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Ethnologische Mitteilunqen
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Druck und Verlag des Literar. Instituts Dr. M. Huttler, Konrad Fischer
1893.
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des Begriinders magyarispfrei*: JSthnographie
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Inhalts - Verzeichnis.
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rauche 24
mit menschlichen Korperteilen 67
.-^ewinnung 82
■:nglauben 7 104
.enspruch und Zauberbann 124
e GeburtsgSttin 152
llagworte 175
*
Vorwort.
Bislang h. noch kein We,k. in einer de, Welaprachen g,
schrieben, veroffentlicht worden, das uns einen Einblick in das Volks-
leben und den Volksglauben der Magyaren gestattete. In magyarischen
Gelehrtenkreisen beginnt man erst in allerneuester Zeit sich ernstlich
mit Volkskunde zu befassen und die im Volke lebenden Ueberlieferungen
zu sammeln. Die Auslander werden bedauern, dass diese Samm-
lungen bislang in einer wenig gelesenen Sprache veroffentlicht
werden und warten vergebens, dass dies Material einmal wenigstens
influchtigenStrichenihnenverstandlichund zuganglichgemachtwerde.
Dies bewog mich, der ich seit anderthalb Dezennien rast-
und ruhelos mich unter den verschiedenen Valkerschaften meiner
Heimat im Dienste der Volkskunde herumtreibe, diesmal einige
zusammenhangende Kapitel aus dem Volksleben und dem Volks-
glauben der Magyaren, und zwar aus den wichtigsten Fachern der
Volkskunde, mitzuteilen.
Die vorliegende Arbeit fusst zum Teil auf eigenen, zum Teil
auf Beobachtungen Anderer. Trotzdem ich auf meinen Wander-
fahrten ein riesiges Material aus dem Gebiete magyarischen
Volkslebens und Volksglaubens gesammelt habe, so war ich
dessenungeachtet auch bei vorliegender Arbeit eifrig bemiiht, die
vorhandenen Schriftquellen mit Bezug auf magyarische Volkskunde
so vollstandig als mir dies nur moglich war, heranzuziehen und
die gewonnenen Daten an den entsprechenden Stellen meines vor-
liegenden Werkes mit genauer Angabe der Quellen anzufuhren.
Jeder, der Volkskunde nicht im Eisenbahncoupe erster Klasse oder
in Kasino und Klubs betrieben hat, weiss, wie schwer es ist, sich
das Zutrauen der Landbewohner in dieser Beziehung zu gewinnen,
— VIII —
die misstrauisch sind und fiirchten, von den sogenannten ,,Rock-
tragern" (magyarisch: kabatos) zum besten gehabt oder gar auf
irgend eine Weise verdachtigt zu werden, wenn sie Mitteilungen
aus ihrem Glauben machen, wenn sie ihre vererbten ,,Kenntnisse"
(tudomdny) verraten. Ich stieg stets in ihre Sphare nieder, naherte
mich ihnen vertrauensvoll bei der Arbeit, in Freud' und Leid und
in der Dorfschenke, und suchte durch Mitteilung von bereits Be-
kanntem neue AnknQpfungspunkte, worauf sie mir ruckhaltslos
alles mitteilten, was ich zu erforschen eben die Absicht hatte.
Folgende Werke habe ich bei der Ausarbeitung dieses Buches
beriicksichtigt:
Andree Rich., Ethnographische Parallelen und Vergleiche. Stuttgart 1878.
Andrian Ferd. Freih. v., Der Hohenkultus asiatischer und europaischer Volker.
Wien 1891.
Balint Gabor, A Mandsuk szertartasos konyve — Ceremonienbuch der Mandsu.
Budapest, Akademie d. Wiss. 1876.
Barn a Ferd., A Mordvaiak pogany istenei es iinnepi szertartasai — Die heidnischen
Gotter und Festgebrauche der Mordvinen. Budapest, Akademie d. Wiss. 1879.
— — Osvallasunk kisebb isteni lenyei es ildozati szertartasai — Die kleineren Gotter-
wesen und Opfergebr. unserer Urreligion Ebenda 1881.
Osvalla\unk foistenei = Die Hauptgotter unserer Urreligion. Ebenda 1881.
A Votjakok pogany yallasardl = Ueber die heidnische Religion der Wotjaken.
Ebenda 1885.
Ethnologische Mitteilungen aus Ungarn. Herausgegeben von A. Herrmann und
L. Katona I. II. Jahrg. (1886— 1892). Budapest.
Ethnographia. Zeitschrift der ungar. ethnogr. Gesellschaft. I. II. Bd. Budapest
1890—1892.
Frischbier H., Hexenspruch und Zauberbann. Ein Beitrag zur Geschichte des
Aberglaubens in der Provinz Preussen. Berlin 1870.
Hellwald Fr. v., Ethnographische Rosselspriinge. Leipzig 1891.
Ipolyi Arnold, Magyar Mythologia = Magyarische Mythologie. Budapest 1854.
Jankd J., Kalotaszeg magyar nepe =- Das magyarische Volk von Kalotaszeg. Buda-
pest 1892.
Kalmany L., Boldogasszony osvallasunk istenasszonya = B., die Gottin unserer Ur-
religion. Budapest, Akad. d. Wiss 1885.
Kozma F., Mythologiai elemek a Szekely nepkolteszet es nepeletben = Mythologische
Elemente in der Volksdichtung und im Volksleben der Szekler. Budapest, Akad.
d. Wiss 1882.
Krauss F. S., Volksglaube und religioser Brauch der Siidslaven. Miinster 1890.
Lindner Gustav, Das Feuer. Eine kulturhistorische Studie. Briinn 1891.
Lip pert Jul., Christentum, Volksglaube und Volksbrauch. Berlin 1882.
Magyar Nyelvor - Magyarischer Sprachwart. Budapest 1880—1891.
- IX -
Reso Ensel Sandor, Magyarorszagi nepszokasok = Magyarische Volksbrauche.
Budapest 1867.
Treichel A., Armetill, Bibernell und andere Pestpflanzen. Eine ethnologisch-
botanische Skizze. Hoch-Paleschken 1887.
Varga J., A babonak konyve = Buch des Aberglaubens. Arad 1877.
V£mberyH.,A Csuvasokrdl = Ueber dieTschuwaschen. Budapest, Akad. d. Wiss. 1883.
Wlislocki H. v., Szekler und Ungarn in Siebenburgen (Sammlung gemeinverstand-
licher wissenschaftlicher Vortrage). Hamburg 1892.
Volksglaube und religioser Brauch der Zigeuner. Munster 1891.
Aus dem inneren Leben der Zigeuner. Berlin 1892.
Zei tsch rift des Vereins fur Volkskunde. I. Bd. Berlin 1891.
So mGge denn diese Arbeit als ein bescheidener Beitrag zur
Volkskunde betrachtet werden und jene nachsichtige Aufnahme finden,
die ein solcher, in jeder Beziehung erster Versuch aukdem Gebiete
magyarischer Volkskunde fur sich in Anspruch zu nehmen ge-
zwungen ist.
Wildbad Jegenye (Siebenburgen), l.juni 1892.
Dr. Heinrich von Wlislocki.
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I.
Hohenkultus.
fERD. Frh. v. ANDRIAN hat in seinem trefflichen Werke
„Der Hohenkultus asiatischer und europaischer Vfllker" (Wien 1891,
Konegen) im Bergkult zwei Vorstellungsgruppen unterschieden.
Die erste fusst auf dem Animismus, auf Belebung und Beseelung
der Natur, wobei der Berg als Damon oder als Wohnung, als
Besitz eines solchen gedacht wird und man solchen Orten Ver-
ehrung zollen und Opfer darbringen muss. Die zweite Vor-
stellungsreihe hingegen ist die „kosmische Auffassung der Berge",
wobei die Berge das Verbindungsglied zwischen Himmel und Erde,
die Grenze zwischen Lebenden und Toten, den Wohnsitz oder die
Brlicke ins Jenseits flir die abgeschiedenen Seelen bilden. Beztlg-
lich dieser zweiten Vorstellungsgruppe sagt Andrian (S. XVI):
„Wir miissen jedoch im Auge behalten, dass auch diese entschieden
hGhere Vorstellungsweise ganz im Animismus wurzelt, da die
Personification des sichtbaren Himmels, sowie die Vergeistigung
aller Himmelsvorgange sehr lange festgehalten wird. Ebenso klar
tritt der Zusammenhang zwischen Himmels- und Sternengeistern
und den Manenkultus bei einigen Volkern hervor."
Nachdem Andrian auf den Hohenkult der Magyaren keine
RUcksicht gen om men hat, so will folgende Zusammenstellung des
diesbeziiglichen Materials eine kleine Erganziing zu seinem Werke
bilden, wobei ich bestrebt war, die einschlSgigen Belege aus den
mir zur VerfQgung stehenden Quellen heranzuziehen und fur
kiinftige Forscher auf diesem weiten Felde des Volksglaubens das
wesentlich Wichtigste zu bieten.
Die Erde heisst im Magyarischen fold und wird von Ipolyi
Magyar Mythologia = magyar. Mythologie (S. 209) von fdl (auf),
foil (oberhalb) abgeleitet. Der alte Lexicograph Kresznerics sagt
*>
iiber fold: „quasi eminens ex aquis", also ein Gegenstand, der aus
den Wassern emporragt. Die Erde wird die „Mutter" genannt;
„die Erde ist (eine) Mutter, das Wasser (eine) Stiefmutter" („a fold
anya, a viz mostoha"), heisst es in sprichwGrtlicher Redensart. Sie
ist die Mutter, die alles Gute gebart, zu der alles zuruckkehrt;
daher die Redensarten fur Sterben: „Er hat in die Erde gebissen"
(a foldbe harapott), oder: „er hat ins Gras gebissen" (a fiibe hara-
pott); „er hat seine Nase in die Erde geschlagen" (foldbe OtGtte
orrat) und ,,er ist nach Erdenburg gegangen, Bretter zu verkaufen"
(foldvarra ment deszkdt driilni). In den altesten Zeiten spielte die
Erde bei Landeriibergabe eine grosse Rolle bei den Magyaren.
Wasser, Gras und Erde mussten die besiegten VGlker den Magyaren
geben, urn dadurch ihre Unterwerfung anzuzeigen (lateinische Belege
s. bei Ipolyi S. 209 etc. etc.) Kamen sie in ein Land, so schleuderten
sie Wasser und Erde gen Himmel als Dankopfer. Die Erde spielte
auch bei Uebergabe von Grundstiicken und Lehen (donationalis
statutio) eine grosse Rolle im Rechtsbrauch der alten Magyaren;
der Uebergeber des Lehens, der Gesandte des KOnigs (homo regius)
fQhrte den Beschenkten bei der Hand auf das GrundstUck und iiber-
gab ihm dort eine Handvoll Erde. Die magyarischen Rechts-
quellen erwahnen oft diesen Brauch, indem es dabei heisst: „ad
faciem terrae accendentes assignationi interfuimus." Auch bei
Grenzbestimmungen beobachtete man Gebrauche, die sich auf die
Erde bezogen, so z. B. bei der Grenzbestimmung, die der K5nig
von Ungarn und der von Polen vornahmen: „Mesko, dux Poloniae . . .
congregato omni exercitu suo ad regem (hi. Stephan) ante Strigonium
venit, ibique in terminis Poloniae et Hungariae tentoria sua fixit . . .
ibique inter Hungaros, Ruthenos et Polonos finem dabant. (End-
licher Mon. Arp. 71.) Dabei wurden auch Eide geleistet, bei
denen eben die Erde eine Rolle spielte, worUber uns das Corpus
juris (im Anhang: juramentum in metali reambulatione praestandum)
berichtet. Diese Eidleistung (seria et terribilis iuramenti forma)
heisst es am angefiihrten Orte, ist von Alters her gebrauchlich (iam
ab olim in regno Ungariae adinventa est et observata) und stand
also im Brauch: „In metarum reambulationibus et rectificationibus,
illle qui ex iudiciaria deliberatione iuramentum praestabit, mfoveam
vel scroben in facie terrae litigiosae effossam, ad umbilicum usque
descendere et defodi, ac detecto capite, ac nudipes terram in manum
— 3 —
dextram accipiendo, et super verticem capitis sui tenendo, iurare con-
suevit, iuxta modum et ordinem eidem per iudicem praescriptum
hac forma: Ego N. iuro etc. (die gewGhnliche Eidformel); et si
iuramentum hoc per me falsum et dolose esset depositum, haec
terra me absorbeat, nee mihi aut haeredibus ac successoribus meis,
et incolis huius possessionis meae utilis et fructuosa fieri possit, sed
pro fructibus et utilitatibus, spinas tribulos germinet, ita me deus etc.
Hoc igitur iuramentum per principalem personam, hoc quo dictum
est modo et ordine, et non aliter deposito, coniuratores illius prin-
cipalis personae, absque descensione in scrobem, foveamve in ipsa
terra litigiosa effossam, non discalceati, sed solitis eorum indumentis
salvis, more solito, prout alias incedere soliti sunt, vestiti, terram
litigiosam manu dextra tangentes, iuramentum penes principalem
personam praestare debebunt." Auch nach altdeutschem Rechts-
brauch musste der Besitzergreifer von den vier Ecken des Besitz-
tums Erde nehmen und Staub liber das Haupt seines nachsten
Verwandten werfen (Grimm 609). Eine magyarische Redensart
lautet: „Auf sein eigenes Haupt wirft er Erde" (maga fejere hdnyja
a foldet). In zahlreichen alten Eidformeln wird die Erde angerufen,
damit sie den Meineidigen nicht auf sich dulde, nach seinem Tode
nicht in sich aufnehme oder ihn wieder aus sich herausschleudere.
Aber nicht nur im alten Rechtswesen, sondern auch im heutigen
Volksleben spielt die Erde bei Verwiinschungen eine Rolle. Eine
Sage erzahlt: Einmal hatten die Bewohner von Korosladany sich ein
StQck vom Hattert der Bewohner Tarcsa unrechtmassig angeeignet.
Es kam zum Schwur. Von Seiten der Laddnyer war der alte
Markus der Eidleister. Er legte ins Innere seiner Stiefel Erde vom
ladanyer Hattert, zog sie dann an und ging hin auf das betreffende
Gebiet und schwor vor den Gerichtspersonen, dass ihn die Erde
verschlingen, nach seinem Tode aber auswerfen m5ge, so er jetzt
nicht auf ladinyer Erde stehe. Das betreffende Gebiet wurde also
den Bewohnern von Ladany zugesprochen. Bald darauf starb der
alte Markus und als man ihn in die Erde hinabliess, warf die Erde
seinen Sarg heraus, der bis zu einem Wirbel hinrollte und dort
im Wasser versank (s. Ipolyi a. a. 0. S. 211). Aehnliche Falle
erwahnen Sagen und Marchen.
Gleich Luft und Feuer hat auch die Erde eine reinigende
Kraft. Fraher legte man das neugeborene Kind gleich auf die
1*
— 4 —
Erde nieder, damit es erstarke und vom Bflsen rein werde, dann
erst hob es der Vater auf. Bartholomaeides (Not. com. Gdm&r
Leutshoviae 1808, S. 444) schreibt: „Natos infantes humi deponere
solent, illosque de terra levatos, patribus primum ulnis excipiendos
praebenf. Dem Neugeborenen werden in einigen Gegenden Erde
und landwirtschaftliche Gerate in die Hand gegeben (Ipolyi
S. 211). Im Kalotaszeger Bezirk pflegen Eltern, denen die Kinder
rasch weggestorben sind, das neugeborene Kind auf die Erde zu
legen, und dann die Flache, wo das Kind gelegen, fingerdick aus-
zugraben und diese Erdschichte in fliessendes Wasser zu werfen,
damit ,,das Kind am Leben bleibe." (Vgl. den Brauch der Zigeuner,
Wlislocki, A. d. inneren Leb. d. Zig., S. 70, und das indische
tuldpurusha ebenda.) Sterbende pflegt man auch auf die Erde zu
legen, urn ihnen das Sterben zu erleichtern. (Csaplovics, Ge-
malde von Ungarn, 2. joy.) Bartholomaeides (a. a. 0., S. 45 3)
schreibt: „Si spes vitae evanuit morbidum humi plerumque ita
deponunt, ut inter trabes pavimentum domus sustinentes iaceat
medias, hac ratione mortem alleviari putant. u Wer an Hals- oder
Rachenvveh leidet, der kniee auf die Erde nieder und sage dreimal
nach einander: „Meine liebe Mutter Erde, dir sage ich es, dass
meine Kehle mich schmerzt" (Edes anydm, fold, neked mondom
torkom fdj), dann klisse er drei Mai die Erde und spreche knieend
ein „Vaterunser" (Ipolyi, S. 212). Wer Warzen hat, bestreiche
sie mit einem Strohhalm, der einen Gliedknoten hat, und den Halm
vergrabend spreche er die Worte: „Mutter Erde, dir abergebe ich
mein Kleinvieh" (fGldanyam, neked itadom apr6 j6sz£gomat). 1st
ein Mensch oder Tier beschrieen (szemmel veretett = mit Augen
geschlagen worden), so nimmt man in der Kecskem6ter Gegend
von neun MaulwurfshQgeln zwei H2nde voll Erde, kocht sie in
Wasser und begiesst damit die betreffende Person oder das Tier
(Ipolyi, S. 212). Ein alter heidnischer Brauch — meint Ipolyi
(S. 212) — mag es gewesen sein oder wenigstens sich darauf be-
zogen haben, was die Chronik (Tur6czi Schwandtner, Script, rer.
hung. Wien, 1746; 2. 52) erwahnt, dass nSmlich auf dem Czinkotaer
Schlachtfeld die Krieger den Vid, als Anstifter des Bruderkriegs,
iiberfielen, ihm die Brust aufschlitzten und auf seine Wunden und
Augen Erde streuend, riefen: „Nun sattige dich mit Erde"! (nunquam
oculi tui, rebus et nobilitate satiati sunt, nunc autem oculos tuos
— 5 —
et pectus terra satiet). Im altdeutschen Gedicht „Ecken's Ausfahrt"
(63) verlangt der verwundete Held, man m5ge ihm Erde in den
Mund stecken, damit er leichter ersterbe. Im Kalotaseeger Bezirk
legen Ungarn sowohl als RumSnen ihren Toten, die unverhofft und
ohne Beichte gestorben sind, etwas Erde in den Mund, damit „sie
die Erde nicht dracke" und sie Ruhe im Jenseits finden (vgl. den
ahnlichen Brauch der Juden). Auf dergleichen Kulthandlungen
mag sich auch das Decret Stefan d. Heil. beziehen (deer. 1. 94 s.
Endlicher, D. Ges. d. h. Stefan, Wien 1849): ,,Si sortilegio utentes
inveniantur, ut faciunt in cinere aut his similibus (Erde) etc." Hat
das Schwein die Warmer, so soil man auf dasselbe Erde mit ver-
kehrter Hand werfen, d. h. mit der rechten von links nach rechts
geschwenkten Hand (I poly i 212). Das Erdbeben gait von jeher
im magyarischen Volksglauben far ein Anzeichen kommenden all-
gemeinen Unglacks. Wer sich in der Christnacht oder Neujahrs-
nacht zu mitternachtlicher Stunde auf einem Kreuzweg oder Berge
auf die Erde horchend hinlegt, der kann die Zukunft erfahren.
In einem Volksliede (Ipolyi 212) heisst es:
Kimentem en a kis kertbe, Ich ging in den kleinen Garten,
Arczczal boniltam a foldre, Mit dem Gesicht legt' ich mich auf die Erde,
Megse littam a kit kene. Sah doch nicht den, welchen ich sehen wolltel
In der Sylvesternacht legt sich die Maid horchend auf die Erde,
urn den Namen ihres zukttnftigen Gatten zu erfahren. Hat sie den
ganzen Tag aber gefastet und keinen „b8sen Gedanken" gehabt,
so „flustert ihr die Erde den Namen zu." Hat man einen Wunsch,
so faste man, und sich auf die Erde legend, teile man ihr den
Wunsch mit. Die magyarische Redensart sagt: „Selbst der Erde
sage es nicht" (foldnek se mond). Vom Getranke einige Tropfen
auf die Erde zu giessen, ist in vielen Gegenden noch immer Brauch.
Die „grasige" Erde (gyepes fold, auch: szaz fold = jungfrSuliche
Erde) hat besondere Heilkraft (Ipolyi S. 2 1 3). Kranke werden
auf den Rasen gelegt, damit die Erde die Krankheit aus dem Leibe
sauge (a betegs6get kiszijja). Leidet Jemand an haufigem Nasen-
bluten, so grabe er ein Loch in den Rasen, lasse das Blut hinein-
rinnen und scharre dann das Loch zu, wobei er es zu bekreuzen
und die Worte zu sprechen hat: „Dir gebe ich, Erde, mein Blut;
wenn Rasen darauf wachst, soil mein Leid schwinden" (neked adorn
f5ld a veremet, ha begyepesedik, miiljek a bajom). Hat man unregel-
— r> —
massige menses, so gehe man zur Zeit derselben auf einen Berg,
lasse sein Blut darauf trflpfeln und spreche die Worte: „Auch vom
wenigen, was ich habe, gebe ich Dir; gib Du mir aber mehr"
(a kevesbal is, a mi nekem van, adok neked ; de adj te nekem
tflbbet). Dies fQhrt uns nun zum eigentlichen Berg- und
H&henkult liber.
HeilkrSuter, die auf Bergen wachsen, haben eine grOssere
Wirkung, als die im Thale spriessenden. Wer einen „Himmelsstein"
(menyka) = Donnerkeil auf einem Berge findet, der soil ihn in
seinem Hause vergraben, dann „dingt sich zu ihm das Clock"
(a szerencse hozzd szegddik). Ein „Himmelsstein" fahrt nach dem
Urteil des Volkes bei jedem einschlagenden, aber nicht zQndenden
Blitz so tief in die Erde, dass er erst nach sieben Jahren nach
dem Einschlagen wieder zum Vorschein kommt. Solche Steine,
auf Bergen gefunden, spielen in der Volksarznei eine grosse Rolle.
Mischt die Maid etwas von ihrem Menstruationsblut mit dem Staube
dieses Steines und den Haaren ihres treulosen Geliebten, und ver-
grabt sie dann diese Sachen bei abnehmendem Mond auf einem
baumlosen Hugel, so kehrt der Bursche zu ihr zuriick und bleibt
ihr so lange treu, bis ein Baum auf dem Hugel wachst. In einem
Kalotaszeger Liede heisst es:
Siiga> kis fa nott a Schlanker, kieiner Baum gewachsen ist
Dombom tetejen. Auf meines Hugels Spitze;
A faluban lesz meg Im Dorf wird noch sein
Mint te oly legeny! Wie du, solch' ein Bursche!
Die Krauter, die auf solchen Bergen wachsen, wo man dergleichen
Himmelssteine gefunden hat, gelten far besonders heilkraftig. Auf
solchen Bergen ist die Weide far die Tiere besonders gut und auch
die Baume sollen dort rascher wachsen. An solchen Orten soil
man kein Tier toten, denn man wird im Viehstand UnglUck haben.
Dies erinnert uns an die „kGniglichen Bannwalder" des germanischen
Rechts (Grimm 64), wie dergleichen auch im altmagyarischen
Rechtsbrauch vorkommen und den letzten Nachhall der alten heid-
nischen Wilder bilden, wo Opfer dargebracht wurden. „Heilige"
(szent) oder „konigliche Walder" (kiralyi erd6) wurden solche
Waldungen genannt, wo frUher Opferstatten gewesen, nun aber
die Jagd und die Verletzung der B2ume verboten. ,,Kiralyerdo <<
(Konigswald) heissen zahlreiche Waldgebiete bis auf den heutigen
— 7 —
Tag (Ipolyi S. 489); in alten lateinischen Urkunden kommen sie
unter Benennung foresta sanctorum regum (Fej6r, cod. dipl. 5. 1.
157)1 s ^ va regalis (eb. 6. 1. 45), silva regis (eb. 5. 1. 45), silvam
nostram kirdlyerdeje (Wald des Kftnigs) vocatam. In einer Stiftungs-
urkunde Set. Stephans (1036, cod. dipl. 1. 327) beziiglich einer
Abtei heisst es: „In illo loco, qui BUI dicitur, in sylva bocon
(bakonyer Wald), quia divino culiui videbatur mancipari valde ido-
neus . . . s. Mauritii monasterium incepi construere . . . sunt praetera
quatuor lapides, vicinioresad monasterium, qui vulgariter sic vocantur:
Hegyesko (Spitzstein), Kertesko (etwa Gartenstein), Fejirko (Weisstein),
Odvasko (Moderstein), in his a quocunque homine fuerint ferae inter-
fectae, dimidiam partem illarum ministri abbatis accipiant cum cuiibus
earumdem. „Diese Stelle erinnert," sagt Ipolyi (S. 489), „an ahnliche
heidnische Denkmaler, indem man in der Nahe heiliger Haine das
Wild nicht taten durfte, es sei denn zum Opfer fur die Gottheit; und
die einzelnen Teile des erlegten, geopferten Tieres, das Haupt, das
Fell u. s. w. wurden an die Baume des heiligen Haines gehangt . . .
Als mit der Zeit aus diesen „heiligen" (szent) Hainen „k5nigliche"
(kirdlyi) Walder wurden, die dem heidnischen Brauche entzogen
und in ihrem Gebiete Kapellen, Kl5ster erbaut wurden, musste ein
Teil des erlegten Wildes der Kirche abgeliefert werden." Ueber
solche Walder und Berge berichten zahlreiche Sagen. Von F61-
egyhdza gen Radna zu ist eine bewaldete AnhOhe (heute Wallfahrts-
ort), wo in alter Zeit Feen (Tilnd6r) wohnten, deren „verfluchte"
Gestalten man auch noch heutigen Tages oft sehen kann. Als
weisse Schlangen durchirren sie den Wald und wer ihnen nacheilt,
findet Geld, denn sie legen sich nur an den Orten nieder, wo in
der Erde Geld ist, das sie emporsaugen (Ipolyi 487). Bartho-
lomaeides (a. a. 0. 38, 50) erwahnt zwei AnhOhen, die Oltdr
(Altar) heissen und sich im G6m5rer Comitat befinden : „condam a
famoso latrone Jannossik inhabitatas aiunt, cuius thesauros hucus-
que isthic, qui repente ditescere cupiunt exquirere solent."
Dass die alten Magyaren ihren Gdttern auf Bergen die Opfer
darbrachten, dafar lassen sich in den alten Chroniken genug Belege
finden. Der anonyme Notarius des KOnigs Bela (Anonymus Belae
r. not. de gest. hungarorum, herausgegeben von Endlicher, Wien
1827) schreibt (Cap. 16): ,,Turzol . . . cacumen ascendiU et montem
ilium a die illo usque nunc montem Turzol nominaverunt. Tunc
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hi tres domini (Qund, Ketel, Turzol) super verticem eiusdem montis . . .
in codem loco more paganismo occiso equo pinguissimo magnum al-
damas (Opfer) fecerunt." Manche Berge stehen bis auf den heutigen
Tag im Rufe, dass, wer vor Feinden hinfluchtet, dort vor den Ver-
folgern gesichert ist. Roger sagt mit Bezug auf die Tartaren-
einfalle in seinem „Carmen miserabile" (herausg. von Endlicher,
monum): ,.Erat . . . infra silvam mons mirabilis et excelsus, in cuius
summitate lapis et petra fundabatur terribilis, magna eo hominum et
mulierum confugerat multitudo." Aehnlich erzahlt man sich vom
Menedekko (Zufluchtsstein) in der Zips, dass die Tartaren ihm nicht
nahen konnten und die dort befindlichen Fliichtlinge verschont
blieben (Ipolyi 490). Solche Orte gelten im Volksglauben fur
heilig und haben ihren Ruf dem Umstande zu verdanken, dass einst
dort heidnische Opferstatten sich befanden. Von der Felsenburg
bei Pecsujfalva erzShlt man sich, dass dort einst eine heidnische
Opferstatte gewesen sei und wer ihr auch noch heutigen Tages
bewaffnet und rachgierig sich nahert, dieselbe nicht betreten kann,
denn wie angewurzelt muss er in ihrer Nahe stehen bleiben und,
keinen Schritt vorwSrts gelangend, umkehren (Ipolyi 490). Auf
einem H6henzug zwischen den Ortschaften Di6sjen0 und Per5cs6ny
im Honter Comitat erheben sich sieben weisse, turmahnliche Fels-
blacke, von denen man glaubt, dass sie die Einfriedigung einer
alten Opferstatte seien. Zwischen ihnen liegt eine grosse, kessel-
fflrmige Vertiefung, wohin man die unbrauchbaren Teile der Opfer-
tiere geworfen haben soil. Heutzutage gehen dahin Kranke, die
einen Hautausschlag, Wunden u. dgl. haben und werfen abgetragene
KleidungsstQcke in die Grube, urn dadurch von ihrem Leiden sich
zu befreien. Will ein Kind im Kalotaszeger Bezirk nicht gedeihen,
so tragt die Mutter bei Neumond ein Hemdchen des Kindes, ohne
ein Wort zu sprechen, oder im Gehen umzukehren und nach rack-
warts zu blicken, hinaus auf einen Berg, wo sie es mit einem
spitzen Pflock an die Erde spiesst, im Glauben, dadurch die Krank-
heit durchstochen und dem Berge Qbergeben zu haben. Im Csiker
Bezirk gelten Aldomds feje (etwa Opferkopf) und Balvdnyos (GGtzen-
haftig) far solche Berge, wo man von Krankheiten sich befreien
kann. (BenkG, Csik-Gyergy6 und Kasron, S. 19). Auf dem neben
K6zdi-Vdsarhely befindlichen Berge Tiizhalom (Feuerhiigel) halt jeder
vorabergehende Szekler Rast, urn seine etwaige Krankheit dort
— 9 —
zurQckzulassen und zu neuer Kraft zu gelangen (s. I poly i,
S. 490).
Im alten Rechtsbrauch spielen die H&hen auch noch die Rolle,
dass nicht nur KGnige und Statthalter, sondern auch Gaugrafen und
Richter aberhaupt, auf Bergen und Htlgeln zu bestimmten Zeiten
ihr Zelt aufschlugen und dort Recht sprachen. Solche Anhohen
nannte man in lateinischen Urkunden cumuli regit, im Volksbrauch
aber brhalom (WachthQgel); an solchen Orten wurden auch die
Toten beerdigt und bei Gelegenheit solcher Gerichte wurden wohl
auch Totenmahle u. dergl. abgehalten; dort wurden den Toten die
gebrSuchlichen Opfer, in Rossen bestehend, dargebracht (Ipolyi,
S. 491). Baume, Quellen und Steine solcher Hohen galten fiir
heilig und auch noch heutigen Tages gibt es in vielen Gegenden
gewisse Berge, von denen es im Volksglauben heisst, dass ihre
KrSuter heil-, ihre Steine glilckbringend sind. Wer ein Haus baut,
legt einen solcher Steine in den Baugrund, um sein Haus gegen
Ungliick zu feien; dafiir l§sst er Tierknochen auf dem Berge
zurOck, damit — wie es im Kalotaszeger Bezirk heisst — „auch
sein Viehstand gedeihe". In den alten magyarischen Gesetzen
kommt oft der Satz vor: „Quicunque ritu gentilium iuxta puteos
sacrificaverit, ad arbores, fontes, lapides — reatum suum bove luat"
(Ipolyi, S. 491). Der heilige Hain ward kflniglicher Wald, das
heidnische Opferrecht ward zu einem Vorrecht der Kirche bezUglich
der Jagd, die Opfertiere sanken im heutigen Volksbrauch zu blossen
Skeletten herab, die man auf Anhflhen an Baume und Pflflcke an
Einfriedigungen und Felsenriffe steckt. Schafhirten pflegen in den
Niederungen Pferde- und Eselschadel auf die PflOcke der Harden
zu stecken, wahrend die des Hochlandes dergleichen Schadel auf
Berge aufpflanzen, die in ihrem Weidegebiet liegen, um dadurch
die Herden vor den Wfllfen zu schiitzen. Auf Weideplatze pflanzt
man auch solche Schadel auf, damit kein Tier das Gras abfresse
und dadurch Schaden anrichte (Ipolyi, S. 491). Bricht im Szekler-
lande eine Seuche aus, so hauft man auf Berge Tierschadel auf,
um dadurch die Seuche zu vertreiben; mit dem Grase dieses Berges
aber fottert man das kranke Vieh, damit es gesunde. Die Szekler
werden auch Idfejii Szikely (rosskflpfige Szekler) gespottet. Um
Hexen vom Hofe fernzuhalten, werden Rossschadel auf die Ein-
friedigung gesteckt. Wenn ein Berg im Rufe steht, dass auf ihm
— 10 —
die Hexen des engeren Kreises, also der nSchsten Umgegend, ihre
Versammlungen abhalten, so legt man Pferdeschadel hin, urn ihnen
ihr Treiben daselbst zu verleiden. Dadurch vertreibt man sie,
denn — heisst es im Volksglauben — wo die Hexen ihre Ver-
sammlungen abhalten, dort wSchst nie ein Gras mehr, oder wenn
auch dort KrSuter wachsen, so werden sie durch den Urin der
Hexen vergiftet. Wer den Mut hat, am Charfreitag urn Mitternacht
mit einem sogenannten Lucza-szik (Lucia-Stuhl) auf einen solchen
Berg zu gehen, der kann, sobald er sich auf dieses Gerat stellt,
die Hexen unbemerkt beobachten und wenn er dann einen Pferde-
schadel unter sie schleudert, auch vertreiben. Sind die Hexen
verschwunden, so beeile er sich, die heilkraftige und sehr gesuchte
Pflanze nagyfii-gydk&r (Grossgras-Wurzel, atropa belladonna) sich
anzueignen. Der Lucien-Stuhl wird in der Weihnachts-Woche
geschnitzt und besteht aus drei spitzwinkligen Dreiecksflachen, die
so abereinander gelegt werden, dass von einem jeden der spitze
Winkel nach verschiedenen Richtungen hervorsteht. Die Dreiecke
werden aus neunerlei Holz geschnitzt, jedes aus dreierlei Holz
zusammengesetzt, das man von solchen Bergen geholt hat, die im
Rufe stehen, der Versammlungsort der Teufel und Hexen zu sein,
oder in deren Innerem Feen oder Riesen oder Zwerge hausen, oder
sich Sehfltze derselben befinden. Diese berUchtigte nagy/U-gyoker
kann man auch in der Georgsnacht an den erwahnten Orten er-
lanuen, wenn man sich nackt und im Besitze eines Geheimmittels
hlnleKt, il«» man vorher mit Erde zugescharrt hat. Thut man dies
nlelil. mo wird man vom Teufel geholt oder „es schutteln sich die
Mflnmc des Merges und erschlagen" (megraszkodik a hegy faja es
Muyoiillll) lion Menschen, Dies Geheimmittel besteht aus einem
|ll«en llrot, In den man ein Pfefferkorn, etwas Gewurz und Salz
knrlel unci denselben an die Stelle der ausgegrabenen Pflanzen-
Wiii/el leKt, wobei man das^Vaterunser 11 und das Glaubensbekenntnis
lHM/u*rtHen hat (Koxmn, Mythologiai elemek, S. 33). Die Hexen
luinii man ttiieh auf die Weise sehen, wenn man nach der Feld-
in |i,iH Im lleihste die Kgge auf den nSchsten Berg schleppt und
*\v ilnil fltuM Winter liegen lasst. Am Georgstage gehe man dann
hln Mini Mnlle die Kgge vor sich auf. Durch die Zahne derselben
him|uhhltlhl<eml, nleht man dann die Hexen der Umgegend durch
nit frthiPM (Ko/ma a, a. 0. S. 39). Hat man kein Glack im
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Viehstand und glaubt man, dass irgend eine Hexe einem das
Ungluck bereite, so nehme man das erste Ei einer schwarzen Henne,
boh re es an beiden Enden an und blase den Inhalt auf das Futter
des Viehes, die Eierschale aber vergrabe man auf einem Berge
und rufe dabei: „Wenn die Hexe, die mein Vieh verdirbt, hier
vordberfliegt, wirf ihr, Berg, dies Ei nach, damit sie verrecke."
(Ha a boszorkany, ki marhamat megrontja, itt elrepul dobd utdnna
hegy, ezen tojast, hogy megdog<Mj5n.)
Hat jemand das „heisse Fieber" (forr6 ldz), so nehme man
vor Sonnenaufgang das Leintuch des Kranken weg, entkleide sich
ganz und ins Leintuch gehallt, laufe man, ohne nach rQckwSrts
zu blicken und ein Wort zu sprechen, auf einen Berg hinauf, stelle
sich auf das Leintuch und dasselbe mit den FOssen stampfend,
rufe man: „H5re Berg, hare! das heisse Fieber schattelt den N.N.
Nimm es von ihm und gib es dem, der mein Rufen jetzt hart!"
(Halljad hegy, halljad! N. N. -et a forr6 laz r^zza. Vedd el tsle
es add annak, ki a ki41t£som hallja!) Bei der Riickkekr wird das
Leintuch auf dem Berge zurQckgelassen (vgl. Kozma, S. 37). Im
Kalotaszeger Bezirke wird dieser Brauch bei jeder bedeutenden
Erkrankung vorgenommen. Wird jemand im Schlafe von der Mahr,
fekete asszony (schwarzen Frau) beunruhigt, so nehme er Blut von
seinem linken kleinen Finger, giesse es auf Knoblauch und Schweine-
kot, trage diese Sachen urn Mitternacht auf einen Berg und ver-
scharre sie in die Erde, auf die er dann einen grossen Stein legt
und dabei die Worte spricht: „Die schwarze Frau driickt mich,
driick' auch du sie, Berg!" (A fekete asszony nyom engem, te is
nyomjad hegy.) Wenn man ein struppiges, hassliches KUchlein hat,
so glaubt man, es sei ein sogenannter Lidercz, der sich unter die
anderen Hahnlein gemischt habe. Dieser Lidercz entsteht aus dem
Ei eines siebenjahrigen Hahnes, spricht oft wie ein Mensch und
erftillt jeden Wunsch seines Besitzers, der aber nach einer gewissen
Zeit dem Teufel verfallt. In der Nacht fliegt er in der Gestalt
einer feurigen Rute ins Freie und schleppt seinem Besitzer Schatze
herbei. Wer nun ein solches Kuchlein besitzt, das einem Lidercz
ahnlich aussieht, der soil es auf einem Berge lebendig in die Erde
eingraben, damit er dem Teufel nicht verfalle; so heisst es im
Kalotaszeger Volksglauben. Der Glauben an den Lidercz ist ubrigens
in ganz Ungarn allgemein verbreitet (Ipolyi, S. 228).
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Der Glaube, dass die Berge die Grenze zwischen Himmel
und Erde. zwischen Diesseits und Jenseits bilden, findet seinen
Nachhall in folgendem Brauch: TrSumt man gar zu haufig von
einem Verstorbenen oder glaubt man gar, dass er als Gespenst
herumgehe und keine Ruhe im Grabe finde, so nimmt man Erde
von seinem Grabe und streut von derselben im Gehen etwas auf
den Weg bis zur Spitze eines Berges, wo man den Rest dieser
Graberde verscharrt. Man will damit dem Toten gleichsam den
Weg in den Himmel, ins Jenseits andeuten, indem man glaubt,
der Tote entsteige in der kommenden Mitternacht seinem Grabe,
urn seine Graberde zu sammeln und zurOckzutragen ; wenn er dann
auf den Berg gelangt, fahlt er sich ,,so wohl", dass er seinen Weg
ins Jenseits fortsetzt. Csaplovics (Gemalde v. Ung. 2, }o8)schreibt:
„Das Bettstroh, worauf der Tote lag, verbrennt man ; manche ver-
brennen das Stroh mitten im Orte, wo dies die Lage und Ent-
fernung der Hauser mOglich macht, gerade zu der Zeit, wenn der
Tote auf dem Berge; und wenn die Flammen hoch emporzilngeln
und wenig Rauch emporsteigt, so glaubt man, der Tote sei schon
im Jenseits oder wenigstens auf der Fahrt dahin. Stirbt in den
beiden katholischen Gemeinden des Kolataszeger Bezirks, im Wild-
bad Jegenye und Bdcs, jemand plfltzlich, ohne die letzte Oelung
und ohne gebeichtet zu haben, so verscharrt man etwas Erde von
seinem Grabe auf einem Berge und legt womflglich ein Hostien-
stuck hin oder giesst Weihwasser auf den Ort, wo man die Erde
vergraben hat. Stirbt jemand in der Fremde und wird auch da-
selbst beerdigt, so nehmen in einigen Ortschaften SiebenbUrgens
(besonders in der NShe Kronstadts) die Hinterbliebenen ein Kleidungs-
stQck des Verstorbenen und graben es in die Erde eines Berges
des Heimatsdorfes ein, „damit dem Toten die fremde Erde nicht
schwer werde". KleidungsstOcke der im bosnischen Feldzug ge-
fallenen ungarischen Soldaten wurden auch von den Hinterbliebenen
seiner Zeit in der Heimat auf Bergen in die Erde eingescharrt.
Bei dieser Arbeit darf man nicht auf die Sterne blicken, sonst
bekommt man am ganzen KGrper Warzen; wer die Sterne zu
zahlen versucht, der bekommt auch Warzen. (Kozma, S. 32.)
Will man erfahren, ob ein gewisser Tote schon im Jenseits sich
befinde, oder noch auf Erden herumirre, so mache man urn Mitter-
nacht auf einem Berge urn sich herum einen Kreis aus den Blumen
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farkas-gegevirdg (aristolochia clematitis); stelle sich in den Kreis
hinein und das „Vaterunser" betend, schliesseman die Augen. Hart
man dann, wie aus dem Berge heraus, seinen Namen rufen, so
hat derToteRuhe gefunden. Farkas-gegevirdg heisst ,,Wolfskehlen-
blume" und diese Blume wird deshalb bei diesem Unternehmen
verwendet, damit der Tote, im Falle er als Wolf noch im Diesseits
herumirrt, den Betreffenden, der nach seiner Ruhe forscht, nicht
zerreisse. Die Lycanthropie, der Wehrwolfsglaube, ist auch unter
den Magyaren verbreitet. GewGhnlich irren Schafer, die im Leben
von ihren Herren viel Unrecht erlitten haben, nach dem Tode in
Wolfsgestalt herum und richten in Schafherden ihrer einstigen
Herren aus Rache grossen Schaden an (Ipolyi, S. 361). Schon
der alte ungarische Historiker B61 (Notia Hung, novae hist, geogr.
Wien 1755—42; II., 382) schreibt daruber: „Vulgus adulto errore
credit Xvnavd-Qtanovg esse, — Slavis wlokod lak id genus dicitur —
qui e hominibus in lupos conversi Lycaonis ritu, vindictam de his
sumunt, quorum iniuriis sunt adpetiti. Quern autem hac suspi-
cione semel notaverunt, ab hoc multa sibi superstitione cavent, ne
novis provocatus iniuriis, ad ingenium redeat." Wer an heftigen
Zahnschmerzen leidet, der gehe auf einen Berg oder setze sich
auf einen Felsen, nachdem er vorher einen Kreis aus diesen er-
wahnten Blumen urn sich herum gelegt hat; dann kaue er jede
einzelne Blume und speie sie aus. Die den Kreis bildenden Blumen
mtissen 32 an der Zahl sein, weil „Christus 32 Jahre alt war".
Hat man alle Blumen gekaut, dann spreche man: „Christus war
32 Jahre alt, als er starb; ich habe 32 Zahne und habe 32 Blumen
zernagt; Berg, nimm ihnen den Schmerz weg und mache sie so
stark, wie du bist" (Krisztus harminczk& 6ves volt midGn meghalt;
32 fogam van 6s 32 virdgot elrdgtam; hegy, vedd el t<ik a fajdal-
mat es tedd 5ket oly 6r6sse mint te vagy.)
Nationalhelden lind Regenten, die Lieblinge des Volkes waren,
leben dem Volksglauben gemass in Berge „eingemauert" noch
immer fort und wenn Gefahr dem Lande droht, dann kommen sie
mit ihren Schaaren dem Volke zu Hilfe. Attila, Csaba, Almos,
KOnig Mathias und Kaiser Josef II, ebenso R4koczi leben oder
schlafen in Bergen und warten auf die Zeit, wo die Befreiungs-
stunde schlagt. Das gemeine Volk glaubt, dass sogar der Diktator
der ungarischen Erhebung von 1848—49, Ludwig Kossuth, langst
— 14 —
von der Erde verschwunden sei und in einem Berge schlafe; der-
gleichen erzahlt man sich vom verstorbenen, dem Volke unvergess-
lichen Kronprinzen Rudolf.
Kleinodien und NationalheiligtUmer werden auch ins Innere
dcr Berge versetzt. Von einem Berge am rechten Ufer des grossen
Kokel-Flusses heisst es, dass auf seinem Gipfel in heidnischen Zeiten
die Burg Bondavdr gestanden und nun die Amtsinsignien und
Kleinodien der obersten Anfuhrer der Szekler, der sogenannten
Rabonbdne, im Innern des Berges sich befinden. Die sogenannte
M Szekler"-Chronik (herausg. 1 8 1 8 zu Pest, S. 276) nennt diese
Kleinodien „sacrificium gentis". Was die Worde eines Rabonban
anlangt, so war derselbe der oberste Richter in alien Angelegen-
lieiten der heidnischen Szekler; ihm unterstanden mehrere Unter-
fllhror und Richter, die man Gyula oder Horkdz nannte (Ipolyi,
S. 469). In der erw&hnten Szekler-Chronik, die aus den alten
(ioHCtzcn zuerst 1533 zusammengestellt worden ist, befindet sich
die* wichtige Stelle (S. 282): Jt Rabonbanorum sive majorum sive
minorum, sive horkdz dignitate functorum . . . cum gente indicio
Miprcmo subjiciatur rabonbani ex gente Uopoleti in perpetuum
rhn'tl, quae adducta gentis singulo anno triennali renovavere prioribus
MHiilU u.sque in hodiernum diem .... Milites, quam rabonbani
inlnnrr.H et horkdz dignitate functi, ac gyulae, item rabonbani ma-
im r» jirqualibus juribus utentes, excepto gyula et rectore, qui duo in
iiiiiiilhu.H in apice geaerationum, atque lineas generationis habebant
Idiiiin in evehendis castris, in edicendis juribus sacris et profanis, in
hUHMT|)ti» communitatis extrodandis, in puniendis transgressoribus
MhiiMliiil communis, quae iura exercuit rector supremus in praesentia
liiuk/i/ maximi ct gyulae; quilibet horkdz habuit sub se rabonbanos
qulnqiir, rt quilibet rabonban minor szirados duos, unus equestrem,
mIumiiim prdeatrem, figa et sagitta armatum, tres horkdz suberant rabon-
Iimimi mujorl, cthi tres gyulae minori, et hi omnes sex tribus gyulae
niM|(MlhiiN et hi gyulae rectori supremo gentis, qui in arce Bond
lijilmlt urdrm, gyuala omninum senior penes fluviumKukiil, ubiexeque-
ItiJiilin thiii^rrssorcs mandati, gyulae minoris, qui et horkdz supremus
MiiniliuitiiV qui pr«c ceteris praeter honorem non plus iuris habebant. 4 '
Din llcMUMinung Rabonbdn leiten manche vom hebraischen
u ~ L,m4 und dom slavischen bdn ab (s. Ipolyi S. 470). An dieser
imiM ich cines alten Kinderspieles der Siebenbarger Szekler
- 15 -
und Sachsen gedenken, das ich meinen handschriftlichen Samm-
lungen entnehme. Die Spieler wahlen sich einen Hauptmann,
Horkdz genannt. Die Uebrigen mUssen, einzeln auf einer Stelle
stehend, neun Mai in die Hdhe springen und mit zusammengehaltenen
Ftissen wieder auf die Stelle, die durch einen Kreis bezeichnet ist,
zuruckfallen. Fallt der Spieler nicht in den Kreis zuriick, so erhalt
er vom Horkaz so viel Hiebe auf den Hintern, als er noch SprUnge
bis zur vollen Anzahl (namlich 9) hatte machen mtissen. Die Kinder
nennen dieses Spiel horkdszolni (etwa horkaseln) oder auch unrichtig
horgdszolni (= angeln). Jedenfalls bezieht sich dieses Spiel auf die
alte Richterwiirde des Horkdz. Die Kinder der Sieben burger Sachsen
spielen es auf dieselbe Weise, nennen aber das Spiel hofschdsz
(Hiiftenscheiss), was eben eine entstellte Form des Horkdz ist. —
Wir wollen uns in Erftrterungen Qber die Abstammung des
Rabonbdn nicht einlassen und aus dem magyarischen Volksglauben
nur folgendes, das mit dem Hahenkult zusammenhSngt, erwahnen:
Wenn jemandem ein unerwartetes Gliick zufallt, so sagt man:
„Rabonbdnozott a szerencse fazekdban" (er hat rabonbanisirt im
Topfe des Gliickes); oft, und zwar in den meisten Fallen, wird das
Wort rabonbdnozott (oft auch gekQrzt nur: rabondzott) durch hado-
ndzott (etwa auf Gsterreichisch-deutsch : „herumgefuchtelt", herum-
gewQhlt) ersetzt. Ersteres ist dem Worte Rabonbdn entsprungen
und ist die letzte Erinnerung an diese Richterwiirde der einst heid-
nischen Szekler. Was es aber fiir eine Bewandtnis hat mit diesem
Gltickstopf und wie er aussieht, darQber berichtet uns der Volks-
glauben der Kalotaszeger Gegend Der Gltickstopf ist aus Lehm
geformt und darf keinen Anfang und Ende haben, weder einen
Schnabel noch einen Griff, er muss drehrund und in der Mitte mit
Lachern versehen sein, die im Kreise urn den Topf herumlaufen.
Der Topf muss einen festschliessenden Deckel haben. Er ist ganz
so beschaffen, wie ihn E. Fried el (in der Zeitschr. des Ver. far
Volkskunde, I. S. 447) beschreibt. In einen solchen Topf legt man
Geldstiicke hinein und zwar durch die Lacher seines Bauches hin-
durch und vergrabt ihn in der Johannisnacht auf einem Berge, der
im Rufe steht, dass er Schatze in seinem Innern berge. Der Topf
bleibt dort bis zur Andreasnacht vergraben, wo er herausgeholt
wird. Wenn das Jahr gerade ein solches war, wo die im Berge
schlafenden Feen, Riesen und der „wilde Alte' hervorkommen, urn
— 18 -
Volkskunde I, S. 403 ff.) fiber eine BroschUre des Giannini, die
unter dem Titel ,,L'Uomo Selvaggio" (Lucca, Giusti 1890) erschienen
ist und dies „traditionelle Motiv, das bei den mittelalterlichen
Novellisten beliebt war", also: „Der Stoff liegt in einer Legende,
die nach Nigra's Urteil sehr viel Slteren Ursprungs ist „Der
Wilde" — erzShlt man sich im Canavesischen — „unterwies unsere
Vorfahren, die ihn auf der Alpe als Sklaven hielten, in der Be
reitung von Butter und K2se und er hatte sie noch mancherlei
anderes gelehrt, wenn sie ihn nicht beleidigt batten, so dass er sie
verliess und von Niemandem mehr gesehen wurde".
„Und zwar entfernte er sich auf folgende Weise. Man hatte
ihm befohlen, die Kilhe auf einige Zeit zu weiden. Eines Tages
nun, als es sehr sttirmisch war, war er ganz erstarrt und seine
Haare strSubten sich im Winde, denn er war nackt und mit Haaren
bedeckt. Da sprach der Wilde:
Quand a pi6, pio, Wenn es regnet, regnet es,
Quand a fioca, fioca: Wenn es schneit, dann schneit es,
Ma quand a fa veint Aber wenn es windig ist,
A fa cativ teimp. Ist's ein boses Wetter.
Der Mensch nun, der am Eingang der AlphUtte sass, sah des
armen Wilden Haare sich strauben und lachte. Das verdross den
Wilden; aber noch ging er nicht. Eines Tages aber, als er zur
Sennhiitte kam, sah er den Menschen am Eingang sich auf seine
Finger blasen, urn sie zu erwarmen. Und er fragte ihn: „Warum
hauchst du deine Finger an?" Jener erwiderte: „Um sie zu er-
warmen". Als er nun in die Hatte eintrat, verteilte man an die
Leute die Suppe und der Mensch blies auf die Suppe, die doch
warm war. Da fragte der Wilde: „Warum blasest du denn
auf die Suppe?" Jener antwortete: „Um sie abzukahlen." Da
stand der Wilde auf und sprach: „Ich will nicht linger bei Leuten
bleiben, welche Warme und Kalte aus demselben Munde schicken."
Und er ward nicht wieder gesehen."
„Nun" — meint Menghini — „dieses gutmiitige, vielleicht
zu gutmiitige Wesen, das aber die alltaglichsten NaturphSnomene
in Besturzung gerat, und das ein anderes, ihm ahnliches Wesen,
das es aufnimmt oder vielmehr sich seiner bedient, fur etwas Ueber-
natarliches ansieht, kann wohl eine uralte, vielleicht prahistorische
Rasse darstellen, die von einer anderen, intelligenteren aberwunden
— 19 —
worden ist. Ich glaube daher nicht mit Giannini, dass die Legende
von einer Fabel des Aesop herrQhre, bei dem wir ihr zum ersten-
male in der geschriebenen Litteratur begegnen, wenn auch von Aesop
immerhin die mannigfachen Abzweigungen in den neu-lateinischen
Litteraturen herruhren mOgen. HOchst wahrscheinlich hat dann
Giannini recht, wenn er den Uomo selvaggio mit dem Unibove,
mit dem Marcolf, mit dem Berthold und Qberhaupt mit jenem
Cyclus von Traditionen, die von der Bauernschlauheit handeln,
zusammenstellt. Die verschiedenen Motive der Legende und der
Tochterlegenden, die sich im Laufe der Zeit aber ganz Europa
ausbreiteten, lassen sich in einem gemeinsamen Punkte vereinen,
als dessen Grundlage man die Absicht, den Dualismus zwischen
Vernunft und Unvernunft darzustellen, ansehen kann.
Dieses Thema ist nun weit alteren Ursprungs, und schon die
Thatsache, dass es sich mit nordischen und talmudischen Legenden
in Beziehung setzen lasst, beweisst, dass das Element der schrift-
lichen Ueberlieferung an einem gewissen Punkte aufhflrt, wo
dann die mundliche Tradition einsetzt, bis auch diese sich im
Dunkel vorgeschichtlicher Zeiten verliert . . . Der Wilde begegnet
uns ausser bei Aesop noch bei Avianus (Satyrus et Viator), bei
Erasmus, bei La Fontaine, und Spuren von einem „Wilden Menschen"
finden sich in alten toskanischen Versen, im Dittamondo von Fazio
degli Uberti, im verliebten Roland, in den dreizehn Nachten von
Straparola, in einem Faschingsliede u. s. w.
Dieser „wilde Alte" (vad oreg) heisst im magyarischen Volks-
glauben auch erdei csoda (Wald-Wunder) und wird als ein riesiger,
behaarter Mann von wildem Aussehen vorgestellt (I poly i, S. 107).
Er bewohnt die Gebirge und beschQtzt die Walder. Damit er die
Holzfaller bei ihrer Heimkehr nicht verfolge, so lassen letztere stets
ein gespaltenes Stock Holz fQr ihn zuruck. Wenn beim Holzfallen
jemand verunglOckt, sagt man: „Das Waldwunder hat ihn gebeutelt"
(az erdei csoda megrazta). Im Szeklerlande heisst es: Man soil in
der Neujahrsnacht einen ganz schwarzen Kater, der kein einziges
weisses Haar hat und der sieben Jahre alt ist, in einen Sack stecken
und damit, dreimal nach riickwarts schreitend, urn einen Berg
herumgehen, wobei man dreimal zu schreien hat: ,, Csoda, csoda,
csoda! erdei csoda !" Dann erscheint dieser Berggeist und fragt,
was man zu verkaufen habe. Man schleudert ihm nun den Sack
2»
— 16 —
sich einige Stunden lang zu ergehen, so fullen sie diesen Gliicks-
topf mit Gold an. Nur jedes siebente oder neunte Jahr kommen
sie hervor. Oft steckt man in diesen Topf, bevor man ihn vergrSbt,
Zettel, mit Wiinschen beschrieben, hinein Wenn man ihn dann
herausgrabt, so geht der Wunsch in ErfQllung, dessen Zettel man
zuerst herauszieht. Wie kommt nun dieser GlQckstopf in Ver-
bindung mit diesem Dialektwort rabonbdnozni (rabonbanisieren)?
Richard Ehrenberg in seinen Gliickstopf-Geschichten (in
Altona unter Schauenburgischer Herrschaft I I/I II. Altona 1891,
S. 54 ff.) bemerjct: „Wenn auch das Christentum sofort das Lose-
werfen Obernahm (Apostelg. 1, 26), so muss hier ein ungemein tief-
wurzelndes BedQrfnis zu Grunde liegen: das Bediirfnis, bei wichtigen
Handlungen und Vorgangen eines eigenen Entschlusses uberhoben
zu werden, vielmehr die Entscheidung einer hGheren Macht
zu uberlassen. Dementsprechend war das Losen stets ein feierlicher,
oft geradezu ein religi5ser Akt. Diesen Charakter hat es erst ab-
gestreift, seitdem es in der Hauptsache nur noch dem Spiele dient
und zwar der niedrigsten Art von Spielen, denjenigen, bei
welchen es auf Gelderwerb abgesehen ist. In solchen schnei-
denden Kontrasten offenbart sich ein ungeheurer Wandel der sitt-
lichen Anschauungen. Gewiss ist es kein Zufall, dass gerade das
15. Jahrhundert das Los vom Werkzeug des Orakels zu dem des
Hazardspieles degradiert hat, dieses Jahrhundert der Renaissance
und des Humanismus, das den Menschen von den starren Satzungen
mittelalterlicher Dogmatik losriss und ihm seinen freien Willen
wiederzugeben begann. Die ersten wirklichen Lotterien fanden
in Italien und Flandern statt. Urn die Mitte des 16. Jahrhunderts
waren Sie jedenfalls schon in ganz West- und Mitteleuropa stark
verbreitet. Am beliebtesten war diejenige Art Lotterie, welche
man als „Gl(lckstopf" zu bezeichnen pflegte, und die jetzt noch
so heisst indess nur noch hie und da auf JahrmSrkten tiblich ist.
Im 17. Jahrhundert war das anders. So wird von einem Gliickstopfe in
Erfurt berichtet, wobei die Gewinnste in Gegenwart der Ratsherren
von einem ,ungelahrten Knechte' gezogen wurden und sich auch
der Herzog Wilhelm von Weimar beteiligte, aber nichts gewann".
Mit den Lotterien mag dieser magyarische GlQckstopf wohl
nie etwas zu schaffen gehabt haben. Wohl aber mag man ihn
beim Losewerfen angewendet haben, wobei die Anfuhrer und Richter
— 21 —
wird von jedermann gemieden und nur beim Erkranken eines
Tieres aufgesucht, um sich bei ihm Rat zu holen.
Sagen und Marchen erzahlen von damonischen Wesen, die
oben auf GebirgshOhen hausen und die Gestalt von alten Weibern
haben. Ihre Augenbrauen sind lang und dicht und bestehen aus
Moos. Diese Wesen sind also mit den deutschen Moosfraulein
verwandt. Wer sich zu ihnen verirrt und sie nicht „Mutter" nennt,
den vernichten sie (s. Ipolyi, S. 106). Manche Gebirge stehen im Ruf,
dass sich in ihren Hohen ein Berggeist (hegyi szellem) aufhalte, der
den Wanderer durch sch5ne Weibergestalten , durch Ungeheuer,
Larm und Gesang in sein Gebiet lockt und treibt, wo er ihn dann
verzehrt, wenn er mit ihm nicht einen Bund schliesst und ihm seine
Seele verschreibt. Thut er dies, dann hilft ihm der Berggeist und
macht ihn reich. Auch dem Erbauer der Burg Lublo (Nordungarn),
dem Ritter Lublo, soil dieser Berggeist beim Bau der Burg geholfen
haben. Die Seele des Ritters ward durch das plGtzliche Erklingen
der Kirchenglocken im Augenblicke seines Verscheidens gerettet
(Ipolyi, S. ioy). Vom Tarnoer Berg im Tur6czer Komitat erzahlt
schon Bil (a. a. 0. 2, 330): „In montibus his petra exstat in altum
porecta, quam vulgo saxum diaboli vocitant, quod adversum sit,
hos, qui earn animi causa adscendunt subito horrore corripi, sicuti
fit ex spectrorum obtutu: quam ego rem nolim cacodaemonis adflatui
sicuti vulgus facit adscribere, potest id cum loci asperitas, turn
imprimis concepta de eius infamia, opinis efficere". Hier entspricht
das Wesen des Berggeistes mehr dem des Teufels und der Riesen
und solche Berggeistahnliche Gestalten sind die Wesen fanyovo
(Baumhachter), komorzsolo (SteinzerbrGckler), vasgyuro (Eisenkneter)
der MSrchen, die sieben Jahre lang an der Mutterbrust saugen und
dadurch eine Riesenkraft erlangen. Der eine hachelt die Baume
wie Hanf, der andere zerbrOckelt die Felsen, der dritte knetet Eisen
wie Teig. Wer sich im Gebirge zu ihnen verirrt, dem stehen sie
in der Bedrangnis bei. Auch die Wohnung der Teufel wird im
Volksglauben oft auf hohe Berge versetzt, wo die Teufel unter der
Oberhoheit ihrer Mutter ein recht gemutliches Familienleben fiihren
(Ipolyi S. 50). Irgendwo oben im Gebirge — heisst es im Kalota-
szeger Volksglauben — ist der oberste Zunftmeister der Teufel
(6rd5g5k czehmestere) an einen Felsen angeschmiedet; er heisst
daher auch nur lanczos (Kettiger) und eine Fluchformel lautet:
— 22 —
„Hundgegebener, vom Kettigen Erschaffener!" (Ebadta, lanczos
teremtette!) Ob nun diese Formel mit dem im Nordwesten Sieben-
biirgens verbreiteten magyarischen Volksglauben bezuglich des
Teufelsbundes zusammenhangt oder nicht, das wage ich nicht zu
entscheiden. Es heisst namlich, dass wer einen Bund mit dem
Teufel schliessen will, der gehe in der Georgi- oder Johannisnacht
mit einer schwarzen Hilndin auf einen Berg, grabe dieselbe
lebendig in die Erde ein, nachdem er vorher ihr einen Zettel an
den Hals gebunden, und dann rufe er dreimal: „Teufel, dir ge-
hflre ich!" Nun grabe er rasch die Hilndin aus und nehme den
Zettel von ihrem Halse. 1st die Schrift auf dem Zettel verwischt,
dann kann er hoffen, dass ihn demnSchst der Teufel besucht und
mit ihm in ein BOndnis eingeht. Auf den Zettel soil man mit dem
eigenen Blute schreiben: „Teufel, dir geh5re ich! Ich verleugne
Gott und bete dich an, so du deinem getreuen Diener hilfst. N. N."
(0rd5g, tied vagyok! Istent tagadom 6s teged imadlak, ha hiis6ges
szolgddon segitesz. N. N.) Am Georgstage dieses Jahres (1892)
kam der materiell herabgekommene Landmann Josef Kerekes aus
meinem Wohnorte Jegenye zu mir, damit ich ihm einen solchen
Zettel ausstelle. Der Teufel hat ihm nun insoweit geholfen (seiner
festen Ueberzeugung nach), dass er in einer Nachbargemeinde eine
sehr eintragliche Beschaftigung far das ganze Jahr erhalten hat.
Holzfaller pflegen, wenn sie langere Zeit hindurch im Gebirge
beschaftigt sind, hin und wieder auf Baume mit dem Beile ein
Kreuz zu schneiden, damit der Teufel ihnen kein Leid zufiige.
Mehr als dreissig steile, unwegsame Berge Siebenbtirgens sind
dem Volksglauben gemSss einst Wohnsitze der Riesen gewesen.
So der Oridsko (Riesenstein) bei Szotyor, die Riesenburg (6ridsok
vara) bei Kardcson-Falva, der Riesenberg (6ridshegy) bei Szent-
Gyorgy u a. Die Riesen verschwanden, als sie sich einem wol-
lilstigen Leben ergaben und schlafen nun zur Strafe im Innern der
Berge, bis ihre Erlasungsstunde schlagt. Jedes siebente oder auch
neunte Jahr kommen sie auf einen Augenblick aus dem Innern
der Berge hervor, urn sich „den Lauf der Welt anzusehen" (a vilag
folydsdt megpillantani).
Desgleichen thuen dem Volksglauben gemass auch die Feen
(tUnderek), die nun auch im Innern der Berge hausen, wo sie
frilher ihre Burgen und Palaste hatten. —
— 23 -
Ob nun einst bei den alten Magyaren vorwiegend ein Hahen-
kult geherrscht habe oder ob sie denselben sich erst nach ihrer
Niederlassung in ihrer jetzigen Heimat von Nachbarv5lkern an-
geeignet haben, das wird man wohl nie feststellen kOnnen; so viel
ist aus dem hier Mitgeteilten aber ersichtlich, dass das Volk noch
jetzt mit den Hahen in der Natur, die einst die Vorhallen der
Gfltterwohnungen waren, Ideen des Glaubens verbindet. Bei der
Untersuchung dieses Volksglaubens hat man aber W. Golther's
Worten gemSss (Arch. f. Anthrop. XX., S. 260), mit drei Haupt-
elementen zu rechnen: „mit der allgemein menschlichen Ver-
anlagung und mit den aus psychologischer Thatigkeit unwillkurlich
entstehenden Vorstellungen; mit einer frOher bestehenden Mythologie,
die das Ueberlieferte bereits im Keime in sich vereinigte, wie das
entschieden bei der arischen Sprachgemeinschaft gegeniiber der
Ueberlieferung der einzelnen indogermanischen Vfllker der Fall ist.
Mit wechselseitigen Entlehnungen spaterer Zeiten, wie insbesondere
z. B. bei den nordgermanischen Mythen. Im stetigen Lauf ununter-
brochener Entwickelung zerfliessen die Grenzen dieser Kategorien
oft gSnzlich, dass es uberaus schwierig ist, die verschiedenen Einzel-
bestandteile aus der Ueberlieferung, die ja meistens durchaus ein-
heitlich, als etwas Ganzes erscheint, richtig auszul5sen, ihre Her-
kunft zu bestimmen und eben dadurch auch ihr Zusammenwachsen
zu einer neuen Einheit, die uns vorliegt, befriedigend zu erklSren"
(vgl. mein Werk: „Aus dem innern Leben der Zigeuner", Berlin
1892, S. 73; s. meinen Aufsatz im „Globus" 1892).
II.
Festgebrauche.
Zweifelsohne miissen die Magyaren vor der Annahme des
Christentums eine sehr ausgebildete Naturreligion mit entsprechenden
Gottheiten und FestgebrSuchen besessen haben. Dafur sprechen
auch ihre heutigen Festgebrauche, die sich zum Teil an die Haupt-
feste der christlichen Kirche anschliessen, immerhin aber auf heid-
nischer Grundlage wurzeln. „Wir werden", sagt J. Lip pert
(Christent., Volksgl. u. Volksbrauch, S. 580), „wie im Volksglauben,
so auch im Volksbrauche auf zweierlei Wurzeln treffen : auf eine
christliche und eine ausserchristliche. Das Verhaltnis beider wird
von Fall zu Fall bestimmt werden mtissen. Es ware falsch, im
allgemeinen zu behaupten, dass das Christliche nur die Form for
eine vorchristliche Sache abgabe; denn wir wissen ja bereits, wie
sich wenigstens die Hauptfeste des Christentums: Ostern, Pfingsten,
Weihnachten, im engsten Anschlusse an dessen eigene Geschichte
entwickelt haben. Dagegen diirfen wir wohl erwarten, in der Feier
auch dieser Feste vorchristliche Formen wieder zu finden, und es
ist auch nicht ausgeschlossen, dass bei anderen Festen das Vor-
christliche das Wesentliche und die Form das Christliche daran
sein konnte. Die vorchristlichen Feste und Festzeiten konnen wir
uns weniger aus den sehr karglichen Berichten, als vielmehr aus
den Rudimenten der Sache und der wirtschaftlichen Lage, soweit
sie uns vorstellbar ist, vergegenwartigen."
Die eigentlichen Festgebrauche drehen sich urn Darbringung
von Opfern zur Versohnung oder Giinstigstimmung der Gottheit;
die bis zur Gegenwart zu Brauch bestehenden Opfer sind eben der
heidnische Grundstock dieser Festgebrauche. „Das Opfer und die
das Opfer einbegleitenden BeschwGrungen", schreibt F. S. Krauss
(Volksgl. u. rel. Brauch der Sadslaven, S. 164), „durch die man
— 25 —
able Ereignisse abzuwenden und glQckliche herbeizurufen strebt,
dienen durch die Beziehung, in welche sie zu den ubersinnlichen
Machten treten, auch zu Divinationszwecken. Als vorzuglich
geeignet dazu erscheint das Festopfer an hohen Feier-
tagen, wo die Gottheiten in gunstigster Stimmung sein
mQssen ob der vielen Erkenntlichkeitsbeweise der
Menschen. Die Wahrsagung aus Festopfern fusst auf der Ueber-
zeugung, dass die^eberirdischen in filrsorglicher Annerkennung der
ihnen erwiesenen Huldigungen und dargebrachten Gaben, mittelbar
durch besondere Zeichen auf den Gaben ihren Willen kundthun
und den Menschen helle Einblicke in die Gestaltung der zukQnftigen
Schicksale gewahren wollen .... Das Volk betreibt eben eine
Auguralwissenschaft, um „die Causalitat der Erscheinungen zu er-
forschen und alles, was mit den Sinnen wahrnehmbar ist, nach
dem etwaigen Einfluss auf sein eigenes Wohl und Wehe abzuwagen."
Nachdem die heutigen Festgebrauche der Magyaren zum
grOssten Teil auf alte Opferkulthandlungen zurQckgefOhrt werden
kflnnen, so mtissen wir auf die Opfer der alten heidnischen Magyaren
an dieser Stelle einen Ruckblick werfen, soweit dies uns die spar-
lichen Quellen gestatten.
Opfer heisst im Magyarischen dldozat\ Segen, Weihe = aldas;
Opfertrank = dldomas (victima, epulum sacrum), welche Ausdriicke
lpolyi (a. a. 0-, S. 522) aus der Verbalwurzel did, beziehungsweise
old = l5sen (solvit) herleitet. Auf Menschenopfer, dargebracht bei
wichtigen Angelegenheiten von allgemeinem Interesse, weist das
blutige Schwert hin, das, in das Opfer getaucht, von jedem der
Anwesenden beruhrt werden musste, damit das Schwert nicht gegen
sie sich kehre. Beim Betreten eines Landes wurden die Ersten,
welche das Land betreten sollten, durchs Los bestimmt und dann
dem Kriegsgotte geopfert, damit ihren nachfolgenden Genossen kein
Unheil im neuen Lande widerfahre (lpolyi, S. 524). So heisst es in
dem Chronicon Budense (herausgegeben von Podhracky, Ofen
1838; 37), dass als die Magyaren die Grenze des verheissenen
Pannoniens erreicht hatten, ihr HeerfUrst Almos in Siebenburgen
kurz vor dem Betreten des verheissenen Landes getotet wurde und
Arpdd an seine Stelle trat (Almus in patria Erdeel occisus est, non
enim potuit Pannoniam introire). Er musste sich an der Grenze,
angesichts des verheissenen Landes opfern, damit sein Volk in der
— 26 —
neuen Heimat glucklich werde (Ipolyi, S. 524). So wurden auch
auf Attilas, Bulcsus und Lehels Grabern Sklaven und Kriegs-
gefangene geopfert. Bis zum Bediirfnisse der L6sung des Menschen-
opfers waren die alten Magyaren wohl schon vor der Christiani-
sierung durch ihren fortwahrenden Verkehr mit Christen gekommen,
obwohl auch bei ihnen der Glaube an die Suhnverpflichtung noch
viel machtiger war als die Entwicklung ihres GefOhlslebens. Das
Menschenopfer l5ste das Kindesopfer ab, das noch in zahlreichen
Einmauerungssagen seinen Nachhall findet, und schliesslich traten
die Tieropfer, welche von jeher beim Volke in Brauch standen, in
den Vordergrund. Besonders wurden Pferde geopfert, von denen
dann das Volk einen Teil ass und das Blut trank. Der Anonyme
Notarius des Kflnigs Bela (de gest. hungar. 16) schreibt: „More
paganismo occiso equo pinguissimo magnum dldamds fecerunt".
Ferner: carnes equinas comedunt, equinum . . . sanguinem bibunt"
(de fact. Ung. Magn. Endl. mon. 252). PferdekOpfe werden auch
heutzutage auf Zaune und Gebaude gesteckt, damit Hexen und
Seuchen fern gehalten werden. Besonders ist dies Brauch bei den
Szeklern, die spottweise auch „rosskGpfige (16fejii) Szekler" ge-
nannt werden (s. Abschnitt I S. 9). Neben den Rossopfern standen
auch die Rindopfer in Brauch, die in den Rindssteuern der alten
Szekler noch lange nach EinfQhrung des Christentums ihren Nach-
hall fanden. Bei der Geburt, der Trauung oder Krftnung eines
Regenten mussten die Szekler als Steuer Rindvieh liefern (Ipolyi,
S. 526). Neben anderen Tieren wurden sogar Hunde und WGlfe
geopfert. „Carnes . . . lupinas et huiusmodi comedunt" (End-
licher, Monum, 252). Dass daneben oder vielleicht gar in noch
grflsserem Maasse und in grOsserer Menge Friichte, Blumen, Mehl,
Honig und dergleichen geopfert wurden, ist selbstverstandlich. Und
gerade diese Opfer kommen mehr oder weniger auch bei den
heutigen FestgebrSuchen in Anwendung.
Die Opfer far den Hausstand werden vorzugsweise urn die
Zeit der winterlichen Jahreswende dargebracht, wobei man un-
blutige, d. h. Feld- und Fruchtopfer, und blutige Tieropfer zu
unterscheiden hat. Auch bei den Magyaren haben wir es nicht
mit einem Weihnachtsfest, sondern mit einer Festzeit zu thun,
die auch bei diesem Volke mehr durch die kirchliche, als durch
die Volkstradition gerade auf zw5lf Tage, beziehungsweise drei-
— 27 —
zehn Nachte festgestellt wurde. ,,In dem Grade, als der dilstere
Winter auch die schaurigen Vorstellungen begiinstigt, scheint sich
gerade um diese Zeit alles, was die Phantasie einmal geschaffen,
conserviert zu haben" (Lippert). Vor allem verlangen die Geister,
dass der Mensch ihnen zu Liebe feiere. Man darf in dieser Zeit
keine wichtigen Arbeiten verrichten ; man darf nicht spinnen, sonst
spinnt man sich das Totenhemd fur das nachste Jahr. Man darf
nicht scheuern, fegen, backen oder waschen, mit Ausnahme des
Weihnachtvortages. Wer in dieser Zeit einen Apfel oder eine Nuss
vom Erdboden aufhebt, bekommt einen bflsartigen Ausschlag. Wer
am Christabend Nflsse oder Honig isst, dem fallen die Zahne aus,
und wer an diesem Abend ein StOckchen Knoblauch mit Honig
nicht isst, der wird an Halsweh leiden. Zu dieser Zeit soil man
nicht auf ein Zwirnknauel am Wege treten , sonst wird man aus-
satzig. (Varga, Babondk konyve = Buch d. Abergl., S. 182). Dies
geschieht alles der um diese Zeit besonders machtigen Geister
willen. Eine for das Volksleben bedeutsame Arbeit darf und soil
man aber in der Christwoche verrichten, das ist das Schweine-
schlachten, wozu Verwandte und Freunde geladen werden. Solche
Gasterei heisst diszno-tor (Schweinegedenkmahl). Tor heisst das
Totenmahl, das nach der Beerdigung der Leiche zu Ehren und
Gedachtnis des Toten von dessen Hinterbliebenen veranstaltet wird.
Der Ausdruck tor stammt wohl von torol (rOgen, rachen) ab und
bezeichnete in uralter Zeit ein Mahl, dass nach genommener blutiger
Rache far den Tod eines Mitgliedes vom betreffenden Stamme ge-
feiert wurde. Um einen Begriff von den Totenmahlen selbst in
christlicher Zeit zu haben, fiihre ich nur Stellen aus zwei alten
magyarischen Geschichtsschreibern an; Fejer (rel. a. hung. int. 19)
schreibt: „Funestum epulum vulgo tor, exequialis sacrificii compl£-
mentum, usu venit; quo hilare vinum cum lachrimys bibitur: non
ita dudum quod Franciscus C. Kdrolyi, patri suo Alexandro, patriae
columini insta persoluturus, facile ter mille concitos, summae
mediaeque conditionis homines, sumtuosissimis dapibus pavit. Caesi
autem 45 boves praepingues; vituli centum, ac longe plures arietes,
tercentum; adde avium ferarumque multitudinen insanam. Ita is
ritu prisco parentandum duxit." Der Geschichtsschreiber Bel
(not. 4. 28) schreibt: „Funebres epulas vocabant tor: quae vox
hodieque in usu est. Meminimus pueris nobis, emortuali istius-
— 28 —
modi convivio, mediocrium fortunarum nobilis viri, boves duos,
vitulos complures, porcorum et altilium insignem numerum, vini
praeterea dolia aliquot consumta fuisse. At si funus sit in gente
upimiore, et cum priscae nobilitatis, turn dignitatum praerogativa
insigni, viginti subinde boves, vitulorum, porcorum, ferarum item,
altilium et avium silvestrium, innumera propemodum multitudo, in
hos adparatus insumitur. Tale silicernium illud fuit, quod Lon-
soncini, ante hoc sexennium, in funebri pompa, Pauli R£day vidua
et filii dederunt". Dergleichen Tor waren noch bis zur Mitte dieses
Jahrhunderts — wenigstens was das Essen und Trinken, sowie die
Menge desselben anbelangt — gebrauchlich. Das Schwein spielte
beim Totenmahle die Hauptrolle. In alteren Zeiten waren diese
Totenmahle mit Lustbarkeiten verbunden, die heute eben nur beim
Fest des Schweineschlachtens zur Geltung kommen. Eine solche
Lustbarkeit bei Gelegenheit des Tor beschreibt der Verfasser des
„ungarischen Simplicissimus", die wir hier zum leichteren Ver
standnis der folgenden Schweineschlachtungsbrauche mitteilen wollen :
(v. S. 189 Kap. 29: „Was Simplicissimus auf dem Land und in
den Stadten bei ungrischen Leichen gesehen"): „Nach diesem kam
ich mit meinem Herrn einsmal auf eine landesherrliche Leichen-
begangnus. Da wurde zuletzt getanzt, doch nur ganz traurige und
mit Weinen halbfrdhliche Tanz, wozu etliche Klagweiber sungen
und weinten. Ueber eine Weil kam ein Herr und begehrte von
seinem windischen Spielmann den tri sto bdow Tanz, auf deutsch
der 300 Wittfrauen Tanz. Dieses war mir etwas sonderbares zu
horen, wozu dann auch gesungen und geweinet unter dem Tanz
wurde. Das war visirlich zu sehen und zu horen, kam mir fast
auf heidnische Art vor. — Des abends fragte ich beim Essen
den Spielmann oder ungarischen Musikanten, sollte ich sagen
(der zu jedem Gericht oder Traktament seine besondere Nota oder
Sonata zu spielen wusste, als zum Sauerkraut die Sauerkraut-Sonat,
die Huss-Sonat [hus = Fleisch] zur Gans, die Petzina-Sonat [pe-
csenye = Braten] oder Nota zum Braten und consequenter auf jede
Tracht ein besondere Sonat), woher dieser Tanz der 300 Witt-
frauen seinen Namen? — Der gab mir folgenden Bericht: Als ein
hochberQhmter und beliebter Hof- und Cammermusikus mit seinem
Herrn Cameraden, dem Bockpfeiffer, wie das einsmal bei der gold-
und silberreichen siebenbiirgischen Grenzstadt Niatbany oder
— 29 —
Nagybania (N. - banya) viel Schachte im Bergwerk eingestiirzt
und etliche hundert Manner in der Erd erschlagen, wodurch
joo Wittfrauen sind gemacht worden. Darauf habe ein sieben-
bOrgischer Furst, der dieses Bergwerk besessen und eben damals
in Loco gewesen, die verwittibte Frauen nebst alien andern Berg-
werksbedienten gastiret und ihnen Rausche anhenken lassen, aber
dabei verhehlet, dass ihre Manner todt waren. Bis endlichen er
sie alle 300 auf einmal zum Tanzen bracht, und unter solchen
seinen Herren GSsten als Magnaten er6ffnet und gesagt: Ihr Herren
das ist ein rarer Tanz, und werdet euer Lebtag nicht 300 Witt-
frauen auf einmal so lustig und tanzen gesehen haben, als ihr bereits
sehet. Worauf ein gross Heulen und Weinen sich erhoben, weil
sie vernommen, dass ihre Manner durch den Einsturz des Berg-
werks urns Leben kommen. Er hat ihnen aber Getrost zusprechen
lassen, in Kurzem sie wieder alle auf einmal verheirathen, und mit
Geschenken von sich gelassen. Solches ist nun in Ober-Ungarn
ganz kllndig und keine Fabel. — Sonsten habe ich auch in jeder
ungarischen Stadt bei einer Leich einen sonderbaren
Tanz gesehen. Da legte sich einer mitten in die Stuben,
streckte Hand und Ftiss von einander, das Angesicht war ihm mit
einem Schnupftuch verdeckt, er lag da und regte sich gar nit. Da
hiess man den Spielmann den Todten-Tanz mit dem Bockpfeiffer
machen. Sobald dieser anhub, gingen etliche Manns- und Weibs-
personen singend und halb weinend urn diesen liegenden Kerl,
legten ihm die Hande zusammen auf die Brust, banden ihm die
Fuss, legten ihn bald auf den Bauch, bald auf den Rucken, und
trieben allerhand Spiel mit ihme, richteten auch solchen nach und
nach auf und tanzten mit ihm; welcher gar abscheulich zuzusehen,
weil sich dieser Kerl im Geringsten nit regte, sondern eben wie
sie ihme die Glieder richteten, also gleichsam erstarrt dastund.
Und habe solches abscheuliche Spiel auch auf den Hochzeiten
gleichsam als eine Recreation oder Fastnachtspiel practiciren ge-
sehen, bin aber sicher berichtet worden, dass einsmal Gott einen
solchen Spieler gestraft und der, so der Todte sein sollen, wahr-
haftig gestorben und todt liegen geblieben".
Was den eingangs dieses Berichtes erwahnten tri sto bdow
(wdow) Tanz anbelangt, so ist dabei an einen slavischen Ursprung
dieses Tanzes nicht zu denken, nachdem Nagybdnya von jeher eine
— 30 -
reinmagyarische Bevolkerung hatte. For uns hat der im zweiten
Teile des Berichtes erwahnte Totentanz, der schon damals auch
bei Hochzeiten aufgefiihrt wurde und seine ursprtingliche Bestim-
mung bereits zu verlieren begann, mehr Bedeutung, weil derselbe
heutzutage nur noch in einigen Gegenden SiebenbfJrgens bei Ge-
legenheit des Schweineschlachtens aufgefiihrt wird. Nach dem
Mahle beginnt der Tanz, der dadurch eroffnet wird, dass sich der
jllngste Ehemann auf den Fussboden und zwar auf den Bauch
gekehrt und ausgestreckt niederlegl. Er darf kein died rilhren und
muss starr daliegen, wan rend die Hausfrau auf einem grossen Teller
den gesottenen oder gebratenen, mit Tannengezweig und Immer-
grdn umwundenen Schweinskopf ihm auf das Hinterhaupt setzt,
worauf die Gesellschaft ihn wild stampfend und jubelnd umtanzt.
Fall t der Teller dabei von seinem Haupte, so gibt dem daliegenden
Gcnossen jeder der GSste einige Hiebe, „damit er im Leben so
vk'l Schweine schlachte, als er Hiebe bei dieserGelegenheit erhalt".
Wflhrend des Tanzes erscheinen erwachsene Knaben unter dem
1'Vnster und machen mit Bratspiessen da draussen so lange Larm,
his in iin thncn eine Wurst zum Fenster hinauswirft (Reso Ensel
N„ Mugyarorszigi n^pszokdsok = Ung. Volksgebr. 1867; S. 337).
Dun Schwein, welches man in dieser Festzeit schlachtet, war
itiuli bei den Magyaren, sowie bei den Stidslaven der Bock oder
dim Nrliaf (s. Krauss a. a. 0. S 166}, ursprUnglich das Opfer zur
I'fliT tier Jahrcswende. Fur diese Auffassung spricht der in vielen
Grut'iulfii, bi'sonders im sudlichen Teile des Landes noch gegen-
wilillH lirri'HCJirnde Brauch des Wahrsagens aus dem abgeschalten
Ntlmllci'Miittt* des Fcstbratens. Haben sich mit Tagesanbruch die
tiililn rilllrrilt, so nimmt der Hausherr das Schulterblatt und wirft
CI 1111 I'Viirr, wo es so lange liegen bleibt, bis seine ganze Ober-
lliii lit 1 hi'liwurv. Kcbrannt ist. Dann wird das Schulterblatt hervor-
lli'liull mill mum scinen Rissen und Spriingen, die es im Feuer
I'llliilli'll lull, Hill kommendes GlUck oder Ungliick prophezeit. Hat
\<n vli'U' hliitlKt' Krhbhungen, so wird der Hausstand vom GlUck
I'i'lllliiMlHl wrlilfin hat er aber viele Risse und Spriinge, so steht
. 1... I I \Uu,\i\,l hei/nr Oft wShlt sich am Krhiilt*>rkn<vhf>n
— 31 —
nach den Rissen, Sprdngen und Erhahungen, die sich auf „seiner
Stelle" befinden , auf sein eigenes specielles Gluck oder UnglQck.
Nach geschehener Inspektion des Schulterknochens wird derselbe
samt den unbrauchbaren Abfallen des Schweines (Borsten, Klauen,
Gedarmstucke u. dgl.) an einen Baum geschQttet, damit der Haus-
stand (hiztdj = Hausgegend) „wie der Baum erstarke". In diesem
Schweineschlachtenfest der Magyaren finden wir einen neuen Beweis
fQr den „conservativen Zug, der den Volksbrauch kennzeichnet",
dessen Entstehung wir uns nur so vergegenwartigen kOnnen, „wenn
wir der Zeit nach h5her hinaufgreifen, als die Geschichte uns zu
fuhren vermag". Wenn wir den Uebergang vom Nomadentum zur
Ackerwirtschaft, in welchem auch die Magyaren bekannterweise in
den ersten Jahrhunderten ihres Auftretens sich befanden, „und das
stetige Fortschreiten von ersterem zu vOlligem Siege des letzteren
vor uns sehen, so erscheint die Annahme ganz berechtigt, dass sie
in einer frQheren Zeit mit noch mehr Ausschliesslichkeit Nomaden
waren, und dann erst allmahlich der Feldbau, zunachst nur unter
geringschatziger Duldung, sich Eingang verschaffte. Unter diesen
Umstanden wird man die altesten Quellen der Lebensgewohnheiten
schon im Nomadentum zu suchen haben" (Lip pert). Daher ist
auch dem BQrger in der Stadt das Schweineschlachten die wichtigste
Wirtschaftsunterlage, wenn auch derselben langst der ursprilngliche
Boden des Nomadentums entzogen ist. An eine Entlehnung dieses
Brauches kann bei den Magyaren nicht gedacht werden, sonst
wilrde das Volk nicht mit so grosser Lebenszahigkeit an diesem
Brauch als einem Rest des alten Nomadenlebens hangen. In
Gegenden, wo viele Schweine geziichtet werden, kommen die Leute
auf dem Weideplatz der Schweine zusammen und schlagen dieselben
mit Knitteln nieder, worauf sie dann auf bander- und tiicher-
verzierten Tragbahren nach Hause geschafft werden und das ganze
Dorf am allgemeinen Festmahl teilnimmt. Dies Fest heisst „artany
leveres" (Eber-Niederschlagen), wozu gewOhnlich nur Frischlinge
erwahlt werden; daher der Ausdruck „verO malacz" = geschlagenes
Ferkel (Spanferkel). Dagegen scheint der Brauch der FrUchte-
-abkochung am Christabend, der besonders in Sudungarn vorherrscht,
sOdslavischen Ursprungs zu sein (s. F. S. Krauss, S. 165). Ein
Topf wird mit FeldfrQchten Qbers Feuer gesetzt und uber Nacht
dort gelassen. Ist in der FrQhe der Brei gequollen und erhoben,
— 32 —
so erwartet man ein gesegneies Jahr; zeigi die Oberflache des Breis
Risse und Spriinge, so bedeutet dies Ungliick fiir den Hausstand.
Der Brei wird dem Geflugel gegeben, damit es wachse und gedeihe
und das bevorstehende Unhei! verzehre. In vielen Gegenden ist
es Branch, einige Tage vor dem Weihnachtsfest in ein erdgefiilltes
Gefass Weizen zu saen, der bis zum Christabend keimt und empor-
spriesst und dann dem Vieh an diesem Abend zu fressen gegeben
wird, wie denn die Haustiere gerade um diese Zeit ganz besonders
gehegt und gepflegt werden , weil sie leicht um jene Zeit behext,
d. h. von Geistern gescha*digt werden konnen. Das Kreuz, das
mit schwarzer Kreide an die Stallthure gezeichnet wird, erneuert
man, ebenso das Brandzeichen des Hufeisens an der Thflre brennt
man mit einem glilhendcn Hufeisen aufs neue; der in einen Pfosten
gesteckte Knoblauch wird durch ein frisches Hauptchen ersetzt und
Tannenzweige werden hie und da zwischen die Balkenfugen ge-
steckt. „In diesem Behexungsglauben steckt eigentlich wieder
nichts, als die uralte Anschauung, dass jede Krankheitsursache nur
als ein Geistwesen in Menschen und Tiere eindringen konne; erst
als man den Begriff ,,Hexe" so roh verunstaltete, verlor auch die
Vorsiellung des Behexens ihre Klarheit". Die Tiere sprechen um
diese Zeiten mit den Seelen ihrer verstorbenen friiheren Besitzer
oder den Seelen der verstorbenen Eltern, Verwandten des Besitzers
und klagen ihnen ihr Leid, das diese dann Gott mitteilen. Selten
wird das „Christkindlein" erwShnt, das bei Tier und Mensch seinen
Umzug halt; ebenso beginnt der „Christbaum" erst in neuerer
Zeit unter dem Volke allgemeine Verbreitung zu finden. Daneben
aber halt man den alten Brauch auf dem Lande noch bei, indem
i Tisch am Christabend ein krippenartiges, mit Heu
ell aufstellt, in das man Feldfruchte und Geschenke
igenossen legt. Heu und Getreide wird dann am
:enden Haustieren gegeben (Varga, S. 181}. In einigen
:benbiirgens begiesst der magyarische Hausherr sein
n „heiligen Johanniswein", mit einigen Tropfen des
an diesem Abend getrunken wird. Dieser Johannis-
linne- oder Johannistrank der Deutschen, der aus
mch der Siebenburger Sachsen zu den Magyaren
men ist und einst bei KaufvertrSgen als „Kauftrunk"
nis; magyarisch: aldomas) eine grosse Rolle spielte
— 33 —
(Ipolyi, S. 529). So heisst es in einer alten Urkunde (1424 cod.
dipl. 10. 6. 628): „Huic autem venditioni seu victimae bibitionis
(dldomds) interfuerunt probi viri videlicet Johannes"; und der Landtag
zu Torda erwahnt in einem Erlass vom Jahre 1545 (Deserici init.
et maj. 6. 160): ,,In emptionibus equorum, bourn et aliarum qua-
rumque rerum is modus observari debet, ut si quis in foro vel
alio aliquo loco et tempore cesserit aliquid, emptor ille coram probis
et honestis illius civitatis vel villae hominibus, ubi emptio facta est,
poculum s. Johannis, quod lingua vernacula dldomds vocare con-
sueverunt, in signum iustae emptionis dare debeat. Si qua vero
controversia emptori de rebus emptis contigerit, veram emptionem
testimonia illorum hominum, qui poculo s. Johannis interfuerunt
verificare debeat". Der Ausdruck dldomds ist aus dem Magyarischen
ins Siebenbiirgisch-Sachsische (aldemesch) und ins Slavische (oldomds)
ubergegangen. Gegen solche festliche Aldomas-Zechereien, besonders
in dieser Festzeit, eifert schon ein alter Synod ialerlass (synod, strigon.
prior 47 — 8 Endlicher, Mon.): „Si quis presbyter in convivio vel
kalendis cogentes ad potum viderit arguat eos. Et si eum
non audierint, ipse exeat et archidiacono eos accuset. Si quis de
nobilibus ad potum coegerit (dldomds) vel coactus fuerit, inebriatus
40 dies poeniteat. Si vero in hoc perseveraverit, excommunicetur."
Hier kehrt sich die Kirche nicht so sehr gegen die Trunksucht,
als vielmehr gegen den Brauch selbst, in welchem sie mil Recht
eine heidnische Reminiscenz erblickte.
Mit dem erwahnten „Wein des hi. Johannes" begiesst man
noch in einigen Gegenden Nordsiebenbttrgens die aufbewahrten
Eingeweide des Tieres, das den Festbraten des Mahles am Christ-
abend geliefert hat und prophezeit dann am nSchsten Tage aus der
Lage, den Runzeln u. s. w. derselben auf baldige Verehelichung
der heiratsfahigen Mitglieder des Hausstandes. Die Inspektion der
Eingeweide finden wir in den altesten Geschichtsquellen erwahnt.
Tur6czi (Chron. hung 1. 15) schreibt: „Universos aruspices et
divinatores, quos . . . magna futurarum rerum dicendi pro spe
secum deferebat ad se vocari jussit . . . illi quidem extis pecorum,
ut barbarorum erat consuetudo, perspectis . . ." Noch deutlicher
spricht sich dariiber Jornandes (hist. goth. 34) aus: „Nunc
pecorum fibras, nunc quasdam venas in abrasis ossibus intuentes
Hunnis infausta denuntiant."
3
— 34 —
Far den Liebeszwang ist gerade diese Festzeit am geeig-
netsten. Urn diese Zeit soil die Maid Mehl und Honig stehlen,
daraus einen Kuchen backen, denselben eine Nacht hindurch bei
sich im Bette halten und dann dem Geliebten zu essen geben. Er
wird nimmer von ihr lassen. Oder sie mische in das GetrSnk des
Geliebten zu Staub gebrannte Haare ihres Kopfes oder werfe in
der Christnacht ungesehen ihre eigene ausgegrabene Fusspur in
den Hof des Geliebten und er wird von ihr nimmer lassen kGnnen.
Der „Christklotz" ist auch in einigen Gegenden den Magyaren
bekannt. Am Vortage des Weihnachtsfestes bringt das Gesinde
einen Holzklotz in die Stube, welchen der Hausherr ans Feuer
legt und spricht: „Guten Tag, gesegnet sei dir Christi Geburtstag!"
(J6 napot, aldott legyen neked Krisztus szUletesenek napja.) Dann
bringt die Hausfrau einen Strohbund herein, wirft einen Teil davon
auf den Klotz, den anderen Teil des Strohs streut sie aber auf
den Fussboden, kauert sich nieder und wShrend sie von ihren
Kindern unter allgemeinem Gelachter umhupft wird, ahmt sie die
Gluckhenne nach. Von diesem Stroh wird etwas versorgt und bei
Gelegenheit unter die Bruthennen gelegt. Mit der Asche dieses
Klotzes werden die Obstbaume bestreut, damit sie reichlich FrUchte
tragen. Von dieser Asche streut man auch etwas unter das Vieh,
damit es das Jahr iiber von Seuchen verschont bleibe. Ein Stilckchen
Holz von diesem Klotze muss sich auch in dem sogenannten
„Lucienstuhle" (Luczasz6ke) befinden, mit dessen Hilfe man die
Hexen sehen kann (s. Abschnitt I. S. 10). Egge und Pflug darf man
in dieser Zeit nicht im Freien lassen, denn die Hexen urinieren
darauf und die Saat missrat dann. Weihnacht und Neujahr sind
zwei der Nachte, die man bis zum mitternachtlichen Kirchen-
gelaute durchwachen muss, denn die Geister gehen urn, die oft in
dieser Zeit zu nachtlichen Messen in irgend einem Hause, wo alle
Leute schlafen, zusammenkommen. Wahrend dieser ganzen Fest-
zeit soil man nachts in der Stube zwei Kehrbesen kreuzweise vor
der Thiire ilbereinander legen, damit die Geister keinen Unfug
treiben kannen. Der Weihnachtstisch darf nicht abgeraumt werden,
sondern es miissen die Speisereste und Essgerate bis zum Morgen
des Christtages dort liegen bleiben, „damit auch die Geister ihren
Anteil am Mahle haben sollen". Bettler soil man in dieser Zeit
unbeschenkt nicht von dannen ziehen lassen, sonst nehmen sie den
— 35 —
Segen mit sich. Ebenso muss man die Knaben und Burschen, die
mit dem Christuskindlein in der Krippe von Haus zu Haus ziehen,
nach Umstanden reichlich beschenken. Bethlenjdrds = B.-Gang
heisst dieser Umzug mit der Krippe; in manchen Gegenden heisst
er koledajdrds, welchen Ausdruck I poly i (S. 529 Anm.) mit dem
Magyarischen kalandor (Abenteurer) und koldus (Bettler) in Ver-
bindung bringt. Treten diese „Bethleniten i< (Bethlemesek) in ein
Haus ein, so ftihren sie gewfthnlich ein dramatisches Krippen-
spiel auf. Eine Unzahl solcher Spiele kennt das magyarische
Volk. An dieser Stelle will ich ein Spiel als Muster in genauer
Obersetzung mitteilen. Der Originaltext ist in der Zeitschrift der
ungar. ethnologischen Gesellschaft „Ethnographia" (II. S. 388) ver-
affentlicht worden. Die Personen sind die folgenden: Fedor, Titere
und Gubu, Schafer; ein alter Oberhirte; ein Engel. Sie singen
draussen im Chor: „Zum Jesus, dem Kleinen, Ihr Seelen eilet,
Kommt alle, Sprechet: Salve, salve! Denn erfreulich ist seine
heilige Geburt. Zum Jesus, dem Kleinen, Ihr Seelen eilet."
Nun wird die Krippe in die Stube getragen und der Engel
spricht :
„Hast du, Kamerad, solche Dinge geh&rt, welche der himm-
lische Bote gesprochen hat: Dass geboren ist Jesus zu Bethlehem,
Jesus unser Erlaser in menschlichem Leib.' 4 Der Engel klingelt,
worauf Fedor spricht: „Gelobt sei Jesus Christ, gebe Gott guten
Abend. Wohin denn kam ich hin, wohin schleppt ich meine
muden Fttsse; jenseits der hohen Berge war ich, von meinen
Hirtenkameraden bin ich zuruckgeblieben, also verirrten sich meiner
Herde Schafe, ohne Hirten sind meine Lammer. In Trauer des-
halb bias' ich meine Hirtenweise. Glaube, dass ich finde meine
lieben Freunde."
Dann spricht er: „Meine Freunde, Kameraden, meine Schafe,
meine Herden, ihr seid zuruckgeblieben, habt mich verlassen. Titere,
Titere, mein lieber, guter Freund (T. tritt ein). Weiss, du hast keine
Sorge, bitteren Kummer, auf Berg, in Thai unterhaltst du dich,
ich weiss, auf sch&nem Weidegrund in munterem Buchenschatten."
Titere: „Guten Abend, Fedor mein Freund! Ich h6re deine
Klagen, deine traurigen Hirtenweisen, du qu^Llst dich, du bekUm-
merst dich, weil du dich verirrt hast, vielleicht hast du auch was
von deiner Herde verloren, oder ist sie der Wolfe Beute geworden."
— 36 -
Fed or: ,,38 Jahre, 36 Tage lebte ich als Hirte viele frohe
Stunden; Berge, Thaler, muntere Auen durchzog ich; Wildziegen-
bflcke, Hirsche habe ich gesehen; Wolfe, Baren hab' ich in Scharen
beobachtet, vor dem wilden Eber nicht erzitterte ich. Aber als
bei meiner Herde, vor meijier Htitt' ich ruhte und des Himmels
Thore, Fenster sich Gffneten, Krachen, Rasseln, machtiges Blitzen
vernehmbar ward in den Thalern, da aus meinem Schlafe rannte
ich aus Wald in Wald und gelangte also her."
Titere: „Erschrick nicht, erbebe nicht, mein Kamerade Fedor,
dein Schlaf ist nicht dein Schaden; dies dein Trost: vorhanden
sind deine Herden, deine schdnen Milchlammer, Gubu lasst sie
weiden auf Berg und Thai, bei schGnen klaren Gewassern."
Fedor: „Gut ist's, Titere, Kamerade. Weg damit aus dem
Herzen! Unterhalten wir uns nun nach Lust, blasen wir auf
unserem Dudelsack, sagen wir her unsere Weise, bewegen wir
unsere Beine, unsere miiden Sohlen!"
Der alte Oberhirte: „Also ihr trinkt, esst und betrugt
(mich) Alten also?!"
Fedor: Wir haben es von dir gelernt, Vaterchen!
Alter: Lang her war's, mein Sohn.
Fedor: Jetzt ist's, Vaterchen! Salus, Alter!
Alter: Trink, mein Sohn!
Fedor: Dr . . . dir, Alter!
Alter: Mag ihn der Junge fressen.
Fedor: Dreh' dich hin ins Finstere, damit du nicht nach
Lust trinken kannst
Alter: Lieber hin ins Helle, damit ich des Schlauches Spund
besser sehe und mehr trinken kann.
Fedor: Kannst du hungrig, durstig tanzen?
Alter: Ich will's probieren.
(Sie tanzen und singen:)
Auf Kameraden, unterhalten wir uns, lustige Lieder singen wir,
trOsten wir uns, nicht schonen wir unsere Sohlen. Bias' deine
Flate, Titere, Fedor, deinen Dudelsack uns zur Lust, nun nach Lust
unterhalten wir uns. Hipp, hopp!
Fedor* Leg' dich, Alter, unter das gut gemachte Bett.
Alter: Lieber hin aufs Bett.
Titere: Leg dich, Freund Fedor, auf ihn,driick' niederden Alten!
— 37 —
Der En gel (dreimal): Gloria in excelsis Deo!
A lie: Erhebet euch, Hirten, Freude verkiinde ich euch, denn
euch ist geboren, der da prophezeit worden ist, aus dem Leibe
einer Jungfrau, jungfraulich aus jungfrSulichem Blut, unser ErlGser
Jesus. Alle, Alleluja! Aber leer gehen wir nicht, Geschenke tragen
wir, ein schOnes, kraushaariges Lamm, weissgeflecktes Zicklein und
frische Butter, und zarten K&se. Lasst uns bringen dem Jesus. Alle,
Alleluja!
Fed or (tritt zur Krippe): Ich hab' ein krauses Lamm gebracht.
Titere: Ich habe Butter gebracht. f
Gubu: Ich habe zarten Kase gebracht.
(Fedor bleibt bei der Krippe, T. und G. holen den Alten ab,
der hinter der Thiire kauert:
Komm' Alter, nach Bethlehem !
Alter: Ich gehe nicht in eine kranke Kuh! (Wortspiel.
Magyarisch: Nem megyek beteg teh6nbe = Bethlehembe
(nach B.) . .
Gubu, Titere: „Komnr Alter, nach Bethlehem!"
Alter: „Ich getrau' mich nicht, denn sie frisst mich."
Titere: „Frisst sie dich, so schiesst sie dich bald heraus."
(Sie schleppen den Alten zur Krippe.)
Fedor (zum Alten): „Was hast du dem kleinen Jesus gebracht?"
Alter: „Gold, Weihrauch, Myrrhen [mirhdt)"
Fedor: „Was? eine Tabakspfeife (pipdt)} Der kleine Jesus
braucht ja keine Pfeife."
Alter: „Gold, Weihrauch, Myrrhen (mirhdt)/ 1
Fedor: „Was?FellstUckchen (nyirkdt)} Er ist jakeinKiirschner!"
Alter: „Gold, Weihrauch, Myrrhen."
Fedor: „Na, jetzt verstehen wir dich, Alter."
(Sie umkreisen die Krippe und singen:)
„0 kleiner Jesus, Deinen Trost, Deinen Segen reich' dem
Herrn dieses Hauses. Er schlaft, ruht in Windeln, in kalter Krippe
auf Heu liegt er. Er liegt in keinem Bett, noch in einem Palast,
sondern in einer Krippe, in schmutzigem Stalle. — Wenn jemand
lustig lebt, so lebt der Schafer also, im Wald, im Feld, mit Pfeife,
Dudelsack, Fl5te schweift er umher. — Ausserhalb der Stadt, nicht
weit, ist ein kleiner Stall, zwischen dem Vieh liegt er, auf trockenem
Heu ruht er, neben seiner jungfraulichen Mutter. (Fedor und
— 38 —
Titere singen:) Auf der Flur, auf der Au, ist's gut zu leben, ist's
gut zu leben, mit dem Gubu, mit Titere zu tanzen, zu tanzen.
Den Schlauch des (N. N. Hausherrn) kreisen zu lassen, in lustigem
Lied hipp, hopp zu sagen.
Fed or: „Hipp, hopp!" (Gubu nahert sich.)
Gubu: „Guten Abend, meine Lieben! Fedor und Titere,
wie habt ihr euch entfernt, habt mich mit dem alten Vaterchen
gelassen. Die Herde habt ihr mir allein gelassen!"
Fedor: „Gut ist's so, Kamerad Gubu, dir gilt unser Vers,
Gott zum Gruss denn! Unterhalten wir uns! Unsere Herden wird
bewachen der grosse, gute Gott. Deshalb anvertrauten wir dir
unsere Httrde. Schlagen wir hier auf unser Lager, stechen wir ab
eine Ziege, daneben eine Schwalbe, daneben eine schGne, braune
Maid!"
Alle; „Na, stechen wir sie ab!"
(Sie setzen sich wie die Steckenreiter auf ihre StGcke und
erwarten den Alten.)
Fedor: „Salus, Alter!"
(Als der Alte den leeren Weinschlauch erblickt, spricht er:)
„Seine Eltern waren Joseph und Maria! Ale, Alleluja! Wahrlich,
Kameraden, uns wird es schlecht ergehen, unsere Mantel, unsere
Bundschuhe haben wir zu Hause gelassen! Bald mochten wir
hervornehmen unsere Mantel, wenn in der Kalte uns die Hande
abgefrieren."
Fedor (spricht den Abschiedgruss): „Gebe Gott alles Gute.
Aus Nussbaumholz einen Sarg, Wein, Weizen, Pfirsiche und Mast-
schweine, Wttrste und auch Speck, — das war' dem „Alten" recht.
Alter: „Wahrlich recht war's, mein Sohnl Ich habe euch
das Richtige gelehrt. „Esel", komm' hervor! (Ein als Esel ver-
kleideter Bursche tritt auf und wird mit den erhaltenen Geschenken
beladen.) —
Am ersten Weihnachtstage geht man nur in die Kirche und
empfangt keine Besuche. In der Frtthe werden Brodkrumen u. dgl.
vom Festmahle des vergangenen Christabends, in manchen Gegenden
auch alte Schlttssel, SchlGsser und Eisenstucke in den Brunnen
geworfen, damit das Wasser „frisch und gesund bleibe" [Ipolyi,
S. 206). Wascht sich die Maid wShrend des mitternachtlichen
Kirchengelautes im Freien das Gesicht, so erblickt sie im Traume
— 39 —
ihren zukttnftigen Gatten; und wer zu dieser Zeit ein Messer drei
mal in die Brunnenbrustung sticht, dem gibt die Wasserfee (vizi
Hinder) Aufschluss tlber die Zukunft {Ipolyi, S. 207). Der erste
mannliche Besuch am zweiten Weihnachtsfesttage wird in einigen
Gegenden von der Hausfrau mit Milch begossen, damit die Melk-
tiere reichlich Milch geben. Man glaubt namlich, dass in dieser
Festzeit die Hexen nSchtlicher Weile mit einer Schiirze den Kopf
der Melktiere bedecken, dabei ZaubersprUche murmeln und auf
diese Weise die Milch fur das ganze Jahr in den Thorbalken
zaubern, den sie dann anbohren und die hervorquellende Milch nach
Lust und Liebe verbrauchen (Ethnographia II, S. 367). Urn dies
zu verhindern, begiesst man den ersten m&nnlichen Besuch am
zweiten Christtage mit Milch.
An diesem Tage gehen die Kinder und Burschen ebenfalls
von Haus zu Haus, urn Nasse zu betteln und „regelni" (Maren zu
sagen) oder „rigmus mondani" (Verse zu sagen). Regelo werden
bei den alten Magyaren die fahrenden Sanger und Dichter genannt.
Dieser Brauch ist eben der letzte Nachhall dieser „fahrenden Poesie"
(Szab6 K. in der Zeitschrift „Sz*zadok" XV. Bd. 7. Heft). Neben
„regelo" kommt auch der Ausdruck „regos6k" (Marenerzahler; rege
= Sage, Marchen) vor. Es waren dies vielleicht ziinftige Marchen-
erzahler und Sanger, die den Leuten diese hi. NSchte zu durch-
wachen halfen, wie solche Marchenerzahler auch in Deutschland
vorhanden waren (Lippert, S. 681). Die Kinder sagen gewGhnlich
kleine Vierzeiler her, z. B.:
En kicsike vagyok, Ich bin klein,
Sokat nem ririlok, Spreche nicht viel,
Egy pa> didt vdrok Ein Paar Nusse erwarte ich
S avval elebb illok. Und damit weiter gehe ich.
oder: ^
Eljott a karicsony borzos szakillival,
Kiszakadt a csizmim, nem gyozom kipczival,
Kedves bitylm uram adjon egy petikot,
Hogy vettessek rija egy nagy bolond tikot.
(Gekommen ist der Christtag mit seinem wirren (struppigen) Bart
— Zerrissen sind meine Stiefel, kann sie mit Lappen nicht ver-
sehen, — Lieber Herr Vetter, gieb mir einen Heller, — Damit ich
auf sie grosse narrische Flicken setzen lassen kann.) Die Burschen
\
— 40 -
sagen humoristische Gedichte her, z. B. das folgende (Originaltext:
Ethnographia 11., S. 238): „Es fallt der Schnee, de h6 reme roma
(Flickworte ohne Bedeutung, die am Schluss jeder Verszeile wieder-
holt werden); Hasen, Fuchse spielen, d. h. r. r.; im Stalle eine
Ochsenschar, d. h. r. r.; die Halfte davon gehOrt den Reg5s-en,
d. h. r. r. — Ueber ihren RQcken hin 6 Pfund WQrste d. h. r. r.;
die Halfte gehflrt den RegOs-en, d. h. r. r. ; die Hflrner voll mit
Brezeln, d. h. r. r.; sie m6gen dem Wirte bleiben, d. h. r. r. —
Die Ohren (der Ochsen) voll Kleingeld, d. h. r. r. ; die Halfte
gehflrt den R., d. h. r. r.; ihre Schnauzen voll Schusternadeln, d.
h. r. r.; sie m6gen dem Wirte bleiben, d. h. r. r. — Auf ihrem
RUcken Braten, d. h. r. r; die Halfte gehGrt den R., d. h. r. r. ;
an ihren Schwanzspitzen 2 Maass Bier, d. h. r. r. ; m6gen dem
Wirte bleiben, d. h. r. r. — Auf dem Tische 2 Maass Wein, d. h.
r. r.; die Halfte gehOrt den R., d. h. r. r. ; auch hier sehen wir
ein voiles Haus, d. h. r. r.; in demselben ein gemachtes Bett, d.
h. r. r. — Auswarts liegt der fromme Hausherr, d. h. r. r; inwarts
liegt die zarte Hausfrau, d. h. r. r.; in der Mitte liegt der Kraus-
kopf, d. h. r. r.; dies ist der Hausfrau Sprdssling, d. h. r. r. —
Wir treten ein, lasst man uns ein, d. h. r. r. ; lasst man uns nicht
ein, so machen wir uns nichts daraus, d. h. r. r.; wir schlossen
die Thtire auf, d. h. r. r. ; drinnen sch . . . . und p . . . . man, d.
h. r. r. u —
Studenten und altere Schulknaben rezitieren Verse, wie die
folgenden :
„Jo naTO uraim! semmit se feljenek,
Hogy ez hizba jottiink, meg ne rettenjenek,
De bort ^s kalicsot boven keszitsenek,
Hogy tolunk hamaribb megmenekiiljenek.
Csillagom, asszanyom, mit intessz szemembe,
Tan bele szerettel liri termetembe?
Jobb lesz, ha tallert hanysz fires erszenyembe,
Hadd fogjak litamhoz evvel jdkedvembe.
Mendinkansa nevem, ugyanis az vagyok,
Hatvan hetven hazat minden nap eljirok,
Ingot, do I mint, kolbiszt, ha elcsulinthatok;
Fennszdval kialtom: Oh be boldog vagyok.
— 41 —
Ne nezze kisasszony, hogy mendikans vagyok,
Mert belolunk lesznek nagy pdbdkis papok;
El is ertem immir kaltfaktorsigot,
Nem kevinok ennel nagyobb urasigot!
Hit te szep szolgild szemembe mit intesz,
Talan azt gondolod, hogy hozzim jossz ferhez?
Azon ne tord fejed, mert nekem nem Wlessz
Inkibb vakarodjil egy kemenyseprohez.
Nosza jo uraim szitisz jam attendi
Hamar a korsdbdl legyetek intenti;
Az ilyen gyermeket meg kene becsulni,
Szilvis belessel kell hasit kenegetni.
Megfiradtam, torkom unja az drallst,
Az asztalhoz iilnek nem varnek k^nilist,
De jd uram^ktdl virnSk egy-ket mdrjist,
Az melyert kMnnek istentol nagy ildast.
Az Iberus vizet, mikor itat lisztam,
Lovam nem volt csak a szellel lovagdltam;
Merges fegyveremet czipdbril faragtam.
Turds puliszkival gyakran vagdalkoztam.
De ha azt kerditek, ez vajjon ki fia?
Az en nemzetsegem olyan familia,
A melyet nem hallott soha ember fia,
Cserebogaraknak volt aplm hadnagya.
A ki e verseket halla fill lei vel,
Dutkit, binyot, taller! nem ad kezeivel,
Szerecsenorszigban baglyok temessek el,
Hogy ne lisson tobbet kancsi szemeivel!
Elmondim!"
(„Guten Tag, meine Herren! Fiirchten Sie nichts, dass wir in dieses Haus gekommen,
zittern Sie nicht, aber Wein und Kuchen reichlich bereiten Sie vor, damit Sie sich
desto schneller von uns befrei'n. — Mein Stern, meine Frau, was winkst du mir zu,
hast du dich etwa in meine herrische Gestalt verliebt? Besser ist's, wenn Thaler du
wirfst in meine leere Geldborse, damit ich mit Lust den Weg antrete. — Mendikant
ist mein Name, ja der bin ich, 60 — 70 Hauser besuche ich taglich; Hemden, Mantel,
Wurste wenn ich wegschnappen kann, rufe ich laut: wie gliicklich ich bin I —
Fraulein, nicht seh'n Sie, dass ich Mendikant bin, aus uns werden ja die zopfigen
Pfarrherrn ; ich habe schon erreicht die Kalefaktorwiirde, ich wQnsch' mir kein grosseres
Amt ! — Und du, schone Dienstmagd, was winkst du mir zu, glaubst etwa, ich wurde
dich frei'n ? Nicht zerbrich darob dir den Kopf, denn ich mag dich nicht, lieber reibe
dich an einem Kaminfeger. — Nun meine guten Herren, satis jam attendi, schnell
seid intenti ; einen solchen Burschen sollte man schaizen, mit Pflaumen-
Bauch schmieren. — Ich bin miide, meiner Kehle ist lastig die Rede,
i Tische seteen, mScht' das Nfitigen nicht erwarten, von meinen guten
1' ich iber i — i Marienthaler, wofilr ich Gottes Segen wiinschte. —
Wa»er ich durchschwamm, halt' ich kein Ross, ritt nur auf dem
-immiges Schwert aus Kuchen ich schoitzte, mit Kas und Maisbrei oft
hr fragi aber, wessen Sohn ich r Meine Verwandtschaft ist solch' erne
Icr noch keines Menschen Sohn je etwas vernommen, der Maikafer
mein Grossvater. — Wer diese Verse mil seinen Ohren vernommen,
alcr, Papiergeld nicht handevoll gibt, den sollcn im Mohrenland Eulen
t cr nicht mehr sehe mit seinen scheelen "Augeti,"} —
UmzUge dauern die ganze Festzeit hindurch und be-
>n mit dem Lucientage, der in einigen magyarischen
uf den aj., in einigen auf den 24. Dezember verlegt
e Knaben und Burschen das sog. Paldzulds vornehmen.
ck stammt von den Dialektworten palos, pobs, polyos,
'ozsnak, die alle ,,faules Ei" bedeuten und wahrscheinlich
ovakischen (podlozek = Unterlage, Unterbreiten) her-
s Paldzulds wird namlich vorgenommen, damit die Brut
lugels im kommenden Jahre gedeihe. Die Knaben und
iten mit dem Gruss: „Gelobt sei Jesus Christ!" (Dicser-
Krisztus) ins Haus und werfen etwas von dem Stroh,
ringen, auf den Fussboden und einer spricht den Vers
in der „Ethnographia, II. S. $65): „Lucie, Lucie, kitty-
Hohner, eure Ganse mdgen briltrig werden 1 Eure Beile,
milgen scharf sein! Eure Beile mogen so (fest) im Stiele
die Dornen am Stamme! Lucie, Lucie, kitty-kotty! Eure
;e so grosse Brtlste bekommen, wie der Wasserkrug der
a grossen Speck (sollt ihr haben), wie der ThUrstock! So
Wasser im Brunnen; so grosse Schinken, wie ein 5 Eimer
so lange WUrste, wie der Gartenzaun ; so viel Geld, als
mmel; soviet Kilchlein, alsGrashalme auf der Au! Lucie,
kotty! Gelobt sei Jesus Christ!" — Beschenkt verlassen
, wflhrend die Hausfrau das Stroh versorgt, urn es bei
unter die erste Bruthenne des Jahres zu legen.
ch in Ungarn herumziehenden „Dreikonige" mit ihrem
iel bilden erst den Schluss der Umziige in dieser Festzeit.
m letzten Faschingstag, bis zur Fastnacht gibt es kein
;sem Tage wird das „Kisze-Austragen" vorgenommen.
— 43 —
Ein aus Stroh und Lappen geformter Popanz wird von der Dorf-
jugend bis an die Grenze des Dorfhatterts getragen und dort auf
das Gebiet des Nachbardorfes geworfen, damit der Hagel die Saat
nicht zerstOre; oder man wirft den Popanz in das nachste fliessende
Wasser (I poly i, S. 296). Wer wahrend dieses Umzugs strauchelt,
der stirbt in dem Jahre, wenn er dann nicht schnell dem Popanz
einige Hiebe versetzen kann. An manchen Orten wirft man aus
dem Fenster eines jeden Hauses einen solchen Popanz wahrend
des Umzugs der Jugend auf die Strasse, der dann von irgendeinem
der Einherziehenden auf einen Stab gespiesst und ins Wasser
geworfen wird, wobei man die Worte ruft: „Haj ki, kisze, haj ki!
jojj be sonka, jojj be! = He hinaus, kisze, he hinaus! komm' herein,
Schinken, komm' herein !" (Ipolyi, S. 296.) Kesze und kisze ist
der Name einer saueren Fastenspeise ; in einigen Dialekten aber
bedeutet es auch einen struppigen, wirrhaarigen Menschen mit
„saueren Ziigen", ein Sauergesicht. Der ungarische Dichter des
vorigen Jahrhunderts, Dugonics,erwahnt„eine wirrhaarige Fastenhexe"
und Ipolyi (S. 297) glaubt in diesem Ausdruck den Namen einer
TodesgGttin der Magyaren gefunden zu haben, besonders nachdem
es in Ungarn mehrere Orte gibt, deren Namen mit Kisze-, Kesze-
zusammengesetzt sind. In vielen Ortschaften wird an diesem Tage
das sog. „Klotzziehen" (take vonds) vorgenommen. Die im ver-
gangenen Fasching ungefreit gebliebenen , heiratsfahigen Maide
mQssen einen grossen Holzstrunk das ganze Dorf entlang an Stricken
Ziehen. Spanchen von diesem Klotze zu Pulver gebrannt und in
das GetrSnk des Burschen gemischt, erweckt bei ihm Liebe zur
Geberin. Spanchen von diesem Klotze werden oft von den Maiden
aufbewahrt und an ihrem Hochzeitstage zu Kohlen verbrannt, iiber
die man Wein giesst und diesen dem Brautigam zu trinken gibt,
damit die Ehe vorderhand kinderlos bleibe. Will das Weib nun
Kinder haben, so wirft sie diese aufbewahrten Kohlen ins Feuer
(vgl. F. S. Krauss im „Am Urquell", III. Jahrg. S. 161). Im Honter
Comitat nehmen die Burschen an diesem Tage das „Begrabnis des
Broilers (b0g5 temetes) vor, wobei die in den Kreis der Burschen
aufzunehmenden erwachsenen Knaben einige Stockhiebe erhalten
und eine Flasche Wein in die Erde eingraben mtlssen, die im
nachsten Jahre ausgegraben wird. Ist ihr Inhalt verschwunden, so
trifft die Burschen, welche die Flasche vergraben haben, viel UnglUck
- 44 —
im Leben (Ipolyi, S. 299). Diese Art von Fuchstaufe ist in
Ungarn und Siebenbttrgen bei Flurumziigen, bei der Errichtung der
Grenzscheide zwischen dem Grundbesitz zweier Gemeinden, oder
zweier Personen in Brauch. „Nach Aufwerfen eines Grabens oder
Dammes (hatdrhdnyds = Grenzaufwurf, Hattertaufwerfen) zwischen
beiden Gebieten, wird der Jttngste der betreffenden Arbeiter von
seinen Kameraden niedergezogen und ihm einige Stockhiebe auf-
gemessen, wobei man ihm zuruft: „Damit du die Grenze nicht
vergisst!" Im DOmsflder Gemeindeprotokoll heisst es ungarisch:
„Am 11. des Christmonates 1755 wurde nach Bestimmung des
Daber und D5ms5der Gebietes . . . zwischen zwei Reihen von
Weidenbaumchen ein Wall geworfen und zur Erinnerung daran
Franz und Andreas Bddi geprttgelt (vgl. Ethnogr. 1., S. 375). Wenn
in fruheren Zeiten ein Schuhmacherlehrling zu Dab „befreit" wurde,
d. h. Gehilfe ward, mussten seine Eltern oder Verwandten ein
Festmahl geben, wobei der junge Gehilfe von seinen Kollegen
auf einen Stuhl gesetzt ward. Man zog ihm dann neue Stiefel an,
welche ihm an den Fiissen ein Kollege putzte. Wahrend des
Putzens zog man ihm den Stuhl weg, so dass er zu Boden fiel;
dabei rief man: „So sollst du stets fallen, wenn du nicht rein und
gut die Schuhe machst." In Ipolysdg, im Honter-Komitat, kommen
am letzten Faschingsabend die Fleischer zu einem Festmahl
zusammen, welches man damit erflffnet, dass der zuletzt Meister
gewordene Fleischer vom altesten Anwesenden mit der Schaufel
auf den Hintern geschlagen, dann von den tibrigen aus einer Ecke
in die andere gestossen wird, ,,damit er auf das Gefahrliche (beim
Schlachten der Tiere) aufmerksam gemacht werde". Auf der Berg-
werkakademie zu Selmecz (Oberungarn) kannte man vor Jahren die
„Fuchstaufe". Der neue Student wurde in die Uniform der Aka-
demiker feierlich eingekleidet, dann sein Leibgurtel von zwei
Studenten an beiden Enden angefasst und in gewisser H5he aus-
gespannt; ttber diesen Giirtel musste der Fuchs, einen vollen Bier-
krug in der Hand, mehrere Mai hinwegspringen, wahrend ihn seine
alteren Kollegen mit Steinchen bewarfen, urn ihn auf das Gefahrliche
seiner Laufbahn aufmerksam zu machen (Anna F. D&rfler in der
Zeitschrift „Am Urquell" III. Jahrg., S. 128). In der Benediktiner-
Abtei zu Garan-Szent-Benedek war es vor vielen Jahren Brauch,
dass jeder Gast, der am letzten Faschingstag hinkam, von den
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Manchen einige Hiebe mit einer Schaufel erhielt, deren Empfang
er in einem Protokoll bestatigen musste. Das Protokoll von
1 76 1 — 1 799 1 in dem sich launige Empfangsbestatigungen in ungar-
ischer, deutscher, slavischer, franzasischer Sprache befinden, wird
in der Abtei auch noch heute gezeigt (Resa Ensel S. a. a. 0., S. 132).
Am Ipoly-Flusse (Eipel) tragen die Dorfmadchen am Palm-
sonntag, in manchen Darfern am letzten Faschingstag, eine bSnder-
geschmttckte Strohpuppe das Dorf entlang zum Flusse und singen
dabei Lieder. Die Koloner Madchen singen dabei (Originaltext bei
Resa Ensel S. a. a. 0., S 181): „Villa! Villa! Am Dorfende ein
Seidenzelt, singen wir dort so, wie ein anderes Mai; Villa! Villa!
Wir tragen hinaus den Kicze und bringen herein die Schinken-
meisterin." Dann tragen sie zu jedem Haus Weidenkatzchen oder
Epheu und singen: „ Villa! Villa! Wem gehart dies Haus? Wahrlich
einem frommen Manne gehart das Haus. Am Dorfende Seidenzelt,
Villa! Villa! Gebt uns Eier! Wenn euer Hahn noch nicht gelegt
hat, mag fressen ihn der Wolf !" Nun erhalten sie ttberall Geschenke,
die sie gemeinschaftlich verzehren. In Nddasd (Baranyaer Komitat)
wird dabei auch das sog. Hahndreschen (kakascseples)vorgenommen.
Ein Hahn wird an einen Pflock gebunden und einem Burschen
die Augen verbunden. Mit dem Dreschflegel in der Hand muss er
mit drei Hieben den Hahn niederstrecken (Reso Ensel, S. 201).
In vielen Ortschaften legt man in der Dorfschenke einen in Manner-
kleider gehallten Popanz auf den Tisch und einer der Anwesenden,
in ein langes Frauenhemd gekleidet, halt eine Leichenrede. Dann
wird der Popanz durch das Dorf getragen und jeder Hausstand
muss den Tragern Geschenke (gewahnlich Esswaaren) geben, damit
im Jahre niemand von den Hausleuten sterbe (s. Resa Ensel,
S. 1 30). In Ocsa (Pester Komitat) gehen die Burschen an diesem
Tage mit Musik durch das Dorf. Ein Bursche ist als Weib ver-
kleidet und verlangt Esswaaren, wahrend ein anderer, als Greis
verkleideter, Wein, Bier, Schnaps in den einzelnen Hausern for
das gemeinsame Festmahl einsammelt. Dies nennt man „koled£l£s"
(Resa Ensel, S. 205). In Raab wird an diesem Tage das Spiel
„czip6zas" (Brotspiel) aufgeftthrt. Die Maide backen kleine Kuchen
(czip6) und gehen dann mit den Burschen auf eine Wiese, wo sie,
sich die Hande reichend, einen Kreis bilden und ein Spiel, wie
das allbekannte ,,Fuchs und Gans" oder „Lamm und Wolf auf-
— 46 —
fiihren, wobei eine Maid, einen Kuchen in der Hand haltend, von
einem Burschen verfolgt wird, der ihr den Kuchen wegzunehmen
hat (Res6 Ensel, S. 205).
Dass sich diese GebrSuche alle auf den Einzug des FrOhlings
und des Winters Abzug beziehen, ist offenbar. Um diese Zeit
hielten die alten Magyaren ihre Gerichtsversammlungen ab, die mit
gemeinsamem Opfer und Festmahl schlossen, zu dem jedermann
beisteuern musste. Das heutige Sammeln von Gaben, worauf es
heute am meisten ankommt, ist der letzte Nachhall des alten Brauches.
Auch hiergelten Lipperts (S. 675) treffliche Auseinandersetzungen
beziiglich der deutschen GebrSuche: „Von diesem Ausblicke aus
kann man wohl auch vermuten, dass der bei alien grossen Fest-
zeiten ttbliche GlUckwunsch der Bekannten und sich Begegnenden
aus dem absterbenden Rudimente jener alten Festsammlung geboren
wurde. Untergeordneten Personen gegentiber sind ja noch immer
vielfach Geschenke mit solchen Wtinschen verbunden — Gleich-
stehende begnugen sich mit einem Gegenwunsch als Gegengabe . . .
Wenn man heute wieder vielfach solche Aufmerksamkeiten durch
Almosen ablest — „Enthebungskarten" — so ist man damit noch
nicht ganz aus dem alten Zusammenhange getreten." Ich will hier
nur noch eine Bemerkung machen. Ob der im oben mitgeteilten
Liede vorkommende Name Villo aus dem Slavischen (Vila = Fee)
entlehnt ist, mag ich nicht entscheiden ; so viel ist aber gewiss, dass
unter diesem Namen der Lenz angerufen wird. Hiefttr sprechen
schon die Worte: „am Dorfende ein Seidenzelt", worunter der
Rasen u. s. w. gedacht wird. Jeder Bauer spricht von „seidenem oder
sammetnem Rasen" (bdrsony, oder: selyem gyep), „sammetnem
Gras" (bdrsony fii) u. s. w. Villo entgegengesetzt ist eben Kisze, die
Personification des Winters. Deutlich ergibt sich dies auch aus
der oben erwahnten Verkleidung der Ocsaer Burschen als Weib
und Greis, wobei eben das gabensammelnde Weib den fruchtbaren
Lenz versinnbildlicht. —
Diese BrSuche bilden nur den Anfang der Friihlings- und
Sommerfeste. In vielen Gegenden Ungarns Ziehen am Georgstag
die Schulknaben, mit halzernen Flinten und Schwertern bewaffnet,
mit Trommel- und Trompetenklang von Haus zu Haus, wo sie
Verse hersagen und dafur Geschenke erhalten. GewGhnlich wird
dieser Vers hergesagt: Am Tag des heiligen Georg haben wir die
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Freiheit, von Haus zu Haus zu gehen, Hilfe zu erwarten und zu
singen: Omne dignum Reverendum Campes. Gebt uns Kinderchen,
damit sie h6ren Abc-chen, Omne dignum Reverendum Laudes.
Gebt uns MSgdlein, damit sie Schulen fegen, Gebt uns Ganse,
damit sie uns den Weg weisen in die Schule. Gebt uns einen
Hahn, damit er Groschen scharre aufs Papier, so werden wir
tanzen!" Nun stecken sie einen Spiess, auf den ein Stock Speck
gezogen ist, in einen Balken der Zimmerdecke und umtanzen ihn
und singen dabei: „Wie des Mailers HQhner, wenn sie satt vom
Weizen und von gestohlener Gerste (so tanzen wir) ; des Hausherrn
Pflicht (nun ist es), der Hausfrau Ehre, uns zu geben ein Speck-
stuck, eine Blutwurst, Leberwurst und andere Wurst (einer hebt
die Hand hoch empor), eine so grosse! Denn gebt ihr uns nicht,
an Tftpfen Schaden ihr leidet; sie fallen alle vom Gesims herab
und auch die Hiihner. Wollt ihr dieses nicht, dass Schaden wir
anrichten und wollt etwas anderes, so blickt auf dem Aufboden
herum und bringt uns eine Wurst". Nun spricht einer allein:
„Katze ist auf dem Speck, jagt sie herab, gebt uns einen Bissen,
gebt uns ein Stack" (s. Res5-Ensel, S. 75, 133, 183). Ipolyi
(S. 300) berichtet, dass diese „Georg- oder Blasiusumzage" (Ger-
gelyjaras, Balazsj£r£s) in friiheren Zeiten als Schlussfeier des Schul-
jahres aberall abgehalten wurden, weil an diesen Tagen der Unter-
richt auf den DGrfern bis zum Herbst eingestellt wurde. Fur den
Landwirt hat der Georgstag noch die Bedeutung, dass an diesem
Tage noch einmal ,,Georg seinen Bart schatteln kann" (megrdzza
G. szakalat) d. h. dass von dem Tag an es nicht mehr schneien
wird. Dieser Tag ist in den meisten Ortschaften der Tag des
ersten Viehaustreibens im Jahre. Der Besitzer treibt das Vieh aber
eine vor die Thorschwelle gelegte Pflugschar hinaber auf die
Strasse, damit seinem Vieh die „B6sen" nicht schaden kGnnen.
Der Hirte nimmt das Vieh in Empfang und bestreut es dann auf
der Weide (jedes Stuck einzeln) mit einem Pulver, das er in der
Weihnachtszeit aus Sargbrettern, Totengebein, Knoblauch und
geweihter Hostie gebrannt hat. Mit dem Rest des Pulvers bestreut
er noch die Grenzmarken des Weidgebietes, und kein Raubtier
wird diese Marken aberschreiten, noch ein Viehstuck sich daraber
hinaus auf verbotenes Gebiet verirren. In manchen Gegenden lauft
die Hausfrau drei mal nackt urn das Vieh, bevor es dem Hirten
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die „B5sen" (gonosz) fernzuhalten. Ueberhaupt ist der Holunder
das rechte Teufels- und Hexenkraut der Magyaren. Eine Sage
erzahlt (Originaltext in der Zeitschrift „Kalotaszeg" 1890, S. 247,
herausgegeben von Ant. Herrmann): „Als Gott die Welt erschuf,
sah ihm der Teufel zu, wie er die einzelnen Tiere formte. Er lief
nun heim und als er zu Gott zurttckkehrte, sah er, dass die vordem
regungslos daliegenden Tiere sich nun bewegen, essen, trinken,
kurz — leben. „Wie hast du das gemacht?" fragte der Teufel.
„Ich habe in sie gehaucht!" versetzte Gott und zeigte ihm eine
hfllzerne Pfeife. Der Teufel ging fort und machte sich aus Lehm
ein Tier und wollte sich dann eine Holzpfeife verfertigen, aber er
war nicht imstande, den Ast welches Baumes immer anzubohren;
schliesslich fand er den Holunderstrauch, dessen Ast er leicht durch-
bohrte, und nun wollte er mit diesem Rohr in das von ihm ver-
fertigte Tier hauchen, damit dieses Leben erhalte. Als Gott dies sah,
erziirnte er und, das Werk des Teufels mit einem Blitz zerstGrend,
verfluchte er den Holunder, damit er von nun an des Teufels Baum
sei, wenn er zugelassen, dass der Teufel einen seiner Aeste durch-
bohre . . . ." An diesem Tage soil man trachten, einen Kleider-
lappen oder Haare, oder gar etwas von den Exkrementen einer
solchen Person zu erhalten, die im Rufe einer Hexe steht. Diese
Sachen soil man verbrennen und die Asche in Haus und Hof ver-
streuen. Keine Hexe wird je da einkehren. In frtiheren Zeiten
pflegte man im Kalotaszeger Bezirke (wohl auch anderswo) urn
Mitternacht mit den Kirchenglocken zu lSuten und mit Peitschen-
geknall und Larm den Hattert des Dorfes zu umziehen, urn die
Hexen vom Dorfe und dem Gebiete desselben fernzuhalten. Das
Lauten der geweihten Glocken ist ja immer das wirksamste gegen
base Damonen (s. Abschnitt I. S. 21). „Das Austreiben", sagt
Lippert (S. 631), ,,erfolgt in keinerZeitso larmend wie in dieser.
Gelaute, Schiessen, Peitschenknallen und Larmen aller Art gehflrt
zur Mainachtfeier, und gerade hier hat sich auch die Absicht dieser
Handlungen mehr als sonst im Bewusstsein und selbst in den Be-
ziehungen erhalten, nur dass das Volk an die Stelle des alten uberall
den neuen, verworrenen Hexenbegriff gesetzt hat."
Wir kommen nun zu einem kirchlichen Hauptfest, zum Oster-
fest. Und wieder sind es auch bei den Magyaren die Geister, die
urn diese Zeit unter den Menschen ihr Wesen treiben und denen
— 51 —
man hundertfaltige Beweise der Achtung und Furcht gibt. Wohl
nirgends wird die Charwoche, sowohl von Katholiken, als Prote-
stanten, so streng eingehalten, als bei den Magyaren. Ein all-
gemeines Feiern, Rasten und Fasten herrscht so die ganze Woche
hindurch bis zum Auferstehungs-Samstagabend. Wenn dann die
Glocken „von Rom 1 * heimkehren und das Auferstehungsgelaute er-
schallt, dann beginnt das Fegen und Reinigen der Wohnungen,
um „sie vor Ungeziefer" zu schiitzen. Besonders ist es wieder
die Charfreitagsnacht, wo die Hexen und die „B5sen" aberhaupt ihr
Wesen treiben, wo man auf der Hut sein muss, um nicht Schaden
an Hab und Gut, an Leib und Seele zu leiden. Hat man den
ganzen Tag tiber bis zum Aufgang des ersten Sternes am Abend-
himmel nichts gegessen, nichts getrunken, so nimmt man abends
eine Knoblauchsuppe zu sich, um das ganze Jahr hindurch gesund
zu bleiben. Haus- und Stallthiir bekreuzt man mit einem Besen,
den man dann ins Feuer wirft. WShrend des Auferstehungs-
gelautes holt die Maid sich Wasser, um sich darin zu waschen
und dadurch „schOn" zu werden; die Hausfrau aber begiesst mit
diesem Wasser das Vieh, damit es von Krankheit verschont bleibe.
Wer viel „b8se Gedanken" gehabt hat, der mache mit geweihter,
d. h. mit einer in Weihwasser eingetauchten Kreide am ersten
Abend der Charwoche das Zeichen des Kreuzes unter seine Bett-
statte, damit ihn der Teufel nachtlicher Weile nicht besuche, der
um diese Zeit gerne seine Besuche abstattet, und den Leuten seinen
Beistand anbietet, so sie mit ihm ein Bundnis eingehen wo 11 en.
Wo die Kultur noch weniger lang ihre zersetzende Arbeit
betreiben konnte, dort tritt wieder, wie zur Weihnachtszeit, das
energische Gabensammeln, das mehr oder weniger zwangsweise
Einsammeln von Gaben zu einem gemeinsamen Festmahle der
Jugend auf. Eier, Kuchen und der Festbraten werden in katho-
lischen Ortschaften in die Kirche auf den Altar geschickt, von
welchen man dann „zum Heile der Verstorbenen" etwas den Geist-
lichen und den Armen schenkt (vgl. Lippert, S. 603). Abgesehen
von dem Osterbegiessen am zweiten Ostertage, woftir man dem
Begiesser gefarbte Eier geben muss, kommt das Einsammeln von
Gaben besonders bei den FlurumzOgen (hatdrjdrds = Hattertgang)
vor, die eben noch in aller Wirklichkeit die Wanderung zur alten
Mai- und Gerichtsstatte bilden, wohin das Volk noch heutzutage,
4*
— 53 —
ser Brauche uns lehren, hat man in der That die Vorgange
Jingstatte bis in unsere Zeiten nachgeahmt", sagt Lippert
Sie waren nicht immer nur Ragengerichte, auch das Hals-
fand seine Nachahmung und ohne KOpfen und Hangen ging
mittelalterlichem Stile aberhaupt nicht. Bei dieser Ernst-
.Mt der Procedur war es naturlich notwendig, far den Delin-
n Surrogate zu suchen, wodurch spater der ursprQngliche
'Ms zur Unkennbarkeit entstellt wurde. Man wShlte zunachst
wohl schadliches Raubzeug, Habichte, Raben und was man
sonst daftir hielt, dann aber auch zahme Tiere, insbesondere
ie oder GSnse, aber selbst auch FrGsche. So entstanden die
lichen Brauche des „Hahnschlagens" u. s. w.
Was das Einsammeln von Gaben am Ostertage anbelangt,
.ssen wir hier noch eines besonderen magyarischen Brauches
aenken, der im Lande der Szekler herrscht. In der Friihe des
»eiten Ostertages gehen die jungen Eheleute des Dorfes, die im
crlauf des vergangenen Jahres geheiratet haben, alle zusammen
. einer Truppe unter Anfahrung eines von ihnen gewahlten Woj-
.oden von Haus zu Haus und betteln um Gaben, wobei sie das
ienehmen der Zigeuner nachahmen, Karten aufschlagen, prophezeien,
3esichtst0nchen u. dgl. verordnen. Die Gaben verteilen sie dann
gleichmassig unter einander (Res5-Ensel, S. 166).
Auch die sog. „Stierhetze" (bikahajsz), die besonders in der
Kecskem6ter Gegend am zweiten Pfingsttage im Brauch stand,
ist ein solches Surrogat fur die alten Halsgerichte. Ein wilder Stier
ward von Hunden so lange herumgehetzt, bis ein Bursche ihm auf
den Rucken sprang und mit einem Messerstich seinem Leben und
seiner Qual ein Ende machte (Res5-Ensel, S. 64). Im Inhalt
der magyarischen Pfingstbrauche finden wir kaum etwas anderes
und besonderes, was wir nicht schon, mehr oder weniger in
dieselbe Form gekleidet, in den fraheren Festbrauchen kennen
gelernt haben. „Auch Pfingsten ist mit alien ihm nachbarlich be-
freundeten Festen nur wieder die Zeit des beginnenden, oder sich
zur Blttte entfaltenden Sommerlebens". Und wieder ist es der
alte Brauch des Gabeneinsammelns far die festliche Mahlzeit auf
der Gerichtsstatte, die in den Umziigen der Jugend ihren letzten
Nachhall findet. In Erlau (Eger) und Umgebung senden am Pfingst-
tage die Burschen und Maide zwei weissgekleidete Magdlein sich
— 54 —
gegenseitig zu, die eine bekranzte Schilssel, in der sich Kuchen
befindet, tragen. Die SchQssel heisst ,,Brautsch(issel" (mitkatal).
Treten die Magdlein in das Haus einer Jungfrau, so sagen sie das
Gedicht her: „Oeffnet uns die Thtire, Wir sind in grosser Wurde,
Eurer Tochter (Sohn) Bringen wir die BrautschUssel. — Darin sind
Eier paarweis, Rot wie ihr Gesicht, Stlsser Honigkuchen, Darauf
ein susser Kuss. — Darinnen ist auch die Liebe, Ein grosses Herz
(aus Kuchen) mit der Aufschrift: „Nie kflnnt' ich gliicklich werden
Mit einer (einem) anderen!" — Darinnen ist auch Freundschaft,
Wein vom allerstissesten, Davon erstirbt der Kummer, Erfrischt doch
wird das Herz. — Und das alltagliche Brot, lm Bilde dieses Kuchens,
Geb' Gott dazu den Segen , Als geweihtes Salz. — Vom Kren ist
auch darinnen, Damit man nicht nur frflhlich sei In Freuden,
sondern Thranen auch vergiesse. — Und damit nichts fehle, So ist
hier auch die Wiege, Hausgerat ja ist sie, Vielleicht gar das erste."
(Originaltext bei Res6-Ensel, S. 1 1 6.) Dann rufen die Magdlein
den Namen des Senders aus und fragen, wohin sie nun die SchQssel
zu tragen haben, worauf sie beschenkt zu einem anderen Burschen
gesendet werden, der sie wiederzu einer anderen Maid schickt u.s.w.
Im Lande der Szekler wird am ersten Pfingsttage das sog.
,,Hackenziehen" (kank6huz£s) vorgenommen. Am Nachmittage
dieses Tages erscheinen die Burschen zweier benachbarter Dflrfer
an der Grenzscheide der beiden Dorfgebiete. Jede Partei hat
eine lange, hakenfarmig endigende Birkenstange. Die Haken dieser
Stangen werden nun in einander gehakelt und jede Partei beginnt
am anderen Ende ihrer Stange zu Ziehen. Die Partei, welche von
den Gegnern ttber die Grenzscheide des Hatterts gezogen wird,
gilt far besiegt und muss sich durch herbeigeschaffte Getranke aus
der Gefangenschaft auslosen (Res6-Ensel, S. 175). —
Nachdem in alter Zeit die Magyaren das Pfingstfest eine voile
Woche hindurch feierten und dasselbe erst durch Kflnig Ladislaus
den Heiligen auf vier Tage, durch den Gebrauch endlich auf drei
Tage beschrankt wurde, so finden wir es leicht erklarlich, dass
Feste wie der 1. Mai in die Pfingstzeit hinabriickten und der Mai-
baum am ersten Pfingsttage gepflanzt wurde. Die deutsche Mai-
grafenfahrt, der Maigraf und MaikGnig, der franzflsische
roi und der englische lord of the may, lady of the may ist als
Nachhall der alten Ritterspiele auf der Gerichtsstatte bei den
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Magyaren der Pfingstkflnig und die PfingstkGnigin, die von
jeher weltlichen und geistlichen BehOrden ein Dorn im Auge waren,
so dass dieser Brauch sich nur noch in wenigen Gegenden hat
erhalten kOnnen. Schon der alte treffliche Ethnograph Bartholo-
maeides schreibt daraber (not. comit. G&m&r, Leutschau 1808,
S. 445), indem er das Verschwinden der Johannisfeuer beklagt:
non ita se res habuit cum ritu regum pentecostalium constituen-
dorum, nostris diu multumque usitato. Hunc enim magistratus
civiles et ecclesiastici censuris et edictis suis impugnare et
abolere debebant. Fit huius ritus in protocollis provincialibus,
inprimis autem adversariis ecclesiasticis evangelicis luculenta et iterata
mentio. Nimirum quoties visitationes, quae audiunt ecclesiasticae,
apud evangelicos instituebantur, toties in abolenda ista consuetudine
laborabatur. Consistebat autem ritus hie in eo, quod feriis
pentecostalibus anus e numero juvenum alicuius loci, in magistraium
incolarum omnium, cum potestata brevi duratura, sed regio nomine
insignita, creabatur, eique potestas iudiciaria et suprema antiquatis
tantisper ordinariis localibus magistratibus , deferebatur. Quid sibi
consuetudo haec voluerit, facile dictu non est existimaverim vulgus
hac cerimonia morem majorum duces creandi, procerum item regem
eligentium imitari voluisse (?), idque inprimis inde coniecerim, quod
provinciales magistratus ei abolendo turn demum manus et animum
adjecerint, dum regnum Hungariae desiit esse electitium. Scilicet
iuxta adversaria publica a. 1673 udem magistratus incolas Janos-
sienses et Pdlfalvenses graviter ideo animadverterunt, quod reges
pentecostales constituere fuerint ausi."
lch habe diese Stelle ganz mitgeteilt, weil sie — wie wir
sehen werden — fur diesen Pfingstbrauch von hoher Bedeutung und
Wichtigkeit ist. Der alte Geschichtsschreiber Bel (Not. Hungariae
nov. hist, geogr. Wien 1755; 2. 136) weiss von solchem Verbote
nichts, ja er lasst die PfingstkGnige sogar auf der Wallfahrt nach
St. Elisabeth bei Cs6t5rt5k (Csall6k0zer Gegend) auftreten : „Huc
sacras peregrination es altera pentecostes feria institui olim accepimus,
religione oppido eximias, atque hilaritate insigni. Rusticum scilicet
vulgus, vetere suo more vicatim sibi reges, diebus pentecostes sublegit,
quos vernacule : punkosdi kirdly h. e. reges pentecostales, seu tempo-
rarios vocant. Frequentes hue coeunt, cumque sacra concelebrassent,
effunduntur in choreas et tripudia. Rebus florentioribus, adeo haec
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cerimonia obibatur sollicite, ut heri ipsi subditos sibi, ad earn faciendam
compellerent, iam aliquot retro annis, obsolescere ea solemnitas
coepit, credo ob angustam rem agrariam."
Auf eine gewisse Zeit also wurden die eigentlichen BehGrden
abgesetzt und dem PfingstkOnig die Oberhoheit und Gerichtsbarkeit
in eigentlichem Sinne des Wortes verliehen. In Dercsika erklart
sich das Volk diesen Pfingstbrauch also: In uralter Zeit sei es
Brauch gewesen, dass die Grossen des Reiches sich ver-
sammelten und am Pfingsttage einen K6nig wahlten, der
aber nur ein Jahr lang regierte, dann aber abgesetzt
wurde und dem neugewahlten Kflnige Platz machen
musste. Gewflhnlich ward ein Hirtenjunge durch einen Schlaf-
trunk betSubt und zum KOnige gewahlt. Nach Jahresfrist wurde
er wieder eingeschiafert und als er erwachte, hatte schon ein anderer
seinen Platz eingenommen (Ipolyi, S. 307 Anm.). „Man hat darauf
hingewiesen, dass es in England einst Sitte gewesen sei, die
KOnigswahl, beziehungsweise KOnigskrflnung an Pfingsten vorzu-
nehmen, und gemeint, dass man dabei an die besondere Einwirkung
des heiligen Geistes gedacht habe. Das kann sein, aber die Sitte
(iberhaupt, alle auf die offentliche Ordnung und das Gemeinwesen
bezOglichen Wahlen im Maifelde vorzunehmen, ist doch viel alter.
Aus ihr ist halb und halb als Spiel die Wahl der Maikonige und
SchutzenkGnige entstanden, und insofern die Brauche des
Maifeldes auf Pfingsten fielen, istdaraus dieWahlzeit
geworden". In Ungarn hat sich diese Erinnerung noch bis ans
Ende des vorigen und zu Anfang des laufenden Jahrhunderts wach
zu erhalten gewusst, indem — wie wir sahen — die Pfingstkflnige
in der That eine kurze Zeit lang die eigentlichen Behorden vertraten.
Was die Form des heutigen Pfingstbrauches anbelangt, wie
derselbe im Nogrdder, Honter, G6m5rer Komitat und in der Csall6-
kflzer Gegend fortlebt (s. Ipolyi, S. 303), so wird am ersten, an
vielen Orten am zweiten Pfingsttage nach der Nachmittagskirche
von den Burschen aus ihrem Kreis ein Pfingstkflnig gewahlt. In
vielen Ortschaften findet vorerst ein Pferderennen statt und der
flinkste Reiter wird dann als Pfingstkonig begrttsst (Res5-Ensel,
S. 213). Die Maide wahlen sich die schonste und schmuckste
Jungfrau zur PfingstkOnigin. K5nig und K5nigin werden mit Zierat,
Blumen und Laub behangen, ihnen Kronen aufgesetzt und nun von
- 57 —
Haus zu Haus gefuhrt, wo sie tanzen mtissen und dafur Gaben
erhalten. Also auch die Festerinnerung des Gabensammelns,
namentlich — wie wir gleich sehen werden — wieder eines fflrm-
lichen Erpressens derselben bei den Frauen, erscheint ebenfalls als
alte Sitte.
Beim Tanzen wird auch heute noch das alte Lied vom KGnigs-
paar gesungen:
Mima vagyon, mama vagyon, Heute ist, heute ist
Piros piinkosd napja, Rotrosiger Pfingsttag;
Holnap vagyon, holnap vagyon Morgen ist, morgen ist
Annak masik napja! Sein zweiter Tag!
Nun fallt der Chor ein:
Hadd tapodjuk, hadd tipodjuk, Lass* treten wir, lass* stampfen wir,
Piros piinkosd napjat! Rotrosigen Pfingsttag!
Oder es wird in einer anderen Variante gesungen:
Mi van, mi van ma, piros piinkosd napja,
Holnap lesz, holnap lesz a misodik napja.
Jo legeny, jd legeny! jol megfogd a kantirt,
Ne tiposd, ne taposd a punkosdi rdszat.
Szalljon hizatokra az egek harmatja,
Mint az elott szillott az apostolokra.
Was ist heut*, was ist heut', rotrosiger Pfingsttag,
Morgen wird, morgen wird sein zweiter Tag,
Guter Burse h', guter Bursch' ! gut pack' an den Zaun,
Nicht zerstampf, nicht zerstampf die Pfingstrose.
Fallen mag auf euer Haus des Himmels Tau,
Wie einst er gefallen ist auf die Apostel.
Die zwei letzten Zeilen gelten dem Haus, vor welchem eben getanzt
und um Gaben gebeten wird. Ipolyi (S. 304) ist nun aus den
Worten „rotrosige Pfingsten" (piros punkflsd) und der Stelle: „Guter
Bursch', guter Bursch', gut pack' an den Zaun! 4 ' (J6 legeny, j6
legeny ! j61 megfogd a kantdrt) geneigt, auf den Einzug des rosigen
Lenzes hoch zu Ross — zu schliessen. Was die erste Stelle an-
belangt, so ist „piros punkflsd" eine stereotype Formel der magya-
rischen Volkspoesie und der Passus „gut pack' an den Zaun" weist
auf die alte Maifahrt nach der Gerichtsstatte hin, die eben in dem
obenerwahnten Pferdewettrennen ihr letztes Ueberbleibsel ge-
funden hat.
— 58 —
Was das oben erwahnte Gabenerpressen namentlich bei der
Hausfrau anbelangt, so ist es (besonders in Kiliti und Umgebung)
Brauch, dass am Pfingsttage kleine Madchen mit einer laubbekranzten
Strohpuppe von Haus zu Haus wandern und vor den Fenstern
singen :
Elhozta isten piros punkosd napjit,
Mink is meghordozzuk kiralynenk asszonykat.
Gebracht hat Gott rotrosigen Pfingsttag,
Auch wir tragen herum unsre Frau Konigin.
Dann werfen sie die Puppe in die Hflhe mit dem Rufe: „Euer
Hanf wachse so hoch hinauf ' (a ketek kendere ilyen nagyra nOljGn).
Nun werden sie beschenkt entlassen. Zu blossem Kinderspiel ist
die PfingstkGnigin und das bedeutungsvolle Gabensammeln fur das
allgemeine Mahl nach abgehaltenem Gerichtstag im Freien geworden.
Wir haben also auch hier wieder alle Teile der alten „Fest-
zeit" im schflnsten Vereine wiedergefunden; zur Erprobung fehlt
nur noch die Antwort auf die Frage, ob sich auch zu Pfingsten der
Mensch der Anwesenheit und Teilnahme seiner Geisterwelt
erfreut? Klar und deutlich leiten Lippert's treffliche Worte (S. 640)
die Beantwortung dieser Frage ein: ,,Wo man auf Pfingsten die
Eigenschaft des alten Kultfestes nicht Qbertragen, sondern bloss
durch die Lieblichkeit der Jahreszeit und die Rast der Feldarbeit
gereizt, mehr des Genusses wegen einige Formen von den Nach-
barn entlehnt hat, da darf man ein besonderes Hervortreten der
Geisterwelt nicht erwarten. Hier wird also auch der Hexenspuk
nicht mit Intensity hervortreten. Dagegen konnen wir aus dem
Osten die ausgesprochensten Zeugnisse beibringen. Die Ruthenen
wissen es ganz klar, dass bei ihnen das Koboldgeschlecht des
Rusalky genau von Pfingsten bis Set. Peter unter den Menschen
weilt." Neue Belege liefert der Volksglauben der Magyaren, der
zugleich daffir zeugt, dass seine PfingstbrSuche nicht von Nachbar-
vSlkern entlehnt worden sind, abgesehen davon, dass sich diese
BrSuche auch bei den stammverwandten Mordvinen wiederfinden
(s. Barn a Ferd., flsvaltesunk foistenei = Die Hauptgfltter unserer
Urreligion, S. 43). Die Schwelle muss man am Vorabend des
Pfingstfestes mit etwas Salz bestreuen und mit Knoblauch einreiben,
damit die „B&sen" den „Segen Gottes", der in dieser Nacht vom
Himmel auf die Menschen, je nach Verdienst, traufelt, vom Gebaude
— 59 —
nicht verscheuchen kflnnen. Aus diesem Grunde wirft im Kalota-
szeger Bezirk an diesem Abend die Hausfrau ein Strohbundel auf
das Hausdach, nachdem sie auf ersteres vorher uriniert hat. Damit
die Kuh reichlich Milch geben soil, muss man sie an diesem
Abend mit einem Birkenbesen schlagen. Damit man das ganze
Jahr hindurch an Brot keinen Mangel leiden soil, so schutteln im
Kalotaszeger Bezirk je 20 bis 30 Frauen ihre Mehlsacke in einen
Sack ab, der dann von einer Frau auf den Friedhof getragen wird,
wo sie den Mehlstaub aus dem Sacke auf ein beliebiges Frauengrab
schQttelt; ein Brauch, welcher Pfingsten auf das zweifelloseste unter
jene Zeiten einreiht, in welchen der Mensch mit den Seelen der
Verstorbenen verkehrt." —
Wir gehen nun zum letzten der Sommerfeste, zum Johannis-
tage iiber, wo wir alle die Zaubereien wiederfinden, welche die
ScheidemUnze jedes Volksglaubens bilden. Als Hexenscheucher ist
das Johannisfeuer in der halben Welt bekannt. „Bei keinem
Feste", sagt Lip pert, „hat sich gerade diese Spezialit^t so all-
gemein erhalten, und wo die Zeit schon alles Alte abgestreift hat,
da ist, nicht zum mindesten dank den nun in Aktion tretenden
Kiihjungen, doch noch dieser Rest geblieben, — aber unsere Kinder
werden ihn auch nicht mehr kennen lernen." Schon Nikolaus von
Telegdi, ein alter Kirchenschriftsteller Ungarns, erwahnt dieser
Johannisfeuer und zwar in hflchst geistlicher Weise: „Sie freuen
sich der Geburt des hi. Johannes; als Ausdruck dieser Freude
pflegen sie am hi. Johannisabend iiberall Feuer anzulegen, als ob
sie sich auch jetzt noch freuen warden, dass Gott den hi. Johannes
auf die Welt gesendet hat. Denn es ist Brauch, besonders bei
fremden Nationen, dass wenn die Menschen ihre Freude fiber nicht
gewflhnliche Dinge ausdriicken wollen, sie in den Fenstern der
Hauser und Tarme Lampen anbrennen und auf den Platzen und
Strassen Feuer anzQnden." Telegdi fQhrt die Johannisfeuer also
in recht christlicher Beleuchtung auf, nicht aber, wie G. Lindner
(Das Feuer; Brunn 1881, S. 127) ihm irrtttmlicher Weise den Aus-
druck „heidnischen Ursprung" zumutet. Bartholomaeides (a. a. 0.
S. 44}) schreibt schon 1808: „Moris ignem et rogos in villis et
compitis feriis Johannis accendendi . . . . aut pridie vesperascente
coelo, in plateis aut compitis pyram construere solebant incolae,
succensa iuvenes inprimis virginisque loci, laeti et iocabundi rogo
— 62 —
knechte betteln am Johannisabend Stroh und Reisig zu-
sammen; wo man ihnen keines gibt, nehmen sie es sich
mit Gewalt, stellen die Garben mit dem spitzen Ende nach oben
auf, zUnden das Feuer an, umtanzen es und singen Lieder dazu
(I poly i, S. 194). G. Lindner (a. a. 0., S. 128) teilt ein Lied aus
OberGsterreich mit, das am Johannisabend gesungen wurde und
verdient, weil L.'s Werk wenig zuganglich ist, hier mitgeteilt zu
werden. Es lautet:
Gets mein lieben Buebnl Schenks uns e starks;
Holz wollme zsamme trage. Halige Sixt!
Jetzt springmer fibers Fuie, Schenks uns e diks;
Denn gebmer Stuie. Halige Koloman!
Halige VeitI Ziind unse Haus net an.
Schenk uns e Scheit; Wer mer e Scheit gibt, is e brave Man,
Halige Marks Wer mer kans gibt, is e rechte Gogkelhan!
In Kiliti ztinden sechs Hirten das Feuer an; die Hausfrauen
begiessen mit dem an demselben gewarmten Wasser das Kraut,
damit es die Raupen nicht fressen; die Asche wird in die Krippe
der Rinder gestreut, urn dieselben vor Behexung zu schutzen. In
N6grdd-Luddny gehen am Johannisabend die Bursche und Maide,
jedes mit einer Strohschaube in der Hand, auf eine Wiese an der
Eipel; dort legen sie das Stroh gewOhnlich in zwfllf Haufen (far
die 12 Monate des Jahres) und zUnden sie an. Hierauf umgehen
sie das Feuer, singen und halten einen Biischel Gliedkraut (tisztes
fa = ehrsames Gras) in den Rauch mit den Worten: „Keine Beule
werde an meinem KGrper, kein Bruch an meinem Fuss" (keles ne
legyen a testemen, tares ne legyen a ldbamon). Das Fest dauert
drei Tage; das Halten des Gliedkrautes Qber das Feuer ist eine
ebenso wichtige und notwendige Ceremonie, als das Beschreiten
des Feuers mit nacktem Fusse und das Ausstampfen der Flamme.
Das Gliedkraut wird aufbewahrt und vorkommenden Krankheitsfalles
ins Bad gelegt (Ipolyi, S. 195). In Kecskemet war es Brauch,
einen Besen aus Johanniskraut zu binden, denselben in die Glut
des Johannisfeuers aufrecht hineinzustecken und dann iiber ihn
hinwegzuspringen. Aus dem glttcklichen Ueberspringen schloss man
auf das Wohl und Wehe des Springers (Ipolyi, S. 195). Besen
als Hexenfetische bilden das beliebteste Material. Der Gedanken-
weg zum Zauberischen dabei ist leicht zu erkennen. Das Feuer
— 63 —
verscheucht zuerst die Geister (iberhaupt, wenn sich der Mensch
vor Spuk sichern will. Mit dem Erlaschen der alten Religions-
vorstellungen denkt man nur noch an die unliebsamen Geister;
man verscheucht sie und bricht ihren Einfluss. Indem man so von
Feld und Vieh, das dem Menschen das Teuerste ist, jeden Schaden
abwehrt, Gffnet man dem Segen die Thar. Das Feuer bringt. daher
den Segen, und indem es also segenbringend ist, zieht man aus
der BerQhrung mit demselben allerlei Nutzen. Es niitzt schon,
dasselbe zu umtanzen und zu Uberspringen, was einst auch fttrstliche
Personen ubten (Grimm, D. Myth., S. 586); es nOtzt den Augen, in
bestimmter Weise hineinzublicken, es nutzen die angebrannten
Scheite und Kohlen u. s. w. Trifft eine solche Zaubervorstellung
auf dem natiirlichen Wege ihrer Entwickelung eine andere, langst
aufgenommene, so entstehen Kreuzungen, die fur sich allein schwer
zu begreifen waren. So wissen wir bereits, warum man einen
schatzenden Gegenstand unter die Schwelle vergrabt. Ist nun die
Johanniskohle ein solcher geworden, so wird man auch darauf
gefasst sein kftnnen, dass ihn jemand unter seiner Thtirschwelle
vergrabt. In BGhmen pflegten sonst die Knaben, wenn sie von dem
Johannisfeuer heimkamen, ihren Eltern solche Kohlen mitzubringen,
und diese vergruben sie unter der Thtirschwelle, „um das Haus
gegen allerlei Zauber zu schiitzen." In Ungarn vergrabt man am
Johannisfeuer oder, wo solches schon unbekannt geworden, im Weih-
rauchbecken der Kirche angebrannte Holzsttickchen in der Nahe
des Hauses, urn dasselbe vor dem Blitze, vor Feuersgefahr Uberhaupt
zu schiitzen. In den katholischen Ortschaften des Kalotaszeger
Bezirks vergrabt man an gleichem Orte zu gleichem Zwecke solche
Holzsttickchen, die man am Alters eel en tag an Kerzen angebrannt
hat, die auf Grabern brennen.
Ganz abweichend von den bisher erwShnten GebrSuchen ist
die im Donau-Uferorte Maros samt Umgebung bei der aus Deutschen
und Magyaren gemischten BevGlkerung herrschende Sine: Am
Johannisabend geht die Jugend an das Donau-Ufer, die Madchen
Stehen am unteren, die Burschen am oberen Rande des Ufers.
Nachdem sie Feuer gemacht haben, fUgen sie an das Ende ihrer
StGcke ein Rad ein, welches sie in der Glut anziinden und rasch
herumdrehen, worauf sie es in die Donau rollen, indem sie dabei
folgendes Lied (Originaltext bei Ipolyi, S. 194) absingen:
60
adstabant, eumque subinde transiliebant, nee nisi consumta penitus
ignis materia relinquebant ; a. 1780 ritum hunc adhuc in quibusdam
locis usurpatum meminimus, qui vero hodie (1808) vix iam alicubi
obtinet (?)". Csaplovics (Gemalde v. Ung., 2. 225) schreibt noch
spater (1829): „Im Monat Juni pflegt die Jugend am Vorabend des
Johannistages in der Abenddammerung auf Gebirgen Feuer
anzuziinden und dies zu iiberspringen, mit brennenden
Fackeln laufen sie auf und ab und bringen da singend und
spielend den grflssten Teil der Nacht zu; diese Sitte mag sich
von heidnischen Zeiten herschreiben."
Die Jugend versammelt sich am Abend dieses Tages gewflhn-
lich auf einer AnhGhe und ziindet ein Feuer an, Qber welches
hinweg die Maide springen. Aus dem Sprunge schliesst man dann
auf ihre Verehelichung. Die Maid, welche geschickt das Feuer
Qberspringt, kommt bald unter die Haube. Wahrend des Springens
der Maide wird an vielen Orten Ungarns das folgende Bruchstiick
eines alten Liedes (Originaltext bei Ipolyi, S. 193) gesungen, das
ich in genauer Uebersetzung hier mitteilen will:
Feuer ziinden wir an,
An vier Ecken ziinden wir es an,
An einer Ecke sitzen schone alte Manner,
An der anderen Ecke sitzen schone alte Frauen,
An der dritten Ecke sitzen schone junge Burschen,
An der vierten Ecke sitzen schone Jungfrauen.
Beim Ueberspringen des Feuers wird gesungen:
Es brennt N.'s(Mannername) Steinhaus,
Wen', nicht lassen wir die Armen!
Loschen wir es, loschen wir es!
Der lange Baumast zweigt sich ab,
Der eine Zweig neigt sich in N.'s Hof,
Ueber dem Haar eine Perlenkrone,
Er neigte sich in N.'s Hof,
Ueber dem Haupt Perlenkranz,
Blume mein, mit dir geh' ich
Die eine Blume: schone Aehrenblume,
Du schone Blume,
Lebt die Welt.
Wort fiir Wort spricht
Wahrlich mit mir
Wetteifre nicht mit mir,
Loschen wir es, loschen wir es!
Es brennt N.'s (Madchenname) Steinhaus,
Wen', nicht lassen wir die Armen!
Uebers Meer neigt er sich,
Der andere zur seidenhaarigen N.
Perle ist der andere Zweig,
Zur seidenhaarigen N.
Mit mir wetteifern drei Blumen,
Blume mein, von dir nicht lass' ich.
Wetteifre nicht mit mir,
Denn von mir
Blume mein, mit dir geh' ich, u. s. w.
Die schone Rebenblute:
Li est man die hl.Messe, Blume mein,u.s.w.
Schones Veilchen,
— 65 -
Bis das Kind getauft wird, muss die Kerze neben ihm brennen,
damit es die Hexe nicht auswechsele ; wenn aber Verdacht geschflpft
wird, dass das Kind schon ausgewechselt sei, so muss man es vor
dasbrennendeHerdfeuer halten. Wenn es ausgewechselt ist, so
beginnt es zu schreien und der bBse Geist reisst es in die Flamme,
oder die Hexe holt, besorgt urn das Ihrige, dasselbe ab.
Die Brautwerbung heisst im Magyarischen jetzt noch „h£ztQz-
nez6s" (Hausfeuerschau). Die Brautwerber verlangen von der Braut
Feuer und Wasser. Wenn die Braut ins Hochzeitshaus geftihrt
wird, zundet man vom Hochzeitswagen herabgeworfenes Stroh an.
Beim Dorfe oder Hochzeitshause angekommen, wird ein Strohfeuer
angezilndet, welches umtanzt und iibersprungen wird. Am nSchsten
Tage wird die junge Frau ans Ende des Dorfes gefflhrt, wo sie wieder
das angezUndete Feuer umtanzen und Qberspringen, was sie Sengen
(perzselfo) nennen, vor welchem. aber die junge Frau flieht, und
von welchem sie sich mit Geld loskaufen muss, weil sie sonst nicht
ins Haus hineingelassen wird. Nach Gebrauchen, die auf der Insel
Schiitt bestehen, wird die Braut berauchert und in ihre SchOrze
etwas Weizen oder Gerste geworfen. Bei ihrem ersten Eintritt in
ihr neues Heim muss sie ihre Augen auf das Herdfeuer richten.
In der Theissgegend wird die Braut am Tage mit brennenden
Fackeln begleitet. In manchen Gegenden werden urn die tanzende
Braut brennende Kerzen auf den Boden gestellt (I poly i, S. 543).
Um den begonnenen Festkreis des Jahres abzuschliessen, haben
wir noch zweier Festtage zu gedenken, an denen besondere BrSuche
beobachtet werden. Am Martinstage heisst es, reite der Winter
auf weissem Rosse ins Land ; der ROckenknochen der Martinigans,
die an diesem Tage geschlachtet wird, heisst „Martinssattel"
(Morton nyerge). Lasst man denselben einige Zeit lang in der
Herdglut liegen, so kann man aus den auf ihm entstandenen r5t-
lichen oder schwarzen Punkten, oder aus seiner weissen oder r5t-
lichen Farbung auf die Witterung des kommenden Winters schliessen.
Hat der RQcken schwarze Punkte und ist er rfltlicher F8rbung, so
wird der Winter lau und kotig sein ; ist er von weisser Farbe oder
hat er rfltliche Punkte, so steht ein strenger, schneereicher Winter
bevor (Ipolyi, S. 307).
Lippert schreibt (a. a. 0., S. 664) ohne den magyarischen
Nikolaus (Mikl6s) zu kennen, also: „S. Nikolaus — friiher gleich
5
— 66 -
S. Georg beritten — stellt sich am Vorabende seines Festes selbst
der Jugend als TeufelsbSndiger vor, indem er den mit Ketten um-
wundenen Kerl mit sich fQhrt, dem landschaftlich die verschiedensten
Namen beigelegt werden. Der slavische Rupprecht heisst in BGhmen
und Mahren ausdrQcklich der Teufel." In vielen magyarischen
Orten wird ein als Greis verkleideter Bursche von seinen Kameraden
an Ketten von Haus zu Haus gefahrt und musste „als gebandigter
Winter" um Gaben tanzen. Dann wurde zum Schluss der Haus-
herr geprQgelt, „damit er im Winter nicht friere" (vgl. Ipolyi,
S. 5 J 9)- Vor Jahren ward in Klausenburg jedermann auf der Gasse
von der Truppe geschlagen und musste eine Gabe aberreichen. —
Wir wSren somit an den Schluss unserer Zusammenstellung
der magyarischen Festgebrauche angelangt, die ein wichtiges Kapitel
in der vergleichenden Volkskunde bilden. Sie zeigen, wie nach-
haltig die Macht der Gewohnheit ist, auch wenn ihr langst der
saftezuftthrende Boden entzogen zu sein scheint; sie zeigen aber
auch, dass diese Festformen „schon lange als von bestimmten
Zeiten bedingte Lebensformen da waren, ehe man daran dachte,
davon den Begriff einer Feier zu abstrahieren und nach dem
Gegenstande zu suchen, der gefeiert werden sollte" Wie viel in
den heutigen FestgebrSuchen von den alten heidnischen Festge-
brSuchen der Magyaren noch als Rudiment ttbrig geblieben ist und
sich mit Entlehnungen aus fremdem Festgebrauche vermischt hat, das
zu bestimmen wird die Aufgabe der vergleichenden Volkskunde, der
Wissenschaft der kommenden Jahrhunderte sein.
III.
Zauber mit menschlichen Korperteilen.
Der Glaube an eine geheimnisvolle Kraft menschlicher KSrper-
teile ist, wie bei alien VGlkerschaften, die von der Ethnologie bis-
lang in den Kreis ihrer Beobachtung gezogen worden sind, auch
bei den Magyaren verbreitet. Welche hohe Bedeutung dieser
Glaube fiir die Geschichte der Religion, des Kultus und der Sitte
gehabt hat und im gewissen Sinne noch heutigestags hat, das
zeigen die diesbeziiglichen Zusammenstellungen, welche der ver-
dienstvolle Volksforscher F. S. Krauss im Verein mit anderen
bislang verGffentlicht hat („Am Ur-Quell," III. Bd. 1892). „Auch
von diesem Gesichtspunkte aus sollte man", schreibt Th. Achelis,
„um ein wirklich erschflpfendes Verstandnis unserer eigenen mytho-
logischen und religiflsen Ideenwelt zu gewinnen, sich nicht mehr
mit den landlaufigen theologischen Kriterien und abstrakt-spekulativen
ErklSrungsversuchen begnUgen, sondern zu den Akten der Vfllker-
und Volkskunde greifen, die eben allein uns diesen induktiven
Einblick in das organische Wachstum des menschlichen Geistes
verschaffen kGnnen."
Ueber den Zauber mit menschlichen Korperteilen bei den
Magyaren liegen weniger gedruckte Angaben vor, als iiber die
anderen Zweige des Volksglaubens. Dies liegt jedoch gewiss nicht
darin, dass dieser Zweig des Volksglaubens bei den Magyaren nicht
auch seine Ranken geschlungen habe; der Grund ist vielmehr nur
darin zu suchen, dass man sich in Ungarn mit Volkskunde erst in
neuester Zeit ernstlich zu befassen beginnt. Von den zahlreichen,
in alteren und neueren Tagesblattern erschienenen Berichten fiber
die Entdeckung sogenannter „Hexen- oder Teufelsktichen" durch
die BehGrden, will ich hier absehen und nur zwei Berichte J oh.
Vargas (A babonak kOnyve = Buch des Abergl. ; Arad 1877,
5*
— 68 -
S. 140 u. 155) in wOrtlicher Uebersetzung mitteilen: „Vor einigen
Jahren entdeckte in Debreczin die Polizei eine HexenkOche.
Richtiger gesagt: eine HallenkOche; denn wahrlich das, was dort
gebraut wurde, das kochte bei teuflischem Feuer. Dort fand man
Menschenschadel, auf denen noch die Haare waren; das alte Weib
(die Besitzerin der Kiiche) kaufte vom Totengraber die Leichen
und verbrannte deren Gebeine — zu Medizinen. Da waren ge-
dftrrte Schlangen, Frftsche und anderes ekelhafte Getier; Toten-
nagel, Stricke von Erhangten und deren Haare, und Gott weiss
noch was alles, woraus Speisen, GetrSnke und Salben bereitet
wurden." — Der andere Bericht lautet: „Vor nicht langer Zeit
geschah es, dass in M^rmaros eine arme Frau aus der Theiss Wasser
schftpfte und in der N2he unter den Steinen die Leiche ihres vor
einigen Tagen verstorbenen Kindes erblickte. Dem Leichnam fehlte
die Zunge, das Herz und der kleine Finger, ebenso das Toten-
hemdchen. Zu Tod erschreckt las sie die Ueberreste ihres kleinen
Toten zusammen und lief zum Richter. Der Fall versetzte die
ganze Stadt in die grftsste Aufregung und dieser ist es zuzuschreiben,
dass man schon am Nachmittage desselben Tages die beiden
Schuldigen dingfest machte, welche den begrabenen kleinen Leich-
nam auf eine so schreckliche Art versttimmelt hatten. Eine alte
HeilkUnstlerin und der Totengraber arbeiteten sich in die Hand
und gruben die beerdigten Kinder heraus und teilten sich in den
Preis der aus Kinderzungen, Fingern, Herzen und Hemden ver-
fertigten Zaubermittel."
Es kann nun nicht hier meine Aufgabe sein, eine alle Einzel-
heiten erschflpfende Zusammenstellung des vorliegenden Themas zu
geben; nur mit einigen Streiflichtern mflchte ich den wundersamen
Ideenkreis beleuchten, in welchem sich das Bewusstsein der niederen
Volksschichten zu bewegen pflegt, soweit sie noch eben ungestftrt
von dem verhangnisvollen Einfluss einer haheren Bildung in dem
Banne ihres ursprUnglichen Daimonismuses verblieben sind.
Wir beginnen mit dem Blut.
In einigen Gegenden herrscht der Brauch, dass wenn der
Namenstag einer Person auf einen Freitag fallt, dieselbe etwas von
ihrem Blute und Speichel auf einen Lappen eines ihrer abgetragenen
Kleidungsstucke wischt und diesen Lappen dann verbrennt. Es
heisst, dass die betreffende Person dadurch auch das, ihr bis zu
— 69 —
dem Tage, wo ihr Namenstag wieder auf einen Freitag fallt,
bevorstehende Unglilck verbrenne. Im Siidosten SiebenbQrgens
hangt man bei dieser Gelegenheit solche Lappen vor Sonnenaufgang
an einen Baum. Verschwindet der Lappen bis zum nSchsten
Sonnenaufgang vom Baume, so verschwindet auch das bevorstehende
UnglQck. —
Es heisst: als man Christus kreuzigen wollte, so fand man
keinen Baum, der ihn tragen konnte. Jedes Kreuz brach unter
ihm zusammen, denn er hatte alle Baume in den Bann gethan
(megigezte); nur auf die Espe hatte er vergessen. Als man ihn
schliesslich an ein Kreuz aus Espenholz schlug, so brach dasselbe
unter ihm nicht zusammen. Seit der Zeit „weint" (sfr) die Espe . . .
In Mittelungarn macht man zu Weihnachten aus Espenholz den
sogenannten czolonk (Keil), den man bei gefahrvollen Unter-
nehmungen am blossen Leibe tragt, um gegen Hexen und Teufel,
Kugel und Schwert u. s. w. gefeit zu sein, um Glilck zu haben,
um das vorherbestimmte Schicksal abzuandern. Es ist eine Art der
„virgula divina", welche Cicero bei den R5mern erwahnt. Die
letzten Worte des Szigetvirer Helden Nikolaus Zrinyi sollen
nach Graf Nik. Beth 1 ens Aufzeichnungen gewesen sein: „Schand-
lich ist mit mir verfahren das Schwein (der Tiirke), aber sieh' da!
ein Holzl — das er auch wahrend einer Schlacht stets in der
Tasche bei sich trug — stillet damit der Wunde Blut: dies ist
dazu sehr gut" (s. Ethnographia II. S. 354, Anm.). Solche czolonk
sah Lieutenant v. Bora wahrend des bosnischen Feldzuges bei
gar vielen magyarischen Soldaten. Den alten czolonk, d. h. den
man vor einem Jahre gemacht hat, ist es iiblich, zu verbrennen und
die mit Milch gemengte Asche desselben in den Viehstall zu streuen.
Oft bespritzt man diesen czolonk mit seinem Blute und verbrennt
ihn, ehe man sich einen neuen schnitzelt, zu Asche, die man der-
jenigen Person auf die Kleider streut, deren Liebe und Anhang-
lichkeit man sich erwerben will.
Weit verbreitet ist der Glaube, dass man durch Verfluchungen,
Beschworungen und sympatische Mittel Menschen, denen man feind
ist, vom Tode abholen lassen kann, ohne dass jemand davon etwas
erfahre. Man sperre einen schwarzen Hund ein und gebe ihm bei
abnehmendem Monde auf Brot etwas vom Sperma des Mannes
oder den menses der Frau oder der Nachgeburt, beziehungsweise
— 70 —
der Nabelschnur zu fressen; dann sammele man den Kot des Hundes,
pulverisiere ihn und mische ihn in die Speisen des Menschen, von
dem man die erwahnten Dinge heimlich erlangt hat und dessen
Tod man herbeifilhren will. Wer mit dem Blute eines Toten den
Nabel eines Schlafenden einreibt, der bewirkt den baldigen Tod
des Betreffenden. Wunscht man einer Person den Tod, so eignet
man sich etwas von ihrem Blute an und schmiert damit die linke
Fusssohle eines Toten vor dessen Beerdigung ein. Die betreffende
Person verfallt dann in die Bleichsucht, magert ab in dem Maasse,
wie der Tote in der Erde abnimmt und stirbt bald.
Will man eine Maid oder Frau unfruchtbar machen, so reibe
man die Genitalien eines toten Mannes mit den menses des be-
treffenden Weibes ein. Eine Redensart im Kalotaszeger Bezirk
lautet, auf unfruchtbare Weiber angewendet: „Sie hat auf einen
Toten uriniert" (Holtra peselt). Die Bleichsucht vertreibt man,
wenn man einige Tropfen vom eigenen Blute mit welchen Exkre-
menten immer eines Toten mischt und dann in das noch offene
Grab des betreffenden Toten kurz vor dessen Beerdigung wirft.
Blut von Erhangten ist ein gutes Mittel gegen Epilepsie. Das Eiweiss
und vom Dotter nur den weissen Flecken des Huhnereies soil man
mit dem Blute des Mannes mischen, dies dann in einen Toten-
knochen fallen und denselben an den Ort vergraben, wo der Mann
das Wasser abzuschlagen pflegt und man erhaht dadurch die Con-
ception der Frau. Eine Kalotaszeger Redensart auf einen kinder-
reichen Mann angewendet, lautet: „Man hat Eier mit seinem Blute
ihm gemischt" (ver£vel tojist kevertek neki). Menschenblut und
Menschenfett mische man mit einander und reibe damit die Herz-
gegend solcher Leute ein, die an hysterischem Herzklopfen und
Atemlosigkeit leiden. Urn Irrsinnige zu besanftigen, gebe man ihnen
einen Aufguss von Ulmenrinde, mit dem Blute eines Kindes ge-
mischt, in einem Totenschadel zu trinken. Mit dem Blut und
Speichel des Irren soil man das Hinterhaupt eines Toten befeuchten,
damit der Kranke „so viel Verstand bekomme, als der Tote einst
gehabt hat."
Man benOtzt das Blut auch zuLiebeszauber. Zu Neu-
mond stiehlt die Maid Mehl und Honig, backt daraus einen Kuchen,
dem sie etwas von ihren menses beimengt, und gibt ihn dem
Burschen zu essen, dessen Liebe sie erlangen will. Die menses
r
— 71 —
dem Manne ins GetrSnk gemischt, erweckt bei ihm rasende Liebe
zum betreffenden Weibe. Ein weit verbreiteter Liebeszauber ist:
Das erste Ei einer schwarzen Henne wird an beiden Enden behutsam
geftffnet und sein Inhalt herausgeblasen; die Eierschale legt man
auf den Herd, damit die innere Feuchtigkeit verdampfe; dann steckt
man in die Eierschale Haare, Nagelschnitzel und auch einige Tropfen
Blut von derjenigen Person, deren Gegenliebe man begehrt; hierauf
vergrabt man die Eierschale in den Grabhugel eines ungetauften
Kindes; findet sich nun nach drei Tagen in der Eierschale Feuchtig-
keit vor, so wird man seinen Zweck erreichen. Gelingt es einer
Maid, von dem ihrem linken kleinen Finger entstrGmenden Blute,
so lange es noch warm ist, etwas an die Haupthaare des Burschen
zu schmieren, so muss dieser stets an sie denken. Kocht der Mann
den Urin eines Weibes mit seinem Sperma, dem er etwas von
seinem Blute beigemengt hat, und mischt dies in die Speisen und
Getranke des Weibes, so muss es ihm willig werden.
Auch bei den Magyaren ist, wie wohl Oberall, die Vorstellung
verbreitet, der Pakt mit dem Teufel mQsse mit dem eigenen Blute
unterzeichnet werden (Ipolyi, S. 418 ff.) Hat man das Fieber,
so soil man auf einen Zettel mit dem eigenen Blute seinen Namen
schreiben und den Zettel verschlingen, indem man spricht: „Nimm,
hier hast du, was du brauchst" (Nesze, itt van, mi neked kell).
Will der Mann sich die Treue der Gattin sichern, so schreibe er
mit seinem Blute auf einen Zettel seinen Namen und lasse diesen
Zettel von der Gattin unbewusst verzehren. Desgleichen thun die
Weiber mit ihrem Menstruationsblute.
So wie man durch Blut Liebe und Neigung erwecken kann,
so ist man auch imstande, Abscheu und Hass hervorzurufen.
Schmiert man die Schuhsohlen der Braut vor der Trauung mit dem
Blute oder auch nur mit dem Speichel des BrSutigams ein, so wird
sie ihrem Gatten bald abhold werden. Oder man schreibt mit dem
Blute des Mannes dessen Namen auf ein Taubenei und lasst dies
durch das Weib unversehens zertreten; die Liebe des Mannes wird
dadurch „zertreten". Malt man mit dem Blute eines Menschen
einen Kopf an eine Wand und sticht eine Nadel in die Figur, so
wird der Betreffende an heftigen Kopfschmerzen so lange leiden,
bis man die Nadel entfernt. Malt man einen Fuss und durch-
sticht ihn mit einer Nadel, so bekommt er ein Fussleiden u. s. w.
— 72 —
Noch einige lose Anmerkungen ttber das Blut. Das Bluttrinken
bei Gelegenheit von BQndnissen, Vertragen, SchwQren u. dgl. war
auch den alten Magyaren bekannt. Der anonyme Notarius des
KOnigs B61a schreibt u. A. (c. 5.6): „More paganismo fusis propriis
sanguinibus in unum vas, ratum fecerunt iu ram en turn" . . . ferner:
,, sanguis nocentis funderetur, sicut sanguis eorum fuit fusus in
iuramento, quod fecerunt Almo duci." Die sogenannte Szekler-
Chronik (S. 277), deren ursprUngliche Gesetze auf sechs Steintafeln
mit Blut geschrieben waren (Ipolyi, S. 532 Anm.) erwahnt: „Pro-
fusisque caeteri lacrimis quasi sanguineis, potum prae gaudio cele-
brantes sumpsere", d. h. sie vergossen ihr Blut gleichwie Thranen.
Dies Bluttrinken kommt auch beim Totenmahl des Verbulcsu vor,
woriiber der Chronist Keza schreibt: „Pro eo Werbulchu est
vocatus, quia Cun avus eius in prelio Crimildino per Teutonicos
fuisset interfectus, et id ei pro certo constitisset, volens recipere
vindictam super eos, plures Germanicos assari fecit super veru, et
tanta crudelitate in eos dicitur exarsisse, quod quorundam quoque
sanguinem bibit sicut vinum."
Unschuldig vergossenes Blut lasst sich nicht bergen und
offenbart sich stets auf irgend eine Weise. Das Blut des vom
Blocksberge bei Ofen herabgestdrzten hi. Gerard kann die Donau
von den Felsen bis auf den heutigen Tag nicht abwaschen. Im
„Leben" des Heiligen (vita S. Gerardi 20, und chron. bud. 97)
heisst es: „Danubius saepe-redundans super molem lapidis, in quo
contritum est caput S. Gerardi, non potuit sanguinem diluere per
septem annos, donee recollectus est a sacerdotibus, nunc in eodem
loco, ubi contritum est caput eius, in honorem b. Gerardi m. ecclesia
sub monte apparet fabricata." Neben Slatina befindet sich ein
HOgel mit „roten" StrSuchern besetzt; ein Brautpaar wandelte einst
auf diesem Hugel und wurde von Raubern ermordet, die ihre ent-
seelten Kdrper den HOgel hinauf- und herabschleiften (Ipolyi,
S. 364). Das Blut des unschuldig hingerichteten D. Bdnffi sprudelte
jahrelang aus seinem Grabe hervor (Cserei, hist. 85). Selbst
wenn ein K5rperteil, von der Leiche getrennt, anderswo beerdigt
wird, so sprudelt Blut hervor. So blutete noch lange das abgesondert
beerdigte Herz des Palatins Paul Pdlffy (Ipolyi, S. 364). Zahl-
reiche Marchen und Sagen erzShlen, dass die Wunden des Ermordeten
zu bluten begannen, sobald der Mftrder sich der Leiche naherte.
- 73, -
Dass die Juden Blut christlicher Jungfrauen und Kinder zu rituellen
Zwecken verwenden, ist ein in Ungarn leider allgemein verbfeiteter
Glaube. Ich erinnere hier nur an den Fall von Tisza-Eszldr, wo
die Juden auf gerichtlichem Wege beschuldigt wurden, eine Maid
zu rituellen Zwecken gemordet zu haben.
Der menschliche Speichel hat auch im magyarischen Volks-
glauben „besondere heilende oder zerstGrende, oder gliickbringende
Eigenschaften und noch dazu eine eigentQmliche Macht zur Abwehr."
Urn das Kind oder ein Tier nicht zu berufen, zu beschreien,
so pflegt man es anzuspeien oder wenigstens den Laut des Aus-
spuckens nachzuahmen (Kozma a. a. 0., S. 35). Denkt man bei
sich etwas Unangenehmes oder Bdses, z. B. „wenn mein Kind sterben
sollte, was thate ich?" — so muss man ausspeien, damit der Gedanke
nicht in Erfiillung gehe. Arbeiter speien sich in die HSnde, bevor
sie die Arbeit beginnen, damit das Werk gelinge. Begegnet man
einem alten Weibe oder einem rumanischen Geistlichen, so soil
man ausspeien, damit einem auf dem Wege nichts Uebles zustosse.
Wird einem ein Trank angeboten, so spuckt man aus, bevor man
trinkt, und macht man sich auf den Weg in wichtiger Angelegenheit,
so thut man dasselbe. Ins Badewasser eines neugeborenen Kindes
spuckt die Hebamme hinein und die Mutter spuckt wahrend ihres
sechsw&chentlichen Einsitzens stets auf die Stelle, wohin sie ihr
Kindlein niederlegt; dasselbe thut sie, wenn sie ihm die Brust
reichen will. Sie spuckt aus, so oft sie in der Zeit des Einsitzens
die ThUrschwelle Qbertreten muss. Begegnet man einem Leichen-
zug, schreitet man an einem Kranken vo ruber, geht man ilber einen
Kreuzweg hinweg, sieht man Katzen, Eulen, Ziegen, Krahen und
Raben zu ungewdhnlicher Zeit und an ungewahnlichem Orte, so
spuckt man aus. Dasselbe thue man bei Blitz und Donner. Sperrt
man abends den Viehstall ab, so spuckt man vorher in den Stall
und offnet man ihn morgens, so spuckt man vorher aus, bevor man
in den Stall tritt. Jeden neugekauften Gegenstand und jedes neue
Tier spuckt man an, damit nichts „Bdses" an ihm haften bleibe
(vgl. Ipolyi, S. 43).
Hat man Kopfweh, so speie man in seinen Hut oder in seine
Miitze, so oft man die Kopfbedeckung auf- oder absetzt. Beulen
soil man vor Sonnenaufgang anspucken, damit sie verschwinden.
Es gibt Leute, die einen „giftigen" (merges) Speichel haben. Tritt
— 74 —
man in ihren Speichel, so bekommt man einen Hautausschlag und
wenn sie jemanden anspucken, so bekommt der Betreffende an der
Stelle ein bftsartiges GeschwUr, das man mit Kinderspeichel heilen
kann. Hat die Mutter Brustschmerzen, so reibt sie ihre BrUste mit
dem Speichel des Sauglings ein. Bei Neumond ballen die Kalota-
szeger Kinder ihre Faust, speien gegen den Mond zu aus und
sprechen: „Gib noch mehr" (adj meg tabbet), wodurch sie Geld
zu erhalten hoffen. Von der Gelb- und Bleichsucht kann man sich
befreien, wenn man in ein Grab vor der Beerdigung der Leiche
spuckt. Im Kalotaszeger Bezirk muss der Gatte der Gattin bei
schwerer Geburt in den Mund spucken.
Wacht man in der Friihe auf und hat eine HautentzOndung,
so heisst es: der Teufel oder eine Hexe habe einen im Schlafe
angespieen; dagegen hilft Glockenfett und Speichel eines Kindes,
womit man die entzQndete Stelle einreibt. Wohin eine Hexe aus-
spuckt, dort wachst nie mehr Gras. Dasselbe gilt von ihrem Urin.
Hat man auffallend viel UnglUck, so heisst es: „Das ist ein Teufels-
ausspeien" (ez 5rd5g kapese). In zahlreichen Hexenprozessen heisst
es: „Sie hat ihn oder sie angespuckt" (s. I poly i, S. 401). Bei der
Weihe, d. h. bei ihrer endgiltigen Aufnahme unter die Hexen, muss
die Hexe die Bibel anspucken (eb., S. 418). Feen weben aus ihrem
Speichel eine Leiter, urn in den Himmel hinaufzusteigen. Zerreisst
die Leiter, so fliegen ihre Stucke als Herbstfaden in der Luft herum.
Die im Herbste (iber die Felder hinschillernden Faden der Feld-
spinne (Altweibersommer) heissen im Magyarischen Ochsenspeichel
(5k5rnyil). Eine Sage aus meiner unedierten Sammlung magya-
rischer Volksdichtungen lautet darOber also:
„Vor vielen, vielen Jahren lebte ein Ritter, der war gegen
seine Untergebenen gar streng und hartherzig. Seine eigene Gattin
hatte er einmal in seinem Zorn zu Tode geprOgelt und seine drei
wunderschflnen TOchter behandelte er schlechter, denn Hunde.
Da traf es sich einmal, dass der base Ritter in eine gar feme Stadt
zog, urn sich von da eine Gattin zu holen. Bevor er abzog, sprach
er zu seinen TOchtern: „ Allen Hanf, der sich am Aufboden des
Hauses befindet, mOsst ihr bis zu meiner Rackkehr gesponnen haben,
sonst lasse ich jede von euch an einen Baum binden und dann
zersagen." Also sprach der Rittersmann und zog von dannen.
Seine armen Tdchter weinten nun Tag und Nacht, denn sie wussten
— 75 —
nicht, wie sie den vielen Hanf aufspinnen sollten. Da traf es sich
einmal, dass die drei Fraulein spat in der Nacht noch spannen und
weinten, als sich die ThOre der Stube offnete und ein riesiger
schwarzer Stier hereintrabte. Mitten im Hanfstoss, der am Boden
lag, blieb er stehen, nahm einen Bund nach dem andern auf seine
Hdrner, und wahrend er seinen Hals von rechts nach links bestandig
bewegte, verwandelte sich der Hanf sofort in die schGnste Leinwand.
Das eine der drei Fraulein stieg nun schnell auf den Aufboden
hinauf und reichte ihrer Schwester, die auf der Leiter stand, einen
Hanfbund nach dem andern herab. Die mittlere Schwester reichte
den Hanf der jungsten, die unten in der Stube stand, und diese
warf ihn vor den Stier, der mit seinen Hftrnern so rasch spann,
dass die Schwestern kaum Zeit hatten, einander den Hanf zu Uber-
reichen. Die eine rief stets der andern, diese wieder der dritten
zu: „Nyujtod-e m£r?" („Reichst du ihn einmal her?"), urn sich
gegenseitig zur Eile anzufeuern. Als es dammerte, spann der Stier
noch immer. Aber er war auch schon sehr mode, denn so oft er
den Hals von rechts nach links bog, da flog ihm stets der Speichel
in langen Faden zum offenen Fenster hinaus und schwebte als
glanzender Faden in der Luft fort. Diese Faden sieht man auch
jetzt noch im Herbste in der Luft schweben, und wir nennen sie
„0k6rnyil" (Ochsenspeichel). Gegen Mittag war der gesamte Hanf
aufgesponnen, und da sturmte der Stier auf die drei Jungfrauen
los und warf sie in die Luft; die eine fiel oben auf dem Gebirge
neben einer Quelle auf die Erde; die andre fiel auf einen Acker,
und die dritte fiel auf einen hohen Baum. Jede sitzt nun seit
vielen Jahren auf ihrer Stelle und spinnt den „Ochsenspeicher ;
aus dem Gespinst verfertigen sie dann Hemden, und wer ein solches
findet und am Leibe tragt, der ist in allem glttcklich. An der
Statte, wo das Haus des Ritters gestanden, hflrte man lange Jahre
hindurch allnachtlich den Ruf erschallen : „Nyujtod? nyujtod-e m£r?"
Und als mit der Zeit sich daselbst Leute ansiedelten, nannten sie
das Dorf „Nyujtod" (im Sadosten SiebenbUrgens) . . . ."
In zahlreichen Marchen spuckt die vor Hexen, Drachen u. dgl.
fliehende Heldin hinter sich, woraus dann ein See oder Fluss entsteht.
Redender Speichel ist auch der magyarischen Volksdichtung bekannt.
In einem Marchen erzahlt immer der Speichel dem Gatten die
Treulosigkeit der Gattin u. s. w.
— 76 —
Beim Liebeszauber ersetzt der Speichel das Blut. —
Sch weiss kommt nur bei Liebeszauber vor. Man lege einen
Kuchen, Apfel oder sonst etwas Essbares unter den linken Arm,
lasse es dort durchschwitzen und gebe es dann der Person, deren
Liebe man erzwingen will, auf nttchternen Magen zu essen. Auf
ahnliche Weise macht man sich auch Tiere anhanglich.
Allgemein verbreitet ist bei den Magyaren der Glaube, dass
wer etwas vom Friedhofe sich aneignet (Blumen, Totengebein und
dgl.), von dem betreffenden Toten urn Mitternacht besucht wird
und den Gegenstand zurOckgeben muss. Eine Maid kochte auf
Rat einer Hexe ein Totenbein urn Mitternacht, damit ihr lange
abwesender Geliebter ihr erscheine. Der tote Geliebte erschien ihr
(Ipolyi, S. 365). Im handschriftlichen Werk des Baron Med-
nyanszky (Samml. abergl. Meinungen und GebrSuche des ge-
meinen Volkes in den Thalern des Rokos, 1823 ; vgl. Ipolyi XXVI)
wird (S. 47) von einem Manne erzahlt, der eine Totenrippe heim-
brachte. Der betreffende Tote forderte urn Mitternacht seine Rippe
zurilck. Der Mann konnte sie ihm nicht zuruckstellen, nachdem
er sie eben verbrannt hatte. Von nun an nahm er, seine Familie
und sein Viehstand von Tag zu Tag ab, alles magerte ab und siechte
dahin, bis er sich eben aus Gram zu Tode soff. Inh offer (an.
eccl. 1. 281) schreibt bei Darstellung der alten magyarischen Toten-
gebrauche: „Non unum memorat exemplum, et interdum incundas
lectu, sed notatu religiosas, mortuorum cum vivis concertationes et
horum vindictas admiratione plenas." Nimmt man daher etwas
vom Friedhofe weg, so muss man daselbst irgend etwas (Holz,
Stein, Lappen und dgl.) zuriicklassen, urn von den Toten im Besitze
des Weggenommenen nicht gestdrt zu werden.
Gibt man einem Trinker Branntwein, den man durch einen
Totenschadel gegossen hat, so wird er von der Trunksucht ge-
heilt. In einen Schadel soil man Erde legen und in dieselbe wohl-
riechende KrSuter pflanzen. Rauchert man mit diesen Krautern
Irrsinnige, so besanftigt man sie dadurch; rauchert man Tiere damit,
so werden dieselben nimmer stOrrisch und wild sein. Steckt man
um Mitternacht in einen Schadel eine Kerze hinein, so wird dieselbe
nie zu Ende brennen, besonders wenn sie aus Menschenfett gemacht
ist. Solches Menschenfett kann man auf folgende leichte Weise
erhalten: Man gehe um Mitternacht in die Kirche, wo um diese
— 77 —
Zeit die Toten Gottesdienst halten. Viele der Toten werden dem
Menschen TOpfe voll Fett anbieten, das nie abnimmt, so viel man
immer davon wegnimmt. Eine Frau ging einmal zur mitternacht-
lichen Messe um eine halbe Stunde zu fruhe und fand in der
Kirche die Toten beisammen, darunter viele ihrer verstorbenen
Bekannten waren. Eine Gevatterin gab ihr einen Topf voll Fett,
damit sie es unter die Armen verteilen solle. Die Frau trug den
Topf heim und begann das Fett auszuteilen; dies aber nahm nie
ab, so dass sie in der nachsten Weihnacht den vollen Topf mit
schwerer Mtihe und Anstrengung in dieJCirche zurOcktrug und ihn
ihrer Gevatterin zuriickgab. Im Topfe war nSmlich das Fett, welches
die Gevatterin im Leben aus den Armen und Verlassenen aus-
gepresst hatte (Ipolyi, S. ^64 Anm.).
Die allgemein verbreitete Vorstellung von der zauberischen
Gewalt des Fingers eines Toten finden wir auch im magyarischen
Volksglauben wieder. Besonders ist es der kleine Finger eines
totgeborenen Kindes, der angezdndet, jeden einschlafert, nur seinen
Besitzer nicht (Varga, S. 155).
Schabt man von einem Totengebein etwas in das GetrSnk
des Mannes, so erhoht man seine Potenz; gibt man es der Frau
ein, so erhoht man dadurch ihre Conception. Vergrabt man ein
Totengebein unter die Thiirschwelle, so kann dieselbe nie ein Feind
ubertreten. Vergrabt man es in die Scheune, so vertreibt man
dadurch Mause und Ratten. In Sttdungarn vergrabt man Menschen-
knochen in den Baugrund, um das Gebaude vor Ueberschwemmung
zu sichern. Legt man ein Menschenknochensplitterchen unter die
Bruthenne, so wachst die Brut sehr gross heran, d. h. die Kuchlein
werden Hahner von ungewohnlicher GrOsse. Hexen ftillen ein
Totenbein mit Weihrauch, auf den sie vorher ihren Urin lassen,
und erhalten dadurch ein solches Werkzeug, wodurch sie alle ThUren
GflFnen und jeden Menschen durch BerQhrung mit diesem Totenbein
einschlafern kannen. Blickt man in irgend einer Festnacht durch
die Rahre eines Totenbeines auf den Mond hinauf, so erblickt man
am Monde das Bild seines Feindes, vor dem man sich am meisten zu
hoten hat. Legt man in der Brautnacht ins Brautbett ein Totenbein,
so wird dieFrau stets nur toteKinder gebaren. Nestelt man in den Zopf
einer Braut bei ihrem Trauungsgange Totenhaare, so wird sie ihren
Gatten gar bald satt bekommen ,,und an andere Manner denken".
- 78 —
Bricht unter den Schweinen eine Seuche aus, so verbrennt
man Menschenknochen zu Staub und bestreut damit die Schweine.
Wenn ein Pferd stflrrisch und wild ist, so flicht man ihm ein
Menschenknochensplitterchen ttber Nacht in die Mahnen. Damit
Kalber schflne grosse HGrner bekommen, reibt man sie after
am Oberhaupte mit einer Salbe ein, die man aus pulverisierten
Menschenknochen, Hasenfett und Wachholderasche bereitet.
Urn Hunde bissig und wachsam zu machen, gebe man ihnen
pulverisierte Menschenhaare in Milch zu trinken. Will man sich
bei Epidemien vor Ansteckung bewahren, so trage man am Leibe
eine Schnur aus Menschenhaaren geflochten. Hat man jemanden
im Verdacht, dass er einem heimlich Schaden zufiigen will, so eigne
man sich von ihm Haare an und hange dieselben in den Rauch-
fang. Wenn die Haare im Rauche zerstoben sind, dann hat auch
der betreffende Feind sein Vorhaben aufgegeben. Im Dorfe Kapus
(Kalotaszeger Bezirk) sagt man von einer Maid, die einen Burschen
„wahnsinnig" liebt: „Man hat ihr Werg (Haare) vergraben" (eldstak
a szGsz£t). Man glaubt namlich, wenn ein Bursche vom Haupte
einer Maid Haare stiehlt und dieselben auf einem Kreuzweg ver-
grabt, jjo wird die Maid verliebt in den Burschen, sobald die ver-
grabenen Haare vermodern. Wenn eine Maid die Liebe eines
Burschen sich erwerben will, so eignet sie sich einige Haare von
seinem Haupte an und spricht — die Haare gegen den Neumond
werfend — also:
Uj hold n&rtek, nezlek, Neumond, ich sen*, ich sen' dich an,
Adj N. nek szerelmet; Gib dem N. Liebe,
Hogy szeressen engemet, Damit er liebe mich,
El is vegyen, ha lehet! Mich heirate, wenn es sein kann!
Sagt sie dies zur rechten Zeit, dann ist der „Erfolg sicher". Es
herrscht namlich der Glaube, dass der Neumond zu einer gewissen
Zeit im Wachstum auf einige Augenblicke stehen bleibt, und wenn
man ihn dann urn etwas anfleht, so muss er es gewahren, sonst
wachst er nimmer. —
Das menschliche Herz wird zu schauerlichen Zauberzwecken
verwendet. Wer von einem Herzen am Tage isst, der verliert
seinen Verstand und stirbt in der Tobsucht. Wer dagegen ein
menschliches Herz urn Mitternacht verzehrt, der schrickt vor keiner
Gefahr zuriick, er wird mutig und kuhn, tapfer und waghalsig.
— 79 —
Will man sein zukiinftiges Schicksal erfahren, so ttffne man das
Herz eines totgeborenen Kindes um Mitternacht und viele Menschen-
und Tierfiguren, Gegenstande und Ortschaften, welche dereinst auf
das Schicksal des Menschen einen Einfluss ausuben, werden sich
aus dem Herzen erheben und in der Luft zerstieben. Man erzahlt
von einem reichen Manne im Kalotaszeger Bezirk, dass er zu
seinem Reichtum so gelangt sei, dass er in einen Baum ein so
grosses Loch geschnitten, in das ein menschliches Herz hinein-
gesteckt werden konnte. Er habe nun ein Herz ins Loch gesteckt,
und das Loch verstopft, Qber welches tiber Nacht die Baumrinde
gewachsen sei. Nun gehe er jedesmal um Mitternacht zum Baume
und lege sein Ohr an die Stelle, wo das Herz sich befindet und
horche. Das Herz sage ihm nun, wo die verborgenen Schatze
begraben seien, die er dann heimlich sich aneignet. Von einer
Kartenaufschlagerin in N£das (Kalotaszeger Bezirk) erzahlt man
sich, dass sie ein Frauenherz in die Zimmerwand eingemauert habe,
gerade an der Stelle, wo sie zu sitzen pflegt, wenn man ihre
Kunst zu Rate zieht. Hat sie ihre Karten aufgelegt und geordnet,
dann lehne sie ihr Haupt an die Wand, vor welcher sie sitzt und
wo sich das Herz eingemauert befindet, und horche auf die Worte
des Herzens, das ihr nun alles mitteilt, was sich auf das Schicksal
des Menschen bezieht, der bei ihr seine Zukunft erforschen will.
Steckt man eine brennende Kerze in der Neujahrsnacht durch
ein menschliches Herz, so kann man alle Verstorbenen, die man
sehen will, zu sich zaubern und von ihnen sich ilber das Leben
im Jenseits Bericht erstatten lassen. Der allgemein verbreitete
Glaube, dass aus den Herzen zweier verstorbener Liebenden Blumen
oder Baume hervorspriessen, die sich umschlingen, ist ein auch in
der magyarischen Volkspoesie wohlbekannter Zug. In manchen
Gegenden ist es Brauch, dass die verwittwete Ehehalfte, wenn sie
abermals heiratet, an ihrem Hochzeitstage das Grab der verstorbenen
Ehehalfte mit Wasser begiesst, damit deren Herz vor Sehnsucht
und Gram nicht zu brennen beginne; ein Brauch, welcher auch
der rumanischen Landbevftlkerung im Sttdwesten SiebenbOrgens
bekannt ist. Oft sieht man auf dem Friedhof Qber dem Grabe ein
Flammchen emporzQngeln, das aus einem schuldbeladenen Herzen
kommt. Wer den Mut hat, zum Flammchen zu gehen, dem teilt
es seine Wttnsche mit. Vollfuhrt man diese Wansche, dann findet
— SO-
das Herz im Grabe seine Ruhe und der betreffende Mensch wird
glacklich. Alles, was er beginnt, ist von Erfolg und Gliick gekrOnt.
Das Fruchthautchen, die Nachgeburt und die Nabel-
schnur spielen auch im magyarischen Volksglauben eine Rolle.
Das Kind, welches mit der Embryonenhaut (burok = Httlle) auf
die Welt kommt, wird im Leben stets GlOck haben (Ipolyi, S. 341).
Eine Redensart, auf einen glOcklichen Menschen angewendet, sagt:
„Er ist im rosigen Fruchthautchen geboren worden" (r6zsa burokban
szaletett). Solche Hautchen soil man aufbewahren und das Kind
soil, wenn es erwachsen ist, stets wenigstens ein Stiickchen davon
bei sich tragen. Dann ist es gegen Hexen- und Teufelsnachstellungen
und vor Krankheit gefeit und geschotzt. Von solchen Fruchthautchen
erzShlt man sich, dass sie ihren Besitzer unter Umstanden unsichtbar
machen kannen. Vom „letzten romantischen" Rauberhauptmann
der Puszta, dem vor einigen Jahren hingerichteten Josef Savany6,
erzahlt man sich, dass er auch eine solche und zwar seine eigene
Embryonenhaut besessen habe, die er, verfolgt, jedesmal auf sein
Haupt gesetzt und dadurch sich unsichtbar gemacht habe. Durch
diese Haut nur konnte er sich viele Jahre hindurch den Verfolgungen
der Hascher entziehen, bis endlich einmal seine Geliebte die Haut
unabsichtlich verbrannt habe.
Die Nachgeburt soil man entweder begraben und dann auf
der Stelle stehend drei Vaterunser sprechen, oder man soil sie ver-
brennen, denn sonst stehlen sie die Hexen und formen daraus
Wechselbalge. Will ein Weib keine Kinder mehr gebaren, so ver-
brennt es ein Stiickchen von der Nachgeburt und mischt die Asche
davon in das Getranke ihres Gatten. Eine Art von Kunstzeugung
kennt auch der magyarische Volksbrauch im Kalotaszeger Bezirk.
Will ein Ehepaar einen Sohn haben, so verschafft es sich die Nach-
geburt von einem Knaben und legt dieselbe unter das Ehebett, in
welches der Gatte von rechts hinaufsteigt. Will man eine Tochter
haben, so legt man unter das Bett die Nachgeburt eines Magdleins
und der Mann steigt linker Hand ins Bett.
In katholischen Ortschaften feuchtet man die Nabelschnur mit
Weihwasser an, wahrend man dieselbe in protestantischen Gemeinden
in die Bibel oder in das Gesangbuch legt und sie daselbst trocknen
lasst, nachdem man sie vorher mit einem roten Bindfaden fest um-
wunden hat. Die Nabelschnur wird stets und flberall sorgfaltig
— 81 —
aufbewahrt, damit sich dieselbe die Hexen nicht aneignen kflnnen^
die daraus sich ein Saugrohr machen, mit Hilfe dessen sie aus
grosser Entfernung den Ktthen die Milch ausmelken, ja schlafenden
Menschen vom Blute saugen kftnnen. Hat das Kind Bauchgrimmen
oder leidet es an Schlaflosigkeit, so soil man es mit einem Stttckchen
von seiner Nabelschnur rauchern.
Zum Schlusse noch einige Bemerkungen iiber den Zauber mit
Muttermilch. Will die Mutter bewirken, dass der Vater des Kindes
letzterem stets in vaterlicher Liebe geneigt sei, so nimmt sie die
ausgegrabene Fussspur des Mannes, melkt etwas von ihrer Milch
hinein und kehrt dann die Fussspur urn, d. h. die Spitze nach
riickwarts, die Ferse nach vorwarts. Dasselbe thut ein gefallenes
Weib, dessen Geliebter vom unehelichen Kinde nichts wissen, es
nicht als das seine anerkennen will.
Besprengt man einen Mann mit Frauenmilch, so bekommt er
arge Schmerzen in den Brustwarzen, die dann einen milchigen Saft
absondern. Melkt eine Frau ihre Milch in Kuhmilch, so verliert
die betreffende Kuh ihre Milch. Will die Mutter eine nahrhafte,
„fette" Milch haben, so melke sie etwas davon bei zunehmendem
Mond in die Herdglut. Wehe Augen, in Muttermilch gewaschen,
heilen in kurzer Zeit (s. Abschnitt VI, Boldogasszony-Milch). Will
man eine Frau unfruchtbar machen, so melke ihr ein Weib seine
Milch, wShrend die Frau schlaft, auf den Kopf und die Frau wird
nie ein Kind gebaren. Gegen den Rotlauf lasse man Muttermilch
gerinnen, schmiere sie auf Hollunderblatter und lege dann letztere
auf die kranke Korperstelle.
Hat die Hausfrau im Kalotaszeger Bezirk zur Zeit der Aus-
saat Milch in den Briisten, so melkt sie etwas davon auf das Saat-
korn, damit die FrOchte „milchig und mehlig", d. h. gut geraten
werden.
Wir sehen also auch aus diesen losen Bemerkungen, dass der
Zauber selbst vor den unheimlichsten Sachen nicht zurOckschreckt
urn vorhandenes Uebel zu beseitigen oder kommendes, zu erhoffendes
abzuwenden.
IV.
Schatzgewinnung.
Wohl in keinem Lande und bei keinem Volke Europas
finden sich so viele Schatzgraber vor, als eben in Ungarn und be-
sonders unter den Magyaren. Es gibt kaum ein magyarisches Dorf,
in dessen Nahe nicht der Sage nach irgend ein Schatz vergraben
liege; ebenso gibt es kaum ein Dorf, in dem nicht zwei, drei Schatz-
graber lebten, die in den dazu geeigneten Nachten des Jahres aus-
ziehen, um diesen oder jenen vergrabenen Schatz zu heben, von
dessen Vorhandensein nur sie Kenntnis haben und ebenfalls nur
sie die Mittel und Wege kennen, die zur Gewinnung dieses Schatzes
fuhren. Ihnen schliessen sich dann mehrere „Laien" an, welche
unter der Leitung dieser „gelehrten" (tud6s) Manner die Grab-
arbeiten verrichten. Dabei sind diese Schatzgraber keine handwerks-
massigen Schwindler, welche die Leute auszubeuten suchen, wofQr
auch ich sie vor Jahren zu halten geneigt war. Es ist ihre feste
Ueberzeugung, dass sie im Besitze einer von ihren Vatern ererbten,
geheimnisvollen Kraft sind, die einst sie oder ihre mannlichen Nach-
kommen zur erfolgreichen Gewinnung eines Schatzes hinfuhrt. Sie
glauben namlich, dass diese geheimnisvolle Kraft vom Vater auf
Sohn und Kindeskinder Qbergeht und endlich, wenn sie „gereift
ist" (meg£rett), wozu dieselbe oft Jahrhunderte braucht, in einem
der Erben zum endgiltigen Ausbruch gelangt, der dann zur sicheren
Hebung des Schatzes fohrt. Jeder der Erben muss in den gewissen,
zur Schatzhebung geeigneten Nachten des Jahres sein Leben lang
die ihm innewohnende Kraft versuchen, denn er kann nicht vorher
wissen, ob dieselbe nicht gerade in ihm zur Reife und zum Aus-
bruch gelangt. Woher dieser eigentOmliche magyarische Volks-
glaube seinen Ursprung nimmt, mag ich nicht entscheiden; ob
dazu der Metallreichtum des Landes und die zahlreichen prShistori-
— 83 —
schen Funde das ihre beigetragen haben, lasst sich bezUglich dieser
„vererbten Kraft" kaum denken, wenn auch Metallreichtum und
prahistorische Funde die Schatzgrabergilde ins Leben gerufen haben
mogen und sie auch noch heute bei Kraft und Ansehen erhalten,
ihr jahrlich immer mehr Mitglieder zufohrend. Fur Ungarn gilt
auch das nicht, was Jul. Lip pert (Christl. Volksglaube und Volks-
brauch, S. 495) sagt: „Alte Sagenrudimente deuten darauf hin, dass
die das frOhe und spate Mittelalter so sehr bewegende Schatzsucht
ihre Quelle und Nahrung in den uberreichen Grabausstattungen
der Vorzeit hatte. Das Grabpltindern war einst im skandinavischen
Norden, wie in Aegypten, zur Manie geworden und nirgends scheint
es anders gewesen zu sein." Obwohl Ungarn und SiebenbOrgen
der Tummelplatz so vieler Volkerschaften gewesen sind und so
mancher Schatzhaufen gefallenen Helden ins Grab gelegt wurde,
so haben wir hier noch keine Kunde davon, dass jemals eine
rationell betriebene Ausbeutung der Graber stattgefunden habe.
Die Schatzgraber selbst wissen davon nichts. Sie suchen den Schatz
des Kflnigs Darius und des Kflnigs Salomon. Diese beiden Namen
kGnnten uns zur unbekannten Quelle der magyarischen Schatz-
gewinnungsmanie hinleiten. Aus Volksbilchern, deren es auch im
Magyarischen mehrere ttber die genannten KGnige gibt, lasst sich
diese Manie wohl nicht herleiten. Sie mag schon lange, bevor
noch das Volk die Schrift kannte, vorhanden gewesen und vielleicht
mit einer Kulthandlung, vielleicht gar mit dem Schlangenkult in
Verbindung gestanden sein. Solche „gelehrte" oder „kundige"
(tud6s) Schatzgraber sind namlich gewflhnlich auch im Besitze des
sogenannten „Schlangensteins" (kigy6ko), der sich vom Vater auf
den Sohn vererbt. Solche Steine befinden sich dem Volksglauben
gemass im Kopfe der „weissen" Schlange oder sie bilden die Krone
des SchlangenkGnigs. Solche sogenannte Schlangensteine wurden
in frOheren Zeiten von den Adligen in Gold und Silber gefasst
und als Amulette am Halse getragen. Im Testament des FOrsten
von Siebenbttrgen, Gabriel Bethlen, wird auch ein soldier Schlangen-
stein erwahnt (Ipolyi, S. 244). Weisse Schlangen sind oft Feen,
die zur Strafe in Schlangen verwandelt worden sind oder die Seelen
Verstorbener, die ihrer Schatze los werden wollen. Wo solche
Schlangen erscheinen, da lassen sie stets Geld zuriick, urn den
Menschen zum Weiterspiiren zu bewegen (Ipolyi, S. 579). „Das
6*
— 84 —
Verhaltnis der Seele", sagt Lip pert (a. a. o., S. 495), „zu diesen
Schatzen und gegenUber solchen, welche sie, einer formlichen Zeit-
manie folgend, heben wollen, ist das Element einer wahren Unzahl
von Sagen, Marchen und Vorstellungen aberhaupt. Und weiter
geht von hier aus die Entwicklung nach vielen Richtungen strahlen-
fGrmig auseinander; wir gelangen von Machten, die den Schatz um
Gottes willen los und von dem Wachteramte befreit sein mflchten,
zu harmlosen, die nur sein Symbol bei sich tragen, und von diesen
zu den scheusslichsten Ungetiimen, deren Bestehung in der Zeit-
phantasie das Unilbertrefflichste ist, was eine Heldennatur leisten
kann."
„Die sOddeutsche Sage gibt (wie so manche magyarische) der
Schlange nur eine kennzeichnende Livree, indem sie dieselbe mit
dem Schliisselbunde am Halse erscheinen lasst. Ein ahnliches
Symbol ist die Krone des „Otternk6nigs", die in ganz Deutschland
(und Ungarn) jn Marchen wiederkehrt. Der aussere Anlass zu dieser
Obereinstimmenden Annahme ist die bei einzelnen Exemplaren, ins-
besondere kurz nach der Hautung sehr auffallig hervortretende
chromgelbe Zeichnung auf dem Kopfe der Ringelnatter. Gelingt
es, der Schlange dieses , ; Kr6nchen", wenn sie es selbst ablegt, zu
entwenden, so hat man entweder an diesem selbst einen
unerschGpflichen Schatz, oder man zwingt damit den
Schatzwachter zur Auslieferung eines solchen.
„Tritt ein uns schon bekanntes Element hinzu, namlich die
christliche ErlGsungssehnsucht einer Seele, die — gew5hnlich ausser-
halb ihres Grabes — an einen Schatz gebunden ist, so entsteht
eine neue Gruppe von Sagen, die sich mehr oder weniger dem
Typus des „verwiinschten Schlosses" anschliessen. Die Seele kampft
nicht um ihren Schatz, im Gegenteil, sie wiinscht dessen Hebung
um ihrer Erl5sung willen, aber ihre Gestalt — in Wirklichkeit des
Menschen Scheu- und Schaudergefiihl — bleibt das Hindernis der
Erfiillung. Die Seele selbst erscheint dem Menschen im Traume,
nennt ihm den Ort im alten Schlosse oder am Thorwege oder wo
sonst der Schatz liege. Sie sagt ihm auch voraus, wie alles kommen
werde, und bittet ihn, sich nicht zu furchten. Unter dem grossen
Steine werde sie als Schlange hervorkriechen, „sich um ihn
ringeln und ihn kQssen wollen, und wenn er das ruhig ertrage, so
werde sie erlflst sein," — sein aber der Schatz. Der Mensch ver-
— 85 -
spricht alles, aber im Momente, da der kalte Kuss nach ihm zdngelt,
schreit er auf und das Werk ist zerstGrt. Diese Sagengruppe er-
zahlt einen psychologischen Vorgang, der gewiss nicht aus der
Luft gegriffen ist; sie ist eine jtingere Gruppe, denn sie kann nicht,
wenn auch die Schlangen- und Schatzvorstellung schon friiher ge-
geben war, ohne Beeinflussung durch christliche Vorstellungsweise
entstanden sein; dagegen fusst die folgende, in welcher die Seele
nicht klaglich und bittend, sondern furchtbar und tibermachtig auf-
tritt, noch im heidnischen Grunde. Diese dritte Hauptgruppe um-
fasst die Heldensagen vom verwegenen Drachenkampfe."
Alle diese Ziige finden sich in magyarischen Sagen und
Marchen, sowie auch im Volksglauben vor. Was nun die „Krone
des SchlangenkGnigs" (kigy6kir£Iy koron^ja) anbelangt, von welcher
ein Exemplar die meisten „kundigen" Schatzgraber besitzen, so
schreibt dariiber Ipolyi (a. a. 0. S. 579, Anm.) also: „Interessant
berichtet mir in einem Briefe aus Berlin Baron Dionysius Med-
ny^nszky tiber eine ahnliche SchlangenkGnigskrone des Reisenden
Haxthausen, deren Geschichte (ahnlich der ungarischen) ist, dass
dem erscheinenden SchlangenkGnig aufgelauert wurde und man an
den Ort dann ein farbiges Seidentuch ausbreitete, worauf der
Schlangenkflnig seine Krone hinlegte. Der die Krone Erhaschende
musste dann auf einem Rosse windschnell vor der ihm nacheilenden
Schlangenschar davonjagen. Dem Reisenden bot (for eine solche
Krone) ein persischer Hauptling eine grosse Summe Geldes an, die
ttbrigens als Talisman auch bei Russen und Preussen sich grosser
Verwendung erfreut; zur vollkommenen Gltickseligkeit bedarf der
Mensch dreier solcher Kronen ; die erste verleiht moralische Eigen-
schaften, die zweite irdischen Segen und Reichtum, die dritte ewiges
Heil. Peters, Prosektor an der Berliner Universitat, der dies in
einer Gesellschaft vor Baron Madnydnszky erzahlte, gab die Auf-
klarung, dass er oft Gelegenheit gehabt habe, diese im Handel
sowohl, als auch im Besitze von Privaten vorkommenden Dinge
zu untersuchen, und er habe gefunden, dass dieselben einfache,
unentwickelte SpanferkelzShne seien, die der Hiille soeben ent-
sprungen und deren Wurzelzweige der Glasurstoff noch nicht aus-
gefiillt habe, so dass sie mit ihren Rauten in der That eine kleine
kn5cherne Krone bilden. Baron Mednydnszky halt auch den im
Testament Gabriel Bethlens erwahnten Schlangenstein far einen
— 86 —
solchen und zwar auf Grund der von diesem Steine gegebenen
Beschreibung, derzufolge derselbe in ein „Gehause" (tok) ge-
fasst ist und, wenn er ein einfacher Serpentin-Stein gewesen
ware, er gar schwer (in Gold und Silber) gefasst hatte werden
kflnnen."
Ich habe in den letzten zwfllf Jahren vier solcher Steine, d. h.
„Schlangenk6nigskronen" gesehen, von denen der eine, in Gold
gefasst, sich auf einem alten goldenen Armbande der Hdromszeker
Adelsfamilie der von Tam£sy befindet. Die drei anderen waren im
Besitze von Schatzgrabern und jede dieser „Schlangenkronen" war
ein rautenahnliches, unentwickeltes Tierzahnchen. Die Familie
Horv^th im Szeklerlande hat vor Jahren auch einen solchen Schlangen-
stein, in einen Fingerring gefasst, besessen, der zugleich die Eigen-
schaft besessen haben soil, Menschen von der Tollwut zu heilen
(vergl. Treichel in den Verh. der Berliner anthrop. Gesellschaft,
Sitzung am 18. Marz 1882, S. 244 ff.). Diesen Ring soil ein Vor-
fahre der Familie Horvdth aus Palastina, wohin er einen Kreuzzug
mitgemacht hatte, heimgebracht haben. Ein Gehilfe des Schneider-
meisters Franz Papp in Kronstadt, der ein professionirter Schatz-
grSber ist, besitzt eine „SchIangenkrone", auf deren Grundflache
ein Kreuz und ein „J" eingeritzt ist. Mflglich, dass diese „Schlangen-
kronen" aus dem Morgenlande von den Kreuzfahrern ursprOnglich
als Amulette ins Land gebracht wurden und nun in den Handen
der Schatzgraber zu Schatzgraberinsignien geworden sind. So viel
ist gewiss, dass dergleichen „Schlangenkronen" im Lande von jeher
zahlreich vorhanden waren.
Wie es sich nun immer urn die Herkunft dieser „Schlangen-
kronen" verhalten mag, so viel ist gewiss, dass sie sich vom Vater
auf den Sohn fortlaufend vererben und zur AusrOstung der „kundigen"
Schatzgraber gehoren, wozu auch noch die Haselrute gerechnet
werden muss, welche jeder Schatzgraber sich alljahrlich in der
Neujahrsnacht zu schneiden hat. Dies ist eine dreizackige, gabel-
formige Rute, die folgendermassen vom Haselstrauche durch den
betreffenden „kundigen" Schatzgraber in der erwahnten Nacht ge-
schnitten wird: Der betreffende Schatzgraber fastet den ganzen
Tag ttber und spricht am Morgen, zu Mittag und Abend des letzten
Tages im Jahre, ebenso auf dem Wege zum Haselstrauch folgendes
Gebet, das ich hier wenigstens in genauer Uebersetzung mitteilen
— 87 —
will, nach dem Originaltext, den ich im Jahre 1890 als „Mitglied"
einer Schatzgraberbande in Kis-Enyed aufgezeichnet habe:*)
„Heiliger Christoph, der du der treueste Diener unseres Herrn
Jesu Christi bist, gelobt sei dein Verstand, von dem ein Funke
in meinem Leibe lebt; gelobt sei deine Gewandtheit, von der ein
BrGcklein in meinen Gliedern lebt; gelobt sei deine Scharfsichtig-
keit, von der ein Splitterchen in meinen Augen lebt. Hilf mir,
heiliger Christoph, bei meinem schweren Werke; vermehre meinen
Verstand, vermehre meine Gewandtheit, vermehre meine Scharf-
sichtigkeit, damit mir weder Geister des Himmels, noch Geister
der Halle, weder Geister der Erde, noch Geister der Luft, noch
Geister des Feuers und Wassers, der Baume, der Pflanzen, der
Felsen und Steine schaden kflnnen. Spreite deinen goldenen Mantel
unsichtbar Ober mir aus, damit mich niemand store, gib meinem
Herzen Kraft und Mut, wofiir ich den Teufeln dies Hiihnerherz,
den Luftgeistern diese Hohnerfedern, den Erdgeistern diese Hohner-
knochen gebe! Schlage mit deinem diamantenen Schwerte ein Kreuz
Ober mich, so wie ich jetzt mich in deinem heiligen Namen be-
kreuze, damit mir der Base kein Leid zufuge; stich mit deiner
Karfunkellanze durch mein Herz, damit das Geheimnis heraus-
quille und mich zum Schatze hinfiihre! Heiliger Christoph, der
du der treueste Diener unseres Herren Jesu Christi bist, gelobt sei
dein Name I Amen!"
Solcher Gebete mag es eine Unzahl geben; ich kenne nur
sieben, in denen der hi. Christoph angerufen wird und alle eigent-
lich Segen sind, welche ursprOnglich vielleicht bei Opfern hergesagt
wurden. Denn auch bei den Magyaren laufen — wie bei alien
Vfllkern — diealtesten, schGnsten Segen in Gebete ttber. „VielIeicht",
sagt Amman n (Ztschr. d. Ver. f. Volkskunde, I., 198), „sind die
alten Segensformeln vielfach nichts anderes, als zu Formeln erstarrte
Gebete aus heidnischer Zeit" ; was sich bei den Magyaren als dem
zuletzt zum Christentum bekehrten Volke Europas nicht geradezu
schwer nachweisen Hesse, wenigstens beim grflsstenTeil dieser Segens-
formeln. Spricht der betreffende Schatzgraber am Morgen, zu
Mittag und am Abend des letzten Tages im Jahre dies Gebet, so
*) Die magyarischen Originaltexte der hier mitgeteilten Gebete werde ich wahr-
scheinlich im II. Bande der „Ethnographia", der Zeitschrift des ungar. ethn. Vereins
zu Budapest, veroffentlichen.
— 88 —
legt er stets das Herz, einige Federn und die Knochen einer
schwarzen Henne vor sich hin. Beim Haselstrauch angekommen,
vergrabt er das Herz in die Erde, die Federn wirft er weg, die
Knochen aber hSngt er an den Strauch, von dem er die Rute
schneidet. Die Haselrute muss er mit geschlossenen Augen und
mit einem Schnitt, mit einmaligem Ansetzen des Messers vom
Strauche trennen und dabei das erwahnte Gebet sprechen. Thut
er das nicht, so zerreissen ihn die Teufel. Dann muss er, auf
einem und zwar auf dem linken Beine hdpfend, drei Mai den
Strauch umgehen, wobei er gleichfalls dies Gebet zu sprechen hat.
Nun kann er die Haselrute nach Hause tragen, wo er dieselbe also
prapariert: Vor Sonnenaufgang am Neujahrstage enthautet er die
Haselrute und befeuchtet sie mit seinem Blute, das er sich aus
dem linken Arm und linken Beine abzapft. Vorher aber verbrennt
er die abgeschalte Rinde der Rute zu Asche, lasst dieselbe von
einem „unschuldigen Madchen" (3rtatlan le^nyka) in ungesauertes
Brot mengen, das er als erste Speise nach dem erwahnten Fasttag
zu sich nimmt. Eine Ungarin, Wittwe T5r5k in Kronstadt, mit
der ich an einer solchen Expedition im Jahre 1883 teilnahm und
die als Schatzgraberin, spater sogar als FalschmQnzerin (obwohl ihr
Sohn angesehener Pfarrherr ist) im Rufe stand, erklarte mir auf
die Frage, warum die Rinde der Rute als Asche verzehrt werden
mOsse, die Sache also: „Ich gebe mein Blut der Rute, sie gibt
mir ihre Rinde, die ich verzehre; dadurch werden wir miteinander
verbunden, gleichsam getraut, und im Falle die Zeit gekommen ist,
wo meine Kraft zum Ausbruch gelangt, so muss mir die Rute
genau den Punkt zeigen, wo der Schatz sich befindet, den ich zu
heben berufen bin." Aehnlich sprach sich auch mein Kis-Enyeder
Schatzgrabergenosse, der Vizaknaer Martin Batezs aber dies Vor-
gehen aus.
Frau T5r5k sprach beim Schneiden der Haselrute folgendes
Gebet, das ich hier in genauer Uebersetzung mitteile:
„Heiliger Christoph, erhftre mein Flehen! Sieben Schlangen
haben die bflsen Geister in meinen Leib geschickt, damit sie mir
den Verstand nehmen, damit sie mir die Kraft benehmen, damit
sie mein Herz verzehren! Gotiger Christoph, zerschmettere mit
deinem goldenen Hammer die Kflpfe dieser Schlangen; gebiete
ihnen durch diese Schlangenkrone Ruhe! Treu gedenke ich deiner
— 89 —
jeden Tag, zu jeder Stunde, damit der Funken deiner Kraft, der
in mir ist, nicht erlischt, sondern einmal zu einem goldenen Feuer
wird, zu einem diamantenen Feuer wird, zu einem Karfunkelfeuer
wird, das uns in der Brautnacht leuchten soil! Hilf mir, heiliger
Christoph, mit der Macht deines Hammers ! Amen I" Dabei kiisste
sie wiederholt das in ihrem Besitze befindliche Schlangenkr5nchen.
Ihrer Aussage gemSss ist mitgeteiltes Gebet far SchatzgrSberinnen,
also fQr Weiber bestimmt, die sich dem hi. Christoph versprechen
(ad coitum), so er ihnen zum Schatz verhilft; daher die Erwahnung
der Brautnacht. Hier muss ich erwahnen, dass die Woche vor
dem Haselrutenschneiden und vor dem Schatzgraben die Mitglieder
der Schatzgrabergilde sich des geschlechtlichen Umgangs enthalten
miissen, sonst werden sie Zwitter. In katholischen Ortschaften
herrscht hie und da der Glaube, dass wer am Charfreitag nicht
faste, ein Zwitter werde. Diese geheime „Kraft", die den Schatz-
grabern innewohnt, vererbt sich, im Falle kein Sohn vorhanden,
auch auf die alteste Tochter, doch nur in dem Falle, wenn iiber-
haupt keine SGhne vorhanden waren in der Ehe des betreffenden
SchatzgrSbers. Bricht dann diese Kraft nicht bei dieser Tochter
aus, so vererbt sie sich nicht auf deren Kinder, sondern stirbt mit
ihr aus und es heisst im Schatzgraberglauben, dass dann diese
Kraft oft als blSuliche Flamme aus dem Grabe nSchtlicher Weile
hervorzQngelt. Wer Erde vom Grabe einer solchen SchatzgrSberin
zu geeigneter Zeit isst, in den geht dann diese Kraft Ober. Die
hiezu geeignete Zeit ist die Pfingst- und die Johannisnacht. Stirbt
auch ein Schatzgraber ohne Nachkommen, so zUngelt auch aus
seinem Grabe dies blaue Flammchen hervor. Am Gartenende
meiner Wohnung im Wildbade Jegenye liegt seit vielen Jahren
ein Jude begraben, aus dessen Grabe oft eine solche Flamme empor-
zflngelt. Der hiesige Bauer Josef Kerekes wartet schon seit
Jahren auf die „geeignete" Zeit, wo die Flamme in einer der ge-
nannten Nachte hervorbricht, damit er dann Graberde esse, urn
den in der Nahe unter einem Strauch befindlichen Schatz heben
zu kGnnen. —
Erwahnte Frau T5r5k teilte mir noch folgendes Gebet fur
Manner mit, das ihr Vater gebetet habe und das Obersetzt also lautet:
„Ich flehe zu dir, gOtiger Christoph, hilf mir in meiner Not,
bewahre meine Kraft, damit sie mir die BGsen nicht entreissen,
— 90 —
damit ich mit meinem Schlangenstabe sie vertreiben kann, damit
meine Kraft wachse und reife. Heiliger Christoph, fohre mich mit
deinem goldenen Hammer, zertrOmmere damit die Bflsen und Gffne
mir die Pforten zu deinen heiligen Schatzen. Fache das Feuer
in mir an, damit Luft, Erde, Stein und Wasser vor meinem Blicke
schmelzen, damit ich dir Schatze opfern kann, damit ich dich immer
loben kann! Hier hast du far die Bflsen das Hennenherz, hier
die Knochen und Federn, gib sie ihnen, damit sie meine Glieder
nicht zerbrechen, damit sie mich in meiner Not nicht sehen, gOtiger
Christoph !" — Der Vater dieser Frau soli einen Stock, der mit
einer Schlangenhaut uberzogen war, besessen haben. Die Frau
erinnerte sich nicht mehr an die Bestimmung dieses Stabes. Im
Volksglauben heisst es, dass wer einen Stab mit der Haut einer
vor Georgi gefangenen Schlange iiberzieht, mit diesem Stabe selbst
eiserne Pforten sprengen und Uberhaupt jeden verschlossenen Ort
Gffnen kann (s. V a r g a , Babondk kGny ve = Buch des AbergL, S. 192).
Urn vorderhand bei den Gebeten zu bleiben, so teile ich hier
zwei derselben in genauer Uebersetzung mit, deren Originaltext
ich vom Studenten Kor6h erhalten habe, der sie in seiner Heimat
von einem SchatzgrSber Namens Opra aus Szent-Ivan (im Sudosten
von Siebenbttrgen) aufgezeichnet hat. Das eine Gebet lautet:
„Machtiger Herr, du heiliger Held, giitiger Christoph, erbarme
dich meiner und bewahre mich vor den Bftsen ! Ich will dir dienen
und deiner gedenken, sobald du meinen Fuss durch das Flugfett
zum Schatze hingeleitet hast! Ich will dir treu dienen, wenn ich
den Karfunkelstein gefunden habe, der deines goldenen Hammers
Funke ist. Hilf mir, du der Helden Herrlichster, du! Gebenedeit
sei dein Name allewiglich! Amen!"
Unter Flugfett (repttlG zsir) versteht man im magyarischen
Volksglauben das Fett der in der Woche vor dem Georgstag ge-
fangenen, aus dem Winterschlaf erwachten Fledermause. Wer sich
mit diesem Fett, heisst es im Volksglauben, die Fusssohlen einreibt,
der setzt bei jeder Wanderung Ober die grflssten Hindernisse leicht
hinaber und weicht jeder Gefahr aus. In den magyarischen Hexen-
prozessen wird das Flugfett oft erwahnt und wird aus den Ein-
geweiden ungetaufter Kinder, dem Mutterkuchen, Solanum und
Russ bereitet (Ipolyi, S. 431 ; im malleus maleficarum 2.1.3 wird
dies unguentum phaleris ahnlich bereitet: unguentum ex membris
— 91 —
puerorum interemtorum ab eis ante baptismum). Jede Hexe muss
sich mit diesem Fett in ihrem 7., 17., 27., 37., 47. u. s. w. Jahre
einschmieren , urn bei Kraft zu bleiben. Das mitgeteilte Gebet
spielt also in den Hexenglauben hinuber. Es heisst ferner im
Schatzgraberglauben, dass der hi. Christoph einen goldenen Hammer
besitze und wohin er mit demselben hinschlage, daselbst der so-
genannte „Karfunkelstein" (karbunkuluskG) entstehe, der in der
Nacht „wie die Sonne so licht leuchte."
Das andere Gebet spielt ebenfalls in den Hexen- und Teufels-
glauben hinuber und lautet in genauer Uebersetzung also:
„Auf Knieen nahere ich mich dir, du gUtiger Christoph, und
flehe zu dir, damit du mir helfen mOgest in meiner Not, auf dass
ich dein treuer Diener sein mGge, dir und deinem Diener Drom6
dienen kann, damit meine Thaten euch zur Ehre gereichen und
ihr mir einst zum schatzebringenden, alles heilenden Schlangenstein
verhelfet, damit ich durch Schatze und Weisheit die Welt in euere
Dienste bringen kann. Erh5ret mich und helfet mir; ich gebe euch
das HQhnerherz mit meinem Blute benetzt (meghintve), damit ihr
euch daran laben mflget. Lasset die blaue Flamme (tiber den
Schatzen) mich sehen, starket meine Augen. Hier gebe ich euch
Pferdeknochen; macht meine Glieder ebenso stark (wie diese),
damit ich nicht ermatte. ErhGret euren treuen Diener, helfet
eurem treuen Diener, beschiitzt euren treuen Diener."
Drom6 heisst im Volksglauben der oberste Teufel (Ipolyi,
S. 45). Wie der hi. Christoph mit diesem Drom6 in Verbindung
gesetzt ist, kann aus dem bislang nur oberflachlich gekannten und
gesammelten magyarischen Volksglauben vorderhand nicht erklart
werden. In magyarischen Hexenprozessen wird oft erwahnt, dass
die Hexen bei ihren Versammlungen unter dem Vorsitz des Teufels
Pferdefleisch und Salz in grossen Kesseln kochen (Ipolyi, S. 421).
In Ofen hGrte ich folgendes Kinderspottlied, in welchem , f lifitIoty* €
ein bedeutungsloses Wort ist:
Kristdf, Kristdf, Christoph, Christoph,
Lifitloty; Lifitloty;
Ordog fia, Teufelssohn,
Ne hogy szopj ! Nicht dass du (es) saugst !
Dies Lied wird gesungen, wenn einer der Gesellschaft einen
„Wind" lasst.
- 92 —
Es heisst, dass sich die Schatze im Innern der Erde von Zeit
zu Zeit „reinigen" (tisztitja magdt) und eine blaue Flamme bei
dieser Gelegenheit ilber dem betreffenden Orte emporzungelt; dies
geschieht amCharfreitag und in derGeorgsnacht (Varga, a. a. 0. S.9?).
Die im Innern der Berge verborgenen Schatze der Riesen,
Feen und Zwerge, ebenso verzauberter Leute, deren Seelen dann
in Schlangengestalt den Schatz bewachen, spielen im magyarischen
Schatzgraberglauben nur eine untergeordnete RoIIe. Jeder Schatz-
graber sucht der Schatze des Kflnigs Darius und des Kdnigs Salomon
habhaft zu werden, von denen eben der grOsste Teil in Sieben-
bQrgen vergraben liegt. „Die Erde wttrde diese Schatze in sich
nicht dulden und sie ausspeien, wenn dieselben nicht von den
Teufeln und dem Hauptschatzwachter, dem Geiste Terophile und
dessen vielen tausend Dienern bewacht warden" (Varga, S. 93).
Dieser Terophile ist alien magyarischen Schatzgrabern bekannt
und soil oft als schGner Jungling ihnen im Traume erscheinen. In
den folgenden zwei Gebeten, die ich aus dem Kalotaszeger Bezirke
habe und hier in genauer Uebersetzung mitteile, wird dieser Tero-
phile mit dem hi. Christoph in Verbindung gesetzt. Das eine
Gebet lautet:
„Gtttiger Christoph, erbarme dich meiner und fohre mich zu
einer guten Haselrute, fuhre mich zum Terophile, zu deinem obersten
SchatzhUter hin, damit meine arme Seele sich an den verborgenen
Schatzen labe, damit ich lange in Freude lebe, damit ich dir lange
freudig dienen kann! Gib dem Terophile diese Fledermaus, damit
er sich auch meiner erbarme; klopfe mit deinem goldenen Hammer,
damit ich weiss, wo sich ein Schatz befindet; sauge du und Tero-
phile von meinem sOndigen Blute, damit ich erstarke!"
Eine in der Woche vor dem Georgstage gefangene Fledermaus
ist nach dem Volksglauben dieser Gegend dem Terophile beim er-
wahnten Haselrutenschneiden an den Strauch zu binden; ferner
wischt der Schatzgraber einige Blutstropfen aus seiner linken Hand
an den Strauch. Das zweite Gebet lautet: „Lieber, gOtiger Christoph,
gib mir Gluck auf meinem Gange, damit meine sundigen Augen
den Terophile, deinen Diener, erblicken m5gen ; gib, dass er mich
mit Schatzen beschenkt; gib, dass er mich nicht vertreibt, sondern
meine Gaben gnadig annimmt! Heiliger Christoph, hilf mir beim
Blute unseres Herrn Jesu Christi! Amen!"
— 93 —
Woher dieser Terophile in den magyarischen Volksglauben
ubergegangen ist, erklart der folgende Umstand: Fast in jedem
Bezirke des Landes besitzt der eine oder der andere SchatzgrSber
ein geschriebenes Buch , dessen Titel gewbhnlich so lautet:
„F6 kenszer£tese minden 161eknek, avagy lelkeknek, akik a levegfl-
egben, f5ldGn, vizben, akirhol 5k vannak; ugy hogy azoknak egy
szempillantds alatt meg kell jelenni, es az emberek kerese szerint
cselekedni. Ezen konyvecske Tisztelenda Pater Eberhardus, a Jezus
tarsas£gab61 vaI6 pap, es hires nevezetes Baviriaban^Engelstadt vdro-
s£ban leva Universit^sban, a Mathesis tudomanynak ordinarius Pro-
fessora attal rflvid summdba foglaltatott" (Haupt-Citation aller Seelen
oder Geister, die in der Luft, auf Erden, im Wasser, wo immer
sind; so dass dieselben in einem Augenblick erscheinen und nach
der Menschen Wunsch handeln mOssen. Dieses Biichlein wurde
durch den ehrwiirdigen Pater Eberhardus, Priester der Gesellschaft
Jesu, und im berahmten Baiern, in der Stadt Engelstadt an der
Universitat, ordinarius Professor der Mathematik, kurz zusammen-
gefasst). Dies ist der eigentliche Titel dieses verbreiteten Buchleins
(s. Varga, S. 91), unter welchem ich dies Werk nur einmal und
zwar bei der erwahnten Frau T5rok gelesen habe. Die meisten
dieser Btichlein kommen aber unter folgenden kurzen Titeln vor:
„Jezsuita imdds^gok" (Jesuiten-Gebete); „Szent Krist6f imddsdgok"
(Gebete des hi. Christoph); „Terophile segedelme" (Hilfe des Tero-
phile); „A nagy tudomdnyok kulcsa" (SchlUssel der grossen Wissen-
schaften). Der Inhalt aller stimmt mit wenigen unwesentlichen
Abweichungen und Kiirzungen mit einander aberein. Ob nun dies
Werk in der That einen Jesuiten, Namens Eberhardus, Professor
an der Universitat Ingolstadt, zum Verfasser habe und aus dem
Deutschen, beziehungsweise aus dem Lateinischen ins Magyarische
Qbersetzt worden ist, das kann ich nicht entscheiden, so viel aber
ist gewiss, dass dies Werk in vielen Exemplaren in Ungarn vor-
handen ist. Was nun den Inhalt dieses Werkes anbelangt, so gibt
dasselbe Unterweisungen zur Schatzgewinnung und enthalt nebenbei
zahlreiche Gebete, denn nur „ein frommer Mensch" oder ein
„reuiger Sunder" kann einen Schatz heben. Terophile und seine
Diener lassen nicht jeden dem Schatze sich nahern, sondern ver-
treiben ihn durch allerlei Schreck- und Spukgestalten. Daher heisst
es in einer Citation des Terophile in diesem Buche also: „H5rst
- 94 —
du Terophile! ich beschwflre dich beim Namen des allmachtigen
Gottes, beim EntstrGmen des heiligen Blutes Jesu Christi, bei den
Verdiensten der Apostel, Cantoren und Confessoren, den Jungfrauen
und Wittwen, damit du sogleich erscheinst in einer schflnen und
gefalligen Menschengestalt, ohne jeden Schreck, Larm und Furcht-
eintreiben, ohne Lug und Trug, und bring' mir sogleich funfmal-
hunderttausend Dukaten, Thaler, Gulden, giltige Ferdinandsgeld-
stacke, Karfunkeln, Kleinode, Diamanten, Topase, Smaragde; und
diese alle lege nieder ohne jedes Schreckeinjagen" (Originaltext bei
Varga a. a. 0., S. 99).
Nun heisst es im Buche, der Schatzgraber gehe in der Char-
freitagsnacht und in der Georginacht hinaus auf den „Galgenberg"
oder einen Kreuzweg, ziehe mit geweihter Kreide und Weihrauch
einen Kreis um sich, damit die Bflsen (gonosz) ihm nicht schaden
kannen und warte, bis die blaue Flamme irgendwo emporzungelt,
wo er eben einen Schatz vermutet oder wo ihm im Traume ein
soldier angezeigt worden ist (Varga, S. 93). Erscheint die blaue
Flamme, so schlage er mit der oben erwahnten Haselrute auf sie
los und merke sich den Ort. Nun bildet sich in der nachsten Zeit
unter Anfdhrung des betreffenden Schatzgrabers eine Gesellschaft
aus sieben, bisweilen nur aus drei Mitgliedern, von denen eines
der siebente Sohn einer Mutter sein muss (vgl Varga, S. 93).
Ich gait und gelte, je nach
Bedarf, beim Volke far einen
solchen siebenten, beziehungs-
weise neunten Sohn meiner
Mutter. „Das Schatzgraben
beginnt man um Mitternacht
nachdem man vorher in ein
nahegelegenes Fenster ein ge-
bratenes Huhn fur den Schatz-
wachter hingestellt hat",
schreibt Varga (S. 94); wir
warfen nur Huhnerfedern und
Knochen auf unseren Weg.
Vorher aber versammeln sich
— laut Anweisung des erwahnten Werkchens — die Mitglieder der
Gesellschaft in einem solchen Zimmer, wo noch nie eine Sttnde
Sonne OBteri
HeUigertJohanne*
row/ 4 *t»6nV>H
— 95 —
begangen worden ist und zeichnen mit einer, tags vorher in Weih-
wasser getauchten Kreide nebenstehende Kreisfigur auf den Fussboden
(vgl. Varga, S. 96).
Diesen Kreis umstehen die Mitglieder der Gesellschaft und
murmeln die Gebete nach, welche ein Mitglied, gewflhnlich der
„kundige" Schatzgraber, aus dem erwahnten Werkchen vorliest
Die Gebete beginnen mit dem 69. Psalm; dann folgt das „Gebet
des mit sieben Schlflssern versehenen hi. Geistes" (a h6t lakatii
szent lelek imddsiga) oder auch „die sieben himmlischen SchlGsser"
(h6t menyei ziv) genannt; nun folgen vierzehn BeschwGrungen des
Terophile und den Schluss bildet ein Mariengebet. Hierauf begibt
sich die Gesellschaft an den Ort, wo der vermeintliche Schatz be-
graben liegt und mit sieben Spatenstichen beginnt der „kundige"
Schatzgraber das Graben, welches dann von den anderen Mitgliedern
fortgesetzt wird. StGsst man auf ein Hinderniss (Stein, Holz u. dgl.),
so muss der „siebente Sohn einer Mutter" es mit der linken Hand
berOhren, damit es leichter aus dem Wege geraumt werden kann;
derselbe muss auch den Schatz herausheben; thut dies ein anderer,
so kann es gar leicht geschehen, dass der Schatz unter lautem
Gepolter in die Erde zurucksinkt. Nach gethaner Arbeit darf die
Grube nicht zugescharrt werden, sondern muss offen bleiben, bis
sie ein Fremder zuscharrt, sonst sterben im Laufe desselben Jahres
die Mitglieder der Gesellschaft. War die Arbeit (wie gewGhnlich)
erfolglos, so diirfen die Mitglieder ihren Unwillen nicht kund geben,
sondern voll Hoffnung dem nachsten Unternehmen entgegensehen.
Ein Teil der erwShnten Haselrute wird in die Grube geworfen,
„damit der Terophile den Leuten nicht ztlme".
Dies ist das Verfahren der „kundigen" (tud6s) Schatzgraber,
die ich „Kunstschatzgraber" nennen mGchte, im Gegensatz zu jenen,
welche das erwahnte Werkchen nicht kennen und auch von einer
ererbten, geheimnisvollen Kraft nichts wissen, sondern ihre Unter-
nehmungen nach den Vorschriften des allgemeinen Volksglaubens
vollziehen. Der diesbezagliche Volksglauben ist in einer magyarischen
Handschrift aus dem Anfang dieses Jahrhunderts zusammengestellt,
die von Julius Wieder in der „Ethnographia" (Ztschr. d. ungar.
ethnogr. Gesellschaft, I., S. 247 ff.) verOffentlicht worden ist. Der
Schreiber dieser Handschrift verrat auch lateinische Gelehrsamkeit
und hat an einer Stelle eine lateinische Mitteilung gemacht. Seine
— 96 —
Zusammenstellung verdient um so mehr Beachtung, weil der darin
enthaltene Volksglauben im Grossen und Ganzen auch noch heute
im magyarischen Volke fortlebt. In genauer Uebersetzung lautet
dies Werk also:
Modus mit einer Kerze. Verschaffe dir schwarzes Pech,
Wachs, BaumGl, Schwefel, Terpentin, was man in der Apotheke
bekommt; von jedem nimm mehr als vom anderen; diese schmelzend,
verfertige mit diesjahrigem Hanfwerg eine Kerze, ziinde sie an,
gehe mit ihr herum; wo sie erlischt, dort ist ein Schatz (vergraben).
Ein anderer. Miss in einer Wage ab weisses Pech, eben
soviel schwarzes Pech, zweimal soviel Schwefel, dreimal so viel
Myrrhen und ebensoviel Wachs, schmelze dieselben, rOhre sie um
und verfertige eine Kerze, lasse sie trocknen, geh' mit ihr herum,
wo sie erlischt, dort ist der Schatz.
Ein anderer. Am funften oder sechsten Tage der Woche
geh' im Namen des Vaters, des Sohnes und des hi. Geistes, Amen,
und kaufe far filnf Geldstucke Wachs und verfertige daraus eine
Kerze, trage sie in die Kirche, wenn der Priester aufs hi. Kreuz
die Messe liest, ziinde sie an und stelle sie auf den Altar, damit
sie zu Ende brenne; was ubrig bleibt (nach der Messe namlich),
nimm von der Kerze zu dir und mische es mit Schwefel und lass'
daraus von einer reinen, wahren Jungfrau eine Kerze machen
und ziinde sie an und wo ihr Licht erlischt, dreht sie sich zum
Schatze hin.
Am ersten Pfingsttage gehe, bevor die Sonne aufgeht, dahin,
wo man Spiegel verkauft, aber griisse nicht, sprich nichts, sondern,
den Spiegel erblickend, frage nach seinem Preis und gib, was man
verlangt; von da gehe gleich weg, aber auch dann sprich nichts
und schreibe gleich auf den Spiegel dies: oh Holon t Taller f
Ihatal f Thaler f Theja f ganelei f- In der folgenden Nacht ver-
grabe ihn in die Mitte eines Kreuzweges, aber merke dir die Stunde,
wann du ihn vergraben hast; in der siebenten Nacht gehe zur
selben Stunde hin und grabe ihn aus, aber blicke nicht hinein,
sondern lass* zuerst einen H und- hineinblicken, dann kannst du
auch getrost hineinblicken.
Ruten zu machen. Wenn du Ruten suchen gehst, so gehe
zeitig in der FrUhe in den Wald, suche einen Haselstrauch und
die im selben Jahre gewachsene Rute, wo zwei aus einer Wurzel
- 97 -
(wachsen), merke dir; am Sonntag vor Sonnenaufgang gehe hin,
bei dir sei ein neues Messer; auf dem Wege lies die sieben
Psalmen des hi. David mit alien ihren Gebeten und desselben
hi. Davids fOnfzehn Psalmen, die lateinisch Graduale genannt
werden, und wenn du in der Litanei zum jUngsten Tag gelangst,
sprich auf die Rute also: damit du diese Rute segnen f, heiligen f
mGgest; zweimal sprich so; zum drittenmal: damit du diese Ruten
f segnen und auf verborgene Schatze, auf Silber und Gold hin-
fiihren mGgest, bitten wir dich, mein Herr Jesus, erhGre uns jetzt.
Dies vollfuhrend, kniee nieder, sobald du dahin gelangst, wo du
die Ruten dir gemerkt hast, und besprenge sie mit Weihwasser,
dies sprechend: Besprenge mich, Herr, mit Schlamm und ich werde
rein; wasche mich und ich werde weisser als Schnee; dann sprich
dies Gebet: Ich zwinge euch, ihr Ruten, beim lebendigen Gott f>
beim wahrhaftigen Gott f und beim heiligen Gott und bei dem,
der Himmel und Erde und auch uns aus Nichts erschaffen hat, durch
ein Wort erschaffen hat; und ich zwinge (beschw5re) euch, auch
beim jOngsten Tage, dass ihr weder auf Kupfer, noch Blei, noch
Eisen, noch (andere) Dummheiten, sondern nur auf Gold, Silber
und Edelsteine hinweiset und zu allem Guten euch hinbeweget;
dann mit dem neuen Messer mach' dich auf (den Weg) und schneide
sie ab, dabei dies sprechend: Ruten der ... Wurzel entstammend . . .
(Hier ist die Handschrift verwischt.) Dann spitze beide Ruten pfeil-
formig zu, verbinde sie miteinander und suche mit ihnen (Schatze).
Dabei sprich dies Gebet: ihr Ruten, Ruten, was stehet ihr stille,
beweget euch und bleibet auf verborgenen Schatzen stehen; ich
beschwflre euch bei der Dornenkrone, die auf das Haupt unseres
Herren Jesus Christus gesetzt ward, damit ihr mir zeiget die ver-
borgenen Schatze; im Namen des Vaters, des Sohnes und des
hi. Geistes, Amen.
Ein an deres Gebet. Oihr Ruten, was stehet ihr stille,
bleibt auf verborgenen Schatzen stehen; ich beschwOre euch beim
wahrhaftigen Jesus Christus, bei unserem Herrn, damit ihr mir die
verborgenen Schatze zeiget; im Namen u. s. w.
Ein andere s. ihr Ruten, Ruten, ich beschwflre euch bei
der Jungfrauschaft der Jungfrau Maria, damit ihr euch zu verborgenen
Schatzen hinbewegen sollt; im Namen u. s. w.
Ein andere s. ihr Ruten, Ruten, ich beschwGre euch bei
7
- 98 —
der Taufe unseres Herren Jesus Christus, damit ihr nicht stille steht,
sondern euch zu verborgenen Schatzen bewegt; im Namen u. s.w.
Ein and ere s. (Ich beschwOre euch) Bei den Heiligen unseres
Herren Jesus Christus, bei der Gefangenschaft unseres Herren Jesus
Christus, beim Leiden und beim hi. Tode, bei der Auferstehung
und Himmelfahrt unseres Herren Jesus Christus, damit ihr nicht
stille stehet, sondern euch beweget und mir verborgene Schatze
zeigt; was stehet ihr stille; ich beschwGre euch bei alien hi. Engeln
Gottes, eodem modo beim jiingsten Gericht des lebendigen Gottes,
und befehle euch, dass ihr euch allsogleich beweget und zum ver-
borgenen Schatz gehet, im Namen u. s. w.
N.B. Dies nimm bei klarem Wetter an einem Sonntag oder
Montag oder Donnerstag vor.
An welchen Tagen soil man versuchen (Schatze zu
graben): Im Januar zu „Kleinweihnachten" (kis kardcsony) = Neu-
jahrstag, am Stephanstag, am hi. DreikQnigstag. Im Februar am
Juliannentag, Peter- und Blasiustag. Im Marz am Gregor- und
Longinustag. Im April am Liboriustag. Im Mai am Sophientag
und drei Tage spater. Im Juni am Johannis- und Vitustag. Im
Juli am Maria Magdalenentag. Im August am Stephanstag. Im
September am Marien- und Aegidiustag. Im Oktober am Andreas-
und Gallustag. Im November am Martin- und Andreastag. Im
Dezember am Nikolaus-, Barbara- und Abrahamtag. An diesen
Tagen soil man es versuchen.
Dies erectionis experimenti ad inveniendum thesaurum.
Januarii: 12. 4. 5. 6. 11. 4. 16. Febr.: 1. 2. 4. 7. Mart.:
1. 10. 18. April: 12. 10. 5. Maj.: 1. 15. 17. Jun. : 2. 9. 20. Jul.:
15. et 16. Augusta: 20 tentum. Septembris: 17. 18. Octobris:
9 tentum. Novembris 1. 11. 14. Decembris: 25 tentum.
Dies infelices mensium sunt: Januarii: 12. 6. 11. 17. 18.
Febr.: 8. 16. 17. Mart.: 1. 12. 13. 15. Apr.: 1 3. 15. 17. 18.
Maj.: 8. 10. 18. 30. Juni: 1. 7. Juli: 1. 5. 6. Augusti: 13. 18. 20.
Septembris: 15. 18. 30. Octobris: 15. 17. Novembris: 1. 7. 11.
Decembris: 1. 7. 11.
Infelicissimi horum omnium: 3. Marti, 17. Augusti et 1., 2.,
30. Septembris. His accedunt 1. Aprilis, an dem Judas geboren
ward, 1. Septembris, an dem die Engel in die Holle gestossen
wurden. 1. Aug., an dem Kain den Abel erschlug; 1. Sep-
— 99 —
tembris (?), an dem Sodoma und Gomorrha untersank; item
alii dies infelices ab aliis dicti: Januarii: i. 2. 5. 8. 15. Febr.: 1.
6. 17. 19. Mart: 1. 5. 16. 17. Apr. 20 tentum. Maj: 31 tentum.
Junii 8 tentum. Julii 17. 20. Augusti: 1. 2. 10 et 20. Sep-
tembris: 15. 18. Octobris: 5. 6. Novembris: 16. 17. Decembris:
5. 6. 7.
Critici dies mensium secundum qui et infelices dicti: Januarii:
2. 4. 5. 6. ii. 15. 16. Febr.: 6. 17. 18. Mart: 3. 15. 17. 18.
Apr.: 3. 6. 7. Maj: 8. 18. 20. Junii, Julii, Augusti currentis.
Septembris 3. 15. 18. 30. Octobris: 15. 17. Novembris cum De-
cember: 7. 1 1. 15 et 17.
Kunst mit einer anderen Rute. Nimm zwfllf Hasel-
ruten, winde urn sie Linnen und sprich das Gebet: Ewiger, all-
machtiger Gott, der du offenbar deinen lieben, heiligen Sohn auf
die Erde gelassen hast, der am Kreuze Qualen far uns erlitt und
sein Blut far uns offenbar vergoss und den Tod erleidend starb
und aus eigener Macht auferstand, der offenbar dir zur Rechten
sitzt, wir bitten dich, dass durch diese Ruten uns ebenso offenbar
erscheinen m5ge der verborgene Schatz.
Ewiger, allmachtiger, grosser, mSchtiger Gott, ich bitte dich
bei deinem gebenedeiten hi. Sohn, dass so offenbar erscheinen mOge
der verborgene Schatz, wie offenbar er seinen heiligen Aposteln
erschienen ist. Allmachtiger Herrgott, blicke auf uns mit deinen
gnadenreichen Augen und lasse den verborgenen Schatz so offenbar
uns erscheinen, wie offenbar dein heiliger Sohn auf dem Berge
Tabor erscheinen machte seine Gottheit durch unseren Herren Jesus
Christus, der mit dir lebt und herrscht. — Pater, Ave, Credo.
N.B. Dies alles muss man zu geeigneter Zeit thun, besonders
14 Tage nach Vollmond bei heiterem Wetter, Nachts oder am Tage,
besonders Montag und Freitag.
Eine andere Art. Wenn Jemand es versuchen will, so
ist es notig, dass er die Tage, Zeiten und Stunden (die dazu ge-
eigneten) 14 Tage lang nach Vollmond kenne; aber dann sei klares
Wetter; man kann es auch in der Nacht vornehmen, besonders
Freitag und Montag, weil jener Tag Freudentag, dieser Trauertag
ist. Kristallne Klarheit kann auch bei Regen hervorbrechen, nur
muss das Menschenkind gut geartet und keusch sein (das namlich
die Rute abschneidet).
634755
— 100 —
Gebet beim Schneiden der Rute. Unbesiegbarer Hea-
der Himmel, der du Himmel und die Erde erschaffen hast mit alien
Tieren, so auch euch, ihr Ruten; ich beschwOre euch, bei der Macht
seiner Majestat, dass ihr alle stets bereit seid, zu zeigen und zu
offenbaren, seiner Macht gehorchend, wo in dem Innern der Erde
ein Schatz sich befindet, dies ihr mir wahrhaft zeigen sollt, damit
ich denselben von da wahrhaft herausnehmen, ihn mehreren meiner
Freunde mitteilen und ihn zu meinem Heile verwenden kann. Amen.
Wenn du dich mit der Rute von da entfernst, woher
sie abgeschnitten wurde: Ewiger, allmachtiger Vater, Herrgott,
du unser Herr Jesus Christus, herrlicher, heiliger Vater der Himmel,
ich bitte dich, sowie deine jungfrauliche Mutter, dass du mir diese
Ruten erlaubst, wie du solche dem Aron und Moses erlaubt hast,
dass, wenn auch ich diese Ruten bei deiner Macht beschwflre, sie
bereit seien und gehorchen mflgen deiner gOttlichen Macht, dass,
wenn irgendwo im Innern der Erde, oder sonstwo ein verborgener
Schatz sich befindet oder etwas Vergrabenes, sie mir es wahrhaft
zeigen, damit ich es von dort herausnehmen kann zu Ehren deines
grossen und heiligen Namens und zum Heil meiner Seele, zum
Nutzen und zur Hilfe meiner Nebenmenschen, zur Unterstutzung
der Armen und zum Bau deines heiligen Hauses. Amen.
Wenn du die Rute probirst: Ihr Ruten, ich beschwflre
euch bei der Macht des mSchtigen Gottes, der Himmel und Erde
erschaffen hat und alle Tiere darin, dass, wenn irgendwo ein ver-
borgener Schatz oder etwas Vergrabenes sich befindet, ihr es mir
wahrhaft zeiget, damit ich es von da herausnehmen und damit
leben kann, zur Ehre Gottes und zum Nutzen mehrerer meiner
Nebenmenschen Amen.
Ihr Ruten, ich beschwore euch beim Namen Jesus Christi,
bei dessen Namen alle Kniee sich beugen, himmlische, irdische
und hollische, dass ihr mir gehorchet, bei seinem heiligen und
furchtbaren Namen euch beuget und mir, wenn irgendwo ein Schatz
oder etwas Vergrabenes sich befindet, mir dies ohne ZGgern wahr-
haft offenbaret und zeigt im Namen des Vaters, des Sohnes und
des hi. Geistes. Amen.
Nota i. Daran erkennst du, dass sich dort etwas befinde,
wenn sich die Ruten bewegen und wohin sie sich beugen, dahin
muss man gehen und wenn du vorbeigingest, so drehen sich (doch
— 101 —
dahin) die Ruten zuriick und wohin sie sich neigen, dort wird es
(der Schatz) sein; wenn sie sich aber Qberallhin beugen oder be-
wegen, so ist dort nichts zu finden. — 2. Wer dies vornehmen
will, der darf nicht wankelhaften Glaubens sein, sondern er muss
stark und standhaft sein, sonst hilft es nichts. — 3. Die Ruten sollen
sch5n gerade, von geradem Stamme (herrahrend) sein, nur zwei
(sollen es sein); sie sollen Hasel- oder Rebenruten sein, beide gleich
gross. — 4. Die Ruten muss man am Montag oder Freitag graben,
in der ersten Woche des Monates, d. i. bis zum vierten Tage nach
Vollmond ....
Soweit diese Handschrift, worin aber Qber die eigentliche
Handhabung der Ruten kein Wort mitgeteilt wird. Diese Ruten,
die also am Ende zusammengewachsen sind, werden bei aus-
gestrecktem Arm in die festgeballte linke Hand genommen, so dass
nur ihre ausserste Endspitze in die Oeffnung zwischen Zeigefinger
und Daumen zu stehen kommt. Diese Ruten lassen manche Schatz-
graber drei Tage und drei Nachte lang in der Nahe des Hasel-
strauches stehen, indem sie in den Erdboden eine mit Wasser
gefiillte Flasche vergraben und in deren Hals sie die Ruten hinein-
stecken. Das Wasser, heisst es im magyarischen Volksglauben,
habe bei alien Krankheiten eine Qbernaturliche Kraft, und wenn
der Schatzgraber die Flasche gerade zu der Zeit eingegraben hat,
wo der Terophile schlaft, so kann dieses Wasser sogar Tote wieder
lebendig machen. Schneidet man diese Ruten von einem Rebstock,
so steckt man sie nur in eine leere Flasche, die man vergrabt. In
die Flasche sickert aus den Rebenruten Saft hinein, der ein Volks-
arzneimittel, besonders bei Augenkrankheiten, bildet Nun lese ich
im „Freien Blatt" (Organ zur Abwehr des Antisemitismus; Wien
1892, I., Nr. 4, S. 6) folgendes: „In der serbischen Stadt Semendria
wurde seit dem 11. April 1892 der Artilleriekorporal Ilia Konstan-
tinovic vermisst. Als man die Mannschaft auszuforschen begann,
meldete sich der Artillerist Basilie Radulovic und erklarte in aller
Ruhe, er habe den Korporal auf dessen eigenen Wunsch getatet.
Derselbe habe ihm namlich im Vertrauen mitgeteilt, dass ihm bereits
dreimal im Traume ein alter Mann erschienen sei, der ihm die
Stelle hinter einem der FestungstUrme an der Donau bezeichnete,
wo ein grosser Schatz vergraben sei. Doch kOnne der Schatz nur
dann gehoben werden, wenn die Stelle zuvor mit dem Herzblute
— 102 —
cines Menschen besprengt worden sei. Neben dem Schatze werde
man auch ein Geftss mit einer FlQssigkeit finden und wenn man
den Kdrper, dem man das Herz entnommen, damit begiesst,
werde derselbe wieder lebendig werden. Von Konstantinovic auf-
gefordert, habe er sich nun mit demselben in der letzten Sonn-
tagsnacht an den bezeichneten Ort begeben; dort habe er ihn
auf seinen dringenden Wunsch getddtet und dann alles so gethan,
wie es im Traume gefordert wurde. Aber trotzdem er bis zum
frlihen Morgen grub, habe er weder den Schatz, noch das Geftss
mit der wiederbelebenden Flussigkeit gefunden, und so sei der
tote Korporal auch tot geblieben. Nach einem Belgrader Berichte
neigt der Untersuchungsrichter von Semendria, welcher die ersten
Erhebungen in dieser Sache pflog, der Ansicht zu, dass man es
hier wirklich mit einem abergUubischen Wahn zu thun habe,
wahrend der vom serbischen Kriegsminister nach Semendria
delegirte Auditor den Verdacht hegt, dass der Korporal von dem
ihm untergebenen Gemeinen aus Privatrache ermordet wurde, und
dass er die Geschichte von dem Traume und dem Schatze nur
erfunden habe, urn der Strafe far sein Verbrechen zu entgehen."
Hier liegt entschieden ein Schatzgraberglaube vor. Wir haben
schon erwahnt, dass Schatzgraber die Haselrute mit ihrem Blute
befeuchten und ftlgen nun auch den Glauben hinzu, dass wenn
man in das Herz eines ungetauft gestorbenen Kindes eine geweihte
Kerze steckt, dieselbe anziindet und an den Ort geht, wo man einen
Schatz vermutet, die Kerze gerade an der Stelle mit lautem
Knistern erlischt, wo der Schatz vergraben liegt (s. Abschnitt III,
S. 79). Glaubt man den Ort gefunden zu haben, wo ein Schatz
vergraben liegt, so zQnde man daselbst nSchtlicherweile ein Feuer an
und trOpfle dann etwas Menschenblut in die Glut. Erhebt sich
hierauf ein dichter, blauer Qualm in die Luft, so ist man am
richtigen Orte. Hohleneingange, Felsenriffe und Berge, die im
Rufe stehen, dass in ihrem Innern Riesen oder Feen bei ihren
unermesslichen Schatzen schlafen, soil man in Kreuzform mit
den menses einer Jungfrau in der Neujahrs-, Pfingst- oder Johannis-
nacht bemalen. Dann kommen diese Wesen aus dem Innern hervor
und ergehen sich im Freien. Wer nun den Mut hat, kann leicht
zu ihren Schatzen gelangen und sich damit beladen. Kocht man die
menses eines Weibes, das im Rufe steht, eine Hexe zu sein, mit
— 103 —
Talg zu einem Brei und formt daraus eine Kerze, so erlischt auch
diese, wenn man sie entztindet, an dem Orte, wo ein Schatz ver-
graben liegt. Dieser Glaube ist besonders unter der rumSnischen
Landbevalkerung SiebenbUrgens allgemein verbreitet.
Wie aus oben mitgeteiltem Kriminalfall ersichtlich ist, kann
auch Kriminalisten Volkskunde warm empfohlen werden; sie
werden zu manchem Verbrechen den SchlQssel im Volksglauben
finden. Wie viel dergleichen Schatzgraberglauben im magyarischen
Volke noch lebt, wird vielleicht der Sammlerfleiss der Zukunft auf-
weisen konnen ; ich habe nur das bislang bekannte Material hier als
Beitrag zum Volksglauben der Magyaren und zur Kulturgeschichte
der Menschheit mitgeteilt.
V.
Hexenglaube.
Im magyarischen Hexenglauben lasst sich auf historischem
Wege die alte Hexenvorstellung bis herab auf den j linger en
Hexenbegriff genau verfolgen. Nach Einfiihrung des Christentums
kehrte man sich zuerst gegen die rudimentaren heidnischen Volks-
brauche und setzte dies Verfahren so lange fort, bis man endlich
„ohne eine Spur logischer Anordnung" ein ineinander geworfenes
Konglomerat von heidnischen Vorstellungen und Vorstellungs-
trQmmern zusammenknetete und ihn dann in den Volksglauben als
jttngeren Hexenglauben einfiihrte. Dass die Magyaren, eingekeilt
in das Centrum der europaischen Volkerschaften, auch diese Phase
der Kulturgeschichte durchleben mussten, ist selbstverstandlich.
Jedes Jahrhundert hat ja einen wunden Fleck, jedes Kapitel der
Kulturgeschichte muss ein „schwarzes Blatt" aufweisen; neben gross-
artigen Ideen mttssen auch ,,fixe" Ideen (im Sinne der Psychiatrik)
wuchern. KOnnen wir uns doch auch in unserem Jahrhundert
neben Aufklarung auch so manches „Aufklarichtes" — urn mit
Johannes Scherr zu sprechen — wie Spiritismus u. dgl. rOhmen.
Die folgenden Zeilen wollen eben einen Beitrag zur Kenntnis des
bislang gar nicht beachteten magyarischen Hexenglaubens liefern.
Hexe heisst im Magyarischen boszorkdny, welcher Ausdruck
wohl vom Stamme bosz-d = Rache (indignatio, vindicta, ultio) her-
rtthrt. „Das o des Stammes" sagt I poly i (a. a. o., S. 411) „in a
verwandelt, gabe die Bedeutung von coitus". Er zieht zum magyari-
schen Ausdruck boszorkdny noch heran: ind. Bhomasura, Bhumaser
(Hammer, Jahrb. d. Litt, 2. 319: bhu, bhum = Erde; asur =
Geist); persisch: Buzurge. Bei den Slaven in Ungarn heisst die
Hexe ebenfalls „boszork£ny" oder boszorka und boszorak.
— 105 —
Die altesten Nachrichten ttber die Hexen und zwar beziiglich
des eingangs erwahnten alteren Hexenglaubens finden wir in den
„Dekreten" des hi. Stephan (Endlicher, d. Gesetze d. hi. St.,
Wien 1849), wo es (2. 33) heisst: „De strigis. Si qua striga inventa
fuerit, secundum iudicialem legem ducatur ad ecclesiam, et commendetur
sacerdoti ad ieiunandum fidemque docendum, post ieiunium vero
in modum crucis in pectore et in fronte atque inter scapulas in-
censa clave ecclesiastica domum redeat, si vero tertio iudicibus
tradatur." Noch ausfahrlicher handelt daraber der 34. Artikel:
„De maleficis. Ut creator a dei ab omni laesione malignorum remota,
et a nullo detrimentum sui passura maneat, nisi a deo, a quo et aug-
mentatur, secundum decretum senatus statuimus magni cautionem
terroris veneficis ac maleficis, ut nulla persona maleficio aut veneficio
quemquam hominum a statu mentis aut interficere audeat, aut si
quis vel quae posthac hoc praesumpserit, tradatur in manus male-
ficio laesi , aut in manus parentum eius, secundum velle eorum
diiudicandum, si vero sortilegio utentes invenientur, ut faciunt in
cinere aut his similibus, ab episcopis flagellis emendentur"
„Diese beiden Gesetze", sagtlpolyi (S.412), „zeigen am klarsten
die urspriingliche Form des Hexenglaubens; ihnen gemSss kann die
Hexe = striga noch nicht etwas anderes sein, als eine einfache heid-
nische Zauberin, die — wenn sie angezeigt wird — nur der Kirche
zu uberweisen ist, damit der Geistliche sie im Glauben unterrichte
ur.d sie fasten lasse; bei RQckfall soil sie gebrandmarkt und wenn
sie schliesslich unverbesserlich ist, der BehOrde ttbergeben werden."
In gleichem Sinne sind auch die diesbezUglichen Gesetze des
hi. Ladislaus (Endlicher, Monum. Arpadiana) gehalten, wo es
(1. 35) heisst: „Meretrices et strigae secundum quod episcopo iustum
visum fuerit ita diiudicentur* ' , also Dirnen und Hexen sollen von der
Kirche gerQgt werden. In einem Gesetze KOnig Koloman's (End-
licher, a. a. 0., 1. 57) aber heisst es: „De strigis vero, quae non
sunt, nulla quaestio fiat", also Hexen, wie solche im Volksglauben
existieren, sollen nicht in Untersuchung gezogen werden, d. h. mit
anderen Worten: nur heidnische Zauberinnen soil man verfolgen.
Ferner heisst es (Endlicher mon. 355): „Malefici per nuncium
archidiaconi etcomitis inventi iudicentur"; ferner: „Synodus Strigon.
habita sub Colomanno rege: si quis de maleficio accusatus convictus
fuerit secundum canones poeniteat."
— 106 —
Zweierlei geht also hieraus hervor: 1. dass es mannliche und
weibliche Hexen gab, 2. dass auch in Ungarn solche Individuen
der Kirche Qberwiesen wurden, indem man im Hexenwesen ur-
spriinglich eben eine Gefahrdung des Glaubens durch das Heidentum
erblickte. Mit der Zeit aber tritt immer mehr der Ketzerbegriff
und der jQngere Hexenglaube in den Vordergrund. So heisst es
im „Ofner Stadtrecht" 1244 — 142 1 (herausgegeben von Michnay
und Lichner, S. 152): „Von ansprecherin, czaubern oder liplerinn,
der damit vormerct wirt und oberwunndenn, czum erstenmal sol
man yn setczen auf eyn leiter, und eynen gespitzten judenhut sol
er haben auf dem haupt, daran die heilgen engil seyn gemalt, da
mit er umb get. Also schol er stehen, vonn morgen fru uncz auf
mittten tag an eynem freitag, so die maiste gemeyn desz volkis
ap vnd zu get; dar nach sol man yn ledig lassen, also, ap er ver
schweret den irsal meher czu thun. Vnd das schol man alles in
ner stat puch verschreiben auf dasz, ap er mier pegrieffen wurde:
so schol man inn prennen, sam eynen Ketczer."
Erst nach dem Erscheinen des berttchtigten Buches „Malleus
maleficarum" (1489) ward auch in Ungarn der Hexen- und Ketzer-
begriff von einander getrennt. Die erste Spur der Hexenprozesse
lasst sich erst im Jahre 15 17 nachweisen, wo zwei Weiber aus
Tehany einen gewissen Joh. T5rok beim Kaschauer Gericht des
Meineides beschuldigen (Ipolyi S. 414), aber Gesetze und Decrete
bezttglich des Verfahrens bei einem Hexenprozess gab es damals
noch nicht. Mit dem Protestantismus aber kamen auch die eigent-
lichen Hexenprozesse nach Ungarn. So heisst es in einem „Visi-
tationsartikel" der siebenbttrgisch-sachsischen Protestanten vom
Jahre 1577 also: „Die zauberey der alten Weiber, und was sonst
an teuffels gespanst ist, als btissen, wahrsagen, vor kranckheit
seegnen, und was hieran hanget, sol die obrigkeit nach dem gebot
gottes, und keysserlichen Rechten, mit dem feQer straffen, oder mit
dem strengen Edict der obrigkeit wehren; und bis solche nicht
ablassen, sollen sie nicht zum sacrament gelassen werden" (s. Articuli
visit, harmonici ab utraq, universit in. nat. saxonicae conditi et
approbati a. 1577). Fr. Mailer (Beitr. z. Gesch. d. Hexengl. in
Siebenbttrgen. Braunschweig 1854; S. 24) bemerty ganz richtig,
„Nicht der Hexenprozess an sich, wohl aber der Hexenprozess in
len einzelnen Landern ist also im Gefolge der Reformation ge-
— 107 —
standen, und zu diesen Landern geh6rt auch Siebenbttrgen." —
Das erste Hexenverbrennen verzeichnet in Ungarn die „Chronik
Fuchs-Lup.-Oltard." (herausg. von Trausch i. 279) beim Jahre 1616,
wo es heisst: „Circa hoc ipsum tempus multi magi et veneficae
in Hungaria Vulcano oblati sunt, qui incantationibus suis grandinem
super totam Hungariam et Transsilvaniam inducere voluise fere-
bantur, quo omnes fruges et vineae perderentur." —
Wir gehen nun zum heutigen Hexenglauben derMagyaren ttber.
Nachdem die heidnischen Reminiscenzen immer mehr in den
Hintergrund zuriickgedrangt wurden, so trat im Hexenglauben an
Stelle der heidnischen Geister als vis motrix der Teufel auf, der
„aus dem Hintergrund all' den Hexenspuk" in Bewegung setzt.
In den magyarischen Hexenprozessen (ich fahre dieselben stets aus
IpolyisWerk (S. 417 ff. an) verfahrt der Teufel selbst die Weiber.
„Maligni daemonis spiritus instinctu inductus" heisst es in einem
Szegeder Hexenprozess (Ip. S. 417); in einem anderen wieder wird
erwahnt, „dass der Teufel nachtlich bei ihr gewesen sei, sich in
der Gestalt eines schflnen J anglings entfernt habe" (hogy az
6rd5g 6jjel jdrt hozz£, szep legeny kepeben eltdvozott; S. 417).
„Der Teufel erschien ihr nachts in Menschengestalt und sagte ihr,
komm' hinaus, ich fuhre dich an einen guten Ort" (az Ordog ember
kepeben ejjel kihitta s mondotta, hogy gyere ki ]6 helyre viszlek")
heisst es in einem anderen Prozessakt (S. 417). In vielen Fallen
aber verfuhrt nicht der Teufel selbst das Weib, sondern lasst es durch
eine „eingeweihte" Hexe verfiihren. So heisst es in einem Prozess-
akt (S. 417): „Mit allerlei Versprechungen lockte sie Rosa, dass sie
an allem Guten sein und leben werde; dann aber nahm sie wahr,
dass alles nichts sei, nur Verlockung; die Teufel schlugen sie, zer-
brachen ihr beide Arm- und Beinknochen" (mindenfele hiteget&sel
dmitotta R6sa, hogy minden j6ban fog lenni s elni, azutdn tapasz-
talta, hogy semmi sines, csak dmit2s; az 5rd5g5k megvertek, k6t
karjat s laba csontjat 6sszet5rtek). Eine andere Stelle lautet (S. 417):
„Den Franz Katona verlockte sein Vater und seine Mutter, dass
gutes Leben eine Pracht sei, sagten sie, sieh, wie sch5n wir leben,
sagten sie, dass es dort viele schone Weiber gibt, und er dachte,
dass er reich werde" (Katona Ferencz atya s anya amitottak el,
hogy \6 elet az gy5ny6rQs6g, 1dm mily szepen elunk, ugy mond,
sok sz£p asszonyok vannak, 6s gondolta, hogy gazdag leszen).
— 108 —
Ein hervorstechender Zug der magyarischen Hexenprozesse
ist es, dass die Hexe nach ihrem Tode ihre Kraft einem anderen
Weibe abergeben kann, dass ein anderes Weib diese geheime Kraft
erbt. In einem Hexenprozess wird erwShnt (Ipolyi, S. 417): „Mira
arte sua diabolica in casu mortis agonis per porrectionem manus
suae alteri cuicunquae demum etiam innocenti fideli xtiano fiendam
sucessionem in locum sui post fata sua relinquere" Auf die Frage:
„Wann hast du den Bund geschlossen, auf wie lange Zeit?" ant-
wortet (Ipolyi, S. 418) die Angeklagte: „Vor 14 Jahren bis zu
ihrem Tode hat sie (Treue) geschworen; als sie schwor, trug man
ihr auf, dass sie in ihrer Sterbestunde an ihrer Stelle eine andere
zuriicklasse, wenn sie ein Kind habe; sie kOnne auf (ihr Kind)
nicht lassen; hat sie aber eines, so muss sie (die Kraft) auf dies
lassen; sie reicht ihm die rechte Hand und fasst es an, so kann
sie (die Kraft) zurilcklassen . . ." In einem anderen Akt heisst es
(S. 418): „In ihrer Sterbestunde, wer zuerst ihre Hand angefasst
hatte, auf den hatte sie ihre Teufelskunst ubertragen" (haldla 6r£jan,
ki elsflben megfogta volna a kezet, arra hagyta volna az 5rd5ngseget).
Hat nun das Weib durch Verfilhrung, Belehrung oder Erb-
schaft diese Kraft erlangt, so folgt seine „Weihe", die Aufnahme
in den Hexenbund. Vor allem muss es Gott und alles, was sich
auf Religion bezieht, verleugnen. In einem Hexenprozess heisst
es (Ipolyi, S. 418): „Deum, creatorem coeli et terrae, omnesque
sanctos angelos, ac electos dei, sacri baptismi lavacrum, ac denique
omnia sacramenta dei cum detestatione abnegando"; an anderer
Stelle heisst es: „seponendo s. baptismo, et catholicae fidei renun-
cinando". Die Hebamme Margaretha Barak, verehelichte Mich.
Dugonics (wohl die Mutter des magyarischen Dichters Andr. Du-
gonics) wird in Szegedin beschuldigt: „fidem xtianam abnegare ac
deum immensis blasphemiis afficere" (Ipolyi, S. 418). Eine andere
Stelle lautet: „Dass ihnen der Teufel befohlen habe, wenn sie in
der Kirche sind, so m5gen sie das Gebet nach ruckwSrts sprechen . . ."
Ferner: „Gott mussten sie verleugnen; statt dem Worte „Gott"
sagten sie: hipp-hopp, dort sei ich, wo ich hin will! Aus dem
Vaterunser mussten sie die Worte auslassen: Und erlOs' uns vom
Uebel!"
Nach der Verleugnung Gottes folgte die Eidleistung, wobei
sie dem Teufel, als ihrem Herrn, unbedingten Gehorsam versprachen.
— 109 —
So heisst es denn in Hexenprozessen (Ipolyi, S. 418): „Perpetuum
pactum inire ac vasallagium, daemoni se obstringere" ; oder: „in
omnibus diabolo parere ac eundem loco veri dei adorare, et venerari
velle se promiserit .... semetque infernali satanae, in proprium
vasallum tradendo .... eidemque perpetuam et continuam adhae-
rentiam vovendo." — „Dem Satan dienend, (will sie) ihn anbeten
und ihn ehren, ihm mit Leib und Seele sich hingeben" (s£t£nnak
szolgalvan, azokat imadni es tisztelni, testestul s lelkestttl nekik
ajdnlani).
In den Hexenprozessen der Magyaren kommt haufig die Frage
vor: „Hast du den Bund mit Schrift oder Wort geschlossen ?"
GewOhnlich lautet die Antwort: „Mit Schrift und mit Wort!" In
einem Szegediner Hexenprozess (Ipolyi, S. 419) heisst es: „Mit
Wort, aber auch mit Schrift habe sie sich dem Teufel uberliefert;
Rosa habe ihr die Hand angefasst und sie habe mit roter Tinte
geschrieben auf einen Bogen Papier am Rande vorne, am oberen
Ende, und habe gesagt: im Namen des Teufels . . ." (szdval de
kezeirasat is adta magarul az ordognek, R6sa megfogvan a kezet
veres tentdval irt, egy drkus papirosra, a szelire elol: 6s felsd r£sz6n,
es mondotta: legyen az 5rd6g hfr6vel).
Nach der Eidleistung wurde die Hexe am Kdrper mit einem
Zeichen versehen. Es heisst daher haufig in den Prozessakten :
„In corpore visitatorum, nullum signum tale quod ipsos criminis
magiae argueret, adeoque conversationem cum daemone habere
argueret", nachdem eben die Instruktionen der Behflrden den Ver-
hdrern anordnen : ,,An apud illos qui fatebantur, se stigmate quoque
signatos fuisse, praevie instituta corporis inspection^ eiusmodi stig-
mata realiter et effective impressa reperta exstiterint?" (Ipolyi,
S. 419.) GewOhnlich lautet die Antwort: ,,Repertum est stigma in loco
pudendo ex parte dextra inferius". In einem Szegediner Hexen-
prozess heisst es: ,.Man hat sie auf die Schamteile geschlagen, sie
kann sich daran nicht gut erinnern, weil es vor langher war, aber
sie hat gesehen, dass mit seinem zweiten und dritten Finger der
Teufel (das Zeichen) ihr aufgedriickt hat; dann habe er gesprochen:
nun bist du mein!" (hogy szemerem test6n kivQl tttdtt^k, nem
emlekezik red j61, mivel r£gen volt, hanem ldtta, hogy misodik s
harmadik ujjaval nyomta r£ az OrdOg; azutdn azt mondta: no mAr
enyim vagy.) Bod 6 berichtet in seinem juridischen Werke (jur.
— 110 —
prud., 1751; S. 225) iiber die magyarischen Hexen, dass ihr Haupt-
kennzeichen das ihrem Leibe eingebrannte Zeichen sei, das ge-
wflhnlich die Form einer Hasenpfote habe und gefuhllos sei, so
dass man diese KOrperstelle mit Nadeln stechen kftnne, ohne
Schmerzen zu verursachen. In einem Szegediner Hexenprozess
wird erwahnt, dass eine Hexe als Hebamme 2000 Kinder im Namen
des Teufels getauft habe (Schwartner, Stat. 3, 266). In sieben-
bargisch-sachsischen Hexenprozessen wird oft erwShnt, dass die
Hexen vom Teufel mit „garstigem Wasser" getauft werden (Mailer
a. a. 0., S. 56), ein Verfahren, das in magyarischen Hexenprozessen
nie erwahnt wird.
Als Zeichen der Ergebung muss nun die Hexe den Teufel
ktissen, der in den Prozessakten oft Pluto genannt wird. So
heisst es in den Hexenprozessen (I poly i, S. 420): „Der Teufel
Pluto war in Bockgestalt zugegen und sie hat ihm den ganzen
KOrper . . . den Hintern gektisst, ihn dreimal umtanzt". (Pluto
flrdGg jelen volt, bak k£p£ben, es az egesz testet . . . alfelet meg-
cs6k61ta, haromszor kQrQldmczolta.) Eine andere Stelle lautet: „Sie
schwor bei Pluto; war da zugegen ein schwarzhaariger Bock , den
umkreiste sie zehnmal und kQsste ihn eben so vielemal, wobei sie
sprach: „Du bist mein Herr!" (Plutdra esktidott, volt egy bak
fekete sz5r(i, aztat tfzszer kerOlte meg 6s annyiszor csokolta meg
es mondotta: te vagy az en uram.) Ferner heisst es in einem
Szegediner Hexenprozess (Ipolyi, S. 420): „Ein Ziegenbock war
zugegen, er befahl ihr, dass sie ihn umtanze und er befahl ihr
auch, ihm den Hintern zu kiissen, damit sie dadurch beweise, dass
sie ihm eine treue Dienerin sei" (egy bak kecske jelen volt, paran-
csolta nekie, hogy kOrUl tdnczolja Otet es az alfelet is paranscolta
cs6kolni, hogy azzal bizonyitani'fogja, hogy az 6 hQ szolgdja).
Neben der Benennung Pluto, Belzebub und Lucifer wird fur den
Teufel auch der Name Drom6 gebraucht, den Ipolyi (S. 420)
mit den magyarischen WOrtern dorog (es donnert), dorgi) (Donnerer)
und dem deutschen Donner in Verbindung bringt. Bei Mailer
(a. a. 0. S. 56) heisst eine Hexe Donnerschlag. Daneben heisst
der Teufel auch hepcziher oder hopcziher (Ipolyi S. 420). —
Diese Einweihung und Eidleistung findet bei Gelegenheit der
Hexenversammlungen statt. In fast alien, bislang bekannten magyari-
schen Hexenprozessen kommen Stellen, auf diese Versammlungen
— Ill —
bezflglich, vor. So heisst es denn (I poly i, S. 421): „Nocturno
tempore continuis diabolicis consultationibus, saltibus, lusibus inter-
fuerit, cum diabolo comederit et biberit''; ferner heisst es: ,,Am
Georgstage auf dem Kecskemeter Berg bohrten sie einen Rebenstock
an und schlugen einen Zapfen hinein und sie, alle 3000 konnten
davon genug trinken; dann schoben sie die Rinde wieder zurQck
und gingen weg". (Szent GyGrgynapkor kecskemeti hegyen egy
sz5l0t6k6t megfurtak, es csapot tettek bel6je, s mindnyajan 3000
eleget ihattak belflle; azutdn hej£t red tettek, s elmentek). Wichtig
ist folgende Stelle: „Ein Teufel blies die Flflte, mit den anderen
Teufeln tanzten sie; sie assen, vermischten sich (coire) ... ver-
mittelst Rohren tranken sie Wein aus Fassern . . . eine Art schwarzer
GeldmQnzen verteilten sie unter sich, die aber nur bei ihnen Gel-
tung hatten ; bei dieser teuflischen Gasterei war weder Kerze, noch
Feuer vorhanden und doch war es taghell im Tanzsaal; wahrend
der Unterhaltung sprachen die Teufel walachisch; die Teufel
hatten h5lzerne Schwerter und hieben damit herum, die Worte
sprechend: „Ich hau' dich, aber verletz' dich nicht" (egy 5rdflg
sipolvin, a tobbi 5rd5ggel tdnczoltak; vend£geskedtek, kflz5sk8dtek . . .
csOveken a hord6kb61 bort ittak . . . valami fekete k6zpenz nem6t
is osztogattak kozOttok az ordogOk, de annak csak magok kflzGtt
volt keletye, ezen 5rd5ng5s vend^gesked&ben sem gyertya, sem tiiz
nem volt, meg is igen fenyes vilagossagu vala az tancoI6 palota,
vilagosvdri mulatsdgban mind oldhul beszeltek az ordogtik, az 5rd5gok-
nek til6 forma kardjok volt fab61 s azzal vagdalkoztak, ezen sz6kat
mondvdn: vdglak, de nem sertlek). In einem Hexenprozess aus
Fels5bdnya (1731) heisst es (I p 1 y i , S. 421): „Mit rohem Fleisch
wurden die nachts anlangenden Hexen gefiittert" (nyers hussal
ettet^k az ejjel j0v6 boszorkdnyok^. Das „Salzkochen'', das im
germanischen Glauben einen wichtigen Zug bildet (Grimm 1000),
findet auch im magyarischen Volksglauben einen Nachhall. Kommt
eine Frau — heisst es im magyarischen Volksglauben — zeitig in
der Friihe, urn Salz auszuleihen, so soil man ihr das Verlangte
nicht geben, denn sie ist eine Hexe. Am Lucientage soil man
weder Salz, noch Feuer aus dem Hause geben. Mit Salz bestreue
man die Schwelle, urn die Hexen fernzuhalten. Ein Sage erzahlt:
Ein Mann kroch in ein Fass, welches die Hexe bestieg und darauf
in die Versammlung ritt. Dort kroch der Mann heraus und filllte
— 112 —
das Fass mit Salz an, worauf er wieder zuruckkroch. Die Hexe
ritt nun auf dem Fasse heim. Der Mann klagte sie ein und wies
das mitgebrachte Salz als Zeugnis vor (Ipolyi S. 422).
Far den Hauptversammlungsort der magyarischen Hexen gilt
der sogenannte ,,Blocksberg" (magyarisch: Szent Gellert hegye-Berg
des hi. Gerard) bei Budapest. Neben diesem Berg werden im
Volksglauben und schon in den Hexenprozessen noch die Berge
KopasztetG (bei Tokaj), Ot halom (= fanf Berge bei Szegedin)
und Vaskapu (= eisernes Thor auch bei Szegedin) erwahnt. In
der Christnacht, in der Georgi- und Johannisnacht halten sie ihre
Hauptversammlungen ab.
Einen wichtigen Zug im magyarischen Hexenglauben bildet
die sozusagen militarisch organisierte Einteilung der Hexen in
Compagnien und Abteilungen, die ihre Vorstande, Fohrer, Fahnen-
trager und Korporale haben, die dem Teufel, als Generalen und
Befehlshaber des ganzen Hexenheeres, unterstehen. In einem Hexen-
prozess (Ipolyi, S. 425) heisst es: „Sie waren in Compagnien
aufgeteilt, jede Compagnie hatte eine schwarzseidene Fahne" (kom-
pdnidkra voltak felosztva, minden kompanianak fekete selyem
zdszl6ja 16ven). In lateinisch verfassten Prozessakten kommen oft
die Wendungen vor: „Antesignanumque nempe capitaneum laco-
daemonis exercitus se procurare" — ferner: „princeps magus et
sagarum magister Daniel R6zsa . . . daemonis supremum capitaneum
egerit"; — oder: „in arte magica patrem sodalium (Zunftmeister)
profited"; „sagarum ductor vulgo hadnagy (magyar. Lieutenant),
sagarum vexillifer". In manchen Hexenprozessen wird auch die
Gestalt dieser Chargen erwahnt, welche dieselben wahrend ihrer
Amtierung annehmen. So heisst es in einem Akt (Ipolyi, S. 426):
„In der Gestalt eines Ebers war sie Fahnrich" (kan diszn6 k^peben
volt zdszl6tart6); in einem anderen Prozess kommt die Stelle vor:
„In Kalbsgestalt war sie Lieutenant, man nennt sie barjuctar" (borju
k6p6ben volt hadnagy^ barjuctarnak hijdk). „Bayuctar << soil nach
Ipolyi's Meinung im Turkischen „FShnrich" bedeuten.
Von Wichtigkeit ist die folgende Stelle aus einem Hexen-
process (Ipolyi, S. 426): „Anfangs war sie Corporal, zehn Jahre
lang, dann wurde sie gleich Kapitan, . . . jetzt aber ist sie nur
Grastragerin" (els5ben tizedes volt, tiz esztendeig, azutdn
mindjdrt kapitdnynya lett, . . . de m*ir csak fiihordo) d. h. sie wurde
— 113 —
abgesetzt und dient nun als „Gemeine", als „Grastragerin", Krauter-
sammlerin im Heere des Teufels und sammeltHeil- und Giftkrauter
far die oberen Hexen. Deshalb heisst die Hexe in einigen magya-
rischen Dialekten neben „boszork6ny" auch fives = grasige (her-
baria, venefica); vgl. Grimm 1021.
Dem magyarischen Volksglauben gemSss kGnnen die Hexen
beliebige Tiergestalten annehmen, ja sogar sich ganz unsichtbar
machen. GewGhniich nehmen sie die Gestalt von Katzen, Schweinen,
Eseln, Stieren und Hunden an. Bod6 (iur. prud., 225) rechnet
auch die „farkaskuldosok" = Wolfsbettler (WerwGlfe) zu den Hexen,
obwohl sie im magyarischen Volksglauben in Wolfe verwandelte
Hirten sind. Er schreibt: „Ad lamiarum potentiam referuntur
lycanthropi quoque, quod se in lupos, hircos, canes, feles, aut alias
bestias, pro suae libidinis delectu vere et substantialiter in momento
transmutare et paulo post in homines rursus reformare fateantur."
Im Volksglauben heisst es auch, dass eine 7- oder 1 2J2hrige Katze
in eine Hexe verwandelt werde (I poly i, S. 243). Aus einem
deutsch geschriebenen, handschriftlichen Werke des Baron Med-
nyansky (Sammlung aberglaubischer Meinungen und Gebrauche
des gemeinen Volkes in den Thalern des R6kos, 182}, S. 7$) teilt
lpolyi (S. 427, Anm.) die Stelle mit: „Wenn die Katzen langere
Zeit im Sommer nicht zu Hause kommen, da sie sich an Feldern
von Mausen, VGgeln etc. nahren, so heisst es, die Katzen sind in
den FWkos gereist; ttberhaupt wird jede Katze fur eine
Hexe gehalten. Auf den FWkos-Feldern halten die Katzen ihre
Versammlungen ; es werden Hochzeiten gefeiert, Bandnisse ge-
schlossen, Verbrecher bestraft, einige sogar auch mit dem Tode.
Daher die Bauern sagen : „Unser Kater ist nicht zurQckgekommen,
der ist gewiss gevierteilt worden." Wehe denjenigen, die sich der
Versammlung nahern; sie sind verloren. Auch wird bei der
Gelegenheit ein Kater und eine Katze zu KOnig und Kdnigin
gewahlt" ... Szirmay (Szatmar virmegye = Sz. Comitat; Ofen,
1809) erzahlt von einem Schweinehirten aus Gacsaly, der zwei
Hexen in Wolfsgestalt begegnet sei, die sich von ihm streicheln
liessen. In den Hexenprozessen wird gewdhnlich die Verwandlung
in Katze oder Hund angefiihrt. Als rote Katze saugt die Hexe
der Kuh die Milch aus (lpolyi, S. 427). In einem Felsdbdnyaer
Hexenprozess wird angefiihrt: „Ich sah mit meinen Augen zur
8
— 114 —
Nachtzeit auf dem Aufboden liegend einen schwarzen, gefleckt-
kGpfigen Windspielhund im Heu schleichen . . . dann verwandelte
er sich in eine solche Gestalt wie die Katharina Fazekas (die an-
geklagte Hexe) . . . sie belastete meinen ganzen Karper und ver-
wandelte sich dann in ein weisses Windspiel" (lattam szemeimmel
Stczakanak idejen az hidldson fektemben egy fekete h6dos fejii
agarat az szendn labai suhogvan . . . annak utdna elvdltozott szinten
olyannd, mint Fazekas Kati . . . eg6sz testemet mind eltapogatta,
es feh6r agarri vdlt annak utand). Auf der Insel Schutt glaubt
man, dass die Hexe sich oft in ein Ross verwandelt; wer ihm
einen Zaum anlegen kann, der bewirkt, dass es sich nie mehr in
menschliche Gestalt zurttckverwandeln kann. In einem Hexenprozess
heisst es: „Nachts kam ein schwarzes Ross in den Hof, nahm das
Schloss von der abgesperrten ThQre herab, wir dachten es sei unser
Ross, ich ging ihm nach, es stiess mich und verwandelte sich in
eine Kuh" (etczaka egy fekete 16 j5tt az udvarra, a bezarlott
ajt6rul a timaszt levetette, gondolvdn azt mi lovunknak lenni, utana
mentem, megdcrfott s tin6vd wilt). Im Szegeder Volksglauben heisst
es (Ipolyi, S. 428): ,,Als man noch die Hexen verbrannte, band
man ihnen Schiesspulver unter die Kehle und stellte sie so auf
den Scheiterhaufen; da konnte man sehen, wie sie in KrGten-,
Maus- oder Rattengestalt entfliehen wollten, aber man fegte sie
zuriick und verbrannte sie, ohne dass sie einen Jammerlaut oder
Schmerzschrei von sich gegeben hatten." Hexen sah man auch in
SchildkrGtengestalt aber die Donau schwimmen (Vachott, Magyar-
orszag kepekben = Ungarn in Bildern, S. 123). In einem Maros-
vdsarhelyer Hexenprozess (Ztschr. ,,Mult ^s jelen", 752) wird die
Hexe beschuldigt, in der Gestalt einer Gans gesehen worden zu
sein. Die Gattin des Siebenbiirger Fiirsten Michael Apafi
glaubte in ihrem Irrsinn, dass sie von Hexen in Fliegengestalt
verfolgt werde (Ipolyi, S. 428). Oft erscheinen die Hexen nachts
in der Gestalt von schwarzen Kafern; in einigen Gegenden heisst
der Nachtfalter (sphinx L.) geradezu „boszorkdnypillang6" = Hexen-
schmetterling (Ipolyi, S. 428; vgl. den deutschen „Milchdieb",
im Slovenischen : vesha = Schmetterling und Hexe).
Schon Mediomontanus (Disputatio theol. de lamiis etc.,
Grosswardein, 1656) erwahnt, dass die Hexen oft auch die Gestalt
von Pflanzen und „besonders von Wagenradern" annehmen. Eine
— 115 —
Hexe kam einmal in Radgestalt zu einem Mann. Diesem gelang
es, das Rad mit Eisen beschlagen zu lassen. Am anderen Tage
war die Hexe ganz mit Eisen ttberzogen. Ferner: Ein Rad mit
1 2 Speichen rollte einmal in den Hof eines Bauern, der es an der
zwGlften Speiche anfasste und mit einem Stricke an einen Balken
band, worauf das Rad verschiedene Tiergestalten und schliesslich
die Gestalt der betreffenden Hexe annahm (I poly i, S. 429).
Eine in den magyarischen Hexenprozessen oft erwahnte Eigen-
schaft der Hexen ist ihr plGtzliches Verschwinden, ihre Luftfahrt
und ihr Eindringen selbst in den kleinsten Raum. Durch das
SchlQsselloch, durch den Rauchfang, durch das kleinste Loch hin-
durch erscheint die Hexe und verschwindet spurlos (Ipolyi, S. 429).
Auf Kehrbesen, Feuerzangen, Stocken, P^ssern und auf Menschen,
die sie in Pferde verwandeln, fliegen die Hexen durch die Luft.
Szirmay (a. a. 0.) berichtet u. A. von einem Schweinehirten, den
die Hexe jedesmal dadurch in ein Pferd verwandelte, indem sie
einen Zaum ihm ans Haupt warf. Wer diesen Zaum der Hexe
anlegen kann, der verwandelt dieselbe for immer in ein Pferd,
wenn er sie dann mit einer Unterhosenschnur versieht (Ipolyi,
S. 430). Ausserdem besitzen die Hexen auch noch eine Flugsalbe,
womit sie sich einreiben und dann fliegen konnen. Schon das be-
rttchtigte Werk „Malleus maleficarum" beschreibt die Verfertigung
dieser Flugsalbe (unguentum phaleris): „Unguentum ex membris
puerorum interemtorum ab eis ante baptismum". In den magyari-
schen Hexenprozessen heisst es (Ipolyi, S. 451), dass diese Salbe
aus Kinderfett, Mutterkuchen , Solanum und Russ, oft aber aus
Kinderknochen und Kindereingeweiden verfertigt werde. Karcsay
teilt (in der Zeitschr.: „Uj muzeum" 2., 498) eine Sage mit: Ein
Knecht wollte die vom Joch wundgeriebenen Nacken seiner Ochsen
mit Fett einreiben. Er nahm zu diesem Zwecke ohne Wissen seiner
Herrin eine Salbe aus dem Schranke hervor und rieb damit die
Ochsen ein, worauf dieselben von dannen flogen. Er klagte sein
Leid der Herrin; diese schmierte schnell eine Feuerschaufel mit
dieser Salbe ein und flog dann, auf die Schaufel sich setzend, den
Ochsen nach und trieb dieselben in der Luft heim. „Der heutige
Volksglauben", sagt Ipolyi (S. 432), „mutet dieser Salbe alle
Eigenschaften der Hexe zu; nur wenn sie sich mit ihr einreibt,
kann sie Hexerei treiben; sie muss sich aber damit jedes 7., 17.,
8*
— 116 —
2 7» J7» 47- u - s - w - ^ a ^ r einreiben." Die magyarischen Hexen-
prozesse erwahnen auch Formeln, durch die die Hexen sich in die
Luft erheben oder verschwinden kOnnen. Gewflhnlich sprechen sie
Formel: „hipp, hopp!" oder „hop hirivel" (in Hops Namen), oder
„hipp, hopp, ott legyek, a hoi akarok" (hipp, hopp, dort sei
ich, wohin ich will). Ipolyi (S. 420) vermutet, dass dies „hipp
oder hopp" ein altes Apellativum des Teufels sei, nachdem der-
selbe ja oft „hopcziher", oder „hepcziher" genannt werde. Eine
andere Formel lautet: „k6d elottem, kad utanam, engem senki meg
ne lesson" (Nebel vor mir, Nebel hinter mir, niemand soil mich
sehen; vgl. Grimm S. 1037). —
Was nun die schadliche Thatigkeit der Hexen anbelangt,
so wird ihnen besonders zugemutet, dass sie Saaten durch Hagel,
Regen, Wind und DQrre vernichten kdnnen. Daruber berichten
schon die alten Hexenprozesse. So lautet eine wichtige Stelle eines
solchen Prozessaktes (Ipolyi, S. 432): „Succumque ac pinguedinem
huius circumiacentis plagae terrae, videlicet pluvias et rorem per
septennium id est annuatim pro media secunda urna pecuniae,
piscespue pro vento sagis in Turcia divendere non abhorruisset" —
ferner: „pluvias obseraverit, ac terrae fructus abstulerit, similesque
in Turciam vendiderit". Dass die Hexen die Saaten und Fische
den TQrken verkauft haben, kommt auch in einem Szegediner
Hexenprozess vor (Ipolyi, S. 433), wo es heisst: „Den Regen und
die Fische haben sie am hi. Georgstag nachts 1 1 Uhr am Mattyi-
Ufer auf 7 Jahre in die Tttrkei verkauft . . ." (az es5t es halat sz.
Gyflrgy napjdn eczaka 1 1 6ra tdjban Mattyi parton het esztend5re
attak el a tdrOk orszdgra . . .)• „Den Regen halten sie", heisst es
in vielen Hexenprozessen, „mit teuflischer Praktik in einem Kttrbiss
gefangen". Eine Szegediner Sage erzahlt (Ipolyi, S. 433): „Als
man einmal die Wasserprobe mit einigen Hexen vornahm, sank
eine rasch unter das Wasser, worauf eine andere neidisch ausrief:
„Nehmt ihr den Wolkenschlttssel (fellegkulcs) aus den Ohren!"
Man zog ihr also den WolkenschlQssel aus dem Ohre und sie war
nun nicht imstande, unter das Wasser zu sinken . . . Ober die
BeschafFenheit dieses Schlussels berichten die Akten und der heutige
Volksglaube nichts naheres.
Heutiger Volksglaube und alte Hexenprozessakten erwahnen
auch, dass die Hexen am Georgstage den Tau von den Feldern
— 117 —
in TOpfe sammeln, um den Erntesegen zu vernichten und nach
Belieben Regen hervorbringen zu kGnnen. Ipolyi (S. 433) bringt
damit folgenden Brauch in Verbindung: In der Kecskem&er Gegend
spreiten die Hirten in der Fruhe des Georgstages LeintQcher auf
die tauigen Fluren. Indem sie die Leintticher im Grase weiter-
ziehen, sprechen sie: „Ich klaube, ich klaube von Allem die Halfte"
(szedem, szedem mindennek felet). Die taunassen Tticher werden
ausgewunden und das Wasser in Gefasse aufgefangen, die man in
den Stall der Melktiere vergrabt, damit die Hexen den Tieren die
Milch nicht nehmen kGnnen. Auch heisst es, dass jede rechte Hexe
jeden Morgen ihren Gatten durch Bewerfen mit einem Zaume in
ein Ross verwandelt und auf ihm ins Freie reitet, wo sie Tau
sammelt, den sie trinkt und dadurch immer jung bleibt, wahrend
ihr Gatte dahinsiecht. Streut die Hexe Tau auf das Mehl, so wird
das Brot blutrot, eine Beschuldigung, die oft in den Hexenprozessen
vorkommt, z. B. „fermentum alterius ac massam farinaceam ita
corrumpere attentasse, ut nulli panes inde pinsi potuerint (Ipolyi,
S. 434)".
Besonders durch Hervorbringung von Hagel und Sturm-
wind vernichten sie die Saaten. So heisst es z. B. in dem er-
wahnten Chronicon Fuchsio-Lupino-Ottardinum (1., 279): ,,1613 multi
magi et veneficae in Hungaria Vulcano oblati sunt, qui incanta-
tionibus suis grandinem super totam Hungariam et Transsilvaniam
inducere voluisse ferebantur, quo omnes fruges et vineae perderentur,
res mirabiliter fuit detecta. Filia cuiusdam viri, vix decennis aut
duodecennis, a patre in vineam ducta, cum patrem de diuturna
siccitate conquerentem audivisset, pater, inquit, ego si vis, faciles
pluvias, imo etiam grandines producere possum. Interrogante patre,
unde et a quo ista didicisset. A matre, ait, se ista habere; turn
pater obstupefactus, si quid ergo potes, produc, inquit, grandines,
verum ita, ut haec nostra tantum tangatur vinea, intactis et illaesis
vineis aliis. Ilia promissa praestitit, inducta horribili tempestate
et grandine, qua vinea paterna prorsus protrita fuit, magni res
periculi, nisi detecta fuisset . . . brevi de vitibus et frugibus, tarn
in Hungaria, quam in Transsilvania, nil reliquum futurum fuisset."
Noch 1728 wurde ein Szegediner Schusterlehrling beschuldigt, die
umliegenden WeingSrten durch Hagelschlag zerstOrt zu haben
(Schwartner, Stat. 3., 266).
!
— 118 -
Auf welche Art und Weise nun die Hexen Ha gel und
Sturm hervorzaubern kOnnen, dartiber berichtet uns schon
der magyarische Rechtsgelehrte Bod 6 (jur. prud. 225): „Si in aqua,
stans, aquam a tergo in aerem proiecerit, vel scopis sparserit, aut
aestivo tempora instante tempestate, lapidem vel terram occulte
percusserit; flores de variis arboribus aut folia collegerit, et ollae
imposita, cochleari et alio instrumento moverit." Dies Wasser-
werfen, Krauterkochen u. s. w. wird in magyarischen Hexenprozessen
oft angeftihrt. Daneben wird auch erwahnt (Ipolyi, S. 43 5):
,,Den Kopf eines njahrigen Raizenkindes haben sie vergraben,
damit kein Regen werde" (ij esztendos racz gyermek feje volt,
melyet eldstak azert, hogy es5 ne lehessen). „Einen Stierschadel
follte sie mit Ackererde, damit sie den Nutzen (die Ernte) weg-
nehme" (bika fejet megtGltotte szant6f5ldr6l elvitt folddel, hogy a
hasznat elvehesse). „Der Pferdeschadel befindet sich deshalb in
ihrer Wohnung, weil sie den Schadel mit Erde vom Weizenfelde
eines anderen Menschen fiillen und ihn in ihren Acker vergraben
wollte" (16feje szallasan azert vagyon , hogy mds ember buzaja
f6ld6b5l megtGltotte volna a fojet es a maga foldebe 4sta volna).
Wenn der Sturmwind einherbraust, so heisst es im Volksglauben :
Die Hexen tanzen in einem Korbe, wobei sie Schaufeln, Besen,
Zangen u. dgl. in den Handen halten (Ipolyi, S. 435).
Dass die Hexen die Melktiere heimlich melken, die Milch
wegzaubern — z. B. in die Thorpfosten, in den Brunnenschwengel,
den sie dann melken — bildet eine haufige Beschuldigung in den
Hexenprozessen und lebt auch im heutigen magyarischen Volks-
glauben fort. Einen wichtigen Fall teilt der seiner Zeit (1751) be-
rUhmte magyarische Rechtslehrer Bod 6 (iur. prudentia, 227) alien
Ernstes mit: „Placet annectere relationem certi, alias fide digni
nobilis octogenarii, condam Georgii Farkas Hankoviensis, qui saepius
coram me recensuit, et bona fide asseveravit, contigisse post re-
volutionem TGkolianam, cum certa occasione, ex nundinis De-
brecinensibus redux, in partibus trans Tibiscanis, in quadam planitie,
aestivo tempore pascuandorum iumentorum gratia, cum reliquis
sibi adiunctis substitisset: turn quidam incola Rochfalvensis (quern
et nominavit; nominis tamen illius recordari non possum) accepto
ex curru certo urceolo, et axi curruli supposito, quaesivit ex eodem
nobili: vellente lac ibidem non longe in pascuis existentium ovium
— 119 —
degustare? cui cum idem nobilis dixisset: quod vellet effectum illius
experiri, tandem idem infixo axi cultro, copiosum exinde lac per
cultrum emulsit; quo lacte stillante, protinus dictae oves, hinc inde
dispergi, discurrere et saltare coeperunt. Quo viso, opilio seu
pastor illarium ovium, illico pellicium suum, vulgo bunda dictum,
deiecit, et baculo suo pastorali eo usque percussit; donee culter
ex axe extractus non fuit. Quo pellicium suum verberante, idem
homo, lac praevio modo producens et emulgens, humi prostratus,
magno cum eiulatu, vociferabatur , ne eum permittant opilioni
tansopere pulsare et excruciari. Tandem, erepto cultro ex axe,
oves quoque conquieverunt, et opilio a percussione destitit; idem-
que homo liberatus a cruciatibus, concussus et debilitatus currui
est impositus. Hie diaboliis nactus est potentiorem diabolum."
In einer Sage wird erzahlt (Ipolyi, S. 436): Ein Kecskemeter
Bauer kaufte einmal eine Kuh. Der Verkaufer gab ihm den Rat,
er moge, wenn die Kuh einmal sich nicht melken lasse, das Tisch-
tuch, womit man am Weihnachtsabend den Tisch bedeckt habe,
auf sie spreiten und sie mit einem Birkenbesen schlagen. Bei Ge-
legenheit that dies der Bauer und bedankte sich dann beim Ver-
kaufer for das erfolgreiche Mittel. Dieser meinte: „Du hottest die
Kuh nicht so arg schlagen sollen, denn dadurch hast Du meine
Frau totgeschlagen."
Wir kommen nun auf den Einfluss der Hexen auf das Leben
und die Gesundheit der Menschen zu sprechen, der im heutigen
Volksglauben sowohl, als auch in den alten Hexenprozessen der
Magyaren sozusagen die erste Stelle einnimmt. Wichtige Belege
bieten uns hieftir die Prozessakten (Ipolyi, S. 437), denen wir
folgende Stellen entnehmen : „Multas innocentes personas in nihilum,
et ad mortem usque redegerit . . . hominibus vitam inferre et damna".
— „Sie strich mit der Hand das gesunde Kind; das Kind ward
krank . . . beide Fttsse krummten sich ihm hinauf und sein Kopf
sank ihm auf die Brust" (az egeszseges gyermeken kezeit vegig huzta,
az gyermekek megbetegedett .... mind a ket laba az alfetehez
sugorodott, es a feje a melyere esett). — „Sie schQttelte das bei
den Ftissen des Kindes befindliche Bettstroh auf, worauf das Kind
erkrankte" (a gyermek 14ba alatti agya szalmajat megrazta s azonnal
rosziil lett). Ipolyi macht hiebei auf die Redensart, aufSterbende
angewendet, aufmerksam : „Megk<3nnyebitette mdr az isten agya szal-
- :-- - ~-tc rt&jr zzz. (ii-iTTiriikv
^£5. t=^: i:-: i-rr-M ne zrs an-
=;. _^= ~i.iT ~n EfcilTeS EliZi s;ien.
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— -r- ju-T-'-: OT =cru==L:so niil inter-
ne S^r:.waL Sa.-..z= « alios." Oft
i:« ?nu.; xn H-xisesaae von den
*?*. In 3MZCW5 GewnJea wiift die
— 121 —
tage keine StGrung hervorrufen (Ipolyi, 206; Mednydnszky, 12;
vgl. Grimm, 1027 „Nestelknupfen"). Der magyarische Historiker
Math. Bel (Notit Hungariae novae hist, geogr., Wien 1735—42;
4, 120) erzahlt: „Mulierem iuvenem, et ex nuperis nuptiis caram
marito saga surripuerat, tridui spatio per aera raptatam. Ignorabatur
quo redacta esset mulier . . . reperta est femella triduo post SzetsSnii
intra pulvinaria exsanguis, et emortuae similis, apud veneficam,
quae facinus illud patraverat. Dubitabant iudices an ita se res
habeat; verum cum venefica etiam, rem uti gesta erat edixisset,
res fidem meruit, poenis sagae ex more inflictis."
Aber nicht nur als Schadigerin an Leib und Seele, an Hab
und Gut, sondern auch als Heilkunstlerinnen und FOrderinnen
des Wohlstandes, als Helferinnen in jedwedem Leid treten die
Hexen in den magyarischen Hexenprozessen und besonders im
Volksglauben auf. Selbst Tote kOnnen sie zu neuem Leben er-
wecken. So heisst es in einigen Hexenprozessen (Ipolyi, S. 439)
z. B. von einer Hebamme, Barbara Hesen, „dass sie in den 3 Tage lang
toten Sohn der L. Vak Seele gehaucht und ihn erweckt habe",
ferner: „dass sie der totgeborenen Tochter der Ilona Lubi etwas
in den Mund gesteckt und sie lebendig gemacht habe." Oft
werden auch die Heilmittel in den Hexenprozessen angefuhrt. So
heisst es (Ipolyi, S. 439): „Gegen Menstruation soil man von
3 Eichbaumen Blatter klauben"; gegen eine Krankheit „soll man
in ein Bohrloch blasen"; gegen Brustweh „soll man die Brust
mit einem Knochen (Totenknochen vielleicht!) bertihren". Ferner
wird in einem Prozessakt erwahnt: „Das kranke Kind wusch sie
in einem Bad aus gekochtem Hafer; den Hafer warf sie an neun
Gartenzaune und auf den Kreuzweg der Pfarrerswiese." Dergleichen
Heilverfahren werden — wie erwahnt — in den meisten magya-
rischen Hexenprozessen aufgezahlt; die meisten derselben haben
sich in der Volksmedizin der Magyaren bis auf den heutigen Tag
erhalten und sind zum Teil im folgenden Abschnitte mitgeteilt.
Eine prophetische Gabe wird den Hexen nicht nur in
den magyarischen Hexenprozessakten, sondern auch im heutigen
Volksglauben zugemutet. Besonders bei der Erforschung eines
gestohlenen Gutes wird die Hexe urn Rat angegangen. In einem
Szegediner Hexenprozessakt (Ipolyi, S. 440) heisst es: „Die Hexe
verlangte eine Pflugschar, dann eine lebendige Gans, welcher sie,
— 122 —
nachdem man sie ihr gebracht, den Kopf, die Beine und FlOgel
abhieb; die Gans rupfte sie, nahm ihre inneren Teile heraus und
behielt dieselben for sich, die gerupfte Gans aber gab sie dem Klager
zurOck; dann verlangte sie zwei neue Spindeln, die man noch nie
gebraucht hat, und Hirse; dies alles brachte man ihr; sprach dann
die Zauberfrau (vardzsl6 asszony): ich werde diese Pflugschar
gluhend machen, den Hirse darauf streuen, und so wird dessen
Gesicht voll Ausschlag werden, der das Geld gestohlen hat." In
einem anderen Prozessakt „warf die Hexe eine Handvoll Erbsen
ins Feuer, damit dem Diebe das Auge ausrinne." Der allbekannte
„Siebzauber" ist auch den Magyaren bekannt, ebenso das „Bohnen-
werfen", das schon in den Hexenprozessen haufig erwahnt wird.
Die Hexen kflnnen nicht nur Liebestranke brauen, sondern
auch in der Feme weilende Personen herbeizaubern. Der Ver-
fasser des for Volkskunde wichtigen Werkes „Ungarischer Simpli-
cissimus" berichtet (S. 106) uber einen Fall, den er als Diener des
Henkers zu Eperies miterlebt hat. Zu seiner Herrin kam namlich
eine Witwe und bat sie: sie m5ge ihren in Siebenburgen weilenden
Geliebten zuriickzaubern. Nun schreibt der Berichterstatter: ,,Gegen
1 1 Uhr forderte die Henkerin ihres (namlich der Witwe) Liebsten
Vor- und Zunamen, schrieb solchen nebst andern Charakteren auf
Papier, that dies in ein neues Hafelein fast voll Wasser, setzte es
zum Feuer und kochte es langsam. Wir stunden dabei, da sagte
sie Ober eine Weil: er kommt ganz nackend, suchet Kleider hervor.
Ich fragte unterdessen, wahrend die Burgerswittib Kleider holte,
was es bedeute, dass sie das Hafelein bald zum Feuer setze, bald
wieder herausziehe? Sie sprach: Wenn es geschwind kocht, so geht
der Bock auch geschwinde, wann ichs aber herausziehe, und es
gemach kocht, so geht das Tier auch gemach und geschieht dem
Menschen weniger Schaden. Ueber eine Weil nahm sie das
Hafelein, versteckte es unter einen Kiibel, gab mir den Keppenek
(ungarischer Regenmantel) und lief eilend zur Kuche hinaus, ich
ihr nach und auf den obersten Boden. Da sass der gute Mensch
nackend in einem BOgel und keuchte. Ich hielt ihm den Keppenek
hin, er nahm ihn uber und ging mit uns stracks hinunter." In
den magyarischen Hexenprozessen werden den Angeklagten stets
die amtlichen Fragen vorgelegt: „Konntest du vermittelst eines
Bockes, eines Mantels oder eines SchifFes Menschen fortfiihren ?"
— 123 —
(tudtdl-e bak, kflppenyeg vagy haj6 altal vinni 6s hozni embereket?)
— oder: „Wie konntest du den Menschen prophezeien aus Kristall,
Glas, Spiegel? ohne Schaden? gebrauchtest du Zaubersegnungen ?"
(mikSpen j8vendolt61 kristalyb61, iivegbol, ttikflrbal az embereknek?
kar nelkul? babonis aldasokkal eltel-e?). Auf diese Fragen ward
nie eine Antwort der Angeklagten verzeichnet (Ipolyi, S. 442),
so dass in der That M tillers Worte (a. a. 0., S. 55) Geltung
haben: „Man sieht es deutlich an, dass die Sache den Richtern
gelaufiger war als den Prozessftlhrenden." Als Richtschnur bei
dem Hexenprozessverfahren galten eben die erwahnten Werke eines
Mediomontanus und Bod6; bei letzterem lohnt es sich der
Mohe, alle Kennzeichen und Merkmale einer Hexe nachzulesen.
Ueber Hexenproben der Magyaren fuhren wir hier nur eine Stelle
aus dem magyarischen Geschichtsscbreiber Bel (a. a. 0. 2., 288)
an: „pauci anni abiere, dum qualicunque indicio septuaginta plus
minus femellas corripi, raptarique ad aquae experimentum iussere
magistratus. Deductae ad omnem qua placidior manat estque alti-
tudinis propemodum inexpertae, vestem superiorem ponere, induere
contra virilia perisomata, nequid indecori accideret cogebantur.
Tunc manibus pedibusque a tergo, ne possent movere artus, reli-
gatis, longa reste suspensae, e navi in amnem eiiciebantur. Quae
suo pondere subsidere coepit, tamquam insontem, adducta magna
celeritate veste, aquis eximebant, dimittebantque liberam. Contra
quae ritu anatum innatabant neque poterant mergi, damnabantur
criminis, luculento demum rogo exurendae."
Wir kflnnen nun am Schluss unserer Zusammenstellungen des
magyarischen Hexenglaubens Lipperts (Christent., Volksgl. und
Volksbr., S. 579) Worte auch fur Ungarn in Anwendung bringen;
dass es ,,n3mlich zur Zeit der Hexenverfolgungen wirklich Zauber-
innen gab, ist zweifellos — nur die Unterscheidung war schwierig
und willktirlich, und der aus den anderen Kategorien des Hexen-
tums hierfur gewonnene Beweis v5llig nichtig. Dass durch einen
Zauber irgend jemandem das Leben genommen wurde, ist natQrlich
niemals durch das Gerichtsverfahren objektiv festgestellt worden;
im zutrefFendsten Falle hat man den Versuch mit einem vGllig
untauglichen Mittel gleich der That gestraft."
VI.
Hexenspruch und Zauberbann.
rlexen und Zaubern ist auch nach magyarischem Volksglauben
Naturanlage und Kunst zugleich. Der siebente, bisweilen neunte
Sohn oder die siebente Tochter einer Mutter, die keine TOchter
beziehungsweise SGhne zur Welt gebracht hat, sind zum Hexen
und Zaubern praedestinirt, wahrend andere Menschen diese Kunst
mtthselig erlernen miissen oder dieselbe als Erbschaft Obernehmen.
Dass diese Kunst bei den alten Magyaren im Besitze der Priester
und Priesterinnen war, dafor haben wir in den altesten Gerichts-
quellen Belege. So heisst es in der Chron. Budense (herausg. von
Bodhracky, Ofen 1838; S. 93): „Omnes populi libaverunt se daemo-
nibus. . . . Vatha dedicavit se daemoniis, et congregavit ad se multos
magos et pythonissas et aruspices, per quorum incantationes valde
gratiosus erat apud dominos"; ferner heisst es: „de deabus una
nomine Rastli", oder wie Bonfin (rer. hung, decades, K5ln 1690)
diese GGttin nennt: Varasolo (= Zauberin). Auch Stephan des
Heiligen Erlasse erwahnen oft das Hexen und Zaubern (s. Abschn. V,
S. 105), so dass Mone auf Grund dieser Quellen beinahe mit Recht
schreiben konnte: „Magie war also der Hauptinhalt des ungarischen
Glaubens". Wie tief Hexen und Zaubern, diese unterste Schichte
des Volksglaubens, im volksreligiosen Leben der Magyaren von jeher
wurzelte, dafttr sprechen schon die zahlreichen magyarischen Aus-
driicke fur diese geheime Kunst.
„Der gebrauchlichste und allgemeinste Ausdruck", sagt Ipolyi
(a. a. 0. S. 393) ist bii, besonders in der Zusammensetzung biibdj
(Zauber) und in der Bildung biivos (zauberhaft), biivoles (Zauberei).
Heute hat bii die Bedeutung von Zauber, Magie, das aber selbst-
standig als Wort in der Volkssprache nicht gebraucht wird, sondern
nur in der Zusammensetzung mit bdj. Im Dialekt der Szekler heisst
— 125 —
bil = garstig, schmutzig. Bdj = Liebreiz; biibdj erklart der alte
Lexikograph Kreszn erics mit: Zauber, Magie, veneficium und
incantatio.
Ein anderer, allgemein verbreiteter Ausdruck far Zauber ist
vardzs, welches Wort Ipolyi (S. 394) vom Zeitworte van (nahen)
ableitet, wShrend das Wort kuruzs und uruzs (bei den alten Lexiko-
graphen = incantat, fascinat, ope magiae medetur) = Quacksalberei,
vom Zeitworte kurhol = mit Worten strafen, herstammen soil;
igizes (Zauberei) dagegen stammt vom Worte ige (Wort, Zeitwort)
und bedeutet eigentlich: Beschreien, Besprechen (incantatio). Ferner
sind die AusdrQcke bekannt: rdolvasds = auflesen, auf etwas (aus
einer Schrift) lesen, kiolvasds = auslesen. Der Ausdruck iralds fur
Zaubern stammt nach Ipolyi entweder von ir (schreiben), also
durch Schriftzeichen zaubern, — oder vom Hauptworte ir (unguen-
tum, Salbe) ab. Mit diesem Ausdruck hangt auch das Wort kant-
erolds (kanta-frdlas) fur Zauber zusammen. Im sogenannten ,>Gesetz
fur die Szekler-Frauen" (SzSkely asszonyok tdrvenye; herausgegeben
von Cserei, S. 228) wird dies Wort erlautert mit: „zaubern mit
Liebestranken". Kanta heisst Krug; iralds (wenn es also von ir
= Salbe abstammt) = Salberei; somit heisst kantirolds eigentlich
= Krugeinsalben, d. h. in das Getrank etwas mischen, einen Liebes-
trank verfertigen. Ein anderer Ausdruck ist vajakolni, Jemanden
totsingen, welchen Ausdruck die alten Lexikographen also erlautern:
„Incantare, artem magicam exercet, diris utitur carmifiibus". Der
Glaube, dass man schlafende Menschen durch Absingen von gewissen
Zauberformeln zu Tode singen kann, d. h. dass sie aus dem Schlafe
nie mehr zum Leben erwachen, ist auch dem magyarischen Volks-
glauben bekannt.
Durch „b8sen Blick" Jemandem Unheil zufiigen, ihn „be-
schreien" heisst im Magyarischen „szemmel verni" = mit Augen
schlagen. Menschen, die zusammengewachsene Augenbrauen, oder
schiele Augen, oder einen starren, mtirrischen Blick haben, stehen
im Verdachte, „mit Augen zu schlagen", d. h. eine unverhoffte
Krankheit im betreffenden Menschen oder Tiere durch ihren Blick
hervorrufen zu konnen. In jedem magyarischen Dorfe gibt es zwei
bis drei Menschen, die in diesem Rufe stehen und mit denen man
keinen Umgang pflegt.
Megrontds = Verderben ist der Ausdruck fur „einem die
— 126 —
geschlechtliche Potenz wegzaubern, Jemanden impotent machen";
dasselbe bedeutet auch lekotes = Niederbinden, ero lekotes = Kraft-
Niederbinden. Ungefthr 1877 ermordete ein Mann seine Gattin
und erklarte beim gerichtlichen VerhOr, er habe seine Frau deshalb
ermordet, weil sie ihm die Kraft, wahrend er geschlafen, mit einem
Haare niedergebunden habe; seither sei er impotent (Varga a. a. O.
S. 154). Es heisst nSmiich im magyarischen Volksglauben, dass,
wenn man einem schlafenden Manne urn den Priapus ein Weiber-
haar wickelt und in Knoten bindet, er seine Potenz fur immer
verliert. Megrontds wird auch auf Tiere angewendet, die ohne
Grund abmagern und hinsiechen; in manchen Gegenden aber wird
dieser Ausdruck „megrontas" auch bei syphilitischen Krankheiten
angewendet, indem man nicht an eine Ansteckung glaubt, sondern
der Meinung ist, Jemand wolle einem die Genitalien „verderben"
(megrontani) und habe diese Krankheit einem angezaubert (Varga
a. a. 0. S. 144).
Wir haben nur noch einen hiehergehorigen magyarischen Aus-
druck zu erwahnen, der von Wichtigkeit ist, indem er den dies-
beziiglichen Volksglauben in ein hohes Alter deutlich zuruckweist.
Es ist dies der Ausdruck babona = Aberglauben, der von bdb,
bdba = Puppe, Popanz, Fee, Hebamme abstammt. Der Regen-
bogen wird in einigen magyarischen Gegenden „Strauss der Fee
Baba" (Bdba tQnder bokrdja) genannt; vasorru bdba (eisennasige
Fee) heisst die base Fee , die den Menschen Unheil bereitet
(I poly i S. 404).
Wir gehen nun zu den magyarischen Volksarzneimitteln uber,
von denen wir hier nur die wichtigeren, nach Krankheiten geordnet,
geben. Diese Mittel stehen ja mit dem Volksglauben in enger
Verbindung; ihre Kenntnis entspringt weniger der klaren Sinnes-
anschauung, sondern mehr dem Instinkt. Viele dieser Volksarznei-
mittel der Magyaren kGnnen nur unter Beachtung gewisser For-
malitaten und bei Hersagen gewisser Formeln angewendet werden
und sind daher fur den Volksforscher von doppelter Wichtigkeit.
Gegen Augenweh macht man mit dem kleinen Finger ein
Kreuz auf das leidende Auge und spricht: „Im Namen des Vaters f
bei der Liebe des Sohnes f Der Segen des hi. Johannes breite sich
— 127 —
hierilber aus! Die Milch der gebenedeiten Jungfrau Maria wasche,
wasche, wasche ab dies Leid!" (Az atyanak neveben, fiunak
szerelmeben, Szent Jdnosnak dlddsa terjedjen red! Boldogsdgos
szUz Maria teje mossa le, mossa le, mossa le ezt a bajokat!)
Wasser, vor Sonnenaufgang am Ostertage geschGpft, ist ein
sehr wirksames Mittel gegen Augenkrankheit , die man auch so
vertreiben kann, wenn man eine Wachskerze in der Kirche wShrend
des Gottesdienstes brennen lasst, dann den Rest der Kerze mit
Milch und Safran aufkocht und damit lauwarme Umschlage auf
das kranke Auge macht (vgl Frischbier, Hexenspruch und Zauber-
bann S 32).
Gegen die sogenannte Gerste (drpa) am Auge mache man
mit dem kleinen Finger (nevetlen ujj = namenloser Finger) ein
Kreuz aufs Auge und spreche: „Gott Vater hat es erschaffen, Gott
Sohn hat es vernichtet, Gott hi. Geist hat es geheiligt. Mache es
vergehen Gott Vater! Mache es vergehen Gott Sohn! Mache es
vergehen die vollkommene hi. Dreifaltigkeit!" (Atya isten meg-
teremtette, fiu isten megsemmisitette, szentlelek ur isten megszentelte,
Oszlassa el az atya isten, oszlassa el a fiu isten I Oszlassa el a
teljes szenthdromsdg !) In manchen Gegenden berQhrt man dabei
mit einem Gerstenkorn das Auge und setzt ersteres dann in die Erde.
Gegen den Augenstaar hat man folgende Zauberformeln :
„Jesus von Nazareth, K5nig der Juden, der L5we aus Juda's
Stamme hat den Sieg errungen; fliehet feindliche Teile! Gelobt
sei der teuere heilige Name des Herren Jesus Christus, das schOne
reine, goldene Wasser des hi. Johannes. Anna machte sich auf
den Weg; ein Zweig schlug ihr ins Auge; nach dem Zweige (kam)
Blut; nach dem Blut Geschwulst; nach der Geschwulst Haut;
nach der Haut Finsternis. Im Paradies des Herren Jesus Christus
sind drei schGne Blumen; darunter sitzen drei Jungfrauen; die
eine wascht das Blut, die andere Gffnet die Geschwulst, die dritte
spaltet die Haut. Blut verschwinde urn das den Wunden Jesu
Christi entstrdmende Blut wegen; die Geschwulst schwinde der
fanf tiefen Wunden Jesus Christi willen; die Haut spake sich des
hi. Todes Jesu Christi willen; der sieben peinvollen Schmerzen der
gebenedeiten Jungfrau willen. Blut aufs Wasser! Finsternis auf
Kot! Licht aufs Auge! Das Blut, die Geschwulst, die Haut moge
so schwinden, so davoneilen, wie die gebenedeite Jungfrau auf den
— 128 —
Kalvarienberg eiltel Amen!" (Original bei Varga, S. 147). —
Eine andere Formel lautet: „Als Herr Jesus Christus auf Erden
wandelte, neigte er sich unter einen Dornenstrauch ; dieser stach
sein hi. Auge. Er ging zur gebenedeiten Jungfrau Maria. Meinen
heiligen Atem lasse ich auf dich (hier blast der Besprecher auf das
Auge). Dein Auge wird heilen. Amen/' (Orig. bei Varga, S. 147.)
— In Stidungarn sind folgende Formeln gegen Augenstaar ge-
brauchlich (s. die Zeitschrift d. ungar. ethn. Gesellschaft „Ethno-
graphia" I, 70): (Mit der rechten Hand streichelt der Besprecher
das Auge) „Ich glaube an einen Gott; Jesus, Maria, Joseph, in
eueren hi. Namen beginne ich dies Gebet zu eurer Ehre und eurem
Lob. Meinen Herrn Jesus Christus, als er auf der schwarzen Erde
wandelte, traf ein Tannenzweig ins hi. Auge; fragte die gebenedeite
Jungfrau Maria ihren hi. Sohn: Warum bist du triib und traurig?
Hat unser Herr Jesus Christus drei Blumen: die eine pfliicke ich
vom Blute, die andere von der Geschwulst, die dritte von der
Haut. Blut und Geschwulst, Haut berstet und springt von diesem
Auge." — Eine andere Formel aus SQdungarn lautet: „Als Jesus
in den Garten von Jerusalem ging, schlug sein Auge ein diirrer
Rebenzweig; ihm begegnete die gebenedeite Jungfrau Maria:
mein lieber, heiliger Sohn, was ist deinem hi. Auge widerfahren ?
Ein diirrer Rebenzweig traf es. mein lieber hi. Sohn, ich weiss
dafiir; ich gehe in den Garten von Jerusalem, pfliicke drei Blumen:
die rote vom Blute, die gelbe von der Geschwulst, die weisse von
der Haut. Wenn ich diese drei Blumen abgepflUckt habe, spalte
ich von deinem heiligen Auge die Haut ab." (Mikor elment a
Jezus a jeruzsalemi kertbe, megcsapta a szaraz szolloag a szemet;
elotalcilta a boldosagos szUz Maria: szerelmes szent fiam, mi
lelte a te szent szemedet? Megcsapta a szaraz sz5llo Ag. sze-
relmes szent fiam, tudok 6n arr61; elmegyek a jeruzsilemi kertbe..
szakitok hdrom virigot : a pirosat verr5l, a sargat termesrfll, a feh^ret
halyogr61. Mikor en ezt a hirom virigot leszakitottam, a te szent
szemedrGl a hdlyogat lehasitom.) —
Gegen den Ausschlag werden Kinder mit gestohlenem Mehl
bestreut und in einen, mit am Neujahrstage gestohlenen Holze ge-
heizten Backofen, wenn derselbe abgekiihlt ist, gesteckt, wahrend
man vor der Oeffnung des Backofens ins Innere desselben die
Formel dreimal hineinruft: „Gebenedeite Jungfrau Maria, nimm von
— 129 —
diesen Wunden so viele neunundneunzigmal, als wie viel Geld der
b6se Judas fur deinen hi. Sohn bekommen hat" (boldogsigos sztiz
Mdria vegy ezen sebekbal innyit el kilenczvenkilenczszer, mint a
hdny penzt a gonosz Judis szent fiad6rt kapott). — Bei beulen-
artigem Ausschlag bekreuzt die Besprecherin die kranke Kflrper-
stelle und spricht: „Rohrbett, Steinpolster, Dornenleintuch, Kasloser
Hirse Christi, und der Spruch Jesus: Verschwinde der Ausschlag"
(Kristusnak gyeken 4gya, k6 parn^ija, tUsk5s lepedoje, sajtalan k^saja,
Jezus mondisa: Muljon el a timadisa!) — Eine andere Zauber-
formel, wobei man die Beule dreimal mit dem Finger im Kreise
beruhrt, lautet: „Als Gott zur armen Frau hineinging, quSlte sie
sich (litt sie); er sprach: Steinpolster, Rohrbett, Gottes Wort" (mikor
isten a szegeny asszonyhoz bement, bajl6dott, azt mondja: Kflpirna,
kika igy, Isten szava). — Vor Sonnenaufgang soil man dreimal die
Beule bekreuzigen, dreimal den Finger an die Erde reiben und die
Formel sprechen: „Im Namen des Vaters, bei der Liebe des Sohnes,
Mache es vergehen, der, welcher es erschaffen hat" oder: „Gott
Vater, heile es, Gott Sohn, mach' es schwinden, Gott hi. Geist,
zerstreue es!" („Ethnographia" II., S. 37.) — Bei bflsartigem Aus-
schlag (pokolkelet oder pokolvar = Hflllengeschwulst) vergrabt
der Besprecher drei Haare des Kranken unter die Dachtraufe, be-
rUhrt mit einem Knoblauchknollen die Wunden und spricht dann
ein Vaterunser; bei der Stelle „und auf Erden" lasst er den Knob-
lauch auf die Erde fallen und vergrabt ihn dann (Varga, S. 147).
In SQdungarn schneidet der Besprecher neun StQckchen Brot,
bekreuzt die Wunde und spricht: „Als unser Herrgott auf Erden
wandelte, fand er fromme Manner, jahzornige Frauen, Schilfbett,
kaslosen Hirse. Dies Leid dieser Maid soil so ihrem Leibe nicht
schaden, wie eben Christus auf dem Steinbett nicht verweilen
konnte"; nun betet er den „Engelsgruss" neunmal und legt die
Brotstiicke im Kreise urn die Wunde herum („Ethnographia" II. 69).
— Die besprechende Person umkreist dreimal mit ihrem kleinen
Finger die Wunde und spricht: „lch umzingele dich im Namen
des Vaters, des Sohnes und hi. Geistes! (dann greift sie die Wunde
mit ihren fiinf Fingern an und sagt:) Ich fasse dich mit meinen
fQnf Fingern! Der Vater breche dich, der Sohn zertrUmmere dich,
die vollkommene Dreieinigkeit zerstreue dich! (Dann bekreuzt sie
die Wunde.) Ich taufe dich im Namen des Vaters u. s. w., sowie
9
— 130 —
Christum, den der hi. Johannes im Jordan getauft hat'* („Ethno-
graphia" II, 69). Bei hirseahnlichem Ausschlag (sUh), den man dem
magyarischen Volksglauben gemass bekommt, wenn man in die
Stelle tritt, wo ein Ross sich gewalzt oder eine feile Dime gewBssert
hat (s. „Am Urquell", herausg. von F. S. Krauss, III.: „Katzen-
sporn"), sagt die besprechende Person in einem Atemzuge dreimal
die Formel: „Rohrbett, Steinpolster, zornige Frau, nachgiebiger
Mann, Stih, 77facher Sah, fahr' hinweg sowie er (der Kranke)
vordem war! Heilige Engel der Heiligen, reinigt sie so weg, wie
er frtther war!" — oder die Person „tauft" den Ausschlag im
Namen des Vaters u. s. w. und sagt: „Der Vater zerstore dich f,
der Sohn zerteile dich f, der hi. Geist vernichte nicht f- 77facher
Suh kam aus der Erde (d. h. von der oben erwahnten Stelle), geht
in die Erde" („Amen" darf man nicht sagen). Eine andere Formel
lautet: „Mein Herr Jesus Christus, ich sage in deinem hi. Namen:
Kurbiss-Suh, Eichel-Suh, Haut-Siih, 77erlei unbarmherziger Suh!
ich taufe dich im Namen Jesu Christi, Gott Vater erschaffe f,
Gott Sohn hasse f! In deinem ganzen Leibe der Suh und die
Gicht nicht bleibe! Mit seinem hi. Blute, mit seinem Tode, mit
dem Klang der himmlischen Glocken, mit der Jungferschaft der
Jungfrau Margareth, mit dem goldenen Ring des hi. Taufers Johannes
(vertreibe er dich), Amen f 1 1" („Ethnogr." II., 70.)
Gegen das Beschreien. Mit einem Messer, dessen Spitze
abgebrochen ist, soil man unter den Herd ein Kreuz in den Erd-
boden zeichnen und auf dies Kreuz einen Becher mit Wasser stellen,
in den man ftinf gliihende Kohlen geworfen hat. Dann bekreuze
man den Becher und bestreiche mit dem ins Wasser getauchten
kleinen Finger die Stirne des Beschrieenen. Hierauf spritze man
drei Tropfen Wasser auf die Erde und spreche: ,,Ich werfe es auf
das griine Auge, auf das blaue Auge, von Fels zu Fels, von wilder
Maid auf wilde Maid (Feen); es soil vergehen" (vetem z5ld szemre,
kek szemre, koszikldr61 kOsziklara, vad leanyr61 vad leanyra; muljek
el!) Dann befeuchte man abermals mit dem ins Wasser vorher ein-
getauchten kleinen Finger die Stirne des Beschrieenen (vgl. ,,Ethno-
graphia" II., 360). Dies Verfahren nennt man Wasserwerfen
(vizet vetni). Ein anderes Verfahren ist das folgende: Man macht
das Zeichen des Kreuzes, stellt darauf einen Becher voll Wasser,
in das man eine in drei Teile gebrochene, gliihende Kohle wirft,
— 131 —
indem man spricht: „Blaues Auge, schwarzes Auge, Mit Hand und
Wasser wasche ich es ab. Wenn ein Mann dich beschrieen, platze
seine Hode; wenn ein Weib, mogen platzen ihreBruste" (Kek szem,
fekete szem. Kezzel, vizzel lemosom. Hogy ha ferfi igezet van,
hasadjon meg a take; ha asszonyember, akkor hasadjon meg a csicse.)
Dann wascht man den Kranken mit dem Wasser, dessen Rest man
auf das Hausdach oder auf einen Hund giesst, denn wer auf die
Stelle tritt, wohin man dies Wasser giesst, der bekommt einen
Hautausschlag. Wenn beim „Wasserwerfen" zwei Kohlen zu Boden
sinken, so hat ein Mann die Person oder das Tier beschrieen;
sinkt nur eine hinab, so that es ein Weib (Kozma a. a. 0., S. 35)*
— Ein anderes Mittel ist das folgende: Man nimmt einen Becher
voll frischen Wassers und lasst durch ein Sieb das Eiweiss eines
Eies in das Wasser rinnen. Nimmt das Eiweiss im Wasser eine
„kittelf5rmige" (szoknyis) Gestalt an, so hat die Person oder das
Tier ein Weib berufen; hat das Eiweiss zwei Zipfel, nimmt es eine
„hosenahnliche" Gestalt an, so ist ein Mann der Berufer. Die
Person oder das Tier wird nun mit dem Eiweiss und Wasser ge-
waschen (Ethnographia II., 301). — In Siidungarn spricht man gegen
das Beschreien die Formel: „0, mein sUsser Jesus, mit deinem
heiligen Munde hauche drauf. Der kleine Jesus machte sich auf
den Weg, traf eine Jiidin an, die machte ihm ein Lager: Rohrbett,
Steinpolster. Jesus konnte auf dem Steinpolster nicht ruhen, auch
dies Leiden soil nicht ruhen, auch hier nicht bleiben kGnnen; —
dies ist Jesus Wort" (Ethnographia II., 35). —
Gegen Bauchweh gebrauchen die Heilkiinstlerinnen der
Szekler folgende Mittel: 1. In die Nabeloffnung werden einige
Tropfen Essig gegossen und Uber den Nabel dann eine Binde ge-
wunden. 2. Ein kalter Brei aus Maismehl wird auf den Bauch
gelegt. 3. Ein Zwiebel wird auf 7 Teile geschnitten, gebraten, in
Essig getaucht und auf den Bauch gebunden. In dem Jahre hat
man dann keine Bauchschmerzen mehr (Ethnogr. II., 361).
Blasen auf der Zunge entstehen, wenn Jemand der be-
betreffenden Person Obles nachredet. Urn sie zu vertreiben, speie
man aus und stecke durch den Speichel # hindurch eine Nadel in
die Erde; dadurch treibt man die Blasen von sich auf den Be-
schander (vgl. Frischbier a. a. 0., S. 36).
Bei heftigen Blutungen (Blutsturz u. s. w.) sind im Kalota-
9*
— 132 —
szeger Bezirk folgende Formeln Oblich: „Blut werde zu Wasser;
Wasser werde zu Rauch; Rauch werde zu Wolken; Wolke werde
zu Wasser; so wollen es Christi heilige Wunden haben" (V6r vdlj
vfzz6; vfz vdlj fQstte; fast vilj fellegg6; felleg v&l] vfzz6; igy akarjdk
Krisztus urunk szent sebei). Dabei wird auf blutende Wunden in
Essig getauchtes Spinngewebe gelegt. — Eine andere Formel, die
man bei Blutungen der Wochnerinnen anwendet, lautet: ,,Sowie
der hi. Geist in die Jungfrau Maria ging und rein herauskam, so
sollst du Blut rein bleiben und stille stehen im Namen des
hi. Geistes. Far dich floss genug Blut aus den hi. Wunden unseres
ErlOsers. Amen." (A mint a szent lelek szuz Mdrteba mene 6s
tisztan kijflve, ugy te is ver tisztin maradj 6s megallj a szent lelek
neveben. firetted is eleg v6r folyt megv£lt6nk szent sebeib&l.) Mit
diesen Worten wird ein Lappen auf den kranken KOrperteil gelegt.
Der Lappen wird vorher in ein Dekokt von Eichenrinde und Wein
eingetaucht. — Eine andere Formel gegen Blutungen lautet: „Drei
Fraulein sitzen am Bache ; die eine heisst Blut, die andere Wasser,
die dritte Feuer. Kam da die Jungfrau Maria und sprach : Weichet
von hier und gehet in den Rauchfang der Teufel! Weiche Blut
im Namen der hi. Maria, gehe zu den 3 Fraulein, damit sie dich
dflrren!" (Hirom kisasszony ul a patak mellett; azegyikneve: v6r,
a masike viz, a harmadike tiiz. Jove a szOz Maria es monda:
Menjetek innen 6s szilljatok az Orddg kemencz6j6be ! Menj innen
ver a szentseges Mdria nevebe, menj a hdrom kisasszonyhoz, hogy
aszaljanak meg!) —
Gegen den Bruch spricht man im Kalotaszeger Bezirk
folgende Formel, wobei man den Bruch mit der Hand angreift und
den abnehmenden Mond anblickt: „Was ich angreife wachst; was
ich sehe nimmt ab; was ich angreife soil abnehmen; was ich sehe,
soil zunehmen im Namen Gottes" (a mit tapogatok, n5; a mit tetok,
fogy; a mit tapogatok, fogyjon; a mit ldtok, n5jen isten nev6ben),
dabei wird ein warmer Kuchen aus Leinsamen auf den Bruch gelegt.
Bei wunden Brasten der WCchnerin wird Schmalz und
Wachs mit Hollunderrinde gemischt, aufgelegt und die Formel
gesagt: , f Starke Frau, nachgiebiger Mann, Jesus Christi Rohrbett,
Steinpolster, dies ist das beste Heilmittel der wunden Brust"
(Ethnogr. II., }6).
Hat Jemand die Epilepsie (ny a valy a-t6r 6s) , so soil man die
— 133 —
Stelle, wohin er hinfSllt, aufgraben, 9 Kohlen zerstossen und diese
dem Kranken eingeben (Ethnogr. II., 362); oder man zerreisst das
Hemd des Kranken in zwei Teile, von denen man den einen Teil
auf einem Kreuzweg vergrabt, den anderen aber in einen Fluss an
der Stelle in das Wasser wirft, wo ein Bach in den Fluss miindet;
dabei spricht der Besprecher in Sadungarn die Formel: „Als unser
Herr Christus auf den Kalvarienberg ging, fiel er mit dem Kreuze
auf die Erde und die bttsen Juden gaben ihm kein Wasser. Epi-
lepsia, ich gebe dir Erde zur Rast, ich gebe dir Wasser zur Er-
quickung und befehle dir im Namen unseres Erasers, dass du zu
dem Volke gehest, das unseren Heiland get5tet hat" (Mikor Krisztus
urunk a Kalvariara ment, a kereszttel leesett a fflldre es a gonosz
zsid6k nem adtak neki vizet. Nyavalyatttres , adok neked foldet
megpihenesre, adok neked vizet udulesre es parancsolom neked
megvilt6nk nev6ben, hogy azon nephez eredj, ki megfllte Qdv5zi-
tftnket). Gut ist es, wenn man den Kranken, wenn er zusammen-
bricht, mit dem Urin eines Juden begiesst. Es heisst namlich im
Volksglauben einiger Gegenden Ungarns, dass ursprQnglich die
Epilepsie.aus den Schweisstropfen Christi auf dem Kalvarienberge
entstanden sei. Wer auf diese Schweisstropfen trat, bekam die
Epilepsie. Die Juden zaubern sie nun auch anderen Leuten an und
man k5nne sie auf oben beschriebene Weise wieder zurtickzaubern.
Das Fie be r hat neunundneunzig Arten und 99 Heilmittel,
meinen die Szekler. Von der Unzahl dieser Heilmittel erwahnen
wir hier nur folgende: Man soil 9 Blatter von 9 Hahnenfussblumen
mit 9 Kornchen Salz mischen und auf den linken kleinen Finger
aufbinden; wenn auf demselben Blasen entstehen, weicht das Fieber.
Man soil aus Lappen 3 Popanze machen und auf den Punkt des
Weges legen, wo derselbe sich nach 3 Richtungen spaltet, und die
Worte sprechen : „So sollt ihr das Fieber von mir wegtragen, dass
ich es nimmer wiedersehe 1" oder: „Dann beutele mich, du Fieber,
wenn ich diese 3 Puppen aufhebe." Der bekommt das Fieber, der
eine der Puppen aufhebt. Man setzt den Kranken unter den Herd
und begiesst ihn unverhofft mit Wasser; das Fieber erschrickt und
entweicht (Ethnogr. II. 360). — Ein anderes, allgemein verbreitetes
Mittel ist das folgende: Der Kranke geht vor Sonnenaufgang zu
einem Hollunderstrauch, schneidet von einem Stamm der nur
3 Aeste hat, einen ab und wirft ihn mit den Worten in ein flies-
— 134 —
sendes Wasser: „Dann soil mich das Fieber beutelen, wenn ich
diesen Holunder wiedersehe." Oder man schreibt auf fiinf Zettel
folgende Formel: „N. N. aus dem Dorfe N. geboren am (i. Januar
1850) hat das drittagige Fieber. Hiemit ermahne ich dich, dass du
ihn binnen 8 Tagen verlasst, sonst binde ich dich, dtirre ich dich,
werfe dich in den Ofen, verbrenne dich und streue dich in den
Wind." Jeden Tag nimmt der Kranke in der FrUhe einen dieser
5 Zettel und wirft ihn hinter den Ofen; am achten Tage werden
alle Zettel verbrannt (Kozma a. a. 0. S. 36) Ueber das „Aus-
schreien" des Fiebers s. I. Abschnitt S. 1 1 — Hat ein Kind das
Fieber, so lauft die Mutter zeitig in der Friihe dreimal nackt urn
das Haus und ruft: „Nachtfrauen, Nachtherren, tragt das Fieber
von meinem Kinde fort!" (Ethnogr. II., 359). — Der Fieberkranke
bohrt in einen ausgetrockneten, diirren Baum ein Loch, haucht
dreimal in dasselbe und spricht: ,,Wenn dieser Baum wieder griin
wird, dann komme Fieber, zu mir!'' (Ha ez a fa ismet zoldtil,
akkor gyere hidegleles, hozzdm.)
Gegen Flechten hilft der Saft aus dem Rohre einer
Tabakspfeife oder man wischt sie mit dem Schwanz einer Katze
ab und spricht: „Kriech' auf der Katze Schwanz, von der Katze
Schwanz in den A der Maus, aus dem A. der Maus in die Erde
und kehre nimmer wieder" (Bujj a macska farkaba, a macska farkab61
az eger seggebe, az eger seggebal a fGldbe es ne terj vissza soha). —
Gegen geschwollene Fa ss e legt man einen aufgeschlitzten
Frosch auf den kranken KOrperteil. Urn Mitternacht vergrabt man
den Frosch auf einem Kreuzweg oder wirft ihn nach Sonnenunter-
gang auf den Friedhof und spricht: „Wer hier liegt, kann nicht
gehen, ich will gehen! Schmerz meines Fusses, geh' zu dem, der
nie mehr zu gehen braucht" (ki itt fekszik, nem tud jdrni, en jarni
akarok! Labam fajdalma, menj ahoz, kinek nem kell tobbe jarnia!).
Die Gelbsucht bekommt man, wenn man von draussen
durch das Fenster hindurch einen Toten erblickt, oder wenn man
auf die noch feuchte Stelle tritt, wohin man das Badwasser eines
Toten gegossen hat (Varga, S. 144). Gegen die Gelbsucht nehme
der Leidende vom Haupte eines Menschen, der denselben Tauf-
namen wie er hat, neun Lause, brate sie in einem Apfel und ver-
zehre sie. Vom Kote dieses Menschen nehme er ein StUckchen
und lege es an Stelle des Dotters eines hartgesottenen Eies. Dies
— 135 —
Ei lege er heimlich unter das Altartuch, damit der Priester drei
Messen darUber lese, dann trage er dies Ei neun Tage lang bei
sich (Varga, S. 142). — DerKranke hohlt eine grosse Gelbmohre
aus, uriniert in dieselbe und hSngt sie samt ihrem Inhalt in den
Rauchfang auf, oder er giesst nur reines Wasser in die trichter-
farmig ausgehahlte Gelbmohre, hangt sie in den Rauchfang und
trinkt am nachsten Tage das Wasser. Dies wiederholt er neun
Tage hindurch und badet dabei in einem Wasser, in welchem
wohlriechende Krauter (Balsaminen, Wermut) gekocht wurden (vgl.
Ethnographia II., 361). — Man geht vor Sonnenaufgang zu einem
Baume, bohrt ein Loch in denselben und steckt in dies Loch seinen
Kot, indem man spricht: „Drei Fraulein gingen spazieren; die eine
war gelb, die andere weiss, die dritte rot; die gelbe stieg auf die
weisse, die weisse stieg auf die rote; nun sollen alle drei zum
griinen Vater gehen" (Harom kisasszony elmene setalni; az egyik
sarga volt, a masik feher, a harmadik veres; a sarga a feherre
hagott, a feher a veresre; most menjenek mindharman a ztild
apjukhoz). — Oder man sagt: „Gelb ging spazieren, begegnete dem
Roten, wollte den Roten ermorden; kam da der GrUne und er-
schlug den Gelben im Namen des Roten" (Sdrga elment setalni,
talalkozott a veressel, meg akarta olni a vereset; de j5ve a z5ld
es agyonverte a Sargat a veres neveben). —
Gegen die Gicht bekreuzt der Besprecher den leidenden
Korperteil, spricht ohne „Amen" drei Vaterunser, bestreut den
Kflrperteil mit feingestossenem Salz und verbindet ihn mit einem
frischen Hasenfell, wobei er spricht: „Der Vater erschaffe, der
Sohn hasse, der hi. Geist reinige, damit kein Schmerz in deinem
Leibe verweile. (Az atya teremtsen, a fiu gyiildljen, a szent lelek
tisztitson, hogy semmi fajdalom testedben ne idezzen). — Eine
andere Formel aus dem Kalotaszeger Bezirk lautet: „Drei schwarze
Frauen gingen Uber den Bach und pisten mit dem Hirsch ins
Wasser. Wasser, reinige dich, Krankheit, enteile dem Leibe, geh'
zu den schwarzen Frauen, damit sie dich saugen, denn jetzt bist
du schwacher als Luthers (?) Wille, als des heiligen Mannes Kraft.
Amen" (Harom fekete asszony a patakon £tmene es a szarvassal
a vizbe piselt. Viz tisztulj, korsag szaladj a testbol, eredj a fekete
asszonyokhoz, hogy szoptassanak , mert most gyengebb vagy mint
Luker akarata, mint a szent ember ereje. Amen). Die schwarzen
— 136 —
Frauen entsprechen der deutschen Mar und qualen die Menschen
im Schlafe (s. I. Abschnitt S. 1 1). Wenn sie in ein Wasser uriniren
und der Mensch sich mit diesem Wasser wSscht, so bekommt er
die Gicht; im August soil man nicht im Freien baden, denn der
Hirsch pist in diesem Monat ins Wasser und man bekommt die
Gicht. Im Originaltext steht zwar „Luker", ich glaube aber, es
ist darunter wohl „Luther" gemeint, besonders da „des hi. Mannes
Kraft" erwahnt ist. Die Bewohner des Kalotaszeger Bezirkes sind
mit Ausnahme zweier Ortschaften Anhanger der Lehre Kalvins. —
Ein anderes Mittel ist das folgende: Man weicht Pferdemist in
Salzwasser ein, dem man beim Kochen etwas Tannen- oder Fichten-
nadeln beimischt und legt das Ganze auf den leidenden Karperteil
aber Nacht auf. Vor Sonnenaufgang vergrabt man den Verband
unter einen Baum und spricht (vgl. Frischbier a. a. 0., S. 64):
„Ich habe die Gicht, die plaget mich; wenn nicht 77mal, so doch
66mal; wenn nicht 66mal, so doch 5 5mal; wenn nicht 55mal, so
doch 44mal; wenn nicht 44mal, so doch 3 3mal; wenn nicht J3mal,
so doch 2 2mal; wenn nicht 2 2mal, so doch iimal; wenn nicht
1 1 mal, so doch einmal ; im Namen Gottes keinmal" (Kazvenyem
van, az gy5t6r engem ; ha nem hetvenhetszer, ugy legaldbb hatvan-
hatszor; ha nem hatvanhatszor, ugy legaldbb 6tven6tsz5r; ha nem
6tven5tsz5r, ugy legalibb negyvennegyszer ; ha nem negyvennegyszer,
ugy legal£bb harminczharomszor; ha nem harminczhiromszor, ugy
legalabb huszonketszer; ha nem huszonketszer, ugy legalibb tizen-
egyszer; ha nem tizenegyser, ugy legaldbb egyszer; isten neveben
egyszer sem). — Diese Mittel werden auch bei rheumatischen
Schmerzen und „Gliederreissen" angewendet. —
Gegen Herzklopfen, Herzspannung, die dem magyarischen
Volksglauben gemass dadurch entstehen, dass „sich ein Tropfen
Blut aufs Herz herablasst" (egy csepp ver ereszkedik a szivre), geht
der Leidende vor Sonnenaufgang zu einem Baum, bohrt ein Loch
in denselben und schlagt einen Span in dasselbe. Mit dem hervor-
ragenden Ende des Spanes berUhrt er die Herzgegend und spricht:
„Meines Herzens Klopfen nimm zu dir, sonst wird dich das Beil
klopfen" (szivem kopog£s£t vedd magadhoz, hanem a fejsze kopogtat
rajtad). — Dieser Blutstropfen lSsst sich auf das Herz, wenn man
sich „bewusst oder unbewusst" erschreckt hat. Ein anderes Mittel
dagegen ist daher folgendes : Man legt auf den Riicken des Kranken
— 137 —
eine Schiissel mit Wasser, in das man geschmolzenes Blei giesst,
wobei man sagt: ,,Mein Gott nimm den Schrecken aus seinem
Herzen!" Dies wiederholt man fanf- bis neunmal. Aus der Gestalt
des Bleies in der SchQssel schliesst man, ob ein Mensch, ein Tier
ein Vogel u. s. w. den Schrecken und das Herzklopfen verursacht
habe. Nun giesst man das Wasser auf das betreffende Tier, be-
ziehungsweise auf einen Menschen, indem man dabei murmelt:
„Dies ist nicht dein, dies gehOrt einem anderen" (Kozma, S. 35).
Gegen Halsweh (bei Kindern: torokgyfk = Kehleneidechse
genannt) soil man den Hals mit einer vor dem Georgstag gefangenen
Eidechse streicheln (Varga, S. 149). — Oder man sagt: „Mutter
Erde, meine Kehle schmerzt, dir klage ich es, heile du sie; sie
schmerzt schon nicht mehr!" Nun bekreuzt man die Kehle, schlagt
mit einer Axt auf die Erde und kiisst dann den Herd oder reibt
ein Tuch an den Herd und umwickelt damit den Hals. (Ethno-
graphia II., }6). —
Hodenanschwellung wird durch Auflegen eines Lein-
samenbreies und Trinken von SteinGl geheilt. Oder man lasst den
kranken KGrperteil von einem Hunde lecken und spricht dabei
dreimal: „Der hi. Geist ging in die Jungfrau Maria und kam heil
heraus; hi. Geist nimm das Ueble von mir!" (A szent lelek sztlz
Mariaba mene es epen kijGve; szent lelek, vedd r61am a roszat).
Den Brei samt dem Lappen, auf den man ihn geschmiert hat,
hangt man vor Sonnenaufgang an einen Baum (Uber die sogenannten
Lappenbaume vgl. R. Andree, Ethnogr. Parallelen u. Vergl., S. 58;
K. Nyrop ,,Dania" 1, 2 ff.) —
Impotenz kann dadurch entstehen, dass man „die Kraft
bindet" (erot lekotni), indem man — wie eingangs erwahnt wurde
— dem Schlafenden urn dieGenitalien ein Haar wickelt oder seinen
Urin auf das Grab giesst, indem man dabei spricht: „Ich gebe dir
das, was du nicht brauchst; ich nehme ihm das, was er nicht haben
soil" (azt adorn neked, a mi neked nem kell; azt veszem t5le, a
mi neki ne legyen). Canthariden, HanfsamenblQten, Hasenhoden
in Eselsmilch gekocht, soil man jeden Freitag vor Sonnenaufgang
trinken und sprechen: ,,Herr Freitag ging in den Wald und traf
dort die Frau Samstag. Er sprach: Lass' dich umarmen! Frau
Samstag stiess ihn von sich und sprach: Diirrer Ast bist du, wenn
du wieder grQnst, komme zu mir! . . . Gib mir die Kraft, Ast; ich
— 138 —
gebe dir die meine" (P6ntek lir az erdGbe mene 6s ott taldlta
Szombat asszonyt. Mondd: Hadd Gleljelek meg! Szombat asszony
magat61 ellakte, mondd: Szaraz dg vagy; ha ismet zftldttlsz, gyere
hozzdml . . . Ag, adj nekem er5t; neked adorn az enyemet). Dies
hat man jeden Tag zu sprechen und dabei sein Wasser an einen
Baum abzuschlagen. —
Kinderkrankheiten. Man soil uber ein Kind nicht hintiber-
treten, sonst wachst es nicht; ist dies schon geschehen, so trete
man dreimal uber das Kind zurUck. Das kleine Kind soil man
nicht alt nennen (z. B. es ist 2 Tage alt), denn an dem Tage wachst
es nicht. Wenn das Kind im neunten Monat zu sprechen beginnt,
soil man nicht gleich zu ihm sprechen, sonst wird es nicht lange
leben. Man sorge, dass ein Kind, das noch keine Zahne hat, den
Mond nicht sehe, denn es wird krank. Hat es ihn aber schon ge-
sehen und ist es krank geworden, so muss die Hebamme zeitig in
der Fruhe nackt um das Haus herum laufen und ein Beil in die
vier Ecken des GebSudes einschlagen. Oder man wickelt neun ,,tote"
Kohlen in einen Lappen, legt ihn auf die ThUrschwelle und schlagt
darauf mit einer Axt, legt den Lappen samt den Kohlenstaub in
Wasser und gibt dies dem Kinde zu trinken. Wenn man an einen
Ort geht, wo sich ein noch nicht 6 Wochen altes Kind befindet,
so muss man etwas dort lassen, sonst tragt man den Schlaf des
Kindes mit sich fort. Wenn das Kind bei seiner Geburt einen
haarigen Leib hat, so legt man auf die vier Ecken des Badwannen-
randes Asche und wirft ins Badwasser drei Kartoffeln, die man
nach dem Bade des Kindes hinter den Ofen wirft. Wenn die
Kartoffeln vertrocknen, so schwinden die Haare vom Leibe des
Kindes. Wenn eine schwangere Frau Gevatterin wird, so kommt
ihr Kind tot zur Welt. Ist ein Kind gefahrlich krank, so nimmt
es seine Patin in den Schoss, damit es leichter ersterbe (Ethnogr. II.
360). Lernt ein Kind schwer gehen, so klopft man ihm an drei
Freitagen die Fusssohlen und ruft: „Heute ist Freitag, morgen ist
Samstag, laufe Sonntag" (Ethn. II. 36) Leidet das Kind an Schlaf-
losigkeit, so stehle man unter einer schlafenden Sau, ohne dass sie
es merkt, aus dem Schweinestall eine Handvoll Stroh weg und lege
dies ins Bettdes Kindes. Weint das Kind beim Baden, so ist dies ein
Zeichen, dass die Mutter wahrend ihrer Schwangerschaft einen Hund
oder eine Katze mit dem Fusse gestossen hat. Man legt daher wShrend
— 139 —
dem Baden des Kindes auf die vier Randecken der Badwanne etwas
Asche; nach dem Bade nimmt man die Asche kreuzweise herab
und zwar von der oberen rechten und unteren Iinken, dann von
der unteren rechten und oberen Iinken Ecke; nun wirft man die
Asche ins Badwasser, seiht dies durch einen Lappen und wirft
diesen auf einen Hund und auf eine Katze (Ethn. II. 301).
Gegen Kopfschmerzen verbinde man den Kopf mit einem
in Essig getauchten Lappen, den man am nachsten Morgen vor
Sonnenaufgang an einen Baum hangt und dabei die Worte spricht:
„Petrus sprach: Mein Kopf thut mir weh! Jesus sprach: Er thut dir
nicht mehr weh!" (P6ter mondd: A fejem fdj! Jezus monda: Nem
f£j tobbe!) Vgl. Frischbier a. a. 0. S. 73; Andree a. a. 0. S. 58.
Gegen Krampfe legt man auf den Rucken des Leidenden
zwei Fensterflagel kreuzweise ubereinander und rauchert ihn mit
Federn (vgl. Varga a. a. 0. S. 149), wobei man spricht: ,, Warmer
kftnnen nicht fliegen; ich gebe ihnen nun Flugel; sie mogen fliegen
ins Freie, in den Leib der Bosen, im Namen der hi Margareth"
(Nyiivek nem tudnak repiilni, adok nekik hat szirnyat; repiiljenek
a szent Margit neveben). KrSmpfe entstehen dem magyarischen
Volksglauben gemass durch die Bewegungen der Warmer, welche
von bOsen Menschen in den Leib der Leidenden hineingezaubert
werden. Im Volksglauben heisst es ferner, bis zum Margarethentage
seien wenig Fliegen vorhanden ; an diesem Tage 'aber ziehe die
hi. Margareth herum und lasse aus ihrer Schurze die Fliegen in
die Wohnungen der Menschen fliegen; deshalb soil man an diesem
Tage die Tharen nicht offen halten (s. Ethnol. Mitteil. aus Ung.,
herausg. von A. Herrmann und L. Katona, II. Jahrg. S. 7). —
Gegen die Kratzen wird der Kranke mit frischer Butter,
der Schwefel beigemengt ist, eingerieben und muss in einen gelinde
geheizten Backofen hineinkriechen (Varga S. 149). Im Kalotaszeger
Bezirk wird der Kranke dann gebadet und das Badwasser vor Sonnen-
aufgang auf den Friedhof gegossen, wobei man spricht: ,,Kratze
geh' zu den Toten, von den Toten in den Fluss, aus dem Fluss
auf die Berge, von den Bergen in die Wolken, von den Wolken
in den Blitz, damit du verreckst" (Ruh menj a holtakhoz, a holtakt61
a foly6ba, a foly6b61 a hegyekre, a hegyekrGl a fellegbe, a fellegbal
a villamba, hogy d5g6lj meg). In Sudungarn kocht man ein Toten-
bein im Badewasser und vergrabt es dann. —
— 140 —
Gegen wehe Mundwinkel wischt man die Wunden mit
dem Schwanz einer Katze und verbrennt einige Haare derselben,
indem man spricht: „Die Katze soil es forttragen, sie soil es zum
Herrn Freitag tragen; dieser gebe es den schdnen Frauen"
(A macska vigye el, vigye pentek lirhoz; ez adja a sz6p asszonyoknak).
Dies nimmt man an einem Freitag vor. Die „sch6nen Frauen' 1
(sz£p asszonyok) heissen die bflsen Feen, ebenso auch die Hexen.
Es heisst, wer am Freitag reine LeibwSsche anzieht, dem machen
die „sch5nen Frauen" den Mund schief oder wund (Ethnogr. II. $68).
Bei Nasenbluten umwickelt man den linken kleinen Finger
der betreffenden Person mit einem Zwirnfaden und giesst Wasser
in ihr Genick, wobei man spricht: „Christus geboren ist, gekreuzigt
worden ist wegen uns! Nicht verlang (mein) Blut, base Seele
= Teufel!" (Krisztus megszttletett ; keresztre feszittetett 6rettQnk!
Ne kerd a vert, gonosz lelek). Oder man lasst das Blut auf gliihende
Kohlen rinnen und spricht: „Blut, ich beschwflre dich bei den
hi. Wunden Christi, dass du stille stehest und von mir nicht weichest"
(ver, en kenyszeritelek Krisztus urunk szent sebein^l, hogy megdllj
es tolem ne szaladj). Dasselbe thut man bei ilbermassiger Men-
struation. —
Gegen Ohrenschmerzen und Ohrenrinnen soil man die
Erde von einem Maulwurfshugel mit gewarmtem Essig begiessen
und damit Umschlage auf das Ohr machen; oder mit einem Sarg-
nagel das Ohr stochern; oder man lege sich mit dem Kopfe auf
die Thiirschwelle (mit den Filssen gegen die Stube zu) und lasse
sich von seiner Taufmutter seinen eigenen Urin in das Ohr giessen
(Ethnogr. II. 361). Bei der Anwendung dieser allgemein verbrei-
teten Mittel pflegt man in einigen Gegenden die Formel zu sagen:
,, Jesus stieg auf den Berg und da kam der Teufel und blies ihm
ins Ohr. Jesus sprach: Weiche von mir unter die Erde! Ohren-
schmerz folge ihm nach!" (J6sus a hegyre mene 6s j5tt az 5rd5g
6s falibe futt. Jfeusmondi: Eredj a fold al&! Fulfils kOvesd 5t!)
Gut ist es, mit dem Span eines blitzgetroffenen Baumes im Ohr
zu stochern und den Span beim Gewitter zu verbrennen; ein Mittel,
das auch bei Taubheit angewendet wird. —
Damit die Pocken oder „schwarzen" Blattern keine Narben
hinterlassen, so legt man wahrend der Krankheit einen mit Milch-
rahm oder frischer Butter bestrichenen Lappen auf das Antlitz des
— 141 —
Kranken. Der Lappen wird jeden Tag durch einen neuen ersetzt;
der alte aber mit den Worten auf das Hausdach oder auf einen
Baum geworfen: „Nimm und stopfe damit deine Fussspur zu"
(vedd es dugd be vele libad nyomit). —
Gegen Rotlauf (Szent Antal tQze = Feuer des hi. Anton)
l2sst man "sich von Jemandem, der Anton heisst, mit Stahl und
Feuerstein neun Funken auf die betreffende Korperstelle schlagen,
wobei der Anton fortwahrend schreien muss: „Heiliger Anton,
wenn du Feuer brauchst, so gebe ich dir" (vgl. Varga a. a. 0. S. 149).
Gegen die Ruhr trinke man jeden Morgen Branntwein,
in den man Ziegelstaub gemischt hat (Ethnogr. II. 403). Ein anderes
Mittel ist das folgende: Man gibt dem Kranken Dachsfett mit
Eichenrindenstaub und Wein gemischt zu trinken und giesst seinen
jeweiligen Auswurf auf einen Rosenstrauch mit den Worten: „Rot
bist du Rose, rot ist mein Blut; es bluht mein Blut, ich brauche
es nicht; ich gebe es dir im Namen der schOnen Frauen, damit
du mehr BlQten habest" (V6r5s vagy r6sza, v5r5s a verem is; nyilik
a v6rem, nem kell nekem; neked adorn a sz6p asszonyok nev6ben,
hogy tabb virigid legyenek). Ueber „sch5ne Frauen" s. S. 140. —
Bei allgemeinen Seuchen (Pest, Cholera) soil man ein
Stuck Iltisfell bei sich tragen und man wird vor der Epidemie
gefeit bleiben. Da ruber erzahlt man sich im Kalotaszeger Bezirk
folgendes: „Als einmal eine grosse Pest in unserer Gegend herrschte,
flehten die Leute zu Gott, er m5ge sie am Leben erhalten, denn
sie warden von nun an ein gottesfOrchtiges Leben fQhren. Da kam
eine schwarze Frau in die Gegend und sprach zu den Leuten:
Ich will euch alle schonen und am Leben lassen, die kliiger sind
als ich. Wenn unter euch Jemand ist, der mich so etwas fragen
kann, worauf ich eine Antwort zu geben nicht imstande bin, so
will ich euch verlassen!" Die Leute versuchten ihr Gltick, aber
die alte schwarze Frau hatte auf jede Frage eine passende Antwort.
Da kam einmal ein Bursche zu ihr und sprach : „Sag mir, was ist
das : auf G stehe ich, auf G sitze ich, G ist fiber mir, G ist unter
mir und G geht durch meine Kehle?" (im Magyarischen heisst die
Kehle = g6ge). Die Schwarze konnte es nicht erraten und zog
von dannen. Der Bursche hatte sich namlich als Lappen Iltisfelle
urn die Fosse gewickelt und dariiber die Stiefel angezogen, ferner
einen Hosenboden aus solchem Fell gemacht und inwendig auch
— 142 —
seine Matze mit einem Stack Iltisfell gefuttert; damit er, der
Schwarzen sich nahernd, die Pest nicht so leicht bekomme, so
schluckte er auch nach seiner Rede ein StQckchen Iltisfell. . . ."
litis heisst magyarisch = goreny. A. Treichel schreibt in seiner
ethnologisch-botanischen Skizze: „Armetill, Bibernell und andere
Pestpflanzen" (Hoch-Paleschken, Selbstverlag, S. 15) beziiglich der
Pflanze Bibernell also: „Vielleicht mag damit in Verbindung stehen
der in einem sogenannten Verbrecherratsel vorkommende und
anklingende Hundenamen Bibernellchen, auch Pompernellchen
in Ostpreussen, Pompinellen und Pupenellchen in Westpreussen.
Das jedem Kinde bekannte Ratsel lautet: Auf P. geh' ich f Auf
P. steh' ich, auf P. bin ich hiibsch und fein, Nun ratet, meine
Herren, was soil das sein? Die Verurteilte war ein Edelfraulein,
welches aus dem Felle ihres LieblingshQndchens dieses Namens
gefertigte Schuhe trug und sich durch jenes Ratsel, weil die Richter
es nicht losen konnten, das Leben rettete. MOglich kam der
Ausdruck deshalb hierher, weil schon der Name Pim-
pin el la hier zur Erlosung von dem Tode fahren soil.
Ausserdem ist das Vorkommen gerade in Ost- und in Westpreussen
zu beachten. Anderweite Namen dieses Hundes sind Idel, Elias
und Perl. Freilich mag es daraber noch einer weiteren Unter-
suchung bedilrfen". So weit Treichel Das hier mitgeteilte ma-
gyarische Ratsel ist eine altere Fassung des von Treichel mit-
geteilten Verbrecherratsels und steht in direkter Verbindung mit
der Pest und Cholera, welche oft zur Zeit der Epidemie in der
Gestalt einer schwarzen alten Frau oder eines nackten Kindes ge-
sehen werden (Varga S. 38). In vielen Ortschaften hangt man am
Dorfende auf einen Pfahl bei herrschender Seuche ein Hemd far
das „nackte Kind" auf, damit es nicht ins Dorf komme und sich
mit dem Hemde begnage. Als Pestkraut, das gekocht auch gegen
Cholera gegessen und getrunken wird, ist dem magyarischen Volks-
glauben die sogenannte „kigy6fu-gyttker" = Schlangengras-Wurzel
(ophioglossum) bekannt. —
Gegen Seitenstechen legt die besprechende Person ihre
Rechte auf die wehe Seite und spricht in einem Atemzuge die
Formel: „0 mein lieber Jesus, als du nach Jerusalem zogst, ver-
stauchte den Fuss dein Ross, du berahrtest es mit deiner heiligen
Hand; berahre den Kopf, die Brust, den Bauch, den Racken u. s. w.
— 143 —
dieses Mannes!" (Ethn. II. 72). Oder man giesst von den vier Ecken
kreuzweise Wasser in den Backtrog, rQhrt mit einem Finger einen
Teig an und legt denselben auf die wehe Seite, wobei gesprochen
wird: „Mein Herr Jesus Christus, der du HGlle und Tod besiegt
hast, hilf deinem Diener. Als Christus auf Erden wandelte, bat
er urn Nachtquartier. Nachgiebiger Mann, zornige Frau; Rohrbett,
Steinpolster; er konnte nicht ruhen, nicht bleiben. So soil auch
dieses deines Dieners Seitenstechen , sein grosser Schmerz nicht
ruhen, nicht bleiben kftnnen; so soil er davoneilen, wie die gebene-
deite Jungfrau Maria auf den Kalvarienberg geeilt ist" (Varga
S. 143). —
Gegen denSonnenstich (vak nap = blinde Sonne genannt,
die sich im Kopfe des Kranken befindet) schopft der Besprecher
bei der Mandung eines Baches gegen die StrOmung Wasser in einen
Napf, kocht dasselbe auf, nachdem er vorher neun Haufchen Werg
und neun Strohhalmglieder (Knoten) in dasselbe geworfen hat.
Nun stellt er auf den Kopf des Kranken eine SchQssel, in die er
eine Nadel wirft, worauf er den Napf samt Werg, Stroh und Wasser
in die SchUssel umkippt und die Formel spricht: „Weisse Sonne,
rote Sonne, grune Sonne, gelbe Sonne, schwarze Sonne 1 Weiche
blinde Sonne aus seinem Kopfe, denn sonst holt dich die grosse
Sonne ein!" Diese Worte wiederholt er neunmal und spricht dann
ein „Vaterunser". Das Wasser lasst er nun abermals aufsieden
und wiederholt diese ganze Procedur neunmal. Schliesslich giesst
er das Wasser die Strflmung entlang in einen Fluss, nachdem er
vorher den Kopf des Kranken damit gewaschen hat und gebietet
dem Kranken bis zu seiner ganzlichen Genesung stets vor Sonnen-
aufgang aufzustehen (Kozma a. a. 0. S. 36).
Gegen Syphilis wenden die Besprecher folgende Mittel an:
In neun Flaschen Bier werden neunerlei Siissigkeiten gelegt und
bei stark geheiztem Ofen lagernd, muss der Kranke dies GetrSnk
trinken. Oder es kocht der Besprecher neun Handvoll Mist von
neun verschiedenen Diingerhaufen genommen, in einem Wasser,
das er aus neun Bronnen geschopft hat. Mit diesem Wasser wBscht
sich der Kranke. Ein anderes Mittel, das ebenfalls Varga (a. a. 0.
S. 145) mitteilt, ist das folgende: Bohnen, Linsen, Hirse werden
mit den Knospen von neun Baumen in Wasser zu einem Brei
gekocht, den der Kranke essen muss. Was er davon Qbrig lasst,
— 144 —
giesst er in ein Gefass und wSscht darin alle Napfe, Essgerate u. s. w.,
die beim Kochen und Verzehren des Breies gebraucht wurden.
Mit diesem Abwaschwasser wird nun der Leib des Kranken dreimal
begossen. Bei der Anwendung der angeftihrten Mittel wird die
folgende Formel gesprochen : „Aussatziger ging zu Jesus; bei seinem
Anblick lief der Apostel Johannes davon. Aussatziger sprach zu
Jesus: „Rahr' mich nicht an!" Jesus sprach zu Johannes: „Rflhr'
ihn an!" Herr Jesus berUhrte ihn mit einem grOnem Zweige. Spute
dich von hinnen, du hGllische Krankheit, so wie der Apostel Jo-
hannes von dir floh! — So mage von dir das Verderbnis (rontds;
rontani = zerstflren, verderben) fliehen! Amen!" Beriihrt der
Kranke mit seinen Genitalien die eines siebenjahrigen Kindes, so
weicht von ihm die Krankheit, heisst es im Volksglauben des
PDbels. — Ein far die Volkskunde bedeutsames Heilverfahren wird
im Kalotaszeger Bezirk beobachtet, das mit der MachtdesNamens
zusammenhangt (vgl. das treffliche Werk von Kristoffer Nyrop^
Navnets Magt, Separatabdr. aus „Mindre Afhandlinger", herausgeg.
v. d. phil.-hist. Gesellsch. in Kopenhagen 1887). Der Kranke gibt
sein Leiden neun Freunden oder Verwandten kund und erhalt von
jedem derselben ein Stuck Linnen. Neun Tage hindurch bestreicht
er taglich je einen dieser Lappen mit Queksilbersalbe und legt
ihn auf den wunden KOrperteil ; den Lappen wirft er vor Sonnen-
aufgang in fliessendes Wasser, in dem er die kranke Kflrperstelle
abwascht und dann einen anderen Lappen auflegt, wobei er jedes-
mal dem Wasser und dem Lappen seinen Taufnamen zurufen muss.
Die Worter „ Wasser" (viz) und „Lappen" (rongy) darf der Kranke
neun Tage hindurch nicht aussprechen; thut er es, so muss er die
Kur von vorne beginnen. Die erwahnten neun Verwandten
oder Freunde diirfen den Kranken wahrend diesen neun
Tagen nicht bei seinem Taufnamen rufen. Es heisst
n8mlich, wer den Kranken wahrend dieser Zeit beim
Namen ruft, der erhalt ein Teilchen von der Krankheit
des Leidenden. Deshalb soil sich der Kranke wahrend dieser
Zeit viel unter den Leuten zu schaffen machen und trachten, dass
ihn viele Menschen bei seinem Taufnamen rufen. Je mehrmal
man ihn beim Namen ruft, desto leichter verteilt sich seine Krank-
heit spurlos unter die Leute und desto leichter wird er von
seinem Leiden befreit. Auch diesbezuglich gilt also der Satz: dass
— 145 —
die Verbindung, welche sich durch Ideenassociation oder Sympathie
zwischen verschiedenen Dingen knilpfte, obwohl an sich nur sub-
jectiv, for den primitiven Menschen zu einer objectiven und realen
geworden ist. —
Gegen die Tollwut kocht man Marienkafer (isten tehenkeje
= Gottes Kilhlein), vor dem Johannistag gesammeltes Tausend-
guldenkraut, Splitter eines vor dem Georgstage vom Blitze ge-
troffenen Baumes, Cantharidenfliegen (spanische Fliegen), Knospen
des Eschenbaumes, vor dem Georgstage gesammelte Knospen der Erie,
Johanniswttrmchen, Speisereste des Weihnachtsmahles und Eierschalen
vonEiern, die zuWeihnachten gelegtworden sind; schliesslich Krauter
und Gr§ser, die an den Sohlen und Fusszehen des Besprechers am
Morgen des Johannistages haften geblieben sind, als er barfuss die
Auen beschritten. Dies Dekokt muss der Kranke trinken (Varga,
S. 148). Oder er muss am ersten Tage neun Canthariden und an
jedem folgenden Tage eine weniger essen, „damit mit seinem Urin
auch die Hundejungen aus seinem Leibe kommen" (Varga, S. 148).
Es heisst namlich im Volksglauben, dass sich im Leibe des Kranken,
besonders unter der Zunge (woher sie vom Besprecher gewflhnlich
herausgeschnitten werden), winzig kleine Hundejungen bilden und
sobald diese die Augen 5ffnen, der betreffende Mensch die Tollwut
bekommt und unrettbar verloren ist. Der geheilte Mensch gibt
diese Hundejungen mit seinem Urin in der Zeit von 9 Tagen oder
9 Wochen oder 9 Monaten oder gar 9 Jahren von sich. —
Gegen Wahnsinn ist das folgende Mittel allgemein gebrauch-
lich: In Wein wird atropa belladonna und ligusticum, ferner Knob-
lauch und schwarzer Schweinekot zu gleichen Teilen gemischt und
damit der Wahnsinnige neun Tage hindurch getrankt und taglich
in dieser Mischung einigemal gebadet (Kozma a. a. 0., S. 33).
Gegen War z en, die man gewahnlich dadurch erhalt, dass
man die Sterne zahlt, oder sich in dem Wasser wascht, aus dem
Huhner getrunken haben, — nimmt man neun Strohhalme, die
ein Glied haben, drQckt damit die Warzen und vergrSbt die Stroh-
halmglieder unter die Dachtraufe, indem man dabei spricht: ,,Dann
soil ich euch sehen Warzen, wenn ich dies Stroh erblicke". Oder
man drQckt die Warzen mit neun Totenknochen , die man dann
wieder an die Stelle zurucklegt, woher man sie genommen hat
(Ethnogr. II. 362). —
10
— 146 —
Gegen Zahnweh rieche man an Salbei und spreche: „Salbei,
Salbei, dann schmerze mir der Zahn, wenn der deine" (Ethnogr.
II. }6). Oder man kocht den Samen der hyosciamus-Pflanze und
lasst den Dampf in den Mund strOmen (Kozma, S. 35). —
Wir gehen nun zu den Krankheiten und zur Behandlung der
Tiere iiber.
Wenn ein Stack Vieh krank ist, und man nicht weiss, was
ihm fehlt, so raunt man ihm dreimal ins Ohr: ,,lm Namen des
Vaters, des Sohnes und des hi. Geistes, dir soil das Essen wohl
bekommen und die Krankeit von dir weichen" (Az atya, fiu es
szent 161ek nev6ben, j61 essek az eledeled sa nyavalya t^vozzek
belGled). Urn neugekaufte Tiere vor Krankheit zu schotzen, gebe
man ihnen das erste Futter in der Schiirze der Hausfrau, oder lasse
es durch eine Hose des Hausherrn hindurch in den Futtertrog fallen.
Ausser der bekannten und auch unter den Magyaren allgemein
verbreiteten Sator- und Abracadabra-Formel, schreibt man im Kalota-
szeger Bezirk auch noch eine andere Formel auf kleine Zettel, die
man in BrotstOcke geknetet, dem neugekauften Tiere zu fressen
gibt, urn es vor Krankheit zu schotzen.
Diese Formel lautet mit den von mir zugesetzten Zahlen also:
Csuma menjetek
* 7
tira far dl
9 >!
Agra dei
sancti szavamra
16 14
nyavalyAk hallgassatok
12 10
spiritus nomen
8 6
szaraz zold
zold nyavalya.
Die Wortfolge habe ich mit schwerer Mahe herausbringen kdnnen,
nachdem die Leute nur die Formel, aber nicht die eigentliche Wort-
folge kennen. Nach den obigen Zahlen lautet die eigentliche Wort-
folge also: Csuma, nyavalya, menjetek z5ld fdra, z5ld far61 szaraz
igra, nomen dei spiritus sancti; hallgassatok szavamra nyavaly^k
(= Csuma, Krankheit, gehet auf griinen Baum, von grQnem Baum
auf dOrren Ast, nomen dei spiritus sancti; h5ret auf mein Wort
— 147 —
Krankheiten). Csoma und csuma heisst in einigen Dialekten die Pest
und hangt mit csomo = Haufen, Knoten und csova = Vogelscheuche
(aus Stroh) zusammen (Ipolyi a. a. 0. S. 33). „Die Cs. soil dich
forttragen" (a cs. vigyen el), lautet eine magyarische Redensart.
„Die Pestfrauen", sagt F. S. Krauss (Volksgl. und rel. Brauch der
Sildslaven S. 57), „sind die ausgebildetste Vermenschlichung urspriing-
licher Waldgeister, denn sie erscheinen meist schon so gut wie
losgelOst vom Baum und Wald, doch ihre wahre Art verleugnet
sich trotzdem nicht. Sie sind Kranheitsgeister aus dem bOsen Walde
oder aus anderer menschenferner Weltgegend, die auf ihren Reisen
durch Jahrhunderte und christlich-religiGse Anschauungen eine be-
sondere Ausbildung in Aussehen und Auftreten erlangt haben. Der
Glaube an die Pestfrauen ist so alt als der an Krankheitsgeister,
hat aber auch durch die grossen orientalischen Pestilenzen, welche
auf die grossen tUrkischen HeereszQge folgten, eine sehr scharfe
Entwicklung genommen, so dass er einen verhaltnissmSssig viel
breiteren Raum im Volksglauben der Stidslaven (und Magyaren)
als in jenem der westlichen Volker gewonnen". Auch die oben
mitgeteilte Formel weist auf die Krankheitsgeister
als ursprdngliche Baum- und Waldgeister hin. —
Gegen das Verrenken sind folgende Formeln allgemein
verbreitet: „Im Namen des Vaters, des Sohnes und des hi. Geistes
beginne ich mein Gebet. Als mein Herr Jesus Christus auf der
schwarzen Erdoberflache wandelte, verrenkte sich den Fuss sein
Ross; kam daher der hi. Matthaus, strich es mit seiner heiligen
Hand, hauchte es an mit seinem heiligen Mund. Starke Muskeln!
Knochen, Haut werdet so, wie euch unser Herr Christus erschaffen
hat". Dies spricht man dreimal und haucht dreimal das wehe Glied
an. — Eine andere Formel lautet: „Machte sich auf den Weg der
kleine Jesus auf seinem Esel, auf seines Esels Riicken, auf steinerner
Briicke. Verrenkte sich den Fuss sein Esel, kam hinzu Ficze-
pater, besprach es (las darauf, rdolvas), blies es an mit seinem
heiligen Munde, streichelte es mit seiner heiligen Hand. Bein an
Bein, Fleisch an Fleisch, Blut an Blut, dann aber werde es so,
wie es war". — Oder man spricht: „Als Jesus hinging zu seiner
Qualstatt, zu seinem Qualort, von Felsen auf Felsenberge, auf
Aspiom's (?) BrOcke, verrenkte sich den Fuss sein Pferd; kam
hinzu Martin Ficze, sprach Jesus Christus: „Wahrlich, wahrlich,
10*
— 148 —
wahrlich, Martin Ficze, mein Pferd hat sich den Fuss verrenkt,
besprich es, hauche es an! Muskel an die Stelle, Haut an die
Stelle! Lieber Jesus leg' es an seine Stelle!" — Verrenken, Ver-
renkung heisst im Magyarischen ficzamodds und Martin Ficze ist
wohl eine Personifikation dieses Uebels. Eine andere Formel lautet:
„Unser Herr Christus ging auf die steinerne BrQcke, zu seiner
Qualstatte, glitt seines Esels Fuss auf dem Felsen aus; kam einher
Martin Ficze, streichelte ihn mit seiner heiligen Hand, hauchte
auf ihn mit seinem heiligen Mund, sprach: „Bein auf Bein, Fleisch
auf Fleisch, Blut zu Blut. So munter werde, wie du vordem gewesen
bist!" Jesus von Nazareth, heile mein armes Tier! Meine liebe
Mutter, gebenedeite hi. Jungfrau Maria, heile es kraft der Verdienste
deines hi. Sohnes! Heiliger Martin Ficze leg' das Bein meines
armen Tieres an seine Stelle zurack" (Ethnographia II. S. 71). —
Gegen die Warmer wird folgende Formel angewendet: Der
Besprecher nimmt ein Haar vom kranken Tiere und geht damit
zu einem Hollunderstrauch, von dem er einen Zweig abschneidet.
In den Zweig ritzt er ein Kreuz, in das er das Haar hineinsteckt
und gegen Osten gewendet, sticht er den Zweig in die Erde und
spricht die Worte: „Dann soil N. N.'s Kuh die Wiirmer noch haben,
wenn ich diesen Zweig von hier herausziehe (er speit aus)! Sie
sollen bis dann verschwinden, so lange ich hier bin (er speit aus)!
Wenn sie der Sonnenaufgang hier gefunden hat, so soil sie der
Sonnenuntergang nicht hier lassen ; wenn auch der Sonnenunter-
gang sie hier findet, so soil sie der Sonnenaufgang nicht hier lassen
(er spuckt aus)!" (Kozma a. a. 0, S. 36.) — Ein anderes Verfahren
besteht im Folgenden: Vor Sonnenaufgang treibt man das kranke
Vieh ins Freie und mit dem Zeigefinger auf dasselbe zeigend,
spricht man: „Neun ist nicht neun, sondern acht! Acht ist nicht
acht, sondern sieben! Sieben ist nicht sieben, sondern sechs! Sechs
ist nicht sechs, sondern fiinf! FOnf ist nicht fiinf, sondern vier!
Vier ist nicht vier, sondern drei! Drei ist nicht drei, sondern zwei!
Zwei ist nicht zwei, sondern eins! Eins ist nicht eins, sondern
keins!" Dann speit man aus und wirft eine Handvoll Staub dem
Vieh nach, damit die Wiirmer so schnell wie der Staub im Winde
verschwinden (Ethnogr. II., 35). — Ein Volksmittel gegen die
Warmer ist, dass man die Wunde des Tieres mit siedendem Fett
begiesst (Ethnogr. II., 403). —
— 149 —
Unter den Zaubermitteln , die sich auf die Hauswirtschaft
beziehen, nehmen in Nordungarn, wo die Bienenzucht in grossem
Masse betrieben wird, diejenigen Gebrauche und Vorschriften den
ersten Platz ein, welche sich mit der Bienenzucht befassen. Diese
GebrSuche und Vorschriften hat Joh. S. Kovdcs (in der „Ethno-
graphia" II., 18 ff.) aus einem Manuskript im Originaltext ver-
5ffentlicht. Das Manuskript stammt aus dem Jahre 1801, ist aber
von einer anderen Handschrift, die der „Ober-Bienenmeister" des
siebenbtirgischen FUrsten Georg Rdk6czi, ein gewisser Nicolaus
Horits, zusammengestellt hat, abgeschrieben worden. Far die
Volkskunde hat dies Manuskript in vielfacher Beziehung eine Be-
deutung, weshalb ich hier einiges daraus in genauer Uebersetzung
mitteilen will.
Die Bienen soil man in der ersten Aprilwoche an einem
Mittwoch oder Donnerstag zum ersten Mai im Jahre ausfliegen
lassen; dann werden sie fleissig, fett, munter. Beim ersten Aus-
flug soil man den Stopfen, womit der Korb den Winter iiber ver-
schlossen war, nicht wegwerfen, sondern an die Spitze des Korbes
hangen, damit die Schwarme nicht wegfliegen. Damit die Bienen
„gut und fromm" werden, lasse man sie beim ersten Ausflug aber
reingewaschene Schafwolle kriechen und befeuchte den Korbrand
mit Schafmilch. Damit sie aber „zornig" werden, so lasse man
sie bei dieser Gelegenheit iiber ein rotes Tuchstack kriechen.
Befeuchtet man dies rote Tuchstack mit dem Blute eines Hahnes,
so ist es noch besser, denn die Bienen werden dann bos, wild,
arbeitsam und fliegen weit aus. Hat der Stock einen Modergeruch,
ist er von Spinngewebe besetzt, so stellt man in einem Gefass etwas
gesalzenen Wein unter den Stock den Bienen hin. Damit die Bienen
ihren Standort liebgewinnen, soil man vor dem Bienenhaus einen
kleinen Trog halten und in denselben jeden Morgen urinieren.
Wenn sich die Bienen nicht vermehren wollen, so nehme man
eine Handvoll Ameisen vom Ameisenhaufen und werfe sie in den Stock.
Thut man dies noch vor Ostern, so schwarmen die Bienen schon vor
Pfingsten. Damit der Schwarm nicht weit wegfliege, so besprenge
man ihn mit Wasser, indem man einen belaubten Zweig anfeuchtet
und nach dem Schwarme schwenkt. Wenn man den Stopfen, mit
dem der Korb den Winter aber verschlossen war, bei der Gelegen-
heit, wo ein Schwarm an unbekanntem Ort sich niedergelassen
— 150 —
hat, an seinen Fuss (d. h. an des Bienenbesitzers) bindet, so kehrt
der Schwarm sofort zurUck. Damit die Bienen nicht stechen, soil
man sich mit Urin waschen und mit Harz rauchern. Vor dem
Einfangen des Schwarmes soil man in den Korb urinieren. Damit
der Korb im Jahre viel Honig habe, so trage man eine Handvoll
Weizen am Weihnachtstage in die Kirche und werfe ihn dann in
den Korb.
Hat man jemandem Bienen gestohlen, so m5ge der Bestohlene
die Stelle, woher man den Bienenkorb gestohlen hat, mit Milch
begiessen, und der betreffende Dieb wird ergrauen oder kahlkapfig
werden. Je mehr man Milch giesst, desto schneller erfahrt man,
wer der Dieb gewesen ist. Oder: es soil der Bestohlene auf die
Stelle schiessen, wo der Korb gestanden ist und der Dieb wird
bald sterben ; oder er fange eine zurUckgebliebene Biene des ge-
stohlenen Korbes und werfe sie bei Gelegenheit der Beerdigung
einer Leiche ins Grab und der Dieb wird sofort schwer erkranken
und sterben.
Dies das Wichtigste aus dem erwahnten Manuskript. Beim
ersten Ausflug der Bienen im Friihling bringt man beim Flugloch
eine Wolfskehle an, damit die Bienen ihren ersten Ausflug durch
dieselbe antreten, und spricht im Kalotaszeger Bezirk dabei folgenden
Segen, indem man die allerersten Bienen, die vor dem Flugloch
erscheinen, mit Mehl und Zuckerstaub bestreut: „Bienen, flieget!
den Bosen besieget! damit ihr der heiligen Jungfrau Maria Wachs
geben k5nnt, damit ihr Honig zur Ehre unseres Herrn Jesus Christus
habet! Amen !" (Mehek repiiljetek! a gonoszfelett gyozedelmeskedjetek !
hogy a szentseges szUz Marianak viaszt adhassatok, hogy Jezus
Krisztus urunk dicsosegere mezetek legyen). —
„Die richtige Bestellung des Ackers, d. h. eine solche, welche
jede Zaubermacht fern halt, ist eine sehr schwierige Sache", daher
greift auch der magyarische Landmann zu verschiedenen Zauber-
mitteln, urn sich das Gedeihen der Aussaat im Vorhinein zu sichern.
Vergrabt man etwas Wachs von einer Kerze, die in der Kirche
gebrannt hat, auf dem Acker, so wird weder Hagel, noch Wasser
der Aussaat schaden. Den Laken, in welchem man die FrOchte
zur Aussaat auf den Acker tragt, soil eine Frau wahrend ihrer
menses gewoben haben; dann wird die Ernte gar reichlich ausfallen.
In die Ecken des Saelakens naht man in einigen Ortschaften
i
— 151 —
Siebenburgens abgeschnittene Fingernagel des betreffenden Acker-
besitzers ein und spricht dabei: „Wenn ich (auch) dort nicht bin,
so soil niemand in meiner Abwesenheit euch (den Friichten) schaden
konnen" (ha nem vagyok ott, ugy senki se drtson nektek). In der
Nacht nach der Aussaat lauft in manchen Gegenden die Hausfrau
ein Mai nackt um den Acker herum, urn die Saat vor Vogelfrass
zu schiitzen. Im Kalotaszeger Bezirk herrscht beim Saen folgender
Brauch: Bevor man zu saen beginnt, wirft man eine Handvoll
Erde vom Acker auf den Weg und spricht: „Hier gedeihe das
Unkraut!" Geht wahrend des Saens jemand am Acker voruber
und grttsst nicht: „Gott segne das Werk" (Jsten dldja meg a munkdt),
so wirft der Saemann ihm eine Handvoll Frucht nach und spricht:
„So viel gebe ich dir" (Ennyit neked adok). Man glaubt namlich,
dass, wer an einem Saemann, ohne diesen Gruss zu sagen, vorbei-
geht, den „Segen des Feldes" (a mez5 dld^sdt) mit sich nehmen
wolle. —
*
Den weiteren Zauber, der sich auf Feld- und Hauswirtschaft
bezieht, lassen wir hier beiseite, nachdem wir denselben in den
friiheren Abschnitten zum grossen Teil ohnehin behandelt haben,
wenigstens von der Seite, die der vergleichenden Volkskunde neue,
bislang unbekannte Belege bietet. Aus dem hier Mitgeteilten sehen
wir, dass dieser Zweig des magyarischen Volksglaubens auch zu
dem niederen Vorstellungs- und Glaubenskreise gehort, der teils
christlich, teils heidnisch gefarbt ist und daher eine Wucherbildung
genannt werden kflnnte von religionswissenschaftlichem Standpunkte.
Karl Weinholds, unseres Altmeisters Worte, treffen auch fur
das magyarische Heidentum zu, dass es namlich darin „einen Aber-
glauben und ein Zauberwesen gab, abgesondert und feindlich gegen
die eigentliche Volksreligion und den anerkannten Gottesdienst.
So ist es iiberall gewesen und ist es noch heute. Aber-
glaube ist an keine Nation und an keine bestimmte Religion ge-
bunden, sondern ein allgemein Menschliches. Mit dem Aberglauben
hangt die Volksmedizin zusammen, d. i. jene Ober alle Volker gleich
dem Aberglauben verbreitete Heilkunde, die auf die verschiedensten
Quellen: Religion, Zauberei und frUhere Perioden der Medizin
zuriickgeht."
VII.
Eine Geburtsgottin.
iLine von Mythenforschern vielumworbene Gestalt des magya-
rischen Volksglaubens ist die sogenannte Boldogasszony (selige oder
Hebe Frau) und Nagy boldogasszony (grosse liebe Frau), vielumworben
von gelehrten und ungelehrten Mythoplasten, die in Qberschweng-
licher Begeisterung gewOhnlich vom Gebiete ernster, religionswissen-
schaftlicher Forschung abirrten und sich in kiihnen Hypothesen
ergingen. Um das Wesen dieser Boldogasszony in ihrem innersten
Kern erfassen zu kftnnen, miissen wir eine, wenn auch nur fliichtige
Umschau im Glauben anderer V5lker halten.
„Als die germanischen Eroberungen auf rGmischem Boden",
sagt Lippert (a. a. 0. S. 669), „ein salisches Recht schufen und
dieses Oberall zum Siege gelangte, gewann die Herrschaft der
Frau, soweit sie sich erhielt, nur noch einen relativen Charakter.
Wie immer warf auch diese Erscheinung des Lebens ihr Spiegel-
bild auf die Religionsvorstellungen. So steht die veraltete Nerthus
als Urmutter neben Freia der „Herrin", wie etwa eine Hekate
neben Hera, eine Mania neben Juno. Als auf solcher Stufe die
Germanen Christen wurden, handelte es sich bei ihnen nur noch
um einen Ersatz far den Begriff Freia — die Namen sind ganz
gleichgiltig — und sie fanden ihn in der „lieben Frau" des
Christentums, in Maria, der HimmelskOnigin. Auch bei den
Slaven fand Maria unter alien Heiligen den verbreitetsten Kult,
wie sie ja als „Gottesmutter" sogar der alteren Vorstellung ent-
sprechen konnte. Aber die so reiche Marialyrik und die ganze
Romantik dieses Kultes betont doch keineswegs das mOtterliche
Wesen dieser Frau.
Dieser Begriff findet seine vallige Deckung erst im Annen-
kult, welcher bei den Slaven in einer hGchst auffalligen Weise
— 153 —
hervortritt. Wie wir den Gang der christlichen Entwickelung kennen,
ist nicht zu verwundern, dass die alteste Kirche dieser Frau nicht
gedachte. Erst die apokryphen Evangelien gehen noch weiter auf
die Familiengeschichte zurOck. Im abendlandischen Kalender findet
sich ihr Name erst seit dem 12. Jahrhunderte und ein allgemeiner
Festtag wurde erst von Gregor XIII. am 26. Juli 1584 eingefohrt.
Dennoch sind in Bahmen allein 88 meist alte Kirchen der Mutter
Anna geweiht, viele Ortschaften haben ihr ihren Namen entlehnt,
und als weiblicher Taufname ist er neben Maria der volkstttm-
lichste. In Hausern alten Brauches empfangt die „Mutter" Anna
jeden Dienstag ihr Lampenopfer. Alles das gilt allerdings von
Maria in noch hDherem Grade, dennoch tritt ihr zunSchst
Anna auffallig hervor. Eine czechisch-mahrische Sage gibt uns
eine Andeutung des Grundes, ganz wie wir ihn erwarten mussen.
Eine junge Gattin liegt im Sterben (ob nicht im Kindbett?),
da erschien ihr eine sehr schGne Frau, die heilige Anna namlich,
und sprach zu ihr: „Deine Zeit ist da, ich bin urn dich gekommen."
Sankta Anna ist also an die Stelle einer slavischen Hellia getreten, die
wir sonst unter dem Gemeinnamen biba, die Grossmutter, kennen . . ."
In diesen Auseinandersetzungen haben wir den SchlOssel zum
magyarischen Volksglauben betreffs der Nagyboldogasszony oder
schlechtweg Nagyasszony.
Betrachten wir nun die Auseinandersetzungen Ludwig Kil-
minys (Boldogasszony 5svalldsunk istenasszonya = B. die Gctttin
unserer Urreligion), des einzigen ernsten und geschulten magyari-
schen Mythenforschers, betreffs der magyarischen Boldogasszony.
Die verschiedenen Marientage nennt das magyarische Volk:
GyertyaszentelO Boldogasszony = Kerzenweihende B. (Mar. Licht-
mess 2. Febr.), Gyum6lcs61t6 B. = Obstpropfende B. (Mar. Ver-
kOnd. 25. Marz), Nagy Boldogasszony = grosse B. (Mar. Himmelf.
15. Aug.), Kis-asszony napja = Fraulein Tag oder Tag der kleinen
Frau (Mar. Geburt 8. Sept.) und endlich: Boldogasszony (Mar.
Empfangnis 8. Dez.). Nirgends wird eine Kis-Boldogasszony (kleine
B.) erwahnt, die bloss Kisasszony (FrSulein, kleine Frau) genannt
wird. Fragt man daher das Volk : wie viel Boldogasszony es denn
eigentlich gibt? so erhalt man zurAntwort: sieben, von denen die
grflsste die Nagy Boldogasszony (die grosse B.) ist. Wer ist nun
diese Nagy Boldogasszony?
— 154 —
Kdlmdny erwahnt (S. 4) ganz richtig, dass in der Zeit, als
die Magyaren ihre alte Religion aufzugeben begannen, der Marien-
kult in der Christenheit schon gar sehr ausgebildet gewesen war.
Die Synode zu Ephesus (451) hatte ausftihrlich dargethan, wie
man sich Maria vorzustellen habe. Zur Zeit, als das Christentum
bei den Magyaren eingefiihrt wurde, lebte im Volksbewusstsein
die Nagyasszony oder Nagyboldogasszony als Mutter der G5tter
noch immer fort, weshalb denn Maria den Namen Kisasszony
(kleine Frau, Fraulein) im Gegensatz zur Nagyasszony (grosse Frau)
vom Volke erhielt. Diesen Namen, sagt K dim any, haben keines-
falls die Verbreiter des Christentums der Maria gegeben, die sie
gewiss mit dem Namen Nagyasszony belegt hatten. „Als das Volk
die Maria „Kisasszony" nannte, musste es auch von einer Nagy-
asszony wissen. Die Kisasszony musste man eben der Nagyasszony
gegeniiber klein nennen. Auch heute noch hflren wir z. B. von
einem Kis-Bdlint (B. jun.) im Gegensatz zu Nagy-Bilint (B. senior)
sprechen u. s. w."
Nun, Maria ist nach K&lmdnys Zusammenstellungen des
einschlagigen Volksglaubens weder die Kisasszony, noch die Nagyass-
zony der Magyaren. Das Volk der Szegediner Gegend erzahlt,
dass die Kisasszony die Jungfrau verbliebene Tochter der Nagyass-
zony sei. Die Dienstboten nennen die Jungfrauen „Kisasszony,
die Mutter derselben aber ,, Nagyasszony". ,, Maria ist daher",
schreibt Kalmany (S. 5), „nicht die Kisasszony, denn diese hatte,
selbst als Jungfrau, kein Kind geboren ; trotzdem nannte sie (die
Maria) so das Volk. Grund hiezu mag der Umstand gegeben haben,
dass die christlichen Bekehrer vor alien anderen Tugenden Marias
ihre JungfrSulichkeit besonders betonten, was das Volk hflrend,
unbewusst an die Jungfrau gebliebene Tochter der Nagyasszony,
an die Kisasszony denken musste." Nirgends wird der Maria das
Beiwort „heilig" (szent), noch ,, Mutter Gottes" im Magyarischen
beigefiigt. Sie heisst einfach „sz(iz Maria" (Jungfrau Maria), nie
aber „szent Maria" (heilige Maria).
Ueber den heiligen Gerard steht nun in magyarischen Chroniken
geschrieben: „Und auf seinen Rat hin kam es damals in Brauch,
dass man die Jungfrau Maria in Ungarn Liebe Frau oder die grosse
Frau dieser Welt nannte" = ,,Es az 6 tanacsanak intes£bOl akkoron
kele fel, hogy az sziiz Mariat ez Magyarorszagban Boldogasszonynak,
— 155 —
avagy ez vildgnak nagy asszonynak hfvndk" (Toldy F., Magyar,
szent. leg. = Magyar. Heil. Legenden III. Kap.).
Der Ausdruck „Nagyasszony", der schon vorhanden war als
Name einer heidnischen Gattin, sollte also auf des hi. Gerards
Rat auf die Maria angewendet werden, weil man befarchtete, dass
das Volk mit der Zeit diesen hohen Titel irgend einer anderen
Heiligen verleihe und diese dadurch iiber die Maria, die „Kis-
asszony", setze. Trotz Set. Gerards Rat und Warnung ist selbst
nach acht Jahrhunderten die Maria beim Volke nicht zum Titel
„Nagyasszony" oder ,,Nagyboldogasszony" gelangt. Ferd. Barna
(Osvallasunk kisebb isteni lenyei = Kleinere g5ttl. Wesen unserer
Urreligion S. 28) meint nun, die ,,Nagyboldogasszony" oder Nagy-
asszony" sei die alte heidnische ,,Fee oder Gottin der Natur", die
nach Einfiihrung des Christentums der Maria gleichgesetzt ward,
d. h. die Attribute derselben wurden der Maria verliehen. So
heisse auch bei den, den Magyaren stammverwandten Mordvinen,
die das Christentum nur dem Namen nach angenommen haben,
Maria „Ange-Pat'ai" (Gattermutter) und Christus „Si-Pdz" = Sonnen-
gott (Barna, A mordvaiak pogdny istenei = die heidn. Gatter
der Mordvinen S. 75). „Trotzdem ware es erzwungen", schreibt
Kdlmany (S. 8), „die Maria „ Nagyasszony" zu nennen. Die Nagy-
asszony hat eine, Jungfrau verbliebene Tochter, die sogenannte
Kisasszony, welche Tochter eben der Maria abgeht."
Wenn nun das in christlichen Glaubensdogmen weniger be-
wanderte Volk nicht die Maria far die Nagyasszony halt, welche
Heilige versteht es nun unter diesem Namen?
Ueberall erhalt man auf diese Frage die Antwort: „die
Nagyasszony oder Nagyboldogasszony sei die heilige
Anna. Zu wundern ist dabei, dass dem trefflichen Forscher
L. Kaminy, dessen diesbezilgliche Zusammenstellungen 1885 er-
schienen sind, die Auseinandersetzungen Lipperts (1882) entgangen
sind, die wir an die Spitze dieses Abschnittes gestellt haben. Er
ware zu ganz anders lautenden Endresultaten gelangt.
Wir haben schon eingangs Lipperts Worte angefilhrt, dass
„in Hausern alten Brauches die „Mutter" (wohlgemerkt Mutter)
Anna jeden Di ens tag ihr Lampenopfer empftngt/' Nun ver-
gleichen wir hiemit K aim in ys Auseinandersetzungen: „ Die Nagy-
boldogasszony und die hi. Anna haben einige gemeinsame ZUge;
— 156 —
beide haben eine Tochter; beider Tachter verbleiben Jungfrauen,
beide sind machtig; aber sie haben auch abweichende Zflge. Nach
unseren Ueberlieferungen ist die Nagyboldogasszony die
Gflnnerin der sich in gesegneten Umstanden Befind-
lichen; zu ihr flehen auch die Unfruchtbaren, die —
damit sie ihr Ziel erreichen, d. h. damit sie die hi. Anna, be-
ziehungsweise die Nagyboldogasszony erhGre, die neun auf Pfingsten
folgenden Dienstage fasten." Die hi. Anna war auch lange Zeit
hindurch unfruchtbar.
Der Di en stag ist also der Tag, welcher der hi. Anna, d. h.
der Nagyasszony oder Nagyboldogasszony, geweiht ist. In Szoreg
fastet man ihr zu Ehren sieben Dienstage. An diesem Tage darf
das betreffende Weib keine schweren Arbeiten verrichten ; an diesem
Tage soil man jede neue Arbeit beginnen, und die Bruthennen
zum Britten setzen (Kalmany S. 9). Niemand soil am Dienstag
Wasche waschen, denn UnglUck trifft ihn, wenn er diese Wasche
am Leibe hat. Wer an Zahnweh leidet, der wasche sich am
Dienstag nicht, damit seine Schmerzen ein Ende nehmen; am
Dienstag wird auch das kleine Kind nicht gebadet, sondern nur
mit einem Lappen befeuchtet, damit es keine Kopfschmerzen be-
komme (Kalmany S. 10). Wer am Dienstag wascht, der bruht
der Nagyboldogasszony die Hand ab. Eine Sage aus O-Szent-Ivan
erzahlt (Kalmany S. 10): „Als die Hebe Jungfrau h5rte, dass man
Jesum gefangen habe, lief sie die Strasse entlang und die Weiber,
grade waschend, gossen die Lauge aus. Wie sie nun lief, so glitt
sie aus. Damals verfluchte sie jedes Weib, das am Dienstag wasche,
damit es den Blutsturz bekomme. Wir waschen auch nie am
Dienstag, sondern nur am Mittwoch, Donnerstag, Montag." Jesus
ward bekanntermassen nicht an einem Dienstag gefangen genommen
und das Ganze ist eben, wie Kdlmdny bemerkt, ein mit christ-
lichen Elementen zersetztes Bruchstiick irgend einer heidnischen
Ueberlieferung, was auch von folgender Sage aus der Ortschaft
Szoreg gilt: „Das Liebfrauenbett (daraber spater!) darf man nicht
ohne Haube besteigen, denn die liebe Jungfrau (boldogsigos szUz)
trug stets eine Haube, nur als sie am Grundonnerstag ihren Kopf
wusch und Maria Magdalena die Kunde brachte, dass man Jesum
Christum gefangen habe, da hatte sie keine Zeit, ihr Haupt ein-
zubinden und eilte davon. Jenseits des Waldes hflrte sie Larm,
— 167 -
sie eilte dahin; ihre Haare blieben an den Zweigen hangen; seit
der Zeit hat sie stets die Haube auf dem Kopfe. Damals verfluchte
sie auch diejenigen, welche am Grttndonnerstage waschen. Als sie
(nSmlich) lief, da fiel sie, denn aberall hatte man die Lauge aus-
gegossen; damals sagte sie: Verflucht seien alle, die am Grttn-
donnerstage waschen . . ." Die erste Sage erwahnt noch den
Dienstag, wahrend die zweite das Verbot nur far den Griin-
donnerstag gelten lasst. Am Dienstag ist es auch schon deshalb
nicht gut, Wasche zu reinigen, weil sonst das Geflugel blutige
Eier legt (Kalmdny, Szeged nepe = Szegeds Volk, I. 113).
Nehmen wir nun die auf die Nagyasszony oder Nagyboldog-
asszony bezttglichen Daten Kdlmdnysder Reihe nach, um fur die
vergleichende Mythologie hOchst wichtige Resultate zu erzielen.
Schwangere Weiber flehen — wie schon erwahnt wurde —
zu ihr. Sie gibt dem Kinde Leben, sie hilft der Mutter bei der
Geburt, bei welcher sie zugegen ist, gerade so unsichtbar, wie die
Ange-Pat'ai der Mordvinen (Barn a, A mordv. pog. ist. 34). In
Sz5reg, O-Szent-Ivdn und vielen anderen Ortschaften der Theiss-
gegend nennt man die bei der Geburt unsichtbar gegenwBrtige
^Nagyboldogasszony geradezu „SzQl5 Boldogasszony" (Geburtslieb-
frau). Auch die Ange-Pat'ai der Mordvinen ist als Geburtshelferin
unter dem Namen Bulaman-Pat'ai bekannt (Barna a. a. 0. S. 11).
Kdlmdny bemerkt nun, dass es auch im magyarischen Volks-
glauben bei der Geburt helfende und schadigende Wesen
gibt. Im Augenblick der Geburt sind beide Parteien in der Nahe
der GebSrerin. Das Oberhaupt der helfenden Wesen ist eben die
Nagyboldogasszony, die viel Aehnlichkeit mit der finnischen Geburts-
fee, der Kave, hat. In der Kalevala flehen auch die schwangeren
Weiber zur Kave. Die blinde Tochter des Todes, die Loviatar,
fleht auch zur Tochter der Natur, zur Kave, damit diese sie von
den Wehen des Leibes befreie (Kalevala XLV. Rune 117— 130).
Kave wird hier „unter den Wesen die erste Mutter" genannt,
wozu die magyarische schefzhafte Redensart zu vergleichen ist:
„Frau Anna, (ist die) erste Frau" (A. asszony, elsd asszony). Noch
mehr Aehnlichkeit mit der magyarischen Nagyboldogasszony weist
die Ange-Pat'ai der Mordvinen auf, die als „Mutter der Gutter,
zugleich Beschtttzerin der Frauen ist" (Barna a. a. O. S. 31).
Beide, sowohl die Nagyboldogasszony, als auch die Ange-Pat'ai,
— 158 -
sind bei der Geburt unsichtbar zugegen und haben ihre Unter-
gebenen, die aber Mutter und Kind wachen. Der Ange-Pat'ai sind
untergeben Ange-Ozaisz und Niskende-Tewtar, wahrend der Nagy-
boldogasszony die Engel und die Boldogasszony unterstehen. Die
Nagyboldogasszony ist nur wahrend der Geburt als Helferin zu-
gegen, dann entfernt sie sich und sendet zum Schutze der Kind-
betterin zwei Engel und die Boldogasszony. Letztere ist von nun
an die Beschutzerin und Heilerin von Mutter und Kind; sie ist
(als „Kisasszony") die Tochter der Nagyasszony, gilt aber zugleich
far die hi. Maria. Das Volk nennt eben die hi Maria ausnahmslos
auch „Boldogasszony".
In einem alten Leichenliede (Originaltext bei K Oilman y S. 12)
heisst es:
Wir bitten darum unsere Jungfrau Mutter,
Die Boldogasszony: die Maria,
Flehen moge sie bei ihrem heiligen Sohn u. s. w.
In einem magyarischen Schlummerliede (Originaltext bei Kalm^ny
S. 12) heisst es:
Zizi, Kriechelein,
Du mein Sprosslein,
Jesus, Dich schlafre ein,
Maria fiber dir wache!
Maria also ist hier die Boldogasszony, die „liebe Frau". Als
Heilerin wird sie ebenfalls in einem Kinderreim (K^lmany S. 1$)
erwahnt :
Staub fiel mir ins Auge,
Gott verdamm's!
Boldogasszony nahm ihn heraus!
Heil- und Schutzkraft besitzt die Boldogasszony-Milch, auch Marien-
Milch genannt, ebenso die Boldogasszony Schurze, auch Marien-
Schiirze, von denen wir weiter unten sprechen werden.
Nun teilt Kalmany die auf Wohnort, Thatigkeit und die
Feste der Boldogasszony bezQglichen Daten aus dem magyarischen
Volksglauben mit.
Die Boldogasszony wohnt im Himmel, wohin die Lerche ihr
Beilchen hinaufzutragen strebt, indem sie, in die Luft sich erhebend,
zwitschert :
— 159 —
Felviszem, felviszem, Ich trag' hinauf, ich trag* hinauf,
Felviszem a baltikamat Ich trag' hinauf mein Beilchen
Boldogasszonyhoz, Zur Boldogasszony,
Boldogasszonyhoz Zur Boldogasszony
Felviszem, felviszem! Trag' ich's hinauf, trag ich's hinauf!
Aber sie lasst das Beilchen fallen und im Niederschweben zur
Erde zwitschert sie traurig:
Elejtettem! Ich hab's fallen gelassen!
Die Boldogasszony sah man in der Gestalt der hi. Maria in
Morotva in einem Brunnen, in der Ortschaft Topolya in der Kirche;
gewohnlich aber wird sie in der Nahe der Kindbetterinnen sichtbar.
Wir kommen nun zum wichtigsten Punkte des diesbezug-
lichen Volksglaubens, zum Boldogasszony- Be tt = Liebfrauenbett.
So wie die Rflmer der Juno, oder wie sie als Geburtshelferin
genannt wurde: der Lucina, ein Bett machten, damit sie die Geburt
glucklich verlaufen lasse, so wird bei den Magyaren das Boldog-
asszony-Bett eingerichtet, das Kindbett, worin die Mutter mit dem
Kinde nach der Geburt bis zu ihrem Kirchgang liegt (introductio
mulieris post partum). Die Mutter bringt das Kind nicht in diesem
Bette zur Welt und wird erst nach iiberstandener Geburt in dies
Boldogasszony -Bett gelegt. Dies Bett beschreibt das Volk also
(K^lmdny S. 14): „Wenn das Kind geboren ist, so macht man
gleich das Boldogasszony-Bett. In demselben dQrfen sich Sachen
wie z. B. Tabak nicht befinden. Reines Stroh wird hingelegt und
dasselbe mit einem Leintuch bedeckt. Die Gardine (szunyogh£16
= MOckennetz) wird angenagelt. In das Boldogasszony-Bett steckt
man hinein Knoblauch, „Kuckuckskraut" (Gentiana), Brot und Salz.
Auch ein Messer steckt man hinein, damit die Hexen sich nicht
nahern kflnnen. Jeden Tag wird es mit dem hi. Dreikflnigswasser
(Weihwasser) geweiht und der Gnade der Boldogasszony anem-
pfohlen. Dem Boldogasszony-Bett darf sich niemand nahern, denn
wenn jemand (die Kindbetterin mit bflsem Blick) bezaubert, so
stirbt diese, wenn er dann nicht gleich seine Augen aufwSrts
wendet. Wenn die Frau im Boldogasszony-Bette liegt, muss jemand
stets in der Stube weilen; wenn niemand da ist, so lasse man
wenigstens die Katze da, sonst wird die Frau so verdorben (be-
hext), dass es mit ihr aus ist. Das Boldogasszony-Bett halt nur
so lange an, bis sie zur Weihe (Kirche) gehen. Wenn sie dort (in
— 160 —
der Kirche) sind, wird das Boldogasszony-Bett zerlegt; das Stroh
wird verbrannt oder an einen solchen Ort gelegt, wohin niemand
hingehen kann."
Die Hebamme stellt das Boldogasszony-Bett auf und in vielen
Ortschaften wird die Gardine mit Messer und Gabel befestigt. In
einigen Gegenden legt man ein Messer auch unter den Polster,
damit die Mutter dasselbe, so oft sie vom Bette herabsteigt, in den
Fussboden steche, urn dadurch die Bflsen (rosszak) fernzuhalten.
Ein rotes Tuch wird an der Gardine befestigt und ein Gebetbuch
legt man auch unter den Kopfpolster. Die Gardine soil die Frau
gleichsam von der Welt trennen.
„Die Hebe Jungfrau (boldogsigos sziiz)" — erzahlt das Volk
(K£lminy S. 15), „trug stets ein Band urn den Leib gewunden;
deshalb tragt man das Kind nicht zur Taufe, ohne ihm ein Band
urn den Leib oder urn den Arm zu binden. Dies bereitet der
lieben Jungfrau grosse Freude."
1st das kleine Kind krank, so bindet man ihm ein Band um
den Arm. Dies Band tragen die Kinder so lange, bis sie einen
Hut oder ein Kopftuch bekommen (K£lm£ny S. 16). Rote Bander
flicht man den Fallen in die Mahnen und am Christabend hangt
man Lappen an die Obstbaume, damit sie viele Friichte tragen
(eb. S. 15). Die Wogulen und Mordvinen hangen RenntierhSute
und Geweihe an die BSume (Barna a. a. 0. S. 15; Hunfalvy,
Regulys Nachlass I. 99; vgl. R. Andree, Ethn. Parallelen u. Vergl.
S. 58). Die Szekler in Siebenburgen winden sogar an die Blumen-
st&cke rotes Garn, um sie vor „basem Blick" zu wahren (Kozma
a. a. 0. S. j 5).
Messer und Gabel wird also in die Gardine gesteckt, um die
Hexen fernzuhalten. Eine Kugel kann sie nicht vertreiben; wer
eine Hexe erschiessen will, muss daher die Flinte mit einem Messer
laden (Kalmany S. 16). In der Theissgegend sticht man eine Nadel
vor dem Georgitage in die Thdre, damit keine Hexe die Schwelle
ubertreten kanne, und ein Messer sticht man in den Tisch, wenn
man glaubt, dass eine Hexe in der Stube sich befinde (Kilminy
S. 16). Wahrend man Salz und Brot in die Gardine bindet, sorgt
man, dass kein Brflsel davon ins Boldogasszony-Bett falle, denn
es heisst im Volksglauben :
„Die Boldogasszony hat gesagt, dass man kein Brosel ins
— 161 —
Bett schiitte, sondern dahin, wo man nicht geht und es nicht zer-
treten kann." Am ,,Hebammenfest" der Mordvinen halt die Heb-
amme eine brennende Kerze in der Hand und fleht: „Ange-Pat'ai-
Paz, Bulaman-Paz, halte dies Brot und Salz far dein Eigentum . . ."
(Barna, S. 48). Bei den Magyaren muss beim Kinde in der Stube
bis zu seiner Taufe eine Kerze brennen.
Was nun den Knoblauch und das Kuckuckskraut anbelangt,
so ist der Knoblauch bei den, den Magyaren stammverwandten
Mordvinen die Lieblingspflanze der Gflttin Ange-Pat'ai, und kranke
Kinder werden mit Knoblauch gerauchert oder ihnen solcher unter
das Kopfkissen gesteckt (Barna a. a. 0., S. 37). Bei den Magyaren
wird auch in die Wiege des Kindes Knoblauch gelegt, urn die
„BGsen" vom Kinde fernzuhalten. Dem „Kuckuckskraut" wird
dieselbe Eigenschaft zugeschrieben. Steckt man dies Kraut ttber
die Thure, so kann keine Hexe in die Stube hinein; damit die Kuh
nicht behext werde, legt man dies Kraut in die Krippe, hangt
davon etwas Qber die Stallthiire, rauchert damit die Kuh und bindet
solches an die HOrner der Kalber (Kalm^ny, S. 18).
„Als Erganzung zum Boldogasszony-Bett", sagt Kdlmany,
„miissen wir noch erwahnen, dass, wenn die Frau zum erstenmal
gebart, man einen Strohwisch ans Bett lehnt, mit dem jeder Ein-
tretende, wenn er das Kind sehen will, dasselbe zuerst facheln
muss, damit er ihm durch bosen Blick nicht schade." Bei den
Mordvinen gilt die Birke fur den Lieblingsbaum der Ange-Pat'ai
(Barna, S. 37).
Nun teilt uns Kdlmdny (S. 19 ff.) die magyarischen Geburts-
gebrauche ausfiihrlich mit, denen wir folgendes entnehmen.
Die Frau gebart mit dem Gesicht gegen das Fenster und
mit den Fttssen gegen die Stube, nicht gegen die Thttre zugekehrt,
wahrend die Toten so aufgebahrt werden, dass die Fusse der Thiire
zugekehrt sind, denn man glaubt, dass dann mit dem Toten auch
der Tod aus dem Hause weiche. Wenn auch die Hebamme bei
der Geburt zugegen ist, so fragt sie die Mutter: „Wohin gehst
du?" Diese antwortet: „lns Boldogaszony-Bett!" — „Helfe dir
Gott!" versetzt nun die Hebamme. Dies wird dreimal gesagt,
bevor man die Kindbetterin nach Uberstandener Geburt ins Boldog-
asszony-Bett legt. Das Kind darf die Mutter im Bette nie auf die
Stelle legen, wo sie vorher gelegen ist, sonst stirbt das Kind. Das
11
— 162 -
Kind nennt man vor seiner Taufe „Nemtudomka" (Weissnichtchen),
damit die Bflsen seinen Namen nicht im vorhinein wissen sollen
und ihm bis zu seiner Taufe schaden kflnnen. Zur Taufe wird
das Kind — ob Knabe, ob Madchen — von der Patin (koma-
asszony) und der Hebamme (b£ba) getragen. Gewflhnlich wird
das Haupt des Kindes mit einem schwarzen Haubchen bedeckt.
Wie schon erwahnt, hatte die Boldogasszony stets eine Haube auf
ihrem Kopfe; deshalb muss die Mutter auf ihre sowohl, als auch
auf des Kindes Haube gar sorgen, denn geht sie verloren, so stirbt
die Mutter, beziehungsweise das Kind.
Was unmittelbar nach der Taufe geschieht, darUber berichtet
das Volk also (K^lminy, S. 19): „Wenn man von der Taufe heim-
kehrt, spricht man dreimal: Gelobt sei Jesus Christus! Einen Heiden
trugen wir, ein christliches Lamm bringen wir! — Die Patin nimmt
nun das Kind und legt es unter das Bett oder unter den Tisch,
damit es nicht ,,weinerlich" werde. Wer das Kind nach der Taufe
zum erstenmal sieht, der muss es dreimal anhauchen, damit es
der Wind des ,,Guta" (Schlagfluss) nicht treffe; dann muss er es
aufheben, damit es gross wachse, und ihm Geld schenken. Wenn
das Essen bereitet ist, so dankt die Hebamme Gott und spricht:
Dank sei Gott, dass er zwei Seelen befreit hat zur Freude des
Vaters und der Mutter. Gott mag es leben lassen, dessen Gunst
wir es anempfohlen, damit es klug, gesund werde! — Nun werden
zahllose Trinkspruche dargebracht. Wenn man zum Taufschmaus
geht, so nimmt man gesprungene Thontflpfe mit sich, die man an
die Thure schleudert. Aus dem Taufhause darf man nichts mit
sich nehmen, sonst wird das Kind nicht glacklich. Die schlechten
T&pfe zerschellt man deshalb an der Thiire, damit das Kind nicht
„fallsachtig" werde."
Der Taufschmaus, den selbst die armsten Eltern halten mussen,
damit ihr Kind im Leben nicht ungliicklich werde, heisst neben
paszita in den meisten Gegenden csdk, was eigentlich Sauerteig
bedeutet (Ipolyi a. a. 0., S. 541). Bika-csflk = nervus taurinus,
taurea. Zum Taufschmaus werden Leute geladen, welche der
Kindbetterin Speisen geschickt haben. Dies Speisesenden nennt
man radina, wohl aus dem Slavischen entlehnt. Die Taufmutter
kauft dem Kinde, wenn es 6 — 7 Jahre alt ist, ein Kleid oder gibt
ihm irgend ein Geschenk. Diese Beschenkung heisst korozsma.
— 163 —
Dies ist ein uralter Brauch. Der Anonymus (Belae reg. not. de
gest. hung. L) erzahlt: „Dux Arpdd genuit filium, nomine Zulta,
et factum est dux et sui nobiles per plurimos dies faciebant con-
vivia magna/'
Nach der Taufe wird die Mutter und das Kind ganz und gar
der Fiirsorge der Boldogasszony anheimgestellt. Zwei Engel —
wie erwShnt — leisten dabei der Boldogasszony Hilfe. Lachelt
das Kind im Schlafe, so sagt man: es spielt mit seinem Engel.
Bei den Mordvinen sagt man, wenn das Kind im Traume lachelt:
die G&ttin Ange-Pat'ai liebkose es (Barna, S. 32) Ist es wach
und lachelt, so zeigt ihm die Boldogasszony einen goldenen Apfel.
Sie zeigt ihm diesen Apfel so lange, bis das Kind nicht nach einer
Katze hascht oder man es nicht vor den Spiegel halt. In der
Theissgegend ist es Brauch, dass man der Braut nach ihrer Heim-
kehr von der Trauung ein Kind in den Schoss setzt, dem sie
einen Apfel gibt; dieser Apfel heisst „Brautapfel ' = menyasszony-
alma (Kdlmany, S. 22). „Wenn das Kind heftig weint und in der
Nacht jah aus dem Schlafe aufschreckt, so schrecken es die Hexen.
Man stellt das Kind daher vor die Vorhausthiir und schlagt Uber
seinem Kopfe einen Nagel so tief in die ThQre, dass er nicht mehr
hervorsteht."
Nachst dem Boldogasszony-Bett bildet far das Kind einen
besonderen Schutz die SchUrze der Boldogasszony (B. kataje).
Es heisst namlich im Volksglauben, dass, wenn das Kind vom
Bette zufallig herabrollt, es in die Schurze der Boldogasszony
falle. Selbst Erwachsene riihmen sich, in die SchOrze der Boldog-
asszony gefallen zu sein, wenn sie von einem hohen Orte herab-
fallen, ohne dabei Schaden zu leiden (K^lminy, S. 23). Bei den
Deutschen Ungarns (in Csat£d, Uj-Szent-lvin) heisst diese Schurze
„Mutter Gottes- Schoss", bei den magyarischen Serben „Marias
Mantel".
„Der Mutter", schreibt Kalm£ny (S. 23), „steht ausser dem
Boldogasszony-Bett auch noch der Boldogasszony-Pantoffel hilf-
reich bei." Die Boldogasszony als Beschtitzerin der Kindbetterinnen
tragt ihnen strenge auf, dass sie barfuss nicht gehen, sondern ihre
(der Boldogasszony) Pantoffeln beniitzen sollen, so lange sie nam-
lich in ihrem Bette liegen. Die Kindbetterin muss besonders
auf ihre Fusse sorgen, deshalb stehen vor ihrem Bette stets die
11*
- 164 -
sogenannten Boldogasszony-Pantoffel, in welche sie sofort ihre Fttsse
zu stecken hat, sobald sie vom Bette steigt. Verlasst sie das Bett
endgiltig, dann darf sie diese Pantoffel nicht mehr gebrauchen.
Nur Frauen, die dreimal Zwillinge geboren haben, erlaubt es die
Boldogasszony, diese Pantoffel ihr Leben lang und wo immer zu
tragen.
Wird das Kind trotz der Fiirsorge der Boldogasszony krank,
so bringt ihm Heilung die sogenannte Boldogasszony-Milch. Diese
Milch melkt sich eben die Kindbetterin selbst aus der Brust. Gegen
Augenweh ist diese Milch ein sehr gutes Mittel; mit ihr vertreibt
die Mutter auch die Hexen, indem sie jeden Tag etwas davon auf
die Gardine des Boldogasszony-Bettes melkt (Kilm£ny, S. 24).
Ein Kinderreim, angewendet wenn Staub oder Mist u. dergl.
ins Auge fallt, lautet:
Isten nyila beleesett, Gottes Pfeil ist (ins Aug') gefallen,
Boldogasszony t je Milch der Boldogasszony
Mossa ki belole! Mag (ihn) herauswaschen !
Unter „Gottes Pfeil" (isten nyila) ist hier der Mist u. dergl. zu
verstehen; gewflhnlich aber wird der Blitz (villam) also genannt.
Eine Besprechungsformel, bei deren Hersagen man mit dem kleinen
Finger das kranke Auge zu bekreuzen hat, lautet:
Az atyinak nevlben f f f
Fiunak szerelmeben f f f
Szent Jinosnak ildisa terjedjen reil
Boldogsagos szuz Miria teje
Mossa le, mosogassa le ezt a bajokatl
1m Namen des Vaters f t t
Bei des Sohnes Liebe t t t
Der Segen des hi. Johannes breite sich daruber aus!
Milch der lieben Jungfrau Maria
Wasche ab, wasche ab diese Leiden 1
Auch hier wird, wie oben bei der Schurze, statt „Milch der
Boldogasszony" — Milch der Maria gesagt.
Fur den Festtag der Boldogasszony gilt der Sam stag. Wer
an diesem Tage reine Leibwasche anzieht, der bleibt von Krank-
heit verschont, besonders wenn er vorher sich bekreuzt; denn dann
fleht fur ihn die liebe Jungfrau kniefallig zu ihrem hi. Sohn. An
diesem Tage darf man nicht spinnen, denn „am Samstag hat man
— 165 —
den Strick geflochten, mit dem man den hi. Sohn der lieben Jung-
frau an die steinerne SSule gebunden hat. Deshalb verfluchte sie
jeden, der am Samstag spinnt". Vor noch etwa zwanzig Jahren
durfte man in der Ortschaft Szeged-Madar£szt6 am Samstag in den
Weinbergen nicht arbeiten. An diesem Tage muss beim grflssten
Regenwetter die Sonne wenigstens einige Augenblicke lang schejnen ;
nur an drei Samstagen im Jahre scheint sie nicht (Kalmdny, S. 25).
Es heisst im Volksglauben, dass an einem Samstage die Maria dem
Jesuskindlein die Windeln wusch und zum Trocknen hinaushing.
Als die Sonne nicht schien, rief sie: „Scheine Sonne, scheine
Sonne! Trockne dem kleinen Jesus die Windeln!" (SQss fel nap,
sUss fel nap! Szdritsd meg a kis Jezus pelenk£j£t!) —
Der Monat Januar heisst im Magyarischen auch „Boldog-
asszony-hava" (Monat der B.) und in diesen Monat mag auch das
Fest der heidnischen Boldogasszony gefallen sein, ehe man mit
ihren Eigenschaften die hi. Maria zu bekleiden begann. Es wurde
schon beim Boldogasszony-Bett erwahnt, dass man die Gardinen
desselben nur mit am hi. Dreikonigstag (vfzkereszt = Wasserkreuz,
Wasserweihe) geweihtem Wasser besprengt, obwohl auch zu Ostern
und Pfingsten Wasser geweiht wird. Kalm^ny halt es zum Teil
fQr mOglich, dass an diesem Tage einst das Fest der heidnischen
Boldogasszony begangen wurde. Hiefilr spricht in mancher Be-
ziehung der in Ungarn am hi. Dreikflnigstage vorgenommene
Brauch des „Hauseinsegnens" (hazszentelG) durch die Kirche, was
auf folgende Weise vorgenommen wird: Zwei Knaben treten in
fedes Haus ein und fragen den Hausherrn, ob er sein Haus ein-
segnen lasse? Hierauf erscheinen die Ministranten mit GlOcklein
und Weihwasserbehalter; ihnen folgt der Geistliche und der Kantor
nach. Den Schluss des Zuges bildet der Kirchenkurator und ein
Knabe, der einen Sack tragt. Auf dem Wege werden Kirchenlieder
gesungen. Im Hause spricht der Pfarrer ein Gebet und besprengt
dann Stube und Stall mit Weihwasser, worauf man ihm Speck,
Eier, Mehl u. dergl. schenkt, welche Geschenke der Knabe im
Sacke weitertragt. In grossen Gemeinden dauert dies „Hausein-
segnen" oft eine ganze Woche lang, bis der Pfarrer jedes Haus
„geweiht" hat. Wahrend des Einsegnens der Stube stellt man ein
Gefass mit Weizen auf den Tisch und legt einen Apfel auf den
Weizen oder Federn. Dann wird der Pfarrer zum Niedersitzen
— 166 —
gezwungen, damit „sich das GeflUgel vermehre" (K^lmany, S. 27.)
Kin ahnliches Fest feiern die Mordvinen, dessen Beschreibung wir
aus Barnas trefflichem Werke vollinhaltlich mitteilen miissen,
besonders da dies Werk dem Auslande schwer zuganglich, und in
magyarischer Sprache verfasst, leider unverstandlich ist.
„Am Weihnachtsabend beobachten die Kinder der Mordvinen
und Russen ein und denselben Brauch, den sie Kjol'ada nennen,
nach dem Namen der den Viehstand beschQtzenden „Birkengott-
heit", Kjol'ada, benannt. Bekannt ist das Bestreben der Russen,
diese Benennung entweder aus dem lateinischen calendae, oder
aus dem russischen kolo (Kreis) abzuleiten, freilich erfolglos. Das
mordvinische Wort kjol'ada bedeutet eigentlich „aus Birkenholz",
kjol oder kjolu heisst Birke, die der Lieblingsbaum der Ange-Pat'ai,
und ihr geheiligt ist. Bei Sommerfesten tragen Maide und Witwen
griine Birkenaste herum, nachdem aber solche im Winter nicht zu
haben sind, so halten sie die aufbewahrten Zweige Qber den Dunst
des siedenden Wassers, in welches sie Milch, eine Handvoll Hirse
und einige aufgebrochene Eier legen. Mit dem Wasser reinigen
sie die Wiegen der Kinder und besprengen die Stube mit dem-
selben bei Geburten.
„Am Weihnachtsabend kommen Knaben und Madchen im
Alter von 14—15 Jahren zusammen. Die Maide tragen Birken-
ruten, an die sie Tucher und Bander binden. Auch dies belegen
sie mit dem Namen kjol'ada. Die Knaben gehen mit allerlei
schallenden Geraten, wie Glocken, Klappern, Erztflpfen u. dergl.,
herum. Voran tragt eine Maid einen Sack; vor ihr geht eine
andere mit einer brennenden Kerze. Der Leuchter der Kerze
ist an eine Stange gebunden und wird hoch emporgehalten. Im
Zuge singen die Kinder:
Kjol's, KjoPada's,
Der goldbartigen,
Sachen geh'n wir nach.
Kjol'ada ist angekommen,
Oeffne daher das Thor,
Beschenk' Kjol'ada
Mit Wursten, Schweinefiissen,
Mit von Weibern gebackenen Kuchen.
Kjol, Kjol'ada,
Goldbartige.
— 167 —
Wahrend dies Lied gesungen wird, klingeln und ldappern die
Knaben mit ihren Schellen und Klappern und machen im Dorfe
einen schrecklichen Larm.
„Die Weiber, mit ihren besten Kleidern angethan, reichen zum
Fenster hinaus mit Knoblauch gefarbte Eier, mit Hirse gefiillte
WQrste, aus Milch, Butter, Eiern u. s. w. verfertigte sQsse Kuchen
und die sogenannten kjol'angem-Kuchen, die mit Hirse und Eiern
gefullt sind und denen man Gestalten von Schafen, Schweinen und
Hahnern zu geben pflegt. Die Kinder stecken dies alles in den
Sack, indem sie von Haus zu Haus gehen. Nachdem sie das ganze
Dorf durchzogen, kehren sie in ein Haus ein, stellen den verzierten
grossen Birkenzweig und die brennenden Kerzen in dem Vorder-
raum auf und schmausen von den gesammelten Gaben; den Rest
davon tragen sie heim.
Die jungen Weiber beginnen schon am Mittag des Vortages
mit den Vorkehrungen zum Mahl. Bei dieser Gelegenheit machen
sie auf eine eigentumliche Art Feuer auf dem Herde. Sie zttnden
vor ihm eine Kerze an und stellen Birkenaste auf; mit einem
Birkenzweige aber kehren sie alle Asche vom Herde weg; dann
legen sie das Holz darauf, das unbedingt Birkenholz sein muss
Wenn keins vorhanden ist, so muss wenigstens ein Stiickchen
Birkenholz dabei sein. Die Hausfrau ziindet dann an der Kerze
ein Birkenrutenbundel an und spricht: „Csam-Paz (der oberste
Gott), erbarme dich unserer, Ange-Pat'ai-Paz, heiligste Gottesmutter,
fleh' fur uns; SvSt-Niski-Paz (Sonnengott), lass' roten Tag entstehen,
erwSrme uns, schaffe uns viel Nahrung."
„Vor die Oeffnung des Herdes wird das brennende Ruten-
bundel gelegt, darauf aber ein angebrannter Holzstrunk, der vom
vorjahrigen Kjol'aden-Fest sorgsam aufbewahrt wurde. Wenn der
Strunk verbrannt ist, stflsst man die Glut ins Innere des Herdes
und zQndet das dort befindliche Holz an. Ausser diesem Holz-
strunk legt man auch noch einen feuchten Birkenklotz in den
Herd, der dort auch drei Tage lang fortglimmt. Auf die zuriick-
gebliebenen Kohlen wird Wasser gegossen, in welchem man vorher
Birkenruten eingeweicht hat; dann werden sie fur das kommende
Winterfest unter dem Herd versorgt. Dasjdeinste Kind der Familie,
das gehen kann, muss die Glut abgiessen. Vor dem Abgiessen der
Glut streut die Hausfrau Salz darauf. Wenn das Salz zu knistern
— 168 —
beginnt, spricht sie: „Niski-Paz, schein' auf uns; starker wie das
Salz, mag nicht knistern Paz-Purgini (Donnergott)!"
1st der Ofen eingeheizt, so wird er nicht mit dem gewflhn-
lichen Besen, sondern mit angefeuchteten Birkenruten ausgefegt,
indem man dabei zu Ange-Pat'ai fleht. An diesem Tage werden
Wurste gebraten, mit Knoblauch Eier gefarbt, sUsser Kuchen
mit Schweineschmalz gebacken, und kjol'angemen oder mit
Hirse und Eiern gefQlltes Geback. Am folgenden Tage, d. h.
am ersten Weihnachtstage, bedecken die verheirateten Weiber
den Fussboden der Stube mit reinem Stroh, legen in die
Ecken, mit der Spitze nach aufwarts, Birkenzweige, vor welche
sie unentzOndete Kerzen stellen; und nun beginnen sie die
Speisen zu bereiten . . ."
So weit Barna. Diese mordvinischen FestgebrSuche haben
eben far die Valkerkunde ihre besondere Bedeutung, indem man
auch hiebei gewahr wird, wie nSmlich „trotz der unendlichen
Mannigfaltigkeit der Formen doch eine und die namliche oder
doch sehr nahe verwandte Form oft an den verschiedensten, mit-
unter raumlich von einander weit entfernten Punkten wiederkehrt,
und dies trifft gerade far die seltsamsten und auffallendsten dieser
Formen zu. Die Erscheinung wiederholt sich freilich auf fast alien
Gebieten, was schon Peschel veranlasst hat, zu bemerken, bei
dieser Uebereinstimmung uberfalle uns fast die trostlose Vorstellung,
als sei das menschliche DenkvermGgen ein Mechanismus, der bei
der Einwirkung gleicher Reize immer zu den gleichen ROssel-
sprangen genfltigt werde" (Hellwald, Ethnogr. Rosselsprunge,
S. 49).
Bei den Magyaren istdas„BirkenrutenschIagen"(nyfrfavesszozes)
in Brauch. Am dritten Weihnachtstag werden namlich die Kinder
in die Nachbarschaft geschickt, urn „Senfkarner" zu holen. Sie
werden nun von den Nachbarsleuten mit Ruten geschlagen, damit
sie gesund bleiben. Wahrend des Schlagens werden die Kinder
gefragt: Wie viel kleine Heilige gibt es? Die Antwort lautet:
Hundertvierzigtausend! Beschenkt werden die Kinder entlassen.
Dieser Tag heisst „apr6 szentek napja" = Tag der kleinen (winzigen)
Heiligen. In manchen Gegenden werden auch die Weiber von den
Mannern mit Birkenruten geschlagen, wobei man den Vers hersagt
(Kalmany, S. 28):
- 169 -
Odorics-Divics, Odorics-DAvics
Apro szentdlc napja, Kleiner Heiligen Tag,
Erigy* Isten hirevel, Geh' in Gottes Namen,
Jirj bekevel, Wandle in Frieden,
Mulass eg&zseggel! Unterhalt' dich in Gesundheit!
Bei den Mordvinen weckt die Mutter am ersten Christtage in der
Fruhe ihre Kinder mit Rutenschlagen auf, damit sie gesund bleiben
(Barna, S. 43).
Mit RQcksicht auf diese vielen BerQhrungspunkte, die sich
zwischen diesen mordvinischen und magyarischen Festgebrauchen
ergeben, ist nun Kalm^ny geneigt, das Fest der heidnischen
Boldogasszony, und zwar der heilenden, in die Weihnachtszeit
zu versetzen, „denn gerade zu Weihnachten werden verschiedene
Gebrauche vorgenommen; die sich auf die Gesundheit beziehen".
Wenn man in der Weihnacht von der mitternachtlichen Messe
kommt, prophezeit man aus der Windrichtung auf Seuchen, die
im kommenden Jahr herrschen werden oder nicht. Man sucht bei
dieser Gelegenheit Weihrauch und Kerzen aus der Kirche zu stehlen,
urn damit Kranke zu rauchern. Am Christabend gibt man kranken
Kindern Nusse zu essen und rSuchert sie mit den Nussschalen,
worauf man sie zu gesunden Kindern treibt, damit sie auch gesund
werden. Am Christtag soil man den Stall nicht reinigen, sonst
bricht eine Seuche unter den T eren aus. An den drei Christtagen
soil man die Rosse nicht putzen, son:>t bekommen sie den Grind.
Ist zu dieser Zeit ein Tier krank, so soil man Pflaumenkerne iiber
dasselbe hinweg werfen und es mit dem Tischtuch des Weihnachts-
tisches bedecken. Am Christabend soil man das Stroh sammeln,
worauf man die Bruthennen setzen wird. Ist ein Pferd krank, so
soil man es mit einem Hut schlagen, der am Weihnachtstische
gelegen ist. —
Die Boldogasszony tritt im Volksglauben nicht nur als Be-
schiitzerin der Kinder und als Heilfrau auf, sondern sie
straft auch die Weiber.
Welches Weib am Boldogasszony-Tage, also am Samstag, ein
Fussbad nimmt, das bekommt die Menstruation der Boldogasszony,
d. h. Ubermassige menses. Im Volksglauben heisst es ferner (K£I-
many, S. 29): „Die Boldogasszony hat aufgetragen, dass das Weib,
welches bewirkt, dass es kein Kind zur Welt bringe, das Kind
- 170 —
(gleichsam) morde, und dessen Kopf (unsichtbar) in der SchUrze
mit sich herumtrage" „Eine Frau ging in der Nacht urn, denn
sie hatte elf Kinder verzehrt (d. h. urns Leben gebracht). Die
Erde nahm sie (d. h. ihren Leichnam) nicht in sich auf; die elf
K&pfe trug sie in ihrer Schurze. Sie musste stets herumirren, bis
sie einem Weib begegnete, das zu ihr sprach: „Warum hast du
nicht auch die Kflpfe verzehrt!? Da konnte man sie begraben . . ."
Die Boldogasszony bestraft also diese SQnderinnen: nach
ihrem Tod nimmt sie die Erde nicht in sich auf; die Kflpfe ihrer
Kinder miissen sie in der SchQrze so lange herumtragen, bis
sie einem „Weib", wahrscheinlich der Boldogasszony, begegnen.
Ebenso straft die Boldogasszony auch diejenigen, welche leugnen,
dass sie gesegneten Leibes sind; ihre Kinder lernen gar spat
sprechen. Wenn ein Weib einen Trauring zu tragen pflegt und
denselben vom Finger zieht und nicht mehr tragt, so wendet sich
die Boldogasszony von diesem Weibe ab. Sie ziirnt auch dem
Weibe, das pfeift; denn dies Weib ruft durch das Pfeifen den
Teufel zu sich (K£Im2ny, S. 30).
Noch einen wichtigen Zug in diesem Boldogasszony- Kult
fiihrt Kalmany (S. 31 ff.) an. Es ist dies der sogenannte „Boldog-
asszony-Becher" (B.-pohara), der beim Mahle geleert wird, das man
nach dem ersten Ausgang (Kirchgang) der Wflchnerin zu verzehren
pflegt. Das Volk berichtet darQber in der Szegeder Gegend also:
„Den Boldogasszony-Becher sollen wir nach der Weihe (Kirchgang)
leeren. Wenn die Frau das Boldogasszony-Bett verlasst (heutzutage
zwei, fruher vier bis sechs Wochen nach der Geburt), geht sie zur
Weihe (avatas) in die Kirche. Wenn sie aus der Kirche heraus-
kommt, so hebt sie das, was an ihr hangen bleibt, wenn es auch
nur getrockneter Kot ist, auf und legt es daheim in die Wiege.
Die Frauen sind bereits versammelt (Manner dtlrfen nicht zugegen
sein). Die alteste Frau (in manchen Gegenden die Hebamme oder
auch die Mutter des Kindes) stellt den Becher auf ihre rechte
Handflache und spricht den Segen: „Gebe Gott, dass wie jetzt
N. N. glQcklich aus dem Boldogasszony-Bett frei geworden ist, sie
weder im Gehen, noch im Stehen ein Leid treffe!" Nun spricht
der Reihe nach jedes Weib einen Segensspruch und leert den
Becher. Ein und derselbe Becher macht die Runde. Dass dieser
Segenstrank in heidnischer Zeit mit Opfern zusammenhing, die
— 171 —
man der Geburtsg&ttin darbrachte, ist hflchst wahrscheinlich. Aus
ein und demselben Becher mUssen auch die Freiersleute bei der
Brautschau trinken. Der Boldogasszony-Becher darf nicht mit den
Fingern angepackt, sondern muss auf der rechten Handflache empor-
gehalten werden, was auf eine alte Kulthandlung zuriickweist. Die
„Weihe" (avat£s) wird in der Kirche vormittags zwischen 9 bis
10 Uhr vorgenommen; denn „die Kirche wiinscht, dass die
WGchnerin vorerst Gott danke, bevor sie wieder ihre gewflhn
lichen Geschafte aufnimmt." Branntwein, bisweilen Wein, ist der
Boldogasszony-Trank, Kase und Brot der Imbiss.
Bei den Mordvinen finden wir ahnliche Gebrauche vor. Der
Jarnbed (Koch des Opferfleisches) sticht beim Sammeln der Gaben
zum gemeinsamen Opfermahl sein Messer in die Hausthiire, damit
die Bosen feme bleiben. Die Haute der Opfertiere werden auf
Baume aufgehangen. Dies alles finden wir als Reminiscenz beim
Boldogasszony-Bett wieder. Die Frauen der Mordvinen tragen am
sogenannten „Hebammenfest" (am 26. Dezember) zur Hebamme
% Bier und Kuchen, die sie nach gemeinschaftlichem Gebete ver-
* zehren (Barna, S. 48). Die Henne ist bei den Mordvinen das
Lieblingstier der Ange-Pat'ai, und Huhnerfleisch darf bei keinem
magyarischen Taufschmaus fehlen. —
Was Wesen und Bedeutung der Boldogasszony anbelangt, so
kann dieselbe mit der Szure mama der Mandsu verglichen werden,
der „klugen, einsichtsvollen Grossmutter, dem Schutzgeiste der
Kinder, zu der man bei Blatternepidemien fleht, ihr Schweine und
Brot opfert" (Gabr. B£lint, A Mandsuk szertart&os kanyve =
Ceremonienbuch der M., S. 8). Castren (Vorlesungen iiber die
finnische Mythologie, S. 168, 179) erwahnt bei der finnischen Kave,
dass die Kaba der Tscheremissen, die Kebe oder Kaba der Tschu-
vaschen den Menschen vor den „B5sen" beschQtzt und mit den
christlichen Engeln zu vergleichen ware. Was nun die Kebe der
Tschuvaschen anbelangt, so schreibt daraber der berOhmte Kenner
Centralasiens H. Vdmberg (A csuvasokr61 = Ueber die Tschu-
vaschen, S. J4, 35): n Kebe = Schicksal, Loos; richtiger: der fiber
dem Menschen schwebende Gott des Schicksals Sbojer bringt
dies Wort mit dem arabischen kadha = Loos in Verbindung, aber
unrichtig, denn es ist rein tQrkischen Ursprungs und idjentisch mit
— 172 —
turkisch: kebe, ktib, kern = Mass, d. h. was einem zu teil wird.
Der Kebe sind zwei andere Gottheiten untergeordnet: PalQkshi
und Pigambar. Piililkshi teilt den Menschen, auf Kebes Befehl,
Reichtum oder Armut, Glttck oder UnglUck zu. Auch dieser ist
Familienvater, denn er hat eine Gattin und Kinder. Pulukshi
stammt vom Verbum : pill = teilen, verteilen, zu teil werden, und
bedeutet daher: Verteiler. Pigambar gibt auf Kebes Befehl den
Menschen die geistigen Eigenschaften und den Priestern (zomzje)
die prophetische Gabe. Fruher war dies auch der Gott des Feuers,
aber langsam wurde er der Gott der Hirten und ist heute zum
Schutzgeist des Viehes herabgesunken. Daher kommt es, dass bei
den Tschuvaschen der Wolf Pigambar jitti = P.'s Hund genannt
wird. Diesem Gotte opfert man diinne, mit Blut gemischte Eier-
kuchen (josman) unci Serbet, wobei man betet: „Sei gnadig, o
Pigambar! Josman und Serbet habe ich dir dargebracht, thue mir
nichts Schlechtes an, halte deine Hunde zurUck und nicht gib
ihnen Macht!" — Auch der magyarischen Nagyasszony oder Nagy-
boldogasszony sind untergeordnet: die Boldogasszony und die beiden
Engel, welche die Wochnerin und das Kind vor allem BGsen und
jedcm Unfall zu schutzen haben.
Die meiste Aehnlichkeit, sagt Kalminy (S. jo), weist die magya-
rische Boldogasszony mit der Niskende-Tewtar der Mordvinen auf, der
altesten Tochter der Gattermutter Ange-Pat'ai. Niskende-Tewtar
ist die Tochter der Ange-Pat'ai, die Boldogasszony aber der der
Ange-Pat'ai entsprechenden Nagyboldogasszony. Ange-Pat'ai uber-
lSsst nach der Geburt der Niskende-Tewtar die Bestimmung des
Schicksals des Neugeborenen (Barna a. a. 0., S. 10), so wie bei
den Magyaren die Nagyasszony oder Nagyboldogasszony dies der
Boldogasszony ttberlasst. Niskende-Tewtar hat auch Untergebene,
die Ange-Ozaise, so wie der Boldogasszony die Engel zur Seite
stehen. Niskende-Tewtar hat einen Sohn, den Gott des Donners,
Purgine-Paz (Barna, S. 10). Wo die hi. Maria mit dem Glauben
an die Boldogasszony verschmolzen wurde, ist dies auch bei der
Boldogasszony der Fall, indem Christus ihr Sohn ist. Kurz, alle
Eigenschaften der magyarischen Boldogasszony lassen sich bei der
Niskende-Tewtar der Mordvinen nachweisen. —
Fassen wir nun kurz das Resultat unserer Untersuchung
zusammen.
- 173 -
Die Geburtsgttttin der heidnischen Magyaren, die Nagyasszony
oder Nagyboldogasszony, lebt auch noch im heutigen Volksglauben
fort, obwohl sie in einigen Gegenden durch slavischen Einfluss von
der hi. Anna verdrSngt wird. Der Dienstag ist ihr geheiligt.
Die Boldogasszony ist die Tochter der Nagyasszony und sie
ist die Schutzg&ttin der Wflchnerinnen und der Kinder. Nur in
Gegenden, wo die alles zersetzende Kultur den echten Volksglauben
untergrabt, wird die Boldogasszony mit der hi. Maria vermengt,
die als BeschQtzerin der Weiber in den Vordergrund zu treten
beginnt, indem ihr die Eigenschaften der heidnischen Schutzgottin,
der Boldogasszony, beigemessen werden. Der Samstag ist ihr ge-
heiligt. —
Dies ware denn die kurze Darstellung des auf die Nagyasszony
und Boldogasszony bezUglichen magyarischen Vol ksglau bens, bei
dem die Verquickung christlicher und heidnischer Elemente recht
deutlich nachweisbar ist. An eine Entlehnung aus dem Volks-
glauben einer fremden VGlkerschaft ist umsoweniger zu denken,
nachdem sich eben ahnliche Wesen auch im Volksglauben der
stammverwandten Mordvinen vorfinden.
kebe, k&b, kern -
sind zwei an
ibar. Piiliikshi
oder Armut, i
ter, denn er
m Verbum : /
laher: Vertei:
die geistipi <
itische Gabe
am wurdc
t des Vieh.
.vaschen i!
isem Got:
)sman) u:
Josma:
ilechtes
ht!" -
ony si
lche v
; all v
neisi
log;:
Schlagworte.
Abel 98.
Abracadabra-Formel 146.
Abrahamtag 93.
Achelis Th 67.
Aegidiustag 98.
Aesop 19.
Aldomas 32. 33. 171.
Allerseelentag 63.
Alte, wilder 15. 17 ff. 19. 20.
Amulet 83. 86.
Ameise 149.
Ammann 87.
Anna hi. 152. 153. 155. 157 173.
Andree R. 137. 139. 160.
Andrian Ferd. Frhr. v. 1.
Andreasnacht 15.
Andreastag 98.
Ange-ozaisz 158. 172.
Ange-Patai 155. 157 ff. 161. 163. 166.
167. 171. 172.
Animismus 1.
Anton hi. 141.
Apafi 114.
Apfel 27. 76. 120. 134. 163. 164.
April 149.
aristolochia clematitis 13.
Asche 34. 50. 61. 62. 69. 88. 138. 139.
Aspiom 147.
Atemlosigkeit 70.
atropa belladonna 145.
Augenweh 81. 101. 126. 164.
Auguralwissenschaft 25.
Ausschlag s. Hautausschlag.
Austreiben 50.
AuswQchse 20.
Avianus 19.
Badewasser 73. 134. 139.
Balazs M. 88.
Balint G. 171.
Band am Arm 160.
Banffi 72.
Bannwalder 6.
Barak M. 108.
Barbaratag 98.
Barna Ferd. 58. 155. 157. 160 161.
163. 166. 168. 169. 171. 172.
Barthol omaeides 4. 7. 55. 59.
Bathori 120.
Bauchweh 81. 131.
Baum 20. 31. 48. 49. 69. 136 ff. 137.
138. 139. 140. 141. 143. 145.
146. 147.
Baumgeister 147.
Bayuctar 112.
Begrabnis des Brullers 43.
Behexung 62.
Behexungsglauben 32.
Bel 13. 21. 27. 55. 121.
Berggeist 17. 19. 21.
Berthold 19.
Besen 34. 51. 62. 119.
Beschreien 4. 73. 125. 130.
Bethlen G. Furst 83. 85.
Bethlen N. Graf 69.
Bethlen W. 120.
Bethlenjaris 35 ff.
Bienenzauber 149.
Birke 59. 119. 161. 166. 167. 168.
Blasen 131.
Blasiustag 98.
Blasiusumzuge 47.
Blattern 140.
— 176 —
Blei 137.
Bleichiucht 70. 74.
Blick boser 125. 159. 161.
Blitz 6. 63. 73. 140. 145.
Blocksberg 49. 72. 112.
Blut 5. 6. 11. 22. 26. 68 ff. 76. 81.
88. 91. 92. 94. 99. 101. 102. 120.
131. 136. 140. 149. 172.
Blutungen 131. 156.
Bod 6 109. 113. 118. 123.
Boldogasszony 152 ff.
Boldogasszony-Bett 159 ff. 164.
Boldogasszony- Milch 81. 158. 164.
Boldogasszony- Becher 170.
Bohne 143.
Bonfin 121.
Bora v. 69.
Brautnacht 77. 89.
Brautschfissel 54.
Brautwerbung 65.
Brot 10. 38. 69. 117. 129. 146. 159.
160. 161.
Brotspiel 45.
Bruch 131.
Brust 81.
Brustschmerzen 74. 121. 132.
Castren 171.
Chanthariden 137. 145.
Charfreitag 10. 89. 92. 94.
Charfreitagsnacht 33. 51.
Charwoche 51 ff.
Cholera 141. 142.
C'-ristbaum 32.
Christkindlein 32.
Christklotz 34. 48.
Christnacht 5. 34. 112. 160 s. Weihnacht.
Christoph hi. 87. 88. 89. 90. 91. 92. 93.
Chronikon Budense 25. 124.
Chronikon Fuchs-Lup.-Oltard. 107. 117.
Cicero 69.
coitus 104.
Conception 70. 77. 120.
Csam-Paz 167.
Csaplovics 4. 12. 60.
Cserei 72.
Csio P. 20.
Csoda 19. 20 ff.
Csoma, csuma 146.
czipozis 45.
czolonk 69.
Dachs 141.
Damonen 50.
Dankopfer 2.
Darius 83. 92.
David hi. 97.
Diebzauber 122. 150.
Dienstag 153. 155. 156 ff. 157. 173.
Donnerkeil 6.
Donnerschlag 110.
Donnerstag 98. 149. 156.
Dorfler Fanny Anna 44.
Drache 75. 85.
Dreikonige 42. 98. 165.
Dromd, Drumd 49. 91. 110.
Dugonics 43. 108.
Eber 112.
Eberhardus .93.
Eberniederschlagen 31.
Ec ken's Ausfahrt 5.
Egge 10. 34.
Ehrenberg Richard 16.
Ei 11. 48. 51. 70. 71. 131. 134. 145.
157. 166.
Eiche 121. 141.
Eid 2. 3.
Eidechse 137.
Eingeweide 33.
Einmauerungssage 26.
Eisen 38.
Embryonenhaut 80.
Endlicher 2. 5. 7. 8. 26. 33. 105.
Epidemie 78 s. Seuche.
Epilepsie 52. 70. 132. 162.
Erasmus 19.
Erdbeben 5.
Erde 1 ff. 137.
Erhangte 68. 70.
Esche 145.
Erie 145.
Esel 9. 113. 137.
— 177 —
Espe 69.
Eule 73.
Exkremente 20. 50. 70.
Farkas 118.
Fasching 42 if. 44.
Fasten hexe 43.
Fazekas K. 114.
Fazio degli Uberti 19.
Feen 7. 10. 15. 22. 39. 74. 83. 92.
102. 126. 140.
Fejer 7. 27.
Feldopfer 26.
Feldraute 61.
Feldzauber 48.
Festgebrauche 24 ff .168.
Feuer 63. 65. 141.
FeuerstahJ 48.
Ficze 147. 148.
Fieber 11. 133.
Finger 68. 71. 77.
Fisch 116.
Flamme blaue 91. 02. 94,
Flamme aus dem Grab 79. 89.
Flechte 134.
Fledermaus 90. &2.
Fliege 114. 139.
Fluchformel 21.
Flugfett 90. 115.
Flurumzug 44. 51.
Frauenprarogativ 52.
Fraulein drei s. Jungfrau.
Frau schwarze 11. 48. 135. 136. 141.
142. weisse, rote 48.
Frauen schone 140. 141.
Freia 152.
Freitag 68. 99. 100. 137. 138. 140.
Friedel E. 15.
Friedhof 76. 134. 139. •
Frischbier 127. 136. 139.
Frosch 53. 68. 134.
Fruchtabkochung 31.
Fruchthautchen 80.
Fruchtopfer 26.
Fruhlingsfest 46.
Fuchstaufe 44.
F*ussspur 34. 81.
Fusse geschwollene 134.
Galgenberg 94.
Gans 53. 114 121. 122.
Gebet 86. 87. 88. 89. 90. 92. 93. 95.
97 ff. 98. 99. 100. 108.
Geburt 74. 166.
Geburtsgebrauche 161.
Geburtsgottin 152 ff.
Gedenkschlage 44.
Geist hi. 49.
Geister 34. 49. 50. 58. 63. 87. 88. 93.
Gelbmohre 135.
Gelbsucht 74.
Genitalien 70. 126. 137. 144.
Gentiana 159.
Georg hi. 66.
Georgsnacht 10. 22. 48. 49. 64. 92. 94. 112.
Georgstag 10. 22. 47 ff. 48. 90. 92.
116. 117. 137. 145. 160.
Georgsumzuge 46.
Gerard hi. 72. 112. 154. 155.
Gerichte 9.
Gerste 127.
(Seschwur 74.
Gespenst 12.
Gewurz 10.
Giannini 18. 19.
Gicht 135.
Gliederreissen 136.
Gliedkraut 62.
Glockenfett 74.
Gluck 6. 15. 30. 80. 85.
Gluckstopf 15. 16. 17.
Golther W. 23.
Grab 59. 63. 70. 71. 74. 79. 84. 89.
137. 150.
Graberde 12. 48.
Grabpltindern 83.
Grastragerin 112.
Gregortag 98.
Grimm 61. 63. 111. 113. 116. 121.
Grossgras-Wurzel 10.
Grundonnerstag 156. 157.
Gyula 14.
J 19
— 1W -
Haare 6. £0 ft. 34. 48.
68.
71.
77.
Horvath 86.
78. 126. 129. 137. 138. 118.
Hose 146.
Habicht 53.
Hostie 12. 47.
Hack en Ziehen 54.
Hufeisen 32.
Hafer 121.
Hund 22. £6. 69. 78. 96. 113 H. 114.
Hagel 43. 48. 117. 118.
150.
131. 137. 138. 139. 145. 172.
Hahn 11. 20 ff. 53. 149.
Hunfalvy 160.
45.
133
litis 141.
. 53.
Inhoffer 76.
Halsweh 4. 27. 137.
Impotenz 137.
Hammer 101.
Inspektion 33.
Hanf 56. 137.
Ipolyi Arnold 1. 2. 3. 4. 5. 7. 8. 9.
Hase 78. 110. 135. 137.
11. 13. 14. 19.20. 21.25.26.33
Haselrute 86. 88. 89. 92
94
95.
96.
35. 38. 39. 45. 48. 49. 66 57. 60.
97. 99. 100. 101. 102.
61. 62. 63. 64. 65. 66. 71. 72. 73
165.
74. 76. 77. 80. 83. 84. 85. 90. 91
8. 74. 123
128
131.
104. 105. 106. 107. 108. 109 bis
74.
126. 147. 162.
Bra ^ 85.
Irrsinn 62, 70. 76. 78. 146.
161. 171.
Jakobus hi. 49.
m
Johannes hi. 33. 69.
Heiratsorakel 61.
Johanniafeuer 69. 61. 62.
Hekate 152.
He
'aid 1
Henne 11. 20. 34. 49. 71. 77. 87 88.
91. 156. 169. 171.
hepcziher, hopcziher 110. 116
Hera 152.
Herbstfaden 74.
Herrmann Ant. 50. 139.
Herz 68. 72. 78. 79. 10a
Herzklopfen 70. 136.
Hesen B. 121.
Hexe 10. 26. 32. 34. 39. 49. 50 ft.
51. 62 64. 65. 67. 69. 74. 75.
77. 80. 81. 91. 102. 104 ff. 124.
159. 160. 161.
Himmelsstein 6.
Hirsch 136.
Hirse 122. 143. 166.
Hochzeit 29. 30. 65. 71. 79. 120.
Hodenanschwellung 137.
Hohenkultus 1 ff.
Holunder 49. 81. 132. 133. 134. 148.
Ho rits 149.
Johanniskohle 63.
Johannisnacht 15. 22. 49. 63. 89. 1
112.
Johannistag 59. 98. 145.
Jo harm i st rank 32.
Johanniswein 32.
Jornandes 33.
Judas 98.
Juden 5. 73. 106. 133.
Juliannentag 93.
Jungfrau 88. 96. 102.
Jungfrauen drei 127. 131. 135.
Juno 159.
Kaba, Kebe 171.
Kain 98.
Kalb 112.
Kalevala 157.
Kalminy L. 153 ft.
Karcsay 115.
Kartoffel 138.
Kater 19.
— 179 —
Katona F. 107.
Katona L. 139.
Katze 73. 113 ff. 130. 134. 138. 139.
140. 159. 163.
Kauf trunk 32.
Kave 157.
Kerekes 22. 89.
Kerze 64.
Kesze, Kisze 45.
Keuschheit 99.
Keza S. 72.
Kind 3. 4. 8. 65. 73. 74. 77. 80. 81.
90. 102. 115. 119. 120. 121. 128.
137. 138 ff. 142. 143. 156-173.
Kindesopfer 26.
Kinderspiel 15. 45.
Kinderzauber 43.
Kirchenglocke 21. 34. 38. 50.
Kisze-Austragen 42. 46.
Kjol ada 166.
Klagweiber 28.
Klotzziehen 43
Knoblauch 11. 27. 32. 47. 48. 49. 51.
58. 129. 145. 159. 161. 168.
Kobold 58.
Konig trauriger 49.
Kohle 64. 130. 133. 138.
Koleda 35. 45.
Koloman 105.
Kopfschmerz 71. 73. 139. 156.
Koreh 90.
Kossuth 13.
Kovacs S. J. 149.
Kozma 10. 11. 12. 73. 131. 134. 137.
143. 145. 146. 148. 160.
Krahe 73.
Krampfe 139.
Kratze 139.
Krankheitsgeister 147.
Krauss F. S. 24 31. 43. 67. 130.
147.
Kresznerics 1. 125.
Kreuz 22. 32. 51. 69. 130.
Kreuzweg 5. 73. 94. 121. 133. 134.
Krippenspiel 35 ff.
Kropf 52.
Kr8te 114.
Kuckuckskraut 159. 161.
Kuh 81. 114. 119. 161.
Kunstzeugung 80.
Ladislaus hi. 105.
La Fontaine 19.
lanczos 21.
Landerubergabe 2.
Lappenbaume 20. 69. 137. 139. 140.
Laus 48. 134.
Leinsamen 132. 137.
Liboriustag 98.
Lichner 106.
Lidercz 11.
ligusticum 145.
Liebrecht 52.
Liebeszauber 5. 6. 20. 34. 39. 43. 69.
70. 76. 78. 122. 125.
Lindner G. 59. 62.
Linsen 143.
Lip pert J. 24. 27. 31. 39. 46. 50.
51. 53. 58. 59. 65. 83. 84. 123.
152. 155.
Longinustag 98.
Lotterie 16.
Loviatar 157.
Lublo 21.
Lucia-Stuhl 10. 34.
Lucie 42. 111.
Lucina 159.
Luther 135.
Lycanthropie 13.
adchen unschuldiges s. Jungfrau.
Mahr 11. 136.
Mai 48 ff.
Maibaum 48.
Maifeld 56.
Maigraf 54.
Maigrafenfahrt 54.
Maikonig 54.
Mania 152.
Marcolf 19.
Marchen 21. 75. 81.
Marchenerzahler 39.
Margarethentag 139.
12*
— 180 —
Maria-Magdalenentag 98. ,
Marienkafer 145.
Martinstag 65. 98.
Marti nssattel 65.
Mastbaum 52.
Maulwurf 4. 140.
Maus 48. 77. 114.
Mediomontanus 114. 123.
Mednyanszky 76. 85. 113. 120. 121.
Meer weisses, rotes, schwarzes 48.
Menghini Mario 17. 18.
Menschen wilde 19.
Menschenfett 70. 76.
Menschenknochen 78.
Menschenkot 20. 134. 135/ 141.
Menschenopfer 25. 26.
Menschenschadel 68. 70. 76. 120.
Menses 6. 69. 70. 71. 102. 150. 169.
Menstruation 6. 71. 121. 140. 169.
Messe hi. 96. 135.
Messer 160 ff.
Michnay 106.
Milch 59. 64. 81 ff. 113. 118. 127.
140. 150. 164. 166.
Minnetrank 32.
Mist 143.
Mittwoch 149. 156.
Mond 68. 69. 74. 78. 81. 99. 100. 132.
138.
Mone 124.
Montag 98. 99. 100. 156.
Moosfraulein 21.
Mundwinkel wehe 140.
Muller Fr. 106. 110. 120. 123.
Mutterkuchen 90.
Nabel 70. 80. 81. 131.
Nachgeburt 69. 80. 90. 115.
Nachtfalter 114.
Nachtfrauen, -herren 134.
nackt umlaufen 47. 48. 138. 151.
Nadel 160.
Nagel 20. 68. 71. 151.
Nagyboldogaszony 152 ff.
Namenzauber 134. 144.
Nasenbluten 5. 140.
Nationalheiligtum 14.
Nestelknupfen 121.
Neujahr 34. 88. 98.
Neujahrsnacht 5. 19. 20. 86. 102. 128.
Nigra 18.
Nikolaus hi. 65. 98.
Niskende-Tewtar 158. 172.
Niski-Paz 168.
Notarius, anonyme des Konigs Bela 7.
26. 72. 163.
Nuss 27. 169.
Nyrop K. 137. 144
Obstbaum 34. 48. 160.
Ofner Stadtrecht 1CJ.
Ohrenschmerz 140.
Opfer 7. 9. 25. 46. 87. 170.
opfern 24.
Opferstatten 6. 8.
Opfertrank 25.
Opra 90.
Orakel 33.
Ostern 24, 50 ff. 64. 127. 149.
Osterbegiessen 5.
Otternkonig 84.
Palazulis 42.
Palffy P. 72.
Palmsonntag 45.
Pantoffel 163.
Papp Fr. 86.
Paz-Purgini 168. 172.
Peschel 168.
Pest 141. 142. 147.
Peters 85.
Peterstag 98.
Pfeffer 10.
Pferd 9. 10. 26. 78. 91. 114. 115. 117.
118. 130. 142. 147. 160. 169.
Pfingsten 24. 53. 89. 96. 102. 149.
Pfmgstkonig und Konigin 55. 56.
Pflaumen 169.
Pflug 34. 47. 121. 122.
Philippus hi. 49.
Pigambar 172.
Pilatusbrennen 64.
— 181
Pluto 110.
Pocken 140.
Podhracky 25. 121
Popanz s. Strohpuppe.
Potenz 77. 120.
Priapus 126.
Pulukshi 172.
Purgini s. Paz-P.
Quecksilber 144.
Rabbi 143.
» ...
Raben 53. 73.
Rabonban 14. 17.
Rachenweh 4.
Rad 63. 64. 114.
Rakoczi 149.
Rasen 5.
Ratten 48. 77. 114.
Rauch 64.
Raupe 62.
Raupenfrass 48.
Rebe 100.
Rechtsbrauch 2. 6. 9.
Redensart 2. 3. 5. 19. 20. 61. 70. 78.
80. 119. 157.
regelni 39.
Regelo 39.
Regenbogen 126.
regosok 39.
Res 6 Ensel S. 30. 45. 46. 47. 49. 52.
53. 54. 56.
Rheumatismus 136.
Riesen 10. 15. 21. 22. 102.
Rindopfer 26.
Ringelnatter 84.
Roger 8.
Roland 19.
Rosa 107. 109. 112.
Rosenstrauch 141.
Rotlauf 81. 141.
Ruhr 141.
Rupprecht 66.
Rusalky 58.
Russ 90. 115.
Saatzauber 81, 116. 117. 150.
Safran 127.
Sage 3. 17. 26. 74. 8*. 111. 115. U9.
133. 141. 153.
Salbei 146.
Salomon 83. $2, .
Salz 10. 48. 58. 91. 111. 112. 133.
135. 136. 149. 159. 160. 161. 167.
Samstag 137. 164. 169. 173.
Sargbrett 47. -nagel 140.
Satorforjnel. 146, .
Savanyd J. 80.
Sbojev 171.
Schaf 64. 149.
Schatzgewinnung 82 ft.
Schatze 10. 11. 17, 20.
Scherr Joh. 104.
Schiessen 150.
Schlaflosigkeit 81. 138.
Schlagfluss 162.
Schlange 7. 68. 83. 84 ft 88. 90. 92.
Schlangengraswurzel 142.
Schlangenkonig 84.
Schlangenkrone 86. 88. 89.
Schlangenstab 90.
Schlangenstein 83. 85.
Schlosser 38. 120.
Schliissel 38.
Schmeitzel 120.
Schulterblattinspektion 30.
Schurze 145. 163.
Schwangerschaft 138. 170.
Schwartner 110. 117.
Schwein 5. 11. 27. 28. 30. 64. 78. 85.
112. 113. 138. 145.
Schweiss 76. 133.
Seele 84. 92. 93. 121.
Seitenstechen 142.
Sengen 65.
Serpentinstein 86.
Seuche 9. 26. 34. 64. 78. 141. 1G9.
Siebzauber 122
Simplicissimus 28. 122.
Sohn siebenter, neunter 94. 95. 124.
Solanum 90. 115.
Sommerfest 46.
nszky 76. 85.
isses, rotes, sclr
ini Mario 17.
n wilde 19.
nfett 70. 76.
nknochen 78
nLot 20. 134
nopfer 25. 2l!
nschSdel 6S.
G. 69. 70. 1
ation 6. 71
). 150. 1
ank 3-2.
— 183 —
Villo 45. 46.
Vitustag 98.
Vogelfrass 48. ft.
Volksarznei 6.
Volkslied 5. 6. 39. 40. 47. 54. 57. 58.
60. 61. 62. 63. 91. 158. 159. 1G6.
169.
Volksmedizin 121. 126 ff.
Wachholder 73.
Wachthugel 9.
Wahnsinn s. Irrsinn.
Wahrsagung 25. 30.
Waldgeist 17. 147.
Waldwunder 19.
Warzen 4. 12. 20. 145.
Wasser 51. 65. 100. 118. 120. 130.
133 ff. 134. 135. 138. 140. 143.
144.
Wasserfee 39.
Wechselbalg 80. 120.
Wehrwolfsglaube 13.
Weide 61.
Weihnacht 10. 24. 26. 34. 39. 47. 51.
119. 150. 166. 169.
Weihnachlsmahl 145.
Weihnachtszeit 51.
Weihrauch 63. 77. 169.
Weihwasser 12. 51. 80. 95. 159. 165.
Weinhold K. 151.
Werwolf s. Wolfsbettler.
Wetterprophezeiung 65.
Wetterzauber 116.
Wettrennen 52.
Wettreiten 52.
Weizen 65. 150. 165.
Wieder Jul. 95.
Wind 117.
Wittfrauentanz 28.
wlokodlak 13.
Wochenbett 156. 159 ff.
Wochnerin 132. 172.
Wolf 9. 26. 113. 150. 172.
Wolfsbettler 113.
Wolfskehlenblume 13.
Wolkenschlussel 116.
Wunden 8.
Wurmer 5. 139. 148.
Ypsilang 64.
Zahn 138.
Zahnschmerz 13. 146. 156.
Zauber 20. 51. 63. 67 ff.
Zauberformel 4. 5. 6. 11. 13. 19. 22.
39. 48. 62. 78. 96. 108. 111. 116.
126—151. 164.
Ziege 73. 110. 122 ff.
Zigeuner 4. 23. 53.
Zufluchtsstein 8.
Zunge 68.
Zwerg 10. 92.
Zwillinge 164.
Zwirnknauel 27.
Zwitter 89.
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Verlag des Literap. Instituts Dr. M. Huttler, Konrad Fischer
* " * \jl- s* in Munchen. » v " v v . >
(Verwechslungen mit der gleichlautcndcn Firma in Augsburg bitten wir gefl. zu vermeiden.)
Im gleichen Verlage sind ferner nachstehende Werke erschienen:
Eisenring, C. J., Alpenrosen und Edelweiss. (Magnus Zahner's Dichtungen
und Gesange.) 2. Auflage. Preis eleg. broch. M. 3. — .
Fenner, Carl, Die Landschaft oder die Jagd nach der Stimmung. Bilder
und Lehren fur Kiinstler und Laien. Reich illustriert. Preis eleg. geh. M. 3 — .
Gdrres, Joseph von, Vortrage liber Encjklopiidie und Methodologie
des akademiselien Unterrichts (allgemeine Encyklopadie der Wissenschaften),
gehalten an der kgl. Ludwigs-Maximilians-Universitat zu Munchen vom 12. No-
vember 1841 bis 17. Februar 1842. Preis broch. M. 6.-.
Gothischer Kalender (erscheint jahrlich). Preis in hoctifein illustriertem,
in Farbendruck ausgefiihrtem Umschlag M. 1. — .
Hegewald, Prof. Dr. med v Die Yorzttge der deutsclien Sprachc.
Ein Wort an Lehrer und Laien. Preis broch. M. 1. — .
Kleiner Munehener Kalender (erscheint jahrlich). Mit 15 Illustra-
tionen und einem Verzeichnis der Hohen der Berge Mitteleuropas. Preis eleg.
broch. mit farbigem Titelbild 50 Pf.
Jjaddey, Emma, Frauenbilder im Spiegel der Dichtung. Mit 4 Portrats
in Lichtdruck. Preis hocheleg. geb. mit Schutzkarton M. 8. — . — In halt:
Antigone. Sakuntala. Brunhilde. Isolde. Beatrice. Armida. Julia. Ophelia.
Donna Diana, Grafin Orsina. Lotte. Margarethe. Louise. Johanna. Gorinne.
Selbstaudige Madchen. Novellen und Erzahlungen aus dem modernen
Frauenleben. Preis broch. M. 3. — , eleg. geb. mit Schutzkarton M. 4. — .
Inhalt: Die Kameraden. Alma. Sich selbst bezwungen. Fallendes Laub.
Vorurteile. Der Friedhofsengel. Auch eine Feier.
Passer, Arnold v. d., Tolksschauspicle in Tirol. Meran im Jahre 1809.
Preis eleg. broch. 60 Pf.
R., A* V., Die Historic yon St. Quirinus. Aus Handschriften und Biichern
erhoben, nacherzahlt und mit Bildern versehen. Preis hocheleg. broch. M. 2.50.
Sepp, Dr. Johannes, k. Universitats-Professor, Yblkerbrauch bei Hoch-
zeit, Gebnrt und Tod. Beweis fur die Einheit des Menschengeschlechtes
und die Urheimat Asien. Preis eleg. broch. M. 2. — .
Stich, Max Carl, vorm. kgl. bayer. Lieutenant. Margaritana margari-
tifera. Jugendmare der Flussperle Perola. Eine alte Geschichte. Preis eleg.
broch. 50 Pf.
Oberpfalzische Burg- und Dorfgeschichten eines Liediers. Preis
eleg. broch. M. 2. — .
Was der Inn rauscht. Ein Wanderbrevier in Versen von „Maloja zur
Donau". Preis eleg. broch. M. 2. — .
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