preußens, beides aber in Wah 
heit das Gegentheil des Scheins, wird hier am Hof und 
dem Miniſterium als ein großer Sieg gefeiert, fie find ga 
freudig und ftolz darüber, Die blinden Thoren! Sie glaut 
nicht an Schläge, bis fie fie auf dem eignen Buckel fühle 


423 


n Wien tft man zu ficher, um in dem Schein eine Gefahr zu 
ben, man nimmt ihn ohne Bedenken an, da die thatfächliche 
irflichteit zum klaren Vortheil gereicht, und man lacht über 
m dünfelvollen Bethörten. — 

In Goethe gelefen, im jüngeren Pliniud, deffen Briefe 
ir ein, guter antegender Nothbehelf find; man thut wunder: 
ue Blite in das römische Weſen! — Alte Papiere durchge: 
ben. — Engliſche Blätter, — 

Die durch das neue Dogma von der unbefledten Empfäng- 
& der Jungfrau Maria geftärkte katholifche Kirche ſetzt nicht 
ır in Baden ihren Krieg gegen die Staatöbehörden eifrig 
tt, fondern droht auch) in Turin und Madrid, wo man geift- 
he Güter für die Staatsbedürfniffe verwenden will, mit 
ten Bannftrahlen. Diefe würden ganz ohnmächtig fein, 
enn nicht der — Louis Bonaparte für gut fände, den frei- 
migen Kortfchritt an beiden Orten zu hemmen! — 

„Der König hält fich für den muthigſten, befonnenften, 
ügften und Tonfequenteften Mann in’ der Welt, für den 
letter Preußens, Deutſchlands, für den Schiedsrichter 
utopa's. Daß er jetzt in einer Richtung, die er haßt und 
iemald einſchlagen will, einen ſtarken Schritt vorwärts ge- 
an hat, macht er fi) zum Triumph, und ift voll Stolz und 
reude deßhalb.“ Man fagt, Manteuffel erhalte ihn bei diefer 
ünfelmeinung, weil er in diefer dann zu allem Nachgeben 
18 bereit ift. — 

Bei dem geftrigen Hoffefte hat fich folgendes Aergerniß 
getragen. Der Prinz Karl geht an den ausgeftellten Wacht: 
ten der Gardedukorps vorbei, fieht fie mißfällig an, und 
tt dann ihrem Offizier, dem Major Grafen zu Stolberg, fie 
ven fchlecht aus. Der fieht erfchroden nach, und findet alles 
befter Ordnung, meldet aber die Sache dem Kommandeur 
erit von Derenthal, der ebenfalld nachfieht und auch alles 
adlih finde. Graf zu Stolberg geht an den Prinzen 





424 


heran, und meldet ihm dad, Der Prinz ruft zornig: „In Wi: 
ich finde es nicht fo! Ueberhaupt ift bei den Gardedulen ir 
vieles nicht in Ordnung!“ womit er fi) abwendet, der Guf | 
ihm aber noch nadhruft: „Das, Königliche Hoheit, find Ir 
ſichten!“ Inzwiſchen ift alles auch dem kommandirenden 
General der Garde gemeldet worden, und diefer, der Graf ven 
der Groeben (von Bronzell!), tritt nun auch zu dem Prinen | 
mit einigen Offizieren, um ihm Vorftellungen zu machen, ir | 
Prinz aber antwortet fu grob, daß Groeben erblaßt, und dem ! 
Prinzen jagt, er habe fchon mehrmald vergebend um feinen | 
Abfchied angehalten, diesmal werde der König ihm denfelben 
nicht verfagen können. — (Der Anfang diefer Gefchichte datırt | 
vom Ordensfeft, und war der Offizier der Lieutenant Grf | 
von Kleift; fie feheint auf dem Hoffeft vom Donnerstag ji | 
wiederholt und weitergefponnen zu haben.) — | 






Sonnabend, den 3. Februar 1855. | 

Der König hat den Herzog von Gotha eingeladen, fehl: | 
nigft nach Berlin zu kommen; er ift fehon eingetroffen. & | 
heißt, der König wolle deifen perfönliche DBermittelung in | 
England nochmals anfprechen. — | 

Der König ift aufgebracht über feine Minifter, daß fir 
feine Benennungen, „Herrenhaus *, „ Haus der Abgeordneten‘, 
„Allgemeiner Landtag”, in der Kommiffion der zweiten Kam 1 
mer nicht durchgefeht, nicht mit überzeugenden Gründen ver | 
theidigt haben. Es mag ihnen freilih daran wenig gelegen 
gewefen fein, dem König aber fehr viel, — 

Die ruffiihe Parthei hier hindert viel, gewinnt aber dech 
feinen rechten Boden. Der Generaladjutant von Gerlach hat 
wieder folche Stöße erlitten, daß ed nun endlich hieß, er werk 
feinen Abfchied nehmen. Aber der Fant kann was aushalten, er 
nimmt den Abfchied nicht, er bleibt, Bid er ihm gegeben wird. — 


425 


Graf Hand von Königgmard ift aus dem Haag hier 
nen, um feinen Sig in der erften Klammer einzu- 
ein trauriger Gefandter, ein traurige Kammermit: 


ſucht zwifchen Danteuffel und Hindeldey, die Bor: 
letzteren beim Könige find jenem fehr unangenehm. 
Htigte Malmene trägt den bitterften Haß der Polizei, 
| Manteuffel.mit ihm in Beziehungen fteht. — 

Histoire de ma vie par George Sand“ gelejen. — 
3 Buch der Lieder. Tert und Weberfegung von 
Heyfe. Berlin, 1855.* Der Ueberſetzer lebt in Rom, 
nfel von Paul Heyfe; feine Meberfeßung des Attis 
ımben kenn' ich feit langer Zeit, fie ift ein Meifter- 
yer in den übrigen Stüden ift Catull’d Derbheit zu 
efallen, feine Anmuth nicht wiedergegeben. — 

König hat die Gefchichte zwifchen dem Prinzen Karl 
Grafen von der Groeben auögeglichen, feinem Bruder 
gegeben, und Groeben hat damit zufrieden fein 


Sountag, den 4. Yebruar 1855. 
mittagd Befuh von Dr. Hermann Franck. Auch 
zen Bucher, findet in deffen Schrift nur Tadeljucht, 
r und ſchlechten Ton, — das alles ift zuzugeben, und 
Gehalt wichtig und fruchtbar. Freilich hat der arme, 
jen Tag hindurch geplagte Zeitungdfchreiber nicht 
xh Stimmung, ein anmuthiged, geiftreiched und ge: 
heſchichtswerk auszuarbeiten, auch würde ein fulches 
itzen; ich ſehe fein Werk ald ein großartiges Pamphlet 

in den Tag einfchneidet und viele gefährliche Vorur- 
ıten läßt. Sonderbar, daß Franck in feinen Einwen- 
egen Bucher zum Theil aus Bucher's Schrift heraus: 





426 


ſprach: „Er fagt nicht, was denn gefchehen fol." Das tm 
er freilich nicht, aber er zeigt, was und wie es geſchieht, du i 
vor der Hand genug. — 

Ein preußifcher Gardedukorps⸗Offizier fagte mit höhniſha 
Bitterfeit über den Herzog von Gotha: „ft die verfuhte 
Beftie auch wieder da? Man follte ihn zum Lande hina; 
jagen!" Ein anderer fagte ihm lächelnd: „Ach, Fieber fr 
merad, grade fo fprechen viele Leute von ung!" — 

Kaum ift Adolph von Willifen abgereift, fo wird ven 
Könige eine neue Kommiffion zur Prüfung der Minié-Büchſen 
angeordnet, unter dem Vorſitze des Prinzen von Preußen, mi 
Zuziehung der Generale von Grabow und von Werder. Bil: 
Iifen, anftatt das Haupt einer folhen Kommiſſion zu fein, 
wird nun ein untergeordneter Berichterftatter. — 





| 


Montag, den 5. Kebruar 1855. 

Graf von Nord ift aus Schlefien zurüd, und macht eut 
fchredliche Befchreibung von dem dortigen Elend in Folge m 
großen Waſſersnoth, Menfchen und Vieh haben feine Rahrungk 
mittel, die Aecker verdorben, feine Ausfaat möglih, Sch 
fterben, Hungertuphus. Wie früher! Was geht das im 
Hof, die hoͤchſten Staatsbehörden, die Vornehmen und Rad 
an? Die Hauptftadt mufizirt und tanzt, chlemmt und jukll 
und die Hofoffiziere phantafiren ruffifchgefinnt von Sim 
über die Franzofen und Engländer. — Betrachtungen üb 
die politifchen Verhältniffe, die Abfichten der verfchieden 
Betheiligten, die mannichfachen Möglichkeiten in der Gm 
widelung diefer Kriſis. Ich Habe nur Einen Schlüfle 1 
allen Erfheinungen: Mißtrauen, DVerrätherei, Gigenful 
und Schamlofigkeit in allen Regierungen! Cine Gele 
ſchaft von Verbrechern, deren Gerichtötag noch zu ermarl 
ift, deren Büttel einer aber fich ſchon zeigt in Louis Bo 


427 


barte, den fie in ihre Reihen als einen ihreögleichen auf: 
genommen! — 

Der König hat den Eheſcheidungsgeſetzentwurf durch feine 
Minifter aus den Kammern zurüdzieben Ceinftweilen die Bes 
rathung einftellen) laſſen, da fo ſtarker Widerfpruh ſich 
zeigte, dag an ein Durchbringen nicht zu denken war. Der 
Staatsrath foll den Entwurf nun beratben und ändern. Der 
Staatsrath! — 

Prachtvolle Schlittenfahrt der Gardeoffiziere in theatra- 
liſhen Koftümen und mit Fadeln. Sie wollen fi aus— 
zeihnen durch dergleichen! Die Offiziere der Linien- und Feld: 
tesimenter haben freilich nicht fo viel Geld zu verfchwenden. 
Die Spaltung zwiſchen diefen und den Gardeoffizieren ift 
aröger ald je norher. Ueberhaupt hegt man große Bedenken 
über den Geift ded preußifchen Heeres. General von Reyher 
meint, durch Unterdrücdung aller Nedefreiheit habe man es 
dahin gebracht, daß man über die Gefinnungen völlig im 
Dunkeln fei. Befonderd fürchtet man, dag in den Unteroffi- 
zieren der Hang zum Demofratifchen in der Stille ftets zu- 
nehme und man fragt ängftlich, wie Dem entgegenzumwirfen ſei? 
Der Borfchlag, ihnen größere Ausfichten zum Offizierwerden 
ju eröffnen, ift ald ein demokratiſcher, der wieder nur förderte 
was man verhindern will, fchon verworfen worden. — 

Die Minifter, vom Könige wegen ihres Mangels an Eifer 
üchtig ausgeſcholten, bieten alles auf, um für die neuen Bes 
immungen der Kammern Stimmen zu gewinnen; fie bes 
chwoͤren die einzelnen Mitglieder, doch hierin den perfönlichen 
Bünfchen ded Könige nachzugeben, ihn nicht ganz und gar 
ıverftimmen, an diefen Namen fei ihm alled gelegen, er fei 
nmal fo, er habe feinen Kopf darauf gejebt u. f. w. Sie 
Iten den Erfolg noch für zweifelhaft, und fiele der Mißer- 
g nicht auf fie zurüd, fo wäre er ihnen ganz recht. Der 
nifter Herr von Weftphalen hat bei diefer Gelegenheit fich 
























428 


über den König fehr fonderbar geäußert, man wife ja, derielx Fe 
jet ein Phantaft, halte auf Unbedeutendes, Taffe MWefentliäkt 
dafür außer Acht ꝛc. — | 

Manteuffel ließ an Dr. Metzel, den Herausgeber cnd 
Regierungsblattes, einen Auffag über und gegen die Maunte 
zum Drud abſchicken. Mepel, jelbft Maurer, hatte Bedenken, | 
und zeigte den Auffag erft dem Prinzen Friedrich Wühln, 
Sohne des Prinzen von Preußen. Diefer mißbilligte ti 
Blatt, und behielt es zurüd. Einem zweiten Artikel ginge | 
ebenfv. Da ließ Manteuffel den Dr. Mebel wegen Ungeher: 
ſams von feiner Stelle fuspendiren, und zu Protokoll ter | 
nehmen. Nachdem er hier zu feinem Erftaunen und Beruf 
erfahren, daß der Prinz Thronfolger im Spiel ift, hat erde 
Dr. Mebel wieder eingefeßt! — 


Dienstag, den 6. Februar 1855. 

Graf von Kenferling bringt mir die Nachricht, dap Mr: 
König feinen Kabinetsrath Markus Niebuhr in befondern Kt | 
trägen nad) Paris gefchiett hut, ohne daß Manteuffel das dei 
ringfte davon weiß; man bat darüber ſchon fehr mipfälis: 
gefprochen, und jemand meinte, fi) bei Louis Bonaparte u 
bemühen, daß der doch erlauben möge, daß man es mit Ruf‘ 
land halten dürfe, fei doc) eine ebenfo wunderliche ala wenig 
würdige Politik! Uebrigens urtheilt man über diefen Nicht 
ſehr ungünftig, und fagt, an Geſchicklichkeit ftehe er nod tif 
unter feinem Vater. — | 
Im Halliichen Wochenblatt für Stadt und Land jteht ei 
Stelle, die heißt: „Die Unverleplichfeit der Türkei erhaltet 
wollen, gränzt an Gottesläſterung; die Heere und Jloitet 
Englands und Frankreichs ſtehen in dieſem Moment im ein 
fachiten und klarſten Dienft des Teufeld; das Gebet jede 
Ehriften darf und foll fein, daß Gott der Here fie auf je 


429 


Beife vernichte und: zerfcheitere, mie er denn durch feinen 
Bürgengel, die Cholera, den Anfang gemacht!" — Das Blatt 
vird vom lutheriſchen Prediger Herrn von Tippelskirch — ich 
ıh den Pfaffen 1836 in Emd — herausgegeben. Daß es 
olche gögendienerifche, fanatifche Pfaffen giebt, die den Namen 
‚heit Schänden, ift nicht zu verwundern; das Schlimme ift, 
ap von der Regierung dergleichen Dtterngezücht gern gefchen, 
Bünftigt und gehoben wird. — 

Ludmilla fam nach 11 Uhr von der Stahr’fchen Hochzeit 
mid. — 

In George Sand gelefen, im jüngern Plinius. — 

„Ce ne sont pas les femmes vraiment pures, ce ne 
ontpas les matrones vraiment respectees qui ont exclu- 
ivement & statuer sur les me£rites de leurs soeurs &ga- 
tee. Ce n’est pas une reunion de gens de bien qui 
it Popinion. Tout cela est un reve. L’immense majo- 
te des femmes du monde est une majorite de femmes 
erdues. Tous le savent, tous l’avouent, et pourtant 
ersonne ne bläme et ne soufflette les femmes impu- 
entes quand elles blament et soufflettent des femmes 
wins coupables qu’elles.“ Brav, George Sand! — 


Zum 6. Februar 1855. 

Markus Niebuhr war doch nicht in Parid, wie man all: 
mein geglaubt hat, fondern nur in Holland, wohin er ver: 
Hapt worden zu reifen, weil er hier eine Weile fehlen follte. 
aß er felbft aus Ehrgeiz oder Eitelkeit die Meinung habe 
ıttfinden laſſen, er gehe in geheimen Aufträgen nach Paris, 
rd von manchen Seiten geglaubt. Er ift aber nicht mehr 
in Gnaden wie vorher, feine Gunft hat einen Stoß er: 
ten. Man jagt, er habe fich zu viel zugetraut, und fich in 
nge gemifcht, die ihn nicht® angingen. — 





430 


Mittwoch, den 7. Februar 1865. 

Gegen Abend langer Bejuh von Herrn Oberlandiort: 
meifter von Burgsderf, der in Einem Zuge taufenderlei Dinz 
erzählt, Wichtiges und Geringes, mit größter Lebhaftigkeit un 
luftigften Neuperungen. Er war am Donnerftag auf du 
Hoffeft und Augenzeuge eines lebhaften Gefpräches zwiſche 
dem König und dem Grafen von der Groeben ; der König m 
wie außer fich, machte die heftigften Geberden, zeigte & 
größte Staunen, den größten Unwillen, Groeben fchien ih 
eine Sache zu berichten; der General Leopold von Gerla 
ftand erfchroden dabei, fprach aber nicht mit. Humboldt le 
grade, ale died vorging, wich aber vorfichtig aus, und nähe 
ſich dem König erft lange nachher ; — als er dem Könige fei 
Berbeugung machte, fnidten ihm unwillfürlic die Kniee, m 
bedauerte den Greis, und meinte, bei feinen 85 Jahren blei 
er beffer zu Haus im Schlafrod! — | 

Die Minifter haben nicht vergebend gearbeitet; beit 
heutigen Abftimmung in der zweiten Kammer find die X 
nennungen „Herrenhaus“ und „Haus der Abgeordneten“ ı 
einer Mehrheit von fünf Stimmen angenommen, der Rau 
„Allgemeiner Landtag“ indep mit einer Mehrheit von 
Stimmen abgelehnt worden. Auch die Befchlupfähigkeit 
eriten Kammer bei nur 60 anweſenden Mitgliedern ift mit 
ringer Stimmenmehrheit angenommen worden. Herr ! 
Binde hat tapfer geftritten. Herr von Mitſchke⸗Kollande 
wiederholt ausgelacht worden. — 

Die durch den Rechtsanwalt Dorn mwohlbegründete N 
tigfeitöbefchiwerde in der Hochverrathäfache des Dr. Laden 
und Genofien ift vom Obertribunal verworfen worden. 
Die Berurtheilung der unglüdlihen Opfer der Polis 
treibungen kommt daher zur Ausführung! ‚Der Staat 
richtshof, das Obertribunal, fie ſprechen Recht nad 
Belieben des Hofes, der Minifter, — knechtiſch und fi 


431 


unfere ehemalige preußifche Rechtspflege, die ftrenge 
Jihleit und Selbitftändigkeit der Gerichte! In dieſem 
ige ift Die Derderbnig gründlich eingeniftet, das ift den 
uhten Händen, die hier eingegriffen, nur allzu qut ge- 
en! — Auch dem vielverfolgten Lehrer Wander ift wieder 
ſchreiendes Unrecht gefchehen; ein Untergericht hatte eine 
je von ihm ald begründet angenommen, die Obergerichte 
men den Kompetenzkonflikt des Landraths an, und 
en die Klage zurüd. Kein Hahn kräht darnach in ganz 
upen! — 

Der Minifterpräfident von Manteuffel hat an Herrn 
ing, Gigenthümer der Boffifchen Zeitung, gefchrieben, man 
ie mehr als biöher die jegige Richtung der preußifchen 
tif unterftügen. Leſſing hat geantwortet, dad Minifterium 
te ihm nur Altenftüde (wie der Düfleldorfer Zeitung) 
Auffäge zufchiden, und wenn fie nicht gegen die Grund⸗ 
:der Redaktion wären, würde man fie aufnehmen. Dans 
fel hat verfprochen zu ſchicken. — 

Die Boffiihe Zeitung brachte vor kurzem einen Artikel 
: die Wirkfamfeit des Prinzen von Preußen in der Maus 
. Hinckeldey fchrieb fogleich an den Redakteur, der Auf: 
lei ganz wider die Anfichten der Regierung, und man folle 
den Berfafler nennen. Die Redaktion braucht das nicht 
hun, aber fie that’d, und nannte — den Prinzen von 
Ben! Defien Hofſtaatsſekretair Bord hatte den Aufſatz 
tamen des Prinzen überbracht. — 


Donnerstag, den 8. Februar 1855. 
Rerkwürdigfeiten vom Hofe, aus der Minifterwelt; Man- 
[| fol Graf werden und eine Dotation erhalten, dann 
wahrſcheinlich verabfchiedet werden. Steigende Gunft 





432 


ded Generalpofizeidireftord von Hindeldey; der König lich 
ihn beim Hoffefte längere Zeit mit ſich auf- und abgehen, mi 
“ fonft nicht vorfommt. — Der König hat der. Familie König 
mard eingeräumt, zurerften Kanımer ein Mitglied vorzuſtelen 
nachdem dies geſchehen, hat er zu feinem Verdruß erjahtn, 
dag diefe Familie gar nicht zum ſchloßgeſeſſenen Adel gehitt, 
eigentlich nur geringer Landadel ift! Was für Sorgen un 
Mühen! „Der Adel ift abgefchafft!” fagte die Preufik 
Nationalverfammlung 1848, das war kurz und bündig, mi 
allen Schwierigkeiten fertig zu werden! Beſſer ale Heroldim 
und all der Kram! — 

Die Minifter haben die Debatte wegen der Benennn 
„Herrenhaus * ꝛc. erbärmlich geführt, mit hitzigem Eifer, a 
mit lahmen Gründen, wie Schulknaben. Binde, Reden 
jperger und befonderd Wenpel gaben ihnen fcharfe Dinge! 
verſchlucken. — Nach vier Wochen muß eine nochmalige Ab 
jtimmung erfolgen, — 

Eine Befchwerde des Lehrers Wander, der über gefehn 
driges Berfahren der Behörde klagte, fand feine Beadtun 
man ging zur Tagesordnung über. Gewiſſenloſe, feige Boll 
vertreter! — | 

Richter und Advokaten Magen, daß fie die Maffe der 
feglichen Vorfhriften gar nicht mehr überfehen fönnen, | 
einer den andern oft vergebend frage, was ift in dieſer oder 
jener Sache Recht? Das Befte fei, daß es in gar vielen d 
len auch darauf gar,nicht anfomme, fondern auf den Wi 
— Hindeldey’3! Dieſes Drafel fteht jedem Fragenden im 
offen! — 

Der Reichthum des Lebens befteht hauptfächlih im 
jammenphalten, im Nichtverlieren. Was man einmal beje 
ift unvergänglicher Befiß geworden, auch wenn die Wirt 
feit ihn wieder geraubt. Getäufchte Liebe, gebrochene Frei 
jchaft, verfehlte Wege, nichts geht dem Achten Men] 


433 


verloren, alles Neben fördert und fteigert ihn. Nur die ger 
ringen Menfchen vergeffen ihre Vergangenheit, nur die 
ſchlechten wünfchen fie zu verhüllen. Kür Nouffeau, für 
Goethe, für Rahel, verging und ftarb nichts, ohne in ihnen 
höheres Zeben gewonnen zu haben. Für Rahel war eigentlich) 
niemand geftorben, alle Menfchen lebten für fie noch, fie hegte 
deren Gedanken, Gefühle, fie fprach zu ihnen, als ob fie da 
wären. Sie war die fräftigfte Geiftesbannerin! — 


— — — — — — 


| Freitag, den 9. Februar 18565. 

Die Boffifche Zeitung bringt heute richtig einen Reitartifel, 
den ihr der Minijterpräfident von Manteuffel geftern zuge: 
Mit hat; er rühmt die am Bundestage befchloffene Kriegsbe- 
titfhaft binnen vierzehn Tagen ald eine Bermittelung zwiſchen 
Diiterreich und Preußen, lächelt, daß Baiern ſich die Ehre 
davon zufchreibt, tadelt Defterreich® unloyalen Ungeftüm, lobt 
aber deffen Energie gegen Rupland. Was ift nun damit 
geſagt? Man möchte gern das preußifche Kabinet als weife 
und mächtig zeigen, möchte dafjelbe loben laffen, aber ed geht 
und gelingt nicht! — 

Befuh von Herrn Dr. Ring. Biel über Milten und 
Gromwell. Erzählungen aus der hieſigen litterarifchen Welt. 
dere Graf von Seher-Thoß fam dazu, dann Ludmilla. — 

Korrektur eined Arnim’fchen Druckbogens; unverftändlicher 
Inhatt ! 

Das neuefte Blatt des „Diffidenten“ von Hofmann ift 
durh die Polizei weggenommen worden. Die Polizei er: 
laubt jept wieder, dag dem chriſtkatholiſchen Gottesdienſt 
uch Männer, die nicht der Gemeinde angehören, beimohnen 
ürfen. Die angehörigen rauen und Kinder dürfen aber 
icht! Es ift die reine Willfür, die fich als folche geltend 
achen und anerfannt fein will, echt türfifh in dieſem 

BSarnhagen von Enfe, Tagebüder. XI. 28 





434 
hriftlich = germanifchen Staat! Diefe Willfür ift von der 
oberften Stelle auf niedere herabgefunfen, doch ift es immer 
die oberfte, die bier thätig ift. — 

In Rurheffen, in der Fleinen Stadt Neuftadt, find auf ein 
mal vierzig Tatholifche Familien zur proteftantifchen Kirche 
übergegangen, und haben eine eigene Gemeinde zu bilden ar: 
gefangen. — 

In Kaiferslautern ift ein ehemaliger Student Neuheukr 
wegen Ausgabe von Kofjuthnoten zu fünfzehn Monaten Gr 
fängniß verurtheilt. — 

So weit ift ed gefommen, daß jetzt Defterreich,, Preupens 
trogiger Feind, fich bei Louis Bonaparte für Preußen vr 
wendet, diefem doch den Zutritt zu den Wiener Berathungn | 
zu aeftatten, und man hofft, daß Louis Bonaparte auf dilt 
Fürfprache Nüdficht nehmen wird! — 

ch fchrieb Abends Doch noch einiged, und las dann in Grete. 
Man kann jet kaum etwas Hiftorifches lefen, ohne Ruf 
anwendungen auf unfere Zuftände zu machen; fie find ſolche, 
die reihe Saaten des Unheils, des Untergangs enthalten; 
wenn diefe Saaten nicht aufgehen, fo ift ed ein Glüd, ei 
Wunder, aber nicht dad Verdienft derer, die den unglüdligen | 
Staat in Händen haben! — | 

Frankreich und Defterreich zwingen Neapel zu ihnen zu 
halten, und gleih Piemont eine Zahl Hülfdtruppen ge 
Rußland zu ftellen. — 

Neden und Erklärungen des Admirald Napier in Londen 
gegen die Admiralität. — Minifterium Palmerfton, mit vn 
Beeliten! — | 

Betrachtung über Leffing. Auch Leffing, der edle muld⸗ 
volle Kämpfer für Licht und Wahrheit, dem die Deutfchen nie 
genug Verehrung und Ruhm widmen fönnen, ftand zulept 
doch in Gefahr, feine Tapferkeit in Streitluft ausarten zu 





435 


ben, ohne den wefentlichen Anlaß und die richtige Gegner- 
ahl, durch welche der Kampf erft ald nöthiger und edler fich 
zeugt. Er hatte ſchon mit Windelmann unnöthig gehadert, 
md wollte auch mit Goethe'n hadern. Sein früher Tod 
yit ihn der Gefahr, im Alter ald Klopffechter zu enden, in 
allen Ehren ftill entrüdt. — 


Sonnabend, den 10. Februar 1855. 

Abends Beſuch von *; er hatte beim Fürften Wilhelm 
Radziwill zu Mittag gegeffen, und von daher manches mit- 
zutheilen. Der Fürft beflagt wie jeder Andere den Zuftand 
der Dinge, die Rath- und Hülflofigkeit, in der ſich der 
Staat befindet; nirgends beftimmte Richtung, nirgends Ents 
ihloffenheit, als in der kleinen boshaften Parthei, die alles 
verdirbt und dabei felber zu regieren ganz unfähig ift; fie 
wäre nichts, ohne den Karakter des Königs, auf deſſen Vor⸗ 
urtheile, Eigenfinn und Sefbftüberhebung fie ſich ſtützt, und 
deſen Schwanfen und Wechfeln fie zu benugen verfteht. Die 
Ninifter find bloße Schreiber, geherfame Ausführer, ohne 
tigne Denfart und Anficht, oder wenn fie ja von folchen etwas 
haben, Died wenige unterdrücden und fi den Umftänden ans 
bequemen. Die zweite Kammer hat jet zwei Hanswurſte, der 
Präfident won Gerlach muß die Ehre mit Mitfchke-Kollande 
tbeilen T 

„Preußen muß im Kriege gegen Rußland das ehemalige 
Südpreugen und Neuoftpreußen wieder befommen, Warfchau 
mit allen Feſtungen der Mittelweichfel; alle was es früher 
beieflen hat, und noch einiges darüber, vier bis fünf Millionen 
Menjchen, die unter feiner Regierung bald dad Doppelte fein 
erden, und Das deutfche Element weit im Often zu befeftigen 
erſprechen.“ Patriotiſche Phantafie! — 


23 * 


436 


Sonntag, den 11. Februar 1855. 

Bei dem neulichen Feſte des — ich glaube — batriitn J. 
Gefandten hat der Prinz von Preußen zwei Abgeordnete ge J. 
fragt, wie fie über Die Benennung „Herrenhaus“ gefimm 
hätten? Der eine, Fol, fagte, er habe mit Nein geftinmt, 
weil die Gründe für Ja ihm nicht eingeleuchtet hätten. „Gut‘ 
fagte der Prinz freundlich, „ Ihre Aufrichtigkeit muß ich lot. | 
Und Sie," fuhr er fort, zu Jacobs gewendet, „wie haben zit | 
geſtimmt?“ — Ich habe dafür geftimmt. — „ Und warum?”- 
Weil mir die Gründe triftig fchienen. — „So?“ verfepte du 
Prinz, „das ift mir freilich unbegreiflich !* — Bezeichnent fir 
das Verhältniß des Prinzen zum Könige. — An Verbrüfen 
fehlt es auch fonft nicht. Der Prinz Wilhelm von Medien 
 burg-Schwerin, hier nur Prinz Schnaps genannt, hat bei dem 
legten Hoffefte die Damen Gräfin von Bismard- Bohlen, geb. 
dv. Below, und Gräfin von Perpondher, geb. von Maltzan, ven 
einem Tifche, wo fie fhon Plag genommen, aufftchen heißen, 
weil er fich dieſen Tifch im voraus gewählt habe; fie wichen, 
beklagten fich aber bei ihren Männern über die erlittene Unart, 
und diefe Flagten beim Könige. Der König fchalt den Prinzen 
aus, und befahl ihm, den Damen am andern Morgen peſſon— 
lich Entfchuldigungen zu machen; er that’3, lich aber zuglaß | 
Ausforderungen für die Männer bei feinem Befuche zurid. 
Zum Zweifampfe wird cd nun wohl nicht kommen; abet“ 
König ift auf’d neue in den wüthigften Zorn geratben, da 
jedoch meift wirfungslos verraucht, und daher wenig gefüchtl 
wird. — Eine andere Verſion diefer Erzählung läuft ad 
um: es find verfchiedene Vorgänge und Namen in Ent! 
Geſchichte verfnüpft, die Ausforderung ift eine verzieren‘ 
Zulage; die Hauptfache: das Benehmen des Prinzen und it 
Zorn des Königs find unbeftritten. — 

Starke Aeußerungen des Herrn v. Brünned.  Schimpfen 
der Gräfin v. Münfter, geb. von der Marwitz, auf den König. 





437 


Bereicherung der deutfchen Sprache: Herr von * hat zu 
iner Frau, geb. von *** gefagt, fie fei ihm „ſpeizuwider!“ 
Sie hat fich wegen vieler Mißhandlungen zu ihren Eltern ge: 
üchtet, und dringt auf Scheidung. Eine oberflächliche dumme 
serfon übrigens, voll Hoffahrt und Gemeinheit! — 

Herr von Brünned empfängt regelmäßig ausführlich Briefe 
om Staatdminifter von Schön, der aus feiner Zurückgezogen⸗ 
git noch möglichft einwirkt, um Preußen durch Fräftige innere 
Ippofition aufzuhelfen. Wenigjtend nährt er die Gefün- 
ungen. — 

Die Verwandten des angeblich wegen Hochverrathd zu viel: 
ähriger Strafe verurtheilten Kaufmanns Levy haben ein 
Snadengefuch für ihn beim König eingereicht. — 


Montag, ben 12. Februar 1855. 
Befuch vom General Adolph von Willtfen, der von Karls: 
ude und Suhl zurüdgefehrt if. Er legt mir den Stand der 
Sachen wegen der Minie-Büchfen in furzen Worten deutlich 
or, und die Einſprüche der Gegner ftellen nur deren Unver⸗ 
and oder ihren böfen Willen vor; alle Feindfchaften und Ränke 
nd gefhäftig mit Lügen und Berläumdungen, mit Argliften 
ler Art. Willifen hielte ed für ein großed Unglüd, wenn 
ht der Friede zu Stande käme, befonders für Preußen ein 
nglüd, das feine andere Stüße dann behielte, ald das zwei⸗ 
utige, gewiß bald feindliche Rußland; ich erfläre den Krieg 
fofern für Unjinn, als auf feiner von beiden Seiten die gute 
ache, nirgends für diefe ein Vortheil ift, ed möge fiegen wer 
wolle und könne. — Kleine Züge aus dem hiefigen Negier- 
fen, die denn doch zulebt den fonft immer feſten Muth 
lliſen's etwas mürbe machen! — 
Fénélon's Briefe aus der Zeit ded ſpaniſchen Erbfolge: 
ges an feinen Neffen, an den Herzog von Chevreufe; fie find 





438 


‚wichtig als gefchichtliche Zeugniffe der Derzweiflung gut J. 
reichs, der Demüthigung des ftolzen Könige. Schöne Bet J 
Fénélon's an feinen Neffen,’ den er mahnt, nicht zu telltüh 
im Kriegödienfte zu fein, nur tapfer und treu feine Schultiy 
feit zu thun; er fagt: „J’aime cent fois mieux votre fid- 
lit que votre vie; aussi bien n’y a-t-il nulle autre vie 
veritablos que cette fidelit&: le reste, quelque beau quil | 
paraisse aux yeux grossiers, n’est qu’une mort." jene 
lon ift ein wahrhaft Frommer, der aber Hof und Welt genau 
fennt, und geſchickt zu behandeln weiß; in dem ſtets erneuern 
MWiderftreiten fiegt doc immer die Frömmigkeit. Freilich mır | 
auch in der Ungnade des Hofs und in der Verfolgung, de 
feine Widerfacher ihm erfahren liegen, feine Stellung nd 
immer eine höchft günftige. — Er gehört zu den gropen Gr 
fcheinungen feiner Zeit. — Ä 

Die deutfchen Dichter find bei der großen Krifid der Belt 
zuftände ftumm. Sehr natürlich! Begeiftern kann man ſich 
nur für einen perfönlichen Helden, für die Freiheit, für da | 
Baterland; eine Perföntichkeit, für die man fich begeiſtern 
fönnte, giebt e8 in ganz Deutfchland nicht, und Freiheit un 
Baterland find bei diefer Krifis gar nicht im Spiel. DW 
Berftummen der Dichter ift ganz in der Ordnung. — — 

Humboldt hat zu Herrn Dr. de Lagarde gefagt, in Preuße" 
vermöge er nichtd, im Ausland aber, in England und Fran’ 
reich, fei er zu jeder Verwendung und Empfehlung erbötid‘ 
hier könne er ihm höchſtens cin paar hundert Thaler zum Be 
huf des Druds einer ſyriſchen Handſchrift verſchaffen, un? 
died nur vermittelft der Akademie der Wiffenfchaften, ohnt 
Betheiligung des Miniftere, — 






439 


Dienstag, ben 13. Februar 1855. 

te Gefellihaft hier ift in einem traurigen Zuftande, 
„ und nicht reich, gebildet und abgefchmadt, heffährtig 
‚mein, frömmelnd und haßerfüllt; fie ift feit vielen ab» 
ımer fchlechter geworden. — In Feénélon's Briefen kom⸗ 
Neußerungen vor, die mich lebhaft an Rahel erinnern, 
mmen Mahnungen, die er ertheilt, waren in ihr von 
erfüllt, in jedem Augenblide war fie aufrichtig, ohne 
rigenliebe, geftand ehrlich ihre Mängel und Schwächen, 
durchaus nichts fcheinen, Feine Wirkung hervorrufen, 
atte ftetd dad Höhere — Gott — in der Seele und vor . 
. Ich war tief gerührt von dieſen Zügen ihres Bildes, 
die fie mit Fenelon Aehnlichkeit hat. Auch das ift wie 
it, daß er fagt: „La demande à Dieu n’est point une 
le de discours; c’est un simple desir du coeur, 
‚nt son besoin, son impuissance, la toute-puissance 
finie bontè de notre pere celeste.* — Die Gränz- 
Nr. 7 enthalten den Schluß eines Auffaßes über Leben 
arakter der Frau von Dudevant ; fehr leſenswerth, wür⸗ 
id edel abgefaßt, wie man über diefe herrliche Frau nur 
en darf, wenn man fich nicht verfündigen will! Es ift 
eb, daß ed in den Gränzboten fteht, die nicht auf folcher 
und in ſolcher Freiheit des Geiftes fich darftellen. — 
hends zweiftündiger Befuch vom Herrn General v. Pfuel. 
ilt mir vielerlei Merfwürdiges über feine frühern Amts— 
ienftverhältnifje mit, beſonders auch über feine Sendung 
ofen. Er verfihert, daß die ätzende Schwärzung ge- 
er Polen, die man allgemein ihm zugefchrieben habe, 
yon ihm ausgegangen, im Gegentheil von ihm fogleich 
igt worden fei; warum hat er died nicht fogleich damals 
prochen ? Noch jetzt glaubt die Welt ihn diefer Ungebühr 
z, und nicht ald Bosheit, aber ald Wi und Spaß war 
ı auch wohl zuzutrauen! Nene Auffchlüffe aus der Zeit 








440 


feinet Sendung nad St. Peteröburg, feiner Miniftepn- 
ſidentſchaft ze. Ich ‚fordere ihm ſehr auf, alles Bitte 
niederzufchreiben, allein dazu hat er nicht Die Rube ud 
Sammlung. — " 


Mittwoch, den 14. Februar 1858. 

Befuc von Herrn Lewes; er holt neue Bücher für fein 
Arbeit über Goethe, freudige Anerkennung dieſes Helle 
unter den Deutfchen; über Shakeſpeare und befonders üht 
den Hamlet, deſſen Unergründlichkeit und Bieldeutigfeit, me 
das Leben felbit. Großes Lob von Stahr's Torſo. Herrlit: 
feit des Griehenthums, vollfte Blüthe und reichte Frucht akt 
menschlichen Anlagen, lauter Schönheit und Tüchtigfeit un 
Geiftes: und Kunftbegabung, bloß die mächtigen Namen af: 
zuzählen erregt Staunen, Freude, Begeifterung. — 

Nachrichten aus Wien; die ruffifche Parthei ift dort weni 
ger laut als hier, aber ftärfer und bedeutender, und fortwit 
rend in größter Thätigkeit, fie hat auch dort in der griehiid- 
ſlaviſchen Bevölkerung Ungarns große Sympathieen, die it 
hier im Volke gänzlich fehlen. Der Kaifer Franz Joel 
würde ohne die befeidigenden Berührungen, die er vom Kailet 
von Rußland erfahren, auch gut ruſſiſch fein; jetzt ſchwindeln 
ihm die Schmeicheleien im Kopfe, daß er berufen fei, felbititin: 
dig und mächtig aufzutreten; man hält ihn für äußerft gering 
an Geift, und dabei für gefhwächt durch frühe Ausſchweifun 
gen; Die etwas freifinnige Bureaufratie hat ihn in den Händen 
Fürſt von Metternich genicht aller Ehren des Alters, hat abe 
gar feinen Einfluß. Großer Haß auf Preußen, auch in de 
ruſſiſchen Parthei, und in ihr befonderd, — 

Der König ſchmeichelt fih, daß feine Vermittlung fü 
Rußland in London und Paris noch vom beiten Erfolge ge 


44] 


nt fein werde, und hat jich vor feinen Höflingen hierüber 
hmredig ausgeſprochen. Daß fein General von Webdell bei 
em Feſtabend in den Zuilerien von Louis Bonaparte be- 
derd ausgezeichnet worden, wie Die Zeitungen fagen, wird 
sltig hervorgehoben. Du lieber Gott! — 

Die infame Neue Preupifche Zeitung liefert jebt Artikel 
zemein und erbärmlich, daß fie dem Kinderfpotte verfällt; 
fragt zum Beifpiel, ob dad Regiment Königin Küraffiere 
fchiren fol, weil die Weftmächte in der Krim Noth leiden? 
Ihe Frage könnte weiter führen, ale den Halunfen, welche 
erlandesverrätherifchen Parthei vorftehen, lieb fein möchte! 
: Zeitung widerfprach, ald Niebuhr’s Abreife nad) Paris 
weldet wurde, fie fagte, er fei nur in Privatangelegenheiten 
h dem Haag gereift. Inzwiſchen ift er in Paris ange: 
je! In der erften Kammer haben der, Freiherr von Senfft— 
ſach und der Geheimrath Pernice ſich gehörig blamirt, und 
‚ von ihrer eignen Parthei, von Herrn von Meding und 
ywimrath Homeyer, gehörig zurecht geiwiefen worden. In 
jweiten Kammer glänzen in redfeliger Breite, Bosheit 
Albernheit die Herren Wagener, von Mitichfe-Kollande 
von Gerlach. Die Berhandlungen und Beichlüffe find 
ımlih. Zwölf chriftfatholifche Gemeinden in Schlefien 
en ihre Befchwerden und gerechten Wünfche vor; die Zum: 
ammer geht zur Tagesordnung! — 


Donnerstag, den 15. Februar 1855. 
Beim Erwachen blid’ ich mit wenig Hoffnung und viel 
trauen in den neuen Tag! Was kann er bringen? Selbit 
teugierde ift nur ſchwach. Aus dem Bekannten ift nicht 
zu erioarten ; aus der Ferne nur oder unbefanntem Nahen 
irgend ein Glüd hervorbrechen. Aus Paris zum Beifpiel, 


442 


oder aus — Moskau! — Große Freiheitöbewegungen fünnten 
mich zu neuem Leben auffrifchen. Unſer heimifcher Jammıı 
jedoch läßt fein Heil abfehen! — 

Der heutige Wintertag erinnert mich fehr an die falten | 
einſamen verfchneiten Tage, die ich im Winter von 1808 u | 
1809 in Tübingen verlebi habe, ohme andern Anblid, als den 
Schnee auf den Dächern, oft ohne einen Menſchen zu fehen. 
Aber ich befam Briefe von Rahel, ich dachte an fie unden 
Berlin, ih war voll Zuverficht und Kraft! — Der Schar 
macht alles ftill und leife, man hört feinen Wagen, und nie 
mand geht aus, ald wer dazu genöthigt ift. So werd’ ich heule 
wohl unbefucht bleiben, und Hald und Brust fchonen können! 

Graf Cieszkowski ſchickt mir die Schrift: „Die polniſch 
Frage vom deutjchen Standpunft betrachtet. Bon einem deut 
ihen Staatsmann. Leipzig, 1855.* Der Gegenftand im 
Beionnenheit und Maß behandelt, zu Gunften der Herftellug 
Polend. Uber die Ausgleihung der deutfchen und polniſchen 
Forderungen, die Angabe preußischer und öfterreichifcher Ent 
ſchädigungen, dürfte die Betheiligten ſchwerlich zuftieden 
ftellen! Für mich entbehrt das Ganze der wefentlichen Grund 
lage, der Selbftbeftimmung der Völker in einer freiheit, die 
ſchwerlich anders als auf revolutionairem Wege gewonnen 
wird; politifche Berechnungen jetiger Machthaber, von ihnen 
oder für fie angeordnet, werden immer nur ein Flickwerk zu 
Stande bringen. — 

Fräulein Elifabeth Ney kam ihre Abreife nad Münfter 
anzumelden. — 

Die hohe Kommiffion für die Minie-Büchfen Hat nur 
noch eine kurze Berathung gehabt, und fih dann aufgelöft. 
Der General Adolph von Willifen ift nun wieder der Leiter 
diefer Angelegenheit. — 

Geftern Abend auf dem Ballfeite beim Prinzen Karl 
ging der Kriegsminifter Graf von Walderfee an den Prinzen 






443 


a Preußen heran, und fagte ihm, der König habe bereits 
ch ein eigenhändiged Schreiben die allgemeine Einführung 
: Minie:Gewehre anbefohlen. Der Prinz, der das Guts 
yten der von ihm geleiteten Kommiffion noch nicht abges 
ben, wenigftend noch nicht erwogen wußte, fand feine Ehre 
tletzt, daß man die Sache ſchon entichieden habe, bevor 
ne Meinung, um die man ihn doch gefragt, auch nur ges 
tig befannt fei, er fragte, ob man ihn zum Beiten haben 
He? Im Zorn fuchte er gleich den General Adolph von 
ilifen auf, und machte ihm eine große Szene, die ziemlich 
age anhielt, und allgemeine Aufmerkſamkeit erregte. Willifen 
thielt fich möglichft ruhig, und erwiederte nur, daß er von 
t Sache gar nichts wiffe, und wenn der König fo befohlen 
be, ohne Einfluß auf diefen Befehl gewefen fei. Der Prinz 
lieg ihn mit größtem Mifvergnügen. Der König hatte 
das davon mit angefehen, und fragte nun den General: 
Bas haben Sie denn mit meinem Bruder gehabt?" Willifen 
ählte ed: „Mein Gott,” rief der König aus, „hat denn 
alderfee den Verſtand verloren? oder hat er mit Abficht den 
inzen aufbringen wollen ? Ich habe ihm ja deutlich geſchrie⸗ 
i, daß er nur ein 15,000 Patronen zur Probe foll anfertis 
t lafien!* Der König hat darauf feinen Bruder hart aus» 
holten, noch härter aber den Kriegdminifter, und ihm die 
dummheit“ fcharf verwiefen. Alles auf dem Balle. Der 
in; aber, eines Beſſeren belehrt und fein Unrecht gegen 
ilhifen einfebend, hat diefem heute die eindringlichiten, 
igften Entfchuldigungen gefchrieben. — 


Freitag, ben 16. Februar 1855. 
Brief und Sendung aus Köln von Hrn. Dr. Dünper, 
e Erläuterung von Goethe's Hermann und Dorothea, nebft 
erem. — 





444 







Eine Anzahl Franziskaner in Neiße verhaftet! Sie haben Mi: 
ſich gegen die Polizei gewehrt, aber auch gegen den yürt 
biſchof von Breslau feindlich aufgelehnt. Tolles ungsügs 
Bad, dem aber aus katholiſirender Liebhaberei Die größte gt: 
heit verftattet worden. Was ift der preußifche Staat jept für 
ein Sammelfurium von nihtstwürdigen und albernen Vetter 
bungen! Mit Behörden, Geſetzen, Polizei-Vorſchriften un 
Ueberwachungen überfüllt, und doch wahre Anarchie! — 

Sendung aus Leipzig, ohne Zweifel von Herrn Sir: ; 
„Briefe der rau Rath an ihre lieben Enkeleins. Gedrudt 
zum 13.. Sebruar 1855. L. P. O. J. H. H. Siehe 
Briefe von Goethe's Mutter, nebit ihrem Schattenrig.” Zr 
gefügt lag ein Auffap aus den Gränzboten: „Noch, einmal die 
Wertherbriefe.“ — | Ä 

Immer wieder fommt die Behauptung zum Vorſchein, die 
Königin fei heimlich der katholiſchen Kirche angehörig, und: 
auch der König habe ſich insgeheim befehren laſſen. Seldes 
Gerede Freift im Bolfe, geht aber nicht vom Volk aus, fondern 
and der Hoftvelt, wo überhaupt die bitteriten Feinde tu 
Königs lauern und gefchäftig find. Gewiffen Leuten matt 
es die größte Freude, wenn der König durd) Anordnungen und 
Borfchriften, die aus feinen kirchlichen VBorurtheilen ftammen, 
jich beim Volke mißfällig macht. — 

Der König von Holland hat feinen Adjutanten erftoden; 
die Sache wird als ein unglüdlicher Zufall angegeben, man 
vermuthet aber eine andere Bewandtniß. — Dies ift eine Ge 
ihichte, die unendlich wenig befprocyen wird, man empfindet 
- eine Scheu fie zu erwähnen, man nimmt den Schein völliger 
Unwiffenheit an. Bei dem Diamantendiebftahl in Brüſſel 

war es ebenſo! — 


445 


Sonnabend, ben 17. Februar 1855. 

Mit dem fprachlichen Tadel, welchen ſowohl Dünger als 
'onderd Lehmann gegen manche Wendung und Ausdruds- 
iſe Goethe's vorbringen, Tann ich nur felten einverftanden 
n. Wer will dem Bogel auf dem Zweige feinen Gefang 
iſtern? Goethe ift ein Rheinländer und redet feine Sprache, 
h wenn er mehr und mehr hochdeutfch werden will. „Wir 
en Beloponnefifch, — heißt es beim Theokritos, — Doriern 
td man doch wohl die Dorifche Sprache verftatten?* Die 
üder Grimm haben in diefem Betreff große Achtung vor 
n aus freier Natürlichkeit gefprochenen, nicht durch gramma= 
bes Klügeln erfünftelten Deutfch. — 

Der Kaifer von Rußland hat ein neues Manifeft erlaflen, 
; wiederholt feine Friedensliebe verfichert, aber zugleich das 
je Volk zu den Waffen ruft. Diefe Mapregel will im 
unde wenig bedeuten, da die gewöhnliche Nefrutirung ſchon 

wehrfähigen Mannfchaften großentheil® vorweggenommen 
‚ die Bevölferung in dem weiten Reiche dünn und zerftreut 

außerdem Die Bewaffnung der Leibeigenen in Maſſe fehr 
ten Bedenken unterliegt. — 

Bon Paris her verbreitet fich dad Gerücht, Louis Bona- 
te wolle felbft nach der Krim gehen, um dort den Sieg zu 
cheiden und den Fall Sebaftopol’s für feinen Ruhm ein: 
reihen. Dan fpricht von Negentfchaft der Kaiſerin, vers 
den mit Hieronymus Bonaparte ꝛc. — Die Leiche des 
zog's von Reichftadt foll aus Wien nad) Paris gebracht 
ven. Defterreich foll ſchon eingewilligt haben. — 

Segen Abend kam Herr Dr. Hermann Franck zu mir, 
ı auch der Herr Graf von Wartensleben, endlich der Herr 
eral von Pfuel; die lekteren beiden blieben bis halb 
Ihr, viertehalb Stunden, Aber Pfuel war in gutem Zuge, 
ch fo fenntnißreich und angenehm, dag wir ung — auch 
milla war dazu gekommen — höchlich ergögten. Er er 





446 


zählte von Gletſchern und Eisfeldern, von Thieren, une WE 
gefchichten, Merfwürdigfeiten aller Art, und fchien aud jet 
in größtem Behagen fi der aufmerffamen Zuhötr 1 
freuen. 

„Les pöches de jeunesse, par Emile Souvestre.' 
Nicht ſchön erfunden und ausgeführt, aber merkwürdig ıl 
Einfpruch gegen die Ungerechtigkeit, die Sünden der raum ı 
härter zu beurtheilen, ald die Sünden der Männer. — 

Man verfichert, der König habe aus Paris fo droht 
Nachrichten empfangen, daß er plößlich zu jeder Nachgiebiglet 
bereit geworden fei, die Sympathieen für Rußland fuche er nur 
noch durch Bedingungen zu retten, die für Rußland ſelbſt wenig 
Bortheil bringen, und das ruffifche Ehrgefühl tief verlegen: 
müffen, 3. B. er werde nicht leiden, daß Rußland wieder in die 
Donaufürſtenthümer einrüdt, oder bei jiegreichen Fortſchritlen 
den Boden Defterreichd betritt. Alſo wenn Rußland geihle’ 
gen wird, will Preußen zufehen, wenn jenes fchlägt, ihm Halli 
gebieten! Die Weftmächte fünnen dad annehmen, denn m! 
erftern Kal brauchen fie Preußen nicht, im letzteren dient 8, 
ihnen, und in beiden Fällen ladet es den vollen Haß NRußlande 
auf fih. Und ſolche politifche Zweideutigfeit will man neh 
gar ald Klugheit preifen! — 








Sonntag, ben 18. Februar 1855. 

Der Bildhauer Kiß hat feinen koloſſalen Heiligen Geor 
für die Pariſer Ausftellung beftimmt. ‘Der König war gefter 
in den Atelier um fich des Anblicks nochmals zu freuen, un 
bezeigte lebhaft fein Wohlaefallen, kefonder® auch daran, „de 
alles fo Acht im katholiſchen Sinn aufgefaßt ſei!“ Wer die 
erzählen hört, fällt faft unwiderftehlic in den Ausruf: „Di 
proteftantifche König!* — 


447 


In den politifchen Angelegenheiten nichts Neues, als daß 
id John Ruſſell auf feineg Reife nah Wien hier ein- 
echen fol. Der Generalpolizeidirektor von Hindeldey fagt 
ı Könige alle Tage, die ganze Volksſtimmung fei gegen 
land, der König aber will das nicht glauben ; die Kreuz. 
ıngöparthei wüthet, und bietet alled auf, die Meinung zu 
reiten, daß dad Heer ganz ruffifch fei, was ganz und gar 
: wahr ift; höchftend die Garde, und auch in diefer finden 
richende Gefinnungen Statt, die aber jebt nicht laut werden 
Mm. — 


Soethe’d Hermann und Dorothea gelefen, mit höchftem 
uß, dann in Dichtung und Wahrheit. In Grote. — 

Der diefer Tage geftorbene Präfident der Oberrechenkam⸗ 
in Potsdam, frühere Staatöminifter von Yadenberg wird 
en Zeitungen gerühmt, wie immer folche Leute. Dod 
das Urtheil feit, daß er weder geiftig noch) fittlich viel 
h war; ein gemeiner Beamter in hohem Poften, das ift 
Bezeichnung! Er war dumm genug, es mit Radowitz zu 
n, fonjt wär’ er auch Minifter geblieben bis an fein 
. — Seine Frau — ift auch von geringfter Art. — 


Montag, den 19. Februar 1856. 

er Husten will nicht weichen, und wird mich wohl in 
einundfiebzigites Jahr begleiten. — 

rief an Herm Dr. Dünker in Köln nebft dem von ihm 
aſchten Auffaß, den er nach Belieben zum Drud beför- 
mag. — Beſuch von Frau Profefforin Dirichlet, fehr 
ehm! Ich bin ihr fehr gut; wir fprechen immer in be- 
rer Weife vertraut und einverjtanden, nicht arade von 
ilten Sachen jelbft, aber doch in fteter Beziehung auf 





448 


jolhe. Sie befuchte auh Ludmilla'n, die an ihr jeptaud 
guted Gefallen hat. — . 

Nachrichten aus Paris. Die preußifchen Abgefandtn J 
Herr von Ufedom und General von Wedell werden dort ieh 
falt behandelt und Louis Bonaparte hört fie faum an, gieht 
ihnen feine Antwort. Dagegen werden die Oeſterreichet mit J. 
ausgezeichneter Freundlichkeit behandelt. — Der König irrt 4 
ſich entfeglich über die Zurückſetzung, läßt fich aber nur gegen 
feine Bertrauteften darüber aud, wo ed denn an bitteren Br 
merfungen über den Emporfömmling nicht fehlt. Indeß ge 
jteht man ihm doch das PVerdienft noch immer zu, die Republi 
vernichtet, die Freiheit getödtet, dad Volk gebändigt zu haken. 

Nachrichten aus Bonn. Bettina von Arnim ijt ehr le 
dend, die eine Seite ift ihr dur Rheuma wie gelähmt; ſie 
wird fo bald nicht nach Berlin fommen, fondern im Frühling 
in ein Bad gehen. — 

Der Kriegdminifter Graf von Walderfee widerfeßt ſich der 
Einführung der Minie-Büchfen hartnädig, und ift dem Könige 
dadurch fchon fehr unangenehm geworden; der Mann gilt für 
ſehr unbedeutend und geiftlos, ift aber knurrig und mißlaunig. 
Man glaubt, er fei am längften Kriegsminijter gewefen. — — 

Bei lebenden Bildern, die am Hofe des Prinzen Karl ver‘ 
geftellt wurden, war aud) Werther'd Lotte, wie-fic den jüngern 
Geſchwiſtern Butterbrod austheilt. Die Kinder ftanden mit. 
ihren Butterbroden und rührten fih nicht. Nach einer Fleinen‘ 
Weile rief dann der König: „So, nun fünnt ihr einbeißen!“ 
Und eines der Kinder that e8 auch, zum großen Gelächter der 
Zuſchauer. Der Zug wird verfchieden beurtheilt, nicht Alle 
finden das Späfchen hübfch. — | 

Der König hat die geftern erwähnte Neußerung beim Bilte, 
hauer Kiß nicht bei feinem legten Beſuch gemacht, Tonderk; 
ſchon früher. Eine noch fehlagendere wird aus zuverläffi £ 
Quelle erzählt; die Gefchichte ift fehon älter und fiel bei einem 








449 


ejuch in Tegel vor. Ein Dahler zeigte das Bild einer Ma- 
mna, und fagte Dabei gleichfam entfchuldigend, freilich müfle 
an dabei die katholiſche Auffaffung ſchon gelten laffen. 
Selten Taffen?* fiel der König ein, „ Dann! willen Sie denn 
iht, welch unermeßliche Gnade es ift, in der Tatholifchen 
iche geboren zu fein?" Der proteftantifhe König! fann 
aan hier wieder ausrufen! — 


Dienstag, den 20. Februar 1865. 

Der König hat dem General von Wedell neue Bollmachten 
ud Paris geſchickt. Das Bündniß, dem er fich entziehen 
volte, tritt ſchon näher, mit allem Weigern fommt er nur 
fer hinein. Es geräth ihm alles verkehrt. Die Kreuzzei— 
ungöparthei fieht ihr Spiel als verloren an, und ift dephalb 
 friedliebend,, fo Meinlaut! Sie hat noch zuletzt verfucht, den 
Rinifter von Manteuffel zu ftürzen, hat alle Ränke dazu auf- 
jeboten, alle Hülfamittel. Daher ift Manteuffel fehr erbittert, 
nd es foll nicht ohne feine Zuftimmung fein, daß die Natio- 
zeitung fo fürdhterlihen Angriff auf dad Gezücht eröffnet 
t. Sie fcheinen zu ahnen, woher der Schlag kommt, und 
Bhalb jo wenig zu erwiedern. —- 

Toscana ift den Weftmächten beigetreten; Neapel muß 
gen. Schweden und Dänemark unterhandeln. Der deutfche 
ınd fügt ſich. — 


Mittwoch, den 21. Februar 1865. 
Die Neue Preußifche Zeitung hatte der Nationafzeitung 
vach und erbärmlich geantwortet, die Nationalzeitung giebt 
heute eine neue Züchtigung. Auf das prahlerifche Bor: 
en, alle in der preußifchen Gejhichte berühmten Namen 


örten zur Kreuszeitungspartbei, erwiedert die Nationals 
Barnhagen von Enfe, Tagebüder. XI. 29 


450 







zeitung, die von ihr genannten Namen der Häupter — Kr 
lad, Stahl, Hengitenberg, — fie hätte noch Goedſche, Thadden 
Trieglaff, Peter ꝛc. nennen können, — wären in der pruf 
ſchen Geſchichte gar nichte. — 

Der General von Wedell ſchreibt nicht nur zufrieden, fm 
dern entzückt über feine Aufnahme in Paris, über die Tu 
lichkeit Bonaparte’8, der ihm, nach anfänglicher Kalte, ange 
nehme Scherziworte fage 2c. Die Franzoſen aber meinen, mut | 
mache fich über den preußifchen General etwas luftig, halt 
ihn mit Redensarten hin u. |. w. Der Gefandte Grafre | 
Hapfeldt fieht den General ungern dort. — 

„De la conduite de la guerre d’Orient. Expedition 
de la Crime. Memoire adresse au gouvernement de 
S. M. l’empereur des Francais par un officier genenl. : 
Bruxelles, 1855.“ Wenn nicht vom Sohne des Hierende 
mus Bonaparte gefchrieben, was ich bezweifle, doch in feinem 
Sinne, vielleiht auch mit Benukung feiner Denkſchriften, 
Briefe, Aeußerungen. Und eine feindliche Hand fcheint auf 
dabei thätig gewefen. — (Man fagt, Emile Girardin, der be⸗ 
jondere Freund des Prinzen Napoleon, fei dabei betheiligt.) 
— Eine Stelle fiel mir befonderd auf; es wird gefagt, I} 
während der zweimonatlichen Unthätigfeit in Varna die Trup 
pen mißvergnügt wurden, einige Bataillone Neigung zum Aufe 
ruhr zeigten und Taut Die Namen der verbannten 
Generale anriefen! Das ift der Punkt, der dem — 
Louis Bonaparte an’d Leben geht! — 

Auf den jungen Serome Bonaparte wird weiblich ge 
Ihimpft. Er ift feinem Better Louis Bonaparte innerlid 
verhaßt, und fchwerlich foll er noch fein Erbe im Reich wer 
den. Aber noch verhaßter ift er den Staatsjtreichern allen 
weil er Mitglied der Montagne in der Nationalverfjammiun 
war, und noch jet ald Republikaner gilt. Man befchultk 
ihn der jämmerlichften Feigheit, er habe fi in der Krim fra 


451 


jeftellt, um nur weggehen zu können! Solche Befchuldigungen 
berden denn auch von Leuten nachgefprochen, die nicht wiffen 
Doher fie Jolche aufgenommen haben. — 


Donnerstag, den 22. Februar 1855. 


Zn der höheren Gejellfchaft unterhält man fich von vielen 
lergernifien ; an Stoffen fehlt ed nicht. — 

Gute Botjchaften, herzerfreuende Dinge, wie felten jeßt! 
die fogenannte Bildung hat jich mit der tiefften Schlechtigfeit 
erbunden, dient für diefe zum Zierrath, zum Luxus; die größ- 
en Böjewichter, die unmenſchlichſten Ungeheuer hatten folche 
inpere Bildung, die größten Qumpen haben fie. Nero machte 
Berfe, war Sänger. Die obern Kreife find nun einmal grund- 
erderbt, an ihnen ift wenig.zu retten, jie mag man ihrem 
Shidjal überlaffen; aber fie fteden die untern Volksklaſſen 
m, fie entfittlichen den Bürgerftand, die Bauern, fie zeritören 
Leu und Glauben, befördern Heuchelei, Argliſt, Tücke, — es 
Heibt dem armen Volke keine andere Wahl ale diefe fchlechten 
Nittel, gegen Unterdrüdung und Scifanen, von denen es 
edrängt if. Nirgends wird ihm Wort gehalten, nirgends 
serechtigfeit gehandhabt, überall werden ihm Schlingen ge- 
gt, jeine Rechte verfümmert,, feine Laſten gemehrt. he die 
tenge fich dagegen in Gefammtheit empört, haben die Einzel- 
n fchon längit ebenfalld zu Lift und Schleichwegen fich ge: 
mdet. Das ift das größte Uebel! — Welch ein Unterfchied 
diefer fittlihen Hinficht zwifchen 1848 und 1855! 

Wie verfteht Doch eigentlich niemand, wie mir im nner- 
n zu Muth ift! Aus wie verfchiedenen weit auseinander 
genden Quellen fließt diefe Fluth zufammen, deren Strö⸗ 
ing mich dahin trägt! Wie wenige haben von Anfang 
felben Greigniffe mit mir erlebt, und faum Einer mit 


nfelben Sinn! Die meifte Vebereinftimmung fand ich in 
29* 





452 




















Rahel, bei aller wefentlihen Verſchiedenheit! Die ltr ir 
gab der erfteren die wahre Kraft und Höhe, bei urfprünalider | 
Aehnlichkeit würde die Uebereinſtimmung doch nur eine mallt 
gewefen fein. Nabel fagte nicht ohne Grund von ſich jelkt, 
fie wiſſe alles, fie verftehe alles; im allgemein Menſchlichen, in 
Sachen des Gemüthes, des Herzens, der Lebensverhältniſe mır 
das wirklich der Fall. Daher konnte fie auch mit Recht jagen, 
fie fönne alle Menfchen tröften, fie dagegen von niemanı We 
Troſt empfangen. — | 
Hohe Seelen und Geifter gleichen den Bildfäulen, die nu ſJ 
verftümmelt auf und gekommen find, und die wenn ergänzt, 8 
oft in ganz falfhem Sinne find. Aber es kommen ad 
immer wieder Befchauer, für die das Bild in feiner vollen 
Schönheit und Bedeutung fich herftellt, die Durch feinen: 
falfehen Zufaß ſich irren laffen; für ſolche ift aud das Bud J 
Rahel. Das gemeine Bolt der Gefellfhaft, der Troß deu 
Litteratur mag fo oder fo darüber ſchwatzen, es iſt vollfomme 


gleichgültig. — 


| Zreitag, den 23. Februar 1856. | 
Nach Erklärungen des Minifterpräfidenten von Manteuſel 

in der Kreditkommiſſion der zweiten Kammer ift in kurzem I | 
Unterzeichnung eines Vertrages zwifchen Preußen und Ftaul⸗ 
reich und England zu erwarten, der einen Anſchluß an WM: 
Meftmächte bedeutet. Scheinbar unabhängig und friedlich, ia 
Wirklichkeit abhängig und zum Kriege wider Willen fers; 
gerifien! — In der Kommiſſion waren allerlei ftarfe Anregum; 
gen, zu einer Adreffe an den König, zur Einftellung des Non 
dite. Die Berhandlungen find nicht ganz flar. — r 
Austritt der Peeliten aus dem englifchen Miniſteriue 
Gladſtone, Graham, Herbert u. ſ. w. Aus Furcht vor DE 


453 


nterfuchung, auf welche Roebud angetragen hat. Scharfe 
ede Layard's. Die Times heftig gegen die Ariftofratie. Syn 
tgland vorbereiten fich große Wandlungen. — 
‚Nachmittags Befuch vom General von *, Erzählungen. Ueber 
Bewaffnung der Truppen, Die neuen Gewehre, die neuen 
zen Kanonen, die zugleich als Haubitzen dienen; Uebelſtand, 
} das preußifche Gefhüh nur zu einem Drittheil fchmeres, 
zwei Drittheilen aber leichted ift, das fich gegen Minie- 
fen nicht halten kann. Der Feldmarfchall Srafvon Dohna 
den General Adolph von Willifen zu ſich entboten, um ihm 
cwürfe zu machen wegen feine? Eiferd für die neuen Ge- 
we, nachdem der alte Efel fich alled hatte erklären laſſen, 
iücherte er nun auch dafür zu fein! Ebenfo verficherte der 
: Narr General von Wrangel mit zärtliher Umarmung! 
Schwächlinge laffen fich aber gleich wieder umftimmen. — 
Louis Bonaparte hat wirklich die Abficht geäußert, nach 
Krim zu gehen; ob ed ihm damit Ernft gewefen, bleibt 
ingeftellt. Gefchrieben hat er diefe Abſicht auch an den 
zog von Koburg. — 
Wie ift denn Rahel fo ſchwierig aufzufaffen? Bloß weil 
Reute fo falſche Gefichtspunfte mitbringen, ja fie von 
bei felbft entnehmen, und wenn fie von ihren Mängeln, 
gungen, Schidfalen fpricht, nicht verftehen wie es zu 
men ift. Das Selbftlob, wenn ed auch nur aus reiner, 
chuldiger Selbfterfenntniß hervorgeht, nehmen fie als Eitel- 
und verfleinern es zu ihren Maßen herab, den Selbft- 
el fehen fie in äußerfter Vergrößerung. Wollten fie doch 
Rahel nur den natürlichften, einfachiten Menſchen erblicen, 
Geiſt und Herz in feltnem Grade verliehen war, der lei- 
Ihaftliches MWohlwollen und die größten Gedanken hegte, 
warmen 2ebend, und immer dem waltenden Augenblid 
ehörig, voll Güte, Thätigkeit, heiterer Laune, — das, dünkt 
, wäre ein wo nicht erfchöpfendes, doch ziemlich andeuten- 


454 


des Bild. Das war eine ihrer wefentlichiten Eigenicaften, 
daß fie feinen Träumen nachhing, fondern in klarer Wirklich 
feit lebte, nie zerjtreut, immer und ganz bei dem Vorhandene 
war, mochte died noch fo groß oder noch fo flein fein, immer 
auch von diefem fich erhob, darüber dachte, zu Allgemeinen 
aufftieg. Sogenannte Angewöhnungen hatte Rahel gar fein, | 
überhaupt nichts Störendes, nicht? Aufdringliches ; ihre größte 
Lebhaftigkeit war noch befcheiden. — 


Sonnabend, den 24. Februar 1854. 

In englifchen Blättern wird durch Louis Blanc ein Bril 
aus Cayenne veröffentlicht, in welchem ein Geächteter die dor: 
tigen Zuftände fchildert, die Galeeren, die Bergwerke in Sibr 
rien, können nicht ärger fein! Tauſende der frechen Wilkir, 
dem blinden Haffe, der roheften Grauſamkeit geopfert! Kam 
man einen Augenblid vergeffen, weldh ein — — — — Melt 
Louis Bonaparte ift? Und fie verbünden ſich mit ibm, wehfeln 
Ehren und Schmeicheleien mit ihm! Der Kaifer von Kur 
land auch. — | 

Im Parlamente giebt es hitzige Kämpfe. Die Unter 
ſuchungskommiſſion ift ernannt; die Minifter, die Arte 
fratie wird bitter angeflagt. Die Lumpen gehen, amt 
kommen. — | 

Englifche Blätter gelefen, Straßburger Suchen. „NRotrudi, | 
Trauerfpiel von Herman Grimm.* Ohne Knochen, ohne | 
Wahrheit. Er dichtet nicht aus erfter Hand, er hat nidt ie 
Natur vor Augen, fondern das von Andern vor ihm Gedichte, 
Dichtern nachahmen ift aber nicht dichten, das fann red 
hübſch fein, wenn es auf das befchräntt bleibt, was nadge 
ahmt werden fann, auf ſchönen geründeten Ausdruck, gerechtt 
Berfe, edle Sprachbildung; auch Boileau und Pope find in 
diefem Betreff zu ehren. — 





455 


Sonntag, den 25. Februar 1855. 


Schwere Träume, Beängftigung wegen meiner Studien, 
ch immer foll ich die medizinifchen nachholen; im vierzigften 
ihre noch Arzt zu werden, fag’ ich mir, ift doch zu fpät! Da 
finn’ ich mich, daß ich ſchon fiebzig bin, Tache und bin be- 
higt. Erwachen. — 

Die Kölnifche Zeitung in Münfter angeklagt. Einfprud) 
zen diefed fchifandfe Verfahren. Das Gericht behauptet 
ne Berechtigung, giebt aber dieſesmal ein freifprechendes 
theil. — | 

Bon Gerlach dazu gehäffig angeregt, erzählt der Abgeord- 
te von Patow in der zweiten Kammer fein Abentheuer mit 
a Arbeitern im Jahr 1848, denen er in ihrer Noth Arbeit 
ben follte, aber Geldunterſtützung gab. Er fagte, die Arbeiter 
tten ihn bedrängt, aber keineswegs Gewaltthätigkeiten ver- 
t, fie wären vom Rathhaus durch zwei Offiziere zu ihm ge- 
hrt worden. Der Kriegdminifter Graf von Walderfee trat 
ih auf, und machte im Namen der Ehre des Heered einige 
mme Bemerkungen, und wollte die Offiziere genannt wiffen, 
itow verweigerte die Namen. Daraus wird nun eine alberne 
jrenfache gemacht, die Regimentskommandeure find beauftragt 
stden, ihre Offiziere bei Ehre aufzufordern hierüber Auskunft 
‚geben. So werden fid, die beiden felbft angeben müflen. 
ne unwürdige Zortur. Die beiden Offiziere haben nichts‘ 
tban, was ftrafbar wäre, fie haben aber, wenn auch in befter 
iht, Arbeitern Rath gegeben, genug, um fie ded Dienfted 
würdig zu erflären! Der König ift in Betreff der Revo— 
ionderinnerung jo unverföhnlich ald empfindlich. — 

Mitſchke⸗Kollande verfäumt feine Gelegenheit, ſich lächer- 
ı und verächtlich zu machen, felbft bei der Parthei, der er 
jehören will. Küpfer wird eiferfüchtig auf ihn! — 
Herr Dr. Sigismund Stern bringt mir fein Buch „Stein 


456 





und fein Zeitalter.“ Gr fpricht mit Verftand und Unpartke: Sa 
lichkeit, ift aber dem Gegenftande nicht gewachfen. — 

Rußland erflärt Krieg an Sardinien, in großmülhign 
Weile! — 

Die Namen der Herren, welche Ende Mai's 1848 ft 
Arbeiter zum Minifter von Patow führten, find in Beift we 
NRevolutiondchronif offen genannt: Graf von Schlieffen, Yan 
von Wimpffen, Herr von Chemnik; nur der erftere mt 
Gardeoffizier, hat aber fchon längere Zeit den Dienft verlafen. 
Auch ein Graf zur Rippe wird angegeben, als bei der Sad 
betheiligt, it aber auch nicht mehr im Dienft. — | 

Das getaufte Füdchen Joel Jacoby, Kanzleirath, Ritter | 
des fachfen-altenburgifchen Ordens, dient zwar unbedenllich 
den fchlechteften Bedürfniſſen feiner Vorgeſetzten, will aber dech 
nicht al& der Theilnehmer an ihrer Dummheit erfcheinen. An 
einem öffentlichen Orte wurde ihm gefagt, man folle nicht ver: 
geffen, daß wieder ein Bonaparte über Jena nach Berlin kom⸗ 
men fönne; worauf er eriwiederte: „O das fürchten unler 
Herren gar nicht! Damals hatten wir fo gut wie gar kein 
Polizei, faum hundert Gendarmen, jegt über taufend fer | 
ftabler, auf die geftügt fühlen wir und ganz ſicher. Ben 
Bonaparte füme, — febte er mit höhnifcher Schalfheit hin, | 
— Herr von Hindeldey ließ ihn ausweiſen!“ — So madttt 
fi über feinen Herrn luftig! — 







Montag, ben 26. Februar 1855. | 

Der Oberft von Olberg hat ſchon zum zweitenmale von 
Paris hier neue Borfchriften für den General von Wil 
holen müffen, jeßt ift er mit den ſchließlichen, ſagt man, 
dorthin zurückgekehrt. Es bleibt dabei: geht’ den Rufen 
Ichleht, dann fieht Preußen ruhig zu, geht's ihnen gut, fo tritt 


457 


ihnen entgegen. Ein unfinniger Vertrag! Spät und halb, 
ne Ehre, ohne Bortheil. — Wedell und Habfeldt in Paris 
e Hund und Kap’ in bitterem Entgegenftehen. — 

Das Freimaurerjahrbuch, Aſträa“, vom Diakonus Müller 
ı Meiningen, hatte die Reden mitgetheilt, welche bei der Auf: 
ahme des Sohnes des Prinzen von Preußen in den Frei— 
naurerorden gehalten worden waren. Die Spener’fche Zei: 
ung gab Auszüge daraus, worauf niemand achtet. Die 
Boffifche gab fie vollftändig, hatte aber vorher bei dem Prinzen 
ingeftagt, und von demfelben eigenhändige Verbefferungen 
dazu empfangen. Als Hindeldey gegen dieſen Abdruck ver: 
jahren wollte, wußte er nicht? von dem Spener’fchen und 
itgerte fich als er jegt erft vernahm, daß ihm der entgangen 
Bars gegen die Voſſiſche dachte er aber doch zunächit einzu: 
breiten, und feßte fich hin, um felber dad Verhör des Redak⸗ 
eure zu protofolliren. Die Vorzeigung der prinzlichen Hand» 
hrift machte allem gleich ein Ende. „Da können wir nichts . 
nahen,” rief der Polizeimann; warf die Feder hin und entließ 
en Redakteur. (Müller, aus deffen eignem Munde). — 

Mit General von Pfuel feine früheren kleinen Aufſätze 
ind Schriften befprochen, deren Sammlung und Herausgabe. 
sr hat nichtd davon aufbewahrt. ch erinnere mich feiner 
Auffäge über Kriegs: und Fechtkunſt, den Vendeekrieg, Skan⸗ 
erbeg gegen Jomini, über dad Schwimmen, theild in der 
fterreichifchen militairifchen Zeitfchrift, theild in Hormayr's 
Archiv, Rückzug der Franzoſen 1812, Ueberſicht der Kriege 
1813— 1815, Bericht über die Schlacht von Belle-Alliance, 
Rzenfion von Fain's Buch 1812. Dazu könnte denn feine 
hertheidigungsſchrift von 1848 den Schluß bilden. Die 
htere wäre unftreitig am wichtigften. — | 

Der Erzbifchof von Freiburg hat über einen badifchen Ort 
Donau-Efchingen) das Interdikt audgefprochen, weil der dor⸗ 
je Geiftliche von der Regierung beftraft worden if. Meſſe 


458 


darf nicht gelefen werden, feine Trauung geſchehen u.|.®. 
Und das Vieh glaubt, das werde was ausrichten! — 

Die Jefuiten, bisher in Baden zugelaffen, jetzt ausgewieſen. 
In Preußen ift ed noch nicht fo weit, wird: aber kommen! - 





Dienstag, den 27. Februar 1885. 

Der Huften nicht ganz fort. Entzündetes Auge! St 
beſchwerliche Durchſicht Arnim’scher Drudbogen! — | 

Geftern ift der berüchtigte Malmene vom biefigen Shmur 
gericht wegen Mißhandlung der von ihm befchäftigten Knaben, 
zu ſechsmonatlicher Gefängnipftrafe verurtheilt worden; dt 
Gutgefinnte, der Freund und Begleiter Manteuffel’s! Doh 
war er auch ſchon früher in Strafe gekommen wegen Beni, | 
wegen grober Unfittlichfeiten,, wegen ſchwerer Beleidigung dei 
Polizeipräſidiums; er war fehr unzufrieden, daß alles dieſe 
miterwähnt wurde! — 

Brief aus Weimar von Apolloniud von Maltig, nebft einem 
ruffifchen Gedicht, einem gedrudten Bruchftüd aus dem italiö | 
nifchen Reifetagebuch des Kollegienrathe von Liepmann, Mi 
Billdliade von Mery und Barthelemy, und dem Trauerpidl 
bon Genaft „Herzog Bernhard*. — | 

Befuh vom General Adolph von Willifen ; feine Kämpfe 
gegen Dummheiten, zu denen man Erzellenz oder gar König 
liche Hoheit fagen muß! Diesmal ift es ihm felber doch fat 
zu viel, fo tapfer und gewandt er auch feine Sache führ. 
Noch fcheint der König entfchieden an der Sache Teftzubalten, 
wenn aber der ſchwankt! — 

Die beiden Gardeoffiziere, von denen Hr. von Patow ge: 
ſprochen hat, follen leicht heraugzubringen fein, man hält fie 
für verloren. Denn was im Jahr 1848 als gutgefinnte 


45% 


igfeit angefehen und eher belobt als getadelt wurde, gilt 
als ehrwidriged Verbrechen. Der Präfident von Gerlach 
verflucht von allen Seiten, weil er in feiner Bosheit 
ruht, und ftetd die alten Gefchichten zum Efel und 
druß aufrührt, in die Wette mit feinem ‘Freunde 
Ihe. — 

5pät Abends gegen 9 Uhr kam auch General von * und 
noch Thee bei mir. Weber die Krankheit Preußend, im 
en Polizeigewalt und Partheihaß, nach außen Schwäche 
Soffahrt. General von Reyher hat gejagt, von Vorberei- 
n zum Kriege gegen Rußland, von Planen der Aufitels 
der Truppen, ihrer Verpflegung, und dergleichen Din- 
ürfe man fein Wort reden, ohne fogleich in Berdacht 
ter Gefinnung zu gerathen, den wüthigften Haß auf ſich 
ben! Alle Behörden find nur Schreibereien,, jede wartet 
jefehle von oben, führt die aus, und ıft dann außer 
Verantwortlichkeit. Eigne Anfichten, eignes Urtbeil, 
Eifer, find verboten. Baterlandsliebe gilt nur in der 
wie die Neue Preußifche Zeitung fie verlangt, und die 
in«vielen Fällen dem Landeöverrath ganz gleich fteht. 
ꝛx iſt alt und gebrehlih, Tann nicht mehr im Feld 
i, zagt aber bei dem Gedanken, feinen Poften aufgeben 
len. — 

n Kaffel hat das Dbergericht endlich alle die wegen Steuer; 
igerung angellagten Ständemitglieder, welche der kur⸗ 
he Haflenpflug, oder der haffenpflug’fche Kurfürft, durch⸗ 
erurtheilt jehen wollte, völlig freigeiprochen, und dabei 
t, daß fie zu jener Verweigerung nicht nur berechtigt, 
n aud verpflichtet 'gewefen. — Brad und muthig von 
zericht! — 





460 


Mittwoch, den 38. Februar 185. 

Lord Sohn Ruffell ift auf feiner Reife nach Wien hatt 
hier angefommen. Preußens Theilnahme an den Jridens 
verhandlungen ift noch nicht entſchieden. Man fagt, Mi 
König mache wieder Schwierigkeiten, die vwerabredeten de 
dingungen zu unterzeichnen. Franzöſiſche Aeußerung: Bons 
parte'n wird ed ganz recht fein, im Könige von Preußen einem 
Gegenftand fünftiger Züchtigung zu behalten, es würde ihm 
nicht lieb fein, denjelben wegen völligen Anfchliegend immt | 
Ichonen zu müſſen! — 







Donnerstag, den 1. März 1855. 

Der Kriegdminifter beabfihtigt, dem Herrn von Pater 
noch verdrießliche Händel zu machen, weil detfelbe gefagt, ohne | 
ihn würden zwei preußifche Offiziere fompromittirt gemejen 
fein. Darein fest der Mann feinen Eifer! Die Kreuzzeitung 
hetzt dazu. — 

Ein Konſtabler Namens Götze war wegen Mißhandlung 
einer Frau zu ſechsmonatlichem Gefängniß vom erſten Richtet 
verurtheilt worden; das Kammergericht hat ihn jetzt freige 
ſprochen. Möglich, daß dies mit Recht geſchehen. Aber die 
Sache macht den ſchlimmſten Eindruck! Man ſetzt höhere ge 
heime Befehle voraus; man glaubt nicht mehr an die Self: 
ftändigfeit, an die unpartheitfche Rechtspflege! — 

Es fällt fehr auf, daß der König, während er den Let 
Fohn Ruffel dur den Minifter von Manteuffel abfüttern 
läßt, den xuffifchen Diplomaten Titoff an der Königlichen | 
Zafel bewirthet. — 

Dem elenden Mitfchfe-Kollande, dem Hanswurſt der zwei⸗ 
ten Kammer und dem Gelächter feiner eignen Kameraden, R 
nad) dem Schluffe der Kammerſitzung der Meine rothe Adler; 
orden zugefagt. Dafür fräht denn der giftige Hahn bei jedet 


461 


enheit nach Leibeskräften! — In Preußen, dem Staate 
ntelligenz, die größte Dummheit und Narrheit überall 
I _ 

incke's Antrag auf geheime Abftimmung, Harkort’3 auf 
näßige Dertheilung der Grundfteuer, durch Stimmen- 
eit bejeitigt. Nichte Gefcheidted, nichts Richtiges hat 
! Elendeite aller Bolfävertretungen! — Binde doch 
ih nur ein Klopffechter, Bethmann-Hollweg ein ſchüch⸗ 
Intriguant zc. 20. — 


Freitag, ben 2. März 1855. 

nen Drudbogen von Amim’d Gedichten durchgefehen, 
ı Augen fehr befchwerlih! — Beſuch von Herrn Lewes; 
ft an die Abreiſe; Klagen über die Polizei und ihre 
Scheerereien. — 

uch von Herrn von Biedert; er will nach Italien 
iſt aber in Berlegenheit wegen feines Paſſes x. Er 
freifinnig,, heute. — 

hon um halb 2 Uhr befam ich Nachricht, im ruffi- 
Sefandtfchaftähaufe fer eine telegraphiiche Depefche ein- 
en, der Kaifer Nikolai ſei ſchwer erfrankt, Tiege im 
n, fei ſchon todt; ich ließ ed dahingeftellt, was an 
che ſei. Nach 3 Uhr aber kam Herr von Viedert 
ils und brachte die volle Beftätigung der Nachricht. 
Raifer ift heute Mittag 12 Uhr 10 Minuten in 
eterdburg einer Lungenlähmung erlegen; die Nachricht 
iner Erkrankung am 28. Februar war jchon im Laufe 
rmittagd eingetroffen. Im Volke glaubt man an feinen 
ihen Tod, fondern an Vergiftung oder Erdroffelung. 
ört laute Berwünfchungen des Verftorbenen, bittre An- 
‚lachende Freude. „Die verfluchte Kreuzzeitung möge 
11° Sie thut es, mit ſchwarzem Rande! — Betrach⸗ 





462 


‚tungen über die Ihronfolge, die veränderten Zuſtände, de # 
Ausfihten zum Frieden. — | 

Mit Ludmilla ſprach ich die wahrfcheinlichen Folgen ut | 
Todesfalles in der Kürze ernſtlich durch. — 

Heute haben Herr von Patow und der Graf von Sqhlieſen 
fi wegen der „ Kompromittirung“, von der in der Kommt P— 
die Nede war, gefchoffen, und erfterer ift am Bein vernundt P 
worden. Dahin haben die Hepereien geführt! Und warum | 
geht feiner dem Anftifter, dem Halunfen Gerlah, zu Leibe! P 
An den follten fie fich halten! — Der Graf von Schliefen if 
noch wirklich im Dienft, der andre diefed Namens, der ſchon J 
vor längerer Zeit den Abichied genommen hat, ift nicht der 
rechte. — | 

„In diefer Ehrenfache gegen Patow haben die zum Zwei: 
fampfe drängenden Militairoberen und hegenden Offiziere die 
größten Blößen gegeben, außer der gehäffigen Leidenihalt | 
haben fie auch die völligfte Unvernunft gezeigt, es ift gar fein 
Sinn und Verftand in dem ganzen Handel, nur lächerlidt 
Dummheit.” — 







Sonnabend, den 3. März 1855. 

. Die Nationalgeitung fpricht in furzen Worten ganz wir ' 
über den Tod des ruffifhen Kaiſers. — Dieſer Kaifer Rile 
laus hat gleich dem Raifer Franz von Defterreich lange Jul 
in falfchem Schimmer gelebt, wie der leptere in dem der Out | 
müthigfeit, fo der erftere in dem des Heldenmuthes; die Ge 
jchichte muß beiden beides abfprechen. Der Kaifer Nikolaus | 
hat auch mich gröblich getäufcht, auf den Grund von Rab 
richten, die ich für zuverläffig halten mußte, war ic) geneigt, 
ihm alles Beite zuzutrauen, ihn zu bewundern. Die Ent 
täufhung begann ſchon vor 1848, Gr hatte wenigen und 
beihräntten Berftand, gar keinen Geift, und nur den Muth, 


463 


edingter Gewaltherrfchaft jo leicht zu haben ift; er 
t immer härter und dreifter, er ftarb unter Demü⸗ 
nd Straffchlägen, unter wohlverdienten. — 
vom General von * *. Ueber den Tod des 
artheildfofe, vernünftige Anficht; Lächerlichkeit der 
türzung und des angeblihen Schmerzes, angeb- 
in der ganzen Königlichen Familie ift niemand, der 
geliebt hätte, der König hate ihn. Dem König 
n'von der Bruft gefallen; „vielleicht ein andrer 
fann fein, aber doch immer jener herunter.” — 
zu heucheln, denn Schmerz und Trauer dürfen 
it werden.“ — 
niglichen Theater auf drei Tage gefchloffen; vier- 
Hoftrauer, auch das Heer trauert vier Wochen. 
von Preußen follte nach St. Peteröburg reifen, ift 
inwohl, daher reift der Prinz Karl nebit feiner 
lerandrine, Großfürftin Olga ꝛc. — 
t, daß der Großfürft Thronfolger die Regierung 
yat als Kaifer Alerander der Zweite. Wir müllen 
dabei bleibt, oder in Moskau was vorgeht. — 
ue Preugifche Zeitung jammert und lobhudelt in 
er Weife. Sie ift fo weichherzig geworden, Daß 
ie Würde und Ehrbarfeit rühmt, mit der die 
tung und die Spener’fche Zeitung den verftorbenen 
chen. Auch für diefe Blätter dauert nämlich das 
noch) fort, welches über die Kraft des Karakters und 
es Kaiſers durch feine ftarfe Körperlichkeit fich all- 
reitet hat. Die Geſchichte wird diefe Täufchung 
Men nicht lange mehr beitehen laffen; die Zeug: 
ihrheit werden überall hervortreten. — 
ı der König in Paris, wo man feinen Anfchluß 
tmädhte erwartete, neue Schwierigkeiten gemacht 
dingungen geftellt hatte, daß franzöfifhe Truppen 


464 


nicht den Durchmarfch durch Deutfchland fordern, und ihm 
der Befik von Poſen gewährleiftet werden follte, ift alle Ber: 
handlung mit dem General von Wedell dort abgebrochen wor: 
den, und der General fchon wieder hieher zurüdgefehrt. Ci 
beißt, er folle neue Weifungen holen. Der König bat er 
Härt, in feinem Falle werde er fi an Rußland anfchliepen; 
aber Polen folle man ruhen laffen! — 

Der König hat mit Lord Ruſſell abfichtlich nur unbedeu— 
tende Kleinigkeiten gefprochen,, gar nicht? von Politit! Rur 
ganz am Ende hat er dem englifchen Minifter auf deflen An- 
dringen gefagt, er werde in feiner bisherigen Haltung wer: 
harren. Der Lord ift fehr unwillig abgereift. — 

Der General von Bonin, der geweſene Kriegdminifter, 
meint, der König iverde freiwillig nie die Waffen gegen Ruh: 
land ehren ; nur Zwang fünne ihn dahin führen, der Zwang 
fönne nur allaubald eintreten, wenn ed Bonaparte'n Emft 
werde; biöher ſei man durch deſſen Langmuth und Höflichkeit | 
ficher getworden — doch wenn der wieder die Zähne zeige.....! 
(Die Langmuth und die Höflichkeit bildet man ſich mehr ein, 
als daß fie wirklich vorhanden wäre.) — 





Sonntag, den 4. März 1856. 

Die Bolfdzeitung und die Nationalzeitung find heute früb 
von der Polizei tweggenommen worden; man fagt, es fei ohne 
eigentlichen Anlaß nur bfindling® gefchehen, damit es nit 
außer Hebung komme, und gleichſam dem Tode des ruffifchen 
Kaiſers zu Ehren, damit fie fich nicht zu fehr des Ereignifies 
freuen! — | 

Ein Brief Schleiermaher’d an Friedrih Heinrich Jacobi, 
mir von Fräulein Wilhelmine Schede mitgetbeilt, veranlaßt 
mid) die Gedanken lebhaft auf jene beiden Geifter zu lenken, 


465 


e fo früh und fo ftark auf meine Jugendjahre eingewirft 
ben. Mit Jacobi bin ich eigentlich Tängft auf dem Reinen, 

war ein tiefer und edler Geift, der feinen eignen Weg ein» 
ylug, aber unglüdlicherweije nicht durchfam, fondern fteden 
teb, fo daß er ftetd nach Hülfe ſich umſah, und fie von dem 
Hauben, wohl gar von der Kirche, hoffte, die Wege der Andern 
ver, auf denen fie friich und muthig ihren Zielen zumwan- 
ten, ald unrichtige ſchalt, weil er fie nicht gehen fonnte, und 
> ihm alſo nichts halfen. Mit Schleiermacher fteht es 
Ywieriger; er bietet immer etwas Unaufgelöftee, und man 
uß ihn erft verjegen um ihn richtig zu faffen, verlieben aus . 
m Theologen und in ganz beftimmte Berhältniffe einge- 
emmten Prediger in den freien Geift, der ohne Hinderniß 
m eignen Forſchertrieben folgt, In jenem Briefe fucht er 
ine Berfchiedenheit von Jacobi darzulegen, und die Beruhi- 
ıng, die ihm auf feinem Wege geworden, jenem auf den. fei- 
igen hinüberzureihen. Aber weldhe Beruhigung bietet er 
a! Nichts ale Worte der Anbequemung, der Nushülfe, der 
zeſchwichtigung, die feinen Standpunkt gegen die Widerfacher 
Unfalls ſichern, aber für einen Jacobi nur dialeftifche Spitz⸗ 
ndigfeit find; feinen großen erhellenden Gedanken, fein tiefes, 
uneres Bekenntniß. Dan fieht, er will fi in feinen Gränzen 
alten, was er außerhalb diefer fein könnte, kommt gar nicht 
ur Frage. Mir beitätigt fich auf’d neue die fchon alte Wahr: 
ehmung, Schleiermacher hätte — wie Herder — fein Schwarz: . 
od fein follen, fein Schwarzrod bleiben follen! Dies falfche 
zerhältniß hat beide ganz gefälfcht und entftellt. — 

Die Nationalzeitung ift wegen einer Schilderung ded 
aiferd Nikolaus weggenommen worden, in der freilich gefagt 
ar, derjelbe fei fein großer Mann, fein Staatsmann, fein 
eneral geweſen; das aber, wenn es auch mipfällig fein mag, 

auf feine Weife ftrafbar. Schon um halb 4 Uhr Morgens 
ihah die Wegnahme. Der Artikel war von Herrn Affeflor 


Barnhagen von Ense, Tagebüder. XI. 30 


466 



















Paalzow, der doch noch irrthümlich dem Kaifer Heldenmuth | 
zulprah! — | 


Montag, ven 5. März 1858. 

Ausgegangen mit Ludmilla. Unter den Linden begegnete f 
mir Herr Geheimrath Homeyer, redete mich an und fagte jehrz 
ernft: „Ich muß fie aufmerffam machen — das flang etwas 
wunderlich, löſte fich aber gleich als er fortfuhr — daß zwei, 
Nebenfonnen zu fehen find." ch blidte zum Simmel, und } 
in der That zeigte fich dies prächtige Phänomen im fchöniten | 
Glanze. Es war etwa halb 12 Uhr, die Sonne fand m | 
Mittag, rechts und links von ihr, im Südoft und Südweſt, 
ſchimmerten zwei Sonnenbilder in Regenbogenfarben, gegen: ; 
über im Nordoft und Nordweit zwei weißliche Kugeln, viele ; 
und jene durch einen großen weißen Ringftreifen vereinigt, 
der weithin in der Bläue fich ausdehnte. ch habe frühe; 
nicht der Art gefehen. — 
Die geftern von der Polizei weggenommene Volkszeitung 
hat heute nachträglich erfcheinen dürfen. Hat irgend etwas | 
Mipfälliged wegbleiben müffen, fo ift ed wie beider Zenfur! —; 
Die Neue Preußifche Zeitung macht es ſich zum eifrigiten; 
Geſchäft, aller Welt einzureden, befonders aber dem Hofe, dat 
ganze Volt, namentlich aber das Volk in Berlin empfinde; 
ſchmerzlich den Berluft, den die Welt durch den Tod des rufe; 
ſchen Kaiſers gemacht, erfenne in dem Berftorbenen den großen 
Helden, den Staatdweifen, den Schüßer und Erhalter. Ganz! 
im Gegentheil! Das Volk, der Bürger, die Mehrzahl der Ger f 
bildeten halten ihn für den Störer des Friedens, wie für den; 
Feind alles Fortſchritts, aller Freiheit, fenden ihm Verwün⸗ 
ſchungen nach, freuen ſich feines Toded. Die Papiere an derj 
Börfe find geftiegen, auch in Paris, London und Wien. Def 
Hof mag trauern — obſchon es auch ihm großentheild wenig | 


467 


Ernft damit ift — das Volf jubelt und nimmt es übel, daß 
man fo ungewöhnliche Bezeigungen macht, „ald wäre Preußens 
Herrſcher geftorben, oder ald wären wir eine ruffifche Pro- 
Yin!" — Ä 
Majeftätöbeleidigungen! „Warum waltet in Rußland die 
Band der Vorfehung fo gnädig, und nicht auch bei ung? Wir 
fäben „ Unfern * gar gern auch her, Unglüd genug hat er ge: 
hiftet, fein Maß könnte voll fein!“ Einige Berhaftungen find 
Jeſchehen, die Leute aber nad) ftarfer Verwarnung gleich wier 
fer entlaffen worden, man will fein Aufheben machen. In 
Wirthshäuſern und auf den Straßen wird ſchon wieder 
keifter geiprochen und lauter. — 
+ Die Nationalzeitung von geftern ift heute verftümmelt 
Iochgeliefert worden; das heutige Abendblatt aber äusge⸗ 
ieben. — 
Beſuch von Heren Affeffor Paalzow ; die ruffifhen Sachen 
Mprochen, Berichtigung von Irrthümern. Gnglifche Blätter . 
fen Fluch und Verwünſchung auf den Kaifer Nikolaus. 
hefige Heuchelei, Bosheit und Gaufelei. — 
| Erzählungen über den Tod des ruffifchen Kaifers, feine letz⸗ 
Worte, Mahnungen ; lauter zurechtgemachted Zeug, großen⸗ 
Bil dumm und albern, aber gewiſſen Zweden dienend. 
Ehrung, Empfindfamteit foll gewedt werden. Das Bolf bes 
Br Mährchen, die Bornehmen bedürfen der Lügen. Das 
läßt fi nicht audreden, der Kaifer fei an Gift ge: 
eben. — 

F Sin Stuttgart haben die Stände 3 Millionen Gulden zur 
Miegsbereitſchaft bewilligt, mit der Bedingung des Anſchluſſes 
h Defterreih. Der König von Würtemberg iſt zwifchen 
i Feuern, dem ruffifchen und dem franzöfifchen ; das lep- 
e iſt ſtärker, die Volksſtimme ift nicht franzöfifch aber ruffen- 
ndlich. — 





















— —— — — 


30° 





468 


Dienstag, den 6. Mär; 1855. 
Befuh vom Hrn. Grafen von Keyferling. Heuchelei unfere, 
Höflinge wegen des ruffifchen Todesfalls; fie find ſchon ga; 
getröftet, weil noch feine Revolution ausgebrochen ift, meie 
hier noch dort; bleibt nur ihnen alles im Geleife, ſo iß 
ihnen wenig daran gelegen, ob der Kaifer fo heißt oder fe; 
was ift ihnen denn Nikolaus? Ein Konftabler, ein Schuy 
. mann! Der — Louis Napoleon war ihnen faft ebenfo lic, 
als er den Staatöftreich machte. — Noch nichte aus Moskau. 
Gefpräch über Zweifampf, und den des Herm wm 
Patow. Sehr viele Beamte gaben diefem Unrecht, daß 
den Zweifampf mit einem jungen Offizier nicht abgelehnt ba 
Meines Erachtens mußte er ihn annehmen. Der Graf wg 
Schlieffen war von Oberen und Kameraden gendthigt werde 
den Herrn von Patow zu fordern, aus welchem Grunde, mi 
ihwer zu fagen! Leidenfchaft und Unverftand bewegen I 
in aberwißiger Verwirrung! Die Thatſachen, welche Pal 
angeführt, find nicht widerlegt, nicht einmal beftritten, 
Ausdrudsweife hatte nicht? Beleidigended. Nun beipt 
gar noch, der Staatdanwalt folle — auf Befehl — geg 
Patow einfchreiten wegen des Zweikampfes, wobei für 4 
eine harte und langivierige Strafe herausfommen kann, ma 
rend der Offizier jedenfalls ſtraflos ift! — Das beabjichtig 
Heroldsamt foll ſchon errichtet fein, und Herr von Stülrg 
ale Haupt deffelben nicht 4000 Thaler Gehalt, wie man ul 
angab, fondern 5000 befommen. — Der König foll bei 
ruſſiſchen Trauerdienſte reichlich geweint, bald nachher & 
die leichtfertigiten Späße gemadhıt haben. — Die Gräfin t 
Brandenburg ift geftorben ; die Gräfin von Münfter, geb. 
der Marwitz, hofft nun Oberhofmeifterin zu werden, und f 
ihre Schimpf= und Spigreden gegen den König und! 
Königin fogleich eingeftellt. — 1 
Der König hat eine furze Aufwallung gehabt, in w 




























469 


Paris und London und Wien einigen Troß gezeigt 
gerühmt hat, er habe den Franzoſen dad Betreten des 
ı Bundes verboten, und feine Verhandlungen mit 
onaparte abgebrochen; Die Hofleute meinen, diefe 
ung fei wieder vorüber, und an ihrer Statt Beforgniß 
jheit eingetreten, General von Wedell foll mit neuen 
gen nad) Paris abgehen. — | 
franzöfiichen Blätter fprechen vom Kaifer Nikolaus 
fangenbeit, freuen fich über feinen Tod, der auch für 
echter Zeit gefommen fei, ihn vor größerer Schmad) 
nüthigung bewahrt habe. Die Neue Preußifche Zei- 
darüber außer fih, nennt ihn ſtets den Helden, den 
Dann, und macht ſich und ihn lächerlich ; fie hält den 
n vor, er fei Ehrenbürger von Berlin gewefen, habe 
ftungsgeld für das nah ihm genannte Hospital ge- 
c. Das Bolf wird von ſolchen Prahlehren und Prahl: 
gen wenig berührt, und fieht in dem verftorbenen 
ur den harten Gewaltherrfcher und böfen Anftifter des 
unbeilvollen Krieges. — 


Mittwoch, den 7. März 1855. 
ı verfuhlt, o Sonne, vergeben! Durch die Düftern Wolfen 
nen! Der ganje Gewinn meines Lebens ft Ihren 
zu beweinen.“ Goethe fpricht das für mich mit. Was 
fe zweiundzwanzig Jahre, trog mancher Wallung und 
ung, als eine lange Trauer, eine wiederkehrende 


. Sonntag früh in der Nacht hatte der polizeiliche Zei— 
fer Ponge den Herrn von Hindeldey wegen des Nikolaus⸗ 
3 der Nationalzeitung weden laffen, und in der erften 
ung wurde die Wegnahme befohlen. Nachher fand 
e fei übereilt gefchehen; dagegen gab die Voſſiſche Zei: 





470 


tung dadurch, daß fie von Patow's Zweikampf ofen | 
weit größern Anftoß, und die war unbeachtet geblieben 
rüber Ponge heftige Borwürfe befam. Der Prinz von? 
ließ von der Polizei die beiden Artikel, wegen deren di 
nalzeitung und die Volkszeitung weggenommen wor 
fi) holen, und fand darin nichts was die Wegnahı 
fertigte. Hindeldey fchicdte nun beide den Redakteure 
und ließ dabei ärgerlich fagen, über Rußland möchten 
druden, was fie wollten! Daß der Prinz von Pre 
geweigert, nach St. Petersburg zu reifen, hatte der 
Direktor auch überrafcht, und der Gedunfe, wie leid) 
uns ein Wechfel ded Throns und der Einflüffe ij 
fönnte, ſcheint vielen Leuten grade jegt fehr gegenwärti 
— Hindeldey hat heftige Auftritte mit Franz Dun 
Berleger der Bolkezeitung, und mit Herrn Müller, d 
thümer der Bofjifchen gehabt, und beide gleid 
dem Zimmer geworfen, Hut und Papiere ihner 
Ihmiffen ꝛc. Man könnte ihm die von ihm feinen 
lern ertheilten Vorfchriften, in ihren Amtsverrichtun— 
rubig und höflich zu fein, zu Gemüthe führen! — 

Alle ehrenwerthen Leute machen Beſuche bei $ 
Patow, laſſen fich bei ihm auffchreiben; die Haustl 
gar nicht leer. Die Gardeoffiziere ſelbſt beurtheilen 
gehabten Zweikampf verfchieden, und einige mißbi 
Die Hebereien dauern aber noch fort und die Gerla 
ten den Gegner gern auf die Zeitung bringen. Sei 
ift leicht. — 

Nachmittags Beſuch vom Grafen Arhibald vo 
ling. Erzählung von feinem geftrigen Abend beim 
präfidenten von Manteuffel; nur Fleine, zufällige G 
öfters zehn Minuten allgemeinen Stillfehweigeng, n 
gültiged gefprochen ꝛc. — . 

Noch der Kaiſer Nikolaus hat den Fürſten Menfe 


471 


hl in der Krim abgerufen, ob er aber durch den Fürſten 
off gut erſetzt it? — (Die Ausfertigung gefchah doch 
+ März.) — | 

Hofftaatd » Seftetair der Königin, Legationdrath 
iußert fih mit Heftigfeit und Haß gegen Rußland, 
ı Kaifer Nikolaus, und führt alle böfen Streiche an, 
amentlih gegen Preußen ausgeübt, die wüthigen 
:eden auf den König, die er dem Grafen von Branden- 
Geſicht geichleudert, die Mißachtung, Bedrüdung, 
Mofigfeit, Die er gegen Preußen feit 1848 be- 
foll eine franzöfifche Zeitung, im ruffifchen Geift er: 
erden und Journal du Nord heißen. Der Polizei 
ei doch etwas bange, man fürchtet Frankreich und 
ch, und ſucht Hinderniffe zu legen. — Der ruſſiſche 
haftsanhängling Chopin foll die Oberleitung führen ; 
Anderen heißt er Hr. von Schöpping. — 


Donnerstag, den 8. März 1855. 
Volkszeitung ftellt die beiden an demfelben Tage Ges 
', Dupon de l'Eure und Kaifer Nikolaus, vergleichend 
n, wobei noch immer der Wahn von des Zard Karaf: 
sit und Muth zu deffen Gunften mitjpielt; dennody 
die bloße Zufammenftellung beider Namen das heuch⸗ 
dünkelhafte Hofgeſchmeiß. — 
jegangen mit Ludmilla; Beſuch beim Herrn General 
mann, Dorotheenftraße 50. Sehr freimüthige Ge⸗ 
ber die neuefte Gefchichte und jebige Stellung ‘Preußen? ; 
ſtarken Tadel aus, ganz ruffenfeindlih. — 
Graf Arhibald von Keyferling brachte mir Mittheis 
nd Anfragen. — Franzöfifche Flugſchriften über den 


472 


Kaifer Nikolaus, die meiften fehr heftig wider ihn. Print 
fchungen der Englifhen „Times“ gegen ihn. Das Bett MW” 
äußert Haß und Hohn. — | 
Manifeft des Kaiſers Alexanders des Zweiten; es atıml W_-: 
Krieg, Uebermuth, Ausführung der Wünfche und Enwilt h 
Peter's des Großen, Katharinens, Alerander’3 und Nitolaut- | 
Eine Sprache, die nichts bedeutet, hinter der alled ftedn | 
fann, auch die größte Friedensliebe. Der neue Kaifer may | 
eine ſolche Sprache für feine Nuffen nöthig finden, wohl aud 
für die Mächte, mit denen er unterhandeln will. Diefelben | 
Weifungen für Wien, wie vorher. — | 
Der General von Wedel ijt heute mit neuen hiefigen Bor: | 
ſchlägen nach Paris abgereift. Louis Bonaparte hat viel Ge | 
duld. Aber eine anfehnliche Truppenmacht zieht er bei Mek | 
zufammen. Seine Verhandlungen an deutfchen Höfen werden | 
lebhaft betrieben. Die Gedanken und Berhältniffe eines Rhein: 
bundes ftehen nicht fern. „Wenn der deutfche Bund zerreift, 
fo ift der König von Preußen an dem Riffe fhuld, wenn et 
den Riß auch nicht grade macht.“ — 
„Le tzar Nicolas et la sainte Russie. Par Ach. 
Gallet de Kulture. Paris, 1855.* Der Berfaffer war lange 
Jahre Seftetair bei Demidoff. Wenig Neues, aber dreift und: 
\charf vorgetragen. Manche Täufhungen werden aufgededt. 
— Pag. 208: „Ce n’est point en Russie, mais en Europe, 
oü l’empereur passe pour un grand homme. Les Russes 
sont, en general, fort surpris de cette opinion. Pour 
eux, — je parle de la partie intelligente de la nation, | 
— non du peuple, qui, dans son ignorance, pousse le‘! 
fetichisme jusqu’& la deification; — pour les hommes qui ! 
pensent, dis-je, — le tzar est un esprit borne, grandij 
par l’orgueil et surexite, à certains moments, pas les 
acces d’une fulie de race.“ Dies ift genau daffelbe, was; 
aud ich, aber freilich erft in den fpätern Jahren, von den 









473 


einfihtigften,, redlichften Ruffen gehört, befonderd auch von 
Ruffinnen. — Jenes Buch führt die gräßlichften Züge von 
böhnifher Gewaltthat und fchändlicher Grauſamkeit an, deren 
ſih der Kaifer Nikolaus fchuldig gemacht hat. Man muß den 
Tag preifen, der feine Herrfchaft geendet! — „Il a été un 
monstre de luxure.“ — 


Ich finde die Stelle von Mackhiavelli angeführt, die auch 
jest wieder volle Geltung hat: „l’opinione contro ai popoli 
nasce, perch& dei popoli ciascun dice male senza paura, 
e liberamente ancora mentre che regnano: dei prin- 
cipi si parla sempre con mille timori et mille rispetti.“ 
Discorsi sopra Tito Livio, 58. — 


Freitag, den 9. März 18565. 

Die Kreuzzeitungsparthei jammert ob der nochmaligen 
Sendung ded Generald von Wedell nah Paris, fie fürchtet 
diesmal, daß ed doch zum Anfchluß an die Weitmächte fommt; 
fie fchimpft nun wieder maßlos auf den König, ja ihr tolles 
Preifen des Kaiferd Nikolaus ift mit darauf berechnet, den 
König durch den Gegenfaß zu demüthigen! Bald wird es ale 
Huldigung und Schmeichelei eined guten Unterthanes gelten, 
daß er dem verftorbenen Kaifer Die Heldeneigenfchaften ab- 
[pricht, die jene Rotte gewaltfam in ihm verherrlichen will! — 


Umftändliche Nachrichten über die legten Tage des Kai— 
fers Nikolaus, nicht? beſonders Merfwürdiged, Die Worte, 
die er zur Kaiferin für den König gefagt haben foll: „Dites 
à Fritz de rester toujours le m&me pour la Russie, et 
de ne pas oublier les paroles de papa!* hält man bier für 
erdichtet ; fie waren ſchon bei der Todednachricht in Umlauf, 
und find offenbar für den König in politifcher Abficht ge: 





474 


macht. Die Leute meinen übrigens, Fritz habe ſich biäke 
eben nicht ſehr nad) den paroles de papa gerichtet! — 

Der Tod des Kaifers ift offenbar durch Die Nachrichten aus 
der Krim beſchleunigt worden; die Schlappe von Eupateria 
hat ihm das Herz getroffen. Und ſolche Niederlagen immer 
durch die Türken! Bei Kalafat, Oltenitza, Cetate, vor Siliftria, 
nun au vor Gupateria, ſolche Reihe von Schlägen auf 
folhen Dünkel und Uebermuth! Hier bejeigen viele Leute die 
größte Freude darüber! — 

Die im Parlament angeregte Frage wegen Polen hat man 
auf Lord Palmerfton’s dringende Bitte wieder ruhen laſſen. — 

Man wird es einmal nicht glauben, wie jämmerlich Stahl 
in der erften Kammer als Berichterjtatter über den Ramen 
Herrenhaus gefprochen hat. Wirklich efelhaft, fo gering und 
niedrig! Die Kammer hat natürlich feine Folgerungen an: 
genommen ! — 

In der Boffifchen Zeitung ftand ein Artifel, worin gefagt 
wird, bei den Deutfchen fei noch immer der Sinn für Wahr: 
heit und Reblichfeit fo vorherrfchend, daß dem Kaifer Nikolaus 
bei ihnen nicht fo geſchadet habe, ald die Heuchelei und Lüge, 
mit denen er feine Eroberungsgelüfte unter dem Decmantel 
des Refigiondeifers habe befriedigen wollen. — 

Daß das Heer um den Kaifer Nikolaus vier Wochen trauert, 
ift ganz ungewöhnlich, und ift vielfach) getadelt worden. Sept 
fagt der König, er habe die Trauer des Hofes gleich im erften 
Augenblide auf vier Wochen beftimmt, dann auch Trauer für 
dad Heer, aber nicht auf vier Wochen, der General von Cr 
lady habe dies mißverftanden oder willfürlich hinzugefügt, 
Gerlach dagegen verfichert, der König habe es fo audgefprochen, 
auch für dos Heer, und wolle nun jegt den Mißgriff von fih 
abweifen. — 





475 


Sonnabend, ben 10. März 1855. 
Beſuch vom Herrn Grafen von Seher-Thoß; ungarifche 
Ge fſchichten, Rechtfertigung der Magyaren vom legalen, vom 
ara Htofratifhen Standpunkt; die Freiheit der Bauern ale 
Sch» ugmittel der Edelleute, ald Schwächung der Regierungs- 
meacht, fofern dieſe gegen den Adel ift. — Nachrichten aus 
Ur garn, dag dort wirklich ruffifche Sendlinge verhaftet wor- 
dern , Aufmwiegler der Slowaken, nicht der Magyaren, die doch 
me Hr als jene zum Aufftande geneigt find. — 
Abends fam Herr Hofrath Bolzenthal, mit ihm Herr 
Ac t on, Sohn von Lady Acton, die ich als folche in Wiesbaden, 
daran ald Lady Levefon in Kiffingen 1845 gekannt. habe; ihr 
Mann ift jet Earl Granville und englifher Minifter. Die 
Mutter des jungen Acton ift eine Tochter des franzöfifchen 
Hera ogd von Dalberg. Der junge Mann, der mehrere Jahre 
in Münden bei feinen Verwandten (Grafen von Arco ꝛc.) ge- 
lebt, ſpricht vollfommen deutfch; er reift in diefen Tagen nad) 
loradon, denkt aber im Sommer hieher zurüdzufehren. Wir 
Iprauchen von Wynn's, Mondten Milnes, Grote, Carlyle, von 
dee politiſchen Rage der Dinge, dem Verlangen nach Frieden ıc. 
Vincke jtreitet in der zweiten Kammer tapfer und furdhtlog, 
ber ganz vergeblich. Klage, daß die Zeitungen fo wenig ſich 
um Die Kammern befümmern; die Urfachen find: eritens, daß 
vie Kammern entartete, ohne Bolkötheilnahme zu Stande ge- 
dorn mene Körperfchaften, zweitens, daß die Zeitungen von der 
Polizei gefeffelt find; die auswärtige Politik erlaubt fie ihnen 
618 zu gewiffem Grade, die inländifche nicht. Der Präjident 
von Gerlach zeichnet fich wieder durch freche Handwurftereien 
and, die Minifter durch jämmerliche Nichtigkeit, ihre Gründe 
find immer kahl und fchal! — , 
Der zweite Band von Sybel’8 Gefchichte der Revolutiond- 
zeit befriedigt mid) noch weniger als der erſte. Oelsner oder 
Schlabrendorf hätten die Geſchichte der franzöſiſchen Revo: 





476 


lution ſchreiben können ;- mir ift fonft fein Deutſcher befannt, 

der ſich an diefe Aufgabe hätte machen fönnen. Im Allgeme: 

nen fehlt ganz und gar das Berftändniß der großen Bene 

gung. Mit Fleiß und Sorgfalt, die ich gewiß nicht entbehren 

will, ift es allein nicht gethan. Berichtigungen, genaue Ein- 

zelheiten, mögen wir beibringen; Ungerechtigeiten, Ueber: 

treibungen zurüdweifen, aber dad Ganze darzuftellen fehlt 

unfern Schriftftelleen der hohe freie Standpunkt, das ftarfe 

Gefühl der waltenden Lebenöverhältniffe, der beherrichente, 
große Dichterſinn, die den franzöjifchen Schriftftellern mehr 
innewohnen, ald den unfern. Sybel betrachtet zu ſebt die 
einzelnen Rollen, die Abfihten der Menfhen, und bamit 
fommt man nicht weit, wo alles im fämpfenden Gedränge 
einer unwiderftehlichen Nothwendigfeit folgt, mehr getriehen 
wird, ald treibt. Diefe Macht empfanden die mächtigften Ge: 
ftalten der Revolution immerfort, niht nur Neder und 
Lafayette, fondern auch Mirabeau, Danton, Robespierre, und 
ſelbſt Bonaparte, Der deutfche Profeffor, felbft wenn er 
fähig wäre, das Befte über die franzöfifhe Revolution zu 
fagen, dürfte er e8 denn fagen? — 


Sonntag, ben 11. März 1855. 

Die Weltlage bietet meiner Betrachtung feine nahen Rube- 
punfte, feine erfreulihen. Der Blid muß in weite Fetne, 
über alles jept Vorhandene, jetzt Sichtbare hinausfchweifen, 
um frohe Wendungen und Stätten zu erfpähen, zu denen 
die Zeit hineilt, mic aber ſchon unterwegs abwirft! In 
den jepigen Spannungen ift doch fo gar nicht®, woran ic 
Freude haben, woran ich mich halten fönnte, im weiten Be 
reich von Europa nicht? Geftaltetes, überall nur Werdendes, 
das aber in feinen Rohftoffen nod unverkennbar Daliegt, wie 


469 


ı Parid und London und Wien einigen Trog gezeigt 
gerühmt hat, er habe den Franzoſen das Betreten des 
n Bundes verboten, und feine Verhandlungen mit 
Ionaparte abgebrochen; die Hofleute meinen, Diele 
lung fei wieder vorüber, und an ihrer Statt Beforgniß 
gheit eingetreten, General von Wedell foll mit neuen 
igen nach Paris abgehen. — | 

franzöfifchen Blätter jprechen vom Kaifer Nikolaus 
efangenheit, freuen fich über feinen Tod, der auch für 
rechter Zeit gefommen fei, ihn vor größerer Schmad) 
müthigung bewahrt habe, Die Neue Preußifche Zei⸗ 

darüber außer fih, nennt ihn ſtets den Helden, den 
Mann, und madht ſich und ihn lächerlich ; fie hält den 
m vor, er fei Ehrenbürger von Berlin gewefen, babe 
iftungdgeld für dad nach ihm genannte Hospital ge- 
rc. Das Volk wird von folchen Prahlehren und Prahl⸗ 
igen wenig berührt, und fieht in dem verftorbenen 
ur den harten Gewaltherrfcher und böfen Anftifter des 
unbeilvollen Krieges. — 


Mittwoch, den 7. März 1855. 

u verfuchft, o Sonne, vergeben? Durch die düftern Wolfen 
nen! Der ganje Gewinn meined Lebens ft Ihren 
zu beweinen.* Goethe fpricht dag für mich mit. Was 
je zweiundzwanzig Jahre, trog mancher Wallung und 
ung, als eine lange Trauer, eine wiederkehrende 
Sonntag früh in der Nacht hatte der polizeiliche Zei- 
er Ponge den Herrn von Hindeldey wegen des Nifolaus- 

der Nationalzeitung weden laffen, und in der erften 
ng wurde die Wegnahme befohlen. Nachher fand 
ſei übereilt gefehehen ; dagegen gab die Voflifche Zei: 





470 


tung dadurch, daß fie von Patow's Zweikampf ofen Ib, $- 
weit größern Anftoß, und die war unbeachtet geblieben, we 
rüber Ponge heftige Vorwürfe befam. Der Prinz von Prupa f 
ließ von der Polizei die beiden Artikel, wegen deren die Katie 
nalzeitung und die Volkszeitung weggenommen worden, ſit Ja 
fi) holen, und fand darin nichts was die Wegnahme ıcht 
fertigte. Hindeldey fchidte nun beide den Redakteuren zurih 
und ließ dabei ärgerlich fagen, über Rußland möchten fie nun 
druden, was fie wollten! Daß der Prinz von Preußen id 
geweigert, nad) St. Peteröburg zu reifen, hatte den Polis. 
Direktor auch überrafcht, und der Gedanke, wie leicht aud dä 
und ein Wechſel des Throns und der Einflüffe ſtattfinden 
fönnte, fcheint vielen Leuten grade jegt [ehr gegenwärtig zu im 
— Hindeldey hat heftige Auftritte mit Franz Dunder, 
Berleger der Bolfözeitung, und mit Herrn Müller, dem Eiyns 
thümer der Boffifhen gehabt, und beide gleichjum a 
dem Zimmer geworfen, Hut und Papiere ihnen nad 
ſchmiſſen 2. Man könnte ihm die von ihm feinen Konttab 
lern ertheilten Borfchriften, in ihren YAmteverrichtungen imme 
ruhig und höflich zu fein, zu Gemüthe führen! — 

Alle ehrenwerthen Leute machen Beſuche bei Herm vo 
Patow, laſſen fi) bei ihm auffchreiben; die Hausthüre wi 
gar nicht leer. Die Gardeoffiziere felbit beurtheilen den ftat 
gehabten Zweifampf verfchieden, und einige mißbilligen ib 
Die Hebereien dauern aber noch fort und die Gerlach's mi 
ten den Gegner gern auf die eftung bringen. Seine Wun 
ift leicht. — 

Nachmittags Beſuch vom Grafen Archibald von Keyfe 
ling. Erzählung von feinem geftrigen Abend beim Minift 
präfidenten von Manteuffel; nur Feine, zufällige Geſellſcha 
öfterd zehn Minuten allgemeinen Stillſchweigens, nur Glei 
gültiged gefprochen ꝛc. — . 

Noch der Kaiſer Nikolaus hat den Fürften Menfchikoff v 








471 


Iberbefehl in der Krim abgerufen, ob er aber durch den Fürften 
Hortſchakoff gut erfegt it? — (Die Ausfertigung gefchah doc) 
it am 4. März.) — | 

Der Hofſtaats-Sekretair der Königin, Legationgrath 
Safe, äußert fih mit Heftigleit und Haß gegen Rußland, 
gegen den Kaifer Nikolaus, und führt alle böfen Streiche an, 
die er namentlich gegen Preußen ausgeübt, die wüthigen 
Shimpfreden auf den König, die er Dem Grafen von Branden- 
burg in's Geficht geichleudert, die Mißachtung, Bebrüdung, 
Nüdfichtslofigfeit, die er gegen Preußen feit 1848 be- 
wiefen ıc. — 

Hier foll eine franzöfifche Zeitung, im ruffifchen Geift er- 
richtet werden und Journal du Nord heißen, Der Polizei 
wird Dabei doch etwas bange, man fürchtet Frankreich und 
Defterreih, und fucht Hinderniffe zu legen. — Der ruffifche 
Sejandtichaftdanhängling Chopin foll die Oberleitung führen ; 
— nad) Anderen heißt er Hr. von Schöpping. — 


Donnerstag, den 8. März 1855. 

Die Volkszeitung ftellt die beiden an demfelben Tage Ges 
srbenen, Dupon de l’Eure und Kaifer Nikolaus, vergleichend 
fammen, wobei noch immer der Wahn von ded Zard Karak—⸗ 
fejtigfeit und Muth zu deffen Gunſten mitfpielt; dennoch 
bittert die bloße Zufammenftellung beider Namen das heud)- 
-ifche, dünkelhafte Hofgeſchmeiß. — 

Ausgegangen mit Ludmilla; Befuch beim Herrn General 
nn Hedemann, Dorotheenftraße 50. Sehr freimüthige Ge- 
räche über die neuefte Gefchichte und jetzige Stellung Preußens ; 
fpricht ftarken Tadel aus, ganz ruffenfeindlih. — 

Der Graf Archibald von Keyferling brachte mir Mittheis 
ngen und Anfragen. — Franzöſiſche Flugſchriften über den 





472 


Kaifer Nikolaus, die meiften fehr heftig wider ihn. Verwin 
ſchungen der Engliſchen, Times“ gegen ihn. Das Bolt hi 
äußert Haß und Hohn. — 

Manifeft des Kaiſers Aleyanderd des Zweiten; es attı 
Krieg, Uebermuth, Ausführung der Wünfche und Entwi 
Peter's des Großen, Katharineng, Alerander’d und Nikola 
Eine Sprache, die nicht? bedeutet, hinter der alle ſie 
fann, auch die größte Friedendliebe. Der neue Kaifer 
eine ſolche Sprache für feine Nuffen nöthig finden, wohl 
für die Mächte, mit denen er unterhandeln will Diele 
Weilungen für Wien, wie vorher. — 

Der General von Wedell it heute mit neuen hiefigen' 
Schlägen nach Paris abgereift. Louis Bonaparte hat viel 
duld. Uber eine anſehnliche Truppenmacht zieht er bei 
zufammen. Seine Verhandlungen an deutfchen Höfen w 
lebhaft betrieben. Die Gedanken und Berbältniffe eines R 
bundes ftehen nicht fern. „Wenn der deutfche Bund zer 
fo ift der König von Preußen an dem Riffe fhuld, wer 
den Riß auch nicht grade macht.“ — 

„Le tzar Nicolas et la sainte Russie. Par 
Gallet de Kulture. Paris, 1855. Der Berfaffer war 
Fahre Sefretair bei Demidoff. Wenig Neues, aber dreif 
Iharf vorgetragen. Manche Täufchungen werden aufgı 
— Pag. 208: „Ce n’est point en Russie, mais en Eu 
oü l’empereur passe pour un grand homme. LesR 
sont, en gencral, fort surpris de cette opinion. 
eux, — je parle de la partie intelligente de lan: 
— non du peuple, qui, dans son ignorance, pous 
fetichisme jusqu’ä la deification ; — pour les hommı 
pensent, dis-je, — le tzar est un esprit borne, g 
par l’orgueil et surexite, & certains moments, ps 
accès d’une folie de race.* Dies ift genau daffelbe 
auch ich, aber freilich erft in den fpätern Jahren, vı 


473 


nfihtigften, redlichiten Ruſſen gehört, befonderd auch von 
uffinnen. — Jenes Buch führt die gräßlichften Züge von 
öhnifcher Gewaltthat und fchändlicher Grauſamkeit an, deren 
ch der Kaifer Nikolaus fchuldig gemacht hat. Man muß den 
‚ag preifen, der feine Herrfchaft geendet! — „Il a été un 
nonstre de luxure.“ — 


Ich finde die Stelle von Mackhiavelli angeführt, die auch 
jebt wieder volle Geltung hat: „l’opinione cuntro ai popoli 
nasce, perch& dei popoli ciascun dice male senza paura, 
e liheramente ancora mentre che regnano: dei prin- 
eipi si parla sempre con mille timori et mille rispetti.“ 
Discorsi sopra Tito Livio, 58. — 


Freitag, ben 9. Mär; 1855. 

Die Kreuzzeitungdparthei jammert ob der nochmaligen 
Sendung des ‚Generale von Wedell nach Paris, fie fürchtet 
diesmal, daß es doch zum Anfchluß an die Weftmächte kommt; _ 
fe fhimpft num wieder maßlos auf den König, ja ihr tolles 
Preifen des Kaiſers Nikolaus ift mit darauf berechnet, den 
König durch den Gegenſatz zu demüthigen! Bald wird es ale 
Huldigung und Schmeichelei eines guten Unterthanes gelten, 
daß er dem verftorbenen Kaifer Die Heldeneigenfchaften ab- 
Ipricht, die jene Rotte gewaltfam in ihm verherrlichen will! — 


Umftändliche Nachrichten über die legten Tage des Kai: 
erd Rikolaus, nicht? befonderd Merkwürdiges. Die Worte, 
je er zur Kaiferin für den König gefagt haben foll: „Dites 
Fritz de rester toujours le m&me pour la Russie, et 
> ne pas oublier les paroles de papa!“ hält man bier für 
dichtet; fie waren fchon bei der Todednachricht in Umlauf, 
d find offenbar für den König in politifcher Abfiht ge: 





474 


macht. Die Leute meinen übrigens, Fritz habe fih bis 
eben nicht fehr nach den paroles de papa gerichtet! — 

Der Tod des Kaiſers ift offenbar durch die Nachrichten 
der Krim befchleunigt worden; die Schlappe von Eupat 
hat ihm das Herz getroffen. Und folche Niederlagen in 
durch die Türken! Bei Kalafat, Oltenika, Cetate, vor Silit 
nun auh vor Eupatoria, folhe Reihe von Schlägen 
folhen Dünkel und Uebermuth! Hier bezeigen viele Leut 
größte Freude darüber! — 

Die im Parlament angeregte Frage wegen Polen hat 
auf Lord Palmerſton's dringende Bitte wieder ruhen laſſer 

Man wird ed einmal nicht glauben, wie jämmerlic € 
in der erſten Kammer als Berichteritatter über den Ne 
Herrenhaus gefprochen hat. Wirklich efelhaft, fo gering 
niedrig! Die Kammer hat natürlich feine Kolgerunger 
genommen! — 

In der Boffifchen Zeitung fand ein Artikel, worin g 
wird, bei den Deutfchen fei noch immer der Sinn für W 
heit und Redlichkeit jo vorherrfchend, daß dem Kaifer Ritt 
- bei ihnen nichts fo gefchadet habe, ald Die Heuchelei und { 
mit denen er feine Eroberungdgelüfte unter dem Dedm 
des Meligiondeifers habe befriedigen wollen. — 

Daß das Heer um den Kaifer Nikolaus vier Wochen tra: 
ift ganz ungewöhnlich, und ift vielfach getadelt worden. 
fagt der König, er habe die Trauer des Hofes gleich im e 
Augenbfide auf vier Wochen beftimmt, dann auch Traueı 
dad Heer, aber nicht auf vier Wochen, der General von | 
lady habe dies mißverftanden oder willfürlich binzuge 
Gerlach dagegen verfichert, der König habe es fo ausgeſpro— 
auch für das Heer, und wolle nun jegt den Mißgriff von 
abweifen. — 








475 


Sonnabend, den 10. März 1855. 

Beſuch vom Herrn Grafen von Seher-Thoß; ungarifche 

Bethihten, Rechtfertigung der Magyaren vom legalen, vom 
arı Fiofratifhen Standpunkt; die Freiheit der Bauern ale 
Schk»uspmittel der Edelleute, ald Schwächung der Regierungs⸗ 
macht, fofern diefe gegen den Adel ifl. — Nachrichten aus 
Urs garn, daß dort wirklich ruſſiſche Sendlinge verhaftet wor- 
dena , Aufmwiegler der Slowaken, nicht der Magyaren, die doch 
me Br ale jene zum Aufftande geneigt find. — 

Abende kam Herr Hofrath Bolzenthal, mit ihm Herr 
Ac t on, Sohn von Lady Acton, die ich als ſolche in Wiesbaden, 
daran ald Lady Leveſon in Kiffingen 1845 gekannt. habe; ihr 
Mann ift jetzt Earl Granville und englifcher Minifter. Die 
Muutter des jungen Acton ift eine Tochter des franzöfifchen 
Herzogs von Dalberg. Der junge Mann, der mehrere Jahre 
in München bei feinen Verwandten (Grafen von Arco 2c.) ge- 
DE, ſpricht vollfommen deutſch; er reift in diefen Tagen nach 
Lom don, denft aber im Sommer bieher zurüdzufehren. Wir 
ſprachen von Wynn's, Mondton Milnes, Grote, Carlyle, von 
der politiſchen Tage der Dinge, dem Verlangen nad) Frieden ıc. 

Binde ftreitet in der zweiten Kammer tapfer und furchtlog, 
aber ganz vergeblih. Klage, daß die Zeitungen fo wenig fich 
um die Kammern befümmern; die Urfachen find: eritend, daß 
die Kammern entartete, ohne Boltötheilnahme zu Stande ges 
lom mene Körperfchaften, zweitens, daß die Zeitungen von der 
Polizei gefeffelt find; die auswärtige Politif erlaubt fie ihnen 
bis zu gewiſſem Grade, die inländifche nicht. Der Präjident 
vorm Gerlach zeichnet fich wieder durch freche Hanswurſtereien 
US, die Minifter durch jämmerliche Nichtigkeit, ihre Gründe 
ſin D immer kahl und hal! — 

Der zweite Band von Sybel’8 Geſchichte der Revolutiond- 
zeit befriedigt mich noch weniger ald der erfte. Oelsner oder 
SH) Labrendorf hätten die Geſchichte der franzöfifchen Revo- 


476 


lution fchreiben können; mir ift fonft fein Deutjcher befannt, 
der jich an diefe Aufgabe hätte machen können. Im Allgemei: 
nen fehlt ganz und gar das Berftändniß der großen Bene: 
gung. Mit Fleiß und Sorgfalt, die ich gewiß nicht entbehtn 
will, ift es allein nicht gethan. Berichtigungen, genaue Ein- 
zelheiten, mögen wir beibringen; Ungerechtigfeiten, Ueber: 
treibungen zurücdweifen, aber das Ganze darzuftellen jehlt 
unfern Schriftftelleen der hohe freie Standpunkt, das farke 
Gefühl der waltenden Lebenöverhältniffe, der beherrſchende, 
große Dichterfinn, die den franzöfifchen Schriftftellern meh! 
innewohnen, ald den unfern. Sybel betrachtet zu fehr pt 
einzelnen Rollen, die Abfichten der Menſchen, und dan % 
fommt man nicht weit, wo alles im fämpfenden Gerrän ER 
einer unwiderftehlichen Nothwendigfeit folgt, mehr getriebe" 
wird, ale treibt. Diefe Macht empfanden die mächtigften G— 
ftalten der Revolution immerfort, nicht nur Neder > 
Zafayette, fondern auch Mirabeau, Danton, Robespierre, una 
felbft Bonaparte, Der deutfche Profeffor, felbft wenn €" 
fähig wäre, das Befte über die franzöfifche Revolution 
jagen, dürfte er ed denn fagen? — 





Sonntag, den 11. März 1855. 

Die Weltlage bietet meiner Betrachtung Feine nahen Ruhe: 
punkte, feine erfreulihen. Der Blick muß in weite Ferne, 
über alles jegt Vorhandene, jest Sichtbare hinaugfchweifen, 
um frohe Wendungen und Stätten zu erfpähen, zu denen 
die Zeit hineilt, mich aber fehon unterwegs abwirft! In 
den jegigen Spannungen ift doch fo gar nichts, woran ich 
Freude haben, woran ich mich halten Fönnte, im weiten Be- 
reich von Europa nicht? Geftaltetes, überall nur Werdendes, 
das aber in feinen Rohftoffen noch unverkennbar daliegt, wie 


477 


Steine, Kalk, Sand und Balken zu einem Gebäude, deſſen 
erſt entworfen werden ſoll. Wie anders war das vor dem 
x 1848! Damals, in politifcher Kindheit, fonnte man zu- 
den fein mit vielem, was jet unerträglich geworden, konnte 
n fich freuen mit manchem, was jest feine Beachtung findet. 
nige Monate des Jahres 1848 haben die Dede zerriffen, 
auf den allgemeinen Zuftänden lag, haben und das Uns 
tdige und Erbärmliche gezeigt, und zugleich das Gute und 
ſche, was an die Stelle von jenem treten fol, ch Teide 
| durch die eingetretene VBerdüfterung, aber ich kann die 
heren Zuftände nicht zurückwünſchen! Das Gefchleht ift 

Kindheit entrüct, zur Mannheit berufen, und diejer Beruf 
hält mehr Befriedigung, als alles frühere Spiel von Hoff: 
augen und Täuſchungen. — 

Ludmilla fam von der Gräfin von Ahlefeldt, deren Zuftand 
fnungslos ift, wobei fie mit größter Freundlichkeit noch an 
m Theil nimmt wie fonft, und die Freunde, mit denen fie 
nig mehr fprechen kann, mindeftena noch fehen will. — 


Montag, den 12. März 1855. 

In der heutigen Montagspoft giebt Herr Dr. Koſſak un- 
rnuthet aus der „ Galerie von Bildniffen * den Brief Aleran- 
3 von der Marwig an Rahel über „den kleinen Gerlach“. 
>3 Karafterbild nimmt fich in der Zeitung feltfam aus; ale 
geichrieben wurde, war der Feine Dann nur und befannt, 

ed gedrudt wurde, ein unbeachteter Offizier, jest fteht er 
einflußreicher Stelle. Doch ift es night, wie Koffaf und mit 
n das Publifum glauben mag, der Präfident und Kammer: 
newurft von Gerlach, der hier gemeint ift, fondern fein Bru⸗ 
r Leopold, der Generaladjutant. — 

Defterreichifches Rundfchreiben, das mit Heftigfeit den 


478 


preußifchen Anfichten widerfpricht, die da meinen, die Bun 
destruppen feien nur innerhalb des Bundesgebieted zu ver: 
wenden, und die Kriegöbereitfchaft nach allen Seiten anzuord 
nen, alfo auch gegen Frankreich, daher die Bundesfeitungen 
in Stand zu ſetzen u. f. w. Oeſterreich erklärt dies all 
dem Beten Deutfchlands entgegen, beruft ſich auf die ſchon 
geſchloſſenen Verträge, und betreibt eifrig den Beitritt der 
deutfchen Regierungen zu feinen Anträgen und Abfichten; wie 
es Scheint, mit gutem Gelingen. — Der General von Wedel 
fpielt in Paris eine traurige Rolle, man hält ihm die Wider: 
fprüche vor, in welche Preußen fich verwickelt hat, man madt 
fich über ihn luftig, wozu der Gefandte Graf Mar von Hapfeltt 
das Seinige gern beitragen foll. Es heißt jebt, der König wolle 
noch einen General nad) Paris fenden, den General Adolph 
von Willifen, gegen den aber der Minifterpräfident von Mar- 
teuffel Einfpruch thue. — 

Die ruffifche Zeitung Journal du Nord foll nun nicht 
hier erfcheinen, fondern an andrem Orte, vielleicht in Ham 
burg. Wir haben ja fhon ein ruffifches, erzruffifches Blatt 
an der Kreuzzeitung! — Manteuffel hat die franzoöſiſchen 
Litteraten, die an dem Blatt arbeiten follten, ausweiſen 
lafien. — 

Depefche Manteuffel’s an den Gefandten in Paris Grafen 
Mar von Hapfeldt, die ſehr gereizt die Franzöfifchen Beſchwer— 
den über preußifche Aeußerungen am Bundestag abweift, und 
leßtere verneint. Er fagt, was am Bundestage verhandelt 
werde, fei immer deutfche Angelegenheit, und gehe das Aus‘ 
land nicht? an; eine Behauptung, die unter den waltenden 
Umjtänden fich ſchwerlich durchführen läßt, außer durch ein 
Machtanſehen, das uns fehlt! — 


— 


471 


berbefehl in der Krim abgerufen, ob eraber durch den Fürften 
zortſchakoff gut erfegt iſt? — (Die Ausfertigung gefchah doch 
tft am 4. März.) — 

Der Hofftaatd- Sekretair der Königin, Legationdrath 
Safe, äußert fi mit Heftigfeit und Haß gegen Rußland, 
gegen den Kaifer Nikolaus, und führt alle böſen Streiche an, 
die er namentlich gegen Preußen ausgeübt, die wüthigen 
Schimpfreden auf den König, die er dem Grafen von Branden« 
burg in's Geficht gejchleudert, die Mißachtung, Bedrüdung, 
Nüdfichtölofigkeit, die er gegen Preußen feit 1848 be- 
wieſen ꝛc. — 

Hier ſoll eine franzöſiſche Zeitung, im ruſſiſchen Geiſt er⸗ 
ichtet werden und Journal du Nord heißen. Der Polizei 
ird dabei doc etwas bange, man fürchtet Frankreich und 
)efterreih, und ſucht Hinderniffe zu legen. — Der ruffifche 
jeſandtſchaftsanhängling Chopin fol die Oberleitung führen ; 
- nach Anderen heipt er Hr. von Schöpping. — 


Donnerstag, den 8. März 1855. 

Die Volkszeitung ftellt die beiden an demjelben Tage Ges 
rbenen, Dupon de l’Eure und Kaifer Nikolaus, vergleichend 
ſammen, wobei nody immer der Wahn von ded Zars Karak⸗ 
feftigfeit und Muth zu deifen Gunften mitfpielt; dennod 
ittert die bloße Zufammenftellung beider Namen das heuch- 
ifche, dünkelhafte Hofgeſchmeiß. — 

Ausgegangen mit Qudmilla ; Befuch beim Herrn General 
rn Hedemann, Dorotheenftraße 50. Sehr freimüthige Ge⸗ 
-äche über die neuefte Gefchichte und jegige Stellung Preußen? ; 
fpricht ftarfen Tadel aus, ganz ruffenfeindlih, — 

Der Graf Archibald von Keyferling brachte mir Mittheis 
gen und Anfragen. — Franzöſiſche Flugichriften über den 


480 


alles auf, um den Schein zu behaupten, als fei Preußen vor 
allen andern Staaten bevorzugt. — 

Binde hatte in der zweiten Kammer gefagt, Die Regierung 
fuche ihre Zwede auf Schleichwegen zu erreichen. Vom Prü: 
fidenten wegen diefed Wortes getadelt, fagte er kalt: „Ih 
nehme die Schleichwege zurüd.” So war der Ausdruck wie: 
derholt! — 





Drud von Dito Wigand in leipzig. 





Tagebüder 


bon 


&. 3. Barnhagen von Enfe. 





Zwölfter Band. 





Aus dem Nachlaß Barnhagen’3 von Enfe. 


— — — 


Tagebücher 


von 


ẽ. A. Barnhagen non Enſe. 


Zwölfter Band. 


ea - 


Hamburg. 
Hoffmann & Sampe. 


1870. 


Das Recht der Ueberſetzung ins Englifche, Sranzöfifche und andere fren 
Spraden ift vorbehalten. 





| 


Mittwoch, den 14. März 1855. 

Die Nationalzeitung fpricht fehr treffend über den Mangel 
an Theilnahme in den Zeitungen für die Verhandlungen der 
Kammern; diefe felbit haben ja die Gefeße machen helfen, 
Durch welche der Preſſe faft alle Freiheit genommen, das Da⸗ 
fein verfümmert worden! — 

Geſchrieben. — Beſuch von Herrn Juftigrath Strap. Er 
ladet zu feinen Gefellfchaften dringend ein. Er bringt die 
Neuigkeit, daß der Minifter des Innern, Herr von Weitphalen, 
abtreten, und an feiner Statt Herr von Hindeldey Minifter 
werden foll, der Konjtabler-Oberit Patzke dann Polizeiprä- 
jident. Bei diefer Beförderung, neint man, fommen die 
erdichteten oder künſtlich bereiteten Verſchwörungen fehr in 
Anſchlag, auf folhen Stufen fteige man empor, ſchon Kampk 
babe mitteljt diefer feinen Weg gemacht. Der arme Kampp 
muß ſich noch als Beifpiel hergeben! Aber mehr Dummheit 
war es bei ihm, al® Unredlichkeit, was ihn allenfallö entfchul- 
digt, entfchuldigt nicht Andre. — 

Brief aus Genf von Helmine von Chezy. Sie jammert 
über den Tod des ruffifchen Kaiſers und fchidt mir ein Ge- 
Dicht an defien Wittwe. Ueber Ludwig Tied, Clemens Bren- 
tano, Frau von Sudow, Hitzig. Von ihren Memoiren fchreibt 
fie unverftändlich ; find fie fertig gefchtieben, oder nicht? Sie 
erwähnt der großen Honorare, die Frau von Genlid und rau 


von Dudevant für die ihbrigen empfangen haben! Fa freilich, 
Barnhbagen von Enfe, Tagebüder. XII. 1 





MV ⏑ Be ER, 7 Zend 7 EFT 


feine ganze Luſt ſcheint, den Chriſten zu ſchaden — be 
erfrecht zu fagen, wenn aus dem neuen Ehegeſetz viel Ur 
erfolge, jo fei das fein Vorwurf, die Geſetze feien nicht 
da, Unglüd zu verhüten, und Unglüd fei ein Segen Gı 
Man wünfht dem — den Bollgenuß folchen Segend 
Schöne Burſchen, diefe Mitglieder des Herrenhaufes! 
Graf von Hoverden hat ſich ald Lakai dargetban; arm 
Schwägßer die einen, die andern Stahl's unterwürfigei 
folge! — 


Donnerstag, den 15. März 186{ 

Die Nationalzeitung rüffelt den — Stahl und feine: 
Genoſſenſchaft; daß er mit dem Landrecht brechen will 
„und Proteſtanten“ fpriht, von „Daterland“ u. f. w. 
ganze erfte Kammer eine Sammlung vornehmer und gel: 
Dummtöpfe! (Das fteht nicht jo, jedoch anders, in de 
wähnten Artikel!) — Herr Profeſſor Stahr befpricht im | 
leton Jung's Werk über die Wanderjahre, wobei er auch 
Wort über diefe rühmend anführt. — 

Gefchrieben. Dann ausgegangen, mit Yudmilla. 
Kranzler franzöfifhe Zeitungen angeſehen; fie reden 
Kaifer Nikolaus mit großer Mäßigung — uber aud 
großer Unfunde. — 

In der Mufeumshalle Schinfel’d Bildfäule — von 
und Wittich — betrachtet; fteif und wenta Ausdrud, au 





3 


Hotho gefprochen. Im Kunftverein das Gemählde von Ewald 
beiehen: Elifabeth von England, die das unterzeichnete Todes⸗ 
urtheil der Maria Stuart dem Staatöfekretair Davifon giebt; 
das Geficht der Elifabeth in furchtbarer Wahrheit zeigt das 
böfe, haßerfüllte, wollüftige und tüdifche Weib. — 

Hindeldey und Weitphalen, die nicht mehr mit einander 
ausfommen können, haben einander bei dem Könige ver: 
Hagt, und ihm beide ihre Entlaffung eingereiht. Man zweifelt 
nicht, daß der König die Weftphalen’d annehmen werde, weil 
ibm Hindeldey für unentbehrlih gilt. Indeß arbeitet die 
Kreuggeitung aus allen Kräften für ihren Weftpbalen, und 
vielleicht gelingt e& ihr, ihn neben Hindeldey zu erhalten. — 

Der König hat ein vom Grafen von der Affeburg geftifte 
ted Majorat betätigt, worin dem jededmaligen Beſitzer frei- 
fteht, feinen Nachfolger zu wählen. Man begreift nicht, aus 
welhen Anfichten der König eine folche Beftimmung genehmigt 
bat. Sept will der Graf von Reichenbach⸗Goſchütz ein gleiches 
Majorat gründen, aus Haß gegen feinen Sohn, mit dem er in 
heftiger Keindfchaft lebt. — 


Freitag, den 16. März 1856. 

Geſchrieben. Ueber die preußiſchen Kammern, ob aus 
; Ahnen jemals etwas Befferes werden kann? ob nicht das ganze 
Unwefen ausgetilgt und von Grund aus neue Formen eintreten 
 müfen. Es giebt für alles Maß und Gränzen; die der Her 
vorbildung ded Guten aus dem Berdorbenen fcheinen mir bier 
weit überfchritten. Bei diefer früppelhaften Mißgeburt, dem 

ſcheußlichen Machwerk der niederträchtigften Reaktion, dünkt 
mic feine Orthopädie mehr anwendbar. — 

Befuh von Herm Dr. Michael Sache. Ueber die boshafte 


Härte des Kaiferd Nikolaus gegen die Juden, gegen die Katho⸗ 
1* 


4 


Iifen. Allgemeiner Zuftand der Dinge. Auf keiner Seite ii 
Rechte, nirgends ein gerechtfertigter Anfchluß, man hüte ſih 
vor gutmüthiger Vorausſetzung! Heillofe Buben fchlagen ſih 
untereinander, leider mit andern Kräften als mit ihren eignen | 
förperlichen, leider zum Schaden Anderer, aber Parthei u 
nehmen für den einen oder den andern ift fein Grund! — 

Brief aus Köln von Herrn Profeffor Dünger. Er fragt 
mich, wo die Gejchichte vom Franken Koͤnigsſohn, von der in 
Wilhelm Meiſter's Lehrjahren die Rede ift, eigentlich vorlom 
men? Er wife ed nicht, und niemand könne es ihm jagen. 
Sonderbar! Die allbefannte Gejchichte des Antiochus, Sobnd 
des Könige Seleucud von Syrien, mit deſſen Stiefmutte 
Stratonife und dem Arzte Erejiftratod, zunächſt bei Baleriut 
Marimus V 7. — Ein Gemählde died vorftellend, war, ſo 
dünft mich, zu Düffeldorf im Haufe meiner Eltern. Bi 
leicht auch auf der Galerie, wo ed Goethe gefehen haben 
fünnte. — | 

Die Berathungen in Wien haben begonnen ohne Zulafung 
von Preußen. Der Generalvon Wedell, der für legtere in Pad 
auf's neue unterhandeln wollte, ift mit höhniſchem Achfelzuden 
abgewiefen worden; er hatte Mühe, nur Gehör zu erlangen. 

Scharfe Angriffe der englifchen Blätter auf Preußen, auf 
den König felbft, auf Manteuffel; unfere Zeitungen dürfen | 
nicht wagen diefe Artifel zu überfegen. Auch befgifche un 
füddeutfche Blätter reiben unfre Regierung mit ſcharfer Salbt- 

Der neue ruffifhe Kaifer hat in Wien die eifriggtet 
Wünfche nach freundichaftlidem Vernehmen mit Defterret® 
bezeigen laffen. Es fällt hier unangenehm auf, daß er FR 
Preußen noch feine fonderliche Beeiferung gezeigt hat, me 
danfbare, wie man fich fchmeichelte, noch erwartungsvo 
Auch ihm liegt Preußen nebenbei! — 

Unſre Pairskammer ſogar bat den neuen Ehefcheidungg 
gefeß- Entwurf nicht unverändert annebmen wollen. Der — 





5 


[ mit feinen Gefellen hat eine Niederlage erlitten. — 

Nationalzeitung greift das Pairsgeſindel ziemlich per: 

han. — 

die Frechheit Stahl's, das Landrecht zu verdammen, den 

) mit dem Landreht ale Nothwendigkeit hinzuftellen, 

tim ganzen Lande das größte Mißfallen. — 

Ser „ Ruffifche Invalide* geiteht, dag der Kaifer Nikolaus 

r Niederlage feiner Truppen durch die Türken vor Eupa- 
geftorben iſt. Auf diefe Nachricht verfchlimmerte ſich 

feine bis dahin nur leichte Krankheit. — 


Sonnabend, den 17. März 1855. 

Die Bolközeitung fagt, die Gleihgültigkeit, mit der das 
likum die Kammern anfehe, fei von diefen verdient, all ihr 
ten und Thun fei nur proviforifh und ihre Geſetze änder- 
Vie Welt nicht! Die Nationalzeitung greift in die Paire- 
ner, wählt in ihr, und langt fich den Herrn von Senfft- 
ah heraus, und fagt von ihm: „Es iſt unmöglich bei fo 
er thatfächlicher Unfenntniß und bei einem fo erftaunlich 
Tänkten Gefichtöfreife mit mehr Anmaßung ſich zu ergehen, 
diefer Pair es thut.* Hin und wieder etwad Züchtigung 
noth! — 

Drudbogen Arnim’fcher Gedichte durchgeſehen; diesmal 
', weil das Manuffript ganz von Ludmilla gefchrie: 
war. — · 

Beſuch vom General Adolph von Willifen. Die Sache 
n der Miniebüchfen geht langfam vorwärts; der General 
Wrangel hat ihn bei neulichen Berfuchen in Spandau vor 
ı Sriegövolf dankentzückt umarmt! In den politifchen 
chten fann ich ihm nur bedingterweife zuftimmen; ich habe 
Kabinetepolitit zu vertreten, und die Volfd- und Frei— 
fache liegt verdedt, ftreicht nur felten irgendwo zu Tage. 





6 


Auch in der militairifchen Beurtheilung ftimm’ ich ihm mitt 
bei; die Kriegführung in der Krim erfcheint mir nicht ihtm 
Zweck zu erfüllen; gehen ruffifche Heere zu Grunde, fo ıf dit 
auch der Fall bei Engländern und Franzoſen. — 


Der neue ruffifche Kaifer, fagen heute die Zeitungen, hat 
einen Befehl erlaffen, die Lage der Bauern in Polen zu vr: 
beſſern, ihnen Grundeigenthum zu fihhern ıc. Der int | 
wurf Biezu ift fchon alt, und wird jegt nur aus Kriegsllug— 
heit hervorgezogen, um Aufftandöverfuchen entgegenzumiren J. 
dem Feinde den Stoff vorwegjunehmen. Giebt es Frieden, WM. 
läßt man die Sache wieder fallen! — 


Der Moniteur in Paris erklärt, daß Preußen die ven | 
feinem Bundestagögefandten ausgefprochenen Worte, die gegen 
Defterreich hemmend, und drobend gegen Frankreich waten, P 
mißbilligt hat, es denfe an feine Frontftellung gegen Front 
reih, an feine Bewaffnung der Bundesfeftungen. Dem 
Herrn von Bismard- Schönhaufen und dem General pet 
Reibenftein kann es wenig gefallen, fi) fo auf's Maul gr 
fchlagen zu fehen! — 

Sämmerlihe Rolle des ehemaligen Juftigminiftere Uppen 
in der erften Kammer! Kein Wort zur Bertheidigung feinste 
einftigen Abgotted, des preußifchen Landrechts! Ueberhau pt: 
wie viele Lumpen in diefer Kammer! Stahl aber ift mehr alt 
ein —, ein böfer Bube! — 

Der Kommiffionsbericht der zweiten Kammer über DIE 
dreißig Millionen, vom Geheimen Legationsrath von Grurt® r 
verfaßt, ift ungewöhnlich fcharf und fireng, macht die ſtärkſt? 
Oppofition, aber das fteht in feinem PVerhältnig zu der 
fonftigen Schlaffheit der Kammern, Die ſich dem König und 
den Miniftern gegenüber in Sachen, die weit leichter zu be 
haupten wären, willenlod beugt. Auch wird diesmal ſich darin 
nihtd ändern. Die Kommiffton ift nicht die Kammer. — 





In Puſchkin gelefen, im Valerius Maximus; Frans 
zoͤſiſches. — 

Die Kreuzzeitung vertheidigt ihren Spießgeſellen Linden⸗ 
berg in Minden, muß aber feine erlittenen Strafen einges 
fteben, fie will Mitleid für ihm. Ganz der Stil Goedſche's, 
‘oder auch Wagener’d, oder Gerlach's! — 


— — — 


Sonntag, den 18. März 1855. 

Unruhig gefchlafen. — Die Zeitungen laſſen unerwähnt, 
welcher Jahrestag heute ift; es lebt aber dad Andenken feurig 
im Herzen des Volkes; und die eifernen Gitter an den Schloß: 
portalen und vor den Wachthäufern find ein Tprechendes Denk: 
jichen. Die Gräber im Friedrichshain find unzugänglid 
von dichtem Gebüfch umpflanzt, das militairifche Denkmal 
auf dem Invalidenkirchhof prangt in ftolzer Pracht; aber 
die Thatfachen werden dadurd nicht anders, und jederman 
weiß fie! — 

Bei allem prablerifchen Vertrauen auf die neue Regierung 

in Mußland, bei aller Leidenfchaft gegen Frankreich, ift der 
hie ſige Hof und fogar die Kreuzzeitungsparthei doch einiger- 
ma Hen erfchredt durch den Gedanken, daß Rupland und Frank: 
tetch plöglich verföhnt einander die Hände bieten und dann 
Preußen garftig in's Gedränge nehmen könnten. Man läugnet 
es Fich wenigſtens nicht ab, daß ein ſolches Verſtändniß dent; 
dar ift, und leicht zu verwirklichen fein möchte. Der Kaifer 
Nikolaus hatte dergleichen im Sinne, warum follte es nicht 
auch der Sohn im Sinne haben, der Sohn, der die Wege des 
Baters fortzugehen verfpriht? — 

Die „Times“ find hier von der Polizei weggenommen 
worden, wegen eines wüthenden Artikeld gegen Preußen. Es 
Iommen von dem theuren englifchen Blatte fünf oder feche 
Abdrüde nad) Berlin. Der jchlimme Artikel fteht aber auch 


8 


in „ Daily News*, in, Galignani*, und überfegt in der „Inde 
pendance belge“. Letztere Zeitung findet fich aller Orten, und 
ife nicht weggenummen. Wie lächerlich find folche Polize— 
mapregeln! Man lieft nun den XArtifel um fo begieriger! — 

Der König ift nach Dresden gereift. Solche Reifen wer: 
den gewöhnlich zu mancherlei Ränken benutzt. Manteufel 
wollte mitreifen, gewiß aus gutem Grunde, mußte aber zurüd: 
bleiben, gewiß auch aus gutem Grunde. ft der Minifter 
von Weitphalen auf diefer Reife wieder feit geworden? Der 
hat Hindeldey für fich gearbeitet ? — 

Die „Illuſtrirte Zeitung“ ift in Breslau weggenommen, 
doch das erjte Blatt ſchon wieder freigegeben worden. Aut 
in Minden hat das Stüdchen gefpielt; eine wahre Jämmer: | 
lichkeit! — " | 





. Montag, den 19. März 1855. 

In weimarifchen Brieffchaften gelefen, „die Glode, ein 
MWochenblatt von Walesrode“ zu Königsberg 1850 erfchienen, 
ftreng verboten, von fühnem Inhalt und freieftem Geifte. — 

Die Neue Preußiſche Zeitung wiederholt die Angabe eines 
Ihlefifchen Blattes, daß der König an die Berwaltungsbehör 
den eine Kabinetöordre erlaffen habe, wonach die im Jahre 
1848 und 1849 fompromittirten Beamten, fofern fie fetten 
ſich gut aufgeführt haben, in ihrer Laufbahn nicht gehindert 
werden jollen. Früher war das Gegentheil ftreng befohlen. 
Db die Nachricht fich beftätigen wird? Viele bezweifeln je. 
Es wäre die erfte milde Regung diefer Art! Wiewohl di 
Mapregel immer nur eine halbe und gar nicht genügentt 
bliebe, würde fie doc, von gröpter Wirkung fein! — 

Der jekige Kultusminifter von Raumer war im Mär 
1848 noch Präfident in Köln (fpäter in Frankfurt an der 
Oder), wo er die erfchredende Nachricht empfing, Berlin fei 


9 


Aufitand und der König habe flüchten müffen, er brachte 
dem Kommandanten General von Engeld und wollte mit 
m berathen, was zu tbun fei; der General wollte fogleich 
ch den Telegraphen den König auffordern nah Köln zu 
mmen, wo er jichere Zuflucht finden werde; aber Naumer 
andte erfchroden ein: „Wo denken Sie bin? Wo der König 
‚ta wird auch der Aufruhr fein, und was folldann aus und 
erden, aus und und unfern Familien?“ Die Aufforderung 
iterblieb. Solche Freunde hat der König, und giebt ihnen 
in Bertrauen! — 

Man fagt, der Direktor des Zellengefängniffed Herr Bor: 
ann habe vorgeitellt, daß die Glasſcheiben der Zellen, welche 
& Durchjehen hindern, eine nußloje Grauſamkeit feien, daß 
: den Augen erweislich Schaden, und fchon in manchen Fällen 
ehlindung verurfacht haben ; er foll darauf angetragen haben, 
wöhnliches Glas einzufegen, es ſei ja dem ärgſten Verbrecher 
ohl zu gönnen, ein Stüdchen Himmel zu erbliden. Sein 
ntrag wurde abgewiefen, auch vom Könige felbfl. Mber 
ormann hat nun doch, auf feinen Kopf und auf feine Koften, 
 Blendeglad wegnehmen laffen. „Mögen fie mih ab- 
Ben!“ foll er gefagt haben. Fürerſt ſcheint fein Verfahren 
ch nicht gekannt zu fein. — 


Dienstag, den 20. März 1855. 

Die Spener’fche Zeitung ift ermächtigt zu erflären, daß 
ı dem Gerücht von der Erfekung Weſtphalen's durch Hindel- 
y kin wahres Wort fei. Dergleichen Berneinung bedeutet 
chts; dabei fann die Sache wahr gemwefen fein oder noch 
ihr werden. — 

Die Kreuzzeitung verneint nur, daß ihr lieber Weftphalen 
die Oberrechenfammer fommen fol. — 

Die Gräfin von Ahlefeldt ftarb heute Nachmittag um 


10 


1 Uhr nad, langem Leiden. Sie war eine Acht gute, lie 
bengwürdige und geifteörege Frau, und Ludmilla's beſte 
Freundin! — 

Der alte Geheimrath Steinbach wird geadelt, der Jahr: 
arzt Dr. Werth ebenfalls, Mitſchke⸗Kollande ift es ſchon; „de 
Nationalverfammlung hat erflärt, der Adel fei abgeichaft; 
wenn der König folchen fich anfchafft, fo kommt es ja gım 
auf daffelbe heraus!” — | 

„Was der bloße Name doch thut! Nur allein der Rome 
ift ed doch, der Bonapart’n zum Kaifer macht, der Name, kt # 
ihm eigentlich nicht einmal gebührt, denn er ift ja fein Yon: 
parte!* — Darauf wurde geantwortet: „Eine foldhe Rad 
wirkung des Namens fehen wir bei ung felbft, im Grunde ned 
merfwürdiger und dauerhafter als jene! Ruht nicht Preußen 
ausschließlich auf dem Ruhme Friedriche des Großen? Bat 
wären die Hohenzollern jett ohne feinen Namen ? Er hat und 
in den Befreiungäfriegen zu neuen Siegen geführt, er allen 
hält und noch etwas oben in der Schmach, die und zumt 
fchlingen droht, in der Verirrung von allem Wahren und 
Guten, das er fich zur Richte genommen hat!" — | 

„Der König hält fih für klüger ald alle Leute, die ihn 
umgeben, zum Theil mit Recht, denn er läßt andre nidt 
in feine Nähe kommen, oder lähmt fie ſogleich und We 
Ihränft fie auf's engfte, wie 3. B. Humboldt oder Adolph ven 
Willifen; fein Selbftvertrauen ift ungeheuer und oft am 
ganz unbegründet, eine Art von Meinem Glüd beſtärkt in 
darin, wenn eine Gefahr ohne fein Zuthun vorübergegangm 
ift, fo glaubt er, fein Berftand und Muth babe fie überwunden! 
Das Schlimmite ift, daß er mit feinen Gedanken, Borlien, 
Abfichten und Wünfchen immer nur in Phantafiegebilden um 
berirrt, niemald — in feiner Sache — auf dem Boden Mi 
Wirklichkeit feftfteht.“ Urtheil eines wadern Preußen, da 
den König genau fennt. — 





11 


Mittwoch, ben 21. März 1855. 

Beſuch von Herrn und Frau von Putlik bei Ludmilla, ich 
ing dazu hinüber. Große Theilnabme an dem Tode der 
Bräfin von Ablefeldt. — 

Im Balerus Marimus gelefen, in George Sand's Histoire 
de ma vie. — 

In der heutigen Sitzung über das Kreditvotum gab eö in 
der zweiten Kammer eben fo redjelige ald armfelige Verband: 
lungen. Manteuffel weitläufig und nichtsſagend, Gerlad, las 
ein jämmerliched® Gewäfch langweilig ab, Keichenfperger 
ſchwaßzte, Bethmann⸗Hollweg fafelte. Binde war wegen eined 
Todesfalles nach Weftphalen gereift; die infame Kreuzzeitung 
hatte angedeutet, um deflen Rückkehr abzuwarten, habe der 
Bräfident Graf von Schwerin die Sitzung um einen Tag ver: 
ſchoben; heute fam an den Tag, daß er ed auf Erfuchen der 
Rechten gethan und mit Wiffen ded Minifterpräfidenten! — 
Der elende Gerlach las in feiner Rede mit ab, das Haus fei 
heute wenig gefüllt, und nie war es fo überfüllt! Der — 
batte die Thatfache vorausgeſetzt, und nicht einmal die Be- 
fennenheit, diefe Worte, da ſich das Gegentheil erwies, wegzu⸗ 
laffen, ja er hatte die (Frechheit, ale man darüber lachte und 
änfprach, die offenbare Unwahrheit aufrecht zu erhalten; ein 
War Mitglieder feiner eignen Parthei ſchämten fih und fagten 
im Beggehen : eigentlid müßte man fid von ihm losſagen, er 
li ein frevelhafter Menfch, er habe ni foi ni loi, und mache 
dem Adel nur Schande und ſchlechtes Spiel. — 

Manteuffel hat eine Depefche ergehen laſſen, worin er der 
Angabe des Deoniteurs, Bismard:Schönhaufen fei mißbilligt 
und getadelt worden, mwiderfpricht, auch verneint, daß Preußen 
ſolche Anträge geftellt habe, wie dort behauptet worden. 

Zrügerifcher Wortfchein! Sept man ftatt Anträge „Meupe- 
ungen“, umd fagt genauer, Preußen habe in Paris verneint, 
vad Bismard-Schönhaufen in Frankfurt am Main geäußert, 


12 


jo ift alles wahr und rihlig. Den Bundesgefandten felhi 
fonnte man freilich nicht tadeln und desavouiten, da er mır 
gethan hat, was ihm befohlen war! — 

Manteuffel wurde neulich in der Kammer gefragt, ob 
die Entlafjung des Kriegdminifterd von Bonin zur Zeit unter 
zeichnet habe? Er bejahte ed, und fügte hinzu, daß er jede 
Entlaffung eines Minifterd zu unterzeichnen bereit fei, wenn 
der König ed von ihm verlange. Schr artig für feine Kollegen, 
und fprechend für die Einheit eines folchen Miniſteriums! 
Bon Rechtswegen hätte jeder der Minijter auftreten under 
flären follen, aud er fei ftet& bereit, jeden feiner Kollegen 
ſpringen zu laffen! — 

Seit der Rückkehr des Königs aus Dresden foll faum ned 
die Rede davon fein, daß Hindeldey an Weftphalen’s Stelk | 
Minifter werden folle. Die Kreuzzeitungsparthei hat die Reiſe— 
tage gut benutzt. Aber Hindeldey feinerfeits giebt die Sat | 
nicht auf, .er finnt darauf, fich neue Berdienfte zu erwerben, 
die Demokraten könnten ihm durch ein kleines Komplott einen | 
größten Gefallen thun! — | 


Donnerstag, ben 22. März 1854. 
Im englifhen Oberhaufe hat Kord Lyndhurſt arg gegen 
die preußifche Politik losgezogen. Die englifchen Blätter 
ſchuldigen den König von Preußen doppelzjüngiger Falſchbeit, 
das Minifterium argliftiger Ränke, hinter denen die Ohnmadt | 
fi zu verbergen fuche, andre fagen, die Dinifter feien bloß 
Lakaien. — | 
In der Kreditfache haben heute manche Abgeordnete MI 
zweiten Kammer brav gefämpft, Herr von Bonin (Wolmtt 
ftädt), Rudolph von Auerswald, Brämer, Gruner, Hennig, 
die — Gerlah und Wagener find gehörig. blosgeſtell 
worden. Manteuffel hat eine jämmerlihe Role geſpiell. 





13 


lich wurde die beantragte Adrefje abgelehnt, der Kredit 
it, doch nur bie zum Ablaufe des Jahres. Letztere 
nfung bewirkte hauptfächlich der ehemalige Generals: 
rektor Kühne und der Geheime Rath Schmüdert mit 
Anhang. — 
Minden bat der Polizeifcherge Peterd das Blatt, 
die Verhandlungen der Kammer über feinen Freund 
räfling Tindenberg ftanden, wegnehmen laſſen; er miß— 
fein Amt für feine Privatleidenfhaft. Preußen ift 
bt ein Polizeiftaat; uns fehlen nur die ruffifchen oder 
en Benennungen. — 
t Dr. Schütte, der 1848 aus Wien bieber fam, und 
zeit feine prablerifchen Windbeuteleien trieb, dann nad) 
eich zurückkehrte, und . wider fein Berboffen verhaftet 
iſt jebt zu zmwölfjähriger Feſtungshaft vwerurtheilt 
chmittags Befuh von Frau Profefforin Bürde. — 
lam Hr. Dr. Hermann Franck: er fündigte mir an, daß 
ftend Berlin verlaffen, zunächft nah England geben 
rt feinen Schn im Seewefen anbringen werde. Der 
tzehnjährige Knabe ift trefflich begabt, hat große Feſtig⸗ 
d entjchiedene Neigung für dad Seeleben. Doch ift dad 
ehmen ein bedenflihes, und der Bater, dem die Tren- . 
on dem Kinde fchwer fällt, fieht ed wohl ein. Ueber 
and und Preußen dültere Anfichten! --- Den Manacl 
tigen Männern und würdigen Karafteren beftreit’ ich, 
die Vorzüglichfeit des Militairſtandes, und das Ueber: 
der Nationalitäten ; im Gegentheil, ich fehe mehr Ge: 
med ala je, mehr als je Streben und Berfließen zu Ge: 
mem. — 
3 Naubmörder einer Nähterin ift ein Baron von Putlig 
gen worden, ein befannter Bagabund. — 
t Graf von Hoverden hat den — Stahl aefor- 





14 


dert, der den Zmweifampf aber nicht angenommen hat ; die Sache 
wird vermittelt. — 


— — — — 


Freitag, ben 23. März 1855. 

Zelegraphifche Depeſche, daß Menſchikoff am Typhus ge 
ſtorben ſei! Warum nicht „am Paletot?“ Die mit dieſen 
begonnene häßliche Geſchichte iſt's doch eigentlich, an derer | 
ſtirbt! „War etwa Orloff bei ihm zum Befuch, wie bei Kon 
ftantin und Diebitih?* Man wird der Welt ſchwerlich auf 
reden, daß er an Gift geftorben fei. Hier glauben die meiſten 
Leute auch an des Kaiferd Nikolaus Bergiftung! — (em 
Depefche bedarf der Beftätigung.) — (it falih.) — 

Die Berathungen in Wien gehen vorwärts ohne Preupen: 
Iheilnahme. Man empfindet died bier ſchmerzlichſt, tut i 
aber, ald ob man auf dem Gipfel ded Anfehens und der Raht 
ſtünde!! — 

Nun jtraft auch der öfterreichifche Minifter Graf von Burl 
den Minifter von Manteuffel Lügen, und erklärt in amt | 
Rundichrift, daß Preußen allerdings in Frankfurt die vonitm 
jest geläugneten Yeußerungen gemadht habe! — „Man ii 
bier gewohnt! * 

Stahl hat dem Grafen von Hoverden Abbitte gethan, um 
einen Revers unterzeichnet, „den ein Edelmann nicht unter: 
zeichnet hätte.“ Sp fagen Junfer von feiner eignen Parthei. — 





. Sonnabend, den 24. März 1855. 
Das Berliner Wochenblatt ift heute von der Polizei weg, 
genommen worden. Dieſes fchlechte Blatt ift den Miniften 
bejonderd unangenehm, ebenfo wie der Kreuszeitungspartbei 
weil feine Leute die meifte Ausficht haben, bei nädhfter Ge 
legenheit Minifter zu werden, fie find vornehm, reich, roya 


15 


iſtiſch, kirchlich, frömmelnd, hinreichend reaftionair; das ift 
teilich nicht ohne Gefahr für die andern! Gin Bein wenig 
mehr Ehrlichkeit, das heißt nichts! — 

Die Kölner Zeitung vor Gericht geftellt, wegen Mittheis 
lungen aus England, aber freigefprochen. Die Quängeleien 
bören nicht auf! — 

In Wien ift fein Frieden zu hoffen, wenn nicht Rußland 
vorher weitere tüchtige Schläge befommt. Es wird offen ge- 
fagt, dag wenn die Verhandlungen fcheitern und der Krieg in 
grögeiter Ausdehnung fortgejegt, Polen in Frage geitellt wird, 
nur allein Preußen die Schuld trägt, feine ſchwankende Poli: 
tif, fein für Rußland günftiges Verhalten, das gegenüber den 
mit Deiterreich gefchloffenen Verträgen und den mit den Weit: 
mädıten verhandelten Erbietungen, für ein verrätherifches er- 
Märt wird. Hof und Minifter und Kreuzzeitung betrinfen 
ih im Dünkel der vermeintlichen Größe und Macht des 
preußischen Daftehend; fie meinen, Preußen habe zu ent- 
\heiden was fommen foll, werde geachtet, gefürchtet. Und 
Preugen ift ausgefchloffen von den Verhandlungen, Oeſter⸗ 
reich drüct ihm fein mitleidiges Bedauern aus, der türfifche 
Gefandte legt Fürbitte für Preußen ein! — 

Der Raubmörder Putlitz — nicht mehr „von“ Putlig, 
weil er als uneheliches Kind nicht adlich geboren ift, aber der 
selannten Adelöfamilie dem Blute nach angehörig — bat feine 
Miffethat bereits eingeftanden. — Er foll ein natürlicher Sohn 
ed Prinzen Karl fein. — 


Sonntag, den 25. März 1355. 
Die Volkszeitung verarbeitet heute die beiden Schimpfaes 
oſſen Gerlah und Wagener ganz tüchtig. Man wird es 
nmal nicht glauben, daß ſolch nichtsnutziges, geiſtesatmes 





16 


Geſindel ernftlich befämpft werden mußte, von augenblidlid 
Wichtigkeit war! — 

Nachrichten aus England. Es wird verfichert, nur di 
Einſprache oder vielmehr die Bitten der Königin Bictoria un] 
ihrer Miniſter habe den Kaifer der Franzoſen noch abgehalten, 
mit dem Könige von Preußen kurz umzufpringen und ihm mit 
einem feharfen Entweder Oder auf .den Hals zu rüden, auch 
Defterreich wäre gar nicht abgeneigt, mit Preußen Händel zu 
haben. Anftatt einer Herftellung Polend eine Theilung 
Preußens, das wäre eine fchöne Beſcheerung! Gar nicht un 
möglich; ed fäme nur darauf an, daß man einig würde, auch 
mit Rußland, die Türkei fäme dann fpäter! — 

Artiges Gefhichthen aus dem Fahr 1848! Bei den 
Wahlen in Paris zur Assemblee nationale ging es lebhaft 
ber, die Kandidaten fprachen zum Bolt mit größtem Ciler, 
zeigten ihre Gefinnungen, ihre Verdienſte, einer fuchte die 
Gunſt befonders durch Verfprechungen zu gewinnen, die ge⸗ 
radezu Mißtrauen erregten, überhaupt fah man fchon deutlid, 
wie alled wieder auf die alten Zügen und Falfchheiten hinaus 
lief. Da unterbrach plößlih ein fleiner Gamin den Redner 
mit der Srage: „Monsieur, savez-vous nager?“ Der Red— 
ner gerieth durch die Knabenftimme außer Faffung, ftupte, jah 
fih um, und erwiederte dann: „Pourquoi cette question? 
non je ne sais pasnager!“ — „Oh! alors Evitez de vous 
faire nommer depute, parceque nous sommes resolus 
de jetter toute l’assembl&e dans la Seine.“ — Unit 
Berliner Jungen könnten daffelbe von unfern Kammern fügen! 
In die Spree, ftatt in die Seine! — 

Frau Spahnd erzählte einige merkwürdige Umſtände vor 
den legten Stunden des Kaiferd, wie fie deſſen Leibarzt Di 
von Mandt an eine von ihr gefannte Dame bieher geichrieh 
bat. Der Kaifer wußte nicht, daß er in Gefahr fei, u 
wollte die erften Andeutungen ded Arztes nicht verfteh 


17 


Endlich fragte er doh: „Muß ich denn fterben?“ Auf die 

möglichft fchonende Bejahung ſchwieg der Kaiſer erft, wandte 
ch dann von dem Arzt ab, und fagte: „Woher nehmen Sie 
den Muth, einem Kaifer von Rupland fein Todedurtheil zu 
ſptechen?“ Mandt fagte, aus den früheren Befehlen dee 
Kaiferd nehme er diefen Muth, aus den Forderungen der Reli: 
gion und denen ded Reihe. Der Kaifer fchwieg nun lange, 
und erft auf die wiederholte Frage Mandt's, ob der Beicht: 
vater fommen dürfe, willigte jener ein, und wollte zugleich die 
Verwandten und Diener verfammelt ſehen. Die weitere Er: 
zaͤhlung fcheint etwas aufgeftußt, von einer fchriftlichen Arbeit 
des Thronfolgers, Die der Kaifer gefordert, angehört und ge: 
billigt habe u. f. w. Man will in ihm bis zum legten Augen⸗ 
blide den ftarken Serrfcher zeigen, während er nur nody der 
ſchwache Kranke, der ſchwer Leidende, der nur halb bewußte 
Sterbende war. — 


Montag, den 26. März 1855. 

Dr. Koſſak in der Montagspoſt vortrefflich über Manteuffel, 
ſo freimüthig und fcharf wie fein andres Blatt. Auch ſchil⸗ 
dert er meifterhaft den frömmelnden Dr. Kranichfeld, deffen 
Vortrag gegen die Altoholvergiftung vor einer jämmerlichen 
Verſammlung. Er zitirt zwei Verſe, die von Rahel herrühren, 
als von Angelus Silefius, in einer etwas platteren Form. — 

Die hiefige freie Gemeinde feierte am Sonntag ihr zehn: 
jäͤhriges Beſtehen. Die Polizei ftörte die Berfammlung, ins 
dem fie einige rauen, die den Berein hatten gründen helfen, 
hinauswies. — 

Herr von Reumont hat vom Louis Bonaparte das Kreuz 
der Ehrenlegion befommen. Der fjchidt feine Bücher an alle 
ifürjten, um Orden oder Dofen zu erbetteln. Das mag fein! 


Aber auch an Bonaparte Das ift etwas zu bettelhaft! — 
Barnbagen von Enſe, Tagebüder. XII. 2 


18 


Ein Spaß, der im Volke großes Glück macht! Man 
zählt, daß ein Bauer ein Fuder Heu zu Marfte bringt, 
Käufer weift ihn an, daffelbe in der Leipziger Straße Nr. 
auf dem Hof abzuliefern,, er jolle nur nach dem Stall fragen 
wo die größten Ochfen find. Wie er anfommt, fagt man ihm 
hier fei die erfte Kammer oder das Herrenhaus! — 


Dienstag, ben 27. März 1855. 

Die Nationalzeitung fpricht unerwartet für den Gufei 
don Hoverden, den fie früher ald den „armen * bezeichnet hatte 
entfchuldigt fein Berufen auf den König, und nimmt an den 
„Herrenhaus“ einigen Antheil. Nicht grade unrichtig, abe 
unziemlich, folgewidrig, und jedenfall® unnöthig! Warum 
nimmt fie denn an den Wahlen nicht Theil? — Der gun; 
Artikel. hat ein mattes, einlenkendes Anſehn. Hoffentlich nu 
ein vorübergehendes Wölfchen! — 

Die erite Kammer hat das Ehefcheidungegefeg mit geringe! 
Aenderungen angenommen, doch war eine Oppofition de! 
einigen dreißig Stimmen, und eine Anzahl Mitglieder mi 
hielten fich Müglicherweife der Abftimmung! Die zweite Kam 
mer hat den Antrag auf Abänderung zweier Paragraphen De 
Berfaffung, den die erfte angenommen hatte, mit einer Medt 
heit von 18 Stimmen verworfen. Gerlach und Mantufft 
Iprachen erbärmlich, Wenpel fehr aut. Der Antrag ging vor 
Grafen von Itzenplitz aus. Das ift ein Sieg der Konftitutie 
nellen, ein ſehr großer; aber es iftfaum zu glauben, wie went 
das Volk ſich daraus maht! Im Volk ift das Gefühl wı 
breitet, ohne eine neue gründliche Revolution fei alles nichtt. - 

Die Zeitungen fagen, in St. Peterdburg fei das Bı 
gegen den Reibarzt Dr. von Mandt fo erbittert, daB der Rai 
ihm den Rath gegeben habe, auf einige Zeit in's Ausland 
reifen! — 


19 


Der Faktor der Trowibfch- Druderei war bei mir, und 
meldet eine Unterbrechung ded Drucks der Arnim’fchen Ge- 
dihte an. Er iſt ohne alle Nachricht von Bettina von Arnim, 
und es fehlt an Papier, obfchon er deffen Mangel im voraus 
länaft ihr felbft nach Bonn und ihrem Gefchäfteführer nad 
Weimar angezeigt hat. — 

Friedrich der Große fchreibt am 12. März 1760 an die 
derzogin Sophie Dorothee von Sachſen-Gotha: „Peut-Etre 
jue le periode fatal de la Prusse est arrive; pent-etre 
rerra-t-on une nouvelle monarchie despotique des Cé- 
sars. Je n’en sais rien. Tout cela est possible; mais 
je reponds que l’on n’en viendre là qu’apres avoir ré- 
pandu des flots de sang, et que certainement je ne 
serai pas le spectateur des fers de ma patrie et de l’in- 
digne esclavage des Allemands. Voilä, madame, ma 
resolution ferme, constante, inviolable. Les interets 
dont ils’agitsont si grands, si nobles, qu’ils animeraient 
unautomate.e L’amour delaliberteetlahaine 
detoute tyrannie est si naturelleauxhom- 
mes, que,ämoinsd’äötreindignes,ilssacri- 
fient volontiers leur vie pour cette liberte.“— 


Mittwoch, den 28. März 1855. 

Beſuch vom Herrn General Adolph von Willifen; die 
unaufhörliche Beichäftigung mit den Minié-Büchſen, das 
Wiederholen derfelben Gründe, der Abwehr gegen diefelben 
Dummheiten, macht ihn etwas mürbe. Die Friedensaus- 
fihten find ihm auch bedrüdend, die innere und äußere Lage 
Preußens fehr entmuthigend. — 

Der König hat ſich mit Bitterfeit Darüber ausgefprochen, 
dag in Spanien auf Dlozaga’d Antrag der Senat ein Wahl: 

2* 





20 


förper geworden ift. In der That fpielen Herrenhäuſer und 
Pairskammern neben folcher freifinnigen Einrichtung ein 
veraltete Rolle, und die Erblichfeit und Lebenslänglichkei 
unfrer „ Herren” wird in ein ſchlechtes Licht geftellt, man hut 
ohnehin feinen Glauben an fie. jemand fagt: „Oder König 
ift gar nicht gegen die Wahl, nur möchte: er fie allein haben!’ — 
„Sede Oppofition erzürnt ihn, landitändifche wie parlamen- 
tarifche, nur römifchefatholifche nicht !* — 

Der Landrath von Dieft hat in Düffeldorf einen Bann 
auf der Straße verhaften Taffen, ohne daß er dazu befugt war. 
Der Mann war von der Revifionsfommiffton zum Rachdienen 
in den Kriegsdienft verwiefen worden, hatte aber von feinem 
General Urlaub erhalten, um in der Stadt feine Gefchäfte zu 
beforgen. Der Landrath, ihn mit niedrigem Haß verfolgent, 
begegnet ihm und läßt ihn verhaften. Es erweiſt ih, daß 
fein Grund dazu war, und die Militairbehörde nimmt Me 
Sache übel. Der Landrath will ſich herausreden, und wit: 
fpricht fich in den Borwänden, die er dazu gebraucht. Ran E 
weift ihm öffentlich feine Lügen und Berdrehungen nad. Ten | 
noch will ihn die Oberbehörde fchonen und behalten. Im J 
ſolche Entfittlihung wird gelobt! — J 

In der Revue des deux mondes ſteht cin Aufſaß über 
die Zuaven, man fagt vom Herzog von Aumale; darin wer 
den die Generale Lamoriciere, Cavaignac, Shangarnt 
Bedeau, außerordentlich gelobt. Bonaparte läßt den Al 
teur dafür fchelten und bedrohen. — 

Der König will von den PVerbefferungen der Stufbit 
nicht® hören, weil fie von dem ihm verhaßten Präfidenten ver 
Wenpel ausgehen; er hat ſich von dem Vortrag abgewenkt, 
und erflärt, man folle ihm den Namen nicht nennen! nie 
ift Hindeldey ſchon längft auf die Sache eingegangen, um 
unter feinem Namen gedeiht fie und wird fie zur vollen Aus 
führung fommen. — 


— — — — 





‚21 


Donnerstag, den 29. März 1855. 


Ausgegangen mit Qudmilla. In der Thüre begegnet und 
Herr Hermann Grimm, der und befuchen will, und aber nun 
zu Rranzler begleitet, unter den Linden und im Luſtgarten 
wohl dreiviertel Stunden mit ung fpazieren geht. Er hat 
driefe aus Bonn, Bettina von Arnim will nach Berlin fom: 
men, die Töchter fürchten, fie möchte hier wieder in die alten 
Verdrieglichkeiten gerathen und davon ganz miedergeworfen 
werden — ihre früheren Unfälle fcheinen wirklich fleine 
Schlagflüffe gewefen zu fein. -—— Ich fenne ihre Sachen nur 
durch fie, weiß nicht, wie fie in Wahrheit fint. Grimm be- 
hauptet, alles was Bettina vortrage fei falfeh, lauter Einbil- 
dung und Unrichtigfeit; er fei ganz überzeugt, daß der arme 
M. ein redlicher Menfch und fein Betrüger fei, Bettina habe 
ihm gewaltfam die Rolle eines abgefeimten Böfewichts aufge: 
drängt, da er doch nur deren Beſtes gefucht und erwirft habe. 
Grimm fpricht von Bettina wie ein Menſch, den fie fchon 
auf's äußerſte gebracht hat! — 

In der erften Kammer bat das Minifterium eine Nieder: 
lage erlitten, fie erklärte jich faſt einftimmig gegen die Vorlage. 
(Bferdefache!) — In der zweiten Kammer wieder Mattigfeit 
und Kleinmuth. — 

In Friedriche des Großen Briefen gelefen; da lernt man 
den ſtarken Herrfcher und Helden ald edlen und liebenswür⸗ 
digen Menfchen kennen! — 

Der ſonſt wackre Generalfteuerdireftor Kühne hat in der 
Kammer gefagt, die Regierung habe die zweite Kammer 1849 
auflöfen und eine neue Wahlordnung oftroyiren müflen,, weil 
mit diefer Kammer nicht möglich gewefen zu regieren! Auf 
Diefem Punkt alfo blöd und ftumpf wie ein gewöhnlicher Be- 
amter! Wie oft hätten die Völker Urfache, aus gleichem 
Irund die Regierungen abzufchaffen! Nun freilich, biöweilen 
hun ſie's auch! — 





22° 


Freitag, den 30. März 1855. 
Louis Bonaparte wird in London, in Wien und in Kon: 
ftantinopel eriwartet, und dann auch in der Krim. Sein an: 
geblicher Oheim machte in den Hauptitädten andre Befuce, 
und dieſe trafen andere Anftalten für ihn, als jegt die Höf- 
linge der Königin Victoria, ded Kaifers Franz Joſeph und dr 
Sultand Abdulmefchid. — 


Der König befucht die frömmelnden Vorträge von Stall, 
Hengitenberg, Göſchel, und fcheint fich dabei gar nicht zu luny 
weilen. Dean fagt, der König werde täglich Firchlicher, aber 
auch täglich unruhiger, denn die Kirche, der er äußerlich an- 
gehört, befriedige ihn nicht, er werfe fehnfüchtige Blide nad 
der fatholifchen. Der Tod des Kaiferd Nikolaus hat ihn 
mächtig erſchüttert, und ſtark an feinen eignen Tod erinnert, 
mit deſſen Vorftellung er große Angſt verbinden foll. Den 
Tod zu fürchten, ift allerdings ein Unglück, das Taufende aus 
dem unterften Bolfe nicht fennen! — 


In Bremen find erfchienen „Novae epistolae clarırınm 
virorum ad dominum Mixta Colanda.“ Der altem 
Mitſchke-Kollande wird hier gehörig verarbeitet. Chaly- - 
baeus Cancrinus, Querlarsius Judex, Pisquarkius 
Leo lenis, Parvus Niburtius, Pernicies etc. find unkr 
fennbar Stahl, Gerlah, Bismard, Leo, Niebuhr, Per 
nice ꝛc. — 





Die Demokraten haben auf's neue die Frage geftellt, eb 
fie fich bei den Wahlen betheiligen follen? Daß fie in m 
Kammer bald die Mehrheit haben würden, ift unzweifelheh, 
aber eben fo gewiß, daß die Negierung dann die Kammer auf: 
löfen und willfürlih ein neues Wahlgefeb erlaffen würde, 
durch das die Demokraten wieder ausgedrängt würden. Wat 
follen fie dann thun? Als gefoppte Narren ftill abziehen? 
oder — — —? Tederman fühlt, daß hier eine größer: 





ne nn 


23 


Stage im Hintergrunde liegt, ſich beugen oder fich offen gegen - 
die Gewalt empören. Das Letztere ift etwas fo Gewichtiges 
und Gewagted, daß man davor zurüdichredt. Anderntheils 
jammert es die Demofraten, zu ſehen, wie vereinzelt die 
nadern Kämpfer Binde, Wentzel ıc. ftreiten müffen, in fo 
manchen ragen, wo die ganze Demokratie fie unterftügen 
möhte. Die Demofraten am Rhein und in Preußen find 
theilmeife fehr geneigt, an den Wahlen theilzunehmen, weniger 
die in der Mark und befonders die in Berlin; die meiften 
verharren in gründlicher Verachtung des jekigen Kammer: 
weiend, und wollen fich mit folcher Halbheit und Verkrüppe⸗ 
lung gar nicht einlaffen. Die Klügeren unter den Leitern er- 
äten ea für eine Sache des Beliebens, jeder möge wählen 
oder nicht, fie wollen vor allem eine Spaltung der Parthei 
verhüten. — Die Sache hat zwei Seiten, es fommt darauf 
an, den Werth der Bortheile gegen die Nachtheile gründlich 
abzumefien. — 

Unter denen, die gar nichts von den Kammern willen 
wollen, giebt es viele, beſonders im eigentlichen Volke, denen 
mit einer allmählichen Befferung und Ausbildung des jepigen 
Flidwerks gar nicht gedient ift, fondern den ganzen Plunder 
verwerfen, und auf neuer Unterlage von Grund aus eine Neu: 
getaltung verlangen, mit andern Worten neuen Kampf und 
gänzliches Unterliegen der Gegner. Diefer Denfart iſt auch 
an dem Staate Preußen nicht allzuviel, manchen gar nichts 
gelegen! Ein Staatsmann follte dergleichen wohl erwägen 
und die Quellen ſolchen Abfalls zeitig zu verſchließen fuchen, 
in der Fortdauer der jetzigen Erbärmlichkeit fließen fie unge: 
hindert! — 


24 


Sonnabend, den 31. März 1855. 

Das Preußiſche Wochenblatt ift heute hier von der Polizei 
weggenommen worden. Es enthält einen Artikel gegen de 
Ruſſenpreußen, „zu denen gehört aucd der König felbi,‘ | 
fagte jemand. — Ä 

Der Redakteur der Kölnifchen Zeitung, Herr Dr. Brügge 
mann, foll abtreten, die Behörde hat entjchieden erflärt, er ſei 
eine ihnen verhaßte Berfon, und man werde der Zeitung, ſe 
lange er an der Spike ftehe, unausgeſetzt den Krieg machen. 

Bon allen Seiten erhebt ſich vaterländifcher Einſpruch und 
heftiges Gefchrei gegen die fchändlichen Aeußerungen der ke W 
den — Gerlach und Wagener, die in der zweiten Kammer ge: 
fagt, der Kaiſer Nikolaus fei der Protektor der deutfchen kleinen 
Fürften gewefen, der Schußherr Preußens. In ihren Privat: 
reden gehen fie noch weiter, und nennen den König einen 
ruſſiſchen Statthalter, Bafallen ꝛc. — Sollte man das für 
möglich halten? Iſt da das Beiwort — zu viel? — Ju f 
diefer Parthei waltet etwas Teuflifches, Chriſtus hat keine 
entfehiedeneren Widerfacher, ald dieſe Berworfenen, die fih nd W 
ihm nennen. — 

Der König hat die Gnadengefuche der Ladendorff, Ley x 
nicht gewährt. Die Unglüdlichen werden in's Zuchthaus 
abgeführt. — Was hilft's? Ueberall mehrt fich die demott- 
tifche Gefinnung, und ein Herrſcherhaus wird mit Haß um 
Grimm angefehen als ein Feind alles Volksgedeihens. Die 
Ausübung der Gnade wäre noch ein gutes Band, aber gratt 
das läßt man fallen! — 

In Forſter's Briefwechfel gelefen, zu befonderem Zwed. 
Im Cornelius Nepos und Balerius Maximus. — 

„Köhlerglaube und Wiſſenſchaft. Eine Streitfchrift gegen 
Hofrath Rudolph Wagner in Göttingen. Bon Karl Bogt. 
Zweite Auflage. Gießen 1855.* 8. Die erfte Auflage war 





25 


innen vierzehn Tagen vollftändig vergriffen. in gutes 


zeichen! — 


Sonntag, den 1. April 1855. 

Zrauriger Anblick des Königlich Preußiſchen Sonntage! 
Gi it ald ob er mit Blei belaftet wäre. Keine Arbeit und 
Seihäftigkeit, aber auch Feine Kuftbarfeit und Freude, außer 
in den niedern Wirthöhäufern. Die Straßen find todt, außer 
den Thorſtraßen, in diefen drängt fich ein Menfchenftrom, der 
in die Dede draußen ftrebt, auch diefer ftill und traurig. Was 
hilft’8 den Frömmlern, den Sonntag gefcheinheiligt zu ſehen? 
Die Kirchen find doch leer, außer den paar Modeficchen, wo 
Ne Heuchler einander zur Schau dienen! Pfui über das 
Ötterngegücht ! — 

Ich verbrachte den Nachmittag in unruhigen kleinen Arbei- 
ten und nicht erquidlichen Betrachtungen. Ich fand für mein 
Urtheil über Menfchen gewiffe Prüffteine, die mich nicht leicht 
itren laffen. Wer gern etwas an Goethe, Kant, Voltaire, 
Rouffeau und Mirabeau auszuſetzen findet, fie lieber tadelt ala 
bewundert und liebt, wer nicht offenen Sinn hat für {Friedrich 
den Großen, für den Herzog Karl Auguft von Weimar, mit 
dem ift es nicht richtig beftellt, dem fehlen große Stüde, die 
ein wohlgeordneter Menfch haben muß! Wer nur immer denft 
und finnt, aber nie zum Thun fommt, oder doch nur fpät und 
dürftig, der ift für gewiffe Richtungen auszuſtreichen! — 


Montag, den 2. April 1855. 
Die Montagspoft ift heute von der Polizei weggenommen 
worden; ich habe fie noch empfangen, fie enthält treffende 
orte über Berlin, die doch nicht der Grund der Wegnahme 


26 


fein fönnen. Wie es mit unfrer Preßfreiheit ſteht, jieht man 
an der Kölnifchen Zeitung, die Regierung fordert einen andem 
Redakteur, der verfprechen muß, in feiner Oppofition eine map: 
volle Haltung zu beobachten; das ift ganz ungeſetzliche Willkür! 
Verletzt er die Gefege, fo mag er beftraft werden: dafür find 
die Geſetze; man fürchtet die Kreifprechungen, und das iſt gan; 
erbärmlih, und ſchändlich. „Man fann mit Gefepen nidt | 
regieren!“ wird ed bald heißen und heißt es fhon! — | 

Der General von Wedell ift geitern aud Paris hier ange 
fommen. Er foll bald wieder nach Parié zurückfehren. Un 
- fruchtbare Verhandlungen, deren Nachtheil erft in der gole 

fihtbar wird! —. Ä 

Don den Wiener Berathungen nichtd Zuverläffiges, al 
dag Rußland die Theilnahme Preußens beantragt haben ſoll 
Neue fcharfe Depefche des Grafen von Buol gegen die Behaup 
tungen und Anlagen, welche der Minifter von Manteufl | 
ausgeſprochen hat. — 

Der öfterreichifche Erzherzog, der wegen des Todd I 
Kaiferd nah St. Peteröburg gefchidt worden, hat dort vom 
Volke Drohungen und Belchimpfungen erlitten. — Dr. ven | 
Mandt ift noch in St. Peterdburg, aber ein Theil der Bed · 
ferung ift gegen ihm erbittert, glaubt an Vergiftung dei 
Kaiferd. — 

Der Fürft von Sonderöhaufen hat vom Königeinen de 
amten verlangt, den er zu feinem Minifter nehmen fünne, ju 
einem Factotum für fein Ländchen. Der König hat denn 
berüchtigten Landrath von Eldner genannt, Manteuffel u 1 
ſtimmt, wie e8 fcheint, doc mit Unluft, weil er dem Elönf 
nicht recht traut. Elöner hat angenommen. ort mit ihm‘ 
Werd’ er ein würdiger Kumpan ded Herrn von Lauer, Di 
Grafen von Bülow ꝛc. — ch denke, fie find am ſchädlichſten 
in Preußen, an andern Orten finden fie mehr Widerftand. — 

Hamburgifche Verfaſſungswehen! Auch hannöverſche! Der 





27 


Bundestag wird in beiden von der fchlechten Seite angerufen! 
Sehr richtig! — 


Dienstag, den 3. April 1855. 
Geichrieben, in meinen Papieren gearbeitet, mit feidlichem 
Erfolg. Eigenthümliche Gegenfäge ergeben fih, wenn man 
nebeneinander jtellt, was verfchiedene Menfchen in gleichen Zeit: 
ahihnitten gethan, gelebt, und wenn man die Fäden verfolgt, 
an denen die Gebilde diefed verfchiedenen Thund und Wirkens 
Ipiterbin zufammenfließen, fich durchfreuzen oder vereinigen. 


Sründonnerstag, den 5. April 1855. 

Ausgegangen mit Ludmilla; bei Kranzler. Die unglüd: 
lihe, gemaßregelte Kölnifche Zeitung durchgefehen! Ich dachte 
Immer, fie würden die mißfälligen Blätter gradeswegs fchlach- 
ten, — das Meſſer haben fie ja in der Hand, — aber fie 
ziehen vor, fie zu martern, langfam zu erdroffeln. — 

General von Wedell ift von hier wieder nach Paris abges 
fertigt worden, wieder mit einem eigenhändigen Schreiben des 
Könige, von deffen Faſſung der Minifter von Manteuffel nicht? 
weiß. — (Moch nicht abgereift! 


Stiller Freitag, den 6. April 18585. 
Geſchrieben. Meine Arbeit fortgejeßt und beendigt. — 
Brühmorgend kam Herr Dr. Pribil, feßte fi) vor mein Bett, 
und ſah mit mir einen Stoß Autographen durch, unter denen 
ich ihm einige ale befonderd wertvoll bezeichnen konnte, Wir 
fprachen viel über Böhmen, die Berhältniffe in Prag, die Hoffe 





28 


nungen der Tſchechen. Cr fieht diefe Verhältniffe an wie id, 
andre Sachen freilich andere. Crinnerungen an das Jahr 
1848; betrogene Völfer! Muth von Feigheit befiegt! — 

Audgegangen, mit Ludmilla; bei Kranzler. Häplicer 
Feiertagsanblick, Kirchengänger, die mit Hoffahrt ihre Gebet: 
und Geſangbücher zur Schau tragen, böfe Gefichter, Heudler- 
mienen. Gefchloffene Läden, verhüflte Schaufenfter. Blöin- 
nige Anftalten! Bald wieder nach Haufe gelenkt! — 

Nachmittags fam Herr Dr. Frand, eigentlich, obwohl es 
nicht recht geftehen wollte, um fich zu verabjchieden. Errr 
fauft feinen Hausrath, feine meiften Bücher. Sein Weggehen 
ift fehlimmer als eine Auswanderung: ein tragifches Geſchid 
führt ihn mit feinem Sohn in’d Ausland, aber auch hier fun | 
er nicht mit ihm zufammenbleiben, er muß ihn feinem Beruf, 
feiner Liebhaberei überlaffen, ungewiß ob diefe beitehen, zum 
wahren Beruf werden wird. Und dabei kommt der Jünglingz 
doch nur auf eine unglüdliche Bahn, im engliſchen Seedient 
als Ausländer findet er ſchwerlich Gedeihen! Frand ver | 
ftimmte mich fehr, fowohl durch died Geſchick, das ihn fer: 
reißt, ald durch Die Trübnig und Unzufriedenheit, mit dere | 
Welt und Menfchen anfiebt; er will faft niemanden gelten 
laffen, nicht® anerkennen, nichts ift ihm genügend, und indem 
er vieles Beffere und Befte verwirft, gefchieht es ihm, daß et 
fih dann mit entfchieden Schledhtem behilft, mit Liederliden 
Gefellen, die er, weil fie eben nicht weiter fein wollen, gut 
nicht in Rechnung bringt. Er verwarf die meiften unfrer dr 
fannten. Es fcheint ihm fehr übel zu Muth! — 

Unſre Prefreiheit! Der Litterat Hopf, ein armer Tell, 
der von feinem bischen Humor lebt, von der Polizei vielfältig 
gefchoren, nad) Charlottenburg ausgewiefen u. ſ. w. hat tn 
Schriftchen druden laſſen: „Stimmen der Berliner Kran 
gegen das neue Ehegeſetz“, Die Polizei befommt Wind daven, 
nimmt alles Gedruckte fort, zerbricht die Drudformen! Bloy 





29 


deil fie weiß, dag der König mit blindem Zorn für das Geſetz 
eifert! — 

Die Kreuszeitung und alle andern Blätter geben die Nach⸗ 
tiht, der General von Wedell fei fhon wieder nach Paris ab⸗ 
gereift; diefe Nachricht ift aber falſch. Man fagt, er habe ſchon 
dad Schreiben des Könige in Händen gehabt, da fei diefer 
andern Sinned geworden, habe eö zurüdgefordert, und der 
General warte auf neuen Befehl. — 


Sonnabend, den 7. April 1855. 

In meinen Papieren gearbeitet, und einiged gefördert. 
Ich möchte gern einige Auffäge dDruden laſſen, aber vernünf- 
tiger ift ed zu warten, dad Pulver nicht unnütz in's Leere zu 
verplaken, Tondern zum wirkſamen Schuß aufzubewahren. In 
allen Kämpfen, die jest ftattfinden, hat unfre Waffe feine An- 
wendbarfeit. — 

Dad BethmannsHollweg’fche Wochenblatt beleuchtet bei 
Gelegenheit des Redaktionswechſels der Kölnifhen Zeitung 
dad Verhalten der Regierung gegen die Preffe, und erffärt 
dafjelbe für geſetzwidrig, tüdifch und verrätherifch; Die 
Polizei fucht alle Blätter von ihr abhängig zu machen, und es 
iſt ihr großentheils ſchon gelungen. — 

Beſuch von Herrn Foß aus England, alte Bekanntſchaft, 
deren ich mich nur dunkel erinnere. Der Zuftand von Eng— 
land ſcheint äußerft verworren und bedenklich; man hat fein 
Vertrauen mehr auf die alten Stügen des Staates, und fucht 
neue; alles lenft in revolutionaire Bewegung, und es bereiten 
fich die größten Umgeftaltungen vor, ſchwerlich ohne gewalt- 
ſame Ausbrüche. — 

Beileidsadreſſe des Magiſtrats an den König wegen des 

Todes des ruſſiſchen Kaiſers. Der König antwortet dankend. 


30 


— Bildniffe, Lebensabriſſe des Kaiferd, Gedichte auf 
Trauerreden, von allen Seiten und in größter Menge. 
möchten gern einen Helden, ein Partheihaupt aus ihm mad 
ihn auf alle Weife verberrlichen. Hilft aber nichts. Der? 
ift ein zu mächtiger Auslöſcher; und nicht nur im Bolfe, jo 
dern auch Thon am Hofe wird der Name Nikolaus wenig 
genannt, und mit geringfter Theilnahme, wenn es gefdieh 
Der Todte giebt feine Orden, feine Dofen. Die Hofjchrange 
gehen ihrem Futter nah. — 

Der Lieutenant bei den Gardefürafjieren Graf Adely 
von Königsmarck ift auf ſechs Monate feinem Onfel dem © 
fandten im Haag beigegeben. Sie wollen einen Diplomate 
aus ihm machen. — 

Gegen die Ungerechtigkeit der Zeitgenoffen beruft man Rt 
zivar auf die gerechtere Nachwelt. ch finde genug Fälle, i 
denen man ſich gegen die verfennende Nachwelt auf die an 
fichtigeren Zeitgenofien berufen könnte. Goethe bejondet 
wäre dazu berechtigt. Je weiter feine Werke fi ve 
ihrem Urfprung entfernen, deſto weniger Berftändnik, Ein 
und Liebe für fie bleibt übrig. Grade jept ift für ihn cr 
falte Winterzeit. Auch für Nabel ſcheint weniger Sin 
und Liebe vorhanden, ald vor zwanzig Jahren. Aber ı 
ſchadet nicht! Diefe Jahrözeit geht vorüber, und Frühli 
und Sommer fehren zurüd. Dies find wechſelnde Stimme 
gen, die man ertragen muß. -- Zuletzt kommt denn doc ei 
Zeit, wo nur berufene und edle Geifter den Werth ihrer d 
gänger feititellen, wo man den Autor wenigitend im a 
menhange mit feinen Zeitgenoffen ſieht und beurtheilt. 
bindert nidyt, daß die Gemeinheit auch nach etanfend — N 
ren noch bisweilen jchreit, Platon fei ein dummer Schwär 
Homeros ein langweiliger Schwäßer. —— 


— —— — — — 


31 


Oſterſonntag, den 8. April 1856. 

Ein Gerücht vom Auseinandergehen des Kongreſſes in 
Wien. — Eine merfwürdige und wichtige Thatfache ift die 
große Verwüſtung, welche im öfterreichifchen Heer durch Kranf: 
heiten angerichtet wird; die Truppen fteben noch friedlich auf 
eignem Boden, in geordneter Verpflegung, und dennoch! Ein 
Reiterregiment ift faft ganz aufgerieben, ein andres hat nur 
noch die Hälfte feiner Mannfchaften! Ich gedenke der Zuftände 
in Ungarn 1809, wo das Heer neunzigtaufend Kranke zählte, 
dad Regiment Bogelfang allein zweitaufend, von denen feiner 
jum Regiment wiederfehrte. Und welch entfegliche Anftalten 
damals! — 

Eine Betrachtung drängt fich mir feit einiger Zeit wieder: 
holt auf. Das Alter hat das Eigne, nicht mehr erwerben zu 
können, es kann nur audgeben, abwerfen, verzehren, kaum noch 
genießen. Died gilt von allen Gebieten, ded Körpers, des 
Geiſtes, des Herzend; von allen äußern Hülfsmitteln, und 
innen. Das bedingt allerdings eine befondere Stellung zum 
Reben, wie die Jugend fie nicht fennt. Im Innern aber 
macht der Unterfchied fich doch weniger geltend, da treibt es 
und alüht es, und finnt es und ftrebt ed immerfort — 5¶ 

Berlin mit aller feiner Pracht und Schwelgerei hat doch 
an folhem Fefttage wie heute nur ein klägliches Anfehn, be- 
ſonders wenn kein heitres Wetter if. Da zeigt fich fein ges 
pußted Bolf auf der Straße, da bleibt e8 in feinen Arbeits⸗ 
böhlen verborgen, oder fehleicht am dunkeln Abend in die 
fhlehten Wirthähäufer, und betäubt fih in wüſtem Lärm, 
Tabaferauch und Getränf! Berlin fommt um feinen ehrbaren 
Nittelftand, der guten wohlhabenden Bürger werden immer 
weniger. Schwindel aller Art gedeiht, wie nie vorher. Bon 
oben wird diefer Mipftand begünftigt. Schlechter, ferviler 
Magiftrat, ohnmächtige Stadtverordnete; glänzende allmäch- 
tige Polizei, prunfvolle Anftalten, deren Koften unerfchwing- 


32 


(ich find! — Das Gewerb und der Handel ringen fräftig gegen 
den Rerfall, aber ftopen überall auf Hinderniffe, und ihre Er: 
folge felbjt werden oft zum Nachtheil. — 

Ein Mitglied des Richterjtandes beflagt fich bitter über die 
(Eingriffe der Polizei in die Nechtöpflege. Die Polizei darf 
gefeklicy feine Verhaftung vornehmen ohne gerichtlichen Fer: 
haftsbefehl, jie verhaftet aber eigenmächtig nach Willfür, läßt 
die Berhafteten oft längere Zeit im Gefängniß ohne die Kennt: 
niß des Gerichts, erfinnt allerlei Ausflüchte, um die Verf 
tung als gerechtfertigt erfcheinen zu laffen, und behält inden 
meiften Fällen die Oberhand, da der Juftizminifter wie dr 
Hof auf ihrer Seite find; ein armes Gericht vermag dagegen 
nichts. — | 


Oftermontag , den 9. April 1855. 
Gefchrieben ; ich habe doch der Frage, ob man mitmählen 
foll, eine leine Erörterung widmen müffen, für den jehigen 
Augenblid überwiegt das Nein, mehr noch ald vor einem Jahte. 
Die jepige Staatöverderbniß ift zu groß und liegt zu had, ald | 
daß ſie durch Kammern und leere Abjtimmungen geheilt wer: 
den könnte! — Die Berliner find mehr bewegt und beicäftut 
durch die Schliegung der Kroll'ſchen Wirthſchaft, als je 
von der Schließung der Kammern fein würden. Allerdint | 
fnüpfen fib an dieſe Sache manche höhere Angelegenr | 
heiten, der Kampf der Nechtöpflege gegen die Polizei, M 
gewaltfame Einmifchung der leptern, die Begünftigung it 
Polizeidirektor Stieber, deffen Geldvortheile, die Nachſicht gegen 
den Verwalter Engel, und andred der Art; das gerichtliht 
Berfahren wird mandjed, was man verheimlichen möchte, an 
den Tag bringen, es müßte denn fein, Daß auch dies Geridt, 
wie in dem Köller/ihen Prozeß, aus Rüdjichten gewiſſe Ber 
fonen nicht bloöftellen wollte. — 





33 


em Mangel an Zeitungen, während der Feiertage, 
allerlei Gerüchte, die aber Schnell wieder fallen. — 

nittagd Befuch von Herrn Dr. Vehſe. Mit Betrüb- 
t er von der nahen Xbreife Dr. Franck's, und dem 
Verhängniß, das über deflen Leben fich zufammen- 
at. Wirklich ein tragifches Geſchick! Alle feine Vor: 
ne Unabhängigfeit, fein Vermögen, feine Bildung, 
einen fo ausgezeichneten Sohn zu haben, die Liebe 
e Freiheit zu jeder Entſchließung, alles das verwan- 
hm in Unglück! Er hat zu Behfe mehr Zutrauen, 
deren, geſteht ihm feine Betrübniß, feinen Schmer;, 
hränen nahe, befennt, daß er auf immer feheide. 
Sohn in England Heimatherecht erlangen werde, ift 
timmte Hoffnung. Und wie der Sohn fünftig ein- 
3reußen zurücbliden werde, ift auch nicht vorherzu- 
zenug, das Ganze ift ein großes Unglüd! — Ein 
nicht in dem Sohn aufgehen ; das ift dad Unrichtige 
iß der Sohn vor der Zeit Hauptperfon geworden. 
Junge kann dafür nicht, und der liebevolle Vater, 
8 geblieben war als dieſes Kind, ift auch zu ent- 


Dienstag, den 10. April 1856. 

Sonnenfchein ausgegangen. Zu Kranzler. Kölnifche 
s8burger Zeitung. Bei Dr. Frand im Hotel de 
urg, ich traf aber nur den Sohn, der mir einen 
ndrud machte ald früher, nicht jo vortheilhaft, er hat 
yolled Ausfehen, und fam mir etwas wie ein Schid- 
ug für den Bater vor. — 

Saftor aus der Trowitzſch'ſchen Druderei klagt über 
on Arnim. — 


fe Note des franzöfifchen Minifters Drouin de l'Huys 
jgen von Enſe, Tagebüder. XII. 





34 


gegen die Manteuffel’fche, deren Behauptungen er hart be 
ftreitet. — | 

Herr Major von Hannefen aus St. Petersburg zurüdge: 
fehrt. Ein rufjifcher General dort hatte fich auf eine an ihn 
gerichtete Yrage Furz abgewendet, und als Hannefen ihn Nur: 
über zur Rede ftellte, bat er um Berzeibung, er babe jenen 
wegen der weißen Uniform für einen Defterreicher gehalten » 
Gegen dieſe ift man wüthend aufgebracht. — In Wien geben 
die Verhandlungen weiter. Lord John Nuffell von der Wiener 
Geſellſchaft eingefangen, abgeſchwächt! — 

Der Prinz von Preußen aus Koblenz berberufen. Die 
große Kommiffion wegen der Miniebüchfen tritt wieder zufam | 
men; die Feine von Adolph von Willifen geleitete genügt 
wieder nicht. — 

Bettina von Arnim fann nun jeden Tag hier eintreffen. 
Ich freue mich gar nicht auf fiel Hat fie wirffich durt 
Sclaganfälle gelitten, fo wird ihr Anblid ein fehr traurige 
fein ; it fie wie fie war, fo wird fie mich wieder fchön quälen: 
— Hermann Grimm will fi) todtlachen über ihren Einfall, 
dem Generalpolizeidireftor von Hindeldey ihren Prozeß gegen 
M. und den davon zu erftreitenden Betrag für die übt 
ſchwemmten Schlefier zu überweifen! einen Betrag, der Id 
auf bloße Gerichtöfoften, die zu bezahlen find, befchränfen wi. | 
Nach) Grimm's Meinung ift M. in der Sache ganz che 
Schuld, und au Bettinend Töchter glauben ed. — | 





Mittwoch, ben 11. April 1865. 

Ih habe großes Berlangen nach frifchem Grün und mitt 
Quft, erinnere mich aber faum jemald mit fo geringen Erwar⸗ 
tungen der Sommerzeit entgegengefehen zu haben. Nicht nur 
verfpricht fie nichts, fondern auch meinen Wünfchen bietet fie 
feine annehmliche Geftalt, wenigftend in demjenigen, was ih 





auf dem ordentlichen Wege für wahrſcheinlich, für möglid 
halten fann; es müßte „neued, ungekanntes Glück“, perfön- 
liches oder beſſer noch allgemeines kommen! — 63 ift 
jet eine trübe Zeit, nichts Sichtbares, Offenes gedeiht, 
überall verdorbene, falfche, fich hinfchleppende Berhältnifie, 
überall Beflommenheit, Aufipannung, Mangel. Die Staa- 
ten alle in verfehrter Entwidelung, fie arbeiten fi dem 
Untergange zu. Und fein einziger Fürft, der dies einfähe, 
entgegenwirfte! Das fpricht dem ganzen Monarchenthum 
dad Urtheil! Ob Republifen beffer fein werden? Darnach 
will die Gefchichte nicht fragen, ihr genügt der Wechfel, 
wobei ja doch die Menfchheit im Ganzen fich immer etwas 
votſchiebt. — 

Man verſichert, die Verurtheilten vom ſogenannten März- 
tomplott, Ladendorf, Levy, Gehrde 2c., würden ausnahms— 
weife gut gehalten, auch die zum Zuchthaus Berurtheilten, 
denen weder die Kleidung noch die Arbeit der gemeinen Sträfs 
linge zugemutbet werde. Der Befehl zu diefer Milderung foll 
dem Könige durch Hindeldey abgedrungen fein, ald deren Bes 
gnadigungsgefuch verworfen worden. — 

Nachrichten aus Wien: Thätigkeit ruffifcher Diplomaten 
in allen möglichen Richtungen. Wird fein Frieden zu Stande 
gebracht, fo werden die Ruſſen ſich offen mit der Revolution 
verbünden,, den Aufftand der Griehen, Magyaren, Slaven, 
Staliäner, ja vielleicht der Deutfchen und zuleßt der Franzoſen 
degünftigen, unterftügen. Die Gegner können dafür die Polen 
in Bewegung feßen. Arme Völker! Gut gemeint ift es von 

feiner Seite, man will fie nur ald Werkzeuge gebrauchen. — 

Hier ift ed wieder ganz ftill davon, daß Hindeldey zum 
Dinifter des Innern ernannt werden foll. Die Kreuzzeitungs- 

parthei hat die Sache zu hintertreiben gewußt, indem fie davon 
frühzeitig Lärm machte und die Vorftellung verbreitete, der 


König müſſe der öffentlichen Meinung nachgeben. Die arme 
3* 


36 


öffentliche Meinung! fie hat nicht entfernt an das gedadt, 
was ihr jebt aufgebürdet wird! — 

In der Ilias gelefen, in Goethe's Fleinen Gedichten, unter 
denen viele ganz unbeadhtet find! — In der deutfchen Litte 
ratur fehlt e& vor allem an Lefern, ganz entfeglich am guten, 
dankbaren Leſern. Die Schäße liegen bei und aufgehäuft, me 
dad Erz in den Gebirgen, dunkel, unausgebeutet, unbenukt. 
Und da fällt das blöde Kritiferwolf noch ungezogen über die 
wadern Bergfnappen her, die bemüht ſind, den Reichthum in 
Umlauf zu bringen! — 

Prinz Albrecht und ſeine Gemahlin Prinzeſſin Marianne 
haben ſich in Meinungen bei der Leiche ihrer Tochter getrofen, 
und verföhnt, foweit hier dad Wort Geltung haben fann, Dit 
Prinzefjin hat ihren Diener geheirathet, Kinder mit ihm, und 
er ift ganz Herr im Haufe. Man fchäpt Das Bermögen det 
Prinzeffin auf dreigig Millionen. — 

Nachrichten aus Baden. Der Prinz: Regent ijt ſchwah, 
und ganz in den Händen der Reaktion, nur zwifchen Defer | 
reih und Preußen ſchwankend. Die Proteftanten, not) 
gedrungen wider die römifche Kirche im Streit, ftügten ihrer 
Meinung nad) fih am liebften auf die Jeſuiten! Liederlice 
Wirthichaft, in die man den Prinz-Regenten zu ziehen bemüht 
ift; ein gewifles adliged Haus in Karlsruhe bezeichnet man 
ald —, die angefehenften Familien beeifern ſich ihm ih 
Töchter zu Kiebfchaften anzubieten. Es fommen in de 
ſem Betreff Namen vor, die mir ſchon vor dreißig Jahren in 
jolcher Art genannt wurden; es fcheint auch hierin Erbämte 
zu geben! — 





Donnerstag, den 12. April 1855. 
Der König ift fehr dadurch verlegt, daß Rußland in Wien 
nicht entfchiedener auf den Eintritt Preußens in die Friedens⸗ 


37 


serathungen beftanden hat, Der ruſſiſche Gefandte begnügte 
ſich, den hiefür ausgefprochenen Wunſch, welchen die Weft- 
mähte furz werneinten, zu den Akten zu geben. — 

Großes Ffranzöfifched Lager bei Konftantinopel, die Stadt 
und den Bosporus beherrfchend. Die Franzoſen werden dort 
auch nach dem Frieden fo lange als möglich bleiben, wie in 
Rom, wie die Defterreicher in den Donaufürftenthümern, — 
wie die Preußen es in Holftein, Hamburg und Baden woll- 
ten! — Frieden ift wahrfcheinlich, aber welcher! Ein Frieden 
voller Jwiftigkeiten, Ränken und Ausflüchten! — 

Herr Dr. Hermann Franck hat noch hier die Nachricht 
empfangen, daß es für feinen Sohn nichts ift mit dem Dienft 
anf englifchen Kriegsſchiffen, nichts ift mit der Schifffahrte- 
ſchule; er wird ale Midfhipman auf einem Schiffe der oftindi- 
ſchen Kompagnie feine Zaufbahn beginnen, — falle nicht aud) 
bier noch Schwierigkeiten eintreten. Die ftoljen Gönnerfchaf- 
ten, die fichern Borauserfundigungen, haben ſich als Täu- 
ſchung erwieſen! — Franck reift morgen mit feinem Sohn ab; 
ih hedaure den Vater fehr, es Fonnte ihm fein größeres Un- 
glüd widerfahren. Und follte der Sohn doh nicht aushal- 
ten, welch neues Unheil, welche Beihämung! Das Schlimmfte 
ft, daß der Sohn wie dem Baterlande zugleich dem Vater faft 
gänzlich entzogen wird. Wie die Sachen einmal ftehen, ift es 
doch richtig, daß der Vater dem Sohne nachgab. — 

Der Unterfuchungsrichter Schlötfe vom Stadtgericht ift 
von dieſer Amtöverrichtung entfernt, als Hülfgarbeiter zum 
Kammergericht verfegt und dur den Grafen von Wartene- 
leben erfegt worden. Die Veränderung ift für jenen feine 
Beförderung, vielmehr eine Kränkung; man wollte ihn los 
ein, befonders war Hindeldey feit langer Zeit ihm feind, und 
‚rbeitete emfig gegen ihn. Schlötfe, der aud dem Waldeck'⸗ 
hen Prozeß berüchtigte, verrufene Schlötfe, der eiftige Augen- 
iener des Hofes, der Minifter, der Reaktion, in Ungnade! 


38 


Das alſo fein Lohn! Er bekommt feine Strafe von der Seike, 
von der er fie nicht verdient, das ift um fo härter! Er fol 
ein geſchickter Furift fein, und wollte auch einmal ein redlich 
ftrenger fein; in der Sache ded Prinzen *, der ein — Vergehen 
mit einem Mädchen begangen und die gerichtliche Ahndung 
nur mit den größten Geldopfern vermieden hat, war Schlöfte 
gegen die Warnungen, Die er von oben empfing, taub, wollte 
feine Pflicht thun, nahm die fchlimmen Ausſagen der Keute in 
die Berhörprotofolle auf, anftatt fie zu unterdrücden. Sindel: 
dey ftellte dem Könige Diefe Ungebühr vor, und es erfolgte 
— eine feltfame Neuheit — ein mündlicher Kabinetöbefehl an 
den Juftizminifter, die obige Berfeßung zu verfügen. Di 
die Sache in der Beamtenwelt Auffehen macht, fo hat fid 
Hindeldey auf einige Tage entfernt, damit es um fo weniger 
ausſehe, ald habe er mit ihr etwas zu thun. — 


Freitag, den 13. April 1855. 

Großer Auffag im Moniteur über den Kriegszug nah det 
Krim; Louid Bonaparte wälzt alle Nachtheile auf die Auß 
führer, rechnet alle Bortheile fich zur Ehre. Das Bedürfniß, 
die öffentliche Meinung für fich zu gewinnen , oder zu behauß; 
ten, bringt ihn ſchon fehr in die Klemme. Um die allgemeint 
Gunſt muß er zum Theil die des Heeres opfern, und doch hilft 
ihm jene nicht im geringften, wenn er diefe nicht hat. 

Mit der Reife Louis Bonaparte's nach England wird te 
Ernft. Man bereitet fih dort zu dem feftlichiten Empfang vor. 
Er gilt dort nur ald Ausdrud einer thatfächlichen Macht, einer 
befreundeten, hülfreichen, und fein anderer Gefichtepunt 
wird fih im Augenblide geltend machen. — Die Ariftokratie 
und der Hof haben die Schmad, ſich vor dem verbrecherifchen 





39 


Emporfömmling zu beugen, und werden fie bid auf die Hefen 
trinfen! Was find alle fogenannten legitimen Monarchen, 
wenn fie diefen Abentheurer zum Genoſſen haben, ihn ala 
lolhen anerkennen, ihm huldigen, ihm fehmeicheln müffen ! 
Die Demokraten hohnlachen darüber, er dient ihnen, indem 
fie ihn haſſen und verachten. — | 


Im Auguft erlifcht das. Mandat der jegigen Abgeordneten 
jur zweiten Kammer, und ed werden allgemeine neue Wahlen 
Rattfinden. Die Frage wegen der Betheiligung an der Wahl 
wird nun wichtig und dringend. Es finden fich viele Volks— 
freunde geneigt, diesmal mitzuwählen. Andere find heftig 
für die fernere Zurüchaltung. Die Minifter find ſchon dar: 
über beunruhigt, und denken auch ihrerfeits an Maßregeln, um 
Ye Wahlfreiheit zu befchränfen; der Gedanke, ein neues Wahl- 
jefeg ohne die Kammern auf eigne Hand zu oftroyiren, liegt 
tabe genug, aber man weiß noch nicht, auf welche Weife man 
8 einrichten foll, um die Demokraten wirklich auszuſchließen. 
Die bisherige dumme Pfiffigfeit genügt hier nicht. — 


Dr. Franck hat feine Reife um einen Tag aufgefchoben, 
im morgen mit Pfuel zugleich bis Magdeburg zu fahren; eine 
eltne Biegfamfeit in ihm! — 


Zu Haufe noch kurze Sitzung in allerlei Geſpräch. — Alte 
Sachen gelefen, aus der erften franzöfifchen Nevolutionszeit, 
deutſche Auffaffungen derfelben durch Schlabrendorf, Delöner, 
Forfter, Huber, Baggefen, Georg Kerner, Reichhardt, Johann 
Heinrich Boß, Rebmann ıc. — 

Der Fürft Woronzoff, gewefener Statthalter in Odeſſa, 
hat hier zu einem meiner Bekannten gejagt, Liprandi fei 
der einzige tüchtige General in der Krim; Lüders habe nur 
perfönliche Tapferkeit, fonft nichts; Gortfchafoff fei zerftreut, 
abe gar fein Gedächtniß; DftensSaden fei ein Betbruder; 
iber Menſchikoff Sprach er ſehr geringfchäßig, an Paskewitſch 


40 


lobte er den guten Willen, die dem Aufbrauſen folgende 
Milde. — 

Von Manteuffel fagt man, er habe die Leitung der aus 
wärtigen Angelegenheiten übernommen, wie jener Hann du 
Geigenfpiel, den man gefragt, ob er die Geige fpiele? worauf 
er geantwortet, ex wiſſe ed nicht, er wolle ed probiren! — 


Sonnabend, den 14. April 1855. 

Lebhafte aufregende Träume; Bonaparte zu einer Art von 
europäifchem Generaliffimus erflärt, der König von Preußen 
in größter Bedrängniß; ich war beiden perfünlich ganz nal, 
fonnte alled genau jehen, fprach aber mit feinem. 

Herrn Profeffor Agathon Benary gefprochen ; er hat neu 

Verdrießlichkeiten, das Schulfolfegtum will ihm die oem | 

Klaffen nehmen. Wegen einer Neußerung bei der Todesnad- 
richt vom ruffifchen Kaifer ift er zur Verantwortung gejogm 
worden. | 

In meinen Papieren gearbeitet, ohne fonderlichen Erich. 
Ueber manche Gegenftände kann ich durchaus nicht zum dr | 
ſchluß kommen; ihre Behandlung hängt zu fehr von den Um | 
ftänden ab, unter denen eine Beröffentlichung möglich erſcheinl. 
Ich würde viele Papiere vernichten, wenn ich nicht hoffte, do} 
die gegenwärtigen Zuftände anderen weichen werden, in denen 
andere Anfichten, Meinungen und Urtheile herrſchen mögn 
als jeßt. Bei heutigen Zeitgenoffen wird heuchlerifche Ziererei 
und blöder Unverftand mich über vieles tadeln, was ich dehhalt 
doch keineswegs aufgebe. Nichte kommt mir elender vor, alt 
fi) vor der Lefewelt fleckenrein darftellen zu wollen; ein ae: 
fchmeicheltes, falſches Bild ift meines nicht mehr. — 

Abends mit Ludmilla zu Frau von Nimptfch gegangen. — 
Ein muntrer Abend, lebhaftes Gefpräch nad) allen Richtungen, 








41 


ernſt und heiter. Der Kladderadatjch über Putliß wurde vor: 
gelefen, zum großen Ergögen. Ueber Dr. Franck wurde viel 
geiprochen, fein Schidfal, das feines Knaben. Franck hat der 
rau von Nimptfch das Bekenntniß abgelegt, für die Kräfte, 
die ihm verliehen worden, habe er fo gut wie nicht® geleiftet, 
fein urſprüngliches Gebrechen fei Faulheit; er hätte in den. 
Wiſſenſchaften viel thun fönnen, er wäre noch jebt im Stande 
eine Oper zu fchreiben, und mehr dergleichen Aeußerungen, auf 
die ich gar nicht viel gebe. Seine gute tage, feine wohlhabende 
Unabhängigkeit hat er fich zu gut gefallen laffen, und die Ge- 
nüfe der Welt reichlich genoffen, zu denen freilich die geiftigen 
auch gehörten. Daß er mehr hätte leiten können, halte ich 
für einen Irrthum; wäre er in einer befonderen Richtung 
Heißiger gewefen, fo würde er diefe allgemeine Bildungshöhe 
niht erreicht haben, die er jet ald Mapftab an feine Aufgaben 
legt; jeder Vortheil bat feine Schattenfeiten, jeder Nachtbeil 
feine Lichtſeite. — Franck wird heute 53 Jahre alt. — 
Im Plutarchos gelefen, in deutfchen älteren Sachen. — 
Eine der härteften Prüfungen für das Alter ift ed, wenn 

man den Menfchen ihre Schöpfungen zerftört, ihre Götter: 
und Heroengeftalten niederftürzt. Goethe drückt erfteres weh- 
müthig in diefen Zeilen aus: 

„Den hochbeftandenen Föhrenwald 

Pflanzt’ ich in jungen Tagen, 

Er freut mi fo! — ! — ! — Man wird ihn bald 

Als Brennholz niederjchlagen.” — 


Das Niederwerfen der Götter wird zwar bei freuen und 
flandhaften Gemüthern nicht gelingen, fondern immer nur ein 
foheiternder Berfuch bleiben ; aber daß diefer auch nur gewagt 
wird, ift dem Gefühl fchmerzlich. — 


42 


Sonntag, ben 15. April 1855. 

Die Zeitungen melden, daß der Baron Theodor ven 
Sydow am 8. April zu Gräk fünfundachtzig Fahr alt geftor: 
ben iſt. Er war früher preußifcher Offizier, nad) 1806 ri: 
fender Deflamator, Schmaroger, Glüddjäger; als ich ihn 
‚1834 bei Tettenborn in Wien fah, war er ſchon ganz herunter: 
gekommen; er lebte zulegt von den Almofen der Bornehme. 
Ein weichlicher Holtet, wie diefer ein härtliher Sydow. | 

Der Kaifer von Oeſterreich hat feit kurzem ſchon die dritt 
Amneftie erlaffen, über zwölfhundert politifche Gefangene fin 
Dadurch in freiheit gefebt worden! Nichts der Art in Preußen: 
Beichämend und dumm zugleih, an feine Verföhnung ju 
denfen, die edelften Kräfte des Landes yelähmt zu laffen, den 
Zwiefpalt zu erhalten, — aus den kleinlichſten Rachegefühln, 
bei dem Bewußtfein, felber nicht ohne Schuld zu fein. Her 
liegt Preußens? Schwäche! — 

Geſchrieben. Die Wahlfrage unterfucht, zur Unterfuhung 
empfohlen. Die Abneigung gegen unfer Scheinverfafung® 
wejen ift mit Recht fehr groß, und wird ſchwer zu uͤberwinden 
fein. Man gebt feinem Gewerbe oder Vergnügen nad, if 
gegen den Staat gleichgültig, fucht fi mit ihm als eint 
Unvernunft möglichit abzufinden. — | 

Im Plutarchos gelefen; in alten Brieffchaften, gedrudten 
und ungedrudten, deren Stoffe fich allmählig zu einer Aus 
arbeitung anlaffen, deren Geftalt und Richtung indeß neh 
nicht entfihieden find. — 

Neue bittre Umlaufenote Defterreichd gegen Preußen, vom 
23. März, es blidt einige Verachtung durh! — Nachricht 
aus Wien fagen, daß der Kaifer perfönlich in heftigfter Stim: 
nung gegen Preußen fei, vom Könige mit Hohn und Grimm 
ipreche, ala von einem falfchen Bundeegenoffen, den man 
beffer zum offnen Feind habe ꝛc. — 

Der König bat gefagt, Die Sendungen ded Generals von 





43 


Wedell nach Paris follten nun ihr Ende haben, derfelbe könne 
nach Qurenburg jurüdfehren. Den König foll der Beſuch 
Louis Bonaparte’d in London ſchmerzlich beunruhigen, der 
Ithtere fpielt Rollen ,. die ein Hohn für die andern Machthaber 
werden. Der König erinnert ſich feiner eignen Reife nad) 
Gngland, aber weder die Bedeutung nody der Beifall kommen 
in Bergleich zu der Ernte, Bonaparte’d. — 

Eine vornehme Dame, die mit den Hoffachen genau befannt 
if, höchft ariftofratifch, aber nur bedingungsweife royaliftifch ge- 
finnt, macht von dem Könige und der Königin feine vortheilhafte 
Shilderung. Sie fagt von leßterer, fie fei über die Maßen hof 
fährtig, ftreng und hart, in vielen Beziehungen erbittert, grän⸗ 
zenlos herrjchfüchtig, nur darin befchränft, dag ihr Geſichtskreis 
ein fo überaus enger ſei; man glaube gar nicht, wie eigen und 
jorgfältig fie in Kleidung und Pup, wie wählerifch und ſchwer 
zu befriedigen fie fei! Man müſſe ſich ihr ganzes Weſen und 
Benehmen daraus erklären, daß fie feine Kinder habe ꝛc. In 
perfönlichen Dingen beberrfche fie den König ganz, fie fpreche 
mit ihm in kaltem gebietenden Ton oft leife, man fehe, daß 
der König fie fürchte, öfterd ängstlich und zweifelnd nach ihr 
binblide, genug fich ihrem Willen füge. Das hindere nicht, 
daß er doch biöweilen wieder durch allerlei Unarten fich Luft 
made. Noch wurde bemerkt, daß wer in der Gunft ded Könige 
dauernd fih erhalte, dies nur durd die Gunft der Königin 
bewirfe, 3. B. Uhden, Illaire, Leopold von Gerlach, Hofrath 
Schneider, auch Markus Niebuhr fo lang es ging, die Familie 
von Canitz 2. — Gene vornehme Dame, wer ift fie? Die 
Gräfin von Münfter geb. von der Marwig? Die Gräfin 
von Haake geb. Gräfin von Tauenpien? Oder eine der vielen 
anderen, die folcher Aeuperungen fähig, am Hofe leben? Der 

Rame wurde nicht genannt. — 


— — — — —— 


44 


Montag, ben 16. April 1858. 

Die Montagspoft prüft mit Schärfe den berüchtigten 
Artikel des Moniteurd über die Krim, zeigt deſſen Schwäche, 
deffen Unhaltbarkeit. Für mich ift er ein Zeichen des 
Sinfend! — 

Im Plutarchos gelefen, in Schiller’d Briefen. — 

Wie viele unfter guten Schriftfteller, unfrer begabten, | 
gehaltvollen, Die zu ihrer Zeit wichtig waren, und zur großen 
Geiftedbewegung ihr Theil redlich beitrugen, gehen und gay | 
verloren! Ihre Namen bleiben allenfalle, eingefchrieim 
etwa in Litteraturgefchichten, oder in den Brieffchaften und 
Denkwürdigkeiten vorfommend, aber ihre Schriften gehen 
rettungslos verloren! Die Deutfchen find vorzüglich reihen 
folchen, die nicht die Erften find, aber die beiten weiten und 
Dritten, oft jenen ganz nahe, und die Mitvordränger ven | 
jenen. Es wäre das arößte Unrecht, diefe Leute für Mittel: 
mäßigfeiten auszugeben, fie find dies durchaus nicht! Ahr 
die Schriften von Morik, von Erhard, Reinhold, Voß, um | 
nur diefe zu nennen, wer lieft fie noch, wer fammelt ſie | 
Und felbit die gefammelten, fann man fagen, fie feien jum | 
Gemeingut geworden? Jean Paul Richter, Forſter, Fichte, 
— werden fie noch gefchäßt und genoſſen wie fonft? — | 

Unter den Affefforen, die angellagt find, ihre Prüfung: | 
arbeiten nicht felbit gemacht zu haben, wie fie doch an Cie | 
Statt verfihern mußten, befindet ſich auch ein Kammergeriht® | 
affeffor v. *, defien Mutter eine Millionärin if. Dan bit | 
ihr vorgefchlagen, den Verſuch zu machen, durch Anbietung 
einer Summe von hunderttaufend Thalern zu milden Zwedn 
den König zur Nicderfchlagung des Verfahrens zu bemeam | 
Ein folcher Fall ift in früheren Zeiten einmal vorgefomme, 
ein Hr. von Zedlitz hat mit folder Summe einen Rott 
gefühnt. Aber die Mutter ann fich nicht entfchliegen. Auch 
giebt es jetzt geſetzlich Feine ſolche Niederfchlagung meh, 





45 


ur nach erfolgtem Urtheil Begnadigung. — Noch 
erer Umftand fommt bei diefem * in Betracht. An: 
3erfonen verwandten fich bei dem Juftizminifter um 
Hülfe, diefer war auch beiten Willend, meinte aber, 
müffe er genau wiffen, was und wie es gefchehen 
rieb darauf in rückhaltloſem Bertrauen dem Minifter 
Beichte, und diefer — gab das den Armen gänzlich 
de Schreiben zu den Alten! — 


Dienstag, ben 17. April 1856. 
rieben ; über das politifche Gedächtniß, das ſich ver: 
jehr lange, dann aber plöplich mit Macht hervortritt. 
a alle Urfache, unsre Erinnerungen zu pflegen, unfrer 
nicht zu vergefien, aber auch unfrer Feinde nicht. 
e Feind ift der gefährlichfte. Selbft im Jahre 1813 
werer zu überwinden, ald der Äußere. — 
ranzler. Unter den Linden, zur Schloßbrüde; Ueber- 
eutigen Parade, Konftabler zu Fuß und zu Pferd, 
yichtig machen und fpreigen; daß Diele Zier des 
ſens hauptjächlih an dem Defizit in den Finanzen 

Schuld ift, fällt und heute nur zu fehr ein, da die 
ı melden, daß die Erhöhung der Haus⸗ und Mieth⸗ 
> die Errichtung einer Brennftofffteuer wie einer 
euer befchloffen iſt. — 
ung aus Paris von der Gräfin d'Agoult, die Revue 
yraine vom 15. April, worin ein Auffaß von ihr: 
- et libert&: quatre ans de l’histoire de Hol- 
— Brief aus Weimar von Apollonius von Maltig. — 
ichten aus Baden; Aergerniffe am Hof, reaftionaire 
Pfaffenwirthſchaft. Ueber die ruſſiſchen Ber: 
KL, — 


46 


An Herrn Direktor Lehmann nach Marienwerder ge 
ichrieben. Seine Gedichte machen auf mich einen angenehmen 
Eindruck, nicht fowohl durd, ihren dichterifchen Werth, ald 
weil fie im Ganzen ein befriedigended Lebensbild geben, dad 
erheiternd auf mich wirkte. -- | 

Gleichzeitig aus Paris und aus St. Petersburg trifft hiex 
die Nachricht ein, daß die allgemeine Beichiegung Sebaſtopols 
am 9, April begonnen hat. Die Ruffen geben ihren Beruf 
auf 834 Dann an. — Zweiter großer Artikel des Moniteur 
über die Friedensverhandlungen, mehr drohend als hoffend.— 






Mittwoch, ben 18. April 1855. 

Berfchnupft und heifer, fehr leidend. — Louis Bonaparte 
Ankunft in England am 16. glänzend und herzlich!? fir 
ihn und feine Frau fehr befriedigend, für die Königin aber, den 
Hof, die Ariftofratie, den Staat, demüthigend und beſchämend! 

Damit es dem neuen Staatefpielzeug bei und, M 
preußifchen Flotte, nicht an Spott und Schande fehl, 
muß die in England eingetaufchte Fregatte den englifhen 
Kriegöfchiffen und den dänifchen Sundbatterien die gebräud 
lichen Salutfchüffe nicht erwiedern können, und ſich entichub 
digen, daß fie ihre Kanonen fämmtlidh in England zurid⸗ 
gelaffen habe! Die Seeleute felbft find außer ſich darükt, 
und fchimpfen laut. Dem Kladderadatich ift verboten wort, 
feine Späße über die Gefchichte zu machen. — 

Man fängt ſchon an Ängftlic zu werden twegen der neun 
Kammerwahlen, dad Minifterium merkt, dag die Stimmun | 
etwas ernfter ift, und die Wahlen nicht mehr fo unberindt | 
durch die Landräthe diftirt werden möchten, und man del 
an veränderte Einrichtung der MWahlbezirfe nach dem Gut: 
befinden der Behörde. In der zweiten Kammer wird deßhalb 
von der Parthei Bethmann-Hollweg ein Geſetz beantragt, da} 


47 


die Wahlbezirke fo bleiben müſſen, wie fie jebt find, und dag 
Ve nicht willfürlih, fondern nur durch ein Gefek verändert 
werden Dürfen. Daß die demofratifche Parthei mitwählen 
werde, iſt ſchon wieder fehr zweifelhaft; es ift weniger Troß, 
der fie abhält, als Ekel; der preußifche Staat iſt ein Augiad- 
fall geworden, fo viel Unrath der ftinfendften Art hat fich in 
ihm angehäuft, und man hält ed nicht der Mühe werth, an 
Aufräumen zu denken, während der Mift noch ftetd vermehrt 
wird. Jämmerliche Zuftände! — 

Die Nationalzeitung hat mehrere Artikel den kriegswiſſen⸗ 
ſchaftlichen Schriften Rüſtow's gewidmet, worüber die Kreuz: 
jeitung ihren gehörigen Aerger geifert! — 

In der Augsburger Allgemeinen Zeitung vom 9. April 
(Ro. 99 Beilage) fteht ein leſenswerther Artikel über Wiflen- 
ſchaft und Theologie in Straßburg, der die Arbeiten der dortigen 
proteitantifchen Gelehrten gebührend hervorhebt. Dabei find 
die Philologen und Dichter noch nicht aufgezählt. Die kleine 
tühtige Schaar macht dem deutfchen Elfaß alle Ehre. — 

In der Revue contemporaine läßt fich Guizot vernehmen, 
unter dem Titel M&ecomptes et esperances theilt er feine 
Anficht der politifhen Dinge. mit. Er hat viel von einem 
Pfaffen, er erinnert an den feligen Ancilfon, das Philofophiren 
if bei beiden gleich, das heißt von der äußerften Mittelmäpig- 
keit, Daß Guizot durd feinen Auffas den Weg zu Louis. 
Bonaparte für fich zu öffnen ſucht, glaub’ ich doch nicht. Dazu 
half ich ihm für zu ehrenhaft. Aber der Ehrgeiz des alten 
Mannes läßt ihn nicht ruhen. Er muß wieder mitreden, muß 
don fidy reden hören. — Darin ift er dem Chateaubriand 


ähnlich. — 


— — — — — 


Donnerstag, ben 19. April 1865. 
Mein Zuftand ift ärger ald geftern, und vielleicht heute 
n fchlimmften! Ich bin ganz verdummt, fannn nicht ſprechen, 


48 


die Augen brennen, das Athemholen ift befchwerlich. Dabei 
die herabgedrüdtefte Stimmung, eine Unluft, ein Ueberdruß, 
— dad ganze nody übrige Leben erfcheint: eine Laſt, das ganze 
menfchlihe Dafein ein mühvoller Traum! ch greife ver: 
gebend nach Hülfsmitteln gegen diefed Sinfen, nichts will 
anſchlagen, nicht Bücher, nicht Gedanfen: Die legtern vers 
einen fi) immer wieder auf Bildern unwiederbringlider 
Vergangenheit; mir fehlen die rechten Menfchen friſche In- 
Ihauungen, gedeihliche Thätigkeit, und ich fann nicht hoffen, 
daß mir fie wiederfehren werden! — 

Verſuche zu arbeiten gelangen mir heute durchaus nidt; 
ich fand fogar das Lefen angreifend. Schachaufgaben, traurige 
Beichäftigung! — Auf: und Abgehen im Zimmer! — i 

In diefe ſchwache Gemütheftimmung fiel ein Schlag, Kt 
fie augenblicklich zu einer fchmerzlich ftarfen machte! Hr. Pr 
feffor Dirichlet fam, um mir ald einem antheilvollen Freund 
mit zu allererit anzufündigen, daß er Berlin verlaffen wir, | 
daß er einen Ruf nach Göttingen angenommen hat, wo era 
die Stelle ded berühmten Gauß treten wird. Der Entfhlus 
ift ein bedeutender, in manchem Sinne bedenflicher; aber die | 
Umftände rechtfertigen ihn, die Regierung hat feit fiebenun® 
zwanzig Jahren Dirichlet’3 ausgezeichnete Berdienfte nicht 
beachtet, der Minifter von Raumer noch bis zulegt fih un 
würdig und unfchidlich gegen ihn betragen, es gefchieht vn | 
Kerls Recht, wenn man fich endlid von ihnen losſagt; auh 
Humboldt fiebt ed fo an, und ift voll Unwillens und Jomt 
gegen Raumer, giebt ihm die häßlichſten verdienten Titel. 
Aber mir fchnürte diefe Ankündigung dad Herz zufammen, & 
war mir im Augenblide, ald ob Berlin verödete! Diefer Ark 
von der Abraham Mendelöfohn'ihen Familie, diefer fchönen 
Erinnerungen von Haus und Garten, von belebter Jugendluß, 
ſoll mir nun auch hier verfchwinden! Ich mußte weinen, alö 
ich allein geblieben war! — 





49 


Nachmittags Diefelben traurigen Betrachtungen mit Lud— 
milla befprochen. Man muß verwundert inne werden, wie 
ſehr allein man ift, wie von fremder Welt umgeben, die man 
die feinige nennen könnte, ift nirgendd mehr zu finden. Wir 
tehneten auf, was wir in Berlin haben; mit jedem Tage 
weniger, blutwenig. — Die Ueberlegung fam wieder vor, ob 
nicht auch mir ein anderer Wohnoyt angemeffener fein würde; 
doh war das Ergebniß verneinend; in Hamburg, in Düflel: 
dorf, fo fehr mich beide Städte anzichen, würden mid) Die 
porhandenen Erinnerungen und die fehlenden gleicherweiſe 
unglüdlich machen; von andern Orten fann faum die Rede 
lein. — Die Erwägung felbft war eine Plage! — 


Nach dem Thee ariffen wir zum gewohnten Schachfpiel. — 
Stanzöfifche Sachen gelefen; die Schilderung Wilbelm’3 von 
Orinien, ded Schweigfamen, von der Gräfin dD’Agoult, in der 
Revue eontemporaine, ein recht braves Geſchichtsbild, aus 
guten Studien! — 


sh dachte mir immer die Sabre des höheren Alters 
als ſtillruhige Zurückgezogenheit, als bebagliches Tages— 
leben, als herrlichen Friedenszuſtand; aber die Wirklichkeit 
zeigt von dem nichts, nur immer neuer Kampf, neue 
Sorge, neue Mißverhältniſſ! Was Frau von Guion 
Ihre Kreuze nannte! — 


Ich babe heute wieder eine Anzahl Bücher verfchentt, 
niht gleichgültige und mir unwerthe, fondern brauchbare 
und liebe, mit dem Borgefühl, daß ed mir aud wieder 
leid fein könnte und ich fie vermiffen würde; aber ich 
that e8 Doch! Das DBergnügen, dergleichen in die rechten 
Bände zu bringen, ift doch noch größer, ala das des Erwerbens 
ınd Beſitzens. ch that ed fchon oft, immer mit etwas Reue, 
nd doch immer wieder. ch finde in mir noch heute das 


zefühl erneuert, mit dem ich in meinem neunten Jahr einem 
Barnhbagen von Enfe, Tagebüder. XII. 4 




























50 


armen Knaben einen neuen Weberrod ſchenkte, der mid fl 
im Winter hatte wärmen follen. — 


Freitag, ben 20. April 1855. 

Meine Nacht war fchleht, durch Pörperliche Leiden m 
Gedanfenreihen, in letztere war ich wie verflochten und frant 
fie nicht losiwerden. — Die Zeitungen find angefüllt mit Yu 
richten von dem Glanz und der Beeiferung, ja Begeifterm, 
mit denen Louis Bonaparte in London gefeiert wirt. Güj 
ein merkwürdiges Schaufpiel, wie England in vollen Jim J 
feine Schande trinkt. Die Niedrigkeit des Hofes und m P. 
Großen übertrifft weit die Niedrigkeit des unteriten Bolle.- 

In Rußland iſt eine Amneftie ergangen; es iſt jhmen 
beurtheilen, wie weit fie ſich erſtreckt, aber es ift daheie fr 
Handlung, die jenen Namen führt. Bei uns nicht derit 
Gnade ift nur erfolgt, wenn die Reaktion Verbrechen wrik J 
hat; da fehlte Fürfprache nicht. — 

Der ruffifche Kaifer hat ſchon Zeit gefunden, die Unifoma 
in feinem Kriegsheer abzuändern. Es fällt z. B. die Offer 
ſchaͤrpe fort, die Generale befommen rothe Hofen, wie kin 
Defterreihern zc. Darin foll wohl der militairifhe beij 
des neuen Herrfcherd zu erkennen fein? Der dei Kulm 
Nikolaus war freilich nicht viel beſſer! — 

Nachmittags kam General Adolph von Willifen, der mt 
nicht viel reden ließ, mir aber manches mittheilte. Sein ®# 
trag auf Umänderung der Gewehre ift nad) viermonatlis® 
ſchweren Kämpfen durchgedrungen; die Sache ift beidirhe 
genehmigt, befohlen, und foll nun zur Ausführung konen 
Mit feinem politifhen Urtheil bin ich jet nicht einverftant; 
er nimmt nur Frankreich als Macht in Rechnung, und veriü 
in weſſen Händen fie ift; er findet es eine Maßregel der Bm 


51 


ſehung, daß in Bonaparte ein Gegner Rußlands auf den 
franzöfifchen Thron gefommen ; die Bourbong, die Orleans, 
würden nie gegen Rußland, fondern mit ihm gemwefen fein, 
darum mußten fie fallen. Uber wollte der Staatöftreicher 
nicht auch zuerft mit Rußland fein? Hat nicht der blinde 
Uebermuth des Kaiferd Nikolaus allein den Glückspilz auf die 
andere Seite geitellt? Wie fehr England gedemüthigt iſt, 
will man dort faum abläugnen, Willifen aber findet es nicht; 
er möchte, daß Louis Bonaparte auch hier feinen Beſuch machte, 
Hof und Bolf würden ihn mit Jubel empfangen. Leidenfchaft 
gegen Rußland, vor der alle Rückſichten ſchwinden! Warum 
joll ih Rußland mehr halfen, ald den — Louis Bonaparte ? 
Weil diefer ein gebildetes, freied Volk unterdrüdt hat, it er 
nur um fo haſſenswerther. Die unterdrüdten Ruffen waren 
wenigftend nicht frei, und können es bei jedem Umſchwunge 
werden, wie die Franzoſen wieder. 
Nachrichten aus den Kammern. mn der eriten hat der 
— Senfft von Pilſach wieder von dem „Schandjahr 1848 * 
geſprochen, ihm hat der Graf von Arnim-Boytzenburg wenig- 
tens vorgehalten, daß man dieſes Jahr — wegen der Reaktion! 
— auch ein Ehrenjahr nennen könne! In der zweiten Kammer 
bat die infame Kreuzzeitungsparthei das fo nothwendige, forg- 
fältig ausgearbeitete, von Wentzel mit feinen beften Kräften 
unterſtützte Konkursgeſetz gleich im Beginn wollen fallen machen. 
Wagener und Gerlach hatten die Stirn, den unwürdigen Kniff 
BE juverfuchen; der Minifterpräfident von Manteuffel mußte 
W ihnen Scharf entgegentreten, und der bübifche Anfchlag wurde 
zunichte. Das Gefeb wird eine Wohlthat für die Bürger: 
und Handelöwelt fein, das genügte jenen Partheileuten, um 
FE ihre ganze Bosheit dagegen aufzubieten. Wie lange werden 
dieſe — ihr freches Weſen noch treiben dürfen? Sie 
F haſſen den König, fie dienen einem fchändlichen Abgott, fie 
J haben kein Vaterland, find unpreußifc und undeutſch, ver- 
q* 


h, 
5 
a 
ä 
; 
3. 
* 
* 








92 


rathen den Staat an Rußland, — das gilt als Monarchentkum, 
Religion, Patriotismus! — 

Bertrauliche Mittheilungen aus St. Petersburg ſchilden 
den Kaifer Alerander ale körperlich geſchwächt und fhrn J 
der Bruft leidend, außerdem ald unficher und unbebülflit, 
noch gar nicht auf eignen Füßen ftebend; er bat noch nid 
Zeit und Willen genug gehabt, feine eigne Regierung einzu— 
ſetzen, er führt nothgedrungen die alte mit den worgefundenn 
Mitteln einftweilen fort. — 


Sonnabend, den 21. April 1855. 

Unrubige Nacht, doc angenehmer Traum. — Geſchrtieben 
aber nicht recht in Zug fommen fünnen. Durchaus kin | 
Luſt Briefe zu fchreiben! Des Perfönlihen bin ih ühr 
drüffig, das Allgemeine ift troftlod, das Kitterarifche gerind 
und ohne Reiz. — Beſuch von Herrn Dr. Vehſe; über Dirt: 
let’8 Fortgehen; es macht allgemein großes Nuffehen, und m 
den zahlreichen Freunden und Kreifinnigen den peinlihiten 
Eindruck; auf den Unwiffenheitöminifter von Raumer wir 
ſtark losgezogen. — | 

Heute verläßt Louis Bonaparte, nachdem er den SHofen- 
bandorden empfangen, London wieder. Das Ganze war feine 
politiiche Handlung, nur eine Eitelfeitöpoffe. — 

Die englifche Flotte ift vor Kiel angefommen. — Die 
Beſchießung Sebaſtopols aus allen Batterieen dauert jeit dem 
9. ununterbrochen fort. Ob der Sturm folgen wird? Ein 
Schlacht gegen die Rufen im freien Felde wäre wirkſamer, 
auch in Betreff der Feſtung. — 

Zumutbhungen, die man mir in Anfehung der bevoriteben- 
den Wahlen macht, und die ich entjchieden abweife. Iſt mn 
auch nicht ausgemacht bis jest, ob eine allgemeine Betbeiligung 





53 


jurathen fei, — die Gründe für und wider fordern eine 
wägung, die ohne Öffentliches Berhandeln ſchwer ift, — fo 
ht mir doch feit, daß ich perfönlich jedenfalle nicht Antheil 
hme. Die Entfcheidung hinfichtlich des Allgemeinen ift auch 
zwegen ſchwierig, weil es auf ftatiftifche Ermittelungen an- 
nmt, auf welche Zahlen und Gefinnungen man rechnen 
mte; died im Stillen durch Briefwechſel herauszubringen 
ju mühſam und unſicher. Und Berfammlungen jind un: 
glich! — 

Im Plutarchos geleſen, dann vielerlei ältere Sachen durch— 
ehen, die vielleicht Stoff einer größeren Arbeit geben. — 
Amtlicher Artikel über das hier neue Heroldsamt, und wieſo 
ſelbe ganz in der Stille eingeſetzt worden, es ſei nämlich 
e ganz alte, nur wieder abgeſondert hervortretende Behörde. 
eſer Grund iſt ſo ſchlecht wie die ganze Sache, und ſein 
mtliches AMusfprechen hebt ihn wieder auf, denn nun wird 
doch die Wiederherftellung ausdrüdlich befannt gemacht! — 
Die Neue Preugifche Zeitung rechnet den Franzoſen vor, 
; fie für jeßt höchftend mit 50,000 Mann-am Rhein auf: 
en fönnen, im September freilich vielleicht mit 150,000 
nn, aber was will das fagen im Bergleih zu Preußend 
resmacht! Doc, ließe fich vieled, gar vieles fagen gegen 
e Berehnung! — 

In den meiften Blättern wird ein großed Rühmen gemacht 
den Schriften Riehl's, ja der gute Ruf derfelben hat ihm 
Ernennung zum Profeffor an der Münchener Univerfität 
haft. Sein neueſtes Buch Führt den Titel „Die Familie. * 
s Buch gehört zu denen, die geſunde Nahrung und Arznei, 
mmenmifchen, und daher Uebelfeit verurfachen. Seine 
‚üben aus dem Leben find mannigfach und fchäßbar, aber 
e Nubanwendungen find fümmerlih. Er thut den Phili— 
ı fchön, macht den Bertheidiger alter Borurtheile, ſetzt alles 
ere herab, hat die engherzigften VBorftellungen und Die 


54 


gemeinften Ausdrüde. Er fpriht zum Beifpiel von. Dlaw 
ftrümpfen * — warum fagt er nicht auch „meine Wenigkeit‘? 
für ihn wäre dad angemefjen, — er zieht gegen die arme ver: 
folgte Frau Luiſe Aſton los! Nun, dem feichten Schwärr 
geichieht ganz Necht, daß auch beſonders die Neue Preufifhe | 
Zeitung ihn rühmt! — 


Sonntag, den 22. April 1855. 

Mir träumte von einem fcharfen Plänflergefecht, dem id 
beiwohnte, ohne an ihm Theil zu nehmen; das Seltfamft 
war, daß meine Mutter noch lebte und mich unangenehm Mr: 
über auöfragte! — | KR 

Die Nationalzeitung züchtigt die fchlechten Burfchen, die WE 
in der zweiten Kammer aus böfer Tüde gegen das Kontur: 
gefeb aufgetreten find, Wagener, Gerlach, Keller zc., und rügl 
die weichliche Empfindfamfeit, in welche diefe harten Fanatilt P 
der Buße und ded Banned plößlich ſich einhüllen wollen. — 

Nachmittags Beſuch vom Grafen von Wartensleben, MI | 
mir von feinen neuen Amtsverrichtungen als Unterfuchung® 
tichter belehrende Auskunft ertheilt, von feinen Berhältnifer 
zur Polizei, zu dem Staatsanwalt, zu den Miniftern. Erf | 
mit Reidenfchaft Juriſt, und das ftrenge Recht geht ihm übe! 
alles ; doch ift er Dabei von wahrer Menfchenliebe durchdtungen⸗ 
und immer ift er in dem liebenswürdigen Beftreben, 
Menfchenfreundliche neben dem Recht und das Recht nee? 
dem Menfchenfreundlichen zu erhalten. Er ift ein durdauf 
achtungswerther Karafter, und ich würde eben fo auf feine 
Gutmüthigfeit wie auf feine Rechtichaffenheit bauen. Seine 
Borurtheile find mebr Gewohnheiten, und auch keineswegs die 
ſchlimmſten, es läßt fi) mit ihnen ausfommen. Nady einiger 
Zeit erſchien Fräulein *, die ſchon eine Weile bei Ludmilla 





55 


efen war und bald nachherauch Frau von * * ; Das Geſpräch 
ide ſehr belebt, angenehm ſcherzhaft, wo der Ernft überhand 
‚men wollte, fand jich immer glüdliche Einlenfung. Aber 
of genug zu erniten Bemerkungen blieb mir zurüd! Die 
giten Menfchen, wenn fie etwas verjteden wollen, verrathen 
de durch ihr Bemühen ihre Abſicht, und man ficht nun, 
s man ſonſt nicht gefehen hätte; was fie Scheinbar verachten 
d verabſcheuen, ift oft grade der Gegenftand ihres heißeſten 
gehend, und umgefehrt, was fie zu lieben worgeben, ihres 
fcheud. Wieder zwei Wahrnehmungen, zu denen Rahel 
: Gelegenheit gab! Man befprach reiche, vornehme Hei: 
ben, den Bettelglanz hoher Würden in Heinen Berhältniffen, 
um von Elsner ıc. — 

Die Berliner Bürger fangen an laut zu murren über die 
uen Steuern, die der Magiftrat ihnen auferlegen will. Der 
agiftrat und die Stadtverordneten fagen, es ginge nicht 
ders, das ungeheure Defizit müſſe doch gedeckt werden, 
0,000 Thaler feien nur durch außerordentliche Keiftungen 
ubringen, wer ein beſſeres Mittel wifje als jene Steuern, 
t möge ed fagen. Aber, jagen die Bürger, iſt denn der 
agitrat nur der Scherge der Polizei, hat er nicht die Stadt 

vertreten, auch gegen die Regierung, die und ohne Maß 
erbürdet ? Warum widerfegt ſich derfelbe nicht den un— 
heuren Laſten, die Hindeldey uns auflegt, den übergroßen 
fipieligen Anftalten, die mehr der Eitelfeit des Stifters 
men, ald der Stadt nügen? Lehne fich der Magiftrat da- 
der auf, lage er bei dem Staatdminifterium, dem Könige, 
d wenn alles nicht hilft, fo lege er feine Stellen nieder, fo 
h die Stadtverordneten; wenn man dann die ungerechte 
walt dennoch fortfegt, jo mögen wir und die ganze Welt 
nigſtens willen, daß wir unter einem Pafcha » Regiment 
m! — Der Magiftrat abdanfen! welcher Einfall! Der 
ge Magiftrat, mit Herrn Krausnick an der Spike, dem 


56 


lebenslänglichen Mitgliede ded Herrenhaufes! Eher kann allen 
Bürgern Berlins das Fell über die Ohren gezogen werden! — 

Fran Doktorin Meyer, früher Luiſe Afton, iſt mit be 
jonderer Erlaubniß des Herrn von Hindeldey hier angefommen, 
um während einiger Tage zum Bebuf ihrer Auswanderung 
nach Amerifa die nöthigen Anftalten zu treffen. “Der Generat 
von Wrangel liebäugelte einft mit ihr, ale fie die Kranfen um | 
Berwundeten in Schleöwig-Holftein pflegte; ob er fich auch | 
wieder um jie bekümmern wird ? — 

Man jagt, der König fei gar nicht beruhigt über die pelv | 
tifche Rage Preußens, — vor kurzem noch fchien er e8 in fteu— 
digem Stolz, — fondern empfinde fehmerzlich, daß die Königin 
Victoria ihm mißtraut, der Kaifer von Defterreich ihm grellt, 
und der Kaifer von Rußland ihn wohl perfönlich einigermapen, 
aber politifch gar nicht beachtet. Perſonen, die dem Koͤnige 
nahe ftehen, verjichern, daß er öfters den Luſtigen nur fpiek, 
um die tiefe Schwermuth, an der er leide, zu verbergen. 
Dabei wird er immer mißtrauifcher. Man fucht ihm alles 
was ihn umgiebt, zu verdächtigen. — 


Montag, den 23. April 1855. 

Gefchrieben ; Erörterung politifcher Fragen und Stan: 
punfte, VBertheidigung des Fürften von Metternich in jenen 
frühern Verhalten gegenüber von Rußland, er hatte früh das 
Richtige gefehen, das Zweckmäßige gewollt, aber dem Einfluſe, 
den er betritt, fich zuleßt fügen müffen, da weder Wellington 
ihn verftand, noch Sranfreih, und am wenigften Preußen ihn 
unterftügte ; jet erlebte er die große Genugthuung, daß die 
Welt wenigftend feine Borausficht anerkennen muß. — 

Die Montagspoft wieder fehr gut. Sie trifft immer den 
Nagel auf den Kopf! — 

Ueber Louis Bonaparte's Bejuch-in London urtheilen die 





57 


deutichen Blätter meift unbefangen und ungeblendet, man fieht 
nur beiderfeitige Schwäche darin; englifche und benapartiftifche 
(nicht franzöfifche!). Ueberhaupt fieht der Staatöftreicher 
ſich in Verlegenheit, die er zu deden wünfcht. Seine großen 

Moniteurartifel find redende Zeugniffe, er will fich heraus— 

reden. So fchnell verfchwinden die Täufchungen, verbraucht 

ih die Macht! In Frankreich mag es beunruhigend ausfehen! — 

Louis Bonaparte hat der franzöfifchen Akademie das Recht ihre 

Mitglieder zu ernennen, zum Theil entzogen und dem Unterrichts: 

minifter beigelegt. Bereits find zehn neue Mitglieder (zur Klaſſe 
der moralifchen und politifchen Wiffenfchaften) ernannt. Die 
Gelehrten find ftugig und aufgebracht, fügen ſich aber. In der 
Alademie war bisher eine noch ftarfe Oppofition, die jet ge- 
brochen wird. Nebendinge, doch wichtig im Zufammenhang 
mit allem Hebrigen. — Herr Dr. Keller wollte mid) befuchen. — 
Beim Durchfehen diefer meiner Blätter fällt mir auf, daß 

ein reichlicher Vorrat von Schimpfworten darin wiederholt 
vorkommt; aber ed ift ſehr natürlich, denn Schimpfworte find 
einmal die bequeme Abkürzung mancher Bezeichnungen, die in 
andrer Art allzu weitläufig ausfallen würden, und dann find fie 
überhaupt jetzt in verſtärktem Gebrauch, fie find aus dem untern 
Volke zu den gebildeten Klaffen heraufgerüctt, und befonders am 
Hofe gäng und gäbe. Wie kann man fich vor ſolchen An- 

Nedungen genug hüten! Manche Namen werden gar nicht 

ausgefprochen ohne den Zuſatz Schweinchund, Rader oder 

Kanaille, und woher folde Worte fommen, dahin kehren fie 

auch wieder zurüd. Auch werden bloße Namen jebt Schimpf— 
worte; wie vor vielen Jahren der Name Schmalz, fo jetzt Gerlach, 
Bagener ꝛc. „Sie find ein rechter Gerlah!* in Student, 
der died zu einem andern fagte, hat ſich mit diefem fchlagen 
nüffen. Auffallend ift es, mie in den höchften Kreifen fort: 
vährend auf die höchſten Perfonen gejchimpft wird, man legt 
ich kaum noch einen Zwang auf, die Bedienten hören es mit 





58 


“an. Wo der König am meiften feine Gunft und Gnabden, fein 
Ehren verfchiwendet, Da zeigen fidy feine entfchiedenften Wit: 
facher, feine perfönlichften Feinde; die angefehenften Familien 
des Landes, die fich freilich .bei Gelegenheit den Ayfchein geben, 
ihm in treuefter Xiebe und Ehrfurcht anzuhängen, machen ihn 
und feine Neigungen zum Gegenftand ihres Spottes, ihr 
Hohns! — 

Die Neue Preußifche Zeitung bringt heute Abend einen 
fcharfen, faft fhmähenden Artifel gegen Louis Bonaparte. ze | 
wet nad) und nach den Gedanken, man fönne, auf Ruflan | 
geftüßt, obne ſonderliche Gefahr mit Frankreich anbinden. Dem | 
Könige ſchmeichelt und gefällt das ſehr, wenn er auch äußerlich 
das mißbilligen muß. Der Lieblingswunſch wäre, wiederhilt | 
in verbündeter Einheit mit Rußland und Defterreich gegm 
Frankreich loszugehen. Sie meinen noch nie fo nahe daran | 
gewejen zu fein, ganz Europa dem Joch der Reaktion zuunte: 
werfen, Thron und Altar — wie fie ed nennen — in altem 
Glanze herzuftellen, das heißt: Adel und Geiftlichkeit, denn 
an den Fürften ift ihnen nur infofern gelegen, als fie jenen 
dienen. — | 

Ich blieb zu Haufe. Einiges gearbeitet, viel überdaht.— 
Ich habe feinen Freund mehr, dem ic) jetzt mein ganzes ‚Jnnett 
jagen könnte; ich werde manche meiner Anfchauungen undlr 
theile mit in’d Grab nehmen müffen! — 

In Scillerd Briefen. Franzöſiſches. — 

Der Handwurft Gerlah macht die zweite Kammer ladet 
indem er erflärt, er gehöre nicht zur äuberiten Rechten! Ev 
bärmliher Spaß! — 





Dienstag, beu 24. April 1855. 
Nachrichten aus Wien, daß die Friedensverhandlungen 
“ einftweilen abgebrochen, das heißt auf unbeftimmte Zeit wı- 


59 


tfind, weil Rußland in Betreff feiner Seemacht im Schwarzen 
:ere den forderungen Frankreichs und Englands widerfpricht. 
18 wird nun Defterreich thun? Zögern wie biöher. Die 
fen haben neuen Muth befommen, fie fehen die fchlimme 
ge des Feindes in der Krim, die Unficherheit Bonaparte’d 
Frankreich und fie dürfen Preußen jebt nicht fürchten, auf 
efterreich vielleicht chen hoffen. ch meinerfeitd mag mir 
de Wendung diefer Dinge gefallen laffen, wohin die Niederlage 
ı diefen Kämpfen fällt, immer trifft fie mir den Feind, die rohe 
errihergewalt, den Treiheitöunterdrüder. Wenn der Sieg 
t Weitmächte Polen herftellt, in Rußland Freiheitsſaaten 
uöftreut,. gut! Wenn aber der Sieg der Ruſſen dafjelbe thut, 
nd den — in Frankreich ftürzt, noch beffer! — 

Die fortgefegte furchtbare Beſchießung Sebaſtopols liefert 
oh immer fein Ergebniß, artet in nußlofe Verfchiwendung 
18, — 

In unferer erften Kammer hat der Graf von Arnim-Boppen: 
ig zur innern Berföhnung und Einigung geiprochen, und die 
thäffigkeit der Kreuzzeitungsparthei getadelt. Nachdem jie 
hrelang den fhändlichiten Mipbraud, der Macht geübt, Die 
nur durch die Milde und das Maß der Volksparthei wieder> 
langt, wollen fie VBerföhnung! Spät, fehr fpät! ber 
lerdings können fie auch heute noch auf den Edelmuth des 
Mfed rechnen! Ginzelne denken freilich anders, und wollen 
iche! — | 

Der Bundestag hat dem Könige von Hannover Vollmacht 
d Auftrag ertheilt, die beitehende Landesverfaſſung im rcaf- 
maiten Sinn, und bejonders zu Gunften der Ritterfchaft, 
juändern. Aufregung und Mipftimmung darüber, beſonders 
ch Stüve’d und feined Anhangs. Wird nichts helfen! 
üve wird die Niederlage nun felbft erleiden, die er früher 
dern gern bereitet und gegönnt hat. — 


— — — — 





60 


Mittwoch, ven 25. April 1858. 

Lebhafte Träume; auf einem Bahnhofe lange Wartezeit, 
herrliher Garten, der in wilde Felſengegend endet, ich ging 
ganz allein da hinauf, ſah die ſchönſte Gegend, den prächtigſten 
Himmel; Rahel war in der Nähe, aber auch meine Mutter, 
uralt, doch rüftig dabei; fie wäre jeßt im hundertiten Jahre » 
Der Traum hinterließ froben Eindrud. — 

Geſchrieben. — In meinen Papieren gearbeitet. — 

Urtheile über den verftorbenen Kaifer Nikolaus; der Ge | 
neral Graf von Toll ſprach wegwerfend und verächtlich von ihm; 
ein andrer General, der lange Jahre in feiner Nähe geweſen, 
nannte ihn einen hohlen Komödianten, einen feigen, — — 
Menſchen. — | 

„Gegenwart und Zukunft der Philofopbie in Deutichland 
von DO. %. Gruppe. Berlin 1855.° Eine ehrliche, ernfteund | 
milde Schrift, auch in Betreff Schelling’d partheilos billig, fein 
Schwächen wie feine lepte Wirkungsloſigkeit find nicht verhehlt. 
Aber, indem Gruppe, wie ein Cicerone, in den reichen Schaf— 
fammern der Philofophie umherführt, zeigt ſich feine eigene | 
Armuth! Er hat durchaus nicht? zu geben, ala die Aufzählung 
fremden Gutes, das er ſich nicht aneignen kann. Gr meint, cee 
fei mit der großen Philofophie worüber ; von Leibnitz bis Stel: 
ling habe die deutfche Nation ein Jahrhundert hindurd) fh in 
falfcher Richtung abgemüht; die Philofophie folle künftig Mr 
fcheiden fein, ih um Gott und Welt nicht befümmern, Pivd® 
logie und Aeftbetif anbauen, vor allem aber feine Syfteme meh! 
gründen! in Denker wird fich beſchränken laffen, ald oh el 
dann nod) ein Denker wäre! Und woher foll die Anwendung kom⸗ 
men, wenn dad Anzumwenvende fehlt? Das kommt mir grade ſo 
por, ald wenn man jemanden anf Jinfen anwieſe, wo das Ka: 
pital fehlt! — Eine im Ganzen nuglofe Schrift! — 

In Brandenburg, bei dem Trauerfefte, welches das dortigı 
Küraffierregiment feinem gewefenen Inhaber dem Kaifer Rite 





61 


laus in Gegenwart des Hofes, der. Generale ꝛc. widınete, 
lagen die dem Regimente gefchenkten Uniformftüde (die Waffen: 
Rüde auf dem Altar) des Kaiſers, Nod, Hofen, Hut, Stiefel, in 
derKicche neben dem Altar zur Schau! Neliquiendienft! „SHei- 
liger Rod, bitt' für und!“ — 

Unfer „Herrenhaus * will eine Matrifel feiner Mitglieder 
anlegen. Der Regierungsfommiflair macht Einwendungen, man - 
lole den Königlichen Anordnungen nicht vorgreifen u. |. w. 
Es zeigt fich, daß der König Ruft bat, den Eintritt der Mit« 
glieder für jede Sitzungszeit jedesmal von einer Einladung ab- 
bängig zu machen, die er an die Berufenen erläßt, oder nicht 
erläßt. Eine folhe Hinterthür willfürlichen Einfluffes war 
aber doch nicht zu behaupten, das Gelüft mußte fih zurüd- 
ziehen, und es erfolgte die ausdrüdliche Erklärung, daß das 
Recht der Berufenen auf der Berufung beruhe, und nicht von 
der Ginladung abhänge. Das Herrenhaus wird dem Könige 
noch manchen Berdruß machen. — 

Eine Anficht Mirabeau’s über Staatöverbände: „Je suis 
Convaincu qu’un grand empire ne peut ötre tol&rablement 
gouverne que lorsqu’il est constitue en confederation de 
petits etats, et qu’ainsi le nötre se dissoudra ou se consti- 
tuera ainsi, je ne doute pas que, si notre gouvernement 
devient sage, et notre constitution mfire, tous les bords du 
Rhin, & commencer par vos provinces (belges), viendront 
Sy ranger etl’on verra enfin jusqu’oü peuvent s’etendre 
les conquötes de la liberte et de la raison humaine.“ Diefe 

Votherſagung ift in gewiffen Einn eingetroffen, und dann wieder, 
weil die Borausjegungen fich nicht bewährten, für lange Zeit 
aufgehoben; allein fie dauert noch fort, und harrt ihrer Erfüllung 
für ganz Europa! Dem Geijte Mirabeau’s fonnte hiebei das 
Beijpiel der Vereinigten Staaten von Nordamerika vorfchiveben. 
Ich gedenke zugleich der alten deutfchen Reichöverfaflung, die trotz 
der Entartung, Unbehüfflichkeit und Trägheit, an welchen fie 


62 


zu Grunde ging, dennoch zu den größten und der Bedeutung 
nach edeliten Staatefchöpfungen gehört, die irgend ein Bolfge 
leiftet hat. — 


Donnerstag, den 26. Wpril 1855. 

Muthige Träume von erwünfchten Ereigniſſen, freilich nur 
Träume, die doch aber in dad Wachen freundlich einſchim— 
mern. — | 

Brief von Humboldt, der mir ein an ihn gerichtetes Ve— 
kehrungsſchreiben mittheilt, mit gefpenftifcher Erſcheinung und | 
Ansprache Wilhelm’d von Humboldt, die Goethe'ſche, Pfarre | 
wittib” in etwas anderer Geftalt! Scarfes Wort über Me 
Saturnalien,, das freche Feſt, die Affenfomödie in Yonden. 
Sehr brav! — 

Beſuch von Herrn Grafen Arthur von Seherr⸗Thoß; int | 
die Gefeße und Sitten in Ungarn, den Kampf der Verfafun 
und Bolköthümlichkeit. Aeußerungen Cavaignac's an Klaplo, 
dag Frankreich nichte für Ungarn thun könne. — 

Lord John Ruſſell ift von Wien abgereift, nimmt feine® 
Rückweg aber nicht über Berlin ; beleidigende Aeußerung, er hade 
an diefem Orte der Konfufion und Gaufelei nichts mehr zu 
juchen. Der König foll doch fehr empfindlich darüber fein, dar 
man nicht für nöthig hält, ihn wegen der weitern politifchen 
Dinge anzufprechen. — 

Sch höre, daß Herr Profeffor Gruppe durch feine neuft 
Schrift den Kultusminifter von Raumer zu gewinnen, und Ni 
Stelle Gabler's zu erlangen hofft. Dadurch erfcheint alles i 
anderm Lichte, Daraus erklärt fih, daß er die Philoſophie ball 
aufgiebt, den Herrn von Radowig unter die Philofophen zählt 
der Theologie nicht? anhaben will ꝛc. — 

Das Appellationsgericht zu Paderborn hat dag Mindener 
Urtheil gegen den Redakteur der Kölnifchen Zeitung vernichtet 





ni.) ı 1 


63 


dieſen freigefprochen, und eine etwaige weitere Anklage nad 
Köln gewiefen. Uber die Regierung will doch den Grundſatz 
aufrecht erhalten, daß jedes Gericht im ganzen Staate fom- 
petent fei, einen Redakteur vorzuladen und zu verurtbeilen. 
Herr von Hindeldey drohte neulich dem Herrn Müller von der 
Voſſiſchen Zeitung mit ſcharfen Mafregeln, und ald diefer ein- 
wandte: „Dazu haben Sie fein Recht!* antwortete Hinckeldey 
lachend: „Aber die Gewalt! Sehen Sie zu, wie weit Sie mit 
Ihrem Recht kommen!” in bei Gelegenheit in Erinnerung 
ju bringendes Wort! — 

Herr von Senfft-Pilfad hat in der Kammer zu fagen ae: 
wagt, Bolf und König feien nirgends in fo glüdlicher Einigung 
als in Preußen. inige ftaunten, Andere lachten über eine 
Behauptung, die allen Partheien ale eine handgreifliche Un- 
wahrheit erfcheint. Die Kreuzzeitungsparthei will diefe Eini- 
gung am wenigften zugeitehen; wenn die Sache jo wäre, fo 
hätte die Parthei feinen Boden zum Auftreten, two bliebe ihr 
Verdienſt und Werth, wenn alled royaliftifch wäre? — 

Der alte vieljährige Prozeß gegen Herrn Benede von Grö⸗ 
dizbetg, wegen gefpielten großen Betrugs, iſt erſt jetzt vom 
Stadtgericht dahin entſchieden worden, daß der Angeſchuldigte 
ſttaflos zu bleiben habe, nicht weil er unſchuldig ſei, ſondern 
weil Verjährung ihm zu gute komme. Schon vor deht Jahren 
war das Kammergericht zu dieſem Ergebniß gekommen, durch 

das neue Gerichtsverfahren hatte jedoch die Entſcheidung an 
dad Stadgericht übergehen müſſen. — 


freitag, den 27. April 1856. 
Gefchrieben. Brief an Humboldt, ihm das „Pfarrers: 
wittib8* Schreiben zurüdgefandt, mit Bemerkungen ; Bedauern 
über Dirichlet's Weggehen. — 
Beſuch vom Grafen Archibald von Keyferling. Nachrichten 





wegs aufgehoben fei, immer fortbeftanden babe, und ei hei 
ftet8 auch verbleiben folle. Wie fich Das mit der Berfafung 
trägt? was fragt erdarnach! Und die Kammern mudfen nidt! 

Die erfte Kammer hat das Konfursgefeß nur mit emü 
Berftümmelungen angenommen. Es ganz abzuweiſen, we 
der Kreuzzeitungspartbei nicht gelingen. Die Stabl, Pern 
Senfft von Piljah und ihre Spießgefellen thaten ihr R 
lichſtes. — 

Einige kleinere Zeitungen, in Preußen, in Weſtpba 
haben von der Polizei Verwarnungen erhalten wegen Arhl 
die fihnöde gegen Kranfreich, d. b. gegen Louis Bonaparte 
gegen England loszogen. Auch das elende, dein Erlöjcen: 
Blatt des Kuhr hier in Berlin ift deßhalb verwarnt wor 
Diefe franzöfifche Polizeimapregel iſt bei und nicht geich 
Aber doch! — 

Nachmittags Beſuch vom Herrn Dr.*. Aus guter Qu 
weiß er, daß der Juſtizminiſter den Stadtgerichtsrath Sl 
zum Samntergeridhtörath machen wollte, der König aber. 
durchaus nicht gewollt hat, und ganz wüthend gegen den! 
nifter gewefen ift. Dem Scylötfe wirft man jeßt vor, daslı 
Gifer im fchändlichen Prozeß gegen Walde doch feinen Erf 
gehabt, daß Walde mußte freigefprochen werden! Das ® 
dienft wird zum Gegentheil, und der Dank zum Haß. Aü 
jich alle augendienerifchen Buben bier fpiegeln! — 

Geftern fand noch eine Friedensberathung in Wien St 
eine erfolalofe. Man erwartet Oeſterreichs Auftreten im Are 


65 


Offiziere, was fehr in Verwunderung ſetzt, haben fich laut 
und heftig gegen den Kultus erflärt, den man mit den Röcken 
und Hofen — Kleedagen, fagt man berlinifch — des Kaiſers 
Nikolaus treibt, fie fprechen mit verachtender Empörung von 
der unwürdigen Zeremonie in Brandenburg. — 

Mirabeau wollte dad Königthum retten, nachdem cr die 
Steiheit Hatte erobern helfen, er ſah in jenem jogar den Schup 
der Ieptern. Taufende von Freiheitsfreunden dachten wie er, 
auch mein Bater war für das Königthum wie für Die Freiheit, 
auch meine Anfichten und Empfindungen jtimmten überein; . 
im Jahr 1848, als das Königthum, das preußijche, bedroht 
war, ſann ich ernftlich, was zu feinen, zu des Königs Gunſten 
zu thun fei. Hat die Entwidelung der Dinge gezeigt, Daß wir 
Alle im Irrthum waren, beided — Freiheit und Königthum — 
dereinigt feithalten zu wollen, fo war es doch ein ſchöner und 
edler Irtrthum, und ein verzeihlicher, wenn felbft ein Mirabeau 
ihn haben fonnte! — Mirabeau’s ausführlicher Plan für das 
Benehmen ded Hofe — eine Denkſchrift von größtem Ums 
fang — ift ein Meifterwerf von Scharfjinn, Sorgfamfeit, 
Schlauheit, zerfällt aber doch bei feiner Niefenhaftigfeit in 
tümmerliche Kleinlichkeit und polizeiliche Gemeinheit. Und 
an Ausführung war gar nicht zu denken, bei diefen Menfchen, 
die ala Werkzeuge dienen follten, und bei diefen, zu deren 
Gunften gewirkt werden follte! Mirabeau erwedt das grüßte 
Bedauern, es ift ein Sammer, den Heros ſich in Ränken zer: 

brödeln zu fehen. Die großen Augenblide, die er Dazwifihen 
immer wieder hat, zeigen, daß er gleihwohl noch er felbft 
war! — 





Barnhpagen von Enfe, Tagebüder. XII. 5 


66 


Sonnabend, ben 28. April 1855. 

Nachrichten aus der erften Kammer; Eigenfinn, Leiden: 
Ihaft und Rohheit unter diefen Rornehmen, die recht eigentlic 
von Gemeinheit ftroßen! Senfft von Pilfach einer der Haupt: 
Iihreier, vollUngeberde und Bosheit; Pernice, Daniels, nichts: 
würdige Pedanten, Graf von Merveldt, ein frecher Burſch. Gi 
ist doch gut, daß die wilden Thiere in einer befondern Rammerein: | 
gefperrt find, fie würden gemijcht mit der zweiten viel fchädliher J. 
fein. Der Fuchs Stahl fehlt diesmal. Das Konfurdgefek bt 
einige Flecken von ihnen befommen, ganz zu verwerfen wagtenfit | 
es doch nicht! Sie haben die Frechheit gehabt fich auszubedingen, 
daß ein Junker, wenn er auch Fabrik- und Gewerbegeihält 
treibt, doch nicht ald Kabrifant oder Handeldmann angeſehen Fer 
werden fol. Warum nicht lieber gradezu, dag ein unten | 
wenn er ftiehlt und betrügt, doch nicht als Dieb und Betrüger 
gelten ſoll? Sie broden fi) wad Gutes ein! Ich verlange 
nicht Zeuge zu fein, wenn fie — oder ihre Kinder — es einſe 
auöfreffen müflen! Kommen wird dad einmal! — 

Die Polizei hat plöglich der fehr überhandnehmenten 
Bettelei gefteuert, und einige hundert Bettler aufgreifen un 
jie dem Magiftrat in das Arbeitshaus abliefern laſſen. da— 
dieſes ganz überfüllt ift, fo geräth der Magiftrat in Verlegen 
heit fie unterzubringen, und das foll Hindeldey’3 hauptſächliche 
Zwed fein, denn er haßt den Magiftrat, und will ihn zwingen, 
neue Anftalten zu gründen zum Behuf der Polizei; die Mittd 
mögen berfommen, woher fie wollen, die Stadt mag ſeufzen 
und ihren Magiftrat verwünſchen. — 

Einige wollen in diefem Benehmen die ent|chiedene Abſicht 
ſehen, den Städten ihre Selbftregierung (das Wenige!) zu 
verleiden, die Wünfche nach Abfchaffung der Städteordnung 
rege zu machen. — 





67 


Sonntag, den 29. April 1865. 


Telegraphifche Nachricht aus Paris, daß in den Elyfäifchen 
Feldern auf Louis Bonaparte, der fpazieren ritt, zwei Schüffe 
getban wurden, die nicht trafen. Der Thäter, ein \taliäner, 
it verhaftet. Geht das wieder load! — 

Mich befuchte der Herr Graf von Wartensleben. Seine Mit- 
theilungen über feine neuen Amtöverrichtungen thaten mir wohl; 
er ift bei aller juriftifhen Strenge fehr menſchlich und wahr- 
haft gütig, hat manchen Gefangenen auf feine Verantwortung 
‚seffeln abnehmen Taffen, ihnen auch den Zutritt zur Kirche ver: 
ſtattet, was fein Vorgänger den noch in Unterfuchung befindlichen 
Gefangenen nicht erlaubte. Jede Woche hat er gegen 400 Ge⸗ 
fangene perfönlich zu fragen und anzuhören, ihre Befchwerden, 
ihre Wünfche. Binnen wenig Tagen hat er ſchon Mißbräuche 
abgeftellt. Ich freute mich antheilvoll feiner humanen Ge: 
finnungen. — 


In George Sand gelefen, in Mirabeau. Die lepte Lebens⸗ 
zeit Mirabeau’3 zeigt ihn noch in feiner ganzen Größe, doc 
leider auf einem falfchen Boden, auf dem des Hofes, wo feine 
Kraft wie die des Löwen im Käfig feine Anwendung findet; 
er verfällt in Ränke, Liſten, Rückſichten, Schonungen, ſieht 
mehr auf die Perfonen, als auf die Sachen, und würde zu win- 

Niger Kleinheit verfinfen, wenn nicht hie und da plöplich doc 
; Mieder, in der Nationalverfammlung und im Jakobinerklub, 
deralte Freiheitsfreund ſiegend hervorbräche, und ſelbſt in feinen 
Rathſchlägen an den Hof nicht ſelten fein Geiſt und Karakter 
im größten Revolutiondfinne durchfchlügen. Er war aufrichtia, 
ehrlich, in beiden Richtungen, für die Freiheit wie für dasKönig— 
tbum, er hatte ungeheure Kraft, allein nicht die, das betail royal 
zu fi) beraufzuziehen! Seine heftige Feindſchaft gegen La— 
fayette beruhte auf unfeligem Mipverftand, er hatte feinen Sinn 
für diefen edlen Karakter, er jah leinlichen Ehrgeiz und unfähige 

6* 





68 


Schwäche, wo in der That patriotifche Tugend und hochjinnige 
beharrliche Größe war. Beide Männer konnten einander nit 
verstehen, nicht trauen, nicht vereint wirken. Gegen Miraben 

ift auch Lamarck nicht aufrichtig, er Spricht von ihm ald einem 
bloßen Werkzeuge, das ergebrauche; Doch ift feine Bewunderung 
ächt und fein Hang zu ihm augenfcheinlich. Nichte ift flarer, 

als dap der Hof, beſtellt wie er war, zu Grunde gehen mußte!- 


— — — — — — 


Montag, den 30. April 1855. 

Ich hatte eine Schlechte Nacht, wenig Schlaf und viel Schmer: 
‚zen, fühlte mid) auch etwas fieberhaft. — | 

Sch ftand mühfam auf, und lagerte mich auf Dem Sep: Mi 
fchläfrig, matt, mit dem Gefühl von Trübniß und Stumpfket, | 
das mit dem Fieber verbunden zu fein pflegt. — Beſuch ven 
Herrn Hermann Grimm; er bringt Nachrichten aus Bonn, NR 
Bettina von Arnim noch dort feiin fehr gefchwächtem Zuſtande, 
der die Kinder wünfchen läßt, daß fie noch, nicht reife. Sir 
hat unterdefien ihr Sohn Freimund angefangen ihre litt 
rarifchen Berwidelungen zu löfen, Schulden zu bezahlen, un 
fie wird wenigftens diefe Unfeligfeiten nicht vorfinden. — 

Bettina von Arnim hat die Druderei wieder mit Pape! 
verforgt ; ich befam wieder einen Korrefturbogen. Zur 
gelegenften Zeit, unter der größten Verſtimmung! Ich mahlt | 
mich aber doch an die Arbeit, und ſah auf's neue, wie nötll | 
es ift, daß ich felber mich ihr unterziehe; die Leute machen Dt 1 
fehen und Schniger in Menge. — | 

Abends mit Ludmilla nach dem Thee Schach geſpielt. P 
blieb auf dem Sopha. Deutfche Sachen aus dem weimariſche 
Kreife, aus der Zeit Kant's, Jacobi’d und Fichte's geleſen; 
daneben in Mirabeau, alles mit großen Unterbrechungen durd | 
Schläfrigfeit und müdes Hinträumen. — 






69 


Die Gegenwart hat einen reichen Inhalt; ich verfenne es 
ht, die edelften Kräfte find thätig, es bereiten fich ungeheure - 
Verwandlungen, fie find zum Theil ſchon fertig da, nur nod) 
dededt von der unfcheinbaren oder auch häßlichen Hülle, unter 
der fie fich bilden mußten. Mber alles dies ift nur für die 
Geifteöbetrachtung vorhanden, für den Gedanken, nicht für die 
iinnlihe Anfchauung, für den Lebendgenuß. Bon diefer Seite 
bietet die Gegenwart mir fast nichts! Die dürftigften, die 
kläglichſten Erfcheinungen bedrängen mich, rüden mir hart 
auf den Leib, und in feiner Zeit fühlt” ich mich fo arm, 
wie in diefer, an wahrer Befriedigung. Dafür nähert fich 
mir die Bergangenheit in wunderbarer Weife, ſowohl die große 
allgemeine, als die kleine perfönliche, und dieſe mannig— 
fahen Fäden verfchlingen fich zu dem prächtigiten Gewebe, auf 
welchem die Augen ergötzlich umherzuirren nicht müde werden. 
Ganze Striche früheren Lebens nehmen mich in ihren Zug auf, 
und halten mich feft, bis ich jie auf's neue durchgelebt; Knaben: 
zeiten in Hamburg, Studentenjahre, Kriegserlebnifle, und immer 
ihließt fich der große Weltlauf an, ich fehe den ganzen Gefcdyäfts- 
gang in lebendigen Bildern. Wie vergegenwärtigen ſich mir 
alle Revolutionserlebniffe bei dem Buche, das mich jebt vorzugs— 
weile befchäftigt, bei dem Briefwechfel Mirabeau’s und Lamard’s! 
Ih hatte dem Buche früher nur eine flüchtige Aufmerkfam- 
keit gewidmet, jetst erſt lefe ich eögenau. Diegeringften Einzel: 
heiten find mir wichtig, fagen mir was, geben mir Stoff zu 
demertungen. Ich lerne einfehen, mit fcharfer Wahrheit, ur- 
tbeilen, mit Billigkeit. Mirabeau, Lafayette, Neder, Sieyes, 
die Königin, der König, alle werden mir Mar. Daneben die 
neuern ähnlichen Berhältnifie, die dabei wirffamen PBerfönlich- 
eiten, wenn auch in weitem Abftand von jenen, im Guten 
ie im Schlimmen. — 

„Aus Weimar's Slanzzeit. Ungedrucdte Briefe von und 
yer Goethe und Schiller, Geh. Rath von Voigt ꝛc. Her: 


70 


ausgegeben von Auguft Diezmann. Leipzig 1855. 80%. 
in 8 — 

Hindeldey foll zum Grafen von Wartendleben gefagt haben, 
in zweifelhaften Fällen über die Befugniffe des Gerichte: und 
die der Polizei möge er ji) nur vertrauendvoll an ihn wenden. 
„Sch werde nicht ftörrig fein, ich habe fo große Macht, daß id J 
gern etwas davon abgeben kann!“ So erzählt *. Diele 
Aeußerung Hindeldey's hat dad Bedenkliche, daß ſolche Rutw 
redigfeit gewöhnlich erſt eintritt, wenn die Sache beginnt un 
ficher zu werden. — 


Dienstag, ben 1. Mai 1855. 
Unfere Kammern eilen dem Schluffe zu, die größte In 
geduld überftürzt die nody abzumachenden Geſchäfte; diezmeitt 
Kammer hat daher die Flecken, welche die erfte dem Konkurs 
gefeß angehängt hat, ungetilgt gelaffen, um nur dag Ganze nit 
auf ein ganzes Jahr zurüczufegen, das Ehefcheidungagefeh m 
gegen bleibt unerledigt. Es hat noch böfe Reibungen gegeben. 
befonderd auch mit dem Junkerthum in der erften Kammer, Dat 
den Minijtern viel Ungemach verurfadht. — Es ift moͤglich 
dag dies Berfaffungswefen nah und nad im Staat un 
Vollke ſich befeftigt, gedeihlich aufwächſt und erftarkt, es ih 
möglich, dag einft wahre Freiheitsfrüchte davon entitehen, un 
ſpätere Zeit dankbar auf die Anfänge zurüdblict, deren jämmel 
liche Geftalt man alsdann vergeffen hat; aber wer diefemitan 
fieht, die Nichtöwürdigfeiten und Feigheiten, Heucheleien un 
böfen Ränke, die fchurkifhen und hämifchen Betheiligungen 
alle, dem kann felbft der Gedanfe an die herrlichiten Tünffigen 
Früchte nicht über den Ekel hinweghelfen, den diefer angehäufte 
Unrath jedem edlen Sinn erregen muß. Und welche Berfön- 
lichkeiten! Die beften haben etwas Lumpiges, wo nicht Schuf 





71 


zes an fih. Hin und wieder ein braver Philifter, ein Held 
gende. — 

Ich prüfe mich täglich, ob ich in meinen Urtheilen nicht zu 
‚rt bin, nicht ungerecht gegen Perfonen und Berhältniffe, für 
e gewiß manches zur Entjehuldigung jich jagen läßt; aber ich 
uß mich doch in diefem Betreff ziemlich freifprechen. Sch 
ürde vielleicht in vielen Fällen nichts Beſſeres thun, als die 
etadelten, aber mein Urtheil würde dann auch gegen mich felbit 
en fo jtreng ausfallen. Die Erkenntniß der Wahrheit läßt 
h nicht herabſtimmen und mildern, allein im Benehmen, wo 
auf fein eigentliches Handeln anfommt, bin ich fo nachfichtig, 
ld und verföhnlich, als irgend jemand, den ich Fenne. — 

In Darmftadt hat die Regierung die Unverfchämtheit, von 
n Ständen eine Million Gulden zu verlangen, um Schulden 
8 Großherzogs zu bezahlen. Und diefe Million wird be- 
ligt werden. — 

Hier ift „höheren Ortes * befohlen worden, Daß morgen am 
uß: und Bettage in der Domkirche und in der Garniſonkirche 
i der Litanei die Gemeinde nicht mehr fchweigen, wie bisher, 
ndern mit „ernften Tönen“ in jede hergefagte Bitte mit 
iſtimmen foll! — 

Wiener Blätter bringen die wichtige Nachricht, daß in der 
Itaine ein Bauernaufſtand gegen die Gutsbeſitzer ausgebrochen 
. Das Elend in Galizien foll entfeglich fein. Das ruſſiſche 
olen ift entvölfert und verarmt; dies jind herrliche Zu: 
inde! — 


Mittwoch, ben 2. Mai 1855. 
Meine Nacht war erträglich, die Träume doch verwirrend 
ıngenehm. Ich verfuchte zu fchreiben, es gelang einiger: 
zen. ine mehrmald vorgenommene und immer wieder 
idigelegte Arbeit auf's neue überlegt, die Schwierigkeiten 


72 


erwogen und den möglichen Erfolg; aber ich kann aud baut 
noch feinen Entſchluß fallen. — 

Beſuch vom General Adolph von Willifen; er reift auf ein 
paar Wochen nach Erfurt. Seine Sachen find fiegreih an 
genommen, und die Ausführung ift in vollem Schwunge, ded 
hat er noch fernere Borfchläge durchzuſetzen. Nachrichten vom 
Hof, von den Miniftern ꝛc. Unwillen über Oeſterreichs Zögern; 
die Unentfchloffenheit ded Generale von Heß, der Keinen Unter: 
nehmungsgeiſt befite und die Ruffen fürchte, wird hart beidhul: 
digt! Man wünfchte, der Ruffenfeind Hainau lebte noch!!! Der 
würde längft die eindfeligfeiten herbeigeführt haben! Diee 
Stimmung gegen Rußland ift in vielen unferer beften Offizier, 
doch müffen fie ſolche am Hofe forgfältig verbergen. Sogar det 
General Graf von der Groeben ift öfters in diefem Fall, aber ich 
denke, der weiß faum felber, was er meint, und fpricht nad zu⸗ 
fälligen Eindrüden, die er nie feftzuhalten vermag. Die Genenile 
von Wrangel, Graf von Noftiß und Andre, die jet ganz für 
Rußland zu fein fcheinen, würden fogleich ruffenfeindlic, fein, 
wenn der Wind fich entfchieden drehte. Nichts feltener in dım, 
was zu diefer Zeit voranfteht, und fich geltend machen dur, | 
ale Karakter; gewiß fehlt er nicht in Preußen, aber auf drm 
öffentlichen Schauplag hat er feine Stätte, er muß in Ju | 
rückgezogenheit fich verbergen. Man freut ſich willenleft 
Werkzeuge, der fchofelften Mittelmäßigkeiten, ja felbit te | 
falfche Augendienerei ift willlommen! — | 

Nachrichten aus Paris über den Italiäner, der auf Bons 
parte geichoffen hat. Unzulänglichfeit der Polizei, dere | 
fondren corfifchen, von der ſich der Uncorſe bewachen läht. 
Sonft wird jeder Meuchelmord mit Empörung verabſcheul 
und verurtheilt, aber diefen hätte man ruffifcherfeit® o wiegen 
gefehen! Unſere ruffifchen Junker, die Kreuzzeitungshelden, 
rufen: „Schade, daß ed mißlungen iſt!“ Druden laſſen dür- 
fen fie dergleichen freilich niht! — Es ift fchon die Rete 





73 


n, wieder einen General nad Paris zu ſchicken, um Bo⸗ 
te wegen feiner Rettung zu beglüdwünfchen. — 
Merfwürdiges Urtheil des Grafen von Lamarck (oder viel: 
: damals ſchon Fürft Auguft von Arenberg) in einem 
fe an den Grafen von Morny-Argenteau, aus Brüffel vom 
Mai 1793, über die Theilung von Polen: „En effet 
y a pas un homme de sens qui ait pu croire, avant 
avoir acquis la certitude la plus positive, que la 
‘d’Autriche a d’avance pröte les mains & un arran- 
ent aussi funeste à ces propres interöts que con- 
e à la saine moralit& des gouvernements. — Quelle 
nsequence revoltante & la fois et digne de pitie!! 
mömes souverains, d’accord d’un côté se coalisant 
rdepouiller un souverain inoffensif et se partager ses 
8, et d’un autre côté se coalisant pour retablir un 
re roi dans toute la plenitude de ses droits, en pro- 
nant des vues de moderation et Pengayement de ne 
senrichir par des conquetes! Quelle pitoyable de- 
on! Les conquätes faites à la suite d’une guerre 
»n na pu Eviter ne seraient-elles pas plus justes 
des aetes de rapine et de vol, qui ne peuvent trou- 
ni pretextes ni excuses ?“ Zu jener Zeit hörte ich 
wörtlich diefelben Bemerfungen von meinem Pater vor- 
en, der auch zu fagen pflegte: „Hier wollen fie den 
ig wieder auf den Thron feßen, dort wollen fie ihn her: 
tt haben! * — Ich hörte dergleichen ſehr aufmerkſam an. 
Der König iſt frank, man fagt aus Aerger über feinen 
en den Prinzen Friedrich Karl, der feine Gemahlin fo 
handelt hat, daß fie nach Deffau zurückgekehrt iſt, und 
t wiederfommen will. Dan fürchtete anfangs, das Uebel 
hte fich auf das Gehirn werfen, indeß hat es ſich als bloßes 
hfelfieber ausgewieſen. 


14 


Donnerstag, den 3. Mat 1855. 

Dr. Meier und feine Frau (frühere Luife Afton) nehmen 
in der Kreuzzeitung Abſchied, da fie nad) der Krim reifen, wm 
der Mann (früher in Bremen) ruſſiſcher Negimentdarzt fein 
wird. In der Kreuzzeitung! Im ruſſiſchen Dienfen! | 
Zuife Afton! „J’y consens!“ Ä 

In Magdeburg ift vorgeitern der Paftor Uhlih vom | 
Stadtgericht zu einer Woche Gefängniß verurtheilt worte, P 
weil er die ihm abfchriftlich mitgetheilte Berfügung dei Ge | 
richts, durch welche dieſes die vorläufige polizeiliche Schliegun | 
der freien Gemeinde billigt, veröffentlicht bat; das Platt, 
worin dies gefchehen, foll zerftört werden. Iſt darin Av J 
Schenverftand? Die Form wird richtig fein! — 

Heute. Nachmittag find auf dem Schloſſe die Kamm 
durch den Minifterpräfidenten entlaffen worden. Zufeptmu F 
noch ein eigner Fall in der zweiten Kammer wegen Fühtung 
der neu zu bauenden Emö - Eifenbahn. Die Minifter hatten | 
die Richtung genau angegeben, und die Kammer diefe gend | 
migt, in der erften aber nahmen jene eine veränderte an, | 
einen Umweg mit größern Koften. Das follte nun die zweit | 
Kammer fich gefallen laffen. Die Minifter beftritten ihr det | 
Recht, über dergleichen Einzelheiten zu verfügen, und zul ı 
bat der Minifterpräfident um Genehmigung, indem er erflärtt, | 
wenn jie erfolge, werde die Regierung doch nad) dem urfprüng | 
lihen Plane verfahren, und der Fall folle die Grundfapftat | 
gar nicht entfcheiden. „Gebt nach, dann geben wir nad: | 
Die Genehmigung erfolgte. Kann man fich Findifchere ir | 
merlichkeit denfen! — | 

In Paris deuten die Regierungszeitungen fehon auf m 
Aufgeben des Krimfeldzuges hin!. Sie ſprechen von der Ur | 
einnehmbarkeit Sebaftopold. — Bor furzem noch rühmte din | 
angefehener General, die Sache der Weſtmächte ftehe de’ 
glänzend, felbft was anfangs ein Mißgriff ſcheinen fonnte, 






75 


elie ſich als Vortheil heraus, die ruffifchen Kräfte würden 
ort aufgezehrt, gelähmt wenigjtend. Umgekehrt, die Fran— 
Dien ftehen dort in fruchtlofer Arbeit, und die ganze Kriege: 
führung ift eine verfehlte. — | 

Fteche Aeußerung Louis Bonaparte’d, es gebe Eriftenzen, 
die ale Miffionen der Borfehung geheiligt feien, und denen 
niemand etwas anhaben könne, bie fie ihre Sendung erfüllt 
baden! — 

Das Verfprechen des Minifters ijt ein falſches; die Ne: 
gierung wird doc den Ummeg über Steinfurt bauen ; der Mi: 
niſter mußte zur Nothlüge greifen, um eine Zufage des Könige 
zudeden. Diefer hatte dem Fürften von Bentheim⸗Steinfurt 
dafür, daß derfelbe fich geneigt erklärte, feinen Sitz in der 
ertten Kammer einzunehmen, das beftimmte Berfprechen ge: 
geben, daß die Ems-Eifenbahn über Steinfurt geführt werden 
jol! Welch ein Taufchhandel! — 

Den Zeitungen ift von der Polizei ftreng verboten wor: 
den, der Krankheit des Königs zu erwähnen, fo lange nicht 
Berichte der Leibärzte darüber veröffentlicht find. — 


Freitag, ben 4. Mai 1855. 

Leidliche Nacht, aber mancherlei Ungemach von Rheuma. 
— Gefchrieben. In den früheren Schriften von Delöner, 
Georg Kerner, Forſter, Archenholtz, Neichardt, aus ter Revo: 
Iutiongzeit, herumgewühlt, verglichen, geprüft, Schlabren: - 
dorf's, Bollmann's Brieffchaften vorgenommen, Jochmann's 
Denkbläätter, — ein reicher Stoff, der ſich aber noch nicht be- 
jwingen, nicht geftalten läßt. — 

Mitten in diefer Befchäftigung kommt mir ein neues Bud, 
nit dem ich mich fogleich befchäftigen muß: „Die deutfche Nas 
jonallitteratur in der eriten Hälfte des neunzehnten Jahrhuns 
erts, von Rudolph Gottichall, eriter Band.” — 


76. 


Der König, obfhon am Wechfelfieber Frank, hat beril 
eigenhändig ein Glückwünſchungsſchreiben an Bonapark ge 
richtet und durch den Gefandten Grafen von Hapfeldt üke: 
reichen laffen. — In Wien Tedeum. — 

Die freie Gemeinde in Breslau will fich ala politische Ge⸗ 
fellfchaft befennen, darf daher feinen Gottesdienſt halten, fann 
feinen neuen Borftand wählen, beharrt aber bei ihren Gl: 
bensanfichten und dauert daher ohne äußerlich fichtbaren Zu: 
ſammenhang dennod) fort. Die verfolgende Behörde reine 
auf den Zerfall der Sache, oder hofft die Theilnehmer anf wr: 
botenen Beitrebungen zu ertappen. — 

Der Minifter des Innern, Herr von Weftphalen, empfehl 
allen Berwaltungsbehörden, dem fpottwohlfeilen „ Sonntue | 
blatt”, einem Ableger der Kreuzzeitung, alle mögliche zörde 
rung und befonders bei dem Landvolk Eingang zu verfhafe: 
das Blatt werde auch bei den bevorftchenden Wahlen im fer 
fervativen Sinn wirken. — | | 

Das Hofgeriht in Mannheim hat den Dr. Ferdinand 
von Föhr aus Worms, wegen Theilnahme am badifchen Auſ 
ftand, in contumaciam zu Yjähriger Zuchtbausitrafe nad 
trägfich verurtheilt. — 


Sonnabend, den 5. Mat 1855. 
Mein Erfältungözuftand fchleppt fi) wechfelnd hin, m 
wenn er auch weniger fchmerzlich iſt, fo läßt er doch Ten 
heitre Stimmung zu; zwar auch bei völliger Gefundbeit ft 
fie jegt fich fchwerlih! Im meinen Papieren gearbeitl; 
mancherlei Aufgaben überdacht, — ich hätte noch Stoffe gend 
für mehr als hundert Jahre, nämlich gefunde, arbeitfame Jahtt, 
denn folche wie die jeßigen können leider nicht wiel mehr im. 
ften. — Ich wollte heute Briefe fchreiben, aber es aing nid, 
und ed zu zwingen, war denn dody fein Grund! — 






. 77 


in Spanien geht es Iuftig ber. Die Königin weigerte 
ven Beſchluß wegen Verkaufs der Kloftergüter zu unter: 
ben. Espartero zwang fie dazu, nach einer halben Stunde 
fie unterfchrieben, troß aller Einfprüche des päbftlichen 
ius. Es galt Thron und Krone — 

die Neue Preupifche Zeitung bejammert fcheinheilig, daß 
Shefcheidungsgefeg unerledigt geblieben ift, und thut fehr 
ich, weil unter der alten Landrechtsgeſetzgebung die Schei- 
en in entfeßlicher Weife zunähmen. Das ift eine freche 
! Der Minifter des Innern hatte dem ftatiftifchen Bu— 
aufgetragen, die thatfächlichen Zahlen genau anzugeben, 
tHoffnung, das Ergebniß werde jo ausfallen, daß in deu 
mern fiegreich damit aufzutreten fei; aber ganz im Gegen- 
da® Ergebniß war, day im Verhältniß der großen Zu: 
ie der Bevölferung die Scheidungen fich bedeutend ver: 
ert haben, und der Minifter war jehr betroffen darüber. 
das Lügenblatt ftellt doch die faljche Behauptung auf. — 
Die Nationalzeitung macht befannt, daß die hiejige Poft 
fe und Sendungen nach Balaflava über Trieft oder Mar- 
zu befördern ſich weigere, der Verkehr könne nur durd) 
land geben; aljo gar nicht. Sobald man diefe Dumm- 
weiß, kann man jie leicht umgeben; aber die Dummheit 
t dabei was fie it! — 

Immer allgemeiner wird erfannt, wie Louis Bonaparte 
durch feine Kriegsführung in BVerlegenheit gebracht, die 
te Frankreichs vergeudet, England faft zu Grunde gerich- 
nd defien innerfte Schäden aufgededt hat. Der — wirft 
r That für andre Zwede als er will! Lumpen und Feige 
gen ihm, ftaunen ihn an; Anfehn und Würde hat er bei 
rechtlichen Leuten nicht im geringften. Wenn er fällt, 
en diejenigen am meiften auf ihn fchimpfen, die ihn jekt 
tend anbeten. — 

die Berfaffungörevifion in Hannover, vom Bundestag an- 





78° 


befohlen und von dem eignen Könige befonders gewünidt, | 
zeigt auf’d neue, was die deutfchen Völker von ihren Fürken 
und dem Bundeötage zu halten haben. Recht fo! Jede Spır 
von Freiheit muß verfchwinden! Nur gefchiebt alles fo lang: 
fam. Gleichzeitig mit Haffenpflug in Kurheſſen hätte das ban- 
növerfche Junkerthum fiegen follen! — 


Sonntag, den 6. Mai 1855. 
Die Nationalzeitung fehr gut über die ſchmachvolle Um- 
ftürzung der in Hannover beftehenden Berfaffung ; das Bischen 
Freiheit und Ruhe, die dort noch bisher ſich erhielten, müfen : 
dem Junkerthum geopfert werden, Was das für Früchte 

bringen wird! ch werde fie nicht feben, und will fie and 
nicht ſehen. — _ | 
„Geſchichte meines Lebens von Ludwig von Baczko* di 
fleine Bändchen, durchlaufen; einige Angaben darin liefem 
beftimmte örtliche Farben, befonderd aus der früheren Zeit, in 
Ganzen wenig Erhebliches, die Nachrichten über die Stiftung | 
des Tugendbundes (des fittlich-wifjenfchaftlichen Vereins) in | 
zu beachten. Den unglüdlich Erblindeten muß man bemit: 
leiden, in feiner Thätigkeit anftaunen, aber aus feiner eigenen | 
Schilderung gebt hervor, dag er ein zwar ehrlicher, aber niht 
angenehmer, eitler und ruheloſer Mann gewefen, defjen Tr 
lente nicht über dad Gemeine hinausgingen. In meiner Ju | 
gend lad ich einige gefchichtliche Darftellungen von ihm, We: 
mir damals etwas fchienen. — | 





Montag, den 7. Mai 1856. 

Beſuch des Herrn v. Waſſiltſchikoff von der ruſſiſchen 
Sefandtfchaft. Er bringt mir einen Drief der Gräfin Blu⸗ 
doff und die prachtvoll gedrudte Denkſchrift ihres Baters auf 


79 


en Kaifer Nilolaus, die er nach dem Wunfche des jekigen 
taifers verfaßt hat. Die Angaben des Leibarztes Dr. Mandt 
ind darin wiederholt, Bruchftüde aus des Kaiſers Tejtament. 
Die Gräfin wünfcht, ein etwaniger Ueberſetzer möge mich zu 
Rathe ziehen; Herr von Wafliltfchifoff aber jagt mit, daß der 
Hofrath Schneider die Arbeit übernommen hat. — 

Nachrichten and Wien. Oeſterreich feßt feine Bemühun- 
gen für den Frieden fort, macht neue Bermittlungdvorfchläge. 
Dan fieht in Wien mit wachfendem Mißtrauen auf Louis Bo: 
naparte, will jich weder auf feine Abfichten noch auf fein Glüd 
mehr recht verlaffen, fein Lager bei Konftuntinopel erreat 
GEiferſucht, der Beſuch in London nach andrer Seite audı, 
Der ſchlechte Fortgang der Sachen vor Sebaftopol, die Schüffe 
Des Italiäners Pianori, alles zeigt eine Unficherheit, welche 
zur größten Vorſicht auffordert. — 

Elendes Schriftchen des — Mitſchke-Kollande gegen die 
Wentzel'ſchen Gefängniß- und Strafanftalten = Verbefjerungen. 
Der — vereinigt Frechheit und Dummheit in höchften 
Mugen; er ift der größte Freund Förperlicher Züchtigung, 
möge jie ihm reichlich werden! Der Neuadlige thut fo arijto- 
kratiſch wie möglich. — 

Herr von Hindeldey ift — oder wird — zum Direftor des 
Minijteriumd des Innern ernannt, mit Beibehaltung feiner 
Diäherigen Aemter. Diefer Beamte — Staatömann heißt er 
Ihn in den Zeitungen — häuft vieles und ſteigt immer 
höher, aber im Grunde doch fehr langſam und mit größten 
Mühen. Doc wird er zulept alles erlangen, Minijterfchaft, 
Schwarzen Adlerorden 2c. Gr erinnert an Rother, der in den 
finanzwegen eben fo vorrüdte, wie jener in den Polizeiwegen. 
- Bleichzeitig wird auch der Sch. Rath Sulzer — Rochow's 
zgling und einft Untergebener von Mathis — Direktor im 
inifterium des. Innern, Rath erfter Rlaffe. — 

Während die fatholifche Kirche nach Außen große Anftren- 








80 


gungen macht und bei Fürften und Großen neues Anfebn ge 
winnt, erleidet fie im Innern große Berlujte. Die Reformen 
in Spanien geben ihren jichern Weg ungebindert fort. a 
Italien verfällt die fatholifche Kirche mehr und mehr. Ja 
Böhmen gehen Hunderte zum Proteftantismus über, befondere 
auch viele junge Geiſtliche, die dann freilich meift a. 
wandern. — 


Dienstag, den 8. Mai 1865. 

Minifterveränderung in Paris, anftatt des Drouin de 
Lhuys der Graf Walewski Minijter der auswärtigen Ange 
legenheiten, ‘Berfigny Botfchafter in London. Mehr perün 
liches, engered Anfchließen an England, weniger Vertrauen ju 
Oeſterreich! — Die Berlegenheiten wachjen. Der — Statt 
retter verliert Die politiſchen Fäden, wie er ſchon die militur: 
chen verlor. — 

Der König — er war frank, Wechfelfieberanfälle, it akt 
wieder in der Genefung — ſoll die größten Hoffnungen aut 
geiprochen haben, daß bald ein gänzlicher Umſchwung Mt 
Dinge erfolgen könne. — | 

Der ehemalige Vizepräjident von Soiron, aus der dub 
ſchen Nationalverfjammlung befannt, ift in Heidelberg an M 
Seite Gagern's vom Schlage getroffen plötzlich geftorben, En 
voller Gothaer! — | 

Louis Bonaparte nennt aus Fluger Borfiht den alten dr 
poleon nie feinen Onfel, fondern fagt immer l’empereur Nr 
pol&eon ; auch) ſpricht er nie von feiner Familie, jondern ven 
der Kaiferlichen, oder der des Kaiferd. Auf dieſe Weile giebt 
er feine Gelegenheit zu fpöttifchen Mienen oder zweifelnder 
Bliden, denn er weiß nur zu gut, daß man über feine Geburt 
gut unterrichtet ift. — 





8l 


| Mittwoch, den 9. Mai 1855. 

Die Stettiner Zeitung vom 7. ift von der dortigen Poli—⸗ 
ei weggenommen worden, wegen angeblicher Beleidigung der 
Staatöbehörden, der Kammern und auswärtigen Mächte. Biel 
auf Einmal! — In Königsberg Verwarnungen. — 

Dr. Klende ift aus Braunfchweig ausgewieſen worden, er 
ſoll Berfaffer eines dort mißfälligen Romans fein, „ Zwanzig 
Jahre aus dem Leben eines Arztes“, er aber diefe Autorfchaft 
liugnen. — 

Das „Mindener Journal”, von Dr. Schrader redigirt, 
bat aufgehört. Die Polizei hat die Preffen verfiegelt. Hilft 
ihnen alles nichts! Bor 1848 herrſchte die ftrengite Zenfur; 
was hat fie geholfen? — 

Die eigne Lebendgefchichte der Frau von Dudevant hat 
für mich einen Reiz wie fein andre Buch. Wie fein andres 
Buch erinnert es mich unaufhörlih an Rahel, wegen der 
großen Aehnlichkeit beider grauen — trog aller großen Ber: 
ihiedenheit —, wegen der jtrömenden Gedanfen und Bilder, 
die mich bei diefem Lefen begleiten. Immer muß ic ver 
gleichen, Nebensverhältniffe, Gemüths⸗ und Sinnedart, Geiſtes⸗ 
ſchwung, Wahrheitsliebe, Entfchloffenheit. Immer muß id) 
mir die Frage aufiwerfen, mit welchem Sinn, mit weldyer 
steude würde Rahel dies lefen, mit welchen überrafchenden 

Borten ihre Eindrüde wiedergeben! — 


Donnerstag, den 10. Mai 1855. 

Drudbogen von Arnim's Gedichten. — 

Der Graf von Dohna-Reichertswalde thut Einſpruch gegen 
ie Heußerungen des Rundſchauers der Kreuzzeitung, der die 
zegner des Chegefeßed in der erften Kammer unreiner Ge: 
nnung verdächtigt hatte. Die Kreuzzeitung muß diefen Ein- 
ruch jelber veröffentlichen. — | 


Barnhagen von Enfe, Tagebüder. XII. 6 


82 


Merkwürdiger Vorgang mit Herrn Jakob Riefen in Elbing, 
der ald Gefchworner einberufen worden, aber jich beim Gericht 
al? ein Mann angiebt, der ſich nicht im Vollgenuß der bürger: 
lichen Rechte befinde ; man hat ihm den Gebrauch feines Eigen: 
thums, feiner Buchdruckerei, entzogen, weil er nicht Rauterfeit 
des Karafterd und rechtliche Gefinnung, weil er Mangel an 
NRechtlichfeit, Neellität und Karakter babe; fo lauten die Yus 
drüde, die der Negierungspräfident von Blumenthal in Danzig 
gegen ihn fchriftlich gebraucht habe; wie fönne derfelbe Bann 
ihn dabei doch auf die Lifte der Geſchwornen ſetzen? — Tu J 
Gericht, im Ginverftändniß des Staatsanwaltes, erklärt um J 
Niefen ald vollfommen geeignet, Geſchworner zu fein, under J 
tritt demnach ald folder ein. Hiedurch bat das Gericht mittel: P 
bar jene Angaben des Herrn von Blumenthal für Lügen un 
Perläumdungen erflärt. Wohl befomme dem Herrn v. Blumen Jr 
thal diefe wohlverdiente öffentliche Obrfeige! — 1 


Freitag, ven 11. Mai 1855. 
Beſuch von Herrn Hofrath Hackländer aus Stuttgart; 1 | 
entfchuldigt fih, daß er mich beläftige, aber Humboldt it 
ihn dazu ermuntert; wir befprechen einige biefige Sachen, de⸗ 
fonderd aber [hwäbifche. Lob Uhland's, feiner tüchtigen Et⸗ 
finnung, feiner Ablehnung der Orden von Preußen un 
Baiern. Hackländer reift morgen wieder ab. — Treg is 
Regens audgegangen; bei Kranzler, dann die Stereostopen it 
ſehen, die italtänifchen Anfichten; wunderbar, zauberhaft, id 
kann mich nicht ſatt ſehen! Doch greift ed die Augen etwa 
an. — 
Die Regierung bat eine ftrenge Berordnung gegen die Ken: 
fubinate oder wilden Ehen erlaffen; der. Geiftliche foll zuerfi 
einfchreiten, ermahnen, droben, Dann den weltlichen Arm an: 





83 


fen. Schöne Wirthichaft! Das Aergerniß, das man vor: 
ebt aufheben zu wollen, giebt man erft recht. — 

Unter dem Krummftab ift qut wohnen, fagte man fonit. 
Das fann man doch von Preußen nicht eben ſagen!“ — 
don Preußen? wo ift denn hier der Krummftab? wir haben 
a den graden Zepter! — „Den Teufel mag er grad fein! fo 
rumm ald möglich! Sat es jemals ein pfäffifcheres Regi— 
ieut gegeben, ala jegt bei ung?“ — 

Die Nationalzeitung beleuchtet fcharf die ftädtifchen 
teuern, wobei der Magiftrat fcharfen Tadel erleidet. Der 
aupttadel aber bleibt der, daß der Magiſtrat nicht den Muth 
it, die Sache der Stadt gegen Polizei und Regierung mit 
raft zu vertreten. Die Laften find übergroß. — 

Der ehemalige Oberbürgermeifter von Elbing, Herr Phi— 
»ps, war bei einer Illumination am Geburtstage ded Königs 
n einem Bürger Namens Barlach durch ein Transparentbild 
tiönlih beleidigt worden, zwei Inftanzen hatten den Bar: 
ch zu Gefängnißftrafe verurtheilt, der König aber hat ihn 
gnadigt. Einen Philippe darf man beleidigen. — 

Die Nichtigfeitsbefchwerde des berüchtigten Malmene ift 
om Gericht zurückgewieſen worden. Jetzt fammelt man Unter: 
driften bei den Bürgern zu einer Bittfchrift für ihn, der 
önig fol ihn begnadigen. Die Sadye könnte zweifelsohne 
elingen, wäre nicht der Umftand, daß die Polizei und befon- 
ers ihr Haupt diesmal dem Uebelthäter gram find. — 


Der König ijt noch nicht hergeftellt, Tondern fränfelt auf 
denflihe Weile. Man hat ihm einen Aufenthalt in Erd: 
annsdorf vorgefchlagen, zum Behuf einer lüngern Kur. 
sine nächiten Reifen, die fchon angefündigt waren, find auf- 
jeben. Er hat jich feine Krankheit durch Erkältung in einer 
rche geholt; er wohnt dem Gottesdienite, jagen die Hofleute, 
ht als Andächtiger, ſondern als Kritifer bei, der die Pre— 

6° 


84 


digten prüft, das Zeremoniel beauffichtigt, die Eindrüde be 
achtet, Daher empfindet er feine Langweile. — 


Sonnabend, den 12. Mai 1855. 

Der Redakteur der Fatholifchen „ Deutfchen Volfshalle* zu 
Köln war in erfter Inſtanz verurtbeilt worden, die Beamten 
des hiefigen Prepbureaug, die er beleidigt hatte, ſollten Stasi 
beanıte fein, da fie doch nur Lohnarbeiter des Minifters im. | 
Das Appellationsgericht hat das Urtheil aufgehoben und den 
Redaftenr Dr. Eiferling freigefprocdhen. — 

Die Ernennung von Hindeldey und Sulzer zu Direktoren 
im Minifterium des Innern ſteht nun im Staatsanzeiger. 
Noch nicht Erzellenz! -- 

Brief und Sendung von Kriegsrath Müchler. Gin Ra— 
nuffript, „Kriminalgeſchichten aus älterer und neuerer Jit‘, 
das ich anbringen Toll! Der Neunzigjährige möchte vor feinen 
Ende noch einmal gern als Schriftfteller auftreten; aber it 
Stoffes ift er nicht mehr Herr und feine Schreibart iſt veralle. 
Ich gönne ihm die Freude, Fan fie ihm aber nicht fhaffen'— 

Nach 8 Uhr Fam Herr von Burgsdorf und blieb biänıd | 
halb 10 Uhr. In feiner eigenthümlichen Redeweife, voll fm: 
und Kraftworten, erzählte er viel Merfwürdiges, Beißendet, 
Schnurriges, aus dem Kreife des Hofes, der Geſellſchaft. Ti 
fämmtlihen NAriftofraten der erften Kanımer für vernageltt | 
Dummföpfe zu erklären, die höchſten Hofbeamten, Minifer | 
Generale, Gefandten, Lumpen und Hundsfütter zu nennen, 
gegen die Pfaffen und ihre Anhänger die härteften Schimpf 
wörter augzufprudeln, ift ihm noch eine milde Art der Wr 
zeichnung. Er erzählt von großen Nergerniffen, die in it 
Heiligen-Geift-Kirche zu Potsdam vor erwa zehn Tagen Statt 
gehabt, wo die Pfaffen gegen einander geftritten, Mitglietu 
der Gemeinde mit eingeredet, beſonders eine Frau, die durd 





85 


‚ren Muth und Scharffinn die Pfaffen in Berlegenheit ge: 
taht. Lob der Familie Radziwill. Unzufriedenheit mit 
em Minifterpräfidenten von Mantenffel. — Ueber die Krank— 
beit des Könige, die noch nicht gehoben ift. — 

Der Hindeldey’fche Polizeitummel, der überall etwas lei: 
ten und fchaffen will, hat fih im Winter mit dem Aufmeißeln 
der Steinplatten übereilt, und feinen Mißariff Dadurch zu ver: 
ufchen gefucht, Daß er die Schuld des Unpraftifchen auf den 
u großen Eifer der Hauewirthe gefchoben. Jetzt ſieht er fich 
vieder veranlaßt, feine entfihieden ausgefprochene Abficht, mit 
en plumpen Anfchlagfäulen für Zettel auch Anftalten zu 
inem andern Zwecke zu verbinden, gänzlich abzuläugnen, nach: 
em der öffentliche Hohn und Unmwillen fich ftarf gegen den 
estern Zweck ausgefprochen. — 


— — — — — 


Sonntag, ben 13. Mai 1855. 

In Müchler's Manuffript gelefen, mit traurigen Betrach- 
ungen. Der Inhalt ift werthvoll und fpannt die Aufmerf- 
jamteit, aber die Darftellung leidet an Trudenheit, Breite, die 
Sprahe an Richtigfeit. Dabei fhimpft der alte Mann auf 
1848 und 1849, und meint von mir Förderung erwarten zu 
dürfen! Gr ann ſich fein andres Heil denken, ale ein aus 
preußifcher Aufklärung, preußifcher Zucht und preußifcher 
Rnappheit des vorigen Jahrhunderts zufammengefeptes. Da 
findet er in den preußifchen Dingen de heutigen Tages frei- 
li feine Rechnung aud) nicht! Armer Alter! — 

Seit einiger Zeit, befonderd durch den Tod des ruffifchen 
Kaiſers angeregt, faſſen die Leute die Möglichkeit, Daß auch bei 
ınd ein Thronwechjel Statt fände, näher in's Auge und fra— 
en und erörtern, was wir dabei zu fürchten oder zu hoffen 
aben? Nach meinem Urtheil weder das eine noch das andre 


86 


in hohem Grade. inige Schattirungen werden fich ändern, 
befonderd viele perfönliche Einflüffe wechfeln, einige Lich 
habereien eingehen, andre vortreten; aber im Ganzen wird 
alles ziemlich den alten Gang behalten, der Staat in dm 
felben Gleiſe bleiben, in dem ariftofratifh=militatrifch:reafte: 
nairen, denn wenn auch nicht diefelben Perfonen die Sachen J. 
leiten werden, jo wird es doc) diefelbe Klaffe thun. Es iſt ii * 
fogar zweifelhaft, ob die Pietifterei gründlich abgeſchafft werden, 
und das Kunſtweſen eine beffre Richtung nehmen wird. leer J* 
haupt dünkt mich die Zeit vorüber, wo durch bemußte, kluge J 
Führung von vben dad Volk in ruhiger Ordnung zu gebildeter 
Sreibeit und wachjendem Gedeihen emporgehoben werdentan, | bi 
mir-[cheinen die nächiten großen Entwidlungen nur durd dat 
Bolf unter Wettern und Stürmen gefcheben zu fönnen. Das 
Naturell aber des jegigen Königs dürfte man im der Folge oft 
genug vermiſſen; es ift in feinen jeßt freilich meijt dicht ver⸗ 
hüllten Grundanlagen nicht defpotifch, nicht Freiheitsfeind- 
fih. Daher glaubten viele Perſonen, die den König genauer 
kannten, im Jahr 1848 fehr entfchieden an die Wahrheit und 
den Ernft feiner Umwandlung, feiner Annahme und Aufnahne J 
der Revolution, fie meinten, er fei nun in die Richtung ge⸗ 
tathen, zu der er ſtets einige Neigung gehabt, von der murl 
nur mit allen Hülfsmitteln ihn glüdlich zurüdgebalten. est 
hegen fie dieferhalb Feine Beforgnig mehr! Diefe Wax 
find verwachien und verftopft, wie die zu den Gräbern im 
Friedrichshain! — 

Louis Bonaparte hat geitattet, daß die Polen ihm eint 
Adreffe überreichen, und feine im Moniteur abgedrudte Ant: 
wort giebt ihnen das Berfprechen fich ihrer anzunehmen und 
eine polnifche Legion zu errichten. Das iſt eine neue Szene, 
die ſich aufthut; aber wie weit ift es Ernft damit? Grer 
innert an dad, was der, deſſen Erbe er fei, für die Polen ge: 
than. Die armen Polen! Auch der alte Napoleon hat fie ja 





87 


exxathen und mißhandelt; was fünnen jie von dem — 
hoffen? — 


Montag, den 14. Mai 1855. 

Arnim’fche Drudbogen durchgeſehen. Die Montagspoft 
enthält Betrachtungen und Behauptungen über Schiller und 
Goethe, denen ich in feiner Weife beiftimmen kann. Willfür- 
liche Annahmen zur Begründung von Unterfchieden, denen in 
Kr Wirklichkeit nichts entfpricht, die mit dem Wefen beider 
üchts zu thun haben. Dabei ftets das Beſtreben Goethe'n 
n den Schatten zu ftellen, Schiller'n in’s Licht, den lektern 
orzugsweife als Dichter der Freiheit, des Herzens, ald dem 
olfe näher und lieber darzuftellen. Ich will dem edlen Geiſte 
in Unrecht thun, aber weder als perfönlicher Menfch noch 
5 Dichter reicht er an Goethe, und wenn er jet gelefener ift 
3 diefer, fo hängt dies mit Eigenfchaften zufammen, deren er 
ch nicht eben rühmen darf! In dem erwähnten Auffage 
wd merfwürdigerweife and) Mängel und Schwächen von ihm 
teffend angedeutet, aber im Endurtheil ihr Gewicht fo gering 
18 möglich, faft gar nicht angefchlagen. Das Pathetiſche, 
Rhetorifche, Deflamatorifche des Tragiferd Seneca ift viele 
Jahrhunderte hindurch dem höchften der tragiſchen Poeſie im 
Sophoffes und Euripides vorgezogen worden! — 


Beſuch von Herrn Hermann Grimm; Nachrichten von 
Bettina von Arnim. 


Mitfchke = Kollande hat eine Flugfchrift gegen Wenpel’d 
Sefängnißreform zufammengeftoppelt, deutſch ald wenn es die 
Fortjegung der auf ihn gemünzten lateinifchen Epifteln wäre. 
Bengel ging auf ihn zu, und fagte ihm, er bringe ihm feinen 
ufrichtigen Dank, daß er diesmal deutfch gefchrieben habe: 
denn ich geitehe es, Ihr Latein iſt mir oft gar zu Schwierig!” 





88 


Damit ließ er unter dem Gelächter der Hörer den elenden 
Burfchen verblüfft ftehen. — 


Dienstag, den 15. Mai 1855. 

Wilde Träume von beftigen Kriegsgewirren, denen fchneler 
Friede folgt, alle Truppen marfchiren plößlich heim. 

Uhlich's Sonntagsblatt in Magdeburg von der Poliki 
weggenommen. Ceit Schließung der freien Gemeinde hat da WE 
Blatt eine weit größere’ Verbreitung gefunden, es dient ald 
Band des Zufammenhanges. — 

Karl Hawlidek, böhmifcher Abgeordneter zur deutſchen 
Nationalverfammlung, der bisher in Briren leben mußte, hat 
die Erlaubniß erhalten nach Böhmen zurüdzufebren. Oeſter 
reich, das harte Defterreich, noch immer milder ale Preußen; 
jenes ohne, died mit Berfaffung! — 

Unfre Zeitungen werden ſchon fühner in der Kritil der 
Handlungen Louis Bonaparte’d, der politifchen und perſon— 
lichen, und die Regierungen, die anfangs mit dem Staatdrettet 
buhlten, ihm Beifall Hatfchten, jeden Tadel von ihm abhielten, 
müffen es jebt gern fehen, wenn er herabgeſetzt oder getadelt 
wird. Der Tadel aber trifft fie mit! — 

Neue Wahlliften von Urwählern für die zweite Kammer 
läßt der hiefige Magiftrat anfertigen. Ich hatte heute meine 
perfönlihen Angaben einzutragen, und habe ed gethan. Mit: 
wählen aber werde ih nicht. Doc) habe ich nichts dagegen, 
wenn es Andre thun. Jeder nach feiner Luſt! — 





Mittwoch, ben 16. Mai 1855. 
Unrubiger Schlaf, lebhafte Träume, gewiffermaßen war: 
nende. — 
Betrachtungen der Vollözeitung über Louis Bonaparte’ 


89 


Benehmen gegen die Polen, die ihm nicht trauen follen. — 
Bucher deckt in der Nationaljeitung eine betrügliche Arglift 
auf, durch welche die englifchen Minifter ihre früheren diploma- 
tiichen Blößen zu deden verſuchen, indem fie ein franzöfifches 
Atenitü in der englifchen Ueberſetzung fälfhend mildern. 
Louis Bonaparte verfucht aus den Schüffen Pianori's doc) 
den Bortheil zu ziehen, daß in England die ihm feindlichen 
Flüchtlinge befondern Maßregeln unterworfen würden, alfo 
jegen die englifche Freiheit! — Pianori in Parid am 14. 
uillotinirt; man hatte Begnadigung erwartet. Er ftarb 
ntſchloſſen und muthig, auf dem Schaffot rief er noch laut: 
’ive la republique! Vive l'Italie! — Er rief fo, der Henker 
ehrte ihm; ſchon liegend unter dem Kallbeil rief er noch— 
tale, — 


' Donnerstag, ben 17. Mai 1855. 

Geſchrieben, einiged in meinen Papieren gearbeitet. — 
Ausgegangen mit Ludmilla; bei Kranzler; "Darauf in den 
Ebiergarten ; fchon unter den Linden, noch mehr im Thier- 
garten begegnete und ein Menfchenftrom, der aus der Matthäi- 
Keche Fam, wo Büchfel gepredigt hatte; die Andächtigen waren 
wegen des Himmelfahrstaged zahlreicher noch ale fonft, bes 
nahmen ſich aber auf dem Heimwege ziemlich luftig ; die Kirche 
kird, wie bei den Katholiken, ein weltliched Vergnügen, man 
fieht die vornehme, gepußte Welt, findet feine Bekannten, zeigt 
ih im Staat und in der Frömmigkeit, macht bin und ber 
inen Spaziergang, und hört einen fanatifchen Pfaffen, über 
effen verrüdte Redensarten man nachher ein Langes und 
reites fprechen kann, auch allenfalld fpotten, — und nicht 
enige thun letzteres! — 

In Goethe gelefen; Franzöſiſches, Englifches. — Trau— 
ger Tag! Sein Ertrag fehwermüthige Betrachtung, un— 
friedigted Zurüddenten! Armuth! — 





90 


In meiner Jugend hört’ ich von meinem Bater den Geil 
und die Sprüche Virgil's und Seneca's, Voltaire's und 
Rouſſeau's, päter von Andern Homer's und Platon's, Leſſinge, 
Goethe's und Schiller's, und alle Strebenden waren mer 
oder minder in diefen Namen vereinigt und von ihrer Vak 
berührt. Man darf fih nicht wundern, wenn andre Zeiten 
andre Namen haben, das Alter kann nicht hoffen, feine Jugend 
fortgefeßt zu fehen. Gut; ich würde mid, zu neuen Haus 
göttern bequemen, und fie den alten willig beigefellen; ab 
hat unfre jeßige Zeit deren? wo find fie zu finden, wo hart 
man fie nennen? Nicht? hindert mich die alten zu pflegen 
und zu verehren wie fonft, aberich thu’ es allein, die Gemeint | 
fehlt, oder ift ohne ZJufammenhang in alle Melt zerire. 
Aber die Unfterblichen wirken mächtig in der Menfchheit fett, 
am gewaltigften und gedeihlichften, wo ſchon ihr Name fd 
abtrennt und verliert, ihr Geift wieder aus feiner glänzenden 
Zufammendrängung fih in's Allgemeine auflöſt! — 

Seine Erzellenz der ſchwarzburg-ſondershauſen'ſche Staalt 
nuinifter von Elsner, früher preußifcher Landrath, find bit 
aus Schlefien eingetroffen, um zu feinem neuen Wirfungstteilt 
abzugeben. Die Königin hat ihm gefagt, fie habe fih te} 
gewundert, daß er die Stelle angenommen! Dies hat ih 
doch gewaltig verfhnupft und verdroffen. Der König un 
Manteuffel haben fih in die Wette über den neuen Gt 
würdenträger luftig gemadht. — — 





Freitag, den 18. Mai 1855. i 

Sehr ſchlechte Nacht, erft Schlaflofigfeit,, dann ungefüg 
Träume. — Gefihrieben, was der Tag erfordert, dies behil 
leider ftetd die Oberhand gegen das, was der Wunſch und dei 
Stimmung möchten! — Ä 
Befuch vom Herrn Grafen von Seherr-Troß ; er hat Bridk, 


91 


ws Sebaftopol» von einem Fürften Galigin, der den an? 
frengenden harten Dienft, das entfegliche, faſt unaufhörliche 
Geſchützfeuer fehildert. Wünfche, „daß die argliftige Tücke 
und Zweideutigkeit Defterreiche Dadurch beitraft werde, daß 
stanfreih und Rußland Frieden ſchließen und vereint gegen 
Deiterreich gehen; nicht die Polen werden dann frei werden, 
aber die Ungarn und Italiäner!“ Nichts da! Mit dem 
Willen der Fürſten wird fein Bolf frei, und was wäre das 
ür eine Freiheit, die vom ruflischen Kaifer und von Louis 
Bonaparte fäme! — 

Der Bizepräfident des Appellationsgerichtes zu Natibor, 
Jerr von Kirhmann, der erft aus dem Orient zurüdgefehrt ift, 
at auf’d neue einen mehrjährigen Urlaub von der Regierung 
thalten. Haß und Bosheit wirken durch's ganze Land, und 
in wie blinder Haß, eine wie Dumme Bosheit, die zufeßt nur 
em Staat und der Krone fchaden! — 

In Kaffel haben die meilten der ihrer Konzeſſion beraubten 
Buchhändler jie fchon wieder befommen, gegen neue Zahlung 
der Gebühren. Alfo wenn gezahlt wird, ift das Gewerbe 
unfhädlih! Gute Lehre. — 

Der „Siecle* in Paris, ein Blatt, das wie alle nichte 
ohne Erlaubniß fagen darf, fpricht ganz offen davon, die Welt: 
mächte müßten um Rußland zu zwingen, erft Defterreich und 
Preußen bezwingen, und dazu ftünden ihnen die unterdrüdten 
Bölfer, mit Einem Worte die Revolution zu Gebot. Dahin 
it es alſo fchon gefommen, zu folcher Drohung! Aber die 
Revolution wird Louis Bonaparte'n nicht lange dienen, wenn 
er fie auch dazu ruft; fie wird ihn mit den Andern zum Teufel 
agen! — 

Unfrer Kreuzzeitungsparthei ift febr bange um die nächften 
Bahlen. Sie ſucht vor allem der Regierung einzureden, daß 
tiefe nicht befjered thun könne, als ihre Beamten und allen 
influß derjelben zu gebrauchen, um die Barthei zu verftärfen, 





92 
die doch oft genug der Regierung und immer den Beamten 
feindlich gemefen ift, Die den König haßt und den Staat ſobiel 
fie fann erniedrigt und zu Grunde richtet! Die Minifker 
haben zu viel zu thun, um jetzt ſchon mit Ernft an die Wahlen 
zu denfen; fie haben dag gute Bewußtfein, Daß fie zur rechten 
Zeit alle Kraft anftrengen und Fein Mittel fcheuen werden, 
nach ihrem Sinn und Bortheil auf die Wahlen einzumirfen. 

Der Oberbefehl in der Krim ift von Ganrobert auf PBelifiter 
übergegangen; Ganrobert dient nun unter dieſem, eignem 
Wunfche gemäß. — 

Gerücht aus St. Peterdburg, daß an Neffelrode'd Stell 
der Graf Jermoloff die Leitung der auswärtigen Angelegen 
heiten übernimmt. — | 


Sonnabend, ben 19. Mai 1853. 

Nahel’d Geburtdtag! Er fei gefegnet und gebeiligt! — 
Gefchrieben; in meinen Papieren gearbeitet, vorbereitet; akt 
der Augenblick des eigentlichen Darftellend erfcheint noch nicht, 
und ihn herbeizuzwingen ift weder nöthig noch angenehm. — 

Brief aus Hanau von Heinrich Koenig, nebit dem erten | 
Bande von „König Jeröme's Karneval”. | 

Ein Schulmann Zander in Pillau war von der Stadtjn 
einem höheren Schulamt erwählt; der König aber hat jene 
Beftätigung verfagt. Was find dad für Wahlen, bei denen 
es immer noch einer Beftätigung bedarf! Zander war wege 
politifher Yeußerungen in Disziplinarunterfuhung gezogen 
worden, die mit einem gelinden Verweis endete, zu mehr fünd | 
man feinen Grund. Und doh! — 

Der General der Infanterie von Reiche ift geftern hier im 
achtzigften Jahr geftorben. Nun fünnen feine Denkwürdig⸗ 
feiten erfcheinen! Ob er ihnen wohl einen polemifchen An 
hang gegen mich beigefügt hat, weil ich ihm nicht als den 





93 


gentlichen Urheber der Schlacht von Groß: Beeren ges 
hildert ? — 


Sonntag, den 20. Mai 1856. 

Nachrichten aus Paris behanpten, die Ausfichten zum 
jrieden feien noch immer offen, Louis Bonaparte gebe das 
Spiel verloren, und brenne vor Verlangen, das Spiel zu 
enden, um ed mit befferm Anfang zu erneuen, man dürfe 
ch durch feine Rüftungen und Drohungen nicht täufchen 
aſſen, er werde nie revolutionair Krieg führen, er wiſſe zu 
ut, daß er dann fogar im Gewinnen verloren fei; doch werde 
t alles thun, um zu fohredin; die Hauptfache fei ihm, den 
Schein zu retten, den Schein, den er für die Franzoſen nöthig 
at, daß Frankreich auf dem Gipfel der Macht, des Ruhmes 
ind der Ehre ſtehe; er werde nicht den Nuffen nachgeben, aber 
uch plößliche Schwenfungen überrafchen und alles in neue 
endende Faſſung zu bringen fuchen; es könne die Türkei 
zu die Koſten trage ı, oder auch Dejterreich, vielleicht Stalin. 
Das mag alles fein, aber man überficht Dabei, daß der —⸗ 
Abentheurer nicht mehr thun kann, was er will, fondern 
hun muß, was feine Rage gebietet, dieje ift mehr bedingt, ala 
man glaubt, er ijt einer engen Nothwendigfeit verfallen, die 
eiſern auf ihn drückt. — 

In Wien fühlt man die größte Verlegenheit, man weiß 
nicht, was man thun foll, der Krieg hat große Gefahren, der 
Fiedensftand auch. Man ſchiebt alle Schuld auf Preußen, 
das durch feine Unentfchloffenheit, fein Wanfen und Zögern 
allein verurfacht habe, daß Deiterreich nicht ſchon friegerifch 
aufgetreten fei. Dies ift allerdings wahr, Defterreich bedurfte 
remder Entjchloffenheit, um auch entfchloffen zu fein. — Man 
inn es nicht oft genug wiederholen, die tapfern Krieger auf 
m Schlachtfeld abgerechnet, ift all das Treiben der jegigen 





94 


Gewalthaber und Regierungen cin Gemijch ven Feigbeih 
Spipbüberei, Berratb und Lüge; fie haben nicht einmal den 
Muth, ſich ſelber zu geftehen, wer fie jind, Das wäre fchon ju 
viel Ehrlichkeit! — | 

Im Gicero gelefen, in Koenig’d neuem Buche, das die 
Borzüge und Mängel feiner früheren hat. — 

In Hannover beginnt das Oktroyiren; die Berfafum | 
wird in Folge des Bundestagsbefchluffes abgeändert, j 
Gunſten der Ritterfchaft, der VBorrechte. Die Megierung a 
jcheint dabei gezwungen, thut aber nur ihren eignen Bill, 
fonft hätte fie den Zwang verhindern fönnen. Staatereitum 
und Oftroyirung find die artigen Namen für die heutigen WE 
Spigbubenarbeiten. Hannover hatte bisher am wenigien 
davon gelitten. — | 

Spottgedicht auf Hindeldey mit Reimen auf feinen Namen, | 
„Winkel, Kinfel ꝛc.“ wegen der Anſchlagſäulen, Die anfang 
noch zu einem andern Zwecke beftimmt waren. Der König: 
bat fehr darüber gelacht, und alfo auch Hindeldey felber; de 
Spott foll ziemlich harmlos fein. — | 

Es war von Boeficen die Nede, ihren Werth oder Unwertt, 
den Hoffnungen, die fie erregen dürfen u. |. w. Ich erlennt 
jedes Talent willig an, und finde noch löblich, mit Poeſie ſich 
au befchäftigen, auch bei geringem Talent. Aber wenn die 
Ansprüche, die nur bittweife hervortreten dürften, mich über 
müthig herausfordern, wenn man Pergleihungen anftellt, und 
Uhland in den Schatten, ja Goethe'n fogar zurüddrängen 
will, dann muß ich feharfes Gericht halten, und jedem ſagen, 
wohin er gehört. — 









Montag, den 21. Mai 1855. | 
Ausgegangen mit Ludmilla. Die Wege zu den Linde 
waren wegen der großen Parade gefperrt; ich fragte eine 


- 


95 


— 


Konſtabler, ob ich nicht durchgelaſſen werden könnte, ich wollte 
wu Kranzler; er ſah mich groß an, dann das blaue Kreuz, und 
machte chrerbietig Plap, wir gingen frei durch, niemand fonft. 
Wer kann da noch zweifeln an dem Werth und der Geltung 
eines Ordens?! Wir waren doch innerlich empört über Die 
Ausnahme! Die Parade war fehr ſchön, das Gefolge des 
Königs überaus zahlreich und glänzend, prächtige Uniformen, 
Ihöne Pferde; das Spiel wurde gerührt; der Eindrud des 
Ganzen war groß. — 

Die beiden Bildfäulen neben Blücher’& Standbild, die von 
Nord und Gneijenau, waren heute früh enthüllt worden ; ich 
tonnte nicht bi® dahin durch das Gewühl vordringen, ich fah 
nur-aus der Ferne das frifche Metall in der Sonne blißen. — 
Zur Ehre der zahlreichen Konftabler muß ich ſagen, daß fie 
ihren bei folchen Gelegenheiten mübfamen Dienft mit großer 
Veſcheidenheit und Höflichfeit verrichteten, felbft gegen Leute 
ans der geringften Mlaffe, gegen Jungen und Kinder, fie 
Iprahen bittend, nannten die Leute „meine Herren*, waren 
artig gegen Damen, furz, benahmen fich als Gebildete. Als 
der König geritten fam, erinnerte ein Konftabler, die Herren 
möchten doch die Hüte abnehmen, nicht alle thaten es, aber 
jener fah fich nicht weiter um, wiefern feine Weifung befolgt 
werde oder nicht. — 

Mir nahmen die neuen Bildfäulen in Augenfcein. Die 
Aufſtellung ift fehr mangelhaft. Sie ftehen dem Blücher zu 
abe und bilden doch feine Gruppe mit ihm. Der Unterfchied 
m Größenverhältniß macht ebenfalls, in diefem nahen Zu- 
ammenijteben, einen üblen Eindrud; fie find alle drei koloſſal, 
ber Blücher ift es fo viel mehr, daß die andern beiden es 
icht mehr fcheinen. Die Aufftellung ift ja aud beim Fried⸗ 
‚hödenfmal eine unglüdliche. Geſchmack und Urtheil fehlen 
ei den Perſonen, die in Diefen Sachen zu enticheiden haben ; 
m KRünftlern ift auch fein Uebermaß diefer Gaben verliehen, 








9% 


oder es feblt ihnen der Karakter, der unvernünftigen Iant- 
nungen beharrlich wideriteht. — 

Im öjterreichifchen Heer, auch bei den Truppen n m 
Walahei und Moldau, iſt Standrecht angeordnet werk, 
weil man großen Betreibungen auf die Spur gekommen if 
die Soldaten zum Ausreißen und zur Empörung zu verfübra. 
Nuffifcherfeits nimmt man ſich revolutionaire Mittel mi 
übel, man ruft die griechiſch- religiöfen, die ungariid- mi J. 
italiänifch-nationalen Sympathieen auf. ' 


Dienstag, den 22. Mai 1855. 

Unruhige Nacht, Sorgen, die bei Tageshelle gleich m 
ihwinden. — Beſuch von Herrn Gottfried Keller, vı da J. 
langerwarteten vierten Band feines „ grünen Heinrih‘ trug. I 
Er fpricht fehr verftändig über Kunftwerke, Drama, peltiät | 
Schwenfungen. — 

Der Prediger Uhlich in Magdeburg läßt die Predigm 
die er nicht halten darf, einzeln druden, und jie werden ein I, 
gekauft. Sein Sonntagsblatt ift abermals von der Pal W, 
weggenommen worden. Diejes im Volke fehr verbreitete Pal J 
wird zu dreitaufend Abdrüden gedrudt. —- 

In Wien giebt man unverhohlen zu erfennen, dag Drttt‘ 
reich fih mit aller Macht nur dann in den ruſſiſchen A, 
ftürzen will, wenn ihm der Beſitz der Moldau und Waladk 
ugefichert wird; auch will man nicht Galizien verlieren @ 
zu Polens Herftellung beizutragen, diefe foll, wenn überhauf, 
ganz und gar auf Rußlands Koften erfolgen. Preupen alt 
wünfcht feine Herftellung, fondern nur für ſich felber Warſhn 
wiederzubefommen. Wie viele und große Anfprühe! Um 
für nichts! Was follen erft England und Frankreich fordern 
die fchon fo viel gethan und gelitten haben? Ca wird bar 


97 


en für die nafeweifen Selbftfüchtler! Und au 
fleiht. Uber, aber! — 

is hält man für möglich, daß Louis Bonaparte 
? Schwenfung macht und fich gegen Deiterreich 
uch in England wird die Unzufriedenheit gegen 
ſehr laut. Der englifche Konful in Jaſſy hat 
triegöftand in den Fürſtenthümern proteftirt. — 
ten aus Paris erwähnen mit Schadenfreude der 
ten, die der Mbentheurer findet, feine boben 
rig zu beſetzen; der Kreid der Zeute, unter denen 
inn, ijt nicht groß, der Kreis der fähigen außer: 
ein, und die Umftände find von der Art, daß er 
digkeit fühlt, nicht nur ihm ergebene, ſondern auch 
id anerfannt geſchickte Leute zu Miniitern, Ge- 
fehlshabern 2c. zu haben; die Legitimiſten gewinnt 
und da, doch auf die fann er nicht rechnen; Die 
t dienen ihm durchaus nicht. Der Mordverfuch 
at auch im Mißlingen das Anfehn Bonaparte’ 
rt, jederman ıft erinnert worden, auf wie fchwachen 
Staatöretter ftebt, jederman fieht an dem ftand: 
the des Italiäners, welch entfchleffene Gegner 
the gelefen, im Cicero. Dann bab’ ich ein altes 
r vorgenommen: The life of Samuel Johnson, 
Boswell. Angenchm genug zu lefen, beſonders 
ıd reich an Karafterzügen, Anefdoten, Bemerkungen, 
fer Art. Am wenigjten aber entfpricht es feiner 
eſen Johnſon ale einen Mann von Genie, von 
yem Geift, als einen tiefen Denfer und wunder: 
yeten darzuftellen. Alles in ihm läuft auf Mittel: 
d Gewöhnliches hinaus, und zeigt mehr die geringe 
Heiftesbildung, auf der feine Anhänger und Zeit— 
nden, als die hohe und freie, auf der er ſelbſt ſoil 
en von Enfe, Tagebüder. XII. 7 


98 


geftanden haben ; für mich ift er nichts weiter als ein engliider 
Gottſched, etwas fräftiger als der deutfche, das iſt alles. Ih 
muß es für einen großen Nachtheil halten, daß er fo viel un 
jo lange gegolten, die Engländer leiden noch an der Verehrung, 
die ihm gezollt wird; es ift ein wahrer Schaden, daß ihm kin | 
englifcher Leſſing gefolgt ift. Seine fogenannte Trömmigkit 
ift ganz unausſtehlich. — | 


Mittwoch, den 23. Mai 1855. 

Korrefturbogen von Arnim's Gedichten ; fehr zur Unze, 
wie fo oft! — 1 
Hr. Dr. Steinheim aus Rom hier angekommen mit jene | 
Frau. Er befuchte Ludmilla, die dann mit ihm ging, um ie | 
Frau zu begrüßen. Liebe Freunde Aſſing's und Rei | 
Maria’d. — | 
Wie Johnſon über Voltaire und Rouffeau urtbeilt! E1 | 
möchte fie als Schelme zu Strafarbeit und förperlicher Jüh | 
tigung abführen fehen. Wahrlich, ein Ochs, der über Genin | 
Gericht hält! — 
Donnerstag, den 24. Mai 1855. | 

Unruhige Nacht, ungefüge Träume. — Die Bolkgzeitun | 
bringt gute Bemerkungen über die Naumer’fchen drei Regular | 
tive und über die Akademie der Wiffenfchaften ; ein Ungenanntt | 
hatte die letztere aufgefordert, ein Urtheil in diefer Sade w 1 
ſprechen, die Volkszeitung zeigt das Thörichte dieſes Derlangent | 
und dad Armfelige der Akademie. — Gefchrieben. — Brit 
von Steinheim's; fie loben Rom und Neapel. — Ausgegangen 
mit Zudmilla. Unter den Linden hatten wir das Vergnügen, 
den unter dem Namen Pietich befannten Berliner Strapen: 
mann zu fehen, der von einer Schaar Jungen verfolgt und 
von einer neugierigen Menfchenmenge begleitet wurde. — 





99 


Nähere Auffchlüffe über das Unternehmen gegen Kertich, 
te und Truppen wurden gleich nad) der Abfahrt wieder 
ifgerufen. Uebler Eindrud. Der Befehl muß unmittel- 
von Louis Bonaparte ausgegangen fein, fe fehr dies ver: 
ht werden foll. Der Glaube an feine Fähigkeiten ift ſehr 
ſüttert. Gr befindet jich in einer dummen Lage. Macht 
Induftriepalaft fein Glüd, fo ift es ſchlimmer, ald ob eine 
laht verloren wäre. — 

In Boswell gelefen, im „Grünen Heinrich *, in Goethe. — 
Zweifampf der Gardeoffiziere von Krofigk und von Budden- 
fin Potsdam, wegen einer Schaufpielerin. Beide ſchwer 
vundet. Macht fchlechten Eindruf im Bolf. Auch der 
ig fehr ärgerlich. — 

Herr General Adolph von Willifen wollte mich befuchen. 
n werden noch viele Hinderniffe in den Weg gelegt wegen 
wandlung der Gewehre in Miniebüchfen, der Wille des 
198 befhüst nur fpärlih. Der Prinz von Preußen tft 
bedeutender Widerfacher. — 

(Pietfch iſt der wirfliche Name eines Sonderlings, deſſen 
heinung in den Straßen die Jugend mehr beluftigend als 
dlich aufregt, und den Koſſak früher einmal befchrieben hat. 
Name foll jedoch übergegangen fein auf alles, was irgend 
ällt oder zum Neden Anlaß giebt. Der heutige Pietſch 
ınur ein ſolch abgeleiteter geweſen fein, nicht der urfprüng- 
. Der Staatöretter General von Wrangel ift in dieſem 
n auch ſchon ein Pietſch. — Frühere Geftalten diefer Art: 
Sänger Heinfius, die Hundefröfen, der Major von Sobbe, 
Iheater- Schulz, der Major Graf von Schwerin (Die Kreuz: 
ne genannt), der Dichter Drion Julius, Schapfe, Pie 
ter (ziwei weißgefchminfte Jüdinnen, die regelmäßig nach— 
ags zu den Zelten gingen). Aus dem Jahr 1848 Held, 
en- Müller, Bater Karbe.) — 





7* 


100 


Freitag, ben 25. Mai 1855. 

In Hamburg ein neued Preßgeſetz, das den Beſchlüſſen 
ded Bundestages gemäß eingerichtet worden. Um die einzelnen 
Beftimmungen mag ich mich nicht fümmern es iſt genug, daß 
das Ganze ein Werk der Reaktion, der Gewalt und Unfrei 
beit iſt. — 

Alle Zeitungen liefern in ſchlichten Ausdrücken eine Ve⸗ 
richtigung der früheren Angabe, daß die Berurtbeilten dee 
Märzfomplotts ein Begnadigungsgeſuch beim König eingereicht | 
hätten. Ladendorf, Gerde, Falfentbal, Collmann, Re und 
Weidle haben feines eingereicht. Für Andre (Levy ꝛc.) mögen 
Anverwandte Schritte getban haben, nicht fie ſelbſt. Der | 
PBublizift von heute giebt den vollen Einfpruch, den in diefem 
Betreff die Herren Dr. Tappert und Dr. Guſtav Raſch mit J 
ihrer Namensunterfihrift an die Zeitungsredaftionen erlaſen p 
haben. — | | 

Die Nationalzeitung verarbeitet auf's neue die Regulatit 
des Minifterd von Raumer für den Bolfsunterricht, zeigt deren 
Abficht und Wirkung ꝛc. Der Widerftand in dieſer Sahe it 
größer ald die Regierung glaubt; fie wird nicht durchdringen, | 
der Bolfsgeift, man kann fagen der Preupengeift ift dawidet. — 

Wilde Wirthfchaft im enalifchen Unterhaufe. Die & 
brechen werden ſchonungslos aufgededt, ob geheilt, tue I 
eine andre Frage. Palmerſton, Gladſtone, Phillimer X 
fprechen für den Frieden, Palmerfton wider gebeime Ar | 
ftimmung mit Gründen eines Manteuffel würdig! Gräpliät 
Schande des Brieferöffnere Graham, der den Layard heihul: 
digte, durch feine Betreibung den Tod des Kapitains Chriſtit 
veranlagt zu haben, und mit allem Pathos eines Gewillent 
eifererd eine Kotzebne'ſche Rührung erzwang, jeßt aber bekennen 
muß mit befehämender Abbitte, daß er fich gröblich geirrt, dah 
er jeldft den Kapitain abgefept und vor ein Kriegsgericht ge 
ftellt babe, che von Layard's Anregungen die Rede geweien! 





101 


Ind der Lump, der jedenfalls durch feine Gedächtnißfchwäche 
— wenn ed aud) nur dieje, wenn cd nicht ausgefuchte Schänd⸗ 
lihfeit und Lüge wäre — zu jedem Amt unfähig fein müßte, 
Meibt in dem feinigen, bleibt Minifter! — 

Warum ich nicht raſchen Entfchluffes nach Italien reife, 
oder auch nach Parid und London, das fragen die Leute, dar- 
über wundern fie fi! ch bin nicht gefund genug, um von 
folher Neife den rechten Nugen und wahres Vergnügen zu 
haben. Das ift ein wichtiger Grund, den ich angebe, und den 
man zwar bejtreiten will, aber doch muß gelten laffen. Ich 
babe jedoch noch einen andern, mir wichtigen. Ich mag nicht 
Io heftig die Erfüllung alter Wünfche anftreben, denen früher 
hätte Gewährung befchieden fein follen, Wünfche, auf die bei 
Rärkern und höhern Anſprüchen Rahel hat verzichten müffen, 
auf die für mich jegt allein zu verzichten mir gar nicht ſchwer 
wird! Wenigſtens müßte jest die Gelegenheit mir gleichfam 
in's Haus fallen, wenn ich fie benupen follte. — 


Sonnabend, den 26. Mai 1855. 

Sehr unruhige Nacht, geträumte VBerlegenheiten und Auf: 
gaben, die gar feine fein können! — Die Nationalzeitung be 
leuchtet weiter die drei Unterrichte-Regulative des Minifters 
von Raumer, nennt jie unpreußifch, deckt die Lächerlichkeit des 
Widerſpruchs auf, indem die Regierung erft behauptet, alles 
ſei bis jeßt fchlecht gewefen, und dann wieder, alled was fie jetzt 
betreibe, fei von jeher fo gewefen, auch unter Altenftein, der 
fonjt immer der Sündenbod fein muß. — 

Der König war beinahe wieder umgeftimmt in Betreff der 
Ninie-Büchfen, deren Einführung er befohlen hat, aber fchon 
vieder einftellen wollte in Vortrag des Generals Adolph 
on Willifen, der ihm zugleich einen umgeänderten Probelauf 
:igte und erflärte, hat ihn in dem früheren Beſchluß befeftigt. 


JYyIIUMMARN, 19 WISUYUN VE VMIV 9 IDEE UIIVXLII NIE JEUEE syn 
ein Krieg der alten Koalition gegen Frankreich und die Neon 
tion werden. Rußlands Despotiemus in unbeftrittener He 
macht, Preußen und Defterreih und ganz Deutfchland 
Abhängigkeit, Englands Freiheit befchränft, Frankreichs Ma 
gefhwächt und der Reaktion überliefert, — welch ein Trium 
für die Kreuzzeitungdparthei, die Junker und Pfaffen! — 

Nachrichten aus Parid verfünden, daß Louis Bonapı 
die äußerten Kriegdanftrengungen nicht ſcheuen und nöthig 
falld die revolutionairften Verfuche machen, die rothe yul 
aufpflanzen wird. Aus feiner Hand werden die Völker ſe 
die Freiheit nicht annehmen wollen, fie wäre befledt ı 
unwürdig. Aber die Folgen feined Thuns werden den Bill 
zu gute fommen, und für dad, was er wider Willen bewi 
gebührt ihm fein Dank. — 

Nachmittage bei Ludmilla. Steinheim’. Sehr b 
und angenehm. Dr. Steinheim erzählte fehr unterhal 
von Nom, Frau Doktorin Steinheim machte Durch ihr f 
Weſen den beiten Eindrud. — 

Empfang eines Briefed von Herrn Prof. Wuttfe aus Le 
der mir meine Ernennung zum Chrenmitgliede des dei 
Schiller » Bereind anmeldet, mit Beifügung eines präd 
Diplomd. — 


— — — — — 


Pfingſtſonntag, den 27. Mai 185 
Geſchriehen Tem Thieraarten hot don Rlıumon 





103 


jung und ſchon fräftig, herrliche Scheine, die Luft erquidend. 
Ich hatte meine Andacht im Freien, fand auch hier „fchöne 
Gegend", und rief den abgefchiedenen Geift herbei. Erinne⸗ 
tung an beftimmte Tage, an örtliche Vorgänge, befondre Aus: 
iprühe! Der Thiergarten war mir recht lieb in all dem 
Andenken, und in feiner Gegenwart. — 

An Herrn Prof. Wuttke nady Leipzig gefchrieben; meinen 
Dank für die Ernennung zum Ehrenmitgliede des Schiller: 
Vereins ausgeſprochen. — 

Fräulein Klärchen Steffens bringt mir ihre Ueberfegung aus 
dem Norwegifchen zur Durchſicht: „Salomon de Caus, Tra- 
gödie von A. Mund.“ — 

In Samuel Johnſon ift mir vieled zuwider; aber am 
meiſten feine ganz erbärmliche, philifterhafte Religiofität, feine 
Firhlihe Nechtgläubigkeit, und die elenden Beweife, auf die 
fie ſich ſtützt. Wenn er feine Gebete niederfchreibt, ift er nicht 
beffer ald der gemeinfte Pfaff, der was gethan zu haben glaubt, 
wenn er feinen Roſenkranz oder feine Litanei hergeplärrt hat. 
Ein befchränkter, Mleinlicher Geift! Und der konnte bei den 
Engländern zum höchften Ruhm gelangen, ihnen als der größte 
Kititer gelten! Seine Briefe und moralifirenden Auffäge find 
außerordentlich gering. Man muß bedenken, daß fein Publifum 
im Ganzen ein fehr rohes war, denn aud) die ziemlich ver: 
breitete Selehrfamfeit war roh, und weltlicher Bildung ſehr 
bedürftig. Boswell ift ganz und gar ein Schildfnappe, der 
feinem Herrn dient, aber auch fich felber nicht vergißt. — 

Heute wollte die hiefige freie Gemeinde das Pfingitfeit 
begehen, und zugleich die Aufnahme der in der Religion unter: 
richteten Jugend ftattfinden laffen; die Polizei forderte, daß 
die Frauen und Kinder fid) entfernen follten, und da dieſe 
nicht gingen, löfte fie die Berfammlung auf. Wer ift hiebei 
rube- und ordnungftörend ? Wer beleidigt Sitte und Anftand? 
Wer fränkt die Ueberzeugungen? Und durch welche Mittel! — 





104 


Pfingfimontag, den 28. Mai 1855. 

Stiller Nachmittag; das fchöne Wetter freut mid; id 
brauch’ cd nur von meinen Yenftern aus anzufeben, in di 
Grün der Gärten, in das fonnige Blau ded Himmels, un 
mich der Zeiten zu erinnern wo ich folche Tage in vol 
Thätigfeit und Luſt genoffen, um ganz vergnügt zu fein. An 
angenehmes, ergiebiged Buch fehlt auch nicht! — Heute wur 
mir der vierte Theil von Goethe's Dichtung und Wahrkit 
zur Hand; die fhönen Tage der Beranntfchaft mit Lilli | 

Aus Paris waren Nachrichten gefommen , die der Genetal 
Peliſſier gleich nach Nebernahme des Oberbefehls vor Sebaſtopel 
follte erfochten haben, wichtige Außenwerfe feien genommen 
hieß ed, der allgemeine Sturm ftche nahe bevor. Nichts von 
allem hat fich beftätigt. — | 

Geschichte des neunzehnten Jahrhunderts , von Geroinw. 
Erſter Band. Dieſer redliche und eifrige, dabei gelebrte un 
fleißige Mann ift Fein erfreulicher Gefchichtöfchreiber. 0 
fieht alles in düftrem Licht; wenn fein Lehrer und Bert | 
Schloffer immer mit den Ereigniffen zanft und gegen fe 
poltert, fo beflagt Gervinus fie und trauert darüber, daß ie 3 
nicht anders auögefallen find. Er urtbeilt immerfort über die 
Menfchen und ihre Antriebe, und meiſt geräth es ihm ſchlecht. 
Es fehlt ihm der Weberblid des Staatsmannes, die Kunde der 
großen Welt, die Kenntniß der Gefchäfte. Weber Hardenberg 
fommen die alten ungerechten Urtheile wieder vor, die von den 
Bedingungen feined Amtes und Wirfend nichts wiffen ; Ber: 
würfe können ihn, wie dem Genk und Metternich, und Wil— 
helm von Humboldt, genug gemacht werden, aber die bier 
verfuchten haben alle etwas Schiefed. Gervinus verfteht dad 
Allgemeine nicht von dem Perfönlichen zu fcheiden, Das ge: 
meinfame Element, in welchem ſich alles Politifche bewegt, die 
Gemeinheit und Fülle des vornehmen Lebens, rechnet er der 
Einzelnen an. Stein war fo gut an Ueppigfeit gewöhnt, wi 





105 


Metternich und Gens, hatte aleich ihnen feine Jugend genoffen, 
und erit im fpätern Alter ließ er ſich den Heiligenfchein einer 
Sittlichkeit gefallen, mit dem ihn feine Anhänger, oder viel> 
mehr die Gegner jener Andern aueftatteten. Gervinus zitirt 
mid einigemal; meinem Aufſatz über den Wiener Kongreß 
bat er aber nicht abgemerft, daß derjelbe neben den perfönlichen 
Dentniffen auch den Kern und das Wefentliche aller Geſchäfts— 
thätigfeit mittheilt. — 

Gerechtigkeit ift eine ſchwere Pflicht ; fie wird nicht geübt, 
wenn wir irgend ein gegebenes oder ſelbſtgemachtes Geſetzbuch 
genau befolgen, da wird allzu oft summum jus summa 
injuria; fondern wir müffen den allgemein menfchlichen 
Standpunft zu gewinnen fuchen, der über alle Sondergefepe 
und Sonderfitten der Bölfer und Zeiten ſich erhebt. Oft ift 
Gerechtigkeit geradezu unmöglich: Voltaire und Rouffeau, 
Voltaire und Leſſing fonnten nicht gerecht gegen einander fein, 
88 lagen unüberfteigliche Klüfte zwifchen ihnen. Merkwürdig 
it mir, wie felten Goethe fich zu ungerechten Urtheilen hin- 
teipen läßt, wie ruhig und Mar er auch das ihm am wenigften 
Genehme zu würdigen weiß. Und wie wird er dagegen oft 
beurtheilt! Bon blinden Fanatikern, von beſchränkten Phi- 
tern, von muthwilligen und frechen Buben! — 

Leidenschaft iſt noch nicht Ungerechtigkeit; eine Aufwallung, 
in empörted Gefühl, einen frifchen Zorn, kann man oft 
ächelnd oder doch gelaffen hinnehmen. — 


Dienstag, ven 29. Mai 1855. 
Schlecht geichlafen, ungebärdige Träume; fie fommen jest 
fterd, zu meinem Berdruß! ihr Eindrud dauert länger ala 
e jelber. — Gejchrieben, und in meinen Papieren gearbeitet. 
-In der heutigen Montagspoit hat Dr. Koffaf wieder einmal, 
ie fo oft, den Nagel auf den Kopf getroffen; er bejpricht dag 





106 


vielgepriefene Buch von Riehl „Die Familie“, und fest daſſelb 
auf feinen wahren geringen Werth herab. Riehl ift wie frühe 
Lift der Träger einer füddeutfchen, mit Cotta'ſchen Getrieke 
verfnüpften Schwindelei, die auch in norddeutfchen Leute 
Erfolg hat; mit Lift hielten es die oberflächlichen Liberalen 
mit Riehl hält ed die Kreuzzeitungsparthei. — 

Beim Antiquar Woltemas die Weltgefchichte von Schrödh 
billig erftanden. — 

Die Franzofen haben vor Sebaftopol wirklich bedeutende 
Bortheile errungen, die Ruffen beträchtlichen Verluſt erlitten. 
Peliffier fcheint ernfte Unternehmungen vorzuhaben. Aud 
Kertſch und Jenikale find gefallen, die Kriegsfchiffe der Well 
mächte beherrſchen das Aſoff'ſche Meer. — Aber das alles i 
wenig; ed bedarf großer Siege und Eroberungen, um Di | 
gefunfene Vertrauen wieder herzuftellen, um Oeſterreich fort: | 
zureißen; den deutfchen Bund einzufchüchtern und Preufen ; 
im Schach zu halten. — | 

Nachmittags Beſuch von Herrn Baruch Auerbach. Dringend | 
Einladung zur Jahresfeier des jüdischen Waiſenhauſes, morgen 
Abend um 6 Uhr. ch kann nur bedingte Zufage geb. 
Der gute Mann ift gewohnt, den Leuten die größten Schmeiche⸗ 
leien an den Kopf zu werfen, und thut dies auch mir, was ih 
mit Rachen aufnehme, in das er zulegt einftimmt! — 

In Schröckh's Gefchichte der Deutfchen gelefen, feit für! 
undzwanzig Jahren zuerft wieder, mit eigenthümlichen, dant 
baren Empfindungen! — In Boswell gelefen, in dem Av 
nuffript von Klärchen Steffend. — 

Ein Graf Friedrich von Seherr-Thoß, Neffe des ruſſha 
Generals Rüdiger, des Obergenerals der ruſſiſchen Garden, 
in Paris wegen verübter Betrügereien gerichtlich zu mehr: 
jähriger Gefängnißſtrafe verurtheilt! — 

Der Polizeiſpion und agent provocateur Henze, berüdtiat 
vom Ladendorf'ſchen Prozefle her, bat zur Belohnung feiner 





107 


ichtswürdigen Dienfte die einträgliche Stelle eined Direktors 
7 Garnifonverwaltung zu Danzig erhalten. — Was aus 
en berüchtigten Ohm geworden weiß man nicht; vielleicht 
iffen es nur feine vertrauten Freunde Goedſche und Was 
ener. — 


Mittwoch, ben 30. Mai 1858. 

Keine gute Nacht, unerquidlicher Schlaf. — Gefchrieben. 
— Im Wäldchen hinter der Univerfität. In der Königlichen 
Bibliothef. Herrn Hofrath Foörſter geiprochen. Weber den 
Gendarmenmarkt nach Hauſe. — Mein liebes Berlin gefiel 
mir wieder einmal recht, die Gebäude, die Bildſäulen, der 
Lebensverkehr, die Etinnerung ſo vieler Perſonen und Dinge! 
Friedrich der Große und das Jahr 1848 ſtimmten in mir 
dortrefflich zufammen. — _ 

Nachmittagd mit Ludmilla nach der Oranienburger Straße 
38 gefahren, zur Feier im jüdischen Waifenhaufe. Steinheim’s 
Dort, und viele Damen und Herren, General von Selaſinsky, 
Fürſt Boguslam Nadziwill, Geheimrath von Bernuth zc. 
Humboldt hatte fommen wollen. Zum Unglück hatte der 
Direftor Auerbach das Tageslicht ausgefchloffen und eine 
üppige Kerzen⸗ und Lampenbeleuchtung angeordnet, die eine 
unerträgliche Hige verurfüchten. Hebräiſche Gefänge. Rede 
von Auerbad) ; feine Gedanken, fein Ausdrud, Feine Folge, 
ſich ſtets wiederholende platte Phrafen von Gott, König, 
Keligion, Baterland. Effen der Kinder. Rufe von Selaſinsky 
und Radzimill ausgebracht, auf den vorigen König, auf den 
jegigen. Ich foll auch einen Spruch vortragen, Gott bewahre ! 
— Nun aber muß ich fagen, dad Ausſehen und Benehmen der 
Knaben ift der größte Lobſpruch der Anftalt, die aud im 
Einzelnen die beiten Einrichtungen zeigt, Reinlichfeit, Ord⸗ 
nung, gutartige Behandlung. Die Frau Auerbach vereinigt 


108 


Berftand und Güte. Die Mittel find reichlich. in Haupt: 
vorzug der Anftalt ift, daß in ihr nur der Neligiondunterndt, | 
aller andre Unterricht in einer allgemeinen Bürgerſchule ertheilt 
wird. — 

Der Prediger Uhlich hat fein Sonntageblatt in Magdetun | 
einftweilen eingeftellt. Man fchifanirt die Herausgabe, ul 
von einem nicht dazu ermächtigten Berein beforgt! — Ein 
Flugſchrift des Fürſten von Wallerftein über das haieriik 
Budget iſt in Baiern fogleih von der Polizei weggenommen 
worden. — 

Gleichgültigkeit des Volks in Baiern bei den neuen Wahlen; | 
ebenfo in Darmftadt und in Kurheffen; das Bolt fept jene | 
Sache nicht mehr auf Wahlen, fondern auf andre Thätig 
feiten und Hülfemittel! — Dahin haben die blödfinnigen, ge 
waltthätigen Regierungen es gebracht! Europa wird neu 
Stürme fehen! Sie wollen e8 nicht andere, die Machthaber! — 


Donnerstag, den 31. Mai 1855. 
Unerquidtiche Nacht! Frübgelefen, dann gefchrieben. Dit 
Zrauerfpiel „Salomon de Caus“ in Klärchen Steffens Lehr 
feßung durchgelefen. in merkwürdiges Stüd, doch in M 
dramatifchen Wirkung verfehlt, indem der Dichter mit ſich el 
nicht einig war, und daher auch den Leſer zu feinem Ziele füht: ? 
das Chriftliche darin ift unglücklich behandelt, es erſcheint in 
befchränfter Geftalt, der Wiſſenſchaft feindfih, und doch ſel 
diefe in dem angeblich frühften Wahrnehmer der Dampftraft: 
verherrlicht werden. Gut gefpielt mag es vielleicht auf de 
Bühne durchfommen, ‘aber ſich nicht lange halten. 
Der König bat wieder einen Fieberanfall gehabt. Er wid 
nach dem Rhein gehen, nach Benrath, Köln, Koblenz, Stolzen 
feld, — 







109 


ichten aus Wien. Feindliche Stimmung gegen Preu⸗ 
n fchiebt alle Schuld des Zauderns Oeſterreichs auf 
deſſen Unzuverläffigkeit alle großen Entfchlüffe lähmt. 
ir Felix Schwarzenberg noch am Leben!“ heißt es. 
ift einmal todt, und was er jegt ausgerichtet hätte, 
och zweifelhaft. In ganz Europa giebt es jegt an 
den Stellen nur Mittelmäßigfeiten oder Halunfen. 
hen von Kraft und Gefinnung, von überwiegenden 
nd verdrängt, verfolgt, verbannt. — 
vetbe gelefen; in Schriften über (Friedrich den Großen, 
ll. — 
in die Zeiten Friedrich's zu verjeßen ift mir ftet& wie 
ıng in eine hohe Burg, wo ich alle& Herrliche und 
(led Liebe und Theure wiederfinde, und wohin feine 
t und Störung mir nachfolgen kann. Das ift das 
he dabei, dag alles Schlechte, Rohe und Wilde jener 
nzlic) der Vergangenheit angehört, durch Gefchichts- 
ıögeglichen und auch wirklich verſchwunden ift, und 
Gute und Große davon getrennt mit ungetrübter 
umfaffen fann. Das war ein König! foldyen kann 
Republikaner wünfchen und vertragen ; was fann ung 
jeboten werden? Seine Mängel und Gebrechen, feine 
ad Fehlgriffe, was find fie gegen die unaufhörliche 
ung feiner wahren Königdtugenden während feiner 
egierungszeit? ch lich’ ihn von Herzen, fein ganzee 
ine Gefühlöweife, feine Denkungsart, feine Heiterkeit, 
enge, fein feited Map, feinen edlen Sinn. Wie ich 
ym verhalten haben, welches mein Loos gewefen fein 
18 läßt ſich nicht ergründen, aber das weiß ich, daß 
jedem Fall wie bewundert auch geliebt hätte, glüdlich 
üdlih! In allem was von feinem Innern ausgeht, 
mich ein uniderftehlicher Reiz! — 


110 


Freitag, den 1. Jumi 1855. 

Berivorrene Träume, geftörter Schlaf. — Ein Hand Rırr 
giebt bei mir ein Glückwunſchgedicht zu meiner Mitgliedſchat 
des Schiller- Vereins ab, ein Sonett wie er ed nennt, das abn 
feines ift. Nach ein paar Stunden bringt derſelbe ein Jettl: | 
chen mit der Anfrage, ob ich dad „Sonett“ gelefen? Nitter: 
riſche Bettelei, die fchlimmfte, im der fich leibliche umd geiſtize 
Armuth und anmaßliche Dreiftigfeit vereinigen. — Nadridt, 
erfreuliche, aus Hamburg, daß Herr Wehl aufgefordert morkn 
ift, die Redaktion der, Jahreszeiten” wieder zu übernehmen. — — 
Brief aus Portsmouth von Dr. Hermann Franck, ſebt an 
genehm, gehaltvoll, aus dem Gemüth herausgefchrieben. - — 
Frand fchreibt unter andern: „Mir fcheint, Sie müßten Parid 
in diefem Fahre zu jehen ſuchen. Unter der Republif war ei 
berabgefommen, fo daß ich den Eindrud läftig fand; jetzt üte 
obenauf und höher als jemals in Eleganz, Schönheit, Yuru, 
Zülle, Bewegung; die Straßen find fo voll, daß die Tyranad 
feinen Platz finden fann. In der That war ich während mein 
dortigen drei Tage fo ſehr mit der Stadt bejchäftigt, daß id 
darüber den Staat total vergeffen habe. * Hier jpricht ich abe⸗ 
mals ein Gemeinfames aus, das wie von Parid auch von Kir 
und Berlin fich fagen läßt. Einem Fremden in Berlin gebt & 
eben fo, nur daß doch etwas mehr Pla in den Strafen il, 
Platz für ich weiß nicht was, für eine nod unbekannte Gröpt 
die Zufunft wird lehren, ob Tyrannei oder freiheit. Bir 
nur die Freiheit unter der Republik in Paris recht gedichen, 
jo würde auch Paris dabei emporgefommen fein, oder fein Serab 
fommen hätte nicht3 gefchadet. Die Republik war nicht die rechte, 
jie wollte kaum die Dreifarbige, um feinen Preis die rothe jein. — 

Cornelius hat in Rom bei einem Künftlerfeft in Gegenwart 
des Königs Ludwig von Baiern einen Vortrag wider Kaulbad 
und Schadow gehalten. Die beiden Angegriffenen find unter 
einander auch feindlich ! 








111 


Soethe gelefen, Friedrich'ſche Sachen, von Preuß, 
Archenholz, Kaltenborn, Johann von Müller ꝛc. — 
Herzogin von Sagan (früher Dino) hat den König um 
ngerufen gegen die Berunglimpfung, welche Gervinus 
ı neueiten Buche gegen fie verübt habe, indem er jagt, 
htigte Herzogin von Dino fei 1814 mit den Berbün- 
f der Kruppe eines Koſakenpferdes in Paris eingeritten, 
ig wollte das Buch mit Befchlag belegen laſſen, feine 
digen Näthe jedoch widerriethen dies, und der Her: 
eibt überlaffen, bei den Gerichten Klage zu führen. 
nell ift dad gegangen. — (©. 5. Juni.) 


Sonnabend, den 2. Juni 1855. 
ngenehmer, fortgefeßter Traum von St.'s Verlegen: 
Dore war im Begriff, ihm aus Mitleid und Großmuth 
parniffe hinzugeben! Wodurch hab’ ich es werfchuldet, 
zu träumen? Sch fann ihn wohl bedauern, aber ihm 
fen, und habe andre Sorgen genug, um auch für ihn 
gen zu fönnen. Durch feine harte Selbſtſucht miß- 
t er ſich zudem ftetd auf's neue. — 
hrieben. Ueber die Berfinfterungdverfuche in Preußen, 
n übrigen Deutſchland. Sie fihaden einigen Menfchen, 
ve nicht. Das Licht ift allverbreitet, auch im untern 
yon. — 

Hamburg hat die Bürgerfchaft das vom Senat ent- 
Schändliche Preßgeſetz, welches die Bundesvorfchriften 
ritieg, verworfen. in neuer Entwurf muß audgear- 
erden. — 

Turin ift das Stloftergefeß durchgegangen. Die fatho- 
cche erleidet in talien und Spanien immer neue 
gen. Was fie in England und Deutfchland gewinnt, 
e Niederlagen nicht aufwiegen. Die Thätigfeit der 








112 


Sefuiten ift fehr groß, wird von den Fräftigften Hülfem 
unterftübt, aber die Hauptſache fehlt, der eigentliche Gl 
den Eiferern felbit fehlt er. — 

Bei und regt der fanatijche Kircheneifer auch den fanat 
Widerfpruh, den Geift ded Spotted und der Lüjterun: 
Am eriten Pfingfttage iſt der Gotteödienit im Dom durch 
Mann geftört worden, der laut gegen den Prediger zu jpı 
begann. Daſſelbe geſchah in einer andern Kirche, un 
feinem Irrſinnigen. — 

In einem Wirthshauſe hatte ein armer Schlucker fid 
Papier Bäffchen gemacht, den Wobnungsanzeiger vor fid 
gelegt, und im Predigerton eine Nede zur Beluftigung de 
wefenden gehalten, mit Anführung vieler Bibelftellen ze. 
Rammergericht hat ihn freigefprochen, weil die Abſicht 
Berfpottung der Religion unerwiefen fei. — 

In Friedrich'ſchen Sachen gelefen, in Goethe, in 
well, — 

Der König hat einen zweiten Anfall feines erneu 
Fiebers gehabt. Beim Spazierengeben ift er in eine Sumpf 
gerathen; er will immer allein gehen, und fiebt fo ſchlech 


Sonntag, den 3. Juni 1855 

Unrubiger Schlaf, ; auch Andre klagen fo. — Gefchriebe 
Wie überdrüffig bin ich aller Kleinlichfeiten, in denen ic 
dieſes gefelligen Geträtfches, Ddiefed ewigen Erörterns, 
wägend, Wicderholens derfelben Seringbeiten, Zierereien, ( 
feiten! Doc feh’ ich Fein Mittel, mich diefem Unweſt 
entziehen, es fei denn Durch gewaltfame große Riffe, die fü 
nur negativen Ertrag zu pofitiv wären. Die Scelefann ft 
nicht immer in hohen Gedanken und Gefühlen ſchweben, 
offen und frei follte fie doch immer fein, die beſſre Stim 


113 


aufzunehmen, die durch den fich unabläffig zudrängenden elenden 
Kleinfram nicht mehr durchfommen fann. — 

Befuch von Herrn Affeffor Delöner. Briefe von Stäge- 
mann an unfern Delöner, ein ftarfer Stoß; Briefe vom Grafen 
Reinhard, vom Grafen von Schlabrendorf. Sch foll fie durch— 
lefen und begutachten. — 

Die ruſſiſche Bolitif arbeitet unverdroffen darauf hin, Frank⸗ 
reich und England zu entzweien, Miptrauen und Eiferfucht 
zwifchen ihnen zu erregen. Aller Haß wird gegen England ge- 
richtet, Frankreich mit auffallender Schonung behandelt. Ebenfo 
ſtrebt Rußland in Deutichland gegen Defterreich zu wirken, 
und in ODeſterreich jelbit eine ruſſiſche Parthei zu bilden, die 
zunächtt nur ald Friedensparthei auftreten fol. Preußens 
balt man fich verfichert und glaubt nicht nöthig zu haben mit 

ihm viele Umijtände zu machen, ja man thut rufjifcherfeite, als 
babe man ihm eigentlih manches zu verzeihen, 3. B. daß es 
k nicht aradezu für Rußland ſich erflärt, den vier Punkten bei- 
; gejtimmt babezc., aber man wolle gnädig darüber hinwegſehen! 
: Unfer Kabinet ſetzt folhen Andeutungen und Airs feine ge: 
"I bührende Abweifung entgegen. — 

| Wie derholt wird die Stiftung eines neuen Kaiferlichen 
; Adels in Frankreich angefündigt. Die Nationalverfammlung 
: erflärte, der Adel fei abgeichafft, dergrößte — errichtet neuen: 
| Dbrfeigen von links und rechts! — 




















Montag, den 4. Juni 18656. 
Beſuch von Steinheim’s, bei Kudmilla ; gutes, heitred Ge⸗ 
23 präc, die Frau recht Flug und ſinnig. — 
1 In den Briefen Stägemann's an Oelsner geleſen. Es 
Eunacht mir einen peinlichen, unjeligen Kindrud, diefen Wuſt von 
Eeng- und Sleinjinn, Mißurtheilen, Eitelfeiten, Schief- und ' 


— J 


FAFFalſchheiten einzeln durchzuſehen; denn leider iſt das ve Haupt⸗ 


B arnhagen von Enſe, Tagebücher. XII. 


114 


inhalt dDiefer Briefe, jo wie der meiften andern, die ich von: 
mann fenne. Range hab’ ich mid) täufchen laffen, ſpät erit 
jehen, wie diefer Freund in allen feinen Briefen eigentlich n 
felbft meint, fich vortheilbaft zeigen, fühn und frei ſcheine 
auch dabei flug und vorfichtig fein will, um fidy nicht b 
ftellen. Er tadelt wohl die Ultra’d, viel ftärfer aber die 
finnigen, und thut als ob diefe entweder nicht freifinnig 
oder doch nicht begabt und geiftmächtig wären, und ſie der 
jener verfchuldeten. Ich ſehe mit Schreden, daß ſchon in 
frühen Zeit der fervile Beamte in ihm ftedite, der ſich 
offen in ihm hervorthat. — 

Nachmittags fleißig gefchrieben, meift nur abgeſchr 
doch in lebhafter Anregung und freudiger Bewegung, vera 
durch das befriedigende Anfchauen vergangener Ereigniflı 
Bezüge. Mir ift fo vieled entgangen, was ich nachher alı 
ſäumt bedauerte, jo vieles hab’ ich verfchmäht und abgew 
was doch begehrendwerth fchien; jegt erfenn’ ich, daß ich 
nur recht gethan, daß die Sachen der Opfer, dieich hätte br 
müffen, nicht werth waren. Es hätte 5. B. großen Re 
babt, mit dem Grafen Reinhard in vertrauter Berbindui 
ftehen, mit Chateaubriand, und felbit mit Talleyrand, wa 
alles leicht gewefen wäre, ja dargeboten war. Aber hät 
dann auch noch den gleichen Zug zu Schlabrendorf gehabt 
war mir lieber al& alle jene hohen Zweideutigkeiten, un 
freut mih noch! — 

Im preußifchen Sachſen und in Erfurt beſonders ſi 
Folge der Raumer'ſchen Regulative die Schriften von 
Schriftſtellern, unter welchen auch Proͤhle, vom Gebrauch 
Schulunterricht verboten worden. Das geht allmählig 
den ganzen Staat. Nach zehn Fahren wird man ſehen, 
damit bewirkt worden , ein wenig des Gewollten, und jeh 
andrea nicht Gewolltes. Eine ſchlechte Wirthfchaft, mo 
auf den Waizen rechnen muß, der unter dem Unkraut gedeit 


115 


Die katholischen Pfaffen fangen an, was fie im Preußifchen 
bisher nicht gewagt, den Ratholifen, welche fi nicht gehörig 
zur Kirche hielten, das firchliche Begräbniß zu verweigern. So 
jest in Breslau, wo der allgemein geachtete Buchhändler Go— 
ſohorsky auf dem protejtantifchen Kirchhof mußte begraben 
werden. Aehnliche Beifpiele in Pofen, am Rhein. Möchten 
diefe Pfaffen nur immer ganz ftrenge fein; ihre doch nur ge: 
beuchelte Milde und Nachficht bringt nichts zur Entſcheidung! — 
| Abende mit Yudmilla zu Kranzler. Steinheim's dort, Le⸗ 
wald's famen zufällig aud, dann Dirichlet. Wir faßen in 
lebhaften, angenehmen Gejprächen bid nach 9 Uhr, dann nahmen 
Steinheim’3 Abſchied, fie reifen morgen früh nad) Hamburg 
ab. Später fprah und noch der Norweger Hr. Kroy bei 
Kranzler an. Schöner, genußreicher Abend. Wir gingen noch 
ſpaziren bie halb 11 Uhr. — 
| In den Brieffhaften von Reinhard und Stägemann ge- 
| lefen. Die lektern waren mir ſchon einmal unter den Händen, 
| vor vielen Jahren, aber nur flüchtig. Der damalige Befiker 
Guſtav Oelsner (Monmerqud) bot mir an, einige Mifurtbeile 
| Stägemann’s über mich zu ftreichen oder zu berichtigen, ich fand 
beides unnöthig und lehnte die Bertufhung ab. Wenn jener 
| dergleichen nicht gefchrieben, nicht gedacht hätte, das wäre mir 

lieb! An dem Budhitaben liegt nicht?! — 


— — — — — 














Dienstag, den 5. Juni 1866. 
| Gefchrieben, Auszüge, Bemerkungen. — In den Stäge- 
.mann’fchen Briefen weiter gelefen. Betrachtungen über die 
b-politiichen Miſchungen und Zerfegungen. Die Deutfchthümler 
k. und Burfchenfchafter von 1819 hatten zu ihrer Volks- und 
Freiheitsliebe, die ganz einfeitig und eigenfüchtig nur das eigne 
JVolt beachtete, allen frömmelnden Eifer und Schwindel, den 


j jetzt die Adelöparthei mit ihrer Selbftjucht verbindet. Die 
E 8" 


116 


Regierung wollte damals auch fromm fein, befeindete aberdet 
jene deutſchthümelnde Frömmigkeit, und die beftigiten Gegner, 
MWittgenftein, Schudmann, Kampk, Oberpräfident von Bülenı. 
waren ganz rationalijtifch; jetzt fteht die Regierungsftömmigkit 
in beitem Bernehmen mit dem Fanatismus der Kreuszeitung® 
und Junferparthei. Doc im Ganzen, troß aller Willkür un 
Gewaltſamkeit einzelner Fälle und Berhältniffe, ſteht die Sat 
der Freiheit unendlich beffer ala damals! Es giebt Forticritt, 
die zurüdgethan werden fönnen, andre bei denen dies unmöalie | 
if. Das Jahr 1848 übt feine gewaltigen Wirkungen. 

Nachmittag Befuch von Herrn Dr. Gottfried Keller. ehr 
feinen Roman „der grüne Heinrih*. Ich ſuche einige %r 
denken, die ihm gekommen find, zu heben, mahne zur friſchen 
Thätigfeit 20. — | 

Graf Archibald von Keyferling fam dazu. Die Herzog 
von Sagan befam das Buch von Gervinus vom Buchhändlet 
Alerander Dunder gleich zugefihidt, fah gleich die Stelle, in 
der fie angegriffen wird, gerieth ganz außer fich, und befam den 
thörichten Einfall an den König zu fchreiben; hiedurch war 
nicht geholfen, vielmehr die Sache recht an die große Glode ge: 
hängt. In der hiefigen großen Welt wäre das Aufjigen binter 
einem Koſaken jebt fein Vergehen, im Gegentheil nur Berdienit 
und Ehre; aber das damit verbundene Lächerliche und das Bei: 
wort „berüchtigte* gönnt man doc der Herzogin recht fehr; 
ihre Freundin die Gräfin von — fprang vor Freuden und 
flatfchte in die Hände, als fie die Stelle lad. — Für den Ab⸗ 
faß des Buches ift die Gefchichte ein wahres Süd! — 

Wir blieben bis halb 11 Uhr. Ueber die Linden, Wi 
Kranzler eine Viertelſtunde. Die Straßen wurden jtill, die 
Fenſter dunfel. Ein eigner Eindrud, dies Erlöfchen der Tages 
thätigfeit, der Kichter, des Närmd, der Stimmen! — 

Heute Nadhmittag, in ftiller Rube und Betrachtung, Mi 
niederftrömendem Sonnenfchein und hin und her wogenden 





117 


=2:, durchleuchtenden Grün, wurden mir frühere Sommerzeiten fo 
>= lebendig, daß ich mich wirflich wie in fie verjegt fühlte. Das 
Bild Rahel's trat mir fo nahe, dap ich mit Schreden wie aus 
einem Traum erwachte, ald der Gedanke, ſchon zweiundzwanzig 
Jahre trennten mid) von ihr, fich plöglich vordrängte. Die 
Augen füllten fi mit Thränen. Dann zerfloß die ganze Sze: 
nerie, und ed war wieder heute! — 

Die Stelle über die Herzogin von Sagan, non welcher Ger- 
Dinus feinen Ausdrud nahm, lautet bei Baulabelle (histoire 
' des deux restaurations) fo: „L’el&egante et belle comtesse 
; Edmond de Perigord (depuis duchesse de Dino), se pro- 
| mena, dans la soiree, assise à ch&val derriere un cosaque.“ 
| Unmittelbar darauf heißt es: Les filles perdues, le 31, ne 
_ Barurent nulle part; les saturnales de la rue et de la 
| Place publique, ce jour la, appartinrent aux dames 
} tiches et titrées.“ T. 1. p. 309. — (©. 1. Juni.) 

„ L’Elegante et belle comtesse* durch „die berüchtigte “ 
zu überfegen, ift freilich mehr ſach- als wortgetren. Baula- 
belle fagt ſpäter (T. II. p. 58) felbit: „La dame dont M.de 
Talleyrand exaltait les moeurs et la piete est la möme 
i qui s’est rendue si etrangement célèbre depuis 
'souB le nom de duchesse de Dino.“ Da ftedt freilich das 


berüchtigt“ reichlich drin. — 


— — — — 









Mittwoch, den 6. Juni 1855. 
Ungefüge Träume; ich hatte es mit Bettina von Arnim 
zu thun, und beſonders mit ihrer Tochter Giſela, die mich vor 
: Yrndern allzudreift nedte, dafür von mir fcharf zurechtgefebt 
f wurde und fid) erfchroden dann zur Mutter flüchtete; eben follte 
| es mit Diefer zur ernithaften Erflärung kommen, da wacht’ ich 
auf. — Gefhrieben.und manderlei gearbeitet. — 

Die Berhandlung wider die Neferendarien, die ſich, ihrer 


118 


eidlihen Berficherung entgegen, bei ihren fchriftlichen Eramen; 
arbeiten von dem Nepetenten haben helfen laffen, fommt in 
diefen Tagen zum Sprud. Man bemitleidet allfeitig dad tru: 
rige 2008 diefer Angeklagten, die mitten in ihrer Laufbahn 
plöglicd vom Berderben ergriffen werden. hr Vergehen, dus 
dem jugendlichen Leichtfinn fo gering erfcheint, fo leicht un 
oft begangen wird, follte nicht juriftifch genommen werk. 
Die ganze bürgerliche und hohe Staatdwelt ift voll vonfoldn J. 
Unregelmäßigfeiten, die höchften Beamten, der Staat felhl, 
das Kabinet, find nicht frei von foldyen Dingen; würden dit 
jedesmal, ſelbſt wo man fie fchon weiß, unterfucht, forſchte man 
nach den unbekannten, wie viele Strafen würden erfannt, mc J 
viele Aemter erledigt werden. Jene armen Teufel find dur 
einen unglüdlichen Zufall verrathen worden, wie viele mögen 
nody zittern auch entdedt zu werden! Wer ftebt dafür, di 
nicht ſelbſt unter den Richtern folche find, die verurtheilen, md @ 
auch fie begangen haben! Man erinnert an den Stadtgeridt® 
vath Hufeland, der bis er felbit entdeckt wurde, der ſtrengſt J 
Richter war. Der Juftizminifter Simons verfolgt jene In 

glüdlichen mit gehäffiger Feindlichkeit. — j 









Donnerstag, den 7. Juni 1855. 

Heute find alle Theater hier gefchloffen, wegen des Tor J 
tages Friedrich Wilhelm's des Dritten. Die ganze Königlihe 
Familie ift in Charlottenburg verfammelt und befucht die Gub 
jtätte. Dem Könige foll diefe Feier fchon fehr läſtig gemont‘ 
fein, und er würde fie, fagt man, gern unterlaffen, wagt amt 
nicht das Aergernig zu geben. Die Hofleute jagen, daß er ik: 
einiger Zeit, befonders aber feit dem Ableben des Kaiſers va 
Rußland, ungern an den Tod erinnert werde, und eine groß: 
Scheu vor Trauerfleidern habe. — - | 
Beim Durchlefen der Stägemann’ihen Briefe macht & 


119 


ir einen feltfamen Eindrud, hier immerfort den Wiederhall 
nd Nachhall der Geſpräche zu finden, den er mit mir, mit 
riedtich Schulz, mit Friedrich Buchholz gehabt, die er in ei- 
igen geringen Fällen nennt, in den zahlreichen bedeutendern 
sernicht. Bei vielen Ausdrüden, Bemerkungen, Auffaffungen, 
fenn’ ich augenblidlic mein Feld, auf dem fie gewachſen; 
anches Schale, Unfaubre, Platte gehört dagegen feinem eignen 
der entjchieden an. ch habe nichtd dagegen, daß man 
cht nur aus fich felber, jondern aus jeinem ganzen Kreife 
mmt und verarbeitet wad man braucht, daß man wie Geld 
ich Wis und Geilt, Kenntniß und Laune von feinen Freunden 
imlich borgt zum Niewiedergeben, aber hier iſt nur das Wun- 
tlihe, daß er an einen und gemeinjamen Freund fchrieb, dem 
dh ich) an demfelben Tage daffelbe fchreiben fonnte! Daß 
r etwas Uchnliches begegnet fein fönnte, und ich unbewußt 
jend etwas Stägemann'ſches mir angeeignet hätte, halt’ ich 
et unmöglich, und finde ich davon feine Spur. — Rahel wurde 
tmald von ihren Freundinnen und freunden in diefer Art 
g mißbraucht, zuweilen auch ganz offen — 3. B. von Frau 
n Grotthuß und deren Schweiter rau von Eybenberg, zu: 
noch von Kreund Band, — ohne Umftände offen erfucht, ihnen 
viffe Schlagworte, Bezeichnungen, Einfälle zu überlaffen, die 
dann ald die ihren geltend machten und in Umlauf festen. 
ie vieles haben fie auf diefe Art für längere Wirkſamkeit und 
auer gerettet, was junft der Tag wie geboren, fo verfchlungen 
tel — 

Befuch von Herrn Zedner aus London. Sehr gute Mit: 
lungen von dortigen Berhältniffen. Ein rechtfchaffener und 
ier Mann! — 

Nachmittags ſchöne Fahrt im Thiergarten, zwei Stunden. 
her Flor von Syringen überall. Erquidende Luft. Friſches 
in im goldigen Sonnenfchein. Leider auch fchon Raupen- 


1 





120 


Bei Kranzler angefprochen. Unterhaltung mit Pitt-Armin, 
der noch muntrer fein will, als er fann, und in mitleidawerter B 
Gebrechlichkeit davonſchleicht; doch allein, nur geftügt auf den 
Stod. — Bon feiner Schwägerin Bettina feine günftige Rab | 
richt, er hält ihren Zuſtand für bedenflih. Daß die Gedichte 
feines Bruders gedruct werden, wußte er nicht. Er denft mit 
MWohlgefallen an feine eignen Schriften, und meint, er bık 
noch viel mitzutheilen. — | 

In Plinius Briefen gelefen ꝛc. — 

Die Deutfchfatholifen Hirjeforn und Jordan, von der Pr 
lizei des unbefugten Kolleftirend angeflagt, weil fie nad m 
Gottesdienſte fleine Geldfpenden auf den Altar niedergeleut 
hatten, find vom Richter freigefprochen worden. Aber du 
Schikanöſe ſolcher Anflage bleibt unbeftraft, ungerügt! Man 
müßte die Borfchriften der Polizei jehen! — 

In Fulda große Anftalten zum Bonifaziusfefte. Die hr 
heſſiſchen Behörden haben ftrengen Befehl, nicht daran Ikil 
zu nehmen; die Jeſuiten follten davonbleiben, erhielten ah 
noch in der legten Stunde die Erlaubniß zu predigen. Bi 
ficht den Haflenpflug pläglich an, oder feinen Obermeifter! — 


— — — — —— 


Freitag, den 8. Juni 1856. 
Die Durchſicht der c Stägemann‘ ihen Briefe zu Ende gr 
bracht. Im Ganzen liefern fie doch wichtige Angaben, Zeuz 
niffe und Farben zu unfrer Gefchichte jener Zeit — von 1818 N 
1828 — die bei und im Stillen mancherlei Gedeihen brachte 
in den äußern Grfcheinungen aber nur ein Bild der jümmet 
lihiten Nathlofigfeit und des elendeiten Hinſchleppens wat | 
Sch hätte jene Zeit noch fchwerer empfunden, wäre mir midi 
in Rahel das fchönfte ETüd zur Seite geweien! — 
In Hamburg hat die Bürgerfchaft die vom Senat vorge 






121 D 


neue Verfaſſung, ein ganz verpfufchted Machwerk, ab- 
it. — 

n Meiningen ift die Prügelfirafe wieder eingeführt, der 
Landtag hat zugeftimmt. Diejenigen, welche die Prügel 
yaft verdienen, die Wiedereinführer, befommen fie vielleicht 
elbſt! — 

yer König hat bei der Frau Richarde Gaggiotti geftern 
Beſuch gemacht. Der angenehmen rau wird fehr 
digt. Schon deshalb mißfällt ſie vielen. Auch die 
zin ift wider fie eingenommen. — 

im „grünen Heinrich“ gelefen, in Goethe, in Boswell. — 
tachricht,, daß Defterreich feinen Heerſtand um 100,000 
a verringern will. — Große Berlufte der Ruſſen am 
Then Meer, Handelöftodung. Neue Beſchießung Sebafto: 
am 6. — In England friegerifche Stimmung: — 

)das Bonifaziusfeft ift von den proteftantifchen Geiſtlichen 
yüringen eifrig gefeiert worden. In Kurheffen war es 
ten, nur den Katholifen erlaubt. — 

Yer arme Samuel Johnfon! So Iuftig, fo derb und fcharf, 
hlihefromm und fo ftreng fittlich, wie unglüdlich war er, 
vei allen diefen Eigenfchaften er ſtets die fchredlichite Todes: 
t hatte! Gr befannte ſelbſt, „he never had a moment 
hich death was not terrible to him“. Ich muß ihn 
dauern! Und am Ende waren ed nur die firchlichen Bor: 
ngen, von denen er fich nicht losmachen konnte, die ihn fo 
ngit feßten. Wie gefällt mir dagegen la Rochefaucould, 
eine Eigenschaften aufzählte, und mit Wahrheit fagen 
te, „et je ne crains nullement la mort“. Das Sterben 
unter gewiffen Umftänden fchredlich fein, und niemand, 
” ich, fann voraus verfichern, wie er es beftehen wird, aber 
‚od als folcher, das Ende des Sterbens, braucht nicht zu 
fen, er fann im Gegentheil willfommen, füß, erlöfend 


— 





. 122 


Sonnabend, den 9. Juni 1855. 

Wenig gefchlafen und unruhig geträumt. — Früh auf 
gejtanden und gefchrieben ; alles bäuft fich wieder fo, daß ice 
faum bezwingen fann, die verfchiedenartigften Geſchäfte, di 
unfinnigften Sachen! — Befud von Herrn Hand von Büler 
und Herrn Baschet. Lebtererartig und befcheiden, unterrichtet 
feine Aufträge harmlos, er durchforfcht die öffentlichen Biblie 
thefen; morgen geht er nach Wien, hofft aber im Herbſt wiete 
hieher zu fommen. Ex hat einen Aufſatz über die Quelle 
von Goethe's Werther gefchrieben. Herr von Bülow läugnet 
dag Liſzt fein Verhältniß in Weimar aufgebe, beftätigt, daj 
Gutzkow ald Dramaturg nah Weimar berufen it. — Rad: 
mittagd Beſuch vom Herrn Grafen von Wartensleben ; er zeigt 
ſich ganz vorurtheilsftei, und als ein edler, menfchenfreundlicher 
Mann, der die Strenge mildert, wo und wie er nur kann. 
Unfer Gerichtöverfahren und unfer Gefängnipwefen bedarf 
ſolchen Eiferd; fie liegen gräuelhaft im Argen, gräuelbaft!. 
Unmenfhliche Graufamfeiten werden durch Befolgung allar. 
meiner Vorfchriften geübt, bei denen die Beamten ſich ganz rer 
härten, und fich mit dem Bewußtfein beruhigen, nur gefeglid 
zu verfahren! — | 

Den „grünen Heinrich“ ausgelefen. In Friedrich's | 
Großen Schriften gelefen, in Voltaire; deutſche Zeitfchriften. — | 

Hiefige Paftoralkonferenzen, ganz unnöthiges Getreibe ht 
Schwarzröde, bei dem nichts herausfommt als ihre Blöpa 
und Gebrechen! — 

In Defterreih, in Prag, wird ein ehemaliger katholiſha 
Geiftlicher, der mit Beobachtung aller gefelichen Borjhrifte 
dem fatholifchen Glauben entfagt und in Schlefien den pt 
teftantifchen angenommen hatte, gegen alle Gefege in geiſtlichte 
ſchwerer Haft gehalten. Man hofft, daß Preupen ſich für ihn 
verwenden werde ! man hofft! — 

In Toskana ift wieder ein fchlichter Bürger, weil er in det 







123 


Jel gelefen, deren italiänifche Ueberfegung bei ihm gefunden 
rde, zu langwieriger Kerkerhaft verurtheilt worden. — 
Die Gränzboten enthalten eine vernichtende Kritik der 
umer'ſchen drei Regulative für den Bolfdunterriht. Was 
8? — 
Das Morgenblatt ftellt in einem qutgefchriebenen Bericht 
gehäuften Laften vor Augen, welche die Stadt Berlin zu: 
ift Durch die gewaltfame Willfür der Polizeimacht zu tragen 
‘, und vergleicht damit dad 2008 der ländlichen Grundbefiber, 
in diefen Zeiten der Noth mit größter Schonung behandelt, 
verlorne Rechte und Bortheile wiedereingefept werden, und 
ch immer der Grundfteuer fich zu entziehen wiffen. — 
Sonntag, den 10. Juni 1855. 

Die Tranzofen haben vor Sebaftopol in den eroberten 
iſſiſchen Redouten über 60 Kanonen genommen. — Erfolge 
an Aſoff'ſchen Meere; Zerftörung von Borräthen, Wegnahme 
on Schiffen ꝛc. — 

Nachrichten aus Rußland fagen, daß dort eine beforgliche 
düſtre Stimmung zunimmt, daß man mit dem neuen Kaifer 
unzufrieden ift, ihm den fchlechten Gang der Kriegdereigniffe 
vorwirft ꝛc. Ganz umgefehrt.von Dem was wahr ift und wad man 
erwarten follte, wirft man alle Schuld anftatt auf den Todten, 
auf den Rebenden. Die militairifchen und diplomatifchen Nieder: 
lagen des Kaifers Nikolai, die ihn doc) getödtet haben, werden 
nicht beachtet, nicht befprochen, und ihre traurigen (Folgen, der 
jeßige Zuftand, den der Kaifer Alerander doch fu geerbt hat, 
wird auf feine Rechnung gefchrieben. Die Truppen im Innern 
follen entmuthigt und mißvergnügt fein. Man glaubt tief: 
jehende Palaftränfe in Thätigkeit. — 

Schriften zur Tagesgefchichte durchgefehen. Englifches, 
ranzöfifched. In Goethe's Spruchworten gelefen. — 


124 


Montag, den 11. Juni 1855. 

Spät aufgeitanden. Gefchrieben. Herr Dr. Levinitein fam, 
um über Die vorgeftrige Aufführung des Hamlet mit mir zu 
ſprechen; er ift mit Dawiſon's Spiel nicht ganz einverjtanten, 
gefteht ihm zwar große Meiſterſchaft zu, vermißt aber febr den 
Prinzen. Sonderbare Schmeicdhelei, die jich dahin ausiprict, 
daß ich in meiner Jugend den Hamlet hätte fpielen follen, in 
mir zeigten ſich noch im Alter alle dazu erforderlichen Eigen: 
heiten; zu denen, die Ophelia an Hamlet rühmt, kamen aud 
die Blondheit, Die Wohlbeleibtheit, die Kurzathmigkeit; legtere 
mußt’ ich doc, von mir ablehnen! — 

Der Redakteur der Volkshalle vom Landgerichte zu Köln 
wegen Beleidigung Der preußiihen Regierung halb freige- 
fprochen, halb verurtheilt, — Angriffe gegen das Unmefen im 
preußifchen Staate fuchen mehr und mehr ihre Stätte im Aue: 
land, in englifchen Blättern befonders; die Aufſätze kehren dann 
vollftändig oder auszugsweiſe vermittelft nichtpreußifcher Blätter 
nach Deutfchland zurüd, und es ift ſchwer dawider überall An- 
flagen zu erheben. Die preußifche Preßfreibeit iſt Durch die 
Polizeiwillfür ganz eingefchnürt, in den Provinzen fo gut wie 
‚ vernichtet. Die Winfe der Behörden find Befehle, und weh 
dem Redakteur, der fie nicht beachten wollte! Doch gefeplid | 
beiteht die Preßfreiheit, und fie kann jeden Augenblid wie 
fidh erheben, wenn die Umstände günftig find, eine verändern 
Strömung der Meinung, neue Perjönlichfeiten eintreten. — | 

„Am Pflug. Bon Leopold Kompert.“ 2 Thle. Eine jr 
dengefchichte in Böhmen. Biel guten Sinn und reiches Talent. 
Grgreifende Schilderungen. Als dichterifches Erzeugniß many 
haft. — 

Der König, der ſchon beſchloſſen hatte, einige Wochen w 
Erdmannsdorf auf dem Lande zuzubringen, wird nun doch nah 
dem Rhein gehen, nach Stolzenfele, Brühl ꝛc. Die Kreuy 
zeitungsparthei macht dazu lange Gefichter; in der Abgeſchieden⸗ 








125 


zu Erdmannsdorf würde fie den König mehr nad) ihrem 
ne haben lenken fönnen ; in dem gemifchten Gedränge des 
nd am Rhein empfängt er leicht andre Eindrüde, als die 
: ihm geben möchte, — 

Der Fürft von —, in zweiter Ehe mit einer Gräfin — 
eirathet, läßt ſchon lange feine Gemahlin nad) Belieben 
ern. Man rieth ihm zu einer Scheidungsflage, er aber be- 
nete die Koften, und dann die Folgen in Betreff der Ein- 
Fte, die er ihr laffen müßte, und fand es vortheilhafter, fie 
erhin ungefchieden flattern zu laſſen! Einer ihrer Mit- 
terer iſt der hübfche Herr von —, der vor einigen Jahren hier 
und ein Bändchen Gedichte druden ließ. — 


Dienstag, ben 12. Juni 1855. 


Unruhige Naht. Mir träumte, daß ich in der linken Bruft 
yit am Herzen bei der geringiten Berührung einen heftigen 
merz fühlte; aber beim Erwachen war nicht? vorhanden, 
 diefen Eindrud veranlapt haben könnte. — Gefchrieben ; 
ußend Zufunft von feiner heutigen Weisheit oder Kraft 
chert, jondern von Verfehrtheit und Schwäche dem Drang 
meiner Strömungen überlaffen. — Beſuch von Herm — ; 
fames Lächeln und Schweigen, bei den das Ungefagte deutlich 
feinem Geficht zu lefen war! Gr ging dann zu Zudmilla 
ein: „Man muß ehrlich fein und es fich geftehen, Goethe 
oft Tangweilig, feine Dramen find ſchwach, das Theater iſt 
„t fein Boden *; er jagt dergleichen ganz harmlos, wenn er's 
indet, fo hat er Recht; es giebt Leute denen frifche Auftern 
ſt ſchmecken, aber faule; der vorige König langweilte ſich 
inem Shafefpeare’fchen Stüde, und gähnte, „daß ihm die 
nbaden knackten“. Suum ceuique! — 
Eine Erzäblung von Hermann Grimm im Morgenblatt, 
8 Kind * überfchrieben, hat mir ungemein gefallen; fie ift 





126 





eigen, heiter, gediegen, und macht den angenehmiten Eintud. J 
Dies, dünkt mich, ift fein Feld, dies follte er ferner anbauen. 
Die Karaftere und Ereigniffe ftimmen in diefer Eräblun J. 
glüdlich überein, heutiges Leben, Gefelligfeit, Seelenzuftänte.— 

Zu Haufe noch längeres Geſpräch. — In Oelsner's Briden 
gelefen, in Goethe. — — | 

„Goethe's Fauſt und Schiller's Wilhem Tell, nah ihr 
weltgefhichtlihen Bedeutung und wechjelfeitigen Ergänun, @ 
von 5. G. Rönnefahrt. Leipzig, 1855.* Was der Deutik 
nicht alles ergrübelt! — 


Mittwoch, den 13. Juni 1855. 

Gefchrieben, in meinen Papieren gearbeitet. — Beſuch von 
Herrn Grafen Hendel von Donnersmard, dem Sohne des Marie 
burgerd, dem Enfel der weimarifchen Oberbofmeijterin, Wette 
der Goethe’fchen Enfel; quter Art und Gefinnung. — 

Die freien Gemeinden in Schlefien, fiebzehn an der Zahl 
haben eine Provinzialfynode gehalten, um ihre Stellung gegen 
die Regierung in Betracht zu ziehen. Dan wundert fi, di 
die Polizei fie nicht geftört hat; oder hat jie vielleicht gar nidt 
von der Sache gewußt? 3 gefchieht bisweilen, dap beit | 
ftrenaften, vielfachſten Aufmerkſamkeit die Polizei gerade hi 
Nächite nicht fieht. Die Synode hat die Befchwerden der fram 
Gemeinden in einer forgfältigen Denkſchrift an den König ge 
bracht. Man fagt im voraus, daß fie nicht den geringften ® 
folg haben werde, es fei, ala ob die Proteftanten etwas von 
Pabſt erbäten. Der König haßt die freien Gemeinden, hält fit 
für Teufelöwefen ꝛc. — 

Für den abtrünnigen, proteftantifch gewordenen Geiſtlichen 
in Prag, den die hohe Geiftlichkeit dort gefangen hält und quält 
jowie für den zu Jahreöhaft verurteilen Bibellefer in Toe 
fana, erheben ſich hier viele Stimmen, Bethmann-Hollweg x 


127 


ber auch das wird nicht fruchten. Die Perfonen, auf die es 
n meijten anfommt, um bierin etwas zu erwirfen, find im 
runde nicht mehr proteftantifch, fondern katholisch gefinnt. — 

Nachrichten aus Paris; die im Stillen gährende Meinung 
rd ale ſehr gefährlich für Louis Bonaparte gefchildert, feine 
acht hänge an einem ſchwachen Faden, heißt es, der geringite 
ıfall könne diefen zerfchneiden. Gin paar Niederlagen in 
e Krim, und der Kaifer liege am Boden. Die nächte zu ge 
irtigende Bewegung, jagt man, werde bourbonifch fein, aber 
verzüglich in eine republifanifche umſchlagen. Die Legiti- 
ſten find im Bortheil um etwas vorzubereiten, einzuleiten, 
er nachher jind die Volksmaſſen im Vortheil, und jene leicht _ 
rüdgedrängt. — 

5m Cicero gelefen, Engliſches. Bücherneuigfeiten durch⸗ 
'ehen. — 

In England fängt man bereit? an, die geforderten vier 
anfte für dummes Zeug zu erflären, und wie für das fchwarze 
eer nun auch für die Oſtſee fefte Beftimmungen gegen die 
bergriffe der ruffifchen Macht anzufprechen. — 

Die demofratifche Zeitung in Hannover, redigirt von dem 
dern Dr. Eichholz, darf über die hannöver'ſche Verfaflungs- 
he nicht ſprechen; man hat ihr zugeraunt, daß fie ihr Dafein 
führde, falls fie den Gegenftand mipfällig anrühre. Da fie 
ı aber auch nicht wohlgefällig berührt, fo ift ihr Schweigen 
redt genug. — 

Bor vielen Jahren erfchien vom Ingenieur: Major von Pritt- 
b, damals in Poſen, ein Buch „Ueber die Gränzen der Zi⸗ 
iſation“, von freifinnigem Inhalt, das aber wenig Eindrud 
chte. Der Berfaffer ift ſeitdem General geworden, und hat 
Mitglied der zweiten Kammer eine durchaus unfreifinnige 
htung gehalten, ſtets mit den Miniftern oder gar mit der 
hten geftimmt. Nun ift fein Buch in neuer Bearbeitung 
rusgekommen, und wieder ziemlich freifinnig. Der Mann 


128 


ift in feinen Anfichten ziemlich der er war, aber wo ed auf! 
wendung anfommt, ſchwach und irr. Es gebt vielen fe! 


Donnerstag, den 14. Juni 1855. 
Der König bat wieder Fieberanfälle, und es heipt num, 
er werde weder nach Schlejien, noch nad dem Rhein reilen, 
fondern in Sandfouci bleiben. Schwerlih! „Er ift gar zu 
unvernünftig!* ſagt ein vornehmer Hofmann von ihm. — 
Der Kaifer von Dejterreich ijt zu feinen Truppen nad Go— 
lizien von Wien abgereiit. Der Kailer von Rußland hi 
feinen General von Grünwald abgefchicdt, ihn an der Gen 
zu begrüßen. Man möchte jo gern gut freundlich fein! — 


Freitag, ben 15. Ju 
Schlecht geſchlafen, Verlegenheiten geträumt Le Geſchtit 
ben. — Buch und Brief aus Nürnberg, „Deufſchland ur 
die orientalifche Frage von B. ©." Der Berfaffer will W 
genannt fein, meint aber, ic) fönne ihn errathen; der % 
ſpricht von freundlichiten und herzlichiten Grüßen und 
barer Erinnerung; ich weiß dies nicht zu deuten. — | 
Die Nationalzeitung hat heute einen trefflihen % 
über Hannover und den Stand der Sachen; Dr. Zat 
ihn gejchrieben. Die Regierung hat die vorhandene J 
verfammlung nochmals berufen und will fie zur Mitſch 
Oftroyiren verleiten; der Rath Zabel’8 geht dahin, A 
waltthat gegen die Verfaffung der Regierung allein d 
laffen, aber auch die Schmach und die folgen ; Diele; 
von Ariftofraten haben nicht einmal den Muth, im % 
Macht und geftüpt auf den Bundestag, ihre Sache al 
zuführen! Cie fürchten eine bundestägliche Kg 















129 


ich welche die Regierung felber ihr Anfehn fchmälert, laßt 
et fommen, diefe Bundestommiffion! — 

Gegen 8 Uhr zu * gegangen. Bei fchönem Abendhimmel 
nahmen fich die Linden, der Opernpla, die Bildfäulen und Ge- 
bäude herrlich aus; es ftrömten mir aus der Gegenwart be: 
friedigende Gedanken zu, aus der Vergangenheit theure Erin- 
nerungen zu, ich genoß Augenblide wahrer Lebensfreudigkeit, 
fühlte die reinfte Dankbarkeit in mir, für mein ganzes Schid: 
ſal, für alles einzelne Gute, dad mir gegeben worden und das 
ich austheilen gefonnt. Berlin war mir wieder recht lieb, in 
leiner Anlage, feinem Fortfchreiten ; ich kann fagen, alles ſprach 
zu mir, die Steine, die Bäume, die Denfmale, und das helle 
Geiſtesbild aller Menfchen, die ich hier gefannt, geliebt und 
Derehrt habe, — Rahel die Mitte von allem! — 

Um 10 Uhr mit Qudmilla zu Kranzler gegangen, noch eine 
Stunde der fhönen Abendluft genoffen. — Wir fehen faft 
teden Abend den Obermundfchen? Herrn von Arnim (Pitt) ge- 
krümmt und mühfelig vorüberfchleihen, mit der einen Hand 
auf einen Krückſtock gejtügt, mit der andern aus der Tafche 
end, wobei er gar nicht aufblidt, jondern grad vorwärts 
iebt, um nicht aud der Richtung zu fommen. Eine fonder- 
are, komiſche Nachtericheinung, befonderd für diejenigen, 
elche ihn ald luftigen Springinsfeld gefannt haben! — Nach 
1 Uhr zu Haufe; noch furze Sikung. — 

In ältern Schriften gelefen. LKitterarifches, Geſchichtliches; 
Boswell, in Cicero's Briefen. — 


— — — — — 


Sonnabend, den 16. Juni 1855. 
Le ceomte Rufini (Lorenzo Benoni) ancien ambassa- 
ur de Sardaigne. Mémoires d’un conspirateur. Paris, 
55. 8. Urſprünglich italiänifch gefchrieben, nad italiäni- 


er Art weitfchweifig. — 
Barnhagen von Enfe, Tagebüder. XII. 9 


130 


Merkwürdige Trinffprüche des Prinzen Albert in € 
land. Anſcheinend kriegerifch beeifert, zählt er die Hinden 
auf, die der König, die Berfaffung und das Parlament | 
gegenitellen, während in Rupland alles nach dem unbefchrän 
Willen eines Einzelnen gefchehe; er fordert daher Bertrai 
unbedingted PVerirauen für die Regierung, und völlig f 
Hand für die Minifter. Der fremde Eindringling, der in 
Bett der Königin gehört, aber nirgends fonjt mitzureden | 
unterfteht fich die Berfaffung und das Parlament als Hin! 
niffe zu bezeichnen! Hoffentlich befommt er gebührente . 
rechtweifung. Lord Palmerſton fuchte klüglich einzuler 
und zu mildern, was der ſchwatzhafte Prinz ungefchidt I 
ausgeſprudelt hat. — 

Büreaukratifches Pedantenthum. Der NRegierunget 
Graf Hendel von Donnerdmard in Merfeburg mußte jedesı 
zur Meſſe nad) Leipzig gehen und von dort über den Gi 
der Mefje Bericht erftatten, was oft ungemein fehwierig ı 
verdrießlich war. Dabei war ihm ausdrücklich vorgefchrieh 
daß fein Bericht menigftend dreißig gefchriebene Bogen fl 
fein mußte! — 

Der König hat die auf fein Verlangen von den Kamm 
angenommene Beränderung ihrer Namen, ftatt Erſte Kamı 
Herrenhaus, ftatt zweite Kammer Haus der Abgeordneten, ı 
beftätigt und zum Gejeß erhoben. In verbis simus facil 
dachten die Abgeordneten ; aber die Aenderung bat viel I 
fälliged, befonderd erregt das Herrenhaus den Herren fel 
Anftog! — 


Sonntag, den 17. Juni 1855. 

Die tapfre Volkszeitung fällt gleich über die Rede des e 

liihen Prinzen Albert her und zeigt deren freibeitäfeindlic 
Karafter. — 


131 


Ausgegangen mit Ludmilla. Unter den Linden treffen wir 
Sräfin Klotilde von Kalfreuth, die mit und zu Kranzler gebt. 
Spaziergang in Thiergarten, ſehr Ichön, aber dur) Uebermaß 
von Maupen arg geftört. Zwei fehr gepußte Damen in großen 
Nötben, wir helfen fie von Raupen befreien, Röcke, Unterröde, 
ed galt niht Scheu noch Scham. Gin Herr begegnete ung, 
der in feltjamen Zidzadichritten vorrüdte und zu feinem Ge: 
fährten fagte: „Ich habe mich verpflichtet, immer auf Raupen 
su treten!“ Wir lachten, litten aber auch felbft nicht wenig. 
Ganze Streden, wie im vorigen Jahre, zeigen nur fahle Zweige 
und durchfichtige Wipfel. — 

Unterdefien war Dr. Vehſe bei und gewefen, und ich fand 
Karten vom Fürften Wiaſemski und Herrn von Piedert. Der 
Fürſt Hat lange auf mid gewartet, aber da ich nicht fam, lieh 
er jeine Karte mit den Worten zurüd: „Je pars ce soir pour 
Saint-Petersbourg et regrette beaucoup de ne vousavoir 
pas trouvé à la maison.“ Auch mir thut es leid; ich hätte 
ihm gern manches fruchtbare Wort auf die Reife mitge: 
geben. — 

Mit grogem Eifer durchlief ich die mehreren Bände der 
Kritifen von Auguft Wilhelm von Schlegel. Wunderlicher 
Veberblid damaliger Kitteratur! Eine Art von Ausftellung, 
wie wir jie jet hier aus früherer Zeit von Mahlerei haben. 
Fie viele Bücher, die etwas gelten wollten, und die jeßt fpur- 
los verjchwunden find, wirflid verſchwunden, Schriften, die 
in Berlin gedrudt worden, und von denen mit größter Mühe 
und Sorafalt nichts mebr zu finden if. Aus welchem Wuſt 
bat die Litteratur fi hervorgemadht, was hat fie alled abwer- 
fen müſſen! Die Urtheile Schlegel’ find alle in der Rich— 
tung zum Befjern, oft wunderbar fein und ſcharf; wie keck und 
zichtig verwarf er vor fechzig Jahren die angeblichen Geſänge 
Offian's, von denen ganz Europa wie verzaubert war! Der 
Ueverblick diefer Sachen ift fo lehrreich ald unterhaltend. Nur 
| g* 


} 





132 


blödfinnige Barbaren können es tadeln, Daß man diefe Gule | . 


tie gemifchter Bilder — denn es find auch vortrefflihe <tüde 


darunter — aufbewahrt hat, die und in das \nnerite jener 

Zeit fehen laffen. Daffelbe gilt von den Kritiken Lefjings. W 
Um die Heroen zu würdigen, muß man erfennen, was um fie | 
herum, was mit ihnen und gegen fie war, durch welche trüb 


Maffen ihre helleren Erzeugniffe ſich durchzuarbeiten hatten! 


Wir vergeffen zu ſehr; das Gedächtniß zu ſtärken ift eine groe 


Hauptfache, für Nationen, wie für Einzelne. — 
‚ Sept ift wieder befchloffen, daß der König die Reife an den 








Rhein zwar aufgiebt, aber nicht in Sansſouci bleibt, jondern | * 


Anfangs Juli auf einige Zeit nach Erdmannsdorf geht; ein 


Sieg der Ränke des Junkerthums. — 


Montag, den 18. Juni 1855. 
Gefchrieben. — Um 11 Uhr ausgegangen mit Zudmilla; 


in den Nebenftraßen der Königsſtraße und auf dem Alerander rag 


plag den Wollmarft angejehen, alles bedeckt mit Wolljäden, | FIN 


ungeheure Borräthe aufgehäuft, lebendiger Verkehr, alle Guts— 
befiger und Pächter der Mark, Handelöleute des In- und Aus 


landes, ein Umfaß von einigen (6— 7) Millionen. In der 


Blumenftrage beim Kunftgärtner Bouché, ſchöne Blumen; in J. 
Garten das Sommertheater des Königsftädter Theaters, welchei J 
zur Seite von Bouche’d Eingang aufgebaut ift, "wir hejabes | 


das Innere. — 


Wegen des Jahrestages von Bellealliance find die Bild: | 
jäulen Blücher's, Scharnhorft’3, Bülow's, Yorck's und Gnei⸗ gti 
ſenau's mit frifhen Eichenlaubgewinden umhangen und ber GW 


fränzt, was fich fehr ſchön und feftlih ausnimmt. — 


Wenig politifche Neuigkeiten. Debatten im englifchen Par 


lament. In Hannover geht der Betteltanz mit den Ständen 





los! Die Stände find brav, aber machtlos, wie alle, wenn W® 





133 


es nicht bis zum Aufftande fommt, die Regierung aber ift in 
aller Macht lumpig und erbärmlich. — In Defterreich will 
man 100,000 Mann beurlauben. — In Spanien die ge: 
wohnten Garliften-Unruben, von ruſſiſchen Betreibungen ers 
regt oder begünftigt. — Ruſſiſches diplomatifches Aktenftüd, 
das in ausführlider Erörterung den Weſtmächten die Schuld 
Des Scheiternd der Friedendverhandlungen ſchuld giebt, aber 
dabei fehr friedliebend und verföhnlich lautet. — 

„ Erlebniffe aus den Kriegsjahren 1806 und 1807. Aus 
den binterlafenen Papieren ded Generald der Kavallerie Aus 
guſt Ludwig Freiherrn von Ledebur. Berlin, 1855. Yür 
die Kriegsgeſchichte wenig erheblih, geſchwätzig über perfün- 
liche Einzelheiten, geiſtlos. — 

Herr von Bady erzählte ein feines und wipiged Wort von 
Gräfin Klotilde von Kalkreuth. Der jetzige Direktor der Sing- 
akademie, Herr Örell, wurde gelobt alö ein überaus harmlofer, 
- gutmütbhiger, unbefangener Menſch, der dad Böſe faum merke, 
geſchweige denn übe. „Wahr ift ed,“ fagte die Gräfin, „amü- 
ſant find’ ich ihn nicht, aber ich beneid’ ihn um feinen Pla 
: im Paradies.“ — 


⸗ 





Dienstag, den 19. Juni 1855. 

3 Schwere Träume, früh wach. — Gefchrieben, in meinen 
£ PBapieren gearbeitet. — Die Grängboten, No.25 vom 15. Juni, 
_ entbalten einen großen Auffag „ Wilhelm Meifter im Verhält- 

niß zu unferer Zeit*. Der Berfaffer giebt fi das Anſehn 

F tiefer Forfhung und Kenntniß, hat aber nur die traurigen 
Wahngebilde und gemeinen Stichwörter unfrer Zeit, und will 
nach diefen meffen und beurtheilen, was fittlih-äfthetifh und 
geichichtlich außerhalb feines Gefichtöfreifes liegt. Trotz aller 
üppigen Bewunderung, die er dem Werke darbringt, iſt er im 
Grunde doch nur ein etwas beffer gefleideter Puftkuchen für 





134 


daffelbe. Die Grundlagen feiner Kritit find entweder gan Fr 


falfch oder doch chief und mwadelig, voll willkürlicher An: 
nahmen, die nur ein ganz Unfundiger kann gelten laflen. 
Immerfort bringt er die heutigen meift hohlen Anforderungen 


des Tages in jene Zeit hinein, die von folden nichts wußte, * 


nichts wiffen fonnte, und von denen man auch nächſtens nichts 


mehr willen wird, ald daß fie leered und eitled Gepränge | 


waren. Bon Baterland, Boll, Nation, Freiheit, Helden: 


thum 2c. machen die Gothaer immer viel Geſchrei, fie die am 
meiften gegen diefe Dinge gefündigt, jie jchief behandelt haben, 


und fie jind zu blödfinnig um zu erfennen, daß Goethe, unt 
namentlih im Wilhelm Meifter, mehr von dem Weſen der: 
felben hat, ald in allen ihren Zerrbildern ftedt! Weil mit 
dem Namen nicht geprahlt wird, meinen fie daß die Sade 


fehlt! Ueber Adel und Bürgerthum find fie wollende fie: WE; 


ed ift unfinnig und lächerlih, von Stein und Gneijenau ;u 


iprechen im Gegenfaß von Lothario! Der Auffag fchliegt mu ir 


einem fchein= und halbwahren, fireng genommen jämmerlicen 
Ausfpruche ded Plutarchos, nach weldhem fein Jeſus, kein 


Luther, überhaupt fein Genius je Recht haben Fönnte. Sole 


ein Auffaß vergeht wie welkes Grad, ed ift nicht der Mübe 
wertb, gegen ihn zu fchreiben, font thät ich's. 


Nachrichten aus Potsdam. Der König zeigt fich zwar und | 
icheint ganz munter, aber man behauptet, Die Aujtigfeit jet Wi 
erzwungen, er fühle fich in Körper und Gemüth ganz gebrochen, Br 
fei voll Sorgen und Zweifeln, fünne ſich zu nichts entfchliegen, | 


wolle bald dies, bald jencd, und fein Mipmuth, feine Unzu- 


friedenheit mache feine Nähe fehr peinlih. — Er hat jich von | 
Dawifon einiges aus dem Fauſt und das luftige Stückchen ven ER 


Holtei vorfpielen laffen. — 
Die Ruffen haben bei Hangö englifche Offiziere und Ma— 


trofen, die unter Parlamentairflagge gelandet waren, nieder 








geichoffen. In Enaland große Aufregung deßhalb; die Auflen Wi. 





ei stein . a —— u 


135 


nennen es einen Scharmüßel, wollen feine Parlamentairflagge 
gefehen haben; die Engländer führen Worte des ruſſiſchen 
Befehlshabers an, die das Gegentheil bemeifen, er fümmre 
ſich nicht um die Flagge ꝛc. Es waren etwa fechdzehn Mann, 
Die gewiß nicht in feindliher Abjicht offen auf mehr als 
400 —500 Ruſſen heranfamen! — (Widerftreitende Berichte, 
noch nicht Far. —) 


Mittwoch), den 20. Juni 1855. 

Geſchrieben. Ueber die Berechtigung hiſtoriſcher Ge- 
mählde, die nicht gemahlt, fondern gefchrieben find; Lamar⸗ 
tine , Saint-Real ꝛc. Es gehört mehr in diefe Klaffe, ale 
man gewöhnlich meint; von diefer ausfchmüdenden, aus 
Künftlerabfihten zurechtftellenden Gattung ift die entjtellende, 
gradezu verjehweigende oder lügende Fälſchung der Gefchichte 
ſehr vwerfchieden, diefe legtere will betrügen, erftere will erhalten, 
beleben, veranfhaulidhen. Der Biftorifche Roman darf nicht 
von den Thatſachen der Geſchichte abweichen, der Erfindung 
nur Spielraum geben, wo die Gefchichte ſchweigt, nichte 
unterdrüden, nur hinzudichten und weiter ausführen. — 

Auf der Ausftellung Herrn Hermann Grimm geſprochen, 
dann Herrn von Burgsdorf; — Grimm jagt, Bettina von 
Arnim fei nod nit in Schlangenbad, ein falted Fieber — 
ſehr bedenflih — halte fie in Bonn zurüd! — Nachmittagd 
in meinen Papieren gearbeitet. — 

Nachrichten aus Parie. Louis Bonaparte foll frank, der 
ganze Bonapartifhe Plunder in größter Unruhe fein, man 
fpricht von zwei Aderläffen, Fieber ꝛc. — Daneben Gerücht 
von Der Schwangerfchaft der Kaiferin. — 

Der König in Potsdam hat Rheumatismus im Arm und 
muß das Zimmer hüten. Das macht ihn immer verdrießlid; 


136 


er jegt einen Ehrgeiz darein, ſtets geſund und rüſtig zu er 
fcheinen. — | 

Das Kriminalgeriht hat von den angeflagten Aſſeſſoren 
zwei freigefprochen, die andern ſechs zu Gefängnipjtrafen ven 
6 bi8 9 Monaten und Berluft der Ehrenrechte auf ein Jahr 
verurtheilt, den Kreiörichter Pietzſch ſogar zu 18 Monaten 
Gefängniß. — 

Die englifhen Blätter wetteifern im Abkanzeln der vor- 
lauten und dummdreiften Meußerungen des Prinzen Albert, 


daß Englande konſtitutionelle Regierungsform jetzt eine harte | , 
Probe zu befteben Habe. Man nimmt ihm fein vorwitziges 


Auftreten ſehr übel. — | 
Das Manifeft des Kaiſers von Rußland über die Thron: 

folge und Regentfchaft macht mandherlei Gerede. Man fagt, 
der Kaifer gehe mit dem Gedanken um, ji) in das Privatleben 
zurüdzuziehen. Die Ruſſen ſprechen mit befonderm Eifer ven 
feinem Bruder dem Gropfürften Konſtantin. Wenn dieler 
ald Regent, oder auch ald Kaiſer — warum nicht ? — den Thron 
beitiege, fo gäb’ ed Bewegung! — 

„Unfre Kammern — oder Häufer, wie man jept fagen | 
muß, — wie gering jebt und verachtet, können plöglic un: 











gemein wichtig werden, und dann wäre doch zu wünjchen, jie & 
etwas beſſer zufammengefegt zu fehen, als jeßt, Damit nicht ve 3. 
Kreuzzeitungsparthei plößlich zu diefer Macht gelange.” — J 


Wichtig? Macht? wie follte dad fommen? — „Wenn ed zum 
Kriege käme, fo läge das entfcheidende Wort in den Kammern, | 


die das Geld Schaffen müßten.“ Oder auch, man jchaffte je WE 
ab und fette die ganze Perfaffung aus. — „Dann befime MW, 
man feinen Heller zu einer Anleihe! Man hätte auch nidt WM 
den Muth zu fo fühnem Schritt, im Gegentheil, man ſieht id M 


ängſtlich um nah Stützen.“ — 





137 


Donnerstag, den 21. Juni 1855. 

Geſchrieben. — Ausgegangen mit Zudmilla und Kräulein 
nna Gottheiner — ein wackres, verftändiges und aufrichtiges 
ind von neunzehn Jahren. — In die neue Grüngaffe ge- 
ıngen, zum Kriegsrath Müchler, ihm den bisher fehlechten 
tfolg meiner Bemühungen mit feinen Kriminalgefhichten zu 
gen. Er ift ſehr ſchwach, hat aber fein gutes Gedächtniß 
id noch frifche Lebendanfprüche. Seine Sache wegen des 
edichtes von ihm, das unter die Schiller’fchen gerathen ift, 
it er abermald in einer Beinen Drudihrift zur Sprade 
bracht, das ift ein Lebensſtoff, an dem er immerfort ſich 
ihrt und erlabt! Er möchte gern noch von fich reden machen, 
zheren Ortes berüdfichtigt werden. Warum auch nicht, da 
 nody lebt und thätig iſt? 


Freitag, den 22. Juni 1855. 

Unruhiger Schlaf, widrige Träume ; vergeßne Kleinigkeiten 
13 vergangenen Zeiten ſchwellen fih auf, und machen fi 
hwer. — 

Telegraphijche Berichte von Peliffier und Raglan, daß 
zanzofen und Engländer am 18. Juni gleichzeitig die Werke 
on Sebaftopol geftürmt haben, aber zurüdgefchlagen worden 
nd, natürlich mit großem Verluſt. Es thut mir ſehr leid, 
us befondrer Sympathie, meine Sache jedoch ift dabei nur 
»Igerungsweiſe betheiligt, und nur eine ſehr zmeifelhafte 
olgerung. Was aus den Dingen wird, wifen wir ja nie! 
er Witz der Gefchichtsentwidlung ift unberechenbar. Wo 
as Gute und Rechte ſich nicht unmittelbar zeigt, find wir 
et im der Irre; hier aber zeigt es fich nicht unmittelbar, 
venigſtens mir nicht. — 

Befondere Bildungeblüthe nad) der Mitte des achtzehnten 
Jahrhunderts bid zum Ende defjelben im nordweſtlichen 























138 


Deutfchland, in Hamburg, Hannover, Göttingen, Braun: 
ſchweig, Helmitedt, Kübel, Holftein, Schleswig, Dldentun, P 
Bremen, bie nach Kopenhagen hin, und mit ſtarken Einflifn #- 
von England her. Herrichende Wirfungen, die jich über gan M: 
Deutfchland erjiredten. Klopftod, Bob, Claudius, die Et J. 
berge, die beiden Reimarus, Leſſing, Schröder, Jacobi, Lichten J 
berg, Schlözger, Campe, Knigge, Ebert, Eſchenburg un $ 
hundert Undre; dazu die vielen Engländer, Franzoſen u p 
Hamburg, Dänen ꝛc. Ludwig von Heß, Archenholz, Bild, Jea 
Sieveling ꝛc. Wie gänzlich verfchwunden ift alles das! da 
ganze Länderftrich it öde und unfruchtbar, Einzelnes inkl 
ih noch hin und wieder, aber ſpärlich, und ohne den frühen 
Zufammenhang, die frühere Wechſelwirkung. Zimmermam 
und Markard find noch nachzutragen, das ganze Gewidthtil . 
Univerfitäten Göttingen und Kiel. Bon Künftlern Tifhben, J 

Riepenhaufen, Ramberg ꝛc. 


— — — —— 


Sonnabend, den 23. Juni 185. MW 
Traumreicher Schlaf, unruhige Nerven. — Geſchrieben. 

Beſuch vom Grafen von Kleiſt. Er war in Kurland, nad! 
am Rhein, in Bonn, in Koblenz. Er bat fein Untertbur 
verhältniß zu Preußen gelöft, er verhehlt micht, daß du 
Herrenhaus die legte Urfache war, die ihn hiezu bewog; duu 
zu fein wäre ihm wenig Ehre und Freude, nicht darin zu ſeu 
aber doch eine Kränkung geweſen, er wußte, daß der Kin 
dem Prinzen von Preußen, der Kleiſt's Ernennung beantragt 
entfchieden mit Nein geantwortet, er fonnte vorausſehen, iM 
falld er von den Familienmitgliedern gewählt würde, der Kömg 
ihn nicht beftätigen würde. Daher fchnitt er lieber alles ad 
mit bittern Gefühlen freilih und Verwünſchungen; er be 
außer dem Grafentitel hier nichts erreicht, Mitglied des Staat 
raths hatte er werden wollen, Oberjägermeifter , nicht wur 


139 


vährt. Der König hatte ihm früher die Zuſtimmung zur 
werbung von Sagan ertheilt, dann nahm er fie zurüd, und 
8 die Herzogin von Dino das Thronlehen und den Titel 
von erlangen. Alle Hoffnungen fcheint er doch nicht aufs 
geben, wenigftend einige auf die Thronbefteigung des Prinzen 
n Preußen gefegt zu haben. Er troßt auf feinen Reichthum, 
er darin fteht er Doch nicht in erfter Reihe. Kleiit hat in 
onn Bettina’n von Arnim gefehen, fie ſaß im Lehnſtuhl ftill 
id gebüdt, den Blick zu Boden geſenkt, und ſprach nur färg- 
h hie und da ein Wort; ein Zuftand, der ihrem fonftigen 
ejen ganz und gar widerfpricht! 

In Baden, in Würtemberg, in Hefjen, überall regt ſich 
t Adel und die Geiftlichfeit; in Hannover macht der Adel 
: größte Anftrengung, doch hält die alte Berfaffung heute 
ch, vielleicht morgen nicht mehr! — Hier in Preußen trium- 
irt er, doch ift er weder befriedigt noch forglos! — 

Der Prediger Uhlich in Magdeburg war in erfter Inſtanz 
gen Preßvergehens, Aufnahme des Beſchluſſes, der die freie 
emeinde unterdrüdt, in fein Sonntagsblatt — verurtheilt 
orden, die zweite hat ihn freigefprochen. — Die Polizei macht 
m aber fchon wieder neue Scheerereien! — 


Sonntag , den 24. Juni 1855. 

Schlechter Schlaf, abgefchmadte peinliche Traumbilder ; 
waren mir fo wichtig, daß ich fie feithalten wollte und 
ttheilen, wad verlor ich fie gleich, und auch ganz gern! 
xd es einft mit dem Erdenleben auch fo fein? — 

Bucher fagt heute in feinem dritten Artikel über die Parifer 
öjtellung von Bacon’d Novum organum: „Ein Bud, auf 
die Engländer Grund haben mehr ftolz zu fein, ale auf 
afefpeare.” ch weiß recht gut, welch edler und bedeutender 
ft Bacon ift, und weiß, daß der treffliche Bucher nicht ohne 


140 


gute Gründe ſpricht, aber hier kann ich ihm durchaus nicht 
beiſtimmen. Ich halte im Gegentheil den Einfluß Bacon's 
im Allgemeinen für einen großen Schaden, an dem die Eng— 


länder fortwährend leiden; die Philoſophie Bacon's bat fe | 
von der tieferen und tiefiten Unterfuhung abgefchnitten, aus 
der allein wahre Geiſtesfreiheit entfpringt, hat fie nach andern | 
Richtungen gefördert, aber in religiöfer und Firchlicher Hinſicht 


fie den engiten Beichränfungen preiögegeben, aus denen nur 


wenige ihrer begabteren Geifter id unter großer Mibilligung | 


zu befreien gewußt. — 
In George Sand gelejen; neue und fehr leuchtende An- 


ficht über die Jeſuiten; einigermaßen ſah ſchon mein Pater, 
ihr Zögling, fie jo an, und ih nah ihm. Daß jie in der | 
fatholifchen Kirche eine Art Freiheit, einen Widerſtand gegen | 
Pabſt und Kirche vorftellten, war ung befannt ; ihre fcheinbar | 
unbedingte Unterwürfigfeit fonnte und darüber nicht täufchen, | 
aber auch jener Kern unfern Haß gegen die lügenbafte Form 


nicht fchwächen. Auch Voltaire wußte die guten Seiten der 
Jeſuiten wohl zu ſchätzen, während er die [hlimmen unermüt: 


lich befämpfte. Daß Frau von Dudevant zu dieſer Auffaffung 
gelangte, und fie jeßt, grade jeßt, fo licht auszufprecdhen ver: | 
anlagt war, gehört zu den Merkwürdigkeiten, die wir erleben. | 
Sie fagt wunderbare Wahrheiten über Religion, katholiſche 


Kirche, Beichte ze. — 


In der Naht vom Freitag zum Sonnabend war im Hotel Ä 


du Nord unter den Linden großer Lärm. Der Jocey: Klub 


war verfjammelt, und in Folge der jtattgebabten Pferderennen | 
ſehr belebt. Man trank und jubelte tief in Die Nacht hinein. | 
Mitten in diefe Fröhlichkeit trat ein Jremder, man fragte ibn, | 
was er wolle? er erwiederte: „Sch will einmal jeben, wae | 
hier vorgeht!" Man fagte ihm, er möchte fich entfernen. Als | 
er hierauf zu erfennen gab, er fei ein Polizeibeamter, fühlten | 
fih die vornehmen Junker und ariftofratifchen Offiziere erft | 





141 


recht gereizt, e8 fam zu heftigen Reden, ja Thätlichfeiten. Auf 
den Pfiff des Polizeimanns war gleich eine Anzahl Konftabler 
verjammelt, die Widerfeblichen follten verhaftet werden, die 
Dfftziere wollten ſich nicht verhaften laffen. Ein Herr von 
Prillwitz fprang während des Lärms aus dem Fenſter und 
eilte zu Hindeldey. Die Offiziere fordern Genugthuung, die 
Polizei ibrerfeitd auch. — | 

(Ein Prinz von Medlenburg war dabei, ein Prinz von 
Hohenlohe. Der Polizeilieutenant Dam ift erft verfpottet 
worden — man warf feinen Helm unter den Tiſch, da gehöre 
er bin — dann geprügelt. Einer zog den Degen und wollte 
„den Hund todtftehen*“. Es war nicht nur ein Trink⸗ fondern 
auch ein Spielgelag; nad) einigen Angaben hätte der Wirth 
felbit , aus Furcht vor Strafe, die Polizei herbeigerufen um 
das Haſardſpiel zu hindern. Die verfchiedeniten Angaben 
laufen umber. Die Polizei wendet die größte Sorgfalt an, 
um Die Sache zu vertufchen, nicht in die Zeitungen fommen 
zu laffen.) | | 

Fohanniter-Feter in der Schloßfapelle. Eine große Anzahl 
neuer Johanniter befamen den Ritterſchlag. Dummes Zeug! 
Buntes Gepränge, Geremonieen, Spielerei mit Religion und 
Rittertbum, den meiften Johannitern ſelbſt ein Geſpött! — 


Montag, ben 25. Yunt 1856. 

Welcher Dämon giebt fich jetzt mit Berfertigung meiner 
Fräume ab? Schiller’ Tod ein Geheimniß, man weiß nicht 
wann, wie, und nicht einmal ob er geftorben? Was hat mir 
Hans von Bülow getban, daß ich fein Mörder wurde, und 
dann, verwundert über mid felbit, gleihmüthig weiter 
lebte ? — 

Der König ift wieder erfrankt; die Merzte hatten nicht 
zugeben wollen, daß er die geftrigen Geremonieen in der 


142 


Schloßfapelle mitmachte, er aber gab die nachdrüdliche Er- 
flärung, es ſei von größter Wichtigkeit, fei durchaus notk: 
wendig; da mußten fie fchweigen. — 

Im englifchen Parlament wird in den ftärfiten Ausdrüden 
das völferrechtäwidrige, barbarifche Verfahren der Ruffen bei | 
Hangd gerügt, auf Rache gedrungen ꝛc. Die Art, wie hr 
„Ruſſiſche Invalide* in St. Peteröburg die Sache zu be 
Ihönigen fucht, iſt höchſt erbärmlich, und zeigt nur die Unner 
ſchämtheit der Lüge. — 

Nur die einzige „ Montagspoft * macht heute in zwei Jeilen 
eine Anspielung auf die „in einem Hotel unter den Linden vor 
ein paar Tagen jtattgehabten nächtlichen Unordnungen“. Al 
andern Blätter fchweigen, den Winfen und Warnungen dr 
Polizei gemäß. Der Kanzleirath Jacoby (der berüchtigte Joel 
Sacoby) bat jorgfältig nachgeforfcht, wad man im Publikum 
jhen von der Sache wife, und verjucht davon eine ab | 
geſchwächte Schilderung in Umlauf zu fegen; der abgefeinte W- 
Kerl ijt aber diesmal fo dumm und plump, daß grade hurd 
ihn die fchlimmiten Umftände erjt recht befannt geworden tin. 
Das fommt davon, wenn man jede Nichtönugigkeit zu Pelie: 
dienten verwenden zu können meint! — 

Ueber die Memoiren Talleyrand's. Er hat fie feiner Ridte | 
der Herzogin von Dino (Sagan) und Herren von Bacoutt zit | 
Verwahrung übergeben. Sie follen erft dreißig Jahre nad 
feinem Tode veröffentlicht werden; damit find die Prüfunga | 
feiner Zeitgenofjen vermieden, was den Werth der Angabe | 
mindert. — 

In den Blättern für litterarifche Unterhaltung giebt den 
Marggraff eine ausführlihe Beurtheilung des Freytag'ſchen 
Romans „Soll und Haben”, und ſcheint mit gutem Reit | 
denjelben auf eine ziemlich untere Stufe hberabzuftellen. — 

Dem General von Höpfner machte jemand große Kobfprüdt 
über feine Gefchichte ded Krieges von 1806 und 1807, um 







143 


erte fich über die gräßliche Verwirrung und Rathlofigteit, 
yamals im preußifchen Kriegsweſen geherrſcht. Der General 
e mit bedächtigem Ernft: „Dürfen wir denn ficher fein, 

es jetzt nicht ebenjo, micht noch ärger fein würde?" Be— 
tungen, wie ein König von Preußen fein müffe, wenn er 
in der That, und nicht blos dem Namen nach fein wolle. — 


Dienstag, den 26. Juni 1855. 

Träume von Juden und jüdifchen Gebräuhen! Früh 
ifgeſtanden und gefchrieben. — Der heutige Publizift macht 
ı unfcheinbarfter Weife die ablehnende Bemerkung, ed lohne 
icht der Mühe über die neulichen Vorgänge in einem Hotel 
usführlich zu berichten, dergleichen fei unbedeutend und werde 
leich vergeilen fein wie jo vieled Andre. Ta, vom Publikum! 
ber Offiziere und Polizei werden es fchon behalten! Der 
'önig foll anfangs im höchften Zorn gegen die Polizei gewefen 
in, darauf foll diefer fich gegen die Offiziere gewendet haben, 
ndlih aber durch Hinckeldey's kluges Behandeln neutralifirt 
horden fein. Dem Könige wird alled Weitläufige, fagt man, 
ald langweilig, und wenn er audführliche, wiederholte Bor: 
täge mit gehäuften Akten zu befürchten hat, wendet er jich 
eicht von dem Gegenftand ab. Das wird denn fleißig be- 
wuutzt. — 

Herr von Hindeldey fagt, er gäbe viel darum, wenn die 
Geſchichte im Hotel du Nord nicht gewejen wäre, er habe jedoch 
beftimmten Befehl vom Könige gehabt, das Hafardfpielunmefen 
niht länger zu dulden. Die Sache des Spield wird alfo fehr 
in den Vordergrund gezogen. Herr von Heidebrand, wegen 
Zpield längere Zeit ſchon übel angefehen, und Mitglied des 
sodey: Klubs, ift von Berlin audgewiejen worden. ‘Dagegen 
rird der Polizeilieutenant Dam wohl an einen andern Ort 
erjegt werden. 


144 


Die geftrige „ Feuerfpripe“ enthält auch einige Angaben 
über den Vorfall. An diefe Montagsblätter fcheint die Pole 
bei ihren Warnungswinken nicht gedacht zu haben. Die &: 
rüchte im Volk find ſehr mannigfah, überbieten einander, 
widerfprechen einander. Nach einigen Angaben waren di 
Offiziere betrunfen, nad) andern der Polizeilieutenant. — / 

Die Zeitung „Le Nord“, mit rufjifhen Geld geitifte, 
erfcheint nun in Brüffel, und lügt Unabhängigkeit von hr 
ruffiihen Regierung! Die belgifche Regierung hiedurch midt 
geirrt, hat die nicht belgifchen Mitarbeiter von Brüſſel wer 
gewiefen, und damit dem Blatte dad Herz ausgebroden; & 
war vorauszufehen, daß Kranfreih und England das Unter: i 
nehmen, das ihnen unter die Nafe mit der Fauſt drohte, mict 
würden beftehen laſſen. Die ganze Sache war übel an | 
gelegt. — | 

Die Berlufte der Franzoſen und Engländer am 18. ka ı 
dem mißlungenen Sturm find nun genauer angegeben, mit | 
geringer ald man dachte. — Große Jerftörungen im Aſoff'ſchen 
Meer. — 

Zu Haufe noch Geſpräch mit Ludmilla. — In Goetk | 
gelefen, in Baulabelle, Lichtenberg. — Engliſche Tage 
blätter. — 

Mit Erftaunen und Sorae ſeh' ich aus mancherlei- Zeichen, 
welch ein troßiged und drohendes Geſchlecht in der jepigem 
Jugend heranwächſt, die Knaben alle jind muthig und rauf 
begierig, achten feiner Autorität, ale die fie felber als jolde 
gutheißen, höhnen alle die Lehren, die der Staat und die Kirdt | 
ald die einzig richtigen aufftellen, find freigeiftifch und fr 
heitöliebend. Wenn man die Schaaren aus den Schulen anf 
die Straße jtürzen fieht, fo kann man aus den Gejichtern und | 
dem Benehmen jchon erfennen, weld ein Geift der Unab 
hängigkeit und Entichloffenheit in diefer Jugend herrſcht. Si 
fümmert fi um die Erwachjenen nicht, treibt auch nicht der 





145 


trüberen Unfug, ift nicht herausfordernd, aber fie leidet feine 

Beeinträchtigung, und wirft fogleich auf die verfuchte zurüd. 
Die Konftabler halten jich der Schuljugend gegenüber fehr 
vorfichtig, und fcheuen ſich mit ihr anzubinden. Bemerkens— 
werth it auch, daß unter den Knaben noch die Vorgänge, 
Nedendarten und Stichworte von 1848, die bei den Erwachſe— 
nen etwas vergeflen fcheinen, noch in gutem Andenken und 
güng und gäbe find, wie 3. B. „An meine lieben Berliner“, 
Jacoby's Worte an den König, „breiteite Grundlage”, ja 
ſogar das Wort „Erbweisheit“ ift in ſpöttiſchem Sinne gehört 
voorden. — 


— — — — 


Mittwoch, den 27. Juni 1866. 
Unholde Träume! Wie darf dies Unthier Reumont in 
meinen Schlaf eindringen? Zwar that er ed um ſich zu ver⸗ 
abihieden, aber auch fo nur unwillkommen! Sein Pater, 
Alzt in Machen, ließ fih von Eulogius Schneider Empfehlungs- 
Briefe an Robespierre geben, diefe wahre Gefchichte verwandelte 
ſich im Traum zu den widrigften Zerrbildern. Der Sohn 
 waahte fein Glüd durch Empfehlungen Bunfen’s, deilen Name, 
ſeit Bunfen in Ungnade, nicht mehr über feine Lippen kommt. 
Ffui, was ift für efled Gefchmeiß obenauf! — 
| Früh aufgeftanden und gefchrieben. Unterbrehung durch 
. Schwindel, aber nur furze, ich konnte bald weiter fchreiben. — 
= Bolgmeter in das Stammbud, der Fräulein Anna Gott: 
 Beiner. — 
. Nachrichten aus Wien; Beſorgniſſe wegen Italien, man 
Kraut dem Louis Bonaparte nicht, und fühlt fehr, daß man 
ihm Grund genug gegeben hat, auch feinerjeit® mißtrauiſch 
und treulos zu fein. Der Gedanke einer Verbündung mit 
' Rufland ift gar nicht mehr fo fremd; der Kaifer aber iſt 


rathlos, unentichloffen. Das Lob, das man ihm aufpaden will, 
Barnhagen von Enfe, Tagebüder. XII. 10 





ih nur im Tagesgenuffe binzutaumeln; aber unvermul 
erheben ſich dort und hier bedeutende Zeichen eines guten 
noch ganz frischen Gedächtniſſes im Volke, das feine Tui 
arbeit leiftet, aber dabei der Vergangenheit wie der Zul 
gedenft, und feiner Stunde harıt. Die Demokratie ı 
mancherlei Rebengzeichen, Erinnerungen von 1848 treten bi 
hervor, auch bei dem Junkerthum, der Reaktion, bei di 
freilich als Ausdrud der Furcht und Warnung! — 

Die Neue Preußiſche Zeitung will mir wieder einen < 
geben; jie fagt, Lermontoff fei nicht liberal gewefen, oh) 
Barnhagen von Enfe ihn überfept habe! Das Bieſt 
feinen Stachel mehr, ift matt und ftumpf. — 

Der König will durhaus nicht Fran? fein, hat das? 
wieder verlaffen und Bortrüge der Mintiter angenom: 
Die Königin verhehlt ihre Unrube und Beſorgniß nicht. - 

Die deutſchen Zeitungen werden allmählig dreijte 
Beurtheilung der franzöfischen Angelegenheiten und L 
Bonaparte’s felbit. Man läpt ihnen von obenher ind 
Richtung mehr Freiheit. Die ängitlihe Rückſicht, die 
voriged Jahr jede dem franzöfijchen Gewalthaber miph 
Aeußerung vermied oder rügte, findet nicht mehr Statt; 
fühlt, daß die Staatsſtreichshand, die man bis dahin! 
und fürchtete, weniger Fräftig laftet, die Furcht vor Ar 
unternehmungen gegen Deutfihland, von Stiftung eines r 
Nheinbundes ꝛc. hat nachgelaffen. In der That ſteht 
jest alles andere, ald vor dem Jahre, — 


147 


zolizei, und jener blieb vollfuommen Sieger. Der Polizei: 
nant Dam hat Unrecht befommen, feine Kameraden 
‘en, .mit ihm nad) feiner Aufführung und erlittenen Be- 
lung nicht mehr dienen zu fönnen, er befommt den Ab: 

Er war betrunfen, fam mit dem Hut auf dem Kopfe, 
der Gigarre im Munde in’® Zimmer, benahm ſich fehr 
yührlih ꝛc. So heißt es jetzt mit Beftimmtheit, während 
heilnchmer fich luftig in's Fäuſtchen lachen und prablerifch 
len, wie fie den armen Teufel verhöhnt, genarrt und 
gt haben! Herr von Heidebrand und der Rafa, der zuerft 
wiefen worden, foll nun gar nicht dabei gewefen fein, 
‚ft wieder hier. — 


— — — —— 


Donnerstag, den 28. Juni 1866. 
'teidlich geſchlafen. — Geſchrieben. — Die Spener'ſche 
ing macht dringend aufmerkſam, daß für Preußen ein 
Rückſchritt drohe, nämlich die Umwandlung der fon- 
ionellen zweiten Kammer in eine ftändifche; die Nation 
:uterer entgegen, fie möge daher auch durch die Wahlen 
a, daß fie ſolchen Rüdichritt nicht wolle. Gut gemeint 
gut gefchrieben. Aber ich kann es feinem verdenken, der 
ren Kleinfram diefer Dinge fich nicht fümmern will. Bei 
em Herrenhaus ift wenig dran gelegen, wie das Haug der 
:ordneten bejchaffen jei; aus dieſen Dummbheiten wird 
s Kluges, dad Ganze mag der Teufel holen! ch verdenk' 
yer auch niemanden, der im guten Sinn aud) den Klein- 
beachtet. Nur mich foll man ungefchoren laffen, ih mag 
fann nicht hinabfteigen von dem Standpunft, den ich 
‚ fiebzig Fahre Mitjtrebend und Miterlebend endlich er- 
men habe. — In Baulabelle weiter gelefen; die franzö- 
n innern Ingelegenheiten behandelt er mit großer Sad: 
niß und ſcharfem Urtheil, fein nationaler Eifer tft hier 
10° 


148 


auch dem fremden ehrenwerth, ja wohlthbuend. Gr haft die 
Feigen und die Schurken, und die Schickſale Frankreichs waren 
oft genug in den Händen der einen oder der andern. Die 
Bourbonifche Reaktion erfiheint in ihrer ganzen Wuth und 
Berächtlichkeit. — 

Beſuch von der Geheimräthin Steffend und Tochter, jie 
reifen nad) Dresden. Traurige Nachricht von Bettina ven 
Arnim, fie ift in Bonn ſchwer erfrankt, die Aerzte geben weniz 
Hoffnung, die drei Söhne ſind ſchleunigſt von bier zu iht, 
geeilt, ihre Ankunft aber durfte der Kranken noch nicht gejagt | 
werden. Mir fuhr es fchmerzlich durch die Seele! Ich mu 
mir fagen, daß fie eigentlich ihr Leben ſchon ausgelebt, da ſie 
nicht viel Guted mehr zu erwarten bat, wohl aber Schmen | 
und Leid, aber fie leuchtete noch immer für Andre, und init JFr 
würde ein Stern erlöfchen, den zu feben ein Trojt undem | 
Freude it! — | 

In London ernfthafte Volksaufregung gegen die im Par 
lament in Antrag gejtellte ftrengere Sonntagsfeier; als wenn 
die nicht fehon arg genug wäre im firchlich verdummten Gay fr 
land! Sie find toll mit diefer wohlfeilen Frömmigkeit, Wi 
nod dazu gar feinen Grund in der Bibel bat, fondern am: 
willfürlihe Einrichtung der Menfchen ift. In der Bibelik 
vom Sabbalh die Rede, dem fiebenten Tage nach der Schöpfung; 
an welchem Gott geruht hat. In England ftammt der Schwu⸗ 
del von den Aufrührern, von den Königemördern her, m 
doch behalten fie ihn bei! Das Schlimmite für ung ift, de 
uns England, dad Land der Erbweisheit, mit jeiner Erbtellhek 
angeftedt hat! — | 

Der König hat wieder einen Fieberanfall. (Man ſprich 
von fleinen Schlaganfällen.) 

















8 
9 
1 

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4 
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Freitag, den 29. Juni 1855. 

Spät eingefchlafen und fhon um 5 Uhr wieder wach. 
leſen. — 

Die Krankheit des Könige, wenn auch im Grunde 
h feine gefährliche, wirkt doch fichtbar auf die Haltung und 
3 Betragen vieler Menſchen ein. Die nächiten Umgebungen 
rden ftill und fcheu; der Eifer der Partheien ftodt; die 
inftlinge fehen ſich nach Wegen um, entiveder neue Gunft 
ſtatt der alten zu erlangen, oder doch leidlich gut Davon: 
tommen. Die Neue Preußiſche Zeitung ift ganz matt und 
den. Die Burfche fühlen, daß fie bei einem Regierungs— 
chfel übled Spiel haben würden. Der Prinz von Preußen 
zwar dem Adel günftig, und allem altpreußifch Beitehenden, 
er die Zunfer-Frömmler: Parthei ift ihm ganz verhaßt; diefe 
rde mit Schimpf und Schande vom Schauplag abtreten. — 
zwiſchen iſt der König heute wieder wohl, — 

Freiheits- und Baterlandöfreunde aud Hannover find hier, 
ı Unterftüßung gegen die dortige Junkerparthei, welche die 
tfaffung abfchaffen will, zu gewinnen. Wenn fie dergleichen 
m Hof und der Regierung erwarten, fo find fie ſehr ver: 
mdet; auch die politifchen Gründe, die hier von Gewicht 
n fönnten, Preußen im Auslande freifinniger handeln zu 
ſen, als ed im Inlande fein will, gelten im Augenblide 
hts; der Eigenfinn einerfeitö, andrerfeitd die Gleichgültig- 
t, laffen es zu feiner Erwägung fommen. Die Unfähig- 
t unfrer Minifter wird lebhaft beiprochen, nirgende edler 
ift oder ftarfer Karakter, höhere Anficht oder Blid in die | 
kunft; lauter Tagesmenfchen, Gunftleute, Stellungsfrohe ! 
nd wenn die Humboldte, Steine, Hardenberge, Herbberge, 
eifenaue 2c. bei und wie Heu zu haben wären, Minifter 
erden doch nur ſolche fein, wie die es jegt find.” — 

Zu dem Goethe: Schiller » Denfmal in Weimar bat der 
fer von Defterreih 300 Dufaten beigefteuert. Das mag 





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hingehen, obwohl jchwer zu fagen wäre, mas der Kaiſer mir 
Goethe und Schiller zu thun hat, ja nur von ihnen weis, 

außer dem Namen. Über daß aud der — Louis Bonaparte 

fi) mit gleicher Summe herbeidrängt und. an dem Denkmal 

betheiligt, daß diefed Geld angenommen wird, — das iſt ein 
Schimpf, eine Berunchrung der andern Fürften und de 
ganzen Unternehmens! — 

Vertraute Nachrichten aus Rußland, daß eine tiefe und 
weitverbreitete Unzufriedenheit im Innern furchtbar gäbe, j 
und bejonderd im Süden viel revolutionairer Geift fprük. | 
Der ruffifhen Regierung find Siege jo nothwendig wie hr 
franzöſiſchen. Man fieht ſchon ald unvermeidlich an, dij 
Rußland von der Revolution endlih aud ergriffen werk 
So führt der Krieg überall zu Berwandlungen , in der Türke, 
in England, in Rußland, — jie fommen aus dem Kriege ie $- 
wie fie hineingegangen, nicht wieder heraus. — | 























Sonnabend, den 30. Juni 1855. 

Früh ufgewacht; geſchrieben, über die politiſche Bi Ra 
jamfeit des einzelnen Bürgers, die Seltenheit richtigen, Hart: 
Urtheils; ed giebt Zeiten, wo er nicht thun fann, als we 
der Soldat im Frieden thut, fich ftärfen und üben, Inn] 
Waffen in gutem Stand halten, wach, fein und aufmerlen; 
es giebt wahrhaftig jept in. Preußen nichts andres zu thual; 
Wer fich befonders berufen fühlt, möge fih an Gemeindeſahen 
betheiligen, an Wahlen, an Kammern, aber eine Pilicht if eh 
nicht, und viel nügen wird ed auch nicht. — In der Meinung 
der Männer von 1848 ift wirklich fein Boden feit und würk j 
ald der deö damaligen deutichen Parlaments, von dem * 
Nationalverſammlungen von Berlin und Wien nur Zwei 
waren, fie gründeten fi} in der That nur auf den Beichlüfiek 
von jenem. — 


151 


Daß Defterreich ein Fünftheil feiner Heeresmacht auf Urlaub 
atläßt, wird von einigen Tagesfchreibern zum Lobe Preußens 
enutzt, welches Flüger und ſparſamer feine Streitfräfte noch 
ar nicht aufgeboten hat, Allerdings ift Preußen im Augen 
ide darin günftig geftellt, daß es feinen Friedenszuſtand noch 
erhalten und feine Kriegdmittel nicht im voraus aufgezehrt 
bat, — wiewohl doch zum Theil, denn wenigſtens ein Drittheil 
der bewilligten Gelder ift doch ſchon verausgabt, — allein diefer 
Zuftand ift keineswegs ein Berdienft der Regierung, feine Folge 
ihrer Einſicht, fondern ift ein reines Glüdl, hervorgegangen aus 
den Kriegsereigniſſen, ein Glück, das eben fo wieder ſchwinden 
und in fein Gegentheil umfchlagen fann, ein Glüd, das ſich 
iber Preußens Unfchlüffigkeit und Schwanfen ſchützend gelegt 
at. Wären die Kriegsereigniffe anders ausgefallen, hätte 
Deiterreich fein begonnenes Spiel, anftatt fi mit der Bejegung 
er Moldau und Walachei zu begnügen, fortzufeben gewagt, fo 
dvürde Preußen jest die Schuld feiner Säumniffe ſchwer zu be- 
ahlen haben, Auch ift zu bedenken, daß, wenn Preußen gleich 
Anfangs mit Defterreich gegen Rußland aufgetreten wäre, der 
Ihon für jenes fo nachgiebige Kaiſer Nikolaus noch mehr nach- 
gegeben hätte, und die ganze Krifis einftweilen, für die erſten zehn 
Sahre vielleicht, befeitigt gewefen wäre. Kein Berdienft, nur Glück 
and nur unfichres, veränderliches, dad morgen aufhören kann! — 

Gegen Abend Beſuch von Herrn Hermann Grimm, der mit 
feinem Bater nach Wildbad reift. Er fpricht mit großer Trauer 
und Anerkennung von Bettinen ; die Nachrichten aus Bonn 
lauten etwas beſſer, doch foll die Hoffnung gering fein, und die 
Lebensgefahr nicht befeitigt. Bettina war längere Zeit fo, 
daß man gar nicht mit ihr reden fonnte, fie wurde daher auch 
hne ihre Zuſtimmung allöopathiſch behandelt. Wenn ſie ſtirbt, 
zird es einen großen Riß geben, ſie wird Allen, die fie gekannt 
aben, auf's jchmerzlichite fehlen, und kann durch nichts erſetzt 
erden. — Grimm dann bei Ludmilla. — 





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In Lichtenberg gelefen, in Forfter’d Briefen, in Goethe. — 
In den Arnim’fchen Papieren einiges geordnet. — 

Gutes Wort von Lichtenberg: „Das, was man mir 
empfindet, auch wahr auszudrücken, mit jenen Fleinende 
glaubigungszügen der Selbftempfindung, mat 
eigentlich den großen Schriftfteller, die gemeinen bedienen je 
immer der Redensarten, dad immer Kleider vom Trödelmartt 
find.“ Kleine Beglaubigungszüge der Selbftinpefindung, hi 
trifft! Jean Jacques Rouffeau, Rahel, Dudevant! — 

Der Prinz Friedrih Wilbelm, Sohn des Prinzen mn Je 
Preußen, hat ed gewagt, mit dem König über Dirihlet jı ie 
fprehen, den Minifter von Raumer anzullagen, dap erfüt fe 
jenen nichtd zu rechter Zeit gethan, und den König anzugehn, P 
daß er an den König von Hannover fchreibe, um Dirichlet wiede 
loszubefommen. Der König fchimpfte auf Raumer, welltt id Er 
aber doch zu nichts entfchließen. Brief des Prinzen hierükt fr 
an Humboldt. Guter Wille. -- 


Sonntag, den 1. Juli 185. 
Die Nationalzeitung bringt einen Artikel, der ihren pieujſch | 
deutfchen Standpunkt darlegt und vertheidigt; einigem tann19#] 
beiftimmen, andrem nicht; auf legteres hab’ ich chen im 
aus geantwortet, noch geftern zum Theil. Preußifch und Deutiäy 
das mein’ ich auch, aber mit dem Wort iſt's nicht gethan, wm 
wenn ed die Sache gilt, ift fie nicht zu finden! — 
Sendung von Herrn Hermann Grimm: „Die Famiı 
von Meyern. Bon Kurt von Schlözer. Berlin, 1855.“ Gun 
feine Sonderfchrift. — 
Befuh vom Grafen von Kleiſt. Drittehbalb Stunde 
Mancherlei Deittheilungen, muthwillige, ernfte, vertraulik 
allgemeine. Die Zeit verging rafch genug. Bom biefig 


153 


em Reben der jüngern Prinzen, dem GSittenzuftande, 
ellihaftlihen Berhältniffen ꝛc. ergiebige Nachrichten. 
bricht, daß Lord Raglan in der Krim geftorben ift, 

Rahel's Papieren gearbeitet; die Erinnerungen wurden 
aft und bewegten mich fo, daß ich die Arbeit nicht fange 
eBen vermochte. — 

Baulabelle gelefen, in Zeitfchriften. Franzöſiſche 
. — Inder Schrift von Kurt von Schlöger machte mir 
173 die Schilderung Johann Gottfriede von Meyern, 
Schichtichreibere des weitphäliichen Friedens, viel Ber: 
; mit einer Gefchidlichfeit und einem Maße, die ich 
Ich nennen möchte, wird und ein Bild feiner großen und 
igen Arbeit, und unvermerft auch ded ganzen weitphäli: 
jriedendgefchäftd in aller Kürze vor Augen geftellt. m 
ufzählung der Meyern’fchen Familienglieder vermiß’ 
badiſchen Gefchäftdträger von Meyern, den ich in Karls: 
nd Berlin gekannt, und deſſen gute Anlagen leider in 
miger Frömmelei untergingen. Er war aus Braun 

Mein Dya-Na-Sore-Meyern fcheint einer anderen 
e angehört zu haben. — | 
ute find die neuen Anfchlag- Säulen von Litfaß in öffent- 
Gebrauch gefeßt. An den Strapeneden, Brunnen und 
m jind über Nacht alle früheren Anfchläge verfchwunden. 
den bildet fich nicht wenig ein, diefe neue Einrichtung 
jeßt zu haben. Indeß erhebt ſich mancher Widerfpruch, 
rd auch wider die Damit verbundne hohe Steuer. — 
englifhen und franzöfiichen Blättern wird von der 
eit des Könige gefprochen, ale wenn e& mitihm zu Ende 
jie [prechen von bevorftehendem Thronwechſel, und da- 
gewärtigendem Wechfel der Politit Preußens. — 
er von Profefch ijt zum Bundestag zurückgekehrt. Defter- 
gt ed wiederholt darauf an, Deutjchland an fich zu binden 


[2 


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in ihm die Obermacht zu erlangen. Was Preußen nicht er 
reichen konnte, — aus Mangel an Entfchloffenheit „und 
thörichtem Reſpekt ded Königs vor den deutfchen Füriten‘, — 
das fann Defterreich glüdlich gewinnen, Oeſterreich ten: 
jchloffener, fühner, bat ganz und gar nichts von jenem thöridtn 
Reſpekt, im Gegentheil, es fiebt die Fürſten als feine Bajallen 
an, die durch Empörung fid) losgeriſſen haben; wenn fie al 
zu Grunde gingen, Defterreich würde dazu lachen. — 


— — — — — 


Montag, den 2. Juli 1855. 
Erinnerungen vergangener Zeiten werden mir lebhaft auß 
geregt durch das eben erfchienene Buch: „Clemens Brentanei 
gefammelte Briefe von 1793 bis 1842. Mit vorangehenkt 
Lebenöbefchreibung des Dichtere. Frankfurt am Main, 1855. | 
Zwei Bände, Das Buch macht mir den widrigiten Gindrud, 
ed giebt mit allen feinen richtigen Angaben und authentiden 
Mittheilungen durchaus keine Wahrheit, ihm iſt die Hauptiadt 
das fpätere firchliche Frömmeln des Helden, fein aus feige 
Angit und läppifcher Fafelei zufammengefegtes fathelide 
Eifern, alles Andre foll dagegen ſchwinden, höchſtens als ig 
und Stufe dazu gelten. Welch ein genialer, toller und niht® 
nußiger Burfch er war, erführt man durch dieſe Schilderung 
nicht. Der wilde Brentano war wenigftend liebenewürtg, 
der befehrte ift nur widerwärtig, fein Talent fogar erlijcht, und 
ed bleibt nur eine troftlofe Schwäche übrig, die doch noch eitel 
it, und blenden mag. Auch fein Bildniß hat in düſtern, fummer: 
vollen Zügen den Ausdrud der Schwäche, er fcheint über feine 
eigne Elendigfeit, die er recht gut fannte, zu trauern. Und 
diefer lügenvolle Schwächling hat den Glaubensleuten im 
ponirt, hat auf den ürjtbifchof Diepenbrod von Breslau furl 
eingewirft! Wir erfahren, daß diefer vormalige Kriegsmam 





155 


rhenfürft im Jahre 1848 in Breslau fo von Angjt und 
en ergriffen worden, daß er unter andern die Briefe 
no's an ihn ald gefährlich verbrannt hat! (Grade wie 
in bier!) Das ganze Buch ift ein Jammerding, nichts tritt 
gehörige Kicht, weder Brentano's Heirathen, noch feine 
Nchaften, nicht feine Berhältniffe, noch feine Begegniffe ; 
erhältnig zu Luiſe Henfel ift ganz falfch gejchildert ; 
jind die größten Lücken. Daß nicht von den Prügeln 
hrfeigen die Rede ift, mit denen er überall bedacht worden, 
y nicht einmal rügen. Ueberhaupt war weniger feine 
enfeite darzuftellen, ald vielmehr feine Sonnenfeite, die 
irch die falfche Richtung ganz verdüjtert ift. Ein widriges, - 
lechtes Buch! Aber ich werd’ es doch genauer durch⸗ 
rüffen. — Der Prinz von Preußen war in Schlefien 
eim Fürſten von Hapfeldt in Trachenberg zum Befuch, 
ir mit feiner dortigen Aufnahme fehr zufrieden, wie er 
ürften und der Fürſtin in den verbindlichitien Aus— 
bezeugte. Auch hierin widerfpricht der Prinz durch 
enehmen auffallend dem des Könige, der den Fürſten 
18 ungnädig behandelt, und befonders von der Fürſtin 
wiſſen will, weil fie den katholischen Fürften geheirathet, 
‚von feiner früheren Gemahlin hat fcheiden laffen, was 
ie Landesgeſetze ihm geitatteten, die fatholifche Kirche 
iht. Die Breölauer Zeitung hebt diefen Befuch 'des 
ı fehr hervor. — 
8 erfte Blatt von Le Nord verfpricht große Mäßigung 
Uigkeit, nennt aber die Kreuszeitung als feine Gleich: 
e! Hr. von Schöpping fordert hier alle Welt zu Bei- 
auf, verjpricht reiche Bezahlung, und wirbt Bericht: 
t an; die Lumpen von hiefigen Litteraten, die hier etwa 
en möchten, fönnen aber zu wenig Franzöſiſch. — 


156 


Dienstag , den 3. Juli 1855. 

Reidlicher Schlaf, aber widrige Träume von Franzoſen! 
Früh auf und gefchrieben. Die Arbeiten häufen fich wieder 
ungebührlich, die Rundfchaft ift fehr groß, nur ijt fie eine folde, 
die man gern Andern überließe! Manuffripte durchſehen und 
allenfalld durchbeſſern, Verleger dafür fchaffen, Beiträge zu Zeit 
Ichriften geben, gedrudt Erjchienened rühmend anzeigen, Ks 
frologe fchreiben, und dann noch artige ganz unnöthige Inter: 
haltungsbriefe, damit könnte ſich ein Geſchäft führen lafen, 
das an Umfang alle andern überflügelte! — | 

Hier herrſcht jebt eine große Abfpannung und Gleichgültig⸗ 
feit, man hat für den Augenblid nicht? von Frankreich ned 
von Rußland zu beforgen, und daß Defterreich fein Heer we: 
tingert, erfüllt die Gemüther mit ſchadenfroher Trägheit; nun 
glauben fie erft recht ficher zu fein und dem Gigennup und 
Vergnügen ruhig nachgehen zu dürfen. Dies ift dieallgemein 
Stimmung der Negierenden wie der Negierten. Der Küng, 
die Prinzen, die Staatdminifter und hohen Beamten ſenſt J 
denken an Sommeraufenthalt, Badereifen, Ferien, die Stual J 
mafchine wird der Obhut der Gefellen und Lehrburſchen uber | 
laffen, und wenn nichte Außerordentliche vorfällt, genugn J 
diefe auch völlig, fie thun ohnehin zu allen Zeiten das Nöthigit 
und Befte, und zeigen recht eigentlich, wie überflüffig die faulen, 
wohllebenden, fogenannten Minifter find. Doch Müglichgenm 
haben diefe ich gewiffe Entfcheidungen vorbehalten, und mahn 
jich dadurdy nothwendig, fo daß ed zum Unglück werden kann, 
wenn fie fehlen. Was fümmert das die Schweiger und Brafer! 
Sie rechnen auf Glüd und haben's nur zu oft! “Doch fommt 
gewiß der Tag, wo jede Nachläffigkeit und Berfäumnig ihr 
PBergeltung findet; und inzwifchen wenden die Menſchen 
fich immer mehr ab vom Staate, vom PBaterlande, es kommt 
wieder dahin, wo wir es im Jahre 1806 fahen. Einer der 
angefehenften Edelleute und reichiten Befiker in der Matt, 





157 


U Kammerherr von Wülfnik, welcher mit andern Edelleuten 
ach dem Frieden von Tilfit dem Kaifer Napoleon in Dresden 
wfwartete, um Nachlaß der Kriegszahlungen zu erwirken, bat 
tamald den Eroberer, doch lieber die Mark dem Slönigreich 
Weitphalen einzuverleiben, da würden fie es beffer haben und 
leichtere Steuern tragen. So dashten damals viele Mitglieder 
der Ritterfchaft, doch zum Glück nicht alle, fondern eine Min- 
derheit. Heute ift das die Geſinnung der Mehrheit, die niedrigite 
Schhftfucht beberrfcht diefe Junker und viele fagen ed ohne Scheu, 
daß fie fein andred Baterland anerfennen als ihren Bortheil, 
daß fie für ihren König und das Haus Hohenzollern nichte 
fühlen, daß fie unter guten Bedingungen eben fo gern Sachſen, 
Medienburger oder auch Ruſſen werden, — hur nicht Franzo- 
jen, denn bei denen halten fie gute Bedingungen für unmöglich, 
ſonſt bequemten ſie jich auch unter Louis Bonaparte, wie da⸗ 
mald unter Jerome Bonaparte. — ch hatte heute befondre 
Beranlafjung zu diefen traurigen Gedanken. Preußen ift ein 
Schiff ohne Steuer, die höchſten, die dringendften Pflichten 
werden verfäumt, die fcheußlichiten Gifte verbreiten jih im 
Innern, die fhändlichften Heucheleien und Bosheiten ftehen in 
Macht und Anfehn, die edelften Kräfte find gelähmt, die guten 
Rihtungen verfchloffen oder eingeengt. Was wird die Ge- 
ihihte einft von diefen Jahren, pon diefer glüdlichen nicht zu 
boffen gewefenen Friſt, die fo ſchmachvoll verfäumt wird, zu 
berichten haben! Die Kataſtrophe von 1806 ift auch nicht in 
diefem Jahre gemacht worden, fondern langjam bereitet vom 
Jahr 1786 an, immer wachfend und fhwellend bie zum Nus- 
bruh! — 

Die Polizei geht jo weit zu behaupten, daß Wirthe, Kon⸗ 
Ditoren, Kaufleute, welche gedrudte Ankündigungen in ihren 
Eofalen aufhängen wollen, dazu erſt eine polizeiliche Erlaub— 
ıiß haben müffen. Wenn der Inhalt nichts Unerlaubted ent⸗ 
lt, fo wäre bier, follte man denfen, nichts was die Polizei 





158 


hindern darf. Aber freilich, die geliebten Anfchlagjülı 
follen nicht gefährdet werden! — 


Mittwoch, den 4. Juli 188. 

Früh um 6 Uhr aufgeftanden, um 7 Uhr Lutmilh zu 
Bahnhof gebracht, um halb 8 fuhr fie nach Hamburg ab. M 
werde für Scheiden immer empfindlicher, die Trennung Ih 
mie weh, doc ließ ich mir's nicht merfen. Als id wide 
nad Haufe fam, fand ich die Wohnung groß und lernt 
fill, und empfand ſchmerzlich den vollen Werth eines tut 
Einverftändniß, Zutrauen und Neigung und verbunkmt, 
mitlebenden Weſens. Ich ftürzte mic in großen Fleij ul 
ſchrieb den ganzen Bor- und Nachmittag, einige Unter 
brechungen abgerechnet. — 

Einiges in dem abſcheulichen Lügenduche „Brike mt 
Leben des Clemens Brentano“ gelefen, Arnim'ſche Sıdı, 
Tageöblätter und Flugfchriften. — 

Zwei Todesnachrichten in der Zeitung; Prof. Dr. Sir 
ftarb in Jena, in Rußland Froloff, der Ueberſehet WM 
Kosmos. — 

Die Times haben fchrediic über Preußen und namentid 
gegen den König felbft geichimpft ; das Parifer Blatt Aſentla 
Nationale vertheidigt ung, das hiefige Minijterialplatt ninzt 
die Vertheidigung auf; fo erfährt das ganze Land, wie m 
Fremden der König und feine Politik angefehen werden! — 

Reumont erzählte heute, daß der Haß der Ztaliäner gt 
die Defterreicher alles übertreffe, was man ſich davon vorfellt 
tönne; die Lombarden vor allen, aber auch die fonjt miltt 
Benetianer habe er in größter Erbitterung getroffen, in um! 
föhnlicher Spaltung und Abfonderung von den Deutfden.- 

Bon einem Ruſſen wurde erzählt, der den Deutſchen a 
Rußland, das heißt den einheimifchen Kur-, Tief und Ei 


159 


n, einen gewaltigen Ausbruch des Ruſſengeiſtes prophe- 
einen Wuthanfall, dem fie unterliegen würden. Tiefer 
hatte auch gelagt, die ruffiihen Bauern feien längit 
reiheitögedanfen und reif zur Empörung, fie wüßten 
anz genau, was in der Welt vorgegangen fei und vor: 
Yie Ohnmacht und Feigbeit der Fürſten im Jahre 1848, 
achherige Wortbrüchigkeit, die Revolution fei Damals in 
nd ganz nahe geweſen, jie werde unfehlbur auch dort 
igen. — 
tr Regierungdrath * hat mir über den jetzigen Fürſt⸗ 
von Breölau, Dr. Förſter, ſchöne Dinge mitgetheilt. 
Kircbenfürjt war vor vielen Jahren fehr vertraut mit 
Iebrüdern Theiner, und bat unter andern zu dem in 
iu noch jeßt lebenden Bibliothefar Theiner voll Unwillen 
‚ das Meſſeleſen habe er fatt, es fei ja doch nur dDummes 
und niemand glaube mehr daran, am wenigften die 
n felbit, er werde auch in der That aufhören, ſich mit 
fanzerei zu befaffen. Als aber Diepenbrod nah Breslau 
nachte Förſter bald eine Schwenfung, ftellte ſich fromm 
frig, jchmeichelte dem Fürſtbiſchof, gewann deſſen größtes 
men und wurde von dem Sterbenden nachdrüdlich der 
des Könige empfohlen, durch die er denn auch der 
ger von jenem geworden. Solchen Heuchler bat man 
n diefer bedeutenden Stelle, ſolchen nichtenugigen Bur: 
Man will folhe, man hält folche für die brauchbarſten, 
at fie am liebiten; dag ihr Vortheil fie einmal auf die 
Seite ftellen fönnte, denft man nicht, man hofft nun 
mer im Beſitze der Macht zu bleiben, und rechnet auf 
Feſſeln. — 
ı der Lebensgeſchichte Clemens Brentano's S. 55 wird 
‚ er habe das Trauerſpiel, Aloys und Imelde“ in der 
on 1813 bis 1815 gefchrieben, aber das Manuffript 
nem Freunde, dem er eö anvertraut hatte, nie zurück⸗ 





160 


befommen, daher es nicht zum Drud gelangt fei. Erhitii Bır 
Stüd in Prag 1811 unter meinen Augen ganz fertig a 
ichrieben, und dann gleich die Libufja begonnen. Der sun 
war ih. Sein Manuffript aber hat er 1814 durd Robel 
wieder befommen, wie ein Brief von ihm Died bezeugt. — 
Unfre Generale fagen, ed fei zwar gut, dap wir ndt Mr 
mobil gemacht haben und die bewilligten Gelder noch großen IJ 
teils daliegen, aber mehrere Millionen feien doch ſchon umit Wr 
andgegeben, aus thörichtem Gifer, und die würden ung, vera 
ed Ernſt würde, fehr fehlen. — | 


Donnerstag, den 5. Juli 1855. A 

Die Neue Preußifche Zeitung hatte gefagt, Recht müſe 
doch Recht bleiben, der Graf von Montemolin dürfe jih dis 
zum lebten Athemzuge unterfchreiben „Ich der König.” Die 
Volkszeitung bemerkt heute hiezu, dies harmloſe Vergnügen 
werde jeder ihm gönnen, auch würde es feinen casus belli 
ausmachen, wenn die Hidalgo's Gödfche und Beutner jih zur | 
Huldigung zu ihm verfügen wollten. Das Beißende lieat in 
der Zufammenjtellung, Beutner dünkt ſich hoch erhaben übt | 
Gödſche, der eigentlih nur für die unfaubre Arbeit ana 1 
nommen ift, aber in der Unfauberfeit find jie einander ale | 
gleih, Gödſche und Gerlach, Beutner und Mitſchke-Kollande, 
Dhm und Wagener. — 

Geſchrieben, Eignes, Fremdes. — 

Nachmittags meine Schreibereien fortgeſetzt. — 

In London große Schlägereien des Volks mit der Polizei, 
wegen der Sonntagsfeier, über taufend Polizeileute ſchlugen 
auf das Volk los, welches die vornehmen und reichen Senn 
tagöfpaziergänger durch Zuruf verhöhnte. Soldaten fchlugen 
jid) auf die Seite des Volke. Großes Gefchrei über Die Rob: 
heit und die Gewaltjamfeit der Behörde. Der Kampf hat ein 





161 


ratiſches Anſehn, · das Bolt erhebt fich gegen die Vor— 
n und gegen dad Beamtenweſen, dad in England er- 
end um fich greift. — 

rd Grosvenor hat unter großen Borwürfen feine Sonn- 
ll im Unterhaufe zurüdgezogen. Die Polizei wird 
angeflagt. — 

ı Koburg iſt der lippe’iche Staateminifter Hannibal 
:, der die Befchwerdejchrift der gothaifchen Ritterfchaft 
ı Bundestag verfaßt hat, plößlich verhaftet und der 
tätöbeleidigung angeflagt worden. Er glaubte fidh im 
e der Ariftofratie ganz fiher. — 

uis Bonaparte hat der franzöfiichen Akademie nach- 
n, und feinen willfürlihen Eingriffen gröptentheils 
. Herr von Sacy, der erſte Zageblattöfchreiber, der 
cher von ihr aufgenommen worden, hat in feiner Aufs 
rede manches freimüthige Wort gefprochen. — 

e Times waren bier wegen der Schimpfreden auf den 
verboten worden, jind aber, es heißt auf Befehl des 
5, wieder erlaubt. Die Schimpfreden find indeß durch 
genartifel hinreichend befannt geworden, was durch das 
ye Blatt felbft hier kaum geichehen konnte, da höchſtens 
8 Abdrücke davon hierher nad Berlin fommen. In 
Sachen berrfcht immer noch die alte Dummheit, Regies 
yeig nichtd von Ritteratur! — 

’ blieb Abends zu Haufe, während es heftig regnete 
ı der Ferne .gewitterte, trant mit Vergnügen meinen 
nd lad in Goethe, in Bacon de augmentis scientia- 
nd Zagesfachen. — 


Freitag, den 6. Juli 1856. 


e Spener’fche Zeitung befpricht heute das neue ruffifche 
att in Brüffel, und rühmt deffen Offenheit und Mäpßis 


nbagen von Enſe, Tagebüder. XII. 11 


162 


gung. „Was und etwa in einem preußifchen Organ mit Elel 


und Unwillen erfüllen würde, wenn es gefliffentlich auf Per: 
berrlihung Rußlands und eine widerwärtige und intrigante 
Polemik gegen den Weiten audginge, das würden wir an 
einem Blatte, das ſich offen als ein ruffifches ausgiebt, er: 


tragen, * aber nun wird noch fogar das legtere nie dem guten | 


Ton entjagen, und jo befommt die Neue Preußiſche Zeitung 
gleich Doppelt Ohrfeigen. — 

Den ganzen Tag fleißig gefchrieben. Bergangne Zeiten 
aufgewühlt, Fragen und Zweifel. Hätten Andre, hätte ih 


die Sachen beffer, klüger betreiben fünnen? Im Einzelnen 
fann id) fagen ja, im Ganzen muß ic) fagen nein. Das Gute | 


hängt mit dem Ueblen allzufehr zufammen, gebt oft grade 
wegs aus dieſem hervor. Dorothea von Schlegel rechnete ihre 
Verbindung mit Friedrich Schlegel, Die fie gewiß in der Folge 
ald Verirrung, ja ald Verbrechen angefehen, zu den Wegen, 


welche der Himmel dazu erfehen, fie zum Heil zu führen; obm 
Zucinde feine Katholifin! Den Himmel fann man dabei aus | 
dem Spiele laffen, aber der Zuſammenhang ift jo, und jede 


Leben voll folder Fügungen. — 

Nachrichten aud Wien. Die Beurlaubungen und Ent 
lafjungen im Heer betragen über 200,000 Mann. Was denft 
man dort? Will man Rußland verföhnen? Erwartet man 


Erichöpfung der Weſtmächte? Fürchtet man deren Feindlih- 


feit oder neue Volksſtürme? Für alle diefe Fälle ſcheint die 


Minderung der Heeresmacht und unthätiges Zufehen nicht | 
das Rechte. Freilich ift der Mangel an Geld ein näditer, | 


gebieterifcher Antrieb! — 
Aus Moskau fhreibt man, dag die Anftrengungen zum 
Kriege nicht noch zwei Jahre fo fortdauern können, daß die 


Menſchen und die Finanzkräfte ſich erfhöpfen, Die Unzufrieden: 


heit erfchredend wächft, — 
Jules Janin hat den Muth gehabt, in einer Leichenrede 


| 
| 






163 


auf die Frau von Girardin feinen Freund Victor Hugo mit 
Nachdruck zu rühmen, diefen Hugo, der nicht aufhört den 
Louis Bonaparte mit tödtlicher Feindfchaft zu fchmähen. — 


Sonnabend, den 7. Yuli 1855. 

Brief aud Hamburg von Ludmilla, Tauter gute heitre 
Nachrichten. Gefchrieben, meine Arbeit fortgefeßt. „Ob es 
was hilft oder nicht, ich thue meine Schuldigfeit,; wie der 
Soldat, der fein Gewehr abſchießt; wenn er nur zwei Schüffe 
thut, wo er drei thun fönnte, verfäumt er feine Pflicht; aljo _ 
frifch wieder geladen, gut gezielt, und: Feuer!’ — 

Beſuch vom General Adolph von Willifen; er ift nicht 
ohne Beforgniß wegen des Könige, es ſcheint ein ernitliches 
Leiden vorhanden, das die Aerzte noch nicht richtig erfennen, 
oder fich fcheuen zu nennen. Andeutungen über Ränfe, die 
in Wien vorgehen, Ränke, weldye den preußifchen Einfluß auf 
Deutfchlund unterdrüden,, den öfterreichifchen fördern wollen ; 
die Parthei der Gothaer, die im Berfall war, hat neue Thätig- 
feit gezeigt, fie buhlt mit Wien und findet Gehör; Mag von 
Gagern foll ein wirkſames Werkzeug fein. — 

In Boswell gelefen, in Goethe’fhen Sachen. — 

Der lippifche Staatöminifter Fifcher ift in Koburg gegen 
800 Thaler Bürgſchaft wieder auf freien Fuß geſetzt 
worden. — 


Der Prinz von Preußen iſt heute Abend nach St. Peters⸗ 
burg gereiſt, um der verwittweten Kaiſerin, ſeiner Schweſter, 
Glückwünſche zu ihrem bevorſtehenden Geburtsfeſte zu bringen. 
Diefe Reife fällt ungemein auf, man legt ihr befondre Ab- 
jichten bei. Man bringt fie in Verbindung mit der Truppen- 
minderung Defterreichd, mit deffen Spannung gegen Frank⸗ 
reich, mit der Furcht vor Revolutionen, mit den Gedanken 

11* 


164 


eined Umſchlags der Dinge und Erneuerung eines allgemeinen 
Bundes gegen Frankreich, wobei Rußland auf feine Pläne im 
Drient vorläufig verzichten würde. Andre meinen, der Grund 
ſei nur, daß dem König die Nähe des Prinzen in Babertöberg 
jest unangenehm fei, wo derfelbe gleihfam auf den Gang ter 
Krankheit des Könige zu lauern fcheine u. f. w. Diefe Ret- 
nung wird von den Herren und Damen des Hofes geflüftrt, 
die von der Reife zum Theil früher als der Prinz wußten. 


In „wohlunterrichtetem Kreiſe“ des Hofes will marı 
wiflen, daß beim Könige Wafferfucht nicht nur au fürchten jei, 
ſondern ſchon angefangen habe. — 


Man tft hier fehr unzufrieden mit dem Gefandten in Bien, 
Grafen von Arnim. (Er gebt jegt eben auf Urlaub nach 
Kiffingen oder Baden.) Man hält ihn für unfähig und nach⸗ 
läſſig dazu. Man ift durhdrungen von der Nothmendigkit, 
ihn durch einen etwas fähigern Menfchen zu erfegen. Allein 
niemand hat den Muth auf feine Entfernung anzutragen : 
auch der König thut ed nicht. Jener ift einmal im Beſiß und 
jo bleibt er. Auch weiß man freilich nicht, durch wen man 
ihn erfegen fol, Der „etwas fähigere Menſch“ it nicht zur 
Hand, feiner der Graf oder Freiherr und ſchon meit im 
Dienft vorgerückt oder gar Exzellenz ift, wie man dee 
fordert! — 


Für beide Schlegel, ihr litterarifches Wirken und ihren 
perjönlichen Ruhm, war es ein rechtes Glüd, daß fie den 
Schaupla ihrer erften Thaten fo bald verließen und fi ten 
nahen Augen entzogen. Sie ließen eine Schaar begeifterttt 
Anhänger und fruchtbare Keime zurüd, die in ihrer fortdauem⸗ 
den Gegenwart fih nicht jo üppig hätten entwickeln fünnen. 
Sie entgingen in der Ferne auch der fcharfen Kritik ihres 
eignen Anhangs, die fie anweſend nicht lange ausgehalten 
hätten. Friedrich Schlegel zog ſchon 1803 nach Paris und 


165 


em franzöfiichen Köln. Auguft Wilhelm verließ 1804 
: und folgte der Frau von Stadl. 


Sonntag, ben 8. Yuli 1855. 
h hatte einen fchönen Traum. Ich ftand mit Rahel, 
rden die Bilder ihred Lebens vorgeführt, fie war innig 
‚ihr wurde freigeftellt fie zu verändern, glüdlicher zu 
en, fehöner, aber fie rief mit Erhebung aus: „ch will 
ıt wie fie waren, ich will fie auch nicht anders! ch will 
mehr aus diefer Welt; ich werfe mich in Gotted Schoß, 
jelig!* Ich erwachte und war tief ergriffen. 
fchrieben. So reicher Stoff, daß ich ihn faum zu be⸗ 
m vermag! — 
ım Dr. Zabel in feiner Wohnung, Zimmerftraße 1, 
Lange Unterredung mit ihm; über Wien, über die 
n Wahlen, über die Reife des Prinzen von Preußen. 
der Wahlen rath' ich zur Borficht und zur Abwartung 
hten Zeit, die Behörden dürfen den Volksfreunden nicht 
Karten fehen, dieſe von jenen ſich nicht überrafchen 
worauf es wahrfcheinlich abgefehen ift. Die Volks⸗ 
e, wenn fie mitwählen — mander wird es nicht 
— , müſſen die demokratifche Fahne nicht entfalten, 
ı die vaterländifche, preußifche, mit der ausdrüdlichen 
ung, daß in der jegigen Weltlage Died vor allem geboten 
e müflen feine Gregoire’d, fondern Royer⸗Collart's 
', feine Mehrheit anftreben wollen, fondern nur eine 
Sppofition, die Einfluß gewinnt, weniger zum Durch— 
le zum Abwehren. Seine alten Namen, neue! An 
t, Unruh, Rodbertug ꝛc. ift künftig wieder zu denken, 
cht! Mit diefen Anfichten ift Zabel ganz einverftanden. - 
reußen ift er ſchon von mehreren Seiten aufgefordert 








166 


worden, die Parole zu geben für diefe Angelegenheiten, ihe 
ihm ſcheint es noch nicht die Zeit. — 

Der ehemalige Prediger der freien Gemeinde in Körig 
berg, Dr. Detroit, hat eine gute Anitellung bei ber deufitu 
proteftantifchen Gemeinde in Livorno, und predigt mit greiem 
Beifall. Hier in der Heimath war er verhaftet, verfolgt, ur 
gewieſen, — zu feinem Wohlergehen! — 

In Darmftadt ift ein Wiesbadener Blatt, melde a 
preußiſchem Sold fteht und in preußifchem Sinne fer, 
vom Poftdebit ausgefchloflen worden. Die Feindſcheft da 
dortigen Regierung gegen Preußen zeigt fich in aller Ag. - 

Vittre lagen über die Polizei, deren dunkles, fhleiter 
des Weſen in alle Berhältniffe eindringt, den ganzen Stat 
unterhöhlt und entfittliht. Ungeheure Geldverſchwendunz 
für alle Anftalten der Polizei, Koften ihrer geheimen Berrck. 
Ueberall Auflaurerei, Beftehung. Der Polizeidirektor Stihr 
hat ſich gegen Hindeldey’3 Willen den Meinen rothen Alıı- 
orden geben laſſen. Hindeldey läßt den Stieber durch geheime” 
Späher beobachten. Stieber hat ſich ein Gut gefauft un“ 
baut ein Haus, Papfe ift ein reicher Mann. Kein Advelecce 
will einen Prozeß gegen die Polizei oder ihre Beamten fühten 
nur die Offiziere bieten noch Trotz, und aud nur die beſ— 
offiziere, mit ſolchen, die nicht bedeutende Namen und Bertin— 
dungen haben, macht man wenig Umftände. — 

Ich war darin immer fehr glücklich, dag ich vor allem tom 
Allgemeine vor Augen hatte, das Litterariſche, Wiffenihuim 
liche oder Politische, und nachher erft meine perfönlide = 
derung; wenn diefe dann ausblieb, war ich keineswege mei 
foren oder gefchlagen, ich hatte immer woran ich mich free 
fonnte, Das perjönliche Gedeihen kam mir meift unge zar 
plöglih und oft in Zeitpunkten, wo jene Befriedigung Mr 

. allgemeinen Theilnahme ſchwach war; gänzlich fehlte Ai 
nie. Auch in diefen Beziehungen muß id) Rahel für mir 


167 


ößtes Glück halten; fie fühlte hierin mit mir auf gleiche Weife, 
id gab mir überdied durch ihre Nähe, was fein andres Ge: 
ick mir hätte gewähren fönnen. — 


- Montag, den 9. Juli 1855. 

Gejchrieben. In meinen Papieren gearbeitet. — Ein 
der Taq, ohne Begegniß, ohne rechten Ertrag und ganz ohne 
Stheiterung.. Im Gegentbeil mancherlei Unangenehmes 
drängte fih ein; fogar die Kanarienvögel machten mir Ber: 
druß und Sorge, worüber ich Doc) zulegt lachen mußte. — 

Nachrichten aus Paris. Louis Bonaparte’d Macht ift 
noch volljtändig, aber fein Anfehn tief erfchüttert, und feine 
dage fängt an fehr bedenklich zu werden. Es gehen gefährliche 
Worte um, dag er Frankreich zu Grunde richte, das Heer ver: 
erbe, die Hülfsquellen erfchöpfe. Sonderbar genug wünjchen die 
tuffen feine Herrfchaft zu erhalten, fie hoffen noch ihn zu gewin- 
en und gegen England zu gebrauchen. Er zeigt feinen Karakter, 
ur oberflächlichen Berftand, Feinerlei Größe und Erhebung. — 

Herr Geheimrath Schönlein verfichert, der König habe 
ur ein leichtes, fchon halb bezwungenes Wechjelfieber; an 
ndre Krankheit ſei gar nicht zu denken. Der Leibarzt ift — 
den der Reibarzt! — 

Geleſen, manches was zu meiner Arbeit nöthig war, dann in 
Hordon's Betrachtungen über den Tacitus, etwas in Puſchkin. 

Die Zeitungen fagen, der König werde nun beftimmt nad) 
Erdmannsdorf reifen, mit der gewohnten Begleitung, Leopold 
von Gerlach, Illaire ꝛc. Er bedürfe der Ruhe, fagen die Hof- 
leute, am Rhein werde er zu fehr aufgeregt. In Schlefien iſt 
Langweile fiher! — 

Die Kreuzzeitung jammert, daß man ihren lieben Hannibal 
fiſcher in Koburg jo rückſichtslos verhaftet hat; er ift ja fein 
zolks/ und Freiheitsfreund, er hat ja nur ald Vertheidiger der 


168 


Ariftofratie, der Junker, den Herzog von Gotha-Koburg ke 
leidigt, er ift ja ein Gutgefinnter, ein kleiner Tyrann di 
detmold’fchen Ländchens, wie fann man den ald Berbrehn 
behandeln, vierundzwanzig Stunden — länger war eamdt | 
— im gemeinen Gefängniß halten!! Qumpen und Shuft | 
find die Kerls allefammt, die jest in den Fleinen Staaten | 
reaftioniren, in Medlenburg, in Heffen, in Lippe, Deiau, 
Rudolſtadt, Sonderdhaufen 2. Wird einmal für diefe Tr 
brecher der Tag ded Gericht? fommen? — 

Das Chriftenthum hat dreihundert Jahre fich unter | 
Drangfal und Noth durcharbeiten müffen, ehe es zur weltlihen 
Anerkennung, zur Herrichaft gelangte, Doc in jener langen 
Zeit der Noth und des Drudes war feine fchönfte Blüthe, fen | 
fruchtbarfted Gedeihen. Die neue Lehre von allgemeiner | 
Freiheit und urfprünglihen Menfchenreihten fämpft nun in 
der Welt feit 1789, alfo ſechsundſechzig Fahre, eine verhält: 
nigmäßig kurze Zeit, wenn diefer Lehre etwa befchieden fein 
foll, auch erft nach dreihundert Jahren anerkannt und fiegreid 
befeftigt dazuftehben. Und wäre diefe lange Zeit des Drudel, 
der Noth und Schmach etwa auch diejenige, in der die Fre: 
heit am fräftigiten gedieh, am fchönften blühte? Ich kann It 
gern glauben! In den Empfindungen, im Geifte, ijt die Frei⸗ 
heit gewiß höchſt lebendig, lebendiger, als fie vielleicht ald 
ruhiges Gemeingut fein kann. In der Entbehrung genicht 
ich fie mehr, als in der früheren Zeit, wo der Anfprud ned 
weniger entfchieden war. Die Freiheit, die wir verlangen, it 
in Wahrheit fchon da, in den Gedanken, im Herzen. — 





Dienstag, den 10. Juli 1855. 

Heute Fein Arbeitstag! DBerftimmte Nerven, fchwerer 

Kopf. Bewegung im Freien wäre gut, aber die Luft ift mir 
zu drüdend. — , 


169 


Nachmittags in Rahel’d und Veit's Briefwechſel gelejen. 
el) Tieblicher Ernit, welch reined Streben und wel un- 
yuldiges Verhältniß zweier fo jungen Perſonen, eine? zwei: 
idzwanzigjährigen Mädchens und eined nicht viel älteren 
tudenten! — 


Gerücht, daß der König einen Schlaganfall gehabt. Mit 
iglaublicher Gleichgültigkeit wird ed gejagt und vernommen. 
Shtena fügt jemand hinzu: „Na, mit den jetzigen Heuchlern 
ıd Günftlingen hat's dann ein Ende, wenigftend andre 
mmen heran!” — 


Haſſenpflug und fein Kurfürft haben alle Mittel erſchöpft, 
n die Mitglieder der .Ständeverfammlung von 1850 wegen 
keuerverweigerung verurtheilen zu laſſen und zu ftrafen; 
er nun hat endlih das Oberappellationdgeriht auch die 
te Befchiwerde ded Staatsanwalts abgewiejen und die in 
ı zwei früheren Inftanzen erfolgte Freiſprechung beftätigt. 
htlih können jene daher nichts mehr ausrichten, ihre Wuth 
iß andre Wege fuchen. — 

In der Spener’fhen Zeitung ift heute ein Auszug aus 
ı fpanifchen Schilderungen, die Donofo Cortes Marquez 
Baldegamad hinterlaffen hat. Vom Fürften Metternich 
dt er ein anfchauliches Bild, ziemlich wahrheitägetreu, in 
hen Zügen, wie ich fie fenne, fo hab’ ich den Fürften oft 
en hören, wie er hier redend angeführt wird; nur fcheint er 
feiner Manier durch das Alter bedeutend weitergediehen 
fein, weniger geiftvoll und mehr fafelnd, unerfchüttert in 
ler Selbitgefälligfeit. Daß der Spanier aber von ihm fagt, 
ipräche fchlecht Franzöſiſch, iſt gradezu falſch und wird den 
rſten fehr verdrießen! — 

Im englifhen Parlament heftige Debatten wegen der 
Ifaunruben. Ein Herr Dundas will Kanonen auf die 
ıaille richten; man ruft ihn zur Ordnung, das könne fein 


170 


Gentleman (d. h. nur ein Hundafott) an diejer Stelle fagen. 
Der Schächer thut Abbitte. — 

Frühere Debatten führen zu Aufichlüffen über den frudt: 
lofen Ausgang der Wiener Berhandlungen. Lord Sohn | 
Ruſſell fucht feine doppelte Rolle zu erflären. Daß alles nd 
in Lug und Trug, in Miptrauen und Heuchelei bewegt, willen 
wir längft. Die Umjtände erlegen den Minijtern die größte 
Schamlofigfeit auf. — 

Daß der Hof, die Ariftofratie, die Miniſter alle wider den 
Krieg find, aber ihn doch führen, jteht nun als offne Thatſache 
da. Der — Louid Bonaparte möchte fi gern aus der Kır- 
legenheit ziehen, indem er andre hineinjtürzte; er ärgetihb 
ſchmählich, daß ihm Oeſterreich noch nicht in die Kalle gr 
gungen iſt. — | 

Das Gerücht, der König fei vom Schlage gerührt werten, 
bat eine ziemlich zuverläfjige Quelle, der Staatäminiiter 
Uhden hat ed zu einem Referendarius Snethlage gefagt. — 





— 





Mittwoch, den 11. Juli 1855. 

Pfaffenbetriebſamkeit in Kirchentagen, Synoden, Zeit: 
ſchriften; die Schwarzröcke nehmen Verabredungen, die mit 
den Landesgeſetzen in Widerſpruch ſtehen, wollen Geſchiedene 
nicht wieder trauen, gemiſchte Ehen nur unter Bedingungen 
einſegnen, ſtreben weltliche Macht an, ſie nach Willkür auszu— 
üben ꝛc. Die Narren! Sie bringen es dahin, daß die Zivil— 
ehe nothwendig wird, daß man ihrem fchändlichen Kirchenmeien 
abjaat ꝛc. — 

Gegen Abend Befuh von Herrn Rechtsanwalt **. Gr 
fpricht viel über Rechtepflege, Gerichtöverfahren, Aufgabe dee 
Staatsanwalte. Im Ganzen läuft alle® darauf hinaus, dus 
dad Recht abhängig ift von der Polizei und vom Hofe, gegen 
beide giebt es fein Recht. Eingreifen der Polizei in Gewerke 


171 


und Verkehr, das Konzeſſionsweſen, das jeden thätigen Bürger 
in Gefahr und in Abhängigkeit hält, das Anfichreißen ganzer 
Gewerbe, 3. B. der Drudanfcläge, der Drofchfen, das Uni: 
fermiren 2. Bon etwa taufend Drofchken beftehen nur nod) 
ſechshundert, die andern find wegen Schifanirungen einge: 
gangen ; ein Fuhrherr hat feine Konzeffion dem Polizetoberiten 
Patzke zerriffen vor die Füße geworfen. Befchwerden gegen 
einen Polizeibeamten werden grade diefem zur Erledigung 
Überwiefen. In einer fcharfen Gingabe der freien Gemeinde, 
verfapt von Herrn Jakobſon, wird Herrn von Hindeldey 
gradezu gejagt, es fei eine bittere Ironie, wenn die Behörde 
auffordere, man folle fich bei ihr beichweren , da jedesmal der 
die Entfcheidung bekomme, über dein man klage. — 
Stegreifverfe von Alerander Dumas (dem Bater): 


„Dans leurs gloires impe&riales 
L’oncle et le neveu sont rivaux, 
L’oncle prenait les capitales, 
Le neveu prend les capitaux.* 


Der Prediger Marot hat hier fein fünfzigjähriges reis 
aurerjubiläum gefeiert. Der Prinz von Preußen war zu: 
gen und hielt eine Rede, in welcher er die Freimaurerei 
ried als eine niit dem Chriſtenthum völlig übereinjtimmende 
hre und Anitalt, und die Freude ausſprach, fo viele chrift- 
he Prediger unter den Brüdern zu fehen. Gegen Hengiten- 
rg und feine Evangelifche Kirchenzeitung. — 


Donnerstag, ben 12. Jult 1855. 
Herr Dr. Eduard Fichte, Arzt und Wundarzt aus Tü— 
ngen, bringt mir Grüße feines Vaters. Cr will hier die 
edizinifchen Anftalten kennen lernen, befondern Antheil 
mmt er an Langenbed und Gräfe. Biel Familienart in 
m, er gefällt mir ganz gut, fcheint aufgewedten Sinnes. 


172 























Ein eigner Eindrud ift es, die dritte Gefchlechtöfolge Tennen 
zu lernen, was mir ſchon oft genug geſchehen ift, aber immer 
etwas Neues hat. — 

In Leipzig verurtheilen die Gerichte eine Anzahl Fra: 
heitschriften zur Vernichtung, wie auch Bildniffe von Robert 
Blum, Trüpfchler, Koſſuth, Battbianyi, Bem, Temme, 
Waldeck ꝛc. — | 

Aus Spanien immer nur wunderliche Dinge, die wir bier | 
nicht verftehen. Espartero meint ed gut, aber die Könige J 
Iſabella ift nicht weniger wie ihre Mutter ed war, ein Mitte: 
punkt von Ränfen und Störungen. In Spanien fo wer M 
wie in andern Ländern Europa's gelangt man zu einem rubigen I 
Zuftand geordneter Freiheit, aber eben fo wenig zu einem 
ruhigen Zuftand von Despotie. Alles nimmt Theil an ber; 
großen allgemeinen Bewegung, die überall nur erft Gäbrung: 
und Kampf liefert, aber noch fein Ergebnig. — 

Zum erftenmal wird es öffentlich audgefprochen, mas id 
längft kommen fah, daß das Bündniß von Rußland, Preußen 
und Defterreich hergeftellt werden könnte, gegen die Webergrifie; 
ded Weftend und gegen die Revolution. Sie bringen’s noqh j 
dahin! — 

In Goethe gelefen, im Tacitus. Englifches, Franjzoͤ⸗, 
ſiſches. — | 

Die Leute fangen ſchon an zu berechnen, was ein Ihrem 
wechjel bei und für Folgen haben fann, wer aus der Gmk 
fallen, wer in Gunft fommen wird. Die römmler ı 
Heuchler hält man für verloren, wenigitend das Pad, dei 
grade jeßt obenauf ift. Die Gerlach's werden weichen müſſen 
und die untergeordneten aber einflußreichen Leute, wie Uhden P. 
Niebuhr, Stillfried ꝛc. Auch für Olfers fiebt man nicht * 
übrig bleiben. Die Miniſter werden bald andern die Geſche 
überliefern müſſen x. Es wird aber noch anders kommen, 
ala man es jetzt ausrechnen fann ! — 


173 


Freitag, den 18. Juli 1866. 

Die „ Deutſche Volkshalle“ in Köln, ein katholifches, ultra- 
sntanesd Blatt, ift unterdrüdt worden durch Entziehung der 
snzeilion, die zum Verkauf ertheilt war. Das heißt im 
eußiichen Staate Preßfreiheit! Es ift nur zu verwundern, 
& auch) dieſe firchliche Seite von der Willkürmacht getroffen 
ıd! Im Grunde ift diefe doch voll katholiſcher Neigung und 
Irliebe. „Unſre Regierung ift fatholifh oder möchte es 
m, inzwifchen da fie noch fo weitzurüd ift, muß fie Diejenigen 
fen, die jo weit vorauf find.” — 

Ein Lehrer Behnſch in Schlefien ift jept hier vom Dis⸗ 
Blinargericht wegen Verhaltens im Jahr 1848 feines Amts 
Mieht worden. Man wußte nichts Thatjächliches auf ihn zu 
engen, aber feine Meinungen waren angeflagt. Gründe 
b das Gericht nicht. Vorſitzender war der Staatsminifter 
ı Uhden! — 

Große Spannung in Hannover, die Minijter in Berlegen- 
+ der Hof in Furcht. Die Reaktion fürchtet ſich vor ſich 
er, fie muß erft Muth befommen! Man ließ den Bundes: 
anrufen, forderte fein Urtheil, gab ihm Recht, nun fürchtet 
ı ihn ald Obermacht anzuerfennen. — Der Präfident 

zweiten Kammer, Ellifjen, hat an hiefige Freunde ge- 
ieben. — 

Herr Dr. Behnih war hierher gefommen, um vor dem 
saiplinarhofe felbit feine Vertheidigung zu führen; er that 
mit Anftand und Gefchidlichkeit, aber natürlich erfolglos. 
an Berbrechen iſt einzig, daß er Borftand der hriftfatho- 
Jen Gemeinde zu Breslau war; eigentlich politifche Hand- 
gen konnte man ihm nicht vorwerfen. — 

„Kraft und Stoff. Bon Dr. Louis Büchner. Frankfurt 

Main 1855.* Der Berfaffer, Privatdozent in Tübingen, 
won der Univerfitätöbehörde aufgefordert worden, fich wegen 
er auffallenden Behauptungen in feiner Schrift zu vers 





174 


theidigen. Wird ihm nicht viel helfen! Der Ring m 
Würtemberg läßt den Frömmlern und Eiferern allen Sp 
raum, aus einfadher Schwäche, falls er ihnen nur nadg 
aus doppelter, falls er fich ihnen zugefellt. Cr hattenien 
Karakterftärke, nur den Schein derjelben jich biemeilen 
gelegt, wenn er den Antrieben feiner Gemahlin Katbıra 
oder feined Minifterd von Wangenheim folgte; and tra 
Herr von Cotta hat ihm manches dargeliehen. — 

Der Ausſchuß der Tiedges Stiftung hat der grau m 
Chézy eine Unterftügung von jährlichen fechzig Thaler ı 
währt. — | 

Der Aſſeſſor Wagener, gewefener Redakteur der Ira 
zeitung, ift Rechtdanwalt beim Obertribunal geworden. ! 
Gericht als armer Sünder follte er ftehen, wegen in 
ihändlihen Lügen und Verläumdungen, der Spiel 
Goedſche's und Ohm's! — 


Sonnabend, ben 14. Juli 185- 

Gefchrieben, in meinen Papieren gearbeitet, Geil 
lachen au. — 

In Hannover find geftern die Stände vertagt wen 
Elliffen und die ganze zweite Kammer liegen die Berjamml 
hoch leben. — 

Nachmittags zur Erquidung t in Goethe’d Briefen and 
von Stein gelejen. Welh ein Reihthum von Leben, 
ſchönſtem Menfchendafein, herrlichſtem Gefühl und eK 
Weisheit! Wie diefe troftreichite Gabe mit fo geringem An 
und von fo wenigen Menſchen aufgenommen worden, an 
gebildeten, von Goethe's Geift und Wort überall d 
drungenen, und dabei noch immer fo hülfsbedürftigen Dei 
land, fo nahe noch feinem Leben, und bei fonftiger Ge 
des weimarifchen Kreiſes, das ift mir ein Räthfel, ein E 


175 


fand befümmerten Nachdenkens. — In andrer Art gilt das 
auch von Schiller’d Briefwechfel mit Körner. Die Leute be— 
handeln diefe Herren wie reiche Gaſtgeber, man läßt fich ihre 
Bewirthung gefallen, zehrt von ihrem Reichthume, um jie 
felbit macht man fi feine Mühe. Und fo verfäumen die 
Thoren doch das Beſte! — 

In Schweden regt jich die Öffentliche Meinung ftarf gegen 
Rußland. Uber der ſchwediſche Geift an fich richtet nichts 
us, ed muß der Freiheitsgeiſt hinzutreten. Gin durd) und 
urch revolutionaired Schweden, das könnte für Rußland ge- 
ihrlich werden. — 

Zange gelefen, im Tacitud, im Agrippa von Nettes: 
im. — 

Ich finde Goethe's Jugend und Rahel’d Jugend in Hin- 
ht Des Sinned, der Gefühle, der Weltauffaffung überaus 
yrilich dieſelbe Heiterkeit und diefelbe Schwermuth in beiden, 
iſſelbe Berhältnig zur Natur, Diefelbe Urfprünglichfeit, 
riſche, Wahrheit. Oft drüden fie beide denjelben Gedanken, 
ejelbe Bemerfung mit ganz ähnlichen Worten aus. Die 
chickſale waren dagegen himmelweit verjchieden, — 

„Es kommt gewiß nod ein Menfch, der darüber Mar ficht. 
ir wollen ihm vorarbeiten.“ So fchreibt Goethe den 
. September 1780. Rahel pflegte jehr oft ähnliches zu 
gen. — 

„Mit den Fahren fteigern jih die Prüfungen,“ fagt 
zoethe. Nabel fagte, noch früher und einjchlagender: „Mit 
m Exiſtenzen fteigern fich die Aufgaben und Prüfungen. " — 

Der Graf von Kleiit bat ſich mit dem Prinzen von 
reußen auf den Fuß gefekt, dag er ihm gelegentlich vertrau: 
che Deittheilungen macht, mündliche und fchriftliche, er weiß 
eje mit der Würze, die dem Prinzen angenehm ift, zu 
ürzen. — 

Häuffer in feinem Gefhichtsbuche wundert fich und klagt, 


176 


daß in der Zeit, wo das deutſche Reich zu Grunde ging, die 
deutfchen Fürften, große und Meine, niedrige umd fehlte 
Streihe machten, dad Ausland die Herrichaft bei und führt, 
daß in dieſer Zeit weder Goethe noch Schiller von diefem Jr: 
jtand der Dinge ergriffen und davon empört waren, dap man 
in Schiller’d und Körner's Briefwechfel diefe Gegenſtände gır 
nicht berührt findet. ch fände eher das Gegentheil jur 
wundern, und in Betreff Goethe‘! und Schiller’3 zu beklagen 
fie würden das eigne Feld thöricht verlaffen haben, um al 
dem fremden nußlofe Klagen zu führen. Häuffer hat fihm 
jene Zeit ſchwerlich recht lebendig zu verfegen gemußt, net 
gehörig Flar überdacht, was Vaterland, Staat und Freiheit in 

jener Zeit, und wo fie waren. — J | 


Sonntag, ben 15. Juli 1855. 

Sendung aus Köln von Herrn Dr. Dünger; noch übet 
die Lurlei; mir war feit früher Zeit fein Zweifel, daß die ein 
fachfte Erklärung hier anzunehmen fei, daß die Rurlei nidti 
weiter fei, als der Lauerfeld, das heißt, two man einen dur 
fachen Wiederhall vernimmt. — Gefchrieben, über Hannore 
Berfaffungdfrage ; ein abermaliges Trauerfpiel von Elendigfet 
und Wortbruch ded Fürſten, vom Erliegen eines braven 
Bolt! Hier findet dad Eigne ftatt, daß der König aufm | 
betretnen Wege nicht vorfchreiten kann, ohne fich ſchwach un 
abhängig zu befennen, fein Anfehn dem des Bundestag 
unterzuordnen. Gebe er ſich feine Ohrfeigen! Das DE 
wird thatjächlich die LXehre befommen, daß ed von feinen | 
Fürſten laffen muß, in feiner Weife auf fie rechnen kann. — 

Heute jagt man, die Krankheit des Könige fei Herzbeutd 
wafferfucht und man meint, er werde lebend nicht von Kir 
mannsdorf wiederfehren. General von Gerlach, heißt e&, ii 
nicht mit ihm! — 





177 


Befuh vom Grafen von Kleift, anderthalb Stunden; 
ele Gegenftände werden beiprochen, preußiſche, ruſſiſche, 
anzöfifhe. Lob des verftorbenen Banquierd Joſeph Men- 
Wohn; kluge Juden find doch die einzigen Leute, von denen 
Leit fih imponiren läßt! Er beklagt fich über fein Alter 
i5 Jahr) und daß er nur noch fo wenige Leute hier Fennt. 
onft waren Hof und Staat voll von feinen Verwandten 
ad Bekannten, jest find fie faft alle geftorben und verdorben. 
en Hof verachtet er gründlich. — 

Nachricht, daß Lord John Ruffell feinen Abfchied einge 
icht hat, in Folge der Angriffe im Unterhaufe gegen ihn. — 

Nach 10 Uhr zu Kranzler, wo ich den Grafen von Keift 
yon fand, neben Pitt-Arnim ſitzend. Es war ein ſchöner 
bend, der Sit behaglih, der Anblid überaus angenehm, 
ae prächtige, belebte Szenerie. Wir faßen über eine Stunde 
ergöglicher, nie ftodender Unterhaltung, Pitt-Arnim war 

beiter Laune zum Grzählen. Don feiner Schwägerin 
ettina lauten die Nachrichten etwas beffer, ed foll wenigftend 
‚eder die Nede von ihrer Reife in’d Bad fein. — Kleift will 
orgen wieder abreifen. — 

In Tacitus gelefen, in Goethe. — 

Die hannöverfchen Stände treffen mancherlei fräftige Ber 
redungen; die freifinnige Parthei geht mit der Stüve’fchen, 
ird aber von diefer ſchon zurücdgehalten und wird ſich von 
t trennen müffen. Das ganze Land ift in Aufregung. Wird 
ꝛt blinde König und fein blinded eidbrüchiges Minifterium 
m Muth häben, fein infamed Unternehmen durchzufeben ? 
oll auch in Hannover ein kurheſſiſches Bubenftüd ges 
gen? — 

Die Oefterreicher verftärfen fih in Italien, von den 
zuppen, die nah Dften gerichtet waren, ziehen 40,000 Mann 
ch der Lombardei. Man fpriht von einem italiäntfchen 
indestage; der Pabft aber wird den Abfichten Zeſterreiche 


Barnhagen von Enſe, Tagebücher. XII. 


178 


nicht entfprechen können, der König von Sardinien nidt 
wollen, — 

Froͤmmelnde Phantaften plagen fich mit der Frage, ob die 
Seligen im Himmel einander ald diejenigen werden erfennen, 
die fie auf Erden waren, und fie fürdhten, Died verneinen u | 
müffen, weil die Menfchen einander nur an ihren fehlen 
erfennen, und die dann nicht mehr vorhanden find, fo du 
jelbft Kinder ihre Eltern nicht herausfinden werden, was ihnen 
doch ganz entfeglich dDäucht. Ich kann ihre Zweifel und Aengſt 
nicht heben, und laſſe das alles auf fich beruhen. Aber di 
Bemerkung drängt fi mir auf, ob denn alles, was wir geht 
nennen, died auch immer in dem Sinn ift, den wir hier mi 
dem Wort verbinden, ob darin nicht vielmehr etwas Hedi 
das blos als Eigenschaft zu gelten hat, ob nicht alle geht 
zulegt in Eigenfchaften ſich auflöfen, die am ſich weder gul 
nody böſe find, nur in unferer Auffaffung unter gegebenen 
Umftänden das eine oder dad andre werden? Mir ift rät 
auffallend, daß der öftere, mitunter bittere Tadel, den Goethe 
wider den von ihm fo verehrten, geliebten, anerkannten Hey J 
Karl Auguft ausfpricht, für und ganz und gar nicht zudfa J 
Verkleinerung dient, im Gegentheil ihn und nur um fo näkt 
rüdt, und ihn werther und liebenswürdiger macht, obigen 
wir den Tadel keineswegs verneinen. — 








Montag, ben 16. Sufi 1855. 

Gefchrieben. Biel Heine Arbeit, Ordnen, Rachfchlagen, Er 
gänzen. — Befuch von Herrn Dr. Behfe und Herrn Dr. Euud 
Fichte. Gefpräch über Freimaurerei, über des alten Fichte 
Pläne mit ihr, Schriften darüber im Archive der Loge Royal 
York. Ueber Schelling’d Grobheit, die letzte Stütze ſeint 
finkenden Philofophie; über feine Scheu ältere Schriften we 
frühe Briefe von ihm an's Licht gezogen zu fehen, er vertrm 


179 


ie Prüfung feiner Vergangenheit nicht. Er wollte zulept in 

einer Strahlenmwolte jeder Forſchung entrüdt fein, fein bloßer 
Rame follte feinen Ruhm verfünden, Einzelnes nicht heraus» 
gehoben werden. Seiner Eitelkeit ift unerbörte Befriedigung 
ju Theil geworden, er fand, mie alles fehon aus war, einen 
König und einen Anhang, die wirflih mit feinem Namen 
begnügt waren! — 

Herr Graf von Kleift befuchte mich, er reift erft am Abend 
ab. Mittheilung der Ergebniffe feines Kundſchaftens; die 
Hoffeute willen alle, daß fie beobachtet, belaufcht find, daß 
ihre Briefe geöffnet werden. Vorſicht und Schweigen, wo fie 
nicht den Boden ganz ficher fühlen. — 

Sendung von Reipzig, zweiter Theil des Romans von 
Heinrich Koenig, Jérome's Karneval. — Brief von Herrn 
Kriegsrath Müchler, fo fein gefchrieben, daß ich wirklich den 
Inhalt halb errathen muß, doc) foviel leſe ich heraus, daß er 
mich zu fpredyen wünſcht. — 

Nachmittags gearbeitet. Um 7 Uhr zu Müchler gefahren, 
er wollte mir erzählen, daß er gerichtlich vorgeladen worden, 
in der weimarifchen Schillerfälfhung fein Zeugniß zu geben; 
wiefern das Gedicht von ihm, das irrig unter die Schiller’fchen 
aufgenommen worden, in die Autographenfälfchung verflodhten 
ift, wurde nicht Mar; die Unterfuchung war gegen einen Herrn 
von Gerſtenbergk eingeleitet, der eine gefälfchte Handfchrift 
Cdiefes Gedichts?) der Großherzogin um hohen Preis verkauft 
Baden fol. Müchler fragte nach Qudmilla, nach Herrn Wehl, 
s er denn ‚die Jahreszeiten“ noch nicht übernommen habe ? 

Sein Manuſkript von Kriminalfällen gab ich ihm zurüd. — 

Im Tacitus gelefen. Im Rheinifchen Antiquarius von 
Diethelm die Stelle wegen der Lurlei nachgefchlagen. Hier 
inden ſich alle Zitate beifammen, welche in diefer Unters 
fuchung vorgeführt zu werden pflegen. — 

Die würtembergifchen Stände machen einen Antrag wegen 

12* 


180 


















des Bundestages, bei deffen Herftellung auch deſſen Farm | 
verfprochen fei, feine Mängel habe man eingeftanden, man 
laſſe fie aber fortbeftehen, der Bundestag leifte nad imma 
nichts und nach außen nichts, Deutſchlands Kraft und Wirk 
leide immerfort. Was doch alles in Deutfchland geichieht! 
Aber alles vereinzelt, zerbrödelt. Wären alle diefe Regungen 
auf Einen Punkt gleichzeitig zu vereinigen, feine Regierung | 
fönnte widerftehen. So wie ed jebt ift, bleibt die lumpigſte 
Regierung im Bortheil! — 

Meine geftrige Bemerkung über die Fehler der Meniden | 
beftätigt fich mir durch heutige Betrachtungen. Das Bemühen, | 
die Fehler zu verfchweigen, zu vertufchen, fann nad) Umständen 
den Perfonen, die man ſchonen will, geradezu fchaden; «| 
kommt auf die Standpunkte der fünftigen Beurtbeiler an. 
Wir mögen alfo getroft jagen, was wir fehen, was wir meinen, 
ohne thörichte Schonung, ohne ängitliche Befliffenheit, — die 
Welt bringt zulegt doch alled wieder in’d Gleiche! — In dem 
Anrühmen allgemeiner Tugend liegt fogar etwas Widrige, | 
Efelhaftes, wir wollen lebendige Wahrheit fehen, Licht und, 
Schatten, das Licht allein ift nicht wahr und nicht ausw 
halten. — | 


Dienstag, ben 17. Juli 1858. 

In den Gränzboten No, 29 fteht wieder ein Auffag, de 
bei großen Studien und mancher triftigen Bemerkung an dem 
Erbübel diefer Zeitfehrift leidet, an einer willfürlichen ſchiefen 
Auffaffung. Es ift der gute Jean Paul Richter, der diesmal 
herhalten muß. Ich habe vielleicht mehr an ihm zu tadeln, 
als diefer Kritifer. Aber nicht dad Map des Tadels, fondern 
die Art ift e8, worauf ed hier anfommt. An den Menſchen 
wie an den Dichter werden unberechtigte Anforderungen ge 
macht, um die fich glüclicherweife niemand zu kümmern. hat. 


181 


Dap man den Titan mit dem Wilhelm Meifter zufammenftellen 
WU, fei es äfthetifch oder didaktifch oder Hiftorifch, zeigt wenig 
Äfthetifchen, dDidaktifchen und hiftorifchen Sinn. Iſt man etwa 
gemeint, ein Erzeugniß wie Sollund Haben“ mit jenen hohen 
Bebilden zu vergleichen oder gar über fie zu ftellen, fo bedarf 
ed nur der Worte, die Hamlet feiner Mutter zuruft: „Sieh 

Diefe an, und jened!* — 


Mittwoch „ben 18. Juli 1858, 

Brief aud Hamburg von Ludmilla. Sie fommt morgen. 
Willlommen! — | 

Vom Könige hört man jept nur günftige Nachrichten, jede 
Spazierfahrt wird gepriefen. Es ift möglich, daß er fich noch 
wieder völlig erholt; aber die amtlichen Nachrichten beweiſen 
nichte. — 

Der Lärm ift groß megen Lord Ruſſell's ungewöhnlichen 
tiefen Sturz. Die Ausdrüde Berrath, Lüge, Betrug, werden 
nicht geipart. — 

Die politiſchen Verhältniffe fpannen fich in verfchiedenen 
Richtungen. Die Weitmächte jehen Deiterreich etwas drohend 
an, Defterreich ftimmt feine hohe Sprache ziemlich herab. — 
Die Partheien in Frankreich regen fih, in Italien bereiten 
ji neue Aufftände. Der Pabft bricht mit Spanien, mit 
Sardinien. — Die Weftmächte wollen jich am Bosporus und 
an den Dardanellen feitfegen, und werden nächſtens im Verein 
mit den Türken von Defterreich die Räumung der Donaus 
fürftenthümer verlangen! — 


Donnerstag, ben 19. Juli 18585. 
Ausgegangen. Bei Pitt: Armim die Handichrift abgeholt, 
deren Urheber er nicht zu beftimmen wußte; ich traf.bei ihm 


174 


theidigen. Wird ihm nicht viel helfen! Der König von 
MWürtemberg läßt den Frömmlern und Eiferern allen Sul: P. 
raum, aus einfacher Schwäche, falle er ihnen nur nacgık, 
aus doppelter, falls er fich ihnen zugefellt. Er hatte mend PJ 
Karakterftärfe, nur den Schein derjelben jich bisweilen hi | 
gelegt, wenn er den Antrieben feiner Gemahlin Katkırm M- 
oder ſeines Minifterd von Wangenheim folgte; auch der all 
Herr von Gotta hat ihm manches dargeliehen. — . 

Der Ausſchuß der Tiedge- Stiftung hat der rau mu ie: 
Chézy eine Unterftügung von jährlichen fechzig Thalern x M- 
währt. — | 

Der Aſſeſſor Wagener, gewefener Redakteur der Kruy 
zeitung, ift Rechtsanwalt beim Obertribunal geworden. der 
Gericht als armer Sünder follte er ftehen, wegen fein 
ihändlihen Lügen und Derläuntdungen , der Spiehgeielt Je 
Goedſche's und Sm s! — 


Sonnabend, den 14. Juli 185. 

Gefchrieben, in meinen Papieren gearbeitet, Gibt ie 
fachen auch. — | 
In Hannover find geftern die Stände vertagt wort. 
Elliffen und die ganze zweite Kammer ließen die Berjammlung 
hoch leben. — 
Nachmittags zur Erquickung in Goethe's Briefen an diu 
von Stein geleſen. Welch ein Reichthum von Leben, ve 
ſchönſtem Menjchendafein, berrlihftem Gefühl und edel 
Weisheit! Wie diefe troftreichite Gabe mit fo geringem Anthek 
und von fo wenigen Menſchen aufgenommen worden, in dieſen 
gebildeten, von Goethe's Geiſt und Wort überall dutd⸗ 
drungenen, und dabei noch immer jo hülfsbedürftigen Deutſch 
land, fo nahe noch feinem Leben, und bei ſonſtiger Geltw 
des weimarifchen Kreiſes, das ift mir ein Räthfel, ein Grm 






175 


hand befümmerten Nachdenkens. — In andrer Art ailt das 
ud von Schiller’8 Briefmwechfel mit Körner. Die Leute be: 
yandeln dieje Herren wie reiche Gaftgeber, man läßt fich ihre 
Bewirtbung gefallen, zehrt von ihrem Neichthume, um fie 
elbit macht man fich feine Mühe. Und fo verfäumen die 
Ehoren doch das Beſte! — 

In Schweden regt ſich die Öffentliche Meinung jtarf gegen 
Rupland. Uber der ſchwediſche Geiſt am fich richtet nichts 
us, es muß der Freiheitsgeiſt hinzutreten. in durch und 
urch revolutionaired Schweden, das fünnte für Rußland ge- 
Ahrlih werden. — 

Lange gelefen, im Tacitus, im Agrippa von Nettes: 
eim. — 

Ich finde Goethe's Jugend und Rahel's Jugend in Hin- 
cht des Sinned, der Gefühle, der Weltauffaffung überaus 
bnlid ; dieſelbe Heiterkeit und diefelbe Schwermuth in beiden, 
afjelbe Berhältnig zur Natur, diefelbe Urfprünglichkeit, 
tische, Wahrheit. Oft drüden fie beide denfelben Gedanken, 
tefelbe Bemerfung mit ganz ähnlichen Worten aus. Die 
Schidfale waren dagegen himmelweit verfchieden. — 

„Es fommt gewiß noch ein Menjch, der darüber Far fieht. 
Bir wollen ihm vorarbeiten.“ So fihreibt Goethe den 
I. September 1780. Nabel pflegte fehr oft ähnliches zu 
agen. — 

„Mit den Fahren steigern ſich die Prüfungen,“ fagt 
doethe. Nabel fagte, noch früher und einfchlagender: „Mit 
en Sriftenzen fteigern fich die Aufgaben und Prüfungen. * — 

Der Graf von Kleiſt bat ſich mit dem Prinzen von 
reußen auf den Fuß gefeht, day er ihm gelegentlich vertraus 
he Mittheilungen macht, mündliche und fchriftliche, ex weiß 
eje mit der Würze, die dem Prinzen angenehm ift, zu 
ürgen. — 

Häuſſer in feinem Geſchichtsbuche wundert fich und klagt, 


176 


daß in der Zeit, wo das deutiche Reich zu Grunde ging, die 
deutfchen Fürften, große und Feine, niedrige und fchlehte 
Streihe machten, dad Ausland die Herrfchaft bei und führ, 
daß in diefer Zeit weder Goethe noch Schiller von diefem Ju: 
itand der Dinge ergriffen und davon empört waren, daß mın 
in Schiller’8 und Körner's Briefwechfel diefe Gegenſtände gu 
nicht berührt findet. Ich fände eher das Gegentheil zu vr 
wundern, und in Betreff Goethe's und Schiller’ zu beklagen; 
fie würden das eigne Feld thöricht verlaffen haben, um u 
dem fremden nußloje Klagen zu führen. Häuſſer hat jdn 
jene Zeit fehwerlich recht lebendig zu verfeßen gewußt, net 
gehörig Mar überdacht, was Vaterland, Staat und Freiheit in 
jener Zeit, und wo fie waren. — Jñ 


| en 


Sonntag, ben 15. Juli 1855. 
Sendung aus Köln von Herrn Dr. Dünger; noch übt | 
die Lurlei; mir war feit früher Zeit fein Zweifel, dap die cin 
fachfte Erflärung bier anzunehmen fei, daß die Lurlei nihte 
weiter fei, ald der Lauerfels, das heißt, wo man einen drei 
fachen Wiederhall vernimmt. — Gefchrieben, über Hannover 
Berfaffungsfrage; ein abermaliges Trauerfpiel von Elentigfit 
und Wortbrudy ded Fürſten, vom Erliegen eine hram 
Volks! Hier findet dad Eigne itatt, daß der König auf den 
betretnen Wege nicht vorfchreiten fann, ohne ſich ſchwach und | 
abhängig zu befennen, fein Anfehn dem des Bundertagt | 
unterzuordnen. Gebe er fich feine Obrfeigen! Das Bl | 
wird thatfächlich die LXehre befommen, daß es von feinm 
Fürften laffen muß, in feiner Weife auf fie rechnen kann, — 
Heute fagt man, die Krankheit des Königs fei Herzbeutd 
wafjerfucht und man meint, er werde lebend nicht von Erik 
mannddorf wiederkehren. General von Gerlach, heißt es, fr 
nicht mit ihm! — 








177 


uh vom Grafen von Kleift, anderthalb Stunden; 
egenftände werden beſprochen, preußifche, ruſſiſche, 
ſche. ob des verftorbenen Banquiers Joſeph Men- 
1; kluge Juden find doc) die einzigen Leute, von denen 
cch imponiren läßt! Er beflagt fich über fein Alter 
hr) und dag er nur noch fo wenige Xeute hier fennt. 
waren Hof und Staat voll von feinen Verwandten 
'annten, jebt find fie faft alle geftorben und verdorben. 
f verachtet er gründlich. — 

hricht, daß Lord John Ruſſell feinen Abfchied einges 
ıt, in Folge der Angriffe im Unterhaufe gegen ihn. — 
h 10 Uhr zu Kranzler, wo ich den Grafen von Kleift 
nd, neben Pitt-Arnim ſitzend. Es war ein fchöner 
der Sig behaglih, der Anblid überaus angenehm, 
ichtige, belebte Szenerie. Wir faßen über eine Stunde 
zlicher, nie ftodender Unterhaltung, Pitt-Arnim war 
rt Laune zum Erzählen. Bon feiner Schwägerin 
lauten die Nachrichten etwas beffer, ed foll wenigſtens 
die Rede von ihrer Reife in's Bad fein. — Kleift will 
wieder abreifen. — 

Tacitus gelefen, in Goethe. — 

hannöverſchen Stände treffen mancherlei Fräftige Der: 
gen; die freifinnige Parthei geht mit der. Stüve'ſchen, 
er von diefer ſchon zurüdgehalten und wird fi von 
nen müffen. Das ganze Land ift in Aufregung. Wird 
de König und fein blinde eidbrüchiges Minifterium 
ıth haben, fein infames Unternehmen durchzufepen ? 
uch in Hannover ein kurheſſiſches Bubenſtück ges 
Oeſterreicher verftärfen fih in Stalien, von den 
n, die nah Oſten gerichtet waren, ziehen A0,000 Mann 
r Lombardei. Man fpriht von einem italiänifchen 
tage; der Pabft aber wird den Abfichten Zeſtrreiche 


ıbagen von Enſe, Tagebücher. XII. 


186 

Nachrichten aus Wien. Am Hof und im Kabinet fühn Wi 
verjchiedene Partheien einen Krieg, der allen Lärm vermeit, 
aber zahlreiche Wechſelfälle hat, ohne daß es zu einer Hauyt 
entfcheidung fommt. Für den Augenblid bat die ruffüt 
Parthei die Oberhand; die Franzöfifche Parthei braucht Wafen- 
erfolge in der Krim, bleiben die aus, fo kann fie feinen neun 
Auffhwung hoffen. Durch alle Wandlungen durch erhält jd 
der Haß gegen Preußen. Defterreich fchiebt auf Preußen alk 
Schuld, und meint, nur defien Unentſchloſſenheit oder viel 
mehr Ruſſenfreundſchaft habe gehindert, daß nicht die gan 
Kraft ded deutichen Bundes mit der von Deiterreih un 
Preußen vereint an der ruffifchen Weftgränge ftehe! Gifte 
erit offen Ruffenfreundfchaft, fo nimmt Defterreich auch hierin 
leicht den Vorrang, und läßt Preußen nur den zweiten Plaß 
Indeß liegt der Gedanke noch fern, gegen Frankreich kriegeriſth 
aufzutreten; man fühlt in Wien, dag man damit zugleid) di 
Revolution herausfordert. — Daß man fich eine etwas freien I 
Sprache aegen Bonaparte erlaubt, gründet fich auf Beridt 
aus Parid, die den dortigen Zuftand ala höchft unficher fl 
dern. Die Legitimiften regen fich, die Orleaniften, am wenig 
ften die Nepublifaner; erftere werden von Rußland gerel 
und geftachelt, aber wie Bonaparte die Polen reizt und ſtachel, 
um fie zu gebrauchen, gar nicht im Ernſt, gar nicht um but 
ſelbſt willen. — 

Gefhichtchen von Marfchall Caftellane in Lyon. Er halt 
durch feltfamen Irrthum geglaubt, durch den Telegraphen au 
Paris die Nachricht von Bonaparte's Tod erhalten zu haben, 
und fchon eine Proflamation fertig, die den Truppen Me 
anzeigen follte; er wollte fie Heinrich dem Fünften ſchwoͤren 
laffen. Noch eh es geſchah Flärte ſich der Itrthum auf. — 
Auch wenn es erfunden wäre, fpräche dad Stückchen eine 
große Wahrheit aus. Alfo von Jéêrome Bonaparte, vom 
Prinzen Napoleon und der fonftigen Familie wäre nicht die 








187 


seien! Bonaparte mußte darin den fchlimmften Ber: 
n, — einen Berrath, der auch allenfalld auf feinen 
t zu warten brauchte! — 


Montag, den 23. Juli 1855. 
yrieben. Traurige Betrachtungen zu Troft und Hoff⸗ 
eitet. — 

Jannover ift das Minifterium verabichiedet, an feine 
ritt ein ganz ariftofratifchee. “Der blinde König! 
t foll nun werden wie Kurheffen if. Bedauerne- 
Yeutfche! Und Schleöwig = Holftein! Und Baden! 
ches Volk und Land wäre nicht hier mitzunennen, 
ie deutfche Zunge reiht! — Noch waltet die Geduld, 
t wird der Zorn walten, der grimmige Zorn. — 
Admiral Nachimoff iſt in Sebaitopol an feinen Wunden 
. Die Kreugzeitung wollte fogar feine Berwundung 
Fürſt von Rippe-Detmold hat feinen Minifter Hannibal 
nerwartet entlaffen. Der lebtere verkündet dies felber 
ve Öffentliche Anzeige; nach diefer und einer früheren 
reuzzeitung ift er ein ganz — —. Der Gauch behält 
yaler Benfion. — | 

achtungen über die Xebendgebilde, unter welchen Ein⸗ 
ınd Umftänden fie ihre Gejtalt befommen, welche 
ıgen fie erfahren, welche Hemmniſſe. Sowohl im 
eben, als in dem der Andern, das ich überfchen und 
iur fehr bedingungsweife Durchdringen kann, erfenn’ 
einen urfprünglichen feften Kern, der unter allen Ber- 
ı unverändert bleibt, und an dem die Einwirkungen 
lüffe fi nur anlegen, den die Begetation des Lebens 
nfleidet; wo dieſes ftarre Geftein frei und bloß zu 
yt, und jene Bekleidung nicht duldet, da ift der Menſch 








188 


unverlegbar und fiegreich, da bricht er mit feiner Härte dınd. 
Bei mächtig wirfenden Menfchen Tag immer, wie es fhunt 
ein großer Theil ihred Weſens ftarr und feit zu Tage. — 
Ich kann mir leicht einbilden,, außer meinem eignen &ıkaı 
auch noch andres gelebt zu haben, fo vertraut, fo verftintiid 
ift ed mir; die jungen Jahre Goethe's, die alten Veltins | 
find mir befonders nah und heimlich. — | 
Aus Goethe's Briefen an Frau von Stein könnte ma 
Hunderte der fchönften, der zarteften Liebesgedichte made. 
Faſt jedes Zettelchen enthält einen folchen Keim, den man m 
auszubilden braucht. Gin neues Bild oder Gleihnif, ma 
Ausdrud, eine Wendung, voll Sinn und Geift, voll Gih 
und Süßigfeit. — | 





















Dienstag, ben 24. Inli 1858. 

Brief aus Köln von Herrn Prof. Dünger, zugleid In 
Srläuterung ded Werther. — 

Abſchiedsbeſuch von Herrn Dr. Eduard Fichte, er reift md 
Düffeldorf, wo er ſich mit Fräulein Spangenberg werloht bi 
nachher wird er in Stuttgart eine Stelle als Regierungid 
antreten. Er gefällt mir fehr wohl, hat etwas urfprändih 
Braves. Ich wünſch' ihm Heil und Gedeihen auf allen jnm 
Wegen. — Ich hatte meine Betrachtungen über die Dr 
dungen und Schidfale, in denen fi) das menschliche Le 
fortfpinnt, diefer Strom, der jegt am Rhein und in Sci 
fließt, hat feine Quelle in Rammenau gehabt! Und mie 
ſchon der alte Fichte umhergeworfen worden! Wie aM 
Bater, und ich ſelbſt! — 

Die Kreuzzeitung enthält einen ihr aufgezwungenen I 
titel, durch welchen Dr. Schleiden das Urtheil befannt mad 
welches den Aſſeſſor Wagener der Berläumdung un de 
leidigung Schleiden’3 für fchuldig erflärt, und ihm M 


189. 


Strafe von 20 Thalern oder 20 Tagen Gefängniß zuerkennt. 
Die Klage if vom Jahr 1853 und gegen das Blatt 115 vom 


21. Mai. — 


Mittwoch, ven 25. Juli 1865. 
Die Zeitungen berichten, daß ein Handeldfchiff der Ver⸗ 
einigten Staaten von Amerifa die Elbe hinaufgefegelt fei, 
ohne fih um den Stader Zoll zu befümmern; das hannöverfche 
Wachtfchiff wagte nicht, dem amerifanifhen Schiffe Gewalt 
anzutbun. Hannover erhebt den Stader Zoll widerrechtlich, 
feit dreißig Jahren rügen die andern Uferftaaten dies, aber 

laffen es gefchehen, Preußen, Defterreih, Sachſen ıc. — 

Der Kaifer von Rußland geftattet der polnifchen Sprache 
wieder freieren Raum, läßt manche Behörden wieder ale 
polnische auftreten 20. Aus Klugheit oder Billigkeit? Die 
Folge wird es entfcheiden. An Wiederherftellung der früheren 
Konftitution, des eignen Heers 2c. wird nicht gedacht. Und 
doch fängt man an wegen der vielen Polen im ruffifchen Heer 

bedentlich zu werden! Sie mögen's machen wie fie wollen, 
immer wird ihnen ein Schaden bleiben. Strafe des alten 
Verbrechens. — 

In Toscana ift der verhaftete Bibellefer Cechetti auf 
englifche Verwendung freigelaffen und ihm erlaubt worden 
augzuwandern. Im Klofter zu Prag fehmachtet der zur 
proteftantifchen Kirche übergetretene Mönch Borzinsky noch in 
ſchmachvoller Haft; Preußens Verwendung! — 

Ein Schreiber Namens Denede hat in Preußen den Bor: 
ſteher einer Reffource, Herrn von Polenz, der freifinniger Rich- 
tung befchuldigt wird, pöbelhaft beleidigt, und ift diefer dafür 
vom Gericht zu 20 Thalern Strafe oder verhältnigmäßiger 
Haft verurtheilt worden. Der König hat durch eine Kabinets⸗ 
order dem Berurtheilten die Strafe in Gnaden erlaffen. — 



























190 


J Donnerstag, ben 26. Juli 1868. 

Die Bolfözeitung hat einen vortrefflihen Artikel „Erikka 
und nicht befprechen“, der in beigender Art den Sprud fea 
loquuntur durch Beifpiele belegt. Die Nationalzeitung fprikt 
über die frangöfifchen Finanzen, zeigt die plumpen Gleifnerin, 
mit denen man die neuen Auflagen befchönigt. (Die Regierm 
fpriht vom Prinzip der Gleichheit, von organifirter Den 
ttatie!) — 

Die Spener'ſche Zeitung Magt die hannöverſchen duin 
an, und beſchuldigt die Ritterfhaften überall durch ihre I 
maßungen und Ungerechtigkeiten die Herftellung ruhiger m 
befriedigender Zuftände zu ftören. — Es iſt doch ſchön, dud 
drei Zeitungen hier Morgens fo begrüßt zu werden! — & fi 
ſchrieben. — 

Das Udhlich'ſche Sonntagsblatt ift von der Poli u 
Magdeburg bisher regelmäßig weggenommen worden, obalah 
ſchon zwei Gerichte die Wegnahme für ungerechtfertigt erfit 
haben. Endlich hat nun auch das Obertribunal in demſeha 
Sinne gefprodhen. Wird die Polizei den Ausſpruch adta! 
Sie ftößt fi befonders daran, daß das Blatt fi ald du da 
dortigen freien Gemeinde auögiebt, und findet darin ihre dr 
rechtigung, da die freien Gemeinden überalf der Polizei pıir 
gegeben find, — 

Der Legationdrath von Reumont, der nicht eiligft gem 
abreifen konnte um feine Verwandten in Aachen zu befuda, 
findet ſich plöplih in Schlefien beim Könige anweſend, fühl 
mit fpagieren ꝛt. Ei, di! — 

Nachmittags Befuh der Fürftin von Wittgenftein id 
ihrer Tochter bei Ludmilla. Ich ging hinüber. Die girkt 
liebendwürdig, geiftvoll, finnig, vom ſchönſten Gefühl belul 
Sie erſchien mir als höchſt ausgezeichnet, edel, einfihtienh 
gütig. Auch die Tochter allerliehft. Herr Gottfried Reh is 
unertvartet, ſprach einige Worte mit, hörte antheilnehmend AP. 


191 


fine und meiner Schweiter Ausfchnitte, Flechtwerke zc. Die 
rſtin ift erſt ſechsunddreißig Jahr alt! Sie muß viel ges 
en haben; fchmerzfähig und fröhlih! — 

In Macaulay’® Essays gelefen, in Zamartine. „Les 
zines de Werther d’apres des documens authentiques, 
Armand Baschet. Paris, 1855.“ 8. Nach den Keftner’s 
n Briefen bearbeitet. — 

Die Mutter ded Oberften Grach, ded Bertheidigerd von 
iftria, befommt vom türfifhen Kaifer eine Penfion von, 
» Thalern. Sie lebt in Trier, Der preußifche Gefandte in 
ıftantinopel, Herr von Wildenbruch, hat ed ihr angezeigt. — 
Der König fagt von Bunfen, derfelbe fei früher ein wahrer 
er Chrift gewefen, jest aber leider ein Abtrünniger ge- 
‘Den, der mit der Kirche in größtem Widerftreit ſtehe. — 


Sreitag, ben 27. Juli 1866. 
Nachmittags Herr Mahler Stein bei Qudmilla, zeigte und 
te zahlreichen feinausgeführten Bildniffe, Yranz von Gaudy, 
ontini, Gräfin Klotilde von Kaldreuth, deren Vater, Fräu⸗ 
ı Karoline Bauer, Fräulein von Hagn, Rittmeifter von 
Idreuth und feine Frau geb. von Kaldreuth, Frau von 
etwig, rau von Treskow ıc. —- 


Sonnabend , ven 28. Juli 1866. 

Schlechter Schlaf; weimarifche Träume, die mir leider 
ſchnell entflogen. — Vortrefflicher Artikel von Herrn Dr. 
bel in der Rationalzeitung über Brüggemann's Recht: 
tigungsſchrift wegen feiner vieljährigen Redaktion der Kölni- 
n Zeitung; Dr. Zabel fpricht dabei wichtige Kehren und 
irnungen aus. — Die Volkszeitung fehr gut über die neuen 
napartifchen Schlagworte, „organifirte Demokratie, Gleich⸗ 


192 


heit, in dem Kaifertbum habe das Volk fich felbft gekrönt,‘ 

fie werden zufammengehauen, und mit ihnen das Wort Ludwigs | 
von Gerlah, die rechte Wahlfreibeit fei, wenn der Landrath | 
den Wählern vorfchreibe und befehle, wen fie wählen follen! 
Sol elende Schuftereien! — Gefchrieben. Ueber die Ein | 
heit Deutfchlands im gemeinfamen Drud und Elend. — | 


‚Sonntag, den 29. Yuli 1865. 

In Hannover müffen Stüve und fein Anhang — brav 
Männer, die der Sache der Freiheit viel geſchadet — jept im | 
Borderfampfe ftehen, und die ganze Laſt der ariftofratifcen | 
Feindfchaft tragen. Es ift die gerechte Strafe,. die fie jeht | 
treffen wird, wie [chon die Gothaer überhaupt, die Schleöwig: 
Holfteiner insbefondre, für ihre nüchterne, befchränfte Aufe | 
faffung der Dinge. Unfre Nationalzeitung bringt eine geheime | 
Anklagefchrift, welche die hannoͤverſchen Minifter zur Berun 
glimpfung von Stüve, Lehzen ꝛc. ſchon früher dem Bundes 
rath eingereicht hatten, fie ift voll argliftiger, böſer Unter: 
ftellungen. — | 
Ich hielt heute meine Thüre verfchloffen, wollte allein 
fein, und es that mir gut. Hätte ich nur mein Wohffein und | 
Vergnügen zur Abficht, ich thäte das öfters, und befände mih | 
dabei vortrefflih. Es dünft mich aber Unrecht, und fo lafl | 
ich's, und begebe mich in die Trübjal ded Umgangs. Denn | 
was bringen mir die Menfchen, und wer erhebt und erfrifät | 
mih? Das Befte hab’ ich immer ſchon zu Haufe, und von 
augen fommt nur Störung. — | 
Der ſchwediſche Dichter Atterbom ift am 21. in Stuttgart, | 

wo er feiner Gefundheit und chirurgiſcher Hülfe wegen ſich 
aufpielt, nach einer überftandenen Operation geftorben. 3b | 
ſah ihn zu Berlin im Jahre 1819 bei Frau von Helvig, ald | 
er von einer Reife aus dem Süden zurückkehrte. Er war 





193 


ein lebhafter, angenehmer junger Mann, voll dichterifchen 
Schwunges! — 


Montag, den 30. Yuli 18566. 

Der Generallieutenant von Kraft, faum aus Preußen 
hier angelangt um in's Bad zu reifen, iſt im neuen Gaſthof 
Hotel Royal plöglic an einem Herzübel geftorben, 72 Fahr 
alt. Er war einft als zierlichiter, eingefchnürtefter Uhlanen- 
offizier hier berühmt, feine fade Zierlichfeit wurde belacht, 
und die Turner machten Spottverfe auf ihn. — 

Goethe fchreibt an Frau von Stein (1780, 24. September): 
„Es läßt fih nicht fo wie von Felfen und Wäldern fogleich 
fagen, wie man mit Menfchen dran ift, und beſſer man wieder: 
bolt ſich nicht jeden Eindruck, fondern läßt's eine Weile fort: 
gehen.” — Wie richtig umd treffend ift diefe Bemerkung! 
Mir ift es fchon oft genug fo gegangen, daß ich das Urtheil 
über Menfchen zu früh pflüdte, ehe ed noch Zeit und Gelegen- 
heit hatte fich zu entwideln. Ich mußte nachher immer hinzu- 
thun und nachtragen, was eine verdriegliche Arbeit wird. 
Zwar wo der erſte Eindrud gleich begeiftert und in Flammen 
fest, da mag man ihm ganz vertrauen, aber wo er nur 
ſchweigt, oder ſelbſt etwas abſtößt, da thut man beffer jtill zu 
warten und zu fehen, was ferner daraus wird. Da kann noh 
alles Gute fommen, ja das Beftel — 


Dienstag, den 31. Juli 1856. 
Aus Mannheim wird gemeldet, daß Friedrich Baffermann 
— der Geftaltenfeher, der Halunfe, — in der Nacht zum 29. ſich 
felbft das Leben genommen hat. Er litt an Erblindung — 
der Geftaltenfeher! — und war ſchon einige Zeit ſchwermüthig; 


doch hatte er Tages vorher an der Feier der gelbnen Hochzeit 
Barnbagen von Enfe, Tagebüder. Zu, 





2 


194 


feiner Eltern Theil genommen. Der Borgang hat vid Ir 
Einbildungskraft Anregendes. Früher war Baffermanı cu 
wackres, freifinnig thätiged Mitglied der badiſchen Stine 
auch in der deutfchen Nationalverfammlung war er fu 
gut. Seine Abordnung im Jahr 1848 nach Berlin un x 
über die hiefigen Zuftände erftatteter Bericht haben ihm am 
traurige Berühmtheit gegeben. Mit Haß und Veradtumy 
beladen, ift er in die Grube gefahren. Sein Geſtaltenſtha 
war die größte Erbaͤrmlichkeit, unwahr, feig, augendiennid 
für den Hof und die Gothaerparthei. — 

Der Publizift und die Gerichtöjeitung find heute vone 
Polizei weggenommen worden, weil fie über die Gerihtie 
handlungen gegen den des Mordes angelagten Puttli m 
vor dem Urtheilsſpruch berichtet haben. Die gefeplihen dr 
ſchriften hierüber find verfchiedener Auslegung fähig. — 

Die nun in dritter Inftanz erfolgte Freifprehun I 
Sonntagsblattes von Uplic in Magdeburg kümmert de 
lizei nicht. Die Blätter find noch immer nicht freignuie 
Auch ift an Uhlich noch feine Mittheilung des Urtheils F 
langt. — 














Mittwoch, ben 1. Anguf 188. 

Meine vorbereitete Arbeit mußte ich mit vielem Rijazh 
wieder weglegen, weil id) des Stoffes noch nicht Meifterneit! 
konnte, die Behandlungsart ſich noch nicht gehörig dartit 
wollte. — 

Nachmittags Befuh von der Fürfin von Wittgais 
und Tochter. Im Mitteljimmer; anderthalb Stunden de 
früheren guten Eindrüde bewähren ſich. — 

Bald nachher kam Herr von Burgsdorf lärmen m 
lachend an. Er hatte wie immer viel zu erzähfen, von hihta 
und hohen Perfonen, von Radziwill's, von General von ii 


oe 


195 


ut an der Dder ꝛc. Der König hat fich über bie 
sterin” Frau von Hohenhaufen, die ihm in Frankfurt 
der auf dem Bahnhofe durch ihre Enkelin ein Gedicht 
n ließ, bitter luſtig gemacht, und als er hörte, fie fei 
me von Ochs, den ſchlechten Witz ausgerufen, das fei 
uf & la mode! Das Gedicht foll ihn mit Louis 
e verglichen und gegen diefen mit entfeßlichen Lobes⸗ 
n beransgeftrichen haben. — Der Regierungspräfi- 
18 in Minden, früher ale PBolizeifcherge in Preußen 
adlicher Verfolgungsſucht, und als „Demofraten- 
erüchtigt, ſoll in den Verdacht gekommen ſein, einen 

ſeiner Schweſter durch einen Schuß getoͤdtet zu 
ine Parthei und die Behörden wenden alles an, heißt 
ie Sache nicht vor die Gerichte kommen zu laffen. 
f findet es niederträchtig, dergleichen zu vertufchen, 
t Gunſt walten zu laffen. — 


Dormerstag, ben 2. Anguft 1868. 
räumte von Humboldt, wir bemühten und gemein- 
iner fchwierigen Sache, waren zufammen in Tegel, 

zerfloß wieder in Unbeftimmtheit. — Gefchrieben, 
> viel Luft und Erfolg; es fommt mir alles Tang- 
e was ich heute Jagen fann. Ich weiß, die Bud 
d wie Samenförner, die man auöftreut, Taufende 
aber Zehne gedeihen und tragen dann hundertfältig; 
zu ſchmerzlich, die Zeit des Gedeihens abwarten zu 
d in der Sonnengluth auf den Schatten zu hoffen, 
gepflanzte Bäumchen einft geben werden. Bei aller 
auf die Zukunft, bei allem feften Dertrauen auf fie, 
[ches für den Tag thut auch noth. — 
jeitung bringt Die verfpätete Anzeige, dag Arkhibafd 
Keyſerling hier am 30. Juli frühmorgens ſanft ent- 
13* 





196 


ichlafen fei, an einem Nervenfchlag, im 70. Jahr. Cr thut 
mir fehr leid; er hatte ein vortreffliched Herz, ritterlichen 
Muth, und fein bis zulegt waltender Leichtfinn machte ihn 
liebenswürdig. In bürgerlichen Verhältniffen war er freilid 
über allee Map unbedacht und forglod, gefegliche Formen nidt 
achtend oder mißbrauchend und zulept auch etwas fchaufpiele 
riſch und thöricht fchlau. Seine vornehme Stellung bat 
weniger dad Gute und fehr ftarf das Schlimme an ihm aus: 
gebildet, faljchen Ehrgeiz, prahlerifche Berfchwendung, Bor: 
Ipiegelungen ꝛc. 

Die Neue Preußifche Zeitung verfpottet Die wieder an- 
hebenden Einheitöbeitrebungen der Deutfchen, die Anregungen 
in Würtemberg und Darmftadt zur Reform des Bundes x. 
Es ift eben die Neue Preugifche Zeitung! — 


Freitag, ben 3. Auguft 18586. 

Abſchiedsbeſuch von Herrn Profeffor Dirichlet. Er reift 
morgen ab und Berlin ſieht ihn nur etwa als Fremden wieder! 
Er und feine Frau waren bier in den lebten Jahren mein 
befter Umgang, wir fahen einander nicht oft, aber immer gut. 
Er hat nun auch von Humboldt Abfchied genommen, der ihm 
gejagt: „ Mich werden Sie wohl nicht wiederſehen!“ Hum— 
boldt fchien allerdingd etwas verfallen, er Flagte, daB ihm die | 
Eingeweide den Dienft verfagten. Zulegt gab er ibm die 
Derficherung, auf den Orden (pour le merite) fönne er red» 
nen, neun Stimmen lägen ſchon für ihn da. Das Luflige 
war, daß Seiffert, der Diener Humboldt’ und bei ihm eine | 
wichtige PBerfon, bei Dirichlet's Weggehen ihm vertraulich 
fagte: „Den Orden befommen Sie, Herr Profeffor, wir haben 
ſchon neun Stimmen für Sie daliegen!“ Er fegte binzu: 
„Sie thun ganz recht Fortzugehen, warum hat der Minifter 





197 


Ihren Werth nicht beffer zu fchäben gewußt!“ Diefer Seiffert 
ist ein feltfames Menſchenkind. — 

In Gibbon gelefen, und im Marcellus Palingenius aus 
befondrem Anlag! — 

Reifebriefe von Dr. Mar Ring in der Voffifchen Zeitung, 
aus Dreöden, Toͤplitzz ıc. 


Sonnabend, den 4. Auguft 1855. 

Herr Reimer ſchickt mir die eben fertig gewordenen beiden 
legten Bände ded Reben Stein’d von Perk, — das Ganze 
beträgt nun fieben ftarfe Bände, ein Umfang, der die Der« 
breitung des Buches fehr einſchränkt. Man fieht auch in 
diefem Abfchnitte die große Heftigfeit Stein's, die Unficherheit 
und Ungerechtigkeit feiner Urtheile; fein Ehrgeiz und feine 
(Sigenliebe zeigen fich mehr ald der Berarbeiter und Heraus» ' 
geber diefer Urkunden ahndet. Einen Auftritt zwifchen Stein 
und Golofffin erzählt Pertz nach meiner Mittheilung und 
nennt mich dabei. Der von mir ihm mitgetheilte Brief Stein's 
an Gagern vom 14. Februar 1830 ift auch abgedrudt. Andres 
theils von mir Erzählte, theild in den Papieren gewiß Bor- 
gefundene ift weglaſſen. — 


Sonntag, den 5. Auguft 1858. 

Gefchrieben. Einiges über Stein und Perk aufgefept. 

In Hannover willfürlich gewaltfame Berfaffungsände- 
rungen von den neuen Miniftern endlich formulirt und aus 
gefprohen. Das Land wird der Gewalt nicht widerftehen, ift 
aber von dem Unrecht tief getroffen und hegt Erbitterung und 
Hab. — In Leipzig viele Berurtheilungen von Perjonen, die 
zur Befreiung politifcher Gefangenen zu wirfen verfucht hatten, 
auch Frauen find darunter. — 





198 


Unfere Polizei fpürt dem Urſprunge der Gerüdte md, 
die über den König und über einen gegen ihm geridktn 
Mordverſuch ausgeſprengt worden. Nun erft glauben di 
Leute recht daran! „Die Sache ift wahr, aber es folniät 
davon gefprochen werden, * heißt es. — 

Nachmittags Beſuch von der Fürflin Wittgenſtein m 
Toter. Wie immer lebhaft und geiftvoll und auch beſenden 
herzlich. Dringende Einladung nach Weimar, wir follm uf 
der alten Burg bei ihr wohnen. — Dann kam Herr Hella, 
er ſah die Fürftin noch, und fie machte den vortheilbaften 
Eindrud auf ihn. Er brachte mir einen früheren Band fe 
Schriften, worin ich den Artikel über Channing leſen fell - 

Die lepten Jahre Stein’3 machen in dem Bilde, du w 
Per von ihnen giebt, feinen angenehmen Eindrud, Bu 
fehen den Helden mehr und mehr ſchwinden, den unruhig, 
mißvergnügten Zänter mehr und mehr hervortreten. Sit 
unfichres heftiges Urtheil, von perfönlichen Berhältnifien u 
bedingt und befangen, neigt in allen Schenkungen int 
ftärker auf die ſchlechte Seite, zum ariftofratichen und + 
potifhen Walten hin. Mit der äußern Melt ift er entzrei 
fie geht in nichts nad} feinem Sinn und Willen ; feine geiit 
Beichränktheit wird aufs widrigfte offenbar, wenn er fihgun 
die Philofophen und Rationaliften ereifert. Auch wenn 
fi) in feinem Behagen glaubt und dies zu erfennen giebt, m 
urſacht er dem Lefer, anftatt' ihm diefe Stimmung mitzutbeiln 
nur Zweifel und Mißbehagen, man füplt, daß Aeıga m 
Zorn ſtets im Hintergrunde Tauern. Seine Tätigkeit h 
Landtagsmarſchall der weſtphäliſchen Provinzialftänk i 
gleich der diefer Stände überhaupt, eine eitle, Meinlic, #N 
unfruchtbare, felbft der frühere Muth geht ihm in diefer E 
lung aus. Sein körperlicher Verfall und feine Klagen brikt 
erregen das größte Mitleid, aber man wendet gern den dl 
ab, es ift nichts Erhebendes dabei, und die Art wie ei hl 


199 


ung des Todes religiös benimmt und äußert, hat nichts 
huendes, es zeigt fih ein roher Glaube ohne Geifteshelle, 
Süßigfeit. Dabei die weltliche Verzweiflung, eine neue 
ution in Frankreich zu fehen, und alles durch die größten 
fe Errungene wieder ald zweifelhaft betrachten zu müſſen! 
‚wie Geng, „die Arbeit ſeines ganzen Lebens eine ver- 
je!" — Stein wird vergebens ald ein Mann gefchildert, 
an auch habe lieben müffen, überall bricht die Härte, die 
träglichkeit, die Heftigfeit und das Schwanken feiner 
ie, feine Selbftheit und fein verachtender Menſchenhaß 
. Ich habe niemand gefannt, der ihn geliebt hätte, 
ehrte und brauchte das Heldifche in ihm, aber man 
te ihn, war froh ihn los zu fein und ihn nicht mehr 
‚zubaben, Stägemann, Niebuhr, Eichhorn, Nicoloviug, 
„Rühle, Pfuel, Zettenborn, Canitz und Andre, die für 
ifrigſten Anhänger gelten, ſprachen oft mit wahrer Er- 
ing von ihm, und haben über ihn nur etwa die Stimme, 

dergleichen ‚Untergebene über ihren Seren haben 


. — - 


Montag, ven 6. Auguft 1855. 
efchrieben ; über die hannöverfchen Sachen; der blinde 
ift in's Bad abgereift und läßt feine Schergen mit der 
fung und den Ständen nad) Gutdünfen fertig werden. 
Deutfchen wird feine Art Schmach und Erniedrigung 
t: die eignen Fürſten find die Ärgften Unterdrüder, wenn 
olE nach Hülfe fich umfieht und diefe nur vom Ausland 
en kann, weiten Schuld ift da8? Die Franzoſen haben 
ra Volke die Freiheit zu bringen verheißen, und wenn 
iefe nicht gebracht, doch faſt alled Gute veranlaßt, deffen 
it fechzig Jahren theilhaft geworden find. Und da 
die Stolgs und Süßredner noch immer thun, als fei 


200 


Deutſchlands Ehre und Gedeihen mit feinen jebigen Für 
und Staaten verfnüpft! Der Eifer, den man dahin wein 
will, würde nur einer für die Befeitigung und Mehrum 
unfrer Knechtfchaft fein. in durch den Bundestag verteee 
ned Deutfchland, durch den verrätherifchen, feigen, hoffährtigm 
Bundestag, ift und fein Deutfchland mehr, ift ein Kerfer mi 
feinen Auffehern und Schliegern. _ 

Ausgegangen mit Ludmilla. Am neuen Mufeum die de 
gonnenen Säulengänge beſehen; die Säulen find zu Hein. 

Unzweifelhafte Auskunft über Bunſen's Berufung nıd 
Berlin; fie ift wahr, aber nur eine perfönliche abfeiten de 
Königs, keine amtliche; er ift flug genug darauf nicht ein 
gehen ; er will jegt auch fein Günftling mehr fein, fondern dt 
Mann von Berdienft; er urtheilt frei und ſcharf! — 


Dienstag, ben 7. Auguft 1855. 

Geſchrieben. Wieder über Wahlen! ich babe nichts &- 
gegen, daß Andre fich entfchließen an den Wahlen Theil zu 
nehmen ; ich aber will mid) dazu im voraus nicht verpflichten; 
ih traue hier nicht mehr! — 

Als der Prinz von Preußen zuletzt eine Befichtigungsteil 
nach Weftphalen machte, fchrieb der General Leopold von 

Gerlach an den berüchtigten Präfidenten Peters in Minden, 

er möchte doch den Prinzen geyau beobachten laffen. Die du 
Kreuzzeitungdparthei verkaufte Seele des Peters war aud fr | 
gleich gehorfam und beftellte den berüchtigten Dr. Lindenbetz 
feinen vertrauten Spießgefellen, aum Späher. Bald abet 
wurde man im Gefolge ded Prinzen auf den Buben aufmett: 
fam, ergriff ihn und zwang ihn zum Geftändnik. Großet 
Zorn des Prinzen, Klagen beim Könige, Doc) es blieb alle 
beim Alten. — Ä 

Schwer und bedeutungsvoll find die Worte Stein’3, mit 








201 


er. feinen eignen Lebensabriß befchließt und meifterhaft 
idt: „ Das andere mir gewordene Problem zu löfen, oder 
bre Stellung im Alter zu ergreifen, das wurde mir durch 
togenen Hoffnungen von einem nahen beffern Zuftand 
hlands und durch mancherlei Mipverhältniffe in dem 
n meiner Familie erleichtert, fle die in einzelnen Källen 
peinlich und tief mic, erfchütterten, im täglichen aber 
unerfreulich wirkten, Tenften meinen Sinn vom Irdi⸗ 
von hier erwarte ich nicht? mehr als fortichreitende 
g in Refignation, in Demuth, in Hoffnung, im Glau⸗ 
— Der Schrift Eicero’d vom Alter beizufügen! — 


Mittwoch, den 8. Auguft 1855. 
ruhige Nacht, Träume, Fieber, Huften! ch blieb lange 
t. — Brief und Sendung aus Madrid. Mein guter 
Adolph von Barnbagen ſchickt mir zwei Abdrüde feiner 
ia geral do Brazil, tomo primeiro; das eine Erem- 
t für Humboldt. Endlich aufgeftanden, fühlte ich mic) 
tauglich, fchrieb aber doch an Humboldt und fügte dad 
bei. — 
err Lehfeldt befuchte mich wegen eined Anliegend des 
aym in Halle; diefer wendet Wilhelmen von Humboldt 
ere Aufmerkſamkeit zu, fragt befonderd nad) dem Brief: 
I deffelben mit Körner, der meiner Vermuthung nad) 
ausgedehnt noch erheblich geweſen fein kann; ein paar 

bat Hofrath, Förfter der alten Wittwe Körner abge: 
en. Alexander von Humboldt hat auf eine Anfrage 
38 ſehr fühl, faft verdrieglich geantwortet und bemerkt, 
efte über feinen Bruder hätten Barnhagen und Schlefier 
— Ueber den geringen Abfak des Briefwechfeld zwifchen 
er und Körner; früher war ed eben fo mit dem zwifchen 
er und Wilhelm von Humboldt, Cotta befam die Koften 





202 


nieht heraus! Das gehört zu unfern deutjchen Unbeoreiflid- 
feiten und mag die größten Geifter demüthig flimmen. — 

Der Prinz von Preußen ift heute von St. Peteräburg jur 
rüdgefehrt. — 

Bei jedem Erfranfen bat man in meinen Jahren einig 
Todesgedanken; ich fprach mit Ludmilla, beſonders auch ihre: 
wegen, über den Berbleib meiner Papiere, deren Sicherung x. 
Wir beriethen und überlegten ernitlih und lange. — 

Man verfichert, nie habe es eine größere Späherei und 
Kundichafterei gegeben, ald die jeht in Preußen hertſchende; 
fie fei alterdingd auch eine politifche, aber doc vorzugsweiſ 
eine perfönliche, und ihr Gegenſtand fei vor allem die Köniy 
lihe Bamilie, dann andre hohe Perfonen im Ins und Au& 
lande, die Minifter, Günftlinge, Gefandten ꝛc. Da die & 
obachteten zum Theil willen, daß fie beobachtet find, fo menden 
ſie ihrerfeit® alle Mittel an, um die Werkzeuge zu gewinne, 
ihnen das Günſtige ftatt des Ungünftigen unterzufchieben; ja 
manche Perfonen wenden -ihr Unfehn und ihre Macht an, um 
eine Gegenfpäherei zu leiten. Daher Ränke und Kniffe ohne 
Zahl, die ſich bald vereinigen, bald trennen, freuzen ꝛc. De 
Schlimme ift, daß folcherlei Beitrebungen immer nur auffa% 
theiliges ausgehen, das Gute gar nicht beachtet wird, we iend 
daher fehlt muß es erfunden werden. Wenn die Berichte diekt 
Art einmal öffentlich befannt würden, beißt es, fo müßte ir 
Welt erftaunen über die Möglichkeit folder Anhäufung ver 
Berläumdungen und Albernheiten, fie müßte erkennen, „daß a 
nie einen belogneren und betregneren Fürſten gegeben hab | 
ale Friedrich Wilhelm der Vierte. * — 





Donnerstag, ben 9. Auguft 1855. 
Fieber, rheumatiſche Schmerzen in Schulter, Arm, Rüden; 
ſtarke Berjchleimung, benommener Kopf, elender Zuſtand! — 


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& 
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203 


Antwort von Humboldt, aufgeweckt und freundſchaftlich, 
wie immer. Er kündigt mir ſeinen Beſuch zum Sonnabend 
gegen 1 Uhr an, wird mir feine geſtrige lange Unterredung 
mit dem Prinzen von Preußen erzählen und ein Danffchreiben 
für meinen Better in Madrid mitbringen. Sch beneide diefe 
Rüſtigkeit; ich Tann in befter Zeit nie heute mit Sicherheit 
etwad für morgen beifimmen! — 

Ich nahm dag Reben Meierotto’d von Brunn zur Hand, dad 
ich feit vielen Jahren nicht wieder gelefen, mich aber immer- 
fort des guten Eindruds lebhaft erinnert hatte, den es früher, 
auf mid) gemacht. Der gute Eindrud fehlte auch diesmal 
richt, ich frente mich herzlich des rechtfchaffenen, fleißigen, 
pflichteifrigen, mit praftifhen Gaben reichlich gefegneten, 
menfchenfreundlichen,, heitern Schulmanns, Der bei geringen 
äußern Mitteln und knappem Gehalt unverdroffen das Beite 
that und förderte und einer der Edelſten und Verdienteſten 
feined Faches war. Auch Friedrich der Große zeigt fich vor: 
treflih,, fogar in der Art, wie er dem Berdienfte den zuer- 
fannten Kohn noch zurüdhält. Dad Knappe in den alten 
preugifchen Berbältniffen erfcheint überhaupt nicht nur ehr⸗ 
würdig und rührend, fondern als eine Kraft und Tugend, Die 
allen Prunk und Schein ala Unwefentliches darftelit, Dagegen 
immerfort auf dad Wefentliche, auf Pflichterfüllung und Ber- 
dienft hinweift. Hätten wir von diefer guten Snappheit nur 
mehr übrig! Das Giferne Kreuz, dieſer glückliche Gedanke 


%- ded vorigen Könige, und überhaupt vieles im Jahre 1813, ift 
% ob im Karakter diefed alten Preußenthums, und welche 
f. Thaten, welche Reiftungen gefchehen damit! — 


Ich Hatte heute die Empfindung, ald wäre Rahel mir 


: geſtern entriffen worden, fo gewaltig war das Bermiffen, fo 
u lebhaft und neu, ala könnt' ich ed nicht ſchon lange Jahre ges 


fühlt haben. Mein Berhältnig zur jetzigen Welt bricht täg- 


1 fih mehr zufammen, da wird eine aräßliche Leere fühlbar, 


204 


man fehnt fid) nach dem, was einjt fo glücklich Das Leben aut: 
füllte. Rahel's Briefe zu lefen war ich in diefer Gemüth® 
bewegung nicht fähig! — 


Freitag, den 10. Auguft 1855. 

Fieberfranf im Bette; Huften, benommener Kopf, Nie J 
hagen im ganzen Körper. — Brief von Jegor von Siveri ul 
Liefland, — 

Der Volksmann Held, bekannt aus dem Jahr 1848, J 
wieder hier, und fucht fih irgendwo anzubringen. Daß die 
Polizei ihn duldet, Spricht nicht eben für ihn. in früher 
Gönner, der Generalfieutenant außer Dienften von Belm, | 
hat feine Hand von ihm abgezogen. Man fagt, er babend 
zu einer geringen Stelle gemeldet und helfe ſich einjtiweien 
mit Litteraturgewinnft. — 

Zum erftenmal bricht in den Zeitungen eine Nahndt 
durch, daß die Gothaer fich regen, in Heidelberg Berathunge 
halten, wieder von deutfcher Einheit, deutfchen Grundredteni. 
die Nede fei; doch von ihrer Verbindung mit Wien, die M 
MWichtigite bei der Sache wäre, ihr unmittelbar praktiſche % 
deutung gäbe, verlautet öffentlih nocd nichts. Bon M 
Gothaern fann fein Heil fommen, fie laffen fih nur mif 
brauchen und drüden die Augen zu, damit fie e8 nicht ſehen 
Ehrgeizige Unruhe ift die perfönliche Hauptfache; daß fiede | 
neben auch Baterlandeliebe haben, läßt ſich nicht läugn- 
Dahlmann fcheint der Beſte, er ift aber jest nicht dabei. — 

Der preußifche Gefandte zu Konftantinopel, Herr ven 
Wildenbruch, ift hier angefommen; er bringt einen Sohn nad 
Halle in’d Pädagogium. Er ſoll fehr verkehrtes Zeug 
ihwagen, mit feiner Parthei ed verderben wollen; dod be 
fchuldigt man ihn ſchon, doch eigentlich zu den Weſtmächten 
hinüberzuneigen. Was foll diefer Fleine Sohn des Prinzen 





205 


is Ferdinand ald preußifcher Diplomat wohl Bernünftiges 
yringen? Seine Megäre von Frau ift nicht mit. — 
Herr Holland kam Abfchied zu nehmen, er faß lange vor 
nem Bette. Wir jprachen von Ghanning, dem Menfchen, 
. Schriftfteller, daß er an die Wunder geglaubt, die und 
Bibel erzählt, was den fonft jo hellen und ſtarken Geift 
feiner Höhe wieder tief hinabzieht, entfchuldigt Holland 
h feine frühe ftreng firhliche Erziehung, fein Prediger: 
n; entjchuldigen ift nicht rechtfertigen! Sein fcharfed Ur- 
l über Bonaparte. — 

Wie Stein feine fittlihe Empörung faft immer nur gegen 
hoch und ihm im Wege ftehenden auffpart, daher befonderd 
Hardenberg, dann Metternich, auch Gentz — wenn er ihn 
ve nicht braucht. Die Humboldt’fchen Uebergriffe, die 
igemann’fchen genirten ihn nicht, auch nicht, daß fein ver- 
itefter dienftbefliffenfter Freund Kunth oder General von 
tel ihre Frauen aus früheren Ehen weggeheirathet ıc. 


Sonntag, ben 12. Auguft 18585. 

Der Prinz von Preußen hat den Kanzler Grafen von 
jelrode in St. Petersburg gefragt: „Und wenn nun die 
ftmächte in den Wiener Berathungen die öfterreichifchen 
träge, mit denen Rußland ſich fchon einverftanden erflärt 
te, nicht abgelehnt, fondern angenommen hätten, was 
tden Sie gethan haben?“ Neſſelrode fchwieg erft lange, 
in fagte er: „Das würde uns in große Berlegenheit gebracht 
en.“ Er wagte nicht zu fagen, daß dann der Friede zu 
Inde gelommen wäre. — 

Auf die Nachricht, daß der Prinz von Preußen nad Erd» 
insdorf komme, ift der General Leopold von Gerlach 
tunigft von dort abgereiſt. Er fürdtete ih, demfelben 
Augen zu fommen! — 


206 


Montag, ben 13. Augef 185. 
Mir ift oft zu Sinn, als ob ich unter Menſchen Ihe, de 
nicht meine Sprache reden, deren Empfindungereiie um 
angeregt wird ald Me meine, deren Gedanken einen um 
Lauf haben, Wie oft wird ein Allgemeines, was ih w 
fpreche, auf das kleinſte Einzelne bezogen, eine höhere Euyw 


dung mit geringer Bemerkung beantwortet, jo daß alcih il 


weitere Mittheilung abgeſchnitten ift, oder nur aus Füglınid! 
mit völliger Herabitimmung fortgeſetzt wird! Wie aufs Au 
geichlagen, wie mit faltem Waſſer befprigt ! Ich bedanre jr 
mich in dieſem Betreff, wie ich fonft Rahel bedauerte! — 
Naihrichten aus Wien fagen, daß dort der Gedanfe nm 


großen Wendung der Politik, einer allgemeinen Berbünim 


gegen den Welten, immer mehr Boden gewinnt. Man nit 
Donaufürftenthümer behalten, in Italien und Deutiäla 
die Oberberrfihaft führen; dazu würde Frankreich his 


werden, Rußland befriedigt werden müffen, “Preußen bi! 
zuerſt tapfer. mitzufämpfen,, feine Heeresmacht wäre nidtf 
entbehren, dann aber dürfte man ihm zulegt Opfer aufetlezh 


denn feine Schwächung fei ein Hauptzweck, Oftpreufen ſu 





an Rußland fommen. Was ift hier größer, der Unfinn Mage 


die Verrätherei? Sie berechnen nur immer ihre Cha 


figuren, daß es eine Hand giebt, die das ganze Spiel zeriälägl 


und den Spielern in's Geficht wirft, denken ſie nit. — 
Abends mit Ludmilla Schad im Bette gefpielt. (& 


haben jene Hand nicht zu fürchten!) Zulegt im Comein 


Nepos geleſen und Homeriſche Verſe hergeſagt. — 


Dienstag, ben 14. Auguft 1855. 


Die Engländer hießen Sweaborg in Brand, nie. 


Nachricht wird erwartet. — Die in Frankreich freigelufen 


ruffifhen Offiziere, welche in Bomarfund gefangen — * 











207 


ddreißig an Der Zahl hier Durchgefommen, von dem 
sefandten bewirthet worden und, nach zweitägigen 
weiter gereift. Herr von Viedert hat fie befucht, 
waren frech, prahleriſch, fie fhimpften auf Bona- 
‚en jedoch die Ftanzoſen; aus allem Trotz, den fie 
ickte die Beforgniß doch deutlich hervor, daß fie in 
burg einen ‚fhmweren Stand haben würden. Ste 
er Kranzofen und Engländer, daß fie Sehaftopol 
ngen, das doch nur eine elende Feftung ſei x. — 
ht das Gerücht, der Prinz von Preußen habe in 
burg bittre Vorwürfe anhören müffen, und fei mit 
iı Anträgen zu einem offnen Bündniffe zwiſchen 
nd Rußland zurücgefchicht worden, zu einem offnen 
n das auch Defterreich einzutreten ganz geneigt fei, 
die Franzoſen und Engländer eine tüchtige Schlappe 
ten. Es wird hinzugefügt, man habe dem Prinzen 
ı gegeben, da fein Bruder, der König, keines irgend 
Sntfchluffes fähig fei, immer nad beiden Seiten 
e und feine Zagheit als politiſche Klugheit wolle 
n, fo habe man ruffifcherfeitd nicht® damider, wenn 
fen Umftänden der Prinz felber die höchfte Leitung 
in die Hand nähme. Das fehlte unfern Zuftänden 
Itung des ganzen Staatd und Heeres in zwei feind- 
! Denn ohne Widerftand ging ed nit ab. Statt 
d, in Preußen PBalaftrevolution! O nein! Bemer⸗ 
ft e8, daß hiefige Sefandtfchaften diefe Sachen als 
yen und verbreiten. freilich läßt auch fehon das 
icht fich vielfältig benugen. — 

citus gelefen, in Louis Blanc. — 

nftruftion des Minifterd des Innern Seren von 
— — ein folder Name kann nicht oft genug genannt 
wegen der nächſten Wahlen für das Haus der Ab: 
ift fehon fertig und an die Behörden abgefandt, 





208 


Sie fagt, es dürften durchaus nur die von der Regierung ie 
zeichneten Perſonen gewählt werden; fände fidh, dap im 
eine derfelben ganz und gar nicht durchzufegen voäre, ſo hält 
der Landrath als Kandidat aufzutreten, und der müßt m 
elender Landrath fein, der nicht in feinem eignen Kreile ſi 
die Stimmenmehrheit zu verfchaffen wüßte. Das jhänlik, 
vom berüchtigten Landrath von Elsner gegebene Beifpiel, Wi 
auch von den Kammern nicht befchönigt werden fonnte, Nr 
Regel erhoben. — 


Mittwod, den 15. Auguf 1858. 
Dr. Diezel’d neufte Schrift, die Bildung einer wa 
großen Einheitöparthei betreffend, wird in den Cränztet 
beurtheilt, nicht ohne ſchiefe Blicke auf die fogenannte ar 





kratiſche Parthei, die ſich aufgelöft habe durch ihren Beidin, U 
in Preußen an feinen Wahlen Theil zu nehmen! mie J 
theil, dadurch hat fie fich erft recht gebildet und eine Tax 


höherer Anhänger gewonnen. Sie befteht freilich nidt m 
polizeilich greiflichen Sinne, aber in geiftiger ſtarker Gm 
(haft, mit Ausſchließung aller Qumpen und Scuft. # 


dem Namen ift auch wenig gelegen; der ächte Freiheitiftel 
verzichtet im voraus auf den Sieg des Namens, aber dir gi 


wird immer diefelbe fein, auch wenn die Farben media 


Bei Navarino war die Sache der Freiheit auch unter ruſſſhe 
Flagge, heute ift fie auch unter türfifcher; doch nur ad" 
fehr gemifcht und nicht rein. Wann wird fie einmal 1 
bervortreten! Nicht unter Fürjten! — 


Man will und immer abipeifen mit der De 
Macht und Größe eines Baterlandes, das gar nicht mil; ® 
Hirngefpinnften politifchen Gewichts und Einjluffes, vie m | 
nur die beftimmter Höfe fein würden, jelbftfüchtiger Herrih 
die an der deutfchen Sache von jeher zu Rügnern und do 


209 


een geworden find. So wenig man einem deutſchen 
tlandäfreunde zumuthen konnte, dad Ungethüm des zer- 
zen fogenannten Reiches im Sinken und Berfinten aufzu- 
en, eben fo wenig fann jept ein ächter Baterlandefreund 
Hoffnungen auf den deutfchen Bund fegen. Sept nicht 
r. Mich konnte der Untergang des Reiches einft jammern, 
Innte ed vielleicht aucdy einft der ded Bundestages, aber 
das was fie dennoch hätten fein können, leider aber nie 
eſen find! — 

Zum Troft erhielt ich,ein neued Bändchen von Histoire 
na vie, par George Sand, das vierzehnte, — 


Donnerstag, ben 16. Auguft 1855. 

Dirichlet hat den Orden pour le merite (Friedensklaſſe) 
ih ſchon befommen. Dad ging ungewöhnlich ſchnell 
mal. Humboldt hat auf’d allerfchönfte Wort gehalten 
unmittelbar beim Könige die Sache mit aller Kraft durch⸗ 
zt. Die Stimmen hatte er fchon vorher gefichert. Es 
: mich herzlich für Dirichlet, der nun in Göttingen gleich 
erhöhten Ehren anfommt. Nun halt’ ih es auch für. 
Ah, daß er nach einiger Zeit wieder nach Berlin zurüd- 
fen wird, wenn nicht früher Paris ihn anzieht, — 
Die Kreuzzeitung fehweigt ganz über Sweaborg. Erſt 
et und fchimpft fie, daß die Engländer in der Dftfee nichts 
können, und da fie thun, ift fie auf's Maul gefchlagen. 
ärgite Spott trifft doch die Rufen, ihre ganze Seemadht 
ie verſchwunden vor dem Feinde, fie vernichten ihre 
ffe oder verfchließen fi. Wozu eine Seemacht, die ſich 
ſchlägt und die Flug ift, fich nicht zu fchlagen? Warnung 
Preußen mit feinem Jahdebufen und feinen zwei Fre⸗ 
mn! Der unnübe Aufwand für das thörichte Seeweſen 
t fich aber täglich aus! — . 


arnbagenvon&@nfe, Tagebüder. XII. 14 


210 


Schach mit Qudmilla gefpielt. — In Georges Sand, u 
Goethe gelefen. — 

Das Buch von Diezel über die Bildung einer deutjn 
nationalen Parthei ift in Baiern und Kurbeffen von der Be 
lizei weggenommen. Mißgriff! Im Sommer wirft fein dus 
in Deutſchland. Und im Winter? Auch nicht viel! „dj 
mich nun endlich Thaten ſehen!“ — | 


Freitag, den 17. Anguft 1855. 

Ueble Nacht. Mein Zuftand bringt zuweilen ein Gefihl 
von Hinfälligfeit hervor, das zu aller Ihätigkeit unfähig 
macht. — Nah Madrid an meinen guten Better gefchrieben 
und ihm den Dankbrief von Humboldt zugefertigt. — Belud 
von Herrn Dr. Freſe; litterarifche Anfrage. — Dirichlen. 
Ernennung fteht ſchon in allen Blättern. 

In Hannover ift der Kitterat Heinrich Bode, gebürtig aus 
Hildesheim, wegen feiner vermutheten Zeitungäberichte übe 
das hanndverfche Verfaſſungsweſen auf Anjuchen des Staats 
anwalts verhaftet worden. — | 

Die preußifche Polizei hat einen in der Nähe von Er 
mannsdorf herumftreifenden Polen verhaftet; derſelbe fol in 
Defterreich zum Tode verurtbeilt fein und wird wohl außer 
liefert werden. — | 

Beſuch von Herren General Adolph von Willifen, der an | 
Erfurt angekommen ift. Vielfacher Austaufh. — Emil 
Geſpräch über Tod und Todesfurcht. Beuth's früh angelegt 
Lifte der Menfchen, die er gefannt und die geitorben; ein 
erfchredlende Anzahl! Daß man unter den Mitlebenden mebt 
und mehr fremd wird, erfährt jeder, der lange lebt. Shrek 
Tiher Gedanke des irdifchen Immerlebens, nichts paßt dazu! 
Willifen hegt die Meinung, das gewöhnliche Drenfchenalter 










211 


250 Jahre von Rechtöwegen, nämlich das Zehnfache feiner 
Eentwidlungszeit, 25 Jahre. — 

Der König follte nach dem Wunfche der Aerzte noch länger 
nn Erdmannsdorf bleiben, er will aber durchaus nicht, das 
Leben dort ift ihm zu einförmig, die Huldigung der Bauern 
angweilt ihn. Er will Jubelfefte, Einweihungen, Grund⸗ 
teinlegungen, bunte Menge. Seine Gefundheit foll ſich ge⸗ 
efiert haben, aber noch keineswegs auf fichrer Grundlage 
kehen. — 

Der General Leopold: von Gerlach foll eine entfegliche 
Sucht vor dem Prinzen von Preußen haben, den er für fähig 
ält, ihm einen Öffentlichen Schimpf anzuthun. Er foll fogar 
chon die vermittelnde Fürſprache der Prinzeffin angefleht 
yaben, mit der Andeutung, daß er ja nicht umhin könne, das 
vas ihm befohlen werde, auszuführen. So ftellt er alfo nun 
en König bloß! Das kann ihm bei Gelegenheit übel heim- 
ommen! — 

Herr von Schön hat vor Stein eine große geiftige Bes 
zabung vorausgehabt, er war Staatemann und Philofoph 
ind ein Mann von edlem Gefchmad, von allfeitiger Bildung, 
vährend Stein bekanntlich befchränften Geifted war, und von 
Bhilofophie und Geſchmack in Künften keine Spur in fid 
Jatte, Aber dennoch ragt Stein in der öffentlichen Meinung 
aber Schön, wie Blücher über Gneifenau;; felbft feine Fehler 
and Mißgriffe dienten feinem Namen, fo der berüchtigte Brief, 
er das Werk eines Unbefonnenen war, fo die Schmad) von 
Napoleon ald le nomme Stein bezeichnet zu fein ꝛc. — 


Sonnabend, ben 18. Auguft 1856. 
Mit meinem Huften fcheint es fchlechter zu werden; heftige 
nftrengung, dann Ermatten. — Der Buchhändler ſchickt mir 


8 eben fertig gewordene Buch des Herrn Jegor von Siverd: 
14° 





212 


„Die deutfchen Dichter in Rußland“, eine Blumenlele ae ' 


Art. — 


Sendung aus Leipzig, Herm Dr. Steinheim’ Arıy | 


gegen einen Dr. Schiller über Aristoteles Sklavenfrage. — 
* hatte mir die „Erinnerungdblätter * von Sternberg, a 
kleines Bändchen in Duodez gebracht. Dies Erzeugnig, me 


alled von ihm, ift ein fprechended Beifpiel begabter Unmk, 


nicht unreifer Begabung, wie man vielleicht lieber fa 
möchte, denn die Hauptfache ift wirflich die Unreife, un 


ſich die Begabung angefegt hat. Er fchreibt fliegend, we J 


nehm, fehr elegant und nie bloße Phrafen, aber feine Gehata 


find kurzer Art, feine Gefühle ganz perfönlich wie feine Ib. 


theile, feine Bilder nur Umriffe. Sein Bernünfteln im 


Adel ift poffirlih, feine Neue, der Reaktion und dem Kine 








thum gedient zu haben, klingt fomifch wie die Klage übet ie Pr 
verfehlte Spekulation. Weber Goethe hat er fi von und] 
Leuten beſchwatzen laſſen; über Ludwig Tieck jagt ad 
Wahres; treffend wahr fehildert er den Kriminalrath Hi 


einen der Menfchen, von deren Gitelfeit und Scheimofeai: 


am meiften zu leiden gehabt; er war nicht nur felbe # 
ichlechter Freund, fondern fuchte mich auch bei Chamife nif 
lichft zu untergraben, was ihm doch nur zum Theil ydap 
ungeachtet er fich deſſen Unbeholfenheit zu Nug gemadt, e 
ihn ganz zu unterjochen. Friede fei mit Allen! Bern ik 
nur nicht Rechnung halten, ich will e8 gewiß niht! — 
Mit Ludmilla Gefpräche, Schach. In Goethe's Gedidlt! 
und Maximen gelefen, in Stein’d Leben von Perg. — 


„Wanderungen nad) Südoften. Herausgegeben von Ad 
Theodor von Grimm. Erfter Theil. Die taurifche Halbil| 
Berlin 1855." 8, Dem Groffürften Konftantin Ritolsjanit 
gewidmet, deffen Lehrer der Verfaffer war. Derſelbe Hei 


von Grimm, den ich in Kiffingen gefannt, dann aud ME 


213 


weder gefehen habe. Das Buch iſt ein leichtes, wenig in's 
Jewicht fallended. — 

Der König ift wieder in Sansſouci, der General Leopold 
on Gerlach ebenfalls; er iſt weit aus dem Schuß, da der 
Prinz von Preußen nach Baden-Baden geeilt ift. — 

Ich war veranlaßt zu mancherlei Betrachtungen. ch bin 
yon Kindheit an mit entfchiedener Richtung zum Guten und 
mit Anlagen zu deffen Auswirkung begabt gemwefen ; in meinem 
Bater hatte ich dafür das kräftigſte Beifpiel, die thatfächlichfte 
Beſtärkung; gleiche Richtung und Anlagen waren in meiner 
Schwefter, und fie ift ihnen unverbrüchlich treu geblieben. 
In meinen Sünglingsjahren, unter rohen und fchlechten Ges 
jellen, gerieth ich in einige Gefahr, allein alles Gemeine fchredte 
mich ab. Größere Gefahren kamen mir aus höheren geiftigen 
Regionen, aus der romantifchen Schule, die zur Verachtung 
© vieled Gepriefenen, zur Hebertretung fo vieles Gebotenen mit 
ã betlegenem Geift anreizte, eine bedenkliche Weltanficht auf: 
teilte. Unter folcher Autorität waren manche Abwege leicht 
u betreten, gefährliche Spiele guted Muthes zu wagen. Ein 
vunderbares Glück ftand mir in diefen Zeiten bei, der Sinn 
einer Kindheit verließ mich nie ganz. Den entfcheidenditen 
Rud zum Guten, die Befeftigung darin für alle Zeiten gab 
nir Rahel; feitdem fand fein Wanken mehr Statt, und was 
ie Welt forderte und dad Gewiffen gebot, erhielt fih im 
auernden Gleichgewicht. Auf die Anfichten kommt freilich 
iel an! Es giebt, wie falfche Ehre, auch falfche NRechtſchaffen— 
eit; wir haben genug davon gelitten! — 


Sonntag, ben 19. Anguſt 1858. 
Etwas beffere Naht und leichtered Huften, aber noch 
limm genug! Seltſamer Traum von großen Zerftörungen 
Rußland, in denen ich felber eine Rolle fpielte! — 


214 


Es heißt, der König fei mit dem Generalpoligeidikter 
von Hindeldey in Erdmannsdorf gar ſchlecht zufrieden geincen, 
und man ſpreche ſchon davon, daß man ihm einen Nadfelge Hat 
fuche, der dann aber nur wieder die gewöhnlichen Befugnit 
eines Polizeipräfidenten von Berlin haben würde, Ich alu MM‘ 
nichtd davon. — | 

Die Regierung hat, fo wird verfichert, alles für die nähen 
Wahlen forgfam vorbereitet, die Perfonen ausgeſucht und DR 
Behörden angezeigt, die fie bei den Wahlen durchgefept wiſen J. 
will. Sie hat aber mit Unruhe und Beforgniß vernommehs R 
daß viele Wähler, die fich biäher des Wählens enthalten haben/ 
diesmal mitwählen wollen, und daß daher die gemachte Reh 
nung arg durchftrichen werden könnte. Bon Seiten heftiger 
Neaktionaire ift der Borfhlag gemadht worden, die fümmt | 
lihen mißfälligen Wahlen zu vernichten und die Abgeordneten | 
aus Königlicher Machtvolllommenheit zu ernennen ; von andter 
Seite wird geratben, diefe Gelegenheit wahrzunehmen und zu 
erflären, daß mit ſolchen Wahlen und Formen nicht regiert 
werden könne, daß man beide Häufer daher auf unbejtimmte | 
Zeit fuspendire. Der König foll erwiedert haben, das habe 
man ſchicklich thun können, ehe noch das Herrenhaus beitand, 
mit diefem könne man fo nicht umfpringen! — Wie wär & | 
denn, wenn man mit dem Herrenhaus allein regierte und bloß 
dad Abgeordnetenhaus eingehen liege? — So ftcht es mit 
der Verfaffung in Preußen! Aber wie die Regierung fid | 
nicht® draus macht, fo das Volk aud nicht; es wird hobn- 
lachen, wenn man die Gaufelei abfchafft, und die fogenannten | 
„Herren“ wird der Kladderadatich ablohnen! — | 

Im Bette Schach gefpielt. In Sternberg’® Erinnerunge 
blättern, in den baltifchen Dichtern von Sivers, in Goethe? | 

Einzelfäpen gelefen. — | 





215 


Montag, ben 20. Auguft 1855. 

Die Ruffen am 16. mit großem Berluft an der Tſchernaja 
‚dgeichlagen; 50,000 Dann unter Liprandi. Sie fuchen 
Berluft bei Sweaborg zu verkleinern, aber ed gelingt 
k; unpartheiifche Berichte von Privaten fprechen feine 
‚Be mit überzeugender Wahrheit aus. Beſchießung von 
a. — 

Die Königin von England in Parid angelangt. Gaſt des 
des meineidigen —, des —. ine jchöne Ehre für fie 
ihren Prinzen Albert! — 

Ein Arzt, Dr. Neuhaus, wegen Betheiligung am badifchen 
ftande zu zehnjähriger Haft verurtheilt, ift von Ehren: 
tenftein, wo er gefangen faß, entlaffen und ihm der Reſt 
er Strafe geſchenkt worden, unter der Bedingung, daß er 
‚ Amerifa auswandre. Wird diefe langjame Begnadigung 
t auch für den unglüdlichen von Corvin-Wiersbipfi ein- 
n? Danf verdient folche verfpätete Milde nicht! — 
Die von der Regierung bezahlten Zeitungsjchreiber müffen 
uchen uns einzureden, die Regierung habe über die Maß— 
m in Betreff der Häufer, der Wahlen, der Vorlagen noch 
3 beſchloſſen. Man denft und zu überrafchen. — 
Hiefige Magiftratsbeamte wollten ſich wegen ihrer perfön- 
n Angelegenheiten berathen und hatten dazu die polizeiliche 
iubniß eingeholt. Dennoch hob die Polizei die Berfamm- 
| auf. Unter genauer Beſchränkung der Gegenftände, 
be berathen werden dürften, wurde die Berfammlung 
ver erlaubt. Nun aber hatten die Betheiligten die Luft 
dren. — — 

Unfre Pfaffen vereinigen fich in mehreren Provinzen, die 
n Befchiedener, wenn auch die bürgerlichen Gefeße fie ers 
ven, nicht einzufegnen, fofern der kirchlichen Forderung 
ei nicht nach ihrer Pfaffenauffaffung entfprochen ift. Die 
hwendigfeit der bürgerlichen Ehe wird immer offenbarer. 








216 


Die Rarren Arbeiten zum eignen Schaden, die Narren und - 
Schelme! — | 
„Biographifhe Erinnerungen an Johann Georg Samın, 
den Magus im Norden. Münfter 1855.° 7658 m 
Karl Sarvachi, kurheſſiſchem Oberfinanzratb. Shleht,m J 
Tiefe Hamann’? nicht gewachfen, und ohne fcharfen Blidin J 
Zeit und Umgebung. Die fromme Seite frömmelnd aufge 
Mit feiner wilden oder „Gewiffendehe“ macht der alte us 
den Frömmlern viel zu fchaffen, das fchöne frifche Landnid 
hen, die Magd feined Baterd, mit der er Kinder befam, m 
die zu heirathen er ſich nie entſchließen konnte! : Er geiek, 
dag er Hleifchlich in fie entbrannt war, und diefe finnliche Lahn 
haft durch nichte zähmen konnte; der fromme, chriflide 
Mann! Die Frömmler trauren erftaunt, aber fie mela 
nicht richten! Hier nicht, weil ed ihnen hier nicht paßt, abt 

anderwärt® richten fie und verdammen ! — 


Sommer 1855. 

Der Gefandte von Ufedom und der General von Bekl, 
mit Aufträgen des Königs nach Paris und London geidikt 
fanden dort von den Königlichen Gefandten, Graf von fur | 
feldt und Graf von Bernftorff, nit nur feine Unterftühum | 
fondern entſchiedne Gegenwirkung, in folge ihrer vom Minikr | 
präfidenten von Manteuffel empfangenen Weiſungen. &' 
ſahen fi) dadurch auf's Außerfte blosgeſtellt und genark | 
führten bittre Befchwerde beim Könige, und verlangten Gew 
thuung, Wedell wollte fogar den Herrn von Manteufel im 
Zweikampf herausfordern. Der König fuchte allerlei Ir | 
wege, fie zu befehwichtigen, den Minifter zu entſchuldigen, m | 
obwohl dies nicht recht gelingen wollte, fo erfolgte dech mil | 
Weiteres, | 


217 


In Koblenz, Sommer 1858. 

Der König war mit dem Prinz Regenten von Baden, ale 
der Herzog von Koburg aus Paris eintraf. Gefragt, wie es 
dort ausfehe, erwiederte er, die Stimmung fei ganz friegerifch, 
worauf der König ein finſtres Geficht machte. Der Herzog 
fuhr fort, und meinte, der Einfluß ded Königs verbunden mit 
dem des Kaiferd von Defterreich könne noch den Frieden herbei- 
führen. „Was?“ rief der König, „mein Einfluß? Was ich 
fage ift alles umfonft, mein Wort gilt nicht mehr als ob's 
der da gefagt hätte“, wobei er auf den Prinz-Regenten zeigte. 
Diefer nahm nun aucd das Wort und fpracdh von der impo- 
ſirenden Macht des vereinten Preußend und Defterreicht. 
Ich habe das Stückchen durchgeſpielt,“ verſetzte der König, 
und kenne ed. ch habe nach Wien gefchrieben, die Sache fei 
anz leicht, unfre Kriegäheere vereint und dazu ein paarmal 
underttaufend Ruſſen, fo diktiren wir den Frieden in Paris! 
Bas hat man aber in Wien getban? Mein Schreiben in 
ßaris mitgetheilt!" — 


Dienstag, den 21. Auguft 1855. 

Leidlich gaefchlafen, aber am Morgen der Huften ſehr 
Hlimm, und auf's neue Fieberbewegung. — 

Der heutige Bublizift liefert eine Gerichtöverhandlung, die 
ar ſchreckliches Ticht auf die fromme Stiftung Magdalenum, 
umd ein fchauderhaftes auf unfre Richter wirft. Die faule 
Sache war nicht zu verhehlen; die Auffeherin und der Pres 
diger zeigten fich nichtöwürdig feige, wollten ſich nichts er- 
innern, wollten die Sache fallen laffen ꝛc. Und die feigen 
Richter? mochten ſich nicht an der frommen Stiftung die 
Hände verbrennen, nicht die hohen Befhüger und Veſchütze⸗ 
rinnen fich zu Feinden machen, und verurtheilten ein armes 
Mädchen, das nicht? geftohlen hatte, zu vier Monaten Ger 


218 | 


fängniß wegen Diebftahle! Man hatte ihre Kleider ihr | 
weigert, fie war alfo in denen des Stifte? weggegangen, jent 
waren gut, diefe Zumpen, aber die Ausfage der Aufichern 
gab eine andre Schäßung, und die galt. Der Publiziſt ſag 
felber: „Daß die Beweidaufnahme eine erfchöpfende geneje= 
wagen wir nicht zu behaupten.” — Solchen verderblihenEk = 
fluß hat das Frömmler- und Heuchlerwefen! Und dar == 
diger Seibel, wie verfintt er nicht aus Scham, wie findet 
fich mit feinem Gewiffen ab? Por Gericht ftand: er jümme= 
lich da! — 

Engliſches gelefen. „Histoire de la restauration p== 
M.F.P. Lubis, Paris 1837.“ m Bourbonifhen Sir- 
gefchrieben, wenig neue Thatfachen, geringe Daritellun= 
Bildniffe nach Denktmünzen find eine gute Beigabe, die Ge 
fichter lehren ſchon Geſchichte, Diefe bei bedeutenden Form— 
nichtöfagenden Züge Ludwig ded Sechszehnten, der inhaltlem 
Eifer in den Zügen der Marie Antoinette, die Fräftige, abe 
böfe Hoffahrt der Herzogin von Angoulöme ıc. ze. ! 


Mittwoch, den 22. Augufl 1855. 

Die Volkszeitung vom Sonntag ift nachträglich noch mm 
Montage von der Polizei an allen öffentlihen Orten we 
genommen worden. Ein Berzeichniß der Sünden, man hr 
wohl jagen Verbrechen ded Bundestages gegen die Gefammrs 
heit von Deutfchland und gegen das Volk insbefondere, mag 
der Polizei hinterher exrft in die Nafe gegangen fein. Dir 
Regierung hat jchon vergefien, daß ihr felber vor wenig Jahren 
der Bundestag nichts weiter war als ein Klub in der Sicher 
heimer Gaffe! — 

Cornelius, der vom Könige reichbezahlte und hochgeehrit 
Cornelius, will nicht wieder nad) Berlin zurüdtehren, fondern 
in Jtalien bleiben. Er ift voll Unzufriedenheit mit dem 


219 


Könige, mit Berlin, mit allem. Wie Rüdert fagt er: Nur 

fort! Und fo geht’3 mit allen Berufenen des Könige. Auch 

Schelling und Tied, durch große Jahrgelder und legterer auch 
durch Alter und Krankheit gefeflelt, waren mißvergnügt und 
wußten dem Könige feinen Dant. Und Humboldt? Er war 
ſchon von alter Zeit hier, war fein Herzugerufener und — hält 
e8 eben aus! — 

Der Fürft Wäfemdfii hat durch feine unnöthigen poli- 
tifchen Streitfchriften in St. Peteröburg eine neue hohe An⸗ 
ftellung erlangt. Sich hat er genügt, Rußlands Sache 
nichts! — i 

Don Prutz in feinem „Deutichen Mufeum* ein Auffab: 
„Preußen im Sommer 1842.” Freimüthig, wahr, verftandes- 
hell, aber freilich mit unvermeiblichen großen Berfchweigungen. 
Ich machte dabei die herabftimmende, demüthigende Betrach⸗ 
tung, daß der ganze Plunder diefes Gefchichtäftoffes im Grunde 
faum werth fcheint ausführlich behandelt zu werden; dieſe 
ganze Geſchichte ift von Haus aus elend, jämmerlich, lang» 
weilig; feinem Menſchen ift es zu verdenfen, wenn er dad 
ganze Zeug lieber gar nicht wiſſen will. Wie unbedeutend 
alle die Perjönlichkeiten, wie weich und zäh und fehleimig, 
ohne jede Feſtigkeit! Nur wenn die Feder des Gefchicht- 
ſchreibers immerfort von geſchwungener Geißel begleitet wird, 

von Staupbejen und Brandmal, kann in died gemeine, lum⸗ 
Pige und prahlerifche Wirrniß einiged Intereffe kommen. 
Selbſt der Vaterlandseifer muß fih von diefem Stoffe ab- 
Wenden, der nichts ift, ala eine faule Gährung, aus der nur 
augenblidlih der Schimmer von 1848 entiteht, ſonſt aber 
nichts! Da leſen fich die Franzöfifchen Gefhichten doch anders! 
Da ift Urfprüngliches, Markiges, Zeugendes, Bewegung folgt 
auf Bewegung und jede ift ein Fortſchritt, wenn auch die 
Wege und Wendungen und oft nicht gefallen. — In den 
„Unterhaltungen am häuslichen Heerd“ ein fehr braver Aufs 


m B . 


220 


jag von Heren Feodor Wehl, Leffing’d Aufenthalt in Hamburg 
behandelnd. — 

Herr von Hindeldey bezieht von der englifchen Waſſer⸗ 
gefellfchaft hier ald Direktor einen Gehalt von 600 Pfund 
Sterling; die Leute fagen, er wird den Magiftrat fchon 
zwingen, mit der Gefellihaft wegen Reinigung der Rinnfteine, 
die Bürger wird er fchon zwingen, mit ihr wegen Verſorgung 
der Häufer fich einzulaffen. — 

Der Buchhändler Schlefinger, nahdem er dem Bein: 
händler Eweit aufgefagt, wird von diefem zweier Majeftäte: 
beleidigungen angeklagt, aber vor Gericht freigefprochen. Die 
Polizei ift aber ihm feindjelig. Der neue Weinhändler, der 
bei Schlefinger gemiethet hat, befommt feine Konzefjion. Gr 
bejchwert fich bei Hindeldey. Der fagt ihm ganz frei heraus: 
„O, ich babe gar nichts dawider, unter den Linden überall, 
nur nicht bei Schlefinger!* — Über ich habe fhon einen Kons 
traft mit ihm, er wird mich verklagen! — „Laffen Sie fidh nur 
verklagen, ich werde Ihnen fchon zu Hülfe fommen!“ — Ges 
mand, der died hörte, machte die Bemerkung: „Sch war fchon 
lange beforgt, wo fich die Paſcha⸗Wirthſchaft, Da fie in der 
Türkei ſchwindet, neu anfegen wird, nun ſeh' ich's!“ — 


Donnerstag, ben 23. Auguft 1855. 

Geſchlafen, aber unruhig, mit ſchlechten Träumen ; beim 
Erwachen jtarfer Huften und mattes Krankengefühl. — 

Befuh von Fräul, Anna Piaget und dem fleinen Horace 
Herwegh; der leßtere, ein Muger artiger Knabe, ift aus ber 
Schweiz gekommen, um die Großeltern Siegmund zu befuchen; 
er macht die Reife ganz allein. Fräul. Piaget, ein hübſches 
Mädchen, finnigen, gerwinnenden Ausdrude. — 

Unerwartet fam nochmals Herr Holland, der feine Abreife 
auf’ neue verfchoben hatte. Wir ſprachen über Preußen, 


221 


über Goethe. Wafhington Irving hatte ihm gefagt, Goethe 
fei eitel gewefen ; ich zuckte die Achfeln, und gab ihm zulegt die 
allgemeine Regel: „ Was Ihnen von Goethe Guted gefagt 
wird, glauben Sie ed unbedingt; was irgend Schlechtes, ver- 
werfen Sie es!“ Cr nahm dieſen Grundjag willig an. 
„War Sokrates eitel, Jeſus, Spinoza?“ fragte ich ihn noch. 
Er Tieß die Zufammenftellung gelten, und antwortete ruhig: 
Nein! Er hat einen wahren Durft fich zu unterrichten, und 
es ift ein Vergnügen ihn zu fördern. — 

Auch das legte Bethmann⸗Hollweg'ſche Wochenblatt ift 
von der Polizei nachträglich mweggenommen worden. Auch 
megen eines Artikels über den Bundestag und Hannover! Iſt 
man bier fo ängftlich bemüht, dergleichen Schändlichkeiten, wie 
die Regierung von Hannover mit dem Bundestage treibt, in 
Schuß zu nehmen, weil man fich diefelben Mittel und Wege 
vielleicht auch einmal offen zu ſehen wünfcht? — 


Freitag, den 24. Auguft 1856. 

Beſuch von Heren Holland. ch erzähl’ ihm allerlei, was 
er gleich auffchreibt ; ich wollte ich wäre gefund, um mit ihm 
auszugehen, audzufahren, ihm alle zu zeigen, mit ihm zu 
lejen! Er ift ein braver, finnvoller Mann, vorurtheillog, 
gutmüthig. 

Rellſtab erhält manches Lob, wird aber wegen ſeiner vor⸗ 
gefaßten Meinungen getadelt, wegen ſeiner kecken Urtheile 
über Goethe, ſeines ihm übel anſtehenden Tugendeifers, feines 
engen Sinnes, der aburtheilt, wo ihm alle Kenntniß, ja alle 
Faͤhigkeit der Würdigung fehlt, z. B. bei Gentz, von deſſen 
Wirkungskreis, Höhe, Muth und Bedeutung eine gewöhnliche 
Deutfche, wenn auch fonft ehrliche Schriftitellerhaut feine Ahn⸗ 
dung hat! Sie legen ihren kleinen bürgerlichen Maßſtab an, 
und der will nirgends paſſen. An diefer Gefchiedenheit, daß 


222 


folche Kleine Leute gar nicht in die große Welt fommen, oder wenn 
es je gefchieht, doch nie fo, daß fie diefelbe je wahrhaft kennen 
lernen, leidet alle unfre Zagesfchriftitellerei, unfer gan 
politifche® Zreiben, fofern es in untergeordneten Kreiſn 
waltet. — 


Sonnabend, den 25. Auguft 1855. 

Im Krankfein habe ich wahrlich genugfame Webung, und 
es fcheint, ich fol fie nicht verlernen. Jemehr ich dam 
allein bin, defto leichter trag’ ich mein Reid, defto ruhiger ur 
halt’ ich mich und defto fruchtbarer wird mir der Zuſtand von 
Betrachtung und Stille, zu dem das unthätige Daniederliegen 
unwillfürlih führt. Wenn nicht heftige Schmerzen odt 
Außerfte Nervenunruhe mich ftört, fo ftrömen mir die beſten 
Gedanken zu, wahre Seelenerhebungen, Gebete könnt! ih! 
nennen. — | 

Despot und Sklave, beides abfcheulich! Aber doch entgeht 
ein Menfch nicht leicht dem Geſchicke, bisweilen auch einmal 
das eine wie dad andre zu fein. Er muß bisweilen handeln 
feinen Willen gegen alle Form durchſetzen, ebenfo duldend ihn 
der mächtigen Form bieweilen beugen. Die beiden Aeußerſin 
kann niemand gänzlich vermeiden, es ift Gewinn genug, wenn 
zwifchen beiden ein möglichft großer Raum wirflicher Freiheil 
fich ausdehnt. — 

Die „Zeitung für Einfiedler*, von Ludwig Achim ven 
Arnim zu Heidelberg 1808 herausgegeben, dann unter dem 
Titel „Tröft-Einfamkeit* zufammengefaßt, ſoll jept eine le | 
große Seltenheit fein, daß z. B. die hiefige Königliche Bihlie 
thek ihr Eremplar nicht mehr ausleiht. Die Seltenheit ent 
ftand daraus, dag die Blätter bei ihrer Erfcheinung wenit 
beachtet wurden, und bald fo vergeffen waren, Daß der gebrudtt 
Borrath vom Berleger-ald Makulatur verwendet wurde. Die 





223 


ganze Sammlung ift aber in der That nicht viel werth; es 
ind einige artige und merkwürdige Sachen darin, dad Meifte 
ıber ift alberned und in rohem Spaß ganz verfehltes Zeug, 
ie namentlich die zahlreichen und noch dazu ſchlechten Sonette, 
ıit denen Arnim den wadern Johann Heinrich Voß ärgern 
sollte; fie find fo ſchlecht, daß ſogar Bettina von Arnim, die 
>raft jede Zeile ihred Mannes ald Gold anfehen möchte, gegen 
te Aufnahme diefer Sonette in die Gedichtfammlung ſich 
ntichieden erflärte. — 


Sonntag, ben 26. Auguſt 1855. 

„The spy, a tale of the neutral ground, by J. Feni- 
nore Cooper.* Nicht grade der befte Roman, nicht einmal 
er beite von Cooper. Zum Lefen im Bette recht gut. ch 
as aber auch in den geift- und gedanfenvollen Aphorismen 
on Goethe, — 

Das philologiihe Studium hat bei uns einen hohen, viel- 
eicht den höchften Grad erreicht, die Priefter waren nie fo 
ahlreich wie grade jetzt, und ihre Leiſtungen find bewunderns⸗ 
vertb. Das klaſſiſche Alterthum und feine Autoren find nad 
illen Seiten erforfcht, beleuchtet, die Sachen wie die Formen, 
fie verfchiedenften Wiffenfchaften find herangezogen und haben 
ihre erhellenden Beiträge geliefert. An Gründlichkeit und 
Scarffinn ftehen die Dentfchen auf diefem Gebiete feiner 
Ration nach, an Fleiß und Treue, an edlem Sinn und geiftig 
hoher Auffaffung gehen fie allen vor; es ift eine Freude, dieſes 
Geſammtwerk fo vieler Kräfte zu überbliden. Und dennoch 
muß ich geftehen, dag die Philologie noch günftiger und wirf- 
ſamer geftellt war, als died Treiben erft begann, und weniger 
Meifter aber unendlich mehr Liebhaber — und weldhe! — 
fi) mit diefem Gegenftande befchäftigten. Schiller und Gvethe 
zum Beifpiel waren an philologifcher Gelehrſamkeit nicht mit 





224 


dem erften beiten Schulmann heutiger Zeit im Vergleich zu 
ftellen, aber der griechifche Geift war lebendiger in ibmen oh | 
in Bundert Gelehrten, die wie 3. B. ſelbſt Immanuel Belle Wi 
nur im Buchftaben groß find. Daffelbe gilt von den Eh J. 
berg’s, und von vielen für Griechenland und Rom Begeiftern J 
und Erfüllten, die ihre-Lieblinge nicht in den Urſprachen ja 
lefen vermochten. Hieraus ergiebt fich eine ernite Betrachtung, F 
wie verſchieden die Erfordernifje des Lebens und die der Scuk P 
find, eine Betrachtung, die zur einfichtigern Zeitung des Unter 
richts führen kann. — 


Montag, den 27. Auguft 1858. 

Die neue Schrift von Diezel ift heute poligeilich verboten 
worden. Ausfälle gegen Preußen, gegen das biefige ruſſiſhe 
Lakaienthum ꝛc. dienten zum Vorwand; die Hauptſache jeted 
find die fcharfen Angriffe gegen die Polizei, von denen ie 
biefige ſich ſchwer getroffen fühlt, der Generaldirektor vm | 
SHindeldey ift mwüthend. — | 

Die Fefte in Paris glänzend, aber zum wahren Ekl 
Diefer Kaifer, diefe Königin, diefer Prinz Albert! Und d 
dad Bonapartevolk! 

Defterreichifche Blätter fprechen Davon, daß der Cl 
Zucian Bonaparte’3 nächftend zum Kardinal ernannt were 
fol. Dann kann er Pabſt werden. — Gräßliche Wirthiäfi! 
in Neapel; Kranfreih und England drohen. Muratiin 
regen fih. — | 

In Spanien wollte die Königin fliehen wegen der piib 
lihen Banndrohung. Aber fie blieb diesmal noch. Kritükt 
Spannung. — 

Herr Graf von Wartensleben beſuchte mich. Gr ze: 
ih fehr gutmüthig und menjchenfreundlich, thut in feine 
Amte vielfached Gute, behandelt die Unglüdlichen mit grögie 







225 


kämpft mit Klugheit gegen die Polizei, die leider hier 
je Verwaltung der Gefängniffe an jich geriffen hat und 
ipten Eifer zur Strenge und Härte an den Tag legt. 
ft er wieder ein Jurift nach dem Buchſtaben, der jedes 
und Verfahren der Gerichte vertheidigen möchte! — 

e Mutter des Raubmörders Puttlik war bei ihm und 
ihre Verzweiflung aus; jie it ein Fräulein Adelheid 
ıttlip, Tochter eines Hauptmannd von Puttlig, der ein 
tte und den König bei Gelegenheit eined Manoͤvers einit 
Lage beherbergte, der König verſprach ihm feiner ein- 
u bleiben, die Wittwe — erjt fürzlich geitorben — erhielt 
ng, daß ihre Penfion auf die hülflofe Tochter würde 
gen werden; die Tochter befam von einem (fchon vers 
en) Offizier diefen jebt ald Naubmörder zum Tode ver- 
ten Sohn, der ald unehelich zwar den Namen, aber 
m adlichen Stand der Mutter führen fonnte. — 


Dienstag, deu 28. Auguſt 1855. 

ute Goethe’? Geburtsſtag! Ruhm und Ehre feinem 
! Danf und Heil und Segen allem, was er gethan, 
! — Wunderbar, wie viele Widerfaher gegen den 
und guten Mann fich immer noch aufitellen! ber fie 
ihm wider ihren Willen, fie halten die Verehrung und 
ür ihn wach und thätig. Wir Deutiche haben feine 
inen Helden, feine von der ganzen Nation anerkannten, 
entzieht ein Theil. der Nation fich dem Kultus. Wir 
einen Wafhington, feinen Shafeöpeare, feinen Cervan⸗ 
zen Heinrich den Bierten von Frankreich ꝛc. — 

ıte fam das fünfzehnte Bändchen von George Sand's 
e de ma vie, „der Aktuar Salzmann” von Auguft 
, der Weber’iche Volföfalender. — In Dickens weiter 


sbagen von Enfe, Tagebüder. an. 15 


226 


Mit den Wahlen für das Haus der Abgeordneten wirds 
allmählich Ernft. Die Regierung hat in der Stille alle Bor: 
bereitungen getroffen, die Kreuzzeitungsparthei ihrerjeitd aus. 
Bon den Freiheitöfreunden verlautet nichts, Darf nichts ver: 
lauten ; entjchließen fie fi zum Mitwählen, fo wird man alle 
Rechnungen, die man gemacht, falih finden. Wählen fie nicht 
mit, fo wird entweder die Regierung mit der Mehrbeit der | 
Sunferparthei oder die Minderheit diefer gegen die Regieruns 
einen lamentabeln Kampf zu führen haben! Sollen die gte- 
heitöfreunde nicht lieber diefem Schaujpiel zufeben als darin 
mitbandeln, da man ihnen doch feinenfalld ihre rechte Roll 
zugefteht? Wenn aud für den Augenblid die fchändlicjiten 
Geſetze durch die Uebermacht zu Stande kommen, was fchatet's? 
Yu ſchon vorhandenen nod einige! Alle werden doch nur — | 
fünftig zu nichte! — 

Der berücdhtigte Konftablers Wachtmeifter Kayfer, ter 
Bullenbeißer, deffen rohe Gewaltfamfeit man gebrauchte, um 
die Dolfövereine audeinanderzutreiben, der durch viehiſche 
Mildheit fih in dieſem Gefchäft auszeichnete, dann aber des 

"von der Behörde, weil fie jich des Unthiers ſchämte, auf die 
Seite gefhoben wurde und hier verachtet und dürftig lebte, 
hat jich jüngft in Helgoland von den Engländern anmerken 
laffen. Es it die jrage, ob die andern Angeworbenen, wenn | 
fie erfahren wer er ijt, mit ihm dienen wollen. — 

Berrücdter Brief Louis Bonaparte’ an den Genen | 
Peliſſier. Gr fagt, die Nuffen werden in der Krim für der ı 
Winter nicht aushalten, aber doch follen nah und nad alle 
franzöfifchen Regimenter einander dort ablöfen. Er verjpridt 
und verheipt leichtfinnig und frech, ald ob er fchon jemals cine | 

- feiner Worte wahr gemacht hätte. — 





N 





227 
Mittwoch, den 29. Auguft 1855. 

Beſuch von Frau Profefforin Dirichlet, fehr liebreih und 
gut, aber fie ſieht ſchlimm aus, und Verdruß und Sorgen laffen 
ji nicht verbergen. In vierzehn Tagen wird fie Berlin ver- 
laffen; mir ift dabei zu Muth, ale fündigte man mir ſchon 
jest Schnee und Froſt an. — 

Elende Wirthfchaft in Athen! Ein elfender Hof, ein Mini- 
fterium fremden Sinnes, ein verrathenes, gedrüdtes, aber auch 
verrätherifches und gewaltthätiges Volt. — 

Anefdote vom Fürften Menſchikoff. Der Kaifer foll ihm 
Vorwürfe gemacht haben, daß er nach einer Schlacht nicht 
gleich wieder mit frifchen Truppen angegriffen habe; er ent: 
ſchuldigte fi, 26 habe an Pulver gefehlt. Der Kaifer fragte 

Den Kriegsminifter Fürften Dolgorufoff, der fagte, er habe 
Daffelbe nicht mangeln laffen, fondern reichlich geihidt. Da 
rief ihm Menſchikoff wüthend zu: „Sie haben dad Pulver 
weder erfunden, nod Pulver gerochen, noch Pulver ge: 
ſchickt!“ — 


Donnerstag, den 30. Auguft 1855. 
Nachrichten aus Paris fagen, daß der Beſuch der Königin 
von England im Bolfe nicht den Eindruf gemacht hat, den 
fich Bonaparte vorgeftellt. Sein Anſehn ift davon nicht ges 
fteigert, im Gegentheil, man glaubte zu erfennen, daß er folder 
neuen Blendwerke bedürftig fei, da er fih nach Stützen, nad) 
Saufeleien umfehe. Die unmäßige Pracht und Verſchwen— 
dung hat auch nicht allgemein gefallen. ‘Die Stimmung für 
ibn, heißt es, iſt ſehr unficher und fann leicht gefährlich werden. 
Der Waffenruhm in der Krim ift nicht groß genug, um für 
die ungeheuern Opfer an Menfchen und Geld zu entjhädigen, 
mit denen er erfauft wird. Auch in den Truppen ift jchon 
allerlei Gemurmel. — 





15* 


228 “ 


In Wien find große Beforaniffe wegen Italien. Frank— 
reih, England und Piemont wühlen dort offenbar das Bolt 
gegen Defterreich auf, fie drohen mit Revolution und Freibeit 
dann für fih felbft. Die Furcht kann leicht wieder Deiter- 
reich zum entjchiedenen Auftreten gegen Rußland bringen, dat 
ohnehin weniger furchtbar erfcheint, feitdem man glaubt, daß 
deffen Hülfsmittel großentheild erfchöpft ſeien. Furcht, Eigen: 
nutz, Gewinnfuht, Mißtrauen, Betrug und Züge, das fin 
die Beitandtheile der heutigen Politif! Weberall! nirgende | 
ein hoher Geift, ein edler Sinn, ein fefter Muth! — 

Am 29. ftarb zu Bromberg an der Cholera der allgemein 
verehrte und geliebte Appellationsgerichtspräfident Gierfe. | 
Nur am Hofe ift man unedel genug, fich über den Tod ds 
Mannes zu freuen, der im Jabr 1848 demofratifcher Minifter | 
war. — 
















Hreitag, den 31. Auguft 1855. 

Die würtembergiiche Ständeverfammlung wird aufgelöft, 
die Furbeffiiche berufen, — es ift alles derfelbe Duarf. In 
Kurhefien hat die Regierung den ala Oppofitionsmänner be: | 
fannten Mitgliedern der Stände feine Berufungen zugeſchickt! 
Dan begreift nicht, warum diefe Regierung und die ihr | 
gleichenden überhaupt noh Stände für nöthig halten. Ewa | 
dafür zum Dank, daß die Revolution von 1848 noch We | 
Fürften für nöthig hielt? — | 

Unter den Stadtverordneten hier bat ih ein gebeime 
Ausſchuß gebildet, um die Frage zu berathen, durch was für 
Mittel und Wege die Stadt Berlin die unerhörte, willfürlide 
und gewaltfame Machtanmaßung, Bedrüdung und Ueber | 
bürdung, die fie durch Hindeldey erleidet, abzufchaffen oder 
abzuweifen im Stande wäre? Vergeblihes Bemühen! Sie | 
finden fein Mittel. Diefe Herrfhaft und die ihr entfprechende | 


229 


anechtſchaft ſind in allen Gebieten und auf allen Stufen eng 
verknüpft. Um gegen einen Konſtabler, gegen einen Polizei: 
Direktor dag Necht und die Freiheit zu behaupten, müßten die 
Minifter geftürzt, der Bundestag zufammengeworfen, die 
Rationalverfammlungen hergeitellt, vielleicht mehr noch gethan 
: werden! (8 gefchieht im Ginzelnen zwar auch manches, aber 
im Ganzen nicht viel; das Allgemeine muß auftreten. — 


Sonnabend, den 1. September 1855. 

In Neapel herrſcht eine Bolizeibosheit, wie ſelbſt in Ruß- 
land fie nicht zu finden ift. Alle Nichtöwürdigfeiten, Tüden 
und Gewaltthaten werden verübt, fein Recht, fein Schuß hilft. 
Sie bereiten dad Land für einen neuen König Murat. Und 
in Kurheſſen wird am’neuen Thron für den alten Jeröme 
gearbeitet! — 

In der Schweiz wie in Spanien und Piemont wird der 
päbſtliche Bannfluch öffentlih verfpottet; das Volt glaubt 
nicht mehr. Diefe Fatholifch-Eirchliche Korm des Chriften- 
thums, wenn fie nicht neue Kraft aus dem Innern des Geiſtes 
fchöpfen fann, muß untergehen. Sie ift ja das Gegentheil 
von Dem geworden, wa? fie fein follte. Abgötterei ftatt Reli- 
gion, Fluch ftatt Segen! — 

Wieder ein Beifpiel von dem Benehmen unirer Polizei! 
Gin Rittergutsbefiger Karl Köhler, früher auf Schloß Erne- 
Dorf bei Reichenbach in Schlefien, war wegen der Fluchtver- 
ſuche von Schlehan aus Silberberg der Mitwifjenichaft und 
Zheilnahme angeklagt, aber vom Gericht vollftändig frei 
geiproden worden. Er wollte feine Niederlaffung in Berlin 
bewirken und fam vorgeitern zu diefem Behuf hier an. Gleich 
geitern wies ihn die Polizei von hier aus, und ſchickte mit 
Zwangepaß ihn nad Schlefien zurüd. Gegen diefe Willkür 
und Ungerechtigkeit ift feine Hülfe! — 


230 


Im dritten Theile von Didend Bleak House, ©. 17 
(Tauchnitz' Ausgabe) find die berühmten Fälle von Selbſt 
verbrennung angeführt, mit denen die gelehrte Welt im akt: 
zehnten Jahrhundert fich fo viel befchäftigt hat; die Gräfn 
Cornelia Bandi, der von Le Eat befchriebene Fall ꝛc. 2 
heutigen Naturforfcher beftreiten die Sache. — 

Sch höre immer wieder, daß han Heine und Pufdfu 
durchaus auf Lord Byron zurüdführen will, der ihr Vorbild 
gewefen fei. Nichts ift oberflächlicher und engfinniger di $ 
diefe Behauptung! Alle drei zufammen find ein- und dieſelbe J 
Erzeugung, Glieder deſſelben Geſchlechts, unter ähnlihen 
Weltzuftänden und Lebensſtimmungen an’d Licht getreten. 
Byron war früher, und natürlich haben Heine und Pufctin 
ihn gelaunt, nachgeahmt haben fie ihm aber nicht, fie hatten 
bei ihren Gedichten nicht ihn vor Augen, fondern die eignt 
vaterländifche Welt, die Widerfprüche des Menfchlihen un 
des Gefellihaftlichen, und find fo gut wie Byron ganz ur 
ſprünglich. — 


Sonntag, ben 2. September 1855. | 
Ich erfahre von qutem Orte ber, daß im Frankreich di 

Stimmung für Bonaparte immer ungünftiger wird, auhM | 
den Klaffen, die fonft mit dem Kaiſerthum ganz zufrieden jen 
mögen; er hat die Erwartungen getäufcht, weder hat er ka 
Frieden erhalten, noch hat er den Krieg fiegreich geführt, ie 
franzöfifchen Truppen fchlagen fih gut, die Rufen erleiden 
Niederlagen, aber das ift nicht fein VBerdienft und hat weite 
feinen Erfolg. In der wirklichen, nicht fcheinbaren und ae 
machten Meinung hat er feit dem Staatsitreiche keinen Ju} 
breit gewonnen, fein Ehrenmann befennt fich zu ihm die vor: 
nehme, gebildete Welt hält fi zurüd. — Sonderbar, in dem 
jelben Grade, ald er in Paris wanft, in demfelben Gratt 





231 


vird er hier und in Wien mehr gefürchtet, man beforgt, er 
önne um fich zu halten die gefährlichiten Dinge unternehmen. 

Der König will durchaus an den Rhein. Die Hofränfe 
nd dawider, bejonderd die Kreuzzeitungsparthei. Man 
icchtet auch, daß er dort Bunfen zu ſich ruft und deffen Ein- 
irkungen erleidet. — 

Die jept in Deutfchland allgemein herrfchende Erfchlaffung 
s politifchen Lebens, — in der nächſten Zeit hofft, betreibt 
ad fördert niemand etwas Allgemeines, — ijt Doch zugleich 
ar Erwartung neuer großer Ereigniffe, Revolutiondfpannung. 
'azu, daß etwas Rechtes gejchieht, muß ein neues Geſchlecht 
ranreifen; die Alten thun's nicht mehr! Friſches Blut, 
ites Blut! — 

In Angers Arbeiterunruben, die durch Truppen gedämpft 
urden. Man fagt, fie feien von Parid aus geleitet worden 
ad es ftünden weitere politifche Abſichten damit in Berbin- 
ing. Die Gefellihaft La Marianne, eine Art republifani- 
yer Tugendbund, foll über ganz Franfreich verbreitet und der 
egierung fehr gefährlich fein. — 

Aus Gotha wird der Augsb. Allg. Zeitung gefchrieben, 
e früher daſelbſt mitgetheilte Erflärung des Herzogs von 
oburg-Gotha beim Bundestag wider die Beſchwerdeſchrift 
tr gothaifchen Ritterfchaft fei nicht Acht, Die wirklich abge: 
bene Erflärung fei nur innerhalb eines Kleinen Kreiſes be- 
innt 2c Was foll man daraus entnehmen? Daß der 
verzog allerdings die ihm beigelegten Gefinnungen und An- 
ihten haben und ſich aud gern durch Ddiefelben bei der 
tutfhen Nation empfehlen wolle, jedoch eine ſolche Sprache 
m Bundedtage und bei den großen Regierungen zu führen 
iht den Muth habe! — 


232 


Montag, den 3. September 1855. 

Deutiche Zeitungen werden hier und dort polizetlidy wey- 
genommen, zum Theil auch gerichtlich verurtheilt, einige frei- 
geiprochen, woran die Polizei fi) dann wenig kehrt; das dann | 
veraltete Blatt hat für niemand mehr Bedeutung. Die 
einzelnen Fälle tet? aufzuzählen, wäre zu weitläufig. — 

Den Roman Bleak House von Didensd ausgeleien. 
Schlechtes Machwerk, aber gut und brav gemeint, gegen dat 
gräuelbafte Juſtizweſen in England, die eingerifienen Mir: 
bräuche,, Die den Gegenftand des Streited aufzehrenden Ge— 
richtöfoften ꝛc. Didens bat feinen Stil, nur Manier, und 
die Manier verwahrloft oder auf die Spitze getrieben, wird 
unerträglich. Außer feinen eignen Fehlern bat er die allge- 
meinen feiner Landsleute, Weitjchweifigkeit, unnöthiges Aus: 
malen Eleiner Einzelheiten, Hinneigung zu niedrigen Stoffen. | 
Das Talent ift aber doch jehr groß. Die Karaftere find nicht 
beffer ald die in unfern alten Zafontaine’fhen Romanen, die 
Helden und Heldinnen find tugendhaft und liebenswürdig bie 
zum Ekel! — 

Die Kreuzzeitungsparthei, die Junfer und Fanatiker jind 
eifrig bemüht, den Miniftern fi anzufchmiegen, ihnen den 
Hof zu machen, ſich ihnen als einverftanden und dienſtwillig 
vorzuftellen, um bei den bevorftehenden Wahlen für ihre Leute 
- die Unterftüßung der Behörden zu gewinnen. Die Minifte 
von Weftphalen und von Raumer find dazu ganz bereit, aber 
Manteuffel mißtraut den Schmeichlern, die er ſchon ale bittre 
Feinde hat fennen lernen. Für die Volks⸗ und Freibeite 
freunde tft das alles fehr gleichgültig; fie Haben im beiden 
Zweigen der Reaktion, mögen dieſe auch noch fo weit auös | 
einandergehen, immer nur denjelben Feind zu befämpfen. Ob 
fie den parlamentarifchen Boden dazu benutzen, ift noch nidt 
entfchieden. — 

In Bremen war am 26. Auguft eine Anzahl wadter 





233 


Hannoveraner verfammelt und hielten Rath über die Lage 
ihres Landes. Sie fanden dieſe fehr troft- und hülflos, bes 
ſchloſſen aber doh, den Kampf gegen die Junferparthei und 
die von ihr beberrfchte Regierung mit allen Mitteln, die nod) 
übrig, fortzufeßen. Bon der Stüve’fchen Barthei war niemand 
zugegen! Merkwürdig ift die von vielen Theilnehmern aus: 
geſprochene Ueberzeugung, daß es nichts ſei mit der Klein- 
ftaaterei, zu der au) Hannover gerechnet wurde. — 

In der Verläumdungsklage des Schaufpielerd Hendriche 
gegen den Redakteur Schlivian ift die Einrichtung der foge- 
nannten Glaque beim hiefigen Königlichen Theater zur Sprache 
gefommen. Dad Haupt der Claque hat dem Nichter uns 
ummunden erklärt, die Claque fei ganz unentbehrlich, für das 
Publikum wie für die Schaufpieler gleich nüßlich, fie leite den 
Geſchmack, befördre die Rechtzeitigkeit im Beifallgeben, hindre 
untergeordnete Kabalen und Störungen, ja auch politifch fei 
fie von Wichtigkeit, denn wenn 3.8. dad Preußenlied gejungen 
werden follte, fo würde dies ohne die Hülfe der Claque nie zu 
Stande fommen. Das legtere Bekenntniß muß für den ſoge⸗ 
nannten Patriotismus ſehr beihämend fein. — 


Dienstag, den 4. September 1855. 

Die Volkszeitung enthält eine Belobung ded Herzogs von 
Sachfen:Koburg-Gotha wegen feiner Antwort an den Bundes- 
tag, in welcher er fagt, daß er die von ihm gebilligte, recht: 
mäßige Berfaffung nicht willfürlih ändern wolle, daß der 
Bundestag nicht einzureden habe ꝛc. Die Bolfözeitung be> 
Dauert dabei, daß man ſolches Worthalten eines deutichen 
Fürſten noch beſonders zu loben habe, als feltne Ausnahme 
Das, was die Regel fein follte! — 

Nachrichten von Heren Julius Berends in San-Antonio 
(Texas), der ald Buchhändler dort recht wohl gedeiht, fich 


234 


aber in den dortigen Lebensgang noch nicht gehörig zu finden 
weiß. — 

Politiſche Bedeutung der Deutfchen in den Pereinigten 
Staaten, wenn die alteingebormen Bewohner, die Anm: 
nothinge, den Eingewanderten abhold, diefe zu fehr bedrängen, | 
fo werden die Deutfchen zu Taufenden fih auf Mittels un 
Südamerifa ftürzen und in den dortigen machtlofen Fri | 
ftanten Teicht die Oberhand gewinnen. So glauben ft 
ſelbſt. — 

Ueber Bunfen wird hier viel geſchwatzt, über feine ange 
liche Abtrünnigfeit vom wahren Chriſtenthum, feine gelehttn 
Arbeiten, feine politifchen Kebereien. Aber fein früher 
Chriſtenthum war auch fein ächtes, war heuchlerifch zu welt⸗ 
lichen Ziweden angenommen und allen Tadel, den man jet 
auf ihn häuft, verdiente er ſchon damals. Er ift ein unreinet, 
gefinnungslofer Menfch, der im Innern feine Wahrheit hegte 
oder die gehegte verbarg; er hat nur immer den Reidenfcaften 
und Borurtheilen der Großen gefchmeichelt und gedient, und 
ift Dadurch emporgeftiegen, recht wie ein Günftling; was ı 
an Talent und Verdienſt befaß, hat er nur-gebraucht, um lid 
in der Gunft zu behaupten, .und dazu haben fie nicht auf 
gereicht. Test tft er freifinnig, aufgeklärt, volksfreundlich, — 
jetzt! Aber auch fo ift er nicht mehr zu brauchen, im Gegen 
theil er fchadet unfrer Sache, die fein Zufluchtsort für abe 
dankte, gefallene Emporkömmlinge fein darf! Daß der Pr 
und die Prinzeffin von Preußen ihm jegt geneigt find, | 
auch Fein Heil, kann unter Umftänden ein Unheil werde. 
Wenn ich bisweilen milder über ihn geurtheilt habe, jo mi 
das in fchwachen Stunden. Mein fchließliches Urtheil un 
ibn bleibt ein durchaus ungünftiged, bejonderd wenn ich « 
wäge, wie unendlichen Schaden er in feinen preußifchen Per 
hältniffen verurfadht hat. — 

Die Neue Preußifche Zeitung brachte kürzlich aus dem 





en a ni zul 2. 65” 7 vE.0 Su 2 SESSSEE Ze 


235 


Ruffifchen Invaliden einen Bericht Gortſchakoff's aus Sebafto- 
pol, dag die Beichießung wieder begonnen habe, den Zufaß 
aber „Unfre Werke leiden“ ließ fie weg, obfchon derfelbe in 
St. Peteröburg war gedrudt worden. Beifpiel der Auf- 
richtigfeit! — 

„Maud, and other, poems. By Alfred 'Tennyson, 
poete laureate. London 1855. Sie werden in England 
jetzt hochgepriefen, ich finde fie künſtlich und kalt, und wie tief 
unter Byron! Der frühere Band „In memoriam“ hatte 
befiere Anklänge, mehr wahres Gefühl, das aber zuletzt doch 
auch in der üppigen Bervielfachung feines Ausdrucks etwas 
erſtickt wurde. — 


Mittwoch, den 5. September 1855. 

Die Zeitungen bringen heute die Antwort Humboldt'd an 
die Raiferliche Karolinifch-Reopoldinifche Akademie der Natur: 
forſcher zu Breslau, welche ihm fein Mitgliede-Diplom nad) 
fünfzig Jahren erneuert hat. Seine Antwort iſt an den 
Präfidenten der Akademie, Herrn Need von Gfenbed, ſehr 
hochachtungsvoll und verbindlich gerichtet, an den feines Amts 
entiesten, in's Elend geftoßenen, von den Staatsbehörden 
in aller Weife verfolgten und gefchmähten, hochbetagten 
Greis. — 

Ich klagte einmal in Halle 1806 bei Schleiermacher, daß 
mir an allen Dingen ſogleich vorzugsweiſe die Schattenſeite 
in die Augen fiele, eine wahre Plage und Krankheit, die mir 
manchen ſchönen Tag ganz verdarb. Er nahm die Sache 
leicht und meinte, da habe man nur um ſo eifriger auch wieder 

die Lichtſeiten zu ſehen, ſo werde ſich das Gleichgewicht her⸗ 
ſtellen. Als ob das nur ſo vom Willen abhinge! Von dieſem 
hing es auch bei mir nicht ab. Die Lebensereigniſſe halfen 
mir darüber hinweg, der Kampf in der Welt und gegen die 


236 


Welt. Mit den Jahren wurde mir zur Gewohnheit, immer 
vorzugsweiſe das Gute, dad Schöne herauszuheben, an dieſes 
mich zu halten, ein Gewinn, für den ich nicht genug dankbar 
fein kann, deſſen Bortheil ich täglich mehr erkenne! (Wir Iprs 
hen, Schleiermadher und ich, damals aber nicht von Schatten 
oder Kichtfeite, fondern von Negativem und Pofitivem, nad | 
damaligem Sprachgebrauch.) — | 
Aus jener Zeit fällt mir in diefen Tagen manches ein 

Unter andern die merkwürdige Thorheit, im twelche die hei 
Schüler Schleiermacher’3, Harfcher, Adolph Müller, Pryie 
nowsky, Alerander von der Marwig, verfüllen und verneklt 
waren. Sie bielten die Erde und das Menfchengefhleät 
nicht mehr für lange haltbar, denn mit der höchften Enid J 
lung der Philofopbie fei die Gefchichte abgethan, die Aufgaben | 
des Menſchendaſeins und des Erdenlebend erfüllt; was fünn 
da weiter viel fommen ? Eine Friſt war ung freilich nod ge 
geben, denn Schleiermacher hatte feine Ethik noch nicht ve J. 
endet, noch nicht in gediegener Geitalt herauögegeben, und Mi. 
er beinahe dreißig Jahre fpäter geftorben ohne dies Werl ul J 
endet zu haben (bloße Borlefungen waren nur Anläufe dazu) J 
fo ift es freilich ganz in der Ordnung, daß die Welt noh mt E 
ter geht und wir immer noch leben und wirken! Hemlid J 
mußt’ ich foldye Enaherzigkeit belachen, fie laut zu beftreiten 
war ic) gegen die Eingeweihten — ich konnte nicht ala feld J 
gelten — zu ſchwach. Mir die Thocheit anzueignen, verſuhl 

ich wohl, aber ganz vergebend. — | 





Donnerstag, den 6. September 1855. 

Nachricht in der Nationalzeitung, daß Guſtav Adet 
Rösler aus Oels, einjt Mitglied des Frankfurter Parlament, 
von der Reaktion wüthig verfolgt und zur Auswanderung ge 
nöthigt, am 13. Auguft zu Quincy im Staat Illinois geſtorbu 


237 


ft. Er war früher Schullehrer, in Amerika Zeitungsfchrei- 
er. Es ging ihm fchlecht, und er hinterließ eine unverforgte 
Familie. Ehre feinem Namen! Man denkt von hier aus die 
Familie zu unterftügen. 

Das Obergericht zu Yulda hat den Obergerichtdanmalt 
Böfter zu Hanau freigefprochen; er war des Betrugs und der 
Majeftätsbeleidigung angeklagt; die erfte Anklage erwies ſich 
ald boshafte Erfindung — er follte ein Honorar unbefugt an- 
genommen haben — , die zweite berubte darauf, daß er die 
kurbefjifche Verordnung vom September, 1850 eine „verbreche- 
tiihe Gewalttbat* genannt hatte. Das Gericht erfannte hierin 
feine Majeftätöbeleidigung, da der Tadel zunächft doch nur 
den verantivortlihen Minijter traf, der in jeder Hinficht ein 
Berbrecher ift. — 

In den Zeitungen werden Berichte von der Forſcherreiſe 
der Brüder Schlagintweit mitgetheilt, die ſchon in Oſtindien 
angelangt ſind. Dabei wird immer ſchmeichleriſch geprahlt, 
als habe fie der König durch feine großmüthige Unterſtützung 
in den Stand gefeßt, ihr Unternehmen auszuführen, während 
doch der Minifter von Raumer ſich ſtandhaft geweigert, die 
geringfte Summe für diefen Zwed in Antrag zu bringen, und 
der König aus feiner Schatulle auch nichtö hat geben wollen. 
Sie reifen mit englifchem Gelde, das Humboldt's Anfehn und 
Bunſen's Bermittlung verfhaffte. — 

Nachricht aus St, Peteröburg, da der Minifter Graf von 
Reſſelrode die Erlaubnif erhalten hat, auf einige Zeit zu vers 
teilen. Ungnade? Jeden erreicht fein Tag. Metternich hat 
ftüb den feinen gehabt, den er für unmöglich hielt. — 

Herr von Hindeldey, der den Unterſuchungsrichter Schlötke 
nicht nachgiebig genug gegen die Polizei fand, und deshalb 
ifrigft dahin wirkte, daß er entfernt wurde, klagt nun, daß 
er Graf von Wartensleben, den er gewünfcht, noch weit went- 
er nachgiebig ſei, und die Grenzen des Gerichts gegen Ueber: 


238 


griffe der Polizei ftreng wahre. Diefe Klagen gereichen dem 
Grafen zur hoben Ehre und machen die gehäffigen Andeutun: 
gen, ala habe er feine Ernennung durch verfprochene Nachgie— 
bigfeit erlangt, gänzlich zu Schanden. — 


Freitag, den 7. September 1855. 

Dr. Stodmann hatte im November 1848 bewaffnete 
Schaaren zum Schuge der preußifchen Nutionalverjammlung 
zufammengebraht. Bon dem Appellationdgericht zu Naum: 
burg wurde er zu ſechsjähriger Feſtungsſtrafe verurtheilt, bat 
diefe nun überftanden, und ijt in feine Heimath entlaffen wor 
den. Auch ein Demofrat Gujtav Rawald, wegen gleicher 
Handlung zur Feſtungshaft verurtheift, ift auf freien Fuß gr 
fest. ebt werden ihnen die Behörden das Leben erit red 
verbittern! — 

Hannibal Fischer, der in Koburg verhaftet geweſen un 
gegen Bürgfchaft entlaffen worden, hat erflärt, ſich nicht ver 
Gericht ftellen zu wollen, und man möge daher die Bürgihft, J. 
falls man ſich dazu berechtigt glaube, nur- einziehen. du Mi 
elende Kerl hat fonft dag Geld fehr lieb! — 

„Kaifer Heinrich der Vierte und fein Zeitalter. Bon sat 
wig Floto. Grfter Band. Stuttgart und Hamburg, 185. P 
Ein fleißiges Bud, vom Verfaffer feinem Lehrer Leopeld 
Ranke zugeeignet. Die Ranke'ſche Manier bis zum Gfelhl 
ten getrieben, z. B. S. 297. Uebrigens auch darin gi 

Rankiſch, daß feſte Anſchaunng und Geſinnung fehlen. — 
GGeſammelte Aufſätze von Theodor Wilhelm Dan. 
Herauögegeben von Dtto Jahn. Leipzig, 1855." ZJeuami 
des Fleißes und der Bildung des in der Blüthe der Jahrev 
bingeitorbenen edlen Gelehrten, Aber etwas Düfteres un 
Steifes läßt einen nicht recht froh werden. — 






239 


Am Hofe wird Humboldt hart getadelt und gefchmäht, daß 
ran einen fo „infamen Kerl“, wie Need von Eſenbeck, ver- 
sindlich gejchrieben hat. Auch der König und die Königin 
iehmen es ihm fehr übel; die legtere weiß natürlich nichte 
yon ihm, ald dag er grundfagmäßig in wilder Ehe lebt, die 
ahme verfchmähend. — 

Voltaire ſchrieb einmal, um ſich mit einem deutfchen Apo- 
theker zu verftändigen, an dieſen ein lateinifches Billet, das 
als Kuriofität aufbewahrt, hervorgezogen und gedrucdt wurde. 
Die deutjchen Gelehrten lachten herzlich über die Schniger 
darin. Aber unter den heutigen deutfchen Kitteraten, die Phi- 
\ologen von Fach ausgenommen, wer dürfte nur daran den- 
ten, das Wagniß eined lateinischen Briefchens zu verjuchen? 
Und felbft noch in den 1790er Jahren machte Ramler den 
Schniger, in der Grabfchrift Des Grafen von der Marf zu far 
gen: „Prosecutus lacrimis paternis.* — 


Sonnabend, den 8. September 1865. 

In Hartwig Floto’8 Kaifer Heinrich dem Vierten gelefen. 
In Wendungen. und Nusdrüden Findifch-lebhaft wie Ranke. 
Im Urtheilen ſchwach, ohne hohe Standpunfte. Daß er von 
Kaiſer Heinrich dem Vierten gut denkt, ihn gegen Schloffer 
und Leo in Schuß nimmt, ift mir jehr recht; aber daß erden 
Seiligen Anno von Köln zum Sündenbode macht, ihm die 
Spaltung und die Schmach Deutfchlands zur Schuld rechnet, 
it eine haltungslofe Willfür und zeugt von wenig Sinn für 
gelhichtliche Geftalten. Der Gefchichtfchreiber muß wie der 
Dichter auch die Gegner feiner Helden in ihrem Recht und in 
ihter Würde auftreten laffen. Er fagt (S.197): „Die Aus: 
fprüche feiner Bewunderer follen und nicht beftehen. ch 
fürchte, dieſe koſtbate Perle war durch fo ſchwarze Fleden ent: 
ftellt, daß fie fein Diadem zieren fonnte. Ich fürchte, er 


240 


glich eher jener Frucht, die der Kreuzfahrer aus Chartres am 
todten Meere brady, äußerlich ſchön, aber inwendig voll ſchwar⸗ 
zen übelriechenden Staubes.“ Dieſes zweimalige „6 
fürchte *, bei einer. abgefchloffenen Geſchichte, die über adt: 
bundert Jahr alt ift, Elingt lächerlih, und überranfet feinen 
Ranke! — 

Der Polizeilieutenant Dam, der den Auftritt mit den Or | 
fizieren und Edelleuten im Hotel du Rord hatte, ift richtig von 
bier verjegt worden und zum MVolizeidireftor in Pabdertom 
ernannt. Hindeldey mußte ihn dem Militairũbergwh 
opfern, hat ihn aber dabei befördert. — 

Unſre Hof⸗ und Garde⸗Offiziere machen äh ein bejonde 
red Bergnügen und Berdienjt daraus, ihre Vorgefepten ju de 
\pötteln. Der General Graf von der Groeben heipt weg 
feiner Frömmigkeit dad Lamm, der General Graf von Bil 
derfee, der nicht mehr reiten kann, bat den Beinamen oh 
myl; dem General von Wrangel, den man-im dänischen geld 
zuge mit dem Namen „Druf!“ blüchern wollte, hat nur da 
Namen Ged behalten; und fo geht ed. weiter, auch die Prir 
zen werden nicht verfchont, und werden genedt und gehänid: J. 
Das find aber nicht die Späße, die ſich die römijchen Solv J 
ten beim Triumphzuge gegen den Cäſar erlaubten, — rt J 
ift fein Gäfar, fein Triumph, fein Krieg, — bier iſt nichts ab 
die. Zangeweile des potsdam’jchen Friedensdienſtes und KI Ei 
Uebermuth der Junker, — 





Sonntag, den 9. September 1855. 

Es wird verfichert, daß im Berliner Volke, welches fe —3— 

und der Gewalt völlig unterworfen ſcheint, unausgelept dr 
ſtärkſten demokratiſchen Befinnungen rege feien, Gejinnunga, 
die ſich fortpflanzen und ausbreiten, und auf die Gelegenheit 


241 


ırten, in That auszubrechen. Wirklich bedarf es Feiner be- 
wern Beobadhtungdgabe um wahrzunehmen, daß die alte 
ebe und Ehrfurcht, die fonft hier vorherrichten, nur noch 
usnahmen, und großentheild nur als heuchlerifcher Schein 
thanden find. Das Baterland Preußen, der Staat und 
ine Gefchichte, leben noch in vielen Herzen, aber ald Weſen, 
e von der heutigen Wirklichkeit verläugnet werden, und die 
it dem heutigen Beftehenden faum noch etwad gemein 
ben. — 

In englifchen Blättern wird auch von neuen demofrati- 
en Dereinen und Komplotten gefprochen, die hier angezettelt 
irden, und denen die Polizei auf der Spur fei. Wir willen 
r nichts der Art, aber freilich fann im Stillen vieles arbei- 
i, wovon wir feine Ahndung haben, auch die größte Thor- 
t, der tollfte Unfinn, wie die Ladendorf- Gerde’ichen Ge 
ichten! — | 

Ein jehr bezeichnendes Merkmal eines Menſchen ift, ob er 
U und gern Briefe ſchreibt, und welcher Art die Briefe find ? 
anz einfeitige und ganz egoiftifche Menfchen find felten Brief: 
reiber, fie find am liebften mit ihrer eignen Perfon gegen- 
irtig, und wo dies nicht fein kann, verzichten fie; fo Gans, 

Steffens. Gewerbliche Ritteraten berechnen die Zeit und 
8 Manuffript, die fie durch Briefe unentgeldlich hingeben. 
de vielfeitigften, gemüthvolfften, menfchenfreundlichften Men- 
hen waren von jeher ergiebig, ja verſchwenderiſch im Brief 
hreiben, wie Cicero, Frau von Sevigns, Voltaire, Friedrich 
rt Große, Jean Jacques Rouffeau, Diderot, Goethe, Schil⸗ 
1, Wieland, Schleiermacer, Guftav von Brindmann ꝛc. — 
har feine Briefe zu fchreiben, wie 3. B. General von *, ift 
ht bloß eine Unterlafjungsfünde, fondern ein wirkliches Be⸗ 
hen. Friedrich Auguft Wolf wurde erft im Alter brief- 
eu. — 





Barnbagen von Enfe, Tagebüder. XII. 16 


: 242 


Montag, den 10. September 1855. 

Der König wollte den Truppenübungen bei Treuenbriegen 
beitmohnen, hat ed aber aufgegeben. Gerüchte, daß feine & 
fundbeit wieder durch die Heinen Anftrengungen ' erfchüttert 
worden. Auf die Reife nach dem Rhein will er noch nidt 
verzichten. — | 

Die Neuwahl des Haufes der Abgeordneten ift uun feſt 
gefeßt. Die Wahl der Wahlmänner ift auf den 27, beftimmt, 
die Wahl der Abgeordneten auf den 8. Dftober. Alles ned | 
nach dem unfinnigen, am 30. Mai 1849 willkürlich gemad: | 
ten Dreiklaſſen-Wahlgeſetz. — 

Herr Dr. Zabel ift in Paris. Seine Abweſenheit ift grade 
wegen der Wahlfrage fehr bedauerlich. Doc) wird die Voll: 
partbei ſich fchwerlich in Maffe zum Wählen verftehen mob 
len. 5· 

In Kurheſſen iſt eine feſte, ſtarke Oppoſition in den Ab— 
geordneten kund geworden. Die Regierung iſt erfchroden und 
weiß nicht was fie thun ſoll. Inzwiſchen liegt auf dem armen J 
Volke immerfort Schmah und Drud. Es iſt eine wahrhaft 
türkifche Regierung. — 

Telegraphifche Depeche, daß am 9. der Malakoff⸗Thum 
von den Franzofen mit Sturm genommen worden. Ein Ar: 
griff der Engländer auf den Redan ift nicht gelungen. 

In Bulwer gelefen, — o wie langweilig! Reflerionen vr 
Goethe zur Erholung und Anregung. — 

Bon Yulian Schmidt’8 deutfcher Litteraturgefchichte iſ 
eine neue umgearbeitete Auflage erfchienen. Wie der Menſh 
über Goethe ſpricht! mit vollem Unverftand. Man folk | 
glauben, aller Gewinn an Bildung, Geift, Einficht, den die 
Deutfchen feit achtzig Jahren gemacht, fei wieder verloren gr | 
gangen. Selbft die Heldenthat der Kenien — es war wib | 
lich eine — wird getadelt, geläftert, in Antrieb und Wirt 
gänzlih verfannt! Vermag ein Geſchichtſchreiber ſich nikt 





243 


fer in den Sinn und die Bedeutung der Erfcheinungen zu 
trieben, von denen er ſpricht? Er und fein Freund Freytag 
edienten felber in den Zenien vorzulommen, mit ihrer eng- 
tzigen Aeſthetik amd ihrer noch engherzigern Moral, auf die 

fich foviel einbilden! Sie fcheinen ein Gefühl davon zu 
ben, Daß alles Große, Friſche, Geniale, gegen ſie mit ge⸗ 
htet iſt. — 


Dienstag, den 11. September 1866. 

Ich las geſtern in der Zeitung, heute früh um 7 Uhr 
irde im Zellengefängniß ein Raubmörder hingerichtet wer- 
ı, wenn ih in der Naht wachte und die Glockenſchläge 
tete, mußte ich immer daran denken, wie lange der Unglüd- 
ye noch zu leben habe! — 

Der Raubmörder Stümper ift hingerichtet worden, feines 
rbrechens überwiefen, aber nicht geſtändig. Man hört 
erali mit Nachdrud die Bemerkung machen, der vorige Koͤ⸗ 
I babe nichtgeftändige Verbrecher niemals hinrichten laſſen. 
ümper hat bis zulegt den Zufpruch des Predigerd Bult- 
nn abgewiefen, auch die albernen Reden des Geh. Rathes 
t. Easper, der die Rohheit hatte ihm zu fagen, daß er an 
nesgleichen Gefichter ftudirel (Er hat über Verbreher-Phy- 
gnomieen einen Auffap geichrieben, der ſchon viel Achſel⸗ 
den veranlapt hat.) — 

Die Rufen haben in Sebaftopol ihre Kriegsichiffe ver- 
tannt oder verſenkt, die Unterjtadt aufgegeben. Große Sie- 
Wireude der Franzoſen; ungeheure Berlufte der Ruſſen. — 
ier bei der Gefandtjchaft nicht zu verhehlende Beftürzung. — 

Der König ift nicht franf, Er wohnt zwar den Truppen- 
ungen in Treuenbriegen nicht bei, aber denen in Münche- 
ig. — 

Endlich ift auch der vielgequälte Herr von Corvin⸗Wiers⸗ 

16* 


244 


bitzki aus dem badifchen Zuchthaufe freigelaffen, mit der Be 
dingung nach Amerika auszuwandern ! Bettina von Armin 
wird ſich freuen! — 

Die Rufen haben Peter-Pauls-Hafen- auf Kamtfcatfe 
nachdem fie dort große Bertheidigungsanftalten getroffen, be 
Wiederannäherung der Franzoſen und Engländer freiwilu 

verlaffen und fich in’s innere Land zurückgezogen. — 


Mittwod, den 12. September 1855. 

Berfuch auszugehen, mit Qudmilla, nur ein paar hundert 
Schritt in der Sonne, bis zur Friedrichsſtraße 79, um vor 
der Profefforin Dirichlet AUbfchied zu nehmen; wir trafen 
die Schivtegermutter, gingen aber gleich zurüd, und fahen be, 
Frau Rebecca Dirichlet noch eben vor unferer Hausthüre im 
Wagen halten. Herzlicher Abfchied, ich fonnte kaum das Rö⸗ 
thige fagen, mir war überaus weh, die liebe, ſchöne Frau, Me 
ich habe aufwachſen jehen, fortan hier miffen zu follen! Sie: 
ſah vortrefflich aus, edel gefaßt, ſtark und gefühlvoll. Sie 
reift morgen früh nach Göttingen ab. — 

Die Kreuzzeitung ift ganz kleinlaut geworden. Bon allen 
Seiten erfchallt Jubel über den Sieg der Franzofen in Mei 
Krim, über die Vernichtung der ruffiihen Pontusflotte. — | 

Daß der Kanzler Graf von Neffelrode Urlaub zum Reia; 
erhalten habe, ſoll plöglich nicht wahr fein. Schneller Dep 
ſel! Vielleicht braucht man feinen Namen noch zu einem [hie 
ten Frieden. — 

Auch der berüchtigte Hannibal Fifcher wird in den 3 
tungen berichtigt, er foll nicht auf feine Bürgjchaftafunm: 
verzichtet, fondern nur verlängerte Friſt zu feiner Vertheide 
gung begehrt haben. — 

Der ehemalige badifche Minifter von Blittersdorf it ker 
angefommen. Will er auf eigene Hand Ränke machen, ee 













245 


| Bortheil Defterreihd? Er haft Preußen, aus füddeutfcher 
tholiſcher Befchränftheit. Er ift von einem Pfaffen erzogen, 
3 Tlebt ihm an. Seit vierzig Jahren fenn’ ich ihn von nicht 
rtheilhaften Seiten. Er fennt feine Scheu, feine Pietät, 
t Leinen Freund, und wenn er einen zu haben ſchien, vers 
eth er ſolchen unbedenklich bei erfter Gelegenheit. Aus 
igennuß hat er feinen Stolz aufgeopfert, und eine Mißhei- 
tb mit einer Berwandten Bettina’d gefchloffen ; nämlich ihm 
es eine Mißheirath. — 

Die englifche Flotte war von Kronftadt verfchwunden, ein 
iſſiſches Linienſchiff wagte ih in die See hinaus; zwei Fleine 
igliſche Wachtichiffe fegelten fogleih darauf los, das große 
inienſchiff zog fich eiligft in den Hafen zurüd! — 


Donnerstag, den 18. September 1855. 

Die Nationalgeitung bricht heute dad Schweigen über die 
Wahlen und räth zur Theilnahme. Der Auffak ift einfichtig, 
durchdacht und fein, aber nicht herzhaft und entfchloffen, nicht 
‚anfeuernd und fortreipend; vielleicht mit Fluger Abficht, da- 
mit die Regierung nicht zu fehr aufmerkt. Schlimm wenn 

folhe Klugheit walten muß! — 

In alten Sachen gelefen. In einem Gedicht von fünf 
Gefängen „die Zukunft fagt Friedrich Leopold Graf zu Stol- 
erg zu den deutfchen Fürſten: „Meintet ihr, ed würde der 

Genius deutfcher Freiheit ewig ſchlummern, gefrönte Ber: 
zäther?* Das war um dad Jahr 1780. Späterhin verrieth 
wer jelbft die deutiche Geifteöfreiheit an das römische Pfaffen- 
weſen! Jämmerliched Ende! — 

Das wüthige, haßvolle Urtheil Stein's über den Füriten 
son Wittgenftein, welches Pertz aus Stein's Papieren und 
zwar in zwiefacher Faſſung hat drucken laffen, ift ſchwer zu 


246 


vereinen mit dem vertraulichen, unnöthig vertraulichen ge 
fährlichen Brief, den er an den Fürften im Fahre 1807 a: 
fchrieben hat. Oder will er ung glauben machen, er babe de 
mals noch nicht alles dad in dem Fürften gefannt, was rn | 
ipäter fo giftig in ihm tadelt? Er legt aber auch grundfalfk | 
Befchuldigungen auf ihn! Wenn id) eine Schilderung Ni 
Fürſten unternehme, fo werden dunfle Seiten genug übtiz 
bleiben, aber feine feltnen Eigenthümlichfeiten des Geiſtes mı W' 
des Gemüths auch gebührend hervortreten. Er war ganz un WW: 
gar fein Höfling im gewöhnlichen Sinn, er fehmeichelte nk, W: 
er fagte dem Könige und den Prinzen die derbften Wahre: 
ten. Er förderte die Willkürherrſchaft, das ift wahr, alleia 
er hätte ſie auch nicht hindern können, und dafür befeindete er 
überall die Frömmler und Heuchler. Dies mußt’ ic bier 
auffchreiben aus Anlaß eined Geſprächs. — 

Im Horatiud gelefen ; welcher ftarfe Zauber baftet doch un 
folhem Genoffen früher Jugend, deifen Bilder und Worte ſich J 
der Seele und dem Gedächtniß tief eingeprägt baben! Pr! 
kann gar nicht die Nede davon fein, was Horatius als Dichter 
ift, ich fühle nur, wad er mir if. Er muß und au fu; 
der verlorenen griechifchen Lyriker gelten. — 


Freitag, den 14. September 1855. | 

Humboldt ift heute ſechsundachtzig Jahr alt gemerden. WE 
Das Büchlein von Deycks über Goethe's Fanſt hat em 
zweite Auflage erlebt, die fehr erweitert und verbeffert if. GP. 
ift ein guted Zeichen, daß dergleichen Schriften begehrt wer 
den. In der Vorrede wird eine Stelle von mir über Go 
Fauſt zitirt, Die ich ganz wie eine fremde lad, aber recht zu J 
finden mußte. Das Büchlein ift dem General Morik ver: 
Bardeleben in Koblenz gewidmet, der fi) zur Bethmann⸗Helb 
weg’ihen Parthei hält. Seine gefchledene Frau, mei 








247 


Fugendfreundin, ftarb in Dreöden vor einigen Jahren, — ge: 
borne Hübfchmann. — 

Herr von Hindeldey ift nach dem Rhein gereift, um wegen 
des bevorjtehenden Aufenthalts des Könige dort die nöthigen 
Sicherheitdmaßregeln anzuordnen, Nicht wenig Arbeit! — 

Deiterreih hat ſchon wegen Sebaſtopols in Paris feine 
Glückwünſche abgeftattet. Die Niederlage der Nuffen ent: 
hüllt ich immer größer. Die Franzoſen haben noch unzer- 
ftörte ungeheure Vorräthe gefunden, die fie mit den Englän— 
dern theilen. Der Fürſt Gortſchakoff meldete ſchon früher in 
feinen Depefchen, feit dem erneuerten Bombardentent verliere 
er täglid 2500 Mann; die St. Peterdburger Zeitung theilte 
dies mit, die infame Rreuzzeitung hier lich ed weg! Das Blatt 
ift auf's Maul geihlagen, dad Maul aber immer noch ſcham⸗ 
108 und frech wie vorher. — 

Ein Stenograph Rahn follte in einer Drudfchrift die Po- 
Lizei beleidigt haben, Hindeldey klagte beim Kriminalgericht, 
dies fand die Klage unbegründet, er appellirte, allein das 
Kammergeriht wied ihn auch ab. Die Gerichte kämpfen 
gegen die Polizei, doch treten fie dabei nur ſehr vorfich- 
tig auf. — 

Das Obertribunal hat in lebter Zeit ein paar Entfchei- 
Dungen gegeben, die der fchon gelähmten Preſſe neue Gefahr 
bringen. Auch der Tadel der auswärtigen Politit Preußens 
fol dafür gelten, „Haß und Beratung“ gegen die „Anord- 
nungen der Regierung” zu erregen, Ferner, jede Stelle aus 
einer Anklagefchrift, die ein Blatt vor dem Schluß der Ber: 
handlung veröffentlicht, gilt als Veröffentlihung der Anklage: 
ihrift und ift verboten. — Uhden und Goetze find Präji- 
denten. — 

. In der Augsburger Allgemeinen Zeitung ftand kürzlich 
eine freifinnige, geiftig hohe, einfichtsvolle Anzeige der Lebens— 
erinnerungen der Frau von Dudevant; es that mir ordentlid) 


248 


wohl, an ſolchem Ort eine fol anerfennende Beurtbeilung zu 
lefen. In dem Londoner Athenaeum ift recht das Gegen: 
theil audgelegt, eine engherzige, vorurtheildwolle Kritik, die 
dem Buche zum Tadel rechnet, was fein größtes Verdient 
ift, Die Mifchung von braver Offenheit und ſcheuer Zurüdhal- 
tung. Recht der ftupide Engländer! Bei Jean Jacques Roui: 
ſeau's Belenntniffen waren audy die rohen, gemeinen Urtheile 
die zahlreichften und Tauteften, bei Goethe's Wahrheit und 
- Dichtung nicht minder. — Eine große ftille Gemeinde bleibt 
der edlen Frau doch in allen Ländern bewundernd zugethan, 
und für diefe Gemeinde nur fchreibt fie. — 


Sonnabend, den 15. September 1855. 

Die Volkszeitung bringt einen beißenden Artifel „Bon 
Siliftria bis Sebaftopol*. Sie zeigt, wie die Ruffen, im 
Felde überall von Türken, Franzoſen und Engländern gefchla- 
gen, das ſchwache Siliftria nicht haben nehmen, das ftarke 
Sebaftopol nicht haben behaupten fönnen. — Der König fell 
über die deutfchen Zeitungen, die fich der Niederlage der Ruf 
fen freuen, zornig fchimpfen, befonders über die berlinifchen; 
die Klagen des ruffifchen Gejandten hier finden aber bei dem 
Minijterium fein Gehör, nicht weil die Prepfreiheit geachtet, 
fondern weil Bonaparte gefürchtet wird. Bor diefem Aben- 
theurer müffen fi) Alle beugen! — 

Nuffifhe Bemühungen um Friedendvermittlung gleich⸗ 
zeitig mit Anfchürung revolutionairer Brände in Frankreich, 
Spanien, Jtalien. In Italien fhürt auch Frankreich! Cr: 
bitterung gegen Neapel. — — 

Bei unfern Wahlen fcheint auch die Kreuzzeitungsparthei 
ziemlich matt und fohläfrig; nur die Regierung bietet allen 
Eifer auf, und freilich ſteckt in ihr ein gut Theil Kreuzzeitungs⸗ 
parthei! Die entjchiedenen Demokraten, die von 1848, wählen 





249 


richt mit. — „AS Abgeordneter freifinnig und volksfreund⸗ 
ich bei und auftreten, heißt unter erzürnte Wespen fich nadt 
inftellen, oder fih zum Spießruthenlaufen melden, * fagte neu⸗ 
ich jemand ; „beider Durchgeipelung (Diamaftigofid) der ſpar⸗ 
anifchen Knaben war wenigſtens Ehre, bei dem Aushalten in 
er Kammer ift weder Bortheil noch Ehre.* Eine Mittels 
laffe, die wohl etwas Freiheit aber nicht viel will, die mag 
‚Heil nehmen an dem Geſchäft. — 

Im Plutarchog gelefen, in Goethe und im leidigen Bul- 
er. Was für geringe Mafchinerieen und Dekorationen wers 
en bier verwendet! Sein „Pelham* bleibt fein beftes 
uch. — | 

„Der Nachruhm!“ Ein angenehmes Bild für den Leben: 
n, ein Zierrath an dem Gedanken des perfönlichen Dafein? ; 
an will von feinen Nächiten, feinen Freunden, feinen Rande» 
uten, nicht fogleich vergeffen fein, ein natürliches, ein richti- 
3 Gefühl. Wer aus dem Nachruhm aber fein Höchftes, fein 
Iles machen will, der muß fehr furzfichtig fein, der muß nur 
nmer mit feinen Zahlen gerechnet haben. Ein Name, der 
ach zehntaufend Fahren noch lebt, ift fein perfönlicher mehr, 
in biftorifcher, nur noch ein mythifcher. Und nach hundert- 
ufend Jahren? nach Millionen ? wer kann da noch leben! — 

Wir fönnen und aber einen noch ganz andern Zufammen- 
ang denken; einen Zuſammenhang des irdifchen Fortlebens 
83 Geiſtes mit einem überirdifchen. Phantafieen, Möglich: 
tten, die als folche aber in unfre Wirklichkeit gehören! — 


Sonntag, den 16. September 1855. 
Gegen die Ungerechtigleiten der rohen tadelfüchtigen Welt 
ab’ ich mich von jeher aufgelehnt, für manche Frau und man- 
‚en Mann ritterliche Lanzen eingelegt. ch werde jet nicht 


250 


aufhören, die heuchlerifche Tugend, die Scheinfchidlichkeit, das 
feige Zuftimmen in die geltende Einrichtung, wo grade Diele 
nicht taugt, mit allen Waffen zu befämpfen, in meinem | 
Kreife wenigſtens! Hat’ mir das nichtewürdige Gefindel, Man: | 
ner und Weiber, nicht auch meine theueriten Männer ve: | 
unglimpfen wollen? Sie famen fhön an! — | 

Gefämpft muß immer werden, jeden Tag! Wer nur ci 
mal vierundzwanzig Stunden ausruht, wird wahrnehmen, N} 
Roſt ſich auf die blanfen Waffen, eine Rinde um das friſche 
Herz fest. Jetzt alt und Frank, ohne Amtäpflichten und Gr 
ſchäfte, ohne mittelbare Einwirfung auf öffentliche Angelegen: 
heiten, hab’ ich faft mehr zu thun, zu fämpfen und zu forgen, 
als in meiner rüjligften Jugend, und fat mehr auch ned ju 
lernen. Ineacxw d’ aısı nulla didaonousvos! — | 

Im Horatius gelefen; aber feine Heiterkeit und fee 
Weisheit wollten diedmal nichtd verfchlagen! Ich fuchte an: 
tegendere Gedanken in Goethe, und fand fie reichlich, im Be 
fannteften unvermuthet noch Unbefanntes. 

Wie fich die Zeiten ändern! Ale Knabe war mir das Auf: 
ichlagen im Wörterbuche ſtets peinlich, fo ſehr ich Fonnte, wer: | 
mied ic) ed, lieber fucht’ ich Die Bedeutung eines Wortes zu 
errathen oder ließ fie zum Schaden des ſichern Berjtändnifte 
dabingeftellt. Jetzt bin ich eifrig zu diejer Fleinen Mühe, & 
iſt mir ein feſtlicher Gewinn, ein griechifches oder lateiniſches 
Wort aufzufchlagen, den verborgenen Sinn zu enthüllen, un 
jede neue Kenntnip der Art freut mi, als könnte fie mit 
noch wer weiß wie oft und fehr im Leben dienen. — 

Ich glaube, ich habe das fchon früher aufgefchrieben; mag 
fein, daß ich mich öfters wiederhole! Was fchadet es ? Wieder: | 
holen fich Doch die Gedanken und die Empfindungen. — 





251 


Montag, ben 17. September 1855. 

Unerwartet tritt General von Pfuel bei mir ein, friſch 
und munter, nad allen Seiten aufmerffam und vergnügt, 
wobei wir fehr ernſte Dinge beiprechen und uns gegenfeitig 
befennen, dag das Lehen Doch am Ende fättigt und der Ge: 
danfe bald aus diefer Welt abgerufen zu werden für und nichts 
Stichredendes hat. Er war in Paris, wo er im Anfchauen 
der Menfchen und Dinge gefchmwelgt, das Tageoleben anmu= 
thig, frei, wohlfeil und erfprießlich gefunden hat, aber feinen 
Bekannten traf er in dem ungeheuren Gewühl, er der fein 
ganzes Leben hindurch die zahlreichften und mannigfachiten 
Anfnüpfungen gehabt, in» und ausländiſche. Man findet fid) 
allmählig in einer fremden Welt, wie unter Wilden, die nicht? 
von uns willen, mit denen wir nichts zu thun haben wollen, 
nichts zu thun haben fünnen. Hr. Dr. Ring fam dazu, dann 
Ludmilla; Pfuel erzählte noch viel, mit größtem Bebhagen, mit 
größtem Beifall. — 

Die Kreuzzeitung enthält Folgendes: „Bei einem befann- 
ten hiefigen Demokraten hat vor wenigen Tagen eine Ber: 
fammlung ftattgefunden, an der fih auch gothaifche Parthei- 
genoſſen betheiligten. Dan ift dort zu dem Beichluß gefom- 
men, bei den Wahlen gemeinschaftlich zu operiren. Wie wir 
hören, wird jich in Folge diefer -Verftändigungen die Bolfe- 
zeitung, welche biöher die Ausfchreibung der Wahlen ignorirt 
hatte, für die Betheiligung an denfelben intereffiren.* Iſt 
die Sache wahr? Oder foll das nur die Kreuzzeitungsparthei 
reizen und ftacheln? Oder folk die Polizei dadurch geſcholten 
werden, daß fie eine folche Berfammlung nicht gehindert habe? 
Gewiß ift, daß die Polizei ein dergleihen Zufammenfommen 
von Demofraten nicht dulden würde, ‚wenn fie es zu rechter 
Zeit erführe. Woher ift aber die Kreuzzeitung fo gut unter: 
richtet ? Daß fie den befannten Demokraten nicht nennt, ift 
etwas verdächtig. — 





252 


Der in Leipzig entlaffene Profeffor Dr. Biedermann über: 
nimmt vom 1. Oftober die Redaktion der weimarifchen Je: 
tung. — 

Der wadre Bolfövertreter, früher in Baden, dann in 
Frankfurt am Main, Adam von Itzſtein, ftarb am 14. zu Sall 
garten im Rheingau ; er war 80 Jahr alt geworden weniger 
1A Tage. Man hatte ihn während der legten Jahre für gei- 
iteöfranf ausgeben wollen, er war ed aber nicht. Ehre feinem 
Andenken! Er hat es gut gemeint mit dem Baterlande! — 

Der König ift nad Stolberg und Nordhaufen abgereift. 
In feinen Reifeplanen wurden faft jede Stunde Abänderun 
gen gemacht, und diefe nach den betreffenden Orten mitgetbeilt. 
Alles klagt über dieſe Wandelbarkeit, bei der man feinen 
Augenblid ficher ift, was man zu thun habe, was gejchehen 
werde. — 

Nah dem Thee mit Ludmilla Schach gefpielt. — In 
Goethe gelefen, im Horatius, Engliſches. — 

In Weftphalen, an der Ruhr und Wupper, fingen bie 
Schmiede und Hüttenleute ein Lied, worin die Zeilen vor 
fommen: 

„Was wär's Leben ohne Lieb’, Gefang und Wein, 
Ohne Kohle, Kalt und Eijenftein ?“ 
Man fieht, die Poeñe dringt überall durch! Jovis omnia 
plena. 

„Die Rammern und das Land. Bon Dr. J. W. %. Braun, 
Profeffor in Bonn und Mitglied des Haufed der Abgeordne⸗ 
ten. Elberfeld, 1855. Eine Schrift, die wenig nugen 
wird. Meäßiger Freifinn, der zwifchen Recht und Gewalt ſich 
durchwinden möchte, mit vielem Aufwand geſchichtlicher Bei- 
fpiele. Sie wird niemanden warm mahen, niemanden falt. 
Laues Profeſſorweſen. Ueber Voltaire urtheilt er wie ein 
Vieh. — . 


253 


Dienstag, den 18. September 1855. 

Die Bolfdzeitung ift heute ausgeblieben. Hat die Polizei 
fchon den Stachel der Kreuzzeitung gefühlt und will der Wahls 
thätigfeit Einhalt tun? Dann vergreift fie ſich im Mittel, 
und belebt nur die Theilnahme, anftatt fie zu hemmen. — 

Die Kreuszeitung jammert auch heute wieder über die 
Lauheit vieler ihrer Partheigenofien. Die Kölnifche Zeitung 
warnt, feine Beamten, befonderd feine Landräthe zu wählen, 
fehr mit Recht! — 

Borgeftern ftarb zu Herrendorf Eugen von Baerft, nad) 
langen fchredlichen Leiden, gelähmt, blind! Seltne Kräfte wa- 
ren in diefem begabten Menjchen vereinigt, die er meift zu 
tadelndwerthen Zwecken verwendete. Er hatte den größten 
Muth, die abgefeimteite Klugheit, und feiner Klugheit hielt er 
alles erlaubt. Doc waren feine Erfolge, wenn auch nicht 
gering, Doch keineswegs in Verhältnig mit feinen Talenten. 
Seine Schriften find nicht ohne Geift und Beobachtungsgabe. 
Er wünfchte fhon immer feinen Leiden ein Ende zu machen, 
fonnte fich aber in feiner Unbeholfenheit die Mittel dazu nicht 
verichaffen. — 

Nachrichten aus St. Peteröburg. Die höchite Exbittes 
rung und die tieffte Niedergefchlagenheit. Das wenige von 
Fanatismus, das der Regierung zu erweden gelungen ift, 
wendet fi num gegen fie. Mber weit vorberrfchend ift die 
Entmutbigung, der Friedendwunfdh. Allgemein befchuldigt 
man beide Gortfchafoff’s, den in Wien und den in der Krim, 
ihre Sache nicht zu verftehen, jenen, daß er nicht den Frieden 
herbeigeführt, diefen, daß er nicht den Feind in’d Meer ges 
worfen habe! Ungerechte, Vorwürfe! Sie heben ſich alle in 
dem, der dem verftorbenen Kaifer zu machen ift. So find 
auch alle Borwwürfe, die man den weitmächtlichen Generalen 

_und Admiralen macht, nady Paris und London zu verweilen. 
In St. Peterdburg hofft man Frieden. Man ftrebt aus 


254 


allen Kräften, für diefen Zmed das Gewicht der Macht Preußens 
in die eigne Wagſchale zu bringen. Hätte man died Gewicht 
nur nicht im Jahr 1849 freventlich gefchwächt, das preußiſche 
Anfehn in Deutfchland gebrohen zu Gunften Defterreiche, 

das jest alle Kraft Deutichlands an fich ziehen will, vielleiht 

— wenn auch wider Willen — an Frankreich überträgt! Ein 

neuer Nheinbund ift noch immer möglid, — 

In Goethe gelefen, in Bulwer. — Anerfennen mup man 
bei den englifchen Romanfchreibern, Dickens, Bulwer, Thade 
ray u. ſ. w., daß fie bei großen äſthetiſchen Mängeln meil 
immer gute Übfichten hegen, auf Erhellung der Begriffe, auf 
bürgerliche, gefellichaftliche, fittliche Verbeſſerung binarbeiten. 
Faft jeder ihrer Romane ftellt eine bürgerliche Krankheit, cin 
verderbliches Vorurtheil, ein herrſchendes Gebrechen dar. — 

„Die lebte Sefjion der preußifchen Kammern, Leipjig 
bei S. Hirzel, 1855.* Eine gute, klare Schrift, deren Schärfe 
hauptfächlich in der Zufammenftellung der Thatſachen lieg. 
Zum ergangenen Berbote diefer Schrift ift fein rechtliche 
Grund vorhanden, man fieht daraus, wie wenig Tagedlid! Mr 
unſre Regierungdeulen vertragen fönnen. Der Standpunt, 
aus dem die Schrift die Dinge betrachtet, ift nur nicht Kr 
rechte, fie nimmt unjer Scheinwefen ald zu Recht beitehend au, 
fie fieht nicht auf die Grundlagen. — 


Mittwoch, den 19. September 1855. 
Die Bolfzeitung ift heute wieder von der Polizei wegge 
nommen worden ; will man fie zum Beginn des neuen Dut- 
tals verderben, oder nur mürbe machen und nachgiebig? Die ' 
Polizei hat alle Macht dazu. Die Bolfözeitung, höre ib, 
hatte gejtern und heute dringende Aufforderungen ergehen kai 
fen, an den Wahlen Theil zu nehmen, und alles aufzubieten, 





— —— 


um die Kandidaten der Regierung und die der Kreuzzeitung 
auszufchließen. | 

Grimm bringt die beften Nachrichten von Bettina von 
Arnim, ed geht ihr in Badenweiler fehr gut, und fie fann in 
vierzehn Tagen gejund und munter bier in Berlin ein- 
treffen. — | 

Der Beichluß der Demokratie, an den Wahlen Theil zu 
nehmen, hat, wie voraudzufehen war, die Negierung in Schred 
und Angft verfeßt. Nicht nur die Wegnahme der Volkszei⸗ 
tung giebt died zu erfennen, fondern noch mehr ein Erlaß der 
Miniſter, den fie in ihren Blättern veröffentlichen. Sie jagen 
darin, die Berbindung der Kiberalen, Konftitutionellen und 
Demokraten drohe dem Lande Gefahr ; fie erinnern daran, daß 
der König die Berfaffung nur mit der Vorausſetzung beſchwo⸗ 
ten habe, daß man ed ihm möglich machen werde mit ihr zu 
regieren, e8 werde ihm unmöglich gemacht, wenn die Mehr: 
zahl der Abgeordneten aus Feinden der Negierung beftehe. 
Welche Arglift, welche Hinterthüren, welch feige Drohung! 
„Feinde der Regierung“, wer nennt fie fo? „ Möglich machen“, 
wer hat darüber zu urtheilen? Es ift diefe Hinweifung eben 
N niederträchtig ald dumm, die feige Drohung verfehlt ihren 

wel. — 

In Breslau ift ein Wahlverein fogleich von der Polizei 
öf worden. Aber die dortigen Kiberalen find voll 

ter, — 

In vielen größern und mittlern Städten richtet die Re⸗ 
gierung Polizeidiretionen ein; verfaffungsmäßig gebührt die 
Polizei der Ortsobrigkeit; aber was verfteht die von der hoben, 
don der willfürdienftbaren Polizei, wie fie der Regierung 
nöthig ift? — 

Wenn ein freifinniger Beamter etwa des Wählens fich 
enthalten möchte, fo wird ihm das nicht geftattet, er foll 
wählen, im Sinne der Regierung, er foll, falls er gewählt 


256 


wird, Die Wahl annehmen, und im Sinne der Regierung fun: 
men. Er foll ein thätiger und eifriger Augendiener ja. 
Zurückhaltung ift Verbrechen, fehlechte Gefinnung, Stat 
verrath. — 


Donnerstag, den 20. September 1855. 

Die Volkszeitung ift erfchienen. — Wieder ein Amin: 
her Korrefturbogen, nad langer Unterbrechung; abe N 
bleibt vor der Hand bei dem einen, es fehlt an Papier, un 
Bettina von Arnim hat erft neuen Vorrath zu liefen, I 
Druderei will die Auslage nicht machen. — 

Das Bethmann-Hollweg'ſche Wochenblatt ijt aud wit Ju 
eines Wahlartikeld nachträglich von der Polizei weggenomam fir: 
worden. Die Leute ded Miniſteriums und des Junferttum 
find entfeglic in Furcht wegen der Wahlbewegung, fie it Po 
ſchon wieder die Revolution in voller Kraft und diesmal ts fi 
Rußland ale Anhalt und Schub. 

Im Horatius gelefen, in Goethe. Ich verweilte aud m 
großer Innigfeit auf den lateinischen Pfalmen, in der Le 
feßung der Vulgata, von denen ich nody vieles auswends 
weiß, nachdem ich fie vor fechzig Jahren Abende meinem Br 
ter aus einem römifchen Brevier wiederholt.vorgelefen. Ser 
derbar war ed, wie mein Bater, bei volllommen freier, ww 
ficchliher Denkart, bei größter Vorliebe für die römifchen um 
franzöfifchen Philofophen, zugleich die alten katholiſchen Ge 
bete und Hymnen, den Heiligen Augujtinus, den Thomas 
Kempid und Hermann Hugo's pia desideria liebte! Sonder 
bar, und mir doch vollfommen begreiflih. Nabel verban 
ebenfalls beide Richtungen, Frau von Dudevant nicht minde 
auch mir find beide befreundet. Und liebte nicht Saint⸗Ma 
tin die beiden Freigeifter Voltaire und Rouſſeau, die fromn 







257 


Herenhuterin Lotte Schleiermacher den König Friedrich den 
Großen? — 

Die wohlmeinende Anzeige von George Sand’d histoire 
de ma vie in der Augsb. Allg. Ztg. ift von Levin Schüding. 
Sein Name fteht unter dem lebten Abichnitt. — 

Bor dreiundfünfzig Jahren hört’ ich Kiefewetter von 
einem ungeheuern Aergerniffe fprechen,, das der blinde Ludwig 
von Baczko in feiner Geſchichte von Preußen gegeben habe. 
Derfelbe rede nämlich von der Freundfchaft der Königin So⸗ 
phie Charlotte zu Leibnitz und erwähne des Gerüchte, daf 
diefe Freundſchaft auch wohl ein Liebesverhältniß geworden 
und daher in das Königlich preußifche Haus Philofophenblut 
gefloffen fein könne. Indeß zu jener Zeit wurde eine folche 
Ungeheuerlichkeit nicht jonderlich beachtet, am wenigſten von 
mir. Späterhin wünſcht' ich indeß über dieſe mehr als 
Vehſe'ſche Naivetät des Ausdrucks Gewißheit zu erlangen, 
Das Buch von Bacjko hatte ich nie gefehen. ch forderte 

daſſelbe mehrmals von der Königlichen Bibliothek, immer 
hieß es, dad Buch fei verliehen. Endlich erhielt ich ed, aber 
rur die fünf eriten Bände, der fechite, hieß es wieder, fei ver: 
lieben, der Bibliothefdiener aber vertraute im Stillen, der 
jechfte Band fei ſchon längft abhanden gefommen, vielleicht 
abjichtlich befeitigt. In diefem aber müßte die obige Stelle 
fih finden. Das Buch ift jelten geworden, vielleicht ift das 
bezügliche Blatt fpäter umgedrudt worden, und dann die 
Sache gar nicht mehr zu erörtern. Auch in Scheffner’s 
Denkwürdigkeiten find ganze Abjchnitte umgedrudt worden, 
und urfprünglich erfte Abdrüde eine große Seltenheit. Auch 
die „Beiträge zum republifanifchen Geſetzbucher, von Mor- 
genbeſſer in Königsberg 1800 harmlos gedrudt, wurden dreis 
Big Fahre ſpäter auf Befehl befeitigt, da freilich nur wenig 
Abdrüde noch übrig waren. 


Barnhbagen von Enfe, Tagebüder. XI. 17 


258 






Freitag, ben 21. September 1855. | 
Die Volkszeitung macht ſich mit entjchiedener Ueberlezu 
heit luftig über den militatrifchen Mitarbeiter der Reuen Pır 
Bifchen Zeitung, der allerdings dad dümmſte Zeug vorbrind. 
Es iſt die der Ingenieurgeneral von Prittwiß, der früher dab 
Buch über „die Gränzen der Zivilifation“ hat Druden lafezz, 
— bei Hoff in Mannheim! — der aber aus einem freifinsts 
aufgeflätten Fortſchtittsmann ein Dienſtknecht der Kreuget 
tung geworden ift, und ein dummer Faſelhans. Er giebt Dwt 
unglaublichiten Blößen! — | 
Große Beute in Sebaftopol, A000 Kanonen x. — D 
Ruſſen laffen jehr die Ohren hängen! Der Kaifer fagt in je! 
ner Proflamation, die Borfehung habe die gehegten Hoffnume? 
gen nicht erfüllt, und ruft dabei neued Vertrauen auf die Bo 
ſehung an, das klingt dem Volke wohl nicht recht zu! — 
Die Neue Preußifche Zeitung gebärdet fich erbaͤrmlich- 
und verfucht alle Zügen und Kniffe bei der jegigen Wahllriſie. 
Ihre Unredlichkeit und Tüde ftehen hell am Tage. Sie, di 
vorher den Abgeordneten das ganze Gebiet der audwärtigen 
Politik völlig abfprach, fordert jet die Wähler auf, die stage 
wegen Krieg oder Frieden zur erften Hauptfache zu machen! 
Nämlich Frieden in Betreff Ruplande, Krieg Für Ruplem 
wäre ihr fchon recht. — Auch möchte die Parthei fich jebt fü 
die der Regierung audgeben, fie, der dad Minifterium Mau 
teuffel der Gegenftand des wüthendften Haffes ift! — 


Sonnabend, ben 22. September 1856. 

Der Menſch ift nicht gemacht für ein langes Leben, da 
felbe ift nur eine fortgefeßte Berarmung. — 

Im Horatiud, in Bulwer gelefen, im Evangelium t 

Matthäus. — Wahlartitel über Wahlartikel in den Reg 


259 


.ättern! Sie haben folche Furcht vor den Demokraten, 
deren Bild möglichft abfchredend aufftellen, und fie 
; lächerlichfte verläumden; fie fuchen den Konftitutio- 
den Liberalen einzureden, es fei die größte Gefahr, fich 
ı Demofraten zu verbünden, die überdies ohne Führer 
me Programm feien. Die Reue Preußifche Zeitung 
elt leptered. Dad Wahre ift, daß die Führer überall 
den find, und daß das Programm dies ift, Das eigne 
uftellen, und für den Augenblid nur das zu fein, was 
möglich ift, freifinnig und konſtitutionell. Für das 
e wird die Gejchichte forgen. — 
18 nenn’ ich einen zähen, unzerftörbaren Hofmann! 
beritichen? von Arnim, Pitt genannt, der ausgetrods 
umpfe, gebrechliche, fümmerlich einherwankende Greis, 
ım noch fehen kann, ift nach Paris gereift, und hat ſich 
ven Gefandten Grafen von Hapfeldt dort am Hofe vor- 
laffen. Die Zeitungen melden’d. Wenn’d nur ein 
‚und wär’d der vom Kaifer Soulouque! — 
er Präfident von Kleift ift um der Wahlen willen früher 
wollte von feiner Sommerreife zurüdgefehrtt. Er will 
ur Kreuzzeitungsparthei gehören, ift aber doch von ihrer 
lei. Daß überhaupt Volkswahlen gefchehen, ift ihm ein 
l, indeß muß er auf dem verhaßten Boden mit den ver- 
Werkzeugen arbeiten! — 


Montag, den 24. September 1856. 
roße Anftrengung der Regierung, die Wahlbetriebfam- 
erall zu leiten, zu beherrfchen. Alle Einflüffe werden 
oten, manche Beamte haben angedeutet, fie würden den 
der Regierung felbft mit Gewalt durchfegen. — Ein 
ıth von Dergen in Anklam hat einen Aufſatz, der deuts 


zeichnend die Wahl des Grafen von Schwerin PBubar 
17° 








260 


abwenden will, und denfelben jtaatögefährlicher Gefinnungen 
befehuldigt, in einem Wochenblatt abdruden laffen, das feine 
ſolche Artikel aufnehmen darf, und deßhalb auch eine Antwort 
des Grafen verweigert hat; den Auffab des Landrathes mußte 
es aufnehmen; nähme es den ded Grafen, fo verlöre es die 

Konzeffion, die ihm gegeben worden! Und das gegen einen 

Mann, der zu den treueften Anhängern ded Königs gehört 
aber freilich 1848 Minifter war. In manchen Gegenda | 
wird die Regierung die Abgeordneten gradezu ernennen, in an: 
dern mag fie große Niederlagen erleiden. Hier in Berlin if 
noch fein durchgreifender Eifer des Volks zu fehen ; die meifen 
Demofraten find noch zu fehr von Trog erfüllt. — 





Dienstag, ben 25. September 1855. 

Der Graf von Schwerin-Bubar hat in unfern Zeitunn J. 
den Auffag und das Verfahren des Landrathed von Derka. 
veröffentlicht, auch daß derfelbe ihm geftanden, die Sadı In 
recht eigentlich gegen Schwerin gerichtet. Daß die Regierum 
für ihre Zwede die Tagesblätter widergefeglich zu Angrife 
mißbraucht, und fie, falls fie die Vertheidigung aufnehmen, 
gefeglich zum Eingehen verurteilt, empört bei diejer Sadı J 
am meiſten. — | 
Woran fcheiterte eigentlich die Bewegung vom Jahr 1848? 
Am Stillftand Frankreichs, am zu großen Bertrauen der Bi 
fer, am Dünkel der Deutfchtrunfenen, an der Dreiheit der | 
tionalverfammlungen, in Franffurt, Berlin und Wien. 
Auffifche Lügen und Prahlereien; dem Volle wird am⸗ 
lich verfichert, die Truppen hätten Sebaftopol nur verlafen, 
um die Wälle mit dem eindringenden Feinde zufammen in de 
Luft zu fprengen! Der Rüdzıfg war eine wilde Flucht; de 
Zruppen, in voller Auflöfung, gehorchten nicht mehr. Dake 


261 


auch die unermepliche Kriegsbeute, die zurüdgelaffen wurde. 
Sonft waren die Sieger die Prahler, jebt find es die Belieg- 
ten! — Die Neue Preußifche Zeitung treibt es in foldhen 
Frechheiten auf's äußerfte; man follte glauben, nur Troß- 
buben fchrieben an ihr, jo gemein und fo dumm wird da ges 
ſchwatzt. — | 

Konfigzirte Blätter und Schriften, wegen Wahlartifeln. 
Die Beamten und Tohnfchreiber müffen alles aufbieten, um 
die Kandidaten des Minifteriumd durchzuſetzen. — 


Mittwoch, den 26. September 1855. 

Die Vollözeitung nimmt heute das Wahlprogramm des 
Bethmann⸗Hollweg'ſchen Wochenblattes auch für das ihrige 
an. Das meinige ift es freilich nicht; aber unter den walten- 
den Umftänden mag es genügen und gute Frucht tragen, den 
Zeitumftänden nach. — 

Mein Wahlzettel ift mir zugefandt worden, morgen früh 
um 9 Uhr ganz in meiner Nähe werden die Wahlmänner ge- 
wählt. Bon ven in Vorfchlag gebrachten jechd Kandidaten 
it mir feiner befannt. Nach der oftroyirten Dreillaffen- 
Wahlordnung wähl’ ich nicht, bin aber zufrieden, wenn andre 
8 thun, jeder hat ed mit fich abzumachen, wie weit er nach» 
giebig fein will. Bin ich es in diefem Falle zu wenig, fo bin 
ih es vielleicht in andern zu fehr. Ich rathe zum Wählen, 
fann es aber felbft nicht. Es ift eine Sache der Berechnung, 
der Klugheit, der perfönlichen Zuftändigkeit. — 

In Baiern ift eine Schrift des Fürften von Wallerftein 
und eine Zeitung, die Auszüge daraus gegeben hatte, gericht: 
li verurtheilt worden; fie betrifft das baierifche Budget. — 
Der baierifche Geh. Legationsrath Dönniged, Günftling des 
Könige, ift von der altbaierifchen fanatifchen Parthei wegge— 
biffen worden, der König hat ihn mit Penſion entlaffen müffen. — 


262 


Die Neue Oder: Zeitung in Bredlau wegen eines Wall 
artifeld polizeilich weggenommen. — Derein der Berfafungk 
treuen dort. — 

Im Weftphälifchen Kirchenblatt ftand in Bezug auf ir 
Wahlen ein „Aufruf an das katholifche Volk.“ Die Behir: 
den fonfigzirten dad Blatt. Bon Berlin aber, wo die Katie 
liken hoch ftehen, kam fogleich der Befehl, dafjelbe wieder fr | 
zugeben. — | 

Meifterftüce frecher Schamlofigfeit und Soppiftif in da 
Umlaufserlaffen des Oberpräfidenten von Kleift-Rekom un 
ded Negierungspräfidenten Peters zu Minden ; fie drohen du F 
Beamten, die „wider die Abfichten der Regierung Seiner Pr 
jeftät* ftimmen, mit Disziplinarftrafen,, erinnern fie an ibn 
Dienfteid — warum nicht das ganze Bolt an den Unterthe— 
neneid? dann dürfte es gar feine Andersftimmenden met 
geben! — und die Regierung Seiner Majeftät ift ihnen gleichbe 
deutend mit dem jeßigen zufälligen Minifterium! Hanfemam, J 
Aueröwald, Rodbertus, Camphauſen, Pfuel, waren aud ein 
die Regierung Seiner Majeftät!. Kleift-Nekom erlaubt im 
Beamten allenfalls ſich zu enthalten, erwartet aber aud I 
nicht von ihnen! — | 

Gegen Abend Beſuch von Herrn von Sivers, der eben ad 
Liefland angelommen! Freudige Ueberraſchung! Er reifteigen 
lich nur dur, nach Stuttgart, hofft auf der Rückkehr ein 
Tage hier zu verweilen. — 

In Neapel Veränderung des Minifteriumd und des Ober 
ichergen der Polizei, wegen der Drobungen Frankreicht un ' 
Englande. Was hilft's? Den meineidigen, volksmoͤrderiſhen 
König müßte man entfernen. Vielleicht geſchieht's noch! de 
Nachkommen Murat’3 drohen ihm ſtark. — (Die Veränderung 
ift nicht einmal eine politifhe!) — 

In Stodholm, Upfala, Gotbenburg Freude über den Sieg 
der Weftmächte; in Turin deßgleichen. — 





263 


Donnerstag, den 27. September 1855. 

e Wahl der Wahlmänner meines Urwahlbezirks hat 
rüh um 9 Uhr hier bei Gundelach, ein paar Häufer von 
tattgefunden ; ich war doch einen Augenblid verfucht, 
ie Abneigung fiegte! ich hätte mich zu ſehr geichämt, 
Stimme einem mir unfichern Schriftführer in die Feder 
tiren; nicht einmal felbft einfchreiben darf man den 
ı! Und dann die drei Klaffen! Sch habe einen gründ- 
Widerwillen gegen dad Trug und Pfuſchweſen, denn 
ne erbärmliche Pfufcherei bleibt ed! Der Durft hätte 
oth auch mit Pfügenwafler ſich abgefunden; aber nach 
inen Quellwaffer von 1848, — unmöglih! — 
ie heutigen Urwahlen find überall ruhig vorgegangen, 
eift auf die in den Borverfammlungen auderjehenen, in 
Fällen von den Leitern (Stadtverordneten, Bezirfövor- 
ı 20.) angegebenen, oft gradezu oftroyirten Kandidaten 
n. Bon einem Siege der Demokratie kann bier feine 
ein; fie ift bier noch zu ſtark, um fi) auf den befchränf: 
„den einzulaffen, den zu betreten ſchon eine Nachgiebig: 

In den meiften Wahlbezirken ift faum die Hälfte, in 
nur etwa ein Drittheil der Wahlberechtigten erfchienen. 
egierung mag im Augenblide deßhalb frob fein, aber 
: Folge mag fie nur um jo mehr befürchten. Ein gro- 
jeil derer, die jept nicht wählen, wollen und erftreben 
andres, ald einen Wahlfieg, den die Minifter durch Auf- 
des Haufes der Abgeordneten oder durch ein neues 
cliches Wahlgeſetz doch wieder vernichten können. — 
n Horatius gelefen, in Goethe, in Bulwer's My novel; 
3 ift ein fchlechted mit gemeinen Reizmitteln ausgeſtat⸗ 
Machwerk, in welchem ein nicht geringes Talent fein 
ıbegängniß begeht. — 
panien fchließt fich den Weſtmächten an, und ftellt ihnen 
en zum Kriege gegen Rußland zur Berfügung. ‘Der 


N 


264 


Krieg gewinnt neue Kräfte, doch immer nicht den rechten 9 
den. Bon Polen ift wieder alles ftill. — 

Immer mehr Prediger thun fi zufammen, und erklären, 
die Trauung Geſchiedener fernerhin zu verfagen. Diele 
offne Hohnfprechen den Gefehen, anftatt von den Behörden 
ald Empörung beftraft zu werden, wird von den Konfiftorie 
öffentlich belobt! Die Pfaffen ahnden nicht, daß fie dam 
nur das Berlangen nach Zivilehe jtärlen. — 

„The life and times of Oliver Goldsmith. By J. For- 
ster. London, 1855. Sehr lefenswertb. Wir fehen de | 
Noth und Duälereien des Schriftftellered — und welches aus 
gezeichneten! — nicht nur hier und heute, fondern aud n 
älterer Zeit und im fremden Rand! — 


Freitag, den 28. September 1855. 

Bolkäzeitung und Nationalzeitung geben vorläufige % 
richte über den Ausfall der hiefigen Wahlen, übereinftimmen 
mit dem, was ich fchon geftern darüber gehört; wenig Gilt, 
ſchwache Betheiligung. — 

Humboldt hat fih zum Wählen in feinem Urmahlbeit 
eingefunden. Man reichte ihm beim Eintritt eine von M 
Kreuzzeitungsparthei vorbereitete gedrudte Sandidatenlikt 
Gr wied fie mit den Worten zurüd: „Ich reflektire wit 
darauf.“ 

Ich kann die trübe Stimmung nicht bewältigen. De | 
Hinſchwinden alles defien, was mir lieb und vertraut ift, grali 
mir felber an’d Reben. Der Menſch ift fehr zufammengeiekt, 
wird ihm das, was er fich angeeignet, entzogen, fo fühlt rüä 
verftümmelt, vermindert in feinem Weſen. Der Yeiiy wm 
Geifte genügt nicht, er ift oft mehr, ald der des leibhaft Wid⸗ 
lichen, aber nicht derfelbe. Seltfam, man möchte die früher 






265 


jeiten unter ihren damaligen Bedingniffen nicht zurüd- 
hen, nicht auf's neue durchleben, und ift doch untröftlich, 
ht mehr zu haben, fie immer weiter zurückweichen zu 

Wie nöthig, wie hülfreich ift das eigne Sterben, 
ein Segen der Tod! Eine weisliche Einrichtung! — 


Sonnabend, den 29. September 1855. 
Yer ehemalige Unterfuhungsrichter beim Stadtgeriht 
Schlötke, welcher auf ausdrüdlichen Befehl des Königs 
yülfsarbeiter zum Kammergericht verfeßt worden, fühlt 
urch diefe Ungnade fehr unglücklich. Der Juſtizminiſter 
nd hat ihn fchon zweimal dem Könige zum Kammer: 
törath vorgefchlagen, aber der König will nicht? davon , 
. Schlötke hat im Waldel’fchen Prozeß eine häßliche 
: gefpielt ; er wird jeßt dafür von der Seite her geftraft, 
e dienftbefliffen fein wollte. Das ift dierrechte Nemefis! — 


Montag, den 1. Oltober 1855. 
leber den Konftabler-Oberft Patzke wird mir heute noch 
endes erzählt. Als Wahlmann trat er in der Verſamm⸗ 
der Wahlmänner trogig auf, und hielt eine Rede, worin 
zte, er erwarte von der Berfammlung, daß fie nur an⸗ 
nte und bewährte Freunde der Regierung zu Abgeordneten 
en würde, Männer, wie 3.8. Herrn von Hindeldey ; würde 
änner andrer Farbe wählen, fo wäre das ein Zeichen fchlech- 
efinnung. Es entftand ein ſolches Scharren und Pochen 
Heſchrei, daß Patzke in Verwirrung abtreten mußte, und 
ire mißhandelt und hinausgeworfen worden, wenn nicht 
freiögerichtödireftor Odebrecht fich feiner angenommen 





266 
und für ihn um Verzeihung gebeten hätte, er habe fid über: 
eilt ꝛzc. So viel Muth und Eifer ift doch nody vorhanden! 

Andre Wahlgefchichten find im Umlauf, welche die elende 
ften Verfuche der Behörden zeigen, die Wähler einzufhüd- 
tern, zu leiten, zu verloden ; die meiften dieſer Verfuce fin? 
auf die Mäglichfte Weiſe gefcheitert, einige freilich auch gelun 
gen. Man follte faum glauben, daß foviel Nichtöwürdigket 
in diefen Kreifen walten könnte. — 

Der König von Würtemberg, der nody vor einigen Jahin 
dem Könige von Preußen beleidigend Hohn ſprach, hat nun 
dieſem auf Stolzenfels die Aufwartung gemacht, und it ven 
ihm, da grade fein 7Ajter Geburtstag eintrat, auf's fhme 
chelhaftefte beglüdwünfcht worden. Er war außer fib mt 
Rührung. Früher erflärte er aus Haß gegen Preupen im 
Kaifer von Defterreich ale den Herrn, zu dem er halte! Geht 
es in den höchften Ständen gerade ſo wie in den niedrigſen 
zu? 2? — 

In Koblenz Verlobung der Tochter des Prinzen von Pre 
Ben mit dem Prinz-Regenten von Baden, Enkel des Fräulein 
Geyer von Geyersberg. Mißheirathen hat Preußen nie ge 
heut. — 


Dienstag, den 2. Oktober 1855. 

Neue Bekanntmachung ded Grafen von Schwerin: Puh 
über einen zweiten Erlaß des Landrathe von Dergen zu iv 
flam, der den Predigern feined Kreifed nun den Grafen ur 
mentlich als einen folchen bezeichnet hatte, den man nicht wäh 
len dürfe, obfchon derfelbe ald Landrath die Herzen aller Ein 
gefeffenen gewonnen habe! Das Treiben der reaktionairen Br 
hörden erſcheint in feiner jämmerlihen Scheußlichkeit! — & 
war die Rede davon, alle die Blätter, in welchen der Grd 





267 


icht, mit Beichlag zu belegen, bis jept ift jedoch die aus» 
eichnete Dummheit noch unterblieben. — 

Abends Beſuch vom Prediger und Profeffor Blanc aus 
fe. Er war um feinem fünfzigjährigen Predigerjubiläum 
zzuweichen hiehergefommen. Gr ift freifinnig und wahr: 
töliebend, wie ich ihn von jeher gefannt ; er haft die Mucker, 
Kreugzeitungdleute, die Heuchler und Phantaften. — 

Trauernachricht im Abendblatte der Nationalzeitung, daß 
en Mitredakteur Friedrich Paalzom am 29. September in 
rau an einem gaftrifchenernöfen Fieber geftorben ift! Er 
r ein fehr guter Kopf und ein redlicher guter Menſch. — 

In Ring gelefen. In „Ludwig Tieck, Erinnerungen aus 
n Leben ded Dichterd x. Bon Rudolph Köpfe.” wet 
inde. Wie ungerecht Tieck über Heine fpricht! Bon Nach⸗ 
ingen Goethe’fcher Lieder foll Heine das Befte haben, was 
feinen Dichtungen ald neu gilt. Das möchte ſchwer zu bes 
fen fein. Tied hätte eher fagen fönnen, von ihm habe 
ine vieles; aber dazu mocht’ er ſich wohl nicht verftehen, 
nn da wäre gleich zu erkennen gemefen, daß bei Heine eine 
itte Ader geworden, was bei Tied ein Nederchen geblieben. 
enn aber Tieck und feine freunde fich über die fchonungs- 
je Frechheit beflagen, mit der Heine lebende Perſonen miß- 
ndelt, fo ftebt da8 dem Berfaffer und den Bewunderern des 
Riefelten Kater und des Zerbino fchlecht an. — 

‚Geſchichte der preußifchen Politik. Bon Joh. Guſt. 
royſen. Erſter Theil. Die Gründung. Berlin, Veit, 
55." Ein ftarler Band von 650 Seiten. Fängt vom 
ittelalter an und gebt bi8 zum Jahr 1440, das Werk ift 
mnach auf viele Bände angelegt, auf allzuviele für meine 
eduld. Wie alles was Droyfen liefert ift auch died Bud 
t großer Kenntniß und höherem Geift gefchrieben, aber der 
off ift für feinen geringen Gehalt doch gar zu fehwer, und 
e ſchmeichelnde Kunft und Gewandtheit fann ihn nicht be= 


268 


flügeln! Ganz unbefangen und abſichtslos ift Droyſen einmil 
nicht, er huldigt gangbaren Meinungen und Anfichten, ea 
weil fie gangbar find. Hätte er wenigſtens von hinten anır 
fangen, und die heutige Politik zuerſt gefchildert, da würd | 
vielleicht das Buch zu leſen im Stande fein! Vielleicht ui Ei 
nit. — i 

Ueber Goethe's Eugenia ift Tieck auch ganz befangen w 
blind. Er fieht nur die reine klare Form, und nicht den gr 
waltigen, leidenfchaftlihen Gehalt. Man fpricht von Bır 
morfälte, warum nicht von Marmorglanz, von Marmoridir 
heit? Ich habe das Trauerfpiel zweimal aufführen fehen, u 
Berlin und in Lauchftädt, beidemal brachte es die ftärkfte Bir 
fung hervor, nicht nur auf mich, in Berlin auch auf Ficht, P 
Frau von Boye zc., in Rauchftädt auf und hallifche Studenten, 
auf Achim von Arnim. Gewiffe Vorurtheile, auf falſche Me 
nungen und beiher auch auf fchlechte Antriebe gegründet, W 
ben fich durch folche Autoritäten, wie Tieck's, unter cn 
Menge von Nachſprechern feitgefeßt, — zu diefen gehörte uud P 
Steffend —, und nur einem langen Zeitverlaufe gelingt di 
dies Unkraut auszurotten. — Wie dumm und einfeitig un 
quer wird nicht über den zweiten Theil ded Kauft geurtkeil: P 
Freilich ift er nicht der erfte! — 


Mittwoch, den 3. Oftober 1855. 

Ich erhalte ruſſiſche Nachrichten mitgetheilt, die den Ju 
ftand des innern Rußlands fehr bedenflich jchiltern. J 
Moskau benupt die dem Kaifer feindliche Parthei die traum 
gen Kriegsgeſchicke, um die ganze Regierung anzuflagen; mat 
wagt nicht Frieden zu verlangen, aber man fordert beſen 
Führung der Dinge. Dan fagt, der Kaiſer fei nah dem 
Süden abgereift, weniger um der Kriegdanftalten willen, aß | 








269 


ielmehr um gewiflen Spannungen und Ränfen, die fih um 
m ber zufammenziehen, auf einige Zeit auszuweichen. Seit 
m Tode ded Tyrannen Nikolaus, wie er genannt wird, ift 
8 freie Wort wieder rege geworden und man fpricht in Mos⸗ 
u, wie aud in den höheren Kreifen zu St. Peteröburg, freier 
3 jetzt in Paris. So weit die Nachrichten. Aber dag man 
Paris nicht frei ſpräche, iſt ein Itrthum. Das mündliche 
»ſpräch erfeßt reichlich den Zwang, der auf der Prefle liegt. 
- Daffelbe in Berlin! — 

Immer neue Wahlumtriebe und Einſchüchterungsverſuche 
mmen an den Tag, und werden in den Wahlverfammlungen 
eügt. Blätter werden mit Befchlag belegt, Schriften ver; 
ten. Die Frechheit der Einwirkungen wird nur von der 
mmerlichen Sophiftit überboten, mit der jene ausgeübt wer⸗ 
n, man erlaubt fich die fchamlofeften Unterfchiebungen, Ver: 
ebungen, nennt den König, wo man feine fchlechten Räthe, 
e ihn felbft am meiſten befchädigen, nennen follte ꝛc. Die 
nze Ruchloſigkeit der Junkerparthei tritt frech hervor. — 

Herder auf dem Kranfenlager, dem lebten, bat Gott um 
ıen großen, erquidenden Gedanken. Das möchte man alle 
tge von Gott erbitten. Aber die alten find ftumpf gewor⸗ 
n, und neue giebt ed nicht. Große, befruchtende Gedanken 
id in Deutfchland für den Nugenblid verfiegt, ed werden 
ine erzeugt, weniaftens mir fommen feine zu; und id muß 
glich mit den alten mich herumzerren, herumfchlagen! — 


- Donnerstag, ven 4. Oftober 1856. 
Der Prediger Jonas, Schwager des Grafen von Schwe- 
, hat geftern in der Wahlverfammlung eine lange, fühne 
d eindringliche Rede gehalten, die von allen Seiten ftürmifch 





270 


beflatfcht wurde, den anwesenden Minifter des Innern (Ber | 
phalen) aber ganz verblüffte. — 

In den Bierhäufern darf die Boltözeitung nicht gebalta 
werden ; es befteht fein unmittelbared Verbot, aber Pole 
leute fommen und ſehen nad), und wenn fie die Volközeitn 
finden, ftellen fie dem Wirth in aller Stille vor, dap [m 
Gewerbserlaubnig in Gefahr fei, wenn er das Blatt fer 
halte! — 

Den „ Wohnungdanzeiger“ hat die Polizei dem Buchdin 
lex Dr, Veit nun wirklich entriffen. Als er einfah, dup ir 
ckeldey das Geſchäft durchaus haben wolle, trat er von der 
folglofen Behauptung ohne weitern Kampf zurüd. Mr 
Leute nennen das „einem fein Brot nehmen“, und dad gl Jo 
als gehäffigfter Vorwurf. — 

Herr von Weftphalen erflärt, wenn von Behörden Ball 
umtriebe geichehen feien, fo habe er davon nichts gewußt, nd ii 
weniger fie befohlen. Aber feine Erlaffe ftrafen ihn Ligm P 
Nach der Rede von Jonas hat er ausdrüdlich darauf verit 
tet, in Diefem Wahlbezirk gewählt zu werden. Er fell mt 
ein begoffener Hund als Jammergeſtalt dageftanden hal 
So geht's, übermüthig und frevlerifh am Miniſtertiſch, M 
und ohnmächtig vor der Deffentlichleit! — 

Biele Demokraten, das beftätigt ſich von allen Orten kt fi 
haben aus Trog nicht mitgewählt, andre, als rothe bean 
find ſolche Peffimiften, daß fie zwar mitgewählt, aber iſt 
Stimmen für Gerlah, Wagener, Goedfche ꝛc. abgegei 
haben. — 

Welch ein großartiges Bild entwirft Frau von Duden 
von ihrem Freunde Michel de Bourges! Sie fehildert ihn # 
einen Begeifterten, der mit Dante’fher Einbildungatil 
furchtbare Prophetenworte fpricht; aber auch fie felbit iR rim 
Begeifterte, indem fie mit dichterifher Macht ihn vor unftt 
Augen ftellt. Die nächtlichen Auftritte und Wanderung, 







271 


fie mit ihm und andern Freunden in Parid hat, find er- 
bne Zaubergemählde, in denen die ganze Zukunft fi ab- 
iegelt. a, dieſe Zerftörung ded Alten wird fommen, ich 
ye fie ſchon in allem, aber nicht bloß in gewaltfamen Aus» 
üchen, fondern auch in ftiller Verweſung, die ſchon im vollen 
ange ift. Es iſt fchredlich, für einen fo erhaltenden Sinn 
e der meine, daß dafjelbe, was mein Gram ift, zugleich 
ine Hoffnung fein muß! — 


Freitag, ben 5. Oltober 1855. 

Abends bringen die Zeitungen die Rede ded Könige in 
In, worin manched Auffallende. Zum Lobe Köln’s wird 
agt: „Auch, die Krone fehlt nicht, ohne die jede große Stadt 
. Unding, oder eine Gefahr wird.” Armes Hamburg, Bres 
n, Sranffurt, New⸗York! Aber Paris und London und 
ien und Neapel, wie Trongefegnet! — Die Kreugzeitung 
ist ihr Gift auf eine Rede des englifchen Gefandten Mallet 
ı Bundestage, gehalten zu Hamburg bei einem Gaftmahle 
: eier des Sieges der Weftmächte in der Krim; der Ge- 
idte hat die Politif Preußens getadelt, in Worten, die, 
nn die angeführten richtig find, gar nicht fo fchlimm lauten, 
rer die Kreuzzeitung möchte daraus ein maßloſes, ein uner- 
tted Berbrechen machen, der Gefandte foll nicht auf feinem 
Yiten bleiben können ıc. — 

Auch Herr von Hindeldey hat jept erflären laflen, eine 
ah! zum Abgeordneten nicht annehmen zu können, wegen 
iner Amtögefchäfte. — 

Die Times wüthen immerfort gegen Preußen, und wider: 
eiten heftig der beabfichtigten Heirath des Sohnes des Prin- 
ı von Preußen mit einer englifchen Prinzeffin. Der Prinz 
jegt grade in England, wie es heißt um zu werben. Der 
nig, von.der Kreuzzeitungdparthei geleitet, war in der letz⸗ 


272 


ten Zeit diefer Werbung abgeneigt, allein die Prinzeffin ven 
Preußen foll die Sache mit Kraft durchgefept, den König mt 
ſcharfen Worten an fein früher gegebened® Wort gemahnt he 
ben. — Die Junkerparthei thut was fie fann um zwiide 
Preußen und England feindlihe Spannung hervorzunfa 
Daher auch das Heben wegen der Rede Mallet's, die fi 
wenig erheblich fein würde. — | 

Herr von Reumont, der Jeſuit, ift am Rhein wieder mi | 
dem Könige zufammengefommen,, und von ihm zum Kammer: 
herrn gemacht worden, eine Auszeichnung, welche — grak 
diefe — befonderd auffällt und die entjchiedenfte Gunft ie 
zeugt. — 





Sonnabend, den 6. Oktober 1855. 

Die Nationalzeitung bringt einen ausführlichen, trefflihen J 
Nachruf über den Karafter und die Thätigkeit Friedrich Pad J 
zow's. — Benehmen des Landraths Dodillet in Inſterbutz J' 
würdig des Landraths von Oertzen in Anklam, ibn ſogar uhr J 
treffend! Die Nationalzeitung liefert die gewechſelten Schritt: 
ftüde. Die Herren von Sauden-ulienfelde und Bram 
Ernſtberg als Feinde der Regierung bezeichnet! Das Tehrbaft 
Schreiben des Landraths ift ein fehredtendes Beifpiel pedantı 
[her Plumpheit und Verdrehung. Wie jämmerlih fam 
jelbit die Macht erfcheinen, denn die ift unläugbar ver 
handen! — 

In George Sand gelefen. Die gemeine franzöfiſche Lde 
welt macht nicht? aus dem herrlichen Buche, fe findet nut! 
vanite et comme&rage darin! In ſolcher Leſewelt offenbart 
fih nur stupidite et insolence. Gefindel will über die heit | 
Frau urtheilen! — Ging ed Goethe’n bei uns beffer? Sen 
herrliches Werk „ Dichtung und Wahrheit” fanden die Lade ! 
— ja wohl die Leute! — langweilig und gehaltlos! Did 


273 


Leuten muß man Heu und Wafler geben und allenfalls 
Difteln. — | 

Ein Pfarrer in Kochem an der Mofel bot dem König 
auf der Durchreife ein Glas Wein, und fagte dabei: „Nein 
wie diefer Wein, ift die Gefinnung meine? Orte.” Der König 
erhob das Glas und fagte lachend: „Doc nicht 48er?“ — 
Man findet diefen launigen Einfall des Königs fehr unpaffend 
und anftößig ; ihm fomme es nicht zu über die Ereigniffe jenes 
Jahres zu fcherzen, in welchem er die größte Demüthigung er: 
litten und fo viele Berheißungen gemacht, von denen er feine 
erfüllt hat. — Ä 


Sonntag, den 7. Oftober 1855. 

Die Times erklären fich heftig gegen eine Heirath zwiſchen 
Preußen und England. Wie kann eine englifche Prinzeffin 
mit Ehren die Gattin eined Prinzen fein, der vielleicht mor⸗ 
gen ein ruffifcher Lieutenant ift, die Anverwandte eines Koͤ⸗ 
nigs, der von feinem Volke gehaßt und verachtet auf beftem 
Wege ift gleich den Bourbond feinen Thron zu verlieren ? 
Das Blatt ift hier ftreng unterdrüdt, aber die Kreuzzeitungs- 
leute forgen dafür, daß ed dem König vor Augen fommt. Sie 
haſſen England mehr ald Frankreich. 

In Pariſer Blättern hatte Lamartine bei Gelegenheit der 
Ermordung Cäſar's gejagt, der Meuchelmord fei der Staatd- 
ſtreich des Volkes gegen die Fürſten. Man wollte ihn dafür 
vor Gericht ziehen, Louis Bonaparte jedoch hat es verhin- 
dert. — 

Der Minifter von Raumer ordnet für die eier des Ge⸗ 
burtstages des Königs im ganzen Lande Kirchen: und Schul- 
Feierlichkeiten an. Diefer Kultus nimmt mit jedem “jahre 

zu. Der König felbit und feine Behörden thun dazu. Aber 


Barnhagen von Enfe, Tagebüder. XII. 18 


274 


der Minifter von Raumer! Wie er den König liebt und ehrt | 
hat er in Köln 1848 gezeigt! — 

In Münden fiegt ganz und gar die altbaierifche und I 
tholifche Parthei. Der ſchwache König wollte ald Kronprin, 
den Sefuiten den Garaus machen; jegt ift er ganz im iher 
Zucht. Dagegen hat das monardhifche Prinzip nichts eine 
wenden, das ift fein eigenftes ſelbſt. Jeſuiten oder Junkn, 
oder auch Jefuiten und Junker! Die Könige find ohnmid: | 
tige Spielwerfe in den Händen derer, die fich ihre freund, 
ihre Anhänger nennen. — | 

Mas in Dänemark vorgeht, was in Schleswig-Holftin 
gefchieht, ich mag mich um diefe erbärmlichen Geſchichten nicht 
im Einzelnen befümmern. Verfaultes Königthum, vereitelt J 
Bolt! — 

Gerede, Louis Bonaparte habe mit dem Könige am Rhein | 
eine Zufammenfunft haben wollen, der König aber fie abge⸗ 
lehnt. Darüber wird viel glofjirt, fpöttifh und gehäſſig 
Man erinnert an frühere Vorgänge, an Olmüg ꝛc. Louis 
Bonaparte, heißt es, läßt nicht mit fich fpaßen, wenn der wat 
ernftlih will. Das hören Preußen ruhig mit an, das fügen 
Preußen, erbittert über die Rolle, die fie den Staat jpieler 
ſehen! — Ä 


— — — — — — 


Montag, den 8. Oftober 1855. 

Mir hat von Rußland geträumt; dad weite Neich wur 
aufgefchloffen, der Freiheit, dem Verkehr, alles wimmelte von 
freudiger Ihätigkeit, die Tyrannei war im Großen wie m. 
Kleinen abgefchafft, alle Furcht war verſchwunden, alle frühe . 
ren Berhältniffe wichen dem neuen Leben. Ein Traum, dan 
aber der Wille Eined Menfchen erfüllen fönnte, — 

Große Freude in der Stadt; von ihren neun Mbgeordne- 
ten find fieben freifinnig ; Graf von Schwerin dreimal, Raten _ 








275 


Kühne jeder zweimal gewählt. Die Kreuzzeitungspar- 
bat nur Eine Wahl durchgefeßt. In Magdeburg Bun- 
gewählt, wahrfcheinlich weil er in legterer Zeit für Ge: 
endfreiheit aufgetreten ift; ob er Stich und Farbe halten 
d, fteht noch dahin. — 

Bon allen Seiten wird berichtet und verabjcheut, daß die 
gierung bei den diedmaligen Wahlen im ganzen Lande auf 
gewaltjamfte und fchändlichfte gewühlt, die niedrigften 
ttel aufgeboten hat, und Doch, fo viel fich jegt überjehen 
t, mit geringftem Erfolg. — 

Ruſſiſche Verluſte und ruffifche Rüftungen ; dabei doch ge: 
ne Berfuche zur Friedendvermittlung durch Preußen und 
terreih; die amtlichen Berneinungen find falſch, und ſtützen 
höchſtens auf den Umftand, dag dergleichen Berfuche nicht 
n in aller Form gemacht werden, fondern in vertraulichen 
deutungen, die nachher nichtö gewefen fein ſollen. Louis 
naparte hat die preußifchen Taſtungen ald unberufene 
löd abweifen laffen. Die Schmach hat man. — 

Eine merkwürdige Erjcheinung in unter Ritteratur war 
ı Ausgang des achtzehnten Jahrhunderts die allgemein im 
fe verbreitete Leſewuth und die derfelben dargebotene Nah⸗ 
ig. Ich weiß in feinem andern Volk etwas Aehnliches. 
tes nicht erlebt hat, kann faum eine Vorftellung davon 
en. Auch jest lieſt das Bolt viel und allerlei, aber mit 
t Zeit ift das in feine Vergleichung zu ftellen. Dienft- 
n, Handwerker, Höfer, Lehrburfchen alles las mit Heiß⸗ 
ger, und in der Regel die Herrfchaften und Bildungsſüch⸗ 
a ebenfo; alled begnügte fich mit der rohften Koft; Karl 
tlob Cramer, Spieß, Albreht, Schlenkert, Kopebue, wa- 
die Lieblingdfchriftiteller, Veit, Weber (Wächter) und 
intaine befriedigten außer den gemeinften Zefern auch fchon 
13 feinere. Aus diefer Leferei ift viel in dad Volk über- 


ngen, Borftellungen, Ausdrüde, Antriebe, mehr ald man 
18° 





276 









glaubt. Das Volf hatte damals wenig zu thun, tährend in 
Frankreich täglich die größten Dinge vorgingen; jene Schrift: 
fteller waren ihm litterarifhe Demagogen, und als jnlk 
feine jchlechten Talente. Es wäre der Mühe wertb, m 
Darftellung ihrer Perſonen, Verhältniffe und Wirkfamfetu J 
verfuchen. — I 

Die Gottjched’fche Zeit, in welcher auch dag Mittelming 
"und Geringite, die verwäfferte Nachahmung und dürftige An: J 
reftheit fich zur Herrfchaft erhoben hatten und diefe unglur Wi 
lich behaupteten, erſtreckte ihre Wirkung nicht auf das eigen J 
liche Volk, für welches fie zu matt und leer war, fondem uf 
die Gelehrten und Gebildeten, das heißt auf die zahlınd WR 
Klaffe der Pedanten und Weltleute, die fein und zierihu J 
wollten. Wir begreifen jept faum noch, daß fo wenig Am fr 
und Geift damals in den Leuten war. Doch lebten jün if: 
Windelmann, Leſſing, Möfer, Goethe, und felbjt Geller mi 
als glänzende Ausnahme gerechnet werden. — 

Unfre Litteraturgefchichte ift nicht fo Leicht und kurz ıb 
gethan; fie ift ein verwidelter ſchwieriger Stoff, wie mit 
deutſche Reichsgeſchichte; die rechten Gefichtöpunfte merkt 
erft in der Folge gefunden werden. — 


Dienstag, ben 9. Oktober 185. . 
Der Ausfall der Wahlen im ganzen Lande, fo weit läge 
ſchon überfehen läßt, feheint noch immer das Uebergewicht Wi 
Minifteriums zu fihern, wenn auch die freifinnige Oppoſiin 
verftärft worden. Landräthe, Nittergutsbefiger, Anehtik 
gefinnte oder Doch Knechte in großer Zahl. Folge des nihlk 
würdigen, unfinnigen, aber den Miniftern dienenden Dib 
klaſſen⸗Wahlgeſetzes. Freilich war die Volksbetheiligung Id 
den Wahlen gering. Aber auch das ift Folge des oftronirten 
Willfürgefebed. — | 


277 


er. Reumont's Kammerherrnwürde ift der hiefige Hof- 
wahrer Wuth; es fei feine Ehre mehr, den Schlüffel 
, wenn manihn mit folhem —, Parvenü, Sefuiten zu- 
haben folle; man fragt, ob feine Schweftern noch den 
n in Aachen haben u. f. w. Eine wahre Empö— 


en Alcherfon, den Philologen, von der Philologenver- 
19 aus Hamburg zurückgekehrt, bei Ludmilla'n gefehen. 
jehr zufrieden mit allem was ihm dort begegnet ‚und 
jefeben. Helgoland, Gaftfreiheit ꝛc. 

Goethe geleſen, — den herrlichen Auffaß über Krum⸗ 
; Predigten, im Horatius, in Tieck's Leben. — 

Jeſuit aus Paderborn audgewiefen. Wie hat das 
ı Eönnen ? Vielleicht Mißgriff einer Unterbehörde, den 
cbehörde wieder gut macht! Oder bat der Mann bei 
hlen ſich fchlecht benommen? Fa dann wird er fein 
zu büßen haben! — 

wig Tied hat dem Herrn Köpfe forgfältig immer an- 
wenn er irgend einen Gedanken gehabt, den Andre 
yet, ein Urtheil audgefprochen, das Andre fich ange- 
yefonders aber wenn er Andern ganze oder halbe Ar⸗ 
berlaffen und ihnen erlaubt hat feine Autorfchaft zu 
n zu machen. Hiebei kommt vor allen der arme 
di übel weg, bald foll Ziel, bald Tieck's Schweiter 
haben, was unter Bernhardi's Namen geht. Hier 
ch erſt genau zu prüfen, ob Tied’d Erinnerung immer 
ar, ob er nicht in manchen Fällen ſich geirrt, oder 
oke die Sachen irrig aufgefaßt hat. Was Bernhardi 
rüberen Zeiten mitgetheilt, ftimmt oft gar nicht mit 
ngaben, und ich habe Bernhardi'n nie unwahr oder 
ch gefunden. Gewiß ift, daß die Freunde und Schwä- 
8 gemeinfam getrieben, erdacht und ausgeführt haben, 
es oft ſchwer fein mag, jedem fein Theil genau zuzu- 





278 


Schreiben, Nicht immer ift auch der, welcher grade die par 
geführt, det wahre Autor. — — 





Mittwoch, den 10. Oktober 1855. 

Die Nationalzeitung bringt feit kurzem einige Auffs* 
über Häuffer’3 deutfche Gefchichte, recht brav und gutgemet! 
aber wie der Autor felbit, den fie befprechen, einen St 
punkt nehmend, der für jene Zeit nicht gelten Tann. 1 
deutfehe Gefinnung, wie fie heute verlangt wird, gab es 3 
mals nicht, und konnte es nicht geben, fie mochte mit alı 
Zeiten fpielen wie Klopftod that, oder in den Lüften [ce 
ben, ein Boden wo fte hätte fußen können, war nicht zu fi 
den. Und was kann denn heute gute deutfche Gefinnen 
thun, ald etwa mit hohlen Worten um fich werfen, oder. re 
Iutionaire Wünfche hegen? Damals jauchzte gute deutfhe © 
finnung über den Fall der Baftille, heute über den von Seht 
ftopol ; wo ift da der Unterfchied? Außer daß der erftere Jul 
doch noch beffer war, ald der lebte. — 

Auswärtige Blätter fprechen rückſichtslos über dad %: 
nehmen der preußifchen Regierung bei den Wahlen und nm 
nen es eine ſchamloſe Wühlerei. Die Ausfchreiben der Land 
räthe, Kleiſt-Retzow's 2c. werden ald Beleg angeführt un 
nachdrücklich abgefertigt. — 

Der Polizeidirektor Dam in Paderborn — in Folge d 
Aergerniffed mit dem Jockeyklub hier im Hotel du Nor e 
dorthin verfeßt — ift ſchon wieder abgerufen. Er batte fatt 
tifche Flugfchriften in Befchlag genommen, der Minifter ! 
Innern hat das ſehr mipbilligt und die Schriften wie 
freigegeben, Der arme Dam zeigt einen ungefchidten Dier 
eifer. „Gehört zur Polizei, und weiß nicht, daß Junter ı 
Katholiten im heutigen Preußen nicht Unrecht haben fönr 
er denkt wohl, er hat immer Demokraten vor ſich?“ — 


279 


Bei Gelegenheit von Tieck's Leben, wie ed Herr Köpfe ge: 
rieben hat, bietet fi mir ganz paſſend folgender Ausspruch 
ohannes von Müller’3 dar: „Es ift fchädlicher, als man 
aubt, dag in dem Leben berühmter Männer fo manches ver: 
bit wird ; wie fann die Gefchichte eine Schule der Menfchen- 
nntniß werden, wenn fie den Menſchen nicht zeigen darf, 
ie er iſt?“ — 

Die Verleihung des ſchwarzen Adlerordend an den Hardi- 
I Erzbifchof von Köln Johannes von Geiffel hat hier viel- 
ches Mißfallen erregt. Diefes höchfte Ehrenzeichen Preu- 
ns haben am Hofe nur zwei Perfonen, im Heer nur Wran- 
L, in der Verwaltung niemand. (Kein Minifter.) — Aber 
e Katholiken ftehen in Gunſt. 5 

Der König hat dem Herm Minie in Paris, dem Erfinder 
r nach ihm genannten Gewehre, die große goldne Friedriche- 
nemünze und die Werke Friedrich des Großen zugefchidt. — 

Das Leben Tieck's Tieft fih ganz angenehm und ift gut ge- 
hrieben, in maßvoller Haltung, was mit einiger Schwädh- 
hfeit — wie in dem Buch der Frau von Wolzogen über 
ſchiller — ſich recht wohl verträgt. Es ift ein Werk. der 
ietät, und ale folches zu loben. Der PVerfaffer hat auch 
hl von dem, was er verfchweigt, nicht viel gewußt. — 


Donnerstag, den 11. Oktober 1855. 

Ras hab’ ich heute hier von der großen Stadt? Es geht 
rchaus nichts vor. Nicht am Hofe, nicht in der Gefellfchaft, 
ı wenigften in der Deffentlichfeit, doch find die elenden Thea- 

gefüllt, und die Wirthshäuſer, glänzende und ſchmutzige, 

aud nichts vorgeht. — 

Ich leſe immer noch in Tieck's Leben, dad mir viel zu den- 
‚ zu erwägen giebt. Bon Tied’d ökonomiſcher Lage ift nie 





280 

die Nede, und doch ift diefe in feinem ganzen Weſen ven gröj⸗ 
ter Wichtigkeit; . wenn er nicht geworden ift, was er feinem 
Genius nach werden fonnte, fo find daran vorzüglid je 
Dinge fchuld, feine von Anfang und immerfort — bie auf di 
legten Jahre — zerrüttete Wirthfchaft, und das Lafter jeim | 
Vorleſens, denn ein Lafter war ed, wie Das Weintrinken i 
Wirthshaus, oder das tödtende Kartenfpiel. Wie er fen 
Freunde mißbraucht hat, befonderd Wackenroder, dann Burs 
dorf, auch Rumohr, darüber wurden die bitterften lagen ge: 
führt. Wilhelm von Schlegel machte eine Gloffe darauf, m 
Spottgediht, dad mir einmal mitgetheilt wurde. Sei 
Schuldverhältniffe waren ebenfalld ſehr widermwärtig un 
hemmten ihn. Seine „ Eevennen* hat er bloß deshalb wit 
vollendet, weil Reimer ihm das Honorar früh voraudbezahlt 
hatte, und Tied nun lieber etwas fchrieb, wofür er friſche! 
Honorar befam. Diefe Mipverhältniffe griffen tief ein. Yon 
feinen Weibergefchichten, frühern und fpätern, fehmeigt dt 
Biographie ganz; manche waren allerdings ſchwierig dar: 
ftellen, 3. B. die Liebichaft mit feiner Schwägerin Marie I 
berti, die nachher ald Büßerin fatholifch wurde, nachdem Tied, 
um fie los zu werden, an Bernhardi fie gleichfam abgetreten 
hatte. Bon der Schweiter, Sophie Bernhardi, nahhergm | 
Frau von Knorring, wird nur in Umriffen berichtet. — 

Wichtige Nachricht aus Hannover! Das Obergericht in 
Aurich (Oftfriesland), beftehend aus drei Richtern, hat in 
Muth gehabt, in einem NRechtöftreit ein Erkenntniß abzugeben, 
in welchem die oftroyirte Verordnung vom 1. Auguft d. Jah 
ald nicht rechtsgültig erflärt wird. Dies hat eine brutale, ak | 
Nechtöpflege gefährdende neue Oftroyirung zur Folge gebatt, 
die Errichtung eines Staatsgerichtshofes, der im Disziplinav 
wege jeden mißfälligen Richter entlaffen kann. Der Staat 
gericht&hof ift bereitd ernannt. So werden Die Deutſchen von 
ihren Regierungen, Hannover von feinem blinden König und 





281 


Men verruchten Rathgebern behandelt! Für den Augenbiid 
das Volk machtlod gegen ſolche Schändlichkeit, wird ed aber 
achtlos bleiben? — 

In Kafjel hat Haffenpflug mit feinen Spießgefellen Voll: 
rar und Baumbach feine Entlafjung begehrt; neue Minifter 
erden fchon genannt. Ob das was bedeutet, wird fich bald 
igen. Vielleicht gefchieht diesmal den Spikbuben Un⸗ 
dt! — 

Die drei Obergerichtöräthe in Aurich heißen Ludowieg, 
efſe und Planck; legterer ift ein Entfel des berühmten Got- 
Sgelehrten (und nur Obergerichtsafleffor). — I[Seffe hat an- 
rs geſtimmt, fchlecht !] 

Es wird vielfältig erwähnt, daß Ludwig Tieck eine auf: 
Uende Aehnlichkeit mit Napoleon Bonaparte gehabt; indep 
ar die Aebnlichkeit Bernhardi's mit dem Kaiſer noch viel 
rößer; im Jahr 1806, wenn er einen franzöfifchen dreiedi- 
m Hut aufiebte, war ed zum Auffchreien. Zwiſchen Tied 
nd Bernhardi war jedoch nur geringe Nehnlichkeit. — 


Freitag, den 12. Oftober 1855. 

Ueber das Treiben der Behörden in den Wahlangelegen- 
eiten häufen jich die ſchmachvollſten Anflagen. Keine Füge, 
ine Berläumdung, fein Kniff wurde gefpart. Und dies alles 
ing von oben aus, wie fehr man fich jegt bemüht, es auf den 
inbefugten Eifer von Unterbeamten zu fchieben. Der Kon- 
tableroberft Patzke ift fehr empört, daß man auch ihn ala 
olchen preiögiebt, und fagt laut, was er gethan, habe er auf 
usdrüdlichen Befehl des Herrn von Weftvhalen gethan, 
nd wenn der fage, daß’ er felber davon nichts gewußt, fo 
ige er. — 
j Etwa zwanzig vormalige Mitglieder ded Abgeordneten- 


282 


baufes, die zur Oppofition gehörten, find diesmal durchgefal⸗ 
len, unter andern Bethmann-Hollweg, Binde (Dibendef), 
Wentzel, Milde, Alfred von Auerswald, Brämer ꝛc. Diurd 
Nachwahlen werden einige wohl noch gewählt werden. — 
Wie übermüthig der — Louis Bonaparte auf Engl 
wirft, giebt fich Dadurch erfchredend zu erfennen, daß man der 
auf fein Andringen ernitlich daran denkt, die Flüchtlinge zu 
entfernen, nach Amerifa oder fonft wohin, entweder durd 
Parlamentsakte oder durch bloße Minifterverfügung, wenn zu 
diefer fi) eine Form findet. Wenn England fein Zufludts 
recht verliert, ift e8 nicht England mehr, trägt es auf der 
Stirne nicht mehr Stolz, fondern Scham. Gelingt dem —, 
diefe Schmach auf England zu bringen, fo hat er dem verhün- 
deten Lande tiefern und heillofern Schaden gethan, als dem 
feindlichen der alte Bonaparte je hat zufügen können! — 


Sonnabend, den 13. Oltober 1855. 

Der König hätte dem armen Teufel Reumont fein fchlim: 
meres Geſchenk machen können, ald den Kammerberrnihlüfll. 
Alle Kammerherren, die ganze Hofariftofratie, alles it em 
pört; fie jehen died ald eine Herabwürdigung der Chren an, 
die ihmen allein gebühren; daß es ſchon Beifpiele der Art 
gegeben, daß Neugeadelte Kammerherren geworden (auch Je | 
banniter), fommt nicht in Betracht, in Reumont fehen fie nut 
den unwürdigen Plebejer, den SHerauffriecher. Ein alte 
Hofmann’ rief mit Entfepen bei der Nachricht aus: „Nun it 
feine Sicherheit mehr! Nun fieht man, daß der König führe 
ist alled zu tun!“ Der wüthendfte Haß wirft ſich auf Rew ' 
mont, man will ihm eine öffentliche Kränkung zufügen, tet 
DOberfammerherr Graf von Dohna fol ihn mit ſchneidendet 
Kälte behandelt haben. — 





283 


Die Prinzeifin von Preußen wurde am Rhein, während 
der Unpäßlichkeit der Königin, überall aufs Befliffenfte aus- 
gezeichnet. Die Königin hierüber migvergnügt. — 

Unſte Wahlen find fchlecht ausgefallen, die Servilen find 
weit im Bortheil; was noch gut an der Berfaffung ift, ſchwebt 
in größter Gefahr; Junker und Regierung werden auf ſtän— 
difche Gliederung hinarbeiten, e8 können jämmerliche Zujtände 
fommen! Den Peſſimiſten ift dad ganz Recht, fie wünfcen, 
daß das Aeußerſte fomme, damtt auch fie das Aeußerſte nach 
ihrer Urt herbeiführen. Die Mehrzahl der Wähler ift den 
Wahlen fremd. In diefem Regierungsbezirk Berlin und 
Potsdam haben von 105602 Wählern nur 17180 theilges 
nommen; in arfdern Bezirken ift das Verhältniß noch niedri- 
ger. Die Maffe des Volks findet ed nicht der Mühe werth, 
in dieſer Berfaflung etwas zu fein; man wartet auf Ereig⸗ 
niffe, auf große Veränderungen ; fie werden kommen. — 

Im Tacitus gelefen; fehr erhebend, wenn man den Ge- 
ſchichtſchreiber als Hauptfache nimmt, fehr niederfchlagend, 
wenn den Inhalt! wenigſtens ift dieſes Leſen nicht erheiternd ! 
— Goethe’fhe Briefe, Tied’3 Leben. — — 

In Potsdam ftellte ein Kandidat den Wählern feinen 
Spruch „Mit Gott für König und Baterland!”" Ein Gegner 
fand diefen nicht genügend, und erklärte fich für beffer gefinnt, 
er fei ganz und gar für die Miniiter! Welch eine Satire er 
damit machte, ahndete er nicht. Aber jo ſteht es, die Sache 
ift richtig. — 

Manteuffel, Weftphalen und Hindeldey find tief gefränft 
durch ihre Niederlagen bei den hiefigen Wahlen; Nüdzug ift 
bier ebenfalld Niederlage. Aber fie find auch ſehr ergrimmt, 
und ſchimpfen auf das Wahlweſen. — 

Der Jude Salomond, erwählter Lord Mayor von Lon— 
don, ift unfern Zeloten und Junkern ein fehredliches Aerger⸗ 

niß. Sie fhimpfen und läftern gewaltig! — 


284 


In der Augsb. Allgemeinen Zeitung wird von der 
Schwäche der preußifchen Demokratie gefprochen, man habe 
fie überfchäßt, fh ohne Noth gefürdtet ze. Die Furcht wur 
allerdings übergroß und zeigte die Schwäche der Regierung 
Der Ejel von Schreiber weiß aber von der Demofratie nichts, 
fonft würde er wiffen, daß die Demokratie fein ftehendes Her 
hat, aber ihr Aufruf plößlich einen Heerbann unter Waffen 
ftellen fann, von dem die preußifchen Truppen vielleicht nur 
ein Theil find. Waren fie ed im Sommer 1848 nicht etwa? 


Sonntag, den 14. Oktober 1855. 

Die Volkszeitung macht fchneidende Betrachtungen über 
Kaffel und Hannover; feit fünf Jahren babe Haffenpflug in 
Kaffel bei aller Willkürmacht und Unterftühung vom Bundei- 
tage feine geordneten Zuftände herzuftellen vermocht. — Be 
ichlagnahme des Bethmann⸗-Hollweg'ſchen Wochenblattes, eine? 
Görlitzer Blattes ꝛc. 

Heute iſt es neunundvierzig Jahre, daß die Schlachten 
von Auerſtädt und Jena geſchlagen wurden. Ein ermſtet 
Gedenktag! — 

Der Geburtötag des Königd wird morgen von denen am 
meiften gefeiert, die ihn am entfchiedenften haſſen, und if e 
nicht zum Erbarmen, dag der König felber das meifte dazu 
thun muß, daß er feine Kanonen die Feier verfünden Täßt, daß 
er die Prediger und Schulmeifter aufbietet, daß die Polizei 
und die Negierungsbehörden allerlei Bezeigungen anordnen! 
AU dergleichen fand bei dem vorigen Könige nicht Statt. — 

Ich habe heute das Tieckbuch zu Ende gelefen. Wie ſeht 
ich Tieck hoch ftelle, ald Dichter ihn zunächft an. Goethe und 
Schiller reihe, wie fehr ich geneigt bin, feine Menſchlichkeiten 
zu erkennen und zu entſchuldigen, den’ Leidenden zu bedauern, 





a 


285 


fo bat doch der Schluß des Buches, wo die Meinungen und 
Anfihten Tiecks über Zeitfragen mitgetheilt werden, mid 
empört! Welche Beichränftheiten und Borurtbeile, welche Rob: 
beiten und Gemeinheiten hatten fich in dem alten Böfewicht 
feſtgeſetzt! Das Hängen findet er ſchön, die Zünfte lobt er, 
über Berfaffung und öffentliches Verhandeln fpricht er wie 
der gemeinfte Phitifter. Pfui! — 


Montag, den 15. Oltober 1855. 

Geburtötag des Könige. Kanonenſchüſſe. Schlopfuppel- 
Mufif. Glückwünſche, Gaftmähler, elende Gedichte; feine 
Beleuchtung. — 

Der König hat die Freigebung der Blätter der Times bes 
fohlen, welche die befannten Schmähungen gegen ihn enthals 
ten. In Berlin und in ganz Preußen nur wenige Abdrüde ! 
Db unfre Zeitungen nun jene Artikel aufnehmen dürfen? fie 
werden ed nicht wagen! Am erften thäte es nod) die Kreuzzei- 
tung, die neben dem Vergnügen auf England zu fchimpfen 
zugleich den geheimen Kitzel befriedigte, dem Könige den 
Schimpf unter der Hülle der verehrungdvollften Entrüftung 
vorzuhalten. — 

Nachricht von einer großen Niederlage der Ruſſen unter 
dem General Murawieff beim verjuchten Sturm auf Kars, 
4000 Todte werden angegeben. — Nachtraäglich berichten die 
ruffifhen Blätter dad von der Kreuzzeitung geläugnete Reiter: 
gefecht bei Eupatoria, und geben die gemeldeten Berlufte zu, 
deren Schuld fie dem General von Korff beimefjen ſpielt hier 
der Haß gegen die deutfchen Namen ein? — 

Der Geh. Rath Bunfen hat die in Magdeburg auf ihn 
gefallene Wahl zum Abgeordneten nicht angenommen, „aus 
Gefundheitärüdfichten*. — 

Bon Baader’! Werfen der achte und der neunte Band. 


286 


Mit welcher Beharrlichkeit, Aufopferung und Mühe der made 
Franz Hoffmann died Unternehmen durchgeführt, unter da 
größten Ungunft der Zeitläufte! Mir ift indeß die Freude an 
dem Werke vergällt durch die Fathulifch-firhliche und auch yr 
litifchstrübe Farbe, die das Ganze hat annehmen mu. 
Dap er ein Katholif und ein Baier war, ift Baader's Unglid, 
und fein Herausgeber ift leider beides auch, muß ed noch mer 
fein, als er möchte. Die Schriften Baader’d geben fein 
Borftellung von dem, was er im Leben als freie Perfönlictet 
war. Seine tiefen Lehren wirften im Geſpräch frifch un 
heiter, waren an feine Oberfläche gebunden, konnten fid mit 
allen äußern Formen vertragen, weil fie von diefen jid ne 
bedingen liegen. In den Schriften erfheint er oft ald Zelt 
als Anhänger der Großen. Seine Philofophie, in melde 
Tieffinn und Geiſtesmacht walten und die fühnfte Dialekt 
gejchiet arbeitet, wird doch ſchwerlich durchdringen und den 
Einfluß haben, den ihr Hoffmann beilegen will; fie ift meht 
ein Denkmal der Bergangenheit, ald ein Gebild der Zu 
kunft. — 

Eines follt’ ich endlich lernen in diefer für mich fo pein 
vollen Zeit, aber ich lern’ ed nicht, und alle Borfäge ſchwinden 
bei erfter Gelegenheit in nichts! Ich jollte lernen, alles härter 
und gleichgültiger zu nehmen, fowohl was mich betrifft, als 
befonderd auch was Andre. Wie fchnell wird alles zur Der 
gangenheit, und befommt dann doch ein andres Geficht!: Daß 
ich empfindlic, für mich bin, möchte noch hingehen; aber füt 
Andre ed zu fein, ift ein großer Fehler, eine Selbitopferung 
. die Niemand und dankt, deren Anlaß der Andre vwielleiht gut 
nicht gefühlt hat. Aber wer dazu einmal eingerichtet üft, det 
kann es gar nicht laffen, der fann die Gemüthsbewegung gat 
nicht abwehren. So geht ed mir, und fo leb' ich jeden Tay 
unter vielfachen Wunden und Schmerzen, von denen die An 
dern nichts willen. — 





287 


Dienstag, den 16. Oftober 1856. 

Alle unfre Zeitungen, auch die es fonft nicht thaten, 
reihen oder berichten vom Geburtötage ded Könige, man 
nubt, die Polizei habe depfalld beftimmte Weifungen er: 
den laffen, denen zu trogen nicht Flug gewejen wäre. Auch 
:inen manche Leute, man müfje den König äußerlich hoch: 
Iten ſchon um des Auslanded willen. Sie machen's wie 
t der Religion, fie verachten die Tirchlichen Anftalten, wollen 
er, daß Andre fich ihnen fügen. in märfifcher Junker, 
‚ahlt man, hörte Mipreden gegen den König mit Zuftimmung 
‚ ald er aber vernahm der Mißredende fei ein Bürgerlicher, 
iterte er einem andern Junker zu: „ch dachte ed wäre 
ter von und! Was hat der ſich in unfre Sachen zumifchen? * 
e glauben wirflih, unzufrieden mit dem Könige zu jein 
nme nur ihnen zu, fei ein Vorrecht der Edelleute. — 

In Baader’3 Lehren möcht’ ich eine Scheidung vorneh- 
n, eine Scheidung der tiefen Gedanken von ihrer theologi- 
en, ſcholaſtiſchen Hülle, des reinen Sinned von den Wahn- 
dern, die fi darum gelegt. In feinen Gefprächen machte 
jelber diefe Scheidung, wenigftend wenn er mit Rahel und 
r zu thun hatte; da war er nur der hohe Denter, heiter und 
rin tiefen, reinen Gedankenreihen. Wenn er mit Koreff 
ach, fo nahm er ſchon etwas, mehr Zuthat von myſtiſchen 
Yantadmen und wunderlichen Ausdrücken, weil er wohl ſah, 
3 es bei dem angebracht war. Mit Zuftinus Kerner ließ er 
) ganz in den Wuft von deſſen Abgeſchmacktheiten verfinken, 
d machte den roheften Wahn und Aberglauben mit. Der 
me Baader! Er konnte lebenslang die fchlechte Hülle nicht 
werfen, welche das hergebracht Heilige um feinen großen 
it geworfen hatte! — Bon feinen Geſprächen hab’ ich 
en Genuß gehabt, wie von feinen andern, die ich mit un— 
n Philoſophen gepflogen ; diefe wollten meift gar nicht von 
r Sache ſprechen; Baader wollte und fonnte dad immer, 





288 


und mit frifchefter, belchtefter Geiftesgegenwart. Seine jänit: 
lihe Mittheilung war weder fo frei noch To gewandt, ukj 
bei aller Schroffheit und Derbheit Doch ſtets anmuthig, gib |; 
voll, fogar wigig. Mit Recht fagt Franz Hoffmann: ‚Mm | 

eigentliche Kern, wenn man fo fagen darf, des Baaderjin 
Stile ift vortrefflih, und Baader hätte ihn nur mehr von 
äußerlichen Nachläffigkeiten befreien follen, um ihn als m 
wahrhaft klaſſiſchen hervortreten zu laffen. In den dur 
büchyern aus der Zeit des Jünglings⸗ und des umgehen 
Mannesalters jchrieb Baader ohne ‚alle auf Schönheit da 
Darftellung gerichtete Abjicht in einem fo trefflichen Stil, di 
ſich jene genialen Ergüſſe des eben fo innig fühlenden wie tel 
denfenden jugendlihen Geifted neben das Herrlidit m P. 
Schönfte ftellen, was die deutfche Literatur aufzuweiſen hi J 
Nicht weniger erhebt fi der Stil der von Baader zwiſhen J 
dem jechzigften und fiebzigften Lebensjahre geſchriebenn J. 
Schriften oft nahehin zur Höhe ächt Plafjifcher Darſtelunze J. 
weiſe.“ Hoffmann beruft fich hiebei auf die Urtheile vn J. 
Barnhagen, Guhrauer, Carriere, Hamberger ꝛc. — 


Mittwoch, den 17. Oktober 185. 

Unfre Zeitungen ſprechen mehr als fonft vom Kin M 
auch die Nationalzeitung, auch die Volkszeitung; Folge Mi 
zeilicher Andeutungen oder Mahnungen! Was Tönnen W 
Blätter thun? Sterben wollen fie doch nicht, und fo mil 
fie fih fügen. Nach und nach ſinken fie alle auf das Ri’ 
der gewöhnlichen alten Zeitungen zurüd. Ich würde freiid 
lieber die Sache aufgeben, aber rathen kann man das mit 
unbedingt jedem, abgefehen davon, daß es noch zweifelhaft il, 
ob es das Rathſamſte wäre! — Man empfiehlt mir Bunſen' 
Schrift, Briefe an Arndt über die Zeichen der Zeit, ih hi 






‚289 


ht ſehr begierig darauf; im zweiten Theile wird er den — 
:ahl, den Umkehrer der Wiffenfchaft, verarbeiten. Recht jo! 
lagt euch untereinander, da geht Fein Streich verloren! — 

Der General von Wrangel bat zu einem Befannten von 
heftig gegen Herrn von Hindeldey gefprochen, derſelbe 
te fein Geſetz, übe despotifche Eigenmacht, gefährde das 
:aatdwohl, arbeite den Demokraten in die Hände ꝛc. Man 
iſſe alles aufbieten, ihn zu ſtürzen; in den lebten Wahl: 
vegungen habe er Recht und Wahrheit mit Füßen getreten, 
n Anfehn der Regierung unter dem Borwand ihm zu dienen 
endlich gefchadet ꝛc. — 

Den franzöfifchen Flüchtlingen auf Jerſey hat der Huldi- 
ngsbeſuch der Königin Bictoria bei Louis Bonaparte zu 
tigen Schmähungen in Berfen und in Proſa Beranlaffung 
jeben, fie habe Ehre und Scham verloren ꝛc. Das wird 
ı Flüchtlingen übel befommen! Die Engländer fühlen die 
fe Schmach, deßwegen wollen fie ihre Schande nicht aue- 
:ehen hören. Louis Bonaparte’d Dringen auf Entfernung 
: Flüchtlinge wird dadurch fehr befördert. Aber die Wahr: 
t iſt doch gejagt! — 

„Reifedriefe aus Belgien, ranfreih und England im 
ymmer 1854. Bon B. U. Huber. Hamburg, Rauhes 
tus.“ 2 Theile. Kein Buch für mih! Ein Pietift, der 
y mit der Kreuzzeitung entzweit hat, und feindlich gegen 
je aufeigne Hand weitergeht, das ift noch nicht fo wichtig 
er merkwürdig! Wilhelm von Humboldt lobte einft über 
bühr das Buch diefed Huber über Spanien; man glaubte 
nals diefer könne ein Sohn Humboldt’3 fein, aber der Frei⸗ 
ft hat jchmerlich einen Pietiften gezeugt! — 


Barnbagen von Enfe, Tagebüder. XII. 19 


290 


Donnerstag, ben 18. Oftober 1855. 

Befuch von Herrn Dr. Rudolph Köpfe, dem Sohne mii: 
ned Univerfitätsgenoffen in Halle, des damaligen Famula 
von Fr. Aug. Wolf. Ein Muger, einfichtsvoller Mann. Er 
gefteht mir, daß ed fein Vortheil war, bei Abfaffung fein | 
Buches von Tied’3 Leben nicht mehr zu wiflen, ale wada 
durch diefen felbft davon erfahren, von manden Scattenfi | 
ten und dunklen Vorgängen nur Andeutungen zu hab, 
hinter denen das Einzelne jich verborgen hielt. Seitdem ki 
er freilich vieles gehört, was er aber als unverbürgt bei Sit | 
laffen konnte; genug, daß in feinem Buche Die Anfäpe zu fr 
den feien‘, wo dergleichen eingefügt werden könne. Daß jm 
Buch, in Folge der Art feiner Entftehung, einen Anflug ım 
Schwäche habe, wollte er nicht läugnen, die Pietät feined kr: 
fönlihen Verhältniffes muß died verantworten. — 

In den Zeitungen auch nicht die Fleinfte Nachricht et 
Angabe, die mir zur Freude, zum Anknüpfen frifcher Ger 
fen wäre. In ganz Europa nirgends ein heller Funke, m 
Zündftoff in ungeheurer Anhäufung! Statt des Maren Lihles 
wird trübe Klammengluth kommen, die wünfch’ ich nidt! - 

Die Neue Preußifche Zeitung nimmt ſich ihres Haffenpiu 
an. Sie macht die Mehrheit der Stimmen geltend, wi 
für deffen Günftling Bilmar vorhanden war, und die derfut 
fürft nicht achten will. - Diefe Verächterin der Majentil, 
diefe Preiferin der Autorität! Aber Widerfpruch gegen ſih 
felbft, heute Nein, morgen Ja, das ift diefer Frechen Partki W 
tägliches Brot. — 

Louis Bonaparte zeichnet einen Beitrag von 12,000 Jrar 
ten zu einer koloſſalen Erzbildfäule der Jungfrau Maria, uw 
verfpricht Metall dazu von den eroberten Kanonen Ser 
ſtopols! — | 





291 


Freitag, den 19. Oftober 1856. 

Die Bolközeitung macht ihre gehörige Ausbeute von Haj- 
ſenpflug's Entlaffung, und ftellt die Kreuzzeitungsleute in 
ihrer Blöße hin. — 

Ich erfahre, dag das Gericht die legte Befchlagnahme des 

Bethmann⸗Hollweg'ſchen Wochenblattes nicht gutheißt, und 
die der Volkszeitung eben fo wenig. Der Graf von Wartens⸗ 
\eben hat es für eine beleidigende Zumuthung erflärt, die von 
der Polizei dem Gericht gemacht worden, grundlofe Beſchlag⸗ 
nahmen zu beftätigen; die Polizei meint, fie habe andre Ge⸗ 
ſichtspunkte als die Gerichte, fie könne fich nicht an das Ger 
jegliche halten, fondern nur an die nächften Zwede der Re- 
gierung. — 

Der Berliner Magiftrat giebt in der Spener’fchen Zeitung 
eine ausführliche Antwort auf die dafelbft ihm anonym ge- 
machten Beichuldigungen der „Kniderei und Nergelei"; er 
weiß recht gut, daß diefer Auffap von Hindeldey herftammt, 
Warum verklagt er ihn nicht vor Gericht? Die hohe Obrigkeit 
fühlt fich doch fonft fo leicht beleidigt !— 

Ein neuer Landrath hat fi in den Wahlfachen wunder: 
bar hervorgethan, indem er fein Mißvergnügen auöfpricht, - 
daß viele Wähler feinen Rath nicht befolgt, fondern für 
einen regierungäfeindlihen Mann geftimmt haben. Er 
Warnt fie daher, der Meine Pafcha von Sprottau! — 

Der Juſtizminiſter in Hannover hat die Richter in Aurich 
jur Verantwortung gezogen, zuerft follen fie befennen, wie 
jeder geftimmt hat; wer Died zu bekennen zögert, wird dafür 
angefeben, fchlecht geftimmt zu haben. Der Richter Gele, 
das hat fich fchon ergeben, ift nicht gleicher Meinung mit 
Ludowieg und Pland geweſen, er hat gut geftimmt, alfo — 
geundihleht! Das Schapkollegium hat ſich an den Bundess 
tag gewendet, um Hülfe gegen die Handlungen der Regierung; 
das wird fhön ankommen! Zuftände wie diefe in Hannover 

19* 


292 


find wahrhaft unerbört in Deutfhland, man wird fie einit 
für Fabeln halten. Und mehr oder minder ift ganz Deutid 
land in folhen Zuftänden: Willfür, Gewaltfamfeit, Lüge, 
Betrug. Soll man bei Spigbuben Recht fuchen gegen Spiß 
buben? — 

Das Athenaeum frangais fpricht über Heine fehr nad 
theilig. Ein Herr Leon de Wailly hat ihn zum Gegenitant 
einer ausführlichen Schilderung genommen. Was er ihm 
vorwirft, ift im Einzelnen alles wahr, und trifft doch im Gun: 
zen nicht zu. Den tiefen Kern in Heine, wo Diefer aufrictig, 
ernst und treu ift, hat er nicht erfannt. Heine darf nicht vom 
gewöhnlichen Standpunft einer philifterhaften Sittlichkeit und 
Aeſthetik beurtheilt werden, jo wenig wie Ariftophanes, an 
dem jekt auch der elendefte Tropf meint zum Ritter werden zu 
fönnen, weil er gar nichtd von ihm verfteht. — 


— — — — 


Sonnabend, den 20. Oktober 1855. 

Die Nationalzeitung giebt Nachrichten über die in Eng— 
land beabſichtigten Maßregeln gegen die Flüchtlinge; Lord 
Palmerſton ſteckt dahinter. Die an der Zeitſchrift l'homme 
betheiligten Franzoſen find ſchon von der Inſel Jerſey mer 
gewieſen. Vor kurzem hieß es, die engliſche Verfaſſung ſolle 
auf das Feſtland übertragen werden; das Wahre iſt, die feſt⸗ 
ländiſche Regierungsart ſoll in England eingeführt werden. 
Allerdings ſcheint das dortige Gebäu nicht mehr haltbar. 
Alles in Europa wird gleichgemacht! Zu Gunften des Abie 
lutismus? Diefer jelbft ift nur ein Lohnarbeiter für die Re 
publik. Friſch! fleigig am Wert! — 

Eine Freude war mir heute doch der fiebente Band von 
Louis Blanc's histoire de la revolution francaise. ine 
Buchfreude, was freilich eine befondere Art von Freude if, 
von eigentlicher Lebensfreude noch jehr verfchieden. — 





293 


Der Kladderadatſch hat ein hübſches Lied auf das gefal- 
lene kurheſſiſche Minifterium Haſſenpflug. — Eine Zeitung 
werfündigt, der Rechtsanwalt Wagener, der berüchtigte Kreuz: 
zeitungsfchreiber, ſei ald Haſſenpflug's Nachfolger berufen. 
„So? hat denn der aud) fchon geftohlen, und Anwartfchaft 
auf Prügel?* Als'ob der Nachfolger auch hierin feinem Vor: 
gänger gleihen müßte! — 

Einnahme von Kinburn durch die Weftmächte. — 


— — mm 


Sonntag, den 21. Oktober 1855. 

Bethmann-Hollweg und Binde wollen keine Wahl zum 
Abgeordnetenhaus annehmen. — 

In Ungers find die Theilnehmer am Aufftande verurtheilt 
worden. Es famen vor Gericht ftarfe Dinge zur Sprache. 
Der Xrbeiter Seeretain ein Fraftvoller Karakter. Wo folche 
Leute fich zeigen, da hat die Tyrannei feinen fichern Boden. — 

In Louis Blanc’d fiebentem Bande ©. 35 find’ ich fol- 
gende merkwürdige Stelle: „Raconter l’histoire de la revo- 
lution, c’est plus qu’ecrire un livre, c’est faire un acte. 
Qui sait sil’avenirdelaFrance nedepend 
pas de telle ou telle opinion qu’on se sera 
formee touchant les hommes et les partis 
de cette &poque m&morable?* Er fagt died um 
darzuthun, wie nöthig die genauefte Unterfuchung, die ftrengite 
Wahrhaftigkeit dem Gefchichtichreiber fe. Er hat Recht, 
fehr Recht! Wir Deutfche haben das auch zu beherzigen. 
Aber wir thun's nicht! Wir laffen das Andenken an dad große 
Jahr 1848 dahinfchwinden, vergeffen dad Einzelne diejer gro- 
ben Gefchichtsentwidlung. Freilich giebt es in Deutfchland 
feinen Ort, wo man fchriftlich oder mündlid, das treue Bild 
der damaligen Dinge aufftellen dürfte! Louis Blanc's Werk 





294 


findet noch jet in Paris Verlag, Drud, freien Abfab, öffent: 
lichen Beifall. — 


Montag, ben 22. Oktober 1855. 

Ausgegangen mit Qudmilla. Weber den Jahrmarkt auf 
dem Schloßplake zur Noßftraße gegangen; Nr. 1 das Haus, 
‚wo Tied geboren worden, der Laden, wo die Schweſter eini 
Seilerwaaren verfaufte, ift noch vorhanden. — 

Die Neue Preußische Zeitung gefteht, daß der Verluſt von 
Kinburn für die Ruffen ein fehr wichtiger fei, und meint, aub 
Otſchakoff fei bereits verloren, die noch unverbürgte Nachricht 
fei nur allzu glaublih. Will das Schandblatt durch dies Be 
fennen Buße thun? — 

Der König hat einen jungen Kölner, der 1849 wegen Br: 
theiligung am badischen Aufftand durch das Kriegsgericht zum 
Tode verurtheilt, dann aber zu lebenslänglicher Haft verur: 
theilt war, jeßt gänzlich begnadigt. Es ift das erfte Beifpiel 
diefer Art. — 

Man munfelt davon, daß hier im Arbeitähaufe feit Tin: 
gerer Zeit ein ruſſiſcher Offizier, der aber feinem Vaterland 
entfagt und fich daher mit der Regierung verfeindet habe, von 
der Polizei widergefeglich in Haft gehalten werde, ohne Kennt: 
niß der Regierungebehörden und noch weniger der Gerichte. 
Gefälligkeit für den ruffifhen Gefandten, heißt ed. Redliche 
Gerichtsperſonen follen der Sache nachſpüren, um fie öffent: 
lich zur Sprache zu bringen, allein die Ermittelung der That: 
jachen findet große Schwierigkeiten. — 

Der König hatte zum General Adolph von Willifen bei 
der Tafel gefprächöweife gefagt: „Hätten Ste nicht Luſt wie 
der einmal nach Paris zu reifen?" — „O ja, wenn es dert 
etwas zu beforgen giebt!" — Daraus entftand denn die Br 
auftragung wegen der Gewehre. Der König fagte nod: 





295 


„Da wird man dod wieder einmal einen vernünftigen Bes 
richt von dort erhalten.“ — 


Donnerstag, den 25. Oltober 1855. 

Daß Defterreih im Ernte darauf auögehe, dem Bundes- 
tag eine befiere Geftalt und volfäthümliche Entwidelung zu 
geben — credat Judaeus Apella! Eigenfüchtige Herrjchaft 
will man, fonft nihte. Bon einer Bolfövertretung neben 
dem Bundedtage — da3 einzige Erfprießlihe — will feine 
Regierung etwas willen. An allem fonftigen Flickwerk ift 
wenig gelegen, wenn auch hie und da ein guter Rappen. vor⸗ 
fommen follte, es bleibt ein Lappen. Defterreih und Preu: 
Ben wollen zufammen die Bundesreform betreiben; Died „Zu⸗ 
fammen * hat nicht viel auf ſich, und wenn es der Fall wäre, 
dann wehe den Mittlern und Kleinen! — 

Der böhmifche Mönch Borzinsky, wegen Uebertritts zur 
proteftantifchen Kirche in einem Klofter in Prag feit Jahr und 
Tag gefangen gehalten und hart behandelt, ift feiner Haft ent- 
fprungen und in Schlefien glüdlih angelangt. Die preußi- 
fche Regierung hatte fich für ihn nur matt und daher erfolg- 
108 verwendet; es ift noch die Frage, ob fie den Flüchtling 
nicht ausweiſen läßt. Man fagt, der König liebe die Ueber- 
tritte in die fatholifche Kirche, aber die in die proteftantifche 
hafle er; noch immer foll er Darüber grollen, daß fein Vater 
die damalige Kronprinzeffin zum lebtern Uebertritte bewogen 
hat. Er würde fo gern, jagt man, am Hof einen glänzenden 
fatholifchen Gottesdienft gejehen haben. — 

Der König mit Höflingen und Gäften nad) Leblingen zur 
Fagd. Man fagt, es fei dabei hauptfächlich darauf abgefehen, 
den König als völlig gefund erfcheinen zu laffen, was er doch 
nicht fei; im Gegentheil fei man fehr beforgt für den 
Winter. — 


296 


Eine Heine Schrift von Guſtav Diezel über die würtn: 
bergifchen Wahlen ift von der würtembergifchen Polizei ie W 
gleich weggenommen, Die frühere Schrift deffelben, ik # 
die Bildung einer deutichen Nationalparthei, ift fait übeul J. 
in Deutichland verboten. Solche Beftrebungen dürfen k 
wortbrüchigen Hanſe freilich nicht auffommen Taffen! — 


Freitag, den 26. Oktober 1866. 

Unſre Zeitungen bringen über einen hier won der Poli 
verhafteten fogenannten Prinzen von Armenien ziemlid um 
ftändliche, in der Abfaffung etwas verfchiedene, im der Haupt 
fache aber übereinftimmende Nachrichten; ex fei eigentlich ein 
polnifcher Jude, ein Schwindler und Betrüger, der in kt 
großen Welt gelebt hat, jegt aber bier im Arbeitshaus in 
Sträflingsrod trägt und Wolle fpinnt. Dabei läßt fid ie 
Polizei — Herr von Hindeldey und Herr Stieber — iega 
diefer Aufmerffamfeit und diefed Fanges mit vollen Badın 
loben. . Zu rügen wäre vielmehr, daß jemand feit vier Tagen 
gefangen gehalten wird, ohne dem Richter vorgeführt zu fen, 
ſchnurſtracks den Gejegen zuwider, und daß der in Unter 
juhung Befindlihe ſchon wie ein Berurtheilter behandelt 
wird. Man vermuthet überdies eine ftrafbare Gefälligfel 
der Polizei für den ruſſiſchen Gefandten Herren von Budbetg 
der den angeblichen Prinzen hier in Gefellfchaft beleidigt, un | 
dem dieſer deshalb ein paar fcharfe Briefe gefchrieben ht. 
Der fogenannte Prinz wohnte hier in der Behrenſtraße Nr), 
wollte eben nach London abreifen, und hatte alles bezahlt, 
als er zu Hindeldey gerufen, dort feftgehalten und mit höhni 
ſcher Beichimpfung in's Arbeitshaus geliefert wurde. Der 
wurde ihm auf ausdrüdlichen Befehl der Bart abgefchoren, 
die Arbeitöfutte angelegt und die firengfte Arbeit auferlegt, 





297 


h hat man den Befehl dazu nicht fchriftlich erteilt. Seit 
r Tagen fucht Herr Stieber und fein Anhang vergebend 
e Schuld, die dem Mann aufzubürden wäre. Polizei— 
mte felbft haben mit Beforgniß geäußert, die Behörde habe 
en Mißgriff gethan. An Manteuffel, an den Prinzen von 
ußen, an den englifchen Gefandten , die er näher kennt, ift 
nicht erlaubt zu ſchreiben. Man hofft, daß an diefem 
ſpiel einmal die gefeglofe Willfür und Gewalt der Polizei 
nkundig zur Sprache fommen werde. — 
Der angeblihe Prinz von Armenien hatte feine Wirthin 
Tagt, daß fie an ihn gerichtete Briefe geöffnet habe, und 
: troß ihrer unzulänglichen Entfehuldigung bei ihr wohnen 
lieben. Sie foll ihm geitanden haben, daß fie auf fich ge- 
namen, was die Polizei gethan, daß diefe aber, wenn fie das 
n fage, ihr die Erlaubniß möblirte Zimmer zu vermiethen 
men würde! — 


Sonnabend, den 27. Oltober 1855. 

Abends Befuh vom Herrn Grafen von *. Nach einigen 
läufigen Mittheilungen ſprach er mir von dem im Arbeits: 
13 hier gefangen gefehten fogenannten armenifchen Fürſten. 
8 jegt ift feine Verhaftung, die fchon zur Strafe geworden, 
ht angezeigt; bis jegt hat die Polizei noch nichts aufzufin- 
t gewußt, was ihr Verfahren rechtfertigt. Und wenn er 
ch ald Betrüger überwiefen wird und nur ein holländifcher 
ide ift, das Derfahren ift gefekwidrig, empörend. Das 
beitöhaus ift für Obdachlofe, Heimathlofe, ift Fein Gefäng- 
B; der Mann hat feine Wohnung, hat Geld; es ift ein 
ändlicher Hohn, dag man ihn wie einen Berarmten behan⸗ 
t. Dan hat ihn auf der Polizei gleich mit den Worten 
gefahren, man wolle ihn lehren, ferner grobe Briefe an den 
fifehen Geſandten zu ſchreiben! — 


298 


Das BethmannsHollweg’she Wochenblatt ift heute weg 


genommen worden, deßgleichen das dritte Heft der Dieflen 
weg’ihen Schrift über Stiehl und die drei preußifchen Re 
gulative. — 


Sonntag, den 28. Oftober 1855. 
Die „Jahreszeiten“, wieder von Wehl redigirt, bringen 
manch willtommene Nachrichten und gute Urtheile. — 
„Der PVolarftern. Bon Jskander.“ Das heißt von dem 


in London lebenden ruffifchen Flüchtling Herzen. Ein nu | 
ſches in London gedrudted Buch, überhaupt eine freie ruſſiſche 
Preſſe im Ausland ift eine ganz neue Erfcheinung und fan | 


große Folgen haben. Der Herandgeber hat Puſchkin's md 
Andrer bisher ungedrudte tevolutionaire Gedichte, Darunter 
Hohn: und Schimpflieder gegen den Kaifer Nikolaus, fleihiz 
eingefammelt, und wird fie nächftend mittheilen. — 


Montag, den 29. Oltober 1855. 
Die Zeitungen fahren fort, fpöttifche Nachrichten über den 
Prinzen von Armenien zu liefern. Sind die Nachriqten 
nicht falſch, jo fteht es ſchlimm um ihn. Aber die Unger | 
lichkeit des Polizeiverfahrens bleibt diefelbe, auch wenn er in 
Schwindler if. Unter den vielfachen ihn betreffenden Ar 


gaben fehlt indeß noch jede Erwähnung, daß er beleidigen | 


an den ruffifchen Gefandten geſchrieben hat. — 
Aus Moskau wird gemeldet, daß dafelbft am 16. Time 
theus Granoffski geftorben if. Er war Profeffor der Ge 


ſchichte an der dortigen Univerfität, und unter den trefflichen 
jungen Ruffen, die vor vielen Fahren hier ihre Studien ver 


vollitändigten, einer der edelften und tüchtigiten,, Freund von 


Stanfowitfh, Neweroff ꝛc. Er hat in den etwa ſechezehea 






u —⏑ MAI B Ge ... Be "©: 2 


299 


abren feines Lehramtes gewiß viel Gutes geftiftet, Licht ver⸗ 
reitet, Freiheitsſinn geweckt. Ob er etwas für den Drud 
efchrieben hat, ift mir unbefannt. — 

In Goethe gelefen, in Louis Blanc; die blutigen Gräuel 
er franzöfifhen Revolution erfcheinen um fo fürchterlicher, 
emebr ihre Nothwendigkeit — gefchichtliche, nicht fittliche — 
ınd ihre Fruchtbarkeit dargethan wird, Allerdings ohne Die 
Schredenäzeit, ohne Danton und Robespierre, wäre die Frei— 
yeit in Frankreich jhon 1792 verloren geweſen. — 

Der König hat dem berüchtigten Malmene den Reſt der 
Strafzeit, zu der er verurtheilt worden, geſchenkt. Bisher 
war er in Begnadigungen fehr unglüdlih und ift ed in diefer 
wieder. Die öffentliche Meinung ift durchaus wider jenen 
jemeinen Menfchen, den man dem König aber als einen guten 
Royaliften gefchildert hat. — 

Der König foll in den lebten Jagdtagen viele böfe Worte 
zeſagt haben, 3. B. wenn „die Stände“ je widerfpenftig wür- 
ven, die Oppofition die Mehrheit der Stimmen hätte, fo 
würde er beide „ Häufer* fchon in Ordnung bringen, die Ab- 
zeordrieten wegjagen, die mißfälligen „Herren“ nicht einbe- 
wufen. Ferner, feine Minifter möchten fein wie fie wollten, 
Andre als er felbft follten fie nicht vom Plage bringen ; wenn 
es ihm einfalle, ja, dann könne er fie jeden Augenbfid mit 
einem Tritt heimfchiden. Sehr ſchmeichelhaft für die Mi- 
nifter! — 


Dienstag, den 30. Dftober 1855. 
Bon der. Leplinger Jagd werden noch wunderliche Stück— 
hen erzählt, die Zmwietracht zwifchen dem Prinzen von Preu⸗ 
Ben und dem König foll dort neue Nahrung erhalten haben. 
Der Prinz hat fich fehr lebhaft für die Parthei Bethmann- 
Dollweg ausgeſprochen. — 





800 


Die Gerlach’ wiſſen und ſehen, Daß jie bei dem Ihren: 
folger feine Gunft erwarten fönnen, fie haben ihn perjönlid 
zu ſtark und oft verlegt. Sie wollen nun wenigitens die 
Gegenwart benugen, um ihn möglichft einzuengen, und ten 
ihm zum Berdruß mit verdoppeltem Eifer die Angriffe der ze 
tifchen Geiftlichkeit gegen die Kreimaurer auf, an welchen da 
Prinz ungemein hängt. — 

In der Kreugzeitung gebt Prof. Leo gegen die neu 
Schrift von Bunfen los, und behandelt diefen fehr gerind 
ſchätzig. — 


Mittwoch, pen 31. Oktober 1855. 

Nachmittags Befuch von Herrn Fegör von Sivers. Er 
fommt aus Schwaben zurüd, bringt mir aus Tübingen Grüße 
von Uhland, den er wohl auf und fogar gefprächig gefunden 
hat. — 

Nachrichten aus Rußland, dag dort feit der neuen Re Wi 
rung eine große Veränderung in allen Berhältniffen un & 5, 
ziehungen zu fpüren ſei, feine neuen Geſetze oder Vorſchriften, 
wenig neue Perfonen, aber eine andre Luft, eine andre Stim 
mung, in allem was vorgeht. Alles früher Straffgefpannte 
hat bedeutend nachgelaffen,, anftatt der unerbittlichen Streng 
waltet Milde und Nachfiht, ed wird freier gefprochen, mat 
läßt der Preffe mehr Freiheit, Dinge, die früher unmöglid 
waren, find erlaubt, die Aufficht der Behörden ift naklällt Mir 
geworden; man nennt den Zuftand fogar eine Grichlafung Me 
während doch ftets neue Anftrengungen nöthig find, un m © 
Krieg fortzuführen! Das untere Bolk ift willig genug, akt | 
die mittlern Klaffen murren, und die höchften find äupert 
migvergnügt. Zur Entflammung des Vaterlandöcifers bil 
man Motive zugelaffen, die das Volk und die Freiheit ini 
Spiel bringen; es find ſchon außerordentliche Dinge gelutt 





801 


‚worden, bei denen der Zenfor ftußte, aber doch die Zulaffung 
nicht weigern mochte. Won den zahllofen Mißbräuchen, die 
früher nicht berührt werden durften, fpricht man laut, nicht 
nur von denen, die die Regierung dafür erflärt hat, fondern 
auch von ſolchen, an denen der Regierung felber gelegen ift 
daß jie nicht aufgededt werden; man unterfucht die. Staats⸗ 
einrichtungen, die Maßregeln der Behörden ꝛc. Genug, es ift 
Leben in Rufland, erwedtes Leben, thätiger Betrieb, und die 
Zeiten des Kaiſers Nikolai find ganz und gar vorüber! — 


— — —— en 


Donnerstag, den 1. November 1855. 


Herr Philarete Chasles aus Parid, er brachte mir Drei 
Empfehlungen, eine von Heine gefchriebene Karte, einen Brief 
von Stahr, und einen von Cuſtine. Heine im alten Leidens⸗ 
juftande, der aber noch lange dauern kann; er richtet Gebete 
an Gott, fehr fchöne, wie Herr Chasles jagt, dem er eines 
mitgetheilt hat. ujtine, mit dem ich feit 1848 außer Ver⸗ 
leht geweſen, fchreibt herzlich und geiftvoll; er lebte biöher in 
Et. Gratien, war fehr mit der Prinzeffin Mathilde befreuns 
det, ftand ſich am Hofe fehr gut! Der Haß gegen die Repu⸗ 
bit, die Furcht vor dem rothen Sozialismus, haben ihn zum 
Anhänger Louis Bonaparte's gemacht!! Sept ift er nach Rom 
abgereiſt; ich kann ihn alſo fürerft wieder nicht erreichen! 
Herr Chasles felbft bekennt fich als Freiheitöfreund, als Wigh 
im englifchen Sinn, hält ſich jelber mehr für einen Engländer 
ald Franzofen, hat lange in England gelebt, ſchon in feiner 
Jugend, liebt Deutfchland, betet ed an, will es jegt gründlich 
fennen lernen ꝛc. Wir fprechen auch von Koreff, den er genau 
gefannt hat. Er ift lebhaft, kenntnißreich, gutmüthig, etwas 
geziert, etwad — unficher! ch Schenk’ ihm über meine Dent- 
art reinen Wein ein, worüber er etwas verftugt erfcheint. Er 
möchte hier in der Eile, bevor er nach Wien geht, einige Vor: 





302 


träge halten, was mir nicht eben gefällt. Ein rechter Fran 
zoſe, von der rechten Sorte, kann dazu faum Luſt Haben; was 
er in Paris noch allenfall® fagen dürfte, darf er hier nid 
fagen, fo weit voraus ift Frankreich, daß unter dem Deöpott 
mus mehr Freiheit ift, ald hier in der angeblich Fonjtituir- 
nellen Erbmonarchie! — 


Freitag, den 2. Movember 1855. 

Der Herzog von Sachſen⸗Altenburg hatte bei Eröffnung 
feiner Stände das Fahr 1848 „ein trauriged“ genannt. Ein | 
wackrer Abgeordneter, Hempel aus Ronneburg, hat biegegen 
muthig Einſpruch gethan; der Minifter von Larifch albem 
darauf geantwortet. Die Fürſten indeß dürfen doc das 
Fahr 1848 ein trauriges nennen, denn fie alle hat es in tus 
rigſter Geftalt gezeigt. — 

Den Dänen wird Angft wegen der Sundzollfrage, ji 
regen nun felbft die Unterhandlungen dephalb an, freilih in 
tänfevoller Abficht, aber ſchwerlich mit dem Erfolg, den fir: 
warten. — Die preußifche Regierung ift hierin noch unal- 
ſchloſſen und zaghaft. — 

Die Polizei läßt die Zeitungen gegen die Gerüchte fpreden, 
die hin und wieder laut werden für den von ihr mißhandeltn 
Prinzen von Armenien; fie bekennt alfo, Daß noch viele zuer 
fel find. — 










Sonnabend, den 3. Rovember 1855. 

Die Volkszeitung wagt auf tünftliche Weife fich des Pan | 

zen von Armenien gegen die Polizei anzunehmen; fie ad, 
manche Angaben hätten ſich ſchon ald irrig erwieſen; an 
fönnten nichts gegen feine Aechtheit beweifen,, Abentheuerid; | 


303 


keit, Leichtfinn, ja fogar Schwindelei und Betrug — falls er 
deren fehuldig fei — kämen auch bei ächten Prinzen vor. — 
Die Nationalzeitung behandelt die Sundzollfrage, fehr 
feindlich gegen Dänemark, deſſen Berfahren in Schleswig⸗ 
Holftein hart gerügt wird. — Ein Ausfhuß namhafter Män- 
ner in Berlin, die Bürgermeifter Krausnid und Naunyn an 
Der Spiße, fordert öffentlich zu Geldbeiträgen für die vertrie- 
benen fchleöwigsholfteinifchen Prediger und Beamten auf. 
Der König foll außerordentlich empfindlich fein, wenn diefe 
Sache berührt wird; er vergipt nicht, daß ihm vorgeworfen 
worden, er habe dad Unglüd diefer Leute auf feinem Gewif- 
jen. Sein Wunſch wäre, fagt man, daß aud) die Sundzoll- 
frage ruhen bliebe, jede Erwähnung Dänemarks ift ihm zur 
wider, — 
In Rahel’8 Papieren gearbeitet, Ergänzungen, Anmer⸗ 
tungen. Dies ift doch einmal mein Lebensberuf, alles andre 
dagegen nichts. Im einundfichzigften Jahre fieht manches 
anders aus, als früher; aber in Betreff Rahel's ſeh' ich und 
fühl’ ich noch wie in frühfter Zeit. Die Kränkungen, Kämpfe, 
Schickſale, die fie hat beftehen müffen, regen mich leidenfchaft- 
lich an, und diefe fhmerzliche Reizung nur ift fchuld, daß ich 
nicht täglich in ihren Briefen lefe, mich an ihrer Kraft und 
Anmuth erfreue. — | 
Gegen Herrn von Hindeldey ftiegen ſchon feit einiger Zeit 
allerlei Wolken auf, die zum Gewitter fi zufammenziehen 
tonnten, bis jebt wußte er fie immer wieder zu zerftreuen. 
Sept aber heißt es, der König fei durch bedeutende Stimmen 
veranlagt worden, im Stillen eine Kommiſſion niederzufeben, 
welche unterfuchen foll, wiefern das Walten der Polizei. fich 
in den Schranfen der Geſetze gehalten oder bei etwanigen 
Hebergriffen das allgemeine Staatswohl gefährdet habe? Die 
Mapregel könnte ihr Gutes haben, jedoch geht fie zum Theil 
von der Kreuzzeitungsparthei aus, und ihr liegt perjönlicher 





304 


Haß zum Grunde. Statt Hindeldey foll — Peters komm! 
Warum nicht Goediche, warum nicht Ohm? Sit dies Geüär 
erit im Beſitze der Polizeimacht, fo wird es fie noch weit im ji 
handhaben, ald Hindeldey es gethan. Im Jahr 1814 jm | 
man in Parid: „J’ai vu le roi — le pauvre sire! Jan 
monsieur — vive le roil* — 

Der Feldmarſchall und Oberſtkammerherr Graf von dehn 
foll an der Spige der ftillen Kommiffion ſtehen. Die Be 
nung geht dahin, man wolle Hindeldey behalten, aber k 
ſchränken. Das wird er [hwerlich annehmen. Gegen Petr Je 
ift wirflih von einer Mordanklage mehr und mehr de 
Rede. — | 

Der König ift von plöglihem Unwohliein befallen wer: 
den. Es ſcheint aber von feiner Bedeutung gewelen ji 
fein. — ' 





— — — — — 


Sonntag, deu 4. November 1888. 

Der hannöverſche Obergerichtsaſſeſſor Pland in Danner 
berg, vor kurzem noch in Aurich, ift wegen feiner getrudter 
Anſprache an die Wähler zur Kriminalunterfuhung gezogen 
worden. In Disziplinarunterjuchung ift er bereits. — Di 
hannöverſche Ständeverfammlung ijt einberufen. Schön 
Berwidlungen durch die fchändliche Oktroykrung! Auch Hanne 
ver foll alles Durhmachen! — 

Die ehemaligen Reihdunmittelbaren machen dem König ' 
viel Verdruß. Er möchte ihnen alle Ehren zugeftehen, at 
nicht auf Koften feined Anfehens und feiner Macht. Siet 
wollen ſich aber mit bloger Huld nicht abfpeifen laſſen, ſonden 
fordern die von der deutſchen Bundesakte ihnen zuerfannten | 
Borrechte: Sie wollen am Bundeötage Flagen. Der Kimy 
läßt mit ihnen unterhandeln. Die meiften haben ſchon frk. 
ber manche ihrer Anſprüche fih abkaufen laffen. Aber mar. 


. 805 


ird ihnen doch noch Vieles zugeftehen, dem Geifte der Ver: 
fung und des preußifchen Regierungsweſens entgegen. 
ver verftorbene Oberpräfident von Binde wollte fhon vor 
nigen dreißig Jahren über diefe Nachgiebigkeit ded Teufels 
den. Der König will vor allem, daß die Herren ihren 
i8 in feinem Herrenhaus einnehmen. Als Körperfchaft 
U man fie nicht anerkennen, und weigert fih, mit ihrem 
oollmächtigten zu unterhandeln. Der Erbprinz von Bent: 
im-Steinfurt fuchte als folcher aufzutreten. In die Gunft, 
e man für fie hat, mifcht fih einige Erbitterung. Diefe 
ute verfiehen ihren Bortheil nicht! — 


Montag, ben 5. November 1855. 


„SFreundfchaftliche Briefe von Goethe und feiner Frau an 
Uolaus Meyer. Aus den Jahren 1800—1831. Leipzig. 
356.” Hier lernt man Goethe von einer neuen Seite ken⸗ 
en, das Glüd ſeines häuslichen Verhältniffes, den Werth 
Iner vielverfannten und mißbeurtheilten Frau. Daß Niko⸗ 
us Meyer, Medizinalrath in Minden, mit Goethe'n in naher 
eziehung geftanden, war mir längft befannt. Sein früh 
ftorbener Sohn Karl war noch bei Lebzeiten Rahel's viel in 
iſrem Haufe, und der Vater fchrieb nach dem Tode des Soh⸗ 
3 dephalb einen Dankbrief an Rahel, der bei meinen Auto- 
apben liegt. Wie fich in der Welt eined an dad andre und 
legt alled zufammenreiht! Auf die Veröffentlihung einer 
vethiſchen Brieffammlung von dorther war ich am wenig» 
m gefaßt. — Auch dad Morgenblatt theilt weitere Gefchäfte- 
iefe von Goethe mit, die feine Thätigkeit und feinen immer 
zſamen Antheil im fchönften Lichte zeigen. Das Leben 
jed Einzigen in allen feinen Richtungen und Entfaltungen 


ch einmal mits und durchzuleben, gewährt uner chopfichen 
Barnhagen von Enſe, Tagebücher. XII. 





806 


Ertrag, unerfchöpfliches DBergnügen ‚es if der Nik 
werth! — 


Dienstag, ben 6. November 1865. 

Der Publizift verhöhnt die Volkszeitung, weil fie fih I 
Prinzen von Armenien angenommen, und fucht das Pelin 
verfahren zu befhönigen. — Jagdfeſte des Königs, luft 
und fromme Reden, die er bei diefer Gelegenheit gehalten ht 
auch politifhe Worte follen gefallen fein, ganz im Sinne kt 
Kreuzzeitungsparthei. Man fürchtet fehr für des Könige Ge 
ſundheit, fie fei nur eben fünftlich geflidt, und da er fiegu 
eifrig immer als haltbar zeigen wolle, könne fie um fo lade 
wieder reißen. — 


Mittwoch, den 7. November 1885. 

Ich begann einen Brief an Frau von Nimpiſch, wur 
aber unterbrochen durch den Beſuch des Sanitätsrathes Dr 
Nuge. Diefer hatte einen Brief aus Brighton von feinm 
Bruder Arnold und gab ihn mir zu lefen! Mir vermirrte ſi 
der Kopf, mir zitterten die Beine bei der Schredtendnadndl, 
dag Hugo Frand in feinem Bette erwürgt, der Vater tobt af 
dem Steinpflafter gefunden worden, aud dem en aan 
herabgeftürzt! Am 3. November früh um 6 Uhr. 
Ruge war den Abend vorher bei ihnen gewefen, date jr 
Sohn hatten Schach gefpielt, der Sohn, feinem Wunie ge 
mäß als Seefadet auf einem Oftindienfahrer angenomme, 
follte im Dezember feine Reife antreten. Was ift vorgefale' 
zwifchen Bater und Sohn? was in jedem? wie ift das Unkel: 
gefchehen? Das wird wohl ewig ein Geheimniß bleiben! W 
glaube an Sinnesänderung ded Sohnes, die er nicht bekennen 
wollte, obfhon fie den Vater beglüdt hätte. Doch unmörhh) 









807 


bed nicht, daß auch der Vater felbft Hand an den geliebten 
sohn gelegt habe, wie dert zuerft angenommen war! Schreck⸗ 
ch, gräßlich! Arnold Ruge hatte feinem Bruder aufgetragen, 
zerft mich, dann auch Humboldt von dem Unglüd zu benach⸗ 
chtigen. ch mußte ein paar Einführungdzeilen an lebtern 
hreiben. Ludmilla’d Entfeben bei der Nachricht. — 


Donnerstag, den 8. November 1855. 

Alle Zeitungen bringen die Franck'ſche Schreckensgeſchichte 
ı wenig abweichender Faſſung. Auffchluß giebt keine, Tann 
ine geben. Wie fam Hugo Franck zum Tode? Unlööbares 
täthjel! — Nur die Nationalzeitung hat nichts, auch felbft im 
bendblatte nichts. — Ueber Hugo Frand fteht ein merkwür⸗ 
iges Wort in meinem ZTageblatte vom 10. April d. 3. — 
uch dad vom 6. iſt nachzufehen. — 

Der ehemalige fchledwig-holftein’fhe Major Wyneken, 
Mfigier in Willifen’d Generalftab, ift am 2. November zu 
tegen in Oftfriesland am Nervenfieber geftorben, wo er Di- 
tor einer Strafanftalt war. Wohl den Sträflingen! er 
ar ein harter, tüdifcher Menih. Willifen vertraute ihm 
br, viel zu fehr. Sch hielt ihn für einen aufgeblafenen, un- 
iwerläfjigen Fuchsſchwänzer, deilen Dienft in Schledwig- 
yolftein bei feinen Enechtifchen und frömmelnden Gefinnungen 
tir unbegreiflih war. Willifen ift von ihm gradezu miß- 
ritet, verrathen und fehr befchädigt worden. Wyneken's 
Jenehmen in der legten Schlacht war eigenmächtig, feige, vers 
aͤtheriſch. — 

Antwort des Königd an die Stadtverordneten, die ihm 
ım Geburtötage Glüd gewünfcht hatten. Er fchreibt ihnen, 
ı erfreuend der Ausdrud ihrer Gefinnungen ihm geweſen, 
o betrütbend mußte der Eindrud fein, den Die kurz vorher in 


rfelben Stadt vorgenommenen Wahlen zum Haufe der 
| 20° 


308 


Abgeordneten auf ihn gemacht.“ Was für Begriffe mal 
hier! Welche jämmerlichen Einflüfterungen müffen hier fat: | 
gefunden haben! Männer, wie Schwerin, Patow, Kühne, m 
diefer Gelegenheit fo zu beichimpfen! Man würde eimk 
glauben, aber dad Kabinetöfchreiben iſt authentifch, ift geht, 
und wird morgen in der Spener’fchen Zeitung ftehen. — Tr 
Schaden, den der König durch ſolch unbedachte Ungehörisfs 
ten fich zufügt,, ift ganz unberechenbar. Die Gemüther in 
immer geneigt, ſich ihm wieder etwas zuzumenden, aber uf 
diefe Weife ſchreckt er Taufende wieder zurüd. Und was le 
er? Die amtlichen, gebotenen, heuchlerifchen Gefinnunge kt 
Stadtverordneten, die nur in Worten, in falfchen Born 
beftehen, von den meiften Mitgliedern mißbilligt oder be 
lächelt! — | 

Es giebt fo verworfene, nichtöwürdige Qumpen, die da J 
Bolfe zumuthen, den 9. November ald einen Ehrentag rw 
ßens feftlich zu begehen, wegen des Staatäjtreiche vom 9. 9 | 
vember 1848! Das Volk hat aus jenem Fahr andre Fehtaz 
im Herzen! — 

„Militärpolitil. Mit befonderer Beziehung auf ei Ei 
derftandöfraft der Schweiz und den Kampf eines Mile P 
gegen ftehende Heere. Bon Wilhelm Schulz⸗Bodmer. Kir 
jig, 1855.* Ein ftarfer Band, Gin ernftes, gediegm 
Werk, voll großer Anfihten und treffender Zufammenitdur 
gen. Der Berfaffer ift der ehrenwerthe, treffliche Darmilib 
ter, der ſchon vorlängft für deutfche Freiheit gekämpft ud 
gelitten, — 

Malmene ift noch nicht begnadigt. Manteuffel ik ir 
ihn, Hindeldey gegen ihn. Man glaubt, die Polizei hi 
das Gerücht von feiner Begnadigung abfichtlich verbreitel, m 
diefe zu verhindern, denn man feßt voraus, der Rönig merkt 
nicht gern hinterher thun, was man als gethan fchon werfün 
det, ihm fo zu fagen vorgefchrieben hat! — | 





309 


t König foll fi) münblih darüber, daß die Berliner 
:afen von Schwerin, den Geh. Legationsrath von Patow 

n Steuerdireftor Geh. Rath Kühne gewählt, in den 

en burfchitofeften Ausdrücken ereifert haben. Der 
:äfident Flottwell hat ihn himmelhoch gebeten, in der 

rt an die Stadtverordnneten die mißbilligende Stelle 

affen. Der König fchien ed auch einzujehen; nachher 

fann er fich wieder, und ſchrieb fie doch. — 

hneken hieß Klaus, und war 36 Jahr alt. — 


Freitag, den 9. November 1855. 

e Nationalzeitung berichtet heute kurz über die Franck'⸗ 
taftrophe;; fie nimmt an, der Tod des Sohnes fei durch 
Serzfchlag verurfacht, da auch die Mutter an einem fol- 
Öglich geftorben fei. Da wäre dann freilich die Sache 
) aufgeflärt. Aber warum fprachen die erften Nachs 

jo beftimmt von „erwürgt*? wieſo rief der Vater 
ft um Hülfe? Einen Leblofen ſucht man in’3 Leben 
rufen, man glaubt nicht fo fchnell an Tod, am wenig⸗ 
‚einem geliebten Kinde! Bon einer Leichenöffnung wif- 
noch nichts. — | 
dgegangen, mit Ludmilla. Herren von Binde (Olben- 
efprochen; die Regierung hat die auf ihn gefallene 
ils Kreisdeputirter nicht genehmigt, wegen feiner polis 
Gefinnungen! über dad Schreiben des Königs an die 
erordnneten! — 


Sonnabend, ben 10. November 1865. 
. Urnold Ruge in Brighton hat in einem Brief an die 
News in London erflärt, beide Annahmen, daß Franck 
Sohn oder daß diefer ſich felbft umgebracht habe, feien 





310 


falſch und nicht ftatthaft, der Sohn fei an einem Hetzleiden 
geftorben. Er widerfpricht alfo feiner eriten Meinung rel; 
fommen. 

Beſuch von Herrn **. Das Franck'ſche Unglüd. Wr 
gingen die Goroner’d Verhandlung genau durch. Auffalln, 
dag die Gefhwornen bei dem Sohn darauf beharrten, erin 
erdrofjelt worden, Außer dem Arzte Dr. Carter war ned m 
MWundarzt bei der Unterfuhung. — 

Das Stadtgeriht in Magdeburg hat am 9. die freie Go 
meinde in Magdeburg nicht freigefprochen, fondern verurtkeilt 
und für immer gefchloffen. Sie fei ein politifcher Vertin. J 
wird behauptet! Geldftrafen von 10 Thalern für die dor 
fteher. Uhlich indeß perfönlich freigefprochen. Die Gemeinde 
wird appelliren. Es wird ihr nichts helfen. Die Biltir- | 
gewalt greift um fih. — 

Ein Schulvorfteher Rettfchlag hat an der Spige ine# 
Bürgerdeputation den Minifterpräfidenten von Wantıfe? 
wirflih am 9. zu diefem Tage beglüdwünfht. Seine Anı® 
ift nicht mitgetheilt, wohl aber die Antwort des Minifters, vn 
überaus kläglich ift! — | 

Der Kirchliche Anzeiger theilt -folgende Angaben mt = 
In einer hiefigen Gemeinde von 20,000 Seelen rechnet use ® 
7 bis 800 als regelmäßige Kirchenbefucher, etwa 600 bis INC 
fommen ein= oder zweimal im Jahr zur Kirche, und 10,000 
nie! Das foll nun eine Anklage gegen die Gemeinde ver: 
ftellen! In Wahrheit ift es eine gegen die frömmelnden und 
fanatifchen Kirchenbehörden und Prediger, das Bolt vermuft 
diefe widerwärtigen Pfaffen, das Volk ift religiöfer als fie, «4 
verwirft fie aud frommem guten Sinn. Unter Friedrich dem 
Großen waren die Kirchen nicht fo leer wie jetzt, — mit Aus 
nahme einiger, wo Die Heuchler zuftrömen um gejehen ju 
werden. — 










311 


Montag, ben 12. November 1855. 

Die Montagspoft liefert die glimpflichite Angabe über das 
Franck'ſche Unglüd; der Sohn am Herzichlag geftorben, der 
Bater hülfefuchend aus dem Fenſter, das er ftatt der Thür 
öffnete, geitürzt; — unerflärlich bleibt dabei, daß die Todtens 
(hau in Betreff ded Sohnes hartnädig auf Erdroffelung 
beftand. Und auch ob die Fenſter der Art waren, daß es 
möglih war fie mit der Thüre zu verwechfeln, ift noch ganz 
ungewiß für und. Schauderhafted Dunkel! — 

Das Schwurgericht hat Die wegen Beftechung eines Teles 
graphenbeamten mit diefem angellagten Börfenfchwindler 
heu te verurtheilt, auch den reichen Kaufmann Meyer, unges 

acht et der meiiterhaften Vertheidigungsrede, welche der Rechts⸗ 
anwalt Gall für ihn unter größtem Beifall gehalten hatte. 
An feiner Schuld konnte nicht gezweifelt werden. Seine 
Strafe ift 21/, Jahr Gefängnig und Zjährige Entziehung der 
Eh Tenrechte. — 


Mittwoch, den 14. November 1855. 

Auf und ab gehend überlegt’ ich mir frühere Lebensgeſchicke, 
und fand entichieden Anlaß mich der Führung zu freuen, Die 
mie zu Theil geworden, und die faft nur eine wiederholte 
Rettung war. Wie fchredlich, wenn ich 1809 mich ald Arzt 
in Hamburg niedergelaffen hätte, unter den damaligen Lebens⸗ 

verwidlungen, mit noch nicht audreichenden Kenntniflen, 
meinem ftrengen Gewiſſen, und in fo trüben Umftänden! 
Wie kläglich, wenn ich in öfterreichifchem Dienfte geblieben 
und jegt General oder Gefandter wärel Wie gut, daß ich 
den rufliichen Dienjt wieder verließ, obſchon mir dort die 
glänzendfte Laufbahn eröffnet war; wie gut, daß ich nicht mit 
Tettenborn in badifche Dienfte, nicht auf des Königs von 
Würtemberg Ruf in feine Dienfte trat! Und felbit, daß ich 





312 


im preußifchen Dienfte fo früh feheiterte, muß ich preife; 
was wär’ ich jebt, wenn ich ein verbrauchter, ausgehöhlte 
Gefandter wäre, mit oder ohne Poſten! A dieſem glänzende 
Elend hat mich die Neigung zu Rahel entrüdt, und das zi 
diefer Neigung verbundene Wahrheitds und Freiheitsgefühl 


Ich preife mich glücklich, daß alles fo gefommen ift, wien — 


nunift! Trotz allem Berluft, allem Bermiffen, allem Ber 


fehlen! ch überlegte mir befonderd auch den in Tübingen 


verlebten einfamen Winter von 1808 und 1809, mit großen 
Wunder, was alles ich in diefer troftlofen Rage that, leiftele, 


unternahm! Die Jugend hat große Kräfte und vertraut ihnen | 


forglod. — 
Zwei Bediente, des Generald von Gerlach der eine, der 


andre des Kabinetsraths Markus Niebuhr, find verhaftet und 


in Unterfuhung wegen Diebftahld von Depefhen! Känfe 
und Berrath find in diefen Kreifen heimifch; was im gegebenen 
Falle vorliegt, wird die Zukunft lehren, — oder auch nidt! 


In Kreuzzeitungs- und Ruffenfachen wird gern vertufht, ur # 


büflt. (Die Briefe Gerlach's und Niebuhr's nach St. Peter 
burg follen nach London verrathen worden fein!) 
Dr. Collmann wegen des Märzlomplottö zu vierjähriger 


Haft verurtheilt, aber wegen Krankheit vor der Zeit entlafen, | 


ift in Brieg geftorben. — 

Man erzählt, der König habe ſich vom Hofrath Loui⸗ 
Schneider die Times, nad) Andern war ed der Moniteur, vor⸗ 
lefen laffen, bei einer Stelle fei er aufgefprungen und habe 


gerufen: „Hier ift Landesverrath! Den Inhalt der ha 


erwähnten Depefchen kennen außer mir nur Gerlah wm 


Niebuhr.* Darauf fei Hindeldey herbeigerufen worden, nd 
der habe die Bedienten Gerlah’3 und Niebuhr's ala ve 


Schuldigen entdeckt. Der König meinte, die Sache müffe ven 
Leuten an den Hald gehen, es ftehe Todesftrafe auf Landel⸗ 
verrath, und nun foll er fehr fchimpfen und toben, da ver 





313 


vorliegende Fall in keinem Gefep bezeichnet ift, dag hier gar 
kein Verbrechen ftattgefunden, fondern nur eine arge Neugier 
und ſchlechtes Betragen, — 


Donnerstag, ben 15. November 1855. 

Ein Schaufpieldiener fam durd eine herabgefallene 
Soffite zu Schaden und ſtarb. Geftern wurde er begraben. 
Der Unfall war an einem Sonntage geihehen, davon nahm 
der Geiftliche Kober, der auf dem Kirchhof feine Rede hielt, 
den Anlaß, hier den Finger Gottes zu fehen, der die Sonntags⸗ 
arbeit ftrafe! Das dumme Vieh! Da müßte jeder Soldat, 
der auf dem Poſten fteht, jeder Kutſcher, jede Köchin geitraft 
werden, ja das Vieh von Prediger ſelbſt! Bon dem wäre 
freilich unverbrüchliche Ruhe beffer, als feine ruchlofe Arbeit! — 

Der Theaterintendant Hr. von Hülfen fuhr fogleih vom 
Kirchhofe weg, ald Kober obige Schändlichfeit fagte! — 

Großer Lärm über das Konkordat Defterreichd mit dem 
Pabſt. Daffelbe giebt der Kirchengewalt alled preid, fie wird 

weltliche Obrigkeit, ftraft, hat Gefängniffe, Güter, beauffich- 
tigt die Schulen ꝛc. Ganz dad Gegentheil von Joſeph des 
Zweiten firhlihen Ordnungen! Würde es ganz ausgeführt, 
To wäre es fchredlih. Aber au dann — würde ed nur den 
Abfall befördern, die Menfchen abfchreden; — man ift nicht 
mehr gezwungen in Defterreich Fatholifch zu fein. Ich ſehe in 
dem Konfordat nur eine Drängung zum Proteftantenthum. — 


Freitag, ben 16. November 1855. 
Die Ruffen am 13. Oftober von Omer Paſcha auf der 
Straße nad) Kutaid gefchlagen. — Die Kreuzjeitung, höchſt 
unzufrieden mit den Kriegsthaten der Ruffen, will deren Sache 





314 


verlaflen, beißt ed! Der ärgite Spott auf die Kreupatung 
und auf die Ruſſen! 

Der „Rheins und Moſel-Bote“ in Koblenz ift von et 
Megierung verwarnt und bedroht worden; er foll feine ſich⸗ 
tung ändern, fonft werde man ihn verbieten. Er ua 
demnach lieber an, daß er zu erfcheinen aufhöre. Kin 
preußifche Preßfreiheit! — 

Humboldt erzählt von der Berhaftung der untreuen Diener ' 
Gerlach merkte zuerit etwas und machte die Anzeige. da v 
Demouſtier oder Eſterhazy die Depeſchen empfingen, etſchie S 
gleich fabelhaft; ebenſo, daß Manteuffel Hinter der Sache ſider 
nicht fo die Annahme, daß Hinckeldey die Leute zu feine S 
Spähern gemacht habe. Zwifchen ihm und Gerlach jole um 
heftige Auftritte vorgefallen fein, bei denen aber Hindelte = 
der Troßige war. — 

Humboldt befchreibt in feiner Art die Abende beim King 
Er nennt den Schaufpieler Louis Schneider feinen Kollege, 
weil auch der dem Könige vorlieft; er habe aber aud erme 
Kollegin an der Generalin von Luck erhalten, die leje deu 
Könige Anekdoten vor, wie fie in Meidinger'd Grammar? 
ftehen, der amüfire fich göttlich, lache aus vollem Halje; „men | 
ich ihm vorlefe, fchläft er ein.‘ — 












Sonnabend, den 17. November 1855. 
Der priviligirte Gerichtaftand für die Mediatifirten 1 W 
durch Königliche Verordnung wiederhergeftellt. — Die bita J 
Häufer „des Landtags * auf den 29. einberufen. — 
Der Großherzog von Hefjen » Darmftadt bier eingetrofet. 
Ein ſchmeichelnder Feind! Der König liebt ſolche Bezeigunge, | 
fieht darin den Glanz feiner Macht, jeined Hofes. — | 
Herr von Burgdorf beklagt bitter, daß fein geliebter Könt, 
bei fo viel Berftand und Geift, in dem Wahne alles nad 


315 


m Sinne jelber zu beitimmen, doch nur das Spielmwerf 
känken und verftedten Betreibungen fei, und alles thun 
„was die Bamarilla wolle. Die widerfprechendften 
ifie jtrömen in ihm zufammen, und machen ein Gebraus 
Sewirble, aus dem doch immer diejenigen, die am meiften 
in find, ihren Bortheil gefchidt herausfinden. Auch 
eneral von Wrangel, den die Kamarilla nicht mehr leiden 

Magt über Ränke, Arglift, Fallftride! Und follte nicht 
Hindeldey Hagen? Wem ift denn wohl hier? — 
Die Kreuzzeitungsparthei, die den König mißachtet und 

geht recht eigentlich darauf aus, ihn in der Meinung zu 
ide zu richten. Während fie felbft immer fo thut, ale ſei 
tuter Verehrung, Bewunderung, Liebe, drängt fie ihn 
zu Handlungen und Audfprüchen, die ihm beim Volf alles 
ben, fo daß er nichts behält, ald die Scheinbezeigungen 
Zarthet und der zur tiefften Knechtſchaft herabgewürdigten 
den.“ Auf Bunfen wird am Hofe wacker gejchimpft, 
i fein Ehrift mehr, habe bisher nur geheuchelt ꝛc. — 
jen, von Niebuhr dem Bater gehoben und der höchften 
ft empfohlen, wird von Niebuhr dem Sohn unter die 
' getreten. — 


Sonntag, ben 18. November 1855. 
118 der König zulest in Preußen war, beſuchte er auch 
Sut des Herrn von Fahrenheid, wo deffen reiche Kunſt⸗ 
ungen fich befinden. Der König bewunderte bejonderd 
enetianifches Glas, und rief aus: „Meine Kerld bringen 
lie ſolche Sachen!” (Seine „Kerls“ find Wangen, Olfers ıc.) 
Befiker war abweſend; er fchenkte fpäter dem Könige dad 
yeute bei Kranzler legte ein ältlicher mir unbefannter Herr 
adependence belge mit fihtbarer Zufriedenheit aus der 


816 


Hand und richtete dabei das Wort an mich, die Briefe au 
Paris über die Preiövertheilung feien ſehr leſenswerth, der 
Kaifer habe fehr einfach, edel, aufrichtig und klar geſprochen 
derfelbe fei doch wie fein Anderer, der ehrlichite und Flügk, 
ohne Hinterhalt. Ich konnte nicht antworten, der Mann mu 
im Abgehen! Ein deutfcher Bonapartift! Nun ja, wir leiten 
in allen Fächern etwas! Ach würde ihn ſchön erſchreckt haben | 
duch die Beiwörter, die ich feinem Helden gebe; mir bleibt | 
der —, — 

Humboldt befam neulich einen Brief aus Amerika von 
einem angeblichen Sohn, der ihn tres-venerable pere nennt 
und fih Humboldt unterzeichnet. Dies ift nur eine lächerlich 
Borfpiegelung; Humboldt verfichert, in Amerika ſtets fuld | 
gelebt zu haben. — 

Preußen und Defterreich geben einander gegenfeitig die Bers 
fiherung, daß bei ihren Abfichten auf eine Reform des deutfchen 
Bundes in feinem Fall eine Volkövertretung oder parlamen 
tarifche Ausbildung ded Bundes gemeint fei. Das glaubt man | 
beiden ohne Betheuerung. Uber wenn man fich der Ber 
heißungen von 1848 erinnert, der Urtheile, welche damald ven 
den Regierungen felbit, befonder® vom Könige von Preufen, 
ausgeſprochen wurden, fo Flingen obige Verficherumgen dd | 
gar naiv! — | 


| Montag, ben 19. November 1855. 
Die neuefte Nummer des preußifchen Wochenblatte und 
auch der legte Kladderadatich — diefer aber zu fpät — find von | 
der Polizei in Befchlag genommen worden. Das Bethmam 
Hollweg'ſche Blatt fol die Einmifhung der Behörden in de 
Wahlen freimüthig befprochen, und zugleich eine Anfpielung 
auf den Unmillen des Königs in Betreff der Berliner Wahlen 
gemacht haben. Weber diefe Aeußerung ded Königs hört mar 





317 


on allen Seiten, au von Hofleuten und Staatöbeamten, den 
ntichiedenften, den kräftigſten Tadel. Der Graf von Schwerin 
oll willend fein, die Sache auch beim Landtage felbft zur 
Sprache zu bringen. — 

Der Graf Schwerin, an mehreren Orten gewählt, hat die 
Vahl von Anklam angenommen, die andern abgelehnt. Seine 
seinde hoffen jene zu beanftanden, und wenn die für ungültig 
rklärt würde, ıhätte er dann feinen Sit. Mit ſolchen Arg: 
iften und Betreibungen fucht die Kreuggeitungsparthei ihre 
Sache zu fördern. 

Der berüchtigte Held, im Jahre 1848 ala politiſcher 
zaukler thätig, wird jetzt, mit Erlaubniß der Polizei, ein 
Jeldengedicht auf Friedrich den Großen hier öffentlich vor- 
ragen. Es gab eine Zeit, wo die Polizei ihn fürchtete! — 

In Goethe gelefen; in Leo's drittem Bande; die Gefchichte 
von der Flucht des Königs nad) Varennes erzählt er mit bittrem 
John, ein Jakobiner könnt’ es nicht befier! Eigentlich ift Leo 
in Jakobiner, der ſich nur im Stoffe vergreift, und es ift noch 
ie Frage, ob er nicht, da Wüthen einmal fein Fach ift, nicht 
ım Tiebften gegen Fürften und Bornehme wüthete! — 

Ich finne und finne über die Schickſalswege, ſowohl die 
er Menfchen überhaupt und der Völker indbefondere, ald des 
inzelnen Menſchen, und fuche den Zufammenhang. Aber nur 
Streiflichter hellen da® Gewirre, man findet fich nicht zurecht, 
eine Geſetze find zu entdeden, nur dämmernde Bermuthungen 
ind Hoffnungen. jeder denkt, fein Leben könnte auch andere 
ein, ald es ift, dag heißt er erfennt die Nothwendigkeit nicht 
n, er widerjtreitet feinem Schidfal. Hieran läpt fich vieles 
nüpfen; auch die Betrachtung Wilhelm Meifter’d, daB dem 
Nenfchen nicht nur das Unmögliche, fondern auch fo vieles 
Rögliche verfagt ift. — 


318 


Dienstag, ben 20. November 1855. 
Nachrichten aus Stodholm. Die Anmwefenheit des Gens 
rald Canrobert ſetzt alled in die größte Aufregung, namentid 
zeigt ſich das Volk fehr ruffenfeindlih. Aber am Hof undu 
der Staatöregierung überwiegt die ruſſiſche Parthei, um 
die Lodung Finnland wiederzuerobern wird durch Bit 


Furcht niedergehalten, künftig der ganzen Macht Rußlandz 
bülflos bloßgeftellt zu fein. Man fagt, Louis Bonaparte jä 
zu Flug, um wirklich zu glauben, Schweden werde gegen Kuk 


land friegerifch auftreten, die Sendung Canrobert's ſei nur 
ein gelegentliched Gaukelſpiel, um andre Zwede zu fördern, 
namentlich Rußland Beforgniffe zu erweden. Warum, wenn 
es Ernft wäre, finge man nicht lieber mit Bolen an? — 
Sendung von Herrn Dr. Heinrich Pröhle, „Friedrich Lu 


wig Jahn's Neben *, ein ganzer Band höchſt ſchätzenswerthet | 
Mittheilungen, in denen auch meiner jehr günftig Erwähnung 
gefhieht. Wie bei dem Leben Ludwig Tieck's ift hier vide 


verfchwiegen worden, was doch den Menſchen weſentlich bezeich 
net. ch will den gehäfiigen Vorwurf, Jahn habe des friege 


rifchen Muthes, wie er fich vor dem Feinde zeigt, allzu jeht 


entbehrt, nicht beitärfen oder wiederholen, aber wie fommt es 


daß ein Mann feiner Art in folhen Ruf gerathen fonnte? | 


* &8 wäre ein. befondres Unglüd, wenn er nur durch Zufall 
alle vielen Gelegenheiten, wo er ſolchen Muth bemweifen konnte, 


verfäumt hätte! Auch fein Streben nach Geld, nach baurem | 


Einfommen und fonftigem Gewinn war eine Schwädk in 
feinem Karafter, er hielt an feiner Penfion fo feit, daß dk 
Negierung ihn mittelft diefer viele Jahre in unwürdigen Feſſeln 
halten konnte; damals war in Deutichland noch eine Stiw 
mung und ein Gemeingeift, die ihm die jährlichen taufend 
Zhaler leicht erjegt hätten, wenn er troßig geblieben wäre. — 

Die Neue Preußifhe Zeitung befpricht die auffallenden 
Aeuperungen Louis Bonaparte’d, die er an die Gewerböleute 





a. 


819 


bei Gelegenheit der Preiövertheilung gemacht, fie follten ihren 
Mitbürgern fagen u. |. w. Seine Worte werden genau 
geprüft, und jedenfalls ihre Anwendung auf Preußen ernft 
verbeten. | 


Mittwoch, den 21. November 1855. 

Neue Berlufte der Ruſſen; ungeheure Vorräthe theils 
mweggenommen, theil® zerftört. Der Kaijer ift wieder in St. 
Petersburg eingetroffen, er foll auf der ganzen Reife jehr 
niedergefchlagen und gepeinigt geweſen fein, objchon er ſich 
bemühen mußte, muthig zu fcheinen und Andre zu ermuthigen. — 

Der König erläßt an die Mitglieder des Herrenhaufes 
bejondre Einberufungdfchreiben, die fehr prächtig und förmlich 
find, nicht auf Papier, fondern auf Pergament gefchrieben, 
und die er felbft unterzeichnet. Der Einfall auf Pergament 
zu fchreiben, ſoll ihm befonders Freude machen, und durch dies 
Berfahren ihm nun das Herrenhaus nur noch lieber geworden 
fein. Für das Haus der Abgeordneten wird nach wie vor 
Papier gebraucht, und diefer Unterfchied wird mit Wohlgefallen 
hervorgehoben. „Byzantinifch“, würde Humboldt jagen. — 

Andre Lesart des Depefchenverrathe. in ehemaliger 
Bolizeifpürhund Herr Techen hat die beiden Diener mit gerins 
gem Gelde beftochen, und von den Papieren, die fie mittheilten, 
Abfchrift genommen. Dem Herm von Hindeldey bot er eine 
Abſchrift des vom Feldmarfchall Grafen von Dohna über ihn 
erftatteten Berichtd für 100 Thaler an; Hindeldey kaufte fie 
und brachte fie zum Könige, ihm zu zeigen, wie fcdhlecht der 
König und wie gut er felbft bedient fet, denn er habe hier eine 
Schrift, die er nicht follte zu fehen befommen. Hausſuchung 
bei Techen, wo man gar nichts fand. Aber man entdedte, 
daß er Papiere bei dem Direktor der Oberrechenfammer Geh. 
Rath Seifert — einft unter Rochow berühmtes Polizeihaupt 





320 


— niedergelegt, der bei angefündigter Haudfuchung fe ud 
lieferte, man fand Abfchriften aller geheimſten, vertraulihler® 
Mittheilungen aus St. Peterdburg, Angaben der Truppe 
ſtärke, der Ubfichten ꝛc. Alles dies fei in die Hände des fr 
zöfifhen Gefandten gegangen! — 

Seiffert ift fehr vertraut mit Gerlah und Niebuhr, me 
diefe zu fchonen hat Hindeldey feinen Namen dem Könige m— 
nicht genannt. Der König weiß nit, bei wen — 
Papiere gefunden worden ! 

Bei vielen Perfonen befteht noch die Bermuthung, Je 
Ganze gehe doch von Hindeldey aus, er habe wilfen wole 
was Gerlad und Niebubr willen und treiben, die Beſtechun— — 
welche Techen ausgeübt, fei diefem vielleicht unbewußt, em 
höhere gewefen. — 


Donnerstag, ben 22. November 1855. 

Es ift num unzweifelhaft, daß ein neues Wahlgefe, af 
ftändifche Gliederung gegründet, für das Haus der Abgeord 
neten beabfichtigt wird. Der König befteht mit Heftigfeit auf 
diefer feiner alten Borftellung, und die Minifter, denen u 
Sache fonft gleihgültig ift, müſſen alles aufbieten, fie durd | 
zufegen. Darum waren ihnen die lebten Wahlen fo wichtig 
daß fie jede Scham bei Seite feßten, um willfährige Stimmen 
zu gewinnen. Ob der König übrigend bei der Sadıe fein 
Rechnung finden wird, ift ehr die Frage! Bei den Provinziab | 
ftänden und bei dem Vereinigten Zandtage fand er fie nidt 
Macht Schabbed von eurer ganzen Berfaffung! Wie je m 
Wirklichkeit ift, kann fie und nichts helfen; es iſt lauter iu 
und Trug, nichtöwürdiger Schein und gemeine Tüde de | 
hinter. — 

Der König hat in der erften Yufwallung über den De 
pefchenverrhth die Herren Niebuhr und von Gerlach wegen 





321 


tachläffigkeit fchredlich herunter gemacht, und Niebuhr 
jar eine Obhrfeige davon getragen. ‘Der König ift fein 
die Sache gehört alfo in das ach der väterlichen 
jungen. 
i dem ehemaligen Polizeifpürhund Techen hat man doch 
ir Briefftüde von Niebuhr an Gerlach im Paletot ein- 
gefunden. Der König, jagt man, weiß von der 
grade fo viel ald er davon wiffen will; gewiſſe Ber: 
will er nicht bloßgeftellt fehen, nicht beftrafen müffen ; 
d alfo wohl alles unterdrüdt werden. Die Mangel: 
eit der Strafgefepe fommt fehr erwünfcht. Den beiden 
ten hat man fchon angetragen, mit einem Stüde Geld 
nerifa auszumwandern. Jeder befam monatlich 10 Thaler, 
jerordentlich wichtigen Sachen auch noch befondre Ber: 
. &3 war ein ordentliches Bureau eingerichtet, jeder: 
onnte hier Mittheilungen faufen, auch nad England 
eles. — 


Freitag, ben 23. November 1856. 
rt Prof. Hengftenberg und feine frau der Berläumdung 
ericht angellagt. Sie hatten in vertraulichem Zifch- 
h einen Negimentdarzt in Stettin befchuldigt, von der 
‚von Lehndorf eine Beftechung angenommen und dafür 
nilitairpflichtigen Hofmeifter für dienftuntauglich erflärt 
en. Die Sache ift unterfucht und der Arzt unfchuldig 
en worden. Der General von Grabow in Stettin hat 
jene Klage erhoben. Hengſtenberg's find außer fich über 
Bendung, und bieten alled auf, der öffentlichen Ber: 
ng zu entgehen. Der Suftizminifter Simons fagt: 
Bfaffen und Frömmler laufen mir dad Haus faft ein, 
‚tten mich das Nergernig abzuwenden! Aber — den 


wird's amüfiren, feinen lieben Hengftenberg gelinde 
nhagen von Enſe, Tagebüder. XII. 21 


322 


beftraft zu fehen.” Ein fchöner Beweggrund für einen Jufiy 
minifter! Sorgt für dad Amüfement ded Könige! — 

Die Geheimräthin Steffend weiß ganz gewiß, daß dt 
König den General Adolph von Willifen längft wieder hiehet 
in feine Nähe ziehen will, der General Leopold von Gerlach 
aber ſtets Mittel findet e8 zu verhindern. „ Der Mol!" ſagt 
fie. Er foll übrigend jept die Ohren fehr hängen lafım- ' 
Seine Sorglofigkeit fol wirklich übergroß gewefen fein, ex 
wollte feinen Diener zuerft ganz verdachtfrei halten, — 





Sonnabend, den 24. November 1855. 

Befuch vom General Adolph von Willifen, „Erzählungesz 
von Paris; der Marfchall Vaillant ein grober Bauerterl- 
Bemerkungen über hiefige Dinge. 

Abentheuerliche Gerüchte über den Depefchenverrath. Der 
Urſprung der Beftehung ſoll von Hindeldey ausgehen, dein 
Werkleute ihn aber betrogen haben, nicht nur ihm ihre Beute 
auglieferten, fondern fie aud anderweitig verhandelten; db M 
die Depefchen wirklich an franzöfifche und englifche Beauftragte 
gefommen feien, wird noch bezweifelt. Auch hört man: „Det 
König ift felber fhuld, wenn er fo fchändlich hintergangen | 
wird, warum duldet, warum befiehlt er folche Betreibungn 
überhaupt? warum ftraft er nicht alle Winkelzüge und Kniffe! 
Ferner: „Solche Wirthfchaft ift eine wahre Staatsfäulniß, 
da muß alles verderben! Die Türkei ift bier in ihrer [hled- 
teften Geftalt wiedererftanden. *— 

Frage, ob ein Minifter, ein General, wenn die Polizei 
Hausſuchung bei ihm hält, ſich dem unterwerfen muß? Un 
bedingt mit Ja beantwortet. Ein gerichtlicher Befehl wäre 
gefeplich erfordert, aber wird von der Polizei ſchon längſt nicht 
mehr eingeholt, auch nicht nachträglich. Die Polizeibeamten 
brauchen nicht zu jagen, auf weſſen Befehl fie kommen um 





323 


In; wer fich ald Beauftragter der Polizei meldet, dem 
geglaubt werden, daß er es fei, dem muß gehorcht 
n! — | 


Sonntag, den 35. November 1885. 

er Bundestag bat die Beichwerde des hannöverfchen 
follegiums wegen Verfaſſungsbruches ald unbegründet 
gewiejen. Ganz ded Bundestags würdig! Wie koͤnnten 
ie Regierungen in Hannover das verurtheilen, was fie 
ei fih zu Haufe felbft verübt haben! Die Deutjchen 
tallmählig, aber ficher, endlich erfennen, woran fie find. — 
nſre Regierung hat entfchieden die Abficht, ſobald es geht 
id es geht jetzt ohne Zweifel — die Legislatur= Periode 
3 Fahren auf 6 zu erhöhen und die Landesvertretung 
le 2 Jahre ftattfinden zu laffen. Kann fie mit Wahrs 
erjichern, daß es dabei fein Bewenden haben ſoll ? Keines⸗ 
! Wie foll man Herz und Sinn haben für dies unbes 
ige lügenhafte Zeug? Es geht ein-Gefühl der Unficher: 
der Unredlichkeit und Verderbniß durch die Leute, das 
einst der Regierung und dem Staate bittre Früchte bringen 
Jet hieſigen deutjch » Fatholifchen Gemeinde ift auch dieſes 
von der Polizei nicht erlaubt worden, eine Weihnachts⸗ 
lung für ihre Armenkinder zu veranftalten. Sie zeigt 
n den Zeitungen an, und bezeichnet den Ausweg, den fie 
‚ren Zwed einzufchlagen genöthigt wird. — 


Montag, ben 26. November 1855. 
Inter den Linden den Geheimrath Dr. Schönlein geſpro⸗ 
Er war in Warfchau beim Fürften Paslewitſch, der 


ungslos krank liegt, wit deſſen Ableben, meint man, 
21° 


324 


dürfte die Ruhe in Polen-zu Ende fein. Die Polen find ihm 
zugethan. Es find in Polen nur wenige ruffifche Truppen. — 
Unter den bei Seiffert gefundenen Techen’fchen Papieren 
befinden ſich Abfchriften von vertraulichen Briefen aus St 
Peteröburg, eines polizeilichen Spähberichts vom Polizeidirecter 
Lindenberg in Minden über alled was der Prinz von Preupen 
in Weftphalen gefagt und gethan, einer Denkſchrift des Graf 
von Münfter in St. Peteröburg über die ruſſiſchen Kräfte | 
und Pläne, ferner eine Sammlung von mündlichen Xeuje 
rungen ded Königs über die politifche Rage der Dinge, — 
entweder Gerlach oder Niebuhr muß diefe Blumenlefe gemacht 
haben. Das Merwürdigite und Bitterſte bei der Sache if, 
daß, viel mehr ald der englifche und franzöfifche Gefandte, Ne 
rufjifche und fogar auch die türkifche Geſandtſchaft aus dem 
Beſtechungsbureau Nachrichten gezogen haben! — 


Dienstag, den 27. November 1855. 
Der Brofeffor Heyſe ift geftern geftorben, fanft eingeſchlafen. 
Er kränkelte feit zwanzig Jahren, nur die zarte Pflege ſeinet 
Mugen Frau Julchen geb. Saaling erhielt ihn fo lange. — 
Der Arzt Dr. Hall in Brighton erflärt in der mediziniſchen 
Zeitihrift the lancet, daß Hugo Frand nicht natüclde 
Todes geftorben, fondern gewaltfam erdroffelt worden, m! 
deutliche Zeichen dargethan. Mehrere Perfonen, dank 
Dr. Franck's Bruder aus Paris, hätten nah genauer Bit 
tigung der Leiche nicht gewünfcht, daß eine weitere Unter 
fuhung ftattfände. Damit ift viel gefagt! — 





Mittwoch, den 28. November 18586. 
Man fagt, der Geh. Rath Seifert fei zwar arg bie 
geftellt in der Sache des Depefchenverrathe, aber es werde ihm 


825 


ichts gefchehen ; er wiffe aus früherer Zeit fo viel Perſön⸗ 
ches, dem Könige, dem Hof und Staate Wichtiges, daß man 
m fchonen müſſe. MUeberdied rühmt man feine Klugheit 
nd Gewandtheit, feine Liebenswürdigleit, — er werde fich 
bon zu helfen wiſſen! — 

Die Kreuzzeitungsparthei verfündet, daß fie eine frifche 
nd fihöpferifche Politik betreiben werde, und mahnt ihre 
Ritglieder zum Zufammenhalten, zur Thätigfeit, man müffe 
ie Regierung unterftüßen ꝛc., natürlich Die Negierung, die 
er Parthei zu Willen ift, fonft — werden die Junker ihr 
ntgegentreten, wie fie fihon immer gethan. Des Könige 
meinen fie ganz ficher zu fein, fo gut haben fie ihn gewonnen 
and umfponnen. Im Grunde hapt er die Parthei, fie hat 
ihm aber einzureden gewußt, ohne fie fei er verloren! Der 
Präfident von Gerlach verficherte neulich, der König fei der 
eichtgläubigfte Menſch im ganzen Lande, grade deghalb müffe 
tan wachen, daß er nicht auf Leute höre, die nicht von der 
:chten Art wären. — 


Donnerstag, den 29. November 1855. 

Der „Randtag* wurde heute auf dem Schloß durd) eine 
dede des Königs eröffnet; fie lautet ziemlich maßvoll, ohne 
Eifelttellen, die man dem Könige glüdlich audgeredet und 
Ibaeftritten haben fol. Es fiel fehr auf, daß der König ſich 
Anftrengte ftark und lebhaft zu erfcheinen, während er doch 
weder die förperliche noch die geiftige Mattigkeit zu verbergen 
im Stande war. Als der König neulich in der Singafademie 
erfchien, glaubte man gar er ließe fich führen, es war aber 
sicht der Fall, er fchlich nur mühfelig einher. — 

In der Rede des Königs ift nicht? von Aenderung des 
Bahlgefegeö, nichts von ftändifcher Gliederung, nody fonft 
zefürchtetes. Aber man traut nit, man glaubt an Ber: 


826 
zagtheit, an Arglift, an Ueberaſchung, nur nicht an Aufrichtig- 
keit. — (Man rechnet darauf, daß in dem Haufe der Apgeert- 
neten der Antrag gemacht werde, fo daß die Regierung nır 
einzuftimmen braucht.) 

Die Ruffen fürchten, dag die Weftmächte zum Frübjah | 
ihre große Heeresmacht nach dem Norden werfen; mit ihrm 
Schraubenſchiffen können fie binnen vier Wochen hundert: 
taufend Dann aus dem fchwarzen nach dem baltifchen Meere 
ſchaffen, das ruffifche Heer braucht mehr als vier Monate um 
dahin zu folgen. Die Oftfeeprovinzen und Finnland find nır 
ſchwach befest. In Polen ftehen nur 6000 Mann, in Bar: 
hau und Modlin. Die ganze Bevölkerung iſt unſicher. 


Freitag, ben 30. November 1855. 
Der König hat geftern die fünf oder ſechs Mediatifirten, 

die zum „Landtag ” endlich erſchienen waren, befonderd aut 
gezeichnet, fie in einem befondern Kabinet empfangen und fit 
huldreich mit ihnen unterhalten, während die andern Herren’ 
— warteten! Das haben ihm diefe andern „Herren“ ſeht 
übel genommen und man hörte ihre Unzufriedenheit fic laut 
ausfprechen. — Der Fürft von Fürftenberg war auch gelom— 
men, aber da er auch und mehr zum badifchen Landtag gehött, 
will er heute fchon wieder abreifen. Die Mediatifirten gelten 
alle für fchlechte Preußen, und die preußifchen Beamten find 
alle gegen fie geftimmt. Die Vorliebe ded Könige für fie wird 
allgemein getadelt. — 


Sonnabend, den 1. Dezember 1855. 
Brief und Sendung aus London von Herrn G. H. Lee, 
feine zwei Bände The life and works of Goethe. Grüßt 
von Miß Evans. Er fchreibt, ich würde wohl manchem feine 





327 


Urtheile nicht beiftimmen. Freilich nicht! Doc ift das Buch 
eine erfreuliche Erfheinung, und Fleiß und Sorgfalt darin 
find lobenswerth! — 

Direktor Dr. Krech iſt endlich als Direktor der neuen 
böhern Schule in der Friedrich Wilhelmeftadt von der Regie- 
rung beftätigt worden. Es war durchaus nicht gegen ihn 
einzumenden. 

In einem englifchen Blatte, fchreibt Lewes, fordert ein 
mwüthender Artifel die Vernichtung „of the accursed dynasty 
of Hohenlinden!“ anftatt Hohenzollern, ſpaßhaft 
genug! — 


Sonntag, ben 2. Dezember 18585. 

Die Volkszeitung macht aufmerffam darauf, daß wir wieder 
bevorrechtete Klaffen haben, daß ed aber nichts bedeute, was 
ein Stand im Staate fei und gelte, fondern man darnach 
zu fragen habe, was er dem Staate fei, dem Allgemeinen 
nüße? — 

Herr Schlivian wegen Beleidigung des Schaufpielerd 
Hendrichs zu der gelinden Strafe von 30 Thalern verurtheilt. 

Das Preußifche Wochenblatt und die Volkszeitung, anges 
Flagt wegen Beleidigung ded deutfchen Bundestages, wurden 
freigefprochen ; ihr Dertheidiger Rechtsanwalt Lewald machte 
unter andern geltend, daß preußifche Minifterialblätter noch 
vor wenig Jahren den Bundedtag gar nicht anerkannt, fondern 
den Klub in der Efchenheimer Gaffe genannt hätten. — 

„Bompeji in feinen Gebäuden, Alterthümern und Kunft- 
werfen für Kunft- und Alterthumsfreunde dargeftellt von Dr. 
J. Overbeck, Prof. in Leipzig. Mit Kupfern und dreihundert 
SHolzfchnitten. Leipzig, 1855.* gr. 8. — 

„Geſchichte der Architektur von Wilhelm Lübke. Mit 174 
Holzfhnitten. Leipzig, 1855.* gr. 8. — 


828 


Zwei fehr beachtendwerthe Tehrreich - ergöpliche Bücher. 

Herr Prof. Hoffmann von Fallersleben, abgefegt ven 
feinem preußifchen Lehramt, aber mit kleiner preußifce 
Penſion in Weimar lebend, hat vom Könige der Niederlank 
einen Orden erhalten, wegen der horae belgicae. Der Köniz 
hier foll fich fehr verwundert haben, daß ein in feiner Ungnar 
Rebender einen Orden befommt. Aber das Beifpiel wirkt gu, J. 
erinnert daran, daß man Berdienfte haben kann, aud ki 
abweichender politifcher Denkweife. — 


Montag, den 3. Dezember 1855. 

Gegen den mit großer Stimmenmehrheit zum Bürger 
meifter von Halle erwählten Regierungsrat von Voß in 
Merfeburg ift eine Vorftellung von einigen vierzig Unter 
fchriften bier eingegangen, um deſſen Beftätigung zu verhir 
dern. An der Spibe ftehen Leo, Pernice, Witte das Wunde J 
find. Ob diefe Klique fiegen wird? Man glaubt ed; obihn | 
der Minifterpräfident von Manteuffel fih für Herrn von Beh | 
erflärt hat, dem übrigend nichts vorzumerfen ift, ald dap et 
ein gemäßigter, geſetzlicher Mann ift. — 

Schwerin, Kühne, Wengel ꝛc. proteftiren in der zweiten 
Kammer gegen dad Wort „Randtag‘, die Mehrheit aber 
genehmigt deffen Beibehaltung. Der Minifter von Weſtphalen 
vertheidigt fich fehr jämmerlich in Betreff der von ihm veran- 
laßten oder gebilligten Wahlumtriebe. — Die ganze Wirth> 
ſchaft ift um darauf zu fpeien! Der Präfident von Berlach 
ſpielt wieder die alte freche Hanswurſtrolle. — 

In den Times wird die Rede des Königs bei der hiefgem 
Landtagseröffnung feharf mitgenommen. Der König, heißf 
ed, bilde fih wohl ein, er zeige fich al ein ruhender doc zum 
Sprunge bereiter Löwe oder gar Tiger, — aber er liege nut 








329 


ne friechende Schildfröte, die aus Angft alle Glieder 
e Schale gezogen hat. — | 


Dienstag, den 4. Dezember 1855. 

h vom General Adolph von Willifen. Erzählungen 
8, von Thierd, der vergnügt in feinen Arbeiten lebt, 
zugleich mit Louis Bonaparte geheimen Zufammen: 
„, er wird befragt, beſchickt, giebt manchen Rath, 
manche Weifung. Ganz hingeben und völlig unter- 
ll niemand jich dem neuen Machthaber, man ehrt die 
nd wundert fich, daß fie in diefen Händen ift. Ueber 
seniß der geheimen Späherei bier, — „eine nie zu 
Schande, ein freifendes Krebsübel, das den Staat im 
yirbt*. Alles ift unjicher, trügerifch, argliftig gewor- 
and traut mehr dem andern. Geheime Polizei, die 
auffrißt, das fchlimmfte Unheil, eine Saat des Der; 
AUltra's treten nun ganz offen mit ihrer Abficht her: 
etziges Mebergewicht im AbgeordnetensHaufe zu einer 
en Reviſion der Berfaffung zu benugen, und nicht nur 
Gliederung, fondern in allen Beziehungen ariſtokra— 
vorrehtungen einzuführen. Hierin ift die Kreuz- 
arthei mit dem König und mit den Miniſtern einig. 
ineinigung fönnte nur ftattfinden, wenn die Gerlach's 
Spiepgefellen allzu übermütbig würden, und nicht 
Minifter ihre Sache ausführen laffen, fondern felbft 
fein wollten. Wenn fie flug find, fo gehen fie für 
nicht zu weit, und bejcheiden ſich; die nächfte Zeit 
nen noch, das ift nicht zu bezweifeln! Aber weiterhin, 
n die Stöße kommen, dann fei Gott ihnen gnädig! 
rheit des Volkes kümmert fich wenig um die nächften 
ngen, fie rechnet auf die Zukunft. „Die Schritte 


330 


unferer Feinde jebt aufzuhalten, wäre ebenfo vergeben?, als « 
vergebend fein wird, fie Fünftig zu behaupten.” — 

Niebuhr foll keine Obrfeige vom Könige bekommen haben, 
aber einen heftigen Stoß vor die Stirn. Der König bat | 
gemerkt, daß Niebuhr an der Thür draußen horchte, ftich dee 
heftig auf, und traf ihn mit der Thür gegen den gehüdte 
Kopf. Mit Niebuhr’s Augen foll es ſchon beffer geben;.e | 
wird auf Urlaub nach Italien reifen. 

Niebuhr foll vom Könige gefchrieben haben: „Der Di: 
ift auf gutem Wege,“ worüber der König, der ed zu lefen 
befam, „Fuhewild* geworden fein ſoll. — 


Mittwoch, den 5. Dezember 1855. 
„Aus dem Eril. Bon Ludwig Simon. Gießen, 185." | 
2 Bde. Der ächte Geift des Jahres 1848, gefchichtlihe An | 
gaben aus derfelben Zeit. Sehr lefenawerth, gedankenwedend. 
Die fämmtlichen Demokraten, welche die Reaktion erfhiegen 
lieg — einige dreißig, meift durch preußische Kriegägerichte -, 
ftarben ihrer Sache getreu und ihrer Gefinnung würdig 
Sünglinge, Männer, Greife, alle voll Mutb und Faſſung 
Die Frankfurter Linke war bereit fich der Berliner anzuſchlie⸗ 
Ben, unterzuordnen. Uhland's Lob, Waldeck's, Temmes, 
Itzſtein's. 
Wie vieles weiß man, was man nicht ſagen kann; genan 
und ficher weiß man es, und hat doch nicht Worte dafür, weil 
jedes zu viel oder zu wenig fagt. Nach diefem innern Wiſſen 
aber, nicht nad) den Worten und Ausdrücken, die wir gebrau: 
chen, richten wir und im Handeln. Selbſt in unfern Bei: 
hungen zur Gottheit fehlt und oft jeder Ausdrud, und lann 
hier am leichteften entbehrt werden, die Formeln taugen hir 
am wenigften. — 





331 


Der Generalpolizeidireftor von Hindeldey hätte Tänaft 
Minijter des Innern werden können, die Stelle war ihm ſchon 
angeboten. Dan fagt aber, fein Ehrgeiz gehe dahin, gleich 
Minifterpräfident zu werden. Bis dahin laffe er gern den 
Herrn von Weftphalen Miniſter bleiben, der ohnehin alles 
thue, was Hindeldey wolle, diefer vereinige daher die befondre 
Miniftermacht mit der feiner Polizei, und ſei ſchon eine Art 
Sroßvezier. In den Depefchenverrath foll er auch tief ver- 
widelt, die erfte Beftechung von ihm, das heißt durch feine 
Werkzeuge ausgegangen fein. Doch diefe Sache wird abficht- 
lich im Dunkel gehalten, auch vom Könige, der fich vielfach 
bloßgeftellt fände, wenn man ftreng verführe, namentlich durch 
Die gegen feine Brüder angeordneten Spähereien. — 


Donnerstag, ben 6. Dezember 1855. 

Nicht nur dag wir graue Haare befommen, und Runzeln 
und dergleichen, macht und alt, fondern au, daß wir die 
Andern fo werden fehen, am meiſten aber, daß andre Sitten, 
andre Anfichten, andre Sprache und andre Worte herrichen ; 
am einareifendften und niederfchlagendften ift das Beralten im 
geiftigen Gebiet, ein Lied und eine Melodie, bei denen wir 
gefühlt, wird nur noch belädhelt, ein Lieblingsſchriftſteller, den 
wir verehrt, mit dem wir uns herangelebt haben, verachtet, 
ein und lieb gewordened Gemählde in die Rumpelfammer 
geworfen. Unfre Zeit ift hierin befonders ſchnell und hart, 
man fpriht von Goethe's beften Sachen wie von Beraltetem, 
ja ſchon von Beethoven gebraucht man folhen Ausdrud! Sie 
wollen alles neu haben, und wenn ed auch nur Flitter wäre! 
Aber fie bewirken doch nur, daß dad Mechte und Wahre ſich 
ausfcheide zu Ruhm und Ehre; fie verdrängen es vom Markt, 
aus dem Gewühl, damit es feine Stelle im Heiligthum ein- 
nehme, wo es für alle Zeiten bewahrt und verehrt wird. 





332 


Goethe ift wie Shafefpeare, wie Voltaire und Rouſſeau, mı 
Sophofle® und Homer, unfterblih! — 

Die Berhandlungen der „Häufer“ fönnen nur Unmile | 
und Efel erregen. Die Mehrheit ift ganz bei den Ultws. 
Nicht Graf von Schwerin ift Präfident des Haufes der Ab | 
geordneten, fondern Graf von Eulenburg. Damit if led | 
gejagt. Die Regierung hat Volksvertreter wie fie jene ! 
wünjchen mag, das heißt: feine! Wir wollen fehen, var 
mit ihnen treiben wird. Wenn man gefälfchte Bertrtung— 
ftatt der wahren Meinung des Volfed eine gemachte hat, [ee 
geht man auf gefahrvollem Wege. Die wahre Meinung mp 
fich außerhalb des Kreifes, in dem fie ihre Stätte haben fellte— 
geltend. Hatten die Peffimiften nicht recht, die fich der Wah E 
enthielten? Sie fehen lächelnd zu, wie die Regierung ſick⸗ 
mit ihrem „Landtag“ abquält, der nichts iſt, und den fie tod | 
behandeln muß, ald wäre er wad. Sie warten auf neue 
Krifen, neue Schläge, und die werden erfolgen, früh oder [mE 
das weiß man nicht; aber die freiheit hat alle Zeit, die lann 
warten, beſſer und fichrer als die Reaktion, die immer eilen 
muß, weil ihre Zeit abläuft. 

Wenn man fieht, wie die Heroen der Menfchheit von Zeit⸗ 
genofjen und Nachwelt verarbeitet, mißhandelt, entftellt, oder 
vergeffen werden, was foll man noch auf gefchichtlichen Ruhe 
und Ehre geben? Wie wird über Goethe geurtbeilt, ükt 
Friedrich den Großen, über Voltaire und Rouſſeau? Jederx 
Lump hält fich berechtigt über fie abzufprechen, wirft fie dahıma 
und dorthin nach Belieben, meiftert und hudelt! Das Belle, 
das einzig Tröftliche hiebei ift, daß fie doch die urjprünglige 
Geftalt nicht zerftören können, daß fie unter den Augen jedes 
freien und edlen Beſchauers fich augenblicklich wieder herſtellt. 
Und zulegt? Zuletzt werden Alle, wenn nicht vergefen, ut 
bloßen Sage, die nicht einmal den Namen ficher fefthält! — 




















333 


Freitag, ben 7. Dezember 1855. 

5 befomme den zwölften Band von Thiers. Adolph 
Billifen hat mir die Vorrede gerühmt; ich finde fie 
fällig, langweilig, ohne Würde, ohne Schärfe, voller 
tlichkeit, die doch ihres Zield verfehlt, kurz dad Gegen- 
yon allem, was fie nach des Verfaſſers Willen fein follte. 
Erörtern der Gefchichtfchreibung wiederholt nur allbes 
Wahrheiten mit dem Anfpruch neue zu fein; er trumpft 
Nebenbuhler ab, und ftellt fich ſelbſt als denjenigen bin, 
3 Wahre und Richtige leiftet; er will dabei fich mit dem 
wie mit dem neuen Napoleon möglichft gut abfinden, 
aber noch der vortrefflichfte Franzoſe fein „qui se con- 
de n’ötre rien dans son pays, en voyant ce pays 
lans le monde tout ce qu’il doit &tre.“ Diefe grobe 
eichelei noch für den Gewalthaber, der ihn aus dem 
gejagt! Als ob das Erfte was Frankreich in der Welt 
n bat, nicht fein müßte ein freied Volk, ein freier Staat! 
b Siege unter einem Tyrannen dafür ein Erfab wären! 
8 hat fich durch Diefe allerdings merkwürdige Vorrede 
gezeichnet, aber wider feinen Willen häplich, wie er ed 
ch iſt. — 

n der engliſchen Fremdenlegion zu Shorecliffe iſt ein 
»ant Goͤttſch, in welchem die andern Sergeanten den 
lungsdiener Ohm, den Schurken aus dem Waldeck'ſchen 
ß, den Freund Goedſche's entdeckt haben wollen, und 
yeshalb weigern mit ihm zu dienen. Der ehmalige 
ablerwachtmeifter Kaifer, der ebenfalld in der Fremden: 
ı ald Feldwebel dient, bezeugt zwar, jener Göttfch fei 
Ohm, aber man glaubt ihm nicht, und fchon erheben ſich 
men, daß man auch mit ihm nicht dienen fönne! Kaifer 
auch eined der roheſten, nichtswürdigſten Werkzeuge der 
hteften Reaktion, und wurde zur Belohnung für feine 
te dann fortgejagt! — 


334 


Sonntag, ben 9. Dezember 1858. 

Die Zeitungen melden das am 7. erfolgte Ableben dei 
Herrn Anfelm von Rotbfchild zu Frankfurt am Main, im 8. 
Lebensjahre. Er war das eigentlihe Haupt und der wahr 
Gründer des großen Haufed. ch habe ihn gut gefannt; a 
war gutmüthig, in Geſchäften fcharffihtig und rafch, abe 
fonft ohne Auszeihnung. Man erzählt viele Dummbeiln 
von ihm. — Außer feinem Antheil an dem ungeheuren Br 
mögen ded Haufes follerald Privatvermögen an 30 Millionen 
Gulden hinterlaffen. — — 

In Medlenburg - Schwerin ziwifchen den bürgerlichen | 
Rittergutöbefipern und den adlichen ift großer Zwift aus 
gebrochen. — 

In Baiern und Sachen ift man etwas verlegen und 
beihämt über die Zumuthung, die von Louis Bonaparte durd 
die franzöfifchen Blätter ausgefprochen wird, daß jene Läude 
in Deutfchland ein entſcheidendes Wort über Krieg und gte 
den fagen follen. Sie werden in unfern Blätfern deßhalb an 
verböhnt. — 

„Denktwürdigleiten des Kaiſerl. ruffifchen Generald vor 
der Infanterie Karl Friedrich Grafen von Toll, Bon There 
von Bernhardi. Erfter Band. Leipzig, 1856.* 8, 

„Transkaukaſia.  Neifeerinnerungen und gefammelt 
Notizen von Auguft Freiherrn von Haxthauſen. Rep | 
1856.* 8. 

Theodor von Bernhardi ift der Sohn des hier 1820 wr 
ftorbenen Prof. A. F. Bernhardi, folgte der Mutter als dieſt 
einen Herrn von Knorring heirathete und nahm deffen Roma 
an, den er aber nachher, auf Anforderung der Samilie Auer 
ring, wieder ablegen mußte. Er hatte inzwifchen ein Fraͤulein 
von Krufenftern geheirathet, und erhielt aus Rüficht hieramf 
unter feinem Namen Bernhardi das Adelsprädikat. — 





835 


Montag, den 10. Dezember 1855. 
fragliche Heft der Zeitjchrift The lancet ift ange- 
es liefert jchredliche Angaben ded Dr. Hall nebft 

gen, die gewaltfame Erdroffelung Hugo Frand’s 
t feinem Zweifel! Man kann nur Wahnfinn im 
rausſetzen, aber felbit der Wahnfinn bleibt hier ein 
3 Räthſel. Der Eindrud diefer Angaben und Ab- 
ı ift überwältigend! — 


| Dienstag, den 11. Dezember 1865. 
turheffen ift der Präfident des dortigen Treubundes, 
ehmer Staatöbeamter mit hohen Titeln und Orden, 
recher in Unterfuchungdhaft. Er hat Vormundſchafts⸗ 
tuntreut. Was koſtet die Heuchler der Schein guter 
ig? — 

hat hier herausgebracht, daß Louis Bonaparte, als 
erte aus zuverläſſigen Nachrichten zu wiſſen, Sebaſto⸗ 
re bald fallen, dabei die Denkſchrift des Grafen vor 
im Sinn gehabt habe, die durch den Potsdamer 
nverrath in feine Hände gefommen war. Der Graf 
after hatte gefchrieben,, die Lage Sebaftopols fei ver- 
man werde ed ehſtens verlaſſen, auch der Malakoff- 
i unhaltbar. In St. Peteröburg nimmt man dem 
jeine Berichte jehr übel, er kann dort nicht bleiben 
mt einftweilen auf Urlaub zurüd. Seitdem ſchimpft 
ıtter hier gewaltig auf die Ruffen! — 

von Hindeldey hat längft gemerkt, dag der Graf von 
leben nicht fein Dann ift, das Recht nicht aus Ge- 
beugt. Man verfichert, er laffe ihn heimlich beobach⸗ 
ꝛxx von Hindeldey legt dem Könige Kabinetöbefehle 
‚ läßt fie ihn unterzeichnen, ohne Zuthun oder Wiffen 
inifterd. Mit den Angaben, die dem Könige gemacht 








336 


werden, foll es gar nicht immer richtig fein, oft feien! 
Sachen entftellt, bisweilen aber auch völfig unwahr, ſob 
ein angefehener Hofbeamter, der dies als ein fchreiend 
bitter beflagt. — 

Ein hoher Staatebeamter, befragt wegen der Gele 
einer befprochenen Maßregel, antwortete mit Bitterfeit 
haben ja gar keine Geſetze, auf deren Befolgung zu 
wäre! Inden Provinzen noch allenfalls gelten fie, in der 
ftadt gilt nur die Polizeiwillfür." (Der Feldmarſch 
Oberftlämmerer Graf von Dohna foll das gejagt haben 


Mittwoch, ben 12. Dezember 185 
Dr. Behfe, fo melden die Zeitungen, ift vorgeſten 
Antrag des Staatdanwaltd verhaftet und feine # 
befchlagen worden, wegen Berläumdung fürftlicer Fed 
in feinem Buche über Medlenburg, das zu gleicher Jet 
boten und weggenommen worden. Sch hatte ihn 4 
gewarnt, ihn zur Borficht ermahnt, ihm vorgeftellt, dej! 
hier die medlenburgifche Sache wie eigne anfehe! — 
Dr. Vehſe fam vorgeftern um 11 Uhr mit feiner I 
nad) Haufe, gleich unten empfing ihn ein Konſtabler, N 
mit hinaufgehen und fpäterhin ihm zur Haft folgen; ! 
faßen noch drei Konftabler, fie hatten feit 8 Uhr 
‚gewartet. Alle feine Papiere, auch die der Tochter, M 
durchſucht, jedes Zettelhen. Man hieß ihn fehmeigen, a 
jet nicht® zu reden, fondern nur zu warten. Am anf 
Ihrieb er aus der Stadtvogtei einen Zettel an feine de 
e werde wohl nicht lange dauern, fie fönne ihn bis 
— Herr von Burgdorf äußerte fich fehr empört über W 
Verhaftung, auch Herr Geh. Legationsrath Abeken. — 
Bettina von Arnim ift feit dem Donnerstag hiet, 
noch ziemlich ſchwach und auch nicht mehr fo geiſteinhhh 


# 
b.. 


337 


Ich habe fie noch nicht gefehen. Liſzt will fie nicht 
hen, er grollt ihr wegen ihrer Umtriebe in Weimar 
ihn. — 

er Oberkirchenrath hat ſich veranlaßt geſehen, den Eifer 
uſammengetretenen Prediger, die den Landesgeſetzen 
er keinen geſchiedenen Ehegatten zu neuer Heirath 
n wollen, in etwas zu mäßigen, und fie auf die künftige 
gebung, einftweilen aber auf die Landesgeſetze zu ver⸗ 
le Schwach und d armſeigt — 


Donnerstag, ben 13. Dezember 1855. 
nerwartet fam grau Bettina von Arnim und ihre Tochter 
ein Sifela. Sreundfühe Begrüßung. Bettina hatein ganz . 
derted Ausfehen, fieift nicht mehr die frühere, fondern 
n ausgebranntes Licht. Sie erzählt von ihrer überflan- 
Krankheit, und darin ift fie wieder ganz die Alte, daß 
fichert — der. Wahrheit ganz entgegen — fie habe zwar 
allöopathifchen Arzt gehabt, aber der habe-fie homöopa- 
ebandeln müffen, ihr nur verordnen dürfen, was fie 
:ben habe! Im Grunde: fei fie auch gar nicht krank 
n, und ſie habe immer gefragt, weshalb man fie dafür 
- fie habe fich dabei wohl ſchwach aber fonft ganz wohl 
e! mn ihrer alten Art war auch, daß fie von mir 
ce zurüdverlangte, die. fie mir nie gegeben, den Brief» 
l Arnim's und Brentano’3, den fie nie bei mir zurüd- 
nn hatte, ich zeigte ihr den ftarfen Stoß von Papieren, 
n ihr bei mir liegen, führte ihr aber zu Gemüth, daß 
ven Briefwechfel mir zwar gezeigt aber ftetd wieder mits 
imen, weil fie ihn bearbeiten wollte. Sie fagte nichts, 
ich aber mit dem mißtrauifchen. Blid an, den ich an ihr 

Gifela berubigte jie, dag Paket werde fi wohl 


wo zu Haufe finden, jie werde ed nur zu gut verwahrt 
rnhagen von Enſe, Tagebüder. XII. 22 


888 
baden. Sie gingen bald wieder. Mir bfieb der Eindrud 
gänzlihen Verfalls! — . 

Der Prinz von Preußen begünftigt das „Preußiſqhe 
Wochenblatt *, das wird ald Grund angefeben, daß man dei 
jelbe fo oft wegnimmt und anfhuldigt Man behauptet, Sen 
von Hindeldey folge hierin fehr ungern und nicht ohne Be 
forgniß fehr beftimmten höheren Befehlen. — Dabei foll He 
von BethmannsHollweg, dad Haupt der Parthei jenes Blatted, 
fortwährend beim Könige gut angefchrieben fein, und dk 
Kreuszeitungsparthei ftet3 in Angft fein, jener könne bei Ge 
legenheit plöglih Minifter werden. — 


Freitag, den 14. Dezember 1856, 
Nachmittags Botſchaft von Bettinen von Arnim an Lu 
milla, fie befteht darauf, ich müffe das Paket mit dem Brief 
wechſel Arnim’d und Brentano’d haben, Ludmilla fol e 
berausfuchen! Gleich wieder eine verdrehte Geſchichte und 
alberne Quängelei! ch fertigte die Iris — die bekannte 
Newekow — etwas jcharf ab, aber die war gleich einverftanden, | 
dag Bettina nie wife, wo ihre Sachen feien, daß bei ihr alled 
in der größten Unordnung fei, und fie dann gerade am 
unrechten Ort fuche. Nach meiner geftrigen Erklärung nee ' 
mald mit derfelben Anforderung wiederzukommen, ift ab 
eine Impertinenz, Die mich doch verdrießt. Sie ift krank um 
man muß fie ſchonen, das will ich aud gewiß. Aber fie wu) 
auch nicht hernusfordernd beläftigen; denn was foll ih nun | 
thun ? fchaffen kann ich ihr das Verlangte nun doch einmal 
nicht, kann nicht Briefe Arnim’d und Brentano’s hervor⸗ 
zaubern, noch bei ihr fuchen helfen. — 





339 


Sonnabend, ben 15. Dezenfber 1855. 

Frau Bettina von Arnim fendet ihre Newelow mit dem 
Auftrag an Rudmilla, fie möge ihr alle Pakete, die ih von 
ihr habe, zurädgeben, aber fo, dag ich es nicht merke! 
Gradezu Unfinn! Wenn mirdasgefchehen könnte, fo dürfte fie 
ja nicht darauf rechnen, daß ich noch etwas von ihren Papieren 
hätte, fie önnten mir bei folcher Unaufmerkſamkeit Tängft 
abhanden gefommen fein. Die Newekow lacht jelber über den 
Auftrag, Die Leute nennten Bettinen mit Recht ein tolles 
Frauenzimmer, jept nun gar fei fie völlig verwirrt, man müffe 
ihr nur immer Recht geben, ihr was vormachen, fie [piele 
Komödie mit den Leuten, und die Leute müßten auch gegen fie 
Komödie fpielen. Die gute Frau nimmt alles mit, was ich 
von Bettinen babe; ich empfehl’ ihr befondere Achim von 
Amim’d Stammbuch. — 

Das Preußiſche Wochenblatt ift auch heute. wieder weg⸗ 
genommen worden. ch habe ed aber noch gelefen. Es ent- 
hatt kräftige Anfechtungen der Wahlen, bejonderd der des 
Kölniihen Advokaten Thesmar, der jept ein gewaltfam 
begünftigter Regierungsmann ift, im Jahr 1848 aber in einer 
öffentlichen Belanntmachung — die das Wochenblatt mittheilt 
— dem Könige das Recht abfpriht, Steuern zu erheben obne 
Zuftimmung der Nationalverfammiung! Solche, Gefinnunge⸗ 
treue” hat das Miniſterium! — 

Rede des Rektors Ringseis an der Münchener Univerftät; 
auch dort fol die Wiffenfhaft umkehren, katholiſch werden; 
— Ringseis befennt wenigftend offen feine Meinung, bier ift 
Stahl ein Jeſuit unter proteftantifcher Larve. — 

Heillofe Anträge im Haufe der Abgeordneten. Hol’ fie 

Der I—! 


22 


340 


Montag, den 17. Dezember 1855. 
J Befund» von Frau yon Bod (Schröder » Devrient), die von 
Hamburg wiedergefehrt. if. Schilderungen ruffifchen Lebens 
und ruſſiſcher Berhältniffe; gänzlihe Ausartung des Beamten: 
weſens unter: dem Kaiſer Nikolai, Dummheit und Betr 
waren die Hauptfrüchte feines Dreißigjährigen Despotismus. 
Er haßte Geift und Kenntnig, und wußte fie nicht zu gebraw 
hen. Seine ſchlechten Günftlinge, wie Kleinmichel, feine 
ſchwächlichen Rathgeber, wie Nefjelrode und Tſcherniſcheff, — 
feine. unfittlichen Liebſchaften mit verheiratheten rauen, mit 
Derwandten. Erſchöpfung der Menfchen, der Geldmittel; 
überall mangelhafte Anjtalten, unzureichende Maßregeln; die 
Flotte, ganz unnüß, verfault in den Kriegshäfen, die jie jid 
nicht getraut zu verlaffen. — 
Der Faktor aus der Trowitzſch' ſchen Druderei mit Arnim'⸗ 
ſchen Aushaͤngebogen. Er wußte nicht, daß Bettina hier iſt. 
Rothe Adlerorden erſter und zweiter Klaſſe ſind vom 
Könige an hohe türkiiche Staatsbeamte eben jetzt berliehen 
worden. Das nimmt fich. bei der am Hofe herrſchenden Dent: 
art jeltfam genug aus. Der König felbft hat das gröpte 
MWiderfireben dabei gefühlt, und dann einige Wipe darüber 
geriſſen. „Witze reißen“ ift fein eigner Ausdrud, der die 
ſchlechte Beichaffenheit andeuten foll wie „Zoten reipen“. — 
Die Familie Hengitenberg ift von der Anklage der Der 
läumdung freigeſprochen worden ; der Landrath von Diet bat 
feine früheren Angaben in's Unbeftimmte zuxückgezogen, un 
das Bericht Hierauf erklärt, es fei unerwieſen, daß eim 
beitimmte Aeußerung von einer beftimmten, Perfon gemagt 





worden. Man ſagt es nisht leije, fondern offen und laut, daß 


es bei dieſer Sache nicht ganz richtig hergegangen fe: Gun; 
Einjlüffe, Abreden ꝛc. 

Der König war in Neu - Strelid. Man fieht darin einen 
ungünftigen Umftand für den Dr. Vehſe. Die dort empfan 


341 


gerten Eindrücke machen fich hier in höhern Kreifen vielfach 
geltend, und die Polizeibchörde wird dadurch geftachelt, — 

Der Oberſt Graf von Münfter: Meinhövel ift Aus St. 
Peteröburg nun wirklich hier eingetroffen. Seine Mutter geb. 
von der Marwit hält in ihrem Schimpfen gegen Rußland 
etwas inne, fie glaubt nämlich, die Sachen Tießen ſich fo bei- 
legen, daß iht Sohn wieder dorthin zurückkehren könne. — 

In Koblenz haben fih die Pfaffen eine feierliche Exkom— 
munifation gegen einen angefehenen Bürger erlaubt, der ſich 
hatte ſcheiden laſſen und feit zwölf Jahren in Eivilehe geſetz⸗ 
fi) getraut mit feiner zweiten rau lebte. So lange hatten. 
fie gefchwiegen, jet erft erdreiften fie ſich, rügten fein ehe— 
brecherifches Leben, fprachen in der St. Eaftorfirche den Bann 
über ihn, Löfchten die Lichter, läuteten die Todtenglode; 
niemand folle mit ihm und feiner Frau verkehren, niemand 
fie grüßen ıc. Aber die Leute befamen grade jet die antheil- 
vofliten Beſuche, Abends eine Ehrenmufit ꝛc. — 


Dienstag, ben 18. Dezember 1866. 

Zum Mittagefien fand fich Bettina von Arnim ein; fie 
bat den vermißten Briefivechfel zmifchen Arnim und Brentans 
nun gefunden, er lag bei ihr in einem Kaften. Sie fchien 
etwas befchämt, und wollte und begütigen, ſprach von neuen 
Büchergefchenten ari Ludmilla, freute fich, daß der erfte Band 
von Arnim's Gedichten fertig gedruckt ift, will mir neue Aufs 
träge geben, bedarf meines Rathes wegen Anliegen bei Hum— 
boldt, beim Könige, hat noch ihre alten Sachen mit dem 
Matter Ratti, mit den mweimarifchen Berufenen Schade und 
Hoffmann, denkt an ihr Goethe= Dentmal, an den Türken 
Ahmed u. |. w. — Sie klagte daneben über ihre audgeftan? 
dene Krankheit, fie fer lange bewußtlos gewefen, habe dad 
Gedächtniß verloren, Verdrüſſe — Moltke, Liſzt, Ratti — 





342 


hätten ihre eine Gallenfrankheit zugezogen. Alles im Wechſel 
von Ernft und Scherz, wie ſonſt. Aber ihre Augen ſprühen 
nicht mehr Teuer wie ehmals, ihre Erzählungen brechen 
ſchneller ab. — 

Nachmittags kam Herr Hermann Grimm. Er ſpricht ſeht 
beſorgt über Bettinen; — ſie hat — zum erſtenmale ſelbſt — 
heute nach einem Arzte geſchickt, und zwar zu Dr. Defemeper, 
denn Dr. Biding ift ihr nicht mehr homöopathiſch genug, und 
fie hat fich mit ihm überworfen; fie klagt noch über Fühllefg- 
feit, Lähmung einzelner Theile. — 


Mittwoch, ben 19. Dezember 1855. 

Die Spener’fhe Zeitung, welche ſeit Turzem trefflide 
Artikel gegen die Kreuzzeitungsparthei liefert, bringt heute 
eine ſcharfe Beleuchtung der Berfaflungsänderungen, meld 
von diefer Parthei beabfichtigt werden, wie fie felbft in ihrem 
Programm. Die Spener’fche Zeitung überflügelt heute darın 
die Nationalzeitung, welche denfelben Gegenitand behanbelt, 
Die Nationalgeitung kann dad Wenigfte deſſen, was fie dentt, 
ausfprechen, fie muß ihr Beſtes verſchweigen; die Zuſtände, 
in denen wir leben, laffen ihr feine Stätte mehr, fie darf nicht 
mehr da fein, und ift im Grunde nicht mehr da. — 

Hermann Grimm bat ein ächtes Talent, auf das witlliche 
moderne Leben gerichtet, auf Gefellfhafte- und Gemütk- 
zuftände unferer Tage, daher feine Novellen ihm am beiten 
gelungen find. Er muß dad geben, was in ihm ift, in ihm 
von felbft wächft und gedeiht, nichts Fremdes fuchen, in fid 
hinein ziehen. Er darf überhaupt nichts wollen; in feinen 
Arminius wollte er vaterländifch fein, das mochte an Ad 
gelten, aber es fam nicht genug aus dem Innern; war akt 
gar dad Wollen ein in fich verfehrtes, wie im Demetriud, wo 


| 
| 


848 


x Das angebliche Geburtöreht der Herrfcher bervorftellen 
vollte, fo konnte der Mißerfolg nicht zweifelhaft fein. — 


Ä Donnerstag, ben 20. Dezember 1855. 

In Wien ftarb am 17. der oldenburgifhe und medien: 
yurgifche Drinifter» Refident Adolph von Philippsborn. Er 
var früher einer der Adjutanten Tettenborn's, und ein fo 
‚apferer ald Iuftiger Kriegskamerad, voll freifinniger, revolutio⸗ 
aairer Denkart, die er aber weltklug den Berhältniffen unter- 
rdnete, daher war er in Wien mit dem Metternich’fchen 
Weſen, befonderd aber mit den Ruffen eng verbunden. Der 
Fürst Gortſchakoff beſuchte ihn täglich in feiner Krankheit. 
Sein Tod betrübt mich fehr. — 


freitag, ben 21. Dezember 1858. 

Nachrichten aus Wien. Die weftmächtliche Parthei gewinnt 
ugenblidiid, wieder etwas die Oberhand über die ruffifche, fo 
ang ed dauert! denn Verlaß ift auch in Wien auf nicht?! 

Neben dem ſchmachvollen Konkordat erjcheint in Defterreich 
npermuthet Gewerbefreiheit! Ein Spott auf jenes! Die 
jolgen find grade in Defterreich unberechenbar. — 

Der Vertrag zwilchen den Weſtmächten und Schweden, 
am Theil veröffentlicht, zum Theil noch geheim gehalten, 
acht Auffehn und wird befprochen. Kür Preußen nicht 
leichgültig! — 

Die Uebergabe von Kard an die Rufen wird von den 
uffiichen Blättern, der Kreuzzeitung ꝛc. mit großem Lärm 
usgefchrieen. Der Gewinn ift im Grunde fehr unbedeu- 
nd. — 


844 


Sonntag, den 28. Dezember 1856. 

Nachricht vom Ableben der Geheimräthin Steffens, fe 
ftarb um Mitternacht. — 

Im Brandenburger Thor begegnen wir Bettinen om 
Arnim und Fräulein Armaard. wur Anſprache. Bettina 
leidend, geknickt! — 

Bei Klaͤrchen Steffens fanden wir Herrn Direktor Waagen 
nebit Frau und Tochter. . Klärchen tief betrübt, aber aus 
gefaßt, ganz einfach und natürlih. Wir fahen die Leiche; fe 
hatte die fchönen Kormen und Züge früherer Zeit; ich fah nur 
dad Gute, Tüchtige der eigenthümlichen Frau. 

Die Geheimräthin Steffend, obgleich eifrige Belennerin 
firhlihen Chriſtenthums und bewußt ihreö nahen Todes, bat 
doch feinen Geiftlichen begehrt, noch ihre gleichgefinnte Tochtet 
ihr einen holen laſſen. 


_ Dienstag, den 25. Dezember 1855. 

In Thiers gelefen. Maſſena's Eindringen in Portugal. 
Sritaunen über Wellington’d Tinten von Torres» Bedras, von 
denen man weder im Heer noch in Paris. etwas gewußt hatte! 
Aber Thierd weiß noch heute nicht, daß diefe ganze Verthei⸗ 
digung nad den Angaben ded Grafen Wilhelm zur Kippe 
geführt worden, wie würde er begierig diefen Ramen anftatt 
MWellington’d geehrt haben! Solcher öffentlichen Geheimmift 
giebt ed immer. Hat man doch in Rußland ˖ nichts ven 
Schraubenfchiffen und nichts von Minie s Gewehren gewußt, 
wiſſen gewollt! — 

Hindeldey ift feit dem Vorfall im Hotel du Nord allgemein 
beim Militair verhaßt. Der General von Wrangel und ned 
mehr der Feldmarſchall Graf von Dohna haben ein fdarfei 
Auge auf ihn, fammeln Angaben wider ihn, fprechen gegen 





345 


feine Anftalten zc. Gr ſcheint aber feft genug im Sattel zu 
fien. — Ze | 


— — — — 


Mitwwoch, ben 26. Dezember 1855. 

In den Thiergarten, Bettinen von Arnim zu beſuchen. Sie 
war voller Beeiferung für und, deßgleichen die Töchter Arm— 
gart und Gifela für Ludmilla. Hermann Grimm fehlte nicht. 
Bettina war bemüht munter zu fein, und es gelang ihr ziem- 
lich; aber man fieht es ift ein gefnidted Weſen. Sie zeigt 
mir einen Kaften voll Papieren, den fie mir ſchicken will, ich 
ſoll ihre Kundſchaft nicht verlieren! 

Brief aus München von Herrn Franz Löher, dem nun- 
mehrigen Kabinetsrath und Profeſſor. Er fehreibt mir in einer 
Art von Auftrag des Königs von Baiern. Ich foll Rath 
geben-und Vorſchläge machen, was für Litteratur und Rittera- 
toren zwecmäßig zu thun fei. Keine leichte Aufgabe! — 


Donnerstag, ben 27. Dezember 1855. 

Ein Blatt der neuen Preußifchen Zeitung, worin die 
Adreffe von Hengftenberg, Stahl ꝛc. an den dfterreichifchen 
Kaifer zu Gunften des Priefterd Borzinsky fteht, ift in Wien 
polizeilich weggenommen worden. Borzinsky ift mittlerweile 
feiner Haft entfprungen, und glüdlich auf preußifchem Gebiet 
angelangt. — 

Daß dad Gericht die von der Polizei weggenommenen 
Stüde des Preußiſchen Wochenblatts freigefprochen hat, wird 
von der Polizei fehr übel vermerkt, und der Graf von Wartens⸗ 
leben deßhalb fcheel angejehen. bindeldey hatte ihn gefaͤlliger 
und gefügiger geglaubt. — 


346 





freitag, den 28. Dezember 1858. | 

Brief aus Weinsberg von Dr. Juſtinus Kerner, heul ' 
Worte in alter Liebe! Er legt ein getrodneted grünes Bit 
bei, dad er im Sommer auf Ludwig Robert’3 Grab in Bades 
Baden gepflüdt hat. — Ic muß ihm antworten! Lie’ ih 
ihn denn nicht auch noch, trop all feiner Ungebühr? — 

Abends Befuh vom Herrn Grafen von Wartendiceme— 
Er wird verfept, wieder zur Zivilabtheilung des Stadigeridi > 
der PBräfident hat einen andern zum Unterfuhungindtexr 
beftimmt. Der König hatte geäußert, er wünſche, dag Bar 
tendleben auf feinem Poſten bleibe, man folle ihm denjenigem 
nennen, der ihn vertreiben wolle? Die Verſetzung if dem 
Grafen Recht, obfchon fie nicht günftig für ihn gemeint iſt— | 

Die Neue OdersZeitung in Breslau geht mit dem Beginn | 
ded neuen Jahres ein. Ein demofratifhes Blatt in der Pre 
vinz kann fich nicht halten, faum hier in der Hauptitadt. — 

In Hannover find die Preßprogefie und politischen Sadıı 
den Schwurgerichten durch einen Federzug entzogen workt. 
Deutfches Worthalten, deutfche Fürftentreue! — 

Auch die katholiſche, Deutſche Vollhalle“ in Köln mr 
im nächften Jahre nicht fortbeftehen, wegen der Poli 
ſcheerereien. — In Erfurt tritt Herr Dr. Paul Caſſel - 
früher Selig Caſſel — von der Herausgabe der Erfurt Mi 
Zeitung zurüd. — 








Sonnabend, ben 29. Degember 1856. 
Nachmittags Beſuch von Heren Hermann Griam. E 
berichtet, daß Bettina von Arnim am Donnerötag Bormitif 
wieder eine fchlagartige Anwandlung gehabt, Mebelld 
Schwindel, nervöfe Gliederſchmerzen, daß eiligft zu N 
Bicking gefhidt worden, am Nachmittag aber Bettina jdn | 
wieder ziemlich beffer geweien fei. Geftern fing fie audit Wi 


347 


ige Thätigkeit wieder an, fcherzte über die Beforgniffe 
ichter, welche nach den Brüdern gefchidt hatten, wollte 
t. Biding nicht ſehen, lief vor ihm weg, in eine kalte 
, wollte allerlei Schädliched eſſen, und zeigte. allen 
nten Eigenfinn. Dabei Magte fie aber doch mehr als 
ift im Ganzen ftiller, und fcheint recht gut zu willen, 
tnäckig fie ed zu verläugnen fucht, wie ed mit ihr fteht. 
me Bettina, fie erliegt wie Andre! — 

er Buchhändler Julius Campe in Hamburg ift nun doch 
reußifched Berlangen dort verhaftet worden. Er foll 
n, woher ihm gewifie Angaben zugefommen, die er dem 
ehſe für defien medlenburgifche Hofgefchichten mitgetheilt 
Seine Gelbbürgfchaft hat man nicht angenommen. In 
urg macht die Sache großes Auffehen, und eine ſtarke 
jung findet zu feinen Gunften Statt; man unterzeichnet 
ben, die feine fFreilaffung fordern. — 


Sonntag, ben 30. Dezember 1855. 
isgegangen mit Ludmilla. In den Thiergarten gegan- 
yir wollten fehen, wie ed Bettina von Arnim geht, fans 
e aber nicht zu Haufe, was wir ald das befte Zeichen 
n. Draußen im freien war noch fefter Froft, die Luft 
nd erfriichend. — 

Louis Blanc gelefen, im Tacitus. Die beiden Wunder, 
Kaifer Bedpanianus in Alerandria gethan (Hist. IV.81) 
ıch dadurch merfwürdig, daß der Wunderthäter feldft an 
Kraft zweifelte, gleichwohl aber fie ausübte, und Blind» 
ıd Lähmung heilte! — 

mdung des Oberiten von Manteuffel nah Wien mit 
Eröffnungen des hiefigen Kabinets. Ein wohlunter> 
rt Mann verfihert, daß unfre diplomatischen heutigen 
ıoch erbärmlicher feien, ald die von 1805 und 1806, 


348 


daß fie keinerlei Richtung fefthielten, fondern in Borwände 
und Ausreden nur immer jede Entfcheidung zu vermeiden 
fuchten. Dies Hinhalten und Ausweichen macht die Kabintte 
von Wien, Parid und London nur verdrieflich, umd wirft 
zulebt erbittern. Alle Regierungen, auch die Eleinjten, erta- 
nen, daß an Preußen fein Rückhalt ift, Daß fie nach andren 
Bund und "Schuß ſich umſehen müffen. „Das preufiik | 
Kabinet ift feig und falſch,“ das hört man in Dresden, Mün⸗ 
hen, Hannover c. 


Montag, ben 31. Dezember 1855. 

Nachmittags Beſuch von Bettina von Arnim und ihren 
Sohne Friedmund, Sie befennt todtfranf gewefen zu fein, 
ihr Sohn Friedmund aber fei gekommen, der große homöcp: 
thifche Helfer, und habe fie gleich heigeftellt, fie tüchtig eſen 
laffen, und da fei fie wieder! Sie thut ganz fröhlich und 
luftig, geht auch, in die ſem Wetter, zu Fuß vom Thiergarten 
nach der Stadt und von der Stadt nad) dem Thiergarten, akt 
fie macht doch den Eindrud einer Kranken! Friedmund brinzt J 
mir fein neues Buch: „Die Weltordnung. Bon F. vn 
Arnim. Berlin 1855." Bettina fagt, da foll ich die Ralı 
drein fteden! Dem Anjehen nach gleicht es ſehr den frühere | 
Schriften dieſes Autors. Vorher waren Mutter und Seba 
lange bei Ludmilla. N 





1856. 
Dienstag, ben 1; gJanuar 1856. 

Sch erfahre, daß die Ultre’3 im Haufe der Abgeordneten 
inen ernitlichen Angriff gegen Hindeldey unternehmen wollen, 
Sie haben ihm nicht vergeffen, daß er einft ihre Kreuzzeitung 
ht Tage hintereinander weggenommen und dem. Könige 
mmald dieſes Blatt als das allerfchändlichte und werderblichite 
vejchildert hat, fo daß es der König eine Zeit lang glaubte. — 
Sie wollen auf Abfchaffung der Konſtabler, als eines revo⸗ 
utionairen Urſprungs, dringen) — 

Dr. Bruno Bauer, dem es hier mit nichts glüden wollte, 
f nad England ausgewandert. Sein Ruffeneifer war wenig⸗ 
tend uneigennübig, hat ihm nicht® eingetragen. — (Nur ver- 
eift, nicht ausgewandert.) 

Die freie Gemeinde in Königäberg hielt eine Weihnachtd- 
dacht, hei welcher Dr. Rupp einen Bortrag hielt; die Poligei 
dfte die Berfammlung auf, — 


vd 5 


, Mittwod), den 2. Januar 1866. 
Ausgegangen mit Ludmilla. Beſuch bei Pitt⸗Arnim, der 
ehr in der Beſſerung iſt, und von ſeinem Empfang des Königs 
ind der Königin erzählt, die ſeine Weihnachtsausſtellung des 
xriedrichsſtifts beſucht haben, von feinem Stern: auf, einem 
nachtigen ‚morgenländjfshen Schlafroch, der König. habe. ihn 


350 


mit einem chinefifchen Kaifer verglihen x. Er nimmt e 
übel, daß feine Schwägerin Bettina ihn noch nicht befudt 
t. — 

Sch mußte aber bald wieder nach Haufe, weil ich zu fm: 
ben hatte — Mit nichten! Es kam Bettina von Amin, | 
heute ganz munter und wohl, fprach mitleidig von der Gehein 
räthin Piftor, die von ihr erfragte, wad denn Bettina made! 
„ Dergleichen Geifteöfchwäche werden Sie an mir nicht erleben!" | 
rief fie mir triumpbirend zu. - Sie ſah fich in meinem Jim 
um, wo wohl noch guter Pla für die Papiere fei, die fiemt 
nächſtens ſchicken werde, alle die ih ſchon gehabt, und vice | 
andre dazu! Der Sohn Friedmund kam fie abzuholen. E 
ſprach gegen ihre Veröffentlihungen, doch mit Befcheidenheit. 
Sie will alles drucken laſſen. — 

Sch mußte den Oberhofprediger Strauß annehmen, der 
über eine Stunde fehr herzlich und heiter mich und Ludmil⸗ 
unterhielt, viel erzählte, von Schleiermacher, von Gneifmaux. 
und und beiden die beiten Eindrüde hinterließ; er war gun 
aufrichtig und wahr. Unter andern rühmte er, daß im eigal' 
lichen Volke fehr viel religiöfer Sinn und ein auffallend 
Streben nad Sittenreinheit fei. — 

Demokratifche Männer wollen den Generalpolizeidircn 
von Hindeldey vor den Abfichten der Kreuzzeitungsparki 

warnen und ihn gegen dieſe unterſtützen; fie finden, daß m 
ihm nod immer beffer auszulommen fei, ald wenn ein Bein, 
ein Lindenberg, an feiner Stelle wäre. Man fagt, die Zeitungt 
hätten Winke von ihm erhalten, er würde jegt die ſchärfſen 
Angriffe gegen die Ultra's redyt gern fehen. — 





Donnerstag, ben 8. Jannar 1866. | 
Geſchrieben, über politifche Litteratur, die gänzlich de 
niederliegt, nicht weil es an Freiheit zum Schreiben fehlt, 





351 


ondern weil ed an einem würdigen Gegenftande der Wirklich 
eit fehlt, für den man fchreiben möchte. Es giebt nirgends 
ine gute Sache in politifcher Thätigkeit, nur ſchlummernde, 
vaxtende. Vielleicht in Spanien, doch und liegt das zu fern. — 

Ausgegangen mit Ludmilla. Bei Kranzler. Im Bran- 
enburger Thor der rau Bettina von Arnim begegnet, geführt 
von ihrem Sohne Friedmund. Sie will zu mir geben, ich foll 
u rechter Zeit wieder zu Haufe fein. Herrn Hermann Grimm 
jeſprochen, Herrn Oberhofprediger Strauß. Beſuch bei Fräu- 
ein Stefiend. — 

Gegen 2 Uhr traf richtig Bettina von Arnim ein. Sie 
hatte mir eine wichtige Mittheilung angefündigt, eine neue 
Entdedung, die fie gemacht, — aber davon war nicht die Rede, 
jondern von Ratti und feiner Kopie Tizian’®, von ihrem 
Goethedenkmal, — beides foll der König bei ihr in Augen» 
ſchein nehmen, wünfcht fie, Humboldt foll das vermitteln, fie 
will ihm darüber ſchreiben, ich foll meinen Rath geben, den 
Brief empfehlen. — — 

Die englifche Morning. Poſt ergeht fih in heftigen 
Schimpfreden gegen Preußen, deffen Stellung ein fortwähren⸗ 
ver Berrath der europäifchen Intereſſen fei, ein Berrath, der 
Züchtigumg verdiene, die auch nicht ausbleiben werde. Berlin 
ei näher zu erreichen ald Moskau xc. 

Preußiſche Ordenöverleihungen an Franzoſen, den Ruſſen 
ind Kreuzzeitungdleuten ein bittred Aergernig! — 

Alle Blätter verhandeln forgfältig und ausführlich Pie 
Sründe und Bewegungen der Staatenpolitit, der diplomas 
tiſchen ſchwebenden Verhandlungen. Al dies elende Gefpinnft 
in feinen einzelnen Fäden zu verfolgen, ift mir der größte 
Eel. Ich fehe recht, dag ich hier fein Mann von Fach Bin, 
und es thäte mir fehr leid einer zu fein. Und wie glüdlich 
hin ich, Daß ich feine ſolche Schriften abzufaffen brauche, nicht 
Berftand und. Scharffinn anzuwenden habe, um Erbärmlichkeit, 


352 


Rüge und Gleißnerei mit dem Schein von Klugheit und Re 
lichkeit - auszuftatten! . Und dad Gefhwäg gilt nicht einmal 
mehr, früher galt e8 wenigftend was! — Ä 

‚Der König hat dem Bildhauer Prof. Rauch geftern, m 
deffen Geburtdtag, den Rothen Adlerorden erfter Klafe mi 
einem eigenhändigen Schreiben überjandt. Humboldt bi 
durch feine Erinnerung den König dazu veranlaßt. — 


Freitag, den A. Januar 1856. 


.In Geljzet's proteftantifchen Monatöblättern (Juli 1855) | 


die Schleiermacher’fchen Jugendbriefe gelefen; fie jind fehr 


merkwürdig in Betreff feiner perfönlichen Entwidlung, er fand 


immer fehr unter dem Einfluß von Freunden; noch im Sabre 
1793 lichte er die franzöfifche Revolution, wie er feinem Bater 
befennt. — 

Frau Bettina von Arnim, die ſchon Vormittags dageweſen 
war, kam Nachmittags wieder, brachte mir Morgenblätter von 


Hermann Grimm, dann ein Blatt über Ratti's Tiziankopie, 
zeigte mir einen Brief aus Dreöden von Marianne Düßlet, 


die ihr 500 Thaler ſchickt, — in vierteljährigen Sendungen 
überhaupt 2000 Thaler, — für Ratti's Kopie; jie möchte 


diefen Brief gern dem Könige fchiden, um ihn zu überzeugen, : 
dag nicht fie das Geld gegeben, aljo auch nicht den Zwed 
dabei gehabt haben könne, über ihre-Nevolutiondbetriebfamteit 
im Jahre 1848 Ratti's Schweigen zu erfaufen! wie Hinckeldey 
dem Könige fälfchlich berichtet Habe! Sie will feinen Bider | 
ſpruch hören, feine Borwürfe, die würden fie frank machen, e 


könne nicht? vertragen, fie leide noch an den Folgen der A 
läugnungen, die der Herr M. die Schändlichkeit gehabt, iht 
auf meinem Zimmer in’d Geficht hinein zu behaupten! Sie 
will auch nichts von andern Sachen hören, nur von ihren 
eignen, von denen, die fie grade vorhat, fie verbittet fich jede) 





353 


andre Geipräh! Sie ging allein fort, zu Saviguy’s, wo 
Friedmund fie erwarte, um mit ihr in den Thiergarten nad) 
Haufe zu gehen. — | 

Sendung aus Leipzig von Herrn Brockhaus, ein ſchönes 
Eremplar von Feodor Wehl's neufter, mir zugeeigneten 
Schrift: „Hamburgs Ritterafurleben im achtzehnten Jahr⸗ 
hundert. * — | 

Der Hamburger Senat hat den Buchhändler Julius 
Campe wegen feiner Erbgefeffenheit (Grundbeſitz) aus der 
Haft entlaffen. Der Prozep geht indeß fort. Das Vehſe'ſche 
Bud wird in Hamburg noch immer frei verfauft. — 





Sonnabend, den 5. Januar 1866. 

Früher Beſuch von Herrn Dr. Parthey, er bringt mir alle 
Chézy'ſchen Papiere zurüd, er will fie unter feiner Bedingung. 
Ein Donnerfhlag für die arme Frau, und für mich, dem nun 
die ganze Gefchichte auf den Schultern bleibt. ch weiß 
keinen Ausweg! — 

Kaum ſetz' ich mich zum Schreiben, da fommt Bettina von 
Amim. Sie fpricht allerlei durch einander, will mir eine 
Strafrede halten, daß ich ihr zu viel widerfpreche, fie nicht 
genug ſchone, fie ſei noch immer frank. Unvermerft lenkt fie 
zu dem Vorwurf ein, ich hätte Arnim’d Gedichte hier ohne 
ihren Auftrag, ohne ihr Wiffen druden lafjen, fie jet mir zwar 
für meinen guten Willen und meine Sorgfalt vielen Dant 
fhuldig, aber ihre Abficht fei nicht geweſen, die Gedichte hier 
drucken zu laffen, fondern in Weimar, wo die Koften nur den 
vierten Theil der biefigen betragen hätten. Bei diefer unglaub- 
lichen Berdrehung fuhr ich auf, das fei zu arg! ich hätte alles 
nur in ihrem Auftrag, nach ihrem Befehl gethan, ja die 
Druderei felbit ſei von ihr angewiejen worden; folche irrige 
Borftellungen könne ich feinen Augenblid dulden, aud im 


Barnbagen von Enfe, Tagebüder. XII. 95 





354 


Scherze nicht. Sie entfchuldigte fich, fie babe fein Gedaͤchmiß 
mehr. Sie hat ein vortrefflichee Gedächtniß für alles, was ſie 
wilfen will, und giebt auf der Stelle Proben davon, fie wer 
genau was fie an Humboldt hat fchreiben wollen vor einm 
Jahre, was fie für Schritte gethan hat in ihren Prozepfade 
u. dgl. mehr. Dann brachte fie Zweifel an Humboldt 
Geiſtesfriſche vor; es werde ſich durch ihn nichts mehr maden 
laffen. Dann prablte fie mit einem fiebenbürgifchen Grafen 
Bethlen, der jeht hier fei, und ihre Tochter Armaart auf In 
‚ Eis habe herunter rufen laffen, um fie im Schlitten herum: 
zufahren, alle Zente haben Pla gemacht und gemeint, es ſei 
eine Prinzeß! Als Ludmilla gefommen war, verfiel jie wieder 
in fcherzende Vorwürfe, ich ſei hart gegen fie, freilich bebellig: 
jie mich fehr u.dgl.m. Als fie weg war, fühlte ich doch großen 
Aerger über fo viel Unvernunft, Tollheit und Argliſt, wie 
diefe rau fchon wieder gegen mid, ausläßt, und ich war fehr 
geneigt, ihr die Thüre zu fchließen. Ludmilla wollte fie ent: 
Ihuldigen, und ärgerte mich auch. — 

In Goethe's Briefen gelefen, in Louis Blanc, in Wehl's 
Buche. — Betrachtungen über den Werth des Lebens, den 
Werth der Gegenwart, beide find: dag Höchfte und wieder 
nicht das Höchfte, ein Schaß, der aber verbraudt werden 
muß. — 

Dr. Ludwig Hahn, ein Kitterat, der ſich ganz den Miniftern 
gewidmet, für fie manches litterariſche Unternehmen verfuht 
und da diefe meiſt fehlichlugen dem Staat ſchon viele Tauſende 
gefoftet, dann aber die preußiſche Geſchichte hofmäßig zu 
bearbeiten angefangen hat, ift für feinen Eifer zum Gebeimen 
Negierungsrath ernannt worden. Die Beamten fchrieen über 
diefe Beförderung, befonderd auch weil der Mann noch gut 
fein Eramen gemacht bat, womit Andre doch fo fehr gequält 
werden. — 

Man hat aufgerechnet, daß in einem Monat bier üke 





355 


30 Berhaftungen durch die Polizei gefchehen find, von denen 
Die Gerichte gar nichts erfahren haben; weder vorher noch 
nachher ift ihmen die gefegliche Anzeige gemacht worden, und 
jie können dabei nichts thun. Die Polizei fteht über dem 
Stadtgeriht, und dem Kammergericht gleih. Aber die Ge: 
richte fünnten doch was thun, wenn man nicht fchon immer 
Serge getragen hätte fie übel zufammenzufeßen! — 


— — — — — 


Sonntag, den 6. Januar 1856. 

Mir ging im Wachen und Träumen ftetd das Unglüd im 
Kopf herum, dag das Manuffript der Frau von Chezy nicht 
angenommen worden! Wie nun Rath fchaffen? ſowohl wegen 
Unterbringung des Manuffripte, als wegen Erfegend der 
Hülfsmittel, welche die arme rau von demfelben unfehlbar 
hoffte! — | 

Die Volkszeitung ftraft mit Schärfe die Kreuzzeitungs- 
junfer, die alles, was ihrem Eigennuß dient, für Gottes Ord⸗ 
nung und der Väter Sitte erflären, aber im Abfab ihrer 
Bodenerzeugniffe, im Branntweinbrennen, Wollhandel u. ſ. w. 
mit Eifer der neuen Zeit huldigen, weil ihr Vortheil damit 
verwachlen ift. — 

Dr. Behfe follte auf Befehl des Kammergerichts gegen 
eine bei dieſem hinterlegte Bürgichaft von 4000 Thalern auge 
der Haft entlaffen werden, da gab der Polizeidireftor Stieber 
Gegenbefehl, fertigte die Tochter brutal ab, die fchon den Vater 
abholen wollte, und fagte ihr höhniſch, das Kammergericht 
habe fich darum nicht zu kümmern. — 

Der Wirkliche Geheime Rath Graf von Voß⸗Buch — früher ' 
der rothnafige Voß genannt — hat vom Könige den Rothen 
Adlerorden erfter Klaffe befommen. Gr hat höhnifch geäus 
Bert, früher würde der Orden ihm mehr Vergnügen gemacht 


baben, jest, nachdem ein Bildhauer ihn befommen, fei er nur 
23 * 


356 


noch halb fo viel werth ald ſonſt! — Es wird bei dieſet Ge 
legenheit auch wieder mit Bitterfeit daran erinnert, daß der 
König die Rammerherrnwürde herabgefept, indem er fie Herr 
von Neumont verliehen. Es wird an den General von it 
Marwis erinnert, der den Rothen Adlerorden dritter Klafe 
dem vorigen Könige zurüdichiden wollte, weil der Schau 
Ipeiler Iffland diefen Orden zu gleicher Zeit befommen hatte; — 
zurüdichiden wollte! der Bramarbad that e& nicht, dazu 
hatte nur Uhland den frifchen Muth! — 


Montag, den 7. Januar 1856. 

Nachmittags, ald ich fchlief, fam Frau Bettina von Arnim, 
fie wollte nicht, daß ich gewedt würde, und war bei Rudmilla, 
der fie anfündigte, daß fie ihr Arnim's Schriften ſchicken 
werde. 

Als Berfaffer des Programms der Ultra's, welches von 
diefen ſchon ale ein unhaltbares Machwerf wieder aufgegeben 
it und verläugnet wird, giebt man den Grafen Pinto an, den 
Herausgeber der Berliner Revue, einen verdorbenen Schuls 
denmacher und Windbeutel, der fich mit Hülfe reaftionatter 
Dienfte wieder etwas hinaufarbeiten möchte. — 

Am Hofe wird Folgendes, von verfchiedenen Perfonen 
ziemlich übereinftimmend, erzählt. Der König bat jid die 
Tehow’fchen, bei Seiffart gefundenen Papiere vorlefen laſſen, 
in Gegenwart von Hindeldey, Illaire, Gerlah und Niebubr. 
Ein Brief Leopolds von Gerlach aus Stolzenfeld (1855) kam 

vor, worin diefer jagt: Gewöhnlich heiße ed, wo Aas liegt, 
da ſammeln ſich die Adler, bier müfje es heißen, wo der Adler 
ift, da fammelt fich das Aas; chen fei Hindeldey eingetroffen, 
der lich einen Staatsmann dünfe, einen unentbehrlichen, det 
aber nur ein ehrjüchtiger dummer Menfch ſei. Der König 
habe gefragt: „ Gerlach, haben Sie Dad gefchrieben ?* und der 


357 


babe geantwortet: „Sa, Euer Majeftät, und es ift auch noch 
heute meine Meinung.” — Dieſe Ledart wird von dem ehe: 
maligen Zandrath von Gerlach, dem Better Leopold's, ald die 
wahre und richtige angegeben. — | 

(Diefe voranftehende Gefchichte wird einfacher ald ein 
Auftritt bloß zwifchen Hindeldey und Gerlah erzählt; Hin- 
ckeldey habe diefem die Abfchrift feines Briefes vertraulich vor- 
gelegt und ihn gefragt, wie er jo was hätte fchreiben können ? 
worauf Gerlach geantwortet, er fei fein Freund nicht, wie er 
wohl wife, und fehe feinen Grund, dies zu verläugnen.) 


Dienstag, den 8. Januar 1856. 

Der Bifhof von Würzburg hat zwei Familien von zehn 
Perfonen, die ſich von der fatholifchen Kirche losgeſagt haben, 
deßhalb feierlich erfommunizirerf laffen. Es fcheint das jebt 
Mode zu werden. Nur zu! Da wird jich vieles an's Licht 
itellen, was jeßt noch verborgen ift, nämlich wie wenig Macht 
die Kirche noch hat; wenn alle, die nicht mehr glauben, offen 
abfielen, wie fäh’ es da in der fatholifchen Welt aus! — 

Nachdem Coufin kürzlich in Parid mit gleißneriſchem Eifer 
gegen Voltaire losgezogen, iſt nun auch Nifard, der ehemalige 
Mitarbeiter am National, gegen Boltaire aufgetreten, aber 
mit üblem Erfolg, die ftudirende Jugend hat ihn audgezifcht, 
ihm vorgeworfen, daß er jein Gewiſſen verfauft habe, daß er 
ein feiler Abtrünniger fei, und hat Voltaire'n hochleben 
laffen. — 

Die deutfchfatholifhe Gemeinde in Pojen hat ſich aufges 
löft. Sie konnte den Scheerereien der Behörden nicht länger 
widerftehen. Der Prediger dankte ab. Was hat das alte 
Kirchenthum dabei gewonnen? Die Gefinnung dauert fort, 
und ift der Kirche wie dem Staat nur feindlicher geworden. — 


358 


Der Kabinetsrath Niebuhr dankt nicht ab, gebt nicht nıd 
Italien, bleibt in feiner Stellung und wiedererlangten Guntt, 
bat den Rothen Adlerorden (dritte Klaffe mit der Schleife 
befommen. Heilpflaſter für die Ohrfeige! — 


Mittwoch, den 9. Januar 1856. 

Brief von Herrn Dr. Partbey, der mir fchriftlich wieder: 
holt, daß er die Denfwürdigfeiten der Frau von Chézy nicht 
in Berlag nehmen kann, wobei er die Kriegsläufte vorſchüßt. 
— Auch wieder ein Sammer für mih! Der armen jjrau 
weiß ich feine Aushülfe, und fie bedarf ihrer fo fehr! — 

Befuh vom Grafen von Nord; er ſchildert die fchrediick 
Noth in Schlefien, ein Mann verdient nur 2 Silbergroſchen 
täglich, eine Frau nur anderthalb; „Sie müffen dabei ver: 
bungern, aber ich kann ihnen nicht mehr geben! * 

Louis Bonaparte hat öffentlih zum neapolitanifchen Ge: 
fandten Antonini — den wir vor Jahren aud) hier hatten — 
die ſcharfen Worte gejagt: „Je suis tr&s-mecontent du rei 
votre maitre!* und ihm dann den Rüden zugefehrt. Dat 
hat großen Eindrud gemacht, au hier. Damit dem Grafen 
von Hapfeldt nicht etwa Gleiches in Paris widerfahre, fo bat 
der König fich beeilt, auf einige Beſchwerdeworte hin, die dem 
franzöſiſchen Geſandten entfallen find, diefem erklären zu laf; 
fen, er habe es ganz mißbilligt, daß der General von Wran- 
gel fich in der ruffifchen Kapelle bei dein Tedeum wegen Kurt 
eingefunden habe. — | 





Donnerstag, den 10. Januar 1856. 
In der Lancet vom 1. Dezember No. 22 die Ginmwürk 
der Doktoren Williamfon, Adolph Raſch und Hingeſton gegen 
Dr. Hall’d Angaben und Urtheil über die Franck'ſche Kata 


| 
ı 
s “ 
* 
—⸗ 


359 


ſtrophe gelefen ; die Einwürfe find nicht erheblich, und ändern 
meine Anficht nicht, die Berufung auf charity und Scho— 
nung des Namens macht die Sache nur fchlimmer, es handelt 
fich hier um Wahrheit. Dr, Adolph Raſch ift ein Leipziger, 
die andern beiden find Aerzte aus Brighton. — 

Die Polen wollten hier in der Fatholifchen Kirche ihrem 
im Orient verftorbenen Dichter Mickiewitſch ein feierliches 
Todtenamt halten laffen; der Generalpolizeidireftor von Hin- 
ckeldey jedoch verbot ed. Der katholiſche Probft Pelldram 
aber fehrte fich nicht daran, und dad Todtenamt hat Statt 
gefunden. — 


Freitag, den 11. Januar 1856. 


Beſuch von Bettina von Arnim; nad) einigen verwirtten 
Erzählungen und Nachrichten eilt fie wieder fort. — 

Der Prinz von Armenien hat an den König eine Be: 
ſchwerdeſchrift gerichtet, in welcher er fich bitter über das Ber: 
fahren der Polizei beflagt, in der Türkei könne es nicht ärger 
fein, in Rußland fei man befjer mit ihm umgegangen, Der 
König fendet die Schrift an den Juftizminifter, dieſer an das 
Kammergericht, diefed an das Stadtgericht, es foll über die 
Sache berichtet werden. Das Stadtgericht fordert von der 
Polizei die Alten, Stieber antwortet, fie feien beim Staate- 
anwalt Nörner; als fie von diefem gefordert werden, antwor: 
tet er, fie feien ſchon zurückgeſchickt; Stieber, auf's neue an- 
gegangen, antwortet nach vieltägigem Zögern, die Polizei 
fönne fie noch nicht miffen! Daß Stieber die Akten, um jie 
nicht geben zu müffen, wirklih an Nörner gefchict, diefer 
dann, um fie feinerfeitd nicht mehr. zu haben, gleich zurüd- 
gejandt, dieſes verabredete Gaufelfpiel hat ein Wiffender, der 
dabei zum Werkzeug dienen mußte, ausgeplaudert. — 





360 


Sonntag, den 13. Januar 1856. 

Brief von Humboldt; er fendet mir einen von der Für 
von Lieven aus Paris, der eine Anfrage enthält, über die is 
Auskunft geben fol. ch weiß aber feine andre, als die a 
ihon felbit angiebt. Den weitern Inhalt des Briefes mu 
id) zu lefen auf morgen verfchieben, der feinen Schrift um 
meiner Augen wegen! 

Die politifchen Berhältniffe fangen wieder an geipannter 
zu werden; wenn fein Frieden zu Stande kommt, fo geräth 
Preußen in’d Gedränge; man macht ihm in Parid und Lon⸗ 
don finftre Gefichter, nicht viel beffer in Wien; der König 
wird nicht widerftehen können, und wenn er fich den Weit 
maͤchten anſchließt, ‚oder aud) nur der biöherigen Stellung 
Oeſterreichs, fo verliert die Kreuzzeitungsparthei fehr an Bo— 
den, vielleicht allen; ein neues Minifterium würde nöthig, 
und müßte etwas freifinniger fein, als das jebige. Etwas! 
Das mag Andern wichtig fein, mir gar nicht. Hier kann 
nur eine gründliche Aenderung helfen, und die fteht jegt nicht 
zu erwarten. — Der Sturz von Miniftern kann immerhin 
als ein Schaufpiel gelten, dem man mit Dergnügen zufiebt. — 

Der Geh. Obertribunalsratb Waldel hatte feit feiner 
Treifprechung noch immer den ihm rechtmäßig zuftehenden Ge 
halt nicht vollftändig erhalten. Der feige Präfident und ins 
feige Gericht ſchwiegen zu der offenbaren Ungerechtigkeit. 
Der jebige Präſident, ehemalige Staatsminiiter Uhden, bat 
fich endlich gefchämt, und beim Könige perfönlich bewirkt, dap 
Waldeck wieder fein volles Gehalt empfängt. Seit gan 
furzem. — 


Montag, ben 14. Januar 1856. 
Ich juchte Humboldt's Brief vollends zu -entziffern, ed 
blieb noch einiges räthſelhaft; aber ich konnte meine Antwort 
geben auf die Hauptſachen. -- 


361 


Das Kammergericht hat die Freilaffung Vehſe's entſchie⸗ 
en auögeiprochen, die Polizei dagegen hält ihn feit; dad Kam- 
nergericht erhebt deßhalb Beſchwerde beim Juftizminiiter, 
nefer und der des Innern follen nun dem Könige darüber 
rerichten. Man ficht died allgemein ald eine Schmad für 
rad Kammergericht an, ale eine Berhöhnung des Rechts und 
ver Geſetze; und wenn erft die Gerichte nicht® mehr gelten, 
agt man, dann ift dem Staate dad Herz ausgebrochen. — 
Der Prinz von Preußen bat eben erit den Juftizminifter Si— 
none arg gerüffelt, Daß der Staatsanwalt Blätter (dad Preu⸗ 
jifche Wochenblatt) Teichtfinnig anklagt, die das Gericht als 
ınftrafbar wieder freigeben muß. — | 

Der Prediger Uhlih in Magdeburg erleidet achttägige 
daft im Kriminalgefängniß, weil er in feinem Sonntagöblatte 
om Februar vorigen Jahres das gerichtliche Erkenntniß, wel⸗ 
bed die polizeiliche Schließung feiner Gemeinde beftätigt, 
yatte abtruden laſſen. Wiefo Das ein Vergehen fein mag? 
— Das Sonntagsblatt ift feit dem Mai v. 5. eingeftellt, das 
Appellationsgericht foll darüber urtheilen, auch über das Fort⸗ 
seftehen der freien Gemeinde, aber feit Jahr und Tag fchweigt 
8 über diefen Gegenftand, man fagt, auf Grund höherer 
Reifungen. — 

In Sachſen ift ein Blatt, das den Louis Bonaparte einen 
Parvenu genannt hatte, angeklagt und nur dephalb freinefpro: 
ben worden, weil er auch jelber ſich diefen Namen beige: 
egt! — 

An dem Tage, ald die Einnahme von Kard durch die Ruf- 
en bier befannt geworden, gab der General von Wrangel 
ne Barole Hard. Das gab Gerede, und der König fand ſich 
erwogen, auch diefe Kundgebung als eine unbefugte ftreng zu 
nigbilligen. — 


362 
Dienstag, den 15. Januar 1856. 
In den Thiergarten zu Bettinen von Arnim. Sie if 
wohl auf und munter, überaus freundlid gegen und. — 
Dr. Vehſe ijt feiner Haft entlaffen. Die Juſtiz bat ze 
ſiegt, Die Polizei nachgeben müffen. Diesmal. — Der Kom 
bat befohlen, der Sache ihren rechtlichen Lauf zu laflen, da 
gegen fonnte Herr von Hindeldey nicht? ausrichten. — 


Mittwoch, den 16. Januar 1856. 

Beſuch bei Herrn Dr. Zabel; er hält eine Kabinetefniit 
hier für ganz nahe, meint, Manteuffel und Genofjen würden 
abtreten müffen, General von Wedell und Herr von Ujedom 
die Hauptperfonen eines neuen Minifteriums fein. {ch halte 
den Wechfel nicht für jo nothiwendig, und am wenigiten fann 
ich Hoffnungen an ihn fnüpfen. Neue Minifter werden thun 
müffen, wie die alten, was der König will, oder fehnell wieder 
abtreten! — 

Die Kreuzzeitung bringt die Nachricht, day der ehemalige 
Kultusminifter Eichhorn heute im 77. Lebensjahre gejtorben 
ift. In feiner früheren Zeit ein ganz andrer Mann, ale in 
der ſpätern! Wie Stägemann, und fo viele Andre, denen 
Gunſt und Beförderung zum Schaden gereichten. In Preupen 
ein allgemeiner Grund zur Verderbniß, an der felbit cin 
Schleiermader litt! — 

Les confessions de Madame de La Valliere repen- 
tante écrites par elle-möme et corrig&es par Bossuet. 
Par M. Romain Cornut. Paris, 1854. Wegen der bier 
bemerkten Feinheiten des franzöfifhen Ausdrucks Ichrreih. — 


363 


Donnerstag, den 17. Januar 1856. 

Unmohlfein des Könige. Hoffachen. Verlobung Des 
Prinz Regenten von Baden mit der Tochter ded Prinzen von 
Preußen. Steigendes Anfehn der Prinzefiin von Preußen, 
auf deren Ginwirfung diejenigen fehr rechnen, die einen 
Minifterwechiel hoffen. Die Kreuzzeitungdparthei zittert bei 
jeder Unpäßlichkeit des Königs, fie weiß, daß der Thronfolger 
ſie nicht begünftigen wird. Stahl und Gerlah und Wagener 
fönnen nicht umfehren, aber Goedſche und Stieber hoffen ſich 
jeder Regierung nothivendig zu machen! — 

Der König foll mit Hindeldey einen merfwürdigen Auf: 
tritt gehabt haben. Nah manchen Umfchweifen und be- 
deutungsvollen halben Worten, dur die Hindeldey ſich in 
die peinlichfte Spannung verfegt fühlte, habe der König, fo 
heißt «8, ihm endlich geradezu und mit ſcharfem Nachdrud 
und heftiger Bewegung gefragt, vb er ihm nichte in Betreff 
feines Bruders, des Prinzen von Preußen zu fagen habe? 
Auf die Berneinung fei der König leidenfchaftlich losgefahren, 
habe von verblendetem Ehrgeiz, von heimlichen Anftiftungen, 
bochverrätherifchen Planen gefprochen. Erft nachdem Hindel- 
dey fein Ehrenwort verpfändet, dag alles falfch fei, was man 
in diefer Hinficht ihm zugeflüftert haben möge, daß der Prinz 
das Mufter eines treuen Unterthans fei, erit dann habe ſich 
der König allmählig beruhigt, und fei zuletzt Sindeldey 
weinend um den Hals gefallen. — Hofleute verfihern, das 
dennoch die Berdächtigungen gegen den Prinzen großentheile 
durch Hindeldey felbft gefchehen feien, da er dergleichen Dinge 
beim Könige gebrauchen müffe, um fich in Gunft und Einfluß 
zu erhalten, daß ihm aber diedmal die Wirkung zu ſtark ge- 
worden fei. — 


364 


Freitag, ben 18. Januar 1856. 
MWichtige Nachricht, von allen Seiten beftätigt, daß Ruf 
fand die fchlieglichen Friedensanträge Englands und rar: 
reich® aus der Hand Defterreihd angenommen hat. Dami 
ift freilich der Friede ſelbſt noch keineswegs gefichert, akt 
die Demüthigung Rußlands vollftändig auggefprochen. Unit 
preußifchen Ruffen find auf’d Maul gejchlagen , ihre Prable 
reien und Frechheiten zu Schänden gemacht. Die Gerlachs, 
Wagener's, Goedſche's und wie alle heißen, büßen ihren 
Uebermuth und Verrath wenigitend in der offentlichen Mei⸗ 
nung! — — 


Beſuch vom Grafen von *. Er zeigt mir einen Brief, 
welchen der Prinz Leo von Armenien aud dem Arbeitshaus 
an ihn gerichtet hat. Derſelbe verlangt feine Freiheit, man 
foll ihn reifen laffen, er will in feine Heimath zurückkehren. 
Der Brief ift in möglichit fchlechter Schreibart, im fchlechteiten 
Franzöſiſch abgefaßt, und zeugt von fehr geringer Schul: 
bildung; allein für die Güte feiner Sache folgt daraus ned 
fein begründeter Zweifel. Er befchuldigt fehr die Polizei, 
nur der Feindſchaft des ruſſiſchen Gefandten gegen ihn ge: 
dient zu haben, und behauptet briefliche Beweiſe beibringen 
zu fönnen, daß Budberg ihn früher ald Prinz von Armenien 
anerkannt habe. — 


m 


Sonnabend, den 19. Januar 1856. 
Jämmerlihe Debatten im Haufe der Abgeordneten, me 
die Handmwurfte Wagener, Mitichfe-Kollande und Gerlad de 





Helden find. Sie pochen jept,auf die Stimmenmehrheit, - 


die fie font verachten wollten, nun aber erlangt haben. — 


Der König thut, ald ob nur fein Anfehen und Bemühen 
bie Nachgiebigkeit Ruplande bewirkt habe; rühmt ſich deſſen 


365 


ganz offen, und meint, die öfterreichifchen Borfchläge und 
Drohungen hätten nichts ausgerichtet. — 

Die Hofleute, die viel von den Launen und ftürmifchen 
Aufwallungen des Königs zu leiden haben, benuben jede Ge: 
legenheit fich zu rächen, und erzählen mit Eifer die Gefchicht- 
hen von feiner Wandelbarkeit, feinen Widerfprüchen mit ſich 
jelbft und von feinen fonftigen Schwachheiten, welches denn 
auch zu Spottverjen und Zerrbildern manchen Anlap giebt. 
Kommt etwa? der Art zu ded Königs Kenntniß, fo zürnt und 
ſchilt er heftig, aber die Urheber willen fi im Dunkel zu 
halten. Dan will ihn über einige ſolche Kränkungen auch 
weinen gejehen haben. — Seine Umgebung liebt ihn durchaus 
nicht. — 


Sonntag, den 20. Januar 1856. 


Litterariſche Sachen vorgenommen, Nachträge, Erläute⸗ 
rungen, Bemerkungen. Autographen, Denina, Preuß, Ger⸗ 
vinus. Unſtre Litteratur leidet wie die ganze Nation an Un- 
zufammenhang, Zerfplitterung, und jest mehr ala früher, 
trog der wunderbar vermehrten PVerbindungsmittel. Die 
Menichenfreundlichleit und Bildungsliebe des achtzehnten 
Jahrhunderts fehlt, die Deutfchen find härter, ungefelliger 
geworden, die Fehden ded Mittelalter im geiftigen Ge— 
biet! — 

Sehr anzuerkennen ift der Mangel an Talent und Kennt⸗ 
niß, der fich im Herrenhaufe fund giebt, und im Abgeordnetens 
hauſe in der fogenannten Rechten. Für Finanzjahen müffen 
fie fi auf Kühne und Patow verlaffen, fie haben feine Leute, 
welche deren Einficht und Erfahrung hätten. — 

Bei den jebigen riedendausfichten ift von einer Ver—⸗ 
änderung des hiefigen Minifteriums nicht mehr die Rede. 
Der König heißt ed, könne feinen bequemern Miniſter finden 


366 


als Manteuffel, den er fich fchon ganz nach der Hand gejogen 
habe, der ohne eignen Willen alles Befohlne ausführe, jeta 
Mipgriff auf fich nehmen, und nichts fein wolle als ein geber: 
james Werkzeug. Aber die Kreuzzeitungdpartbei läpt mid 
nach an feinem Sturze zu arbeiten! — 

Die Gerlach's und ihre Spießgefellen haſſen mit offen 
Muth das Jahr 1848, daß fie aber das Jahr 1813 eben fe 


haffen, wagen fie nicht laut zu befennen, fie gefteben es nur | 


im Bertrauen ein! Natürlih! Sie müffen alles haffen, mai 
nicht Junker und Pfaff ift, alle, wobei das Volk groß, tapfer 
und edel auftritt. — 


Montag, den 21. Januar 1856. 
Befuh von Herrn Oberftlieutenant von Binde (Olben⸗ 
dorf). Gefchichten aus der Verwaltung in Schlefien, ven 
Zandräthen, Regierungspräfidenten, Kreiöftänden ꝛc. Starker 


Tadel gegen den Grafen von *, er am meiften habe verfhultt, 
daß der Prinz von Preußen in fo übled Gerede gefommenx. 


Ueber die heutige politifche Lage der Sachen. — 
- Nachmittags Befuh von Herrn Hermann Grimm. E 


berichtet von Bettinen. Sie hat fih mit feinem Vater und 


Onfel ausgeföhnt, auf ihren Wunfch wurde fie zu Reib 


nachten eingeladen, und brachte dort einen vergnügten Abend 


General Adolph von Willifen kam, und Grimm ging 


Ludmilla. Wir befprachen die Friedensausſichten, und fin? 


in Allgemeinen ziemlich einverftanden, nur ftellt Williſen 
alles immer zu fehr auf die Spite, während in der Weltde 


Sachen mehr ftumpf und dumpf genommen werden. — 


Man ift in großen Sorgen und Zweifeln, ob Franfreib | 


und England zugeben, daß Preußen an den Friedensverhand⸗ 


lungen Theil nimmt. Die Ausfchliegung wäre eine bel | 


| 


| 





367 


zende Schmach. Die Defterreicher thun, als fei die Aus— 
ließung nicht. denfbar, ald würden fie die Zulaffung Preußens 
yenfalld erzwingen. Aber der Eintritt unter dem Schuß 
d durch die Fürfprache Defterreichd wäre fait noch demü⸗ 
tgender, ald die Ausfchließung! — 


Dienftag, den 22. Januar 1856. 

Audgegangen mit Ludmilla. Wir betraten die Suppen- 
he Behrenſtraße 11, und fofteten die Suppe, die ganz vor⸗ 
lich war; für 11/, Silbergrofchen eine tüchtige Portion . 
t einem Stüde guten Roggenbrotes. Einrichtung, Rein⸗ 
breit, Ordnung, alles auf's befte, unter Aufficht von Herren 
d Konftablern. — 

Zu Haufe fand ich die Einladung auf morgen früh zum 
roßherzoge von Sacjen-Weimar durch feinen Ndjutanten 
n &rafen Leo Hendel von Donnerdmard. ch fehrieb fo- 
ich eine ablehnende Antwort, cheumatifche Uebel ald Grund 
führend. — | 

In Louis Blanc gelefen. Seine Geſchichte der franzgji- 
‚en Revolution ift jebt das lefenswerthefte, ja alleinige Werf 
‚er diefen Gegenftand. In Goethe gelefen. — 

Drdenertheilungen am Sonntage, lange Lifte! Parlamen- 
rifche Verhandlungen in beiden Häufern! Macht alles weder 
irm noch Falt, ift eind unnüß wie das andre! Unſre innern 
ıjtände quälen fi in Verrenfungen, Gebrechen und Schwei: 
reien fort; nur eine gründliche Kur, ein Verſetzen auf ganz 
uen Boden, fann und wieder in edle, freudige Faſſung 
ingen. — 

Dap der Minifterpräfident von Manteuffel den Schwarzen 
lerorden auch diesmal nicht befommen, ſieht man als eine 
hre Kränkung für ihn an. — Man fagt, dem Könige ſei 
n gewiſſen Seiten ernftlich der Vorſchlag gemacht worden, 








368 


ein Minifterium Gerlach zu ernennen, allein er habe em 
unüberwindliche Abneigung dagegen gezeigt. Den Genenl 
von Gerlach, heißt es, dulde er nur, und ſchätze ihn eigentlih 
gering, den Präfidenten von Gerlach aber haffe er, weil hide 
früher fchmachvolle Aeußerungen gegen den König gethan un 
gemeint babe, demfelben bleibe nur übrig abzudanten, jum 
Negieren fei er ganz unfähig. — 


Mittwoch, den 23. Januar 1856. 


Herr von Minutoli, im Jahr 1848 Polizeipräfident um | 
Berlin, und jett General-Ronful in Spanien, verweilt nnd 
bier und wünſcht fehnlich wieder im Baterland angeftellt zu 


werden, aber freilich nur auf einem hoben Poſten, und den 
findet man für ihn nicht, oder will ihm denfelben nicht geben. 


Er ift voll Ehrgeiz, Unruhe und Thätigfeit, aber weiß feine 


Sachen nicht zu fördern. Der König ift ihm aus alter Zeit 
ber gewogen, mehr noch als er ed zeigen mag; er glaubt ihn 
feiner Perfon ganz ergeben und angehörig, und meint, derſelbe 
habe im Jahr 1848 ihn gerettet. Wie das gejchehen fen 
foll, weiß freilich niemand! Minutoli hat vom Könige ein: 
große Menge vertraulicher Zufchriften aus jener Zeit. — 
Große Entdedung! Der Yahdebufen erweift. fih als 





1 


| 


unbrauchbar. Es foll unmöglich fein, dort die nöthigm | 


Hafenbauten zu machen. AU das Geld weggeworfen! Die 
elende Spielerei Eoftet jährlich ein paar Millionen ! 

Ein Belannter von mir war beim Prinzen von Preußen, 
als diefem der Minifterpräfident von Manteuffel angemeldet 
wurde. Der Prinz fragte jenen: „ft ed Ihnen auch nicht 
unangenehm, daß er Sie bei mir fiebt ?* Die Antwort wat: 
„D nein! Es wird mir eine Ehre fein.” Aber die Frage de 
Prinzen bezeichnet den Zuftand der Dinge, es ſchadet der 


Leuten, wenn man fie bei ibm fieht, und er bekennt &. — — 


369 


Der Prinz läßt alle Bekannten jept in Zivilleidern zu ſich 
fommen; früher beftand er auf Uniform. — 


Donnerstag, den 24. Januar 1856. 

Der Vehſe'ſche Prozeß kommt heute zur Berhandlung. 
Es heißt, die Deffentlichleit werde ausgefchloffen fein. Dr. . 
Vehſe hat den Rath erhalten, fich bei dem eriten Erkenntniß, 
welches es auch fei, zu beruhigen und nicht zu appelliren. 

Humboldt hat das Ehrenbürgerreht von Berlin empfan- 
gen; der Oberbürgermeijter Krausnid hat dabei eine fchlechte 
Anrede gefprochen, Humboldt in fehönen und cdlen Worten 
gedankt, die nur nicht an den Magiftrat, diefen Magiſtrat der 
Stadt Berlin, gerichtet fein follten. Daß er dad Lob des 
Königd auf eine feine Weife hat einfließen laffen, wird ihm 
von Bielen verdadht, von mir aber nicht, ich finde es ſehr 
taftvoll und hübfch. 

Der König hat ein großed Gemählde von N. von Bayer, 
das die Schiller/fhe Ballade Ritter Toggenburg zum Gegen- 
ftande bat, für 7000 Thaler gefauft. Sowohl dad Gemählde 
ale der Preis werden fehr angefochten, und ed werden harte 
Borwürfe gegen die Nathgeber laut, denen der König in 
folgen Sachen folgt, oder Die feinen mipleiteten Launen hierin 
folgen, — 


— — — —— 


Freitag, den 25. Januar 1856. 
Brief und Sendung aus Dreöden von Herrn Prof. Hett- 
ner; er fendet mir den erften Band feiner Litteraturgefchichte 
des achtzehnten Jahrhunderts, der die englifche Litteratur von 
1660 bis 1770 behandelt. — 
Dr. Vehſe ift zu ſechs Monaten Gefängniß verurtheilt 
worden, der Antrag war auf 18 Monate geſtellt. „oe bat 


Barnbagen von Enfe, Tagebüder. XII. 





370 


feinen Mißgriff eingefehen, alles auf Campe gejchoben, ke 
ihn getäufcht habe ꝛc. Er bat die Strafe gleich angetrete, 
und will nicht appelliren, um wegen feines Aufenthalts br 
mit der Polizei feine Weitläufigfeiten zu haben. Die Deffent- 
fichfeit war nicht ausgeſchloſſen. Sonderbar, nachdem di 
Zhatfachen, welche Vehſe nun felbft ala faljche einräumt, 
gerichtlich al® Verläumdung eriviefen worden, glaubt Ni 
Publifum erft recht an deren Wahrheit. Man traut unfern 
Gerichten nicht mehr, und noch weniger den medlenbur: 
gifchen. — 

Der elende Wolfgang Menzel, berüchtigt wegen feiner 
gemeinen Angriffe auf Goethe, feines Bellend auf Heine ıc. 
hat fih nun als Klopffechter auf die Seite der bairijhen 
Junker und Pfaffen geftellt. . Da mag er ftehen bleiben! — 

In Hettner’d Buch gelefen, mit großer Anziehung und 
Befriedigung. — 

Der Geburtötag Friedrich’ des Großen im Englijcen 
Haufe hier doppelt gefeiert. Im großen Saale war die 
militairifche Gefellfchaft „ wo fich auch der König einfand, und 
einiged Schmeichelhafte wohlgefällig anhörte. In den vordern 
Zimmern war die Linke des Abgeordneten-Haufes, we die 
anzüglichften, die ftrafendften Reden gehalten wurden, ven 
Wentzel, Kühne (Generalfteuerdirektor), Patow und Andern. 
Alles Rob Friedrich's des Großen befam einen Gegenſatz, wie 
es heute ausfieht, und der Fühnfte Tadel wurde heftig De 
klatſcht. Das berühmte Wort, das einſt Yriedrich beim An 
blid elender rufjifcher Gefangenen ausfprah: „Sieht Er, 
mit folchem Gefindel muß ich mich herumſchlagen!“ wurde 
auf Patow und feinen Zweikampf mit dem Grafen von 
Schlieffen unter fchallendem Gelächter angewendet. — 


371 


Sonnabend, den 26. Januar 1856. 
Humboldt fendet mir „mit freundfchaftlichften Grüßen “ 
nen Abdrud feiner Antwort an die Ueberbringer ded Ehren: 
yürgerrechts für ihn von Seiten der Stadt Berlin. — 


Alle Staatspiere fteigen, beſonders aud, die rufjiichen. 
— Der Glauben an Frieden herrfcht überall, die hartnädigiten 
Zweifler geben nad. Freilich wird der Frieden nur ein 
Waffenitillftand fein, aber gewiß ein mehrjähriger, und in= 
‚wifchen fann fich viel in der Welt verändern. — Hier ift man 
sefonderd auf Defterreich eiferfüchtig, fürchtet deffen Tüde und 
Salfchheit. Aber wie fpriht man in Wien von Preußen? 
Dan hält deffen Demüthigung, Herabwürdigung, Verkleine⸗ 
ung für ein ganz verdienftliched Werk, über das ganz Deutfch- 
‚and ſich freuen müffe. Man will hier willen, Defterreich fuche 
nit Hülfe Franfreihe eine ftärfere Stellung im Deutfchen 
Bunde zu erlangen, ein noch entjchiedneres Vorherrſchen, 
als jeßt ſchon ftattfindet. -- Man fürchtet, weder Danteuffel 
roh Bismard-Schönhaufen werden den ſchwierigen Umftän- 
Jen gewachjen fein. — 


Nachricht, daß Frankfurt am Main der Ort der Friedens⸗ 
yerhandlungen fein wird. Wien wird ftarf verneint. — 
Paris? — 


In Rußland und in der Türkei ſind die Keime der größten 
Beränderungen vorhanden; der Krieg hat ſie eingelegt, der 
Frieden wird ſie entwickeln. — In St. Petersburg wird 
chon jetzt mit größter Freiheit geſprochen. Ein Krieg, den 
nan für einen nationalen ausgiebt, für den man das Volf 
ufruft, eröffnet auch dem Urtheil, der Unterfuchung, der 
Rritif freie Bahn. Der Raifer Nikolai hat feine ganze Macht 
ıngewendet, um feine Alleinherrfchaft zu brechen, er hat der 
Sreiheit Anechtödienfte geleijtet. Uebrigens ift er ganz ver: 
jeffen, niemand ſpricht mehr von ihm, feine begeifterten Be: 


24° 





372 


wundrer find ftumm geworden, feine Bildniffe verſchwinden 
von den Schaufenitern, von den Zimmerwänden. — 

Bei der ängftlichen Frage, wiefern Preupen zur Thal: 
nahnıe an den Friedendverhandlungen werde zugelaffen werden, 
rechnet man bier faum noch auf die Unterftüsung von Seiten 
Rußlands, vielmehr auf die Billigfeit Louis Bonaparte, 
dem aber England offenen und Deiterreich heimlichen Witer: 
ftand leiften werden. Der König hat fchon in feiner leichten 
Weiſe hingeworfen , e8 ſei ihm gleichgültig, ob fie ihn zulafien 
oder nicht, aber zugleich hat er Manteuffel beauftragt, alles 
dran zu feßen, daß Preußen nicht ausgeſchloſſen werde. — 
Bei der Nachricht, daß der König von Sardinien zur Theil 
nahme an den Berhandlungen eingeladen worden, hat es nit 
nur faure Gefichter, fondern auch Faujtballen und Zähne 
fnirfchen gegeben. — 


— — — — — 


Sonntag, den 27. Januar 1856. 

Dad Minifterialblatt „Die Zeit* bringt einen ſchartfen 
Artifel gegen das Programm der Rechten, gegen deren Por: 
ſchläge zu durchgreifenden Berfaffungdänderungen, die & 
nicht fonfervativ, fondern revolutionair nennt. Die Minifter 
ſcheinen alfo feine Rüdfchritte mehr zu wollen, feine großen! 
Das wäre fchon was, wenn wir nur diefe Miniiter nicht ſchon 
fennten! Es find diefelben, die neulich in der wichtigen 
Grundfteuerfrage ſich des Abftimmend enthielten! Aus zurdt, 
aus Unentichloffenheit! Sie merfen etiwad von Gefahr, wenn 
der Staat ein Kreuzzeitungeftaat wird! — 


Montag, den 28. Januar 1856. 
Sch hing dem Gedanken nad), daß man fich nicht heimiſch 
in dad Leben hineinlebt, jondern aus der Heimath hinaus, 


373 


in die fremde hinein! Es iſt wohl eine Täufchung, daß 
man fi immer noch für denfelben hält, der man war, man 
ift auch Tängft ein andrer geworden, ſchon durd die ver- 
änderte Umgebung, in die man fich verfeßt findet, und die 
immer wieder fich verändert. — Im Juvenalis gelefen, — 

Der fogenannte Prinz von Armenien ift heute von der 
Polizei in der Stille fortgebraht worden, und wird nad 
Belgien ausgeliefert, wo er einen Gerichtöhandel hat. Die 
Polizei konnte nicht länger verhindern, daß feine Sache hier 
an die Gerichte fam, wo die Unbefugniß und Gehäffigkeit des 
Verfahrens gegen ihn nicht zu vertufchen gewefen wäre. Gie 
ihafft den Mann daher fort, wodurch jede weitere Unter: 
ſuchung abgefchnitten und der ruſſiſche Gefandte gefichert wird, 
der Befehl des Könige aber fruchtlog! Gleich beim Ergeben 
dieſes Befehld wußte man voraus, fo würde die Sache 
endigen! — | | 


Dienstag, den 29. Januar 1856. 

In beiden Häufern ded Landtags nichtewürdige Ver: 
bandlungen! Das fhamlofefte Ariftofratenpad herrſcht, und 
unterwühlt den Berfaffungsboden, auf dem es doch felber 
ftehen muß um zu wirfen! Sie werden nicht zu Stande 
bringen, was fie beziweden, diefe Wagener, Mitſchke-Kollande, 
Serlah, Voß-Buch; aber Unfug und Schaden richten fie 
genug an, ſchon weil fie die Demokratie zwingen, einſt ſcharf 
gegen ihre Feinde zu verfahren. Man lernt fie alle fennen, 
diefe Adlichen, in denen jeder Funke dee Edlen erlofchen ift. — 

Heder, glüdlicherweife in Amerika, ift von badifchen 
Gerichten jebt zu lebendlänglicher Zuchthaugftrafe verurtheilt 
worden. Bon badifchen Gerichten ift früher ſchon die Todes: 
ftrafe gegen ihn ausgeſprochen. Die Kreuzzeitung verdächtigt 


374 


ihn bei diefer Gelegenheit, der Freiheitsmann möge wohl gar 
jest Sklaven halten. Niederträchtiged Lügenmaul! — 

„Zur Gefchichte der Schladht bei Kulm. Bom Oberften 
von Helldorf, Kommandanten von Wittenberg. Berlin, 1856.' 

„Militairifche Betrachtungen über die Vertheidigung ven 
Sebaftopol. Berlin, 1856.” 

Der König, äußerft betroffen, daß man ihn von den 
Friedendberathungen ausſchließen will, foll dem Miniftr 
präjidenten von Manteuffel harte Vorwürfe gemacht haben, 
daß er die preußifchen Verhältniffe nicht beffer geleitet; die 
falte Erwiederung ded Minifters, er habe ſtets nur die Befehle 
Seiner Majeftät befolgt, ſoll dem König fehr empfindlich ge: 
wejen fein, und man glaubt eine Entlafjung Manteuffels auf? 
neue wahrfcheinlich; man fieht fie als gewiß an, wenn Preußen 
wirklich ausgefchloffen bleibt, deßhalb wünſcht die Krey 
zeitungsparthei dem Staate dieſen Schimpf, der ihn allerdings 


auch mehr auf Rußlands Seite wenden könnte. Allein was 


ift ihr dabei gewonnen, wenn Rußland felbft mäber mit 
Frankreich fich verbindet, und Preußen ihm noch ieniger 
werth wird, ald jest? — 

Der Minifter des Innern, Herr von Weftphalen, hat 
geitern den Herrn von Hindeldey benachrichtigt, daß man er: 
fahren habe, ein ehemaliger Polizeikommiſſarius Techow fei 
in den Berrath preußifcher Amtepapiere verwidelt, man 
fönne es nicht glauben, aber u. ſ. w. Wie mag Hindeldey 
gelacht Haben! Als ob der Minifter im Monde Iebte, ftatt in 
Preußen! — 


Mittwoch, den 30. Januar 1856. 
Bei einem Gaftmahl zur Feier der Hindeldey » Stiftung 
hat Herr von Hindeldey eine Rede zum Lobe der Bürger ge 
halten, und aud gejagt, die Beamten fungirten nur der 


875 


Bürger halber. So gering diefe Wahrheit und fo wenig neu 
jte ift, fo wird der Spruch doch am Hofe übel vermerft, und 
man fpottet, daß Hindeldey nun auch wie Wrangel ſich beim 
Volke beliebt machen wolle! — 


Ich weiche darin von meinen Bekannten fehr ab, daß ich 
die politifhe Lage Preußens durch deſſen Ausfchliegen von 
den Friedensberathungen nicht fo ernftlich gefährdet fehe, ale 
man gemeinhin glaubt. Freilich, wenn das Weſen fehlt und 
der Schein alles leiften muß, dann hat man alle Urfache, 
wenigſtens den zu retten! Aber ſtünde man im Innern feft, 
hielte man die dem Bolfe gegebenen Verfprechungen, geftattete 
man Freiheit, übte man Gerechtigkeit, ftüßte man fich auf das 
übrige Deutfchland, verhieße dem deutſchen Bolt Einheit, — 
‚dann, ja dann fünnte man der ganzen europäischen Politif 
troßen nnd Hohn fprechen! Uber wie weit find wir davon 
entfernt! — | 


Donnerstag, den 31. Januar 1856. 


Ausgegangen mit Ludmilla. Auf dem Opernplage den 
Grafen von Hertzberg geſprochen; auf meine Frage, ob er 
vielleicht ald Mitglied des Herrenhaufes hier fei? erwiederte 
er fpöttifh: „O nein! ich Danke für alles!" Ein alter Dffi- 
zier vom Regiment Gendarmen vor 1806! 


Beſuch von Herrn DOberftlieutenant von Binde, Nach— 
rihten mancher Art. . Die Prinzeffin von Preußen freut jich 
auf ihre baldige Abreife, zunächft nah Weimar; die Ber: 
hältniffe am Hofe hier find ihr zuwider. Der Prinz beklagt 
die innern Zuftände, und fagt unter andern dad merfwürdige 
Wort, die Kammer der Abgeordneten, wenn man ihr Freiheit 
gejtattete, würde eine ganz andre Haltung annehmen, ale fie 
jest bat, die Meiften würden eben fo gern mit einem Minifte- 


376 


rium Schwerin Auerswald ſtimmen, als mit dem jeßigen, ja 
fogar lieber! — Ueber die politifche Yage der Dinge. — 

Die Verhandlungen des „Landtags“ — wie das Din 
jetzt heißt, find ein wahrer Efel. Die Rechte, in. der Sicher 
heit ihred Stimmenübergewichtd und des Schweigend nder Nach 
gebens der. elenden Minifter, erlaubt fid, die ſchändlichſter 
Ausfälle.umd, Anträge. Der Heuchler Wagener und der rotf- 
nafige Boß-Buch führen. das große Wort; die Unfähigfet 
ſchadet ihnen nieht, dad Talent und der. Eifer der Gegner find 
nutzlos, we äußere Gründe, und PVerabredungen ſchon im 
voraus entjchieden haben. Dabei ftimmen viele Abgeordnete 
ganz offenbar wider ihre Geſinnungen, bloß weil fie von den 
Standesgenoffen nicht. abweichen wollen; es liegen darüber 
merkwürdige Belenntniffe vor... Der Graf ven Schwerin und 
der eine Neichenjperger haben heute einige. brave Hiebe aus 
getheilt., Die Demokratie fann dazu nur lächelnd die Achſeln 
zuden; fie wartet auf.andere Tage. Sie werden fommen! — 

Man, erinnert wieder eifrig an ein bekanntes Wort, 
Preußen ftehe wieder am Abgrund w wie « 1806, aber ohne alle 

Ausſicht auf ein 4813, — 


| \ Freitag, h ben 1. Februar 1856. 
Preuhen ſoll nun zu den Friedensverhandlungen zuge⸗ 
laſſen werden, aus Gunſt Louis Bonaparte's, aus Fürſptache 
Oeſterreichs! Ueber ſolchen Erfolg ſich zu freuen, muß man 
ſehr verliebt fein in den äußern Schein, der diesmal nicht ım 
geringſten Die Schande bededt. Oeſterreich bedarf: Prenßem 

beim Bundestag ein wenig! , emo or. m 
In den Verhandlungen unſres ‚Landtags reitet. man 
über das Wort revolutionair, und wen ed zufomme; die 
Ultra’d, die nichts fchaffen, nur zerftören, werden von den 
Liberalen fo bezeichnet, diefe von jenen. Am Ende wird fih 


377 


n, duß man noch mitten in der Revolution iſt, gleichviel 
ſie mache! — 

Die neuen Angriffe und Bertümmelungen der Berfaffung 
heute mit großer Stimmenmehrheit dDurchgegangen. Der 
zwurſt Zudwig von Gerlach und der Jammermann Wages 
— er bereut öffentlidy Die Sünden, die er als Redakteur 
Neuen Preußifchen Zeitung begangen — machten ihre 
iche. Der wadre Wengel warnte vergebend, jo aud 
* Schwerin, und. Lette und Patow. Gelegen ift nichte 
1er Sache, fie gilt nur als Zeichen, aber als folches ift 
ih — 

Der Prinz von Preußen hat fich die Gefchichte des Prinzen 
Armenten erzählen laffen, und ift empört über die Willfür 
Eigenmacht der Polizei, fo wie über die Zagheit der 
shte, die fich beichweren -follten. Bei wem aber? Bei 
Juſtizminiſter Simons?! — Die Gefchichte wird fid 
luten, wie viele andre. Man fpricht eine Weile davon, 
dann nicht mehr. — | 

Der Prinz von Armenien ift nicht nach Belgien audges 
rt worden, fondern auf den Bahnhof gebracht und nad) 
em Wunjche auf Frankfurt am Main gewieſen worden, 
ı Geld hatte man ihm abgenommen und verrechnet, doch 
Eifenbahn davon bezahlt. Man ift allgemein empört 
‚ dies Berfahren. — M 

Auf. den. erneuerten Subffriptionsbällen hat fich eine hier 
hörte Pracht gezeigt. Befonderd auffallend war die 
e Zahl reicher, glänzend geſchmückter Füdinnen. Der 
ig. foll ganz erflaunt gewefen fein und gefagt haben, er 
iberrafcht, in feinem chriſtlichen Staat fo viel jüdischen 
at zu fehen. — 


378 


Sounabend, den 2. Februar 1856. 

Die Kreuzzeitung brachte geſtern die Berichtigung, Is 
anfängliche: Verbot der Aufführung des Stüdes von Be; 
john „Nur eine Seele” fei. nicht auf Anfuchen des ruſſiſtha 
Gefandten ergangen, und iſt unwillig, dag man dergleihe 
verbreitet habe! — Der Kladderadatfch züchtigt die. Gerlad 
und Wagener und Mitfchle- Kollande für ihre Frevelatbel, 
indem er fie ald Holzhauer vorftellt, welche die Kleben da 
Verfaſſung zerjägen und Heinhauen. Auch bat er den Ruth | 
ded Prinzen von Armenien zu erwähnen, von dem die Pelizei 
jest nicht gern mehr hören mag. Sie wird aus dem Aus 
land aber wohl noch genug von ihm hören, er wird in Frant- 
reich Federn finden, — 

- Der Hanswurſt ˖ Ludwig von Gerlah Täugnete geftern, 
daß im Jahr 1813 Begeifterung für Jreibeit vorhanden ge | 
weien;. die Soldaten hätten geſungen: „Bonapart', d 
Schinderknecht, Willſt uns lehren deutſches Recht!“ Auf 
der Rednerbühne des Landes geſprochen, deſſen König und 
Miniſter wieder mit einem Bonaparte ſehr ‚viel Umftände zu | 
machen haben, Fangen diefe Worte plump und roh, und man 
fürchtet ſchon, daß ſie in Paris herb gerügt werden. — 

Die Ritterafademie zu Brandenburg, wo bis zum Jaht 
1848 junge Adliche fehr Schlecht erzogen wurden, wird wieder | 
bergejtellt. — Im neuften Budget jteht bereit? ein Jahres 
beitrag von 5400 Thalern, die der Staat dazu wie früher aud 
jest wieber.geben will. Unnützer fann er diefe Summe nicht 
verichwenden, aber. ariftofratiiche Gelüſte müfjen befriedig 
werden! Es iſt eine wahre Schande! — 





Aus dem Anfange bes Februar 1856. 
Das Vorſchreiten der Kreuzzeitungsparthei gegen die Ver— 
faſſung iſt dem Miniſterpräſidenten von Manteuffel doch be 





379 


denklich geworden, befonders weil er und feine Anhänger dur) 
das Uebergreifen jener Parthei fich gefährdet fühlt: - In 
inem Minifterrathe, bei dem der Minifter des Innern Herr 
von Weitphalen fich fügen mußte, wurde beſchloſſen Einhalt 
u thun. Im Haus der Abgeordneten wurden am A. dem⸗ 
jemäß zwei Anträge auf Berfaffungsänderung durch die. über: 
afchendfte Mehrheit befeitigt. Die Mehrzahl: derer, die bisher 
‚uch der Kreuzjeitung anzugehören fihien, erwies fich den 
MRiniftern gehorfam. Große Zerrüttung deßhalb in der 
Barthei! — 

Die holfteinifhhen Stände haben fich ermuthigt, und eine 
Minifteranflage befchloffen. — Das Itzehoer Wochenblatt 
interdrüdt. — 

Die Volldzeitung am 6. vortrefflih über Preußens Zu- 
affung - zu den SFriedendberathbungen. Am 7. vortrefflid 
jegen die Kreuzzeitung, die jegt Frankreich lobt, weil es Ruß⸗ 
and freundlicher iſt. — 

Am 7. Debatten im Hauſe der Abgeordneten über Schwe⸗ 
in's Antrag wegen des von der Regierung verübten Wahl: 
wanged. Reichenſperger und Mathis und Bardeleben brav. 
Der Regierungdtommiffair Geh, Regierungsrath Dr. Ludwig 
dahn ein ſchamloſer Lohnredner. Am 8. Fortſetzung. Der 
Bole Morawski fpricht mit edler Leidenfchaft und. erregt 
türmifche Bewegung. Aberdas Haus geht mitgroßer Mehr: 
yeit zur Tagesordnung über! — 

Uhlih in Magdeburg wegen des Sonntagsblatted vom 
Hppellationsgeriht — endlich! — freigefprochen; die freie 
Hemeinde dagegen, von diefem verurtheilt, wird ala politifcher 
Berein angefehen!! — 


380 


u - Freitag den 8. Februar 1856. 
Mehr als je fürchtet man bier, daß Preußen keinen u J. 
theil an den großen Verhandlungen haben werde. Die Ri MW 
richten aus Paris laſſen fehr die Ausſchließung befürdta, 
und Rußland zeigt ſich außerordentlih Tau. Man iti 
graufam, den König in diefer Bangigfeit hinzuhalten, und 
fehlt nicht am Leuten, die darüber fchreien, als fei Preukmi 
Ehre und Macht gefährdet. (Sie ift es, aber durd an 
andre Dinge!) Hier tröftet man fich in der Erbitterung mil 
dem Widerftande, den man Oeſterreichs Abjichten am Bunt 

tag entgegenfegt. In Wien fchimpft man wüthig auf uni. 





| Sonntag, den 10. Februar 1856. 

Widerſprůche im menſchlichen Weſen, Ernſt und Shet 
Trauer und Luft, beide wahr! — 

Der Magdeburger Rabbiner Philippſon tritt hetau J 
fotdernd gegen Wagener auf, der den Juden im chriftlihn J 
Staate feine Rechte zugeftehen will. Jener führt figid 
dad Neue Teftament gegen den frömmelnden — an, dem 
mit trocknen Schmähungen zu antworten weiß. — 

In England ein Baron Parke zum lebendlänglichen (mid 
erblihen) Pair gemacht, feit undenklicher Zeit nicht gefhehen, W 
aber durch alte Beifpiele unläugbar ald Recht der Krone ers | 
wiefen. Im Oberhaufe Stuben und Widerſpruch, im Belt 
Beifall. — | 

Der König will nicht, daß während der Faſten Bil 
gegeben werden, wenigftens follen fie nicht fo heißen. Ber | 
jept einen Ball giebt, ladet nur zum Thee ein; wird nachher 
getanzt, fo ift es eine Zufälligfeit. Ob dem lieben Gott mit 
diefer Abfindung ein rechter Gefallen geſchieht?! — 





| 


381 


Dienstag, den 12. Februar 1856. 

Unfer allgemeiner Landtag vereint mit dem fchlechteften 
‚heil des Minifteriumd arbeitet ganz offen auf das Verderben 
es Staated los. Die Verftümmelung, das. Brechen der Ver⸗ 
iſſung, geht ungehindert fort, der ſchwache Widerſtand Man-. 
euffel's ift bereits erlahmt, war überhaupt nicht ernft, kam. 
ur aus perfönlichen Triebfedern, nicht aus der Sache. Hente 
rang Weſtphalen mit feinen Gefellen eilig auf Unterordnung: 
er Bauern unter den Gutöheren, das heißt unter den Edel⸗ 
wann, denn andre Gutsbeſitzer follen felber nur ald Bauern. 
elten. Freie Leute follen wieder Hörige werden, man. ruft 
as Beifpiel Medlenburgd an, man möchte zur Leibeigenſchaft 
urück! Gerlach feßt feine nichtöwürdigen Späße fort, die 
:aften der Bauern find ihr Recht, die Vortheile der Adlichen 
hre Pfliht! Sind diefe Frechen nicht rafend, ‚dergleichen 
Dinge zu betreiben, die einft fchwer. auf ihre Köpfe fallen. 
derden? Die bisher ganz ruhigen, ja reaktionair mißbrauch⸗ 
en Bauern macht man zu revolutionairen. . Sie werden es 
on merken, wie. man mit ihnen verfährt, und die Rode 
ann nicht ausbleiben. — 

Geftern begann eine Reihe von zwälf Borftellungen einer 
leinen frangdjifchen Theaterfruppe. Ungeachtet der fehr hoben 
Preife waren alle Pläge hefept, die Verſammlung äußerft 
Tänzend, gine ungeheure Menge Wagen, Zu Bergnügungen, 
um Prunf, zu prahlerifchen Genüffen fehlt es nicht an Geld. 
Die Verſchwendung ift in ftetem Zunehmen, die Berarmung 
über auch. — 


| Mittwoch, den 18, . gebrugr 1 1856, 
. Der, Sultan. in Konftantinopel wohnt einem Masfenballe. 
ed englifchen Gefandten bei.  Unerhörte Neuerung! PBiele 
Nufelmänner griffen heimlich zu den Waffen, weit fie glaub» 
en, fie würden den Sultan mit Gewalt befreien müffen. — 





tigen Marat's oder Knipperdolling's als Nachtommen 
jetzigen Gerlach's, Wagener's, Goedſche's auch mit der 


Namen bezeichnen. So frech wie in dieſem — iſt 


Unvernunft, Willkür und Gewaltthat vielleicht noch nie a 
getreten. 


— — — — — 


Freitag, den 15. Februar 1856. 

Bettina Spricht von Beethoven, und fagt, er fei nerl 
in fie gewefen, und habe fie heirathen wollen! Sie ſei an 
Anblick des fehönen Arnim gewöhnt gewefen, und habe 
dergleichen nicht gedacht; wenn fie aber feine Frau gemor 
wäre, würde fie ed nie gereut haben. Das Lied „Her, m 
Herz, was foll das geben?“ habe er für fie fomponirt! Lar 
Schaum und Traum! Beethoven hat an Heirathen gar n 
gedacht, ale er Bettinen kannte; und das Lied hatte er ſe 
vor 1808 veröffentlicht, ehe er Bettinen auf der Welt mu 
— Bettina fieht kläglich aus, unficher, ſchwach, fafelig, 2 
die alte Frau. — 


u m — r e — 


Sonnabend, ben 16. Februar 1856. 

Die heutigen Zeitungen berichten über die geitrige Sik 
ded Abgeordnetenhauſes. Der Graf von Pfeil aus Sdle 
trat mit unerhörter Tsrechheit und Dummheit auf, und rat 


fich mehrfacher Bemaltiamfeiten. Die er araen Gina 


383 


erurtbeilt werden fönnen. Er will damit beweifen, daß der 
(del wohl obrigfeitliche Polizeirechte haben müffe, aber dabei 
ody nit als Beamter den Strafgefepen unterworfen fein 
ürfe, weldye gegen Uebertretungen der Amtsgewalt befteben. 
die Rechte benahm fich dabei bubenhaft, Tachte bei jeder 
rwähnung von Einfperren, Hiebe aufzählen ꝛc. In MWengel 
rach der edle Unwillen erfchredend aus, er hielt dem Ber- 
recher feine Schändlichkeit heftig vor, und machte fichtlich den 
lefſten Eindrud. Der Minifter des Innern mißbilligte den 
zrafen von Pfeil, der Gaufler Gerlach fuchte ihn zu entfchul- 
igen; nachher, in Folge einer Berathung, erflärte Wagener, 
te Parthei verwerfe die Pfeil'ſchen Aeußerungen. Schuftiges 
zolk! — | 


Sonntag, ben 17. Febraur 1856. 

Gründung einer preußifchen Kreditanftalt dur Zufanı- 
aentritt reicher Vornehmen und Banquierd. Ariſtokratiſches 
elingt. — | 

Mehrere Mitglieder der freien Gemeinde in Magdeburg 
eſuchten ein Wirthshaus, wo fie tranfen und plauderten, 
leich andern Gäften. Die Polizei fah darin eine unerlaubte 
Zerfammlung, das Gericht aber fprach fie frei, und die Richter 
prachen ihren Unwillen über die leichtfertige, arundlofe An- 
lage aud. Sie haben doch leider ganz ähnliche gelten laſſen 
nd durch Verurtheilungen beftätigt! — 

„Johann Kaspar Lavater nach feinem Leben, Lehren und 
Birken dargeftellt von Friedrich Wilhelm Bodemann, Paftor 
u Schnadenburg an der Elbe Gotha, Perthed, 1856.” 
ran Pfaff befpricht den Pfaffen. Ein fchlechtes Bud. Daß 
zoethe darin mit der irchlichen Elle gemeffen wird, ift natür- 
ch. Dafür mefje ich den Schwarzrod mit meiner! — 





384 


Montag, ben 18. Februar 1856. 
Es ift auch bereitd eine zweite Sefellichaft zufamme: 
getreten, die ein Kreditwefen zu Gunften des Grundbeike 
ftiften will. Der Fürſt von Bentheim ift Dabei, der Graf mn 
Königemard, Dr. Emil von Haber, Landrath von Lavetgut 
Peguilhen x. 
Dem Könige hat man von den Gefahren geſprochen, da 
die franzöfifche Geſellſchaft du credit mobilier hier eindringen 
fönnte, deshalb begünftigt er hiefige Schöpfungen der An. 
Die Behörden aber, meint man, werden noch viele Schwierig: 
feiten erheben. 


Das Obertribunal hat das Strafurtheil des Stadtgerihtes 


gegen den Banquier Louis Meyer — wegen Berrathes der 
telegraphifchen Depefhen — vernichtet, und die Sache auf's 
neue an das Gericht verwiefen. 

Ich babe früher ftetd behauptet, daß das Lebensalter dat 


Grundgefühl im Menfchen nicht verändere, und auch nicht die 


Grundanfichten, die ihn im Leben geleitet haben oder ned 
leiten, und dies behaupt’ ich auch noch; alle Veränderung, 
welche durch fogenannte reifere Erfahrung gegeben werden 
fol, habe ich wenigſtens nicht erfahren, und ich muß einen 


ſolchen Wechfel verneinen, oder verwerfen, ald das Zeichen | 
eined unfelbitftändigen, abhängigen, geringen Wefene Ih 


fühle mich noch heute zur Natur, zum Geifte, zum allgemein 


Menſchlichen eben fo geftellt, ald wie ich achtzehn Jahr alt 


war. Nur im Verhältniß zur eignen Thätigfeit, zu Erwar⸗ 


tungen und Beforgniffen, zu Anfnüpfungen mit einzelnen | 
Menſchen, fühl’ ich einen großen Unterfchied, da it es nicht 
einerlei, ob man an der Schwelle, in der Mitte, oder am Aus | 


gangsrande des Lebens fteht. — 


— — — 0 — 





| 





385 


. Dienstag, ben 19. Februar 1856. 
No in nichts beſtimm— über Preußens Theilnahme an 
den Pariſer Berathungen. Man iſt ſehr ängſtlich deßhald, ich 
nicht! Ich bin ängſtlich wegen andrer Dinge. — 
Der Graf von Pfeil ſucht in der Kreuzzeitung ſich zu 
rechtfertigen, und will nur die Rechte eines engliſchen Friedens⸗ 
richters für dic Gutsobrigkeiten angeſprochen haben. Die 
Redaktion der Zeitung aber mißbilligt ihn ferner, läßt ihn im 
Stich, und beharrt ausdrüdlich dabei, daß ihre Parthei ſich 
allen Geſetzen ſtreng unterwerfe. Die Lügner! — 


| Minwoch, ben 20. 9. Febenar 1858. . 

Ale Zeitungen geben aus Paris die telegraphiſche Nach⸗ 
riht, daß Heinrich Heine dafelbit am 17. geftorben. : Ein 
Scylag, der ich ſehr fchmerzlich fühle. Mein jüngerer Lands⸗ 
mann aus Düffeldorf!: Was verfnüpft fich nicht alles feinem 
berühmten Namen! — oo. DEE 

Unwillen über die frechen, ftürmifchen — und. dabei doch 
ſchleichenden — Schritte unſrer landesverrätheriſchen Reaktion. 
Am meiſten wundert man ſich, daß man ganz wehrlos gegen 
ſie daſteht. Wehrlos allerdings und durchaus, bis zum rechten 
Augenblicke, dann wird Wehr und Steg: zugleich da ſein. 
Haben wir nicht Karl den Zehnten in Frankreich geſehen? 
Mit feinem Billele, Labourdonnaye, feinen Jeſuiten! Als 
mächtig bis — zu den Julitagen! ‚Und Louis Philippe? 
Allmächtig bis — zu den. Februartagen! Zwar der König 
iſt bei und nicht gefährdet, noch das Königthum; aber für die 
Junker möcht’ ich mich. nicht verbürgen, die fünnen einen 
ſchmählichen Fall erleben! — 

Der ruſſiſche Bevollmächtigte zum Parijer Kongreß Graf 
Drloff wollte hier durchreifen ohne den König zu ſehen. Diefe 
Gleichgültigkeit wollte man hier doch nicht ofenkundi werden 


Varnhagen von Enſe, Tagebücher. XII. 


386 


laffen, und es heißt, man habe ed mit Kunft und Geſchiclichkeit 
fo gewendet, daß Drloff zur Tafel eingeladen werden konnte, 
wie denn auch geſchah. — 

Lob und Anerkennung Heine's; „der Ariſtophanes un 
Zeit.“ Seine Fehler mit feinen Tugenden fo verwachſen, dij 
man fie nicht trennen fann, fie müſſen zufammengeben, fe 
find die Träger deſſelben Geiftes, fie geben diefem dieſelbe 
Rahrung. — 


Donnerstag, den 21. Februar 1856. 
Der Graf von Pfeil hat vor dem Abgeordnetenhaufe ih 
nochmals zu erklären, zu entfhuldigen, zu rechtfertigen verjucht, 
aber mit fchlechtem Erfolg. Gerlach hat feine neuliche Aeupe: 
rung, der Adel theile im Heere den bürgerlichen Offizieren 
feine ritterlihe Ehre und Sitte mit, auch zu mildern geſucht. 
Aber was diefe Junker gefprochen iſt ald Feuerfunke in die 
Gemüther gefahren und glüht dort unlöfhbar weiter. — 
Die Regierung will nicht die vom Grafen von Bop- Bud 
vorgefchlagene Beſchränkung der Wechfelfühigfeit, mit de 
Wiedereinführung der Prügelftrafe, noch nicht! — 
Die Regierung hat mit dem Königlichen Bankinſtitut 
einen Bertrag abgefchloffen, durch den diefed — mit feinen 
mehr ale achtzig Filialen — in feinem Monopol befeftigt und 
fein Gefchäftsbereich erweitert wird. Die Hauptſache ift, dab 
die Staatdgewalt diefed Werkzeug ded Geldverkehrs immer zu 
feinem Gebrauche in der Hand behalten will, — und allenfalls 
auch zum Mißbrauche! — Herr von der Heydt Minifter, — 
nun ja! — 





387 


Freitag, den 22. Februar 1856. 

Herr Gottfried Keller fendet mir fein neueſtes Buch, bei 
Pieweg in Braunfchweig herausgefommene Novellen. 

Im Herrenhaufe bildet fich eine ftarfe Oppofition gegen 
die Regierung, man troßt auf die Verfaffung, freilich nur bei 
Gelegenheit ariftofratifcher VBortheile für die Branntwein- 
brenner, welches faft alle Adlichen find. — Gerlah, Mitjchte- 
Kollande, Pfeil, Wagener, fpielen ihre Rollen im Abgeord- 
netenhaufe, halb Hanswurſte, halb Schinderfnedhte. — 
Heine ftarb ohne religiöfe Umftände, er hatte fie verboten, 
wie auch jede Grahbrede. Franzöfifche und deutfche Schrift: 
tteller waren beim Leichenbegängniß, unter den erftern Mignet, 
Theophile Gautier, Alerander Dumas. — Heine wurde heute 
Abend gehörig gerühmt und anerkannt. 


— — 


Sonnabend, den 23. Februar 1856. 

Heftige Debatten der Abgeordneten. Wentzel verlieſt 
Proklamationen aus dem Jahre 1848, vom Grafen L. von 
Pfeil, ganz revolutionaire! Er fragt auch Die Rechte, wo fie 
im Sommer des genannten Jahres geweſen? in der Nähe des 
Königs nicht! — Wagener und Gerlach erhalten gute Zurecht⸗ 
weifungen, Mitfchfe-Kollande hält dad Maul! Aber die Ab— 
ftimmung ift eine fchlechte, wie zu erwarten war. — 

Man fpürt im Lande einen großen Mangel an Lehrern, 
die erledigten Stellen können nicht wiederbefegt werden, Die 
Staatbehörde trifft Anftalten zur Abhülfe, ſetzt die Anfordes 
rungen auf ein geringered Map. Aber damit, dag man fi 
mit Wenigerfähigen begnügen will, ijt nicht geholfen. Die 
Unterdrüdung aller Geifteöfreiheit in dem Lehrerſtande, die 
kirchliche Auffiht, die Mapregeln und Scheerereien, diefe 
"Uebel find es, die vom Schuldienft abfchreden, und es vor- 


theilhafter erfcheinen laſſen ein Handwerk zu erlernen. — 
. 25” 


388 


Dem Präfidenten von Gerlach jind ein paar bürgerliche 
Dffiziere auf die Stube gerüdt, und haben ihn wegen ſeiner 
Aeußerung über das Berhältnig der adlichen und bürgerlihn 
Offiziere zur Rechenfchaft gezogen. Er wurde leichenblag m 
ftotterte alle möglichen Entfchuldigungen. Seine öffentlik 
Erläuterung aber, die er verfprach, iſt Doch wieder zweideutig 
und jchielend ausgefallen. „Der thut nur gut, wenn und je 
lang er die Fuchtel über ſich gehoben ſieht!“ 


Sonntag, ben 24. Februar 1856. 
Der Graf Q, Pfeil fagt in feinem Plakat von 1848 unter 
andern: „Arbeiter, achtet das Eigenthum Anderer, aber fer: 
dert, daß Ihr felbft Eigenthum erhaltet.” — Der wird aud 
einem Schergen und Frohnvogt gleich wieder ein Aufwiegler, 
wenn Revolution ift! — | 












— — — —— 


Montag, den 25. Februar 1856. 

Durch ftatiftifche Angaben wird dargetban, daß bereits | 
vor 1806 ein jtarkes Viertheil der preußifchen Offiziere aus 
Bürgerlichen beftand, im Jahr 1813 aber weit über die Hälfte, 
im Jahr 1817, als die meift bürgerlichen Landwehroffiziete 
längft entlaffen worden, noch beinahe die Hälfte. — | 
M. fchreibt unter andern: „Metternich foll von Bud | 
gefagt haben: Sein Berftand ift nur fpisig, aber nicht lang 
nicht breit und nicht tief.“ — Ich Habe in früherer Zeit 
diefen Grafen Buol als einen ſehr beſchränkten Menſchen 
gefannt, und wüßte nicht, wiefo er fich follte geändert haben. 
Einige Gefchäftsgeläufigfeit genügt aber in folchen Stellungen, | 
die Hauptfache wird von den Umjtänden gemacht und von 
gefchidten Unterarbeitern. — 


389 


Der Generalpolizeidireftor von Hindeldey gab kürzlich 
einen glänzenden Ball, über fünfhundert Berfonen waren 
gegenwärtig, aber fein Offizier war gefommen, Wenn das 
gefammte Militair ihm grollt, fo ift das nicht eben aus guten 
Gründen es ift wegen der Gefchichte im Hotel du Now! — | 

Offiziere tanzen auf Bällen nie mit Fräulein von Hinckel⸗ 
dey; fie heißt bei ihnen nur die „ Konftabler-Göre”. — 


Dienstag, ben 26. Februar 1856. 

Humboldt fendet mir als werthed Andenken die Empfehs 
lungskarte, welche Philarete Chasles ihm von Heine gebracht 
hatte. Sie lautet: „Dem geliebten und hochgefeierten 
Alerander von Humboldt überbringt der große franzöſiſche 
Litteratur-Forſcher Philarath Chasles viele Grüße von Heinrich 
Heine.” Auf die Rüdfeite fchrieb Humboltt: „Das Lebte 
was id) von Heine erhalten. U. v. Humboldt. Febr. 1856.” 
Sehr freundlich und angenehm. 

Der Pöbel der Litteratur wird nicht müde, von Goethe's 
Egoismus zu reden, und meint recht viel zu thun, wenn es 
ihn einen großartigen Egoismus nennt! Wo folche blinde 
Berfennungen, folched gedanfenlofe Kortpflanzen von Stich 
wörtern, ſolche Nachiprechereien herrfchen, da ift ed im Innern 
weder hell noch rein. — 


Mittwoch, den 27. Februar 1856. 
Der König hat auf dem legten Subffriptiondball eine 
läſtige Schranke durchbrochen, die nun hoffentlich auch auf 
Privatbällen wegfallen wird. Er hat erklärt, um eine Dame 
zum Tanz aufzufordern, brauche der Herr nicht erft perfönlich 
ihr vorgeftellt zu fein; bier genüge, daß man an diefem Orte 
beifammen fei, um fich ale vorgeftellt anzufehen. Sein 


— 


390 


Wort hatte die befte Wirkung, eine ganze Schaar junge 
Herren jtürzte jich mit bisher unaufgeforderten Damen in va 
Tanz. Der König konnte recht fehen, wie viel Andres in ir 
Art fein Beifpiel und Wort auszuführen vermöchte! — 

Unfre parlamentarifchen Poſſen werden immer efelhafte, 
ich mag gar nichtd mehr davon hören noch reden. 

Gegen das in Dresden erfchienene „ Schwarze Buch“ mit 
mehr ald 9000 verdächtigten oder beſchmutzten freijinnigen 
Namen wird ein „Weißes Buch“ verheißen, welches die Namen 
der Ultra's und Reaktionairs und ihre Verbrechen angehen 
fol. Ein wichtiges Material dazu liefern ſchon die Abitim- 
mungen unfrer Herren und Abgeordneten; die Kreuzzeitung 
giebt fie immer forgfältig; ob fie nicht daran denkt, daß fe 
damit der Zukunft Profkriptionsliften giebt ? — 

Der Graf 2. von Pfeil war im Jahr 1848 einer der Bor: 
fteher ded demofratifchen Klubs, er wollte nicht Graf meht 
fein, fondern nur Bürger Pfeil heißen! Die Fraktion Gerlah 
hat den unbequem gewordenen Gefellen jet ausgeftoßen. Er 
bleibt in unfern Augen aber ihr richtiger Genofle; fie muß 
ihn behalten, er ift ihr Flarfter Ausdrud, nur etwas dumm!— | 

In dem Depefchenverratb — Niebubr, Gerlach — madt 
man noch immer neue Entdedungen; es find Beamte im 
Hausdminifterium übel bloßgeftellt, aber man will fie nidt | 
verhaften; geringere Werkzeuge — 3. B. ein gewiffer Hohl 
felder — werden eingeftedt. Während die Polizei mit angeb 
lichen Demokratenkomplotten eifrig befchäftigt war, die freien 
Gemeinden fchifanirte, Wahlumtriebe machte, mit entdedten 
Schiwindeleien prahlte, hat jenes Unheil ungehindert fich auf 
gebreitet, und wichtige Staatöverhältniffe angefreffen. Alk 
Gefandtichaften und auch Privatperfonen benupten die reihlih 
fließenden Quellen! — 





391 


Donnerstag, den 28. Februar 1856. 
Der Mahler Bleibtreu in Düffeldorf will die Schlacht 
von Groß s Beeren auf’d neue mahlen, und läßt mich fragen, 
was für Pferde wohl an jenem Tage Bülow und Krafft 
geritten haben? Das fann ich freilich nicht fagen! ber 
vielleicht Weyrach oder Burgsdorf. — 


Unſre efelhaften Debatten und Streichungen von Ber: 
faffungsparagraphen gehen ihren leidigen Gang weiter. Man 
häuft Schuld auf Schuld; ein Zahltag wird fommen! Der 
General von Pfuel erflärt, wenn dann die Nemeſis waltet, 
dürfe man fein Mitleid haben; es werde nur gerechte Strafe 
fein, wenn diejenigen verlieren, die jeßt unrecht gewinnen 
wollen und dazu rohe Gewalt wie Tiftigen Trug anwenden. 
Den Kommunidmud oder fonftige Ausfchweifungen des untern 
Volkes fürchtet er gar nicht, das feien Schredbilder für Feige 
und Dumme. — 


Merkwürdige Verordnung des öfterreichifchen Ober: 
kommando's, dad Heer foll die Faſten ftreng beobachten, zur 
Beichte gehen, Predigten hören 2c. . Die Aufzeigung von 
Beichtzetteln fteht in Ausficht! Früher, unter Maria Therefia, 
war das fchon. Damals kaufte man die Beichtzettel um ein 
Billige; insbeſondre waren fie in allen Treudenhäufern zu 
haben, die Pfaffen brachten fie dahin, bezahlten wohl damit 
ihre — Zeche! Dies ift ganz thatfählih; als ich in Prag 
war, lebten noch viele Leute, die ed aus Erfahrung bezeugten, 
Dffiziere ded Regiments Vogelſang, in dem ich diente, 
Scaufpieler Liebich, Profeffor Meinert ꝛc. — Gute Ausfichten 
für Deiterreich! Doch ift dad Zeug mehr lächerlich und efelhaft 
als gefährlich! — 

Die Friedendberathungen in Parid haben begonnen, 
Preupen ift nicht zugegen. — Der König foll äußerft 
erbittert darüber fein, aber wie auch fonft will er Died 


392 


durch angenommene Luftigfeit verdeden. Die Hofleute kenn 
dad genau. — 


Freitag, den 29. Februar 1856. | 

Dad Morgenblatt der Nationalzeitung ift weggenommm 
worden, auch die letzte Nummer der Jlluftrirten Zeitung. Die 
Polizei muß von Zeit zu Zeit zeigen, daß fie das kann. Die 
Artikel, die fie anfchuldiat, find gar nicht erheblich. — 

Schon immer will man der Regierung zu Hülfe fommen, 
dad Budget in ein ordentliches und außerordentlices ju 
theilen,, jenes ihr für immer fichern und nur diefeö dem Land: 
tag überweifen; aber nun, da ed ernſt wird, tritt der Kinanz 
minifter dagegen auf, und fagt, die Regierung könne dazu nicht 
flimmen! — — 

In Weimar hatte die Regierung die Wiedereinführung 
der Zodeöftrafe beim Landtag angeregt, dieſer fie abge 
wieſen. — | 





Sonnabend, den 1. März 1856. 
Das öſterreichiſche Heer fo ftreng katholiſch? „Das iſt 
bloß, daß fie nicht zu Türken werden, mit denen Oeſterreich 
jegt jo brüderlich werbündet ift. * — Politiſch jedenfalls it de | 
Mapregel, nicht religiös. . Wie alles in diefer Zeit. — | 


Sonntag, den 2. März 1856. 
Thierd hat von Louis Bonaparte gefagt, während de 
Krieges fei ihm das Glüd zur Seite geweſen, nach dem Frie⸗ 
den werde er Genie haben müſſen. — Bisher hat Louis Bons 
parte in der Meinung der rechtlichen, der ausgezeichneten | 
Menfchen in Frankreich keine Fortfchritte gemacht, man hält 


393 


ſich zurüd, will mit ihm nichts zu thun haben, er muß ich mit 
Taugenichtſen und Spitzbuben behelfen, zu feinem größten 
Aerger. Man mihtraut ihm, man beobachtet ihn ſcharf; fo 
wie er fchlecht wird in feiner Rolle, ift es um ihn gefchehen. 
Die Geburt eined Sohned wird in diefer Tage wenig ändern; 
man giebt in Frankreich nichts auf folche Kinder, man hat den 
Dauphin Ludwig, den König von Rom, den Herjog von Bor: 
deaur, den Grafen von Paris gefehen! (Vertrauliche Nach⸗ 
richten aus Frankreich.) — Ä | 





Montag, den 3. März 1856. 

In Weimar hat der Yandtag dem Antrage feiner Kom: 
mifjion entgegen nun Doch die Wiedereinführung der Todes» 
ftrafe mit 18 gegen 16 Stimmen angenommen. Die allge- 
meine Reaktion verfolgt diefe Sache mit befondrem Nachdruck, 
die großen Höfe müſſen auf Die kleinen dabei wirken, nöthigen⸗ 
falls droben, die hartherzige Ariftofratie hilft aus allen Kräften. 
Einit fann ed manchem jebigen Reaktionair bitter leid fein, daß 
noch Todſtesſtrafe befteht! — 

Als ich vom Bette aus den prächtigen Sonnenfchein ſah, 
der den Gendarmenthurm und die Dachſpitzen vergoldete, 
fiel mir das herrliche Wort von Goethe ein, der in ähnlichem 
Tall an Yrau von Stein ſchrieb (27. Suni 1785): „Heut ift 
das Ichönfte Wetter von der Welt. Ih erlaube mir fein 
Murren. Wird die Sonne doch ſchön leuchten, wenn wir im 
Grabe liegen, warum follt’ es und verdrießen, daß fie ihre 
Schuldigkeit thut, wenn wir Stube und Bette hüten müffen. * 
— Die Umkehrung der Sache ift hier gerade hübſch; denn 
eigentlich verdrießt ung ja nicht das Thun der Sonne, fondern 
unfer gebindert fein; .aber das rechte Verhältnip iſt doch, das 
Große der allgemeinen Ratur voranzuftellen. — 


— — — ni 


394 


Dienstag, ben 4. März 1856. 

Die Berhandlungen in Paris haben guten Fortgam, 
Immer obne Preußen, defien auch nicht erwähnt wird. Da 
Minifterpräfident von Manteuffel tbut fo, ale ob ihm de 
ganz recht wäre, jedoch meinen Andre, es könne zu feiner Ent 
laffung führen. Das glaube ih nun keineswegs! — 

In Sonderdhaufen find die Juden für fähig erflät 
worden, öffentliche Anftellungen zu erhalten. — In Wien if 
ihnen ausdrüdlich die Advokatur zugefprochen. — In Preußen 
— fchweigen wir von Preußen! — 

Die Rede Louis Bonaparte's bei Eröffnung der Legislatur 
— vollftändig hieher telegraphirt — giebt die bündigften 
Friedensverficherungen; Defterreih wird fchmeichelhaft be 
rührt, Sardinien au), Preußen bleibt ungenannt. — 


— 


Mittwoch, den 5. März 1856. 
Im Herrenhaufe verräth ein Herr von Waldow den Zwed 
des beantragten gefpaltenen Budget, man will der Regierung 
„die bequeme Schraube zur Steigerung der direften Steuern“ 
entziehen, die Möglichkeit neuer Grundfteuern erfchweren ı..— 


| Donnerstag, ben 6. März 1856. 

Unfre Zeitungen verfünden triumphirend die Niederlage 
Wagener’d und Gerlach’s im Abgeordnetenhaufe, mo der An 
trag auf Streichung des Gleichheitös Paragraphen der Verfaſſung 
durch die Tagesordnung beſeitigt worden ift; die Jentrumk 
rechte war gegen den Antrag, die Minifter nicht dafür, die 
äußerfte Rechte blieb allein, und ſtimmte mit für die Tage 
ordnung, um nicht größerer Schmach ſich auszuſetzen, die dem 
Antrage bevoritand, wenn Matbid und Schwerin durchdrangen. 


395 


Diefe- Niederlage: ift eine Merkwürdigkeit, in der Sache jedoch 
nicht eben fehr erheblich. — . 

Heute ſetzte fich dieſe Niederlage fort, MM galt den Artikel 
der Berfaffung, der die Gewiſſensfreiheit ausſpricht, und deffen 
Streihung diesmal hauptlächlich gegen die Juden gemeint 
war. Die Streichung wurde verworfen, nachdem der ‘Minifter 
des Innern fich gegen fie erflärt hatte, wobei er jedoch feiger- 
weife zugeftand, er würde den Artikel heute nicht in die Vers 
fafjung aufnehmen, derſelbe bedürfe einer veränderten 
Faſſung ꝛc. — Wagener und Gerlach werden gründlich ver- 
arbeitet, in- ihrer armfeligen Blöße dargeftellt; fie laffen dag 
Maul hängen! Uber ihre Tüden find nicht zu Ende, fie find 
nody lange nicht aus dem Felde gefchlagen, fie haben ihren 
Plag am Hofe, in der Regierung, fie haben die Frömmler und 
Ariftofraten auf ihrer Seite. — 

Die Unterfuchung in Betreff des fogenannten Depefchen- 

verrathed wird jet dahin geleitet, daß Manteuffel an der 
ganzen Sache jchuld fein foll; er habe zuerit die Beftechungen 
verfuht, um hinter die Schliche feiner Feinde zu kommen. 
Das ift gewiß nicht wahr! Vielmehr glaubt man, Hindeldey 
ftrebe ihn zu ftürzen, und da Gerlach daffelbe Ziel habe, fp 
feien fie für den Augenblid vereinigt, um auf ihn das 
Gehäffige jener Geichichte zu werfen. Auffallend it es, daß 
die angekündigten Streihe, welche Gerlach und die Seinen 
gegen Hindeldey führen wollten, gänzlich unterblieben jind. 
Man fcheint fi einigermaßen verftändigt und befchwichtigt zu 
haben, wenn auch nur einigermaßen. — (Man hatte ſchon 
befjere Streiche gegen ihn im Sinn! —) 
Der König, von der Spannung unterrichtet, die zwiſchen 
feinen Gardeoffizieren und Hindeldey herrſcht, hat verjucht 
eine Verföhnung zu Stande zu bringen; die Offiziere haben 
diefe für unmöglich erklärt, der König könne ihre Köpfe fordern, 
aber nicht ihre Ehre. — 





396 


Freitag, den T. März 18586. 
In der Gefchichte der Menfchheit wie im Leben des einzel 
nen Menfchen ftrebt und dringt alles dahin, das Fdeale — 
das bewußt oder unbewußt immer mitlebt — zur Erjcheinung za 
bringen. Mehr oder weniger gelingt died auch, das Ideale 
tritt in die Wirflichfeit, aber ftet3 nur auf kurze Zeit; es if 
nur wie ein fchneller Durchgang, ein Aufleuchten,, dad augen- 
blicklich altes ringsum erhellt, aber dann gleich wieder Dunkel⸗ 
heit übrig läßt. Wie der Einzelne in vielen Lebensjahren 
nur einige,Zage, vielleiht nur Stunden wahren Glüdes zählt, 
jo auch die Völker. Die Franzofen haben ihr Fabr 1789, die 

Deutfchen ihr Jahr 1848, davon müffen fie lange leben. — 


— — — nn — 


Sonnabend, den 8. März 1856. 

Der Fürft Ghika, Hospodar der Moldau, hat Preßfreiheit 
feinem Lande ertbeilt, weil fie nützlich und nötbig ſei; der 
Divan foll ſogleich ein Gefeß zu diefem Behuf ausarbeiten. — 

Die Volkszeitung erzählt, daß in Polen die ruffiiche Ber: 
waltung während des Krieges überaus mild und nachfichtig 
gewefen, die polnifche Sprache zugelaffen habe ze. Sobald 
man aber vom nahen Frieden gehört, fei die alte Schroffheit 
und Strenge wieder eingeführt worden, und der neue Statt: 
halter Fürft Gortfchafoff wolle nur Ruſſiſch hören. — 

Bei dem Karrouffelreiten der Hofs und Gardeoffiziere hat 
eine neue Neibung zwifchen dem Generalpolizeidireftor von 
Hindeldey und jenen ftattgefunden.. Die Dffigiere und Kavar 
fiere, Sogar die Damen, meinten, die Anweſenheit von adıt 
Konſtablern fei ungehätig; der Prinz Friedrich Wilhelm hier 
ihnen fagen, fie könnten weggehen, aber fie gingen nidt; 
darauf fagte er es ihnen jelbit, worauf fie gingen. As 
Hindeldey ſelbſt kam, verlangte man ſeine Eintrittölarte, — 
fie oftete einen Friedriched’or, — er hatte keine und fagte, et 


brauche feine; darüber harte Worte mit dem am Eingange 
verweilenden Herrn von Rochow. Rochow ſoll Hindeldey’n 
beim Minifter mit ehrenrührigen Ausdrüden verklagt, der 
Miniiter dem Könige berichtet, diefer Hindeldey'n Unrecht 
gegeben haben. Hindeldey, tief gekränkt und erbittert, will 
feinen Abfchied nehmen. 

Merkwürdiges Schreiben des Großadmirals Großfürften 
Konſtantin an den ruſſiſchen Seeminiſter, worin die bis⸗ 
herige Verwaltung als eine ſchwache, trügeriſche, lügenhafte 
bezeichnet wird, Fortſchritt und Ausbildung empfohlen wer⸗ 
den ꝛc. Das ganze Syſtem des Kaiſers Nikolai wird in feiner 
Berderblichkeit gezeigt! — 


Sonntag, den 9. März 1856. 

Beſuch von Herrn Saint: Rene Taillandier aus Mont: 
pellier; er ift auf einer Ferienreiſe, beſucht Berlin nur im 
Fluge, eilt nah Wien. Sehr viel Gutes von Heine und 
über ihn, von Moris Hartmann. — Couſin, Duboid, Hafe, 
werden ehrenvoll erwähnt, auch Galusky, Saint-MarcsGirar- 
din. Herr Eöquirou de Parieu, den mir Herr Taillandier 
empfohlen hatte, wird als fcharffinniger fefter Mann und ala 
aufrichtiger Bonapartiit gerühmt. Widerfpruch gegen die 
Annahme, daß Thierd noch in einiger Verbindung mit Louis 
Bonaparte ftehe, im Gegentbeil, es beftehe erklärte Feindſchaft. 
Außer dem Schluffe der Borrede des neueiten Bandes von 
Thierd wird auch fein Wort angeführt: „La cuisine est 
bonne, mais le cuisinier me deplait!“ Worauf Louis 
Bonaparte, ald er das Wort erfuhr, gejagt haben foll: „I 
peut être sür que je ne le prendrai pas pour marmiton, 
il me gäterait mes sauces.“ Ueber Preußen und "jein 
Alleinfteben. Herr Taillandier macht mir den Eindrud eined 


398 


gebildeten braven Mannes, von feiner entſchiedenen politiſchen 
Farbe, von mannigfachen Kenntniſſen. 

Dr. Laube hat ſich gegen die boshaften Verdächtigungen 
er habe den „Fechter von Ravenna” nach einem ibm einge 
ſchickten Stüde des bairiſchen Schulmeifters Bacher gearbeitet, 
vollftändig gerechtfertigt; er tft nicht Verfafler des „ Fechters“, 
und diefer war ſchon acht Monate früher eingereicht, ale die 
angebliche Zufendung des andern Stückes — von der Yrık 
nichts weiß — ftattgefunden haben foll. — — 

Der Generaldirektor von Hindeldey geht darauf aus, alled 
feiner Macht unterzuordnen. Die Gerichte behandelt er ſchon 
lange ganz geringfchäßig, achtet ihrer nicht, wenn fie ihm nicht 
folgen, des Juſtizminiſters fcheint er fiber. Aber auch das 
Militair ſoll fich fügen, er ftüßt fich dabei auf die Gunft dei 
Könige. Die Konftabler follen feinen Offizier mehr grüßen, 
auf den Bahnhöfen die Offiziere. wegen Paß oder Legitimation 
anhalten. Der General von Hirfchfeldt in Uniform auf dem 
Stettiner Bahnhof angehalten, fragt was dag bedeute ? Hindel- 
dep, heißt ed, habe es jo befohlen; nach kurzem Mortwechiel 
befiehlt der General den glücklicherweiſe anweſenden Sofdaten 
den Konftabler zu verhaften, was auch gefchah; darauf von 
beiden Seiten Klage beim Könige, der aber feine Entfcheidung 
giebt! Auf dem Potsdamer Bahnhof ein Oberft angehalten; 
ein andrer Offizier ebenfalld, und dadurch verhindert, an dei 
Königs Tafel zu ericheinen, wohin er eingeladen war. Offnet 
Krieg gegen das Militair! Es gehört eine Art Wahnfim 
dazu, dergleichen feitend einer Zivilbehörde zu unternehmen, 
in Preußen, in Berlin und Potsdam, jebt! — Daher auch 
die Unverföhnlighfeit der Offiziere, fie fühlen ihren Stand 
beleidigt. — 


399 


Montag, den 10. März 1866. 

Gegen Mittag verbreitet fi) wie ein Lauffeuer durch die 
Stadt die Rachricht, daß der Generalpolizeidireftor von Hindel- 
dey heute Morgen durch einen ehemaligen Gardelieutenant 
von Rochow (auf Pleffow), jett Mitglied ded Herrenhaufes, 
im Zweikampf erfchoffen worden. Die durch Frühere Geſchichten 
entftandene Erbitterung der Gardeoffiziere ift durch neuere . 
Vorgänge genährt worden, ed kamen fchlimme Worte vor, 
Hindeldey mußte fi fchlagen ; Herr von Rochow it ein guter 
Piſtolenſchütz. — 

Das Tagedereignig wurde ſtark beſprochen. Die meiften 
Leute ſcheuen fi, eigned Urtheil und eigne Anficht für fich 
feſtzuſtellen, fie möchten fie lieber fertiggemacht holen. Das 
Ereigniß ift merhvürdig in mehrfachen Betracht. Nicht in 
Folge einer feiner vielen Frevel und Vebergriffe kommt der 
Mann um, fondern in einer Sache, in der das Recht auf feiner 
Seite ift. Eine Junferhand ift es, der er erliegt. Der Ueber⸗ 
muth der Garde — nicht ded Militaird überhaupt — zeigt 
fi voran. Der mächtige Polizeimachthaber muß mit einem 
Lieutenant feinen Zwift ausfechten! — 

Hindeldey war ſchlimm, er hat viel Unrecht und Gewalt: 
that auf dem Gewilfen, hat viele Menfchen, ganze Familien 
in's Unglüd geftürzt; aber fein Nachfolger wird ſchlimmer 
fein! Dan nennt den Regierungspräfidenten von Minden, 
Peters, der kürzlich hier war und gefeiert wurde! In Königes 
berg weiß man von ihm zu Jagen. — 

Die Leiche Hindeldey’d wurde zuerft in die Wohnung des 
Polizeitommiffaird in Charlottenburg gebracht. Nach einer 
Stunde fam der König, und foll bei dem Anblid in fchredliches 
Weinen und Jammern ausgebrochen fein, auch dabei Die hef- 
tigften Verwünſchungen gegen den „Mörder“ auögeftoßen 
haben. — 


400 


Zum 10. März 1856. 

Hindeldey hat geftern Abend niht nur fein Teftament 
gemacht, fondern auch an den Geh. Kabinetörath Illair 
gefchrieben und ihm einen Schlüffel geſchickt, mit dem Bemer 
ten, derfelbe jchliege ein befondered Zach, wo die Zufhrita | 
des Könige und andre demjelben wichtige Papiere lägen ; wens | 
‚Hindeldey diefen Schlüffel am andern Mittag nicht zurüd: 
fordre, möchte Illaire nur diefe Papiere an ji) nehmen. 

Noh um 11 Uhr Abends ließ Hindeldey den Stuatk 
anwalt Nörner und den Polizeidireftor Stieber durd den 
Telegraphen zu ſich bejcheiden, und hatte mit ihnen eine lange 
Unterredung. | 

Heute Nachmittag traf eine von geftern datirte Kabinetö- 
ordre an Hindeldey im Polizeiamt ein, durch welche der König 
ihm entjchieden verbot, einen Zweifampf anzunehmen. Man 
fragt fich, wie ed möglich fei, daß eine Kabinetsordre von dieſer 
Wichtigkeit, Schon. geitern unterzeichnet, erjt heute Nachmittag 
abgegeben worden fei? Es giebt Leute, die gradezu jagen, 
der König habe den Zweikampf, von dem er unterrichtet war, 
nicht zu hindern gewagt, aber jich hinterdrein den Schein geben 
wollen, ale habe er es gethan! Harte Aeußerungen diefer: 
halb, — 

Die Kabinetdordre ift da, und die Verzögerung hat jtatt- 
gefunden. Eine fehr fatale Geſchichte! | 


Dienstag, den 11. März 1856. 
Alle Bläter bringen heute die Nachricht von Hindeldegs 
Tod, am ausführlichiten der Publiziſt; alle fprechen mit Lob 
von ihm; diefe Gleißnerei ift einmal herkömmlich, und fa 
geboten, wo nicht unmittelbar, doch mittelbar. — 
Der Bublizift erzählt, Herr von Rochow habe geitern gleich 
den Vorfall der Militairbehörde gemeldet und jei dann in feine 





* 

— 
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401 


Wohnung gegangen. Hier habe ihm Abends zwifchen 7 und 
8 Uhr, auf gerichtlichen Befehl, der Polizeidireftor Stieber 
verhaftet. „Ueber das Ereigniß felbit zeigte er feine Ergriffen- 
beit, fondern er drüdte fogar jein Erftaunen über die Map: 
nahme in den Worten aus, ob man denn Herrn von Hindeldey 
auch verhaftet haben würde, wenn diefer ihn erfchoffen hätte?“ 
Der Bericht fügt mit höhnifcher Schadenfreude noch hinzu: 
„In diefem Augenblid befindet ſich Herr von Rochow in einem 
Sfolirgefängnig der Studtoogtei, und da ihm die Selbft: 
beföftigung erſt auf richterlihe Verfügung gejtattet werden 
fann, fo hat er heute früh, wie jeder andre Gefangene, fein 
halbes Pfund Schwarzbrot und feine Morgenfuppe aus dem 
Keſſel der Stadtvogtei empfangen. 

Hier ijt nun der Anlaß zu bittrem langivierigen Partheis 
jtreite zwifchen Militair und Polizei und zwifchen Militair 
und Zivil gegeben! Das Zivil vergißt gar zu leicht, daß wie 
das Militair ihm auch die Polizei feindlich entgegenjteht, und 
erflärt ſich für die leßtere, wozu ed gar feine Urfache hat! — 

Außer Herrn von Rochow, der nicht außer Dienften, fons 
dern noch hei der Landwehr Premierlieutenant ift, haben noch 
ein Herr von Prillwig und ein dritter Offizier die Derpflich- 
tung übernommen, den Herrn von Hindeldey durch Beleidi- 
gungen zum Zweilampfe zu zwingen. Gefordert hat allerdings 
Hindeldey, aber er mußte. 

Beſuch vom Grafen von KHleift aus Dresden, und vom 
General Adolph von Willifen. Beide Herren beſprachen eifrig 
das Tagesereigniß; Willifen hatte den Geheimen Rath von 
Münchhauſen, Sekundanten Hindeldey’3, geſprochen, und 
wußte alle genaueren Umſtände. Die Folgen laſſen ſich noch 
nicht überſehen. Wird das Herrenhaus die Haft eines ſeiner 
Mitglieder gutheißen? Schwerlich! Die Offiziere ſind außer 
ſich, daß Stieber einen der Ihren verhaften durfte. — Der 
König iſt ſehr unglücklich über den Vorfall. Er jawmert, daß 


Varnhagen von Enſe, Tagebücher. XII. 


402 


man feinen Lebensbeſchützer getödtet, aber Jugleich impenirt 
ihm dad Ehrgefühl und die Entſchloſſenbeit feiner adlide 
Offiziere. — 

Herr von Rochow hat an Wrangel geſchrieben, dieſer ih 
als zur Militairgerichtsbarkeit gehörig reklamirt, der Unter: 

ſuchungsrichter ihn darauf gleich der Haft 'entlaffen. — 

Im Herrenbaufe fam die Sache gleich heute zur Eprakk. 
Der Präfident Fürft von Hohenlohe und der Graf zu Stolberg: 
Wernigerode nahmen fih Rochow's mit warmen Lobfprüden 
an. Man fieht die ariſtokratiſche Stimmung und Veri⸗ 
rung. — 

Nähere Angaben in der SKreuzzeitung. Geflärung des 
Herrn von der Marwitz. — Artikel der Nationalzeitung gegen 
die Junkerparthei und zu Gunſten Hinckeldey's, der Beamten. 


Mittwoch, den 12. März 1856. 
Das Tagesereigniß macht mir zu fchaffen. Die Zeitungen 
find voll davon. Nie zuvor ift ein Zweifampf fo ganz ‚ofen 
‘. und rüdhaltlos befprochen worden. 
Das Volk ift aufgeregt, drängt ſich auf dem Molkenmarhkt 
in Hinckeldey's Wohnung, wo deſſen Leiche für jederman zu 
ſehen iſt. Die Bürger, die Beamten, das ganze Zivil it 
geneigt für Hindeldey Parthei zu nehmen, aus Haf gegen Die 
Sunfer, die Kreuzzeitung; die Polizei wirft eifrig im Gef 
ihrer Rörperfchaft und fchärt den Haß. — Guter Artikel der 
Nationalzeitung, fie fagt, im Volk enttehe die Meinung, jene 
Partbei fei der Regierung über den Kopf gewachſen, und dürfe 
ſich alles ungeftraft erlauben, Mahnung zur Verſoͤhnung, zut 
Einigkeit. 
Auf der andern Seite große‘ Erbitterung des Hofadels, det 
vornehmen, tonangebenden Offiziere, die das Herrenhaus zut 
mächtigen Stütze haben. Mit Wuth wird der Name Stiebet 


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403 


genannt, dann auch der Staatsanwalt Nörner, der aus knech⸗ 
tifchem Gifer für jenen den Unterſuchungsrichter verleitet habe, 
den Berhaftöbefehl gegen Rochow auszufertigen. (Diesmal 
wollte man diefe bisher widergefeglih von der Polizei ver: 
nadyläffigte und gradezu verachtete Korm nicht fehlen laffen !) 
Sie toben auch ſchon wieder gegen den König, den fie des 
Schwankens, der Unentfchloffenheit beſchuldigen, er habe kein 
militatrifches Herz, feinen Muth, — wie 184181 — 

Als jemand anführte, der König werde gewiß glänzend für 
Hindeldey’3 Wittwe und feine fieben Kinder forgen, fagte ein 
hoher Polizeibeamter mit Bitterkeit, die Familie wird nichts 
vom König annehmen, der den treuen Diener fchmachvoll 
gefränft und in .den Tod gejagt hat!. Die Sache mit der 
Kabinetsordre ift ſchon ruchbar. — 

Der König foll in gräßlicher Berlegenheit und Unruhe 
fein, von einem Aeußerſten zum andern ſchwanken, bald der 
einen, bald der andern Seite zuftimmen. Die adlichen Offiziere 
jagen düfter: „Er foll fich entjcheiden, mit wen er's hält, mit 
uns, oder mit den Lumpen!“ Es fallen die trogigften Redens⸗ 
arten. — | ® 

Die Bolldzeitung und die Nationalzeitung von geftern 
Abend und heute Morgen find von der Polizei weggenommen 
worden; mir fehlt aber nur die Volfdzeitung, die ich indeß 
doch zu leſen befam . In alten diefen Blättern ſteht mehr 
Gutes von Hindeldey, ald die Schreiber verantworten können ; 
der Polizei fcheint ed aber zu wenig! Vielleicht find ihr auch 
die Stellen gegen die Junkerparthei zu ſtark; es wäre nur 
richtig, wenn die Polizei weder ihr gefallenes Haupt noch deſſen 
blutdürftige Gegner wollte tadeln laſſen! — 

Geitern Abend hat fich der Wirkliche Geheime Oberregie- 
rungsrath G. W. von Raumer in einem Zimmer ded Haus: 
minifteriums (Wilhelmoſtraße, Reimer’fches Haus) erfchoifen. 
Er hatte erſt vor wenigen Wochen geheitathet. — — 

26* 





404 


Borgeitern hat ein biefiger Zahnarzt jich mit feiner Frau 
und zweien Kindern durch Chloroform in Potsdam getödte, 
Nahrungsforgen, Hülflofigkeit. — Geftern hat ein Tapejir 
fih und feine vier Kinder durch Halsabfchneiden zu tödten 
versucht. — Welche fich anhäufende Gräuel! Es wird einem 
ganz unheimlich. 

Der Oberregierungsrath Lüdemann hatte die National 
zeitung gewarnt, jie folle feine Bemerkungen aufnehmen. Sie 
that ed doch, daher die Wegnahme. 


Zum 12, März 1856. 

Hindeldey hatte feine fchwierige Stellung gegenüber den 
Gardeoffizieren dem Könige ausführlich erörtert, und empfing 
zulegt von ihm den Beicheid: „Ja, das Duell werden Sie 
wohl nicht evitiren können.“ Nach diefer Aeußeruug mar ed 
nun wirklich nicht mehr möglid, und er forderte Rochow'n auf 
Piſtolen. 

Der König ſoll gemeint haben, Die Sache werde wohl ohne 
Schaden ablaufen. * 

Als er hörte, Dindeldey ſei erfchoifen, gerieth er in der 
heftigften Zorn , jammerte, wollte ſogleich eine Kabinetöordre 
gegen „den Mörder“ jchleudern. Wrangel und Simons wur: 
den fogleich gerufen, auch der Oberftaatdanwalt Schward. 
Alle drei wußten nicht, daß der Kandwehroffizier von Rochon 
in Betreff ded Zweikampfs — in diefem Betreff allein — noch 
unter Militairgerichtöbarkeit ſtehe! Die Verhaftung follte 
gefihehen, der Polizeidireftor Stieber war aber ſchon zuver- 
gefommen. Als der König über den Verluſt Hindeldeys 
wehflagte, jagte-Wrangel, diefer ſei glücklich zu preifen, auf 
dem Felde der Ehre gefallen und fo fchnell verfchieden zu fein, 
denn wäre er Diesmal dapongefommen, ſo würde er gleich am 


folgenden Tage dem Lieutenant von Prillwig haben -gegem. 





—— — — 


405 


überftehen müffen, und nach diefen noch zehn andern von 
„meinen Offizieren“, fallen mußte er am Ende doch! — Died 
alles durfte dem König in's Geficht gefagt werden. — 

Herr von Rochow hat aleih am Abend feiner Haft 
Schreibmaterialien gehabt, und ihm wurden wegen Betten, 
DBeköftigung 2c. alle Anerbietungen gemacht; der Gefängnip- 
verwalter Richter war eigends angewiefen, ihn „ftandesgemäß 
und rüdficht3voll* zu behandeln. 


| Donnerstag, ben 13. März 1856. 

Die heutigen Zeitungen berichtigen — auf Befehl — die 
Angaben des Publiziften, daß Hindeldey dem Könige von dem 
Zweikampf im voraud Anzeige gemacht habe, dies fei nicht 
geichehen, er habe niemanden das Geringite merken laffen. 
Dies verträgt fich in fo fern recht gut mit den andern gar 
nicht zu läugnenden Angaben, daß Hindeldey nicht von der 
beftimmten Yorderung, nicht von der auf den 10. feftgeftellten, 
geiprohen habe, wohl aber von der dringenden Lage der 
Sachen, bei der ein Zweikampf in gewiffer Ausſicht ftand. — 

An Hindeldey’s Stelle foll der Yandrath von Grävenik 
aus Schlefien in Vorſchlag fein, er hat ſich berühmt gemacht 
Durch fein gewaltfames Berfahren bei den Wahlen. Andre 
nennen einen Herrn von Münchhaufen, Bruder ded Sekun⸗ 
danten Hindeldey’®, auch den Präfidenten Peter, fogar den 
Wolizeidireftor Stieber! Auf letztern zunächft haben es die 
Offiziere abgefehen, fie wollen ihm fein Benehmen bei der Ber: 
baftung Rochow's eintränken. Nur kann man fich mit ihm 
nicht Schlagen, er fann nur geprügelt werden! — 

Die Kreuzzeitung beklagt fih, daß man aus einem ein- 
fachen Zweikampfe zwifchen zwei Edelleuten eine große Ge- 
Tchichte machen wolle; was hätten frühere Borgänge damit zu 


406 


























thun? Wiefo man bei diefem Anlaffe den Adel, das Militair 
anfeinde? Die fhamlofe Unfhuld! — _ 

Großartiged Begräbnig Hindeldey’d; der König u 
Zrauerhaufe, alle Prinzen, außer dem Prinzen von Preufe, 
wohl aber fein Sohn, Wrangel jogar, Humboldt, Magiftee, 
Stadtverordnete, alle Konftabler, Feuerwehr, Gewerke ı. 
Unzählbare Volksmenge. Im Volke Schweigen; es meh 
recht wohl die ſchweren Sünden des Mannes, feine Gemalt: 
thätigkeiten, ſeine Bedrückungen der Stadt, fein fchandvelle 
Benehmen im Waldech'ſchen Prozeß, feine Argliſt gegen die 
Märzgefangenen, felbft fein Verfahren gegen den fogenannten | 
Prinzen von Armenien wird gewürdigt, fein Berbalten gegen 
die Preſſe; feine Werkzeuge Ohm, Kaifer, Stieber, Bag, 
werden ihm vorgeworfen ; mögen ihn einige Stimmen rühmen, 
dag Uebergewicht der Thatjachen, die ihn verdammen, ſchreit 
laut zum Himmel! — 

Die Nationalzeitung übernimmt ſich heute Abend unnöthi- 
gerweife im Lobe der Verdienfte Hindeldey’d. Wir bitten um 
weniger gutmüthige Empfindelei, und um fchärferes Gedächt⸗ 
niß! — Die Neue Preußifche Zeitung wehflagt wieder, dah 
man eine bloße Privatfache zur Partheifache zu machen free! | 
Ihr ziemt das, die jelber nichts it, ald unwürdigſter, ſchänd. 
lichſter Partheigeiſt. — 

Der Prinz von Preußen iſt heute früh nach Koblenz ae 
gereiſt. 

Preußen iſt nun duch den Grafen Walewski zur Theil: 
nahme an den PBarifer Berathungen — die in den Hauptjacen | 
fchon einig geworden — eingeladen. Dan freut fih kindiſch 
darüber, und der Minifterpräfident von Manteuffel reift mor- | 
gen nach Paris, um mit dem Geſandten Grafen von Hapfeldt ; 
an den Sibungen fich zu betheiligen. Fürerſt, fagte man | 
ſchon, werde er täglich einige Stunden im Franzoöͤſiſchen 
nehmen. Ä 


407 


In Louis Blanc gelefen; vortrefflihe Abſchnitte über die 
Gironde und den Berg, wiewohl ich der Anficht nicht durch: 
gängig beiftimme. 


Zum 13. März 1856. 

Der Prinz. Karl bat beim Begräbnig Hindeldey’3 ganz 
laut für diefen Parthei genommen, feine Verdienſte gerühmt, 
jein gutes Recht anerkannt, das Benehmen der Offiziere da— 
‚gegen, befonders auch das ded Herrn von Rochow felbft, hart 
getadelt. Er that died abjichtlich, dag ed die Umftehenden 
-bören jollten. Man fagt, er fei dem Berftorbenen zu befon- 
derer Dankbarkeit verpflichtet. Andre jagen, er wähle ftete 
das Gegentheil von dem, was fein Bruder der Prinz von 
Preußen thue oder fage. 


Freitag, den 14. März 1856. 

Die Zeitungen find ſchnell wieder eingefchüchtert; die 
Nationalzeitung führt fort Hindeldey'n zu loben ohne Tadel 
einzumifchen, recht unnöthig, zwecklos, ja fogar ungehörig. 
Der Nachfolger in der Bolizeimacht, ſicher ein Junker, wird 
ed dem Dr. Zabel wenig danken, daß er für den Vorgänger 
gefprochen hat. Die Volkszeitung fagt heute gradeheraus, daß 
ihr das Neden erfchwert ift! Die Spener’fche hat gar die 
Schändlichkeit, Hindeldey’8 Unterdrüdung der Demokratie zu 
rühmen! Noch efelbafter find die reichen Gefchäfteleute 
Borfig, Brüftlein, Carl und Oppenfeld, die zu einer Stiftung 
für die Hindeldey’fche Familie eine Geldfammlung eröffnet 
haben; freilich mit folchen Reichen verhielt jich der Mann 
beſtens wie fie mit ihm! Adel und Militair werden dadurd) 
nur mehr aufgereizt. — 





408 


Herr von Rochow ift auf fein Gut Pleſſow abgereiſ 
Seirie Freunde find voll Eifer und Thätigkeit, und wollen nın 
vor allem dem Polizeidireftor Stieber zu Leibe, aber nicht — 
mit Waffen! — 

Als Nachfolger Hinckeldey's ift Peters in Borfchlag, dam 
Herr von Selchow, und aud Herr von dem Kneſebeck — alle 
vom reinften Wafler! 

Humboldt fendet mir eine ihm aus Bofton von Robert 
C. Winthrop gewidmete Borlefung über Archimedes und 
. Franklin. — Ihm einige Dankzeilen geantwortet. Hindelden, 
Manteuffel! — 5 | 

Die Verftimmung in beiden Häufern des Landtags fteigt 
immer höher; das Bedürfniß, etwas zu fein,. wirflihd Macht 
und Einfluß.zu haben, wird befonders im Herrenhaus immer 
fühlbarer, die Oppofition gegen die Minifter wächit hier in 
erfchredtender Weife; das Haus der Abgeordneten wird durd 
das Beifpiel zum Wetteifer fortgeriffen. Viele Mitglieder 
der Rechten befennen, daß fie Luft haben mit der Linken zu 
flimmen. Die Minifter werden eilen die Häufer zu ſchließen, 
ſobald nur das Budget bewilligt worden. — 

Die Kreuzzeitung bezeichnet Herrn von Zedlitz⸗ Neukirch ald 
wahrſcheinlichen Polizeipräſidenten von Berlin. An einen 
gemaͤßigten, ruhigen Mann iſt nicht zu denken, ein knechtiſcher 
Hitzkopf, einer der nichts ſcheut, muß es ſein! — (‘ner if 
ſchon ernannt.) 

Die Unterzeichnung für Hindeldey's Familie belänft fh 
ſchon auf 10,000 Thaler. Die ſervilen Börſenhelden mögen 
ſich nur immer damit in die Rachebücher des Adels und des 
Militairs einſchreiben! Sie thun es nicht aus guten Grün⸗ 
den, ſondern aus ſchlechten; die Polizei iſt ihnen lieber als 
das Junkerthum, aber auch lieber als die Volksfreiheit. — 


Auch hier heißt es mit Recht: „Jeder dieſer Lumpenhunde wird 
vom andern abgethan, * .— 


409 


Der Graf von Kleift aus Dresden hat fich an den Prinzen 
von Preußen angefchloffen, und erweijt ſich ihm dienſtwillig. 
Bei feiner Reife nach Paris ift es mit darauf abgefehen, dem 
Prinzen von der dortigen Lage der Dinge vertraulich zu berich— 
ten. Für innere Sachen ift der Freiherr von Binde aus 
Schleſien ein willfommener Berichterftatter. Auch der Graf 
von Schwerin hält fih an den Prinzen, mehr noch aber an 
die Pringeffin. 


Sonnabend, ben 15. März 1856. 

Dem Oberregierungdrath von Zedlig - Neufich ift fürerft 
nur die Verwalting der Stelle des Polizeipräfidenten von 
Berlin übertragen worden. Ob ein neuer Generalpolizeis 
direftor ernannt werden wird, ift noch die Frage. Doch wird 
man folche Oberbehörde nicht gern entbehren. — 

Abends kam nad, längerer Zeit auch Frau Bettina von 
Arnim wieder zu mir. Sie that, ald wäre fie geftern dage- 
weſen, war erzürnt auf meinen Huften, ſchalt unanftändig auf 
meinen Arzt, und pries mit prahlerijchem Gepränge den Dr. 
Arthur Luge in Köthen, an den ich mich wenden foll. Das 
machte mich fchon ungeduldig. Dann framte fie, mit widri- 
gem Prahlen, ihre Neuigkeiten aus, die und [ehr in Erjtaunen 
ſetzen follten, aber theils allbekannte, theild ganz falfche Nach: 
richten waren. In der Tagedangelegenheit, dem Zweikampf 
Hinckeldey's, ftand fie, von ihren Kindern und deren Umgang 
beeinflußt, ganz auf der Junkerſeite; fie bat fchon gar feine 
eigne Meinung mehr. Sie nahm ed übel, daß fie nicht in 
allem unbedingten Glauben fand. Dann fchwaste fie von 
ihrem Goethedenkmal, der König werde ed nun nächſtens fehen, 
Frankfurter Kaufleute wollten gleih hunderttaufend Thaler 
zur Ausführung herbeifchaffen, das fei eine Kleinigkeit. („ Sie 
haben dad Anerbieten doch gleich angenommen ?* fragt’ ich 


410 


dazwischen.) Der Großherjog von Weimar, „der Flez“, ki 
fie nicht befucht, nun folle dad Denfmal auch nicht nad Wi: 
mar fommen — auf der Wiefe vor Goethes Gartenhaus mir 
der befte Pla — „das hat er verſcherzt!“ (Aber wenn es da 
König oder Frankfurter Kaufleute ausführen, wird es ja gem 
auch nicht nad Weimar kommen!) Sie bildet fich ein, der 
Geheime Rath) Balan fei jept beim König in böchfter Gunſ, 
und will durch den auf den König wirken! Auch an Frau von 
Thile- Winkler und ihre Geldmittel denkt fie, deßwegen wurt: 
neulich Fräulein * eifrigft eingeladen und ſchmeichleriſch 
gehätfchelt! Sie erzählte dann, jie modellire fleigig, eine 
Medufenmasfe, konnte jih aber auf das Wort Medufe gar 
nicht befinnen, lachte Dabei unmäßig, zwang ſich dazu, wie eine 
Tolle, es war der widrigite Eindrud von der Welt. Eine 
franfe Hege, zum Mitleid und zur Furcht! Scherz obne 
Grazie, Dünkel ohne Unterlage, Herrfchfucht ohne Kraft. 
Sie bedient fih der gröbften Ausdrüde, beleidigt und mif- 
achtet alles, iſt daber voller Liſt und Fleiner Tüden. Ein 
abfcheulicher Umgang ! — Sie ſchimpfe noch gräulich auf 5.3, 
die fie bei Madame P. getroffen hatte. Kein Wort daven, 
daß ihr Gefchäftsführer Kühne aus Weimar hier gemefen. — | 
Der Diener fam fie abzuholen, fie durfte ihn nicht warten 
laffen, fie fteht unter der firengen Aufficht der Kinder. — 
Bedauernswürdig; aber Franke Here, ich kann fie nicht ander 
nennen! ch war von Herzen froh als fie wieder fort war. — 
Der Kladderadatfch erklärt, die hiefigen Borgänge ſeien 
zu ernit, zu furchtbar! Darüber laffe fich nicht fcherzen. | 
In Arnim's Hotel war vor Kurzem ein Gewerfofeft, eimg 
Dffiziere drangen ein, wurden abgewiefen, und da fie nid 
gehen wollten, hinausgeworfen mit Stößen und Schläger 
Jetzt heißt e8, in Folge diefer Gefchichte habe ſich in Potsdam 
ein Graf von Canitz erfchoffen, nach andrer Sage ein Freihert 
von Ganik; wiederum wird behauptet, das Ganze fei falid- 





411 


Aber die Schlägerei wird nicht geläugnet. — Der Sohn des 
ehemaligen Miniſters Freiherrn von Canitz und Dallwitz, 
Kammerherr der Königin — der hier im Hauſe gewohnt, von 
dem ich den Hund Bello bekommen —, ſoll ſich erſchoſſen 
haben. — | 


F5 


WB | März 1356. 

Der Bein; von Preußen hat eine Beſchwerdeſchrift an das 
Staatdminiftertum gerichtet, in welcher er Genugthunng for: 
dert für die gegen ihn verübten Verunglimpfungen, die durch 
den Potsdamer Depefchenverrath an den Tag gefommen find; 
er verlangt gerichtliche Unterfuchung. Das Staatsminiſterium, 
in größter Berlegenheit, fragt den König was er in der Sache 
getban haben wolle? Der König läft das Staatsminiſterium 
eine Kommiffion niederſetzen — Simond, Uhden, Goetze, 
Schwarck find darin — welche dieſe Unterfuchung führen foll, 
jedod mit ausdrüdlicher Beſchränkung, daß nichte den 
Minifterpräfidenten von Manteuffel Bloßſtellendes votlom⸗ 

men dürfe! — 


Er EEE rn 


Sonntag, den 16. März 1856. 

Deffentliche Erflärung des Staatsanwalts Nörner, - der 
bezeugt, der König habe allerdings vorausgewußt, daß Hindel- 
dey einen Zweikampf eingehen wolle. Nörner thut, als habe 
er in diefer Sache das befondre Bertrauen ſowohl Hinckeldey's 
als des Könige gehabt. Die Dinge werden nut immer 
- unflarer! — Eine Denffhrift zum Ehrengedächtniß Hindel: 
dey's hier gedrudt, ift von der Polizei weggenemmen worden. 
Welche Widerſprüche! — 

Man tadelt Humboldt ſehr, daß er mit bei Hinckeldey's 
Begräbniß figurirte, niemand verlange es von ihm. — Der 








412 


König felber berent es, bei dem Bearäbniß geivefen zu fm; 
er ſagt, er habe dabei gelitten wie in der Hölle. Der Ankit 
der Familie fchnitt ihn wie mit Meffern in's Fleiſch, die älteſe 
Tochter war höchft aufgereizt, man mußte fie zurückhalten un 
bewachen, daß fie nicht auf den König mit Vorwürfen und 
Berwünfchungen losftürzte. — — 

Die Offiziere, der Adel, das Herrenhaus, nehmen es dem 
König entſetzlich übel, daß er bei dem Begräbniß war. „E 
verläßt. unfre Bartheit« heißt ed, „uns, Die wir ihm fen 
Einmal verziehen, die wir ihn gerettet haben! Er giebt 
Blößen nach allen Seiten, er bringt alles in Verwirrung, der 
. Staat fällt in Auflöfung! Warum dankt der König nicht ab? 
Wie mäg er noch weiterregieren ? Er muß abdanten!“ 
Solche Reden werden geführt, grade tie im März 1848, in 
denfelben Kreiſen, von denfelben Perſonen. — | 

- Veber Nörner’s Erklärung ift überall das größte Erftaunen, 
die heftigfte Empörung. „Hat er aud eignem Antrieb diefed 
Stück gefpielt, fo verdient er abgefept ju werden; er bezůchtigt 
den König der Mitwiſſenſchaft, ſtraft ihn Lügen, würdigt ihn 
dadurch herab, daß er ſich ala deſſen Bertrauten angiebt. Hat. 
er mit Zuftimmung des Königs den Wiſch druden lafjen, fe 

. wird man erinnert, daß vor acht Jahren der König den 
Thierarzt Urban durd) eine eigenhändige Kabinetsordre heauf- 
tragte, die Garderegimenter nach Berlin zurüdzuführen! Und 
Nörner ift noch fchlimmer als Urban, denn der war wenigſtens 
ein ehrlicher Thierarzt!“ — 

Große Erbitterung gegen den — Stieber, dem ſchon 
gerathen worden ſein ſoll, eiligſt und auf unbeſtimmte Zeit zu 
verreifen. Stieber ſoll darauf tropen, daß er im Beſit wich⸗ 
tiger Geheimniſſe ſei, daß, der Koͤnig ihn nicht fallen laſen 
könne. Darin möchte er ih iren' — 

Der aus Sachſen hiehetgeſchleppte Gricche Simonides iR 
bier vom Gericht Freigelaffen worden, man Tann ibm nichts 


413, 


anhaben! Wie beim Prinzen von-Armenien.! Der wüthige 
Eifer und das blinde Zugreifen dev Polizei haben ſich wieder 
einmal blamirt! -— Das geht nun ſchon ſeit ſiebenunddreißig 
Jahren immer ſo fort! — 

„Für den König iſt dieſe Bindeldey ſche Seſchichte ‚grade 
fo ſchlimm und verhängnigvoll, als die balsbandseſchichte für 
die Königin Marie Antoinette war.· 

Telegraphifche Depeſche aus Paris, daß heute. früh⸗ die 
Frau Louis Bonaparte's einen Knaben geboren hat. Großer 
Lärm und wenig Bedeutung! — | 


Montag, ben 17. März 1856. .. 

Anonyme Zufendung einer Drudichrift. „Der Potsdamer 
Depeſchen-Diebſtahl“, worin die Bertheidigung des Direktors - 
der Oberrechenfammer Herrn Seiffart mit Bemerkungen, die 
den Minifterpräfidenten von Manteuffel anfchuldigen. ch 
befam es durch die Stadtpoft, und eingelegt. war ein wahrs 
ſcheinlich diefelbe Drudfchrift enthaltendes Schreiben an den 
General von Pfuel, die Adreſſe war von derjelben perſtellten | 
Hand, wie die an mic, gerichtete. | 

Große Erörterung über die Erklärung, von Nörner ,. man 
fand fie ſchamlos, unfinnig, den König bloßjtellend, ungebühr: 
lich. Endlofes Verwundern, Bejammern unfter Zuitände, 
man fann fich gar nicht erholen von diefem Miſchmaſch uner: 
börter Dummbeiten und Berwirrungen. Eine Teufeldwirths 
haft, ein ftinfender Sumpf, der aufgerürt Peſtluft aus- 
haucht. — 

Die Druclſchrift, in der Seiffart's faule Sache wohlriechend | 
gemacht werden foll, aber nur Geſtank mit Geftant auszutrei⸗ 
ben fucht, iſt auch ein redendes Zeugniß unſres Regierungs- 
banferotted. Was find das für Enthüllungen! Welch heim⸗ 
liches Späh⸗ und Tügengetriebe am Hof und in der Regierung ! 


414 


Ucberall Schufte, denen man vertraut; unfaubre Werkeug, 
deren man fich bedient! Der General ven Gerlach beauftrat 
den. beftraften. Verbrecher Lindenberg durch den belohnten Brr: 
brecher Peters zu den fchändlichften Spähereien und. Berichten 
gegen den Prinzen von Preußen! — Herr Seiffart wäſcht jih 
im Schmuß, alfo nicht rein! Er ift ein PVerbrüderter ie 
Techen. Mag er jebt ſagen, ‚Die Zeit. feines Polizeidienftes 
ſei die ungtüdlichfte feines Lebens geweſen, — wie der Schuft 
Stieber ſagte, man habe feine Jugend mißbraucht, — er bat 
ih zu jenem Dienfte ‚gedrängt, iſt wider Willen daraus 
geſchieden! Er iſt übrigens der Erfinder des Ausdrucks, be⸗ 
Ichränfter Unterthanenverftand”. 

Die Neue Preußiſche Zeitung hatte ſchamlos geläugnet, 
daß der Zweikampf Hinckeldey's die geringfte Verbindung mit 
der Aufhebung des Jockeyklubs gehabt. Heute muß fie felber 
den Beweis liefern; daß der engfte Zuſammenhang flattfindet, 
durch die Erklärung des Bruders des Herrn von Rode 
Pleſſow. ⸗⸗ 

Die Vutheidigungeſchrift. dee rafen. von pfeil if erſchie⸗ 
nen, ungeſchickt, wirrkoͤpfig, er. reißt Wunden von 1848 auf, 
zum großen Schmerze ſeiner Perthei, des bofes der Regie 
rung. — — 

Noch zwei andre Schriften über Hindettey und; zu feinen 
(Ehren jind ebenfalls von der Polizei weggenammen worden. 

Als Herr von RohowsPßlefjoie von der Hauspogtei, wo et. 
dig Leiche. hatte anerkennen müflen, fortging, rief: dad Bolt: 
„Das iſt der Mörder! -Schlagt ihn todt!“ Er rettete ſich 
durdy eilige Flucht, und fand gerathen, Berlin zu verlaffen. — 

„Zwölf Frauenbilder aus der Goethe» Säiller- Gpode 
Bon Arnold Schloenbach. Hannover, 1856.” 8., Rahel und 
Bettina machen den Shlub; vorzugeweiſe —* juſan⸗ 
mengetragen. 

„Mein holitiſches Treiben i im Sommer 4848 Bon Er 





415. 


von Pfeil. - Berlin, 1856.* 8. Mit dem Motto: „La patria 
si debbe difendere con ignominia o con gloria ein qua- 
lunque modo € ben difesa.“ Die ignominia hat er fih 
richtig herausgewählt! — 


| Dienstag, ben.18. März 1856. .. 

Der König, fagen die Höflinge, leidet tauſendfaches Un⸗ 
gemach, Verdruß, Nerger, Bloßftellung aller Art; ein Andrer 
würde dabei ſchwermüthig, wenigftend nachdenklich, allein er: 
ſchüttelt alles ab, thut ala wäre nichts gewefen, nimmt alles 
auf feine Krone, und jolange niemand an die zu greifen wagt, 
ſetzt ex fich über. alles hinweg; im Unrecht glaubt er ſich nie, 
im Gegentheil, er hält fich für beffer und befonders für klüger 
ald alle Andern, und nicht? macht ihn darin irre, fein Verfeh⸗ 
len, fein Mißrathen, keine erlittene Demüthigung. | 

Beſuch vom General Adolph von Willifen. Später fam: 
Frau Bettina von Arnim. Dieömal ganz ſchmeichlexiſch, will 
nichts vorftellen, nichts aufdringen, nur um Rath fragen ! 
Der König wird ihr Goethedenkmal fehen, und dann gewiß 
ausführen, nur ift jie verlegen wegen der Wahl der Stelle, 
wo die Infchrift stehen foll: „ Briedrih Wilhelm der Vierte 
dem unfterblichen Dichter. *: Sie pflichtet allem bei, was ich 
ihr fage, dankt mir beſtens. Iſt es denn aber fo weit, daß 
man ſſchon an folche Infchrift‘ denken kann? Darf man dem 
Könige fagen, daß fie beabfichtigt wird? - Der Banquier, der 
von den hunderttäufend Thalern meinte, e8 würde ein Leichtes. 
fein fie zu beſchaffen, ift fein Frankfurter, fordern der Berliner 
Herr von Magnus; — o weh! — 

Heute vor acht Jahren die ganze Nacht Varrikadenkampf 
und heftiges Feuern! Heute ſchweigen alle Blätter von dem 
Gedenktage, nur die Neue Preußiſche Zeitung erinnert an ihn; 
ſo muß dad Schandblatt doc dieſen Dienft leiſten. 





416 


Der Feldmarfchall und Oberſtkämmerer Graf von Dobna 
wußte heute noch nichts von Nörner’d Erklärung, wa 
Seiffart’d Schrift. 

Nah und nach fommt allerlei an den Tag was frükt 
geläugnet wurde. SHindeltey hatte den Jockeyklub im Het 
du Nord auf Befehl des Königs — auch die Königin hatte ih 
Wort dazu gethan — aufheben laffen, der ‘Polizeilieutenant 
Dam nur feine Schuldigfeit gethan. Aber Hindeldey fah id 
genöthigt, ihn wider beſſre Meberzeugung zu mißbilligen, un 
nahm ihn in Ordnungsſtrafe von 20 Thalern, die er zum Schein 
bezahlte, in Wirklichkeit aber fogleich zurüderbielt! Dade | 
Prinz von Preußen gejagt hatte, er wolle nicht, daB der | 
Sihweinigel in dem Revier fei, wo er der Prinz wohne, jo 
mußte Dam auch verjegt werden, aber mit Vortheil an Rang 
und Befoldung! Solche Wirthſchaft! — 

Veber ded — Gtieber Haupt ziehen jich Wolfen 
zujammen! Im Minijterium des Innern ift Davon die Rede, 
ihn wegen mehrfacher Gegenftände zur Kriminalunterſuchung 
zu ziehen. „Bor acht Jahren fagte er, man habe feine Jugend 
mißbraucht; jest wird er fagen, man habe fein Alter mif 
braucht ; aber zum Hängen ift er weder zu jung noch zu alt.‘ 


. Mittwoch, den 19. März 1856. 

Alle Leute, die von den Sachen näher unterrichtet fen 
fünnen, denen man Willen oder Urtheil beimißt, find vet 
Meinung, die Erklärung ded Staatsanwaltd Rörner fei mit 
Zuftimmung, ja nach der Anweifung des Könige gefchehen! 
Ueberull, wohin man hört, Erjtaunen, Entjegen, Sammer und 
Trauer über ſolche verfehlte Mapregeln, Berwirrungen, Rip 
griffe. Bon allen Zeiten zeigen ſich erbärmliche Wichte, 
Schufte, Lumpen; diefen Abſchaum hat die Reaktion glüclich 


417 


emporgebracht, in feinem hohen Amte findet fih ein redlicher, 
tüchtiger Mann, allen haftet Berderbniß oder Mangelhaftigkeit 
an. Und jeder ſagt's vom andern, er tauge nicht; fo Seiffart 
jeßt von Manteuffel! — 

Humboldt fendet mir ein Büchlein über Polen, zugleich 
für den Fall ich fie noch nicht’ hätte, die Seiffart’fche Druck⸗ 
ſchrift, und fügt ein Blättchen bei, worauf nur die beißenden, 
berlinifchen Worte ftehen: „Was kommt aber nanu? AvHt.“ 
Ich durchlaufe die Polenfhrift, die fehr fcharf ift, und fende 
fie mit einem Antiwortfchreiben an Humboldt zurüd. . 

Erflärung des Bruders von Hindeldey, ganz unbedeutend 
und unnüß, nur die Kreuzzeitung fucht Nutzanwendung davon 
zu machen mit ihren gewöhnlichen Kniffen und Krechheiten. — 

Abende kam Frau Bettina von Arnim; mieder ganz 
gefehmeidig und fügfam, fie fprach vom Goethedenkmal, aber 
auch von Savigny's, die da jammern, daß ihr Sohn katholiſch 
ist, und deßhalb nicht Gefandter in Wien werden fönne! ch 
wende dagegen ein, der Fürft von Hatzfeldt fei lange Zeit 
preußijcher Gefandter dort geweſen, fie erwiedert, ich würde 
mich wohl irren und der nicht Fatholifch gewefen fein! Sie 
hat feine Vorftellung, wie ed mit dem Wiſſen ift, was zweifel- 
haft fein könne, was ſicher gewußt werde. — 

Dem Prinzen von Preußen war durch einen Arzt aus— 
drüdlich angezeigt worden, der Abgeordnete und Kreuzzeitungd- 
mann Wagener habe beim rufjiihen Gefandten Baron von 
Budberg in einer Gruppe gejagt, der Faden ded Depefchen- 
Berrathes fei bie zum Prinzen von Preußen verfolgt worden. 
Der Prinz wandte fih an den Staatsanwalt Adler, der 
Magener follte vernommen werden. Died erfuhr mancherlei 
Schwierigkeiten. Zuletzt erflärte Wagener, ihm fei die Sache 
nicht recht erinnerlich, einen Eid könne erdaher nicht ſchwören, 
daß er ed nicht gejagt habe, Doch glaube er ed nicht. Der 


Graf von Nojtiß, den er ald Mitanwefenden in jener Gruppe 
Varnhagen von Enfe, Tagebüder. XII. 97 


418 


genannt hatte, fagte aus, er habe nicht? der Art gebört. 
Damit ift die Sache fürerft abgethan, aber nicht der Groll' is 
Prinzen gegen Wagener. — 


Doinerstag, den 20. März 1856. 

Theophile Gautier’d Lobgediht auf den Parifer Neu— 
gebornen, „e'est un Jesus à tete blonde“. Die Kreuzzeitung 
‚ ft außer fich über die Gottesläfterung; den Juden ift aber 
auch die Vergötterung ded Sohns der Maria ein folder 
Frevel. — 

Man faat, es ſei unzweifelhaft, dag der Minijterpräfident 
von Manteuffel den alten Polizeifpürer Techen gebraucht hat, 
aber eben fo unzweifelhaft fei e8 auch, daß der König jelbit 
mit diefem Techen in Verbindung gewefen. — 

Manteuffel hat fich gegen die Reife nach Paris ſehr 
gewehrt; er fürchtete, die Gegner würden feine Abreiſe 
benugen,, um ihn vor feiner Rüdfunft oder gleidy nad) derfel: 
ben zu flürzgen. Der König, heißt e8, ſei des Miniſters end: 
lich ganz überdrüſſig. So fei er and eigentlich Hindeldey's 
ihon fange überdrüffig geweſen, was nicht hindert, dap er 
außer ſich gerathen über deifen Tod. — 


Stiller Freitag, den 21. März 1856. 

Sendung aus London von Herrn George Grote, der zwölfte 
Band feiner Gefchichte Gricchenlands, der Schluß des unſterb⸗ 
lichen Werks! — 

Aergerniß, das durch Nörner’d Erklärung gegeben worden, 
am meiften dadurch, daß der König in vertraulicher Verbin: 
dung mit ſolchen Menfchen fich zeigt; niemand zweifelt, daß 
der König jene Erflärung gewollt hat! Welch ein Irrthum, 
um weiß zu werden, fih an einem Schornfteinfeger zu reiben! 


419 


Auch die Seiffart’fche Rechtfertigungefchrift macht die entgegen: 
gefehte Wirkung einer bethörten Selbftanflage. Aber was 
wird die nächte Folge fein? „Die nächte? nichts. Man 
wird fo weiter leben, fo lang es geht, und ed geht noch 
lange.” — 

Gelefen, zwei große Unglüddereigniffe, die Oftobertage 
von 1806, und die Flucht nad) Barenned, zwei Gefchichtd- 
bilder, an denen man fid) nicht müde fieht, fie geben immer 
neue Gemüthsbewegungen, immer neue Gedankenreihen. — 

Wegen der Drudichrift von Seiffart hat die Bolizei Haus: 
ſuchung bei einem Kaufmann Molinari und bei Dr. Free 
gehalten, aber vergeblih. Der Polizeidireftor Stieber iſt in 
derfelben Angelegenheit nach Braunfchweig gereift, wohin eine 
Spur geleitet hat. — Molinari ift ein fchlefifcher Abgeord- 
neter. — 

Die Erklärung Nörner's ift von ihm und Stieber auf den 
Wunſch des Königs und in feiner Gegenwart aufgefeßt worden. 
Der König hat eigenhändig Berbefferungen hineingefchrieben. 
Das Blatt mit ded Könige Handfhrift ift einem Demokraten 
gezeigt worden, deffen Urtheil man haben wollte! Daß aus 
dem Weißbrennen ein Anfchwärzen geworden, hat von den 
Urhebern feiner eingefehen! — 

Der König hat dem Feldmarfchall Grafen von Dohna den 
Staatsanwalt Nörner warm empfohlen, er foll fih einmal von ' 
ihm erzählen laffen, er werde merkwürdige Sachen hören. 
Nörner kam zu Dohna, der aber alles ſehr ernft nahm, und 
ihn mit der Feder in der Hand anhörte, jeden Punkt auf- 
fchreibend. Auf der zweiten Seite hielt er inne, und Nörner'n 
die Widerfprüche vor, in die diefer gerathen war; nachher 
jagte er das dem Könige, und daß der Menfch einen fchlechten 
Eindrud auf ihn gemacht. Der König wandte fih ab. — 


27” 


420 


Sonnabend, den ®. März 1856. 
Dad Wiener Blatt der Wanderer hat die Seiffart'jk 
Schrift abgedrudt und mit bitterböfen Bemerkungen begleitet; 
die Polizei hat ed an den wenigen Orten, wo e3 gehalten win, 
weggenommen. — Der geftrige Publizift, in welchem miß— 
fällige Nachrichten über die Hindeldey « Gefchichte geftanden 
haben jollen, tft auch weggenommen worden. — 


Der neue Polizeipräjident ad interim — wie er jih rich⸗ 
tig nennt — hat feinen Amtsantritt öffentlich angekündigt, 
Jeden Morgen nah 8 Uhr will er für jederman zu fprehen 
fein. Daß er gleichſam auf Probe angeftellt ift, findet man 
weder ehrenvoll noch zweckmäßig, es fchadet feinem Anfehn bei 
den Untergebenen, und macht ibn unfiher in feinen Hant- 
lungen. Aber man liebt einmal dad Halbe zu thun! — 


Bis jebt hat der König über die Verſorgung der Familie 
Sindeldey noch nichtd verlauten laffen. Die Sammlung an 
der Börfe und in der Stadt beträgt fhon 20,000 Thaler, eine 
jämmerliche Poſſe, bei der die Meiften einer blinden Betbös 
rung folgen. 

Allmählig vernimmt man günftigere Angaben über die 
Vermögensverhältniffe des Gefallenen. Man fpricht von 
Kapitalien, von 40,000 Thalern, von Geldern, die der Frau 
. gehören 2. Die Schulden, mit denen er fein Amt bier ange 
treten, hat er gleich im erften Jahre getilgt. — Bei Gerjon 
fol eine Schuld von 6000 Thalern angefchrieben fteben. 
Gerfon ftand mit Hindeldey in Unterhandlung wegen einer 
zu übernehmenden Pacht fämmtlicher Berliner Droſchken!! 
Hindeldey war auch öfters bei ibm zu Saft. Mit allen reichen 
Geſchäftsleuten ftand er fih gut. — — 

Der wirre Wahn geht fo weit, dag man Hindeldey'n auch 
ein öffentliches Denkmal errichten will. Die fämmtlihen 
Polizeibeamten find zunähft in Anjpruh genommen. Viele 


421 


flagen fchon darüber, was geht fie der todte Hindeldey noch 
an! Sie haben ed nun mit Zedlig- Neukirch zu thun. — 

Der Staatsanwalt Nörner, diefe anrüchige Perfon, diefer 
zweite Thierarzt Urban, foll in hoher Gunft beim Könige 
ftehen, ſchon dreimal feit feiner Erklärung zum Könige gerufen 
worden fein, und lange vertrauliche Unterredungen mit ihm 
gehabt haben. Die Hofleute, die Offiziere ꝛc fehen dies mit 
ſcheelen Augen an. — | 

Stieber richtet jeßt perfönliche Berichte an den König. 
Der neue Polizeipräfident hält ſich ftill und beobachtet, nicht 
nah unten, fondern nad) oben. Denn da liegt der Haupt- 
punkt! — 

„Aus dem Depefchenverrath entiteht ficher nichts! Seiffart, 
Tchen, alle wie fie heißen, fühlen fi geſchützt! Denn der 
König felber hat ſich Techen's bedient, ihm Aufträge gegeben, 
von ihm Nachrichten empfangen. * 


— 


Montag, den 24. März 1856. 

Schlefifche Junfer und hohe Beamte — auch der Ober 
präfident tft unter ihnen — haben eine Adreſſe an den Kaifer 
von Rußland gerichtet, voll Huldigung und Dankbarkeit, daß 
er aus Großmuth den Frieden giebt, während er den Kampf 
ruhmvoll hätte fortfeben können, und der Kaifer hat gnädig 
geantwortet, Welch ein Beifpiel! Preußifche Unterthanen 
in politifhem Verkehr mit dem ruffifhen Kaiſer! Es gehört 
der ftumpfe Partheigeift, die Blindheit und Schwäche, der 
gänzliche Verfall, die jept hier walten, dazu, daß dergleichen 
geduldet, daß ed nicht beftraft wird. 

Richtig hat auch ſchon ein Magdeburger Rabbiner 
Philippfon fih an Louis Bonaparte gewendet, um für die 
Juden feinen Schuß anzurufen! — 





422 


Mittwoch, den 26. März 1856. 

Karl Wagner’d Programm über die Bacchiaden ven 
Korinth gelefen; eine fleißige Arbeit, zu der alle Hülfämitt 
benugt find, auch ſchon Grote’? Gefchichte von Griechenland 
mit verdientem Xobe. Korinth war, das geht aus der ganzen 
Schilderung bervor, eine Art von Nürnberg oder Augséburg, 
aber bewohnt non Hellenen, unter füdlihem Himmel, und 
bimaris. 

In auswärtigen Blättern, franzöfifchen, enalifchen und 
deutfchen wird Preußen fürchterlich angegriffen, ſchonungslos 
beruntergeriffen und in feinen Blößen gezeigt. Alle Achtung 
ift verfhmwunden, Hohn und Spott an die Stelle getreten. 
Man fieht unfre Regierung wie einen verlumpten, banfrotten 
Schwächling an, dem man ohne Bedenken Ohrfeigen und Fuß—⸗ 
tritte geben fann. Faul und nichtenukig ift freilich alles, was 
jest obenauf ſchwimmt, alle Behörden find falfch befebt; 
ſchlechte Kerle, gefinnungslofe Gemeinheit und niedrige Selbit- 
ſucht walten, ihnen ift die Macht anvertraut. Polizei ift alles! 
Auch die Derwaltung, die Rechtöpflege, der Hof und die Kirche, 
alles ſchmiegt ſich unter die Polizei, ift von ihr befubelt. 
Einzig das Militatr und der Zandadel wagt noch ihr gegenüber 
etwas felbititändig zu fein. 

Dem Dozenten Dr. Kuno Fiſcher hat der Minifter von 
Raumer die Lehrerlaubniß an biefiger Univerfität wieder ent- 
zogen; die philofophifche Fakultät verwendet fich zwar für ihn; 
aber es wird nichts helfen. 


Donnerstag, den 27. März 1856. 
Die Volkszeitung fpricht jekt öfterd von der Entfittlichung 
der Franzoſen; fie könnte mit größerem Rechte von der Ent: 
fittlihung der Deutfchen reden; aber im Grunde doch in 
beiden Källen mit Unrecht. In beiden Völkern ift Sittlichkeit 


423 


reichlich vorhanden, fie zeigt fich in der Haltung gegenüber den 
gewaltthätigen, willfürlihen Regierungen; in diefen ift die 
Unfittlichfeit, in diefen liegt die Heranziehung und Begünfti- 
gung aller fchlechten Beftandtheile des Volke, die denn auch 
den Schauplag ded glänzenden Lebens vorzugsweife erfüllen. 
Der Kern des Volks bei den Franzoſen, wie bei und, muß jebt 
in den untern, wentgftens in den verborgnen Schichten gejucht 
werden. | | 

Die Nationalzeitung erörtert die neuen Bankverhältniffe. 

Der König_hat die hier beabfichtigten neuen Kreditanftalten 
nicht gebilligt; das ganze Staatdminifterium war dagegen. 
Der Handelöminifter von der Heydt begünftigte zwar im Stillen 
die Sache, trat aber keineswegs für fie auf. — 


‚ Freitag, ben 28. März 1856, 

Nachmittags ein Brief aus Weimar von Apollonius von 
Maltig, einer der angenchmiten, Tiebenswürdigften, gehalt: 
volliten ! | 

So fcharffinnig und lebendig Mommfen die römifche 
Geſchichte behandelt, fo fehr ihm gelingt, die inneriten Ber- 
hältniffe anfchaulich zu machen, fo kann ich doch weder feinen 
Standpunkt billigen, noch feinen Vortrag und feine Redeweife. 
Die Negierungsgewalt ift ihm zu ſehr Hauptfache, Freiheit 
und Menfchentecht ftellt er in den Hintergrund, das Volk ift 
ihm Pöbel. Wenn aber in römiſcher Geſchichte von Plan- 
“ tggen, Garde, Geldariftofratie, Finanzkapitaliften, Geſchwor⸗ 
nengerichten, Offizieren gefprochen wird, Sulla ein Don Juan 
der Politik heißt, fo fommt mir das nicht beffer vor, ald wenn 
früberbin von unfern Pedanten die römischen Konfuln als 
Bürgermeifter von Rom bezeichnet wurden. Dieſe Moder: 
nifirung will verdeutlichen, giebt aber faljche Borftellungen. 


424 


Mithridates heißt sin Sultan! Das römische Schwert jegar 
muß ald Säbel herhalten! — 

Der Prinz von Preußen hatte zu den beabfichtigten neun 
Kreditanftalten eine halbe Million Thaler unterzeichnet, diek 
Thatjache wird von Herrn Hanjemann bezeugt; — fobald kr 
König dies erfuhr, war er fogleich gegen die ganze Sache. — 

Der König hat bei einer andern Gelegenheit gefagt: „Die 
Zeute meinen, e& wird andere werden, wenn mein Bruder an 
die Regierung fommt? Pah! Sie werden ſchon jehen! Gr 
wird auch nichts Befondered mahen!" — . 

Die Grafen von Bredow, Vater und Sohn, wegen Ri} 
handlung eines Arbeiterd zu vier Wochen Gefängniß we: 
urtheilt, die fie vergebend bemüht find in eine Gelditrafe ver⸗ 
wandeln zu laffen. 


Sonntag, den 30. März 1856. 
Nachmittags 3 Uhr ift in Paris der Frieden unterzeichnet 
worden, jo wird Abends die telegraphifche Nachricht fund. 
Der Polizei find neue Vorſchriften ertheilt worden, gegen 
Militairperfonen alle Vorfiht und Schonung zu haben, fie 
jedenfalls ihren militairiſchen Behörden zuzuführen. 


Montag, ben 31. März 1856. 

Der Grieche Simonides it von hier ganz frei fortgereift, 
man hat feine hier beftrafbare Schuld an. ihm gefunden, das 
Gericht hat ihn entlaffen, ihm feine Schriften und feine 
beträchtlichen Geldfummen wiedergegeben. Die Polizei hat ihn 
darauf aus Preußen weggewiefen. Warum hat fie ihn von 
Leipzig geholt? Sie ift wüthig. über ihre eignen Mißgriffe! 
Und die höheren Gewalten fehen dem willfürlichen, ausſchwei⸗ 


425 
fenden, den Staat verderbenden Treiben ruhig zu! Solche 
Wirthſchaft gab ed noch nie! 

Geftern lebhafter Auftritt im Abgeordnetenhaufe. Die 
Rheinländer wollen ihre Gemeindeverfaffung retten. Delius 
deckte die Schändlichkeiten auf, welche gegen die Preßfreiheit 
verübt werden. Die Kölnifche Zeitung darf nicht wagen, 
Artilel für die rheinifche Gemeindeverfaffung aufzunehmen, 
wider diefelbe muß die Elberfelder Zeitung Artikel auf: 
nehmen, die ihr von den Behörden zugefchieft werden. Die 
Linke ftürmt heftig, der Minifter ded Innern erflärt, er habe 
dergleichen nicht befohlen, werde die Sachen unterfuchen ꝛc. 
Die Rechte benimmt ſich feige. — 

- Der Inſpektor Kopf tritt von der Verwaltung der Anftalt 
für verwahrlofte Knaben zurüd, Er hat fie viele Jahre fegen- 
reich geführt, Fromm aber nicht frömmelnd. Unter dem Namen 
Wowanud hat er fein Leben in merfwürdiger Weife befchrie: 
ben. — 


Dienstag, den 1. April 1856. 

Mittags kam Bettina von Arnim; fie war bei unfrem 
Eſſen, und aß etwas mit, was fie fonft nicht gern thut. Sie 
erzählte von der Profefforin Ritſchl aus Bonn, die mich habe 
befuchen wollen, als aber Ludmilla fagte, ihr Vater Dr. 
Guttentag fei mit Dr. Affing innig befreundet geweſen, war 
ihr dies fichtbar ärgerlih. Dann fragte fie nad) dem Dichter 
Petöfi, ich lobte deffen Lieder und bedauerte fein Geſchick, 
nämlich man wilfe nicht, ob er lebe oder todt fei, nach einem 
Gefecht fei er nicht mehr aufzufinden gewelen. Da fab 
Bettina mich bedeutend an, und fagte mit Nachdruck: „Ich 
habe eine Spur befommen, daß er lebt!” Welche Spur war 
das? Sie hat Fürzlih aus Ungarn ein Bild zugefchidt 
erhalten, ohne Brief, das Bild fei Petöfl’d, ganz unzweifel⸗ 





426 


haft, und er habe damit ein Lebendzeichen geben wollen. 
„Das Bild hab’ ich auch bekommen,“ verſetzte ich, „es iſt aber 
Kertbeny's“. — „O nein,” fiel fie ein, „nimmermehr!* — 
„Und fogar fteht fein Name drunter.“ Das hatte fie über: 
fehen, auch ift der Name nicht fehr lesbar. Nun fiel ihr ganzer 
Wahn wie ein Kartenhaus zufammen, und fie war hähi 
ärgerlih, daB fie feinen neuen und großen Eindrud hatte 
bewirken fönnen, daß jeder Verſuch, ihre Einbildung dennoch 
zu behaupten, fich Fruchtlo® erwies. In ihren Gedanken und 
Betreibungen ift wenig Zufammenhang und Folge, fie fpringt 
von einer Sache zur andern, und fühlt ſich in ihrem Weſen 
nicht mehr bebaglih. Sie ift leider geknickt, geijtig wie 
förperlich, und Elagt auch fehr. Sie thut mir fehr leid. — 


Mittwoch, den 2. April 1856. 

Der Landtag will ſich noch vor dem Auseinandergehen recht 
zeigen, in beiden Häuſern werden Anträge gemacht, zu Erſpar⸗ 
niſſen, zur Sicherung der Preßfreiheit ꝛc. Aber das Publikum 
verhält ſich dabei mißtrauiſch und gleichgültig. — 

Das politiſche Wochenblatt und die Volkszeitung, ange 
flagt, den Deutichen Bund beleidigt zu haben, jind wie früher 
vom Stadtgericht, jo auch jebt vom Rammergericht freigeſpro— 
hen worden, und dieſes hat angenommen, der Bundestag ſtehe 
nicht mit Preußen auf gleicher Linie, man brauche mit jenem 
weniger zart zu verfahren. — 

In Paris treibt man großes Kinderfpiel mit der Adler: 
feder, die man zur Unterzeichnung des Friedens mit Diaman- 
ten ausgefhmüdt hat. it fie etwa von dem zahmen Adler, 
mit dem Bonaparte damals in Boulogne auftrat? — 

Der Minifterpräfident von Manteuffel hat wegen der 
Unterzeichnung des Friedens endlich jet den Schwarzen 
Adlerorden befommen. Tür die fchlechtefte Geſchäftsführung, 


1 


427 


in der größten Erniedrigung Preußens, die größte Belohnung ! 
Es ift darin ein rechter Hohn, eine Art Freude an der 
Schmach, eine freiwillige Wahnverblendung. Man lebt in 
Schmutz und Stank, und bildet ſich ein, fauber und elegant 
zu fein! — 

Gegen Abend kam Hermann Grimm. Er fagte, daß 
Bettina ihre Einbildung wegen Petöfi’d noch fortjege! Sie 
behauptet fogar, Kertbeny habe feinen eigenen Namen unter 
das Bild geſetzt, da der Name Petöfi's nicht genannt werden 
dDurfte!! Der Geweihte, der Einfichtige werde dadurch nicht 
getäufcht!! Mebrigend erweckt Bettina’d Zuftand Mitleiden, 
daneben aber auch Unmillen, denn ihre Verfehrtheiten treten 
nur fhärfer hervor, und Anmuth und Reiz verfchwinden. 
Grimm ging um 7' Uhr in den Thiergarten, er nannte died 
feinen Dienft, „fein auf Wache ziehen“. — 


Donnerstag, den 3. April 1856. 

Dem -„ Kaiferlihen* Adler im Pflanzengarten hat man 
die Feder ausgeriffen — arrachee —, mit der die Gefandten 
den Frieden unterzeichnet haben! Was foll das heigen? wie 
dumm! wie findiih! Wenn's noch der ruffifhe Adler 
gewefen wäre! aber auch dann welch elende Prahlerei! Wahr: 
haftig, dad ganze Poflenfpiel des Mannes erregt Efel und 
Abſcheu! — Und fie beugen fih vor dem —, fie hul- 
digen und fchmeichlen ihm, fie halten ihn für ihresgleichen, 
und für weit mehr! — 

Die englifche Zeitung Sun ift mit einem ſchwarzen Trauer: 
rand erſchienen, wegen des elenden Friedens, und der — Bo⸗ 

naparte hat in Paris das Blatt verboten! — 





428 


Freitag, den 4. April 1856. 

Ueber den Depefchenverrath in Potsdam hat das Au 
der Abgeordneten, da der Mitangefchuldigte Seiffart ein Mit 
glied deffelben ift, eine Kommilfion zur Bericdhterftattung 
angeordnet. Gerlach felber hat died verlangt. Aber, abrı 
— die Kommiffion wird nicht heraudbringen! 3 ift eim 
neue Gaukelei! — 

Auch eine Kommiffion wegen der Preßfreibeit ift eingejekt, 
und der Abgeordnete Mathis hat gründlich alle Gebrechen un 
Schliche aufgezählt, denen Die Preffe leider ausgeſetzt ift, und 
die von der Regierung und Polizei mwidergefeplich und will 
fürlich gebraucht werden. Der Miniſter des Innern Her 
von Weftphalen fpielt Dabei eine traurige dumme Rolle. — 

Ekelhafte Berichte aus Paris. Ein wahres Jungentreiben! 
Bonaparte in feinem findifchen Prunf wirklich nur Parvenu! 
Er gehört in den Jockeyklub unter feinesgleihen. 


Sonnabend, den 5. April 1856. 

Nachrichten aus Rußland; allezu ftraffen Bande lodern ſich 
allmählig, man fpricht fehr frei, die Preſſe breitet ihr Gebiet 
aus, der Berfehr wird erleichtert. Man beginnt nun erft recht 
zu fühlen, wie gewaltthätig, hart und geiſtlos der SKaifer 
Nikolai regierte. Die höheren Klaffen, die zugleich. die am 
meiften verderbten, gefinnungslofen jind, ftreben eifrig zur 
Berbindung mit Frankreich, fie finden gleich der englijchen 
Arijtofratie in dem — Staatöftreicher nicht? Abfchredendes! — 

Louis Bonaparte läßt dem Wipblatt Figaro, das eine 


Bittfhrift an den neuen Jefus in der Wiege gerichtet hatte 


um Grlaß einer Strafe, den amtlichen Befcheid ertheifen, fein 
Sohn habe dem Blatte verziehen! Die Gefchichten in Franf- 


429 


veich werden immer gejchmadlofer und lächerlicher. Der 
Abentheurer verräth fich mehr und mehr. | 
Hier waren heute in beiden Häufern des Landtags eifrige 
Debatten; in mehreren Punkten bat die Linke ihre Berbeffe- 
rungsvorfchläge Durchgebracht, in der Hauptfache ift ſie ftetd 
überftimmt worden. — Das Herrenhaus hat für feine Gerecht⸗ 
fame fih einige Oppofition erlaubt. Armfelige Schwaß- 
haftigkeit Stahl's, deffen Schwindel nicht mehr recht zieht. 


Sonntag, den 6. April 1856. 

Nachmittags fam Bettina von Arnim. Sie erzählte vom 
geftrigen Konzert des Sängers Stodhaufen, und war mit 
allem unzufrieden, mit Stodhaufen, deffen Stimme den Saal 
nicht fülle, mit. Frau von Bod, die heifer geworden jet, mit 
Liszt, deſſen ungarifche Rhapfodie in Tollheit ausarte. Dann 
that fie aber doch, als ſei fie Stockhauſen's Beſchützerin, müffe 
für ihn forgen zc. Vor dem Beginn der Muſik hatte fie ihm 
ihren Briefwechſel eines Kindes, den fie für ihn mitgebracht, 
überreichen laffen, was in ſolchem Augenblid nur ftörend fein 
fonnte. Hierauf ſprach fie wieder vom Goethedenkmal, von 
der Inſchrift, die dem Könige fehmeicheln foll, von den Aendes 
rungen, die fie noch immer vornimmt. Sie will jest nicht 
100,000 Thaler, jondern eine halbe Million zur Ausführung, 
der König joll den Banquier von. Magnus rufen laflen und 
ihn auffordern, die Summe zufammenzubringen ! Dann aber 
meint fie felbit, die Leute verfprechen oft viel, aber thun wenig 
oder gar nichts. Sie trägt ihre Einbildungen viel matter und 
fafelnder vor als fonft; Kraft und Anmuth machten fie früher 
doch erträglicher als jegt. Bettina ging. bei beginnender 

- Dämmerung allein fort. Sie fieht übel aus. 
Ich las einen Brief Dorothea Schlegel’d aus Köln, Per 
den Einzug des Kaiſers Napoleon und die herrliche Feier, ‚die 


430 


ächte Begeifterung der Kölner für ihn befchreibt. Damal 
hoffte Schlegel noch eine Anftellung dort, und war gan; de 
napartifh! Wenige Jahre ſpäter war er in Defterreihik 
Gegentheil. Diefe Art, Lob und Tadel, Roſenfarb ode 

| 





Schwarz, lediglich nach perfönlichen Ausfihten und Zweden 
zu vertheilen, war ihm und befonders feiner Frau von jean | 
eigen, und machte mir ſtets den fchlimmften Eindrud. Alt 
Wahrheit und Gerechtigkeit müffen Dabei zu Grunde gehen. 


Montag, den 7. April 1856. 

In Küftrin ift der Roſtin'ſche Prozeß gedrudt erfchienen, 
und die Schrift wird hier verfauft. Der Regierungspräfitent 
Peters in Minden erfiheint darin als eingeftändiger falſchet 
Ankläger. Man ift begierig zu fehen ob er in feinem Amt 
bleibt. — 

Der Prediger Krummader in Potsdam jubelt auf der 
Kanzel über den Frieden, und fchreibt dem Könige das volk 
Verdienst zu, durch fein Verhalten und feinen Einfluß die 
Heil bewirkt zu haben. Die Potsdamer find unwillig über 

» den Pfaffen und Höfling. 

In Potsdam werden die Soldaten zweimal wöchentlid 
Abends zu Betftunden fommandirt, und die Offiziere müffen 
fie dahin begleiten. Die Offiziere haben nichts dawider, das 
die Gemeinen zu ihrem Seelenheil angehalten werden, aber 
daß auch fie felbft hineingezogen werden, ift ihnen fehr ver: 
drießlich. — 

Das Herrenhaus hat den Zuſchlag zur Einfommenfteuer 
nur auf fürzere Friſt bewilligt, ald die Regierung wollte. 
Steuerverweigerung! und dad Beifpiel kommt vom Herten 5 
haufe! — | 

Perfonen, die felbft bedrängt und bedürftig find, wollen 
für Undre wohlthätige Hülfe ſchaffen, Anſtalten gründen, find 





431 


gefchäftig im Einfammeln und Betteln. Sie vergeffen, daß 
fie nächſtens für fich felber betteln müffen. Ein richtiger 
Wohlthätigkeitötrieb wird vor allem das eigne Einfommen 
ordnen oder mehren, und dann für Andre davon verwenden, 
was immer möglih. Andre herbeizuzwingen ift immer mit 
einem guten Stüd Eitelfeit oder frecher Zudringlichkeit ver- 
bunden. — 


— — — — — 


Dienstag, den 8. April 1856. 

Herr von Zedlitz-Neukirch kam mit dem Vorſatz hieher, 
die ihm zugedachte Polizeipräſidentenſtelle nicht anzunehmen. 
Er ſtellte dem Könige vor, Hinckeldey habe ihn kaum gekannt 
und deſſen Empfehlung ſei ihm um ſo mehr ein Räthſel, als 
er ſich keine der Eigenſchaften beimeſſen könne, durch die ſich 
Hinckeldey hervorgethan habe. „Das iſt mir grade ſehr lieb,“ 
verſetzte der König, „Hinckeldey war mir zu plebejiſch, zu vor- 
dringlich, er mifchte fich in alles, und beläftigte mich durch fein 
ganzed Weſen, ich wünfche fehr, daß fein Nachfolger mehr 
edelmünnifched Benehmen zeige.” Zedlis wollte noch aus- 
weichen, allein der König redete mit fchwungvollen Worten 
dringend auf ihn ein, verfiel zulegt in heftiged Weinen, und 
Zedlig, überrafcht und beftürmt, gab fich zuleßt gefangen. — 


Mittwod, ben 9. April 1856. 

In der franzöfifhen Akademie hat der Herzog von Broglie 
als Nachfolger Saint » Aulaire’8 feine Antrittörede gehalten, 
und da er von der Fronde zu fprechen hatte, den Kardinal 
- Mazarin fo bezeichnet, daß eine ungünftige Aehnlichkeit mit 
Louis Bonaparte ftark hervortrat. Die Franzofen haben fich 
gegen den Feldheren Napoleon Bonaparte noch immer aufresht 
erhalten, wie follten fie e8 nicht gegen den Pfeudoneffen! —- 


432 


Brief von Humboldt an ebay über vis, ‚Untbefeh des 
Tiſchrückens und des Plychogtaphen· 


* N 
— — — — — | nit 
| ut 


- | „ Döimeretag, ben 10. ul tage, . 

Die Times geben Auͤszůge aus der fühnen Sean N 
fardinifhen Staatsminifters Cypour, welche, den ‚jhärfit m 
Tadel. gegen. Oeſterreich, Neapel. und den ‚Kirchen yſſagte aus 
ſpricht. Bu teen epn 

‚Elende Verhandlungen im ben trenhanß „— Ho eenbere I im 
Abgeordnetenhaus, ‚wo der a bfurbe e gar ð EN ine Nebt 
die er, für ‚deren. eigentlichen. 3 ni * ien 0 onnie Pie, Ir 
ungeeigneter Stelle einfchiebt und ablieſt. . Gefegmaderei 
auf die „ regierungdbedürftige* Rheinprovinz gerichtet. Mit 
Hülfe der Rechten ſiegt das Miniſterium, doch erhalten einige 
Verbeſſerungsvorſchläge die Mehrheit. — 

Manifeſt, ‚des Kaifers bon, Pat DET —5 
Milde, Gerechtigkeit, halt aber —* Pal m: Def Sri 
nur für. den. Shup. de r RR nögenollen ;„uaÄerp om 
worden, nicht aus —— A A 9 — 
Volk eine ‚gute Taͤuſchung ſein; Cuxopa weiß yon den @ 
fprächen. mit. Lord Seymour, vom Tranfen. gnn A ie j 

Frau von Schiller'wird mir recht lieb und wert, wegen 
ihrer treuen Liebe und Anhänglichkeit für Goethe, dem 
unwandelbar ergeben bleibt, und ſtets alles zum Guten aus— 
legt, wie es bei ihm, unzweifelhaft immer geſchehen ſollte, 
grade bei ihm! ‚Sein. — Men —7— iß gewoͤhn⸗ 
9 ganz andern Sinne, ‚03 je ji n Tin: Arne 


! 
etwas mäteln, u von — bi 


Pr De 


alu ie 


a %* 


"433 


bin, deßwegen aber doch die feine in ihm als berechtigt aner- 
fenne, und fie nur in Betreff Anderer beftreite, nicht aber 
gegen ihn. Er hat zu allem ein Recht, was er fühlt und thut, 
er und Rahel, fonft weiß ich niemand! Wenn auch der ein- 
zelne Fall nicht immer aus fich felbft gerechtfertigt erſcheint, 
fo erfheint er ed doch im Zufammenhang mit allem andern, 
im Allgemeinen. 

Schwäche der eigentlichen Kreuzzeitungsparthei, die nicht 
dreißig fichre Mitglieder im Abgeordnetenhaufe zählt; fie zer: 
fällt in Uneinigkeit, in Mißtrauen. Aber ihre Häupter willen, 
daß fie in vielen Beziehungen dod auf den König rechnen 
fönnen, und daß nach Umständen wieder die ganze Ariftofratie 
ih ihnen anſchließt. Sie fegen ihr verderblichee Treiben 
fort. — | . 


Freitag, den 11. April 1856. 

In dem Roſtin'ſchen Prozeß ift das PVerbrechen des 
Regierungspräfidenten Peterd doch nur ganz flüchtig erwähnt, 
und fein Nachdrud darauf gelegt, und man will wien, daß 
höhere Befehle ergangen find, die Sache nicht weiter aufzu— 
regen. Ohne dieſes Aergernig aber, meint man, würde er 
gewiß Polizeipräfident geworden fein, diefen Rachtheil habe 
er! — 


— — a — * 


Sonnabend, ben 12. April 1866. 
Im Abgeordnetenhaufe ift heute das Gemeindegeſetz für 
die Rheinlande, welches Stadt und Rand trennt, und die 
Dehördenwirthfchaft fchlimmer al® unter der einftigen Prä- 
feftenherrfchaft wieder einführt, ungeachtet alles Widerftrebens 
der rheinischen Abgeordneten und der ganzen Linfen, mit 


großer Stimmenmehrheit angenommen worden. Die Rechte, 
Varnhagen von Enfe, Tagebüder. XII. 28 


134 


welche ſonſt für die Brovingialſtande ſchwaͤrmt, wollte dieenul 
nichts davon hören, daß erft der rheiniſche Lunttag betlionſ 
würde. Gerlach verfiel in Schwäche Amd Au; gie 
in Abfurdität und Lächerlichkeit. | F J 

Bildniß von Heine, in Unn iſen jejeichttet von 
Stahl radirt von Mandel. —— "I ah —T dr 
nähernd gut. 





. R Ho are BRWE 2 
ä LEE 
4 au a1. Fe > Pan 

Sonntag, ben, 18. April, 1886,47 

In Wien Berfammmlung. der. ößterrädjifchen Biſchoͤfe, in 
Preußen proteftantifche Synpden. Schiwarzrode hier, Sharp 
röde dort! Biel wird's nich, aber ‚immer widaig und ſchaͤd⸗ 
lich genug! — en 2200 er bepilaffe rss men 

a ER BEAT AA N Tr en 
ati net on em 
Montag, ben 14. Aprif 1856. 

Am Rhein werden Petitionen in Menge veranftaltet, fie 
follen den König bewegen‘, dem neuen rheiniſchen ne 
geſetz feine Zuftimmung zu verſagen. ern er Died t thuten 
kann er auf's neue ain Rhein dam t Helteht werden, — — 
ein augenblickliches allgemeines Zijauchzen —— 
Kreuzzeitungsleute arbeiten natürlich ſtark 'entgegenit es — 
ihre Partheiſache; der Regierung als ſolcher fan weil, an” 
dem Gefeß gelegen fein, fie hat dreißig Jahte mit‘ dem bi, 
herigen Geſetz recht gut audfommen tönnen. 

Es ift einige Ausficht vorhanden, daß der: Genetal ao N 
von Willifen Kriegsminiſter werden könnte. DE ware cite, — 
Hauptniederlage der Gerlach'ſchen Parthei. "rn 7 

In der hannöverſchen zweiten Kammer act 
bedeutende Oppofition geltend, an deren Spitze die fröbein 
Miniſter von Münchhauſen, Braun, Windthorſt und mehrere” 


u... 
Dr 5 


435 


an gefehene Ya N} örönste, ri Dppermann, Breufing, Wider, von. 
dei ei: en Sie baben, die Mehrheit. :—: 

In Kaffe tft der Gründer des dortigen Freubundes, der. 
— — Taſſjus, wegen Unterflagung von Vormund⸗ 
Ihaftögel ern und. Erpreffung, von Gebühren, orfänglic ein: 
gezogen und vor dei Schwurgericht angeklagt worden, - 

Die Bolfözeitung foll in ihren Artikeln über Sindeldey 
zwifchen den verfchiedenen Klaffen der Staatsbürger Haß 
erregt haben, und deghalb verurtheilt werden! — 

Ir Hannover iſt der Obbtgerichts⸗ Aſſeſſor Planck von dem 
gaben Seutte des Oberderichts zu Mitch‘ ſreigeſprochen wor⸗ 
den jnſo hoie ſeine Genoſſtaͤ.“ Groöße Freiibe dehftillz.·. 

ADie Nationatzritungivom Bo. Frbluar ulid vönn 12: März, 
von der Polizei weggenommen und angeklagt, iſt heute frei- 
gegeben worden, dad Gericht fand die Anklage nicht gerecht: 
fertigt. Nach 45 und 32 Tagen! 


. , R „v 94 
Ma DE Bee Be ———— —— 


3 * un , F , 
„|. MERIDIEN. 1. Ian N id 1 ri}, 


a ehlleieb rn Bitmeiag, ben, 16. —* 1856. | 
"Hillemein 8 Houyenirg, confemporaing, 2,Bände ‚; dad 
Me ilte befteht ı in einer Art Memoiren Rarbonnee 6, aus feinen 
orühhellunge gejchöpft. „Di NM Mit Geiſt und Feinheit geſchrieben, 
aber t in, ein 7 et, ‚Müttelge Jen die in allen Repolptignen 
jo ei EA : wird, d98 Uymöglice will, und. 
das, It v HER aut, neller und; gewaltfamer., herbeigieht. 
Aber Herfommen, Grmüshögrt, und, Stellung, machen auch 
— zn Laufbahnen ‚unvermeidlich, und. die von Narbonne 
iſt —* ‚genug, um duxch Di Greignifie auch: dieſen 
—— einmal zu begieiten en 
A richt yon einer, —— aͤleiſ⸗ Rehow ſoll 
an Haken’? tele ‚fommen., ‚Sieg der Kreuzzeitungs⸗ 
part —* enigften®. ſcheinbaf. Aber. ‚zugleich fol Nörner an 
Nie uhr’s Stelle. fommen! Römer!! Nörner!!! Warum 
28° 





436 

nicht Stieber? warum nicht Joel Jacoby? 1-80 blaut de 
Sittenſtrenge, die Chrenhaftigkeit, die Gröntinigkeit, Merken 
fich fo gern rühmt! '— In Berlin‘ wäß jebetmat? wirt 
bei dem Ramen Nörner wi denen Hat. "Die Weienet L) 
Nörner!! — u Se En 1 En EEE a BE Er νν. 

Der Generalmajor von Shöler, Borftand Der Abt 
der 'perfönlichen Süden - im Kriegemitigtertum‘; ‚hab fich mit 
dem Kriegsminiſter gegantt‘, dieſet ihn blẽnt ·Konige verla 
Der König hat dem Kritgamtriifter Hecht 'gegenen;,- und'al 
Schöler fortfuht zu widerſprechen Pfeſenn dert Reh uge 
wendet; er foll entfernt werden Ahern it muß doch der 
Kriegsminifter auch fort?! —: Det Feldmarfchal Gin 
Dohna wußte geſtern nocdh’nicte' vön Vleſer Ktiſis Land⸗ 
tagsmitglieder und Banquiers wuhhlen dabon. utlsbuıc J 


b re 
m ET TE !n 
oberen glltwoch⸗ Herr. April 18061 
Seute iſt Buß⸗ und eig &ihe widerwattigt Aliſtall! 
Das Stillſtehen der bürgerlichen Bewerben’ diſs lar gweiſize 
Geläut! Die gebotene, gleißneriſche Andacht;“bie ſich mt 
dem Tag abfindet! — 
Ich las in Villemain. Der zweite Theil behandelt die 
hundert Tage Napoleon s etwas ſchwerfällig, und ſebt 
ungenau, trotz der ſcheinhaten Nachweiſung von Quellen! | 
Bei ihm beftcht die hellitge Allialz ſabn BIER olck nicht 
als Königreich, fonderntfe Gi oßhekzog thum: Were /vis 
der Kaiſer Alexander ſich bis an die Ober alnsdehren;nel i 
Metternich nach Talleyrand's Belieben ſchwahen Zi | 
leßtern zurechtgemachte Angaben als richtitze, utz wichet 
ein unzuverläſſiges Buch! 2 br ta pn 
Der General don‘ Schoͤler! hat bereild⸗eĩnen dreitiena· 
lichen Urlaub erhalten. Das beweiſt! Aber Antihts: Fre: 


Folge, wie wir an Riebuhr geſeheil haͤtenn7 iwrdedeß Kyle 







487 


ri 


Ausſcheiden aft_no,gor, nicht gewiß. . Seine Erfegung durch 
Noxner At wielleicht ſchon zügängig ‚geworden durch den 
Schrei, des, Unſpillens „der pon allen Seiten wiederhallte und 
doch ara Die zum Könige gedrungen fein muß. „Will er den 
Glanz der Krone mit dem Straßentoth zudecken * wurde unter 
andern gefagt, ip 

te Es iſt Igang benoch, daß Nörner bereits im vollen 
Beſttz, des Koniglichen Bertrauens-äft, und-fchon-feit einiger 
Zeit danſelhen Vortgag bei ihm über Berfonalfagen, ben jonft 
Hinstelöen.gatte, tegelmäßig hält. . — 

Hiuchldey hatte für die. Ronftaher Erommeln gewollt, 
‚um jedem, Militgis.mehrzgleich zu. ftellen, aber man wußte 
nicht, aus;mehhen. Fond. man die Koften anweiſen follte. m 
rief Hindelden einen. Bolizeiheamten ‚und - fagte ihm: 

haben Sie 90 Thaler, die ich ihnen ald Gratififation ee 
aber fie müffen dafür die Trommeln anfchaffen!“ Und fo 
geichrh's I; ſtinvffenbacer SPetrug, ein ſchändlicher Mißbrauch 
eh Neamten.dex/ſich sinn Gratififatien angerechnet ſieht, Die 
un Bihtheformmenngi! Dergleichen Durchſtechereien und Unter- 
chleife hohlen a Hunderten porgelommen fein. — Ä 


Jane Fa En | 
a nl 
IT PT ul td " Donnerstag, ben, 17. April 1856. 
ig Rashpnittage: u ‚meinen ‚Autographen - gearbeitet, Das 
ngeue Buch von ‚Dr. Haym „Wilhelm von Humboldt“ durch 
‚arfehen ; ‚ich. Ignn. ‚mit, fagen,: daB: das Bild ein wohl: 
getroffenes ſei, qus ihm würd' ich niemals erraihen, wie der 
Mann pirklich geweſen; auch ‚hat der Autor ihn nicht perſön— 
fich gekannt, und nicht die ausreichenden Hülfsmittel gehabt. 
Sonſt iſt das, Wegk:werdienftlich genug, Fleiß und Scharfſinn 
habem bei der Arbeit nicht gemangelt, und das Schleſier'ſche 
Buch iſt weit übertroffen. — 





Der Baligeipräfident. von Zedlitz, fande Dem, iherüdgtiugien 
Techen noch in Poliztihaft, und wollte Deufelben, :des Kr 
nung gemäß, dem Garicht ühergehen. Schon Haste vr.dg 
Staatsanwalt darüber, Mitheilugg, ; gemacht, ah aus den 
Königlichen Kabinet der Befehl einging, bie Sache, gu.uuie: 
laſſen, und die Polizeihaft fortzuſetzen — Techen iſt 75 Jahr 
alt und fo frank, daß er in's Krankenhaus gebracht ‚werden 
mußte, und. gar, nicht verhoört werden Fays | m 1: -eı 

Bei dam. Haym'ſchen Bush ‚aber Wilhelm wen: Humbelht 
wird mir ganz. weh; quih wenn edit, dhaktächlicge Natich 
tigleiten find, die mich verlegen, ſo ak es dad no der Aus 


druck, die Wendung, welche. faſt immyr perrathen, Da An mit 


aus der. lehendigen Quelle ‚geihöpft:finp.. ſonderm, aue ſer⸗ 
ſchender, grübelnder Uebexlieferung, und feitfiehrmber: wprgefar 
ter Meinung; e8.befommt,;alleg eine yurichtige- Faͤrbung⸗ mm 
findet ſich in. beengter Luft, man fühlt fih umgeben yan.haik 
maskirten Perſonen, die man wohl bald erkennt, die aber dod 
nicht ihr wahres, ihr ganzes Geficht zeigen. Ich will den 
Auter dazum nicht zu hart-beichuldigen, er.hat Mühe genug 
angewandt, die ihm fremde. Welt aufsufaften!.. Nur Das, dsunte 
man von ihm verkangen, daß er öfter feine frhinierige Aufgak 
‚beffer erfannt, die Miplichkeit-,feineg ‚Borhabens "gefühl, und 
onen eingeftanden Mh Ru PERee FU LACHEN TEIFTR KETTE LS TE Be > DEI? 
Hat ta PIE Br eyhnltri" 

on nn ngpanstleler 
roten 


ee Sannabenh, pen 19, April 1A86. 2. 
Soyhiens Reiſ⸗ von Memel nad Sachſen P.lechs Henn 
vom Antiquar, mit einem Titellupfer und ſechs Vignetten vn 
Chodowiecki, die andern fünf Kupfer — ju jedem, Band eine 


— hatte ich fchon.  Seltfamer; Gindrud dieſes einſt mc 


gelefenen, jest ganz veralteten Buches! Zeptnur noch sine 
Merkwürdigkeit.. 40 zer 


ana ren 


i 





‚439 

15 Villemain's erſtem Theil S. M'f, eine treffliche Schil- 
veräng“Tallepiand'e | in-den feinften Zügen, wo dem fchönften 
Lobe ſo viel Tadel beigegeben iſt, als jedem Leſer belieben 
mag. Beſonders iſt ſein Verhalten gegen feinen Fteund 
Narbonne, den ’er in. beſchraͤnkter Lage hinleben ließ, ohne 
‚je: für ihn etwas u thuu, ‚ohne ihn m befördern, ſehr an- 
minhig erzählt. - 

General von Arnd Kim mild, dem Theater, und blieb bis 
nach 11 Uhr. Er war ſehr aufgeweckt und liebenswürdig, 
nter hallend nnd belehrend, ſcherzhaft und ernſt. 
1° Der Polizeipraͤfident von Zedlitz hat die Trommeln der 
Kouſtablerꝰ als unnütz abgeſchafft, und ſie verkaufen laſſen. 
Dabei kam "die Geſchichte, die ich unter dem 16. angemerkt 
Bade ' zur’ Spräche;, und es fragt fih nun, ob derjenige, ber 
ſich den Schein der: Brättfitatten bat gefatten laſen, d das Geld 
belemmnen u Bus N E | 
DANN MN. oa 
NO Ba Ss Bu BEE TE Eee DE zu ‚Sonntag, ‚pen 20. April 1856. 

‚Gegen Abend kam Frau Bettina von Arnim. Sie klagt 
—— und’ Mangel an Eßluſt. Dann fpricht fie in 
Ver allbn Weiſe / dom Goeklhebenkmal, am-ven fie fortwährend 
ändert; die Waſſerkünſte dabei läßt ſie durch Glasfäden ver⸗ 
imiſchen, — es wird eine förmlich Spielerei! Die alten 
Einbildungen: der König will das Denkmal ſehen, oder ſoll 
es ſehen, und bei ihr; er joll die Geſtalt Goethe's übernehmen, 
das, Aübre "dem Banquiet von Magnus auftragen durch 
Unterjelchnungen ‚Ju beſorgen; Wenn dei König ihn rufen 
läßt und ihm’den Wunſch dusdrüdt, diefen Theil zu über- 
fiehihen, wlid Magnus ſich ſehr geſchmeichelt fühlen, und 
gewiß alles thun. Zunãchſt folk. darüber an Humboldt ges 
ſchrieben werden. Seltfame Perfonen, von denen fie uns 
erzählt, von einem Herrn von Hagedorn aus Deffau, Herrn 


Per Perg .. oo. — 
len. Ion R 4 A a x 
* >. * x 


440 


De Schaafhauſen aut! Bonn.’ :Sieıwil iyahig atinin Tprecen, 
nur ihre Sachen erzählen, Teint Sie hoc Zwiſchenredeſde 
den; es verdrießt fie, wenn man-nad den Töchtern fragt, 
wenn man die Perfonen, von denen fie fpricht, auch fennt, 
wenn mar wuds geſehen hait was fie rühmt, 3. B. heute hie 
Glulbſpinnerei. te war WRÜNgEN Ufer; undu rits die 
Muſik Bebthoben's, döch Fumeſt weil i Br eehoveril war, 
"Ben Sie; Tore ſie? ſich ſchmolchelti⸗ re hatuon Im Guontin 
Bere! eineilb detebenden Ginbruckz ullar liebliche ſScheu⸗ 
len Fer, 2Reiantheit Iimid "After eigenen ſich aavechatn 
Betkiſiaꝰ/delkre fein” und TgihalT ich ren Au, aber ar 
vis RT Hain ber: Nahe; fie will? nicht dah wan 
dſierbeglite; fie wille nacht Zoch man ſehe! wie Jangfam Fir bie 
Treppe hinabgeht. — Traurigu qeheltraucig ir Slezu ver⸗ 
et wilrdeomich hoch fehr ſchmerzen ee ſehen, if 
horn Ber! Bedtih dd Verlibrens. "items? u Irasien 
DE Polielpräſſdenti Bo edlen heit ce 
»Naſtige Aufficht· der sPottgeigkeifnten auf'iden Bayırtöfenifeht 
gemilvertleia Mire meiſteißc Ankomenden und Abrbiſenden wbt⸗ 
enkauini nbchif Berk el Die! Konſtäbler werden imeht 
bürgerlich eingerichtet, Hinckeldey hatte fiergumg: milntichq 
ee he Fehr - unnierung koſtherro MuſttAdirde wird 
tigehen Ist Ts nisrd Gas Tomaishiirsung Soramı drin 
EIG ee" re Mer wenig Bertcaum 
SE Warte hät ne Wihltwillengeget den Sonſtablee Wer 
rule, und vekſelberiſonvin Werkin entſernt werben: 1° 
bun Be Ani neuen Befkinkikinngiöfpenden 
tiuin Earth ee hieſige Bringen, 
DT Me dem voniaris: zaru tele 
AR terpttfidettienꝰ von Mintteuffetiniegenitfeiner Vheilachue 
amſFriebensgeſchaft eitten fletlichenEinpfanng bewileno et 
TRAG fuht Aoheichetlufwls order ee 
in Shhlingetz Hehe fehblaniahend/ ER Nio deun voalden iin 





441 
wüßten?: ibm: allein Bommezgö zu, zu benpibeilen, was Man⸗ 


leuffel giihan re habe, +: 

ET TE nt rau 
u FOR ren ZI BE HE BEE | 
CUT BEN De) Ban , „Dienstag; ven ae. April 1856, 


,;4 »Befuch ;pom Oberſtlieutenant von. Binde.  Gröffnungen 
In Betapfl. feines Schmiegeſwaterg, des Großlanzlers von 
DHeyme, deſſen edles Andenken nicht nur aus dem Dunfel der 
Betgeſſenheit; ſandern uch: aus-. ungerechten ſchmähenden 
KExrwaͤhnungen gerettet werden / ſoſll. Bincke's Schwager, der 
ahemalige Landrath von Gerlad; Barfow, hat wenige Papiere 
nad Beyme's Nachlaß, aber: mehrere find zu erlangen. Die 
Haupisrbeit zu übernehmen, lehn ich zwar ah, erlläre mich 
aber betet zu Math und Hũlfe. 
it. ner Miniſſerpräſident erfthien. ‚heute von; Paris heim— 
gekehrt im Abgeordnetenhaus. alle Mitglieder. erhoben ſich, 
mit Ausnahmẽ der Binkeni; Die fügen blieb, und des Aögeord- 
meton Rene; derr in seinen Mode unbefümmert-fortfuhr. Die 
:Machieihemehrelle eine Ehrerbietung, die den entichiedenften Haß 
vanenbengert helle, "bach wird ‚niemand, vu fie getäufcht,, auch 
Ramteuffel niht, — .ı %. 
ers Habliche: ta tholiſche iegeahen· die tatholiſche Parthei 
wird immer zuverſichtlicher und dreifter, und wird ed, wenn 
nauch wicht zum Kehligblichen - Siege, doch noch zu manchen 
widrigen Kämpfen: bringen. :: Ultpreußiihe Männer fagen, 
der Könige habe dem Staate Preußen unheilbare Wunden 
dadurch geichlagen ; daß ‚ex die, weiſen Beichränfungen rüd- 
ſichtslos aufgegeben, die das Geſetz gegen die katholiſche Geiſt⸗ 
lichfeit angeordnet hatte, daß et die Oberherrfchaft des Pabſtes 
An Preußen anerlannt und ſogar den Jeſuiten Thür und Thor 
s. geöffnet hat, Es ſei und ein. Gift eingeimpft, fagen fie, das 
uns laugſam vergehren. wird, wenn nicht Greigniffe ihm ent- 
gegenwirken; auf weiſe Regierung will man nicht mehr rechnen. 


442 


"Die Regierung Friedrich Wilhelms des Bierten wird weit üke 
ihre eigentliche! Dauer /hinatlowirlen Jod ſpãt · wirb man 
‚gegen die Uebel, iwelche inter‘ iht und butch fie eingebrochen 
zu ringen haben. Autpteußen find: es, die fo reden. — ⸗ 
Der Rönin hat enndlich märhgegebkii‘, per’ Ungnade kim 
Kammergoricht als Hülfahrbettet- verfehte‘-chemalige "Anter- 
| Jaduingerichter Sg löfte= vem · Stadtgericht iſt nun Homme 
gerithtsvath geworben; 5 2:5 ini ag ET 
In den heute Gier atifefönithenen enden Then if ein 

fucdhtbarer Artilel gegen ven König oh Pteußen! Er win 
ats ein ſchwindelnder, ideenlofer, uͤnzuverlaſſiget; bald wild 
aufbrauſendet baldifeige fich duckeider, Yorfähufiger," Hafbiofler 
Menſch bezeichnet Die beabſichtigte Verbĩndung einer eng: 
tiſchen Bringeffin mil dent Sohnie des Pringen : won Preupen 
wird getabelt) widerchthenree Man / weiffagt beit Stönige neues 
Unglück, Berluſt ˖der Krone, Zertrummerang ded mißregierten 
| Staatea⸗ Botachtung und Glende Abi ar ae Ti 

: Der MPolizelhauptinann Mor hat Me Aufficht über dee 
Drofihten) Ale ch hm taͤtlich in Den Frahſtunden vorzeigen 
mußten, ohe fie ai nihtti Halteplatzee fahren vurften. Diet 
höchſt laͤſtige Schau’ Hat: er-Prafident' von Jeblitz iabgeſchaff 
Nun ift iaber Afchoffl beſorvers ˖ ſtreng in Prüfung der (arm 
Drofchkendienft vorgeftellten Pferde. Einem Zuhrmank rwurde 
das »feinige Wig/ ntauglich nie steh gu tũckhewitfen; a 
wanhte ſich, im Gefühl daß ihin Ufirechtigefchehen An a Zedku 
Dieſer trug / dom / Dbekft Pate eine neue Prufung des igethei 
nuft ſdibfer veſtãtigtelediglich Die’ Behauprune Aſchoff Di 
jeboch eraln godligguplaglich it der engen? acicif,erſelbft 
hahrnmid ſReiner Fran wind Spazitetfahet von Ciner Stunke in 
der Droſchle geniacht, Die mit jenem/ Rferde beipäumt geweſen 
ündrdafjelbe ganz tauglich! gefündent ei Gi 2.2 Wen 
GCGGGG Fue 5 Ws: E Bar TREE EEK SIERT Gr u. . 2 


ee, . on, 20, » 8 
J za 41 ‘ N A 4i D \ 9,0 ⸗ 1.7. q .. I RU Du; 








448 


— A Miſtwoch, den 23. Apzil 1866. 
PR Im. Sonir da Tages, fr ich in dem Warke /des ehemaligen 
Dlgrpräfidenten von Maliewik. Die Ausmarkı Bramderfurg 
von 1806 7 I80B. 4 Die Ehikaerung der Srpugefenatit ıim 
‚Biel Amsfͤhrlichleit gerfspte mie / in meine Sugenbinge; und 
it, hoͤchſtex Spannung, Wehmuthiumd Trauem ließ ich ieſe 
Unptüdderinnerungan: durch meine Serle ziehen: : Ach: Bönmte 
noch mandye Züge beibringen, Die in dem ſorgſam zuſammen⸗ 
‚getengenen: Burhe fehlen; üher: Beyme,ı Lombagd, - Stein, 
“Hardenberg, Hapfeldt, ac... . Die -Depmtation. dar Rurman,ıDie 
Ari Napoleon auf keinen, Durchreiſe 480% in Dyesden wm Gr, 
Apichterung bat, iſt mir noch ſehr arinnerlich; uUmmitteſbar Nach 
ihrer. Rüdlkepr ſah und ſprach / ich Herxn von MWülfnig,: das 
‚Mitglied derfelben, ‚welches dad Wort geführt hattasıtabıdiefen 
Mmaxliſche Edelmann den Kajlan-gebeten: hatir die: auf, Hebex 
‚ganz pon Preußen weggunehmen und zu Weſtphaltn. zu ſchla— 
gen, iſt von Baſſewitz nicht ewpaͤhnt / werdan,abet Thatfachd 
Bir waren ale Reimer,Sochheiermocher. GCichhocn, Staats- 
xath Schulen. äh: und erh Madre hieizar Wuth« datuber 
empört! Diele, Namen, bei Baſſewitz ſind, unxichtig geisfrier 
ben, *B. Die der Audilenre / des lStantatoths Moudetot Safe 
auch ſogar detſche, be 3. Schalenburg⸗ Rähmert 1 anftatt 
Kehyert. eg Po lloptu hin :atchnn 
n Beim, Weilsslejen, im "Berke pam Baffetoißpifinde Ah 
Th II. G. 135 folgende. den Her, pon: Wültnip -batveffende 
Anmerkung ; „Ad dam, Comite der Bırmarkifchan: Stäntte 
frat der ‚Rampmerhast, von Wuͤltnitz; gleich ach. geſchloſſenem 
Landtage wegen Pripatvexhaͤltniſſen aus / und murde von der 
Landtagedeputation mit, Pant, für feine gewandten Leiſtungen 
auch. entlafen. ; Er Hand. FonibıdenFrangöhrfsh een 
oberften Bebörden Imaerlin. fahren oda Auch 
wurde von ihm behauptet, daß er fein Intereife 
für die preußifhe Königsfamilie gehabt habe.” — 


Add 


Pl een ‚hr Ahmnertsipn.i hen MESSE... 
v1; Nachmittags Befuch vom Epifenist.n Malen Eh 
Behorderaug, zum Kamnrengerichtsraabt, Pllehen Das: Dergehr 
der Verhreitang einen amierlänbken Deucſchrift; enerlaubt ik 
ahgeſehen/ von allem Fnhalt.jpde Peicdex die Angabe de 
Dyutherei vehlt. lie habs ich ein / Dengehen dadurch begengen, 
daß sich. Die Schrift üher dran / Depeſthendrebſtahle det: Grafen 
von * mitgethellt:s:diefen. daſſelbe Vergehen Weil er ſie einem 
Better zugefhidt! Das heipt Verbreitung! ft das nid 
unjinnig und kindiſch? Hiernach müßten Taufende von Per: 
fonenyr unbe 'gwar ides höchſten· Ranges und ded würdigften 
Karalters; wegen ;jemeriuuny Sicherispt nu Verlin gerichtlich 
beſtraft merden! Naterlich/ wied das Gaſetz als vicht / vorhau⸗ 
ſden betrachte, ind. hchſtens Enmal in einem⸗beſandern· Fall 
angewendet/ wo der Hakund Die: Bocmilligkeit: es fonbefn tb: 
Der Arzt Dr. Haſſeb chahminngFichriftchenmherausgegeben, 
„Dieicktan Stunden Sindeldan'd At: Der Ran at ṽᷣ eitel 
Andi bachot lichypen amenẽ und ſo vſn croch ein Bortrogen / Der 
König har bei: der Nachrichtu AiesHaſſel unnd Münchhauſen wer 
fom lich ihan vonrſ Hinckeldey s End üherhracht, gzqammen/ind 
‚agwetät satin Freund inte Matigeber fer ihm xFtriſſen, ot: ade 
Sn jcdesmal igefreut ⸗wenn er nanäben: geſchenes Feigen 
als habe ior / einen Vruder perlaren wı Dies kebtere' Meubermag 
please Du hi, 1 es 
to re Raubmordrin/der Beröbameriiiahe, ann Hauſe 
eu Dundlenss— spielt di mar Tasig nt 
sralen Bun? mn nn.r 
AT main kl nieht um den 5 
| Freitag, den 25. April 184915 
— Die genumges alle: birgen: eine Vorneinuyg det Gerüchte, 
dab Nornir als 1Geheimẽr Mahinetärhtty arrge ſtellt, werden foll 
Damit ging te he: just Der Boltzeapräftdtdsnew Jedlitz umihte 
dern Köhige Kon dem» Berücht: Anzeigee, und. bemerkte dabei, 


445 


daffefte‘ mine den üneften"Etrdrud, da Nörner ein übel- 
berüchtigter. Menfch-feii1 Der Konig ſJagte! dc denkeinicht 
daran, - ih in's Ralaet;dursaregmen.?” 7: Zeblüg: meinte, 
da ſeines wohl zwecutaßig, dem Gerüchte entſchieden zu wider⸗ 
Iptehens: „Thun Sie ks!“ ſagte ber Ktönigl Stieber mußle 
De: Ungelge den⸗Keitungen zufertigenli. Aufangs! hatte Zedlitz 
den Artikel mit ſeinem⸗Ramen unterzeichnen! wollew; unterließ 
8: aber, weil dies gar zu flindlich⸗ auge fee huttn vr 
PEN Pe ——— Zu nesmik Jod un in hip 79.7 
5 n2 22 PURDET, Kerkoin met REN Cr 
villa. 67 2 eur Smiadhend, ‚dan ——— "| 
.. Ppolizeiſchikunen gegein Rupp's Sonmtagshlatt in: Königb⸗ 
bergy wahre Dacke md Geſetzverdaehumg. — in Magteburg 
:Dagegansbat'das: Bericht das. Sonntagsblatt Ahlichis;, das faſt 
ein Jahr nicht: erſchainen durfte Freigefprochen.: Abend’ wird 
doch nicht erſchrinen iduͤrcfen, ſagt mai od Ti oc 
Der: Domdechant Ritter in’ Bheölaw: zieht die tbeiden pro⸗ 
rteſtantiſchen Streiter Vunſen und: Stahl vor⸗ ſein latholiſches 
Gericht durch ein Bucht dus: den⸗Ritkh, führt 4 Die ‚beiden 
Diodkuren⸗ dor proteſtanbiſchen KiechehinDeutichkank::. Dt. 
Banſen und Dr) Stahl.” Hirn fitfäclidg wird ‚aber iBunſen 
mißhandelt,in eineo / Sprache, dieudes geimneinſten⸗Pfaffen | 
würdig!ſt⸗iwurdig der Pobelhaften theologiſchon⸗d Etreis⸗ 
ſchriften früherer Zeiten, wo Jeſuitenn und Rapuziner 
he Ichmutziges / Haubwell trieben: „Die: heutige Ephuer'ſche 
Zeitung giebt Proben und Auszüge Denen: ad Gemeinheit 
nichts gleich fommt, was-Proteftanten heutiges Tages gefchrie: 
ben haben. Nichtewürdiges, hämifches, erzdummes Ge⸗ 
trätſch! — Ei 12 per 
1 Den Konigumd dieSkönigin, find) nach Dpeäbenigerei. — 
"5, Däß Der Ftiede / geſchlofſen iſt, dann märzfürıdewi Mugen: 
ii; fehr diebuſein⸗zaber Ui jene Einzelheiten Tau ich 
mich wuchrlich nicht befämametn ti. Alles was jeßt gefchiehtuhnt 





446° 


nur den Werth eines ‚Bebetganges, ,. einer Forderung | in "Ye 
Zukunft ‚ man' muf ein armer! Teufel fein, ein gemeinet Yor: 
liebnehmer vder Bortfeilfthet, un fh bei biefen Unlerwegi⸗ 


Elendigfetten aufzußlten, wohl gar ſich ðehaglie ‚in ihnen. zu 


fuͤhlen.!Mle itallrigen Stägstäbkt" bed. hen üfigen Guropı 
werben ihre Friedei omuße ſofoti aAftig dazu enupen, ſowell 
nee’ NHöhfe gegen einander" fu wachen⸗ — ats, ‘and ‚befohibers 


div Völker noch mehr 'ziı hedrüdten, die Sreipet zu geritören.. 


Schon hat Louis Vonaharte, der , — Angriffe 
gegen Belgiens Preßfreiheit fallen laffen , wobei er diefe wohl 
auch meint, mehr aber noch die engliſche. Hiezu werden die 
Machthaber ſih gern. ‚Nereinigen,, und: darin ‚and ‚einig 
bleiben til I 


Manteuffel "ft vol pien in en, ein bei keiten 


Bewunderer Louis ‚Bönapatte's , et vie "Wehen, 


wirdihfeit, Ernſt, Scharfſinn, defien Beruf. zum Pr 
als jet et zum Thron und auf dent, Thton geboten ‚Der. 


„N: 


Schwädling hat fih von dem m! imponie ei {a a Mi 


ift gang "in der Ordnung. Et: {mpontike,, nicht Bloß den 


Lumpen; ſondern auch wacetu Leuten, der nifer Mitokaus! u 


Wer ſpricht jder ache vonwi g' And ven enn ‚Dieter Bouis | 
Bonäpätte einſt fütkt; wie wet en ie SH mögen hervor | 


ſprütelnen | Riemaiib nl ke! it Haben wpllen! — 


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Auer er TEE hr, ITR Tee use Neontag den Iag: — 


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Der Romaͤn Sophiens Bee ihn M an —* de . 


hatte füt feine‘ Zeit heisig‘ viel, Berbien üches ; et, 
Geſchicklichkeit "und Cinfihf aßge ab, mi ae 
Zeithenoſſen nicht? fondern belehrt fie, Ke'an, treibt 


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vorwärts, Die Im über den 3 weitampf 4 ‚über. den 


thuiit ſind cuch heute ko Mae we —* — 525— De 


erſten Bade fagt’ ga —26 Kim‘ en Fr, 1 schöte kein Yun 


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447 


Reichthum nicht, was von Proudhon’&.la, propriefe: e,eat la, 
vol nicht‘ weit abtiegt,, ‚Son, ft der. Untepjieb. ‚her Sitten 
und der Denhingdart von. dgmalg. und, jetzt ‚amgeheuer, groB, : 
Aber auch für. die, Spia giebt ed mancherlei bier anzur 
metfen.. . & fommen Yusprüge, ‚vor, wien Korjnthenbali — 
ein ‚geringer, bei ‚Heinen Leufen, — wiß ⸗ Kilellalel“, die ich 

wohl gehört, Aber nie gedruckt ‚gefeben., (v Kitelkatel! ‚da wird 

was werden!“ pflegte Frau ı von Heygen dorf „zu fagen. Fr Ben: 

fie — ihun wollte, was man, nicht, thunlich exgchtete) mr. 


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ELED —* m ug teen J sh, it Bundy 
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* 351 Km orhlin 
° „ori. Ban 
J Diengigg den 29. pri 18A64. „irn 


eben die —— von Paris, Bauwerke und 
andre große Unternehmungen Louis Bonaparte s. Gyaſtifür 
Paris und Frankreich kaum mehr, alz was Hinckeldey für - 
Berlin und, Preußen war, nur etwa io, viel mehn, doß R 10707 
wohl. ihn einen Hinckeldey , aber, 206 nigt Hingeldey einen, , 
Louis Bonäparten nennen darf.“ — hl atir 

"Die Ftanzofen ſchiafenz w ern fie wieder wach werden, 
dann wird. man große Thaten Ichen! Die Denticpen [hlafen. 
und. träumen, lehleres pflegen.fie auch wach fortzufeßen. 

Der Geheime Kabinetsrath Niepuhr reißz nach Italien auf 
längere Zeit: "Seine ‚Stelle. bleibt ,. ſcheinhqt wenigſtens, 
unbeſetzt; abet" Nörnet hat wirklich offenen Zutritt beim 
Könige und hält ihm Vortrag. — 

Der. Feldmarſchall Graf. zy,Dohna, zugleich Oberfttämme: 
ter, bat zu einem Freunde geſagt, ed bleihe ‚für einen Damm, 
der feine Ruhe und Ehre liebt, aipte übrig, als ſich vom /Pofen 
zuruückzuziehen. ler „denke Ye dqign. ſebthfr hinehen ip. 
ſchwer auch manche Bande Mu u löfen feien , pi en vr I. 
Hielten. - — 

"Der treffliche Atzt, und, Anatom Prol ſot Biden. der. 
durch die Neaftion von ‚bier bertrieben wurde und. einem Rufe 


448 


nah Würzburg folgte, foll hieher zurüdberufen werden; man 
will ihm eine Beſoldung von dreitaufend Thalern geben. Wan 
jagt, Schönlein und Humboldt hätten died beim Könige dırk 
gefegt, wider den Willen des Kultusminifterd von Raumer. — 


Mittwoch, den 30. April 1356. 

Nachmittags gefchrieben. Unterbrechung durch den Bauh 
Bettina’d von Arnim. Sie Magte fehr über Mattigkeit, ie 
könne nicht mehr fort, der Kopf fei ihr wüft, die Hände wer: 
fagten zum Schreiben den Dienft, fie müffe fich ſchonen, fünn 
ed aber nicht, und täglich fomme neuer Berdruß. — Darauf 
ſprach fie von ihren Abfichten auf den König, ſowohl für ihr 
Goethedentmal ald für die Tiziankopie Ratti's, von dem 
Briefe, den fie an Humboldt fchreiben will, 

Unſre Landtagdverhandlungen find ſchamlos gemein und 
niedrig. Für Prügelftrafe, für jede Härte und Befchränfung, 
für das fchreiendfte Unrecht ift jedesmal, wenn niht De 
Miniiter felbit ed hindern, die Stimmenmehrheit da! Nichte 
ald Partheigeift, Eigenfucht, Heuchelei, Unwiſſenheit md 
Dummheit! Wenn Preußen nad) Diefer Vertretung ber 
theilt würde, jo wäre es dad lekte Land Europa's, weit zurüd 
in aller Bildung, Einfiht, Gefittung. Gradezu die Grund 
ſuppe ded vornehmen Poͤbels, der Abſchaum der Mittels 
Haffen, ift hier beifammen. Ueber die gerechteften Beſchwer⸗ 
den geht man mit den nichtigften, in andern Fällen nicht 
gebrauchten Borwänden zur Tagedordnung; der traurigfle 
Ernft wird verlacht. Die Prügel, weldhe die Halunken aus 
theilen wollen, verdienen ſie ſelbſt. — 

Der König ift von Dresden wieder zurüd. 


Drud von Otte Wigand In deipgtg 


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