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Ausgewählte Briefe
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Nachdruck der in ihrem Verlag in vier
Bänden erfcheinenden : Ausgewählten Briefe
von C. M. Wieland an verfchiedene Freunde
in den Jahren 1751 bis 1810 gefchrieben,
auf Zwoͤlf Jahre zu ertheilen geruhet.
Vermoͤge diefes Privilegiums darf, una
ter den in der Königlichen General: Vers
ordnung vom 25m Febr, 1815, betreffend
die Privilegien gegen den "Bücher : Wachs
druck, enthaltenen Beftimmungen und bet
den dafelbft feftgefeßten Strafen, das ger
dachte Werk binnen der nächften zwölf
Jahre von dem unten gefeßten Tage an,
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in kleines Paͤckchen von Briefen von meinem
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den ſchwaͤrmeriſchen Amadis und Schatoulliöfe,
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gemacht hat, zu danfen,
Sie trinken Eger: Waffer, mein liebfler Freund,
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Düffeldorf.e Das liebe, feltfame Männchen!
Es mag ihm bey allem dem gut gelaffen
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Mein befter Gleim! Sie laden mich ſo ernſt⸗
lich ein, Sie ziehen mich mit ſo vielen freund⸗
ſchaftlichen Banden faſt unwiderſtehlich an —
wie ſoll ich Ihnen ſagen, daß es mir jetzt
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ben. Sie ſind vollkommen gerechtfertigt, und
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traͤge und Agathon feldft, enthalten meine
vollſtaͤndige Rechtfertigung. Wem daran. nidt
genüget, dem — kann unb weiß Ich, bey den
Grazien! nicht zu helfen — ald mie einem
Karren vol Niefemurz und meinem Segen!
Noch etwas von meiner eignen Wenigkeit. —
Ach bin nicht fo gar jungfräufich — befchelden '
als Sie etwan denken mochten. Es iſt alfe
nicht Befcheidenhele, fondern was anders,
wenn ich mir für gewiß einbilde, daß Sie,
mein Liebfter, ein paar fehr große Augen an
mich binmachen werden, wenn Sie mich per
fönlich Eennen lernen follten. Ih will von
meiner Figur und von meinen Zügen nichts
fagen — welches das befte iſt mad man das
von fagen. kann. Aber hätten Ste fih wohl
vorgeftellt, daß Ich ordentlicher Weiſe Ealt,
trocden, mehr ernfihaft als munter, und in
einem ganzen fahre Faum einmahl in einer
jovialifchen Laune bin? Gie, mein Liebfter,
möffen fich zu mir verhalten, wie Champag⸗
ner zu altem Elfaßer Wein. Es iſt zwanzig
gegen Eins zu wetten, daß ic) Ihnen in mes
niger als drey Tagen Langeweile machen
würde, Die Zeit des Enthufiasmus iſt bey
5
nie ganglich vorbey, die Empfindung If
n deſſen Stelle gefommen; aber eine ruhige,
elten aufwallende, noch feltner fich ergicßende
Empfindung. O! tie troden, mie hölern
ıußte Ihnen Ihr Wieland vorfommen, den
Sie, aus voreiliger Freundfchaft, zu Ihrem
eib s und Mund s Heiligen machen wollten!
Wie dem auch feyn mag,ıfo will ich es
leichwohl, wenn es nur irgend möglich zu
sachen ift, noch in diefem Jahr auf eine
robe anfommen laffen. Und dann, mein
ebenswürdiger, ſchwaͤrmeriſcher, mweifer Anaz
ton, wollen wir ung über Perfonen und
sachen, über Könige und Dichter, über
jötter und Menfchen, über die ganze Welt
nd — ung felbft ſatt ſchwatzen. Jetzt muß
h aufhören. Ach umarme Sie, und wuͤnſche
Ien Segen des Himmels und mohlthätiger
eifter auf Ihre Eur herab. Cura ut valeas,
ıd ihr Mufen und Grazien, servate, precor,
ıimae dimidium meae! —
CLXXXIV.
An Jakobi in Göttingen.
Erfurt, den 13. Sepembter 1776;
Mein alerliebfier Jacobi, meine und Ihre
Hoffnung zu einer Zufammenkunft in Muͤhl⸗
hauſen, ift durch ein unvorbersufehendes Hins
Derniß vernichtet worden; durch eine Arbeit,
welche mir aufgetragen worden; eine Arbeit,
welche alle meine Aufmerffamfeit erforbert,
feinen Auffchub Teidet, und wobey Dennoch
andere angefangene Gefchäfte ihren ungehin—
derten Fortgang haben follten. Sie find ein
glücklicher Mann, lieber Jacobi! Sie können
thun was Sie wollen, fi) aufhalten wo Sie
wollen, ihre Freunde in der ganzen Welt bes
fuchen, des Lebens froh merden, und mit den
Mufen ſpielen. Ich würde Sie beneiden,
wenn ich Sie weniger liebte, und zum Des
neiden aufgelegt wäre.
erden Sie alfo nicht ungebalten, meln
Lieber! daß ich dieſes Mahl unfer gemeins
fchaftlihes DVergnügen der Nothwendigkeit
aufopfern muß. Mir verliereii beyde auf einer
Seite, was wir auf einer andern wieder ges
winnen. Die Hoffnung, fagt man, ifl eine
7
ſerer gröften Gluͤckſeligkeiten, und nichts
hr zu hoffen haben, der finis malorum.
a8 jest nicht gefchehen kann, fol zu einer
dern Zeit, und auf eine angencehmere Art
ſchehen. Zu Muͤhlhauſen mürden wir ohne⸗
es in einem fchlechten Gaſihofe uns haben
fhalten müffen, wo’ es und an allen möglis
en DBequemlichkeiten und Agremens gefehlt
tte. Ich bin nicht enthufiaftifch genug, daß
dieſe Nebenumftände fur nichts halten
Nte; fie mifchen immer etwas Unbebhagliches
ter das DVergnügen des Geiftes und Hers
18, und das iſt fchon genug, ihm etwas
n feinem Reitz zu nehmen. Inzwiſchen,
in lieber Jacobi, glauben Sie, daß ich Sie
en fo zärtlich liebe, als ob wir ung perföns
b Fennten. Wenn: wir ung einft fehen ters
n, fo muß es wenigſtens auf acht Tage ſeyn.
n oder anderthalb Tage find! gerade genug,
» den Abfchied und die Trennung unerträgs
h zu machen; der Gedanke, fobald wieder
reiden zu müflen, beunruhigt unaufhoͤrlich;
»e Minute wird koſtbar; man hat fich fo
el zu fagen, zu fragen, zu antworten, daß
an nicht weiß, wo man anfangen foll, und
meiniglich findet fi) am Ende, daß man
—
8
das Beſte vergeſſen hat. Wenn dieſe ganz rich⸗
tigen Reflexionen nicht hinlaͤnglich find, Sie
über unſere fehlgeſchlagene Hoffnung gleichguͤl⸗
tig gu machen — fo werd' ich die Grazien
bitten, Ihnen diefen Abgang zu erfeßen. Bald
werden fie die Preſſe verlaffen, und Sie und
Gleim folen den erfien Befuch von Ihnen
befommen. Reih, Defer und Geyſer
haben gemeinfchaftlich ale ihre Kräfte aufges
boten, um aus diefen Grazien die Zierde der
deutſchen Typographie gu machen.
CLXXXV.
An Glhleim.
Erfurt, den 27. September 177%.
. Ein Wort fo viel ald taufend (zu reden mit
Pedrillo) mein allerliebfter Gleim — ich: Tann
Gie lieben, wie noch Fein Poet den andern
geliebt hat, Ich kann mich alle Tage und
Stunden zu Ahnen fehnen, und das Schidkfal
anflagen, welches nicht gewollt hat, daß ich.
ein Canonicus des H. Bonifaz zu Halberſtadt
oder Sie Dechant, Subdechant oder Cantor
des Stifte der feligen Mutter Gottes zu Ers
furt geworden find, Damit wir Immer beyfams
Tr
9
men leben fönnen. = Sch Faun ungeduldig
darüber werden, daß ich an den nähmlichen
Tagen, bie ich mit meinem Gleim in füßen
freundfchaftlihem Müßiggang zugubringen hoff⸗
te, vom Morgen bis in die Nacht über meis
nen Schreibtifch gebucht ſitzen, und fchreiben
muß, woran ich nie gedacht hätte, wenn Ich
mein eigner Herr ware — aber zu Ahnen kom⸗
men fann ich nicht. Es iſt unmöglich. Ich
bin mit einer Arbeit beladen worden, die ich
weder ablehnen Eonnte, noch auffchleben kann.
Sch arbeite mich hypochondriſch und krank —
aber mein lieber Sleim, was thut nicht ein
weifer Dann, wenn er — muß? Und was
thut ein Vater nicht, wenn er durch feine
Arbeit das Schickfal feiner Kinder zu verbefs
fern hofft! — Sich Eenne die Großen, Dank⸗
barfeit if felten ihre Tugend, indeſſen hofft
man doch immer glücklich genug zu feyn, und
eine Ausnahme anzutreffen. Man verfuche
alles, reuffire ich, fo verfchaffe ich mir eine
ungleich beffere Situation, und dann fol,
das ſchwoͤre ich zu den Grazien und ber
Sreundfchaft, gewiß fein Jahr vorbey gehen,
in welchem ich nicht acht Tage mit meinem
Gleim verliebt harte, Dies ift jetzt alles, mein
Io
Befter, was Ich zu Ihrem und meinem Troft
fagen und hoffen fann.
Idhr kleines Gedichtchen iſt allerlichft. €
iſt ein fchöner, fimpler, lieblicher, Tachender
Gedanke, von der Hand einer Grasie in En
reizendes Gemäldchen hingetuſcht. Aber fol
ich Ihnen aufrichtig fagen wie mir's IE? Ich
babe ein verwöhntes Ohr. Sch kann dem
Keim an folchen Heinen Gedichtchen nicht miſ⸗
ſen. Rufen Sie die Mufe an, die Ihnen fo
günftig if, und fagen Sie eben das, eben fo }
naiv und fchön, in Kleinen Keimen, fo will
ih Sie dafür herzen und Füffen! Keine Eins
wendung, mein lieber Anakreon, zum Exem⸗
yel: — Anakreon bat auch nicht gereimt, —
oder Ich Habe Feine Zeit dazu — oder derglei⸗
chen. — Sie fünnen alles was Sie wollen.
Ich umarme Sie, mein Liebfter. — Die Gras
zien foßen zu Ihnen fliegen, fobald fie dem
Kerker des Herrn Bürger s Hauptmann Dürr,
oder wie mein Buchdruder Heißt, entgangen
find.
Ir:
CLXXXVI. :
‘ An Ebendenfelben *
Erfurt, den 15. November. 1770. ‘
Mein liebfter Gleim, für alles Schöne ‚'
Freundliche und Enthufiaftifche, was Ste von
meinen Grazien fagen, danke ich Ihnen in
ihrem Nahmen von ganzem Herzen. Ihr Beys
fall, Ihr Lob iſt Balfam für mein Haupt und
Ambroſia für mein Herz. Wollte Gott, daß
ich ben den Orgien, welche Sie den Grazien
zu Ehren in Ihrem sans souci angeſtellt has
ben, hätte zugegen feyn können! Ich mag
gar nicht daran denken, daß ich gegwungen
kin, fo weit von meinem Gleim und Jakobi
zu leben — der Gedanke macht mich unmillig,
verdroffen, böfe über Menfchen und Schickſal.
Alfo auf einen andern Gegenfland! Unfer
Jakobi will fich eine Gemahlin beyfeßen, und
er wünfchte, daß es die Tochter meiner mers
then Freundin ſeyn könnte. Wirklich iſt die
Heine M. ein ganz reizendes allerliebfies Mäds
chen; wer fie davon’ trägt und ein Herz
und eine Denkensart hätte wie unfer Jakobi,
würde alle Neigungen einer gebildeten Gries
in mit allen foliden Eigenfchaften und Zus
I2
genden einer guten Frau in ihr befisen.
Dieß, liebfter Gleim, ift der Hauptpunft: Geb
ift eine Kleinigkeit dagegen; es iſt freylich eine
fchöne Sache & son aise su ſeyn; aber reiche |
Mädchen find felten liebens wuͤrdig, und
noch feltener tugendbaft — in dem Sinne
wie wir das Wort nehmen. Aber meine traus
ten Herrn, wenn auch das Fräulein M. wos
von die Rede if, fo viel Geld hätte als die
Königin aus dem Reich Arabien, fo beforge
ich Doch fehr, daß aller Enthuſiasmus, den bie
Madame de *** nur immer für unfern Freund
haben kann, die Sache wenig befördern werde
Meine rationes find dreyfach: Ä
Pro primo. Die junge Dame en ques-
tion ift Roͤmiſch Katholiſch, und wird eg
bleiben hasta la muerte.
Pro secundo. {hr Papa befindee fi
in Diefem Augenblick im Begriff fih zu ent
fcheiden, ob er, unter einem großen Charafs
ter, und mit einem Platz im Minifterio in **
oder in * * Dienfte treten will. Beyde werden
ihm unter folchen : Bedingungen angeboten,
und beyde geben ihm folche Ausfichten, welche
dem liebenswürdigften aller Poeten und Chor⸗
beren in der Welt wenig Hoffnung laſſen.
3
> tertio. Die Dame M. iſt noch nicht
funfzehn Jahre alt, und big die Zeit
t, wo ihr DBater uber fie bisponiren
würde unferm lieben Candidato s. s.
monii die Luft des. Warten lange vers
n feyn.
leat ergo hoc Projectum in regio-
idearum, unde profectum est!
um aller Liebesgötter. und Grazien wil⸗
efchwöre Ich, Ste, mein Lieber, unferm
i feine Drau zu geben, von ber Gie
gewiß big zur Evidenz gewiß ſind,
ſie ihn auf immer gluͤcklich machen
ne Scherz, liebſter Gleim, wenn es moͤg⸗
ft, fo reden Sie unſerm Jacobi die Heys
gedanfen aus; und iſt es nicht möglich,
enden Sie alle Kräfte der menfchlichen
jeit an, zumachen, daß ihn feine Wahl
gereue. C’est courrir un terrible hazard.
bin fein DVerächter noch Zeind der heil.
Sch befinde mich, wie Sie wiſſen, felbft
efem ehrenvollen Stande, und ich würde
: fleine Frau, ungeachtet fie nichts Bril⸗
3 bat, um Keine in der Welt vertauſchen.
Die Seltenheit des Charakters einer fo °
!
14
guten Frau als die meinige, iſt ed eben,
mir für jeden Freund, der fich verbeut
. will, angft und bange mad.
CLXXXVII. .
Un unfern Jacobi,
Erfurt, den 15. November 1770 ii
Das Lied das Ste den Orpheus den Schatl!
ten fingen laffen, mein allerliebfier Jakobl, |
ift Des Orpheus, nad) dem ganzen Charakter,
den ihm die Alten, al8 Dichter und Weltmeis !
fen geben, eben fo als Ihrer würdig; id
babe es unverzüglich an Herrn Boie abgehn
laffen, — ohne einen Beytrag, denn: ich bin
fo arm, daß ich nicht einmahl ein Almofer
an einen armen Bettler von Boles ode
Schmidts Klaffe zu geben habe. — Meint
Gerinia find leer, oder doch nur mit Dingen
angefült, die zu nichts zu gebrauchen find.
Mit. unbefchreiblichem Vergnügen febe ich
Ihren Elpfälfchen Feldern entgegen. Wie viel
Schönes, Intereſſantes, Neues, erwarte ih
nicht von meinem Jacobi, über einen Gegen
fland, der zugleich fo idealifch und fo empfins.
Dungsreich iſt! Sch Liebe die Vermifchung von
15
Profa und Verſen. Gle ſcheint mir der Nas
ur näher gu fommen,. in erzählenden Gedichs
en, welche nicht In die heroiſche Klaffe ger
)ören, als lauter Verſe, — man kann mehr
Mannigfaltigkeit, mehr Mufit hineinbringen,
ils bey einerley Versart; und man bat den
Bortheil, nur das in Verfen zu fagen, was
virflich in Verfen gefagt zu werden verbient.
Madam 2. R. befindet fich feit einiger Zeie
u dem Tumulte, womit große Beränderungen
n den äußerlichen Umſtaͤnden verbunden find.
Raum erhalte ich alle drey oder vier Wochen |
inen Brief von Ahr. Ich Hoffe aber, wenn
ie fich erfk recht arrangiert haben wird, foll
ie fich auch Ihrer abweſenden Freunde wieder
ebbafter erinnern. Ihr Gemahl hat fih ent⸗
ihloffen, in die große Welt, von welcher er
ſchon Abſchied auf immer genommen hatte,
ich aufs neue zu embarquiren. — Zween geifls
liche Churfürften öffnen ihm dazu eine glans
sende Laufbahn, und in kurzem werde ich wiſ—⸗
fen, für wen er fich wird entfchieden Haben.
Es war, ne vous deplaise, mon cher amıi!
eine feltfame Licentia poelica von Em. Lieb⸗
den, den Düffeldorfern öffentlich das Evans
gelium Yoriks zu predigen. Sehen Sie iu,
16
wie Ihnen die Geiftlichen und die fogenanntet
Gritifer applaudiren werden. Ich meines Ol
bin, das fünnen Sie ſich vorſtellen, mit Ihren
Evangelio höchlich zufrieden — wiewohl frey
lich leider alles mas Sie geprediget haben,
lauter Naturalismus, Deismus und Pelagia
nismus, ja purer verfeinerter Epicurid
mus, Philofophie der Grazien, und mit
einem Worte, pures Heidenthum if.
Meine Frau, welche eine fehr gute Frau if,
aber felten in die Kirche geht, fagt mir, wenn
man zu Erfurt fo predigte, wie Sie zu: Düf
- feldorf gepredigt haben, fe wollte fie gewiß |
Feine Predigt verfäumen. — So, lieber Jacobt!.
werden ale heitern, unverdorbnen, fhönek
Seelen fagen. Aber — wie viele find deren?
Ihre Predigt, mit einem Wort, iſt ſchoͤn
und gut, aber ſie hat nicht gedruckt werden
ſollen. Man muß die Weſpen nicht ohne Noth
noch mehr reitzen. |
Vergeben Sie mir, daß ih Ihnen meine
Gedanken fo frey fage; Sie willen wie fehr
ih Sie liebe. Die Grazien teen ein ewi⸗
928 Denfmahl davon!
Laffen Sie fih umarmen, mein lieber beſter
Racobit und nun gehen Sie hin und laffen
17
fih das quando corpus morietur, auß Pers
Bolefe’8 stabat mater vorfingen, und
dann feßen Sie ſich und ſchreiben was Sie
Im Elpſium gefehen baben! |
CLKXXXVIIL.
An Gleim.
Erfurt, den 18. November 1770
Sch wende mih an Sie, um Sie zu Bits
en, ein Werk der Barmherzigkeit an einem
ungen Autor zu than, und ihm — einen Ver⸗
eger zu verfchaffen. Hier, befter Gleim, lefen
Ste felbfi, und ſehen Ste, ob Heinfe nicht
in Genie if, der Aufmunterung verdient!
Ich bin gewiß, Sie werden fo mit mie
yenfen, wenn Sie fein Manufeript durchge⸗
blaͤttert haben. |
Er hat unlaͤugbar viel Genie, viel Feuer, |
und für feine Umftände ziemliche Kenntnig.
Sein Genie if noch braufend und trübe,
wie junger Wein — Sein Feuer brennt noch
nicht gleich, nicht rein genug — Geine
Kenntniffe find noch) mangelhaft, und il y a
beaucoup de crudites dans son esprit —
Wislanda Vriefe. 1. 2. | 2
38. ‘
Aber gleichwohl Fann was Großes aus den
jungen Manne werben.
Womit ich am wenigften zufrieden bin, If
fein Cynismus Cder ſich fonderlich in feh
nen Sinngedichten offenbart) und die- wenige
Achtung die er zumeilen gegen Vorurtheile hat,
qu’un honnete homme doit respecter. Sein
Moral ift zuweilen nicht die befle; aber das
alles wird fi ſchon geben, wenn fich ber |
Menfch gefegt haben wird. Mit allen feine |
Sehlern hoffe ih, Sie werden ihn Ihrer Pros |
tection würdig finden. Seine fchlechten Um
fände, Mangel an Erziehung, an feiner Le—
bensart, find die bauptfächlichfie Quelle das
von. Mo follte er den guten Ton gelerm
haben ?
Haben Sie die Guͤtigkeit, liebſter Freund,
ibm einen Verleger zu verfchaffen, der we⸗
nigftens die armfelige Generofität bat, ihm
funfzehn bis zwanzig Louisd'or für diefe Ras
nuferipte zu bezahlen; und wenn Gie einen
folhen Mann gefunden haben , fo beheben Sit
das Geld an mich zu fenden.
Gh bitte Sie nicht um Vergebung wegen
ber Bemühung die ich Ihnen zumuthe. Ich
“nne das Herz und bie Denkensart meine
!:
(
19
Sleims. In Leipzig, wo ich. die erſten Ders
ſuche machte, Fonnte ich keinen Verleger dazu
finden; es iſt aber auch wahr, daß ich die
Saiten zu boch fpannte. Ich verlangte fünf
nd zwanzig big drenßig Louisd'or; dag war
u viel: ein neuer unbekannter Autor muß mit
lem zufrieden feyn, was man ihm gibt.
Infer junger Autor ift, bey aller feiner epifus
Sifcher Schelmerey ein armer Schelm. Elos '
Rius wil Ihm eine Hofmeifterftelle in Leipzig
serfchaffen; aber er braucht etwas Geld, um
ſich ein wenig zu equipiern.
Noch ein Wort von den Sinngedichten.
Haben Sie die Gütigfeit, Diejenigen durchzus
ſtreichen, die Shnen nicht‘ gefallen. Einige
find cynifch, einige platt — der Geſchmack
des jungen Menfchen iſt noch nicht rein,
und feinen Sitten hängt noch zu viel von dem.
Pöbelhaften feiner Erziehung an. Sneinigen
Stuͤcken iſt mahrer Wi. Mit den übrigen
verfahren Sie nach Belieben. Er unters
wirft ſich fchlechterdings Ihrem Urtheil.
Ich weiß nicht, liebſter Gleim, in was fuͤr
einer leichtfertigen Laune ich war, da ich Ihnen
letzthin ſchrieb. Beynahe iſt mir bange, daß
Ih zur Unzeit geſcherzt haben möchte. Do
Io
Beſter, was ich zu Ihrem und meinem Troſte
fagen und hoffen fann.
Ihr Eleines Gedichtchen iſt allerliebft. Es
iſt ein fchöner, fimpler, lieblicher, lachender
Gedanfe, von der Hand einer Grazie in Ein
reizendes Gemäldchen Bingetufcht. Aber fol.
ich Ihnen aufrichtig fagen wie mir's it? Ich
babe ein verwöhntes Ohr. Ich kann den
Keim an folchen Heinen Gedichtchen nicht mifs
fen. Rufen Sie die Mufe an, bie Ihnen fe
günftig tft, und fagen Sie eben bag, eben fo
naiv und fhön, in Fleinen Reimen, fo will
ich Sie dafür herzen und Füffen! Keine Eins
wendung, mein lieber‘ Anakreon, zum Erems
yel: — Anafreon hat auch nicht gereimt, —
oder ich babe Feine Zeit dazu — oder bergleis
chen. — Sie fünnen alles was Sie wollen.
Ich umarme Sie, mein Liebfler. — Die Gra⸗
sien follen zu Ihnen fliegen, fobald fie dem
Kerker des Herrn Bürger s Hauptmanır Dürr,
oder wie mein Buchdrucker heißt, entgangen
find.
u.
11
CLXXXVI.
An Ebendenſelben.“
*
Erfurt, den 15. November. 1770.
Mein liebſter Gleim, fuͤr alles Schoͤne,
Freundliche und Enthuſiaſtiſche, was Sie von
meinen Grazien ſagen, danke ich Ihnen in
ihrem Nahmen von ganzem Herzen. Ihr Bey⸗
fall, Ihr Lob iſt Balfam für mein Haupt und
Ambrofia für mein Herz. Wollte Gott, daß
ich bey den Drgien, welche Sie den Grazien
zu Ehren in Ihrem sans souci angeſtellt has
ben, hatte zugegen feyn können! Ach mag
gar nicht daran denken, daß ich gegwungen
bin, fo weit von meinem Gleim und Jakobi
zu leben — der Gedanke macht mich unwillig,
verdroffen, böfe über Menſchen und Schidfal.
Alfo auf einen andern Gegenfland! Unfer
Jakobi will fich eine Gemahlln beyfegen, und
er wünfchte, daß es die Tochter meiner wer⸗
then Freundin feyn Fünnte. Wirklich ift die
fleine M. ein ganz reizendes allerliehftes Mäds
chen; wer fie davon träge und ein Herz
und eine Denkendart hätte wie unfer Jakobi,
würde alle Neigungen einer gebildeten Gries
hin mit allen foliden Eigenfchaften und Zus
12
genden einer guten Frau in ihr befitzen.
Dieß, liebſter Gleim, tft der Hauptpunkt: Geld
iſt eine Kleinigkeit dagegen; es iſt freylich eine
ſchoͤne Sache à son aise zu ſeyn; aber reiche
Mädchen find felten liebens wuͤrdig, und
noch feltener fugendbaft — in dem Sinne
wie wir das Wort nehmen. Aber meine traus
ten Herrn, wenn auch das Fräulein M. wos
von die Rede ift, fo viel Geld hatte als die
Königin aus dem Reich Arabien, fo beforge
ich Doch fehr, daß aller Entbufiasmug, den bie
Madame de *** nur immer für unfern Freund
haben fann, die Sache wenig befördern werde,
Meine rationes find dreyfach: Ä
Pro primo. .Die junge Dame en ques-
tion it Roͤmiſch Katholiſch, und wird eg
bleiben hasta la muerte.
Pro secundo. {hr Papa befindet fich
in diefem Augenblick im Begriff fich zu ents
fheiden, ob er, unter einem großen Charak⸗
ter, und mit einem Plag im Minifterio in **
oder In ** Dienfte treten will. Beyde werben
ihm unter ſolchen Bedingungen angeboten,
und beyde geben ihm folche Augfichten, welche
dem liebenswurdigften aller Poeten und Chor⸗
beren in der Welt wenig Moffnung laſſen.
13
Pro tertio. Die Dame M. ift noch nicht
volle funfzehn Fahre alt, und big bie Zeit
fommt, mo ihr Vater uber fie digsponiren
wird, würde unferm lieben Candidato s. s.
matrimonii die Luft des. Wartens lange vers
gangen feyn.
Redeat ergo hoc Projectum in regio-
nem idearum, unde profectum est!
Aber um aller Liebesgätter und Grazien wil⸗
len befchwöre Ih, Sie, mein Lieber, unferm
Jacobi feine Frau zu geben, von der Gie
nicht gewiß bis zur Evidenz gewiß find,
daß fie ihn auf immer gluclih machen
wird.
Dhne Scherz, liebſter Gleim, wenn es mögs
lich if, fo reden Sie unferm Jacobi die Hey⸗
rathsgedanken aus; und iſt es nicht möglich),
fo wenden Sie alle Kräfte der menfchlichen
Klugheit an, zingnachen, daß ihn feine Wahl
nicht gereue. C’est courrir un terrible hazard.
Ich bin fein DVerächter noch Feind der heit.
Ehe. Ich befinde mich, wie Sie wiffen „ felbft
in diefem ehrenvollen Stande, und ich würde
meine Fleine Frau, ungeachtet fie nichts Bril⸗
lantes bat, um Keine in der Welt vertaufchen.
Aber die Seltenheit des Charakters einer fo
B /
7
14
guten Frau als die melnige, Ift es eben, wa
mir für jeden Sreund, ber fich verheurathä
. will, angft und bange macht.
CLXXXVII. .
An unfern Jacobi.
Erſurt, den 15. November 177%
Das Lied das Gie den Orpheus den Schats
ten fingen Iaffen, mein allerliebfter Yatobl, |
it des Orpheus, nach dem ganzen Charakter, |
den ihm die Alten, als Dichter und Weltmweis
fen geben, eben fo als Ihrer würdig; id
babe e8 unverzüglich an Herrn Boie abgeha
loffen, — ohne einen Beytrag, denn: ich bin
fo arm, daß ich nicht einmahl ein Almofer
an einen armen Bettlee von Boieg ode
Schmidts Klaffe zu geben babe. — Meine
Gerinia find leer, oder doch nur mit Dingen
angefüht, die zu nichts zu gebrauchen find.
Mit. unbefchreiblichem Vergnügen ſehe ich
Ihren Elpfälfchen Feldern entgegen. Wie vie
Schönes, Intereſſantes, Neues, erwarte Id
nicht von meinem Jacobi, über einen Gegen
fand, der zugleich fo idealifch und fo empfins
Nungsreich ift! Ich liebe die Vermifchung von
15
fa und Verſen. Gle fcheint mir der Nas
näher gu fommen,. in erzählenden Gedichs _
‚, welche nicht in bie heroifche Klaffe ges
en, als lauter Verſe, — man kann mehr.
nnigfaltigfeit, mehr Mufif hineinbringen,
bey einerley Versart; und man bat den
rtheil, nur das in Werfen zu fagen, was
flich in Berfen gefagt gu werben verdient.
Nadam 2. R. befindet fich feit einiger Zeile
dem Tumulte, womit große Veränderungen
den äußerlichen Umftänden verbunden find.
um erhalte ich alle drey oder vier Wochen
en Brief von hr. Sich Hoffe aber, wenn
fich erft recht arrangirt Haben wird, foll
fi) auch Ihrer abwefenden Freunde wieder
bafter erinnern. Ihr Gemahl hat ſich ent⸗
loſſen, in die große Welt, von welcher er
on Abſchied auf immer genommen batte,
‚ aufs neue zu embarquiren. — Zween geifls
ye Churfärften öffnen ihm dasu eine glans
de Laufbahn, und in Furgem werde ich mwif-
;, für wen er fich wird entfchteden haben.
Es war, ne vous deplaise, mon cher ami!
e feltfame Licentia poetica von Ew. Lieb⸗
1, den Düffeldorfern öffentlich das Evans
lium Vorikg zu predigen. Sehen Sie iu,
16
wie Ihnen die Geiftlichen und bie fogenannt
Gritifer applaudiren werden. Ich meines Di
bin, dag können Sie ſich vorftellen, mit Ihr
Evangelio höchlich zufrieden — wiewohl frı
lich leider alles was Sie geprediget habı
lauter Naturalismus, Deismus und Pelag
nismus, ja purer verfeinerter Epicuri
mus, Pbhilofophie der Grazien, und n
einem Worte, pures Heidenthum if.
Meine Frau, welche eine fehr gute Frau i
aber felten in die Kirche gebt, fage mtr, we
man zu Erfurt fo predigte, wie Sie zu Di
- feldorf gepredigt haben, fo mollte fie gen
feine Predigt verfäumen. — So, lieber Jacot
werden alle heitern, unverdorbnen, ſchoͤn
Seelen fagen. Aber — wie viele find dere
Ihre Predigt, mit einem Wort, ift fchı
und gut, aber fie hat nicht gedrudt werd
folen. Man muß die Wefpen nicht ohne No
noch mehr reisen.
Dergeben Sie mir, daß Ih Ihnen met
Gedanken fo frey fage; Sie willen mie fe
tch Sie liebe. Die Grazien ſeyen ein ew
ges Denkmahl davon!
Laſſen Sie ſich umarmen, mein lieber beſt
Jacobi! und nun gehen Sie hin und la
17
‚Rich das quando corpus morietur, auß Pers
: goleſe's stabat mater vorfingen, und
i Bann feßen Sie fih und fihreiben was Gie
: im Elyfium gefehen haben!
CLXXXVII.
An Gletm.
Erfurt, den 18. November 1770.
ch wende mich an Sie, um Sie zu Bits
ten, ein Werk der Barmherzigkeit an einem
jungen Autor zu tun, und ihm — einen Ver⸗
leger zu verfchaffen. Hier, befter Gleim, lefen
Sie felbft, und fehen Ste, ob Heinfe nicht
ein Genie iſt, der Aufmunterung verdient!
Ich bin gewiß, Sie werden fo mit mie
Denken, wenn Sie fein Manuſcript durchge⸗
blaͤttert haben.
Er bat unlaͤugbar viel Genie, viel Seuer,
und für feine Umflände ziemliche Kenntniß.
Sein Genie iſt noch braufend und truͤbe,
wie junger Wein — Sein Feuer brennt noch
nicht gleich, nicht rein genug — Seine
Kenntniſſe find noch mangelhaft, und il y a
beaucoup de crudites dans son esprit —
Mielands Vriefe. II. V. 2
38. ’
Aber gleichwohl fann was Großes aus dk
jungen Manne werden.
nen Sinngedichten offenbart) und die. wenige
Achtung die er zumellen gegen Vorurtheile hat, h
qu’un honnete homme doit respecter. Geist |,
Moral ift zumellen nicht die beſte; aber bad
alles wird fich fihon geben, wenn ſich de
Menfch geſetzt haben wird. Mit allen feinen |,
Fehlern hoffe ich, Sie werden ihn Ihrer Pros
fection würdig finden. Seine fchlechten Um |
flande, Mangel an Erziehung, an feiner Le—
bensart, find die bauptfächlichfte Quelle das |
von. Wo folte er den guten Ton gelernt
haben ? E
Haben Sie die Gütigfeit, liebſter Freund,
ibm einen Verleger zu verfchaffen, der we⸗
nigftend die armfellge Generofität bat, ihm
funfzehn bis zwanzig Louisd'or für diefe Mas
nuferipte zu bezahlen; und wenn Sie einen
folhen Mann gefunden haben , fo beNeben Sie
das Geld an mich zu fenden.
Ich bitte Sie nicht um Vergebung wegen
ber Bemühung die Ih Ihnen zumuthe. Ich
"ne das Herz und die Denkensart meine
l
! 19
Heime. In Leipzig, mo ich. die erfien. Vers
ıche machte, Fonnte ich Eeinen Verleger dazu
nden; es iſt aber auch wahr, daß ich die
satten zu boch fpannte. Ich verlangte fünf
nd zwanzig bis dreyßig Louisd'or; dag war
s viel: ein neuer unbekannter Autor muß mit
Tem zufrieden feyn, was man ihm gibt.
nfer junger Autor iſt, bey aller feiner epifus
tifcher Schelmerey ein armer Schelm. Elos '
tus mil ihm eine Hofmeifterfiele in Leipzig
erſchaffen; aber er braucht etwas Geld, um
ch. ein wenig zu ‚equipieren. |
Noch ein Wort von den Sinngedichten.
yaben Sie die Gutigfeit, diejenigen burchzus
reichen, die Ihnen nicht gefallen. Einige
nd cynifch, einige platt — der Geſchmack
e8 jungen Menfchen iſt noch nicht rein,
nd feinen Sitten hänge noch zu viel von dem.
Höbelhaften feiner Erziehung an. Ineinigen
Stücken ift mahrer Wis. Mit den übrigen
erfahren Sie nach Belieben. Er unter
yirfe ſiſch fchlechterdings Ihrem Urtheil.
Ich weiß nicht, liebſter Gleim, in wag für
iner leichtfertigen Laune Ich war, da ich Ihnen
tzthin fchrieb. Beynahe iſt mir bange, daß
H zur Unzeit geſcherzt haben möchte. Doc
20
Sie und unfer Jakobi kennen mein Her;
Dies beruhiget mih. Sagen Sie unfern
lingsdichter, daß er nächfieng einen Bri
Mad. La Roche befommen werde. Sagı
ibm, daß ich Ihn und feinen Gleim
feinen Bruder in Düffeldorf Coon de
fürzlich einen allerliebfien Brief befo
babe) über alles liche. Ach habe Feine
dee vom Himmel, als wenn ich mir e
ben unter folchen Sefchöpfen wie Ihr
denfe! Warum, warım! kann Wieland
mit denen leben, bie er liebe? Warum
er unter Oſtrogothen, Slaven und Ma;
nostris leben! Dites moi le mot d
enigme! Stein! Maitre Panglofs mag
was er will, nicht alles iſt gut in d
Melt; ’tis buta worky-days world,
the best of it you can; mais pour mo
a des momens oü je voudrois .pouv<
mettre dn pieces, le piler dans un mc
le fondre en masse et en faire un ;
Adieu, mon cher ami ‘
4
*
*
>
-
ELXXXIX.
An Jakobi.
Erfurt, den 25. Jenner 1771.
Ich ſetze mich fogleih hin, mein lieber Jas
. eobi, Ihnen für Ihren Fleinen Brief vom 20.
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FE
—
E:
2
4
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&
und für Ihre Cantate zu danken, welche mir
zum Fruͤhſtuͤcke gebracht wurden, und von der
ich, mie ihrer Erlaubniß, um ein gutes Theil
gunfliger denfe, als Sie ſelbſt. Ste iſt Ihrer
; völig würdig, und erneuert meinen Wunfch,
daß Sie für ein Igrifches Theater (welches
war noch nicht eriftirt, aber durch Gie vers
anlaße werben fünnte) arbeiten möchten. Wenn
Sie noch lange zaudern, fo fiehe ich Ihnen
nicht dafür, daß ich Ihnen nicht zuvorkomme.
Ich babe fchon lange die dee von einem klei⸗
nen Iprifchen Schaufpiel, Pysmalion, im.
Kopfe, eine Idee, aus welcher etwas Schös
nes, ſehr fchönes werden müßte, wenn ich fie
fo ausführen fünnte, wie fie in meiner Eins
bildung liegt. |
Mit den Arien in der Cantate bin ich nicht
fo ſehr zufrieden als mit dem Recitativ,
und mit den beyden erfien Arten weniger, als
mit den letzten. Sch münfchte, daB es mögs
22
lich waͤre, die Kunſt der Arien melne
Liebling Metaſtaſio abzulernen; ich fuͤhle ur
kenne die Schwierigkelten, die unſere Sprad
Dagegen macht, nur gar zu wohl; aber gaı
unuberwinddich find fie nicht; und wer Finn
fie beſſer überwinden, als mein Jacobi, d
das Lied der Grazien gefungen hat, Di
ſes füße, nektarfüße Lied, das lauter Mul
iſt, und bie Leichtigkeit eines Grazien⸗Tal
zes hat. |
Wie weit mir felbft Verſuche von diefer Ga
tung in den Grazien gelungen feyn möchte
darüber mwünfchte ich, zur Beflätigung Ihr
und Unfers Gleimg vielleicht allzu nachſich
lichen Beyfalls, das Urthetl eines Hiller
oder irgend eines andern Tonfänftlerd, be
die Deufen hold find, zu erfahren.
Und: nun auch ein paar Worte auf Jhri
vorletzten Brief. Warum konnte ich Doch d
Reiſe nach Berlin nicht mit den Freund
meines Geiſtes und Herzens, mit meine:
Gleim und Jakobi mit machen? in ihrer &
felfchaft Sulgern, Mofes Mendelsſoh
und Kamlern kennen zu lernen! Ich geftel
Ihnen, daß ich nichts weniger als gleichgü
tig bey dem Beyfall der beyden letztern bi
23
beffen fie mich In fo Iebhaften Ausdruͤcken
verfichern.
Der letzte niederträchtige Ausfall, den, ich
weiß nicht welcher Elende, auf Sie und mich
in der Hamburger N. 3. gethan hat, reijte
Anfangs meinen Unmwillen fo (ehr, daB Ich im
Begriff war, etwas Dagegen für Sie und mic)
aufzufegen, welches in den Gorrefpondenten
eingerückt meiden follte. Aber Da fih mein
erſter Unwille abgekuͤhlt hatte, fand ich, daß
wir dem ſchlechten Menſchen zu viel Ehre ers
weifen würden, wenn wir Empfindlichkeit über
feine Beleidigungen zeigen wollten. Dieſe
Können und nicht fchaden, und einer Apologie
bedürfen wir auch nicht. Das befte iſt, wir
gehen Hand in Hand unfern Weg fort, und
würdigen dergleichen Zudringlichkelten nicht der
geringfien Aufmerkſamkeit. Stillſchweigende
Verachtung iſt das unfehlbarſte Mittel, der⸗
gleichen armſelige Blaͤffer, die mit aller Ge⸗
walt Aufmerkſamkeit erwecken wollen, abzu⸗
weiſen.
Einer ſo gefühlvoflen und mit den fchönften
Ideen von liebenswürdiger Menfchheit und
Fchöner Natur angefüllten Seele, wie meines
Jacobis, muß es freylich eben fo fchmerzlich
24
als undegreiflich fallen, wenn fle eine Erfah⸗
rung nad) der andern von der Bosheit und
tuͤckiſchen Gemuͤthsart, melche fo gemein um
ter dem Pöbel aller Elaffen und Stände if,
zu machen genöthige wird. Aber fo ift nun
die Welt, mein lieber, und wir haben fein
ander Mittel, als uns in die befferen Welten
zu flüchten, die wir ung ſelbſt 'erfchaffen koͤn⸗
nen, fo oft uns die wirkliche unectröglid
wird.
Umarmen Sie unfern Gleim in meinem
Namen, für die Gütigfeit, die er für den
armen Heinfe gehabt hat. |
|
CLXC.
An Ebendenfelben.
‚ Erfurt, den 18. Sebruar zz
Liebſter Beorg! — Meine Sophie, bie
ältefie meiner drey Mädchen, ift feit Eurgem
von ber entfeglichften aller Krankheiten, den
Pocken, glüdlich und mohlbehalten wieder aufs
geftanden. — Wünfchen Sie mir Gluͤck dazu,
befter Bruder! Mein Leben hing an dem Las
ben dieſes füßen Gefchöpfes, und folglich zwey
te drey Tage lang an einem Faden.
25
Ich umarme und füffe Sie tauſendmahl für
das angenehmſte Gefchenf, das Sie mir jes
mahls gemacht haben, für Ihre Pſyche (denn
fo wid ich Ihren Schmetterling nennen)
und für Ihre Antonette, meinen Liebling
unter allen ihren Liedern, die zwey ausgenoms
men, bey melchen zu Coblenz im Nachen,
am fchönften Abend meines Lebens, in der
beften Geſellſchaft worin ich jemahls war, fo
fchöne, fo füße Thränen gemeint wurden.
Alles was Sie mir von Ihrer Cantate fchreis .
ben ift fehr nach meinem Sinne und die Wachs
richten von Ihrer Aufführung haben mir uns
endlich viel Vergnügen gemacht. Die Danks
fagung Ihrer patriotifchen Gefelfchaft war
wohl imaginirt und des patriotifchen Dichters
würdig. Vortrefflich finde ich das Schreiben
an den König — warum haben Ste nit auch
eine Abfchrift von der Föniglichen Danffagung
beygelegt?
Unſer Bruder Fritz iſt einer von dem ſelte⸗
nen Sterblichen von denen Shakeſpeare ſagte,
bey ihnen moͤchte die Natur aufſtehen und ſa⸗
gen: das iſt ein Mann! Er hat mir Urſa⸗
chen von ſeiner Standesaͤnderung gegeben, um
derentwillen ich ſeinen Nahmen nie ohne Ehr⸗
26
erbietung nennen werde, wiewohl alles ti
fhön und gut, edel und groß iſt, feiner S
fo natürlich ift, daß er niemahlen etwas fo x
Bes thun wird, daB es mehr wäre, als
ihm zutraue. Ich muß unferm lieben DB
Gleim dießmahl meine Antwort fchuldig f
ben. Ich hoffe aber, er iſt mit bem zufriel
was ich ibm über feine vortrefflichen Li—
gefchrieben babe.
Ihren Michael möcht ich perfonlih
nen. Wenn Gie wieder nach Düffeldorf
ben, fo vermachen Sie Ihn mir, big Sie
Derfommen.
Leuchſenring ift wieder aus der Sc
zurücgefommen, und hat mir neuerlichfi
Sefenfchaft mit Merk ein Briefchen aus
ſers Dumeiz Zimmer in Frankfurt gefchriel
mit Beylage zweyer Stuͤcke ber Franffı
Anzeigen, worin Gulgerß Theorie:
fcharf , nicht etwa blog mit attifhem Sa
fondern, beym Anubis! mit Salpeter und
nifchem Pfeffer gerieben wird. Ich mi
wohl wiffen, wer die Recenfion gemacht bc
ie iſt avec connoissance de cause und
gleich beſſer als die meinige gefchrieben.
*) Wahrſcheinlich Göthe.
27
jſt es wahr, daß Feder in Göttingen Vers
er der Revifion der Phllofophie If.
kann e8 Ihm nicht zutrauen, das Buch iſt
» merkwürdige Erfcheinung ; wiewohl es feldft
j) einer Kevifion bedarf.
ih umarme meinen Georg mit iInniger
ve ꝛc.
CLXCI.
An Gleim.
Erfurt, den 2. Merz 1771.
Der Tag, wo ich einen Brief von meinem
iebten Gleim empfange, iſt allemahl ein
licher Tag fuͤr mich. Je groͤßer dieſer
ief iſt, deſto groͤßer mein Vergnuͤgen; ſollte
aber auch nichts weiter enthalten, als: gu⸗
Tag, mein lieber Wieland, ich bin wohl
und liebe Sie — fo wuͤrde er mir doch
je DBergnugen machen, als ber wigigfte
ief von dem witzigſten Kopfe in Europa,
mir alle acht Tage einmahl eine große
iftel fchriebe, um mit feinem Wise Parade
machen, — Alſo fein? Entfchuldigungen uns
ung, mein beiter Gleim. Se ofter Gie
: fchreiben koͤnnen, deſto beffer für mich;
23
aber ohne Ihre Ungemächlichfelt, bag verſich
ſich ein fuͤr allemahl.
Herr Heinſe empfiehlt ſich zu Gnader
und iſt ſehr geruͤhrt von aller Ihrer Gütig
keit fuͤr ihn. Er iſt kein Theologe, ſonder
ein manquirter Juriſte, und taugt in Feiner
ley Betrachtung in ein Predigerhand
Kurz und gut, er mag auf eine. beffere Gel
genheit warten. Daß Sie ihm einen DBerlege
gefunden haben, bat ihn unendlich gefreut
und er bittet Sie instanter, instantior, instan
tissime, zu machen, daß wenlgſtens ein Thel
feiner Dialogen auf die Oſtermeſſe das Lid
ſehe. Er hofft ſich durch den Dialog über bi
Muſik bey feiner gebletenden Dame, der Tür
ſtin von Sondershaufen, welche eine Kennerh
und Dilettantin von Mufif ꝛc. feyn fol, U
infinulren, und. dadurch feinen übrigen Abfich
ten förderlich zu feyn. Auch von feinen Sina
gedichten, bittet ev Sie, biejenigen, welch
Ahnen am wenigſten mißfallen, und toorlı
feine fo fcandaleufe Reime vorkomme
(ich denke bierin eben fo wie mein Gleim) aus
zuzeichnen und drucken zu laffen. Die übrel
gen Dialogen, welche der Ausbefferung nod
am meiften bebärfen, bitter er fich wieder auf
29
zu befchnelden. Er iſt noch jung, 'ein
um Juxurians, und e8 fehlt ihm noch
n dem guten Ton, aber durch Aufmuns
und freundliche Kritik iſt fchon was
m zu machen. Wenn Ste gelegentlich
echs oder acht Louisd'or für Ihn entbeh⸗
nnen, fo kann er fie freylich wohl ges
en, und belieben Sie fich für alles bey
Verleger wieder besable gu machen,
r, wie ich hoffe, fo übel mit diefem new
nden Autor nicht fahren wird.
t vergebe Ihnen, mein liebflee Gleim,
Sie durch Ihre Yufmunterung aus uns
facobi einen Evangeliften gemacht haben.
htet alles deffen, was man dafür fas
zun, iſt Doch etwas Diffontrendeg
e Sache, welches einen, wunderliden
auf viele ehrliche Leute macht, und
Seind Stoff zum Gpotten gibt. Ich
hm meine Meinung bon’ der Sache in
licher Liebe gefagt: wie wollen fehn wie
fen wird.
König folte mich allerdings zum Abe
lofter Bergen machen, wenn er diefe
e in einem vortrefflichen Stande, haben
‚ Wenn 68 fich für einen Verfaſſer des
30
N. Amadis und der Grazien ꝛc. ſchickte,
Geiſtlicher zu ſeyn, fo wäre ich der Manı
zu, mich eraminiren und ordiniren gu I.
Denn ih kann viel Theologie. Abe
hätte dies alles nicht vonnöthen. Im vo
Seculo ift ein Laye Cich weiß nicht
was für ein D. juris,) Abt von Klofter
gen gemwefen; und alfo hatten wir fehoi
Praͤjudicium. Der feine Lärm, den Die K
Gottes in Bergen und Magdeburg anfa
würden, wenn Wieland Hähns und Si
metzens Succeffor würde! Es iſt ein Ze
vor dem jüngften Tage, würden fie mit gı
‚genen Händen ſchreyen. In der That m
ich nichts Lieberes auf der Welt feyn ale
rector einer academifchen Schule cum 1
potentia — oder Amtmann auf einem
halb eingefallenen Schloffe, nicht gar zu
von meinem Sleim. — Wenn Ihr hochwuͤ
gnädiges Domcapitel fo eine Caſtellanſtelle
ungefähr. taufend Neichsthalern jährlich zu
geben bat, fo gedenfen Sie meiner im Bi
Einen Zwerg meiß ich ſchon, den ich
in meine Dienfte nehmen werde, damit er
der Warte des Schloffes ſtehe, und alfe
in fein Dorn floße, wenn er Gleim und
31
bi von ferne daher traben ſieht, einen Be⸗
ch bey dem Seigneur Chatelain abzulegen.
Lebt wohl, meine Kinder, ich umarme Euch,
d wenn ich Abt von Kloſter Bergen ſeyn
erde, ſollt Ihr meine Benediction obendrein
iegen. Ihr koͤnnt nicht glauben, wie gut es |
ir läßt, wenn ich bie Benediction gebe.
CLXCH.
An Ebendenfelben.
Erfurt, den 8. Merz 1771.
Laſſen Sie ſich umarmen fuͤr Ihre koͤſtliche
legiade, mein lieber ſchwaͤrmeriſcher, unnach⸗
mlicher Gleim! Ste allein Fünnen aus
ichtS oder aus etwas bag beynahe nichts
‚ da8 niedlichfte, anziehendſte, Intereffans
te Ding machen, das jemahle eln "Barde
macht hat. Wie liebe ich diefe anmuthig
ilde Noten, dieſen Eunfllofen, von der blos
n Natur eingegebnen Nachtigallengefang; es
mein Lieblingston, der Ton Ihrer Alexias,
ver niemand kann darin componiren, und
emand foll darin componiren, als mein
feim. Sa wohl müffen Ste: begeiftert ‘ges
efen ſeyn, da Sie dieſe Aleriabe fangen; fie
22
ſieht fo ganz der freymilligen Ergießung elek
vollen, glücklichen Ader von Geiſt, Gefuͤhl ud
Laune gleih — koͤnnte Ich noch etwas dab
wünfhenl, fo wäre e8 Zeit und Geduld fi
meinen Gleim, um allen Strophen ohne And
nahme diefe Leichtigkeit, diefe Bluͤthe der Bro
zien zu geben, die ich nur in wenigen vw
miffe; Zeit und Geduld, um alles fo völlg
außzugläatten, und fo rund und fpiegelglatt
zu machen, daß der Zoilus ſelbſt fich die Rb
gel und die Nafe dazu abfreffen möchte, ohne
was daran zu fehen, das er tadeln koͤnnte,
folche Strophen mie diefe:
„Die Schönheit einer Myrte,
Die noch Fein Blümchen trug,
Und ein getreuer Hirte
Zum Prieſter, ift genug.“
sder wie diefe: |
„Sn Ihrer Fleinen Hütte
Sitzt zwifhen Ihm und Ihr
Die alte gute Sitte
Zufrieden an der Thür!“
Solche Strophen kann alles Gold des Ra
nigs Midas nicht besablen, und der muͤßte
feine Debrlein haben, den fie nicht entzüden
ſollten! Solche Strophen verdienen, daß mels
Gleim erlihe Stunden, und wenn es fen
33
ßte, etliche Tage dazu heiliget, die wenigen
nen Flecken wegzuwiſchen, und die wenigen
nen Härtigfeiten wegzufeilen, bie er ſelbſt,
gut und beffer als ich, beym nochmahligen
erlefen wahrnehmen wird.
Bag Sie, liebfier Freund, nicht ſelbſt wahr⸗
men, davon foutenire ich gegen alle Welt,
Pferd und zu Fuß, daß es Fein Fehler if;
na wer hat ein zaͤrteres Gefühl und ein feis
es Ohr ald mein Gleim?
Die einzige Strophe auf der zehnten Seite,
„Einf flocht er eine Myrte“
ede ich den Grazien zum füßen Geruch aufs
ern, bie Empfindung die darin liegt, If,
in ich nicht irre, gar zu gefändelt, gar zu
feiner; die Mühe, einen Myrtenzweig in
en Kranz zu flechten, ift fo Elein, fo Klein,
3 08 fich fchlechterdings ber Muͤhe nicht vers
nt, daß Elifa Aleris feyn möchte, um ihm
ſe Muͤhe zu erſparen.
Yh ſage nichts von den Niederſaͤchſiſchen
imen:
— Geſank (Geſang)
— Zank
Ihr andern Niederſachſen ſeyd uͤber dieſen
ukt fo eigenſinnig! alſo nichts mehr von
dielands Briefe BIL. V. 3
34
Sefanf, und Klank und Zaunk und lan m
allen diefen Confufionen der armen Deiklantt
g und k, g und hu. f. w., die uns ehrliche
Allemannern fo unerträglich vorfommen!
Verzeihen Sie, mein liebfter, befter Stemif:
meine Impertinenz. Es tft am Ende be
nicht, weil ich gern etwas tadeln möchte, fi
dern weil ich gern alles, was von meint
Gleim fommt omnibus nummeris absolutu#fl:
ſehen möchte.
Hoͤchlich wohl Hat mir die Strophe behagk:ke:
Ach Fönnte Graff es malen,
Ein ſolches Bild Fönnt? Ihm
Der Kaiſer nicht bezahlen,
Und ich bejahlt es ihm!“ |
Ich liebe diefen Stolz, der das Herz dalı
ſich ſelbſt Gerechtigkeit zu erweiſen — wi
Appeles den Muth hatte, die Gunft der Söh
zien laut gu bekennen, und Ihren Maler fi
zu nennen.
Nochmahls, liebſter Gleim, haben Sie taw
fendmahl Dank für das füße Vergnügen, beik
mir Ihr Alexis und Elifa gemacht haben. IL
wurde mir's, ungeachtet ich wenig Yugenblidi
babe, abgefchrieben haben, wenn ich es nie
bald gedruckt zu feben hoffte, —
35
CLXCIIT.
Un Jakobi.
Erfurt, den 25. Mer. 1771
be Trofifchreiben vom 6. Merz bat bie
fung auf mid) gethan, nicht nur die Fleis
Wunden, über die ich fo fchmerzliche Kla⸗
gegen Sie führte, auf einmahl völlig zuzus
n, fondern mic) auch gegen alle fünftigen '
kenſtiche, die ich jemahls befommen werde,
npfindlich gu machen. Kaum batte ich es
en, fo bedauerte Ih von Herzen, daß ich
en und Ihrem vortrefflichen Bruder eine
nmäßige Empfindlichkeit gezeigt, und Sie
wech gereist hatte, auf Rache an einer Art
Sefchopfen zu denfen, welche von Rechte
n unter unferem Geſichtskreiſe feyn follte.
ı Unmille gegen mich ſelbſt, tft — erfchres
Sie nicht, lieber Jakobi, vermehrt wor⸗
da ich Ihr ernfihaftes, aber nur gar zu
thaftes Gedicht an daß deutfche Pubs
3 lad. — So ſchoͤn einige Stellen darin
ch ſelbſt find, fo fann und fol ich Ihnen
nicht verbergen, was Sie vermuthlich bey
em Blute felbft fühlen werden, daß der
dieſes Fleinen Gedichts gefchickter I, ung
36
als unfern Feinden, Schaden gu thun. E
zu viel Lfarmen um Nichts. Sie
den ſehen, mie luſtig fich die Hamburger
Böttinger über ung machen werden. Die
firophe an eine Furie, dag Verbrechen dat
deutfchen Nation daraus gemacht wird,
fie nicht mit Feuer und Schwert (werden
Spötter fagen) gegen Diejenigen auszie
melche ihre Knie nicht vor den Grazien
Amorn der Herren Gleim, Jakobi und S
land beugen wollen; das Wort Freveli
ten gebrauchen, um Eleine boshafte crit
Wanzenſtiche zu bezeichnen, kurz der allzu
erliche Ton des Gedichts, "und die poet
Derwandlung einer Kleinigfeit In eine Si
woran die ganze Nation Antheil nehmen
alles dies wird Anlaß geben, uns nody aͤ
mitzufpielen, als jemahls gefcheben iſt.
die Unpartheyifchen werden fagen: Nun ı
tollen denn Diefe empfindlichen Herren m
als daß fie von der Nation begierig gel
und bewundert werben? Soll man einen Kr
zug gegen ihre nahmenlofe Feinde, gegen :
tungsfchreiber, predigen?. — Vergeben |
mir, mein allerliebftee Jacobi, diefe Frey:
thigfeit — ich empfinde darum nicht wen
37
ſehr ich Ihnen für die warme Freund⸗
ft verbunden bin, welche Sie getrieben bat,
meiner mit fo vielem Eifer anzunehmen.
’ mich ſelbſt, bloß auf mich bin ich boͤſe,
ich Ste zu dlefem kleinen Don Quiſchotti⸗
n Auszug gegen — Marlonetten verleitet
e. Laffen wirs gut feyn, und folgen Eünfs
bem Rath, den mir- unfer vortreffliche
Bhofmeifter, der Freyherr von Grogfchlag
s auf deffen Urtheil ich es anfommen
‚ ob id den Göttinger und Hamburger
ungsfchreibern etwas anttworten folte oder
t: « je ne vous conseille pas, fo ſchreibt
ir, de riposter & ce gazelier de Ham-
rg et à ce triste litterateur de Göttingen.
maniere est de ne jamais repondre aux.
, aux pelits mechants, aux vieilles fem-
;„ ni aux ennuyeux. — Vous auriez tort
vous fächer aussi long-tems, qu’on vous
et qu’on vous lit avec un avide plaisir.
nfere Freundin Sophie ift Im Begriff nach
em neuen Wohnfig in Coblenz abzureifen,
ohne Zweifel haben Sie noch vor Ihrer
tfe einen Brief von Ihr befommen. Mit
ang Fünftigen Mays reife Ich ſelbſt nach
enz; haben Sie, mein Lieber, nicht etwan
38
auch irgend eine Neife in diefe Gegenden ART
in benachbarte vor, welche Gelegenheit zu el
Zufammenfunft geben fünnte? Sollte es
nicht feyn Eünnen, fo werde Ich nicht
ruben, bis ich unfern Gleim In Halbe
befuchen kann, und dies fol noch Im Diet
Fahr gefchehen, oder der Himmel müßte vmf
ber einfallen.
CLXCIV.
An Sleim.
Erfurt, den 26. Merz 177%
Wenn Ich Ihnen, mein liebfter Gleim, ned
nicht8 davon gefagt habe, wie ſehnlich Id
einer vollftändigen Ausgabe aler Ihrer Werk
(dieſes Wort in feiner wahren poetifchen 34
Deutung genommen) entgegen fehe, fo hatt
ih es thun follen, und thue es jegt, da id
vernehme, daß der ſchlechte Menſch Hechttl
eine fchlechte Ausgabe, an der Ste folglih
feinen Theil haben, davon zu beforgen fich ei
freche babe. sch flelle mir vor, baß der Bau
fag, einige von den Gedichtchen, die Yhnen
durch eine plößliche Begeifterung eingegehet
„Yorden, oder die Ihnen zufälliger Weife and
Be Feder gefchlupft find, zu überarbeiten und
rszupoliren, — und der Dangel an Zeit Dazu,
‚Wie einzigen Urfachen feyen, fo Ste bisher vers
‚Windert haben, eine authentifche Ausgabe zu
Beranfialten. Aber wenn mein Bitten bey Ihnen
Exwas vermag, liebfier Gleim, fo Tafien Sie
‚Mich und alle Liebhaber Ihrer Mufe, das if,
alles was einigen Antheil von Geiſt und Ges
Fähl des Schönen unter unfrer Nation hat,
micht länger nad) einer Sammlung aller Ges
Dichte -eines von unfern Lieblings s Dichtern
wergebeng fchmachten. indem ich «eine foldhe
Ausgabe wünfche, wuͤnſche ich auch daß fie
ſchoͤn und niedlich feyn möchte, und da
“uch feinen Verleger In Deutfchland Fenne, der
fo viel Herz hat, etwas auf eine fplendide
Ausgabe zu Menden, ald Freund Neid, fo
möchte ich Sie überreden können, ihm die
Ehre Fhr Verleger zu feyn zu gönnen. Sch
würde eben diefe Propofition unferm Jakobi
gethan haben, wenn ich von feinem Vorhaben,
alle feine Werke zufammen zu ediren, nicht zu
fpat benachrichtige worden wäre. Gar fo gern
möchte ich, daß wir drey Einen Verleger häts
ten; Neich würde fich eine Ehre daraus machen,
alles mögliche anzuwenden, um bie Kindlein
40
- unfers Geiſtes herauszuputzen; und geſtehe
Ihnen, daß ich ſelbſt Kind genug bin, de
meinigen gar zu gern gepußt zu fehn. Neid
weiß nicht, daß ich Ihnen dies fchreibe, abe
ich weiß, daß er ſtolz auf bie Ehre ſeyn wuͤrde,
meined Gleim's Verleger zu feyn. Er IR de
bonnetefte Buchhändler, den ich jemahls g#
fannt habe, und ic) bin gewiß, daß Ihner
fein andrer mehr GSatisfaction geben mürdt
als er. Melden Sie mir doc) sub rosa, was
Sie hiervon denfen, mein liebftee Gleim. Ih
umarme Sie von ganzem Herzen. Die Grajle
unfers Meifters Sokrates fey mit Ihnen.
cxcv.
An Jakobi.
Erfurt, den 10. April 1771.
Ich erinnere mich der Ausdruͤcke nicht mehr,
worin ich Ihnen letzthin von Ihrem kleinen
Gedichte an das Publicum, nach dee Ems
pfindung welche mir das wiederholte: Lefen
deffelben machte, fchrieb; wenn in biefen Aus⸗
drücen etwas ift, das Ihnen unangenehm
feyn mußte, fo bitte ih Sie um Vergebung;
daß mein Herz unfähig ift, Sie zu beleidigen,
\
gi
verficht fich von ſelbſt. Andeffen kann ich uns
Möglich, mwenigfteng .einem Freunde, den id)
fo liebe, wie ich Ste liebe, etwas anders fas
gen, als was ich denfe. — Die vollfommne
Zufriedenheit aller unfrer Freunde mit dem
Gedicht wovon die Rede ift, beweist, Das wir
nicht über alles gleich denfen, und wie können
mwir das erwarten ? ch verlange nicht daß
irgend eine lebende Seele empfinden fol wie
ich. Unrecht, im höchften Grad Unrecht, that
ih daran, daß ich Ahnen und Ihrem lieben
Bruder, In ber erften. Bewegung des albernen
Affekts fchrieb, worein mich die Böttingifche
alberne Recenfion der Grazien ſetzte. Hatte ich
es nur einen oder zween Tage anſtehen laffen,
fo würde ich Ahnen und unſerm Bruder zu
Düffeldorf viel unangenehme Augenblicke, und
mir viel Nachreu erfpart haben. Doch dies
iſt alles nun nicht mehr zu ändern; laffen wirg
gut ſeyn. Sie follen mich in ihrem Leben
nicht wieder uber Urtheile Flagen hören, welche
meine Eitelfeit oder Eigenliebe beleidigen.
Hingegen verfprechen Sie mir auch, lieber Ja⸗
tobi, in Ihrem Leben nicht wieder in dem
hoͤchſt ernſthaften Ton, wozu Ihnen uns
fee Gleim (A\qui dicu le pardonne!) geras
42
then bat, weder gegen die Mifocharlten uch
gegen die Mifanthropen, noch gegen irgen
eine Art von Haffern fehreiben wollen. Vi
leicht hab’ ich Unrecht; aber mich dünft, ML:
wollte eine große Differtation zur Entſchuldb
gung, ja zur Rechtfertigung der Diifocharitm
fchreiben können. Hütet Euch vor der Sch waͤn
merey, meine Kindlein; etlihe Gran daten h,
zumwellen, in einer hinlänglichen Portion Freud }ı
als Liebe, oder Hoffnung, oder irgend elnt h
andern angenehmen Empfindung aufgelödt I;
ift ein ganz gutes Cordial; aber Flamw
men athmen, und den Zurien ihreſ
Fackeln aus den Klauen reißen, -
welch eine Ausſchweifung für Enthufiaften dee |,
Schönen und Guten? Ach empfinde die Stark |
der Sreundfihaft Ihres Gruders in dem Slam
menhbauchenden Briefe, wie ich foll; abe
ich kann Ihnen doch nicht verbergen, daß ih
mich ein wenig vor meinen ſchwaͤrmeriſchen
Freunden fürchte. ch ſelbſt bin gewoͤhnlich
fo kalt — ich ſehe die Welt und was in de
Meltift, in einem fo jovialifchen Lichte, (wenn
ich fo fagen kann) meine ganze Art zu Denken,
meine ganze Philofophie iſt der Schwaͤrmerty
fo wenig guͤnſtig, daß Ich obnmöglich ohne
43
e Görge feyn kann, wenn ich an dieſe
rfihiedenheit in unfern Sinnesarten denfe.
a fo mehr verlangt mich, fie alle perſoͤnlich
Fennen. Deich Cdeffen bin ich gewiß) wer⸗
ı Sie nicht fo finden, wie Sie mich zu fins
ı wüänfchen und vielleicht glauben; doch dies
inruhiget mich nicht; Sie werden einen
enfchen von geradem, offnem, aufrichtigem
arafter an mir finden, der mit allen feinen
angeln noch immer Ihrer Freundfchaft werth
, und daß iſt genug.
Ihre erfien Menfchen, mein Jakobi —
: habe ich fo lange warten fönnen, Ihnen
ſagen, Daß ich fie. mit dem höchflen Grade
Vergnuͤgens, deffen ich fähig bin, geles
babe? Sch kann nicht Worte genug fin:
I, Ihnen zu fagen, wie ſchoͤn es Im mei⸗
ı Augen ifl! der ganze Ton fo vollfommen
3 Gegenfland angemeffen, die. Bilder fo
in, fo reisend, fo glücklich zufanımengefegt,
Farbe fo glühend, der. Ausdruck fo leicht,
leicht, daß Ich anfange unfre Sprache bald
ig zu glauben, in: diefem Stüde die frans
ſche felbft zu übertreffen, und beynahe die
Tienifche gu erreichen. Welche Mufif im
hmus, in dem abwechſelnden Sylbenmaß!
34
Geſank, und Klanf und Zank und lanfı
allen diefen Confufionen der armen Mitlar
g und f, g und hu.f. w., die ung ebrild
Allemannern fo unerträglich vorkommen!
Verzeihen Sie, mein liebfter, beſter Gle
meine Impertinenz. Es ift am Ende d
nicht, well ich gern etwas tadeln möchte, f
dern weil ich gern alles, was von meh
Gleim fommt omnibus nummeris absolut
ſehen möchte.
Hoͤchlich wohl hat mir die Strophe behat
Ach koͤnnte Graff es malen,
Ein ſolches Bild Finn Ihm
Der Kaifer nicht besahlen,
Und ich bezahlt es ihm!“
Ich liebe diefen Stolg, der dag Herz 5
fih ſelbſt Gerechtigkeit zu erweiſen —
Appeles den Muth hatte, bie Gunft der €
zien laut zu bekennen, und Ihren Maler
zu nennen.
Nochmahls, liebſter Gleim, haben Sie ı
fendmahl Dank für das füße Vergnügen,
mir Ihr Aleris und Elifa gemacht haben,
würde mir’d, ungeachtet ich wenig Augenbl
babe, abgefchrieben haben, wenn ich es n
bald gedruckt zu feben hoffte. —
35
CLXCIIT. |
In Jakobi.
Erfurf, den 25. Merz. 1771
Troſtſchreiben vom 6. Merz hat die
auf mich gethan, nicht nur die klei⸗
nden, über die ich fo ſchmerzliche Kla⸗
n Sie führte, auf einmahl völlig zuzu⸗
ondern mich auch gegen alle künftigen
iche, die ich jemahlg befommen werde,
rdlich zu machen. Kaum batte ich e8
fo bedanerte ih von Herzen, daß ich
nd Ihrem vortrefflihen Bruder eine
ige Empfindlichkeit gezeigt, und Sie
gereist hatte, auf Rache an einer Art
hopfen zu denken, melche von Rechts
nter unferem Geſichtskreiſe feyn follte.
wille gegen mich felbft, ift — erfchres
nicht, lieber Fafobi, vermehrt mors |
ich Ihr ernfihaftes, aber nur gar zu
ftes Gedicht an dag deutfhe Pubs
3, — So ſchoͤn einige Stellen barin
I6ft find, fo fann und fol ich Ihnen
t verbergen, mas Sie vermuthlich bey
Blute felbft fühlen werden, daß der
es Fleinen Gedichte gefchickter IfE, ung
36
als unfern Beinden, Schaden zu thun. Es IR]
zu viel Laͤrmen um Nichte. Gie mi
den fehen, mie luſtig fich die Hamburger
Göttinger über ung machen werden. Die Apo
firophe an eine Furie, dag Verbrechen das de
Deutfchen Nation daraus gemacht wird,
fie nicht mit Feuer und Schwert (werden DE
Spötter fagen) gegen Diejenigen ausziehen,
melche ihre Knie nicht vor ben Grazien und
Amorn der Herren Gleim, Sakobl und Wie
land beugen mollen; dag Mort Srevelthal
ten gebrauchen, um Fleine boshafte critiſche
Wanzenſtiche zu bezeichnen, Fur; der allzu fey⸗
erliche Ton des Gedichts, "und die poetiſche
Derwandlung einer Kleinigkeit in eine Sathe,
woran die ganze Nation Antheil nehmen fol,
alles dies wird Anlaß geben, ung nod) ärge
mitzufplelen, als jemahls gefcheben iſt. Und
die Unpartheyifchen werden fagen: Nun mas
wollen denn diefe empfindlichen Herren mehr,
als daß fie von der Nation begierig gelefen
und bewundert werden? Sol man einen Kreup
zug gegen Ihre nahmenlofe Feinde, gegen Ze
tungsfchreiber, predigen? — Vergeben SH
mir, mein allerliehfter Jacobi, diefe Freymͤ—
thigkeit — ich empfinde darum nicht wenige
37
ie fehe ich Ihnen für die warme Freunds
haft verbunden bin, melche Sie getrieben hat,
h meiner mit fo vielem Eifer angunehmen.
uf mich ſelbſt, bloß auf mich bin ich bofe,
zß ich Sie zu dleſem Fleinen Don Quiſchotti⸗
hen Auszug gegen — Marionetten verleitet
ibe. Laffen wirs gut feyn, und folgen kuͤnf⸗
3 dem Rath, den mir unfer vortreffliche
roßhofmeifter, ber Freyherr von Grogfchlag
be, auf deffen Urtheil ich es anfommen
8, ob ich den Göttinger und Hamburger
Atungsſchreibern etwas antworten ſollte oder
cht: « je ne vous conseille pas, fo ſchreibt
mir, de riposter & ce gazelier de Ham-
yurg et à ce triste litterateur de Göttingen.
a maniere est de ne jamais repondre aux
ts, aux petits mechants, aux vieilles fem-
es, ni aux ennuyeux. — Vous auriez tort
: vous fächer aussi long- tems, qu’on vous
,„ et qu’on vous lit avec un avide plaisir.
Unfere Freundin Sophie ift im Begriff nach
rem neuen Wohnfig in Coblenz abzureifen,
d ohne Zweifel haben Sie noch vor Ihrer
‚reife einen Brief von ihr befommen,. Mit
fang : künftigen Mays reife Ich felbft nach
blenz; haben Sie, mein Lieber, nicht etwan
38
auch irgend eine Keife in diefe Gegenden ode
in benachbarte vor, welche Gelegenheit zu elue
Zuſammenkunft geben könnte? Sollte es au
nicht feyn koͤnnen, fo werde ich nicht che
ruhen, bis ich unfern Gleim in Halberſtadt
befuchen kann, und dies fol noch im diem
Jahr gefchehen, oder ber Himmel müßte von
ber einfallen.
CLXCIV.
An Sleim
Erfurt, den 26. Merz 177%
Wenn ich Ihnen, mein liebfter Gleim, noch
nicht davon gefagt habe, mie febnlich id
einer volftandigen Ausgabe aller Ihrer Werke
(dieſes Wort in feiner wahren poetifchen Zu
deutung genommen) entgegen febe, fo haͤtte
ih es thun follen, und thue es jet, da ich
vernehme, daß der ſchlechte Menſch Hechtel
eine fchlechte Ausgabe, an der Sie folglid
feinen Theil haben, davon zu beforgen fich er⸗
frecht habe. Ich flelle mir vor, daß der Dow
faß, einige von den Gedichtchen, die Ihnen
durch eine plögliche Begeifterung eingegeben
den, oder die Ihnen zufälliger Weiſe aus
39
er Feder gefchlupft find, zu überarbeiten und
mezupoliren, — und der Mangel an Zeit dazu,
He einzigen Urfachen feyen, fo Sie bieder vers
indert Haben, eine authentifche Ausgabe zu
eranftalten. Aber wenn mein Bitten bey Ihnen
twas vermag, liebfter Gleim, fo laffen Sie
nic, und alle Liebhaber Ihrer Muſe, das iſt,
illes was einigen Antheil von Geiſt und Ges
uͤhl des Schönen unter unfter Nation bat,
sicht langer nach einer Sammlung aller Ges
ichte -eined von unfern Lieblings s Dichtern
vergebens fchmachten. indem ich «ine foldhe
Yusgabe mwünfche, wuͤnſche ich auch daß fie
ſchoͤn und niedlich feyn möchte, und da
ch keinen Berleger In Deutfchland Fenne, ber
0 viel Her; hat, etwas auf eine fplendide
Nusgabe zu wenden, als Treund Reich, fo
wöchte ich Sie überreden Eönnen, ihm die
Ehre Ihr Verleger zu ſeyn zu gönnen. Ach
vuͤrde eben diefe Propofition unferm Jakobi
zethan haben, wenn ich von feinem Vorhaben,
We feine Werfe zuſammen zu ediren, nicht zu
pat benachrichtigt worden wäre. Gar fo gern
nöchte ich, Daß wir drey Einen Verleger hats
ten; Reich würde fich eine Ehre daraus machen,
alles mögliche anzuwenden, um die Kindlein
40
unſers Geiftes herauszuputzen; und gef
Ahnen, daß ich felbft Kind genug bin, eh
meinigen gar zu gern gepugt zu fehn. Meid
weiß nicht, daß ich Ihnen dies fchreibe, abe In
ich weiß, daß er ftolz auf die Ehre feyn märdt Fi;
meines Gleim's Verleger zu feyn. Er iR de
bonnetefte Buchhändler, den ich jemahls gu k
kannt habe, und ich bin gewiß, daß huer
fein andree mehr GSatisfaction geben würd
als er. Melden Sie mir doc) sub rosa, was
Sie hiervon denfen, mein liebfter Gleim. Ich
umarme Sie von ganzem Herzen. Die Grajle
unfers Meifters Sokrates fey mit Ihnen.
XV.
Un Jakobi.
Erfurt, den 10. April 177% |
ch erinnere mich der Ausdruͤcke nicht mehr,
worin ich Ihnen Iegehin von Ihrem Eleine |
Gedichte an das Publicum, nah dee Ems
yfindung welche mir dag wiederholte. Lefen
deffelben machte, fchrieb; wenn in dieſen Aus⸗
drüden etwas iſt, das Ihnen unangenehn
feyn mußte, fo bitte ih Sie um Vergebung;
dag mein Herz unfahig ift, Sie zu beleidigen,
gi
berſteht fich von felbft. Indeſſen kann ich uns
möglich, wenigſtens einem Freunde, den id)
fo liebe, wie ich Sie liebe, etwas anders fas
gen, ald was ich denke. — Die vollfommne
Zufriedenheit aler unfrer Sreunde mit dem
SBedicht wovon die Rede ift, beweist, das wir
nicht über alles gleich denken, und wie fönnen
vir das erwarten ? Ich verlange nicht daB
irgend eine lebende Seele empfinden fol wie
ch. Unrecht, im höchften Grad Unrecht, that
Ich daran, daß ich Ihnen und Ihrem lieben
Bruder, in ber erften Bewegung des albernen
Affekts fchrieb, morein mich die Göttingifche
alberne Recenfion der Grazien ſetzte. Hätte Ich
es nur einen oder zween Tage anfteben laffen,
fo würde ich Ahnen und unferm Bruder zu
Düffeldorf viel unangenehme Augenblicke, und
mie viel Nachreu erfpart haben, Doch dies
iſt alles nun nicht mehr zu ändern; laffen wirs
zut feyn. Sie folen mich in ihrem Leben
richt wieder über Urtheile Elagen hören, melche
seine Eitelkeit oder Eigenliebe beleidigen.
Dingegen verfprechen Sie mir auch, lieber Ja⸗
obi, in Ihrem Leben nicht wieder in dem
öchſt ernfihaften Ton, wozu Ihnen uns
ee Gleim (A\qui dicu le pardonne!) geras
42
then bat, weder gegen die Mifochariten noß
gegen die Mifanthropen, noch gegen irgend
eine Art von Haffern fchreiben wollen. Vie
leicht Hab’ ich Unrecht; aber mich duͤnkt, Id
wollte eine große Differtation zur Entfchuldi
gung, ja zur Nechtfertigung der Mifocharlıa
fchreiben können. Huͤtet Euch vor der Schwaͤr
merey, meine Kindlein; etlide Gran davoı
zuweilen, in einer hinlanglichen Portion Freude
als Liebe, oder Hoffnung, oder irgend elne
andern angenehmen Empfindung aufgelöst
ift ein ganz gutes Cordial; aber Slam
men athbmen, und den Surien Ihr
Sadeln aus den Klauen reißen, -
tvelch eine Ausfchweifung für Enthufiaften dei
Schönen und Guten? Ich empfinde die Stärf
der Sreundfihaft Ihres Gruders in dem Slam
menhauchenden Briefe, wie ich foll; abe
ich kann Ihnen Doch nicht verbergen, baß Id
mich ein wenig vor meinen fchwarmerifche
Freunden fürchte. Ich ſelbſt bin gewoͤhnlid
fo kalt — ich ſehe die Welt und wag in be
Melt if, in einem fo jovialifchen Lichte, (men
ich fo fagen kann) meine ganze Art zu denfen
meine ganze Philofophie iſt der Schwarmere
fo wenig guͤnſtig, daß Ich ohnmoͤglich ohn
1
[au |
ale Sorge feyn fann, wenn ich an diefe
Verſchiedenheit in unfern Siunesarten denke.
Um fo mehr verlangt mich, fie alle perfönlid)
zu fennen. Deich Cdeffen bin ich gewiß) wer⸗
den Sie nicht fo finden, wie Sie mich zu fins
den wunfchen und vielleicht glauben; doch dies
beunruhiget mich nicht; Sie werden einen
Menſchen von geradbem, offnem, aufrichtigem
Charakter an mir finden, der mit allen feinen
Mängeln noch immer Ihrer Sreundfchaft werth
ift, und dag iſt genug.
Ihre erfien Menfchen, mein Jakobi —
wie babe ich fo lange warten können, Ihnen
zu ſagen, daß ich fie mit dem hoͤchſten Grade
des Vergnuͤgens, deſſen ich fahig bin, geles
fen habe? Ich kann nicht Worte genug fin:
den, Ihnen zu fagen, wie ſchoͤn es In meis
nen Augen iſt! der. ganze Ton fo vollfommen
dem Gegenftand angemeffen, die Bilder fo
ſchoͤn, fo reizend, fo glücklich zufammengefegt,
die Farbe fo glühend, der. Ausdruck fo leicht,
fo Teicht, daß ich anfange unfre Sprache bald
fähig zu glauben, in: diefem Stüde die frans
söfifche felbft zu übertreffen, und beynahe die
Stalienifche zu erreichen. Welche Muſik im
Rythmus, in dem abwechfeinden Sylbenmaß!
44
2
welch ein feiner mufifalifcher Inſtinct, de
Sie in diefer Abwechslung geleitet hat! Ich
bin entzückt von dem Gedanfen, wie groß Ihr
Talent für die lyriſche Poeſie iſt. Nun, meln
lieber Jacobi, nichts ald Euripides um
Metaftafio gelefen, und dann lyriſche Dras
mata gemacht, — dann und wann, wenn Sie
eine Anmandlung dazu befommen, eine Drau |
digt oder was Sie wollen, dazwiſchen — aber
immer wieder zur Mufe des göttlichen Metas
ſtaſio zurückgekehrt. — So fönnen Sie fh -
felbft das gläclichfte Leben, Sfhren Freunden
unendliches Vergnügen, und unferer Litteratur
unvermelfliche Ehre machen! Und das follen
Sie, mein Liebfter, oder — Sie follen fagen
warum nicht?
Taufendmahl und aber faufendmahl Danf
für die WVerfiherung, daß Sie mit Ihrem
vortrefflihen Bruder nad) Koblenz kommen
tollen. Itzt kann Ich Ahnen unmöglich fagen,
wenn ich Dafelbft eintreffen werde.
Eben erhalte ich einen ganz unerwarteten
ſehr freundfchaftlichen Brief von Ihrem Freunde
Leuchfenring in Darmfladt. Um ihn zu beants
seten, entreiß ich mich meinem Safobl, aber
hts kann unfre durch die unauflöglichen
\
/ \ 45
Bande der fchönften und beflen Empfindungen
vereinigte Seelen von einander reißen. Leben
Sie wohl.
CXCVI. |
An Heyne in Göttingen.
Erfurt, den 12. April 1771.
Wohlgeborner
Hochzuehrender Herr Hofrath,
Herr Burkard, aus der Reichsſtadt Heil⸗
bronn gebuͤrtig, welcher im Begriff iſt von
hier nach Goͤttingen abzugehen, um ſeine an⸗
gefangenen Studien daſelbſt fortzuſetzen, bit⸗
tet mich um ein Empfehlungsſchreiben an Ew.
Wohlgeboren, und will ſich durch die Entſchul⸗
digung, daß ich keine Urſache habe, meiner
Gmpfehlung einiges Gewicht zuzutrauen, nicht
abweiſen laſſen. In der Ueberzeugung, daß
ein junger Menſch von ſeltener Wißbegierde
und Unſchuld der Sitten, der durch umvers
droßnen Fleiß das, was ihm an Genie abgeht,
fo viel möglich zu erfegen fucht, und dabey
feiner unbemittelten Umftande wegen Aufmuns
terung und Unterfiugung von Noͤthen bat, in
46
dem mir von fo vielen Sreunden angeprieſenn P
leutfeligen und edelmüthigen Character Ei
Wohlgeboren den beflen Surfprecher finden
werde; wage ich es, Ihnen dieſen Her
Burfard, als einen der gutartigfien Drenfchens
föhne, die mir jemapls unter die Augen ge
kommen find, beſtens zu empfehlen. Seine
heftige Begierde nach allem was fchön ned
gut iſt, fcheine mir feine Fähigkeiten weit zu
überiteigen; allein auch diefe, von jener um
terftußt, find noch immer hinlänglich, daß er
unter einer fo vortrefflihen Anführung, als
er in Gottingen zu genießen Gelegenheit has
ben wird, zu einem dereinft In feiner Daten
fladt brauchbaren Manne wird gebildet werden
können. Da fein vorzüglichfier Wunſch If,
zu den Fuͤßen des würdigen Nachfolger dee
unvergeßlichen Geßners, und unter Deffen Ans
leitung, aus den reinften Duellen der Weisheit
und richtigen Empfindung , die zwey wichtig,
fien Stüde wahrer Gelehrſamkeit, sapere, et
posse fari quae sentias, gn lernen: fo boffe
ich, daß ein feiner Verehrung für Ew. Wohl⸗
geboren gemäßer Fleiß Ihn der Gemogenbelt,
Die ich jegt für ihm erbitte, immer wuͤrdiger
machen werde. Uebrigens ergreife ich mit
47
de dieſe Gelegenheit, Ew. Wohlgeboren
igen reinen und aus ungeheuchelter Em⸗
ng des Herzens ſtammenden Hochachs
zu verſichern, welche Niemand, dem die
hme der wahren Litteratur und der Ruhm
r Nation nicht gleichgültig iſt, Ihren
snften verfagen fann, und die ich mic
darum zu feinem Verdienſt bey Ihnen
nen fann, fondern als eine bloße Wirs
ihres edlen Herzens aufnehmen werde,
Ste einigen Antheil an Ihrer Freunds
gönnen mollen ihrem
‚anfrichtigen Verehrer und
gehorfamften Diener
"Wieland.
CXCVII.
Yn Sleim.
Erfurt, den 27. Aptill. 1771.
: ein paar Worte, mein liebſter Gleim;
meine Abreife von bier nach Coblenz näs
ih. Fur einen Menfchen, ber fo felten
feinem Schneckenhaͤuschen herauskriecht
h, iſt eine ſolche Reife eine Epoche, he
E dat mir gemwiffe Hoffnung "gemacht,
48
daß ih ihn, und ungewiffe, daß ich
meinen Gleim zu Coblenz fehen würde,
wage es nicht, beydes mir gu verfprechen;
wenn Sie es möglich machen fönnen, .
würde mein Aufenthalt zu E. die ſchoͤnſte Eſ
meines Lebens ausmachen. Ich Fann
nen gar nicht fagen, wie ſehr mich verlc
einmahl einige Tage mit Ihnen und Jakob
zubringen; ich möchte fo viele Dinge mit
nen fchwagen. In Briefen fann dieß nich:
fchehen; niemand in der Welt fchreibe fo
gern Briefe ale ich, und niemand, lei
auf dem ganzen Erdenrund, England
Shottland und Irland mit eingefchlof
hängt mehr von Barometer, und Thermi
ter und Hygrometer, von Hitze und Froft,
Mind und Wetter, Sonnen s und Mondſch
‚ und kaufend andern zufälligen Dingen ab,
hr bumoriftifcher Wieland. Ich bin ofı
ganzen acht Tagen Feine Stunde lang,
ſelbſt, und hier in Erfurt gebe. ich volle
nach und nach zu Grunde. Niemahls, niema
mein Freund, haben die Grazien dieſes fi
Denlere Chaos von alten Steinhaufen, w
lichten Gaſſen, verfallenen Kirchen, gro
Gemuͤß⸗Gaͤrten, und feinen Leimhaͤuſern,
49
8 die Hauptfiadt des edlen Thuͤringerlan⸗
vorſtellet, angeblicket; daß Sie Jemahlg,
der ungeheuren Ebne, in welcher ung Herr
edel den Amor, wie eine Stedinadel In cis
n Suder Neu fuchen‘ laßt, getanzt haben
ten, daran iſt gar nicht zu benfen. Ich
ßte um ganz Erfurt feine Gegend, bie fi
einem Rundetang fchidte, ed müßte denn
Hexentanz feyn. Hier, mein liebfter Gleim,
ide ich Ihnen eine Neuigkeit: Wenn Sie,
e 28 Ihnen leicht feyn wird, bie Verfafferin
athen, fo beſchwoͤre ich Ste, es ein Geheim⸗
ſeyn zu laffen. Wie gefällt Ihnen Thüms
18 Inoculation der Liebe? Ön diroit que
: homme m’a vol& ma maniere.
Heinſe empfiehlt fich zu Gnaden und bitter
e, wenn Sie über lang ober kurz, etwas
Id an ihn zu ſchicken hatten, e8 an mich zu
icken. Ich babe ibm Ingwifchen gegeben,
8 er nöthig bat. Wahrend meiner Abwe⸗
beit von bier, gedenft er auch eine Excur⸗
n in feine Heymath zu thun.
Iſt bey Ihnen auch ſolche Witterung ? Schon
: 27. April und kein Anfchein vom Fruͤh⸗
9; nicht einmahl eine arme Schwalbe, bie
8 Hoffnung machte, daß er kommen werde.
Wielande Vriefe III. V. 4
42
then hat, weder gegen die Mifocharlten noeh E
gegen die Mifanthropen, noch gegen irgend
eine Art von Haffern fehreiben wollen. Vieh
leicht Hab’ ich Unrecht; aber mich duͤnkt, ich
wollte eine große Differtation zur Entfchuldb
gung, ja zur Rechtfertigung der Mifochariten
fchreiben koͤnnen. Hitet Euch vor der Schwars
merey, meine Kindlein; etliche Gran davon
zumwellen, in einer hinlanglichen Portion Freude,
als Liebe, oder Hoffnung, oder irgend elne
andern angenehmen Empfindung aufgelöst,
ift ein ganz gutes Cordial; aber Slams
men atbmen, und den Furien Ihre
Sadeln aus den Klauen reißen, —
welch eine Ausſchweifung für Enthufiaften bes
Schönen und Guten? Ach empfinde die Stärke
der Freundſchaft Ihres Bruders in dem Flam⸗
menhauchenden Briefe, wie ich ſoll; aber
ich kann Ihnen doch nicht verbergen, daß ich
mich ein wenig vor meinen ſchwaͤrmeriſchen
Freunden fuͤrchte. Ich ſelbſt bin gewoͤhnlich
ſo kalt — ich ſehe die Welt und was in der
Welt iſt, in einem fo jovialiſchen Lichte, (wenn
- ich fo fagen fann) meine ganze Art zu deuten,
meine ganze Philofophie ift der Schtwarmerey
fo wenig günfig, daß ich ohnmoͤglich ohne
43
ale Eörge ſeyn fann, wenn ich an biefe
= _Verfchtedenheit in unfern Sinnesarten denke.
- Um fo mehr verlangt mich, fie alle perfönlic)
zu fennen. Mich (deſſen bin ich gewiß) wer⸗
den Sie nicht fo finden, wie Sie mich zu fins
- den wünfchen und vielleicht glauben; doch dies
beunrubiget mich nicht; Sie werden einen
Menichen von gerabem, offnem, aufrichtigem
Charakter an mir finden, der mit allen feinen
Mängeln noch immer Fhrer Freundfchaft werth
ift, und dag ift genug.
Ihre erfien Menfchen, mein Jakobi —
wie babe ich fo (ange warten können, Ihnen
zu fagen, daß ich fie mit dem höchflen Grabe
des Vergnuͤgens, deffen ich faͤhig bin, geles
fen habe? Ich kann nicht Worte genug fin:
den, Ihnen zu fagen, mie fihon es in mei⸗
nen Augen ift! der ganze Ton fo vollfommen
dem Gegenftand angemeffen, die Bilder fo
fchön, fo reisend, fo glücklich zufammengefegt,
die Farbe fo glüuhend, der. Ausdruck fo leicht,
fo leicht, daß ich anfange unfre Sprache bald
fähig zu glauben, in: diefem Stüde die frans
zoͤſiſche ſelbſt zu übertreffen, und beynahe die
Italieniſche zu erreihen. Welche Muſik im
Rythmus, in dem abwechfelnden Sylbenmaß!
44
weich ein feinee muflkalifcher Inſtinct, be
Sie in diefer Abwechslung geleitet hat! Ich
bin entzückt von dem Gedanfen, wie groß Ihr
Talent für die lyriſche Voefie if. Nun, mein
lieber Sacobi, nichts ald Euripides um
Metaftafio gelefen, und dann Inrifche Dras
mata gemacht, — dann und wann, wenn Sie
eine Anwandlung dazu befommen, eine Pre—
digt oder was Sie wollen, dazwiſchen — aber
immer wieder zur Mufe des göttlichen Metas
ı
— —
ſtaſio zuruͤckgekehrt. — So koͤnnen Sie ſich
ſelbſt das gluͤcklichſte Leben, Ihren Freunden
unendliches Vergnuͤgen, und unſerer Litteratur
unverwelkliche Ehre machen! Und das ſollen
Sie, mein Liebſter, oder — Sie ſollen ſagen
warum nicht?
Tauſendmahl und aber tauſendmahl Dank
fuͤr die Verſicherung, daß Sie mit Ihrem
vortrefflichen Bruder nach Coblenz, kommen
wollen. Itzt kann ich Ihnen unmoͤglich ſagen,
wenn ich daſelbſt eintreffen werde.
Eben erhalte ich einen ganz unerwarteten
ſehr freundſchaftlichen Brief von Ihrem Freunde
Leuchſenring in Darmſtadt. Um Ihn zu beants
worten, entreiß ich mich meinem Jakobi, aber
nichts kann unſre durch die unaufloͤslichen
)
J
45
Bande der fchönften und beflen Empfindungen
vereinigte Seelen von einander reißen. Leben
Sie wohl,
CXCVI. |
An Heyne in Goͤttingen.
Erfurt, den 12. April 1771.
Wohlgeborner.
Hochzuehrender Herr Hofrath,
Herr Burkard, aus der Reichsſtadt Heil⸗
bronn gebuͤrtig, welcher im Begriff iſt von
bier nach Göttingen abzugehen, um feine ans
gefangenen Studien dafelbfi fortzufegen, bits
tet mich um ein Empfeblungsfchreiben an Em.
MWohlgeboren, und will fich durch die Entfchuls _
digung, daß Ich Feine Urfache babe, meiner
Gmpfehlung einiges Gewicht gugutrauen, nicht
abmweifen laſſen. In der Ueberseugung, daß
ein junger Menſch von feltener Wißbegierde
und Unfchuld der Gitten, der durch unvers
droßnen Fleiß dag, was ihm an Genie abgeht,
fo viel möglich zu erfegen fucht, und dabey
feiner unbemittelten Umftande wegen Aufmuns
terung und Unterfiugung von Nöthen bat, in
48
daß ich Ihn, und ungewiffe, daß ich dl.
meinen Gleim zu Coblenz fehen wuͤrde. J4
wage e8 nicht, beydes mir zu verfprechen; abe
wenn Ste e8 möglich machen fünnen, dam
würde mein Aufenthalt zu E. die fchönfte Epoche
meines Lebens ausmachen. Ich kann Ss I
nen gar nicht fagen, wie fehr mich verlangt,
einmahl einige Tage mit Ihnen und Jakobi zus
zubringen; ich möchte fo viele Dinge mit Ih
nen fhwagen. Ir Briefen fann dieß nicht ge
fcheben; niemand in der Welt fchreibt fo un
gern Briefe als ich, und niemand, leider!
auf dem ganzen Erdenrund, England um
Schottland und Irland mit eingefchloffen,
hängt mehr von Barometer, und Thermome⸗
ter und Hygrometer, von Hiße und Froſt, von
Mind und Wetter, Sonnen s und Mondfchein,
und kaufend andern zufälligen Dingen ab, ald
Ihr bumoriftifcher Wieland. Ach bin oft ie
ganzen acht Tagen Feine Stunde lang, Id
felbf, und hier in Erfurt gebe. ich vollends
nach und nach gu Grunde. Niemahls, niemahls,
mein Freund, haben die Grazien diefes frew
dDenlere Chaos von alten Steinhaufen, wink
lichten Gaſſen, verfallenen Kirchen, großen
Gemuͤß⸗Gaͤrten, und Heinen Leimhaͤuſern, meh
. 49
8 die Hauptfiadt des edlen Thüringerlans
es vorfiellet, angeblicket; daß Sie jemabls,
ı der ungebeuren Ebne, in welcher ung Herr
tiedel den Amor, wie eine Stecknadel In eis
em Suder Heu ſuchen laßt, getanzt haben
ten, daran iſt gar nicht zu benfen. Sch
uͤßte um gang Erfurt feine Gegend, die ſich
ı einem Rundetang ſchickte, e8 müßte denn
in Herentanz feyn. Hier, mein liebfter Gleim,
hide ich Ihnen eine Neuigkeit: Wenn Sie,
de 28 Ihnen leicht feyn wird, die Verfafferin
rathen, fo beſchwoͤre ich Ste, es ein Geheim⸗
IB feyn zu laffen. Wie gefällt Ihnen Thuͤm⸗
zjels Inoculation der Liebe? On diroit que
et homme m’a volè ma maniere.
Heinfe empfiehlt fih zu Gnaden und bittet
ste, wenn Sie über lang oder kurz, etwas
ld an ihn zu ſchicken hatten, es an mich zu
bien. Ich Habe ihm Ingwifchen gegeben,
a8 er nöthig bat. Während meiner Abwe⸗
nheit von bier, gedenft er auch eine Ercurs
on in feine Heymath zu thun.
Iſt bey Ihnen auch ſolche Witterung ? Schon
er 27. April und Fein Anſchein vom Fruͤh⸗
ng; nicht einmahl eine arme Schwalbe, die
ns Hoffnung machte, daß er kommen werde.
Wielande Briefe III. 2. 4
50
Sch Iebe nur noch an einem Faden, fo nd
leidig macht mich diefe verwuͤnſchte deereg
tude de la nature. — Maßleidig if md
fein Wort, das Sie verfiehen; es ifE Rodiche
biſch, aber es drückt den Ton meiner St
aus, welches ne vous deplaise, ungefähr
ein Ton iſt, als wie der Ton — des Koth
den man mit Ruthen peitfcht. Gehaben €
fi) wohl, liebſter Glelm, und machen ©
daß es Fruͤhling wird, oder ich flerbe.
CXCVIII.
An Ebendenſelben.
Coblenz, den 26. May 1
Wie oft, mein beſter Gleim, bat Ihr U
land, haben Ihre Brüder Jacobi in die
glücklichen vierzehn Tagen, welche wir in €
len; und Düffeldorf gelebt haben, wie oft
ben wir empfunden, daß unfer Siem ı
mangelte, um vollkommen fo felig zu fe
als die Seelen in Elyfium !
Außerordentlicher Mann! Liebenswuͤrdi—
freundfchaftlicher Enthufiaft! Sie ſchicken
nen Merkur in die Welt umber mich au
fuchen, und Sie wollen mir entgegenrei'
4
Wohin es auch ſeyn mas. Ich kann Ahnen
miicht ausdruͤcken, wie ſehr ich von dieſer Probe
ihrer Liebe gerührt bin. Hören Sie nun,
iR;
a
wein Lichfker, wie wir unfere Zufammenfunft
arrangiren fünnen.
Ich hange diefed Mahl von Umfländen ab,
Welche mir Feine Freyheit lafien, meinen Reis
feplan. abzuändern.( Mittewoche fruh sehe ich
ach Hoͤchſt zu meinem Churfuͤrſten; Abends
deffelben Tags mit meinem Freunde, dem
Dechant du Mers nach Sranffurt, Donnerstag
fruͤh nach Darmſtadt zu Leuchfenring und der
kandgrafin; und Freytags werde Ich zu Dies
burg auf einer bezauberten Billa unfers Großs
hofmeiſters Freyherrn von Großfchlag feyn,
wo ich wenigſtens vier Tage bleibe. Diefes
S Dieburg liegt nur ſechs Stunden von Frank⸗
t
nl
»
1,”
*
furt und zwey von Darmſtadt — und doͤrt (zu
Dieburg naͤhmlich) gebe ich Ihnen Rendevous,
wenn es Ihnen moͤglich iſt. Großſchlag wird
die groͤßeſte Freude von der Welt haben, mei⸗
nen Gleim bey ſich zu ſehen, und auf dem
ganzen Erdboden iſt fein. Winkel mwürdiger,
burch die erſte Umarmung Gleims und Wies
lands berühmt zu werden, als bie Villa des
liebenswuͤrdigſten aller Baronen und Miniſter
52
die je gewefen find. Der Himmel gebe, dh
nichts in der Welt meinen Gleim aufhalte, die
fen besaubernden Vorſchlag zu realifiren. — Ar
meiner Räckreiſe Eönnten Sie bis Eiſenaq
mit mir reifen.
Sophie, ihre Gemahl, und unfer Brube
Fritz, (Jakobi) der mid) von Düffeldorf wie
der bieber geführte bat, grüßen und fü
meinen Gleim mit dem heiligen Kuß def
Freundfchaft — den Sie in meinem Nah
der liebenswuͤrdigen Gleminde geben ſollen.
Ich bin zu bewegt mehr zu fchreiben. — Heute
ift der legte Tag den ich in Coblenz lebe.
Bol von der füßen Hoffnung, meinen beſten
Gleim in fünf bis fieben Tagen zu Dieburg
zu fehben, umarme ich ihn, und flehe den Bra
zien und der alma mater rerum, ihn gefund,
ſtark und fröhlich in die Arme. feines Wie
lands zu führen — denn was wollen "Sie,
daß man zu Dieburg mit einem kranken Pos
ten anfange ?
53
CXCIX.
An Ebendenfelben.
Darmfadt, den 31. Day. 1771.
[8 ich Ihnen, mein liebſter Siem, von
eng aus fchrieb, daß ich ben 31. big 5.
i zu Dieburg feyn mürde, wußte ich nicht,
Eonnte nicht miffen, daß der Here von
Efchlag den nähmlichen 31. May nach Höchft
ınfeem Churfürften gehen, und ungefähr
ı Tage dort Bleiben wuͤrde; ein Umftand,
ich erſt gefteen erfahren babe, und welcher
dt, daß ich nun Sonnabend früh von hier
ver nach Höchft gehen werde. Sollten Sie
‚ mein. befter Gleim, Freytags oder Sonn⸗
ids zu Dieburg anlangen, fo bittet Gie
rn und unfeee Brüder Jacobi Freund, der
5 Leuchſenring zu Darmfladt, Ihm die
undfchaft zu erweiſen, und indeſſen zu Ihm
> Darmſtadt zu kommen, wo als maß
ie bat, begierig iſt, meinen Gleim zu fes
. 2euchfenring, den Sie durch diefe Er⸗
inung gluͤcklich machen werben, wird Sie
ann, fobald er durch mich aviſirt feyn wirds
h Dieburg gu Ihrem Wieland führen.
IB. Freund Leuchfenring iſt allhier in dem
—
fuͤrſtlichen Jaͤgerhauſe (mo Sie gleich hi
fahren belieben werden) und dag Zimme
ich loglet, wird das Ihrige feyn.
CC.
Un Jacobi.
Erfurt, den 1. Julp
Worte koͤnnen nicht ſagen, wie ſehr id
liebe, mein beſter bruͤderlicher Freund,
ganz eigner Jakobi! auch nicht, wie ſehr
Ihre Lieder an. Eliſen gerührt haben!
wollen mir nichts in dem Prtrarchifchen
genden Zone fingen, auf den, felt m
Abreife, Ihre ganze Seele geitimmt tft, $
Jakobi! was für flebiles elegi müßten
feyn, welche noch trauriger wären die
beyden erften Lieder au Eliſen! Es if n
ihr Ton tft eine füße Traurigkeit, eine
flige Schwermuth, worin eine von Pla
Umor verwundere Seele fich ſelbſt gefällt,
die fie um den Genuß aller Freuden, an t
Elife feinen Theil harte, nicht bingäbe,
defto rührender ift diefd Traurigfeit. Der 4
mel bewahre Sie nor einer andern, welc
' 55
‚®raurfig wäre, um fo füße, fo fehöne Traͤume⸗
. xeyen in Ihrer fanften Seele zu nähren!
Sie winfen mir: ich höre den Ton
Don ihrem friedlihen Geſange;
Sie winken mir: zu lange, au lange
Derweil’ ich auf der Erde ſchon. —
was für eine Strophe!
Ich weiß nicht daß jemahls eine fchönere
* Liebe in einem menſchlichen Herzen geſchlagen,
und in einem von den moraliſchen Grazien
ſelbſt eingegebnen Liede geathmet hätte, als
"Die gang unſchuldige, der engliſchen Reinigkeit
nahende Liebe, in dieſen Liedern iſt. Es iſt
5 einige Berwandtfchaft darin mit Petrarchs
.„ beten Sefängen; aber, o mein Freund! bes
ſorgen Sie nicht, daß Sie Jemand einen
u Nachahmer nennen werde, Niemahls iſt etwag
gefchrieben worden, das fo ganz, fo durchaus
wahre Empfindung, mahre unfludirte,
freywillig aus einer gerührten Seele hervor⸗
quillende Ergießungen wären! Warum iſt
Elife nicht mein? Und warum habe ich niche
eine der gläclichen Infeln, ein Juan s Bers
nandez, ein Tinian, die ich meinem Dichter
iur Mitgife mic ihr geben koͤnnte? Was für,
nwihn
my
s6
eine Görterluf das waͤre, ein Paar fi
Seelen in Eine zufammen zu fchmelzen !
Ihr drittes Lied *), dag mit unfer Br:
diefen Abend ſchickte, übertrifft an Zaͤrtlich
an Delikateffe alles was ich von irgend ei
Dichter, und von Ihnen ſelbſt gelefen h
Die dee der Sympathie iſt darin auf
böchften Grad idealifcher Vollkommenheit
trieben. Mas für ein Mädchen muß das f
weiche würdig ift, fo geliebt zu werden
meinem Jakobi. — Doch, wer ald Er Eö
fo lieben ? fo geliebt werden.
Und holde Mädchen gingen
Im Roſenhaine dann;
Elife, wir empfingen,
Den müden Wandersmann.
Befhatteten gelinde
Sein armes, Fleines Mapl,
, Verdoppelten den Klug... “
zum Echnitter hin und fühlten
Ihm feinen Waſſerkrug.
Dein Laͤcheln ſoll in ſchoͤnern Welten
Zur Seligkeit die Geifter weihn.
Fuͤr dieſe Züge wollte Ich Ihnen meine
2) An Eliſen. N. Ausg. Thl. 2. p. 173.
["
»
geben, wenn Elife mein ware. Thränen treten
mir in's Auge, wenn ich meine Eleine boldfes
lige Sophie anfehe, und dann denfe — wird
wohl in zwölf oder dreygehn Jahren ein Ja⸗
fobi für fie feyn. — Sch mag’ es nicht, eine
ſoo wenig wahrſchelnliche Hoffaung zu hoffen!
Ich habe Ihnen als Leſer von Ihren Lie⸗
dern geſprochen, mein Liebſter; nun auch ein
Paar Worte als Dichter. Sie betreffen bloß
die Verfification. Dieſe gefaͤllt mie uͤberhaupt
in allen drey Stuͤcken ſehr wohl — und viels
leicht iſt es auch bloße Caprice, daß Ich fie in
einigen wenigen Stellen gerne anders hätte.
3. €, in der Strophe:
Soft’ ihm Feine neue Sonne glänzen
bat die Beränderung des Sylbenmaßes in der
dritten Zeile etwas Auffallendes für mein Ohr,
ohne daß ich Deutlich fagen kann warum.
Sin eben diefem Liede wuͤnſchte ich Die ganze
fünfte Strophe umgegoffen zu fehn; theils
weil mir nicht Melodie genug im Klang ift,
theils well mich duͤnkt, Sie könnten den Ges
danken felbft beſſer ausdruͤcken — „wäre ein
Schimmer von Erinnerung ewig mein“ —
will mir nicht recht gefallen = et pourquoi,
58
Monsieur? — je n’en sais rien — eben fo if
e8 mit den beyden Zeilen
und murmelten freudiger bey dem Kuffe
Sunger Bräute vorbey.
Es falt mir da wider Willen ein, daß «
fo viele junge Braute gibt, die diefer Ehre
nicht werth find. —
Aber ich fühl es: Paradieſe — würde,
daͤucht mich, beſſer und lebhafter Klingen:
aber, o! ich fühl’ es.
Statt (Strophe 12) Und Engeln ihre
Tugenden vergelten, Hänge meinem
Ohr, melhes duch den elfſylbigen Vers
ohne Abſchnitt etwas belcidiget wird,
beffer: |
Sol Engeln Tugenden vergelten.
Verseihen Sie diefen pruritum criticum,
mein lieber Jacobi. Ihrem Wunfche, die Feſt⸗
fage, welche wir In Coblenz gelebt haben, ven
ewiget zu ſehen, fol auf eine oder andere
Meife, doch (aus guten Gründen) nicht durch
einen Brief, oder eine zuſammenhaͤngende Eis
zahlung, genug gefchehen. Nur bedenken Sie,
mein Schag, daß ich nicht fo gluͤcklich bin,
Here über meine Zeit gu fenn. Sch umarme
meinen Jakobi mit brüderlicher Zärtlichkeit.
59
CCI.
An Gleim.
Erfurt, den 6. July 1771.
err Boie fchreibt mir Ddiefer Tage von
Ingen, daß Sie, mein liebſter Gleim,
je Tage dort gewefen, und letzten Sonns
d wieder abgegangen find. — Sie find alfo
wohl wieder zu Ihren Hausgöttern gekehrt,
ih kann es nicht länger anfteben laſſen,
en zu fagen, was ich doch niemahls, fo
als ich es empfinde, werde fagen koͤnnen,
bie wenigen Stunden, bie wir zu Darıns
mit einander zugebracht, mir das leb⸗
fe Verlangen zurücgelaffen haben, mein
ed Leben mit Ihnen zusubringen. Da das
: feyn faur, mein befter, liebſter Freund,
ollen wir menigftend fein Jahr vergehen
n, wo wir einander nicht wenigſtens acht
ſchenken; und noch in diefem Jahre wi
en Anfang dazu machen, wenn unfer lies
Jakobi wieder bey Ihnen feyn wird. Ste
n doc den dermahligen Herzenszuſtand
8 guten Jakobi — und haben verbhoffents
feine drey Lieder an Elifen? — Sie
das Zartlichfte, das Empfindfamfle, was
69
jemahls Platons Amor einer fihönen Tibull⸗
(hen Seele eingehaucht hat. Ich habe kein
Mitleiden mit ſeinen Liebesſchmerzen, ſo lange
er ſo delicieuſe Dinge dabey machen kann.
Und Sie, mein allerliebſter Gleim, was
machen Sie? Sie ſind doch wieder wohl?
Dies iſt der große Punct, über den Sie mid
bald beruhigen folen, wenn Ste mich Lieben.
Bey mir iſt alles wohl, und ale Ich von me
ner Ichten Reife zurücdfam, fand ich drey
Heine Madchen, flatt der zween die ich ven
- Jaffen hatte, mir entgegen fommen. Der ben
Graglen geheiligte Ternariug ift alfo vol, und.
es fehle nun meiter nichts, als daß die guten
Kinder eben fo gewiß Grazien werden, als
ihrer drey find. O mein liebſter Gleim, warum
koͤnnen wir nicht su Lampedufa oder Inan
Fernandes, oder fonft an einem huͤbſchen Orte,
der ein wenig näher läge, alle bie wir lieben
verfammeln,, und eine kleine Republik von
Sreunden und guten Menfchen errichten ? Dana
wollte ich dafür fichen, daß meine Mädchen
Grazien werden follten. |
Vor einigen Tagen fand ich einen Artikel ie
der Leipziger gelehrten Zeitung, den Ih, bei
mir aͤußerſt argerlih war. Er fommt von
|
. 61
[
Spalding, und macht Ihm in meinen Aus
gen fehr wenig Ehre. Vermuthlich wird er
ihn in nod) mehrere Zeitungen haben feßen
laffen, und dadurch den Nicolaiten und ans
derm folchen Gefchmeiße zum Triumphe, oder
wenigftend zu einer Kleinen Ovation Geles
genheit geben. Schreiben Sie mir doch, maß
es mit der Ausgabe der Spaldingifchen Briefe
für eine Bewandtniß hat. Ich bin gewiß, daß
Sie eben ſo unfchuldig dabey find, als ich
bey der Befanntwerdung des Briefeg der
Graͤfin von Wartensieben. Wie dem auch
feyn mag, das jetige Verfahren Spaldings
baucht mir eines Goͤtze, oder irgend eines
andern. Priefters wuͤrdiger als Des Ueberſetzers
von Shaftesbury. Gar nichts zu fagen mar
beffer, als aus diefem Tone zu fprechen.
Niemand in der Welt ift begieriger nach
einer vollfiändigen und fplendiden Ausgabe
der fammtlichen Werke, welche Freude, Freund⸗
ſchaft, Mufen und Grazien, Patriotismus und
Humanität meinem Gleim eingegeben haben.
Mit allem möglichen Eifer werde ich fie bes
fördern. Aber ich beforge, daB man, in den
jegigen Zeitumfländen.. Mühe haben wird, eine
beträchtliche Auzahl Pranumeranten gufammen
62
zu bringen. Der Weg der Pranumerarion Hl
verhaßt und beynahe verächtlih geworden.
Mir, ich geſtehe es frey, daͤuchte viel beſſet
gethan, wenn Sie Reichen geradezu gu Ihrem
Derleger machten. Er würde Ihre Werke fo
(dön und prachtig drucken laffen, als wir es
nur verlangten, und Ich zmeifle (ehr, ob bey Ä
dem Wege der Pranumeration, nach Abzug
ber Koften, fo viel Louisd'or übrig bleiben
werden, als er, für die Ehre Gleim's Verle⸗
ger zu feyn, mit Freuden geben würde.
Aber bin ich nicht ein garſtiger Menſch,
daß ich Ahnen für das fchöne, niedliche, koſt⸗
bare Präfent, das ich bey meiner Nückkunft
auf mich warten fand, nicht ſchon gebanft
babe. Es iſt ganz vortrefflich ſchoͤn, umd
macht Ihren Berlintfchen Künftlern Ehre. Aber
wo denken Sie hin, liebfter Gleim, daß Sie
um meinetwillen fo viel Deyenfen machen , und
wozu machen Sie mich verbindlich, da Sie
mir ein Schreibzeug fliften, welches entheillgt
würde, wenn e8 gebraucht würde ettvas ande |
res, ald mag der Grazien wuͤrdig iſt, zu ſchrei⸗
ben? Es fchmerst mic), daß ich nichts Habe, wor |
mit ich Ihnen ein fo ſchoͤnes Geſchenk nur eind
aermaßen erwiedern faun. Mein Bild ift ale,
63
was ich Ahnen anbieten Eöunte; aber ich kann
mich nicht entfchließen, Ihren Mufentempel
durch eine Gurkenmalerey entheiligen zu laffen;
und bis ich Gelegenheit finde von Grafen
gemalt zu werben, wird es alfo unmöglich)
feyn, Ihren -freundfchaftlichen Wunfh und
den meinigen in diefem Stuͤcke zu erfüllen.
Meine Mufe, — tft was fie allegeit gemes
fen ift, eine launenhafte, grillenfängerifche,
eigenfinnige Sultanin, melche nie thut, was
ich gerne Haben möchte, und nichts {hun kann,
als was ihr der Gelft capriccio eingiebt.
Ueberdies fielen Sie fih vor, daß ich fchuls
meiftern und Compilationen machen, den zwey⸗
ten Theil der Sternheim emendiren, die Mus
farlon und den Don Silvio ausfellen, und“
den dritten. und vierten Theil der Könige
von Schefhian fihreiben fol, und alles
dies binnen einer beftimmten Zeit, und unter
tauſend Zerſtreuungen. Dies laͤßt wenig von
allem dem hoffen, was ich mir vorgenommen
hatte, da ich zu Coblenz und Duͤſſeldorf, in
einem Ruͤckfall der füßen Schwärmeren meiner
juüngern Jahre, meine Abbänglichkeit und den
Unterfchied vergaß swifchen unferm Jacobi,
welcher thun Tann was er will, und mir,
64
welcher thun muß, was er nicht will. Gleich
wohl foll das Andenken des legten Mays,
und der fellgen Stunden, melde uns bie
Freundſchaft und die Empfindlichkeit unfre
Seelen bat genießen laffen, auf trgend eine
Art vereroiget werden. Warum es nicht In
einee Erzählung gefchehben kann, Davon find
eine Menge Urfachen, die Ich Ihnen ein au
dermahl fagen will, wenn Sie nicht ſelbſt ſchon
geneigt find zu denfen, daß man dag Publl⸗
cum fo menig als möglich zum Konfidentm
unferer befonderen Begebenheiten, Verbindun⸗
gen und Empfindungen machen fol — nicht
davon zu gedenken, daß alled, was bie Form
eine empfindfamen KRelfe bätte, der
mahlen als eine Nachahmung von Nachah⸗
mung aufgenommen werden, und bey De
Welt wenig Danf verdienen würde.
Laſſen Sie immer meine caprictenfe Mufe
machen, was fie mil; ich hoffe doch, am Ende
folen Ste mit ihr zufrieden feyn.
Herr Heinfe fragt demüthiglich an, ob fein
Manuſcript auf nächfle Meſſe gedruckt werde,
und bittet, den Berleger wo möglich zu diſpo⸗
niren, ein Werk von Sefiaßifher Barmherzig⸗
feit an ihm zu thun. Er hat kein Geld mehr,
63
ind ich babe itzt auch nichts übrig, Ihm mehr
borzuſtrecken. Er will Ihnen ein neues Mas
nufcript ſchicken, nicht um es drucken zu laffen,
(denn Sie werden, wie ich, finden, Daß es nicht
imprimable iſt) fondern weil ee Sie dadurch
zu amufiren hofft. Es heißt Himmel und Hölle
der Meifen, und iſt ein profanes, witziges,
ſchnackiſches, feltfames Ding, vol Genie, voll.
guter und fchlechter Sachen, fehr leichtfertig
und hbeidnifch, aber fo unterhaltend, daß man
e8 nicht meglegen fann, bis man damit fertig
if. — Ich Hoffe Heinfen zu Leipzig unterzus
Bringen, wo er ſich ein wenig formiren fünnte,
bie was Schicfliches für ihn ausgemittelt wers
den kann.
Ich umarme Sie, mein befter, liebenswuͤr⸗
diger Gleim, mit der volfommenften Zärtlichs
feit — ganz und gar zufrieden, Sie gerade fo
mie Sie find und nicht anders gefunden zu
baben, — und über ale Maaßen gluͤcklich,
wenn es ihnen aud) fo iſt.
Noch eins, ehe ich's vergeffe. Unſer Großs
bofmeifter, der liebenswuͤrdigſte Baron aller
Barone die jemahls gewefen find, war gan
betruͤbt, meinen Gleim nicht in Dieburg zu
finden. Er hatte Sie nicht gekannt, da Sie
Wielands !Griefe TIL. ©. 5
66;
ibn auf ber Landſtraße anhielten; er verflund,
Sie beißen Canonicus Klein. Erfi nachdım
er wieder feine Straße zog, und dieſer feltk
men Rencontre nachdachte, fiel ibm endiid
ein, daß diefer Canonicus wohl Gleim fa
möchte, und alfo fort fchrieb er mir ein eigen
handiges Billet nach Frankfurt. Hören Oh
die eigenen Worte des Billets: „ Je vork
envoye cct expres, pour vous averlir qu
jai rencontre ce matin en chemin publigue
quelqu’un, & qui vous avez donne rende.
vous à Diebourg. II venoit de Marbouq́;
J’ai étéèé trop presse pour m’imformer du—
detail de son existence et de son nom.
m’a barbouill& quelque chose de chanoin
Pr! ne sachant pas que vous ayez gr:
eonnoissance avec ces Messieurs, j’ai reflech
depuis que ce pourroit bien &tre Gleis
Je serois au desespoir d’avoir manque
faire sa connoissance. A tout hazard je Vs
prie, de vous attendre & Diebourg et eh
consideration de la qualit@ de vos amis o@
lui temoignera 1outes les politesses por
sibles etc.
Guten Abend, mein befer Gleim, und ned
einen brüderlichen Kuß von Ihrem Wieland,
67
CCII.
An Jabobi.
Erfurt, den 6. September 1771.
eſen Augenblick, mein lieber, beſter Bru—⸗
gibt mir mein Genius ein, Ihnen zu
ben, daß Ich deu Mann gefunden habe,
Zie für Ihren jungen Bruder verlangen,
vill Ihnen eine Furze Abfchilderung von
machen; feben Sie dann, ob er Ihnen
t, und meiden Sie mir mit erfier Poſt
Entſchließung. Dee Mann. heiße Heinſe.
„ſeitdem Ich bier bin, fehr an mid) attas
gemefen, und bat nicht nur alle Requi⸗
welche Sie verlangen, fondern noch viel
dazu, wodurch er Ahnen und unferm'
vw Fritz gefallen wird, Er hat unends
iel Genie, einen phllofophifch poetifchen
8, der nur noch mehr Ausbildung und
w vonnoͤthen hat, um Ihn großer Dinge
zu machen. Er iſt ſchon fünf Jahre auf
rfitäten, hätte ein Juriſt werben follen,
ch aber, von feinem Penchant fortgegos
mehr auf belles lettres gelegt. Gleim
rirklich ein Manufeript von ibm in Hans
welches Sie nur zu lefen brauchten, um
8
68
zu fehen, mie viel von diefem Jungen Ge
zu erwarten iſt. Sch intereffire mich für-
und münfche ihn alfo bey meinen Bruͤt
Jacobi plackren zu können. Er ſelbſt wän
es ſehnlich; denn er iſt einer von Ihren waͤ
fien Bewunderern; er ift gemacht, den W
des Stückes bey Ihnen zu Ichen, zu emp
den, und es fih zu Nutze zu machen.
mangelt ihm auch nicht an der Gefällt
feit, welche ein Hofmeifter in Ihrem Hc
vonnöthen hat. Au surplus verftebt er Mi
fpielt dag Klavier, und iſt überhaupt ein g
mufifalifchee Menfch) de cap en pied. N
ſtens fol ee Ahnen felbft fchreiben. €
Herz iſt warm und gefühluoll; eine flarke 9
von fatyrifcher Laune macht es zuweilen
wenig zweydeutig; aber dieß thut nichts;
ift noch wenig über zwanzig Jahre; il:
corrigera. In der. vortrefflichen Gefellfche
in bie er kommen würde, würd’ er fich
kurzem auf die vortbeilhaftefte Art enemwic
und ausbilden. Bisher haben ihm feine |
ftande gefchader. Kurz, e8 mangelt Ihm nic
als gute Gefelfchaft, um ein Manu, wien
feyn fol, zu werden. Sch empfehle Ih
96
> den Heren Heinfe aufs befle, und erwarte
re Antwort mit Ungeduld.
Ihr Brief an Aglaja *) mein lieber Brus
„ iſt ohne Zweifel ein Brief an die Graͤfin
‚pHie, und bezieht fi) auf gewiſſe fchiefe
beile uber den Charakter diefer incarnirten
azie. Er iſt Ihrer würdig, mein beflee
robi; ich habe ihn mie Vergnügen gelefen,
» dennoch murmelte etwas — ich weiß nicht
8 — in mir gegen die Satyre über eine
ziſſe Elaffe von Hofleuten, welche denen,
ſich dadurch getroffen finden werden, kein
: Blut machen wird. Unter denen welche
zu M. gegen unfre Grazie erklärt haben,
> verfchiedne Perfonen von unläugbarem
ꝛrthe. Diefe möchten denken, daB man auch)
fie wolle, und eine natürliche Folge das
I wäre, daß Uebel ärger gemacht wuͤrde. —
ch, ic) geftehe Ihnen, meine Abhänglichs
: von M. macht mich furchtfam, und es iſt
> fehe möglich), daß dag je ne sais quoi,
z in mir murmelt, unrecht Hat. Sch muß
hören, der Poftillion geht ab.
> möchten Sie, mein befter bräbderlicher
und! — mit diefer Umarmung fühlen, role
IM. Ause. 2fer Thl. p. 10.
yo
inniglich Ihr Wieland Sie liebt. — Tanfadl
Umermungen für unfern llebenswuͤrdigken
Fritz.
CCIII.
An Sleim
Erfurt, den 6. September 177
So eben, liebſter Gleim, empfange ich Jr K
Briefhen mit den Michaelifhen und
Schmidtfchen Neuigkeiten. Heinfe if mb
zuft über den Brief, den Sie Ihm geſchrle⸗
ben haben. Ich hoffe daß wir im Furgem ber
Sorge für ihn entbunden feyn werden. Unfe
Jacobi bittet mich um einen Informator für
feinen jüngften Bruder. Ich habe Heinfen
vorgefhfagen. Der Plan wäre vortrefflich für
dieſes vortreffliche Sente. In der Geſellſchaft,
worin er zu Düffeldorf leben würde, müßte er
fich. za einem Mann comme il faut auf
bilden. — Ein paar Zellen von Ihnen, mein
Beſter, an unfern Dichter, würden dag lud
des guten Heinfe unfehlbae machen.
Ich babe Ihnen noch nicht gemeldet, daß
die zehn Louisd'or für Herrn Heinſe richtig
bey mir eingelaufen find,
TE
Wie ſehr mich dee Bruch zwiſchen Spalding
nd meinem Gleim, der Druck der bewußten
riefe, und (nachdem dieß nun einmahl ges
heben, und alfo ein Kleines Uebel nicht mehr
t andern war) wie fehr mich dee Ton, In wels
em der Herr Probft feine Klagen öffentlich
ageſtimmt, gefhmerzt haben, und noch ſchmer⸗
n, fann ich Ihnen niche genug fagen. Ich
ihle alles für meinen Gleim, was er felbfl
hlen müßte; aber zu ſehen, daß ein Michaes
8 fich öffentlich die Mine der Vertraulichfeie
ie Sleim und Jacobi gibt, dag er meinen
leim rächen will, und es auf eine Art thut,
elche unvermeidlich ihm ſelbſt und meinen
reunden einen unmiederbringlichen Schaden
9 der Welt thun muß — Dieß, ich geftehe
3, hat meine Geduld gänzlich erichöpft,
Heim und Paſtor Amor, iſt zwar ein
itziges aber ein Fchändliches ärgerlis
res Ding; Ich kann es den Berlinern niche
erdenken, wenn fie fi) nun alles erlaube
alten. Ums Himmlswillen, liebſter Gleim,
zren Sie einmahl auf, durch Ihre unbe—
raͤnzte Gutherzigkeit jedes Inſekt des Par⸗
aſſes zu autorifiren, ſich vor den Augen der
Belt Ihren Freund zu nennen, um eine Ver⸗
„2
traulichfeitt mit Ahnen zu affectiren, welche
Sie für alle Sottifen dieſer Wiglinge vefpew
fabel macht. Ein allgemeiner Aufſtand alle |,
Leute, die Menfchenverftand baben, gegen alled 1,
was Wiß und Empfindung beißt, gegen Du I,
fen und Grazien, gegen Gleim, Jacobi und |:
alles was ſich Ihre Freunde nenne, wird ends |,
lich die Folge davon feyn, wenn alle Angens 1,
blicde ein neuer Dichterling mit einem Wil 1,
vol Verſe an feinen Freund Gleim, as
feinen Sreund Jacobi angeflochen kommt, |
und wenn Freund Michaelis fortfähre zu thus,
als ob man nichts mehr ſchonen dürfe, fobald
man nichts zu verlieren bat.
Das Metier eines Autors wird Burch den
Mißbrauch „den ſolche Witzlinge auf ben
Schultern irgend eines beruͤhmten Maunes,
auf den ſie ſich gehuckt haben, mit ihrem bis⸗
hen Gabe zu ſpotten und zu reimen, aus—⸗
üben wollen, fo verachtlich, daß ich taufends
mahl den Tag verwünfche,. wo ich mir einfallen
ließ, ein Autor 3u werden. Das wenigſte,
mein beſter Gleim, was Sie fid) felbft und
dem Publica und denjenigen von Ihren Freuns
den, welche mehr Ehre zu verlieren "haben,
als Herr * *, fchuldig find, iſt, den Menſchen
73
ortzujagen, und die ganze Welt zu avifiren,
aß Sie es gerhan haben, und warum Sie eg
ethan haben. Geltdem id) mir eine Ehre
araus gemacht babe, der jegigen Melt und
er Nachwelt zu fagen, daß ich Gleims und
facobi8 Freund bin, feitdem iſt die Wuth,
ch öffentlich zu Freunden meiner Freunde zu
reiren, in alle avortons du Parnasse gefah⸗
en. Dieß möchte allenfalld noch bey den
Schmidten und ihres gleichen angehen. Aber
venn ein Michaelis in dem angenommenen
harafter Ihres Freundes, sacra profanis
uscuit, und 'den Poſſenreißer auf Untoften
Des deffen, was die Welt ehrmürdig nennt,
zacht — dann wird die Sache zu ernfibaft,
nd Ihre mahren Freunde, die Freunde, von
enen man Ehre bat, können nicht flille dazu
Hweigen. Mir erlaubt es meine Pofltion am
llerwenigſten. ch ruͤcke deswegen in die hie⸗
ge Zeitung eine Necenfion der Michaelifchen
Scarteque ein, worin ich meinen Unmuth über
en bübifchen Muthmillen diefes Cynikers auf
ine ſehr nachdrücliche Art zu erfennen gebe.
yem Herrn Michaelis rathe Ich, fih in Acht
ı nehmen, und mich nicht zu reißen, daß Ich
yn nicht ecraficen helfe. Man bat dadurch,
74
dag man ein bischen Witz und bie Gabe in
reimen und nichts zu effen bat, nicht gled
einen Freybrief, fih uber alle Egard's hinweg |
zu feßen, und fih alles für erlaubt zu Halten Ki:
was einem die poctifhe Wuth eingibt. Wen |
ihnen dies hart tönt, fo bejammre ich dal;
Exceß Ihrer Güte: Sch kann und will nid
fo gut ſeyn; ich will nicht Faltfinnig zuſchen, li
daß ich als ein oͤffentlich avouirter Freund vor Ih
Gleim und Jacobi, vom Publico mie einem_\v
Menfchen wie Michaelis, mit einem birnlofen I
Spaßmacher und tandelnden Poetafter in Ein
Claſſe gefege werde. Der bloße Gedanke au
die Schmierereyen aus der Studlerftube unferd
Jacobi macht mich rafen! Soll ein Michaelis
fi) unterfichen, fol) Zeug an meinen Gleim
drucken zu laffen, und auf das Titelblatt: |
Unfer Jacobi zu fegen? Was meinen Si
was die Welt endlich von und denken toirb?
Und follen wir, einem folhen Erdſchwaͤmm
zu gefallen, ung nichtd Daraus machen, was
die Welt von uns denft? Man muß völlig
unfinnig feyn, um nicht in allen Fibern feines
Weſens zu fühlen, daß der Paſtor Amor
eine wißige Mißgeburt iſt, welche nicht nur
alle Tartäffen, fondern auch ale ehrliche Lente
75
; Seanbalifiren muß, Welch eine Thorheit, fels
wien Feinden fo muthwilliger Welfe die Waffen
en die Hande zu geben, womit fie ung aufs
weiben!
Ich muß aufhören. Ich beſorge Ihnen wehe
a tun, mein befter Sleim; aber Ich liebe
Sie mie mid ſelbſt; Ihre Ehre iſt die meis
nige; Ihre Ruhe die meinige, und die wahre
Sreundfchaft ſcheuet fih nicht, auch unange⸗
nehme Wahrheiten zu fagen, wenn fie noths
wendig find.
Herr Schmidt mag mohl ein ganz fein
Salent zum Nachahmen haben. Sch werde
ihn weder aufmuntern noch abfchreden. Aber.
um fich öffentlich für einen Sreund großer
Männer zu afflchiren, muß man vorher etwag
getban haben, das und diefer Ehre würdig
macht. Und wer nicht Dellcateffe genug hat,
Dies zu fühlen, der iſt fein Mann für mic).
Alſo nichts weiter von diefen Dichterſchwaͤmmen.
Ich umarme Ste von ganzem Herzen, und bes
fchwöre Sie nochmahls, ohne Verzug und
Öffentlich, mit Herrn Michaelis- zu brechen.
Ex duobus malis minimum!
76 '
CCIV.
An Ebendenfelben.
* Erfurt, ben 9. September. IL
Nur ein Paar Zellen, mein liebſter Sleim,
um Ihnen die wilde Heftigkeit meines legten |
Schreibens abzubitten. Ich bin des Vorſatzes,
meinen Gleim zu beleidigen, unfähig. Ich
liebe ihn von Grund der Seele, und laffe ges
wiß der Güte feines Herzens und der Unfchulb
feiner Beweggründe alle mögliche Gerechtigkeit
wiederfahren. Aber die Sache felbft, wovon
ich Ihnen letzthin fchrieb, ift mir noch immer
fo verdrießlich und fehmerzlich als jemahls.
Ich hatte nur Unrecht, Ihnen in der erſten
und vollen Wuth zu ſchreiben, worein mich
der Paſtor-Amor und das unſern Jakobi
ſetzte. Sich beſchwoͤre Sie, vernichten Sie mei⸗
nen letzten Brief und laffen Sie bie Verſiche—⸗
rung meiner unveranderlichen Zreundfchaft jes
den unangenehmen Eindruck diefes tollen Brie
fes ausloͤſchen.
Herr M. dauert mih, wenn ih an feine
Hnpochondrie denke. Diefe Gattung von Leus
ten kann faum für ihre Handlungen refponfas
kel gemacht werden, Ein Poet feyn, iſt ſchon
77
fo viel, als einen oder zween Sparren zu viel
"baben, aber noch hypochondriſch dazu ſeyn,
iſt zu viel für die Weisheit irgend eines Sterbs
lihen. Wenn ein Hypochondeift einen Anfall
von Spaßbaftigfeit hat, fo iſt Gott der Vater
auf feinem hohen Thron nicht ficher vor feinen
Einfälen; er meint es fo böfe nicht, und Ich
wollte werten, daß Herr M. gar nicht wird
begreifen können, daß fein Paftor s Amor ein
völlig iInjuftificabled Ding iſt. Wie dem auch
fey, ich bin um melner Stcherheit willen mie
ſelbſt ſchuldig, mein Mißfallen an diefer uns
zeitigen Geburt feines Witzes öffentlich zu bes
zeugen, und Ich weiß für ihn nur ein einziges
Mittel, wie er fich mit dem Publico, mit
welchem ihn diefes fein Abentheuer Höchlich
brouilliren wird, mieder rehabtlitiren kann,
und dieß iſt, eine Zeitlang ruhig gu feyn, und
wenn er wieder zum Vorfchein kommt, mit
einem Werfe, das ihm bey der vernünfsigen
Belt Ehre mache, zu erfcheinen. Fur Sie, mein
liebfter Gleim, iſt es gluͤcklich, wenn der Man⸗
tel Ihrer Tugend, in welchen Sie ſich, wie
Ihr Horaz einhuͤllen, weit genug iſt, um ihn
ſechs oder ſieben mahl um ſich ſchlagen zu koͤn⸗
nen. Denn der Plagregen, der Ihnen von
t
\
78
Berlin aus bevorſteht, wird mächtig eindrin
Qui vult bene vivere, debet de Domino
bate omnia bona loquerc etc. Laßt die }
fterfchaft ungehubelt, wenn ihr ein ‘gen
Leben führen wollt! — et Dieu vous so
Yaide!
P. S. Auch für den armen jungen pet
chiſirenden Schmidt ift mir leid, daß fein !
fuch Iegthin zu einer fo ungünftigen Zeit
unter Augen kam. Indeſſen geftebe ich,
junge , angehende Dichter by mir 56
Spiel Haben. Sch bin immer geneigter,
abzuſchrecken ale aufjumuntern; und ich £
wenigſtens Einen, der mir beynahe flexis
nibus dafür gedanft hat, daß ich ihn von
rage, Verſe zu machen, geheilt habe.
CCY.
An Ebendenfelben.
Erfurt, den 21. Dckober. ı
Mein beſter Steim, können Sie Ihrem
land, der dag edle vortrifflihe Herz fei
Gleims — nicht mißkannt — nur in einem
gluͤcklichen Augendlicte — aus dem Gefichte
Ioren, Ihren Wieland, der Sie von gan
79
Herzen liebt und hochachtet, der Felnen Aus
genblick aufgehört hat, noch aufhören kann,
Sie zu lieben, der in der unfeligen Stunde,
da er hr gutes freundfchaftliches Herz in der
ungeſtuͤmen Hite des feinigen vermundete, eben
fo menig als in dieſem Augenblicke fähig
war, feinen Gleim kraͤnken zu wollen, — koͤn⸗
nen Eie, fünnen Sie ihm vergeben? Können
Sie es, beiter Gleim, fönnen Eie ihn wieder
Hieben, Ihn mit der Empfindung, daß fein :
Herz unfhuldig an dem Verbrechen feines Bluts
und feiner Einbildung If, wieder in Ihre Ars
me fchließen — fo ſehen Sie ihn bier mit thräs
nenben Augen Ihre Siniee umfaffen und Sie
bey allem, was jemahls Ihrem Herzen theuer
gemwefen ift , befchmören, zu vergeffen, daß es
einem feindfellgen Damon gelingen konnte,
die fihmefterliche Eintracht unferer Seelen nur
eine Minute zu fiören. DVergeffen Sie die uns
glückliche Scene, vernichten Sie, wenn es niche
ſchon geſchehen ift, den ungläcieligen Brief,
und geben Sie, befter Gleim, geben Sie dem
Herzen Ihres ewig eigenen Wielands die Ruhe
wieder, indem Sie ihm fagen, daß Sie in
dem Beſitz Ihrer Freunde, In dee Gewißheit,
yon ihnen geliebt zu werben, wieder glück
80
lich find. Guter, rechtfchaffener, liebendiin
diger Gleim! Sehen Sie Ihren Wieland ay
Sehen Sie Thränen der Wehmuth und il
in feinen Augen, reichen Sie ihm Ihre Hand
und lafien Sie ung — laffen Gie ung mie ih
gluͤcklich feyn ! | |
|
CCVI.
An Ebendenfelben.
Erfurt, den 3. November. ıyju
Der junge Dann, der Ihnen, mein beſter
Gleim, diefes Briefchen von Ihrem Mieland
bringt, nennt ſich Werthes. Er iſt ein gw
borner Würtemberger, ein Candidat Dee Thu
ologie und Academie, ein Meifter dee fliehen
freyen Künfte. Er iſt auf einer Are von Wal⸗
farch begriffen, die heiligen Derter der Muſen
und Grazien zu befuchen, denn eim poetifcher
Damon befigt Ihn, ein Damon, von welchem
noch nicht ganz ausgemacht ift, ob es ein gw
fer Genius oder ein Kakodaͤmon iſt. Anlage
und Empfindfamkeit fcheint er zu haben, und
fo unvollkommen feine Berfuche, (wovon &
Ihnen einige zeigen wird) noch find, fo fcheint
| St
mir doch einige -Aufmunterung iu vers
nen,
Sin untiderfiehlicher Hang, fagt er, trieb
3 zu den holden Künften der Mufen; er
tte Leinen Anführer, keinen Freund, Feine
ifmunterung, wenig Bucher. Er iſt alfo mehr
bewundern, daß er nicht 'gar nichts ift,
3 daß er nicht etwas beffers iſt. Als er hies
Fam, fagte er mir, daß er gefonnen ſey,
ch nach Halberfiade zu gehen, um Gleim und
Eobi zu ſehen. In der Zolge vernahm ich,
3 er es für ein ſehr großes Unglüd halten
irde, wieder in fein Land zuruͤckkehren zu
iſſen, mo er vor fieben bis acht Jahren,
38 Heißt, bis die Reihe In der Sandidatens
hl an ihn kommt) Feine Beförderung in bofs
ı bat. Sein hoͤchſter Wunſch waͤre inzwi⸗
en, da wo Sie ſind, oder da wo ich bin,
e Hofmeiſter oder Informator⸗Stelle zu fin⸗
3, welche ihm die nothduͤrftige Subſiſtenz
d zugleich Gelegenheit ſich in den ſchoͤnen
iſſenſchaften mehr zu uͤben, verſchaffte. Bey
ver ſolchen Abſicht iſt Erfurt der legte Ort;
nn alle andern Stride reiſſen, kann ich Ihm
elleicht auf einige Zeit eine Stelle im hieſigen
nvictorium verfchaffen; aber dieß iſt alles,
Mielands Briefe I, m, 6
82
und dieß alles iſt ſehr wenig. Vielleicht,
beſter Gleim, wiſſen Sie etwas beſſeres fie t
den guten Werthes. Wirklich fcheint er Aut
fehr gute Art von Menfchen zu ſeyn. Berhehii
denheit und Mißtrauen in fich felbft mache ha
weniger fcheinen ald ex if. Er bat wird]!
Faͤhlgkeit und für feine Sitten glaube ih wi
pondiren zu fünnen. Sollten Sie irgend da
Maschen für ihn wiffen, fo habe ich nicht nd
thig, meinen Gleim aufzummntern, dieß Bed
der Liebe an ihn zu thun, und ihn gu empfehr
len. Wo nicht, fo mag er Immer wieder jw
ruͤckkommen; ich will ſehen, wie ich ihn un
terbringe. Gott weiß, ob c8 gut iſt, daß fe
manche junge Leute durch das Leſen unfer
Schriften mit der gefährlichen Liebe der Du
fen, oft bey ganz maßigem Talent angefett
werden. Indeffen, da wir an diefem Uebel
bauptfächlich Schuld find, fo iſt es nun wohl
unfere Pflicht, zu thun, was wir können, um
es zu vermindern und zu vergüteu, fo viel die
Umftände nur immer zulaffen.
Zur Ihr letztes Briefchen dankt Ihnen mein
ganzes Herz, wiewohl es bey einigen Stelle
blutete. Ich fage nichts mehr von einer Sat
deren Erinnerung ich möchte vertilgen koͤnnen⸗
83
> baffe alle qualenden Gedanken, die zu nichts
ige feyn können. Unſer Jakobi und die übris
n Sreunde, die im Begriffe find zu Ahnen
. fommen, werden meinem Sleim die Sreude
8 Herzens und Zufriedenheit mit fich felbft
ledergeben, ohne welche das Leben fein Gut
» Sch liebe an Ihnen fogar die Aufrichtigs
t, mit dee Sie mir fagen, daß Sie mir
Jar vergeben koͤnnen, aber daß doch immer
ne Narbe In Ihrem Bufen Sie an die Hand,
n welcher Sie verwundet wurden, erinnern
wde. Mon cher, mon bien cher ami, je
ai jamais fait des pretentions, et je n’en
rai jamais. Ce sera un grand point de
licite pour mon cœur, d’&tre aime de vous
un des meilleurs humains que je connoisse,
ais quels que puissent &tre vos sentiments
jur moi, je ne cesserai jamais de vous
onorer et de vous aimer de tout mon
sur. EZ tauto basta!
34
CCVII.
An Jakobi.
Erfurt, den 6. November ızıı
ı
E
|
Dieß Briefchen trift Sie noch In Zelle au I
mein lieber Jacobi! Es foll Ihnen nur fagen I
daß ich noch lebe, und daß Ihre und Ihres
beften Bruders Sreundfchaft, das iſt, was ım
meiften dazu beyträgt, daß ich gern lebe. Ohm
Sie, ohne das felige Gefühl unfrer Lied,
tourde ich zumellen wünfchen nicht zu ſeyn.
Ich bin feit einiger Zeit ſehr hypochondriſch;
mein Geift iſt wie erlofchen; ich kann nicht
gutes denken noch volbringen. Was würd '
aus mir werden, wenn die Brüder Jacobi
nicht die melnigen wären?
Sch Habe unferm Gleim gefchrieben. — |
Seine Antwort if freundlich und Liebreih,
aber fie gibt mir das Unrecht, das ich wider
meinen Willen gethan habe, To ſtark gu empfins
den, daß ich unmöglich mit mir fel6ft zufri®
den ſeyn kann — und wie ſollte ohne DIE
eine Gluͤckſeligkeit moͤglich ſeyn? Ich ſehe daß
ich das Herz des guten Gleims verloren
habe, und ich geſtehe Ihnen, daß nichts in
der Welt mich wegen dieſes Verluſtes voͤlllt
85
teöften fann. Zu Allen. diefen fonmen noch
eine Menge andrer Desagremeng, die elenden
Recenfionen der Sternheim in der Göttins
ger und Braunfchweiger Zeitung werden Ihnen
befannt feyn. — Bor kurzem hatte ich mit
tinem Gäte - metier, Nahmens Schröd in
Sranffurt, zu kaͤmpfen, der eine Ausgabe aller
meiner neuern Schriften androhet.
Die Meffe dat ung einen deutfchen soi di-
sant imitateur de Grecourt aus Königsberg.
gebracht; einen Elenden, dem. der unflätigfle |
Priapismus flatt der Begeifterung dient, und
der die Schamlofigfeit gehabt Kat, feine ekel⸗
haften Obſcenitaͤten, mit einem salve frater,
welches mich beynahe untroͤſtlich macht, mir
zuzueignen; und um das Maß voll zu machen,
erſcheint zu Paris eine elende Ueberſetzung
meiner tomifchen Erzählungen. — Ich mache
mie ein Gewiffen daraus, das Vergnügen fo
Site, mein Liebfier, Im Schooß der Freunds
fchaft genießen, durch alle die ſchwermuͤthigen
Vorfielungen gu flören, womit meine Seele
umzogen if.
Wenn mir meln Dafeyn zu (ehr sur Laſt
fallen will, nehme ich etwas .von den Schrif⸗
ten meines Jacobis, und erinnere mich dabey
\
CCIV.
An Ebendenfelben.
- Erfurt, den 9. September. ıyyu 1.
Nur ein Paar Zeilen, mein liebſter Gleim,
um Ihnen die wilde Neftigfeit meines lebten
Schreibens abzubitten. Ich bin des Vorſatzes,
meinen Gleim zu beleidigen, unfähig. Ich
liebe ihn von Grund der Seele, und laſſe 96
wiß der Güte feines Herzens und der Unfchuld
feiner Beweggründe alle mögliche Gerechtigkeit
wiederfahren. Aber die Sache felbft, wovon
ich Ihnen letzthin fchrieb, If mir noch immer
fo dverdrießlich und fehmerzlich als jemabls.
Sch hatte nur Unrecht, Ahnen in ber erflen
und vollen Wuth zu fchreiben, mworein mid
der Paftors Amor und dag unfern Jakobi
feste. Ich beſchwoͤre Sie, vernichten Ste meh
nen letzten Brief und laffen Sie die Verſiche⸗
rung melner unveranderlihen Zreundfchaft jes
den unangenehmen Eindruck biefes tollen Bries
fes ausloͤſchen.
Herr M. dauert mich, wenn ich an ſeine
Hypochondrie denke, Diefe Gattung von Leu⸗
ten kann kaum für ihre Handlungen refponfas
bei gemacht werden, Ein Poet feyn, iſt fchon
77
fo viel, als einen oder zween Sparren gu viel
haben, aber noch hypochondriſch dazu feyn,
ift zu viel für die Weishelt irgend eines Sterbs
lihen. Wenn ein Hypochondriſt einen Anfall
von Spaßbaftigfeit hat, fo iſt Sott der Water
auf feinem hohen Thron nicht ficher vor feinen
Einfällen; er meint es fo boͤſe nicht, und Ich
wollte wetten, daB Herr M. gar nicht wird
begreifen können, daB fein Paflor s Amor ein
völlig injufiificables Ding if. Wie dem auch
fey, ich bin um meiner Sicherheit willen mit
felbft (chuldig, mein Mißfallen an diefer uns
zeitigen Geburt feines Witzes öffentlich zu bes
zeugen, und ich weiß für ihn nur ein einziges
Mittel, mie er fich mit dem Publico, mit
welchem ihn Diefes fein Abentheuer Höchlich
brouilliren wird, mieder rehabilitiren kann,
und dieß iſt, eine Zeitlang ruhig zu ſeyn, und
wenn er wieder zum Vorſchein kommt, mit
einem Werke, das ihm bey der vernuͤnfügen
Melt Ehre mache, zu erfcheinen. Fuͤr Sie, mein
liebfter Steim, iſt e8 gluͤcklich, wenn der Mans
tel Ihrer Tugend, in welchen Sie fih, wie
Ihr Horaz einhüllen, weit genug iſt, um Ihn
fech8 oder fieben mahl um fich ſchlagen zu koͤn⸗
nen, Denn der Platzregen, der Ihnen von
\
78
Berlin aus bevorſteht, wird mächtig eindringen!
Qui vult bene vivere, debet de Domino Ab- ||
bate omnia bona loquere ctc. Laßt die Priv |
fterfchaft ungehudelt, wenn ihr ein "gerupls
Leben führen wollt! — et Dieu vous soit &
Yaide!
P.S. Auch für den armen jungen petran
chiſirenden Schmidt ift mir leid, daß fein Ben
ſuch letzthin zu einer fo ungünfligen Zeie mir
unter Augen Fam. Indeſſen geftehe ich, daß
junge, angehende Dichter bey mie böfes
Spiel haben. Sch bin immer geneigter, fie
abzuſchrecken als aufzumuntern; und ich kenne
wenigfiens Einen, der mir beynahe flexis ge
nibus dafür gedankt hat, daß ich ihn von ver
rage, Verfe zu machen, geheilt habe.
CCV.
An Ebendenſelben.
Erfurt, den 21. October. 1771
Meln beſter Gleim, fonnen Sie Ihrem Wie
land, der dag edle vortriffliche Herz feines
Gleims — nicht mißkannt — nur in einem uns
glücklichen Augendlicke — aus dem Gefichte vers
ren, Ihren Wieland, der Sie von ganjem
79
derzen liebt und hochachtet, der feinen Aus
enbiic aufgehört hat, noch aufhören kann,
Sie zu lieben, der in der unfeligen Stunde,
a er Ihr gutes freundfchaftliches Herz in der
ingeſtuͤmen Hitze des feinigen verwundete, eben
o wenig als In dieſem Augenblicke fähig
var, ſeinen Gleim kraͤnken zu wollen, — koͤn⸗
ven Sie, koͤnnen Sie ibm vergeben? Können
Sie es, beiter Gleim, koͤnnen Cie ihn wieder
ieben, Ihn mit der Empfindung, daß fein :
Herz; unfhuldig an dem Verbrechen feines Bluts
und feiner Einbilbung Ifi, teieder in Ihre Ars
me fchließen — fo fehen Sie ihn bier mit thräs
nenden Augen Ihre Kniee umfaffen und Sie
bey allem, was jemahls Ihrem Herzen theuer
geweſen ift , befchmören, zu vergeffen, daß es
sinem feindfeligen Damon gelingen fonnte,
die fihmerterliche Eintracht unſerer Seelen nur
eine Minute zu flören. Vergeffen Sie die uns
glückliche Scene, vernichten Sie, wenn e8 nicht
fchon gefchehen iſt, den ungluͤckſeligen Brief,
und geben Sie, befler Gleim, geben Site dem
Herzen Ibres ewig eigenen Wielands die Ruhe
wieder, indem Gie ihm fagen, daB Gie in
bein Beſitz Ihrer Freunde, In der Gewißheit,
yon ihnen geliebt zu werden, wieder glück
—
30
lich find. Guter, rechtfchaffener, liebenswin
diger Gleim! Schen Sie Ihren Wieland au,
Sehen Sie Thranen der Wehmuth und Lit
in feinen Augen, reichen Sie ibm Ihre Hand,
und laffen Sie ung — laffen Sie ung wie
gluͤcklich ſeyn!
CCVI.
An Ebendenfelben.
Erfurt, den 3. November. 72
Der junge Mann, der Ihnen, mein beſter
Gleim, diefes Briefhen von Ihrem Wieland
bringt, nennt ſich Werthes. Er iſt ein ge
borner Würtemberger, ein Candidate der Thw
ologie und Academie, ein Meifter ber. fieben
freyen Künfte. Er iſt auf einer Art von Wal
farth begriffen, die heiligen Derter der Dufen
und Grazien zu befuchen, denn ein poetiſcher
Damon befigt ihn, ein Damon, von welchen
noch nicht ganz ausgemacht iſt, ob es ein ge
ter Genius oder ein Kakodämon iſt. Anlap
und Empfindfamfeit fcheint er zu baben, |
fo unvollfommen feine Verfuche, (wovor
Ihnen einige zeigen wird) noch find, fo
st
r doch einige -Aufmunterung zu vers
unmiderftehlicher Hang, ſagt er, trieb
u den holden Künften der Mufen; er
feinen Anführer, feinen Sreund, Feine
ınferung, wenig Bücher. Er iſt alfo mehr
wundern, daß er nicht 'gar nichts ifl,
ß er nicht etwas beffers if. Als er hie⸗
3, fagte er mir, daß er gefonnen ſey,
ach Halberfiadet zu gehen, um Gleim und
E zu fehen, In der Folge vernahm ich,
8 für ein ſehr großes Unglüd halten
, wieder in feln Land zurückehren zu
I, wo er vor fieben bis acht jahren,
beißt, bis die Reihe In der Candidaten⸗
n ihn kommt) feine Beförderung zu bofs
at. Sein höchfteer Wunfch waͤre inzwi⸗
ba wo Sie find, oder da wo Ich bin,
ofmeiſter oder Informators Stelle zu fins _
welche ihm die notbdüurftige Subfiftenz
ugleich Gelegenheit fich in den fchönen
iſchaften mehr zu üben, verfchaffte. By
folhen Abfiche iſt Erfurt der legte Ort;
alle andern Stride reiffen, fann ich ihm
cht auf einige Zeit eine Stelle im biefisen
ctorium verſchaffen; aber dieß iſt alles,
ands Briefe III, V. 6
42
und dieß alles iſt ſehr wenig. Vielleicht, u
befter Gleim, wiffen Sie etwas beſſeres
den guten Werthed. Wirklich fcheint er
fehr gute Art von Menfchen zu ſeyn. Def
denheit und Mißtrauen in fich ſelbſt macht
weniger fcheinen alg er If. Er bat wi
Faͤhlgkeit und für feine Sitten glaube ic
pondiren zu koͤnnen. Sollten Sie irgent
Maschen für ihn wiſſen, fo habe ich nich
thig, meinen Gleim aufzumuntern, Dieß!
der Liebe an ihm zu thun, und ihn gu em
len. Wo nicht, fo mag er immer wiede
ruͤckkommen; ich will ſehen, mie ich ihn
terbringe. Gott weiß, ob es gut iſt, de
manche junge Leute durch dag Lefen un
Schriften mit der gefährlichen Liebe der
fen, oft bey ganz maßigem Talent ange
werden. ndeffen, da wir an dieſem
hauptſaͤchlich Schuld find, fo iſt ed nun
unfere Pflicht, zu thun, was wir können,
es zu vermindern und zu vergüten, fo vie
Umſtaͤnde nur immer zulaffen.
Fuͤr Ihr letztes Briefchen dankt Ihnen
ganzes Herz, wiewohl es bey einigen ©:
blutete. Ich fage nichts mehr von einer €
deren Erinnerung ich möchte vertilgen könn
83
b baffe alle qualenden Gedanken, die zu nichts
ige feyn fönnen. Unſer Jakobi und die übris
n Sreunde, die im Begriffe find zu Ahnen
kommen, werben meinem Gleim die Freude
8 Herzens und Zufriedenheit mit fich ſelbſt
ledergeben, ohne welche das Leben fein Gut
. Sch liebe an Ihnen fogar die Aufrichtigs
it, mit dee Sie mir fagen, daß Sie mir
yar vergeben können, aber daß doch immer
ne Narbe In Ihrem Bufen Sie an die Hand,
n welcher Sie vermundet wurden, erinnern
erde. Mon cher, mon bien cher ami, je
ai jamais fait des pretentions, et je n’en
rai jamais. Ce sera un grand point de
licitE pour mon caur, d’&tre aime de vous
'un des meilleurs humains que je connoisse,
‚as quels que puissent &tre vos sentiments
dur moi, je ne cesserai jamais de vous
onorer et de vous aimer de tout mon
eur. E tauto basta!
\
84
CCVII.
An Jakob,
Erfurt, den 6. November ı7ı1
Dieß Briefchen trift Sie noh In Zelle au
mein lieber Jacobi! Es foll Ihnen nur fagen
daß ich noch lebe, und daß Ihre und Ahre
beften Bruders Freundfchaft, das iſt, was an
meiften dazu beyfrägt, daß ich gern Iche. Ohne
Sie, ohne dag felige Gefühl unfeer Liebe, .
tourde Ich zumellen wünfchen nicht zu feye.
Ich bin ſeit einiger Zeit ſehr hypochondriſch;
mein Geiſt iſt wie erloſchen; ich kann nicht
gutes denken noch vollbringen. Was wuͤrde
aus mir werden, wenn die Brüder Jacobi
nicht die meinigen waren?
Sch Habe unferm Gleim gefchrieben. —
Seine Antwort ift freundlich und liebreid,
aber fie gibt mir das Unrecht, das ich wide
meinen Willen gethan habe, To flarf zu empfin
den, daß ich unmöglich mit mir felbft zufrie
den feyn kann — und wie follte ohne bie
eine Gluͤckſeligkeit möglich feyn? Ich febe daß
ih das Herz des guten Gleims verloren
babe, und ich geftehe Ahnen, daß nichts is
der Melt mich wegen dieſes Verluſtes völlig
85
roͤſten kann. Zu Allen. diefen fonmen noch
ine Menge andrer Desagremeng, bie elenden
Recenfionen der Sternheim In der Goͤttin⸗
er und Braunfchweiger Zeitung werden Ihnen
efannt feyn. — Bor kurzem hatte ich mie
inem Gäte - metier, Nahmens Schröd in
jeanffurt, zu kaͤmpfen, der eine Ausgabe aller
geinee neuern Schriften androhet.
Die Meffe bat uns einen deutfchen soi di-
ant imitateur de Grecourt aus Königsberg.
jebracht; einen Elenden, dem. der unflätigfte
Irlapismus fatt der Begeifterung dient, und
ee die Schamlofigfeit gehabt bat, feine ekel⸗
Jaften Obſcenitaͤten, mit einem salve frater,
veldyes mich beynahe untröftlich macht, mie
uzueignen; und um Das Maß voll zu machen,
srfcheint zu Paris eine elende Weberfegung
meiner comifchen Erzählungen. — Ich mache
mie ein Gewiſſen daraus, das Vergnügen fo
Ste, mein Liebfier, im Schooß der Freunds
fchaft genießen, durch alle bie ſchwermuͤthigen
Vorfielungen gu ftören, womit meine Seele
umzogen ift.
Wenn mir mein Dafeyn zu ſehr zur Laſt
fallen will, nehme ich etwas von den Schrif⸗
ten meines Jacobis, und erinnere mich dabey
86
an die frlisen Tage, die wir mit einander gu
lebt haben; dann fühl’ ih, daß meine Sul
dieſe koſtbare Empfindlichkeit noch nicht vers
ren hat, ohne welche es ein Unglück waͤre ein
Menfch zu ſeyn; ch fühle, daß Ich Ste innig
lich und unausfprechlich liebe; ich bin anf
einige Augenblicke glüclich;_ aber wenn fid
melne Arme aufthun, meinen Jacobi an mein
Herz zu drücen, und Ich ihn nicht finde, und
mir alle die Menge von Bergen und Thälern
vorfielen muß, die zwiſchen ung fliegen, —
ah: mein beſter George! Sagen Sie, nie
kann da Ihr Wieland glüdlich bleiben? —
CCVIII.
An Ebendenfelben.
Erfurt, den 2. December 1771.
Komm, mein Bruder, laß dich an mein
Herz dracen, laß mich ganz die Wonne de
Verſchwiſterung unſrer Seelen genießen; mein
sanz eigner liebſter Georg Jacobi! Welch eine
Mufe war dieß, die meinem Jacobi Diele
göttliche Licd vorfang, deffen hohe Einfalt das
untrügliche Zeichen der wahren Begeiſterung
iſt! — Noch immer tönt die mehr als Icdifck
- Melodie In meiner Seele. — Befter der Sterbs
lichen! Nein! niemahls, niemahls bat eine
fchönere Seele als die Deinige in einem Leibe
von Erde gewohnt !
Warum, mein Jacobi, kann ich nicht mit
einem Wunfch in ihrem Zimmer, an Ihrer
Seite feyn, Ihnen die Auferfiehung an
Eliſen *) vorlefen, und dann mit Thraͤnen
der Entzuͤckung und Liebe in Ihre Arme ſinken?
Und wir folten Ihrem Bruder, Meinem
Bruder ein Geheimniß daraus machen? Er
ſoll noch etliche Wochen leben, ohne bad nah⸗
menlofe Vergnügen genoffen zu haben, Das
ipm Elifens Auferfiehung geben wird? —
Und doch, menn ich bedenke, daß fein Ents
zuchen deſto größer feyn wird, To entfchließe
ih mid, mir die Gewalt anzuthun, das
ſchoͤnſte unter allen Liedern unſers Georg's
vor ihm zu verbergen.
Es tft mir noch nicht möglich Ahnen Deuts
lich zu ſagen, wie ſchoͤn, wie unausſprechlich
ſchoͤn ich dieſes Lied finde. Aber mir iſt (wenn
ich es nur erſt zwanzig Mahl werde geleſen
haben) ich wollte ein kleines Buch von allen
Schoͤnheiten, die ich darin ſehe, ſchreiben.
*) Jacobi's Schriften. N. Ausgabe. 2ter Thl. p. 176.
85 \
Wie (hön if, z. E. der Abſatz des Yun
den Tong der erften Strophen mit dem di
genthuͤmlichen, fanften, Engelsliebe athma
den Ton meines Jacobi, der in den folgenda
Strophen herrſcht! Welch ein gluͤcklicher Bu |\
Danfe, den feyerlichen Bardıngefang, von
Kommen des Weltrichters, zur Beran
laffung des Liedes zu machen! Melch ein glügs
licher, neuer, noch von feinem Dichter feine
erfien Bluͤthe beraubter Gedanke; die Blumen,
die um Elifend Grab geftreut und laͤngſt wie
fie geftorben waren; die Nachtigallen, die in
ſtillen Nächten über ihrem Grabe gefungen
hatten, und geftorben waren, zugleich mit ihr
auferfichen zu Hafen! — Und die legte
Strophe! wie fchon vollendet fie mit einem
Zug, das ganze uberirdifche Gemaͤlde! Wie
glücklich muß mein Jacobi gemwefen feyn, da
e8 In Diefer Idealen Schönheit, melche Fein
Ausdruck vollig erreichen kann, vor feiner
Augen fland ? |
Zwo oder drey Kleinigkeiten möchte ich ver
ändert fehen, ohne daß ich Ihnen viel beffere
Grunde geben kann ald meine Empfim
dung. In einem fo fehr volfommmen Stade
nn. ae u
89
ann ich nicht dag Fleinfte Fleckchen, nicht die
leinfte rauhe Spitze leiden.
Diefer Böden hier | welchen Elife betrat
Fuͤhlen Sie nicht auch), daß man an biefem
‚ier im Declamiren anftößt, und daß zwi⸗
chen bier und welchen eine Kluft iſt, die
icht feyn ſollte. — Lieber wolle ich fagen:,
‚Diefer Boden, den Elife betrat.
Schaffende Liebe gebeut Sonnen in ihrer
Bahn;
Mich daͤucht, es follte heißen:
Gebeut Sonnen in ihre Bahn.
Aber noch lieber wollte ich den ganzen Aus⸗
ruck andern. Gebieten duͤnkt mich, iſt
zſicht ganz ſchicklich, wenn von einer Wirkung
er Liebe die Rede iſt. Lieber wollt' ich die
leine Schoͤnheit, die aus der Wiederho⸗
ang der ſchaffenden Liebe entfpringt,
ufopfern und feßen.
—
Öffnet neuen Sonnen ihre Bahn, oder win⸗
fet neue. Sonnen in ihre Dahn
der fo etwas ıc.
Doch diefen Punkt unterwerf’ ich Ihrer und
nfer8 Gleims und Ihres guten Michaes
is Entfcheidung. — Denn es iſt genug für
ich, daß Sie und Gleim Ihn Ihrer Lebe
00
werth finden, um mir's sur Pflicht zu made, Ih
fo lange ich lebe alled anzuwenden, Damit id I,
die Unbild, die ich ihm in ubertrlebner Hiky |:
und ehe ich ihn kannte, angetban babe, vw i
güten möge. Le vilain homme que J’etois!
Aber die Goͤtterthaten der Elife — bie,
mein Liebſter, müffen Ste mir aufopfen =
Götterthaten iſt zu viel. Gehen Sie,
wie Sie dieß anders fagen; im Nothfall, und
wofern Ihnen nichts Schidlicheres einfiele,
ware, dacht Ich immer beffer
Deines Lebens fille Thaten baut. ®)
Dieß iſt für Elifen zugleich eine ſtillſchweigende
Lehre! Goͤtterthaten tönt zu fehr mie eine
Schmeicheley, und würde das gute Kind übe
müthig und ſchamroth machen müffen.
Ich habe die Frage: ob Sie das Lied glelch
mit der erfien Pot an unfern Srig abgeben
laffen follen oder nicht, auf der feinften Wagt
der Empfindung abgewogen , und meine Ems
»findung fage mir: es fol abgehn. — Das
Leben ift fo kurz! und überrafhen, — Id
weiß nicht, — aber ich habe nie gerne üben
rafcht, und mid) nie gerne uberrafchen laffen.
Ich finde, ich weiß nicht was kindhaftes
*) fo endet Strophe 14. p. 178. neue Audgabe.
91
rin. — Dieſen Augenblick ſchreib ich ohnehin
ı unfern Fritz. Es iſt mie ſchmerzhaft, der
egierde zu widerſtehen, ihm das Lied beyzu⸗
zen. Und dennoch kann und will ich es ohne
hren Willen nicht thun.
Unſern Gleim umarmen Sie in meinem Nah⸗
en, und ſagen Ihm, daß ich mit der naͤch⸗
n Poſt antworten werde. Itzt kann ich nicht
eiter, als meinem Jacobi mit dieſem Kuß
r unſterblichen Freundſchaft eine gute Nacht
d Traͤume von Elifen wuͤnſchen.
CCIX.
ı An Ebendenfelben.
. Erfurt, den 27 December 1771.
Verzeihen Sie Ihrem Wieland, mein allers
fier Bruder, daß er Ihnen feine Dankfas
ng für die zwey legten Lieder, womit Gie
m Freude gemacht haben, fo lange fchuldig
blieben ift.
Indem ich Ihnen, mein Geliebtefter, fage,
‚8 mir das Lied an die Unfchuld, und dag
habne, anmurhige, phantaliereiche, platonts
ende Gedichtchen, der Schmetterling,
efe gang vortreffliche Auflöfeng der hiero⸗
92
glyphiſchen Bedeutung des Schmetterlingg, ie |
den Bıldern der Pſyche — Freude, große Freude
gemacht haben; daß ich mit der Erfindung,
mit den Bildern, mit dem Ausdruck in bey
den hoͤchſt zufrieden bin, und daß ich, beſon—⸗
ders den Schmetterling, den beften Canzo
nen des Petrarca (wiewohl einige davor
göttlich find) vorziche; indem ich Ihnen alle
dies fage, und noch mehr, wenn ich Zeie hättt,
über einzelne Stellen, welche mich vorgüglid
bezaubern. 3. E.
„Amor, wenn aus deinen Armen,
Endlich meine Seele flieht ic.
und dann
Bald erwacht aus einer kurzen Ruh ıc.
fagen würde: Kann ich Ihnen, mein beite
Georg, nicht verbergen, — es würbe eine
Sünde wider unfre Freundfchaft ſeyn, es vers
bergen zu wollen — daß ich mwünfchte, Sie
möchten diefe beyden Stüde noch einige Zeil
surüch behalten, und verfuchen, od es Ihnen
nicht möglid) wäre, die Melodie derfelben Clafs
fen Sie mich die Verfification immer fo nen
nen!) wenigſtens bier und da, wo Sie einer
Mangel an wahrer, fanft fih entwickelnder,
x}
— —— — mn „en IE E -'
.93
ender Melodie ſelbſt empfinden muͤſſen,
zuſtimmen.
ch kann mich irren, lieber Georg, aber
n ich irre, fo betruͤgt mich wenigſtens
ne Empfindung; — id fühle und
> 8 abermahl wieder, fo oft ich dieſe
ven Stuͤcke wieder leſe, daß dieſer allzu
ye Dythyrambenmaͤßige Rythmus, deffen
ſich bedient haben, und an welchen, wie
beforge, Ihre Muſe ſich gewoͤhnt, diefe
t fo vortrefflichen Stuͤcke der Muſicali⸗
»n Schoͤnheit beraubt, welche in Ihrer
ſarion, im Lied des Orpheus, im
de der Grazien, Ohr und Herz bezau⸗
. Es mangelt ihnen, nicht durchaus, aber
jielen Stellen, das Singende oder Sing⸗
re vielmehr, welches die kleine Strophe -
Bald erwacht aus einer kurzen Ruh,
Gleich den Schmetterlingen
Eil' ich, ſchoͤn wie du,
Neben dir auf goldnen Schwingen,
Deinem Vaterlande zu. —
erbefferlich Tieblich macht. Der Fehler die⸗
gar zu freyen Verſification iſt, daß ſie zu
Mannigfaltigkeit, und eben darum
wenig Einheit, daß Sie zu raſche Abs
94 Ä
wechfelungen, zu harte Intervalle, zu weis
Fließendes, und cben daruın feine Melodie ||
bat. 3. E. in den Berfen:
- u - y -= u v - 9
Amor, Feine Derge fließen (vier Irocäen.)
Mehr daB bimmlifche Madchen ein (ı Troch.
1 Dactyl. ı Dactyl. 1. amphimacros.)
würde Melodie feyn, wenn flatt des Dactyld
bimmilifche, ein zweyſilbiges trochätfches
More ſtuͤnde. So wie der legte Vers jept
klingt, made er mit dem vorhergehenden einm
Gontraft, der meinem Ohr Schmerz macht.
Leichte Roſengewoͤlke ſchwebten
— u
U - u - V —
Unter dem blauen Himmel nur.
NB. Roſengewoͤlke und (des Dactyls ohn⸗
geachtet) beſſer als Roſenwolken.
wuͤrde meinem Ohr beſſer klingen, wenn in der
zweyten Strophe lauter Trochaͤen wären, z. B.
Unter blauem Himmel nur.
In eben dieſem Liede an die Unſchuld
finde ich in der achten und elften Strophe
einen ſo merklichen Mangel am Singbaren,
daß Ih ihn kaum ertragen kann. Auch die
funfzehnte Strophe wurde fehr gewinnen, wenn
95
a8 Metrum einformiger mare, und In ber
echszehnten wurde ich, bloß propter eupho-
iam, flatt
vv - vv v - vv
deinen befreundeten Seelen
inſetzen
Deinen Schweſter⸗Seelen hin.
Das Dithyrambenaͤhnliche Metrum iſt mir
orgehmlich im Schmetterling anſtoͤßig,
oeil dieſes Gedichtchen eigentlich eine Erzaͤh⸗
ung — zwar aus der Ideenwelt — aber doch
mmer eine Erzaͤhlung iſt, wo, vermoͤge der
ſdatur der Sache, die Melodie vorzuͤglich
ließend und einfältig ſeyn muß.
Ich weiß nicht, mein Allerliebſter, ob ich
jonen meine Begriffe, oder richtiger zu fpres
ben, mein Gefühl über dag Cantabile der
hönen Berfification, deutlich genug gemacht
abe. Ich wollte lieber mündlich davon mit
ihnen Handeln. Viele Beyfpiele können allein
ie Sache deutlich machen. — Zum Exempel
ie Strophe:
1, Bald erwacht | aus einer Furzen Ruh
2. Gleih den Schmetterlingen,
(A) 3. Eil ich | ſchoͤn wie | du,
4. Neben dir J auf goldnen Schwingen
5, Deinem Baterlande zu.
06
St, fo mie fie da fieht, ſehr fingbar und vl |
Harmonie. Und dennoch würde fie mir (mis
wohl der Sinn dieſe Transpofition hier nidt
zulaße) noch beffer Klingen, wenn die Worte fü
flünden, (oder vielmehr ftehen könnten).
1. Bald erwacht | aus einer kurzen Ruh,
2. Eil ih, gleih den Echmetterlingen
(8) 3. Neben dir | und ſchoͤn wie Du,
4. Deinem Baterland’ | aufgeldnen Schwingen im.
Vieleicht Licgt "bey dieſem Beyſpiel der
Grund bloß in einer Gaprice meines Ohres —
und Doch laſſen fih gewiſſe Urfachen angeben,
welche in der Natur des Numerug felbfl ju
liegen ſcheinen; nahmlich:
I. Es liegt eine befondere Annehmlichkeit In
frochaifchen Verſen, morin die Cäfur (melde
ich durch | angedeutet habe) fo fallt, daß der
Zweyte Theil des Verfeg eine Jambe
gu werden fcheint, 3. €. in
Bald et | wacht ] aus einer furjen 1 Ru
Iſt der ganze Vers trochäifch; durch die Eäfur
aber zerfällt er in Die zween Verſe:
Bald erwacht
aus einer Fursen Ruh
wovon der erfte trochaifch, der andere jambiſch
if, Ich nehme nun einsmweilen als einen En
97
fahrungsfaß, oder wenn Sie wollen als einen
Lehrſatz (deffen Beweis ich jet brevitatis causa
ſchuldig bleibe) an, daß diefe Art von Verſen
einen vorzüglichen -mufifalifchen NReig haben,
und fage alfo: .
weil in der Strophe A dieſe Art von Mufiks
fchönbeit nur zweymahl, naͤhmlich in Zeile
ı und 4, hingegen in Strophe B dreys
mahl, nähmlich in Zeile 1. 3 und 4 vor
koͤmmt, fo ift in B mehr Wohlflang als in A
Serner:
IT. Der völlige rhthmiſche Gleichlaut zwoer
Zeilen eder die Monotonie iſt keine Muſika⸗
liſche Schoͤnheit (gewiſſe beſondere Faͤlle gleich⸗
ohl ausgenommen) und wenn dieſe Monos
tonie in Einer Fleinen Strophe drey oder viers
mahl vorfommt, wird dag Monotonifche,
wenligſtens einem muflcalifchen Ohre, merks
lich genug, um, wo nicht Unluft, mwenigfteng
einen Mangel an pofitiver Ergößung bes Ohres
zu verurfachen.
Wenn wir nun.die vorliegenden Strophen
A. und B. in fo viel Fleinere Zeilen, als durch
die Caͤſur herauskommen, fpalten, fo fins
det ſich,
Wielands Mriefe II. 6. ?
98
daß in A drey folche Eleine Zeilen, nahmlid
Bald erwacht, -
Schön wie du .
Meben dir,
in B hingegen nur zwey, naͤhmlich;
Bald erwacht
und Neben dir
vorkommen; folglich if In B weniger Mo⸗
notoniſches als in A, folglih klingt B
beffer als A.
Q.E.D.
Lachen Sie Immer über Ihren Wieland,
mein lieber Georg, der Ahnen hier eine Probe
von feiner Spisfindigfeit in Berfificatorifchen
Kleinigkelten gibt, welche Sie ihm vielleicht
nicht zugetraut hatten. Sm Ganzen, glauben
Gie mir, ift mehr an diefen Kleinigkeiten ges
legen, als die Meiften fih einbilden. Die
Einwendungen, welche gegen dergleichen NRafs
finements durch Beyſpiele gemacht werden
koͤnnen, haben bey naͤherer Unterſuchung nichts
zu bedeuten, ſondern find wohl immer nu
Erceptionen von einer Kegel des Schönen
zu Öunften einer hoͤhern. 3. E. man könnte
als ein Benfpiel gegen meine obige Regel No. I.
anführen, daß in der Strophe
1. Amor | wenn aus deinen Armen |
2. Endlich meine Seele flieht |
3. Und mein Schatten | voll Erbarmen |
4. Hier im Thal | dich irren ſieht.
eine ganz vortreffliche Melodie. fey, ohngeachs
tet die drey erften Zeilen, oder (nad) der
Eäfur) die ſechs erften Zeilen lauter Tros
chäen find, und bloß die allerlegte, nähmlich
Dich irren ficht,
jambiſch if. — Ich antworte aber:
Eine. ganze Reibe von Trochaͤen bat einen
rührenden zartlichen Klang, etwas Sanftmes
lancholifcheg, welches fich hier vortrefflich zur
Sache ſchickt; mie jeder geſchickte Tonkünftler,
der diefe Strophe feßen mollte, fagen und
erfahren wird. Folglich herrſcht in diefer
Strophe die böhfte Regel aller Melodie,
der Ausdruck, die Uebereinſtimmung der
Muſik mit dem Text; man vermißt alfo
die mindere Schönheit, welche ihr aufges
opfert wird, nicht.
Vebrigend und en passant, belleben Sie
noch zu bemerken, mein Liebſter, daß die füße,
fchmelzende Melodie diefer vier Verſe, Durch
Hinzufegung einer einzigen Sylbe, auf die
100
auffallendfle Weife geſtoͤrt werden könnte; es
dürfte nähmlich nur heißen:
„Hier im Thale dich irren ficht.“
Und gleichwohl iſt das Metrum dieſes Verſes
an fich ſehr angenehm; nur in der Verbins
dung mit den drey vorigen Zellen, würde «8
mißtönend. So viel alfo fommt auf einen
einzigen armen Daftylug, der am unrechten
Drte flieht, an. Und fo viel, mein theurer
Georg! für diesmahl von der Verſification
ihrer legten Stüde. In meinem nächften noch
etwas weniges über den Ausdruck in einigen
Stellen. Itzt muß ich abbrechen.
er, mein Liebfier, mag wohl ber Bube
feyn, der mich in No. 192, 93 und 94 ber
Braunſchw. Zeitung auf eine fo boshafte
und ungezogne Art angefallen hat?
Ich umarme Sie, mein Freund, mein Brus
der, mit einer Liebe, die aus ihrer und meiner
Seele, nur Eine Seele made.
tur aa
ıoL
«CCX,
An Ebendenfelben.
Erfurt, den 9. Januar, 1772. Mittags.
Ich werde Ihnen nur ein ſehr kurzes Brief⸗
hen ſchreiben koͤnnen, mein liebſter Georg,
ch erhalte Ihren Brief vom fuͤnften Jenner
»0e einer halben Stunde, und um drey Uhr
Diefen Nachmittag geht die Poſt ab, welche ich
nicht verfäumen darf, um Sie nicht einen Aus
zenblict länger, als ich verhindern kann, in
einer fo unnöthigen Unruhe zu laffen.
Ihr Lied an die Unfchuld ift auch ohne
die Berbefferungen (durch welche es gleich,
wohl, meinee Empfindung nad), gewinnt)
viel gu gut, um vernichtee zu werben. Die
Frage kann und fol gar nicht von Vernichtung
feyn. Es iſt fo wie es nun if, Ihrer ſehr
wuͤrdig und vollfommen in dem fonderbaren
aber Seele ſchmelzenden petrarchifchen Ton ber
übrigen Lieder an Elifen.
De Schmetterling IfE ganz unflreitig
eines Shrer beften Stüude, und nach‘ meiner
Empfindung ein Gefpiele zum Liede der
Gratien, zu deu erfien Menfchen zum
Lied des Orpheus und zu Mufarlon. Der
böchfie Grad der Begeiſterung aus bem
102
ſchauen idealifcher Schönhelten herrſcht ul -
leicht in. feinem fo volfommen, als in dieſen
es iſt im eigentlichen Verftand ein göttliche
Licd, und Gie, mein Bruder, konnten nur eis
nen Augenblicd daran denken, daß Ahr Wie
land auf die Vernichtung eines ſolchen Stücks
antragen fünne? Ich würde einem Bufiris,
der c8 .vernichten wollte, mit Freuden meine
Mufarion und meine Gratien zum Löfegeld für
Den Schmetterling Hinbieten.
Ich ſchicke Ihnen Ihre erſte Copie mit
zwo oder drey Veraͤnderungen, die ich vors
fchlage. Es find Minutiae; aber im Ganzen
helfen dennoch) dergleichen Kleinigkeiten Die
fchöne Wirkung volfommener gu machen.
Alfo , mein liebfiee Bruder, burtig In bie
Drucerey mit biefem vortrefflihen Stüde!
Sch kann e8 faum erwarten, bis unfer Fri
es Iefen kann! Mit welchem Entzuͤcken wird
er es leſen und wieder lefen! Gelt drey oder
vier Wochen darf ich ihm fein Wort von Ih⸗
nen fagen; denn wie fünnte ich ſonſt das vers
fprochene Stilfchweigen halten. Fuͤhlen Sie
ſelbſt was dieg meinem Herzen Foftet.
Ich muß mich von Ahnen losreißen, mein
eliebter, naͤchſtens, hoffe ich , ein mehreres
103
— Ich umarme Sie und unfern Glelm, und vers
fuche e8 nur nicht, Ihnen auszudruͤcken, wie
‘ich Sie liebe!
P. S. Unferer hieſigen gelehrten Zeltung
wünfchte Ich in Halberftadt einigen Debit. Sch
arbeite für den gegenwärtigen Jahrgang ſelbſt
mit an ihre, und habe bereit8 Sulzers Theos
rie recenfirt und den Braunfchweigern
geantwortet. Denn etwas fagen muß ich, .
da fie mich geradezu für einen Epifuräer erfläs
ren, der weder Gott noch Unfterblichkeit glaubt.
Immer zu folchen Angriffen fchtoeigen, würde
mir hier und bey einer Menge von Leuten,
auf welche ih Rücficht nehmen muß, gefchas
det haben.
CCXI.
An Stetim
Erfurt, den 21. Jenner. 1771.
Hier mein befter liebſter Gleim, iſt eine Bros
fchüre von Ihrem Wieland, und feine fehr
nachtfichtliche aber gewiß nicht furchtfame
Kecenfion der Sulzerſchen Theorie und feine
Erflärung gegen den Elenden, der Ihn in der
104
Braunſchweigiſchen Zeltung geläftert bat; -
und bier, mein unfchägbarer Freund, iſt Ir
Gedichtchen an die Mufe mit der wärmfln,
zärtlichfien Umarmung Ihres Wielands, der
Ahnen nicht beym Anubis, noch beym Hund,
wie Sofrates, fondern bey allem, was ſchoͤn
und gut if, und bey den Grazien — ohne
welche, mie der göttliche Pindar fagt, fein
Mann weder zarıs noch vopos feyn Fan, —
ber bey den Grazien Ihnen ſchwoͤrt, daß um
ter allen Sterblichen, mit denen er lebt, Gleim
und die Brüder Jakobi diejenigen find, die er
am herzlichfien ehrt und liebt, und von
denen er mit dem ſtaͤrkſten Gefühl der Gewißs
beit überzeugt ift, Daß fie Der Menfchheit
Ehre machen.
Mit Ihrem Liede, Vater Steim, bin ich volls
fommen über die Maßen. zufrieden, — es {fl
ſchoͤn und gut, es iſt ein getreuer Abdrud
Ihrer Seele, in welcher die Weishelt meined
Sofrates mit der Fröhlichkeit und Empfind:
ſamkeit Ihres Anakreons fich vereinigen; «ed
iſt ohne Schminke, ohne Zierrarten, einfach,
edel und fchön, mie Alles feyn follte, was
Menfchen denken und thun: der Ton infons
t worin es gefungen iſt, gefällt mie uns
- gemein, e8 iſt der eigene, charafterifiifche Ton
»
»
b
105
meines Gleims, dee noch) im Jahre 2440 jede
r gefühloollere Seele einer beſſern Nachwelt
bezaubern wird. D warum Fann ic Sie nicht
für einige Strophen an mein Herz dräden! —
Alte find ſchoͤn; aber die legten ſechs find uns
vergleichlich. Ich habe das Lied meines Gleims
einige Mahle mit Ariftacchifchem Auge betrachtet
und mit gefpistem muſikaliſchem Ohre behorcht
und finde nichts Daran zu fchelten; nichts ale
einige Kleinigkeiten, welche, alles wohl übers
legt , vielleicht nur Eigenfinnigfeiten meines
Geſchmacks find. |
Sin der legten Strophe: mich nothigt,
Menſchen Haffen, anflatt zu haſſen, die
ich meinem Gleim, fo wenig als mir felbft,
gern erlauben möchte, wiewohl ich beforge,
daB ihre nicht anders als durch Aufopferung
des Gedankens ſelbſt wird . geholfen werden
fönnen. |
Ich bin fehr begierig, mein liebfter Gleim,
diefes Fleine Gedicht gedruckt zu haben, und
bey deffen Ankündigung In unfrer Zeitung
einige heilfame Wahrheiten fagen zu fönnen.
Ich bitte Sie mir ein Eremplar von Michas
5 elis poetifhen Briefen zu ſchicken und mi
106
unter die Subferibenten gu notiren. Sch ni
ſehen, ob ich nicht in Mainz einige Subſch
benten werben fann.
Unfer neue Professor Theologiz Frorley,
ift ein fo braver Mann, ale ein Theologus,|
per naturam rei, feyn fann, unb dieß If gu h
nug. Er verehrt meinen. Gleim, denkt gefimb,\'
befise mahre Gelehriamfeit und verachtet di ||
Sende meine? Gleims. Er ift entfchloffen, |
Diefem Hierophanten die Maske abzuziehen,
und cr iſt der Mann, der es thun kann. Ich
felbft gebe damit um, eine Reihe von Briefen
an meinen Gleim aufzufegen, und Drucken iu
laffen, unter dem Titel uͤber Pindars Gra
zien, worin Ich entmwiceln will, warum Pins
Dar fagt, daß man ohne Grazieu kein welfe
noch tugendhafter Mann feyn könne. Aber
noch müffen Sie mir Zeit dazu laffen, erfl
müffen die Könige von Scheſchian fertig
on.
107
CCXII.
An J. G Jakobi.
Erfurt, den 28. Jenner. 1771.
ch bin ungehalten auf mich ſelbſt, mein
er, liebſter Georg, daß ich Sie einen Poſt⸗
vergebens auf eine Autwort habe warten
n. Aber es war nicht anders möglich. Sie
ıben nicht, wie viel ich außer meinen aus
ı Gefchäften und Zerfireuungen, beynahe
jeden Pofttag mit Antworten auf alle Ars
von Briefen, die mir zufommen, gu thun
2; und anflatt auf mich zu zuͤrnen, werden
mic, bedauren , wenn die unangenehme Ars
mehanifche, aber zumeilen unaufs
bliche Briefe zu fchreiben, mich des füßen
gnügens, mit meinen liebften Freunden zu
n beraubt. Gie find zu gut, beſter Georg!
für meine beyden legten Briefe fo viel
af zu wiſſen. Könnte ich weniger erfennts
feyn für dag Zutrauen , das Sie mir zeig⸗
und fuͤr die Wolluſt, welche Sie meiner
te durch Mittheilung Ihrer göttlichen Lies
fchenften. |
in Ihrer Cantate auf das Geburtöfeft
ed Könige, hat mir Alles gefallen — bey⸗
108
nahe Alles bis zum: Entzuͤcken gefallen. — &T
fürtren es felöft, mein Lieber daß mir nid
einzelne Stellen gefallen müflen — denn wen f
ift jemahls ein wahreres, rührendered Gemälde |!
gemacht worden , als das Gemälde der Mut
ter, die in ſchwachen Armen
Shr einziges Kind mit wankenden
Schritte
Durch die brotlofe Hätte — trägt? —
welche Zug: ! \
Sammer iſt jeder Tag! — Entfepen jeder Traum
Und ihre Ichfe Bitte des Kindes Tod —
Welch ein die Seele zerreißender Zug, der auf
dieſen folgt:
Eine Mutter, und das Laͤcheln
Der kleinen Unſchuld fuͤhlt ſie nicht?
Und des Geſaͤugten ſterbendes Roͤcheln
Und ſein ſterbendes Geſicht
Erſchreckt ſie nicht.
Ich ſchwoͤre Ihnen, George, dieſe fünf Zel⸗
len ſind die beſte Tragoͤdie werth, die je ge⸗
macht worden iſt.
Das folgende Rezitativ: Weg vom win
felnden Laute, beſonders bie Stelle —
Elend! und du zwangſt ıc. — bat mid,
ohne daß ich ſelbſt vecht fagen fan, Warum,
wieder ein wenig abgekuͤhlt. Mie war, al
109
ihnen diefe Stelle einige Mühe gemacht
wenigſtens fühle ich den Grad von Des
rung nicht darin, der In den meiften übris
Resitativen athmet. Aber wie über allen
ruck fchön iſt dann wieder die Stelle
Als unter Fluten euere Felder lagen
dieſe:
Verbargen jener Zaubergaͤrten
Liebliche Grotten ihn Ks
in, lauter Mufif, ganz eines deutſchen
iſtaſio wuͤrdig iſt das Terzet:
Selig wer im Schoos der Freuden ꝛc.
die Arie: Genießt ihr guten Her—
ıc. — aber das Ganze — Sie ſelbſt,
er George, ſcheinen nicht Damit zufrieden —
ich — ich fage: das Ganze iſt fo gut al
pn fonnte, da Sie ſich einmahl den Plan
ht hatten, den. der vorangeſetzte Inhalt,
utet. — Cantatfen find übrigens auch
nicht die Art von Gedichten, womit
Ihre Mufe fih gerne befchäftigen ſehe.
wiewohl ich mit dem edeln, eines freyges
en, fühlenden und denfenden Menfchen
igen Tone, worin Sie den König ber
nen befingen,, fehr zufrieden bin, fo kann
oh nicht umhin, gu münfchen, daß dieſe
Sch bitte unfern Gleim herzlich am Verge—
bung; aber ich kann nicht gegen Das Gefühl
meiner Seele reden.
110
Cantate dle letzte in ihrer Art ſeyn
Von der neuen Ausgabe meines Agathon
ſchreibe ich Ihnen ein andermahl. — Sind Sie
zufrieden damit, daß unſer Bruder Fritz In
die Dienfle eines Fürften getreten If? Ich
febe nicht genug Far in der Sache; aber id
bin implicita fide mit allem zufrieden, was
der vortrefflihe Mann thut, zwifchen. welchem
und meinem Georg das Herz euerd Wielands
auf eine fo fonderbare Art getheile iſt, daß |
ich nicht fagen Fann, welchen ich am meiſten
liebe, wiewohl ich empfinde, daß ich jeden
über alles andere In der Welt liebe.
Mit Scehnfucht ſeh ich der Sammlung ba
fchönften Gefänge meines Georgs entgegen,
und mit wallendem Herzen wünfch ich. mich is
dieſem Augenblic® in die Arme des beften um
ter ben Sterblichen! —
II
CCXIII. |
.4An Gleim.
Erfurt, den 8. Hornung 1772.
r fommen Ihre Lieder zurück, mein vor⸗
cher Freund, und mit Ihren Liedern’ der
hfie Dank und der waͤrmſte Beyfall Ih⸗
dielands.
Ariſtarch zur Unzeit iſt ſo gut ein Pe⸗
als irgend eine andere Art von Pedan⸗
Favete linguis! werde Ich dem Kunſtrich⸗
fe zurufen, wenn ich meines Gleim's
er für dag Volk, carmina non prius
1, dem Publico ankündigen werde. eileim
ve ich fagen) fährt fort ale ein aͤchter
er der Mufen die Poefie zu ihrer älteften
nuͤtzlichſten Beſtimmung zuruͤckzufuͤhren.
heſtem Rechte koͤnnen wir von dem Volke
‚, tag Horaz von der matura puella
o ſagt: disceret unde preces, vatem
usa dedisset? Ich beurthelle diefe Lieder
als Kunftrichter, ja nicht einmahl als
er: ich febe fie aus dem Geſichtspunkt
aus welchem fie Sokrates betrachtet
ı würde, und finde fie vortrefflih. Dank
Preiß fen Ihnen, mein beſter Gleim, für
112
dag wahre Verdienſt, das Sie ſich d«
um die nuͤtzlichſte, unſchuldigſte, und aı
nigſten geachtete Claffe der Erdbewohne:
chen. Sie haben fo gut ein coronam ci
Damit verdient, als wenn Gie einem 2
dag Leben gerettet hatten. Aber aud
Dichter finde ich in der einfältigen Natu
ihrem ungefünftelten Ausdrud,. und in
ächten ländlichen Ton, deſſen Sie ſich fo
lich) bemächtigt haben, etwas defto meh:
mundernswürdiged, je leichter e8 mir
wäre, eine Mufarion, ald das leid
Diefer Lieder zu machen. Ich fage alfo mı
Gleim aus voller Bruft, daß ich mit |
Liedern für bag Volk zufrieden, und mit
reren befonders ſehr zufrieden bin. —
Wahrheit, alte find vortrefflich in Ihrer
und auch das Lied des Hirten iſt ein I
wahrer einfältiger Erhabenheit. —
das Lied des Gartners! Wie, mein [I
Gleim, mie werde ich ihnen ausdräden
nen, auf welchen Grad e8 mid in Ent
geſetzt hat? O vortrefflich, vortrefflich!
ich, nach jeder neuen Strophe, und at
fchwerer vor Vergnügen. Ganz und gar,
ort hat es Ihnen in einer Der gluͤ
_ 113
fen Stunden Ihres Lebens die lieblichſte der
Mufen eingegeben. ch fann und will Ihnen
nichts mehr davon fagen; aber umarmen, taus
ſendmahl umarmen möchte ic) Sie dafür. Es
iſt ein vortreffliches Lied, und wenn die voll⸗
fommenften Meiſterſtuͤcke im Zache der einfäls
tig fchönen Natur gefammelt werden, und alle
Nationen das Ihrige beytragen follten, fo
würde Diefes Lied meines Gleims darunter
feyn muͤſſen, und feine Eprache würde was
Bolltommneres in diefer Art aufzumeifen haben,
Das ı6te und ırte find es In einer andern
Arts beyde, befönders das ı6te, hoͤchſt erhas
ben; die Gedanken und Empfindungen groß,
fo, groß als die Seele des Menfchen benfen
und empfinden fann, der Ausdrud edler Eins
falt, von Winkelmanns höchfter Grazie einges
geben: Daß aber die drey lebten Lieder eis
gentlich nicht zu den Liedern für's Volk, fons
bern zu einer hoͤhern Klaffe gehören, babe Ich
nicht nöthig meinem Gleim zu fagen.
Gerne wollte ich noch mit meinem Gleim
länger fchwagen, aber ich werde abgerufen.
Mit Verlangen fehe ich dem langen Briefe
entgegen, den Ste mir berfprochen. Froriep
fol, ſobald ich ihn ſehe, Iefen, was Sie von
wSielandd V. Briefe IM. 8
114
Ihm fchreiben, und Ihr kleines freunbdlichts
Geſchenk erhalten. Naͤchſtens recenſir' ich &
in unfree Zeitung. Ich umarme Sie, mein
unfchäßbarer Sreund, und ſchwoͤre Ahnen bey
Der heiligen Mufe, die Ihnen die beften Ihrer
Lieder eingeathmet hat, ewige unverbruͤchliche
Liebe.
CCXIV.
An Ebendenfelben.
Erfurt, den 20. Februar 1772
Liebenswuͤrdiger Vater Gleim, zu Ihnen
fliegen, um den Hals ihnen fallen und Sie
bersen und füffen möcht’ Ich für den vortreff⸗
lichen Brief, den ich dieſen Augenblick von
Ahnen erhalte, beſter Mann! Wie glüdlic
machen Sie mich durch die herzliche Sreude,
die Sie mir über meinen aus vollem Kerzen
gefloffenen Beyfall für Ihre Bauern s und
Gärtner s Lieder zeigen! Die Poſt gebt in einer
Viertelftunde ab; aber ich kann unmöglich bis
nächften Pofltag warten, Ihnen zu fagen, daß
fein Sterblicher Sie mehr lieben kann ale id. ı
Ich liebe und ehre Ihren Genius, der in fels
Are fo felten iſt als Platons oder Nam
119
8 In der ihrigen. Aber Ahr Herz und diefe -
ene Zufammenftimmung ihres Kopfes und
ces Herzens „ Dies ift was ih an Ihnen
e und liebe über alles was ich ausdruͤcken
n.
sch möchte ſelbſt ein Mädchen, und dag
e im ganzen Rande feyn, um Ahnen für
er ſchlafendes Mädchen einen füßen
B zu geben. Die Grazien würden den Arie
:h, der den Mund dagegen aufthun wollte,
:ch ein Paar junge Saunen mit Neffeln weg⸗
iben laffen. — Bon den drey neuen einges
alteten Strophen quaestionis ift die zweyte
)» dritte berrlich; aber die erfte, befter
im, wuͤrde einen dunklen Sieden auf die
1ebenftehenden werfen. Gie iſt nicht, mie
feyn fol; der Gedanfe ift nicht nett, nicht
pel, nicht anpaffend, mit Einem Wert,
bt gluͤcklich ausgedruͤkt. Die Muſe wird
nen ganz gewiß In einem günfligeren Aus
ıblick eine beffere eingeben.
Yegt, ehe Ich mich wieder von meinem Gleim
reißen muß, noch ein Paar Worte von
em Ruf nach Halle. Ein ſolcher Ruf würde
r in mehrfacher Betrachtung große Dienfie
ın. Aber ob ich ihn annehmen könnte, If
116
“eine andre Stage. Sch babe ſeit zwanzig as
ren mein Latein in fo weit vergeffen, Daß id
weder fertig noch gut Latelg ſchreibe. Ih
kann alfo feinen fogenannten Professor elo-
quentiae abgeben. Sch tauge zu nichts als zu
einem Profeffor der practifchen Philoſophie,
1. e. der Gittenlehre und des Naturrechts —
und den brauchen fie in Halle nicht. Wie
glücklich ich wäre, näher bey meinem Gleim
und Jacobi zu feyn, das ſagt Ihnen Ihr
eigenes Herz an meiner Statt. Wollte der
Himmel, daß e8 zu machen wäre. Etiam atque
etiam cura ut valeas! Das ift aD’ mein eo
tein, liebſter Gleim, ausgenommen daß id |
ihren Horaz und Birgil fo ziemlich verſtehe.
CCXV.
Un Ebendenfelben
Erfurt, den ıg. Mpril 177
Mit innigfier Liebe und waͤrmſter eief im
Herzen gefühlter Verehrung feines menfchens
lebenden Herzens und des wahren Senius
der in biefem Herzen feinen Thron bat, um
arme ih meinen Gleim, meinen ganz eige⸗
Gleim, für feine Lieder für. das Volk, fir
117?
Zärtnerlied, mein Favoritſtͤck, fuͤr
fragment worin wahrer deutſcher
athmet, und für fein allerliebſtes Brief⸗
in unſer Jacobi den Werth, den
Werth der einfaͤltig ſchoͤnen ungeſchmuͤck⸗
atur in dieſen Liedern nicht gefuͤhlt hat,
chlimmer fuͤr unſern Jacobi. Aber dafuͤr
uns auͤch weder ſeine beſte Welt, die
urchaus um einen Trugſchluß als um
chſe, herumdreht, noch ſein Ding an
rnſt, welchem man keinen Nahmen ges
nn, weil es ein Ding iſt wie dad Ho—
e Humano capiti cervicem pictor equi-
ungere si velit etc. einige ſchoͤne, etliche
» fchöne Strophen mit etlichen nons
califhen, und mit vielen froftigen
gt; das Ganze eine Olla potrida, in
hlimmften Geſchmack, der nun zuſe⸗
täglich überhand nimmt, und gu meinem
fen nicht nur Ihren Michaelis, der fos
nfern Jacobi angefteckt hat. Klopſtocks
worin entfeglihder Non - sense
len Blättern ift, tragen viel by.
Hagedorn! o Utz! mo feyd ihr! Was
: Ihr fagen, was fagt Ihr dieſen Augens
‘
118
blick gun den Zeiten, in die Gleim's Abb sl
und Wielands Mittag gefallen iſt!
Ihren Schweizer und feine fchöne Melufin
erwarr ich mit wahrem Vergnügen. — Auch
Diefer Zug freut mich inniglih! Ja, es if
nur ein Gleim In der Welt, rief ich; und
Gott laffe mich den Tag nicht fehen, wo id
fagen müßte: Auch Gleim war mein Freund!
Denn fein anderer Gleim koͤmmt nicht mehr.
Sie, mein Befter, find einer von ben Weni—
gen, welche mich zurüchalten, die Zeit, wos
ein ich lebe, anzupfuyen — Verzeihen Sie
das ehrlihe Schwaben s Wort — es fagt fo
eigentlich, was es fagen fol.
Ich bin froh, daß Michaelid nach Gießen
gebt, wiewohl er fchmerlih zum Profeſſor
taugt. Ach bin mit feinem zweyten Briefe
wenig zufrieden. Seine Briefe find feine Briefe,
fondern feltfame Rhapfodieen und im Ditbys
ramben s Ton. Je n’aime pas la confusion
des noms et des £tres. |
Daß Leßing Jhre Lieder ſchmeckt, freut
mich für Leßing. Er ift wirklich ein großer
Mann in meinen Augen, und th fchmachte
nach feiner Emilia Galotti.
Rledel it noch bier; Hofft aber bald nad
AV
0
|| — — — — — — —
119
n absugehn, to er große Augen machen
», fo viele Dinge zu fehen, wovon feis
Philoſophie nichts getraumt
te.
ie wollen mir, mein Beſter, von Berlin
fchreiben, daß ich doch den Ruf nach
e annehmen fol — und fein Menfch ruft.
! Welch ein Raͤthſel iſt das? — Wie gerne
t' ich noch recht viel mit meinem Gleim
atzen, aber der Bote geht ab. Tauſend Um⸗
ungen und zaͤrtliche Wuͤnſche aller Freude,
Guten zu Leib und Seele für meinen
m von Seinem W.
CCXVI.
An Ebendenfelben.
Erfurt, den 4. May 1772.
ieſe erſte Woche des Maymonaths iſt zu
fen beſtimmt. Ich Bin deren ſehr viele
ldig, aber mein Gleim, mein Liebenswürs
r befter Gleim, fol ben erfien haben , dieß
usgemacht. Ich Fann nicht genug ellen,
en für das Vergnügen zu danfen, fo mie
e Zufriedenheie mit dem goldenen Spiegel
ben hat, Mit welcher Sehnſucht erwarte
110
Gantafe die Ießte in ihrer Art ſeyn moͤchte.
Sch bitte unfern Gleim berslih um Verge—
bung; aber ic) kann nicht gegen das Gefühl
meiner Seele reden.
Bon der neuen Ausgabe meines Agathon
fchreibe ich Fhnen ein andermahl. — Sind Sie
zufrieden damit, daß unfer Bruder Frig In
die Dienfte eines Fürfien getreten iſt? Id
fehe nicht genug Elar in der Sache; aber ich
bin implicita fide mit allem zufrieden, wat
der vor£refflihe Mann thut, zwiſchen welchem
und meinem Georg das Herz euerd MWiclande
auf eine fo fonderbare Are getheile iſt, daf
ich nicht fagen Fann, welchen Ich am meiften
liebe, wiewohl ich empfinde, daß ich jeden
über alles andere In der Melt liebe.
Mit Sehnſucht ſeh Ich der Sammlung be
ſchoͤnſten Gefänge meines Georgs entgegen,
und mit wallendem Herzen wünfch ich. mich ir
dieſem Augenblick in die Arme des beſten un:
ter den GSterblichen! —
| 111
CCXIII.
„An 61 e im.
Erfurt, den 8. Hornung 1772.
Hier fommen Ihre Lieder zurück, mein vor—
trefflicher Freund, und mie Ihren Liedern der
zaͤrtlichſte Dank und der waͤrmſte Beyfall Ih⸗
res Wielands.
Ein Ariſtarch zur Unzeit iſt ſo gut ein Pe⸗
dant als irgend eine andere Art von Pedan⸗
ten. Favete linguis! werde Id dem Kunſtrich⸗
tervolfe zurufen, wenn id) meines Gleim's
Lieder für das Volf, carmina non prius
audita, dem Publico ankündigen werde. eileim
(werde ich fagen) fährt fort ale ein Achter
Prieſter der Mufen die Poeſie su Ihrer alteften
und vüßlichften Beſtimmung zurüczuführen.
Mit beftem Rechte fünnen wir von dem Volfe
fagen, was Nora; von der matura puella
marjto fagt: disceret unde preces, vatem
ni Musa dedisset? Ich beurthelle diefe Lieder
nicht als Kunftrichter, ja nicht einmahl als
Dichter: ic febe fie aus dem Gefi chtspunkt
an, aus welchem ſie Sokrates betrachtet
haben wuͤrde, und finde ſie vortrefflich. Dank
und Preiß ſey Ihnen, mein beſter Gleim, für
112
das wahre Berbienft, das Gie ſich da
um die nüßglichfte, unfchaldigfie, und an
nigften geachtete Claffe der Erdbewohner
chen. Sie haben fo gut ein coronam civ
Damit verdient, als wenn Gie einem 3
dag Leben gerettet hätten. Aber auch
Dichter finde Ich In der einfältigen Natur
ihrem ungefünftelten Ausdrud,. und in
ächten ländlichen Ton, deffen Sie fidh fo ;
lic) bemächtigt haben, etwas deflo mehr
mundernswurdiges, je leichter e8 mir
märe, eine Mufarlon, ald das leid:
Diefer Lieder zu machen. Sich fage alfo me
Gleim aus voller Bruft, daß ich mie ff
Liedern für das Volk zufrieden, und mit
reren befonders fehr zufrieden bin. —
Wahrheit, alle find vortrefflich in ihrer
und auch das Lied bes Hirten ift ein Di
wahrer einfältiger Erhabenheit. —
das Lied des Gartners! Wie, mein Ik
Gleim, wie werde ich Ihnen ausdruͤcken
nen, auf welchen Grad e8 mid in Entki
geſetzt hat? O vortrefflich,, vortrefflich !
ich, nach jeder neuen Strophe, und atl
ſchwerer vor Vergnügen. Ganz und gar, |
er Wort hat es Ahnen in einer der gli
5 113
fien Stunden Ihres Lebens die Tieblichffe der
Mufen eingegeben. Ich fann und will Ihnen
nicht8 mehr davon ſagen; aber umarmen, taus
ſendmahl umarmen möchte ich Sie dafür. Es
iſt ein vortreffliched Lied, und wenn die voll⸗
fommenften Meiſterſtuͤcke im Fache der einfäls
tig fhönen Natur gefammelt twerden, und alle -
Nationen das Ihrige beytragen follten, fo
würde Diefes Lied meines Gleims Darunter
feyn müffen, und feine Eprache würde was
Vollkommneres In diefer Art aufzuweiſen haben,
Daß ı6te und ırte find es in einer andern
Arts beyde, befönders das ı6te, hoͤchſt erbas
ben; die Gedanken und Empfindungen groß,
fo,groß als die Seele des Menfchen denfen
und empfinden, fann, der Ausdruck edler Eins
falt, von Winkelmanns hoͤchſter Grazie einges
geben. Daß aber die drey letzten Lieder eis
gentlich nicht zu den Liedern für Volk, fons
bern zu einer hoͤhern Klaffe gehören, babe Ich
nicht nöthig meinem Bleim zu fagen. |
Gerne wollte ich noch mit meinem Gleim
länger ſchwatzen, aber ich werde abgerufen.
Mit Verlangen fehe ich dem langen Briefe
enfgegen, den Sie mir verſprochen. Froriep
fol, fobald ich ihn fehe, lefen, was Sie von
Wielandd B. Briefe IH. $
114°
Ihm fchreiben, und Ihr kleines freund!
Geſchenk erhalten. Naͤchſtens recenſir' fc
in unſrer Zeitung. Sch umarme Sie, ı
unfchäßbarer Zreund, und ſchwoͤre Ihnen
der heiligen Mufe, die Ihnen die beften °
Lieder eingeathmet hat, ewige unverbruͤch
Liebe.
\ CCXIV.
An Ebendenfelben.
Erfurt, den 20. Februar ı
Liebenswuͤrdiger Vater Gleim, zu St
fliegen, um ben Hals Ahnen fallen und
bersen und füffen möcht ich für den vort
lichen Brief, den ich diefen Augenblick
Ahnen erhalte, beſter Mann! Wie glüd
machen Sie mich durch die herzliche Frei
die Sie mir über meinen aus vollem Her
gefloffenen Beyfall für Hure Bauern s
Gärtner s Lieder zeigen! Die Poſt gebt in ei
Biertelftunde ab; aber ich fann unmöglich
nächften Pofttag warten, Ihnen zu fagen, i
fein Sterblicher Sie mehr lieben kann ale
Ach liebe und ehre Ihren Genius, der in
e Are fo felten if als Platond oder N
119
tons In der ihrigen. Uber Ahr Herg und diefe -
feltene Zufammenftimmung Ihres Kopfes und
Ihres Herzens „ dies iſt was ih an Ahnen '
ehre und liebe über alles was ich ausdruͤcken
fann. |
Sch möchte felbft ein Mädchen, und das
beite im ganzen Rande feyn, um Ahnen für
hr ſchlafendes Mädchen einen füßen
Kuß zu geben. Die Grazien würden den Aris
flarch , der. den Mund dagegen aufthun wollte,
durch ein Paar junge Saunen mie Neffeln weg⸗
treiben laſſen. — Bon den drey neuen einges
fchalteten Strophen quaestionis ift die zwepte ..
und dritte herrlich; aber die erfte, befter
Gleim, würde einen dunklen Sieden auf die
Danebenftehenden werfen. Sie iſt nicht, mie
fie feyn fol; der Gedanke iſt nicht nett, nicht‘
fimpel, nicht anpaffend, mit Einem Wort,
nicht glücklich auggedrüdt. Die Mufe wird
ihnen ganz gewiß In einem gäünfligeren Aus
genblick eine beffere eingeben.
Jetzt, ehe ich mich wieder von meinem Gleim
losreißen muß, noch ein Paar Worte von
einem Ruf nach Halle. Ein ſolcher Ruf wuͤrde
mir in mehrfacher Betrachtung große Dienſte
thun. Aber ob ich ihn annehmen koͤnnte, iſt
118
blick gu den Zelten, in bie Gleim's Abend
und Wielands Mittag gefallen ift!
Ihren Schweiger und feine fchöne Meluſine
erware ich mit wahrem Vergnügen. — Auch
Diefer Zug freut mich Inniglih! Sa, 8 if
nur ein Gleim In der Welt, rief ich; und
Gott laffe mich den Tag nicht ſehen, wo Id
fagen müßte: Auch Gleim war mein Freund!
Denn fein anderer Gleim koͤmmt nicht mehr.
Sie, mein Beſter, find einer von den Wenis
gen, welche mich zurückhalten, die Zeit, wos
rin ich lebe, anzupfuyen — Berzelben Sie
das ehrlihe Schwaben sWort — es fagt fo
eigentlich, was es fagen foll,
Ich bin froh, daB Michaelid nach Gießen
geht, wiewohl er fchwerlih zum Profeſſor
taugt. Ich bin mit feinem zweyten “Briefe
wenig zufrieden. Seine Briefe find keine Briefe,
fondern feltfame Rhapfodieen und im Dithy⸗
ramben s Zon. Je n’aime pas la confusion
. des noms et des &tres.
Daß Leßing Ahre Lieder ſchmeckt, freut
mich für Leßing. Er ift wirklich ein großer
Mann in meinen Augen, und ich fchmadıte
nach feiner Emilia Galotti.
Rledel iſt noch) bier; Hoffe aber bald nad
119
a abzugehn, to er große Augen machen
‚ fo viele Dinge zu feben, wovon feis
Philoſophie nichts getraumt
fe
ie wollen mir, mein Beſter, von Berlin
fchreiben, daß ich doch den Ruf nach
e annehmen fol — und fein Menfch ruft.
!ı Welch) ein Raͤthſel iſt dag? — Wie gerne
? ich noch recht viel mit meinem Gleim
aßen, aber der Bote geht ab. TZaufend Um⸗
angen und zärtliche Wünfche aller Freude,
Guten zu Leib und Seele für meinen
m von Seinem W.
CCXVI.
An Ebendenfelben.
Erfurt, den 4. May 1772.
iefe erfte Woche des Maymonaths iſt zu
fen beflimmt. Sch bin deren fehr viele
dig, aber mein Gleim, mein liebenswuͤr⸗
e befter Gleim, fol den erfien haben , dieß
usgemacht. Ich Fann nicht genug ellen,
en für das Vergnügen gu danfen, fo mir
: Zufriedenheit mit dem goldenen Spiegel
ben bat. Mit welcher Schnfucht erwarte
120
ich Ihre Eleder für die Kinder der Natur! Sie
erinnern fich Doch bey dief:n Kindern der Rus
tur meiner vielgeliebten Suline oder Fow⸗
leys in Africa, und der guten Einwohner ber
Inſel Taiti, von denen ung der Ritter Bow
gainville ein fo angiehendes Gemälde macht?
Es ift ein füßer Gedanfe, daß es Doch wirklich
noch hier und da folche Kinder der Natur auf
Dem Erdboden gibt. Aber unfere armen iu
Boden gedruckten, bungerficcbenden Landleute
zu folhen umzuſchaffen, — nun daran iſt wohl
nicht zu denfen. Aber es gibt doch auch es
nen glüclichen Theil unter unferm Landoolfe,
der des Lebens froh zu werden fähig iſt, der in
dem glücdlichen Mittelftand zwiſchen Dürftigs
feit und Ueberfluß gerade in derjenigen Vers
faffung flieht, worin der Menſch die meife
Dispofition hat, gut und froh zu feyn. Sins
det mein Gleim, daß diefe Slaffe unfrer Brüs
ber durch die Geſchichte der Kinder der
Natur erbaut werden Fönnte, fo gebe ih
meine Einwilligung von Herzen Dazu. Nur
müßte freylich dieſe Gefchichte ganz umgefchmols
sen, und ales den Begriffen und de
Sprache unferes Landvolks angepaßt wer⸗
den; denn leider! fo wie fie in meinem Buche
\
\
121
ſteht, wuͤrde ſie den guten Leuten weder vers
ſtaͤndlich noch erbaulich ſeyn. |
Leßings Emilia Galotti, die ih in
Weimar zuerfi in die Hände befam, hat mir
fo außerordentlidy wohl gefallen, daß Ich Ihm
auf der Stelle eine Art Yuldigungs: Brief
fhrieb; den erfien, den ich in meinem Leben
an diefen großen Mann gefchrieben habe. Ih
bin begierig zu fehen, wie er ihn aufgenoms
men bat.
Ihre Toleranz gegen die neueften Verderber
Des Nationalgeſchmacks und gegen die Dichs
terlinge, Fann ih nicht ganz gut heißen
und nicht ganz mißbilligen. Der liebe
Friede iſt freylich eine edle Sache, und diefe
poetifchen Infecten find Wefpen, genus
irritabile. Allein auf der andern Seite bes
günftiget zu viel Nachfiht ihre Vermeh⸗
rung und ihren Uebermuth. Warum föns
nen wir doch unfern Liscov nit von ben
Todten auferwecen? Einen Liscov hätten uns
fere Zeiten vonnöthen. Indeſſen fünnen wir
andern, die den Frieden lieben, dennoch vfel
beytragen, dem Fortgang des poctifchen Uns
finng zu fleuern, ohne daß wir eben nöchig
haben, die Wefpen und Horniffen wider ung
122
zu empören, Nicht alles loben, nicht ı# |,
febr Toben, Faltfinnig loben ober gar |:
nichts fagen, iſt ein Mittelmeg, ben und
Niemand verargen kann. Denn alle wohl |
überligt, mein befter Gleim, fo find wir doch
am Ende der Göttin Wahrheit, und ben Mu—
fen und Grazien, welche feine Hlengefpinfte,
fondern fehr reelle Gottheiten find, zum we
nigſten eben fo viel fchuldig als und felbf.
Es iſt nichts gleichgultiged, ob eine Nation
einen guten oder einen verdorbenen Geſchmack
bat, und ein Patriot, ein Menfchenfreund,
fann, ohne feinen Charakter zu vergeffen,
ohnmöglich gleichgültig zufehen, wenn gemwifle’
Leute de cul et de téête (wie die politen Frans
zofen fagen,) daran arbelten, die Nation von
der fchönen Natur, der edeln Einfalt, bem
ächten Erhabenen,, dem Intereſſanten und Nüßs
lichen abzuführen, um fie in die Region der
Meteore zu verfeßen, und von ba in die fums
pfihten Marfchländer des Bathos berabzuflürs
zen, In welchen unfre Poeſie in kurzem verfins
fen wird, wenn einige der beften Köpfe ſelbſt
fortfahren ſollten, falfche Töne anzugeben.
Die beyden leuten Theile des goldnen Spies
123
gels follen Sie von mir befommen, liebfter
BSleim, fobald ich fie felbft habe.
Und nun erlauben Sie mir doch auch, Ihnen
ein Paar Worte von meinem Agathon zu fas
gen. ch kann mir nicht vorfiellen, daß zu
Halberſtadt, Magdeburg, Halle, ders
Lin, Königsberg und den übrigen preußls
ſchen Städten feine Liebhaber feyn follten,
welche auf meinen Agathon zu pränumeriren
Luft hätten. Aber mir fehle es in allen diefen
Orten an Bekanntſchaft. Wollten Sie nicht
die Freundfchaft für mich haben, und mir
entweder Diejenigen von ihren Freunden,
denen Sie Eifer genug zutrauen, und an die
ich) mich menden könnte, zu nennen; da Id)
mich einmahl entfchloffen habe, uber den Rus
bicon zu geben, fo liegt mir nun alles Daran,
daß ich einen ſolchen Schritt nicht vergebens
oder um eines fchnöden Gewinnes willen ges
than haben möge. Eine Menge durchlaucdys.
tiger Nahmen werden in meiner Pranume
rantens Lifte glaͤnzen, aber was helfen mie |
- elihe Dugend durchlauchtigſte Louis⸗
dD’or? Die Menge muß es austragen. Wie \
müfen an allen Orten und Enden Werber
Daben, welche die Sache mit einigem Eifer
124
betreiben. Meine Freunde muffen das Bahr
thun; denn ich ſelbſt Habe wenig Connexlonen.
Sch habe den grögeften Theil meines Lebens
in der Schweiz und in Schwaben zugebradt, |
und bin in Der » und Nieder s Sachfen ein
fahrer Fremdling. Daß ich auch einige Drins
zen aus dem Brandenburgifchen Haufe in meis
ner Lifte ſehen möchte, fönnen Sie leicht den⸗
fen. Man bat mir Hoffnung auf die Königin
von England, ja ſogar auf die Ruffifche Kals
ferin gemacht. Ich bin gewiß, daß meine
Pranumerationg s &.fte die brilantefte würde,
die virlleicht jemahlgs gefehen worden iſt, wenn
ich nur aller Orten Eollecteurs hätte, welche
fih die Sache fo angelegen feyn ließen tie
unfer Sacobi, wie Hompeſch, mie Graf
Goͤrz zu Weimar u. a.
Sch würde Ihnen ein Ding fagen, das
nicht ift, wenn ich Ihnen fagte, daß ein Ruf
nach Halle mir angenehm wäre. Ich bin gar
niche zum Univerjitäte ;Profeffor gemacht, und
mwünfche je balder je lieber von dieſer Ruder—
bank befreyt zu werden. Wiſſen Sie, was
das Klügfte wäre? Mein Agcethon ſollte mir
fo viel eintragen, daß Ich in Sofratifcher Mits
“Aßigkelt, weder arm noch reich, aber In
125
Muße leben fönnte; dann mollte Ich in die
Nachbarfchaft meines Gleims ziehen, und den
Reſt meines Lebens mit Ihm und feinen Freun?
den verleben, der Philofophie, den Huldgoͤt⸗
tinnen, der Sreundfchaft und mir felbft leben,
und der glüclichfie Sterbliche ſeyn. Schöner
Traum, warum können wir dich nicht wahr
machen ! |
Zaufendmahl umarme ich meinen Steim,
ben Menfchenfreund, den Weifen und Guten, |
den Liebling der Natur, ben Prieſter der
Grazien, den Einzigen der noch aus meiner |
beffeen Zeit übrig geblieben ift, und den ich
fo ehre und liebe wie ihn fein andrer ehren '
und lieben kann. Wenn Sie nah Berlin
fommen, fo grüßen Sie mie unfern Platon
Mofes, und den n vortrefflichen Ramler. Mit
Sulzern bin ich nicht zufrieden, Die Natur
bat ihm verfagt, was fie meinem Sterne,
meinem Gleim, meinen Brüdern Jacobi
und mir felbft fo reichlich ‚verliehen - bat:
Wärme und ‚Gefühl, Wie follten wir den
Mann lieben können, der fo wenig mit und
fompathifire?
126
CCXVII.
An Ebendenſelben.
Erfurt, deu 14. Map 177ꝛ.
Taufend Dank, befter Gleim, für den Hym
uns auf Noel den Küchenmeifter. Ach bin,
wiewohl Sie e8 verbergen wollen, geneigt zu
glauben, daß Sie filbfi der Paraphraſt Sr.
Coinefifhen Majeftät find. Wohl recht battt
Voltaire, da er in feiner Epitre a P’Empereur
de la Chine fagte:
Vos vers seront toujours tres bons dans
voire empire.
Nicht als ob die an den Seigneur Noel eben
fo gar fehr Kaiferlih oder Koͤniglich
twären; aber dennoch muß ich Ahnen geftehen,
daß mir die Paraphrafe, von wem fie aud
feyn mag, menigftens in vielen Stellen liebe
ift ald das Driginal.
gaffen Sie fich umarmen, mein befter Gleim,
für den Eifer, den Sie für meinen Agathon
zeigen.
Ihr Project, mein unfchäßbarer Freund,
Ihr Project ung und unfere Freunde von den
Buchhandlern unabhangig zu machen, muß
ausgeführt werden Zrig Jacobi iß
127
er Mann dazu. Er bat das Feuer meins
zleims, er bat feinen Eifer für alles mag gut
ſt, und ift noch jung. Ich meines Orts will
es mögliche dag beytragen. — Mehr fann
ch nicht fagen, wenn ich die Poſt nicht. vers
aͤumen mil. Alfo Gluͤck und gutes Wetter,
uten Weg und gute Pferde, gute Poſtillions,
ute Wirthshaͤuſer und gute Geſellſchaft auf
er Reife, und kaufend herzliche Umarmungen,
nein liebſter, beſter, wuͤrdigſter Freund, von
jhrem W.
CCXVIII.
An Jakobi.
Weimar, den 23. November 1772.
Liebſter Jacobi! — Ich habe Ihnen lange,
ange nicht geſchrieben, aber ich habe nie kei⸗
ven Augenblick aufgehört, Sie zu lieben, und
Ihr vedlicher, brüderlichee Freund zu feyn.
Die Veränderung in meinen Umfländen twifs
fen Ste. Ich beforge, daß ich dadurch In einen
Drean geworfen worden bin, aus dem ich
mich vieleicht mein Lebetage nicht wieder her⸗
ausfinde. Aber in meinem Herzen IfE nichts
verändert. Dee Plag darin, der Ihnen und
128
unſerm liebenswurdigen Vater Gleim zu
hört, ift Heilig; die Mufen und die Gras
fiehen um die Bilder meiner Freunde ber, u
die Liche der Tugend ſchwebt über ihnen.
Kiffen Sie auch, befter Jacobi, Daß
lange iſt, feit Sie mich nichtd mehr von |
und Ihren Befihäftigungen und Freuden tr
fen laffen ?
Von mir iſt das Neueſte, daß ich nächfte
mit einem Singſpiel in fünf Caber gang fi
nen) Aufsügen, Alcefte genannt, hervortre
mwerde. Beygehende Aurora Cein bloß unf
Hof, wie Sie fehen, interefiirendes Beleg
heitsſtuͤck) iſt der Vorlaͤufer davon geweſ
Herr Schweizer, der Ihr Elyſium und Ihr
Apollo unter den Hirten, ſo vortrefflich co
ponirt hat, iſt der Mann, ber mich in d
Saumel des Enthufiasmus für das lyriſt
Theater bingezerrt hat. Man Fann fih nid
Scöneres vorftielen, als feine Compoſiti
von der Aurora.
Umarmen Sie unfen Gleim in mein
Nahmen. Mich verlange fihr, mieder 9
Ihnen und Ihm zu hören, daß Ste wohl fin
daß Sie mich noch lieben, und daß Sie nlı
imfelig im Dienſt der Gottinnen find,
‘ 129
ren Prieſtern wir und unter einem Volke,
(8 nicht an ihre. Gottheit glaubt, aufgewore—
n haben. | |
Leben Sie wohl — liebſter Canonicus! und
roßen Sie ja nicht. länger mit Ihrem Brus
r und Sreund. a
N. S. Die ehemahlige Madam Henfel iſt
ın, als Madame GSeilerin, wieder an der
pitze unfrer biefigen Schaufpielerinnen, quod
lıx faustumque sit. — In Wien, wo daß
ngeheuer, Stephantes Macbeth Beyfall
halten hat, mußte man aus diefer großen
chaufpielerin nichts befferd zu machen, als
se Frau Salome. Und daß follten bie
ute feyn -
cum queis dii nocte loquantur? —
CCXIX.
An Herrn Hofrath Meuſel.
Weimar, den g. Jenner 1773:
Zaufend Danf für Ihre angenehme Zufchrift,
r Ihre Bemühungen zu Gunften des Deuts
ven Merkurs, und fur Ihre Zeitungen.
Morgen Abends werde Ich Gelegenheit has
n Ihre Intercessionales an Serenissimamı
Wielandd Briefe III. D. 9
130
nostram gelangen gu laffen. Dein guter 9
fiebe jedem, der mir von Ahnen empfe
wird, zu Dienſte; aber was iſt guter S
ohne Einfluß? Indeſſen werde ich nicht u
laffen, Ihre Ehriftliche Liebe für den ehrli
Israeliten Jeremias mit aler dee Mein
zu verfiärfen. So viel ich aber von der €
begreife, ift fie ein Nechtshandel, und ich
alfo nicht, waß der Weg der Gnade Dd
beifen fann. Es wird gefhehen was 9
ift, wird man mir antworten, und ich n
verfiummen; zumahl da in der That die
Herzogin dag ganze Jahr duch fo oft
viel um Gnaden, mwobey man in den €
greifen muß, angefchrien wird, Daß fie
Einfünfte des Mogols haben müßte, weni
Jedermann erhoͤren wollte.
Unſern Freund Schmidt zu Gießen w
ich ſelbſt ſchriftlich anlangen, wenn ich ı
ſeine und meine Zeit ſchonte. Quod
potest per pauca etc. Verſichern Sie
meiner ganzen Ergebenheit und meiner D
barkeit für feine Geneigtheit in meinem $
fur zu arbeiten. Nur bitte ich, daß er '
Mitarbeiterfchaft (wenigſtens dag .erfle |
durch) ein vollkommnes Geheimniß unter
131
dreyen ſeyn laffe. Bücher von Anno 72 fünnen
noch recenfirt werden. Mit Recenfionen von
Gedichten uud Schauſpielen werde ich
unſern Freund nicht behelligen. Hingegen fols
len mir Recenſionen von Lindners,
Buͤſchings, Hurds, Mauvillons von
Ihnen benannten Werfen, it. von Sophis
ens Reife ꝛc. wilfommen feyn. Ich erfuche
den lieben Mann, uns aus dem beften
Saffe einzufchenfenz; und. weil er ſelbſt eine
unleferliche Hand ſchreibt, feine. Stüde huͤbſch
copiert und unfranfirt an mich einzufchie
chen, weil ich pofifrey bin, Das Honorarium _
ſoll fo ehrenfeft feyn, daB es auch den -Eopis
ſtenlohn tragen fol. Sch kann noch nichte
gewiſſes verfprechen; aber Sie kennen mid,
und dieß iſt genug. Empfehlen Sie dem Freunde
Schmidt, daß er ſoviel moͤglich ſeine Ma⸗
nier verbergen, und diejenigen, die er, in
eigner Perſon, laugen wuͤrde, im Merkur
nur mit feiner leichter Plaiſanterie
abfertigen ſoll. Ich moͤchte gerne gruͤndliche
Critik, aber nicht ſchwerfaͤllig; ſcharf, aber
nicht zu beißend; lebhaft aber decentz kurz,
reifes Urtheil und guten Ton. Herr
Schmidt kann ſeyn was er will. Er hat ein
132
treffliches Genie, Geſchmack, Feinheit, w
eine Menge Kenntniffe. Sch mänfchte wi
von feiner Hand ein recht fein ausgearbeitet
eritifches Sendfchreiben über das derm
lige Bardenslinwefen, wenn er anders d
Unmefen für eben fo abgeſchmackt und fd)
lich Hält als ich, Kretfhmann und Dei
niöchte ich wohl gefchont, aber doch ni
ganz leer ausgehen fehen. Bende Fünnten 9
tionaldichter feyn, wenn Sie wollten.
wen aber fchreiben diefe Leute jetzt ? Wer li
fie? Fingal war ein göttlicher Mann; a
wer den Bardenton im Jahr 1773 anftim
naviget anticyram! Für unfer Zeitalter fin,
diefe Herren nicht, dieß iſt Harz für t
alfo? Für die Nachlommen? — ih dä
doch nicht, daß wir ung große Hoffnung
machen bäffen, unfre Enfel in Picten, \
ten, Cherusker u.f. f. verwandelt gu feben
Communiciren Sie dieß Geſchreibſel, w
Sie wollen, unſerm Freunde, aber unter
abſoluten Bedingung, daß er es fogleich ı
brenne. Klotzens Briefe find ein abſcheulit
Erempel zur Warnung! Ich kann Feine Br
fchreiben,, welche jemahls gedruckt zu wer
verdienten; und man kann heut zu Tage u
133
orficht genug gegen Gewinnſucht und
uthwillen gebrauchen.
Leben Sie wohl, liebſter Menfel, und bleis
n mein Freund. Ich umarme Sie und un;
en Springer, und bin unveränderlich der
jrige. | |
P. Ss Mit unferd Reg. Rath Hermanns
treuen Köhlern ift Herr Schmid in feis
m Almanach (wo fonft die mehrfien Necens
‚nen meinen völligen Beyfall haben) nicht
illig und freundlich genug. umgegangen.
ch wuͤnſchte, daß er, pro redemtione anim&
ı eine nicht meltläufige,, aber doch beffer in
je Merita diefes Stuͤcks eingehende Necenfion
won für das Erſte Stüd des Merkurs machte.
a8 Ding iſt in felnee Art wirklich gut;
fallt immer beffer, je öfter mans aufführen .
eht, intereffire fehe durch den Charakter
es alten Trillers und feiner Familie, und
uch die rührenden. Lehren, welche im Vor⸗
eygehen den Prinzen gegeben werden. Frey⸗
ch iſt fein groͤßeſter Werth local, und es ge⸗
innt auch viel Dadurch, mell es hier fehr gut
efpiele wird. Uber welche fogenannte Ope⸗
ette verliere nicht durchs Lefen? Auch Ders
124
betreiben. Meine Freunde muffen das Beſte
tbun; denn ich felbft habe wenig Connexionen.
Sch habe den grögeften Theil meines Lebens
in der Schweiz und in Schwaben zugebracht,
und bin in Ober⸗- und Nieder s Sachfen ein
wahrer Sremdling. Daß ich auch einige Prins
zen aus dem Brandeuburgifchen Haufe in meis
ner Lifte ſehen möchte, können Sie Teiche den⸗
fen. Man bat mir Hoffnung auf die Königin
von England, ja fogar auf die Ruffifche Kals
ferin gemacht. Ich bin gewiß, daß meine
Pranumerationg s &.fte die brillantefte würde,
die vielleicht jemahls gefehen worden iff, wenn
ih nur aller Orten Collecteurs hätte, welche
fih die Sache fo angelegen feyn ließen mie
unfer Jacobi, wie Hompeſch, wie Graf
Goͤrz zu Weimar u. a.
Sch würde Ihnen ein Ding fagen, das
nicht ift, wenn ich Ihnen fagte, daß ein Ruf
nach Halle mir angenehm wäre. Ich bin gar
nicht zum Univerfitäts sProfeffor gemacht, und
wünfche je balder je licher von diefer Ruder—⸗
banf befreyt zu werden. Wiſſen Sie, was
das Klügfte wäre? Mein Agathon follte mie
fo viel eintragen, daß ich in Sofratifcher Mit
telmaßigfeit, weder arm noch reich, aber in
125
uße Ieben koͤnnte; dann wollte Ich in die
ichbarfchaft meines Gleims ziehen, und ben
‚ft meines Lebens mie Ihm und feinen Sreun?
n verleben, der Philofophie, den Huldgoͤt⸗
nen, der Freundfchaft und mir felbft leben,
d der glüdlichfie Sterblihe feyn. Schöner
aum, warum fönnen wir dich nicht wahr
ıchen !
Faufendmahl umarme ich meinen Gleim,
n Menſchenfreund, den Weiſen und Guten,
n Liebling der Natur, den Prieſter der
caglen, den Einzgigen der noch aus meiner
ffern Zelt übrig geblieben If, und den Id)
ehre und Liebe wie ihn Fein andrer ehren
id lieben kann. Wenn Gie nad) Berlin
mmen, fo grüßen Ste mie unfern Platon
oſes, und den vortrefflihen Ramler. Mit
ulzern bin: ich‘ nicht zufrieden. Die Natur
t ihm verfagt, was fie meinem Sterne,
einem Gleim, meinen Brüdern Jacobi
id mir feLbft fo reichlich verliehen - hat:
zaͤrme und ‚Gefühl. Wie folten wir den
'ann lieben Eönnen, der fo wenig mit uns
mpatbifire? -
a
.. —-
126
CCXVII.
An Ebendenſelben.
Erfurt, deu 14. Map 177%
Taufend Dank, befter Gleim, für den Hym
uns auf Noel den Küchenmeifter. Ich bin,
wiewohl Sie e8 verbergen wollen, geneigt zu
glauben, daß Sie filbfi der Paraphraſt Sr.
Chineſiſchen Majeftät find. Wohl recht hatte
Voltaire, da er in feiner Epitre a P’Empereur
de la Chine fagte:
Vos vers seront toujours tres bons dans
voire empire.
Nicht als ob die an den Seigneur Noel eben
fo gar fehr Kaiferlih oder Köntglid
wären; aber dennoch muß ich Ihnen geftehen,
daß mir die Paraphrafe, von wen fie aud)
ſeyn mag, menigftens in vielen Stellen lieber
ift ale das Original.
gaffen Ste fih umarmen, mein befter Gleim,
für den Eifer, den Sie für meinen Agathon
zeigen.
Ihr Project, mein unſchaͤtzbarer Freund,
Ihr Mroject ung und unfere Freunde von den
Buchhandlern unabhangig zu machen, muß
isgeführt werden. Zrig Jacobi Ü
127
r Mann dazu. Er bat das Teuer meine
leims, er bat feinen Eifer für alle mag gut
‚und iſt noch jung. Ich meines Ders will
les mögliche dazu beytragen. — Mehr fann
h nicht fagen, wenn ich die Poſt nicht vers
umen will. Alfo Gluͤck und guted Wetter,
sten Weg und gute Pferde, gute Poſtillions,
ste Wirthshaͤuſer und gute Gefelfchaft auf
r Reife, und tauſend herzliche Umarmungen,
ein liebfter, befter, mwürdigfter Freund, von
hrem W.
CCXVIII.
An Jakohbi.
Weimar, den 23. November 1772.
Liebſter Jacobi! — Ich habe Ihnen lange,
nge nicht geſchrieben, aber ich habe nie kei⸗
en Augenblick aufgehört, Sie zu lieben, und
he redlicher, bruderlichee Freund zu feyn.
)ie Veränderung In meinen Umftänden wiſ⸗
n Sie. Ich beforge, daß ich dadurch in einen
)cean geworfen worden bin, aus dem ich
rich vieleicht mein Lebetage nicht wieder hers
usfinde. Uber in meinem Herzen iſt nichts
erändert, Der Plag darin, der Ihnen und
128
unferm liebenswüurdigen Vater Gleim zu
hört, iſt heilig; die Mufen und bie Grajin
fteben um die Bilder meiner Freunde ber, m
die Liche der Tugend ſchwebt über ihnen.
Wiſſen Sie auch, befter Jacobi, daß ı
lange ift, feit Sie mich nichts mehr von fi
und Ihren Beſchaͤftigungen und Freuden wi
ſen laſſen?
Von mir iſt das Neueſte, daß ich naͤchſter
mit einem Singſpiel in fuͤnf (aber ganz kle
nen) Aufzuͤgen, Alceſte genannt, hervortret
werde. Beygehende Aurora (ein bloß unfe
Hof, wie Sie fehen, Interefiirendes Gelege
heitsſtuͤck) ift der Vorläufer. davon gemefe
Herr Schweizer, der Ihr Elyſium und Zhre
polo unter den Hirten, fo vortrefflich con
ponirt hat, iſt der Mann, der mich In de
Taumel des Enthufiasmug für das Iyrifd
Theater Hingezerrt bat. Man Fann fih nicht
Schoͤneres vorfiehen, als feine Compoſitio
von der Aurora.
Umarmen Sie unfen Gleim in melne
Nahmen. Mich verlangt ſehr, wieder vo
Ihnen und Ihm zu hören, daß Ste wohl fin!
daß Sie mich noch lieben, und daß Sie nid
faumfelig im Dienft der Göttinnen find, 4
‘ 129
en Vrieflern mir uns unter einem Volke,
3 nicht an Ihre. Gottheit glaubt, aufgewore
ı baben. |
Reben Sie wohl — liebſter Canonicus! und
oßen Sie ja nicht. langer mit Ihrem Brus
und Sreund. N
N. S. Die ehemahlige Madam Henfel iſt
n, als Madame Seilerin, wieder an bee
zitze unſrer hieſigen Schauſpielerinnen, quod
ix faustumque sit. — In Wien, wo das
igeheuer, Stephantes Macbeth Beyfall
alten bat, wußte man aus biefer großen
baufplelerin nichts beffers zu machen, als
e Frau Salome. Und daß follten bie
ıte feyn - Ä
cum queis dii nocte loquantur? —
CCXIX.
An Herrn Hofrath Meuſel.
Weimar, den g. Jenner 1773:
Tauſend Dank für Ihre angenehme Zufchrift,
Ihre Bemühungen zu Gunften des deuts
en Merkurs, und für Ihre Zeitungen.
Morgen Abends merde ich Gelegenheit has
Ihre Intercessionales an Serenissimam
Birlands Briefe UL. M. - 9
120
ich Ihre Lieder für die Kinder der Natur! Sie
erinnern fich doch ‚bey dief:n Kindern der Ras
tur meiner vielgeliebten Fuline oder Fow⸗
leys in Africa, und ber guten Einwohner de
Inſel Salti, von denen ung der Ritter Bow
gainville ein fo anziehendes Gemälde macht?
Es ift ein füßer Gedanke, daß es Doch wirklich
noch hier und da folche Kinder der Natur auf
Dem Erdboden gibt. Aber unfere armen iu
Boden gedrückten, bungerfterbenden Landleute
zu folchen umzufchaffen, — nun daran iſt wohl
nicht zn denfen. Ab:r es gibt doch auch eis
nen glücklichen Theil unter unferm Landoolfe,
der des Lebens froh zu werden fähig iſt, der in
dem glüdlichen Mittelftand zwifchen Dürftigs
feit und Ueberfluß gerade in derjenigen Vers
faffung fleht, worin der Menfch die meifte
Dispofition bat, gut und froh zu ſeyn. Sins
det mein Gleim, daß dieſe Claffe unfrer Brüs
der durch die Geſchichte der Kinder der
Natur erbaut werden könnte, fo gebe ich
meine Einwilligung von Herzen dazu. Nur
müßte freylich dieſe Sefchichte ganz umgefchmols
zen, und alles den Begriffen und de
Sprache unferes Landvolks angepaßt wers
den; denn leider! fo mie fie in meinens Buche
\
ſteht, wuͤrde fie den guten Leuten Meder vers
ſtaͤndlich noch erbaulich feyn.
Leßings Emilia Galotti, die ih in
Weimar zuerfi in die Hände befam, hat mir
fo außerordentlich wohl gefallen, daß ich ihm
auf der Stelle eine Art Yuldigungs: Brief
fchrieb; den erfien, den ich In meinem Leben
an dieſen großen Mann gefchrieben habe. Ach
bin begierig zu ſehen, wie er ihn aufgenoms
men bat.
Ihre Toleranz gegen die neueften Verderber
Des Nationalgeſchmacks und gegen die Dichs
terlinge, Fann ih nicht ganz gut beißen
und nit ganz mißbilligen. Der liebe
‚Grigde iſt freylich eine-edle Sache, und diefe
poetifchen Infecten find Wefpen, genus
irritabile. Allein auf der andern Seite bes
günftiget zu viel Nahfiht ihre Vermeh⸗
rung und ihren Uebermuth. Warum föns
nen wir doc) unfern Ligcoo nicht von dem
Todten auferweden? Einen Liscov hätten uns
fere Zeiten vonnöthen. Indeſſen können wir
andern, die den Frieden lieben, dennoch vfel
beytragen, dem Fortgang des poetifhen Uns
finns zu feuern,’ ohne daß wir eben nöthig
haben, die Welpen und Horniſſen wider ung
121
124
betreiben. Meine Freunde müffen das Bee
thun; denn ich felbft Habe wenig Connexionen.
Sch babe den grösgeften Theil meines Lebens
in der Schweiz und in Schwaben zugebradt,
und bin in Dber » und Nieder s Sachfen ein
wahrer Fremdling. Daß ich auch einige Prins
zen aus dem Brandenburgifchen Haufe in meis
ner Lifte ſehen möchte, koͤnnen Sie leicht dens
fen. Man bat mir Hoffnung auf die Königin
von England, ja fogar auf bie Ruffifche Kals
ferin gemacht, Ich bin gewiß, daß meine
- Pranumerationg s L.fte die brillantefte würde,
die virlleicht jemahlgs gefehen worden tft, wenn
ich nur aller Orten Collecteurs hätte, welche
fih die Sache fo angelegen feyn ließen wie
unfer Jacobi, wie Hompefch, wie Graf
Goͤrz zu Weimar u. a.
Sch würde Ihnen ein Ding fagen, das
nicht ift, wenn ich Ihnen fagte, daß ein Ruf
nach Halle mir angenehm wäre. Ich bin gar
nicht zum Univerfitätg s Profeffor gemacht, und
wünfche je balder je licher von diefer Ruder
bank befreyt zu werden. Wiffen Sie, maß
dag Klügfte wäre? Mein Agethon fohte mir
fo viel eintragen, daß Ich in Sofratifcher Mits
telmaßigfeit, weder arm noch reich, aber in
125
Muße Ieben koͤnnte; dann wollte ich in die
Nachbarſchaft meines Gleims ziehen, und den
Reſt meines Lebens mit Ihm und feinen Freun’
den verlieben, der Philofophie, den Huldgoͤt⸗
tinnen, der Sreundfchaft und mir felbft leben,
und der glüdlichfie Sterbliche feyn. Schöner
Traum, warum fönnen wir dich nicht wahr
machen !
Zaufendmahl umarme . ich meinen Gleim,
den Menſchenfreund, den Weiſen und Guten,
den Liebling der Natur, den Prieſter der
Grazien, den Einzigen der noch aus meiner
beſſern Zeit uͤbrig geblieben iſt, und den ich
ſo ehre und liebe wie ihn kein andrer ehren
und lieben kann. Wenn Sie nach Berlin
kommen, ſo gruͤßen Sie mir unſern Platon
Moſes, und den dortrefflichen Ramler. Mit
Sulzern bin ich nicht zufrieden. Die Natur
bat ihm verfagt, was fie meinem Sterne,
meinem Gleim, meinen Brüdern Jacobi
und mir felbft fo reichlich verliehen - bat:
Wärme und ‚Gefühl. Wie follten wie den
Mann lieben können, ber fo wenig mit und
ſympathiſirt?
—— ..
126
CCXVII.
An Ebendenſelben.
|
Erfurt, den 14. Map 1772
Taufend Dank, befter Gleim, für den um
ung auf Noel den Kuͤchenmeiſter. Ich bin,
wiewohl Sie e8 verbergen wollen, geneigt zu
glauben, daß Sie felbfi der Paraphraſt Sr.
Coinefifhen Majeftät find. Wohl recht batte
Boltaire, da er in feiner Epitre à l’Empereur
de la Chine fagte:
Vos vers seront toujours tres bons dans
voire empire.
Nicht als ob die an den Seigneur Noel eben
fo gar fehr Kaiferlih oder Koͤniglich
wären; aber dennoch muß ich Ahnen geftehen,
daß mir die Paraphrafe, von wem fie aud)
feyn mag, menigftens in vielen Stellen Lieber
ift ale dag Driginal,
Laſſen Sie fi) umarmen, mein beſter Gleim,
fuͤr den Eifer, den Sie fuͤr meinen Agathon
zeigen.
Ihr Project, mein unſchaͤtzbarer Freund,
Ihr Project ung und unſere Freunde von den
Buchhandlern unabhangig zu machen, muß
ausgeführt werden. Zrig Jacobi iR
127
er Mann dazu. Er bat das Feuer meins
zleims, er bat feinen Eifer für alles mag guf
t, und iſt noch jung. Ich meines Orts wi
Mes mögliche dagu beytragen. — Mehr fann
ch nicht fagen, wenn ich die Poſt nicht vers
aͤumen mil. Alfo Gluͤck und gutes Wetter,
uten Weg und gute Pferde, gute Poſtillions,
ute Wirthshäufer und gute Gefelfchaft auf
er Reife, und taufend herzliche Umarmungen,
nein liebfter, befler, tourdigfier Sreund, von
jhrem W.
CCXVIII.
un Jakobi.
Weimar, den 23. November 1772.
Liebſter Jacobi! — Ich habe ihnen ange,
ange nicht gefchrieben, aber ich habe nie kei⸗
sen Augenblick aufgehört, Sie zu lichen, und
Ihr vedlicher, bruderlichee Freund zu feyn.
Die Veränderung in meinen Umftänden wiſ⸗
ren Sie. Ich beforge, daß ich dadurch in einen
Deean geworfen worden bin, aus dem ich
mich vielle icht mein Lebetage nicht wieder her⸗
ausfinde, Aber In meinem Herzen iſt nichts
berändert, Der Platz darin, der Ihnen und
123
unfeem Tiebenswürdigen Vater Gleim gug6 |
hört, iſt heilig; die Mufen und die Gran |
ſtehen um die Bilder meiner Freunde her, und |
die Kiche der Tugend ſchwebt über ihnen.
Kiffen Sie auch, befler Jacobi, daß es
lange ift, feit Sie mich nichts mehr von fid
und Ihren Beſchaͤftigungen und Freuden mwiß
fen laffen ?
Von mir iſt dad Neuefte, daß ich nächfleng
mit einem Singſpiel in fünf Caber ganz klei⸗
nen) Aufzügen, Alcefte genannt, bervortreten
werde. DBengehende Aurora (ein blog unfern
Hof, wie Sie fehen, interefjirendes Gelegens
heltsſtuͤck) ift der Vorläufer davon geweſen⸗
Herr Schweizer, der Ihr Elyfium und Ihren
Apollo unter den Hirten, fo vortrefflih coms
ponirt bat, iſt der Mann, der mich in den
Saumel des Enthuſiasmus für das Inrifche
Theater hingezerrt bat. Man kann ſich nichts
Schöneres vorfichen, als feine Eompofition
von der Aurora.
Umarmen Sie unfern Gleim In meinem
Nahmen. Mich verlangt ſehr, wieder von
Ihnen und Ihm zu hören, daß Sie mohl find,
daß Sie mich noch fieben, und daß Sie nit
faumfelig im Dienft der Gottinnen find, zu
‘ 12)
eren Vrieflern mir uns unfer einem Volke,
a8 nicht an ihre. Gottheit glaubt, aufgewor—⸗
n baben. | |
Leben Sie wohl — Liebfter Canonicus! und
rotzen Sie ja nicht. langer mit Ihrem drus
er und Freund. an
N. S. Die ehemahlige Madam Henfel iſt
un, als Madame Seilerin, mieber an bee
5pige unfrer hiefigen Schaufpfelerinnen, quod
:lix faustumque sit. — In Wien, wo das
‚ngeheuer, Stephantes Macbeth Beyfall
halten hat, mußte man aus diefer großen
5chaufpielerin nichts befferd zu machen, als
ine Frau Salome. Und das follten die
eute feyn -
cum queis dii nocte loquantur? —
CCXIX.
An Herrn Hofrath Meuſel.
Weimar, den g. Jenner 1773:
Tauſend Dank für Ihre angenehme Zufchrift,
ar Ihre Bemuͤhungen zu Gunſten des deuts
hen Merkurs, und für Ihre Zeitungen.
Morgen Abends merde ich Gelegenheit has
en Ihre Intercessionales an Serenissimamı
Wielandd Brlefe TIT. W. 9
130
nostram gelangen zu laffen. Dein guter Wtle |
fiebt jedem, der mir von Ihnen empfohlen
wird, zu Dienfle; aber mas iſt guter Mile
ohne Einfluß? Indeffen werde ich nicht unten
laffen, Ihre Ehriftliche Liebe für den ehrlichen
Israeliten Jeremias mit aller der Meinigen
zu verflärken. So viel ich aber von der Sache
begreife, ift fie ein Necheshandel, und ich febe
alfo nicht, waß der Weg der Gnade dabey
helfen fann. Es wird geſchehen was Recht
iſt, wird man mir antworten, und ich werde
verſtummen; zumahl da in der That die gute
Herzogin das ganze Jahr durch ſo oft und
viel um Gnaden, wobey man in den Seckel
greifen muß, angeſchrien wird, daß ſie die
Einkuͤnfte des Mogols haben muͤßte, wenn fie
Jedermann erhoͤren wollte.
Unſern Freund Schmidt zu Gießen wärde
ich ſelbſt ſchriftlich anlangen, wenn ich nicht
feine und meine Zeit ſchonte. Quod fieri
potest per pauca etc. Verſichern Sie ihn
meiner ganzen Ergebenhelt und meiner Dank;
barkeit für feine Genelgtheit in meinem Mes
fur zu arbeiten. Nur bitte ich, daß er feine
Mitarbeiterfhaft (wenigſtens dag .erfie Jahr
durch.) ein vollkommnes Geheimniß unter uns
131
nen feyn laſſe. Bücher von Anno 72 fünnen
h recenfirt werden. Mit Necenfionen von
dihten uud Schaufpielen werde ich
fern Freund nicht bebelligen. Hingegen fols
mie Necenfionen von Lindners,
ıfchings, Hurds, Maupillong von
nen benannten Werfen, it. von Sophi—⸗
8 Reife ꝛc. willkommen feyn. Sch erfuche
ı leben Mann, ung aus dem befien
ffe einzuſchenken; und weil er ſelbſt eine
'eferliche Hand ſchreibt, feine. Städte huͤbſch
tert und unfranfirt an mich einzufchie
n, weil ich poflfrey bin. Das Honorarium _
| fo ehrenfeft feyn, daB es auch den Copi⸗
alohn tragen fol. ch Fann noch nichts
viffes verfprechen; aber Sie kennen mid,
d dieß ift genug. Empfehlen Sie dem Freunde
ymidt, daß er ſoviel möglich feine Mas
er verbergen, und diejenigen, die er, in
ner Perfon, laugen würde, im Merfur
e mie feiner leichter Platfanterie
fertigen fol. Ich möchte gerne gründliche
itik, aber nicht ſchwerfaͤllig; fcharf, aber -
ht zu beißend; Tebhaft aber decentz kurz,
ifes Ureheil und guten Tom. Kerr
chmidt kann feyn was er will. Er hat ein
132
erefflihes Genie, Geſchmack, Feinheit, md |
eine Menge Kenntniffe. Ich wuͤnſchte wohl
von feiner Hand ein recht fein ausgearbeitetee
eritifhes Sendfchreiben über Das dermahı |
lige Barden-Unweſen, wenn er anders bie
Unweſen für eben fo abgeſchmackt und ſchaͤd⸗
lich bält als ich. Kretfhmann und Denid
möchte ich wohl geſchont, aber doch nid
ganz leer ausgehen fehen. Beyde könnten Nas
tionaldichter feyn, wenn Sie wollten. Für
wen aber fchreiben diefe Leute jegt ? Mer liest
fie? Fingal war ein göttliher Mann; aber
wer den Bardenton Im Jahr 1773 anftimmt
naviget anticyram! Für unfer Zeitalter fingen
diefe Herren nicht, dieß iſt Harz für men
alfo? Für die Nachlommen? — ich daͤchte
Doch nicht, daß wir ung große Hoffnung zu
machen haften, unſre Enfel in Picten, Cel⸗
ten, Cherusker u.f. f. ‚verwandelt gu feben ꝛc.
Communiciren Sie dieß Gefchrcibfel, wenn
Sie wollen, unferm Freunde, aber unter ber
abfoluten Bedingung, daß er es fogleich ven
brenne. Klotzens Briefe find ein abſcheuliches
Exempel zur Warnung! Ich kann keine Briefe
fchreiben, welche jemahls gedruckt zu werden
verdienten; und man kann heut iu Tage nicht
133
fiht genug gegen Gewinnſucht und
thwillen gebrauchen.
ben Sie wohl, liebſter Menfel, und blei⸗
mein Freund. Ich umarme Sie und uns
Springer, und bin unveranderlich der
ige. |
. 9 Mit unferd Leg. Rath Hermanns
reuen Koͤhlern ift Here Schmid in feis
Almanach (two fonft die mehrflen Recen⸗
en meinen völligen Beyfall haben) nicht
lig und freundlich genug. umgegangen.
wünfchte, daß er, pro redemiione animæ
Relne nicht weitlaͤufige, aber doch beſſer ir
Merita dieſes Stuͤcks eingehende Necenfion
on für das Erſte Stück des Merkurs machte.
8 Ding iſt in feiner Are wirklich gut;
illt Immer beffer, je öfter mans aufführen
t, intereffire ſehr durch den Charakter
alten Trillers und feiner Familie, und
ch die rührenden. Lehren, melche im Vor⸗
gehen den Prinzen gegeben werden. Frey⸗
ift fein groͤßeſter Werth local, und es ges
int auch viel Dadurch, well es hier fehr gut
pielt wird. Aber welche fogenannte Ope⸗
e verliert nicht durchs Lefen? Auch Ders
134
manns Talent für die leichten Lieder
(wie fie fi) in das Ding, das man Operette
beißt, fchicken) kann mit gutem Gewiſſen gr
lobt werden. Ueberhaupt däuche mich, das
Genre der Operette taugt nichts; aber in die
fem Genre kann es gleichwohl gute Gtüde
geben, und die Köhler find eins davon, Wu
gen der Zufchrift an Trillern verdiene unferd
Heren Hermanns gutes Herz gepriefen in
werben. Er wollte dem guten alten Greifen,
Der doch wirklich, ungeachtet feiner Poeterey,
Merdienfte als Arge und Gelehrter bat, eine
unverhoffte Freude in feinem hoben Alter mar
hen. Es iſt nicht edelmäthig, In unfern Ta
gen einem Trier Backenſtreiche zu geben.
Gegen die Geſchmackverderber, gegen
die Klopflocke und ihre Nachahmer, gegen bie
Sänger im Buchflaben Deon, gegen bie tran⸗
fcendentalifchen poetiſchen Narren muß mar
die Peitfche gebrauchen. Sapienti sat.
155
CCXX.
An Ebendsnfelben.
Meimar, den 22. Januar 1773,
Die Durcdhlauchtige Herzogin bat mir zu
Erhörung Ihres ehrlichen Hebraͤers gute Hoff⸗
nung gemacht, und fobald ich wieder Gelegens
beit habe, will ich Sie daran erinnern.
S’"*" In G*** befommt ein Eremplar
des Mercurs gratis, aber feine Mitarbeiters
fchaft fol er ein Geheimniß feyn laffen, oder
fie hört auf, Es iſt unfäglich was der Mann
zu thun bat, um feinen Credit wieder empor
zu bringen; er iſt zur Zeit fo tief, fo tief,
daß der bloße Soupgon, dag Her S6 ***
in G. mit am Mercur arbeite, hinlaͤnglich
wäre, unfre Unternehmung in. den Grund zu
bohren. _
: Unfer Sreund Springer bat mir unlaͤngſt
eine große Epiſtel geſchrieben, um mir zu bes -
mweifen, daß ich beffer thate den Merkur zu
Erfurt drucken zu laſſen. Es mag feyn, aber
ber Accord mit Herrn Bergmann iſt fehon vor
vier Wochen gefchloffen, und dabey muß es
nun bleiben. Außerdem bitte ich unferm dul-
cissimo Springero nebſt Einem philofophifchen
136
Liebeskuß zu melden, Ich hoffte allerdings, dal
es dabey bleiben fol, daß Er ſelbſt fih de
Ausarbeitung des ſechſten Artikels unterziehen,
und mir zu dem Ende laͤngſtens in ſechs Bu
hen eine Probe einzufenden die Gutheit haben
werde.
CCXXI.
An Zimmermann.
Meimar, den 22. Jenner 1773
- Schon in einem Briefe vom 1. September
des vermwichenen Jahres verfihern Sie mid,
nach einem langwierigen, auf Ihrer Seite
durch die grauſamſten Leiden veruefachten
Stillſchweigen, Ihres Andenkens, Ihrer Eiche,
Ihrer Freude über mein Schidfal, das mid
in eine Sphäre verfegt hat, bie mir, wie Sie
glauben, angemeffen it — Site fagen mir jw
gleich, daß Sie keine Antwort wollen; und
ch — ich, den Ihr Brief mie dem innigften
Vergnügen erfüllte, ich, der Sie Immer ge
liebt, der oft mit ihnen befümmert gewefen,
oft mit Ihnen gelitten hatte, und num mit
doppelter Stärke alles was ein Mann für
Freund fühlen kann, für Sie fühlt,
137
ich war gleichwohl fähig, Sie beym Worte
zu nehmen! Sie uberfehen mir's, Sie ſchrei⸗
ben mie wieder, und mit einer Wärme, bie
mich aufs innigfte überzeugt, daß Ihr Herz
mit mir fpricht. Sollte e8 denn wahr feyn,
daß mein Zimmermann durch ein Bedurfs
niß feines Herzens wieder zu feinem alten
Freunde Wieland gezogen wärde? D! wenn
dieß if, mein vortrefflicher, mein theurer
dreund, fo kommen Sie In melne Arme! lafs
fen Sie fih an mein Herz drüden, das ſtolz
darauf ift, Sie nad) dem ganzen Umfang
Ihrer Wuͤrdigkelt zu lieben und zu ehren!
ie viel, liebfter Zimmermann, iſt binnen
bier jahren mit und vorgegangen! Gie,
mein Sreund, — ich weiß nur den: Eleinften
Theil deffen, was Sie gelitten haben; Ich
mag’ e8 nicht, Sie daran zu erinnern.
O! mein befter Freund, mich wundert nicht,
daß Sie mit: Ihrem Lavater fo gerne in die
Ewigkelt hinaus ſehen! — Aber ſagen Sie
mir — auch Jhre Kinder? — Ihre Kinder
haben Ste doch noch? Ich münfche eg mit -
Sehnfucht, und bis ich's weiß, wag' ih es
richt Ihnen zu fagen, mie glücklich mich dry ı
Heine Gefchöpfe machen, die ich über alles
138
liebe, die Alles verfprechen, die Jliemand an '
ficht, ohne Ihnen gut zu werden. —
Don meiner ‚jebigen Lage moͤcht' ich ihnen
gerne fprechen, wenn fi) wenig davon fagen
ließe. Denn zu großen Epiſteln baben mit
wohl beyde Feine Zeit. Ich warb auf eine
fehr befondere, und in ber That ehrenvolle
Art hieher verfegt. Der junge Fürft, bey dem
ich bin, wollte fchlechterbingg einen Danifchs
mende fur feinen eigenen Leib haben; er
erbat mich von feiner Itebenswüärdigen Mutter,
und da feine Wünfche mit den hrigen nie
beſſer sufammengetroffen hatten, fo winkte
man mir, und ich kam. Ich liebe meinen
Prinzen. Er liebt mich. Sein Mentor, der
Graf von Goͤrz, iſt mein Freund — Schuͤt⸗
teln Sie den Kopf nicht bey einer fo vermefs
fen tönenden Affertion. Er ift mein Freund,
und damit ich es Ihnen nicht weitläufig bes
weifen muffe, will ich Ihnen in ſehr wenigen
Worten begreiflid) machen, warum es nicht
anders ſeyn fann. Wir find beyde fo eins
fam bier, als wir e8 auf dem Berge Nitria
oder mitten in der Wüfle Sara feyn könnten.
Unfern Prinzen ausgenommen, bat er Beinen
139
Sreund, als mich; ich feinen als Ihn; braus
chen Sie nun noch weiter Zeugnis?
Taufend Dank, mein theurer Zimmermann,
für die Lecture .die Sie mir gefchenfe haben.
Mit welcher Wolluſt fog melne Seele eine
ihr fo analogifhe und fo ganz nach ihrem
Geſchmack zubereitete Nahrung ein! Wie vors
trefflich gedacht und gefchrieben find die erften
beyden Stuͤcke! Und was für eine belcbende
Wärme hat Ahr Herz Ihren Gedanfen nicht
mitgetheitt! D mein Freund,‘ mie gluͤcklich
koͤnnten Sie Ihren Wieland machen, wenn
Sie ihn nur dann und wann, nur Einmahl
des Jahres, wenn es nicht anders ſeyn kann,
mit einem Beytrage dieſer Art zum deutſchen
Mercur erfreuen wollten! Ich kann es Ihnen
nicht ſtark genung ſagen, wie ſehr ich wuͤnſche,
daß es Ihnen moͤglich ſeyn moͤge, mir dieſen
Beweis Ihrer Liebe zu geben! Ich moͤchte,
daß mein Merkur unſrer Nation Ehre machte.
Ohne die Beyhuͤlfe unfrer beſten Schriftfieller
fann ich nicht. Denn, ah! mein Freund,
die Zeit jener fellgen Einſamkeit iſt vorbey!
vieleicht auf immer verloren!.— doch dieß
will ich nicht denfen. Es braucht nicht mehr
140
als diefen Gedanfen, um alles um mic her
finfter gu machen. |
Hier ift meine Alcefte. Mie Zittern üben
geb’ ich fie Ihnen; nicht weil ich mich vor der
Critik fürchte Cdenn ih weiß ungefähr mas
gut und was nicht guet In meinem Werke if,
und Warum Ich nicht beffee machen fonnte)
fondern weil ich beforge, daß ich Wunden in
Ihrem Herzen dadurch aufreiße.
Noch font ich Ihnen für die Statue dans
Een, die Sie Ihrem W. in einer Abhandlung
aufgerichter Haben, welche unfehlbar mit allen
Ihren übrigen Schriften auf die Nachwelt
fommt. Aber was kann ich Ihnen fagen,
liebiter Zimmermann? Sie haben eine Feuers
feele, wie ich auch. Sie fagen zu viel, aber
Sie lieben mich; wie Fonnte ich mich weigern
wollen, mich von Ihnen lieben zu laffen?
Aber mich däucht, es ift Hohe Zeit, mich
von Ihnen zu beurlauben. Kür einen Dann,
der den ganzen Tag über Mangel an Zeit
flagt, habe Ich, mie ich fehe, einen langen
Drief gefchrieben. Und einen Brief, wo nichts
drin iſt, würde ein Salmaſius, Gronovlus
und Erneſtlus fagen. Melden Sie mir, wenn
te mich wieder mit einem Briefchen glüds
141
ih machen, ob Sie entichloffen find, immer
n Hannover gu leben, oder — follte gar Feine
Möglichkeit feyn, wie wir einander wieder
aber fommen fünnten?”
O! mein Zimmermann, ich denfe jet an
Jen Gruß der Griechen — Könnte Ihr Wies
and Freude in Ihre Seele bringen!
CCXII.
An Gleim.
Weimar, den 14. Februar 1773.
Ihr Wieland, mein beſter Gleim, iſt ein
garſtiger Menſch, es laͤßt ſich gar nicht laͤug⸗
nen; er ſchaͤmt ſich vor Ihnen und vor ſich
ſelbſt, daß er Ihnen auf einen ſo freundlichen
Brief erſt ſo ſpaͤt antwortet. Und was fuͤr
eine Antwort! Ein paar armſellge Zeilen, die
meinem Gleim ſagen, daß Wieland noch lebt,
aber leider nicht fuͤr ſeine Freunde lebt, daß
Agathon und Merknr und die abſcheuliche
Gorrefpondenz‘, die Ihm dieſer Merkur auf ben
Hals geladen hat, ihm alle Stunden und Aus
genblicke wegnehmen, Die ihm der Hof und
feine Befimmung an demfelben übrig läßt —
und Sie wiffen, mein Liebſter, dieſe Beſtim⸗
142 '
mung ift nicht Dpereeten machen, wien
gewiffer male feriatus in dem Wienerſchen
Theater sEalender dee Welt weiß machen mil.
Mit einem Worte, befler Sleim, fo flrafbar
ich immer fcheinen mag, fo bin ich doch am
Ende mehr ungluͤcklich ald ſtrafbar. Denn id
liebe und ehre Sie von ganzen Herzen, und
gewiß mehr ald Ich Ihnen jemahls gefagt habe.
Ich begreife nicht, warum unfer George
(Sacobi) den Gehelmnißreihen gegen Sie
macht, wenigſtens ift gewiß, daß unfere Ge
heimniffe in kurzem auf den Dächern werden
geprediget werden. Vermuthlich will er Ihnen
nur eine angenehme GSurprife menagiren. —
Bis jege ift mein merkurlalifched Bureau nod)
fo arnı, daß ich beynabe in dem Falle bin,
wie die Samaldulenfer, wenn fie nichts mehr
zu effen haben, die Nothglocke anzuziehen.
Bey ihrer Thur, liebſter Gleim, babe ich
fehon durch George anflopfen laffen; er bat
mir eine fehr artige Antwort in Ihrem Nah⸗
men gegeben; aber damit kann ich feine Seite
im Merkur fülen. — „Ey wie fchön,“ wer⸗
den Sie fagen, „ih bin alfo nur zum Aus—⸗
füllen gut!“ — Dii meliora! Das nicht! zum
Ausfüllen hatt ich endlich Zeugs genug; aber
143
ein Blatt von Gleim, ein Lied wie dag
Gaͤrtnerlied, iſt mehr werth als 24 Bogen vol
Leyerwerks — und dag ift Doch alles, was man
von unfern heutigen Poeten hört.
Megen des Leinsiger Mufenalmanache fol
fi unfer George Feine Sorge machen. Ich
will fehen, daß Ich einen tauglichen Recenſen⸗
ten dazu finde. — Roſt iſt zum Necenfiren
noch zu leicht, duͤnkt mich. — Laſſen Sie fih
umarmen, mein theurer, unfchäßbarer Freund,
und lieben Sie Ihren Wieland, tie er Gie
liebt, |
CCXXIL.
An Meufel,
Weimar, den 26. Februar 1773.
Taufend Dank für Ihr freundfchaftliches
Gefchent, und taufend Abbitten, daß ich Ihnen,
bis ich wieder einen neuen Transport mit
Alceften von Leipzig erbalte, mit feinem Ges
genprafent aufwarten kann.
Sie fünnen fich Feine Idee von ber Korres
fpondenz machen, die mir der Mercur zuzieht.
Sie nimmt mir beynahe alle meine Zeit weg.
Doch dieß kann nicht mehr lange dauern. Ins
134
zroifchen bitte ich Sie um Geduld; die Freunde
mit denen ich am liebſten ſchwatzen moͤchte,
find jegt gerade die, für die ich nie Leine Zeit
finde.
Sch fchmeichle mir Immer, daß ich bald
Mittel und Wege finden werde, auf ein paar
Tage nach Erfurt zu fommen — und dan
bring ich Ihnen Antworten auf alle mögliche
Fragen. Der Merkur kann denjenigen, toelde
ihn monathlich auf ihre eignen Koften verlaw
"gen, gar wohl monathlich geſchickt werben.
Merken Sie in Ihrer dereinfligen Lifte diefe
Herren nur an, fo will ich ſchon für dad
übrige forgen. Das erſte Städ iſt bereits uns
ter der Preſſe. Wenn unfer Springer böfe
auf mich iſt, well ih Ihm nicht antworte, fü
hat er Unrecht; ich. kann nicht, aber niemand
liebt und ehrt ihn mehr ald ich. Grüßen Sie
ifn mco nomine, und fragen: ob ich mid
Darauf verlaffen kann, daß er den Artikel der
fuccineten Erzählung der neueften politifchen
Welthandel auf ſich nehmen wil. Es iſt ein
figlichter Artikel; aber wenn Springer will,
fo Fann er mag fehr gutes Daraus machen.
Der Artifel kommt zwar jederzeit nur in das
legte Stu eines jeden Bandes, und ſol
145
höchftens einen Bogen Caber mit Fleinen
riften, ohne Zmifchenfpäne) betragen:
in fängfiens in fünf Wochen muß ic) Dies
Artikel für den Erſten Band haben, ode:
e mir! Ich flehe um eine baldige pofitive
lärung, und bin dis zum Wiederfehen mit
» und Seele der Ihrige.
CCXXIY.
An Ebendenfelbem
Weimar, den 22. Mer; 1773
zie, und unfer Springer, und Schmidt in
Ben vergeffen mich gänzlich. Ich habe alfa
ı erften Theil des Merkurs gar nichts von
en zu hoffen? Bar nichts Fönnte niche
tiger feyn.
Sagen Sie Springero nostro, wenn fein
ft und fo sancte verfprochner polltifcher
i£el nicht binnen acht Tagen komme‘, fo
me er zu fpat. Ich empfehle unferm Freund
n ernfihaften, NB. nicht launenhaften,
upeln Styl; weiches mich der einzige zu
ı Däucht, der diefem Artikel angemeſſen ifl.
Relden Sie mir, Ich bitte Sie, was 9.
). Heinrich Schlegel in, Copenhagen für
wielands Briefe IIT. ©. 10
146
einen Charakter habe, ĩ. e. was für Am
Titel und Würde. Die Leute Bilde
wenn fie an unfer einen fchreiben ein,
wife das fchon, und doch iſt Fein ;
Idiot in der neueften Litterars Hiftorii
Dero ergebenfter W. |
CCXXY.
An Ebendenfelben
Weimar, den 14. Apr
Zanken Sie nur nicht, mein liebfter D
wenn Sie bier wären, und mußten, w
mir, feitdem ich dag Gouverneur s An
unferm Prinzen, anftatt des auf etlich
chen abmwefenden Grafen vor Görg ı
modo zu verwefen babe, zu meinen -
Sefchäften und zur Correſpondenz Zelt
bleibt, fo würden Sie mich wie einen
St. Jobſt mit Bewunderung und beilig«
furcht anfehen, und befennen, Daß ich
als der heilige St. Jobſt von Nürnbe:
diene, daß der nächfie Siechfobel, der t:
ringen gebaut werden wird, meinem N
gewidmet werde.
Der Plan, nach welchem Sie, mei
147
rwuͤrdiger Mitbruder , in der gelebrten Kreußs
ägerfchaft das Fach der fritifhen Nach⸗
ihten, „von dem, mie ed pro tempore
in der biftorifchen Provinz des gelehrs
ten Deutfchlandes ausſieht, und was darin
von 1773 an ferner fich ereignen und zutra⸗
gen wird“ — auf fih zu nehmen ſich guͤtigſt
bieten; diefer Plan If wie aus meinem Kopfe
rausgefihnitten. Dieß iſt 08 eben warum
y» Eie bitten wollte, und fchon längft gebes
n hätte, wenn ich zum Schreiben fommen
nnte. Da ich Duartaliter nicht mehr als
oIch ſtens Einen mit Fleinen Lertern gedruck⸗
n Bogen verlange, fo verlaffe ich mich das !
ıf, daB Euer Liebden diefen Artikel (wozu
) Sie hiemit ad ordinarium in zierlichſter '
sem erbeten, ermählt, poflulire, confirmire
id inflallirt haben will) quoad materiam et
rmam fo fleißiglich ausarbeiten werden, als
Ihnen möglich iſt.
Anlangend die Ungeduld der Abbonnenten,
elche ſich beſchweren, daß ich fidem publi-
m gebrochen habe, fo wünfche ich den Herren
ıgen zu fehen, und in meinem Avertiffemene
leſen, daß Ich ausdrücklich gefagt, wie pro
ce prima vice aus befondern Urfachen, der
148
erſte Band nicht vor DOflern ausgegeben ta
den koͤnne. Gleichwohl werden Sie nun d
verlangten 31 Eremplare nebſt drey bit
mweldye zu Dero eigner Diepofition fliehen, nd
fier Tage franco erhalten. Alles weitere Port
von dem Orte des Eollecteurd aus, müflen t
Abbonenten ſelbſt tragen.
Urfache warum Ich Quartaliter nur ein
Bogen verlange iſt, well ich der Artifel
viele babe, daB mir zu den Originals Auffäßı
nicht Raum genug bliebe, wenn ich mich nic
in dem philofophifchen — biftorifchen — uı
fhönen Literatur s Tache bloß auf allg
meine Nachrichten, kurze Anzeigen u
concife aber deſto zuperläßigere (folglich i
Nothfall auch meitläufig zu rechefertigend
Urtheile einfchranfen wollte. Unferm Schmil
babe Ich im Fache der fchönen Litteratue d«
nähmliche Amt aufgetragen, welches Sie iı
biftorifchen Fache übernehmen. Nun gebt m
noch ein tüchtiger Mann ab, dem ich de
nahmliche Amt Im philoſophiſchen Sache au
trage — daß tft, ich brauche einen Speculi
tor, der, nachdem er uns von Dem pra&sen
statu Republic philosophic Rapport al
Heftattet, & 1. Januar 3773 alle Phaneme
- 149
B: an unferm Deutfchen philoſophiſchen Himmel
a wohl beobachte, und uns darüber Dartaliter
> in Einem oder hoͤchſtens anderthalb Bogen,
= getreulih und ohne Gefährde, Bericht und
e} Gutachten abliefere. Sich habe vor der Hand
g und nisi {u quid novisti rectius istis, drey
Candidaten im Vorſchlag: | |
ı) Herrn Meiners, von dem Ich aber
® ignorire, wer er if, und wo er iſt?
“ 2) Heren Prof. Müller in Schafhaufen,
von welchem ich ohnlaͤngſt einen beliciöfen
- Brief erhiele.
3) Einen academifchen Mitbruder Herrn
Prof. Loſſius.
Ich erbitte mir hieruͤber in moͤglichſter Eile
s» Dero Gutachten aus. Glauben Sie daß Lofs
: fiug mein Mann iſt, und daß er Müllern
> vorzujiehben fen (moran ich valde dubitire) fo
trage ich Ihnen alfobald auf, ihn meo nomine
zu erbitten, zu poſtuliren und zu inſtalliren ıc.
Springerum nostrum herzen und füffen Sie :
in meinem Rahmen. * der beſte bravſte
Mann von der Welt, Mann von Genie
und Wiffenfchaft, Eurg, niemand kann ihn :
höher ſchaͤtzen als ich: aber von feinem Aufs
faß Eonnte Ich unmöglich Gebrauch machen,
“
150
/
Der Mereurius würde übel dabey gefi
feyn, an allen Höfen hatte man cru«
über ihn gerufen, und weder fein gefluͤt
Huth, noch feine goldene NRuthe, wom
Die Seelen regiert, batten ihm helfen Eöı
Ich bin mit Mund, Hand und Herz
ganz eigner.
CCXXVI.
An Johannes Müller.
Meimar, den 14. April.
Ga, mein liebenswürbiger Freund! eı
Treundfchaft zwifchen ihnen und Wieland
immer fol und wird fie feyn! Hatte mir
unfer gute Meufel zu Erfurt nicht |
lange einen großen Begriff von dem E&h«
ter Ihres Geiſtes gemacht, fo wäre mir ‘
Zufchrift vom leßten des abgemichnen Iron
genug, um mid) in jeder Fiber meines.
send empfinden zu de ‚daß wir Frei
find. Es gibt ei Sprache, die fih ı
nachmachen laßt, Man muß fo denken,
fo zu reden und man muß xurds zus "ATAL
feyn, um fo zu denfen. Bon nun an, ı
uerſter Müller! iſt alles unter ung gef
151
Mir Haben nicht nöthig gu wiſſen, wie lang
oder kurz wir find, mas für Augen, Nafen,
Dhren u. f. f. wir haben; Die ganze Phyfiogs
nomif des Sreundes Lavater iſt und uns
nuß. Wir fennen ung, und dieß ir ung
genug.
Sreplich iſt's ein menig meit von Weimar
nach Schaffhaufen. Und zum Ungluͤck verfas
gen mir meine jeßigen Umſtaͤnde das Vergnuͤ⸗
gen beynahe gänzlich, den Mangel des perfüns
lichen Umganges mit meinen Steunden durch
diejenige Art von Briefwechfel zu vergüten,
die einer vertraulichen Untereedung fo nahe
kommt als möglich. Der Hof, der für mich
ben fo wenig ein Gluͤck iſt, als für den ehr⸗
lichen Köhler in der Dperette meines biefis
zen Freundes Herrmann, raubt mir ſehr viele
zeit. Von dem, was mir mein Amt bey uns‘.
erm Prinzen übrig läßt, gehört ein Theil '
meiner fleinen Familie, einem Weibe, die ihr -
Zlück und ihren Stolz darein fegt, nichts zu
ſeyn als Wielands Weib und die. Mutter feiz
ver Kinder, — und Kindern, welche die Nas
ur con amore gebildet hat, und die ich nie
infehe, ohne zu fühlen, daß ich der glucklichfte
Sterbliche bin. — Ein andrer Theil gehört
152
meinen ältern, im Befiß unverlierbarer Nehte
an mein, Herz fiehenden Sreunden, ein ander
dem Merkur und dem unabfeblichen Dean
von Briefen aus allen Enden des nördlichen
Theils von Europa, der auf mich zufiürmt.
Urtbeilen Ste nun, liebfler Freund, von mes
ner Lage, und geloben Sie mir zum voraus
Geduld und Nachfiht, menn Sie den Brief
mwechfel, um deffen Sortfegung ich Ste hiemit
bitte und ernfllih bitte, von meiner Seite
nicht fo unterhaltend finden werden, als «
feyn mußte, wenn er meiner Hochachtung und
Liebe für Sie angemeffen feyn follte. \
Und nun, mein vortrefflicher Sreund, eine
erfie Bitte, die Gie mie. fchlechterdinge
nicht abfchlagen ſollen!
Ich wuͤnſchte jährlich ein paar Artikel über
die neuefte Litteratur (Hiſtorie und Phls
lofophie mit unter dieſem weitfchichtigen Worte
begriffen) in Helvetien In meinem Men
fur zu haben. Sie find der Mann, von dem
ih gewiß bin, daß er mir diefen Artikel
zu Dank madhen würde. Sch verlange
kurzgefaßte Fritifche Nachrichten, von einem
Mann der das ganze Feld überfiche, concle
jufammengedrangt, eine bloße Skizze, abe
153
ne Skizze von einer feften , freyen Hand, in
r Geiſt und Leben if. — Kurz, ich verlange
ag vielleicht in ganz Helvetien Sie allein .
iften fönnen — und noch’ einmabl, liebſter
güller, feine Verweigerung! Ich kann und
ill mich nicht abwelfen laffen. Sie können
jefem Artifel die Form eines Briefes von
nem Neifenden oder Einwohner, oder welche
orm Sie nur immer wollen, geben; ich vers
fe mich über alles dieß fo ficher auf Sie,
[8 ob ich Sie ſchon zehn jahre fennte.
Wollen Sie.mir außer dieſem, jährlich noch
n Paar fleine Abhandlungen oder Auffäße,
ser welchen intereffanten Gegenftand Sie
ollen, für den Merfur sufchicken, fo würden
ie mich defto gluͤcklicher machen. Ich mwünfchte
efen Merkur nad) und nach in einem "hoben
rade vortrefflich und nüuglich zu mas
en, und dieß fann nur mit Huülfe folcher
veunde, wie Ste, gefchehen.
In Ihr liebenswürdiges Vaterland fomme
h ganz gewiß wieder, oder ich müßte früher
s eine andere Welt gehen, ale ein Water uns
undiger Rinder, und ein Mann, .der noch)
erne viel Gutes thun möchte, wuͤnſchen fann.
zielleicht geſchieht es einſt in der Geſellſchaft
154
eines jungen Sürften, den ich — geborner Ans
tihrift der GSultane und Weffire — zärtlih
liebe, und dem ich wenigſtens einen Theil
meines noch übrigen Lebens gewidmet habe.
Sept, mein beſter Müller, laffen Sie fid
umarmen und leben Eie wohl.
CCXXVIT,
An Ebendenfelben
Meimar, den 10. May 1773.
Ach danfe Sihren von ganzem Herzen, mein
liebenswerther Freund, für Ihren lieben Brief
vom 28. April, Es bleibt bey dem, was wir
einander nun ein fur allemahl erklärt haben.
Mich freut, dad ich Sie gefunden habe, und
der Gedanke, daß Sie mein Frenud find, If
ein wichtiger Zuwachs meiner Gluͤckſeligkelt.
Auch auf die Annalen des belvetifchen Gel—⸗
fe, welche Sie mir zum Merfur verfprechen,
freue Ich mich ungemein. Ich laffe Ihnen dazu
coudtes franches — mit einem Kopf und eis
nem Herzen wie Sie haben, darf ı man thun
was man will.
Weil Ihre Annalen (oder wie Sie es fonft
“ennen wollen) in das vierte Bändchen des
155
kurs 1773 fommen follen, fo haben Sie
Zeit bi8 Ende Octobers diefes Jahre.
ingegen bitte ich Ste Infländig, mir, mo
lich, binnen dato und drey Wochen eine
ı8 ausführliche Recenſion der voyages
Montaigne zusufenden. Der Gefallen, den
mir dadurch ertwiefen, würde unendlih
ſeyn. Wir haben diefed Buch noch nicht
‚, fo ungeduldig ich darnach bin.
ie Bewegungen, welche der Fanatismus
** macht, find aͤußerſt intereffant. Ich
ſchte, daß ich eine umfiäandliche und ges
re Erzählung von dem Anfang und big,
ven Fortgang de main de maitre, in dem
for einzuruͤcken befäme; und ich bitte Sie
ndig, mofern Sie gu einer folchen Erzaͤh⸗
; Cin Form eines Briefes) nicht ſelbſt
je und Luft haben, dafür zu ſorgen, daß
Ihrer zuverlaͤßigſten Freunde dieſe Be⸗
ung auf ſich nehme.
ine Abhandlung uͤber den Helvetius,
Ihrer Hand, wuͤrde mir ſehr willkommen
Ich denke uͤber ſeinen Esprit ohngefaͤhr
Sie. Nur empfehle ich Ihnen dabey viel
utſamkeit, um dem großen Haufen der
r des Merkurs (worunter über fünfhuns
146 |
einen Charakter habe, i. e. was für Amt ode !,
Titel und Würde. Die Leute bilden
wenn fie an unfer einen fchreiben ein, mar
wiffe das fchon, und doch iſt Fein größte
Idiot in der neueften Litterars Hifforie, als
Dero ergebenfler W.
CCXXV.
An Ebendenfelben
Weimar, den 14. April 1773:
Zanken Sie nur nicht, meln liebfter Meufel;
wenn Gie bier wären, und müßten, wie viel
mir, feitbem ich das Gouverneur s Amt bey
unferm Prinzen, anftatt des auf etliche Wo—
chen abmefenden Grafen vor Görg vicario
modo gu verwefen habe, zu meinen übrigen
Geſchaͤften und zur Eorrefpondeng Zelt übrig
bleibt, fo würden Sie mich wie einen neuen
St. Jobſt mit Bewunderung und beiliger Ehr⸗
furcht anfehen, und befennen, daß ich fo gut
als der heilige St. Jobſt von Nürnberg ver
diene, daß der näachfte Siechkobel, der in This
singen gebaut werden wird, meinem Nahmen
gewidmet werde.
Der Plan, nah welchem Sie, mein fe
147
hrwuͤrdiger Mitbruder , in der gelehrten Kreutz⸗
rägerfchaft das Fach der Eritifhen Wachs
ichten, „von Dem, wie e8 pro tempore
in der biftorifchen Provinz des gelehrs
ten Deutfchlandes ausfieht, und was darin
‚von 1773 an ferner fich ereignen und zutras
‚gen wird“ — auf fih zu nehmen fich gutigft
cbieten; diefer Plan ift wie aus meinem Kopfe
erauggefchnitten. Dieß iſt ed eben warum
h Eie bitten wollte, und ſchon längft gebes
n hätte, wenn ich zum Schreiben fommen
Innte. Da ich Duartaliter nicht mehr ale
oͤch ſtens Einen mit Fleinen Lertern gedruck⸗
n Bogen. verlange, fo verlaffe ich miich dars :
uf, daB Euer Liebden diefen Artikel (wozu
h Sie hiemit ad ordinarium in gierlichfter '-
orm erbeten, erwählt, poflulirt, confirmirt
nd inſtallirt haben will) quoad materiam et
ırmam fo fleißiglich ausarbeiten werden, als
; Ihnen möglich iſt. .
Anlangend die Ungeduld der Abbonnenten,
eiche fich befchweren, daß ich fidem publi-
ım gebrochen babe, fo wünfche ich den Herren
ugen zu fehen, und In meinem Avertiffement
leſen, daß ich ausdruͤcklich gefagt, mie pro
ic prima vice aus befondern Urſachen, der
148
erfie Band nicht vor Oſtern ausgegeben wer⸗
den fönne. Gleichwohl werden Sie nun dk
verlangten 31 Eremplare nebſt drey bi,
melde zu Dero eigner Diepofition ſtehen, naͤch⸗
fier Tage franco erhalten. Alles weitere Porto,
von dem Orte des Eollecteurd aus, muͤſſen bie
Abbonenten felbft fragen.
Urfache warum ich Quartaliter nur einen
Bogen verlange iſt, weil ich der Artikel fo
viele babe, daB mir zu den Originals Auffägen
nicht Raum genug bliebe, wenn ich mich nicht
in dem pbilofophifchen — Hiflorifhen — und
fhönen Eitteratur s Tache bloß auf allge
meine Nachrichten, kurze Anzeigen und
concife aber deſto zuverläßigere Cfolglich im
Nothfall auch meitläufig zu vechtfertigende)
Urtheile einfchräanfen wollte. Unferm Schmidt
babe ich im Fache der fehönen Litteratur das
nähmliche Amt aufgetragen, welches Sie im
biftorifchen Fache übernehmen. Nun gebt mie
noch ein tüchtiger Mann ab, dem ich das
nabmliche Amt im philofophifchen Sache aufs
trage-— das ift, ich brauche einen Speculas
for, der, nachdem er uns von dem prasenti
statu Republic philosophicz Rapport abs
geftattet, & 1. Januar 3773 alle Phänomene
i
5
149
an unſerm deutſchen philoſophiſchen Himmel
wohl beobachte, und uns daruͤber Qartaliter
: in Einem oder hoͤchſtens anderthalb Bogen,
- um
getreulich und ohne Gefaͤhrde, Bericht und
Öutachten abliefere. Sich habe vor der Hand
und nisi tu quid novisii rectius istis, drey
Candidaten im Vorſchlag: |
ı) Herrn Meiners, von dem Ich aber
ignorire, wer er if, und wo er iſt?
2) Heren Prof. Müller in Schafhaufen,
von welchem ich ohnlängft einen delictöfen
Brief erhielt.
3) Einen academifchen Mitbruder Herrn
Drof. Loſſius.
Ich erbitte mie hierüber in möglichfter Eile
Dero Gutachten aus. Glauben Sie daß Lofs
fing mein Mann if, und daß ee Mullern
vorzusiehen fen (woran ich valde dubitire) fo
trage Ic) Ahnen alfobald auf, ihn meo nomine
zu erbitten, gu poſtuliren und zu inflalliven ıc.
Springerum nostrum hgrjen und füffen Sie
in meinem Rahmen. ber beſte bravſte
Mann von Genie
Mann von der Welt, |
und Wiffenfchaft, Eurg, niemand kann ihn
höher fchägen als ich: aber von feinem Aufs
faß konnte ich unmöglich Gebrauch machen.
”
— .
150
Der Mercurius würde übel dabey gefahren
feyn, an allen Höfen hätte man crucıfige
über ihn gerufen, und weder fein geflügelte
Huth, noch) feine goldene Ruthe, womlt a
die Seelen regiert, hätten ihm helfen koͤnnen.
Ich bin mie Mund, Hand und Herz Ihr
ganz eigner.
CCXXVI.
An Johannes Muller.
Meimar, den 14, April. 1773
Ta, mein liebenswürdiger Freund! es ifl
Treundfchaft zwifchen Ihnen und Wieland und
immer fol und wird fie feyn! Hatte mir auch
unfer gute Meufel zu Erfurt nicht ſchon
lange einen großen Begriff von dem Charak—
ter Ihres Geiftes gemacht, fo wäre mir Ihre
Zufchrift vom legten des abgemichnen Monaths
genug, um mid in jeder Fiber meines Ners
zens empfinden zu wachen, daß wir Freunde
find. Es gibt for die fich nicht
nachmachen laßt, Man muß fo denken, um
fo zu reden und man muß xursr xus "ATAOOE
feyn, um fo zu denfen. Bon nun an, mein
theuerſter Müller! iſt alles unter und gefagt,
"151
Zir haben nicht nöthig zu miffen, mie lang
ver kurz wir find, was für Augen, Nafen,
hren u. f. f. wir haben; die ganze Phyſiog⸗
mit des Freundes Lavater iſt und uns
uͤtz. Wir kennen ung, und dieß iſt ung
enug.
Freylich iſt's ein wenig weit von Weimar
ach Schaffhauſen. Und zum Ungluͤck verſa⸗
n mir meine jetzigen Umſtaͤnde das Vergnuͤ⸗
n beynahe gänzlich, den Mangel des perfüns
chen Umganges mit meinen Sreunden durch
ejenige Art von Briefwechfel zu vergüten,
e einer vertraulichen Unterredung fo nahe
mmet als möglich. Der Hof, der für mich
en fo wenig ein Glüd iſt, als für den ehr⸗
chen Köhler in der Dperette meines hiefis
nn Sreundes Heremann, raubt mie fehe viele
it. Bon dem, was mir mein Amt bey un⸗
em Prinzen übrig läßt, gehört ein Theil |
einer fleinen Familie, einem Weibe, die ihr
lück und ihren Stolz darein fegt, nichts zu
nn ale Wielands Weib und die. Mutter feis -
r Kinder, — und Kindern, welche die Nas -
r con amore gebildet bat, und die ich nie
iſehe, ohne zu fühlen, daß ich der glucklichfte
terbliche bin. = Ein andrer Theil gehört
152
meinen älfern, im Befiß unverliecbarer Rech
an mein, Herz fiehenden Freunden, ein ande
dem Merkur und dem unabfeblichen Dee
von Briefen aus allen Enden des nördlid)
Theils von Europa, der auf mich zufiün
Urtheilen Ste nun, liebfler Freund, von m
ner Lage, und geloben Sie mir zum vora
Geduld und Nachfiht, wenn Sie den Bri
mechfel, um deffen Fortfegung Ich Sie bier
bitte und ernfllich bitte, von meiner &ı
nicht fo unterhaltend finden werden, alg
feyn müßte, wenn er meiner Hochadytung u
Liebe für Sie angemeffen feyn follte.
Und nun, mein vortrefflider Sreund, e
erfie Bitte, die Sie mir fchlechterdin
nicht abfchlagen ſollen!
Ich wänfchte jährlich ein paar Artikel ü
die neuefte Literatur (Hiſtorie und P
Iofophie mit unter diefem meitfchichtigen- Wo
begriffen) in Helvetien In meinem Mı
Eur zu haben. Sie find der Mann, von d
ich gewiß bin, daß er mir dieſen Artil
zu Danf madhen würde Sch verlaı
kurzgefaßte Fritifche Nachrichten, von ein
Mann der das ganze Feld überfiche, con
jufammengedrangt, eine bloße Skizze, a
153
eine Skizze von einer feften , freyen Yand, in
der Geiſt und Leben if. — Kurz, ich verlange
was vielleicht in ganz Delvetien Sie allein. .
leiften fönnen — und noch’ einmahl, liebſter
Müller, keine Verweigerung! Ich kann und
will mich nicht abwelfen laffen. Sie können
Diefem Artifel die Form eines Briefes von
einem Neifenden oder Einwohner, oder welche
Sorm Sie nur immer wollen, geben; Ich vers
laffe mich über alles dieß fo ficher auf Sie,
ale ob ich Sie ſchon zehn jahre Fennte.
Wollen Sie.mir außer-diefem, jährlich noch
ein Paar fleine Abhandlungen oder Aufſaͤtze,
über melchen intereffanten Gegenfland Sie
wollen, für den Merkur sufchicken, f9 würden
Sie mich defto glücklicher machen. Ich wünfchte
diefen Merkur nach und nach in einem "hoben
Grade vortrefflih und nuglich zu mas
hen, und dieß fann nur mit Hulfe folcher
Freunde, wie Sie, gefchehen.
In Ihr liebenswürdiges Vaterland komme
ih ganz gewiß wieder, oder ich müßte früher
in eine andere Welt gehen, als ein Water uns
mundiger Rinder, und ein Mann, der noc)
gerne viel Gutes thun möchte, wuͤnſchen fann.
Vielleicht gefchiehe es einft in der Geſellſchaft
154
eines jungen Sürften, den ich — geborner Ans
tichrift der GSultane und Weſſire — gärtlih
liebe, und dem Ich wenigſtens einen Theil
meines noch übrigen Lebens gewidmet habe.
Jetzt, mein beſter Müller, laſſen Ste fi
umarnıen und leben Eie wohl.
CCXXVII.
An Ebendenſelben.
Weimar, den 10. Map 1773.
Ich danke Ihnen von ganzem Herzen, mein
liebenswerther Freund, für Ihren lieben Brief
vom 28. April. Es bleibt bey dem, was wir
einander nun ein fuͤr allemahl erklaͤrt haben.
Mich freut, daß ich Sie gefunden habe, und
der Gedanke, daß Sie mein Freund ſind, iſt
ein wichtiger Zuwachs meiner Glückfeligfeit.
Auch auf die Annalen des belvetifchen Sels
flieg, welche Sie mir zum Merfur verfprechen,
freue Ich mich ungemein. Ich laffe Ihnen dazu
coudces franches — mit einem Kopf und eis
nem Herzen wie Sie haben, darf man thun
mas man will.
Weil Ihre Annalen Coder wie Sie es fonf
nennen wollen) in das vierte Bändchen des
153
Merfard 1773 kommen follen, fo haben Sie
noch Zeit bi8 Ende Octobers diefes Jahre.
Hingegen bitte ich Ste Infländig, mir, mo
möglich, binnen dato und drey Wochen eine
etwas ausführliche Necenfion der voyages
de Montaigne zuzufenden. Der Gefallen, den
Ste mir dadurch ermwiefen, würde unendlih
groß feyn. Wir haben diefes Buch noch nicht
bier, fo ungeduldig ich darnach bin.
Die Bewegungen, welche der Fanatismus
in ** macht, find dußerft intereffant. Ich
wuͤnſchte, daß ich eine umflandliche und ges
nauere Erzahlung von dem Anfang und big;
herigen Fortgang de main de maitre, in dem
Merkur einzuräcen befame; und ich bitte Sie
inftandig, wofern Sie zu einer folchen Erzähs
lung (in Form eines Briefes) nicht ſelbſt
Muße und Luſt haben, dafuͤr zu forgen, daß
einer Ihrer zuverlaͤßigſten Freunde dieſe Be⸗
muͤhung auf ſich nehme.
Eine Abhandlung uͤber den Helvetius,
von Ihrer Hand, wuͤrde mir ſehr willkommen
ſeyn. Ich denke uͤber ſeinen Esprit ohngefaͤhr
wie Sie. Nur empfehle ich Ihnen dabey viel
Behutſamkeit, um dem großen Haufen der
Leſer des Merkurs (worunter über fünfhuns
156
dert Fatholifche Abonnenten find) nicht anfk
Big gu werden. Dit einer gewiffen guten A
laßt fich Alles fagen. Ueberdich iſt wohl nid
zu laugnen, daß Helvetlus nicht in alle
und am allerwenigften in feinem Deaterlali
mus Recht hat.
Das lange Außenbleiben ded deutfchen Mi
furs wird, mie ich beforge,. großes Mißve
gnügen erregen. Die Umſtaͤnde alein fi
daran fihuld. Sch ließ Anfangs nur 25:
Eremplar druden, und glaubte an diefen no
zu viel zu haben. Nach und nach aber liefi
fo viele Beflelungen ein, daß Ich eine ne
Auflage machen laffen mußte, weil die er
kaum zureichte, die altern Bellelungen zu 6
friedigen. Die fpäter gefommenen mußt
alfo nothwendig um einige Wochen zuri
ſtehen. |
Es mangelt mir ein geſchickter Correſpo
dent, der von vier Monathen zu vier Mon
then Eritifchen Bericht über den Zuſtand d
Litteratur und Künfte in Italien an di
Merkur erfiatte. Sie, welche um fo viel nah
als ich bey Italien find, haben vielleicht S
legenheit mir einen folchen zu verfchaffen.
157
CCXXVII. |
An Meufel.
Weimar, den 26. May 1773.
Sch danke Ahnen für die ferner an mich
ibermachten 40 Reichsthaler mercurialifcher
Belder, wofuͤr Ich Sie hiemit in beſter Form
juittire.
Daß unfer Freund und Mitarbeiter Schmidt
in Exemplar frey bat, verfieht ſich ja von
elbſt. Ich biete Sie inftändig, mir Ihren
rften Beytrag bald moͤglichſt zu fchiden.
rünfteln Sie ja nicht gar zu viel. Sch bin
vewiß, daß aus Ihrer Feder nichts kommt
a8 dem Mercur nicht Ehre machen follte.
Ich begreife nicht, wie es zugeht, daß ich
yergeffen haben folte, Ihnen zu fagen, bag
mmer dag zehnte Eremplar- von den Erems
olaren, welche Sie als Collecteur debitiren,
Ihnen zugehoͤrt. Aber monathlich, llebſter
Freund, kann und ſoll kuͤnftig Niemand den
Merkur erhalten. Ich muß auf alle erſinnliche
Mittel denken, dem Nachdruck zu ſteuern, der,
leider! von allen Enden angedroht wird. Alles
komme darauf an. daß die Abonnenten auss
halten und getreu bleiben bis in den Taod.
-
—
158
Ich meines Orts will Dagegen auch das mög
lichſte thun, und für den nachflfünftigen Jahr
gang eine Einrichtung treifen, wobey Das
Publikum merklich gewinnen fol.
Tu ne cede malis sed contra audentior ito.
Zur Nlcefle, mein Treund, find Sie und
ihre Geltchte und Freund Springer freund:
nachbarlidy) eingeladen. Sie wird naͤchſten
Freytag zum Erftenmahl, und vermuthiich in
Fünftiger Woche nieder cin oder zweymahl
gefpielt.
CCXXIX.
An Ebendenſelben.
Weimar den 21. YJuny 1773.
Macte virtute! Euge! recte! belle! ift alle
mas Ich Ahnen zu Ihrem Beytrage fagen
fann! Ich bin ſehr damit zufrieden, wenn
Ihnen hieran was gelegen ſeyn kann. Da
ich ſelbſt viel Daraus gelernt babe, fo iſt vers
muthlich, daß noch viele Hundert Unwiſſendere
als ich Gott dafuͤr danken werden.
Tahren Sie nun, ich bitte Sie, ferner alfo
fort, und erfülen Sie binnen ſechs Wochen
langfiens Die Doffuungen, fo Sie ung Is
159
efem Auffaß gegeben haben. Muͤndlich wäre
eylich noch viel zu fprechen. Aber wie foms
en wir dasu? Die zwo Meilen zwiſchen
as find der Wirkung nad) fo viel als 200.
ch fhame mich vor unferm ***. Auf zween
tiefe bin ih ihm Antwort fehuldig. Gott
fe mie! Sch weiß nicht wo ich löfchen fol,
an es brennt.an allen Eden. jeder Pofts
g haͤuft meine Schulden an meine Corres
ondenten, und e8 tft wahrlich meine Schuld
ht, wenn ich zu zahlen aufhore. In acht
ıgen, liebſter Meufel, beziehe ich meine neue
ohnung; dort hab’ ih Raum geung fur
ich und meine Freunde; und dann, wann
ft Alcefte wieder gefpielt wird, lad’ ich Sie
d Ihre liebe Hausehre zu mir ein, und Sie
en Ihre Wunder. fehen und hören. Ich ꝛc.
CCXXX.
An Ebendenſelben.
Weimar, den 2. Auguſt 1773.
ch bitte und befchwöre Sie bey den Goͤt⸗
n der Sreundfchaft, um folgende drey Lies
sdienſte:
1) um eine Fortſetzung des hiſtoriſchen Ars
tifels für den dritten Theil des Mercurs.
166
2) Den Freund Schmidt in Biegen I
lid um Sortfegung feines Artikel
bitten. Sich bab es ſchon vor vl
Tagen ſelbſt gethan, aber er gibt
chriftlich Zeichen von fich.
3) Unverzüglich den Herrn Profeffor Lı
in meinem Nahmen anzufprechen, dı
(gegen die Gebühr) auf ſich nehme,
tifche Nachrichten von dem gegenmwär
Zuftande der Philoſophie und den neu
Erfcheinungen über dem philoſophi
Horizont in Deutfchland, in dem
ſchmacke ungefähr wie Schmids und
Artikel ik, In den Merkur zu liefern.
Anfang müfle fogleich gemacht wer
denn binnen drey Wochen muß Ich
Manuſcript notbiwendig haben. Ihr
teefflicher Here Statthalter wird 9
‚ Loſſius felbft gu Diefer Arbeit aufmunı
⸗ Ich habe unmoͤglich Zeit ſelbſt an di
jungen Mann zu ſchreiben; aber ich w
mich vielleicht in den naͤchſten vier
Tagen mündlich gegen ihn exrpectort
und einsmwellen bitte ich Sie mein |
fprecher zu feyn.
| 162,
CCXXXI.
An Johann von Muͤller.
Weimar, den 2. Auguſt. 1773.
Rein Theuerſter, ich babe nur etliche Aus
liche Shren angenehmften Brief zu beants
ten und alfo erwarten Sie nicht mehr,
was ſich in etlichen Augenblicken fagen
Ihre Freundfchaft iſt mir unendlich
bar, aber ich geftehe ihnen frey, fie ME
mir vornehmlich Durch die Hoffnung, daß
: von Zeit zu "Zeit einige Stunden ans
den werden, etwas für den Merkur zu
n.
ſch habe bey dieſem Merkur hoͤhere Abſich⸗
als Cameraliſtiſche (und auch dieſe letztern
in ich ſie erreiche, will ich dem Publico auf
edelſte Art nuͤtzlich machen) aber ich kann
8 ohne die Mitwirkung ſolcher Geiſter,
Sie ſind. |
8 fchmerzte mich fehr, da ich, nad) fo lan⸗
s Warten, einen leeren Brief von Ihnen
lelt. Der Fleinfte Aufſatz wuͤrde mir die
Jaftefte. Freude gemacht haben. Fragen Sie -
h nicht — was für Auffäge? Einem Mann
| Genie fagt man nicht was er thun fol,
Bielands Briefe III. V. 11
163
Indeſſen, wenn Sie eben fo wenig Zeit has
ben, für den Merfur zu arbeiten als ich jum
Briefefchrelben, fo ergebe ich mich zwar In
mein Schickſal: aber in diefem Falle bitte ich
Gie, alles was in Fhrem Gegenden fähig if,
etwas Gutes zu fihreiben, zur Thellnehmung
an meiner Unternehmung, toelche eine Wohl
that für unfere Nation werden könnte, aufzus
muntern. Sie haben das was der Merkur
thun follte, vortrefflich Ins Auge gefaßt. Aber
nochmahls, liebſter Freund, beifen Sie mir
vollbringen. Hier zu Lande find viele ho-
mines bonae voluntatis: aber damit allein if
mir und der Melt nicht gedient.
Maß, wie mich dünft, gang vorzüglich Ihr
Sach wäre, find Dialogen im Gefchmad
des Diderot, die man nicht genug leſen
noch loben kann. Wenn ich’ errachen babe,
fo fegen Sie fih In dem erfien Yugenblid,
da Sie das Säufeln der Gegenwart Ihres
Genius hören, bin, und fchreiben, mas er
ihnen eingibt,
Den zweyten Theil bes Merfurs möäflen Sie
nun erhalten haben. Ich wuͤnſchte gu wiſſen,
ob man beffer damit zufrieden ſeyn mird,
t dem erfien.
——— — — ———— — — — — —— —- —ñ— — — ung
| 163
Sept occupirt mich der dritte Theil, und ein
aar Gingfpiele auf bevorfichende Geburts⸗
ige an unferm Hofe, fo flarf, daß ich fonft
ı nichts gut bin. Eines von dieſen letztern,
iv unfern jungen Herzog, nennt fih die
Zahl deg Herkules (Hercules in bivio)
ıd macht einen Fleinen Anfpruh an Ihren
eyfal. Es wird im dritten Theil des Mers
IE paradiren.
|
CCXXXII.
"An Ebendenfelben.
Weimar, den 6. Auguſt. 73
Mein Theureſter, ich habe einen Mann wie
ie vonnöthen, der von Vierteljahr zu Vier⸗
ljahe kritiſche Nachrichten von dem Merk⸗
uͤrdigſten, mag feit 1773 im Fache der Phis
‚fophie in Deutfchland herausgekommen
und ferner erfcheinen wird, in den Merkur
fre. Aber zum Unglüd bat ein Mann tie
ie mehr zu thun, als einen ordentlichen Mits
beiter zum Merfur abzugeben. Sich fage Ih⸗
n nichts von Motiven. Sie ſehen fo gut
8 ich, daß diefer Merkur ein für die Nation
164
wichtige Inſtitut würde, wenn bie beſten
Köpfe daran arbeiteten. Und dieſer Gebanle
wuͤrkt gewiß bey Ahnen mehr, ale was id
Ahnen fonft fageh koͤnnte. Es kommt alfe
wohl nur darauf an, ob Sie Zeit haben.
Ich bitte Sie aufs Inflandigfie, mie mil
naͤchſter Poft Ihre Entfchli:Bung zu melden,
Iſt fie gänftig, fo hoffe ich Ste werden noch
zum dritten Bande des Merfur, an welchen
nun gedruct wird, Ihren erfien Beytrag is
fern können. In ſechs Wochen a dato,‘ abet
feinen Tag fpäter, fame folcher noch’ zu rech⸗
ter Zeit, wiewohl ich freylich wänfchte, {fe
fhon mit Anfang des September zu erhalten
Verzeihen Sie, mein licbenswärdiger Breund,
meinem Ungeſtuͤm. Es mangelt in Gachfer
nicht an Männern, welche den Artikel den Id
Ahnen fo gerne übertragen möchte, ganz leid⸗
Ih machen mürden. Aber ich kenne Pliemans
den der ihn fo gut machen würde, als Sie
Molen Sie nicht, oder fünnen Sie nicht,
wie Sie wollen, fo muß ich freylich aus de
Noth eine Tugend machen. Reißen Ste mid fi
bald als möglich aus einer Ungewißheit, bie
mich verlegen macht.
Re en an — —
265
CCXXXIII. 4
An Meufel
Weimar, den 1. September. 1773:
Künftigen Sonnabend, ale den vierten Sep⸗
ımber mird unferm jungen Herzog zu Ehren,
Afride, ein neues ſehr fchönes Trauerfpiel
on Heren Bertuh, und die Wahl des
yerculegs von dem Berfaffer der Alcifte aufs
eführt werden. Ach babe alle Erforderniffe
n meinem jetzigen Quartier , etliche gute
freunde zu Iogiren. Alſo, mein liebſter Meus
ef, find Sie und Ihre Tiebe Hergensfönigin
nd unfer Springer freundlich von meiner . i
frau und mir invitirt und eingeladen, zu
ommen, zu fehen, zu hören, und ung bey
tiefer Gelegenheit durch Ihren freundfihaftlis
ben Befuh gluͤcklich zu machen. Ja feine
‚bfchlägige Antwort, mein liebſter Freund:
Daß Sie geradenmweged vor meln Quartier,
hnweit der Stadtkirche (wo Sie jedermann
u rechte weiſen kann) fahren follen, verſteht
ih von felbft. Ich umarme Ste von ganzem
yerzen. Empfehlen Sie mich unferm Sprins
er und fagen ihm, wenn er mich noch ein
venig liebe, fol er Ja nicht zuruͤckbleiben.
166
CCXXXIV.
An Eb:ndenfelben.
Weimar, den 17, September :
ihre zu fchnelle Entfernung von ung
nen Sie nur dadurch gut machen, wenn
defto bälder und auf längere Zelt mi
fommen.
Ihre Recenfion des Herkules iſt mit
angenehm, und ich danfe Ahnen dafür
Herzen, fonderlic für das Gute das Sie
Schmelzern und den beyden Actricen
fagt haben.
Schüsgen werde ich fragen = Was
ft du?
Die Alcefte des Quinault Habe Ich wir
auf meinem Schreibtifche liegen; ich bra
fie noch, und fiehe Ihnen und Ihrer acad
chen Bibliothek fir die Zuruͤckgabe mit a
was Ich bin und habe.
Kehren Sie ſich an kein Naferumpfen,
fahren Sie mit Ihrem Artikel in den Mi
fort. Man Fann nicht allen alles gu d
tun. Die Göttinger wollen daB man
ihnen nur mit gebognen Knien, wie von |
fprechen fol; und find alfo unmui
Baß Sie von: ihnen als von flerblichen ſuͤndi⸗
gen Menfchen gefprochen haben. Die Nachs
richt wegen des Winkelmannifchen Werkes
kann Im dritten Bande des Merkurs feinen
Dia mehr bekommen; denn fchon find neuns
sehn Bogen vol, Aber: im vierten Bande fol
fie einen Plab erhalten.
CCXXXV.
An Gleim.
Weimar, den 22. October 1773.
Mein lieber Here Gott ſelbſt fann: nicht alle
frumme Hölzer gerade machen, und allen Ber
fchwerden der Menfchenfinder zuvor fommen,
Wie follt ich Erdenwurm ed können, beftee
Gleim: Niemand leidet nur halb fo viel unter
der bisherigen fchnedenmäßigen und niche fels
ten unrichtigen Expedition des Merkurg, als
ih. Die Duelle alled Uebels war bisher, daß
der Mercur nicht bier, fondern zu Rudolſtadt
gedruckt wurde — daher eine folche verwünfchte
Menge von versögernden Amfländen und Zus
fällen, daß mir oft dag Leben darüber zur
Dlage wurde. Bon Anno 1774 an fol dee
Merkur bier in Weimar gedruckt werben, und
168
dann ſtehe ich Ihnen und allen Lefern fit
rüunftliche-Erfulung meines gegebenen Worte,
Es iſt meine Echuld nicht, mein verehrungs
wuͤrdiger und innigfigelichter Freund, daß die
bauptfächlichfien Echriftficher unferer Nation
nicht in eine Confoͤderation gegen die Elenden,
die ung ungeftraft berauben, sufammentreten.
Ich bin zu allem bereit, was der gemeinen
Sache zuträglih iſt. Allein Coriphaͤus kann
ich nicht ſeyn; mein Leben bat ohne dieß Pla⸗
gen genug; dann fehe ih doch auch yganj
deutlih, daß die Sache in der Ausführung
Schmierigfeiten bat, die Ihe andern warmen
Köpfe für übermwindlicher anfeht, als fie find.
Der Himmel weiß, wie oft e8 mich in der
‚Seele fchmerzt, daß ich dem Vergnügen, mic
mit Ihnen und unfern Brüdern Jacobi oft
und freundfihaftlic zu unterhalten entfagen
muß. Ich kann Ahnen nicht zumutben, daß
Sie immer allein fprehen; und mit zu reden
babe ich bald feine Zeit, bald feine Luft. Denn
Weimar und der deutfche Mercur haben mid
fo fehr aus meinen Eirkeln herausgefegt , daß
ich Mühe habe mich felbft zu fennen. Geduld,
liebſter Gleim, vieleicht wird mir mit ‚der
Sit leichter um Kopf und Her. DaB Ih
|
169
Inen Gleim herzlich Tiebe, iſt und bleibt
e Empfindung, die in meine Seele enges
bt iſt, und nur durch ihre Vernichtung zer⸗
hrt werden fönnte, Dieß Iaffen Ste einss
Hen für ertwag gelten, und haben Sie Mis⸗
den mit Ihrem guten Wieland, der jede
tre Stunde, die ihm zufällt, forgfältig ans
nden muß, einem Engagement mit dem - -
blico genug zu thun, zu welchem ihn mehr -
ne Umftände und häuslichen Pflichten, als
n frener Wille gebracht haben.
CCXXXVI.
An Ebendenfelben
Weimar, den 6. December 1773.
Mein unvergleichlicher, befter, llebſter Gleim!
we Gutherzigfeit, Ihre Geduld mit. mie .
che mir in der That das Herz. Vermuth⸗
h hat “ihnen irgend ein Gott, ein Genius
ferer Sreundfchaft geoffenbart, daß Ich Sie,
‚8 meiner hartnäcigen Stummheit, die bald
re Tochter der Nothmwendigkeit, bald Ders
offenheit und Krankheit war, immer noch
en fo zärtlich Tiebe, als ehmahls, da «8
nen meine Briefe fagten.
166
2) Den Freund Schmidt in Gieß
Ih um Fortfegung feines Ar:
bitten. Sch Hab es fchon vor
Tagen ſelbſt gethban, aber er ;
chriſtlich Zeichen von ſich.
3) Unvergüglich den Herrn Profeffo
in meinem Nahmen anzufprechen
(gegen die Gebühr) auf fich neh
tifche Nachrichten von dem gegen
Zuftande der Philofopbie und den
Erfcheinungen über dem philoſi
Horizont in Deutfchland, in t
ſchmacke ungefähr wie Schmids
Artikel IR, iu den Merkur zu lief
Anfang muͤſſe fogleich gemacht
denn binnen drey Wochen muß
Manufcript nothwendig haben. |
treffliher Here Statthalter wir
Loſſius ſelbſt zu Diefer Arbeit aufı
Ach babe unmöglich Zelt ſelbſt a
jungen Mann gu (chreiben; aber i
mich vielleicht in den nächften
Tagen mündlich gegen Ihn expe
und einsweilen bitte ich Sie m
fprecher zu ſeyn.
| 162,
CCXXXI.
An Johann von Muͤller.
Weimar, den 2. Auguſt. 1773.
Mein Theuerſter, ich habe nur etliche Aus
genblicke Ihren angenehmften Brief zu beants
orten und alfo erwarten Sie nicht mehr,
als was fich in etlichen Augenblicken fagen
läßt. Ihre Freundſchaft iſt mir unendlich
ſchaͤtzbar, aber ich geftehe Ihnen frey, fie Mi
es mir vornehmlich Durch die Hoffnung, daß
Sie von Zeit zu "Zeit einige Stunden ans
menden werden, etwas für den Merkur au
thun. |
Ich habe bey diefem Merkur höhere Abfichs
ten als Sameraliftifhe (und auch dieſe letztern
wenn ich ſie erreiche, will ich dem Publico auf
die edelſte Art nuͤtzlich machen) aber ich kann
nichts ohne die Mitwirkung ſolcher Geiſter,
wie Sie ſind.
Es ſchmerzte mich ſehr, da ich, nach ſo lan⸗
gem Warten, einen leeren Brief von Ihnen
erhielt. Der kleinſte Aufſatz wuͤrde mir die
lebhafteſte Freude gemacht haben. Fragen Sie
mich nicht — was für Aufſaͤtze? Einem Mann
von Genie ſagt man nicht was er thun ſoll.
Wielande Briefe III. V. 11
163
Sindeffen, wenn Sie eben fo wenig Zelt ha
ben, für den Merkur zu arbeiten als ich zum
SHriefefchrelben, fo ergebe ich mich zwar in
mein Schidfal: aber in dieſem Falle bitte ich
Sie, alled was in hrem Gegenden fähig if,
etwas Gutes zu fihreiben, zur Theilnehmung
an meiner Unternehmung, toelche eine Wohl
that für unfere Nation werden könnte, aufs
muntern. Sie haben das was der Merkur
thun follte, vortrefflich Ing Auge gefaßt. Aber
nochmahls, liebfter Freund, beifen Sie mir
vollbringen. Hler zu Lande find viele ho-
mines bonae voluntatis: aber damit alleln if
mir und der Welt nicht gedient.
Was, wie mich dünft, ganz vorzüglich Ihr
Sach wäre, find Dialogen im Geſchmack
des Diderot, die man nicht genug leſen
noch loben kann. Wenn ich’ errathen habe,
fo fegen Sie fi) In dem erfien Augenbild,
da Sie das Säufeln der Gegenwart Ihres
Genius hören, bin, und fchreiben, was e
ihnen eingibt.
Den zweyten Theil bes Merkurs mäflen Sie
nun erhalten haben. Ich wuͤnſchte gu wiſſen,
ob man beffer damit zufrieden ſeyn wird,
als mit dem erfien.
a ü
| 163
Jetzt oecupirt mich der dritte Theil, und ein
Jaar Gingfpiele auf bevorfichende Geburts⸗
age an unferm Hofe, fo ftarf, daß ich ſonſt
u nichts gut bin, Eines von dieſen letztern,
ar unfern jungen Herzog, nennt fi die
Bahl des Herkules (Hercules in bivio)
nd macht einen Fleinen Anfpruch an Ihren
seyfal. Es wird im dritten Theil des Mers
ıv paradiren.
)
CCXXXIT.
An € bendenfelben,
Meimat, den 6. Auguſt. 17730
Mein Theureſter ‚ich habe einen Mann wie
zie vonnöthen, der von Vierteljahr zu Vier⸗
»ljahr kritiſche Nachrichten von dem Merhk—⸗
ͤrdigſten, was ſeit 1773 im Fache der Phis
ofophie in Deutfchland herausgekommen
E und ferner erſcheinen wird, in den Merkur
efre. Aber zum Unglüc bat ein Mann wie
zie mehr zu thun, als einen ordentlichen Deits
rbeiter zum Merfur abzugeben. Ich fage Ih⸗
en nichts von Motiven. Sie fehen fo gut
[8 ich, daß diefer Merkur ein für Die Nation
164
wichtiges Anftitut würde, wenn die befn
Köpfe daran arbeiteten. Und diefer Gedantı
wuͤrkt gewiß bey Ahnen mehr, ald mag id
Ihnen fonft fagen koͤnnte. Es kommt alſo
wohl nur darauf an, ob Sie Zeit haben.
Ich bitte Sie aufs inſtaͤndigſte, mir mit
naͤchſter Poſt Ihre Entfchli.Gung zu melden.
Iſt ſie guͤnſtig, ſo hoffe ich Sle werden noch
zum dritten Bande des Merkur, an welchem
nun gedruckt wird, Ihren erfien Beytrag lie -
fern können. In ſechs Wochen a dato, aber
feinen Tag fpäter, kaͤme folcher noch’ zu rech⸗
ter Zeit, wiewohl ich freylich wuͤnſchte, Ihn
fhon mit Anfang des September zu erhalten.
Merseihen Sie, mein liebenswärdiger Sreund,
meinem Ungeftüm. Es mangelt in Sachſen
nicht an Männern, welche den Artikel den ich
Ahnen fo gerne übertragen möchte, gang leid
lich machen mürden. Aber ich kenne Nieman⸗
den der ibn fo gut machen würde, als Sie
Wollen Sie nicht, oder koͤnnen Sie nicht,
wie Gie wollen, fo muß ich freylich aus be
Noth eine Tugend machen. Reißen Sie mich fo
bald als möglich aus einer Ungewißheit, die
mich verlegen macht.
265
CCXXXIII.
An Meuſel.
Weimar, den 1. September. 1773.
Kuͤnftigen Sonnabend, als den vierten Seps
nber wird unſerm jungen Herzog zu Ehren,
fride, ein neues ſehr ſchoͤnes Trauerfpiel
n Herrn Bertuh, und die Wahl deg
ercules von dem Verfaſſer der Alceſte aufs
führt werden. Ich habe ale Erforderniffe
meinem jegigen Quartier , etliche gute
eunde zu logiren. Alſo, mein liebſter Meus
‚ find Sie und Ihre liche Herzenskoͤnigin
d unfer Springer freundlich von meiner .
au und mir invitirt und eingeladen,. zu
mmen, zu feben, zu hören, und ung bey
efer Gelegenheit duch Ihren freundfihaftlis
en Beſuch glüdlich zu machen. Ja Feine
fchlägige Antwort, mein liebſter Freund!
aß Sie geradenweged vor mein Quartier,
nmeit dee Stabtkicche (wo Sie jedermann
rechte weiſen kann) fahren follen, verficht
h von ſelbſt. Ich umarme Sie von ganzem
zen. Empfehlen Sie mich unferm Sprins
e und fagen ihm, wenn er mich noch ein
enig liebe, fol er Ja nicht zuruͤckbleiben.
166
CCXXXIV. 41
An Ebindenfelben
Weimar, den ı7. September 177%
ihre zu ſchnelle Entfernung von ung kön
nen Sie nur dadurdy gut machen, wenn Gi
deito bälder und auf längere Zeit wieder
kommen.
Ihre Recenſion des Herkules iſt mir ſehr
angenehm, und ich danke Ihnen dafür von
Herzen, ſonderlich fuͤr das Gute das Sie von
Schweizern und den beyden Actricen ge
ſagt haben.
Schuͤtzen werde ich fragen — was ma—
cheſt du?
Die Alceſte des Quinault habe ich wirklich
auf meinem Schreibtiſche liegen; ich brauche
fie noch, und ſtehe Ihnen und Ihrer academi—
ſchen Bibliothek fuͤr die Zuruͤckgabe mit allem
was ich bin und habe.
Kehren Sie ſich an fein Naſeruͤmpfen, und
fahren Sie mit Ihrem Artikel In den Merkur
fort. Man kann nicht allen alles zu Danke
tun. Die Göttinger molen daB man von
ihnen nur mit gebognen Knien, wie von Goͤt⸗
tern fprechen fol; und find alfo unmuthig,
167
daß Sie von. Ihnen als von flerblichen fündis
gen Menfchen gefprochen haben. Die Nach⸗
richt wegen des Winkelmannifchen Werkes
kann im dritten Bande des Merfurs feinen
Platz mehr bekommen; denn fchon find neuns
sehn Bogen vol, Aber: im vierten Bande fol
fie einen Platz erhalten.
CCXXXV.
An Gleim.
Weimar, den 22. October 1773.
Mein lieber Herr Gott ſelbſt kann nicht alle
krumme Hoͤlzer gerade machen, und allen Be⸗
ſchwerden der Menſchenkinder zuvor kommen.
Wie ſollt' ich Erdenwurm es koͤnnen, beſter
Gleim! Niemand leidet nur halb fo viel unter
der bisherigen fchnedenmäßigen und nicht fels
ten unrichtigen Expedition des Merfurs, als
ih. Die Duelle alles Uebels war bisher, daß
der Mercur nicht bier, fondern zu Rudolſtadt
gedruckt wurde — daher eine folche verwünfchte
Menge von verzögernden Umfländen und Zus
fällen, daß mir oft dag Leben darüber zur
Dlage wurde. Bon Anno 1774 an fol der
Merkur bier in Weimar gedruckt werben, ul
168
dann fiehe ih Ahnen und allen Lefern fir
pünftliche. Erfüllung meines gegebenen Worte, |
Es ift meine Schuld nicht, mein verehrungs
wuͤrdiger und innigfigelichter Freund, daß bie
hauptſaͤchlichſten Schriftſteller unferer Nation
nicht in eine Confödsration gegen bie Elenden,
die ung ungeftraft berauben, sufammentreten.
Ah bin zu allem bereit, was der gemeinen
Sache zuträglich if. Allein Coriphaͤus Kann
ich nicht feyn; mein Leben bat ohne dieß Plas
gen genug; dann fehe ich doch auch gang
deutlih, daß die Sache In der Ausführung
Schmierigfeiten hat, die ihre andern warmen
Köpfe für überwindlicher anfebt, ale fie find.
Der Himmel weiß, wie oft ed mich in der
‚Seele fchmerzt, daß ich dem Vergnügen, mic
mit Ihnen und unfern Brüdern Jacobi off
und freundfchaftlic zu unterhalten entfagen
muß. Ich kann Ihnen nicht zumuthen, Daß
Sie immer allein (prechen; und mit gu reden
babe ich bald feine Zeit, bald feine Luft. Denn
Meimar und der deutfche Mercur haben mid
fo (ehr aus meinen Eirfeln herausgefegt , daß
ich Mühe babe mich felbft zu kennen. Geduld,
liebſter Gleim, vicheiche wirb mie mit der
t leichter um Kopf und Her. DaB ich
169
meinen Gleim herzlich liebe, iſt und bleibe
eine Empfindung, die in meine Seele enges
webt ift, und nur durch ihre Vernichtung zers
fiöhre werden könnte, Dieß laſſen Ste einds
weilen für etwas gelten, und haben Sie Miss
leiden mit Ihrem guten Wieland, der jede
heitre Stunde, die ihm zufaͤllt, forgfältig ans
wenden muß, einem Engagement mit dem -
Publica genug zu thun, zu welchem ihn mehr -
feine Umflände und häuslichen Pflichten, ale
fein freyer Wille gebracht haben.
CCXXXVI
An Ebendenfelben.
Meimar, den 6. December 1773.
Mein undergleichlicher, beſter, liebſter Gleim!
Ihre Gutherzigkeit, Ihre Geduld mit mir
bricht mir in der That das Herz. Vermuth⸗
lich hat Ihnen irgend ein Gott, ein Genius
unſerer Freundſchaft geoffenbart, daß ich Sie,
trotz meiner hartnaͤckigen Stummheit, die bald
eine Tochter der Nothwendigkeit, bald Ver⸗
droſſenheit und Krankheit war, immer noch
eben ſo zaͤrtlich liebe, als ehmahls, da es
Ihnen meine Briefe ſagten.
170
D warum Eonnten Ste nicht mit bem Kam
merberrn von Spiegel fommen, und Schwe
zers Alcefte hören, und fih in die fchöm
ruhrende Creatur verlieben, welche fie vorfielt,
Veriprechen Sie mir, daß Sie, fobald ei
guter dichter Schnee liegt, mit Georgen hen
über fommen wollen, ober — ich fiche Ihnen
für nichts. — Aber überrafchen Ste mich nid,
fondern melden Sie mir vorher, wann Gh
fommen, damit ich meine Negotiatlationen |
entamiren kann; denn es iſt leichter, Daß ein
Kameel durch ein Nadelöhr gehe, als zuwege
zu bringen daß Alcefte zu W. gefpielt werde,
wiewohl man fie faft nirgends fpielen Fann.
Am Monat Jenner des deutfchen Mercurs
werden Sie Ihr Fräulein Sunnuemon .
die Kleine finden. Ach war lange Zeit In |
einer dummen Laune; aber fett einigen Wochen
wird es wieder beffer mit mir; da kam Id
von ungefähr dazu und las dag Liedchen mies
der, und fand es allerliebft, und konnte gar
nicht begreifen, wie man ed anders finden
fönnte.
Gerne, gerne möchte ich viel mie Ihnen
plaudern; aber in dieſem Moment babe Ich
fo abfcheulich viel zu thun, daß ich nicht weiß
25
=
a —— =: 2 =”
171
yte ich fertig werben fol. Bald mäls’ ich alle
Hefe mechanifchen Gefchhäfte von mir ab, und
ann wird es wohl wieder beffer geben. Dies
es Jahr durch. habe fch meder für meine
Sreunde, noch für ‚bie Welt, noch fuͤr mich
elbſt exiſtirt.
Behalten Sie mich immer lieb, mein vor⸗
refflichee Freund, und nehmen Sie mit diefer
Imarmung den Schtwur erneuerter eroiger Zärts
ichkeit und Treue von Ihrem Wieland.
P. 8. Was fagen Ste zu dem adfcheulichen
Srevel, den H*** durch feinen Encolp
vider unfre Göttin Kalokagathia und Ihre
Zrazien begangen hat? Hätte der Ungläckliche
sur das vom Petron überfegt, mas ehrliche
teute Iefen können, und hätte dieß defto beffer
jemacht und polirt, fo hätte er ein gufes
Werk gethan! Aber nun, — und feine unauss
tehlichen Noten! — feine öffentlich profiticte
Aſotie! — Der Elende! Wo it er? Iſt er
virklich nach Italien gegangen, den vaticani⸗
ſchen Apollo mit profanen Augen zu verun⸗
reinigen? |
178
CCXXXVII
An Ebendenfelden
Ki
Y
!
Weimar, den 22. December 177 |!
Verzeihen Sie mir, mein beſter Gleim, baf
ich mir Ihre WVermittelung ausbitte, um dem
Herrn H* * * die beyliegenden Stangen wis
der zurückzugeben.
Es ift viel fchöne Poeſie in dieſen Stange;
der Menfch hat eine glüuhende Phantafie, er
ſchreibt aus ber Fülle einer aͤußerſt erbißten
Sinnlichkeit; daher find feine Gemälde Eräftig
und warm bis zum Brennen — aber, auf
blos als Dichter betrachtet, ift fein Gefchmad
noch fehr ungeläutert, feine Imagination üppig,
fein Geift mild und augfchweifend. Er mag
fi) wohl einbilden, ein erftaunliches Genie zu
feyn; aber, quid dulci voveat nutricula majus
alumno quam sapere? — Der Mann bat
den GSofrates immer im Munde, unb dent
und fchreibt, wie nur ein Menfch fchreiben
fann, in welchem die Wuth ber auggelaffens
ſten Gellheit alles fitkliche Gefühl erſtickt hat,
Denn was für Hoffnung fol ich mir von
einem Menfchen machen, der mit Schwärmes
rey von Sofratifcher Philoſophie und
173
on Grazlen fpricht, und fählg mar den
Jetron fo zu überfegen, und eine foldhe
3orrede und folche Noten dazu zu machen, Ä
ie er gethan hat? |
Menn H*** um folde Unfläfereyen zu
echtfertigen, fi) auf meine fomifchen Erzahs
ungen beruft, fo muß er gar Fein Digcernes
nent haben, und fo iſt es au.
Don Helvetius, nicht vom. Sofrated, hat
ee Unglückliche gelernt, daß das moralifche
Schöne nur eine Schimäre fey. Ich kann
ihnen nicht ausdruͤcken, wie ſehr mir efelt,
Yiefen Satyr von Grazien reden zu bören,
hu, der nicht weiß, nicht fühlt, daß die -
Reufchhelt eine Grazie ift. | |
Yus feinem Briefe, den ich beylege, werden
Sie ſehen, daß er mich zum Narren hat, und
ich einbildet ich werde mich beſtechen laſſen,
venn er mich feinen alten Sokrates und Ober⸗
riefter der Grazien nennt, von meinem trans
cendentalen Genie fchwagt und Dergleis
hin. Ich Eenne ihn beffer; aber ich bin es
att, Briefe In diefem Ton von einem Mens
chen zu .befommen, dee mir durch fein Lob
mebe Sort thut, als andre mir ‚durch die
ſchaͤndlichſten Epigeammen fhaden können, Er
174
verlangt, ich foll mich feiner annehmen, hi]!
ihn zum Hofmeifter irgendwo empfehlen! 4 ||
bitte Sie um des Himmels willen, mit wii‘
cher Stirne Eönnte Ich den-Berfafler des En
folp zu einem Mentor empfehlen? Ein. felm
Hofmeifter!
Indeſſen jammre ich ſelbſt über ihn, un
geftebe gern, daß e8 Schade um fein Gel
il. Was für ein Dichter hätte der Menfdı
ohne den verdammten Tentigo werben koͤnnen!
Glauben Sie indeffen, meln Theurer, dei
noch eine Möglichkeit fey, ihn zu retten, fe
melden Sie e8 mir; aber wenn ich mein
Dhren nicht vor allem was er mir fagen kam,
verfiopfen fol, fo bringen Gle Ihn zuvor da
bin, daß er heilig angelobe, Feine Zeile mehr
zu. fchreiben, die nicht vor Bellalen geleſen
werden duͤrfte. Lehren Sie ihn die morallſche
Schoͤnheitslinie kennen; lehren Sie ihn, daß
die Myſterien der Natur und Liebe nicht auf⸗
gedeckt werden muͤſſen. Aber wozu ſag' ich
Ihnen dieß? Ich bin uͤberzeugt, daß H***
auf der einen Seite ein viel zu heteroklites
Genie, und auf der andern zu ſehr verdorben
ift, um fi) jemahls zu beffern.!
. In eine Keitit über feine Stangen werd’ Id
; 175
ch nie einlaffen, da ich gewiß bin, daß er
ı feinem Herzen ung alle als fleine Geifter
nfiebt, und fich erflaunlich viel auf fein
‚euer, und fein muftcalifhes Ohr zu
ut thut, wiewohl ih ihm fehr gute Gründe
eben konnte, daß man zu viel Feuer haben _
ann, und daß feine Stangen mit dem ewigen
Ibfchnite nach der vierten Sylbe, für jedeg
‚andre Ohr als ſeines, In die Länge eine höchft
emüdende Monotonie haben müflen. Doc
enug, und fchon zu viel von diefem Mutos
ziato. Ueberlaffen wir ihn feinem Schickſal.
Fin Autor, der wie ein Pavian feine einzige
Freude daran findet, obfcöne Pofluren und
Srimaffen gegen feine Lefer zu machen, iſt
ein Menfch, mit dem ehrliche Leute fich In
Societat einlaffen können. Ich überlaffe es
Ihnen, mein geliebtefter Gleim, ob Sie ihm
zieſen Brief leſen laffen wollen. Ich finde
tein Bedenken dabey.
Ihr kleines Gedichtchen, petrarch und Laura,
meinGleim, iſt ein goͤttliches kleines Gedicht,
Sie erlauben doch, daß ich es im Erſten Stuͤck
dee Neuen Merkurs 1774 neben unſers J.
neuen Pigmalion fielle? Sch bin, big ich nicht
mehr athme, Ihe ganz eigner W. u
166
CCXXXIV.
An Ebendenſelben.
Meimar, den ı7. September 177%
Ihre zu ſchnelle Entfernung von ung Fön |
nen Sie nur dadurd) gut machen, wenn Sie
deito bälder und auf längere Zeit wieder
kommen.
Ihre Recenſion des Herkules iſt mir ſehr
angenehm, und ich danke Ihnen dafuͤr von
Herzen, ſonderlich fuͤr das Gute das Sie von
Schweizern und Den beyden Actricen ges
ſagt haben.
Schuͤtzen werde ich fragen — was ma—
cheſt du?
Die Alceſte des Quinault habe ich wirklich
auf meinem Schreibtiſche liegen; ich brauche
fie noch, und ſtehe Ihnen und Ihrer academis
ſchen Bibliothek für die Zurüchgabe mit allem
was ich bin und habe.
Kehren Sie fih an Fein Naferämpfen, und
fahren Sie mit ihrem Artikel in den Merkur
fort. Man faun nicht allen alles zu danke
thun. Die Göttinger molen daB man von
ihnen nur mit gebognen Knien, wie von Goͤt⸗
teen ſprechen fol; und find alfo unmuthig,
| 167
' Sie von. Ihnen als von fierblichen ſuͤndi⸗
Menfchen gefprochen haben. Die Nach⸗
t wegen des Winkelmanniſchen Werkes
n im dritten Bande des Merkurs feinen
8 mehr bekommen; denn fchon find neuns
ı Bogen vol. Aber: im vierten Bande fol
einen Platz erhalten.
*
CCXXXV.
An Gleim.
Weimar, den 22. October 1773.
Drein Lieber Herr Gott ſelbſt Fann: nicht alle
mme Hölzer gerade machen, und allen Des
werden der Menschenfinder zuvor fommen,
ie folle ich Erdenwurm es können, beſter
eim! Niemand leidet nur halb fo viel unter
: bisherigen ſchneckenmaͤßigen und nicht fels
ı unrichtigen Expedition des Merfurs, als
. Die Duelle alles Uebels war bisher, daß
° Mercur nicht bier, fondern zu Rudolſtadt
zruckt wurde — Daher eine folche verwünfchte
enge von verzögernden Umfländen und Zus
Ilen, daß mir oft dag Leben daruber zur
age wurde, Won Anno 1774 an fol
erkur bier In Weimar gedruckt werben,
168
dann ſtehe ich Ihnen und allen Lerern fi
pünftlicye. Erfüllung meines gegebenen Worte,
Es ift meine Schuld nicht, mein verehrungs
wuͤrdiger und innigfigellebter Freund, daß di
hauptſaͤchlichſten Schriftftellee unferee Nation
nicht in eine Confoͤderation gegen bie Elenden,
Die ung ungeftraft berauben, zuſammentreten.
Ich bin zu allem bereit, was der gemeinen
Sache zuträglih if. Allein Coriphaͤus kann
ich nicht ſeyn; mein Leben bat ohne dieß Plas
gen genug; Dann fehe Ich doch auch gan
deutlih, daß die Sache in der Ausführung
Schmierigfeiten hat, die ihe andern warmen
Köpfe für überwindlicher anfeht, als fie find.
Der Himmel weiß, wie oft e8 mich In ber
Seele fchmerzt, daß Ich dem Vergnügen, mid
mie Ihnen und unfern Brüdern Jacobi oft
und freundfihaftli zu unterhalten entfagen
muß. Ich kann ihnen nicht zumuthen, daß
Gie immer allein fprechen; und mit gu reden
babe ich bald feine Zeit, bald keine Lufl. Denn
Meimar und der deutfche Mercur haben mich
fo fehr aus meinen Eirkeln herausgeſetzt, daß
ich Mühe babe mich felbft zu Fennen. Geduld,
liebitir Gleim, vieleicht wird mir mit ber
Zeit leichter um Kopf und Her, Daß Id
!
169
meinen Gleim herzlich Tiebe, iſt und bleibe
eine Empfindung, die in meine Seele enges
webt ift, und nur durch ihre Vernichtung zer⸗
ſtoͤhrt werden könnte. Dieß laffen Sie eins⸗
weilen für etwas gelten, und haben Sie Mis⸗
leiden mit Ihrem guten Wieland, der jede
heitre Stunde, die ihm zufaͤllt, forgfältig ans
menden muß, einem Engagement mit dem -
Publico genug zu thun, zu welchem ihn mehr -
feine Umftände und häuslichen Pflichten, als
fein freyer Wille gebracht haben.
CCXXXVI
An Ebenbdbenfelben.
Weimar, den 6. December 1773.
Mein unvergleichlicher,, befter, liebſter Gleim!
Ihre Gutherzigkeit, Ihre Geduld mit mie _”
bricht mic in der That das Herz. Vermuth⸗
lich hat Ihnen irgend ein Gott, ein Genius
unſerer Freundſchaft geoffenbart, daß ich Sie,
trotz meiner hartnaͤckigen Stummheit, die bald
eine Tochter der Nothwendigkeit, bald Ders
Droffenheit und Krankheit war, immer noch
eben fo zärtlich liebe, als ehmahls, da es
Ihnen meine Briefe fagten.
\
170
— —
O warum konnten Sie nicht mit dem Kam
merherrn von Spiegel fommen, und Schwei
zers Alcefte hören, und fich in die fchöm |
ruhrende Ereatur verlieben, welche fie vorſtellt. |
Verfprechen Sie mir, daß Sie, fobald eln
guter dichter Schnee llegt, mit Georgen hei
über fommen wollen, oder — ich ſtehe Ihnen
für nichts. — Aber äberrafchen Sie mich nid,
fondern melden Sie mir vorher, wann SH
fommen, damit ich meine Negotiatlatlonen
entamiren kann; denn e8 iſt leichter, Daß ein
Kameel durch ein Nadelöhr gehe, als zumege
zu bringen daß Alceſte zu W. gefpielt werde,
wiewohl man fie faft nirgends fpielen Eann.
Am Monat Jenner des deutfchen Mercurs
werden Sie Ahr Fräulein Sunnemon
die Kleine finden. ch war lange Zeit in
einer dummen Laune; aber feit einigen Wochen
wird es wieder beffer mit mir; da kam Id)
von ungefähr dazu und lag das Liedchen mies
der, und fand eg allerliebft, und Fonnte gar
nicht begreifen, wie man ed anders finden
fönnte.
Gerne, gerne möchte ich viel mit Ihnen
plaudern; aber in diefem Moment babe id
fo abſcheulich viel zu hun, daß ich nicht weiß
I yı
'e ich fertig werben fol. Bald waͤlz' ich alle
efe mechanifhen Geſchaͤfte von mir ab, und
nn wird c8 wohl wieder beffer gehen. Dies
3 Sahr durch. habe ich weder für meine
-eunde, noch für die Welt, noch fuͤr mich
(bft exiſtirt. |
Behalten Sie mich immer lieb, mein vors
efflicher Freund, und nehmen Sie mit diefer
narmung den Schwur erneuerter ewiger Zärts
hfeit und Treue von Ihrem Wieland.
P. 8. Was ſagen Sie zu dem abſcheulichen
evel, den H*** Durch feinen Encolp
der unfre Göttin Kalofagathia und Ihre
razien begangen bat? Hätte der Ungluͤckliche
ur das vom Petron überfegt, was ehrliche
ute Iefen können, und hätte dieß defto beffer
macht und polirt, fo hätte er ein gufes
erk gethan! Aber nun, — und feine unauss
hlihen Noten! — feine öffentlich profitirte
fotle! — Der Elende! Wo ift er? Iſt er
rklich nach Stalien gegangen, den vaflcanis
yen Apollo mit profanen Augen zu beruns
inigen ?
178
CCXXXVII.
An Ebendenſelben.
Weimar, ben 22. December 177%
Verzeihen Sie mir, mein befter Gleim, daß
ich mir Ihre Vermittelung ausbitte, um bem
Herrn H* * * die beyliegenden Stangen wie
der zurückzugeben.
Es iſt viel fchöne Poefie in dieſen Stangen;
der Menfch hat eine glühende Phantafie, er
fchreibt aus der Fülle einer aͤußerſt erbigten
Einnlichfeit; daher find feine Gemälde Eräftig
und warm bis zum Brennen — aber, auf
blos als Dichter befrachter, IE fein Geſchmack
noch fehr ungeläutert, feine Imagination üppig,
fein Geiſt mild und ausſchweifend. Er mag
ſich wohl einbilden, ein erfiaunliches Genie zu
feyn; aber, quid dulci voveat nutricula majus
alumno quam sapere? — Der Mann bat
den GSofrates immer im Munde, und benft
und fchreibt, wie nur ein Menfch fchreiben
fann, in welchem die Wuth der auggelaffens
ſten Geilheit alles fiteliche Gefühl erſtickt hat.
Denn was fur Hoffnung fol ich mir von
einem Menfchen machen, der mit Schwärme
von Sokratiſcher Philoſophie und
173
son Grazien fpricht, und fählg war den
Petron fo zu überfegen, und eine ſolche
Vorrede und folche Noten dazu zu machen,
wie er gethan hat?
Wenn H** * um folche Unflaͤtereyen zu
rechtfertigen, fich auf meine Eomifchen Ersahs
lungen beruft, fo muß er gar Fein Discernes
ment haben, und fo iſt ed au.
Von Helvetius, nicht vom. Sofrated, hat _
der Unglückliche gelernt, daß das moralifche
Schöne nur eine Schimäre fey. Ich kann
Ihnen nicht ausdrüden, wie ſehr mir ekelt,
Diefen Satyr von Grazien reden zu bören,
ihn, der nicht weiß, nicht fühlt, daß die
Keufchhelt eine Grazie ift. ,
- Aug feinem Briefe, den ich beylege, werben
Sie fehen, daß er mich zum Narren bat, und
ſich einbildet ich werde mich beſtechen laſſen,
wenn er mic) feinen alten Sofrates und Ober⸗
priefter der Grazien nennt, von meinem trans
feendentalen Genie fchwagt und dergleis
chin. Ich kenne ihn beſſer; aber ich bin es
fatt, Briefe In diefem Ton von einem Mens
fchen zu . befommen, der mie durch fein Lob
mehr Tort thut, als andre mir durch bie
ſchaͤndlichſten Eplgrammen ſchaden koͤnnen. Cr
174
verlangt, ich foll mich feiner annehmen, fol
ihn zum Hofmeifier irgendwo empfehlen! Jh
bitte Sie um des Himmeld willen, mit weh
cher Stirne Eünnte ich den Verfaſſer des Ew
Eolp zu einem Mentor empfehlen? Ein. feine
Hofmeifter!
Indeſſen jammre ich felbf über ihn, und
geftebe gern, daß e8 Schade um fein Genie
if. Was für ein Dichter hätte der Menſch,
ohne den verdammten Tentigo werden fünnen!
Glauben Sie indeffen, mein Theurer, ba
noch eine Möglichkeit fey, ihn zu retten, To
melden Ste e8 mir; aber wenn ich mein
Dhren nicht vor allem wag er mir fagen fann,
verfiopfen fol, fo bringen Sie Ihn zuvor das
bin, daß er heilig angelobe, feine Zeile mehr
zu’ fchreiben, die nicht vor Veſtalen gelefen
werden dürfte, Lehren Sie ihn die morallſche
Schönheltslinie kennen; lehren Sie ihn, daß
die Myſterien der Natur und Liebe nicht aufs
gedeckt werden müffen. Aber wozu ſag' Id
Ahnen dieß? Ich bin überzeugt, Daß H***
auf der einen Seite ein viel gu heteroklites
Genie, und auf der andern zu ſehr verborben
ift, um fich jemahls zu beffern.
In eine Kritif über feine Stangen werd’ ich
; | 175
mich nie einlaffen, da ich gewiß bin, daß er
In feinem Herzen ung ale als fleine. Geifter
anſieht, und ſich erflaunlich viel auf fein
Feuer, und fein. muftcalifhes Ohr zu
gut thut, wiewohl ich ihm fehr gute Gründe _
geben Eönnte, daß man zu viel Feuer haben _
fann, und daß feine Stangen mit dem ewigen
Abſchnitt nach der vierten Sylbe, für jedes
andre Ohr als ſeines, In die Länge eine höchft
eemüdende Monotonie haben muͤſſen. Doc
genug, und fchon zu viel von diefem Mutos
niato. Ueberlaffen wir ihn feinem Schickſal.
Ein Autor, der wie ein Pavlan feine einzige
Freude daran findet, obſcoͤne Pofturen und
Srimaffen gegen feine Lefer zu machen, iſt
fein Menfch, mit dem ehrliche Leute fich In
Societaͤt einlaffen können. Ich überlaffe es
Ihnen, mein geliebtefter Gleim, ob Sie ihm
diefen Brief leſen laffen wollen. Sch finde
fein Bedenken dabey.
Ihr kleines Gedichtchen, Petrarch und Laura,
mein’ Sleim iſt ein "göttliches kleines Gedicht.
Sie erlauben doch, daß ich es im Erſten Stuͤck
des Neuen Merkurs 1774 neben unſers J.
neuen Pigmalion fiele? Ich bin, big ich nicht
mehr athme, Ihr ganz eigner W. u
176
CCXXXVIII. |
Un Ebendenfelben. .
Weimar, den 9. Januar. 177%
Zugleich mit Ihrem — erlauben Sie mit
e8 Ahnen zu fagen, fehr harten Briefe vom
zweyten Januar, erhalte ich beyliegende Epb
ftel von Ihrem H***, die in einem Ton ge
ſchrieben ift, der, wenn ernicht beleidigen
follte, feinen Zweck fehr verfehle hat. Ich
begreife nichts von dem, was Merr ger
von mir will, Man kann doch wohl Niemand
zur Liebe zwingen. Wenn thn fein Gebächts
niß nicht ganz verlaffen bat, fo muß er: fih
erinnzen, daß ih, auch In Erfurt, von fels
nem Herzen nie günflig Dachte. Meine
Schuld war dieß nicht; denn ich banbelte
demungeachtet fo gegen Ihn, als wie eine,
der ihn lieben zu können wänfcht, und den
es ſchmerzt, daß er fih wider Willen
zu ruͤckgeſtoßen fühle. Die Thaten, welche
Herr H*** inzwiſchen getban bat, konnten
mich unmöglich beffer von ihm denken machen.
Auch der Ton feiner Briefe empört immerfort
mein Herz. Sch kann nichts dazu, Daß- ich
"ten Ton und überhaupt den Son be
.
177
Schwaͤrmerey je länger je weniger ausftehen
kann. Ich baffe und verfolge deswegen Nies
mand; aber wenn ich fürderhin mein Herz
und meine Ohren vor allen fchwärmerifchen
Selftern verftopfe, fo bat wohl ſchwerlich ein
Sterblicher mehr Urfache dazu gehabt, ale ich.
Vermuthlich war e8 eine Folge des widrigen⸗
Eindrucks, den die Sprache des Enthuſiasmus
in Briefen auf mich macht, daß ich, Außerft
hoquirt durch den muthmwilligen Ton der Reue
des Herrn H”** und durch den Contraſt
zwiſchen diefee Reue, falls ich fie für Ernſt
halten ſollte, mit dem Gemälde, das er gleich
m Anfang feines Gedichts aufftelt, mir den
Bedanfen, daß er meiner nur fpotten
wolle, nicht aus dem Kopfe friegen konnte.
Ich kann ihnen den Unmuth meiner Seele
über diefen Gedanken nicht fo ſtark fchildern,
als er mar; und wozu haͤlf' es auh? Meln
leßter Brief an Sie fchildere ihn flarf genug.
Hab’ ih Ihrem H**” gleichwohl, bey fo
oielem Anſchein twider ihn, Unrecht gethan,
fo geſchah es wider meinen Willen. Homines
sumus. ft er alled das, was Sie von ibm
glauben und fehreiben, defto beffer! Sp vers
Wielands Briefe III. - 0: 12.
179
rt surücdgeführt, und mich wegen
figer Vorfälle zur Rede geſtellt ꝛc.
d dann rufen Gie aus:
„Gott, daß deine befien Menfchen In
- ſoolche Tiefen niederfallen und finfen!“
Gleim, wenn Sie der rechtfhaffne Mann
d, für den jeder Blutstropfen in meinen
ern Sie bisher gehalten bat, wenn Sie je
in Freund gemefen find, fo Iaffen Sie
*5 * Diefen Brief noch einmahl fchreiben.
h darf mich nach Erfurt zurückführen laſſen!
d ich will wiffen, was für Vorfälle das
d, wegen welcher Here H. mich zur
ede ftellt.
Sie hatten mir nichts fagen ſollen, oder
es. Nun haben Sie zu viel geſagt, um
cht Alles zu ſagen. Ich erwarte es von
zrer Freundſchaft, von Ihrer Gerechtigkeit.
Und nachdem Sie mir geftanden haben, dag
*“* in feiner Wuth meinen Charafter, mein
ben angegeifert hat, fünnen Sie mir gleich,
ohl noch von ihm ale von der unſchuldigſten
id reinften Seele fprechen ? Liebſter, befter
leim, was foR ich denken, was fol Ich fas
n? Ich bitte Sie, laffen Sie es Licht zwi⸗
hen ung werden! Ich darf fo fiart beleuch⸗
181
folp — nun leſen Ste an meinem
age, feinen vorlegten aͤußerſt petulanten
ef an mich, an felnen vorgeblichen Sofras
‚ und dann feine Stangen, und dann
en Sie, ob e8 mir möglich feyn konnte,
er von Ihm zu denken, als ich. dachte, da
Ihnen jüngft fchrieb? Fuͤhlt er, daß ich
ı Unrecht gethban babe, fo entfchuldige er
. Uber berechtigt ihn dieß zu einem infos .
‚ten, troßigen Ton gegen mich? SHE
3 alles, was ih um die Welt und um
felbit verdient habe ?
Benn Sie allem diefem nachdenken, und
noch finden fönnen, daß ich von dem erfien
ı beften jungen Menfchen, der feinen uns
ränzten Eigendünfel, durch die Wahrheit,
ih ihm, vielleicht ein wenig zu bitter —
e der Himmel weiß ob nicht in gerechter
terkeit! — gefagt habe, beleidiget findet,
unanfländig und unmwürdig behandelt zu
den verdient, nun, fo will Ich geſtehn,
ih allen Begriff von Anfländigfeit und
ht verloren habe, und die Ausrufung:
mer, armer Wieland,“ In Ihrem
efe in vollerem Maße verdiene, .ald vers
thlich Ihre Meinung war.
183
febe! Warum, beſter Gleim, iſt ed unmöglich,
mir wenigſtens unmöglih, das Leben, das
der Menfchenfreund, der Freund der Mufen,
uns anbeut, den Vorgefchmad von Elyfium,
aus feiner Hand anzunehmen? Warum kann
ich nicht mit meinem Gleim nach Kupferberg
ziehen? Sie wiſſen, mein Befter, was mid)
an Weimar feffele; ein junger Fuͤrſt, der
nein Freund ift, der cin DBedurfniß fühle,
einen Freund, wie ich, zu haben, den ich
nicht verlaffen fann, und der, ju feinem
Slücde, nur ein Feiner Fürft iſt, aber, für
das Gluck der Menfchen, ein großer Monarch
ſeyn follte. — Doch auch ohne dieß, wiſſen
Ste noch ein Hinderniß; eine zahlreiche as
milie, die fih noch In diefem Jahre vermehs
en wird; unersogne: Kinder ıc. Aber Ahnen,
nein theurer Gleim, mwünfchte ich eine folche
Retraite! Und was wollte ich nicht thun, wenn
8 in meiner Macht fünde, die Hinderniffe
u beben, die Ihrer Freyheit, ihrer Ruhe Im
Wege fliehen. 2
ein junger Herzog, der, wie Sie willen,
och ungefähr achtzehn Monathe unter Vor—⸗
nundfchaft fiehen wird, kann jegt noch nichts
hun, und die gange dermahlige Lage der
185
»Verzweifeln Sie nicht ganz an der Menfchz
3 heit, mein beftee Gleim. Schwach find wir
Ale; Dumm und überflug, welches am
Ende auf Eins hinausläuft, find. nur allzus
viele; aber die Boshaften machen wahrlich
die kleinſte Zahl aus. Das Herz des Mannes,
"der Ihnen fo ſchreiben konnte, wie Schlab⸗
berndorf, kann kein Betrüger ſeyn. Laſſen
Sie ſich umarmen, und an 'ein Herz druͤcken,
das Ihres Vertrauens gewiß nicht unwerth
iſt. Schreiben Sie mir ſo bald wieder, als
Sie koͤnnen.
CCXL. |
An Ebendenfelben.
Weimar , den 14. Meta 1774
Mag fol ich Ionen bon Ihrem cothen
gelefen, oder vielmehr verfihlungen - id hab’
es empfunden, verflanden, bis auf den klein⸗
fien Zug ind Auge gefaßt — es ift in allen
Betrachtungen ein außerordentliches Phanos -
menon. — Wird die Welt, in der wir leben,
diefe hohe Einfalt, diefe wahre Sprache des
Anfchaueng, fühlen = verfichen? — Ich hoff’
176
‚CCXXXVIIT.
Un Ebendenfelben.
Weimar, den 9. Januar. 1774
Zugleich mit Ihrem — erlauben Sie mi,
e8 Ihnen zu fagen, fehr harten Briefe vom
zweyten Januar, erbalte ich beyliegende Eph
ftel von Ihrem H***, die in einem Ton ge—⸗
fchrieben ift, der, wenn ernicht beleidigen
foLllte, feinen Zweck ſehr verfehlte bat. Ich
begrelfe nichts von dem, was Herr H***
von mie will. Man Fann doch wohl Niemand
zur Liebe zwingen. Wenn ihn fein Gedächts
niß nicht ganz verlaffen bat, fo muß er fih
erinnern, daß ich, auch in Erfurt, von fels
nem Herzen nie günftig dachte. Meine
Schuld war dieß nicht; denn ich handelte
demungeachtet fo gegen Ihn, als wie einer,
ber ihn lieben zu können wuͤnſcht, und ben
e8 ſchmerzt, daß er fihb wider Willen
zu ruͤckgeſtoßen fühlt. Die Thaten, welche
Herr H*** inzwiſchen gethan bat, Fonnten
mich unmöglich beffer von ihm denken machen.
Yuch der Ton feiner Briefe empört Immerfort
mein Herz. Sch kann nichts dazu, Daß- Ich
Diefen Ton und überhaupt Den Ton bee
—
177
Schwaͤrmerey je länger je weniger ausſtehen
ann. Ich baffe und verfolge deswegen Nies
nand; aber wenn ich fürderhin mein Herz
ınd meine Dhren vor allen ſchwaͤrmeriſchen
Seiftern verftopfe, fo bat wohl ſchwerlich ein
Sterblichee mehr Urfache dazu gehabt, ale ich.
Bermuthlich war e8 eine Folge des widrigen⸗
Eindrudg, den die Sprache des Enthuſiasmus
n Briefen auf mic) macht, daß ich, aͤußerſt
hoquirt Durch den muthmwilligen Ton der Neue
es Herrn H**” und durch den Contraſt
mifchen diefee Neue, falls ich fie für Ernſt
yalten follte, mit dem Gemalde, das er gleich
u Anfang feines Gedichtd auffielt, mir den
Sedanfen, Daß er meiner nur fpotten
volle, nicht aus dem Kopfe Friegen konnte.
ch kann Ihnen den Unmuth meiner GScele
ıber diefen Gedanken nicht ſo ſtark ſchildern,
ils er war; und wozu haͤlf' es auch? Mein
etzter Brief an Sie ſchildert ihn ſtark genug.
Hab’ ich Ihrem H*** gleichwohl, bey fo
yielem Anfchein wider ihn, Unrecht gethan,
ſo gefchah e8 wider meinen. Willen. Homines
sumus. Iſt er alle dag, was Sie von ihm
zlauben und fehreiben, deſto befier! So vers
Wielands Briefe III. - 12 -.
179
furt guräcgeführe, und mich wegen
Dafiger Vorfälle zur Rede geftelle ıc.
Und dann rufen Gie aug:
„Gott, daß deine beften Menfchen in
- ſoolche Tiefen niederfallen und finfen!“
Gleim, wenn Sie der rechtfhaffne Mann
find, für den jeder Blutstropfen in meinen
Adern Sie bisher gehalten hat, wenn Sie je
mein Sreund geweſen find, fo laffen Sie
Hr** dieſen Brief noch einmahl fehreiben,
Ich darf mic) nad) Erfurt zurückführen laſſen!
und ich will wiffen, was für Vorfälle das
find, wegen welcher Herr 2. mich zur
Rede ftellt.
Sie hatten mie nichts fagen ſollen, oder
alles. Nun haben Sie zu viel geſagt, um
nicht Alles zu ſagen. Ich erwarte es von
Ihrer Freundſchaft, von Ihrer Gerechtigkeit.
Und nachdem Sie mir geſtanden haben, daß
H ** in feiner Wuth meinen Charafter, mein
Leben angegeifert hat, können Sie mir gleiche
mohl noch von ihm als von der unſchuldigſten
und reinften Geele fprechen ? Liebſter, befter
Gleim, was ſoll ich denken, was fol ich fas
gen? Ich bitte Sie, laffen Sie es Licht wis
ſchen ung werden! Ich darf fo flark beleuch⸗
181
Enkolp — nun leſen Ste an meinem
Plage, feinen vorlegten äußerft petulanten:
Brief an mich, an feinen vorgeblichen Sofras
te8, und dann feine Stangen, und dann
fagen Sie, ob es mir möglich feyn konnte,
befier von ihm zu denfen, ale Ich. dachte, da
ſch Ihnen jängft fchrieb ? Fuͤhlt er, daß ich
ihm Unrecht gethan habe, fo entfchuldige er
ſich. Aber berechtigt ihn dieß zu einem infos .
lenten, trogigen Ton gegen mih? Iſt
dieß alles, was ich um die Welt und um
ihn felbft verdient babe?
Wenn Gie allem diefem nachdenken, und
dennoch finden fünnen, daß ich von dem erſten
dem beften jungen Menfchen, ber feinen uns
begränzten Eigendänfel, durch die Wahrheit,
die ich ihm, vielleicht ein wenig ‘zu bitter —
‚aber der Himmel weiß ob- nicht in gerechter
Bitterkeit! — gefagt habe,. beleidiget findet,
fo unanftändig und unmwürdig behandelt zu
werden verdient, nun, fo will Ich geſtehn,
daß ich allen Begriff von Anflandigfeit und
echt verloren babe, und die Ausrufung:
„armer, armer Wieland,“ in Ihrem
Briefe In volerem Maße verdiene, als vers
muthlich Ihre Meinung war.
182
Sch bitte Sie fehr, liebſter Sleim, mein |!
Herz nicht durch eine rafche Antwort abım 1
mahl zu zerreißen. Diesmahl, mein Bee
fordre ich nur Berechtigfeit von Ihnen;
und um diefe zu handhaben, muß man bey
kuͤhlem Blute feyn.
Wenn in dieſen Blaͤttern ein beleidigendes
Wort iſt, fo deſavouirt es meine ganze Seele
Ich liebe und ehre Sie noch immer mie eher
den, und ohne einen Schatten von Zweifel
erwart’ ich von der Rechtſchaffenhelt meines
Gleims Gerechtigkeit gegen feinen W.
CCXXXIX.
An Ebendenſelben.
Weimar, den 14. Februar 1774
Mein vortrefflicher Freund — Was fuͤr ein
göttlicher Mann ift Ihr Schlabberndorf? Seh
ten in meinem ganzen Leben bin ich fo gerührt
geweſen, ale vou der Stelle, die Sie mir aus
feinem Briefe abgefchrieben haben. Der edle
Mann! Wie freut e8 mich, daß ich Doch end⸗
lic; einmahl den Beſitzer eines guten, mwohls
thätigen, großen Herzens, auch mit dem Bers
mögen groß und fchon zu handeln, begabt
183
ehe! Warum, beſter Gleim, iſt es unmöglich,
mir wenigſtens unmoͤglich, das Leben, das
der Menſchenfreund, der Freund der Muſen,
ans anbeut, den Vorgeſchmack von Elyſium,
aus feiner Hand anzunehmen? Warum kann
ich nicht mit meinem Gleim nach Kupferberg
lehen? Sie wiſſen, mein Beſter, was mich
in Weimar feſſelt; ein junger Fuͤrſt, der
nein Freund iſt, dee cin Beduͤrfniß fühle,
inen Freund, wie ich, zu haben, den ich
richt verlaffen fann, und der, zu feinem
Bluͤcke, nur ein Fleiner Fürft iſt, aber, für
a8 Glück der Menfchen, ein großer Monarch
eyn ſollte. — Doch auch ohne dieß, wiſſen
Sie noch ein Hinderniß; eine zahlreiche Fas
nilie, die fich noch in dieſem Fahre vermehs
en wird; unerzogne: Kinder ıc. Aber Ahnen,
nein tbeurer Gleim, münfchte ich ‚eine folche
Retraite! Und was wollte ich nicht tdun., wenn
8 in meiner Macht ftunde, die Hinderniffe
u beben, die Ihrer Freyheit, Ihrer Ruhe im
Bege fliehen.
Mein junger Herzog, der, wie Sie wiſſen,
och ungefähre achtzehn Monathe unter Vor⸗
aundfchaft eben wird, kann jetzt noch nichts
hun, und die ganze dermahlige Lage ber
184
Eachen geftattet nicht, denen, welche an feint
Statt fchalten und malten, einen Antrag ver '
Diefer Art zu machen. Wie dieß zugeht, und |
marum ee fo Ik — begehre nicht zu
wiffen, Sreund, der Eumeniden Hand
fhließe meinen Mund!
Db ein Verſuch zu Maynz zu machen fi,
foll mid) unſer Dahlberg belehren. Was er
thun kann, wird er gewiß thun. Sciden
Sie mir, fobald es ſeyn kann, das Ver—
zeichniß *).
Aber der Gedanke, daß Sie ſich von Ihrem
Muſeum trennen ſollen — und aus welcher
Veranlaſſung! — Die Bosheit der Menſchen,
über die Sie klagen. — Es muͤſſen in ber
That Ungeheuer feyn, die meinen Gleim vors
föglih zu mißhandeln fahig find! — Die
tiefe beynah Timonifche Mifantbropie, in
die ich Sie zu verfinfen bereit fehe — o mein
Freund, tie fehr beklemmt mich alles bieß!
Ich Unglücfeliger, warum muß ich Sie leis
den fehn, und Ihnen nicht helfen, nicht mes
nigfteng zu Ahnen fliegen können, ben Bals
fam der Liebe in Ihr Eranfes Herz gu gießen!
*) Gleim wolle, Dom : Eapitularifher Zwiſte wegen,
Halberftadt verlaffen, und feine Bibliothek verkaufen.
185
Verzweifeln Sie nicht ganz an. der Menfchz
heit, mein befter Gleim. Schwach find wir
Alle; dumm und uͤberklug, welches am
Ende auf Eins hinauslaͤuft, find nur alzus
viele; aber die Boshaften machen wahrlid)
die Hleinfte Zahl aus. Das Herz des Manneg,
"der Ihnen fo fchreiben Fonnte, wie Schlabs
beendorf, Fann Fein Betrüger feyn. Laſſen
Sie fih umarmen, und an’ein Herz drüden,
. das Ihres Vertrauens gewiß. nicht unwerth
ift. Schreiben Sie mir fo bald wieder, ale
Sie können.
CCXL. |
An Ebendenfelben.
Weimar, den 14. Mer; 1774
Mas fol Ih Ahnen von Shrem rotben
Buche fagen, befter Gleim? — Ich hab’ es
gelefen, oder vielmehr verfehlungen — Ich hab’
ed empfunden, verflanden, big auf den Fleins
fien Zug Ind Auge gefaßt — es iſt in allen
Betrachtungen ein außerordentliches Phanos -
menon. — Wird die Welt, in der wir Ichen,
diefe hohe Einfalt, diefe wahre Sprache des
Anfchauend, fühlen — verſtehen? — Ich hoff’
187
ichte daß legte, woruͤber ich entſchlummere,
d dieß ſo lange bis ich's auswendig weiß!
Aber, beſter Gleim, darf ich Ihnen einen
undſchaftlichen Zweifel Ihres Wielands
ven, der Sie wahrhaftig wie feine Seele
bt — der Ihren Ruhm für feinen eigenen
ficht — doch was iſt Ruhm? — der
nen fo gern die ganze Wonne des Gedans
8 — recht viel Gutes gethan zu haben —
nnen möchte !
Es betrife die Vorrede. Diefe moͤcht' ich
trirt, und dafür nur einen fimplen avis au
teur, ohne alle Prätenfion von Außerordents
eit, nur um Ihn zu orientiren, um ihn,
ie es auch nur mit zwey Worten, mit der
cene der folgenden Gemälde, Monologen
d -Dialogen, und mit den Perfonen,. die
ı fo lieb werden müffen, ein wenig befannt
machen. | |
Auch die fo häufig vorfommenden fremden
ahmen — (ich bin nicht gelehrt genug, um
wiffen, ob fie arabifch, perfifch oder tartas
find) werden, wie ich beforge, der Haupts
he eher nachtheilig als zuträglich feyn! Ich
greife nicht recht, was für eine Bettachtung
ie bewegen fonnte, ihre Leſer fo oft In die
135
Norhivendigkeit zu feßen, In die Noten herab
zu gucen, und dann gleichwohl fehr oft fh |
feinen beftimmtern und anfchauendern Begriff
bey dem fremden Worte machen zu fönnen
als zuvor ?
Der Gedanke, — ein für alle fchöne Seelen,
für alle gute Menfhen — für alle Menu
fchen, in dem Augenblicke, da fie fabig find
die Stimme der reinen Wahrheit gu hören —
gefchriebenes Buch von allem zu befreyen,
was den natürlichen Eindrud, den e8 machen
muß, ſchwaͤchen koͤnnte, dieſer Gedanke follte,
wenn ich ſo gluͤcklich waͤre Verfaſſer vom Hal⸗
ladat zu ſeyn, der einzige Rathgeber ſeyn,
dem ich in allem, was nicht die Hauptſache
ſelbſt ausmacht, Gehör geben wollte. Sie mols
len den Debit durch Klopſtocks Eollecteurd mas
chen laffen? — Sch bin feiner davon — denn
Klopſtock fieht zu Hoch, um ein fo profanes
Inſektchen, als ich in feinen Augen bin, auf
der Erde kriechen zu ſehen. — Er bat mid
noch nie erfannt, und würdigt mich alfo auch)
nicht, mich unter feine Collecteurg zu nehmen.
Aber wenn ich durch den Merkur etivag zur
Beförderung Ihres Halladats thun fann — fo
winfen Sie mir.
189
deffen ſollt' 08 ein Geheimniß (wenigſtens
Zeit lang) bleiben, wer der Verfaffer ift.
e kann's nicht geheim bleiben — denn
fieht gleich, daß Sie der einzige Deuts
find, der's gemacht haben kann. Dieß
t ſich. |
) wünfchte mich für einen Abend zu ihnen
Halberfiadt, um mich über alles dieß
viel andres, aus offnem Herzen, mit
3, befprechen zu koͤnnen. Wollte Gott, ich
e Ihnen dieß Buch) felbft bringen. Mic
'befter Gleim, kommt mein hberzlichftee
‚ für den Vorzug, den Sie mir gegonnt
, 28 im Manuferipk zu lefen, und mein
er Wunſch, daß der Mann immer ruhig,
und glücklich feyn möge — der, fo viel
m ift, ale Menfchen glücklich zu machen
CCXLI.
An Zimmermann.
Belvedere bey Weimar, den 3. Juny. 1774
ine ganze Seele danke ihnen, mein bes
immermann, für den warmen Anutheil,
5ie an meinem Schickſal nehmen: Ich
190
felbt bin für mich und ale Meinigen ka
dem fchrecklichen Unfall des fechsten May"
unverleßt geblichen; aber meine Geele li
für andre. In unmittelbaree Gefahr wuͤrd
das Haus, das ich bewohne, gemwefen ſeyn
wenn der Sturmwind, der das Feuer in |
furger Zeit Durch das ganze Schloß verbreitet
fih nur ein wenig gedreht hatte. Zu unfen
Gluͤck kamen wir mit der Furcht davon. Ei
paar Bücher, die ich Im Zimmer des junge
Herzogs liegen hatte, find mein ganzer Berlul
Ueberhaupe findet fich, daß der Schade nid
fo groß iſt, daß er, ohne mindefte Befchwert
des Landes, bloß durch einige, vormahls nid
nöthige Einfchranfungen in der Ausgabe, nid
in wenig Jahren wieder ſollte erfege feyn for
nen. Und dieß iſt was unfer Hof nun In
Werk ſetzt. Die Entlafung unferer Schaufpii
Lcr : Sefellfchaft war eine unvermeidliche Folg
diefer Maaßnahmen; und ich geſtehe daß fi
mir fchmerzlich iſt, einmahl, well unfer recht
fchaffene Andrea dabey verliert, und dann
weit ich meine Alcefte dabey verliere. Die gu
ten Leute geben nun auf drey Monathe nad
Gotha, und dabin möge fie der Genius de
öramatifihen Kunft begleiten!
eo I9I
Wuͤnſchen Sie mir gu meinem Prinzen Gluͤck.
bat fi) am fechsten May und in den fols
ıden Tagen wie ein Held und wie ein Mens .
ienfreund aufgeführt, Was ift ein halb abs !
branntes Schloß gegen die herzliche Liebe
nes Volks, die er durch fein ganzes Betra⸗
n in diefem Unfall gewonnen bat.
Leben Sie wohl, mein theuerſter Zimmers
ann, und behalten Sie mich lieb. Bald
rden Sie unfern Stein und feine fehöne
au wieder fehen Eönnen; denn fie gehen nach
hrmont. Aber, o mein befter, verebrungss
erther alter Freund, mann werden denn wir
is mwiederfehen? Glauben Sie mir, der Tag
dieſes gefchehen würde, würde zum glück
Hfien der Menfchen machen Ihren W.
CcXLI. ©
An Gleim.
Weimar, den 15. Auguſt. 1774.
Was fir ein fchöner herrlicher Traum, mein
heurefier! Mir und meinem ganzen Haͤus⸗
en träumte, Glelm bätte ung befucht, hätte
as ziveen goldene Tage gefchenft, hätte uns
le, iedes In feiner Art, gluͤcklich gemacht.
X
|
192
Gogar die Kinder find Gleims und Blen
deng voll, furg, wenn e8 nur ein Traum k
denn welcher Philofoph kann die Unmöglid
eines Familientraumes beweifen? —
tar e8 wenigſtens ein fo angenehmer Traı
und der fo tiefen Eindrud in unfern He
zuruͤckließ, daß wir den Göttern an Wo
gleich zu feyn glaubten, wenn wir auch)
alfe vier Wochen einen folchen Samilientre
träumen fünnten.
Im Ernft, liedfter Gleim, wir verlaffen
darauf, daß Sie In unfern Herzen gelefen
ben, daß Sie es durch den nahmenlofen
nern Sinn, durch den Seelen fich einan
unmittelbar mittheilen, empfunden haben,
herzlich wir Sie lieben und verehren, — de
ohne dieß, koͤnnten wir es Ihnen auf fi
andre Weife binlänglich zu erfennen geben.
Stellen Sie fi) vor, daß fogar die fle
Amalie jetzt noch, da Sie ſchon wieder a
Tage weg find, fich meines Gleims und ur
rer Gleminde erinnert. Sobald man Ih
Nahmen nennt, kommt fie in Bewegung, ze
bie Treppe hinauf, die zu Ihren Zellen fühı
und firebt mit Hand und Fuß vol füßer I
duld, daß man fie zu Ihnen hinauf fragen ſi
193
bleibt nun dabey, Beſter unter allen
ihen, — mir befuchen einander alle
wechſelsweiſe? da die Entfernung fo
dag Leben fo kurz, und die Gegenwart
Sreundes, wie Gleim, der beſte Genuß
bens iſt!
Ihrer Entfernung iſt Pami Grimm,
ihrer zweyer rußiſcher Grafen, Soͤhne
eldmarſchalls Romanjow, mit ſelbigen
weſen.
junge Herzog zaͤhlt ſehr darauf, meinen
kuͤnftig kennen zu lernen und ſich zu
zu machen.
hiechen, Carolinchen, Dorchen machen
und ſonders ihren Knicks, jede ſo gut
a. O mein Gleim, mein ganz eigner
da Sie dieſe Kinder und ihre Mutter,
zater ſo fehr lieben, warum konnen wir
eyfammen leben, Eine Familie ausma⸗
Wie felig wären wir! |
h einmahl taufend Dank aus vollem
für jeden Beweis Ihrer Liebe, die und
klich macht.
ndB Briefe III. B. 13 -
194
CCXLIIE.
An Ebendenfelben.
Meimar , den 17. Detober 171
Ste haben fich ganz vortrefflich wegen Ihre
Stillſchweigens gerechtfertigt. Sie waren die
Zeit hindurch glücklich — und Ich bin eg, wen
ich höre daß Sie es find.
Daß unfer Zimmermann mich liebe, iff m
immer füß zu hören, wiewohl ich darauf zähle
aber daß Ihre Grafen von Stollberg fo gü
fig von mir denfen, ift mir neu.
Daß Sie noch langer hätten bey ung bl,
ben, daß Sie mit mir noch Gotha hatten r
fen und Alceften hören können, und daß fi
freundlicher Genius gemwefen iſt, dee ung d
in die Seele geflüftert hat, verdrießt mich he
lich, und würde mich untröftlic) machen, we
ich nicht feft auf unfern Vertrag zahlte, u
alle Jahre wechſelsweiſe zu befuchen.
Wie ganz eigen ihnen, feit Ihrem fo lic
vollen Befuche, mein Herz iſt, wie fehe €
und Die angenchme geifts und gefuͤhlvolle G
minde von allem was mein iſt geliebe werd:
wie ſtark und lange wir fühlten, daß Sie u
fehlten, beſter Gleim, dieß kann ich Ihn
195
je fagen. Worte und Phrafen find Feine
yrachen fur Herzen wie die unfrigen; fie
einen leiht zu viel zu fagen, und fagen
ch nie was wir empfinden, weder fd flarf
ch fo herzlich als wir ed empfinden.
Menn Sie in Berlin, wie ich hoffe, einige
enfchenföhne und Töchter mit gefundem Kopf
d Herzen antreffen, die mich lieben, fo
auch’ ich meinem Sleim nicht zu empfehlen,
ß er mich ihnen in naturalibus,, mie er mich
fehen bat, vormalen fol. Es ift ein albern
ing um den Schleyer den meine Laune um
ich her. gezogen bat: Wenige Menfchen ken⸗
n mich, und mein Herz fagt mir doch, daß,
nn man mich fennte, nur böfe Menfchen
It gegen mich bleiben würden. Und .gleichs
ohl, mein theurer. Vater Gleim, haben Sie .
der wenigen Zeit, da wir beyfammen mas
n, gefeben, daß ich leider! ſchr lich unars
3 feyn kann. Aber freylich, wenn mir dieß
gegnet, leidet auch niemand mehr. Dabey
8 ich.
Mit dem Merfur geht es fchon ziemlich
Hecht. Die Collecteurd bezahlen nicht, manche
ffen fi) mahnen, und geben gar feine Antse
ort. Auch die Buchhandier verderben mir
196
das Spiel auf alle Weile. Es it Eläglih,
was der Mangel an Ehrlichfeit, und bie ve
dammte mir unbegreifliche Unluſt an ande
Gluͤck, für Unheil im menfchlichen Leben an
richten. Das ärgfie if, daß wir ung zu Tod
fchreißen fünnen, ohne daß darum ein einzige
Schurke weniger in der Welt wird.
Um fo mehr, llebſter Gleim, wollen wi
andern, deren Herzen Die Natur aus feiner
Zon gemacht, einander durch unfre Liebe fchat
los halten,
Der Gedanfe, daß mein rechtfchaffner Gleim
der edelfte und beſte Mann den ich kennt
von folhen Menfchen wie Spalding und Ran
ler, nicht eben fo geliebt werden fol, wie e
von Wieland geliebt wird, iſt wahre Pein fü
mein Herz... Welche Wonne, wenn Ihre Keil
nah Berlin Geiſter und Herzen wieder zu
fansmenfchmelzen koͤnnte, die nicht gemad
find, einander zuruͤckzuſtoßen. Oder iſt's mög
lich, daß jene Geifter Fein Ders haben?
1%
GCXLIV.
An Ebendenfelben.
Meimar, November 1774:
Nein, mein geliebter, verebrter, herzlich
nd innig geliebter und verehrter Vater Gleim,
» lang Ihr Wieland lebt, follen Sie feinen
ndeen Winkel des Erdbodeng zu Ihrer Reti⸗
ade fuchen, als den, wo Ahr Wieland lebt,
‚ er mit dem Weibe feines Herzens, und
sit den Kindern die ihm Gott gelafien bat,
bt, und um das Gelubde, das er Gott über
er Leiche feines Sohns — fo jung. er flarb,
) verfprach er doch ſchon einen Sohn, ber
effer als fein Vater worden wäre — gelobt
at; um dieß Gelübde — was für Eines, lafs
n Sie Ihr Herz fih fagen — unverbrüchs
ich zu halten, hat er einen foldhen Gefährs
en feines übrigen Lebens vonnoͤthen, wie fein
zleim iſt.
Beſter Gleim, noch find mir alle Nerven
seines Körpers ſchwach und Eranf, der Stoß
ar zu flarf und unerwartet — ich kann noch
iche fchreiben, aber ich befchwöre Sie bey
er Urne meines theuern Schmerzensſohns,
enken Sie an feinen andern Winfel der Erde,
198
als wo Ihr Wieland If. Kommen Gie, Ih
fen Sie uns Eine Familie ausmachen; ndy
men Gie an allen meinen Unternchmunga
Theil; feyn Sie mein Vater, mein Bruda,
mein STreund, der Mitvater meiner Kinder,
der Bruder des Engeld in deffen Armen, in
Deffen Herzen meine Seele Ruhe finder. Mein
Meib, meine Mutter, fogar meine flein
Sophie, mir alle athmen im gleichen Augen
blit den nähmlichen Wunfch, die naͤhmllche
Ditte aus vollem Herzen auß.
Kommen Sie, es ſoll Sie nie gereuen; Sit
werden zu guten Menfchen »ımmen, und die
Wonne fühlen, uns alle beffer zu machen.
Alles übrige fchreibt Ihnen mein und Ihr
Bertuch, der redlichfie, gutberzigfte Mann,
Den Gottes Boden trägt. Ich kann nicht mehr
fchreiben, als lebe wohl, edelfter und befer
unter den Gterblichen.
CCXLV.
An Ebenpdenfelben.
Weimar, den 6. Merz 1775
Bin ich nicht eine undanfbare Eeele, mein
e Öleim, daß ih Ihnen meinen Dan
195
das Vergnügen, das Sie meinen Kindern,
er Mutter und Großmutter und mir felbft
ecte und indirecte durch den überfchichen
ligen Chrift gemachte baben, erſt den 6.
erz darbringe. Aber, liebſter Gleim, ich
ıfe in folchen Dingen machen Sie es gerade
e unfer lieber Here Gott; Sie fehen die
eude, die wir über Ihre Gutthaten empfuns
ı haben, als den beſten Danf an, und diefe
be ich Ihnen doch ſchon laͤngſt durch unfern
euch Fund und zu wiffen thun laſſen. Kurz
d gut, mein vortrefflicher Freund, alles was
meinem Haufe lebt und webt, liebt Sie,
d fühle, jedes in feiner Art, und fo gut es
nn und mag, daß es nicht noch fo einen -
ten Mann in ber Welt giebt, wie mein
eim.
Und nun, warum ſchrelb' ich Ihnen dieß
es? Weil heute der 6. Maͤrz iſt, und in
er Wochen der 6. April feyn wird, und dann
fehr wenig Wochen die Zeit kommen wird,
y ich Ihnen mit meiner Srau und der klei⸗
n Sophie auf den Hals zu fallen Luft und
ebe hätte, wenn Sie um biefe Zeit etliche
eye Tage hätten, die Sie der Freundfchaft
yenfen koͤnnten. Dein geliebter Karl Auguſt
. | 191
Wuͤnſchen Sie mir zu meinem Prinzen Gluͤck.
: bat fi) am fechsten May und in den fols
nden Tagen wie ein Held und wie ein Mens.
yenfreund aufgeführt, Was ift ein halb abs
P
branntes Schloß gegen die herzliche Liebe
Ines Volks, die er durch fein ganzes Betra⸗
a In diefem Unfall gewonnen bat.
Leben Sie wohl, mein theuerfter Zimmers
ann, und behalten Sie mich lieb. Bald
erden Sie unfern Stein und feine fehone
rau wieder fehen Eönnen; denn fie gehen nach
pemont, Aber, o mein befter, verehrungss
erther alter Freund, wann werden denn wir
ns wiederſehen? Glauben Sie mir, der Tag
ı Diefes gefchehen würde, wuͤrde zum glück
chſten der Menfchen machen Ihren W.
CCXLIL
An Gleim.
Weimar, den 15. Augufl. 1774.
Mag für ein fchöner herrlicher Traum, mein
heureſter! Mir und meinem ganzen Haͤus⸗
ven träumte, Gleim bätte ung befucht, hatte
n8 zween goldene Tage gefchenft, hatte uns
Ne, iedes In feiner Are, gluͤcklich gemacht.
5)
dene voll, furs, wenn ed nur ein Traum mar; |
denn welcher Philofoph kann die Unmöglichtelt
eines Familientraumes beweifen? — fh
war e8 mwenigfiens ein fo angenehmer Traum,
und der fo tiefen Eindruc in unfern Herzen
zurüchieß, daß wir den Göttern an Wonne
gleich zu feyn glaubten, wenn wir auch nur
alle vier Wochen einen folchen Familientraum
traͤumen koͤnnten.
Im Ernſt, liebſter Gleim, wir verlaſſen uns
darauf, daß Sie in unfern Herzen geleſen has
ben, daß Sie ed durch den nabmenlofen Ins
nern Sinn, durch den Seelen fih einander
unmittelbar mitthellen, empfunden haben, wie
herzlich wir Eie lieben und verehren, — denn,
ohne dich, fönnten wir es Ihnen auf keine
andre Weiſe hinlänglich zu erfennen geben.
Steffen Sie fi) vor, daß fogar die Elelne
Amalie jeße noch, da Sie ſchon wieder acht
Tage weg find, fich meines Gleims und unſe—⸗
rer Gleminde erinnert. Sobald man Ihren
rahmen nennt, komme fie in Bewegung, zeigt
die Treppe hinauf, die zu Ihren Zellen führte,
und firebt mit Hand und Fuß vol füßer Uns
geduld, daß man fie zu Ihnen hinauf fragen fol.
192 ..
Sogar die Kinder find Gleims und ..
193
bleibt. nun dabey, Beſter unter allen
lichen, = wir befuchen einander alle
», wechfelsweife? da die Entfernung fo
‚ dag Leben fo kurz, und’ die Gegenwart
Freundes, wie Gleim, ber befte Genuß
ebens iſt!
it Ihrer Entfernung iſt Pami Grimm,
führer zweyer rußiſcher Grafen, Söhne
Seldmarfchallg Romanzow, mit ſelbigen
zeweſen.
junge Herzog zähle ſeht darauf, meinen
uͤnftig kennen zu lernen und ſich zu
zu machen.
phiechen, Carolinchen, Dorchen machen
t und ſonders ihren Knicks, jede ſo gut
nn. O mein Gleim, mein ganz eigner
t, da Sie dieſe Kinder und ihre Mutter,
Vater: fo fehr lieben, warum konnen wie
beyfammen leben, Eine Familie ausma⸗
Wie felig wären wir! |
oc) einmahl taufend Dank aus vollem
n für jeden Beweis Ihrer Liebe, die und
icklich macht,
lands Briefe III. 8. 13 -
194
CCXLIIF.
An Ebenvdenfelben. €
Weimar, den 17. October 1774 ||
Ste haben fi) ganz vortrefflich wegen Ihres |
Stillſchweigens gerechtfertigt. Sie waren dieſe
Zeit hindurch gluͤcklich — und ich bin eg, wenn
ich höre daß Sie es find.
Daß unfer Fimmermann mich liebt, iſt mir
immer füß zu hören, wiewohl ich Darauf zaͤhle —
aber daß Ihre Grafen von Stollberg fo guw
fig von mir denfen, iſt mir neu.
Daß Sie noch langer hätten bey ung biels
ben, daß Ste mit mir noch) Gotha hatten reis
fen und Alceften hören koͤnnen, und daß fein
freundlicher Genius gewefen ift, dee ung dad
in die Seele geflüftert hat, verdrieße mich ber
lich, und wurde mich untröftlich machen, wenn
ich nicht feſt auf unfern Vertrag zahlte, ung
alle Jahre mechfelsweife zu beſuchen.
Wie ganz eigen Shnen, feit ihrem fo liches
vollen Beſuche, mein Herz tft, wie fehr Sie
und die angenehme geifts und gefuͤhlvolle Gle⸗
minde von allem was mein ft geliebt werben,
wie ſtark und lange wir fühlten, daß Sie und
fehlten, beſter Gleim, dieß kann ich Ihnen
195
fagen. Worte und Phraſen find Feine
chen für Herzen wie die unſrigen; fie
ıen leicht zu viel zu fagen, und fagen
nie was mir empfinden, mweber ſo flarf
fo herzlich als wir ed empfinden.
enn Sie In Berlin, wie ich hoffe, einige
ichenföhne und Töchter mit gefundem Kopf
Herzen antreffen, die mich lieben, fo
ch’ ich meinem Gleim nicht gu empfehlen,
ee mich ihnen in naturalibus,, wie er mich
en bat, vormalen fol. Es iſt ein albern
j um den Schleyer den meine Laune um
bee gezogen bat. Wenige Menfchen ken⸗
mich, und mein Herz fagt mir doch, daß,
ı man mich fennte, nur böfe Menfehen
gegen mich bleiben würden, Und „gleichs
l, mein theurer .Bater Gleim, haben Sie .
er wenigen Zeit, da wir beyfammen mas
gefehen, daß ich letder!_fchr dAlich unars
eyn fann. Aber freylich, wenn mir dieß
jnet, leidet auch niemand mehr: dabey
ich.
ie dem Merkur geht es ſchon ziemlich
cht. Die Eollecteurd bezahlen nicht, manche
n fih mahnen, und geben gar feine Ant«
. Yuch die Buchhandiee verderben mir
/
u
196
das Spiel auf alle Welle. Es ift Fläglic
was ber Mangel an Ehrlichfelt, und die vr
dammte mir unbegreiflihde Unluſt an andre
Gluͤck, für Unheil im menfchlichen Leben ar
richten. Das ärgfte IR, daß wir ung zu Tel
fchreißen fünnen, ohne daß darum ein einzig
Schurke weniger in der Welt wird.
Um fo mehr, liebfiee Siem, wollen w
andern, deren Herzen die Natur aus feinere
Ton gemacht, einander durch unfre Liebe fchal
los halten,
Der Gedanfe, daß mein rechtfchaffner Glein
der edelfte und befle Dann den ich kenn
von folchen Menfchen wie Spalding und Kar
ler, nicht eben fo geliebt werden fol, tie ı
von Wieland geliebt wird, iſt wahre Pein fi
mein Herz. . Welche Wonne, wenn Ihre Rei
nah Berlin Geifter und Herzen wieder $
fammenfchmelzgen Eönnte, die nicht gemad
find, einander zuruͤckzuſtoßen. Oder iſt's moͤp
lich, daß jene Geiſter kein Herz haben?
10%
GCXLIV.
An Ebendenfelben.
Weimar , November 1774.
Nein, mein geliebter, verehrter, herzlich
nd innig geliebter und verehrter Vater Gleim,
‚ lang Ihr Wieland lebt, follen Sie keinen
ndern Winkel des Erdbodeng zu Ihrer Reti⸗
ıde fuchen, als den, wo hr Wieland lebt,
o er mit dem Weibe feines Herzens, und
ie den Kindern die ihm Gott gelaffen bat,
bt, und um dag Geluͤbde, das er Gott über
er Leiche feines Sohns — fo jung. er flarb,
» verfprach er doch fchon einen Sohn, der
effer als fein Vater worden wäre — gelobt
at; um dieß Gelübde — was für Eines, lafs
n Sie Ihr Herz fi fagen — unverbruͤch⸗
ch zu halten, bat er einen foldhen Gefährs
m feines übrigen Lebens vonnoͤthen, wie fein
jleim ift.
Beſter Gleim, noch find mir ale Nerven
seines Körpers ſchwach und krank, der Stoß
yar zu flarf und unerwartet — ich Fann noch
icht fchreiben, aber ich befchwöre Sie bey
er Urne meines theuern Schmerzensfohng, :
enfen Gie an feinen andern Winkel der Erde,
135
Nothwendigkeit zu feßen, In bie Noten herab
zu gucken, und dann gleichwohl fehr oft fh |
feinen beflimmtern und anfchauendern Begriff
bey dem fremden Worte machen zu koͤnnen
als zuvor ?
Der Gedanfe, — ein für alle fchöne Seelen,
für alle gute Menfhen — für alle Mew
fchen, in dem Augenblicke, da fie fähig find
die Stinnme der reinen Wahrheit zu hören —
gefchriebenes Buch von allem zu befreyen,
was den natürlichen Eindruck, den es machen
muß, ſchwaͤchen fönnte, biefer Gedanke follte,
wenn ich fo gluͤcklich ware Verfaſſer vom Hab
ladat zu ſeyn, der einzige Nathgeber ſeyn,
dem ich in allem, was nicht die Hauptfache
ſelbſt ausmacht, Gehör geben wollte. Sie wols
len den Debit durch Klopſtocks Collecteurg mas
chen laſſen? — Sch bin feiner davon — denn
Klopftock fieht zu hoch, um ein fo profanes
Inſektchen, als ih in feinen Augen bin, auf
der Erde Eriechen zu fehen. — Er hat mid
noch nie erfannt, und wuͤrdigt mich alfo auch
nicht, mich unter feine Colecteurg zu nehmen.
Aber wenn Ich durch den Merkur etwas zur
Beförderung Ihres Halladats thun kann — fo
winfen Gie mir.
v
189
Indeſſen fol! e8 ein Geheimniß (wenigſtens
Ine Zelt lang) bleiben, wer der Verfaſſer ift-
ange kann's nicht geheim bleiben — denn
ıan fieht gleih, daß Sie der einzige Deuts
che find, der's gemacht haben Fann. Dieß
uͤhlt ſich. |
Ich wünfchte mich für einen Abend zu Ihnen
ah Halberſtadt, um mid) über alles dieß
nd viel andres, aus offnem Herzen, mit
ihnen, befprechen zu können. Wollte Gott, ‚ich
Inte Ihnen dieß Buch felbft bringen. Mie
m, 'beiter Gleim, kommt mein berzlichfter
Yanf, für den Vorzug, den Sie mir gegönnt
aben, es im Manufeript zu lefen, und mein
iniger Wunfch, daß der Mann immer ruhig,
eiter und glücklich feyn möge — der, fo viel
n ihm ift, alle Menfchen glücklich zu machen
icht. |
CCXLI
An Zimmermann.
Belvedere bey Weimar, den 3. Juny. 1774
Meine ganze Seele dankt ihnen, mein bes
er Zimmermann, für den warmen Antheil,
en Sie an meinem Schickfal nehmen: Ich
190
ſelbſt bin für mich und ale Meinige
dem fchredlichen Unfall des fecheten :
unverletzt geblieben; aber meine Geel
füe andre. Sin unmittelbarer Gefahr
daB Haus, das ich bewohne, geweſen
wenn der Sturmwind, der das Feuer
kurzer Zeit durch das ganze Schloß verbr
fih) nur ein wenig gedreht hatte. Zu u
Glück famen wir mit der Furcht davon.
paar Bücher, die ich im Zimmer des j
Herzogs liegen hatte, find mein ganzer V
Ueberhaupt findet fich, daß der Schade
fo groß iſt, daß er, ohne mindefte Befch
des Landes, bloß durch einige, vormahle
nöthige Einfchrankfungen In der Ausgabe,
in wenig Jahren wieder follte erſetzt ſevn
nen. Und dieß IfE was unfer Hof nun
Merk fest, Die Entlaffung unſerer Schai
Ice s Sefellfchaft war eine undermeidliche |
diefer Draaßnahmen; und ich ‚gefiche ba
mir fchmerzlich ift, einmahl, weil unfer ı
fchaffene Andrea dabey verliert, und d
weit ich meine Alcefte dabey verliere. Di
ten Leute gehen nun auf drey Monathe
Gotha, und dahin möge fie der Genius
öramatifihen Kunft begleiten!
.. | 191
Wünfchen Sie mir zu meinem Bringen Slüd.
Er hat fih am fehsten May und in den fols °
genden Tagen wie ein Held und wie ein Mens :
fchenfreund aufgeführt, Was ift ein halb abs
gebranntes Schloß gegen die herzliche Liebe
feines Volks, die er ducch fein ganzes Betra⸗
gen In diefem Unfall gewonnen hat.
£eben Sie wohl, mein theuerſter Zimmers
mann, und behalten Sie mich lied. Bald
werden Sie unfern Stein und feine fchöne
Stau wieder ſehen können; denn fie gehen nad)
"Wprmont. Aber, o mein befter, verehrungss
werther alter Freund, wann werden denn wir
ung wiederſehen? Glauben Sie mir, der Tag
da diefes gefchehen würde, wuͤrde zum glück
lichfien der Menfchen machen Ihren W.
CCXLU.
An Sleim
Weimar, den 15. Auguſt. 1774.
as fiir ein fchöner herrlicher Traum, mein
Sheurefier! Mir und meinem ganzen Häußs
chen träume, Gleim hätte uns befucht, hatte
ung ziveen goldene Tage gefchenft, hätte uns
alle, jedes in feiner Art, glüclich gemacht.
a
F
n-
182
Sch bitte Sie fehr, liebſter Sleim, mein
Herz nicht durch eine rafche Antwort aba |
mahl zu zerreißen. Diesmahl, mein Hefte
fordre ih nur Gerechtigkeit von Ahnen; |
und um diefe zu handhaben, muß man bey |
kuͤhlem Blute feyn.
Wenn in dieſen Blaͤttern ein beleidigendes
Wort iſt, ſo deſavouirt es meine ganze Seele.
Sch liebe und ehre Sie noch immer wie eher
dem, und ohne einen Schatten von Zweifel
erwart’ ich von der Rechtſchaffenheit meines
Gleims Gerechtigfeit gegen feinen W.
CCXXXIX.
An Ebendenſelben.
Weimar, den 14. Februar 1774
Mein vortrefflicher Freund — Was für ein
göttlicher Mann ift Ihr Schlabberndorf? Seh
ten in meinem ganzen Leben bin ich fo gerührt
geweſen, als vou der Stelle, die Sie mir aus
feinem Briefe abgefchrieben haben. Der edle
Mann! Wie freut es mic), daß ich doch end⸗
li; einmahl den Befiger eines guten, wohl⸗
thätigen, großen Herzens, auch mit dem Ber
mögen groß und fchon zu handeln, begabt
133
febe! Warum, befler Gleim, iſt es unmöglich,
mir wenigſtens unmöglich, das Leben, dag
der Menfchenfreund, der Freund der Mufen,
ung anbeut, den Vorgefchmacd von Elyfium,
aus feiner Hand anzunehmen? Warum kann
ich nicht mit meinem Gleim nach Kupferberg
sieben? Sie willen, mein Befler, was mid
an Welmar feffele; ein junger Zürft, der
nein Freund if, der cin Bedurfniß fühlt,
einen Freund, wie ich, zu haben, den ich
nicht verlaffen Fann, und der, zu feinem
Gluͤcke, nur ein kleiner Fuͤrſt If, aber, für
dag Glück der Menfchen,, ein großer Monarch
feyn ſollte. — Doch auch ohne dieß, wiſſen
Ste noch ein Hinderniß; eine zahlreiche Tas
milie, die ſich noch in diefem Fahre vermehs
ren wird; unerzogne: Kinder ıc. Aber Ihnen,
mein theuree Gleim, wünfchte ich eine folche
Retraite! Und mag wollte ich nicht (hun, wenn
es in meinee Macht ſtuͤnde, die Hinderniffe
u beben, die Ihrer Freyheit, Ihrer Ruhe im
Mege fliehen.
Mein junger Herzog, der, wie Sie wilfen,
30h ungefähr achtzehn Monathe unter Vors
nundfchaft fiehen wird, kann jegt noch nichts
hun, und die ganze dermahlige Lage der
185
Versmeifeln Sie nicht ganz an der Menfchz
heit, mein beſter Gleim. Schwach find wie
Ale; dumm und überflug, weſches am
Ende auf Eing binausläuft, find nur allzu⸗
viele; aber die Boshaften machen wahrlich
die Heinfte Zahl aus. Das Herz des Mannes,
der Ihnen fo fchreiben fonnte, wie Schlabs
berndorf, kann Eein Betrüger feyn. Laſſen
Sie ſich umarmen, und an’ein Herz drücken,
das ihres Vertrauens gewiß. nicht unmerth.
ift. Schreiben Sie mir fo bald wieder, als
Sie können.
- CCXL. |
An Ebendenfelben.
Weimar, den 14. Met 1774
Mas fol ich Ihnen von Iprem rothen
Buche ſagen, beſter Gleim? — Ich hab' es
geleſen, oder vielmehr verſchlungen — ich hab'
es empfunden, verſtanden, bis auf den klein⸗
ſten Zug ins Auge gefaßt — es iſt in allen
Betrachtungen ein außerordentliches Phaͤno⸗
menon. — Wird die Welt, in der wir leben,
dieſe hohe Einfalt, dieſe wahre Sprache des
Anſchauens, fühlen — perfiehen? — Ich hoff’
187
Nächte dag lebte, worüber .ich -entfchlummere,
und dieß fo lange big ich’8 auswendig meiß!
Aber , beſter Gleim, darf ich Ihnen einen
freundfchaftlihen Zmeifel Ihres Wielands
fagen, der Sie wahrhaftig wie feine Seele
liebt — der ihren Ruhm für feinen eigenen
anficht — doch was iſt Ruhm? — der
Ahnen fo gern die ganze Wonne des Gedans
kens — recht viel Gutes gethan zu haben —
gönnen möchte !
Es betrife die Vorrede. Diefe möcht ich
caftrire, und dafür nur einen fimplen avis au
lecteur, ohne alle Prätenfion von Außerordents
lichkeit, nur um ihn zu orientiren, um ihn,
war’ es auch nur mit zwey Morten, mit der
Scene der folgenden Gemälde, Monologen
und -Dialogen, und mit den Perfoönen, die
ihn fo lieb werden müffen, ein wenig befannt
zu machen. | | |
Auch die fo Haufig vorfommenden fremden
Nahmen — Cich bin nicht gelehrt genug, um
zu wiſſen, ob fie arabifch, perfifch oder Lartas _
rifch find) werden, wie Ich beforge, der Haupts
fache eher nachtheilig als zuträglich feyn! Ich
begreife nicht recht, was für eine Bettachtung
Sie bewegen konnte, Ihre Lefer fo oft In die
135
Nothwendigkeit zu ſetzen, In die Noten herab
zu gucen, und dann gleichwohl ſehr oft fi I
feinen beftimmtern und anfchauendern Begtif
bey dem fremden Worte machen zu fönnen
ale zuvor ?
Der Gedanfe, — ein für alle fchöne Seelen,
für alle gute Menfhen — für alle Men—
fchen, in dem Augenblicke, da fie fahig find
die Stimme der reinen Wahrheit zu hören —
gefchriebeneg Buch von allem zu befreyen,
was den natürlıchen Eindrud, den e8 machen
muß, ſchwaͤchen fünnte, diefer Gedanke follte,
wenn ich fo glüdlic wäre Verfaffer vom Hal
Iadat zu ſeyn, der einzige Rathgeber ſeyn,
dem ich in allem, was nicht die Hauptfache
felbft ausmacht, Gehör geben wollte. Ste wol⸗
len den Debit durch Klopſtocks Collecteurg mas
chen laſſen? — Sch bin feiner davon — denn
Klopſtock ſteht zu hoch, um ein fo profanes
Ssnfeftchen, als ich in feinen Augen bin, auf
der Erde kriechen zu fehen. — Er bat mid
noch nie erfannt, und wuͤrdigt mich alfo auch
nicht, mich unter feine Collecteurs zu nehmen.
Aber wenn Ich durch den Merkur etwas zur
Beförderung Ihres Halladats thun kann — fo
nfen Sie mir.
189
Indeſſen ſollt' e8 ein Geheimniß (wenigſtens
ine Zelt lang) bleiben, wer der Verfaſſer tft.
ange kann's nicht geheim bleiben — denn
zan fiehe gleih, daß Sie der einzige Deuts
che find, der’s gemacht haben kann. Dieß
uͤhlt ſich. |
Sch mwünfchte mich für einen Abend zu Ihnen
ach) Halberfiadt, um mich über alles dieß
nd viel andres, aus offnem Herzen, mit
ihnen, befprechen zu können. Wollte Gott, ich
Snnte Ihnen dieß Buch felbft bringen. Mit
m’, 'beiter Gleim, fommt mein berzlichftee
Yank, für den Vorzug, den Sie mir gegönnt
aben, es im Manufeript zu lefen, und mein
ıniger Wunfch, daß der Mann immer rubig,
eiter und glüchlich feyn möge — der, fo viel
n ihm iſt, alle Menfchen glücklich zu machen
icht.
CCXLI.
An Zimmermann.
Belvedere bey Weimar, den 3. Juny. 1774.
Meine ganze Seele dankt ihnen, mein bes
er Zimmermann, für den warmen Autheil,
en Sie an meinem Schickfal nehmen: Ich
190
ſelbſt bin für mich und alle Meinigen |
dem fchrecklichen Unfall des fechsten Mays
unverletzt geblieben; aber meine Seele litt
fuͤr andre. In unmittelbarer Gefahr wuͤrde
das Haus, das ich bewohne, geweſen feyn,
wenn der Sturmwind, der das Feuer in fi
furger Zeit durch das ganze Schloß verbreitete,
fih nur ein wenig gedreht hatte. Zu unferm
Glück famen wir mit der Furcht davon. Ein
paar Bücher, die ich im Dimmer des jungen
Herzogs liegen hatte, find mein ganzer Verluſt.
Ueberhaupt findet fich, daß der Schade nicht
fo groß iſt, daß er, ohne mindefte Befchwerdt |
des Landes, bloß durch einige, vormahls nicht
nöthige Einſchraͤnkungen In der Ausgabe, nicht
in wenig Jahren wieder follte erfege feyn koͤn⸗
nen. And dieß iſt was unſer Hof nun in's
Berk fest. Die Entlafung unferer Schaufplis
ler⸗Geſellſchaft war eine unvermeidliche Folge
diefer Maaßnahmen; und ich geſtehe daß fie
mir ſchmerzlich ift, einmahl, weil unfer rechts
fchaffene Andrea dabey verliert, und dann,
weil ich meine Alcefte dabey verliere. Die gus
ten Leute gehen nun auf drey Monatbe nad
Gotha, und dahin möge fie der Genius der
öramatifchen Kunft begleiten !
. 191
Bünfchen Sie mir zn meinem Prinzen Gluͤck.
bat ſich am fechsten May und in den fols
den Tagen wie ein Held und wie ein Mens :
enfreund aufgeführte, Was ift ein halb abs
wanntes Schloß gegen die herzliche Liebe ',
8 Volks, die er durch fein ganzes Betra⸗
ı in diefem Unfall gewonnen bat.
?eben Sie wohl, mein theuerfier Zimmers
nn, und behalten Sie mich lied. Bald
rden Sie unfern Stein und feine fchone
au toleder fehen Eönnen; denn fie gehen nach
rmont. Aber, o mein befter, verehrungss
rther alter Freund, wann werden denn wir
8 wiederfehen? Glauben Sie mir, der Tag
Diefes gefchehen würde, wuͤrde zum glück
fen der Menfchen machen Ihren W.
CcXLIL.
An Sleim
Weimar, den 15. Augufl. 1774.
Was für ein fchöner herrlicher Traum, mein
yeurefter! Mir und meinem ganzen Haͤus⸗
n träumte, Gleim bätte ung befucht, hätte
8 ziveen goldene Tage gefchenft, hätte une
ie, iedes In feiner Are, glücdlich gemacht.
nu
192
Gogar die Kinder find Gleims und Glemi
deng voll, furz, wenn es nur ein Traum wa
denn welcher Philofoph kann die Unmöglidfi
eines Familientraumes beweifen? —
war e8 wenigſtens ein fo angenehmer Traun
und der fo tiefen Eindruck in unfern Her
zuruͤckließ, daß mir den Göttern an Won
gleich zu ſeyn glaubten, wenn wir auch n
alfe vier Wochen einen folchen Samillentrau
träumen fönnten.
Im Ernft, liebfter Gleim, wir verlaffen ui
darauf, daß Sie In unfern Herzen gelefen h
ben, daß Sie ed durch den nahmenlofen i
nern Sinn, durch den Seelen fih einand
unmittelbar mitthellen, empfunden haben, m
herzlich wir Sie lieben und verehren, — den
ohne die, koͤnnten wir es Ihnen auf keii
andre Weife hinlänglich zu erkennen geben.
Steffen Sie fih vor, daß fogar die Elek
Amalie jetzt noch, da Sie ſchon wieder ad
Tage weg find, fich meines Gleims und unf
rer Gleminde erinnert. Sobald man hr
Nahmen nennt, Fommt fie in Bewegung, zei:
die Treppe hinauf, die zu Ihren Zellen führt
und firebe mit Hand und Fuß vol füßer U:
geduld, daß man fie zu ihnen hinauf fragen fol
193
8 bleibt nun dabey, Beſter unter allen
rblichen, — wir befuchen einander alle
ve, wechfelsweife? da die Entfernung fo
ı, das Leben fo kurz, und die Gegenwart
8 Freundes, wie Gleim, der beſte Genuß
Lebens iſt!
seit Ihrer Entfernung iſt Pami-Grimm,
Sührer zweyer rußiſcher Grafen, Soͤhne
Feldmarſchalls Romanzow, mit ſelbigen
geweſen.
er junge Herzog zaͤhlt ſehr darauf, meinen
m kuͤnftig kennen zu lernen und ſich zu
je zu machen, |
ophiechen, Carolinhen, Dorchen machen
mt und fonders ihren Knicks, jede fo guf
ann. O mein Gleim, mein ganz eigner
m, da Sie diefe Kinder und ihre Mutter,
n Bater-fo fehr lieben, warum konnen wie
t beyfammen leben, Eine Familie ausmas
? Wie felig wären mir! |
Roh einmahl taufend Danf aus vollem
ven für jeden Beweis Ihrer Liebe, die und
luͤcklich macht.
zlelands Briefe IIT. 8. 13 -
194
CCXLIIE,
Yn Ebendenfelben. J
Weimar, den 17. October 1774 | |
Sie haben fih ganz vortrefflich wegen Ihres
Stillſchweigens gerechtfertigt. Sie waren diefe
Zeit hindurch glücklich — und ich bin eg, wenn
ich höre daß Sie es find.
Daß unfer Zimmermann mich Liebe, if mir
immer füß zu hören, wiewohl ich darauf zahle —
aber daß Ihre Grafen von Stolberg fo gun
fig von mir denfen, iſt mir neu.
Daß Sie noch langer hätten bey ung blels
ben, daß Ste mit mir noch Gotha Hatten rei
fen und Alceften hören fönnen, und daß fein
freundlicher Gentug gemwefen ift, der uns dad
in die Seele geflüftert hat, verdrieße mich hery
Lich, und würde mich untröftlich) machen, wenn
ich nicht feit auf unfern Vertrag zahlte, ung
alle Jahre mwechfeldweife zu befuchen. _
Wie ganz eigen ihnen, feit Ihrem fo liches
vollen Defuche, mein Herz tft, wie ſehr Sie
und die angenehme geifts und gefuͤhlvolle Gle⸗
minde von allem was mein Ift geliebt werden,
wie ſtark und lange wir fühlten, daß Sie uns
fehlten, beſter Gleim, dieß kann ich Ihnen
195
hicht fagen. Worte und Phrafen find Feine
Sprachen fur Herzen wie die unfrigen; fie
foheinen leiht zu viel zu fagen, und fagen
Doch nie was mir empfinden, weder fd flarf
noch fo herzlich als wir e8 empfinden.
Wenn Sie In Berlin, wie ich hoffe, einige
Menfchenföhne und Töchter mit gefundem Kopf
und Herzen antreffen, die mich lieben, fo
brauch’ ich meinem Gleim nicht gu empfehlen,
daß er mich ihnen in naturalibus,, wie er mich
gefeben bat, vormalen fol. Es iſt ein albern
Ding um den Schleyger den meine Laune um
mic) ber. gezogen hat: Wenige Menfchen fens
nen mich, und mein Herz fagt mir doch, daß,
wenn man mich fennte, nur böfe Menfchen
falt gegen mich bleiben würden. Und .gleichs
wohl, mein theurer Vater Gleim, haben Sie .
in der wenigen Zeit, da wir beyfammen tvas
ten, gefehen, daß ich letder!..fche lich unars
tig feyn fann. Aber freylich, wenn mir dieß
begegnet, Ieldet auch niemand mehr: Dabey
als ich.
Miet dem Merkur geht es fchon ziemlich
ſchlecht. Die Colleeteurd bezahlen nicht, manche
laffen fi) mahnen, und geben gar Feine Ants
wort. Auch die Buchhändler verderben mir
196
das Spiel auf alle Welle. Es iſt klaͤgllch,
was der Mangel an Ehrlichfeit, und die ven
dammte mir unbegreifliche Unluft an andrt
Gluͤck, für Unheil im menfhlichen Leben au
richten. Das ärgfte ift, daB wir ung zu Tod
fchreißen können, ohne daß darum ein einzige
Schurfe weniger in der Welt wird.
Um fo mehr, liebfter Gleim, wollen wi
andern, deren Herzen die Natur aus feineren
Ton gemacht, einander durch unfre Liebe fchad
los halten,
Der Gedanke, daß meln rechtfchaffner Gleim
der edelffe und befte Mann den ich kenne
von folchen Menfchen mie Spalding und Kam
ler, nicht eben fo geliebt werden fol, wie e
von Wieland geliebt wird, tft wahre Pein fü
mein Herz... Welche Wonne, wenn Ihre Reif
nach Berlin Geiſter und Herzen wieder zu
ſammenſchmelzen koͤnnte, bie nicht gemad
find, einander zuruͤckzuſtoßen. Oder iſt's moͤg
lich, daß jene Geiſter kein Herz haben?
197
GCXLIY.
An Ebendenfelben.
Meimar, November 1774:
Nein, mein gellebter, verebreer, herzlich
id innig geliebter und verehrter Vater Sleim,
lang Ihr Wieland lebt, follen Sie keinen
dern Winkel des Erdbodeng zu Ihrer Reti⸗
de fuchen, als den, wo Ihr Wieland lebt,
o er mie dem Weibe feines Herzens, und
it den Kindern die ihm Gott gelaſſen bat,
bt, und um das Gelübde, das er Gott über
r Leiche feines Sohns — fo jung. er flarb,
. verfprach er doch ſchon einen Sohn, der
fer als fein Vater worden wäre — gelobt
it; um dieß Gelübde — was für Eines, lafs
n Sie Ihr Herz ſich fagen — unverbrüchz
ch zu halten, hat er einen ſolchen Gefährs
n feines übrigen Lebens vonnoͤthen, wie fein
leim tft.
Befter Gleim, noch find mie ale Nerven.
eines Rörpers ſchwach und franf, der Stoß
ar zu flarf und unerwartet — ich kann noch
Ihe fchreiben, aber ich befchwöre Sie bey
x Urne meines theuern Schmergensfohng, :
enken Sie an feinen andern Winkel der Erde,
198
als wo Ihr Wieland if. Kommen Sie, Ih
fen Sie ung Eine Familie ausmachen; nd
men Gie an allen meinen Unternchmunga
Theil; feyn Sie mein Bater, mein Bruda
mein Freund, der Mitvater meiner Kinder,
der Bruder des Engel In beffen Armen, In
Deffen Herzen meine Seele Ruhe findet. Mein
Meib, meine Mutter, fogar meine Kleine
Gophie, wir alle atbmen im gleichen Augen
blick den nähmlichen Wunſch, bie nahmlice
Bitte aus vollem Herzen aus.
Kommen Sie, e8 fol Sie nte gereuen; Sie
werden zu guten Menfchen „mmen, und die
Wonne fühlen, uns ale beffer zu machen.
Alles übrige fchreibt Ihnen mein und Ihr
Bertuch, der redlichite, gutberzigfie Mann,
Den Gottes Boden trägt. Ich kann nicht mehr
fchreiben, als lebe wohl, edelfter und beſter
unfer den Sterblichen.
CCXLV.
An Ebendenfelben
Weimar, den 6. Mer 177%
Bin ich nicht eine undanfbare Eeele, mein
Fheuerfier Gleim, daß ih Ihnen meinen Dank
. 199
: daB Vergnügen, das Sie meinen Kindern,
er Mutter und Großmutter und mir felbft
ecte und indirecte durch den uͤberſchickten
ligen ChHrift gemachte baben, erft den 6.
er; darbringe. Aber, liebfter Gleim, ich
nke in folchen Dingen machen Sie e8 gerade
e unfer lieber Here Gott; Sie fehen bie
eude, die wir über Ihre Gutthaten empfuns
r haben, als den beften Danf an, und diefe
be ic) Ihnen doch: ſchon laͤngſt durch unfern
ertuch Fund und zu mwiffen thun laffen. Kurz
d gut, mein vortrefflicher Freund, alles was
meinem Haufe lebt und webt, liebt Gie,
d fühle, jedes in feiner Art, und fo gut es
nn und mag, daß e8 nicht noch fo einen
ten Mann in ber Welt giebt, wie mein
leim.
und nun, warum ſchrelb' ich Ihnen dieß
les? Weil heute der 6. Maͤrz iſt, und in
er Wochen der 6. April ſeyn wird, und dann
ſehr wenig Wochen die Zeit kommen wird,
o ich Fhnen mit meiner Srau und der Eleis.
a Sophie auf den Hals zu fallen Luft und
ebe hätte, wenn Gie um dleſe "Zeit etliche
eye Tage hätten, bie Sie der Freundfchaft
henken Fönnten. Dein geliebter Karl Auguf
190
felbt bin für mich und alle Meinigen dr
dem fchreclichen Unfall des ſechsten Mas |‘
underlegt geblieben; aber meine Seele litt
fie andre. In unmittelbarer Gefahr wuͤrde
das Haus, daB Ich bewohne, gewefen fegn,
wenn der Sturmwind, der das Feuer in ſe
furger Zeit durch das ganze Schloß verbreitete,
fih nur ein wenig gedreht hatte. Zu unferm
Glück famen wir mit ber Furcht davon. Ein
paar Bücher, die ich im Dimmer des jungen
Herzogs liegen hatte, find mein ganzer Verluſt.
Ueberhaupt findet fich, daß der Schade nicht
fo groß iſt, daß er, ohne mindefte Befchwerde
des Landes, bloß Durch einige, vormahls nicht
nöthige Einfchrankungen In der Ausgabe, nicht
in wenig Jahren wieder follte erſetzt ſeyn koͤn⸗
nen. Und dieß iſt was unſer Hof nun in's
Merk ſetzt. Die Entlaſſung unſerer Schaufplis
ler-Geſellſchaft war eine unvermeidliche Folge
diefer Maaßnahmen; und ich geſtehe daß fie
mir fchmerzlich iſt, einmahl, weil unfer rechts
fchaffene Andres dabey verliert, und dann,
weil ich meine Alcefte dabey verliere. Die gus
ten Leute geben nun auf drey Monathe nad
Gotha, und dahin möge fie der Genius der
dramatiſchen Kunft begleiten!
. Ä 191
Wuͤnſchen Sie mir zu meinem Pringen Gluͤck.
: bat fih am fehsten May und in den fols -
nden Tagen wie ein Held und wie ein Mens :
yenfreund aufgeführt, Was ift ein halb abs ;*
branntes Schloß gegen die herzliche Liebe \
nes Volks, die er durch fein ganzes Betras
a in dieſem Unfall gewonnen bat.
Leben Sie wohl, mein theuerfier Zimmers
ann, und behalten Sie mich lied. Bald
erden Sie unfern Stein und feine fchone
rau toleder fehen koͤnnen; denn fie gehen nach
yrmont. Aber, o mein befter, verehrungss
erther alter Freund, wann werden denn wir
ng mwicderfehen? Glauben Sie mir, der Tag
3 diefes geſchehen würde, wuͤrde zum glück
hen der Menfchen machen Ihren W.
CCXLI.
An Sleim.
Weimar, den ı5. Augufl. 1774
Was für ein fchöner herrlicher Traum, mein
‚heurefier! Mir und meinem ganzen Haͤus⸗
yen träumte, Gleim bätte ung befucht, hätte
ns zween goldene Tage gefchenft, Hatte und
Ne, jedes In feiner Are, glüclich gemacht.
no
192
Sogar die Kinder find Gleims und Glemin⸗
dene voll, kurz, wenn e8 nur ein Traum war;
denn welcher Philofoph kann die Unmöglichkeit
eines Familientraumes beweifen?! — fo
war es wenigſtens ein fo angenehmer Traum,
und ber fo tiefen Eindrud in unfern Herzen
zurüchließ, daß mir den Göttern an Wonne
gleich 3u fenn glaubten, wenn wir auch nur
alle vier Wochen einen ſolchen Familientraum
träumen Eönnten.
Im Ernſt, liebfter Gleim, wir verlaffen und
Darauf, daß Sie In unfern Herzen gelcfen has
ben, daß Sie ed durch den nahmenlofen ins
nern Sinn, durch den Seelen fi einander
unmittelbar mitthellen, empfunden haben, mie
herzlich mir Ste lieben und verehren, — denn;
ohne dieß, koͤnnten wir es Ihnen auf keine
andre Weife hinlänglich zu erfennen geben.
Stellen Sie fi vor, daß fogar die Ffelne
Amalie jetzt noch, da Sie ſchon wieder adt
Tage weg find, fih meines Gleims und unfe
rer Gleminde erinnert. Sobald man Ihren
Nahmen nenne, fomme fie in Bewegung, zeigt
bie Treppe hinauf, bie zu Ihren Zellen führte,
und ftrebet mit Hand und Fuß vol füßer Uns
uld, daß man fie zu Ihnen hinauf fragen fo,
u ÿj——————
no EG, JE
193
Es bleibt nun dabey, Beſter unter allen
Sterblichen, — wir befuchen einander alle
Sahre, wechſelsweiſe? da die Entfernung fo
lein, dag Leben fo kurz, und die Gegenwart
ined Freundes, wie Gleim, der beſte Genuß
veB Lebens iſt!
Seit Ihrer Entfernung iſt Pami Grimm,
ils Fuͤhrer zweyer rußiſcher Grafen, Soͤhne
es Feldmarſchalls Romanzow, mit felbigen
er geweſen. ”
Der junge Herzog zählt ſehr darauf, meinen
Heim künftig kennen zu lernen und ſich zu
Ruße zu machen,
Sophiehen, Carolinhen, Dorchen machen
ammt und fonders Ihren Knicks, jede fo gut
ie fann. O mein Gleim, mein gang elgner
Sleim, da Sie diefe Kinder und ihre Mutter,
bren Vater: fo fehr lieben, warum konnen wir
sicht beyfammen leben, Eine Familie ausmas
ben? Wie felig wären wir! |
Noch einmahl taufend Dank aus vollem
herzen für jeden Beweis Ihrer Liebe, die und
o gluͤcklich macht.
Mielands Briefe 1I. 8. 13
194
CCXLIIE.
An Ebenvdenfelben. Ki
Weimar , den 17. October 1774 | |
Sie haben fich ganz vortrefflich wegen Ihres
Stillſchweigens gerechtfertigt. Sie waren diefe
Zeit hindurch glücklich — und Ich bin eg, wenn
ich höre daß Sie es find.
Daß unfer Fimmermann mich liebe, iſt mit
immer füß zu hören, wiewohl ich Darauf zähle —
aber daß Ihre Grafen von Stolberg fo guns
fig von mir denfen, iſt mir neu.
Daß Sie noc) langer hätten bey uns bleis
ben, daß Ste mit mir noch Gotha hätten reis
fen und Alceften hören fönnen, und daß fein
freundlichee Genius gemwefen ift, ber ung das
in die Seele geflüftert hat, verdrießt mich bery
lih, und wurde mich untröftlich machen, wenn
ich nicht feit auf unfern Vertrag zahlte, ung
alle Fahre wechſelsweiſe zu befuchen.
Wie ganz eigen ihnen, feit ihrem fo liches
vollen Beſuche, mein Herz tft, wie fehr Sie
und die angenehme geifts und gefuͤhlvolle Gle⸗
minde von allem mag mein ift geliebt werden,
wie ſtark und lange wir fühlten, daß Sie und
fehlten, beſter Gleim, dieß kann ich Ihnen
195
icht ſagen. Worte und Phrafen find Feine
Sprachen fur Herzen wie die unſrigen; fie
heinen leicht zu viel zu fagen, und fagen
och nie wag wir empfinden, weder fd fiarf
oc fo herzlich als wir e8 empfinden.
Menn Sie In Berlin, wie ich hoffe, einige
Nenfchenföhne und Töchter mit gefundem Kopf
nd Herzen antreffen, bie mich Heben, fo
rauch’ ich meinem Öleim nicht zu empfehlen,
aß ee mic) ihnen in naturalibus,, wie er mich
efeben bat, vormalen fol. Es iſt ein albern
ing um den Schleyer den meine Laune um
nich bee gezogen hats Wenige Menfchen ken⸗
en mich, und mein Herz fagt mir doch, daß,
venn man mich fennte, nur böfe Menſchen
alt gegen mich bleiben würden. Und .gleichs
vohl, mein theurer Vater Gleim, haben Sie .
n der wentgen Zeit, da mir beyfammen wa⸗
en, gefehen, daß ich leider! fchr lich unar⸗
ig feyn fann. Aber freylich, wenn mir die
egegnet, leidet auch niemand mehr. dabey
ils ich. |
Mit dem Merkur geht es fchon ziemlich
Hlecht. Die Collecteurd bezahlen nicht, manche
affen fit) mahnen, und geben gar Feine Ant⸗
vort. Auch die Buchhändler verderben mir
196
das Spiel auf alle Welle. Es ift Flaglih,
was der Mangel an Ehrlichfeit, und bie ven |
dammte mir unbegreifliche Unluſt an andık
Gluͤck, für Unheil im menfchlichen Leben an
richten. Das ärgfte ift, daB wir ung zu Tode
fchreißen fünnen, ohne daß darum ein einziger
Schurfe weniger in der Welt wird.
Um fo mehr, liebfter Gleim, wollen mit
andern, deren Herzen bie Natur aus feinerem
Ton gemacht, einander durch unfre Liebe ſchad⸗
los halten.
Der Gedanfe, daß mein rechtfchaffner Gleim,
der edelfte und beſte Mann den ich Fenne
von folchen Menfchen wie Spalding und Ram⸗
ler, niche eben fo geliebt werden fol, wie er
von Wieland gelicht wird, tft wahre Pein für
mein Herz. . Welche Wonne, wenn Ihre Reiſe
nah Berlin Geiſter und Herzen wieder zus
fammenfchmelzen Eönnte, die nicht gemadt
find, einander zuruͤckzuſtoßen. Oder iſt's mögs
lich, daß jene Geifter Fein Herz haben?
1
GCXLIY.
An Ebendenfelben.
Weimar, November 1774,
Nein, mein gellebter, verehrter, herzlich
id innig geliebter und verehrter Vater Gleim,
lang Ihr Wieland lebt, follen Sie feinen
dern Winkel des Erdbodens zu Ihrer Reti⸗
de fuchen, als den, wo Ahr Wieland lebt,
o er mit dem Weibe feines Herzend, und
it den Kindern die ihm Gott gelaffen bat,
bt, und um das Gelübde, das er Gott über
er Leiche feines Sohne — fo jung. er flarb,
verſprach er doch fchon einen Sohn, der
fer als fein Vater worden wäre — gelobt
at; um dieß Gelübde — was für Eines, lafı
n Sie Ihr Herz ſich fagen — unverbrächs
ch zu halten, hat er einen foldhen Gefährs
n feines übrigen Lebens vonnoͤthen, wie fein
leim ift.
Befter Gleim, noch find mie ale Nerven
eines Körpers ſchwach und franf, dee Stoß
ar zu flarf und unerwartet — ich kann noch
iche fchreiben, aber ich befchwöre Sie bey
er Urne meines theuern Schmerzensſohns,
enken Sie an feinen andern Winfel der Erde,
195
als wo Ihr Wieland if. Kommen Sie, uf ||
fen Sie uns Eine Samilie audmachen; ud ı
men Gie an allen meinen Unternchmunge
Theil; feyn Sie mein Bater, mein Brude,
mein Freund, der Mitvater meiner Kine,
der Bruder des Engels in deſſen Armen, in
deffen Herzen meine Seele Ruhe findet. Mein
Meib, meine Mutter, fogar meine kleine
Sophie, wir alle atbmen im gleichen Augen
blick den nähmlichen Wunſch, die naͤhmliche
Ditte aus vollem Herzen aus.
Kommen Sie, e8 fol Sie nie gereuen; Sie
werden zu guten Menfchen »ımmen, und bit
Wonne fühlen, ung alle beffer zu machen.
Alles übrige fchreibe Ihnen mein und Ihr
Bertuch, der redlichfie, gutherzigſte Mann,
Den Gottes Boden trägt. Ich kann nicht mehr
fchreiben, als lebe wohl, edelfter und befle
unter den GSterblichen.
CCXLV.
An Ebendenfelben
Weimar, den 6. Der 177%
Bin ich nicht eine undankfbare Eeele, mein
uerſter Gleim, daß Ich Ihnen meinen Dank
195
ar das Vergnügen, dag Sie meinen Kindern,
hrer Mutter und Großmutter und mir felbft
Yirecte und indirecte durch den uͤberſchickten
yelligen Chrift gemacht haben, erſt den 6.
Merz darbringe. Aber, liebfter Gleim, ich
yenfe in folchen Dingen machen Sie e8 gerade
vie unfer lieber Here Bott; Sie fehen die
Steude, die wir über Ihre Gutthaten empfuns
en haben, als den beſten Danf an, und dieſe
yabe ich Ihnen doch ſchon laͤngſt ducch unfern
Bertuch fund und gu mwiffen thun laffen. Kurz
and gut, mein vortrefflicher Freund, alles was
m meinem Haufe lebt und webt, liebe Sie,
nd fühlt, jedes In feiner Art, und fo gut eg
ann und mag, Daß es nicht noch fo einen
guten Mann in der Welt giebt, wie mein
Sleim.
Und nun, Marum ſchreib' ich Ihnen dieß
alles? Weil heute der 6. Maͤrz iſt, und in
vier Wochen der 6. Aprik ſeyn wird, und dann
in ſehr wenig Wochen die Zeit kommen wird,
wo Ich Ahnen mit meiner Frau und ber klei⸗
nen Sophie auf den Hals zu fallen Luf und
Liebe hätte, wenn Sie um dleſe Zeit etliche
freye Tage hätten, die Sie der Freundfchaft
fchenfen Fonnten. Mein geliebter Karl Auguſt
330
ift nun gu Paris, und nebft Graf Gören If
unfer liebensmürdiger guter Knebel bey Ihm
den ich durch feine reigenden Briefe imme
mehr lieb gewinne. Aber zu Ende bes May
fommen fie wieder gurüd, und dann mufle
die Neifen, die ich in diefem Jahr thun will,
gemacht feyn, oder ich mache Feine mehr, dad
ift, die Umflände werden nicht erlauben, daß
ih mich von einem Prinzen, dem ich mid
ganz zu eigen gegeben habe, gerade zu eine
Zeit, wo er feiner Freunde am nötbigften hat,
entferne. — Der bloße Gedanke an dieſe Keife
macht mic) und meine Frau mie, neugeboren.
Unfer Herz, unfer Kopf, unfer Blut und unfre
Nerven, haben aller der mannigfaltigen Arten
von Erfchätterungen vonnötben, die ung diefe
Reiſe geb.n wird.
Andre Luft, taufend neue Gegenflände, dag
Schaufpiel der neuauflebenden Natur um und
ber, und — mas für und wahres Elifium
feyn wird, die offuen Arme unfers Gleims,
nnfrer lieben, feelens und anmutbuollen Gle—
minde — fein Haus, fein Mufentempel, fein
fleines Sangfouci, und die inertes horae im
Schooße der Treundichaft und der Muſen -
r
201
sie wohl, wie wohl wird ung dieß alles zu
eib und Seele bekommen!
Geben Sie uns bald Gewißheit, beſter Gleim,
aß dieß alles — kein leerer Traum aus der
Jforte von Elfenbein iſt. 5
Mir Haben die Schmerzen unfrer Gleminde
nd die Yhrigen Im Grunde des Mergens mits
mpfunden, und um fo lebhafter, da der uns
rige, der Berluft meines holden Karls, eines
dnaben, wie ich noch feinen von Diefem Alter
efeben babe, — no fo neu war. Solche
Schmerzen Fann nur die Zeit heilen — aber
veder die Zeit, noch irgend eine Macht in der
datur fann ung ein abgerißne® Glied wieder
eben. Die Wunde heilt endlich zu, und. hört
uf zu ſchmerzen; aber es mangelt ung doch
Ue Augenblicke.
Mich verlangt herzlich wieder Nachricht zu
aben, wie mein Gleim lebt, wie e8 um feine
zeſundheit ſteht, ob fein Geiſt munter ift, ob
ie Plagegeifter, die Ihm zeither dag Leben
erbittert haben, endlich einmahl von Ihm
blaffen, ob man Ihm erlaubt fo glücklich. zu
eyn, -ald er mit einem Herzen und einem
dopf, wie er hat, feyn muß, und es überall —
uußer im Ochſen bes Phalaris — feyn wird,
Tg
204
Alſo, lieber Vater Gleim, liebes Schwehn ®
chen Gleminde, noc fünf oder ſechs Wohn \}
müffen wir unfer aller Herzen zue Geduld m ||
weifen — oder vielmehr ung wie die Kindleh
. auf den 5. Chriſt freuen, ber doch nun mi |
jedem Tag um — einen Tag näher kommt.
Meine liebe Mutter dankt Ihnen, theuerfler
befier Mann, mit Sreudentbränen in den Aw
gen, für Ihre Liche. |
Aber — drey von unfern Kindern, unfte
Caroline, Dorchen, Amalie, müffen zuruͤck
bleiben, und wie fünnten wir die lieben Kinder
obne Mutter laffen ? das gute fromme
Mütterchen wird alfo dem Leibe nach zurüd
bleiben, mit Ihren Gedanfen und Ihren Her—
gen aber immer mitten unter und feyn. Gie
tröftet fi indeffen durch die Hoffnung, Sie
fünftig, und Soft gebe baldı wieder bey und
zu fehen, und länger als das letztemahl zu
behalten.
Nun, lichfter Gleim, haben Sie alfo Zeit
und Welle, alle Ihre Fleinen Reifen gu mas
hen, — micwohl ich wuͤnſchte, daB wir bie
Reiſe zu dem gutem Fürften von Deffau mit
einander machen fünnten; denn auch mid
bat er eingeladen, und ich muß über lang
. 205
der kurz Ihn und fein Zauberfchlößchen fehen.
znzwiſchen, mein DBefter, fchreiben wir ung,
Jache ich, ale Wochen, um unfre Sachen fo
u arrangiren, Daß alles fein huͤbſch und ſo
zut, als immer menſchenmoͤglich iſt, in einan⸗
der paſſe. Fuͤr meines alten Lehrers und
Freundes Pythagoras Ordensregel — denn
dieß find elgentlich die goldnen Spruͤche,
möchte ich Ihnen auf den Knien danken! Die
Heberfeßung oder Paraphrafe ift, bey allem
was gut iſt! Herrlich — ganz und gar pytha⸗
gorifh, und doch zugleich fo ungemein vers
fchönert! So erhaben einfach, fo wahrhaft im
Son ber Achten ungefchminften Weisheit! —
Die legten vierzehn Verſe find dem Bellen
gleich, was je In irgend einer andern Sprache
gefchrieben worden. Sie haben unfrer Zeit ein
Geſchenk damit gemacht, das wirklich nicht
genug gefchägt werben kann. ES iſt wahres
Geſetzbuch der Weifen, der. Weltbürs
ger In ſechzehn Octavſeiten. Wie ſtolz würde
ich darauf geweſen ſeyn, wenn Sie mir er⸗
laubt hatten, dieſe goldne Ordensregel zuerſt
im Merkur zu publiciren.
Es iſt ein ganz herrlicher Gedanke, uns nach
Blankenburg entgegen zu kommen, und es mir
206
voraus zu fagen. Gleminde hatte dießmakl\ in
Unrecht; ich liche die Ueberraſchungen nick; il
fie taugen für ale ſehr empfindlichen Leutchen
nichts; vorauggenießen iſt ein zu fuße 1
Vorrecht der Menſchheit, um fich deffen felbk t
su begeben. Alfo gebe ich dann der Kleben |!
Gleminde ein paar Dugend Mäulchen auf Abs |!
ſchlag derjenigen, die Ich bald, bald — dem
tole ſchnell raufchen fünf oder ſechs Wochen |!
vorbey, in natura einzuziehen boffe. Lebett |
wohl, meine Lieben! Meine Frau freut fih |
tie ein Kind auf diefe Reife. |
Wir umarmen unfsen Gleim, unfre Gleminde |
inniglid.
CCXLVII.
An Ebendenfelben.
Weimar, den 31. Merz 1775:
Liebfier Gleim, es waltet zwifchen den Koͤ⸗
nigen und den Weiſen, die zu Fuß gehen und
alles Ihrige bey fich tragen, oder auch den |
Meifen, die fich in einem alten Rırmpeifaften '
von vier magern Kleppern ziehen laffen, und
nur eine Frau, ein Kind, einen Freund und
einen gentilhomme servant bey fich führen
207
t Fleiner linterfchied vor, den Em. Liebden
ht in Erwägung zogen, als Sie mich durch
8 Beyfpiel des großen Königs piquiren woll⸗
ı, den Tag meiner Abreife zu Ihnen feſtzu⸗
sen. Die Könige bangen von Niemand ab,
d koͤnnen alles, was fie wollen. Wir aber
cht alfo.
Indeſſen weil Sie, mein Beſter, fo ſehr
rauf beſtehen, daß ich dießmahl, quoad
»c possum, König ſeyn ſoll, fo ſey dann
emit, in aller guten Geiſter Nahmen, der
'erte May zum Tage meiner Abreife von
zeimar fefigefegt, mit der Erklärung, daß
ich nichts als Krankheit oder Tod — oder
ne unverboffte plößliche Abführung auf die
zartburg — daran verhindern fol. — Hinz
‚gen, liebftee Gleim, können wir, i. e. ich,
eine Stau und Bertuch, der mit ung geht,
is unmöglich entfchließen, Ihrem Rath zus
ige, bey Ihren reſp. Freunden Gottfchalt
: Sondershaufen und Friederici In
lanfenburg zu logiren; und wir bitten
ie, recht inftändig, was mir bitten können,
evon abzuftehen, und nicht ungehalten auf
a8 zu werden, daß wir ohne außerfie Kepugs
anz Leibes und Dee Seelen nicht Daran den—
193
als wo Ahr Wieland ifl. Kommen Sie, hf
fen Sie ung Eine Familie ausmachen; nes ı
men Sie an allen: meinen Unternchmunge
Theil; feyn Sie mein Vater, mein Brude,
mein Freund, der Mitvater meiner Kinder,
der Bruder des Engels in beffen Armen, in
Deffen Herzen meine Seele Ruhe finder. Weis
Meib, meine Mutter, fogar meine Flein
Sophie, wir alle athmen im gleichen Augen
blick den nähmlichen Wunfch, bie naͤhmllche
Ditte aus vollem Herzen and.
Kommen Gie, e8 fol Sie nie gereuen; Si
werden zu guten Menſchen vmmen, und bit
Wonne fühlen, ung alle beffer zu machen.
Alles übrige fchreibt Ihnen mein und Ihr
Bertuch, der redlichfle, gutherzigſte Mann,
Den Gotted Boden trägt. Ich kann nicht mehr
fchreiben, als lebe wohl, edelfter und befe
unter den GSterblichen.
CCXLV.
An Ebendenfelben.
Weimar, ben 6. Merz 177%
Bin ich nicht eine undankbare Eeele, mein
uerfiee Gleim, daß Ich Ihnen meinen Danf
195
ur das Vergnügen, das Sie meinen Kindern,
hrer Mutter und Großmutter und mir felbft
irecte und indirecte durch den uͤberſchickten
yeiligen Chrift gemacht haben, erſt den 6.
Merz darbringe. Aber, liebſter Gleim, ich
yenfe in folchen Dingen machen Sie e8 gerade
vie unfer lieber Here Gott; Sie fehen die
Sreude, die wir über Ihre Gutthaten empfuns
ven haben, als den beften Danf an, und diefe
yabe ic) Ihnen doch ſchon Tangft Durch unfern
Bertuch fund und zu wiffen thun laffen. Kurz
und gut, mein vortrefflicher Freund, alles mas
m meinem Haufe lebt und webt, liebe Sie,
und fühle, jedes In feiner Art, und fo gut es
fann und mag, Daß es nicht noch fo einen
guten Mann in ber Welt giebt, wie mein
Sleim.
Und nun, warum ſchrelb' ich Ihnen dieß
alles? Weil heute der 6. Maͤrz iſt, und in
vier Wochen der 6. April ſeyn wird ‚und dann
In ſehr wenig Wochen die Zeit kommen wird,
wo Ich Ihnen mit meiner Frau und ber klei⸗
nen Sophie auf den Hals zu fallen Lu und
Liebe hätte, wenn Sie um biefe Zeit etliche
freye Tage hätten, die Sie der Freundfchaft
ſchenken Fönnten. Mein geliebter Karl Augı
330
ift nun gu Paris, und nebſt Graf Gärten Hi
unfer liebenstwürdiger guter Knebel bey ihm
mehr lieb gewinne. Aber zu Eude des Mat
fommen fie twieder zurüd, und dann mufe|
die Reiſen, die ich in dieſem Jahr thun will,
gemacht feyn, oder ich mache Feine mehr, das
ift, die Umflände werden nicht erlauben, dab
ih mich von einem Prinzen, dem ich mid
ganz zu eigen gegeben habe, gerade zu eine
Zeit, wo er feiner Sreunde am nötbigften hat,
entferne. — Der bloße Gedanfe an dieſe Reife \
macht mich) und meine Frau mie, neugeboren.
Unfer Herz, unfer Kopf, unfer Blut und nuſte
Nerven, haben aller der mannigfaltigen Arten
yon Erfchütterungen vonnöthen, die ung biefe
Reiſe geb:n wird.
Andre Luft, taufend neue Segenftände, dad
Schaufpiel der neuauflebenden Natur um une ;
ber, und — mas für und wahres Elifium
feyn wird, die offuen Arme unſers Gleims,
unſrer lieben, feelens und anmutbuollen Gle—
minde — fein Haus, fein Mufentempel, feis
feines Sangfouci, und bie inertes horae Im
Schoofe der Sreundfchaft und der Muſen —
e
201
wie wohl, wie wohl wird uns dich alles zu
Leib und Seele befommen ! .
Geben Sie ung bald Gewißheit, befter Gleim,
daß dieß alles — Fein leerer Traum aus ber
Pforte von Elfenbein ift.- -
Mir haben die Schmerzen unfrer Gleminde
und die Ihrigen im Grunde des Herzens mits
empfunden, und um fo lebbafter, da der uns
frige, der Berluft meines Holden Karls, eines
Knaben, wie ich noch Eeinen von dieſem Alter
gefehen babe, — noch fo neu mar. GSolde
Schmerzen fann nur bie Zeit heilen — aber
weder die Zeit, noch irgend eine Macht in der
Natur kann ung ein abgerißnes Glied wieder
geben. Die Wunde heilt endlich zu, und hört
auf zu ſchmerzen; aber es mangelt ung doch
ale Augenblicke.
Mich verlangt Herzlich wieder Nachricht gu
baben, wie mein Sleim lebt, wie es um feine
Geſundheit ſteht, ob fein Geiſt munter ift, ob
die Plagegeifter, die Ihm seither bag Leben
verbittert haben, endlih einmahl von Ihm
ablaffen, ob man Ihm erlaubt fo glücklich zu
feyn, als er mit einem Herzen und einem
Kopf, wie er hat, ſeyn muß, und eg überall —
außer im Ochſen des Phalaris — feyn wird,
.
.d
204
Alfo, lieber Vater Gleim, liebes Schwerer
chen Gleminde, noch fünf oder ſechs Wochen
müffen wir unfer aller Herzen zur Geduld ven
mweifen — oder vielmehr ung wie Die Kindleln |
. auf den 5. Ehrift freuen, der doch num mit |
jedem Tag um — einen Tag näher fommt.
Meine liebe Mutter dankt Ihnen, theuerfler, |
befier Mann, mit Freudenthraͤnen in den Aus |
gen, für Ihre Liche.
Aber — drey von unfern Kindern, unfte
Caroline, Dorchen, Amalie, müffen zuräd
bleiben, und wie fünnten wir die lieben Kinder
ohne Mutter laffen ? das gute fromme
Mütterchen wird alfo dem Leibe nach zurud
bleiben, mit ihren Sedanfen und Ihren Ders
gen aber immer mitten unter ung feyn. Sie
tröftet fich indefien durch die Hoffnung, Sie
fünftig, und Gott gebe bald! wieder bey uns
zu fehen, und länger als das leßtemahl zu
behalten.
Nun, liebfter Gleim, Haben Sie alfo Zeit
und Weile, alle Ihre Eleinen Reifen gu mas
hen, — wiewohl ich münfchte, daB wir bie
Heife zu dem gutem FZürften von Deffau mit
einander machen Eönnten; denn auch mid)
bat er eingeladen, und ich muß über lang
205
er kurz Ihn und fein Zauberfchloßchen fehen.
13wiſchen, mein Beſter, fchreiben wir ung,
he Ich, ale Wochen, um unfre Sachen fo
arrangiren, daß alles fein huͤbſch und fo
it, ale immer menfchenmöglich Ift, in einan⸗
e paſſe. Zür meines alten Lehrers und
reundes Pythagoras Drdensregel — denn
eß find eigentlich die goldnen Sprüche,
öchte ich Ihnen auf den Kmen danken! Die
sberfeßung oder Parapbrafe ift, bey allem
as gut iſt! Herrlich — ganz und gar pytha⸗
yrifch, und Doch zugleich fo ungemein vers
hönert! So erhaben einfach, fo wahrhaft im
on ber Achten ungefchminkften Weisheit! —
ie leuten vierzehn Verſe find dem Beſten
eich, maß je in trgend einer andern Sprache
sfehrieben worden. Sie haben unfrer Zeit ein
jefchenf damit gemacht, das wirklich nice
enug gefchägt werden kann. Es ift wahres
zeſetzbuch der Weifen, der. Weltbürs
er in fechzehn Detavfeiten. Wie ſtolz würde
h Darauf gemefen feyn, wenn Sie mir ers
zubt hatten, dieſe goldne Ordensregel zuerft
n Merfur zu publiciren.
Es iſt ein ganz herrlicher Gedanke, ung nach
zlankenburg entgegen zu fommen, und e8 mir
4‘
206
voraus zu fagen. Gleminde hatte dießmäahl
Unrecht; ich liebe die Ueberrafchungen nidt;
fie taugen für alle fehr empfindlichen Leutchen
nichts; vorausgenießen iſt ein zu ſuͤßes
Dorrecht dee Menfchheit, um fich deffen felbk
su begeben. Alfo gebe ich dann der Heben
Gleminde ein paar Dusend Maͤulchen auf Abs
ſchlag derjenigen, die Ich bald, bald — denn
wie ſchnell raufchen fünf oder ſechs "1
vorbey, in natura einzuziehen boffe. Lebet
wohl, meine Lieben! Meine Frau freut fi
wie ein Kind auf diefe Reife.
Wir umarmen unſern Gleim, unfre Slemindt
inniglich.
CCXLVII.
An Ebendenſelben.
Weimar, den 31. Merz 1775
Liebſter Gleim, c8 waltet zwifchen den Koͤ—
nigen und den Weiſen, die zu Fuß gehen und
alles Ihrige bey fich tragen, oder auch der
Meifen, die fih in einem alten Rırmpelfaften !
vom vier magern Kleppern ziehen laffen, und
nur cine Frau, ein Kind, einen Freund und
einen gentilhomme servant bey fich führen
207
ı Fleiner linterfchied vor, den Em. Liebden
cht in Erwägung zogen, als Sie mich durch
8 Benfpiel des großen Königs piquiren woll⸗
rn, ben Tag meiner Abreife zu Ihnen feſtzu⸗
sen. Die Könige bangen von Niemand ab,
id koͤnnen alles, was fie wollen. Wir aber
cht alfo.
Indeſſen meil Sie, mein Beſter, fo ſehr
wauf befiehen, daß ich diekmahl, quoad
>c possum, König feyn ſoll, fo fey dann
emit, in aller guten Geiſter Nahmen, der
ferte May zum Tage meiner Abreife von
3eimar feftgefegt, mit der Erklärung, daß
ich nichts als Krankheit oder Tod — oder
ne unverhoffte plögliche Abführung auf die
3artburg — daran verhindern fol. — Hinz
gen, liebfter Gleim, fünnen wir, i. e. ich,
eine Frau und Bertuch, der mit ung geht,
ı8 unmöglich entfchließen, Shrem Rath zus
Ige, bey Ihren reſp. Freunden Gottfchalt
ı Sondershaufen und Friederici in
‚lankenburg zu logiren; und wir bitten
sie, recht inftändig, was wir bitten fünnen,
;evon abzuſtehen, und nicht ungebalten auf
ng zu werden, daß wir ohne Außerfie Repug⸗
anz Leibes und der Seelen nidye daran dens
208
fen fünnen, vor Haͤuſer hinzufahren, wo niı
feine Seele kennen.
Yaffon Sıe uns alfo immer incognito wi
fen; wir wollen ung unterwegens behelfen fi
gut wir fünnen, und die Hauptfache ft, M].
balo als möslih bey Shnen zu feyn. N‘
Das beite mare, wenn ich den Merfur and |
meinen theuerften &leim, und Durch meinen
Gleim den Merkur dem Publikum intereflant
machen konnte — dag Wort dießmahl im Dop
pelinn genommen! — Aber wenn Ich nicht
Wege finde, mehr Abfag zu bekommen, |
fommen wirklich kaum die Unfoften bey'm
Merkur heraus. Die Deutfchen find entfeglic
falte Seelen. In einer Stadt, wie Berlin —
wo der Merkur in jedem guten Haufe feye
follte — nicht zwanzig Abonnenten.
Mir umarmen unfern Vater und Seelen
Bruder Gleim, und unfere ficbe Zante. Sie
minde mit einer Liebe, die nur Sie und wit
verdienen, und mir und Sie lieben fünnen.
Wie find wir fchon im Voraus glücklich ! Der
ganze April wird was ganz anders dadurd, !
als er fonft geweſen märe. Und hiermit, lieb
fier Freund, Gott befohken von Eurem W.
209
CCXLVIII.
Yn Gleim.
Meimar, den 7. April. 1775:
iebſter beſter Gleim, nur zwey Worte um
ien zu ſagen, daß mich Gott aus einer
'ahr erlöst bat, an die Ih ohne Schaus
ı nicht denfen Ffann. Ich war nahe dabey
r wenigſtens machte mich’8 Liebe und Angſt
fen, das .befte, für mich allein gefchaffene
ibchen zu verlieren. Alle lieben Engel Gots
haben Mitleiden mit mir und meinen vier
ıen Eleinen Mädchen gehabt; wir haben uns
beſtes Mütterchen wieder, und, durch eine
rkung des bewundernswerthen Gleichgewichts,
rin ihre ſchoͤne Seele ihr Maſchinchen haͤlt,
indet ſie ſich nicht nur außer aller Gefahr,
dern in jeder Betrachtung ſo wohl, als es,
Natur der Sache nach, nur immer mögs
iſt.
Die goldenen Spruͤche fommen in den Mos.
bh May des Merfurlus; id kann Ihnen
ht anders beifen, fie find zu fchön, zu ges
innügig um nicht fo befannt als möglich ges
sche zu werben. Ohne diefe VBergunftigung,
de ich die Iris ganz -abfcheulih um dag
Wielandd Briefe UI. ©. 14 ”
210
allerliebſte Lied benelden, dag Sie ihr geſchaft
haben. ch Hoffe der Merkur dieſes Jahs
ſoll Ihnen fo gut gefallen, daß Sie künftgl}
folche Leckerbiſſen für Lefer die Seele hama
ihm vor allen andern Concurrenten, männl
hen und meiblichen Geſchlechts zufommalnı
laffen. bir
Leber wohl, heim und Nichte, anmelıı
candidae! Reine Fleine Srau ruft and Ihm,
Dette, daß ich Ahnen fagen foll: es freue Min
berzlich, daß fie Hate einer Reiſe in's Ey
die noch Immer frub genug kommt — zu
beften Seelen, bie je in Rerblichen Hütten
wohnt haben, nach Halberſtadt reifen we
Schon um ben Tage näher! Eya! m
wir da!
CCXLIX.
Un Meufel.
Weimar, den 7. April. ar ı
Melden Sie doch unferm Schmidt, daß MN
ibn pro futuro von dem ohnehin odigfen
ingraten Artikel Der kritiſchtn Nachrichten
bifpenfire, aber sub lege, daß er auf
\ramatifhen Artikel defto mehr Zeit uk!
211
e wende, beſonders auf den dramaturgi⸗
Theil deſſelben. Ich honoriere Ihm den
n des Theatral:s Artifeld mit zwey Du⸗
‚ bis etwan beffere Zeiten fommen, bes
: mir aber die Freyheit, wegzulaffen, was
u fehe wider alle meine Begriffe verftöße
ch z. B. mit feiner allzumildherzigen Beurs
ıng des hoͤchſt unſinnigen Wezelſchen
ſters von einem Trauerſpiel gethan habe.
muͤthigkeit und vor allen Dingen Uns
heylichkeit empfehle ich hoͤchlich. Ge⸗
ie letztere verſtoͤßt, daͤucht mich, ziemlich
die uͤbertriebne Verachtung des neueſten
8 von Großmann, welches nach meis
Gefühl und Urtheil, nichts weniger als
und unendlichmahl beffer iff, als Wezels
eburt. |
es was ich der Zeit von Rezenſionen vor⸗
3 babe, fol in den Monath April foms
der Platz dazu komme auch her, wo er wolle.
en Sie wohl, Theuerfier, Ihre geliebte
te Ift doch wieder wohl? Ich war diefer
n in Gefahr, die Meinige und mit ihre
Zluct meines Lebens zu verlieren. Gotts
at fich die Gefahr bald verloren, und num
alles wieder fehr gut.
CCL.
An Gleim.
Weimar, den 21. April. mi
Das Meibchen Ift wieder beffer, mein hm
jendvater Gleim, gebt wieder ganz munter ha
um, und wird glaube ich, von dem bloka
Gedanken zu meinem Gleim und Ihrer El
minde zu reifen, von der bloßen Freude a
diefe Reife, gefund. Wir kommen alfo gewil
liebfte Seelen, aber — nicht den vierten, &
den zehnten May, fage: den zehnten May mr
den wir von bier abreifen; und warum die
Alles bloß um dieſes gebenedeyten Merku
willen, den wir, Ich und Bertuch, ſchlechte
dings vom Halfe haben müffen, um mit ga
heiterm , ruhigem, forgenfreyem Geifte u
Herzen zu unferm Gleim ziehen und acht ga
zer feliger Elifiumstage bey ihm zu leben.
Wirklich) haben wir mit bem Drud des M
nathflüfs May heute den Anfang gemad
Bis zum neunten May merden wir mit Dr
den, Heften und Spediren nad Erfurt fert
feyn und dann auf und davon!
Wir freuen ung berzlih, Daß wir den O
feben, betreten und fegnen follen, Der die Wi
213
des liebenstwärbigften und beflen Mannes,
r des Lieblings der Natur und, der Mufen,
r unfers Gleims Wiege gemwefen If.
Künftigen Montag oder Mittwochen, mein
fter, fchreibe ich Ihnen unfere eigentlichfte
arfchroute fo genau ald menfchenmöglid.
tzt kann ich nicht; ich habe noch alle Haͤnde
N für den Merfurtus zu thun, und daß
in Kopfdabeny nicht müßig ift, und mein Herz
ch mweniger, wiffen Sie. Bon einem Mens
en aber, der mit Kopf Herz und Hand ars
tet, Tann man wohl fagen, Daß er arbeitet.
ber den Merkur wollen wir, der Länge und -
eite nah, zufammen ſchwatzen. Nun
fen Sie ihn doch haben. Die Spedition
ed Fünftig munterer geben, wenn nur bie
Preußifchen Poftämter uns das Spiel nicht
derben. Denn die wollen immer noch nicht
zen, was wir Ihnen auch pfeifen.
Ade Herzlieber Onkel und Hausnichte!
Ihe feyd warme Seelen, Beuerfeelent das
d wir arme Schwaben nicht. Aber es fchlägt
8 doch auch was unterm Bruſttuch und wir
yen Euch von Leibes und Seelenfräften, was
e lleben können. |
Bald, bald! Es iſt fchon der 21. April!
—
214
CCLIT.
An Ebendenfelben
Meimar, den 1. May. 17
Heil dem erfien May, an dem Ich Ihnen d
fchreibe, mein Alterliebfter, und ſchnell mö:
mit Ihm feine zehn Brüder vorbeyellen,
mit ich auf den Flugeln des zwölften, b
bald in meines Gleims Umarmung fliegen fa
Zaufendfachen herzlichen Danf von ung a
für Ihr herzliebendes Briefchen vom 26. Ap
und für das Fleine Lied an Ihre Blümd
Die ganze Natur fängt jet an zu leben :
zu eben, zu grünen und zu blühen. |
jedem Tage ſchießt der Lebensftrom ftärfer di
alte Ahre Adern. Wir werden die angenehr
Heife machen, die je gemacht worden. M
gutes Seelenweibchen zähle beynahe die St
den big zum zehnten May. Nun find’ o
den heutigen nur noch fieben, wird fie mot,
fager, wenn fie aufwacht.
Bertuch "und ich möchten aus der Haut
ausfahren, dag die Merkfure den 26. 9
noch nicht bey Ihnen ‚angelangt feyn fol
Bertuch verpfandet feine arme Seele, ı
müßten Sie folche ganz gewiß haben. ‘
215
e heute nah Erfurt fchreiben, woran es
n liege. Mie Zittern verlaß ich mich ins.
en auf Bertuhs Wort. Es iſt was hor⸗
8, daß mein Gleim der Einzige feyn muß,
noch nicht weiß, was .Danifchmend und’
Ifade und das Famillenſtuͤck, und die Ges
hte dee Sultanfchaft, und der Mönch und
Nonne für Dinge find, Der May If uns
mein Beſter, alfo follen Sie feine Gewalt
ichen muͤſſen, um ung ein paar Tage über
Ripulirten achte, länger zu haben, wenn
wicht felbft bälder fatt von uns werben.
werden dieſe Wonnetage wie Stunden vors
chluͤpfen und wir werden gewiß Feine Zeit
en, fie zu zählen. Ich mit alem was hier
it, merfe mich In meines Gleims Arme
freue mich der feligen Tage vor mir. Ich
„te dem Oheim und der Nichte noch gern
ı recht fchöneß fagen, aber dag Herz ifl
fo voll, wenn ich an Euch denke, Ihr
en unter allen menfchlichen Weſen, daß ich
nichts ſagen kann.
.S. Fraͤulein S “8 empfiehlt fich bes
3. Die gute Seele! Warum giebt's doch
e Feen und Feenwagen mehr? Ehe wir
‘
217
nden den Staub legen wird. Sollte wider
erhoffen anhaltender Negen, und großes Ges
äffer eintreten, fo wuͤrden mir freylich erft
rentag Vormittags nad) Halberftadt fommen
nnen. Aber wir wollen das Beßte hoffen.
nfre Route wird diejenige feyn, die Sie
[Oft ung vorgegeichnet haben. .
Ich habe jege nicht Zeit Ihnen ein Wörts
ven mebr zu fagen, als daß wir im Geifte
hon bey ihnen find. Wir denfen an nichts,
nd reden von nichts ald von unfrer Reife
ı unferm Gleim und feiner lieben Nichte.
Schicken Sie ung alle Ihre guten Götterchen
nd Engelchen entgegen. Ade, liebfter Oheim,
ebſte Nichte!
ccLM.
Un Ebendenfelben.
Weimar, den 28. May 1775.
Da find wir nun wieder zu Weimar, haben
nfer gutes Mütterchen, haben .unfre Kinder
leder gefunden, und das ganze Haus mit
sefen gekehrt, und alles zu unferm Empfang
ereitet, und große Freude auf beyden Seiten —
nd nun fisen wir da, und erzählen einander
218
unfern langen zwoͤlftaͤglgen Wonnetraum von
Slein und Gleminde, von Freundfchaft nad
Gellgfelt, von Halladat und Sappifchen Lie
dern, von ESpiegelbergen und Nonnenparabdic
fen, und von dem Heinen Sansſouci, wor!
unferm Gleim fo felten fo gut wird, fich aller
soucis die Ihn plagen, zu entfchutten — und |
wundern ung, wie aus diefen zwoͤlf feligen
Tagen ein einziger Augenblick worden iſt; und
fühlen dann wieder, gleich der aus Elyfium
mwiedergefommenen Alceſte im Grunde der
Seele, daß es fein Traum War, aber führ
len auch, daß die Hälfte unfered Herzens
bey unferm Gleim und unſrer liebften Sie
minde zuruchgeblieden iſt, find nicht mehr fo
wohl, fo munter, fo fröhlich als wir bey uns
fern Lieben waren, und koͤnnen und durch
nichts leichter um’s Herz machen, als menn
wir von Ihnen reden, ung ſelbſt unter einan⸗
der und unſrer lieben Mutter und unfrer klei⸗
nen ſchwaͤrmeriſchen S * * * fagen und mies
Derfagen, was für ein guter, lieber, mwürs
diger, herrlicher Mann unſer Gleim, was für
ein gutes, liebes, auserwaͤhltes Gefchöpf
melne Seelenſchweſter Gleminde iſt! Ach daß
Seelen sole die unfern, bie fo ähnlich empfin⸗
219
n und Denken, in fo vielen Punkten einans
er berühren, fo eigentlich dazu gemacht find
it einander su leben und zu weben — durch
chzehn Meilen getrennt feyn follen! denn bes
enkt es ſelbſt, meine Lieben, dieſe fechzehn
deilen ſind, bis wir wieder zu euch, oder
hr zu ung reiſet — fo viel als 16000 Meilen.
rer Morgen kommt, und der Abend ſchleicht
bey, ohne Hoffnung, daß wir ung Morgen
iher ſeyn werden als heute. Einen Freund
ie Gleim, eine Freundin mie Gleminde zu
aben, und nicht mit Ihnen leben zu köns
en, was für ein Leben iſt das? |
Ich ſchwoͤre Ihnen bey unfrer heiligen
reundfchaft, mein. Befter, felbit dad Wieder⸗
ben unfrer Rinder, die Sreude der Eleinen
‚den Gefchöpfe, die Woluft, fie wieder an
iſer Herz zu drücken, hat ung nur halb gluͤck⸗
h gemacht, weil. wir fie.niche mit Ihnen
eilen konnten. Iſt denn kein Mittel, liebs
r Gleim, unfer Leben fo zufammen zu flechs
n, daß ung nichtE als der Engel Tod mehr
beiden könne?
Alle Yugenbiice unterbrochen, wie es nach
nee Entfernung von: ſechzehn Sagen In meis
220
ner hiefigen Lage, nicht anders feyn fam. | '
Nun nach Hofe zu der lieben guten: Fürſn!
Amalie. Bey'm Eintritt In ihr Zimmer fd |
ich meinen ehrlichen Landsmann Meyer ım
Jena und eine junge Eängerin von "jreäll
Fahren bey ihr. Die Sängerin veranlaft ci \
Concert in der Herzogin Zimmer, und ich fol
zuhören. So gehen wieder zwo Stunden hin -
dann fommen etliche Mitglieder von der Geb
lerfchen bande joyeuse, die von Leipzig zu—
ru nach Gotha gehen, und mir Die dritt
Stunde nehmen — und nun zu Haufe finds
ih eine Heine Gefelfchaft, deren Seele Fraͤu⸗
lin 5 * ** die Kleine if. Da fchwagen
wir nun zwar von Halberſtadt bis in die fpätt
Nacht — aber, uber allem dleſem gebt bie Zeit
hin, und ich wollte lieber mit meinem Sleim
als von Ihm ſchwatzen.
Eden wird mie Ihr lieber göldnee Brief
vom vier und zwanzigſten gebracht, mein ewig
tbeurer Gleim. Wir haben ihn mit geruͤhrtem
Herzen gelefen und wieder gelefen, und freuen
ung inniglich über diefe neue Probe bes Eins
klangs auf den unfre Seelen geflimme find.
Zaufend, taufend Dank an Oheim und, Nichte
ehr dag Gelübde: zu unferm Zufammenmohnen
221
iftlichere Anflalten als bisher gu machen.
ie bloße Hoffnung macht ung glücklich, liebfte
eunde, für uns und euch. Denn wo wird
leminde eine andere Wielandin oder Wielans
n eine andere Gleminde finden? Oder mer
nn Wielanden feinen Gleim oder Gleimen
Inen Wieland erfegen? Beyſammen muͤſſen
ie wohnen, mein Befler, meine Kigder müfs
n die Sihrigen feyn, Ihre Freuden und Leis
na’ die meinigen, und vice versa — Aber bes
met, befte Seelen, wie kurz dieß Leben if,
ad wie Schade um’ jeden Tag, den wir vers
ren! Laßt ung von nun an, ohne Auffchubd,
en Plan machen, die Mittel abmeſſen, die
inderniffe berechnen, und dann Hand an's
Berf legen, fobald als ed nur immer möglidy
. Sind wie einmapl beyfammen, fo fol
oh! bald Kath dazu werden, unfern guten,
ortrefflichen Stamford nachzuziehen. Ich habe
hon ein quo modo dazu ausgefonnen, und
Inge auch dieß nicht, fo finden wir unfehlbar
In andres. Zuförderft koͤmmt alles darauf an,
b Wieland zu feinem Gleim, oder Gleim zu
einem Wieland: ziehen fol. Carl Auguft wird
ieß entfcheiden, oder bat es vielmehr fchon
nefchieden. Denn welcher gute Cosmopolit
224
An das Wundermweib, unfre Karfchin, far
ich noch dieſe Woche. Jetzt bin ich noch
fo vielen Gefchäftsbriefen uͤberhaͤuft, die fh
nige Expedition erfordern — und Darum ı
ich auch jest abbrechen, fo gerne ich noch
ger mit meinem Gleim ſchwatzte.
Alfo, befter der Freunde, befte der Sreun
nen, nochmahls faufend Danfoolle Umarn
gen von Eurem Wieland und dem Meibe
nes Herzens fur die glüdlichen Tage, die
bey Euch gelebt haben. Taufend zärtliche $
von der Eleinen Tochter der Natur, die fol
liche Kaffe geben Fann, wenn die Allmacht
Empfindung ihre junge, noch nichts Böfes
nende Seele, übermwaltigt. Gott fegne unt
halte und befelige unferen Sleim und uı
Gleminde! Wie herzlich Ih und die He
meines Ichs Euch beyde lieben, fünnen W
nicht ausdruͤcken. Euer Dafeyn IfE unfer ı
nes. O fönnten wir Euch, Ihr Beben, ı
ren Hippokrates zufchicken! Komme,
Geelen, fommt doc) je bälder, je Liebe:
uns, und holet Euch Gefundheit und n
geben bey ung. — Nur noch zwey Worte
unfrer Nückreife. Donnerflag Mittags fa
wir in Kalbesried an, blieben den Fre
| 225
rt, ſahen einen der ſchoͤnſten, froͤhlichſten,
manmaßigftien Winkel des Erdbodeng; fahen
demfelben ein niedliches Gut, das Gleim
id ich dereinft um ıgoco Thaler kaufen fols
— und famen Sonnabend um fechs Uhr
achmittags in Weimar an. |
Meine liebe Mutter fegnet Sie für alles
ute, wag Sie Ihren Kindern gethan haben.
ıferm und Ihrem verehrungs wuͤrdigen Doms
chant fagen Sie an unfrer Statt alles, was
ie in unfern Seelen für dieſen edlen Mens
yenfreund leſen. Sein Andenken wird nie
is unfern Herzen fommen. Taufend zärtliche
rüße und Umarmungen an Stamford, Eas
Auss Schmidt und Neffen Gleim, und Eoms
imente von mehr oder weniger Innrem Ges
le, refpective an alle, die deren wert) find,
ın Ihrem ganz eignen W.
. CELIV.
An Ebendenfelben.
| . Weimar , den 3. Juny 1775:
Auf Ihre drey lieben Briefchen vom 28. May,
halten Sie dießmahl nur ein Kleines Blaͤtt⸗
en, liebſter Neziensbruder; ich wollte, daß
Mielando Briefe IL. . |
—8X
227
sthig, daß alle Membra einer zu einer Ens
eprife verbundenen Societät in dem naͤhmll⸗
en Staate wohnen, um Beguͤnſtigungen von
mfelben zu erhalten!
Doch auch zu einer Migration nach Halbers
ade, oder wohin Sie fonft wollen, koͤnnte
elleicht nody Rath werden, wenn Sie mir
ıf alle Fragen und Zweifel, die meine Vers
anft, die Zweiflerin, noch aufwirft, hinlängs
he Antworten geben fünnen, Aber von alle
m ein andermabl.
Taufendfachen Dank dem guten Engel, ber
fern theuren verehrungewindigen Domde⸗
anten noch im Augenblick der dringenden
efahr aufgeweckt hat! Ich fchauderte bey der
achricht, die Sie unferm Bertuch davon gas:
n. Gagen Sie doch dieſem edlen Manne,
r den Timon ſelbſt mit der Menſchheit wie⸗
re ausſoͤhnen koͤnnte, in melnem Nahmen
les, was Sie in meiner Seele leſen, alles
as ih Ihm ſagen würde, wenn Ih in dies
m Augenblick, wie ebemahle bey. meinem
leim, neben Ihm gegenüber fäße, und mid)
loͤſt wegen melner Empfindungen für den
ortrefflichen Dann licher hätte
Ihe gerechter Zorn über ben ſchandlichen
219
den und denken, in fo. vielen Punkten einans
Der berühren, fo eigentlich dazu gemacht find
mit einander zu leben und gu weben — durch
fechzehn Meilen getrennt feyn follen! denn bes
Denft es ſelbſt, meine Lieben, dieſe fechzehn
Meilen ſind, bis wir wieder zu euch, oder
Ihr zu ung reiſet — fo viel als 16000 Meilen.
Der Morgen kommt, und der Abend ſchleicht
vorbey, ohne Hoffnung, daß wir uns Morgen
naͤher ſeyn werden als heute. Einen Freund
wie Gleim, eine Freundin wie Gleminde zu
haben, und nicht mit Ihnen leben zu koͤn⸗
nen, was fuͤr ein Leben iſt das? |
Ich ſchwoͤre Ahnen bey unfrer heiligen
Freundſchaft, melin.Befler, ſelbſt das Wieder;
ſehen unfrer Kinder, die Freude der Fleinen
holden Gefchöpfe, die Wolluſt, fie wieder an
unfer Herz zu druͤcken, bat ung nur halb glüchs
lich gemacht, weil wir fie.nicht mit Ahnen
theilen konnten. Iſt denn fein Mittel, lieb⸗
fter Gleim, unfer Leben fo zuſammen zu flechs
ten, daß ung nichts als der Engel Tod mehr
fcheiden fünne? |
Alle Augenblicke unterbrochen, wie es nach
einer Entfernung von: ſechzehn Tagen In meis
220
ner hiefigen Lage, nicht anders ſeyn fan, |, X
Yun nach Hofe zu der lieben guten Zürfie | D
Amalie. Bey’m Eintritt in ihr Zimmer fin | 5«
ich meinen ehrlichen Landsmann Meyer va | Ö
Jena und eine junge Cängerin von "ni di
Fahren bey ihr. Die Sängerin veranlaft ein ic
Concert in der Herzogin Zimmer, und id | °
zuhören. So gehen wieder zwo Stunden —2
dann kommen etliche Mitglieder von der Sek
lerfchen bande joyeuse, die von Leipzig |}
ru nach Gotha gehen, und mir Die deite\d
Stunde nehmen — und nun su Haufe finde |
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ih eine Eleine Gefelfchaft, deren Seele Fraͤu⸗
lin 5 * * * die Kleine if. Da fchwagen
wir nun zwar von Halberſtadt bis in die ſpaͤte
Nacht — aber, uber allem. diefem gebt bie Zeit
hin, und ich wollte lieber mit meinem Gleim | i
als von hm fhwagen. | ı
Eben wird mir Ihr lieber goldner Brief 5
vom vier und siwanzigften gebracht, mein ewig 1
theurer Gleim. Wir haben Ihn mit geruͤhrtem |
Herzen gelefen und wieder gelefen, und freuen W
ung inniglich über diefe neue Probe des Eins
klangs auf den unfre Seelen geflimme find. |
iwnfend, tauſend Danf au Oheim und Nichte
dag Geluͤbde: zu unferm Zufammenmohnes
221
ftlichere Anflalten als bisher zu machen.
ie bloße Hoffnung macht ung glücklich, liebte
eunde, für uns und euch. Denn two wird
leminde eine andere Wielandin oder Wielans
n eine andere Gleminde finden? Oder mer
nn Mielanden feinen Gleim oder Gleimen
Inen Wieland erfegen? Beyfammen muͤſſen
ir wohnen, mein Befler, meine Kinder müfs
n die Ihrigen feyn, Ihre Freuden und Leis
n die meinigen, und vice versa — Aber bes
met, befte Seelen, wie kurz dieß Leben ifl,
ad wie Schade um’ jeden Tag, ben wir vers
ren! Laßt ung von nun an, ohne Auffchub,
en Plan machen, die Mittel abmeflen, die
inderniffe berechnen, und dann Hand an's
Berf legen, fobald als es nur immer möglid)
. Sind wie einmapl beyfammen, fo fol
oh! bald Rath dazu werden, unfern guten,
orerefflichen Stamford nachzugiehen. Ich habe
hon ein quo modo dazu ausgefonnen, und
Inge auch dieß nicht, fo finden wir unfehlbar
In andres. Zuförderft koͤmmt alles darauf an,
b Wieland zu feinem Gleim, oder Gleim zu
einem Wieland ziehen fol. Carl Auguft wird
ieß entfcheiden, oder bat eg vielmehr fchon
ntfchieden. Denn welcher gute Cosmopolit
224
An das Wunderweib, unfre Karfchin, ſchi
ic) noch diefe Woche. Jetzt bin ich noch
fo vielen Gefchäftsbriefen überhäuft, die fd
nige Expedition erfordern — und Darum
ich auch jest abbrechen, fo gerne ich noch
ger mit meinem Gleim ſchwatzte.
Alſo, befter der Freunde, befte der Freu
nen, nochmahls taufend dankvolle Umarı
gen von Eurem Wieland und Dem Weibe
nes Herzens fur die gluͤcklichen Tage, die
bey Euch gelebt haben. Taufend zärtliche:
von der Eleinen Tochter der Natur , die fo
liche Stufe geben kann, wenn die Allmach
Empfindung ihre junge, noch nichts Böfee
nende Seele, überwältigt. Gott fegue un
halte und befelige unferen Gleim und u
Gieminde! Wie herzlich Ih und die £
meines Ichs Euch beyde lieben, fönnen I
nicht ausdrucen. Euer Dafeyn iſt unfer
nes. D könnten wir Euch, Ihr Lieben,
ven Hippokrates zuſchicken! Kommet,
Seelen, fommt doch je bälder, je Iieb«
und, und holet Euch Gefundheit und ı
£eben bey und. — Nur noch zwey Worte
unfrer Ruͤckreiſe. Donnerflag Mittags ke
wir in Kalbesried an, blieben den Sr
225
et, fahen einen der fchönften, Fröhlichften,
manmaßigfien Winkel des Erdbodeng; fahen
demfelden ein niedliches Gut, das Gleim
id ich dereinft um ıgoco Thaler kaufen fols
ı.— und famen Sonnabends um fechs Uhr
achmittags In Weimar an.
Meine liebe Mutter fegnet Sie für alles
ute, was Gie Ihren Kindern gethan haben,
aſerm und Ihrem verehrungs wuͤrdigen Doms
hant fagen Sie an unfrer Statt alles, mad
ie in unfern Seelen für dieſen edlen Mens
benfreund Iefen. Sein Andenken wird nie
18 unfern Herzen fommen. Taufend zärtliche
ruͤße und Umarmungen an Stamford, Ca⸗
limente von mehr oder weniger innrem Ge⸗
alt, reſpective an alle, die deren werth find,
on Ihrem ganz eignen W.
CCLIV.
An Ebendenfelben.
Weimar , den 3. Juny 1775:
Auf Ihre deep lichen Driefchen vom 28. May,
halten Sie dießmahl nur ein Kleines Blaͤtt⸗
yen, liebſter Nerzensbruder; ich wollte, daß
Mielands Griefe ILL. 06. >
Sn
226
ich melne ganze Seele barauf drucken, w
Ahnen zuſchicken könnte! denn es ift fo ds
faltes8 Ding um einen gefchriebnen Brief ar
einen Sreund wie mein Gleim, von einm
Freund mie fein Wieland — und dann 1
ich jetzt nicht einmahl Zeit zu einem Briefe,
ſo viele andere nothwendige Briefe muß ich
ſchreiben, ich mag wollen oder nicht.
Das Projekt beyſammen zu leben, iſt, welt
ich ſehe, unſer beyder Lieblingeprojeft gewor⸗
den. Gleminde und Muͤtterchen Win
land junlor find aud da. logirt. Was If
dieß zeitliche Leben, wenn Seelen, die fo wit
die unfrigen für einander gemacht find „ Brief
papier und Giegellad, und Poſtklepper un)
Poſtbothen nöthig haben, um einander alt
Wochen einmahl ein paar Worte auf fechzehn
Meilen zuzufchreyen! Dieß muß anders mer
den, e8 gehe auch zu wie es wolle, Binnen
Fahr und Tag muß fih zeigen, ob mir ju
Ihnen oder Sie zu ung ziehen follen.
Indeſſen, lieber Gleim, dächte ich, koͤnnte
unſre Afociation fie den Merkur in ordine
ad obtinendum ein preußifched Privdilegium
eben fo gut realifirt werden, als ob ich mitten
Am Preußenland wohnte Denn. meru if ed
227
sthig, daß alle Membra einer zu einer Ens
eprife verbundenen Societaͤt in dem nähmlis
en Staate wohnen, um Begünfligungen vor
mfelben zu erhalten!
Doch auch zu einer Migration nad) Halbers
ade, oder wohin Sie fonft wollen, koͤnnte
elleicht noch Rath werden, wenn Sie nie
ıf alle Sragen und Zweifel, die meine Vers
ınft, die Zweiflerin, noch auftwirft, hinlängs
che Antworten geben koͤnnen. Aber von alle
m ein andermabl.
Taufendfachen Dank dem guten Engel, der
fern theuren verehrungewindigen Domdes
anten noch im Augenblick der dringenden
fahr aufgeweckt hat! Ich fchauderte bey der
'achricht, die Sie unferm Bertuch davon gas:
n. Sagen Sie doch dieſem edlen Manne,
re den Timon felbft mit der Menfchheie wies
r ausföhnen fönnte, in melnem Nahmen
les, was Sie in meiner Seele Iefen, alles
ag ich Ihm fagen wurde, wenn Ich in dies
m Augenblid, wie ehemahls bey meinem
leim, neben Ihm gegenüber fäße, und: mic)
loͤſt wegen melner Empfindungen für den
ortrefflichen Mann licher hätte! |
Ihr gerechter Zorn über ben (handlichen
228
neuen Nachdruck Ihrer Werke, iſt gan ®
meine Seele übergegangen. Der Merkur fl
bierbey feine Pflicht nicht vergeffen. Ich habt
war das profane Ding noch nicht gefehen,
aber e8 ift genug, daß Sie es gefeben habt,
und daß es da iſt. Ufurpation des Dafeynd
it in meinem Criminalrecht ärger als Hoch
verrath.
Die fleine Sophie horchte und paßte mit
allen ihren Leibeds und Geelenfräften anlı
ob in meines Gleims legten drey Briefen nidt
auch ein Wort an Sophiechen komme—
würde — und wurde roth und ein wenig
traurig, daß nichts Fam.
Das Seelenwelbchen drückt Ihre ganz eigu
Sleminde an Ihr fanftes, vedliches Der.
Auf den Herbſt alfo, mein Lieber! Hippe⸗
krates ſoll Inzwifchen feine beflen Beſchwoͤrun
gen gegen Dhrenteufel, Magenteufel, und als
andern Teufel, die man ohne Beelzebub, bes
oberften der Teufel, austreiben kann, hervor⸗
fuchen. — Er fol den heim und die Richte
fo gefund machen, als kämen fie aus Medea's
Wunderbade heraus, oder es. fol nicht meht
Hippokrates beißen.
229
Der Brief über Halladat fol mir ſehr will⸗
ommen fegn.
Und nun gehabe dich. wohl,. Freund und
Bruder meiner Seele! Ale Segnungen des
dimmels über dich.
Hab’ Ich Ihnen ſchon gemeldet, daß, waͤh⸗
end wir fchliefen und Wonnetage und Hochzeit⸗
yächte träumen , ein fchwarzer Dann, einhere
on **, ein Dberpfarrer und Superintendent
kommen iſt, und ung unfre fchöne Euphro⸗
yne mit den Grasiennamen tweggeblafen hat?
Der böfe fchwarge Mann! Daß doch dieſe Leute
illenthalben Unheil anrichten muͤſſen, wo fie
re Nafe hinſtecken!
Weil ich beforge, mein Brief an die Kars
hin möchte fie verfehlen, da ich nicht darauf
eßen fann wo er abzugeben if, fo ſchick ich:
hn Ihnen zur Beſtellung zu.
CCLV.
An die Karſchin.
Weimar, den 3. Jun. 1775
Mitten im Himmel. der Zeeundfchaft, an
der Seite unſers Gleims, des ebelften und
befen der Denfchen, bringt mie ber Venus
230
ſchneeweißeſtes Taubchen Ihren erfien Krk
göttlihe Sappho! Wir Iefen Ihn mie Ei
zucken, wir reden den ganzen Tag, und ein
großen Theil der folgenden von nichts ald
ihnen, hören unferm Gleim, mit Halb offnen
Munde, fo leife athmend als in einer Be
zudung zu, da er und eine Menge ber hat
lichten Lieder liefet, die ein Gott unſrer Gap
ꝓho cinft eingab, und wovon Die Welt noch
nicht8 gehört hat; hören unverwandt, erfuͤl⸗
len. ung gang mit ihrem Geiſt, brennen von
ihrem euer, ergießen uns in Liebe und Be—
wunderung des fchönften Geifled, Der jemahls
ein mweibliched Weib belebt hat, und beten bie
Natur in einem ihrer berrlichftien Werke an —
und dennoch, vortrefflichfie Karſchin, konnte
Mieland Ealt oder träge genug ſeyn, es bi
zum Dritten Juny anftehen gu laffen, Ihnen,
der Dichterin, die er fchon fo viele Jahre liebt
and beivundert, zu fagen, Daß Ste die freund
ſchaftlichen Empfindungen, wovon Ihr fchöner
Brief überfließt, an keinen Undankbaren vers
fchivendet haben! Aber glauben Sie mir, meint
Liebfie Freundin, meder Trägbelt noch Kaltfinz
war daran Schuld. Es iſt von jeher meine
Art fo geweſen, daß ich nicht ſchreiben Fans
231
noch mag, wenn mein Herz fo vol if, als
es in Halberfiade war. Gefchriebene Worte
duͤnken mir dann eine fo falte, fo armfelige
Art, wie Seeke mie Seele Semeinfchaft pfle⸗
sen fol, daß: ich mich: gar niche dazu ents
fchließen kann. Doch auch jest, da ich bey
gelaßnem Muthe an Sie fchreibe, kann und
werde ich Ihnen nicht den zehnten Thell davon
fagen, was ich von Ahnen denke, was ich für
Sie empfinde, und wie gluͤcklich Sie mich das
Durch machen, daß Sie meine Freundin feyn
wollen. Ein Genlus fol Ihnen dag in feiner
eignen Sprache. unmittelbar in's Herz fagen.
Sie folen’s fühlen, eben fo ſtark es fühlen,
als ob. Sie e8 mit Ihren eignen Geiftesaugen
unmittelbar in meiner Seele läfen = und wos
zu. brauche ich Sie denn noch daß ich's Ahnen
durch) Worte fage? Ste allein, vortrefflichfte
Frau, fehlten noch, um unfre Wenne in Hals
berſtadt vollkommen zu machen. Zwölf ganzer
Tage — ein Jahrhundert an innerm Werth,
ein Augenblic im Genuſſe ſelbſt — hah' ich
bey unferm Gleim, dem beften unter allen
Günftlingen des Mufengottes, dem waͤrmſten
der Freunde, dem edelften bee Menſchen, ges
eds. Nur unfre Sappho, unfee Mufe mans
233
GCLVI.
An Sleim
| Weimar, den 19. $unp 1775.
Mir leben hier feit einigen Tagen in Zona
rrida, mein liebfter Herzensbruder; es ift fo
wm, daß ich nicht weiß, wie ich es anfans
na fol, um fogar an meinen Gleim etwas
6 einem Brief ähnlich hebt, w Stande iu
ingen.
Die heilige Stunde, bie Sle am 1qten
tten, beſuchte uns am ııten zuvor, in dem
ohlthaͤtigſten, harmloſeſten und zugleich praͤch⸗
jiſten Gewitter, das ich je erlebt habe —
ıch einer vier Wochen langen Dürre. ch
eiß nichts Ruͤhrenderes als ſolche Scenen.
h und mein zweytes beßres Ich hatten auch
er, wie ſo oft, einerley Empfindung, ohne
einander eher, als da alles vorbey war,
ſtzutheilen. Wir fühlten inniger, als ſich
it Worten ausdruͤcken laͤßt, die Gegenwart
ottes, und Sie, die ſchuldloſe Periſade in⸗
nderbeit, fuͤhlte es mi einer alles in und
u fie her heiter machenden Ruhe und ſeligen
ifriedenheit, wovon ein nicht fo unfchuldigegs
zeſen fich Faum einen Begriff machen kann.
234
In diefem Augenblicd donnert ber Get
Ehren wieder, und die unter Ihm liegende
barret abermahl8 auf einen milden 9
Mir tft fchon merklich leichter. Ich
wenigfiend eher mit biefem Blatte fertig
den. Haladat = Dieß ewig waͤhrende
Denfmahl einer guten, gereinigten, |
Geele — Halladat, mein Befler, kann
für eine Ueberfegung aus dem Arabifd
wenigſtens nicht öffentlich ausgegeben w
Denn es gibt jegt zu viele, die Arabifch
mwiffen, um ung in's Angefiche gu fagen
e8 nicht aus dem Arabifchen überfet
Denn, Lieber, Sie felb haben ja a
fremden Worte geprägt, wovon, fo ai
fie auch Elingen, doch gewiß bie meiften
weniger denn arabifh find. Und t
ſollte fich auch der Verfafler verläugnen w
Was haben Sie von den Deutungen,
man davon macht, zu beforgen? Was
dem Verfaſſer des goldnen Spiegels ur
Danifchmende bevorfiehen, wenn der Be
des Halladat fich fcheuen follte, ein Bu
reiner Liebe für Gott und Menfchen, ei
vol Gedanken, Gefinnungen und Gefühl
dem heiligen Engel Ehre machten, ge
235
r zu haben! Der unfelige Caſus mit dem
Ep. hat Sie, liebſter Freund, zu aͤngſtlich,
fehüchtern vor der Bosheilt und Tüde der
enfchen gemacht. Aber freylich fird die meis
a Menfchen dumm, und viele boshaft: aber‘
Dummen find Schaafe, deren: blä, bla!
nig zu bedeuten hat. Und mit den Böfen
8 wie mit den Hunden; fobald ſie fehen,
B man fie fürchtet, fo werden fie Infolent
d packen an, gebt man aber feiner Wege/,
d achtet Ihres Klaffend and Bellens nicht,
bören fie bald von felbft auf, und ziehen:
t gefenftem Schwanz ab.
Ein anderer Umfland, der mir viel mehr zu
rzen dringt, ift die unendliche Gleichgultigs
t unfrer Zeit für diefeg Halladat, das, —
nn tole nicht alles Gefühl für das Wahre’
Höne und Gute verlohren hätten. eine eben
große allgemeine Aufmerkfamfelt erwecken,
d eben fo aufgenommen werden müßte, ald
es eine Taube in ihrem Schnabel vom
'mmel herab gebracht hätte. Aber was Ih —
e die Menfchen leider nur zu ‚gut kennt,
rher ſah, das erfolge nun auch. Halladat
zwar Ambrofia für die wenigen, guten, von
r Natur reingeflimmten, empfindfamen und
ein Buch für alle, fi
Zeiten, aber feln ®
237
‚chter, nie in der erhabenen etwas flärs
8 gemacht ald den Sefans an ben Pankar
ch. Wir find vor Freud’ und Wonne dars
er fchier gu Kindern worden. Nur ein eins
8 bat ung alle insgeſammt an den ſieben
tern beträbt, und das find ihre Nah⸗
en. Lieber Himmel! 318, Zilo, Zilli, Et,
ta, Zizilis und Ziziaris! Nein, befter Gleim!
8 Menfchengefchlecht kann's nicht tragen!
d fol um diefer feltfamen rahmen willen —
geachtet des Raffinementd, daß die Rahmen
r leben Töchter eben fo von Einer Familie
d, und eben fo verſchwiſtert, tote bie fieben
chter ſelbſt — das fchönfte Stud von der
elt feinen Effekt verlieren? Gleichwohl ges
me Ich mir hierin, ohne Ihre Bewilligung,
hts zu ändern, imprimis da. ich ed unends
) ſchwer finde, andre, weniger auffallende,
mahl einfyibige Nahmen, für die guten
ädchen zu finden. Muthiger bingegen babe
aus eigener vom Himmel empfangner
acht und Gewalt, in jeder biefer beyden
en ein Hemifihion geraden wegge⸗
chen, weil jebed eine gang vortreffliche
elle vernichtet. = Das Ganze geminnt durch
ı Verluft, and iſt und bleibt Dann ein Ideal
239
CCLVII.
An Ebendenſelden.
Weimar, den 14. July 1775.
Die Tage der Unruhe ſind vorbeygerauſcht,
in beſter Bruder; der Himmel iſt wieder
ter. Er wird zwar nicht immer heiter bleis
3, aber dafür If bie Welt, wo mir jege
d, nur aus den Abſchnltzeln der übrigen
elten gemacht, nnd man kann alfo nicht
dern, daß fie viel deſſer fey als fie ift.
Tauſend hersliche Umarmungen für bie
äcme, womit Sie an Ihres Wielands Schick⸗
| Antheil nahmen! Noch, mein Liebſter, iſt
es in folchen terminis, daß ich nichts zu
igen habe. Das Unangenehme, deſſen ich
zthin erwaͤhnte, waren ſchnell voruͤberge⸗
nde Augenblicke. Wahrſcheinlicher Weiſe
d C. A. mir niemahls Urſache zeben, mich
n ihm zu entfernen. Ich ſitze bier ganz gut,
si qua sede sedes etc. So ſchoͤn auch
mer Ihr Berlinifches Brojece für mich in
‚fer ſchoͤnes fchimarifches Plänchen paßte, fo
uͤrde es doc) in. der Ausführung unendliche
chwierigkeiten haben. Ich bitte Sie alfo gae
be, meinethalben ruhig au ſeyn. Meberhaupte
230
ſchneeweißeſtes Taͤubchen Ihren erſten Brleh—
goͤttliche Sappho! Wir leſen ihn mie Ei
zuͤcken, wir reden den ganzen Tag, und elum
großen Theil der folgenden von nichts ald
Ihnen, hören unferm Gleim, mit halb offu
Munde, fo leife athmend ale in einer Bew
zudung zu, da er und eine Menge ber bau
lichſten Lieder liefet, die ein Gott unfrer Gap
»ho einft eingab, und movon bie Melt ned
nichts gehört hat; hören unverwandt, erfül
len ung gang mit Ihrem Geiſt, brennen von
Ihrem Feuer, ergießen uns in Liebe und Year
wunderung des fchönften Geifled, der jemahls
ein mweibliched Weib belebt bat, und beten die
Natur in einem ihrer herrlichſten Werke an—
und dennoch, vortrefflichfie Karfchin, Fonatt
Wieland kalt oder träge genug ſeyn, es bi
zum Dritten Juny anftehen zu laffen, Ahnen,
der Dichterin, die er fchon fo viele Jahre liebt
and beiwundert, zu fagen, baß Sie die freund
fhaftlihen Empfindungen, wovon Ihr ſchoͤner
Brief überfliege, an Keinen Undanfbaren vers
fchivendet Haben! Aber glauben Sie mir, meine
Liebfte Freundin, weder Trägheit noch Kaltfinz
war daran Schuld. Es IfE von jeher mein
Art fo gemefen, daß Ich nicht ſchreiben Fans
231
Ich mag, wenn mein Her; fo vol if, als
in Halberſtadt war. Gefchriebene Worte
infen mir dann eine fo kalte, fo armfelige
rt, wie Seele mie Seele Semeinfchaft pfle⸗
en fol, daß: ich mich: gar niche dazu ents
hließen kann. Doc auch jest, da.ich bey
laßnem Muthe an Sie ſchreibe, kann umd
erde ich Ihnen nicht den zehnten Theil Davon
igen, was ich von Ihnen denke, was ich für
ste empfinde, und mie gluͤcklich Sie mich das
urch machen, daß Sie meine Freundin feyn
ollen. Ein Genius fol Ihnen das in feiner
gnen Sprache. unmittelbar in’d Herz fagen.
zie ſollen's fühlen, eben fo ſtark es fühlen,
ls ob Sie e8 mit Ihren eignen Geiftesaugen
nmittelbar in meiner Seele lafen = und os
1. brauche ich Sie denn noch daß ich's Ihnen
uch Worte fage? Sie allein, vortrefflichfte
rau, fehlten noch, um unfre Wenne in Hals
erſtadt vollkommen gu machen. Zwölf ganzer
age — ein Jahrhundert an innerm Werth,
in Augenblick im Genuffe ſelbſt — Gab’ ich
ey unferm Gleim, dem beflen unter allen
zuͤnſtllngen des Muſengottes, dem waͤrmſten
er Freunde, dem edelſten der Menſchen, ge⸗
ebt. Nur unſre Sappho, unſre Muſe mans
23e
gelte und, um aus feinem kleinen Sansſeni
den Hayn der Mufen oder Elyſium zu mac.
Ihr freundfchaftliheer Wunſch, beſte Katı
ſchin, if auch der Wunſch meines Herjens.
Ja, wir müffen ung noch von Perſon Fennn
lernen, Sie möffen meine Kinder, und bi
Mutter meiner Kinder, called was ein Thal
meines Selbſt iſt, feben, und unter den kleinen
um Sie berumtummelnden Kindern ber Au
fur fich felbfE wieder vergnuͤgt fühlen, und
ſchoͤnere Lieder fingen als Sie je. gefungen ha
ben. Ed muß feyn, es wird feyn, oder mein
Seele müßte mir in diefem Augenblick falld
weiffagen. Unwilfommene Hinberungen um
terbrechen mid. — Ach muß mich von Ahnen
Iogreißen. Uber der Anfang If nun gemacht,
meine Sreundin — Poften zwiſchen Berlin und
Weimar geben wöchentlich und richtig zwey⸗
mahl. Alfo Fein Wort welter, als Daß ich
mit aller Bewunderung ber gefühlten Seelen
verwandtſchaft bin, und ewig fegn werde, IR
gan; ergebenfter W.
233
CELVI.
An Gleim.
| Weimar, den 19. $unp 1775.
Wir leben Hier feit einigen Tagen in Zona
rrida, mein liebfter Herzensbruder; es ift fo
arm, daß Ich nicht weiß, mie ich es anfans
n fol, um fogar an meinen Sleim etwas
ı8 einem Brief ähnlich hebt, w Stande zu
ingen.
Die Heilige Stunde, bie Sle am 1aten
itten, beſuchte uns am sten zuvor, in dem
ohlthaͤtigſten, harmloſeſten und zugleich praͤch⸗
gſten Gewitter, das ich je erlebt habe —
ich einer vier Wochen langen Duͤrre. Ich
eiß nichts Ruͤhrenderes als ſolche Scenen.
ch und mein zweytes beßres Ich hatten auch
er, wie fo oft, einerley Empfindung, ohne :
: einander eher; ald da alles vorbey war,
ſtzutheilen. Wir fühlten inniger, als ſich
it Worten ausdruͤcken läßt, die Gegenwart
ottes, und Sie, die fchuldlofe Periſade ins
nderheit, fühlte e8 mi’ einer alles in und
n fie ber heiter machenven Ruhe und feligen
sfriedenheit, wovon ein nicht fo unfchuldigeg
3efen fich Faum einen Begriff machen Tann.
234
In diefem Augenblic® bonnert ber Got
Ehren wieder, und die unter ihm liegende
barret abermahls auf einen milden R
Mir iſt fchon merklich leichter. Ach ı
wenigfiens eher mit biefem DBlatte fertig
den. Haladat = Dieß ewig mährenbe |
Denfmahl einer guten, gereinigten, Mi
Seele — Halladat, mein Befler, kann
für eine Ueberfegung aus dem Arabiſch
wenigſtens nicht öffentlich ausgegeben me
deun es gibt jeßt gu viele, die Arabifch ı
wiffen, um und in's Angefiht zu fagen,
es nicht aus dem Nrabifchen überfegi
Denn, Lieber, Sie felbf Haben ja al
fremden Worte geprägt, wovon, fo arı
fie auch Elingen, doch gewiß die meiften ı
weniger denn arabifh find. And w
foute fich) auch der Verfaſſer verläugnen wı
Was haben Sie von den Deutungen, 1
man davon macht, zu beforgen? Was ı
dem Verfaffer des goldnen Spiegels un
Danifchmende bevorfiehen, wenn ber Ba
des Halladat fich fcheuen follte, ein Bud
reiner Liebe für Gott und Menfchen, ein
voll Sedanfen, Gefinnungen und Gefühl
dem heiligen Engel Ehre machten, ge
235
, zu baden! Der "unfelige Caſus mit dem
Ep. hat Sie, liebftee Freund, zu aͤngſtlich,
fehüchtern vor der Boghelt und Tuͤcke der
'nfchen gemacht. Aber freylich find die meis
ı Menfchen dumm, und viele boshaft: aber‘
Dummen find Schaafe, deren: blaͤ, bla!
nig zu bedeuten hat. Und mit den Böfen
8 wie mit den Hunden; fobald ſie fehen,
3 man fie fürchtet, fo werden fie Infolent
d paden an, gebt man aber feiner Wege,
d achtet ihres Klaffens nnd Bellens nicht,
hören fie bald von felbfE auf, und ziehen
t gefenftem Schwanz ab.
Ein anderer Umfland, der mir viel mehr zu
rzen dringt, ift die unendliche Gleichguͤltig⸗
t unfeer Zeit für diefeg Halladat, dag, —
nn wir nicht alles Gefühl für das Wahre’
Höne und Gute verlohren hätten ‚. eine eben
große allgemeine Aufmerkſamkelt erwecken,
d eben fo aufgenommen werden müßte, ald
es eine Taube in ihrem Schnabel vom
mmel herab gebracht hätte. Aber was Ih —
e die Menfchen leider nur zu gut fennt,
her fah, das erfolgt nun auch. Halladat
zwar Ambrofia für die wenigen, guten, von
e Natur reingeflimmten, empfindfamen und
ein Buch für alle, fü
Zeiten, aber fein B
diefer unſter DR e
mie Halladat, ein Sch
den — lle
237
Öchter, nie In der erhabenen etwas flärs
es gemacht ald den Sefang an Den Pankas
ah. Wir find vor Freud’ und Wonne dars
ver fchier zu Kindern worden. Nur ein eins
ges bat ung alle insgeſammt an den fieben
öchtern betruͤbt, und das find ihre Nah⸗
en. Lieber Himmel! Zis, Zilo, Zilli, Et,
ia, Zizilis und Ziziaris! Nein, befter Gleim!
eß Menfchengefchlecht kann's nicht tragen!
sd fol um diefer feltfamen Nahmen willen —
geachtet des Raffinements, daß die Nabmen
er fleben Töchter eben fo von Einer Familie
id, und eben fo verfchmwiftert, wie die fieben
Schter felbft — das fchonfte Stud von der
zelt feinen Effekt verlieren? Gleichwohl ge⸗
aue ich mir hierin, ohne Ihre Bewilligung,
ichts zu ändern, imprimis da-id) es unend⸗
ch fchwer finde, andre, weniger auffallende,
mahl einfyibige Nabmen, für die guten
daͤdchen zu finden. Mutbiger hingegen habe
h aus eigener vom Himmel empfangnee
tacht und Gewalt, in jeder biefer beyden
zuren ein Hemiflihion geradezu wegge⸗
:ihen, well jedes eine gang vortreffliche
‚tele vernichtet. = Das Ganze geminnt Durch
in Verluſt, und iſt und bleibt Dann ein Ideal
238
von Pathos und Erhabenheit der Geflnm
gen und der Sprache, ewiglich!!
Unferm geliebten Domdechant, dem ver
runssmwurdigen, edlen Manne, deffen T
wir ort, und alemapl wenn wir im Geiſt
Gleim und Gleminde find, mit Wohlwol
und Liebe in unferm Herzen aufftellen,
faxen Sie allemapl etwas von ung, wenn'
bey ibm find, etwas, Das ung in dem!
dienten des edlen menfchenfreundlichen M
nes bey'm Leben erhalte,
Unferm Stamjord meine befle Umarm
fur feine beyden allerliebfien Fabeln. Pı
putus Lafontaine.
Periſade Eufee Sie mit dem Kuß I
Mundeg, und umarmet für fi) und mid
Herzenss und Seelen s Schwefler Gleminde
ſendmahl, mit tunigen MWünfchen für die
fundheit und Erhaltung. einer Steundin,
fie liebt, role fie noch kein mweibliches W
sritebe hat.
Bertuch ſteckt bis über die Ohren in W
muͤhlen ‚und Walkmuͤhlen. — Man kriegt
gar nicht mehr zu ſehen. |
Lebet wohl, Geliebteſte, Beſte! So ı
a.8 Fur geliebt merder von Euerm W.
239
CCLVII.
An Ebendenſelden.
Weimar, den 14. July 1775.
Die Tage der Unruhe ſind vorbeygerauſcht,
in beſter Bruder; der Himmel iſt wieder
ter. Er wird zwar nicht immer heiter blei⸗
8, aber dafür IfE die Welt, wo mir jege
d, nur aus den Abichnigeln der übrigen
elten gemacht, und man Tann alfo nicht
dern, daß fie viel deffer fey als fie iſt.
Zaufend herzliche Umarmungen für die
ärme, womit Sie an Ihres Wielands Schick⸗
| Antheil nahmen! Noch, mein Liebſter, iſt
es in ſolchen terminis, daß ich nichts zu
igen habe. Das Unangenehme, deſſen ich
zthin erwaͤhnte, waren ſchnell voruͤberge⸗
nde Augenblicke. Wahrſcheinlicher Weiſe
xd €, A. mir niemahls Urſache zeben, mich
an ihm zu entfernen. Ich fige bier ganz gut,
si qua sede sedes etc. So ſchoͤn auch
mer Ihr DBerlinifches Project für mich in
ıfer fchönes fchimarifches Plänchen paßte, fo
arde es doch in. der Ausführung unendliche
hwierigkeiten haben. Ich bitte Sie alfo gar
je , meinethalben ruhig gu ſeyn. Ueberhaupt,
249
und wenn ich auch in dee Folge Urſache fr
den follte, lieber anderswo als In Meiner —
leben, würde mich doch bloß die Noch jew
gen koͤnnen, irgend ein Öffentliched Amt ann
nebmen, oder zu fuchen. Ueberbieß bedeute
Sie, wie wenig eine. Verfegung in eine Bi
wie die Berlinifche if, fih zu meiner &
müthsart und meinen Umfländen ſchickte. Pau
cuit et liberi& wird ewig mein NBahlfprad
bleiben. Lieber mit fech8 Hundert Thalern hı
dem kleinen Dörfchen, wo mein Gleim gebw
ren wurde, in einer Hütte an dem Shmw
lenbach, aus dem Ihn die an deffen Rank
tangenden Grazien einft al8 Knabe berandie
gen, als in Berlin oder. Wien mit fo ok
taufend Thalern ald Sie wollten. Aber, mw
gefagt, Carl Auguft iſt mir gut, feine Muite
auch. In Hofinteiguen und Staatsfachen wert
ich mich nie mifchen, und mich fo viel möglid
in meinem Schnedenhäuschen ruhig Halten,
Ich werde alfo wenig ober keine Selnde in
W. Haben, und in Trieden und Unfchuld be
bin leben, fo lang es Gott gefällt. Aendern
fih einmahl die Umftände, fo wollen wir, us
Ruhe gu befommen, und weder nach Berl
och in eine Windmühle ſetzen; ſondern am
24t
idwo, fo nah bey unferm Gleim, gerade
in Fleines fuetonifches tranquilles Guͤtchen
en, wie e8 einem Danifchmende nügt und '
imt — fo weit von Sultanen und Bonzen
immer moͤglich iſt.
en allem dem, beſter Bruder ſeh' ich bie
ine Seite Ahres Projekts fehr wohl,
geftehe gern, daß es au pis aller eine
lihe Sache wäre. Aber auch nur au pis
r. Denn des Menfchen Wie ift fein Him⸗
reich, und mein Wille war nie und wird
feyn, in einer großen Stadt zu leben —
ware denn, daß ich einmahl einen Schaf
de, oder einen ehrlichen Heck⸗Louisd'or.
ın zum Leben in einer großen Koͤnigsſtadt
Set Geldes die Fule, Haus und Hof,
y' und Keller, Kutfche und Pferde, kurz
8 wag D. Luther unter dem täglichen Brot
reift. In einer Kleinen Stadt oder auf
1 Lande, nicht meit von einer kleinen
dt, kann ein Mittelding von Sokrates
> Horaz, wie ich bin, wohlfeiler gluͤcklich
n.
Nich freut, daß Sie mit meiner Ankuͤndi⸗
ıg des Halladat zufrieden find. Ich hatt’
gern beffer gemacht, aber damahls — ben
Wielands Briefe TIL. V. 16
243
düurfniffe der Menfchheit koͤnnen nicht mars
ı. Daran aber fol es ihm auch, fo lange
eim und Wieland Athen holen, fo Gott
il, nicht fehlen!
Meine Halfte umarmt Ihre Freundin innigs
», und bittet Sie, fich ihrentmegen feinen
immer zu machen. Sie felbft bat auch in
ı unruhigften Tagen nicht einen Augenblick
ımmer, denn, zum Gluͤck für fie und
ch, — fie bat keine poetiſche Phantafle.
Ancora, liebfter Herzensbruder, leben Sie
hl. Der Merkur laͤßt mich: nicht länger
reiben. — Ein umerbittlicher Gott! — der
ll und muß nun einmahl alle vier Wochen
8 gedructe Bogen in meinem Nahmen in
Welt berumtragen, fie mögen berfommen
fie wollen. Ä
CCLVIII.
An Menuferl.
Weimar, den 16. November 1775.
krſchrecken Ste nicht, daß ich Ahnen des
ren D. Martini Auffag mieder zuruͤckſende.
> bin mit allem fehe zufrieden, nur nicht
e der epiftolarifchen Form. Haben Sie bie
245
Außer dieſen dreyen Artikeln verfhone ich
ie pro anno 1776 mit allem andern; bitte
ngegen omnem lapidem zu mooiren, daß
eſe drey Artikel ſehr gut werden moͤgen;
Ir aber auch zugleich das für alle drey Ars
el zu entrichtende Honorarium offenhersig gu
fimmen, und biebey den Umſtand zu confis
riren, daß dieſe fammtlichen litterariſchen
etikel mit der kleinern Schrift (womit zeither
e Gedichte im Merkur gedruckt worden)
gedruckt werden ſollen; und alſo viel Ma⸗
iſcript auf den gedruckten Bogen geht; auch,
ß ich allen drey Artikeln zuſammen hoͤchſtens
w acht Bogen jährlich im Merkur einraͤumen
nit. | Ä
Die beygehende Necenfion kann ich nicht ges
auchen, und mwünfche überhaupt daß unfer
und Schmidt fih, was den Merkur betrift,
glich auf den Theatral s Artikel einfchränfe,
efen aber mit defto größerer Sammlung
er feiner Geifteskräfte ausarbeite. |
Mich verlangt, Sie bald wieder zu umars
en, mein Theurer, | "
Göthe, den wir feit neun Tagen bier bes
en, ift dag größte Genie, und ber befte lies
q.
246
bensmwertbefte Menſch, den ich kenne, m
muthlich fommt er auch noch nach Erfurt.
Bon 1776 an kommt NB. vor jedeg Stid
des Merkurs ein Kupferfiih en Medaille
von einem merkwürdigen Menfchengeficht. Verl
erfte fangen wie mit Dichtern, Kuͤnſtlern und
fhönen Geiſtern des ſechzehnten Jahrhus—
derts an.
CCLIX.
An Zimmermann.
Weimar, ben g. Januar. 177%
Mas Bott sufanmengefügt bat, fol be
Menfch nicht fcheiden. Göthe, Lavater, Hen
der, warum follten fie nicht auch meint
Freunde feyn? ſeit ich dieß Kleeblate Kenne,
find fie meine Heiligen.
ch lebe nun 9 Wochen mit Göthen, und
lebe, feit unfere Seelen s Bereinigung fo un
vermerft und ohne allen eflort nach und nad
zu Stande gefommen, ganz in ibm.
Es iſt in allen Betrachtungen und bon allen
Selten das größte, befte, herrlichſte menſch⸗
liche Wefen, das Gott gefchaffen bar.
247
Died fag’ Ih meinem Zimmermann,
seit er's beynahe mit eben fo Innigem Vergnüs
en lefen wird, ald womit ich’8 ihm fchreibe.
Deöcht ich's der ganzen Welt fagen dürfen!
Noͤcht' alle Welt den liebenswuͤrdigſten ber
Renfchen fo kennen, fo durchfchauen, fo lies
en, wie id).
Heute war eine Stunde, wo Ich ihn erfi in
einer ganzen Herrlichkeit — der ganzen fchönen
efühlvollen reinen Menfchbeit ſah. Außer mir
niet' ich neben ihn, drückte meine Seele an
sine Bruft, und betete Gott an.
Abe, mein alter, Tiebenswürdiger, innigſt
Jeurer und verehrter Freund! Denfen Gie
och zuweilen an ꝛc. ur
CCLX.
An Andre‘. |
Weimar, den 7. Februar. 1776.
Empfehlen Sie mich unferm Zimmermann;
agen Sie Ihm, daß ich von dem Tage der Res
ierung meines lieben Carls Auguſts an, mein
ste ſelbſt und meinen Freunden fo oft gegebs
ed Wort erfüllt, und mich vom Hofe ganzs
ih in mein Schnedenhäuschen zuruͤckgezogen
249
nheit, die er nicht baben kann, fehlt
m nichts. Wenn nicht viel Gutes hier durch
In gefchleht, und viel weniger Böfes als fonft
efchehen wäre; fo wird die Schuld gewiß nicht
n ihm liegen.
CCLXI.
AnGleim. |
Meimar,. den 22. Februar 1776.
Du biſt ein Mann Gottes, Tleber Bruder
Bleim, denn es gehört göttlihe Langmuth
azu, mein langes, bartnäciges, verfloctes
Stiffchweigen zu tragen, wie du thufl, und
nich doch lieb zu behalten, wie du thuſt! —
Jafür aber, lieber, befter Gleim, ſeyd Ihr
uch der einzige Mann In der Welt, der Güte
nd Liebe genug in fi) bat,. um fo was zu
önnen. Bey allem dem lieben wir Euch herz⸗
nniglich; aber Goͤthe nimme.mir alle Zeit zum:
Srieffchreiben weg; und dann ifl’8 am Ende
o ein armfeligeds Ding um einen Brief an
inen Zreund wie Gleim! Was find: die fhöns
ten Worte gegen dad, mag die Geele fühlt,
yenft, ftrebt und thut? — Indeſſen bleibe es
doch wahr, daB wenn man fo viel Berg und
251
er auch der feinige werben foll, muß und
ird, die Stelle eined Vice⸗-Vaters oder geifts
chen Vaters, den Rechten bes natürlichen,
eifchlichen, oder wie ihre andern Moraliften
3 fonft nennen wollt, unbefchadet, bey dem
rmen Eleinen Schelm vertreten; es ſey nun
a8 es wolle, Liebenswurdig wird es immer
pn, wenn feine Pathen es auch. nur mit dem
hnten Theil der Seelengauberen begaben wer⸗
en, die in ihnen fo reichlich wohnet.
Bon Goͤthe fchreib’ ich Ihnen nichts, Tiebs
er Gleim. Komm und fiche! Genug, daß
h nichts Befferes, Edleres, Herzlicheres,
teberes und Größeres In der Menfchheit fenne -
(8 ihn — fo wild und fiebenfeltfam der holde
nhold auch zuweilen if, oder ſcheint. —
Ade! Gott mit Euch und Uns, Ihr Lieben.
zanz euer W.
CCLAXII.
An Ebendenfelben. |
Weimar, den 22. Mit; 1776.
Liebfter Gleim, Taffen Sie ſich's nicht leid
eyn, daß daß Fleine Märzen s Rindehen, wos
sit uns meine Frau geflern um ſechs Uhr
253
yeneral s.Superintendent zu uns kommt?
yenft doch, was E. A. aus Weimar macht!
nd machen mwird !
CCLXIII.
An Ebendenſelben.
Weimar, den 16. Aprill 1776.
Tauſend Umarmungen, mein beſter Bruder,
ae Ihre lieben Briefchen, und für dag artige
Jaubchen und für alles Gute, was Sie Ihrer
leinen Wilhelmine (die wir zwar, beliebter
bürze wegen, Lottchen nennen) Im Geiſte
yeiffagen. — Im Namen unferer lieben Wöchs
erin und meines miebergenefenden Toͤchter⸗
eins fol ich Sie Bitten: Ihre Reife gu ung
„o möglich bis gegen die Mitte Mays zu vers
chieben. Bis dahin verfprechen Mutter und
sochter wieder gefund gu feyn und zu huͤpfen
vie Schmerlen in einem Elaren Büchlein. W.
255
u, daß ich erhalte, warum ich den Herrn
nn Rochow bitte: eine unpartbeyifche
achricht, wie man das Philanthropin bes
ınden hat; obne Superlativog, well diefe
r guten Sache Immer mebe Schaden ale
ortheil bringen, ut nosti.
Ade, ich muß aufhören. Habe einen Gars
n gekauft, der mir großen Spaß macht, aber
ıch einen guten Theil meiner Exiſtenz megs
elt, bis ich ihn einigermaßen fo umgeflaltet
be, daB man gerne darin feyn kann. Wols
uns mehr als einmahl wohl darin feyn
fien, wiewohl er gegen euer Fleines Sands
uci nur ein Maulmurfshäufchen if. Lebet
ohl, ihr Lieben!
CCLXV.
An Lavater.
Weimar, den 22. Jung 1776.
Liebfter Lavater, dag Wort verzeihen ges
re unter Die, wobey Ich gar nichts denfen
nn. Ich verlange Feine Verzeihung. Was
das ift, und was gefchehen ift, iſt gefches
n; da fann die Allmacht ſelbſt nichts daran
dern, ** Dat mir dur die gar zu
257
ich wenigſtens auf einer Seite wieder ges
ne, was Ich auf der andern verliere.
nfern Goͤthe habe ich ſeit acht Tagen nicht
n Eönnen. Er iſt nun geheimer Legations⸗
), und fibe im Minifterio unfers Herzogs —
SavoritsMinifter, Factotum und Yrägt die
nden der Welt. Er wird viel Gutes fchafs
‚ viel Böfes hindern, und da8 muß —
ınd möglich iſt — uns dafür troͤſten, daß
ils Dichter wenigſtens auf -viele Jahre für
Welt verloren ift. Denn Göthe thut nichts
3. Da er nun einmahl in diefe neue Laufs
n getreten ift, fo wird er nicht ruben, bis
am Ziel iſt; wird als Mintfter fo groß
ı, wie er als Autor war;
en; if durch Superlativos verdorben
den, wenigſtens haben fie ihn nichts ges.
st. Es war in meiner Jugend mein Cafus
9. Seit er bier iſt, iſt er unendlich gedes
thigt werden. Er iſt ein gutet Junge, die
ilfte von einem Dichter, und bat wenig
lage jemahls etwas ganz zu feyn.
jn Ihrem zweyten Theile der phyf. Frags
nee iſt viel Goͤttliches und viel Menſch⸗
bes. Fuͤrs erfte if Gott zu danken.
ı8 andre fans und fol nicht anders ſeyn⸗
Wielands Briefe III. R. 17
249
enheit, die er nicht Haben kann, fehlt
ym nichts. Wenn nicht viel Gutes hier durch
yn gefchieht, und viel weniger Böfes als fonft
efchehen ware; fo wird die Sau gewiß nicht
n Ihm liegen. Ä
CCLX1I.
An Gleim |
Meimar,.den 22. Februar 1776.
Du bifl ein Mann Gottes, Teber Bruder
Slein, denn es gehört göttliche Langmuth
azu, mein langes, hartnädigeg, verſtocktes
Stiffchweigen zu tragen, wie du thufl, und
nich Doch lieb zu behalten, wie du thufl! —
Dafür aber, lieber, befter Gleim, fend Ihr
nuch der einzige Mann In der Welt, der Güte
ınd Liebe genug In fi) hat, um fo was zu
önnen. Bey allem dem lieben wir Euch herss
nniglich; aber Goͤthe nimme.mir alle Zeit zum
Brieffchreiben weg; und dann iſt's am Ende
o ein armfeliges Ding um einen Brief an
'inen Freund wie Gleim! Was: find: die fchöns
ten Worte gegen das, was die Seele fühlt,
denkt, firebt und thut? — Indeſſen bleibe es
Dod wahr, daß wenn man fo viel Berg und
251
we auch der feinige merden fol, muß und
vird, die Stelle eines Vice⸗-Vaters oder geifts
ichen Vaters, den Rechten des natürlichen,
feifchlichen, oder wie ihr andern Moraliften
8 fonft nennen wollt, unbefchadet, bey dem
wmen fleinen Schelm vertreten; eg fey nun
bas e8 tolle. Liebenswurdig wird es immer
eyn, wenn feine Patben es auch nur mit dem
ehnten Theil dee Seelengauberen begaben wers
en, die in ihnen fo reichlich wohnet.
Bon Goͤthe fchreib’ ich ihnen nichts, lieb⸗
tere Gleim. Komm und fiehe! Genug, daß
ch nichts Beſſeres, Edleres, Herzlichereg,
:ieberes und Größeres In der Menfchheit Eenne -
18 ihn — fo wild und fiebenfeltfam der holde
Inhold auch zuweilen if, oder ſcheint. —
Ade! Gott mit Euch und Uns, Ihr Lieben.
Sanz euer W.
0. CCLXH.
Un Ebendenfelden
Weimar, ben 22. März 1776.
Liebſter Gleim, laffen Sie ſich's nicht leid
eyn, daß das fleine Maͤrzen⸗Kindchen, wo⸗
nit uns meine Frau geftern um ſechs Uhr
252
Morgens befchenft bat — nur ein Mäh
iſt. CDieß nur, liebe Gleminde, kommten
auf meine Rechnung; es ift bloß nad
meiner menfchlicher Weife geſprochen; denn
meines Drts bin von der Fuͤrtrefflichkeit Il
Geſchlechts völlig und innigft überzeugt. 2
ift, das iſt, und was ift, iſt recht. Mi
vier Mädchen machen mich glücklich, find
Sreude meines Lebens, und ich gäbe fie ni
für die vier beften Buben in der Chriſtenh
Warum folte ich von der fünften nicht a
das Beſte hoffen? — Der Engel, Ihre Mut
befindee fir) fo twohl, als es die Natur!
Sache nur Immer geſtattet. — Wir haben u
befter Freund und Bruder, des Rechts bed
das Sie ung vor einem jahre gegeben ba
und Gie, wiewohl abmwefend, aber ung
Geiſte gegenwärtig, zum Pathen des ho
Fleinen Geſchoͤpfs ernannt, In Hoffnung,
es Ihnen angenehm feyn würde, dieſe
liche Paternitat mit unferm Goͤthe zu the
der Sie liebt und ehre, und fih eine Fr
Daraus macht, Sie bald perfünlich bey
fennen zu lernen. Die Eleine Neuange
mene heiße Charlotte Wilhelmine
Ihr wißt doch, licher Bruder, daß Herder
253
al ; Superintendent zu und fommt
doch, mag C. A. aus Welmar macht!
sachen wird!
CCLXIII.
An Ebendenfelben.
Meimar, den 16. Aprill 1776.
ıfend Umarmungen, mein befler Bruder,
hre lieben Briefchen, und für dag artige
hen und für alles Gute, was Sie Ihrer
ı Wilhelmine (die wir zwar, beliebter
wegen, Lottchen nennen) im Geifte
gen. — Im Namen unferer lieben Wöchs
und meines toiedergenefenden Toͤchter⸗
fol ih Sie bitten: Ihre Reife gu uns
öglich bis gegen die Mitte Mays zu vers
en. DBIS dahin verfprechen Mutter und
er wieder gefund gu feyn und gu hüpfen
Schmerlen in einem klaren Bachlein. W.
253
eneral ; Superintendent zu und kommt?
enft Doch, was C. A. aus Weimar macht!
nd machen mird !
CCLXIII.
An Ebendenfelben.
Meimar, den 16. April 1776.
Tauſend Umarmungen, mein befter Bruder,
ie Ihre lieben Briefchen, und für dag artige
haͤubchen und für alles Gute, was Sie Ihrer
einen Wilhelmine Cdle wir war, bellebter
ürze wegen, Losttchen nennen) Im Geifte
eiffagen. — Im Rahmen unferer lieben Wochs
erin und meines miebergenefenden Toͤchter⸗
ins fol ich Sie bitten: Ihre Reife gu uns
yo möglich bis gegen die Mitte Mays zu vers
hieben. Bis dahin verfprechen Mutter und
‚ochter twieder gefund zu ſeyn und zu hüpfen
ie Schmerlen in einem Klaren Büchlein. W.
255
su, daß ich erhalte, warum ich den Herrn
ein Rochow bitte: eine unpartbeyifche
achricht, wie man das Philanthropin bes
ınden bat; ohne Superlativos, well diefe
r guten Sade Immer mebr Schaden ale
ortheil bringen, ut nosti.
Ade, ich muß aufhören. Habe einen Gars
n gekauft, der mir großen Spaß macht, aber
ıch einen guten Theil meiner Exiſtenz weg⸗
elt, bis ich ihn einigermaßen fo umgeflaltet
be, daB man gerne darin fenn kann. Wols
rn uns mehr als einmahl wohl darin ſeyn
fien, wiewohl er gegen euer kleines Sans⸗
uci nur ein Maulwurfshäufchen iſt. Lebet
obl, ihr Lieben!
CCLXV.
An gavater
Weimar, den 22. Junp 1776.
Liebfter Lavater, das Wort verzeihen ges
re unter die, wobey ich gar nichts denfen
nn. Ich verlange Feine Verzeihung. Was
das ift, und was gefchehen ift, iſt gefches
n; da fann die Allmacht ſelbſt nichts Daran
dern. ** bat mir Durch Die gar zu
357
ich wenigſtens auf einer Seite wieder ges
ne, was ich auf der andern verliere.
nfern Göthe habe ich feit acht Tagen nicht
n fönnen. Er iſt nun geheimer Legations—⸗
', und fie im Minifterio unferd Herzogs —
Favorit⸗Miniſter, Factotum und kraͤgt die
nden der Welt. Er wird viel Gutes fchafs
‚ viel Böfes Kindern, und das muß —
ins möglich iſt — uns dafür tröflen, daß
ils Dichter wenigſtens auf -viele Jahre für
Welt verloren ift. Denn Goͤthe thut nichts
3. Da er nun einmahl in diefe neue Laufs
n getreten ift, fo wird er nicht ruhen, bis
am Ziel iſt; wird als Mintfter fo groß
ı, wie er ald Autor war;
en; If durch Superlativos verdorben
den, wenigſtens haben fie ihn nichts ges.
zt. Es war in meiner Jugend mein Caſus
h. . Seit er bier iſt, iſt er unendlich gedes
thigt worden. Er ift ein gutet Junge, bie
Ifte von einem Dichter, und bat wenig
lage jemahls etwas ganz zu ſeyn.
in Ihrem zweyten Theile der phyf. Frag⸗
nee iſt viel Goͤttliches und viel Menfihs‘
bes. Fürs erfte if Gott zu danken.
8 andre kann und fol nicht anders ſeyn⸗
Wielands Briefe III. V. 17
| 259.
für andere, und risquiren gerade dadurch, zu
wenig zu leben. Was für ein herrlicher Mann
müßten Sie feyn, wenn Gie funfzig Jahre -
gelebt hätten, und feine Favorits Hypotheſe ſo
gebeirathet, daß Feine Ehefcheidung mehr ı
ſchicklich noch thunlich if!
Ihr unverfälfchter Freund W.
NR. Damit wir uns nicht mißverſtehen:
Nach melner Ueberzeugung ift das Hier übers
al — im Ffleinften Infekt wie im Menfchen
oder Engel, Alfo lauter Superlativi oder gar
feine! Hoheit der Menſchheit! — Hoheit
der Wurmheit — Mir iſt's eind. Das Götts
liche im Menfchen, dag Göttlihe im Wurm —
ift gleich goͤttlich. Die Menfchheit ohne
Daffelbe, die Wurmbelt ohne daffelbe — if
höchfleng ein Ieeres Gefaͤß, mo bey einem bie
Form fchöner iſt ald beym andern,
CCLXVI.
Un Gleim.
Meimat , September 1776
Wenn ich hatte voraus ſehen koͤnnen, beſter
Steim, daß ich durch meine Herzlich mohlges
260
meinte Bitte, Ihre Reife gu uns bis zur Bü
derfunft des Herzogs von feinem geliebten %
menau aufzufchieben , mich Der Freude, unfern
Gleim diefes Jahr bey uns zu feben, gäny
lich berauben würde. — Ih muß niche uld
Freunde unter den Amfcharpands und Jjed⸗
unfers Erzprieſters Herders haben, daß mih
auch nicht einer gewarnt, und den Nebel, de
gewöhnlich fehr dick zwiſchen meinem Geiſtes
auge und der Zufunft liegt, ein menig vw
Dünnert bat! Was hilft mir nun, Daß ich is
Kopfe Frage und über mich felbft böfe bin? -
Und gleichwohl harte der Herzog diefen Som
mer fo viel Verlangen bezeugt, Sie bey Ihruſ
Hicherkunft fennen gu lernen, und auch Söll
hatte fich fo darauf gefreut. — Ale Diefe Ten
flelungen mirften auf mich, und fo fchrk
ih Ihnen, Sie mochten fpäter fommen, mM
das Schickſal (mie das fo ziemlich oft ſein
Are ift) beſtraft mich dafür, daß ich nıdk
Steunde mehr als mich ſelbſt geliche! —
ift zum raſend werden, und am Ende If
welter nichts zu thun ale ſich zu erg
Mein gutes Weibchen dauert mid) am mel
dabey. Gie hatte fih fo herzlich auf I
minde, ihre einzige Freundin gefreut!
⏑⏑ * Tr Cr "er .. ⏑— ————
361
Reſen Herbſt noch zu Ihnen zu kommen,
In Befter, iſt eine pure Unmöglichkeit. Mein
teurialifches Fabrikweſen, das jetzt, ſeit
rtuch's Abgang, auf mir allein liegt, ers
dert meine immermwährende Gegenwart und
ffihrt. Ich kann nicht vier Tage abweſend
n, ohne daß gleich alles ſtockt und file
14
Ihre Zukunft hätte mich unter andern auch)
on darum gefreut, well mein Gleim dann
t eignen unmittelbaren Augen hatte fehen
nen, wie es zwiſchen mir und Göche ficht.
te, mein Liebfier, haben noch einen PIE
sen diefen edlen herrlichen jungen Mann,.
s ich fchon lange wie meinen Augapfel liebe.
e brauchten ihn aber nur etliche Tage in
: Nabe zu fehn, fo würde er ihnen faſt fo
b werden, als mir. In biefen zehn Mos
ten, die ich nun mit ihm gelebt habe, iſt —
ı einziges Mißverfiändniß aufgenommen,
8 aber nicht länger als eine Stunde
uerte — (und auch dieß begegnete fchon vor
hr als ſechs Monaten) Fein Augenblick
wefen, wo Goͤthe und ich niche In ber reins
a Harmonie zufammen exiſtirt hätten. Sein
ngeficht zu fehen, if für mich eine Art non
263
d täglich fchöner,. IE rund wie der Voll⸗
nd, bat Grübchen im. Baden und ſchone
ue Augen.
CCLXVII.
An Ebendenſelben.
Weimar, den 4. October 1776.
Beſtes Bruderherz! Der Mann Gottes, mit
ıem lieben Engel an der Seite, ift Dienflag
ende glüdlid bey und angelommen. —
y'm erſten Anbli flog ihm meine Geele
gegen. Wir blieben gleich imo Stunden
fammen, und die Sreude über Herder
ıfeyn vergoldete mir den ganzen Tag. Aled
ißte trugen, wenn tole nicht in brüderlicher
atracht fein und lieblich beyſammen wohnen
Iten. — So menig die Welt dag faflen oder
uben kann. —
Kommt doch nun, wenn's irgend moͤglich
I Seht nur wie ſchoͤn Himmel und Erde
ch iſt! Wie milde no die Luft! — Kommt,’
3er Bruder Gleim, liebe Schweſter Gleminde,
fe ung unfer Glaͤck genießen, beift es befe⸗
jen! Und ſeht mit: euern eigenen Augen,
B Weimar, das von böfen Buben und Tho⸗
264 |
ren fo verläfterte Weimar, bie. wahre Ark
No: ifi, wohin fi) die wenigen Guten ad
einer verdorbenen Welt vor der herannahendu
Suͤndfluth retten können.
Taufend Dank, lieber Bruder Gleim, ik
des rotben Buchs dritten Theil, und fürdi| Y
Sinngedihte. Ich Habe meinen Geil m] %
Herz am erfien, und meinen Witz an den au| ı
dern gelabt. — Wiewohl auch unter ben Sim | )
gedichten verfchledene Ambroſia für Geiſt und, fi
Ders find. An beyden freut mid) auch befiw | 1
ders die wunderbare Reinheit des Aut] h
drucks. Die meiften dee Sinngedichte hattt | ı
ich ſchon gelefen; aber fie waren mir wie! e
ganz neu geworden, fo frifch und blühend fu |
ben fie aus. |
Dein Enthuſiasmus für das Philanthre| i
pinum, liebſter Bruder, = wollte Sort! wie
Eönnten einen unten davon in alle Große | ı
und Reichen unfeer Ealtblütigen Nation baw |!
chen! — Ich fürchte aber, wir werden's nidt|
vermögen! Baſedow muß Zeichen und Wanı
der thun, und dann iſt's doch noch die Frau
ob fie glauben werden.
265 .
CCLXVIIL.
An 3. 8 Jakobi.
Weimar, den 25. October 1776.
Da, lieber. Bruder Georg, ift meine der
tigen entgegenflommende Hand — und da
e uns nun wieder gefunden haben, fo fcheide
8 weder Gegenmärtiges. noch Künftigeg,
bes noch Tiefes wieder. Vom Vergangenen
rde nur der Augenblicke gedacht, an die
8 unfer Herz erinnert. Wir freuen uns
zlich auf Ihre fo nahe. Zukunft! Ste kom⸗
n zu einer Familie, in ber Sie gar Bald
; geliebtes Mitglied feyn werden. Die freunds
fe, brüderlichiie Aufnahme, das iſt Alles
is ich Ihnen voraus verfprechen werde; das
rige — Komm und Siehe! |
Huch daß ich Sie wieder zum Mitarbeiter
s Merkur haben werde, freut mich herzlich.
18 der Bereinigung der Guten, lieber Seorg,
aß lauter Gutes entſpringen.
Herdern hat und Gott in feiner Freund⸗
hkeit gegeben. Ich fage Ahnen nichts: mehr
bon, weil Sie bald... gegenwärtig, ſehen,
sen, fühlen, ſich mit ung freuen, mit ung.
sachlich feyn werden.
269
nn, und mir, der in bdiefen lieben Geſchoͤ⸗
en allen und in feinen Freunden fo glücklich
» Hemacht haben. Sch fage — Freunden —
ver 100 iſt auch noch fo ein Freund, wie meln
leim? noch fo ein Herz, wie feines? Neh⸗
en Sie alfo unfere Sreude über Ihre Liebe
ı und und unfere berzlichfie Gegenllebe als
en einzigen Dank, die. einzige Erflattung an,
le wie Ihnen geben koͤnnen. Lange, lange
dnne ung und allen guten Menfchen der Hims
el noch, den edlen guten und in feiner Art
» ganz eignen Mann! Sa, lieber Sleim,
sie follen noch die Enkel Ihres Wielande
uf Foren Armen büpfen laſſen, oder ich mag
[hf nichts davon erleben.
Georgens (Jakobis) Umflände geben mie
de zu Herzen. Der. arme Schelm ift alfo im
igentlichen Wortverſtand in Liebe gefallen,
ie man In einen Brunnen fällt. Da bilfe
replich fein Moralifiren! Indeſſen wenn Fein
nder Mittel if, ihn ad sanam mentem ju
ringen, und zu machen, daß man ihn doch
rieder zu was gebrauchen kann, fo laffen Sie
‚n in Gottes Rahmen weiben. Der Merkur
raͤgt ibm doch von nun an, ſo lang es dauert,
aͤhrlich vier hundert Thaler ein — und dieß
7
t melchem Theil feines Leibes es ſonſt ſeyn
239, durch die Welt durchzuarbeiten ꝛc. 20. —
h bitte und: befchwöre Sie alfo: verſtaͤndi⸗
a Sie den Herrn Urian, daß er fi) auf mich
nz und gar feine Nechnung zu machen babe,
D daß eine Reife zu mir ihm gar nichts
fen, mir aber, in meiner jegigen Lage las
3 und fatal feyn wurde, Machen Sie ihm
zreiflich, daß Amerifa ein herrliches Feld zu
en Abenteuern If, und dag der Weg das
ı auch ihm offen liegt, da er fich die Ruͤck—⸗
e In das väterlihe Haus ein für allemahl
bſt gefperrt bat., Denn im Comptoir kann
in ihn dort nicht gebrauchen — und daß man
en Kerl von zwey und dreißig Jahren, der
ne gefunden Glieder hat, mie einen Kapaus
n füttern fol, daß ſteht doch in feinem Bus
» gefchrieben. |
Ade, Ihr Geift und Herzensbruder Wieland.
CcCILXII.
An J. © Jakobi.
Weimar, den 14. Februar 1777.
Mit offnen Armen erwarten wir dein, lie⸗
3 Brüderchen! Du kommſt in ein Haus von |
Wielande Briefe III. ©. 18
273
feiner Kinder, wo Du Sitten antreffen whl Gl
vie fie zu unfrer Urgroßmätter Zeiten up] lin
faͤhr Mode waren; befto beffer. An Pak mı
und Dinte fol Dir's niche fehlen. Will ©:
auch gute Federn fehneiden laflen.
Kann Dir eine Empfehlung von unft
Herzogin Mutter was helfen, fo forid.
und fag nur, an wen fie Deinethalben (re
ben fol. Sie ift in folchen Fällen bie Sir
ſelbſt. Ade, Bruderberz.
— —
CCLXXIII.
An Gleim. u
=
Weimar, den 2g. Februar 1777
Liebſter Herzensbruder, Sie und Georg u
Fobi haben ung erfchredit, da Ste ung nur of
eine Möglichkeit fehen ließen, daB unfer Gleim
mit Jakobi ohne die liebe Sleminde zu
uns fommen fünnte. Sch befchwöre Sie, thun
Sie das ja nicht, wenn Sie meiner armı
Frau nicht alle Freude auf den ganzen Som
mer verderben wollen. Sagen Sie Georgen,
er werd’ uns allein jeher willkommen fegn;
und Sie, mein Befter, kommen mit unfer
"275
minde im May, unb genießen des Fruͤh⸗
8 bey ung, und bleiben bis Ihnen eines
ner Mädchen die erfien Roſen aus unfern
ten bringt.
CCLXXIV.
An %. G. Jakobi.
Weimar, den 24. Meti. 1777-
erzensbruder! gleich nach Deiner Entfers
g von Weimar ging ich nad) Gotha, und
e da die ganze verwichene Woche ſo gang.
enehm bingebracht. Ich war aber dort fo
ig mein eigen, daß ih Dir unmoͤglich
eiben konnte. Du bift mir alfo zuvorge⸗
men und dag hatte von Rechts wegen nicht
yeben follen, — denn ich hatte Dir gar
erne gleich in den erfien Tagen fagen mös
‚, wie ung zu Muthe war, ba fein Jas
i mehr im Haufe zu finden war — mie
guten Kinder dich allenthalben fuchten —
unfer aller Hergen dich vermißten, —
innig wirs fühlten, und wie oft wirg
nder fagten, daß wir dich mit jedem Mors
und Abend lieber gewonnen. — Heute
je mir dein Sieber Brief an, der fo ganz
⸗
276
Abdruck deiner fchönen und guten Sedet:
Er bat ung alle gluͤcklich gemacht, und w| |
danfen dir alle dafür aus vollem Herzen. U
freut ung Inniglih, daß wir dir fo lieb mei
den find; daß du uns mit fo guten, m
mwollenden, fehlerbededenden Augen gefeht
und mit fo vieler Güte den Willen fürs Wei
angenommen haſt. Künftig, Lieber Bruden
wirſt du dic), hoffen wir, fo einrichten, di’
du uns alle Jahre etliche Wochen fchenfu
fannft. Dein leiblicher Bruder iſt nicht meh
dein Bruder als ich es bin und bleiben werd
dum spiritus hos regit arlus.
Deine dee, deine Reife nah Welma
zu fchreiben, gefalt mir ſehr, und ich feh
gar nicht warum du fie nicht ausführen ſol
tell. Wenn du mas von Triftan faga
willſt, fo fprih davon als einem Gebdidt,
worin dag Edeljie und Intereſſanteſte aug dm
i
\
Sefchichten der Tafelrunde In die traurig gärd|
liche Liebesgefchichte von Triſtan und Die,
verwebt feyn wird.
Lieber Bruder, ich werde alle Yugensiit
unterbrochen, und fann nicht fortſchreiben
Der Herzog iſt bey mir — eben koͤmmt auf |
oͤthe, fie werden den Abend Da bleiben.
277
Ich werde eine. Stelle deines Briefe -abs
reiben, und der Herzogin Mutter durch
yusnelden geben laffen. "Sie ‘wird große
eude dran haben. | u
Goͤthe, dem ich deinen Brief Iefen laffen,
ußt Did. Er iſt dee Meinung, bu folft
e Reiſe nach Weimar nicht fihreiben. Er,
int, es ſchicke fich für und am beflen, in -
ıferm heiligen Dunfel gu bleiben — 8 würd
ve dienen, viele boßhafte, hämifche Seelen
er und dort aufzuwiegeln.
Thu' nun was Dir Dein guter Genius ein⸗
bt, und liebe deinen guten Bruder.
CCLXXV.
An Glhleim.
Weimar, den 30. May 1777.
Zaufendfachen Dank, liebſter Freund und
euder, für die herzliche Freude, die Gie
rem Wieland und feinem - ganzen Haufe
ech die Fröhliche Bothſchaft von Ihrer bals
gen Erfcheinung bey und gemiacht haben.
Herder bat feit drey Wochen böfe Zeit ges
ibt. Er war an einer böfen ſchwarzen Gelbs
cht krank. Er iſt aber nun wieder in tan-
267
macht, wenn fie fich erft ein paar Stunden
'eßt hat, auf ein Stückhen Papier — dag
Ace.
CCLXIX.
An Sletim
Weimar, den 10. December. 1776.
Empfangen Sie, meln theurer Herzgensbrus
e Gleim, den beflen Danf ihres Mies
ads für die ertheilte Nachricht von * * *
Innen Sie, felbft oder durch Ihre Freun⸗
‚durch Empfehlung an Behörde, etwas für
n jungen Mann thun, ſo ermeifen Sie
mir. I
Ich und alles, was bier zu meinem Ich ges
rt, glauben fo fe als an ein prophetiſches
ort an die Verheißung unferd Gleims, daß
ung mit feiner lieben Gleminde auf den
:ahling befuchen, und unter den Blüthen
einer Baume fi) mit und des Lebens
d unferer Freundſchaft freuen werde!
Herder und Herderin gruͤſſen und fegnen
ich, ihr Lieben. Ste:gewohrten je länger je
fer an, und Herder ‚gewinnt, wie billig, -
268
alle Herzen der Broßen und des Volkls, %
viel als davon noch ein Endchen Her ik
haben. Wir unter einander leben einträdhtig
lich und tragen einer bed andern Lafl. Leni
iſt weg und geht. vermutblich wieder ud
Straßburg.
‚Sind Sie nicht auch einer von benm
welche Freude an Bürgers deutfchem Hom
haben? Fa, ganz gewiß find Steg! Klo
ſtock, ſagt man, hat Grafen Leopold Ste
berg zu einer Gegen sUeberfegung in Heram
tern aufgemuntert. Ich denfe aber, bie fı
ung unferm Bürger und feinen Jamben nlı
untreu machen.
Sinmer und ewig Ihr getreuer Bruder.
- CCLXX.
An Ebendenfelben.
Weimar, den 8. Januar 17
Der Hlmmel lohnt guten Menfchen ihre ©:
berzigfeit durch die Freude, die cr ihnen
andern fchenft. Diefe fey dann auch Ihr Lo
mein beſter Herzensbruder, für die gr
Freude, die Sie meinen Kindern, ihren M
269
an, und mir, dee in dieſen lieben Gefchds
en allen und In feinen Freunden fo glücklich
» Hemacht haben. Sich fage — Freunden —
‚er wo iſt auch noch fo ein Freund, wie mein
leim? noch fo ein Herz, wie feines? Nehs
en Sie alfo unfere Freude über Ihre Liebe
. un® und unfere herzlichſte Segenliebe als
n einzigen Dank, die. einzige Erflattung an,
e wir Ihnen geben können. Lange, lange
inne und und allen guten Denfchen der Him⸗
el noch, den edlen guten und In feiner Art
ganz eignen Mann! Sa, lieber Gleim,
te ſollen noch die Enkel Ihres Wielands
ıf Ihren Armen buͤpfen laſſen, oder ich mag
lbſt nichts davon erleben. j
Georgend (Jakobis) Umflände gehen mie
he zu Herzen. Der. arme Schelm if alfo im
gentlichen Wortverftand in Liebe gef allen,
ie man in einen Brunnen faͤllt. Da bilfe
eylich fein Moralificent Indeffen wenn fein
nder Mittel ii, ihn ad sanam mentem ju
ringen, und zu machen, daß man ihn doch
ieder zu was gebrauchen kann, fo laffen Sie
m in Gottes Rahmen meiben. Der Merkur
aͤgt ihm doch von nun an, ſo lang es dauert,
uͤhrlich vier hundert Thaler ein — und dieß
2709
zu feiner Praͤbende reiht doch wenigſteni
den erſten Fahren fuͤr's anfländtge Ne
wendige. Für die Zukunft wird unje
ber Herr Gott forgen. Es würde bald
felne Chen mehr geben, wenn mir. in DI
unjern beillofen Tagen fo weit hinaus de
wollten. Nur muß Here George, wen
bausliches Gluͤck koſten will, auf bie file
Freudchen der Eitelkeit, und auf's ewige X:
und Herumftreichen Verzicht thun, und
deffen den Hausvaterfinn anziehen ıc. 9
finn und Hausvaterfinn fünnen nicht bey
men ſtehen. — Verliebt feyn mag er,
ganz unnug für Gott und Menfchen muß
die Liebe Doch nicht machen.
Herder und Herderin, das bBerrliche |
Menfchen, danken meinem Gleim für fein
bes Andenken an fie. Es gehe Ahnen
"ganz gut — fo gut als es bier möglich i
Was dieß heißt, werdet Ihr im May |
feben.
Ade, liebe Seelen. — Alled was in mc
Haufe Arme hat, ſtreckt fie nach Euch au
Lebe wohl, KHerzensbruder. Dein W.
| 271
CCLXXIL
An Ebendenfelben
Weimar, den 17. Sennet 1777.
Mein theuree Herzensbruber — Herr * * *
E felbft zu ‚Ihnen gekommen, bat Gie
berzeugt, daß er zu Ballenſtaͤdt fchleche
rdings nicht langer exiſtiren koͤnne, er
ill auf Oſtern dort abgeben, und zu mir
Immen, und auf's Ungewiffe. unter meis
n Flügeln Pag nehmen, und bilder ſich
n, der Thor, ich werde ihn zur Erpedis
on des Merkurs brauchen können, und Gott
eiß, was für folche Eraume mehr — Liebfter
zruder, Sie kennen mein Herz: aber Gie
mnen auch meine Lage und meine Nerhälts
ife. Herr * * * iſt, (wie alle Leute,
ie einmahl aus ihrem wahren Verhaͤltniß
nd Ihrer beſtimmten Laufbahn herausgetreten
nd) ein unglüclicher, verfchobener Menfch,
berall zu furz und zu lang, und mit vielen
atürlichen Faͤhigkeiten und dem beften Willen,
leichwohl zu nichts brauchbar; alſo — da ex
ein Vermögen bat wovon er leben fönnte,
in bebauernswüurdiger armer Teufel; aber ich
ann ihm nicht Helfen. Außerdem baf
L.
273
es mir unmöglich wäre, nur acht Tage |
ihm in Einem Haufe zu erifliren, und |
fein Aufenthalt bey mir alle haͤusliche Gluͤckſe
feit zerftören würde — weiß Ich auch gar ı
wozu ich ihn gebrauchen könnte. Denn
dem Merkur habe ich ja fhon vor Jahr
Tag bekanntermaßen eine neue Einricht
getroffen, die mich der Unfoften eines €
ditionsſecretaire gaͤnzlich entuͤbrigt.
Sch bin jetzt fo gluͤcklich im Meittelpi
meiner Familie bey Weib, Mutter, Kini
und wackern Domeftiquen. E8 brauchte
fo einen Saufewind, um Alle unfere 9
und Freude an einander zu zerrütten. Ai
dem dächte ic), en bonne morale wäre j
Menfch verbunden, in feinem zwey und t
Bigften Jahre auf feine eigene Fauſt zu e
ren, Er wurde zum Kaufmann deſtinirt
erzogen, dag war feine carriere: er hätte
den Fähigkeiten, die er bat, fein Slüd t
machen fünnen. Aber er hatte Feine Luft
Arbeiten, war ein Springinsfeld und w
auf Abenteuer ziehen. Wer Luft zum 2
teuerleben hat, muß auch Muth dazu ha
und Stoff und Kraft in ſich fuͤhlen,
allein mit ſeinem eignen Kopf oder Arm,
273
mit welchem Theil feines Leibes ed ſonſt ſeyn
mag, Durch die Welt durchzuarbeiten ꝛc. 21. —
ch bitte und. befchwöre Sie alfo: verfländis
gen Sie den Herrn Urian, daß er ſich auf mich
zanz und gar Feine Rechnung zu machen habe,
nd DaB eine Reife zu mir ihm gar nichts
jelfen, mir aber, in meiner jegigen Lage las
tig und fatal feyn wurde. Machen Sie ihm
jegreiflich, daß Amerika ein herrliches Seld zu
Men Abenteuern if, und daß der Weg das
Jin auch ihm offen liegt, da er fich die Ruͤck⸗
ehr in dag väterliche Haus ein für allemahl
ſelbſt geſperrt hat. Denn im Comptoir kann
nan ihn Dort nicht gebrauchen — und daß man
inen Kerl von zwey und dreißig Jahren, dee
eine gefunden Glieder hat, mie einen Eapaus
sen füttern fol, dag fteht doch in feinem Bus
he gefchrieben. |
Ade, Ihr Geiſt und Nerzensbruder Wieland.
- CCLXXII.
An %. © Jakobi.
Weimar, den 14. Februar 1777.
Mit offnen Armen erwarten wir dein, lies
08 Yrüderchen! Du kommſt in ein Haus voll
Mielands Sriefe III. ©. | 18
273
fleiner Kinder, wo Du Sitten antreffen nn
wie fie zu unſrer Urgroßmüätter Zeiten um
fähr Mode waren; deſto beffer. An Yan
und Dinte fol Dir's nicht fehlen. Wil?
auch gute Federn ſchneiden laſſen.
Kann Dir eine Empfehlung von unl
Herzogin Mutter was helfen, fo fprii
und fag nur, an wen fie Deinethalben fdr
ben fol. Sie ift in ſolchen Faͤllen bie 8
ſelbſt. Ade, Bruderberz.
CCLXXIII.
An Gleim.
Weimar, den 2g. Zebruat 77
Kiebfter Hergensbruder, Sie und Georg ‘
fobi haben ung erfchredt, da Site ung nur:
eine Möglichkeit fehen ließen, daB unfer Sl
mit Jakobi ohne die liebe Gleminde
ung fommen könnte, Sch befchwöre Sie, ti
Sie das ja nicht, wenn Sie meiner ar
Frau nicht alle Freude auf den ganzen St
mer verderben wollen. Sagen Sie Georg
er werd’ uns allein ſehr willkommen fa
und Sie, mein Beſter, kommen mit unf
"275
minde im May, und genießen des Fruͤh⸗
38 bey ung, und bleiben bis Ihnen eines
Iner Mädchen die erften Rofen aus unferm
rten bringt.
CCLXXIV.
A n J. G. J a ko b i.
Weimar, den 24. Merz. 1777.
derzensbruder! gleich nach Deiner Entfers
ig von Weimar ging ich nad) Gotha, und
e da die ganze verwichene Woche fo gang
venehm bingebracht. Ich war aber dort fo
tig mein eigen, daß ich Dir unmöglich _
eiben konnte. Du bift mır alfo zuvorge⸗
ımen und dag hatte von Rechts wegen nicht
heben ſollen, — denn ich hatte Dir gar
gerne gleich in den erfien Tagen fagen mös
, wie ung zu Muthe war, da kein Tas
»t mehr im Haufe zu finden war — mie
guten Kinder dich allenthalben fuchten —
unfer aller Herzen dich vermißten, —
: innig wird fühlten, und wie oft wirs
ınder fagten, daß wir dich mit jedem Mor⸗
und Abend lieber gewonnen. — Heute
gt mir dein Jieber Brief an, der fo ganz
⸗
276 |
Abdruc deiner fchönen und guten Sal‘
Er bat ung alle gluͤcklich gemacht, und wi It
danfen dir alle dafür ang vollem Herzm. | T
freut ung Inniglich, daß wir dir fo lieb wel V
den find; daß du uns mit fo guten, me
wollenden, fehlerbedeckenden Augen gefeul 9
und mit fo vieler Güte den Willen fürd Weil t
angenommen haft, Künftig, lieber Bude] ı
wirſt du dich, hoffen mir, fo einrichten, di |
du und ale fahre etliche Wochen fchenfs, |
fannft. Dein leiblichee Bruder iſt nicht me] |
Dein Bruder als ich es bin und bleiben werd
dum spiritus hos regit artus.
Deine dee, deine Reife nah Welmat
zu fchreiben, gefaͤllt mir fehr, und ich feh
gar nicht warum du fie nicht ausführen fol
tel. Wenn du mas von Triftan fagen
willſt, fo ſprich davon als einem Gedicht,
worin das Edelſte und Intereſſanteſte aus den
Geſchichten der Tafelrunde in die traurig zart
liche Kiebesgefchichte von Triſtan und Dfelda
verwebt feyn wird.
Lieber Bruder, ich werde ale Angenblicke
unterbrochen, und kann nicht fortſchreiben.
Der Herzog iſt bey mir — eben koͤmmt auch
oͤthe, ſie werden den Abend da bleiben.
277
Ich werde eine Stelle deines Briefes ab⸗
yreiben, und der Herzogin Mutter durch
yusnelden geben laffen. Gie wird große
eude dran haben. u
Goͤthe, dem ich deinen Brief Iefen laffen,
ußt Did. Er iſt der Meinung, du fol
> Reiſe nach Weimar nicht fchreiben, Er
int, es fchicke fich für ung am befien, in
‚ferm heiligen Dunkel gu bleiben — 38 würd’
e dienen, viele boshafte, bämifche Seelen
er und dort aufzuwiegeln.
Thu' nun was Dir Dein guter Genius ein⸗
bt, und liebe deinen guten Bruder.
CCLXXV.
An Gleim.
Weimar, den 30. May 1777.
Zaufendfachen Dank, liebfter Freund und
ruder, fuͤr die herzliche Freude, die Sie
hrem Wieland und ſeinem ganzen Hauſe
irch die fröhliche Bothſchaft von Ihrer bal⸗
gen Erſcheinung bey uns gemacht haben.
Herder hat ſeit drey Wochen boͤſe Zeit ge⸗
ibt. Er war an einer boͤſen ſchwarzen Gelb⸗
cht krank. Er iſt aber num wieder in tan-
278 |
tum hergeſtellt, und Ich denfe die Gegenui| Ar
meines Gleims ſoll fir ihn wohlthaͤtig fm. | ®
Warum iſt Anfpach doch zu einen He] Di
Ausflug fo weit von Weimar, und die Bu mi
dahin fo abſcheulich? Wäre es eine Möge] V—
keit dahin zu gehen, tie ſehr würde ich om] 8
fuht, mit Ihnen nach Anfpach zu fliega| d
und den liebenswürdigen Dichter von Anp| de
ſicht zu Angeſicht zu ſehen, der unſerm Bolt’ ©
einſt fo lieb war, und unſern Nachkommer, 9
wenn die jeßige Genies Wuth erft ausgetet| ?
bat, mwieder fo lieb werden wird!
Alles übrige auf die feeligen Tage, die Ei
su ung bringen und mit uns leben werben:
Mit offnen Armen und von ganzer Seele dit
Ihrige W.
CCLXXVL
An Ebendenfelben
Weimar, den 17. Junp 17;
Liebſter Gleim, da wir der Nachricht, deß
Sie unterwegens ſeyen, mit Ungeduld entge⸗
gen ſehen, erhalten wir heute durch Ihr Brief '
hen die leidige Nachricht, daß Ihnen ein:
Damon — der gewiß nicht der Genius dt
279
reundfchaft if, abermabl einen Klog in ben
zeg geworfen hat. — Daß alles dieß nur kein
men ſey — Nein, mein Beſter, kommen
üffen Sie, davon fpricht Sie nichts los! —
erfchieben Sie aber Ihre Abreife länger als
chſtens bis den 2. July, ſo risquiren Sie⸗
iß Sie uns mitten im Einziehen in eine an⸗
re Wohnung begriffen finden. — Gott bringe
ie bald gefund und glücklich in die verlans
den offnen Arme Ihres guten redlichen
ruders MW.
CCLXXVII. ü
Un Ebendenfelben.
Weimar, den 11. Auguſt 1777.
Liebfter Hergensbruder — wir dachten gleich
aß es Ihnen reche wohl gehen müßte, und
aß Sie fih zu Lauchſtaͤdt und in den Gegens
‚en umher tüchtig herumtreiben, und von jes
‚em fchönen und leidlichen Tag den mögliche
ten Gebrauch) machen würden — und daß mir
ilſo Ihr Stillſchweigen ganz getroft ale ein.
zutes Zeichen aufnehmen dürften.
Wir andern bier haben indeſſen freylich mit
anferm Umziehen in die neue Wohnung, und
280 | |
mit der Einrichtung in derſelben fo vll
(haffen gehabt, daß ung Die Zeit nod
mahl fo ſchnell vorbey gefommen, und wird
Entbehrung unferes Gleims und unfrer Öl
minde aug unfern Augen und Armen umli
eber haben verfchmerzen können, aber def
baben wir immer fleißig an Sie gedadıt un
von Ihnen sefprohen. Auch Hab’ ich in du
erften vierzehn Tagen nach Ihrer Abreife mein
Roſamund ganz neu und mehr als zur Half
völlig umgefchaffen, und ihr nun eine folk
Grftalt gegeben, daß ich Ehre und Freude at
ihr erleben werde. Wenigſtens ift fie nun al
was eine achte Mannheimer Dper feyn fol;
auch haben die Leute ein Gaudium darudeı
tie Ihr Euch kaum vorjtelen koͤnnt. Schwel
zer iſt ingwifchen felbft zu Mannheim gems
fen, und bat mir fehr vergnügte Briefe von
dort aus geichrieben. —
D euer Konig, euer König! Barum wolltt
doch der Himmel nicht, daß er, gu feine
Zeit, auf den Einfal fam, aus feinem gott
lihen Berlin ein deutfches Athen zu machen!
AN das, was jest in Mannheim iſt, foltt
ja von Gott und Rechtsmwegen in Berlin feyn -
> wie viel mehr und größere Dinge wollten
— — — — —
231
Wir Alte gethan Gaben, wenn Friedrich — Per
rifles für uns und feine Nation hätte feyn
wollen! — Es ift nun fo! Diefer Ruhm bleibt
einem andern aufbehalten — der dafür weder
ein Schlefien mit dem ‚Schwerbt, noch ein
Weſtpreußen mit einem Federzuge erobern wird.
Daß der Elector Saxoniae — mit welchem
Gott ſey! Lauchitädt fo anfehnlich zu ermeis <
tern und zu verfchönern befliſſen iſt, hoͤr' ich
ſehr gerne. Dafuͤr wollen wir dem auch uns
ferm Gleim und der gebenedeyten unter den
Nichten fünftiges Jahr einen Rendezvous zu
Lauchftädt geben — darauf verlaffen Sie ſich!
Immittelſt befinden wir ung alle, ſammt
und fonders, alt und jung, in unfrer Lands
mohnung, fo nah und Doch wieder fo weit von...
dem Städtlein Weimar, herrlich wohl. Lott⸗
Ken wird, wie billig, ale Tage droliger,
Holdfeliger, ſchoͤner, gefcheidter, eigenfinnts l |
ger ıc. Die Idee der lieben Nichte Ifl ihe
noch immer fd lebhaft, "daß fie, fo oft fie,
ein Frauensimmer das meiß angezogen ift und
eine etwas fpisige Naſe hat, vorbey gehen
ſieht, aus Leibeskräften: Gleim, Gleim, fomm, !
komm! ruft, alle Hände nach Ihe ausſtreckt,“
mit allen ihren Singerchen herbeywinkt, und
232 |
ſich ſchrecklich ersurne, wenn die vermeim
Gleim nicht näher fommen will.
Die Oberpriefterin — brozt. Wir hab
Sie feit Eurer Abreife niche gefeben. Ih
Mann ift feit acht Tagen wieder bier; es falt
ihm aber auch nicht ein, nach ung zu guden,
wiewohl wir feine Schaafe (ich zwar nur eis
Boͤcklein) und er unfer Hirte — aber freylid,
leider! nur einer iſt — deſſen bie Schaafe nicht
eigen find.
Ade, für dießmahl, liebfter Bruder — und
liebes, liebes Schweſterchen! — Nie hat ein
weibliches Weſen das andere lleber gehabt,
als meine Frau ihre Schweſter Gleim liebt! —
Mit Goͤthe bin ich dieſe Zeit her ungemein
und fo ſehr als jemahls zufrieden. Der Her—
zog iſt auch lieb und gut. Adio. W.
CCLXXVIII.
An Ebendenfelben.
Weimar, den 16. September 1777.
Liebes Seelenſchweſterchen, da ich die Ehre
habe, bey den Frauens in meinem Haufe als
Secretair in Dienften zu ſtehn, fo babe Drdre
Fuer Liebden nebft unſerm refpectiven Liebes
283
fuß, deb s und wehmuͤthig vorzutragen: wel⸗
hergeftalten meine bochgebachten gebietenden
Srauen fich zur Zeit in fo großem Flachsman⸗
zel befinden, daß fie ihren hochadelichen Spins
aerinnen keine Arbeit mehr geben können, das
durch aber nicht allein Gefahr laufen, ſolche
zar zu verlieren, fondern auch in ihrem löbs
ichen Hausfabrikweſen merklich zuruͤckgeſetzt
ju werden. Da nun alfo die Noth erheifcht,
yiefem Uebel fchleunig abzubelfen: als ergehet
ın Euer Liebden meiner Frauen Prinzipalinnen
jehorfam auch unterdienfllihes und freunds
sachbarlicheg Anfuchen und Bitten, daß Dies
elben geruhen möchten, den für unfer Haus
yochgeneigt eingefauften bewußten Flachs bald⸗
noͤglichſt uber Nordhauſen an die Frau Vice⸗
Lanzlerin von Bechtolsheim in Eiſenach zu
pediren. Bitten aber gar dienſtlich und fleis
tig, daß Euer Edlen fo geneigt feyen, und
riefe Spedition fein bald beforgen, fintemalen
ver Flach alsdann von Eifenach aus ohne
ießfeitige Koſten mit dem Kuͤchenwagen des
derzogs unfers gnaͤdigſten Herrn, anhero
ransportirt werben fünnte. Ein Mebreres zu
reiben verbietet zu Zeitz; alldiemeilen wir
riefen Nachmittag einen ganz ugverhofften ans
234 |
genehmen Befud von Herrn Prediger zu |
fer und Madanı befommen haben.
Herder ift wieder gefund und wohlgemut)
angelangt, und dag gute Vernehmen zwiſche
beyden hohen Häufern ift wieder vollfommu
hergeſtellt, wovon gute Continuation gu wün
ſchen ſteht.
Wenn auch Dieſelben nebſt Herrn Oncle
und Oheim, unſerm freundlich geliebten Hertn |
und Gevattern fih an Seel und Leib wohl
befinden, fol es und allerſeits große Freude
zu vernehmen ſeyn. |
Momit Euer Lieb und Andacht zu geneigtem
Andenken mich empfehlend, auch zu allen ans |
genchmen Gegendienften (jedoch in alleweg
alleseit licher in Kicb als Leid) von Herzen
willig und erboͤtig, mit aller Veneration bu
barre
Dero Ehrmürden
dienfigefalligfter
pr. Frau Geniorin )
Frau Hofräthin Wieland.
C. M. Wieland,
zeitiger Secretarius.
285
CCLXXIX.
Un Ebendenſelben.
Weimar, den 30. October 1777.
Liebſter Bruder Gleim, und liebe, liebe
Schweſter Gleminde, nur mit zwey Worten:
Victoria! — Wir haben vorgeſtern, Abends
um 9 Uhr — nad) einem etwas harten Kampf
ber Natur, wobey jedoch, Gott Lob! Mutter
und Kind böchft glücklich mweggefommen —
einen gefunden, hübfchen, breitfticnigen, großs
nafigten, kurz einen herrlichen Buben befoms
men, an dem und Gott Freude erleben laffen
wolle! Er bat ein dauerhafte Anfehn und
sine gute männliche Stimme. Mir ift, ich
febe, wie Euch, liebe Seelen, das Alles freut!
Mit mir geht’d nun à Conto nuovo. Heros
gin Louife und Prinz Conftantin waren Pathen,
und der Herzog war fo freundlich und affiftirte
dem Taufactus In eigner Perfon. Für all
das heißt der Junge nun Ludwig Fries
drich Augufl. Beben Sie ihm Ihren Ohelms
lichen Seegen, lieber Herzensbruder, und leben
follen Sie, bis Sie fehen, daß Ein Mann
aus Ihm geworden. Amen !
Nach fo etwas kann man. obnmöglich von.
sans fchreiben.
286
CCLXXX.
An Ebendenfelben.
Weimar, den Io. December
Liebſter Herzensbruder, taufend Dant
volem Herzen für Euren Segen auf m
fleinen Louis, und für alles Liebes und
tes, wovon Eure edle, warme, gefühl
Seele für ung überfließt! Gott gebe, daß
Bruder Gleim mit feinem Bruder Wielar
lange lebe, um noch viele Freude an dem
gen Schildfnappen zu erleben, den mir
neunzehnten Jahrhundert an unferer €
binterlaffen wollen, daß er da fortfahre,
wir aufhören, und feine dem Anfchein
fraftvole Stirne entgegen flemme allem
twefen der Dunfe, Sophiften, Heuchler, Sch
mer, Weltgeifter und aller andern böfen
ter feines Zeltalterd, und merbe ein 3
der Wahrheit, nnd ein Priefter der M
und ein Achter Sohn der Natur, und ein '
bild guter Eitten, und ein glüdlicher Bi
in dem Reich eines künftigen Sriederi:
und ein Vater von Söhnen, die dem Nah
Wieland Ehre machen ewiglich! Amen !
Lieber Bruder, ich möchte Euch gerne
287
fchreiben, aber ich babe ſchon Einen Fuß in
der PoftsChaife, und ale meine Gedanken
reiten Courier voraus nach Frankfurt und
Mannheim. Hier iſt inzwiſchen ein Eremplar
der Rofamunde, ‚welche nach der Eompofition
des Seelenbaͤndigers Schweizer den 7. Jenner
78 zum erfienmahl aufgeführt werden fol, und
um derentwillen ich eigentlich meine Wallfarth
unternebme. — Lebet indefien wohl und bes
baltet ung lieb. Ewig Euer treuer Bruder W.
CCLXXXI.
In Menufel
Weimar, den 30. September. 1778.
Empfangen Sie meinen verbindlichfien Danf
für das angenehme Zeichen, fo Sie mir von
Ihrem freundfchaftliden Andenken haben ger
ben wollen. Der lebte Bogen des Merkurg
vom September war fchon vol, da es anlangte,
und fo müßte die Anzeige dieſes, aller Unters
flügung würdigen gemeinnugigen Werkes auf -
den naͤchſten Monath ausgefegt bleiben. Mich
freut fehr, daß Sie fih noch erinnern einer
meiner aältefien Sehulfen ans Merfur geweien
zu ſeyn, und noch mehr wuͤrde mich’d freuen‘,
283
wenn Ihre vielerien Gefchäfte Ihnen eriauis
fonnten, auch jebt noch, wenigſtens bann md
wann, an meinen Journal Antheil zu nehm
und mir da® Vergnügen zu machen, unfe
lieben Publifo zumeilen ein -plat de votre me
tier aufjutifchen. Im nachfien Quartal zeigte
ſich dazu eine vorzägliche Gelegenheit, da id
zum Bilde des berühmten Ritters, rang bet |
Siefingen, welches ich liefern werde, eine ea
möglichfter Kürze, doch hinlänglich ausgefuͤhrt
Darftellung feines Charakters und. Leben ber
einem, in diefen Zeiten bewanderten Geſchichts
fundigen zu erhalten wuͤnſchte. ‚Konfultirte
Sie doch ein wenig mit Ihrem Genius, mer
lieber Herr und Freund, und fagen Sie uk
ſchriftlich, oder (welches mir noch angenehm
feyn wird) mündlich, ob ich mir dazu Hof)
nung machen fann.
Meine Frau empfichlt fi der Ihrigen erge
benft, und erfreut fich Ihres liebreichen Anden
tens. Da ung das immer gehegte Vorhaben,
Sie Ddiefen Sommer über einmal auf du
Tag zu befudyen, zufälligerweife immer zu Waſ⸗
fer geworden, fo würde es deſto angenehme |
feyn, fie beyderfeits bald bey ung zu ſſchen,
und der unmandelbaren Freundſchaft zu verß
289
ın, womit ich mich proprio ct uxorio no-
ne unterfchreibe.
CCLXXXII.
An Ebendenfelben.
Weimar, den ı2. October 1778:
Sch nehme Sie beym Worte, mein wertbes
er Herr und Freund, fihlde Ihnen beyfols
nd eine ganze Kifte vol Materialien zu der
bensbefchreibung des mannbaften . Ritters
:anz des Sickingers. Es befinden fi) darin
che nur alle von Ei. Lbden. verlangte Bis
er, fondern auch noch Drey Andre, welche
er Herr Unters Bibliothekar aus eigner Bewe⸗
ıng binzugetban, nähmlich:
ı) Sammlung von merkwürdigen Lebensber
fchreibungen aus der Brittannifchen Bios
graphie 6ter Theil.
2) Sammlung zur Saͤchſiſchen Geſchichte.
ster und 6ter Band. |
3) Bellum Sickingenum. (Ein elendeg opus,
ut videbitis.) |
Sur al diefes nun und deffen binnen ſechs
Vochen a dato erfolgen folende unverfehrse
Wielands Briefe IL, V. 1)
290
Keftitution babe ich mich der hochfl
Hibliorhef alhier verbüärgen mäüffen, ı
alfo Em. Loden. dafür zu forgen, daß
gewuͤrget werde.
Was die Größe, i. e. den körperlic
fang dieſes hiſtoriſchen Auffages bet
überlaffe ich Ihnen folche felbft, mir
feld, daß Sie die justam mensura
zu treffen mwiffen werden. Wird er f
Monath zu groß, fo theilen wie ihn
wie Ariftoteleg dag universum. In
wartigem Detober s Stüd iſt ohne
Platz mehr.
Uebrigens, mein liebſter Freund u
Herr College du temps jadis, danfe
nen zum boraug verbaliter, big eg ;
Zeit pro modulo facultatum mearum
gefchehen wird, für den Nitterdienft,
mir hierin mit fo viel gutem Willen ;
fen bereit find, und verbleibe C unter |
Salutation an Eure liebe Hausfrau
Meinigen) donec ego vixero etc,
| 291
J— CCILXXXIII.
An Gleim.
Weimar, ben 22. December 1778.
Mein befter Gleim, der Himmel lohne Ih⸗
nen die Freude, die mir Ihre unermüdliche
Nachſicht mit meiner Cfreylich nicht immer
unuͤberwindlichen) Traͤgheit, und die erneus
erte Verſi cherung Ihrer Liebe, die wie Bals
fam des Lebens auf mein Her gekommen iſt,
zegeben hat.
Ungeachtet wir uns fo "lange nicht geſehen,
nicht gefchrieven haben, haben gewiß unfte
Herzen (ich rede von mir und meiner beften
Hälfte) Feinen Augenblick aufgehört für Euch
zu fchlagen, und an. Euch und Eurem Schick⸗
fal den zärtlichiten Antheil zu nehmen. — Aber
wie's mit dem Briefe fchreiben zwifchen ſehr
befchäftigten Sreunden (die aber juft feine
Gefchäfte mit einander machen) befchaffen tft,
wiffen Sie aug eigener Erfahrung: oft iſt der
Geiſt willig, aber das Fleiſch ſchwach. Oft
in dem Moment, wo uns das Herz dringt
mit einem geliebten Abweſenden zu reden,
haͤlt uns eine dazwiſchenkommende unvermeid⸗
liche Hinderung ab, und dann hat ſich das
292
Herz wieder zugefchloffen, bie Duelle dr wi &
pfindung iſt da, aber- fie ergieße ſich a! *
mehr. Oft find Reiben von Sefchäften, | 7
Reihen von Zerfireuungen, oft haͤusliche Vmf ü
ffande, oft glüdliche Stunden, wo und W
Mufen Hold find, oft dumpfe Nebelfunden:
two unfer Dafeyn wie ein Gebirg auf un
ige, Schuld daran, daß man fich nicht ſchre
ben Fann. Aber fehen, ſehen und befuhr
müffen wir ung noch, fo lange und fo oft alt
es ung das Schiefal nur immer möglich. mo
chen wird. — Im naͤchſtkuͤnftigen SFreahliag
fommen Sie, liebſter Bruder, mit unfrer Ss
minde, auf den Flügeln Des Friedens it
uns, und feben und fegnen meinen fleina
Ludwig, und den neu angefommenen Earlı
den mir das befte Weib und die befte Mutts
heute vor vierzehn Tagen an Agatbhons
Tage geboren hat. Die Kinder find noch u
flein, als daß mir fie unferm Bruder un
ihren Vater Gleim auf unfern Armen neh
Halberſtadt zutragen Fönnten, Er muß all
nur felbft fommen, fie zu fehen, und unfte
Freude volfommen zu machen — auch u fü '
ben, was für ein holdes Gefchöpf der Lie
feine Pathe Lottes Mine worden if, ww
| 293
wie die andern Mädchen heranwachſen, und
Alle, fammt Vater, Mutter und Kindern eine
Familie der Liebe ausmachen, und in und mit
und durch einander leben weben und find. |
Daß ein Mann, der in fich felbft und in
Weib und Kindern, und in feinen menigen
aber defto edlern Freunden, und in der immer
junehmenden Liebe der Natur und dem traus
ten Umgang der Mufen, die noch nicht aufge;
hört haben ihm Hold zu feyn, gluͤcklich iſt,
d. i. ein Mann wie Ihr Wieland, keine Zeit
noch Luft bat, su lefen was fo arme Sünder
mie der Knabe Cramer und der’ Maupillon
uber ihn und mwider ihn drucken laffen, ſollte
meinem Gleim doch wohl nicht unbegreiflich
feyn. Und warum folt’ ich die Herkules Keule
aufheben, um Fliegen £odt zu fchlagen?
.Will einer meiner Freunde die- Fliegenklats
ſche ergreifen, und dem Sumfen und Stechen
Diefer Ungeziefer ein Ende machen, gut! Wo
nicht, fo laffen wir ihnen das bischen Leben,
Das Ihnen die Natur gönnek.
. Nach den Novis. von Ihrer Mufe, befter
Gleim, bin ich herzlich begierig. Außer eints
gen Srenadierliedern, die des preußifchen Tyr⸗
taͤus würdig find, und beweiſen, daß das
294 |
Feuer feines Geiſtes heiliges anauelöſhin
Feuer iſt, Hab’ ich ſeit langer Zeit nichts M
ihm gefeben.
Leben Sie wohl, beſter Bruder! Gott geh
Ihnen neue Geſundheit, Kraft und Lebent
freude zum Neuen Jahre! — Ade! hr mit
treuer Bruder W.
CCLXXXIV.
An Voß.
Weimar, den 24. Senner me
Beynah fol ich Ihren MWohlgebohrun
Herrn Hofrath mit einem Hochedelgebohrnn
Herrn Rector erwiedern — Aber ich mag nid!
alles was ich fann, geſchweige alles was Id
ſollte — wiewohl es wirklich ein garſtiges Ding
um dieſe Titulaturen unter unſers gleichen If.
Mer weiß welcher gute Wind Sie einmahl
nah Weimar oder mich ind Land Hadelen
weht, und dann ſolls ja wohl anders zwiſchen
uns werden. |
Doh was hadre ich mit Ihnen? Ste haben |
durch) das DBertrauen, womit Gie mir ba
vierzehnten Gefang Ihrer Odyſſee zugeſchickt,
alles unter ung gut und eben gemacht. Nichts
| 295
billlger, als Ihr Vorhaben, befagte
dyſſeee auf Subſcriptlon drucken zu laſſen;
id wenn ich machen koͤnnte, daß Sie Ihnen,
ich Proportion, als fie beſſer denn die Pos
iſche oder von Pope corrigirte engliſche iſt,
ich mehr eintruͤge, als dieſem ſein Homer
agetragen, ſo ſollten Sie wahrlich nicht lange
ektor zu Otterndorf in Lande Hadeln ſeyn.
ndeffien wollen mir zu dem loͤblichen Werke
enigftens beytragen mas mir fönnen. Sich
‚be den Grund, daß Ihnen dadurch .ein Ges
Den gefchieht (wiewohl für mich ein gang
reichender Grund) nicht nöthig, wo fo viel
eweggrund in der Sache felbft liegt. Ihr
ersehnter Geſang wird alfo ganz, mie er if,
ı nächfien Februar des Merkurs erfcheinen,
id die Heine Note, momit Ih Ihn introduis
n muß, fol wenigſtens nichte verderben,
a8 der Merfur in der Folge, megen ber
ubferiptiongs Sache melter ankündigen fol,
rüber werden Sie ihm feiner zeit Inſtruction
theilen.
Ste haben wohl daran gethan, daß Sie die
fichere Erifteng eineds homme de lettre &
"ansbeck , mit der Neftorfielle zu Otterndorf
rtaufcht haben, biy der Ihnen wenigfieng
296
beffer zu Muthe feyn wird, als wenn
Hector der Thumagfchule In Leipzig w
Er wäre freylich allerley darüber zu fü
daß unfere Auguften und Mäcene x.
es ift im Grunde doch nur lahmes Geſcht
und am Ende iſts einem jeden ehrlichen
und einem Dichter mehr als jedem an
beffer, wenn er fein verdientes Bro
Schweiß feines Angefichts iffee, und
feinem Auguft bofiren und feinem an
chen Maͤcen den Kutzen fireichen muß.
babe big zu meinem ficben und zman;
Sabre auch geichulmeiftert, (wiewohl in
Derbar angenehmen Umſtaͤnden) bernad
ich neun Jahre Stadtfchreiber Coder Ca
Direktor, wie man heutigen Tages fagt
dem man das Gefühl für die Wahrheit
Einfale unfrer Altvordern verloren bat,
die Schweizer ihre Stadffchreiber Secre
d’Etat nennen) alfo GStadtfchreiber in
rach geweien, und habe tuchtig im $
ziehen müffen, wäre auch ohne allen 3
Darüber zu Grunde gegangen, wenn mit
Agatbon, Mufarion, Idris wm.
zum Troft erfchienen waren, und ir
mancher gluclichen Stunde sollicitae ju:
297
joblivia vitae verfchafft hätten. NHernach da
sich endlich doch der Kanzley herzlich fatt war,
Heß ich mich wieder zum Schulmeiftern vers
‚führen, und war drey Fahre Profeffor in Erz
sfurt, und wieder drey Jahre Prinzen⸗Inſtruk⸗
:for hier zu Weimar; big mir endlich ein Deus
‚oder vielmehr die Dea Anna Amalia diefe
Otia gegeben hat, worin Ich nun lebe — und
die ich twahrlich wohl verdient zu haben meine,
Denken Sie indeffen nicht, daß es eben ein
gar Ariſtippiſches und Heluonifches Leben
um diefe meine Dtia fey. Sch bin Hausvater,
und habe inclufive fieben liebe holde Kinder,
wovon das aͤlteſte wenig uber zehn Jahre,
und das jüngfte fieben Wochen alt iſt, tägs
lich ſechzehn Maͤuler und Mägen zu verforgen.
Bey einem folhen Amte darf man wahrlich
die Hände auch nicht in den Sad fleden,
und der ehrlihe Merfur fpielt, wie Sie
denken können, dabey feine ganz entbehrliche
Mole, Aber dag iſt ed auch, was ihn hei⸗
liget und mir das Necht gibt, mich qua
Herausgeber des deutfhen Merkurg,
noch immer wenigſtens für einen eben fo
twacern Ehrenmann zu halten, als wenn ich
ein ehrbarer Weber s oder GSchneldermeifter
298 |
mwäre, und mich und die Meinigen red
meiner Handarbeit nährte. Geben Si,
Voß, fo führe unfer Herr Gott feine
wunderlich. Sie werden wahrlich au
als Rector zu Deterndorf im Lande
fierben. Genug für den Anfang, daß
in dem ordentlihen Weg einer bir,
Eriftenz find. Das übrige Deus pre
Nur forgen Sie für Ihre Geſündheit
diren fich nicht, um Nichts und wide
zu einem Eccehomo⸗Bild, wie fo
wacre Mann in Deutfchland fchon gel
und noch thut — dag dann gerade &
ift, Gott und Menfchen und fich felbi
zu werden.
Leben Sie wohl. Sch endige dieſen
erfien Brief an Sie mit keiner Hocha
verfiherung; Sie feben ja wohl, i
ganze Brief eine if.
CCLXXXV.
An Meufel,
Weimar, den 2. Aug
Tauſend herzliche Glüds und Seg
fche zu Ihrer bevorfiehenden glücklich
299
„Pflanzung in den geliebten vaterlandifchen Bo⸗
‚ben! Immer werde ich warmen Antheil an
Ibren Schickſalen nehmen ‚ und mich bruͤder⸗
lich freuen, wenn es Ihnen ſo wohl ergeht
als Sie es in allen Betrachtungen verdienen.
Aber tant pis für Jena, daß man, fo nahe
dran fich Ihrer zu bemächtigen, um einer
Kleinigfeit willen, den günftigen Augenblick
verfaumt hat. Doch, was iſt darüber anders
zu fagen, als: Mir iſts leid um die bochfurfts
liche fächfifche Gefammt + Univerfität — auch
leid um mich felbft, daß Ste nun um fo viel
weiter aus meinen Augen gerüdt werden;
aber lieb, ſehr lieb iſt mir für Sie, mein
wuͤrdiger Freund, und für die Ihrigen; denn
unfireitig verbeffern Sie fich gu Erlangen , alles
zufammen genommen, um hundert Procent,
und ich bin gewiß dag Sie wenigſtens zwan⸗
zig Jahre langer leben, und um den Werth
eines halben Jahrhunderts vergnügter, muns
ter und glücklicher dort leben werden, als
in Jena oder dem gebenedeyten Haͤringsnaſen⸗
lande. \
Da tie nun in fo Furger Zeit fo meit ge
trennt werden, iſts ja wohl billig, daß Sie
ihrem alten Freunde und ehmahligen Collegen
ſchuldig; in
langen Epiftel
301
Snade ſtrenger darob zu halten, als gewoͤhn⸗
lich über Polizeyverordnungen gehalten wird)
bey allen Briefen die ich befomme, bloß auf
Die Gefchäftspunfte zu antworten. Was das
übrige betrifft, naͤhmlich Ihre dermahligen
Gefinnungen gegen mich, fo bin ich fehr das
mit zufrieden. — Allis good — Ale Ste vor
einigen Jahren das häßlihe Episramm auf
mich machten, und Ihren Nahmen darunter
festen, entfchuldigte ich Sie mir felbft und
meinen Freunden mit Ihrer Jugend, und daf
Sie mich nicht fennten. Nach gerade fangen
Sie ſelbſt an zu ſehen, daß man fich wohl
bier und da, fonderlich in Ihrem Niederfachs
fen, im Urtheilen über mich verfündige haben
fönnte. Indeſſen werden Sie mic) doch ſchwer⸗
lic) eher recht fennen lernen, bis wir und von
Angeficht zu Angeficht gefehen, und wenigſtens
einige Tage zufammen gelebt haben. Ein eins
ziger Blick in mein Herz, in mein hausliches
£eben, in den Zufammenhang meines ganzen
Lebenslaufs, würde mir, das bin ich gewiß,
alle guten und edlen Menſchen auf dem Erds
boden zu Freunden machen, wiewohl ich von
Serungen und Uebereilungen fo menig, und
nach Beſchaffenheit der. Umſtaͤnde, vieleicht
305
: Stunde dadurch) machen fünnen, wer⸗
nie immer hoͤchſt angenehm feyn.
en Sie gefund und wohl. Ein Dichter,
die Mufen fo Hold find. wie Shnen, zus
wenn er ein liebes Weib und einen bols
feinen Jungen um ihren Bufen fpielend
ift, troß der Fortuna, immer einer der
ichften Sterblichen.
CCLXXXVH.
An Herrn Doctor Hirzel
in Zuͤrich.
Weimar den 28. December 1779.
erehbrungsmwürdiger Herr und
Steund!
3e doppelte Befriedigung meines Herzeng,
h durch Ihre fo unverhoffte Zufchrift vom _
November erhielt, bat mir die geflrige
dſtunde, da mir folche zu Handen fam,
zer der angenehmften meines Lebende ges
Denn ich genoß ‚zu gleicher Zeit das
he Vergnügen zu ſehen, daß ich noch
wen Andenken lebe, und meinen felt des
n Sulzers gehegten elfrigen Wunſch, daß
doh von einem In allen Betrachtungen
lands Briefe 111. B. 20
307
: Gang vorzüglich hat mir auch Freude gemacht,
mferm theuern Als Bater Bodmer, bey fo
nancher in diefer Schrift fich darbietenden Ges
egenheit, die langft verdiente Gerechtigkeit in
oem Maße adminiftrirt zu ſehen. Seine gros
en, tefentlichen, mannigfaltigen Verdienſte
m die Nation, find auf eine fchandliche Art
isher verfannt worden. ch denfe aber es
ch zu erleben, daß unferm, fonderlidy feit
em legten Decennio ganz nebeltrunfenen Pub⸗
ico auch endlich hierüber die Augen aufgehen
verben. Gie, mein theurer Here und Treund!
eben doch wohl noch zumellen den vortrefflis
yen Greis, deffen Erdenleben In einer fo fihös
ven Abenddämmerung unvermerft verdämmert.
ringen Sie ihm doch, ich befchwöre Sie
arum, meinen herzlichften Gruß, nit einem,
eilgen Kuß auf feine alte, vaterliche Hand! |
Sagen Sie ihn, daß ich Vater von ſieben
dindern ſey, mitten unter welchen ich kaum
ewahr werde, wie nahe ich ſchon dem Witz
elpunkt des Lebens bin, und auf die ich, Die i
ankvolle Liebe fortpflanze, womit: mein Herz
> lange es ſchlägt, für meinen Vater B0ds
ver erfüllt bleiben wird, Sagen Sie ihm,
aß ich Goͤthen nie um etwas beneidet babe,
CCLXXXVIII.
Un Sletim.
Meimar, den 12
Siebfter Bruder Gleim, ih will e
verfuchen, ein Stilfchweigen, dag
lichen Vernachlaͤßigung fo ahnlich fi
fchuldigen. Zwar, der Himmel mı
Diefer ganzen langen Zeit fein Au
wefen iſt, worin mein Herz nicht ı
Liebe für meinen Gleim geweſen m
ich ihm alle acht Tage die zaͤrtlich
gefchrieben hatte. Aber was iſt t
Licht unter einem Scheffel? — S
fühl ich meine Schuld, und fon
von mir erhalten, ohne einen Kurt
Ihre Augen zu fommen. Oberon,
der am Ende doch allein Schul if
alles andre uber ihm vergeffen hab
fol mein Fürfprecher feyn — und
ich immer big er im Stande mwäre,
Statt vor Ahnen zu erfcheinen.
nun, mein befter Gleim, nicht — €
nem Korn von Elfenbein tanzen ;
fondern Site aus feinem goldenen 2
jugendfraft trinfen zu laſſen,
311
te Berührung mit feinem Lillenftabe jede
merung an unangenehme Augenblicde, die
t mehr find, in ewige Bergeflenheit zu
en, und feiner andern Empfindung in
em Herzen Raum zu laflen, als Ihrer alten
e für Ihren Sie herzlich wieder liebenden
unmandelbar getreuen W.
teine liebe beifere Halfte hat mir vor fieben
hen den vierten Sohn geboren (den erfien
e ih, mie Sie miffen, bald wieder zus
geben) aber die drey, die ih nun habe,
n viel Schönes und Gutes von fich Hoffen.
wär’ es, liebfler Sleim, wenn Sie mit
beften aller Richten diefen Sommer fäs
und das alles ſelbſt bey mir In Augens
n nahmen? Ich kann nicht augdrüden,
glücklich Sie ung dadurch machen mürden !
CCLXXXIX.
An Ebendenſelben.
| - Weimar, den 5. Merz 1750.
aförderft, mein” beſter Bruder, ſoll ich
en im Nahmen aller Kibitzeyereſſer in
nem Haufe unſern einſtimmigen Dank abs
en, daß Sie uns fo reichlich mit einer
313
Schwanenwagen zu Gebot flunde, ber dag
wraute Paar in Einer Nacht von Bagdad nach
Askalon trug. Aber ah! Wir find in diefen
Soden eihgemwurzelt, und die Unfterblichen
Hein wiffen, ob und Wann e8 ung jemahle
nieder fo gut merden wird, mit unferm
theuern Gleim unter feinen fchönen Daumen
zu wandeln.
Nur noch Eins, lieber Bruder — Gie ers
inneen fich Doch noch, daß Sie mir ſchon lang’ .
einmahl zuriefen: o Löwe, Löwe, bruͤll'
einmahl! Brülen kann ich nicht, mein Bes
fler, oder ich müßte nur (mit Claus Zetteln
im Shafespeare zu reden) bruͤllen fo lieblich
und zart wie eine Nachtigall. Aber ich habe
mich doch wenigſtens hören laffen. Sich habe
meinen Freunden und Feinden den Dberon
gegeben — und ich hoffe beyden, jedem nah
feiner Welfe, .auf etliche jahre genug getban
zu haben. — Und nun für dießmahl Adieu,
lieber theurer NHergensmann, Sie werden von
Herdern und feinem holden Weib® Ceiner der
reinften und fchönften Seelen auf Wotted Bos
den) und von allem was gu mir gehört herz;
lic) gegrüßt, und taufendmahl brüderlich ums
arme von Ihrem W.
315
sen Muſenalmanach Haben machen tollen,
nichts Gutes enthielte, als Ihren mir uber
alle Maßen Föftlichen Idyllion, fo wär’ es
Fechon goldner als Gold (wie ber alte Aefchys
fus fagt) und dreyfach werth mit meinem
= Mberon, der, feitdem Ich ihn: dem Publis
cum babe proftituiren muͤſſen, (denn dieß und
Enichtd anders iſt Herausgegeben tn unfern
beilofen Tagen) beynahe allen feinen Werth
sin melnen Augen verloren bat, vergolten zu
: Werden.
g
z
;
Mir iſt gar nicht eingefallen, daß Sie an
: der groben und illiberalen Beleidigung,
bie mir der homunculus, Cramer junior, fo
"gan; sans rime et sans raison, neulich durch
: die fhändlihe Note zu Ihrer bewußten Ode,
abermahls zugefügt hat, den mindeflen Ans
theil haben könnten. Ich fange aber an gegen
Buͤbereyen diefer Art gleichgültiger zu werden
als jemahls, und huͤlle mich fehr ruhig in
das Bewußtſeyn ein, daB ich ein Befleres,
um die Zeit in der ich lebe, verdient habe.
Mas mir feit dem Moment, da ich etwas
Gutes habe drucken laffen, d. 1. ungefähr vom
Agathon an mwiederfahren iſt, und noch täg:
lich wiederfaͤhrt, ware hinlaͤnglich, jeden Jüngs
317°
ns einen Tag mit mir en famille gelebt -
ıben, werde ich Ihnen immer fremd, unbes
nnt und raͤthſelhaft bleiben; wiewohl viels
icht der ehrliche Hand Lafontaine nicht fimps
e und barmlofer gemwefen ift, als Ihr ergebes
vr Freund.
CCXCII.
A Müller.
Weimar, den 31. Merz, Fünftig Lenz:
monat genannt 17581.
Votre letire datee de Brunswic ı2. Mars,
> m’est parvenue que le 20. apres-midi.
faut quelle ait fait un detour singulier
:je crains que ma reponse, qui ne peut
artir que le 22. ne vous trouve plus a Cas-
]. En tout cas, vous aurez pris soin de
zus la faire envoyer oü vous ir.
Vous n’auriez pu me donner une preuve
lus essentielle de l’estime dont vous avez
. bonte de m’assurer, que par la proposi-
on que vous me faites. Je Paccepte avec
ne confiance qui repond à celle dont vous
’honorez, et je suis charmé de pouvoir
ompter sur un compagnon de travail tel
ue vous,
321
CCXCIII.
Au M&me
Weimar, ce 9. April 1781.
Deux mots seulement, mon cher Monsieur!
our vous remercier de la vötre de Halber-
tadt le 4/5 April, et de Pesperance, que
‘ous m’y donnes, de mettre & fin avant
Iu'il soit.peu la conclusion de notre petit
raite. Je la desire avec toute la vivacite
les sentimens, que m’inspire l’honetete de
‘os procedes et lidee que j’ai concu de vos
alens. Les leitres sur la vie pastorale des
Telvetiens ne peuvent pas manquer d'être
nteressantes. Vous m’obligerez beaucoup
:n hätant la traduction allemande, de quel-
jues unes de ces lettres, pour le mois de
ai, si faire se pourra.
Je serais tres charme de vous voir fixe,
lans la capitale du grand roi, qui vient
j’ajouter à tant de belles actions’ celle de
‚ouhaiter un Auguste à la literature
ıllemande; souhait d’autant plus meritoire,
puisque S. M. paroit s’interesser pour une
„hose, qui ne lui est pas plus connue, que
la constitution des habitans de la lune.
—
Wielands Briefe III. V. 21
322
CCXCIV.
An Voß.
Weimar, den 16. April
Ich boffe, lieber Herr und Freund! da
mit meiner Eleinen Liſte von Pränumer
auf Ihre Ddnffee (denn ich meines Orts
und till mir nun einmahl nicht mehr
woͤhnen Ddüffee zu ſchreiben) nicht zı
komme. Nehmen Sie mit meinem guten
len vorlieb. Hier folgt eine Anmelfung
zwölf Ct!) Ersmplare auf das Addreß⸗
toie in Hamburg. Ich wuͤnſche Ihner
fundheit, frohen Muth und fchöneg
nebft einer reichen Erndte von, Louisd'
jeder Arbeit, womit Ste unfere Litterat
reichern werden.
CCXCV.
An Sleim.
Weimar, den 7. May
tiebfier Gleim, fo eben zeige ſich uno
thet eine Gelegenheit, Ahnen ein Exe
der neuen Ausgabe meines Dberon zusı
gen. — Wie viel, und von wie vielen DI
323
fter Bruder, möcht ich mit Ihnen ſchwatzen
Snoen! ch weiß nur zu gut, woran Sie mich
auch unfern Müller fo freundfchaftlich has
en erinnern laffen, daß die Reihe, Sie zu
efuchen, an mir ifl. Aber, mein Befler, bes
senfen Gie, daß meine Familie indeffen auf
icht Kinder angewwachfen, und daß die gute
Dutter fih von ihren vier Knaben, wovon der
aͤlteſte erft vier Jahre alt, unmöglich auf acht
Tage trennen fann. Kurz, liebſter Bruder,
ich bin nun in den biefigen Boden eingemwachs
fen. Sie find freyer, Kommen Gie zu ung,
und glauben Sie, daß Ihre und Ihrer Nichte
Miedererfcheinung bey ung mie der Beſuch
zweyer mohlthätiger menſchenfreundlichet En⸗
gel ſeyn wuͤrde.
Mein vortrefflicher alter Freund, leben Sie
wohl, und behalten Sie mich lieb. Ich um—
arme Sie von ganzem Herzen.
CCXCVI.
An Johannes Müller.
Meimar, ben g. Juny 1781.
Biel Gluͤcks zu der Neuigfeit, die Gie mir
in Ihrem Testen berichten, Ich kenne Caffel
315
gen Mufenalmanad) haben machen tollen,
nichts Gutes enthielte, als Ihren mir über
ale Maßen koͤſtlichen Idyllion, fo waͤr' es
ſchon goldner als Gold (wie der alte Aeſchy⸗
lus ſagt) und dreyfach werth mit meinem
Oberon, der, ſeitdem ich ihn dem Publi⸗
cum habe proftitulren muͤſſen, (denn dieß und
nicht8 anders If Herausgegeben in unfern
heilloſen Tagen) beynahe allen feinen Werth.
in meinen Augen verloren bat, vergolten zu
werden. |
Mir ift gar nicht eingefallen, daß Sie an
der groben und Illiberalen Beleidigung,
die mir der homunculus, Cramer junior, fo
gang sans rime et sans raison, neulich durch
die fchändliche Note zu Ihrer bewußten Ode,
abermahls zugefügt hat, den mindeften Ans
theil haben könnten. Ich fange aber an gegen
Buͤbereyen dieſer Art gleichgültiger zu werden
als jemahls, und huͤlle mich fehr ruhig in
das Bewußtſeyn ein, daß ich ein Beſſeres,
um die Zeit in der ich Iebe, verdient habe.
Mas mir feit dem Moment, dba ich etwas
Gutes habe drucken laffen, d. t. ungefähr vom
Agathon an wiederfahren iſt, und noch taͤg⸗
Lich rolederfährt, ware hinlanglich , jeden Juͤng⸗
317°
‚fend einen Tag mit- mir en famille gelebt - -
„bsaben, werde ih Ihnen immer fremd, unbes
kannt und räthfelhaft bleiben; wiewohl viels
„ufeicht der ehrliche Hand Lafontaine nicht fimps
— "ler und harmlofer geweſen iſt, als Ihr ergebes
„ner Freund. |
CCXCII.
A Müller.
I o- Weimar, den 31. Merz, Fünftig Lenz
monat genannt 1781.
ne m’est parvenue que le 20. apres-midi.
Il faut quelle ait fait un detour singulier
et je crains que ma reponse, qui ne peut
; partir que le 232. ne vous trouve plus a Cas-
ı sel. En tout cas, vous aurez pris soin de
: vous la faire envoyer ou: vous irez.
Vous n’auriez pu me donner une preuve
plus essentielle de Pestime dont vous avez
la bonte de m’assurer, que par la proposi-
1ion que vous me faites. Je Paccepte avec
une confiance qui repond & celle dont vous
m’honorez, et je suis charme& de pouvoir
compter sur un compagnon de travail tel
que vous.
w
ı ,‚Votre lettre date de Brunswic ı2. Mars,
I
y
321
CCXCIII.
Au Meme.
Weimar, ce 9. April 17813.
Deux mots seulement, mon cher Monsieur!
sour vous remercier de la vötre de Halber-
tadt le 4/5 April, et de lesperance, que
'ous m’y donnes, de mettre & fin avant
ju’il soit.peu la conclusion de notre petit
raite. Je la desire avec 1oute la vivacite
les sentimens, que m’inspire Phonéêteté de
ros procedes et lidee que j’ai concu de vos
alens. Les leitres sur la vie pastorale des
Helvctiens ne peuvent pas manquer d’Etre
interessantes. Vous m’obligerez beaucoup
en hätant la traduction allemande, de quel-
ques unes de ces lettres, pour le mois de
Mai, si faire se pourra,
Je serais tres charme de vous voir fixe,
dans la capitale du grand roi, qui vient
d’ajouter a 1ant de belles actions celle de
souhaiter un Auguste à la literature
allemande; souhait d’autant plus meritoire,
puisque S. M. paroit s’interesser pour une
hose, qui ne lui est pas plus connue, que
la constitution des habitans de la lune.
Wielands Briefe III. V. au
322
CCXCIV.
An Voß.
Weimar, den 16. Apri
Ich Hoffe, lieber Herr und Sreund! t
mit meiner Eleinen Lifle von Praͤnum
auf Ihre Ddyffee (denn ich meines Dr
und till mir nun einmahl nicht mehr
wöhnen Ddüffee zu fchreiben) nicht ;
komme. Nehmen Sie mit meinem gute
len vorlieb. Hier folgt eine Anmelfu:
zwölf (1!) Ersmplare auf das Addreß
toir in Hamburg. Ich wuͤnſche Ihn
ſundheit, frohen Muth und ſchoͤnes
nebſt einer reichen Erndte von, Louis
jeder Arbeit, womit Sie unſere Littera
reichern werden.
CCXCV.
An Gleim.
Weimar, den 7. Me
Liebſter Gleim, ſo eben zeigt ſich un
thet eine Gelegenheit, Ihnen ein Ex
der neuen Ausgabe meines Oberon zu
n. — Wie viel, und von wie vielen £
323
efter Bruder, möcht’ ich mit ihnen ſchwatzen
Snnen! Ich weiß nur zu gut, woran Sie mich
auch unfern Muller fo freundfchaftlich has
en erinnern laffen, daß die Reihe, Sie zu
efuchen, an mir if. Aber, mein Befter, bes
enfen Sie, daß meine Familie indeffen auf
cht Kinder angewachfen, und daB die gute
Nutter fih von ihren vier Knaben, wovon der
Itefte erft vier Fahr alt, unmöglich auf acht
age trennen fann. Kurz, lichfter Bruder,
H bin nun in den hiefigen Boden eingewachs
en. Gie find freyer, Kommen Sie zu ung,
nd glauben Sie, daß Ihre und Ihrer Nichte
Biedererfcheinung bey ung wie der Beſuch
weyer mohlthätiger menfchenfreundlicher Ens
vel feyn würde.
Mein vortrefflicher alter Freund, leben Sie
wohl, und behalten Sie mich lieb. Sch ums
arme Sie von gangem Herzen.
CCXCVI,
An Johannes Müller.
Meimar, den g. Juny 1781.
Biel Gluͤcks zu der Neuigfeit, die Sie mir
in Ihrem legten berichten, Ich kenne Caffel
324
nicht durch mich felbft, aber, nach allem W
ich davon höre, muß es ein intereffanter U
enthalt für Sie feyn. Mir iſts um fo au
nehmer, daß Sie auf eine Art, die Jh
Neigungen und Studien angemeffen ift, u
fur; , wovon Sie, wie eg fcheint, fo viel?
snügen haben, in Deutfchland,, und zwar n
genug bey Weimar, fixirt find, daß wir ho
fünnen, Sie einmahl mie Forftern, |
jungen Argonauten um die Welt, bey une
ſehen.
Ihre Briefe über das Neuarkadiſche Sa
land find In den May und Junius des I
kurius vertbeilt, und alle Welt ſehnt ſich
mir nac) der Fortſetzung. Ich ſchicke St
bier vors erfie den May; mit dem uni
fogenannten Sommermond wird noch erft
Preffe ſchwitzen gemacht.
Ih bin ganz befhämt, daß ich Sie, ſ
ſo früh und im Eingang unferer Freundfi
um Verzeihung einer faft unverzeiblichen N
laßigfeie bitten muß. Wer mich kennt
weiß, mie unmüßlg die Muße iſt, in
ich lebe, begreift freylich um fo leichter,
ih fo diftract vergeßlich feyn kann, als
leider bin. Aber dieß macht bie Sache ı
325
er. Indeſſen iſts nun nicht zu ändern.
9, es fam mir völlig aus dem’ Sinne,
Sie ein Dusend aparte Abdrüde von
en Briefen verlangt hatten; und fo Mwurs
denn auch Feine beſorgt. Verzeihen Sie
‚» Tieber Here Brofeffor, dieſe garflige
hlaßigfeit, und um fie in etwas zu vergüs
geſtatten Sie, daß ich, fobald ich dag
nuferipe von den legten diefer Briefe habe,
beſondere Auflage davon veranftalte, che
e von den Korfarifchen Nachdrudern Ahnen
mir zuvor kommt. Wenn Sie mir noch
Eleine Zeichnung, die fich zu einem
chen Zitelfupfee fchickte, dazu fchaffen '
ten, fo wollt' ich Ihnen ein gar artigeg
flein daraus machen. Denn ohne ein
ferchen haben die Buchhändler Eeinen Slaus
an ein Buch, es fen Elein oder groß.
en Sie, wie Ihnen diefer Einfall gefällt.
folen immer fo gut, oder wahrfcheinlich
, etwas beffer bey mir fahren, ald bey -
gelehrten Buchhandlung in Deffau, die,
allen ihrem guten Willen nichts als de
ı claire macht.
CCXCVII.
An Ebendenfelben
Meimar, den 13. July
Die vor etlihen Tagen angelangte Fi
Bung Ihrer umterhaltenden und lehrre
Hirtenbriefe, IR mir fehr wilfonmen g
fen; ich beforgte, Sie wurden in den «
Wochen Ihres neuen Aufenthalts nicht <
fo viel Zeit erfparen konnen, und da ich
alfo nicht aufs Ungewiſſe verlaffen wollte
durfte, fo war ich genöthige den Platz
etwas auszufuͤllen, welghes ich lieber
auf cinen dringendera Nothfall zuruͤckgeh—
hatte. Ich weiß alfo nihe 0b mic R
genug für alle uberfchichten Briefe im ge
waärtigen Monath bieiben wird, weil
manche? andere varietatis gralia auch
Plaͤtzchen fordert. Auf alen Fall haben
die Güte, nur immer frifh fortsufahren :
athme noch einmahl fo leicht, wenn Ich !
rath auf ein Paar Monathe in meinen €
niis habe.
Mit dem größten Vergnügen werde Ich
nähern Bericht von den Srepburgifchen U
ben, wodurch Sie den von Herrn Schloͤz
327
erfiummelten ergänzen: und noch ermeitern
wollen, in den Merkur aufnehmen. Nur
vüunfchte ich daß Gie daraus ein befondere®
Stud, etwa In Form eines Schreibens ah
Jen Herausgeber des Merkurs machten, und
damit nicht zögerten, fondern mich für den.
Deonatd Anguft damit verfehen wollten.
Solche Nachrichten gewinnen beym Publico
gar viel, je balder fie fommen, zumahl dag
was Gie Schlögern mitgetbeilt, bereits
zedruckt iſt, und In gang Deutfchland curfirt.
Ich bitte Ste alfo ſehr, das Eifen zu fchmies
Den weil es noch warm If. Mich freut diefe
Gelegenbeit, durch Ihre Hand. der Bernis
ſchen Regierung, bie ich. vor allen Schweizes
rifhen hochachte, ein Paar mohlverdiente
Weyrauchkoͤrner freuen zu innen.
Mich freut, daB Ihnen Dberon gefält,
und auch das was Sie von Der guten Weis
nung, womit mich ihre vortrefflicher Minifier
von Schlieffen beehre, mir haben melden wol⸗
len, verdient meinen beſten Dank, Es if
immer ſehr aufmunternd, einen princinem
virum mehr zu wiffen, dem das gefällt, was
wir mit Anftrengung aller unferer Faͤhlgkelten,
in der Abfiche ung ſelbſt ein Genuͤge zu thun,
328
und den Edelſten und Bellen unſers Do
zu gefallen, gearbeitet haben.
Sagen Gie mir do, sub rosa nur m
zwey Worten, was man dort von dem fell
men Potpurri fagt, den der Marg. de **
unter dem täujchenden Nahmen hist. litt.
Voltaire, dem Bublico mit einem ung Di
fhen kaum begreifflihen Gelbftvertrauen aı
getifcht hat? So viel gefunden Verſtand u
fo viel Unfinn, fo viele Kenntniſſe und
viel Unmiffenheit, fo viel Verwegenheit u
alles abzufprechen, fo viel fchaale Declan
tion, fo viel Kruditäten, fo viel Widerſpruͤt
fo viel Wiederholungen, eine fo barodii
Charpente des Ganzen, fo viel fchöne Stel
im Detail, und fo viel miseres et platitu
eyfammen in einem Buch von fünf Baͤnd
bat doch mohl noch nie Fein Menſch, fel
fein Tranzos und fein Marquis gu Tage
fördert. Und was dag Schlimmſte if,
Mann ft fo vol guten Willen, und ma
feine Sottifen alle mit einer folchen bor
foı, daß man unmöglich graufam genug fi
fann, ihm was daruber zu fagen. Aber wı
dern foll michs, menn ihms feine eigı
Landsleute fo ungenoffen hingehen laffen.
329
: Sie haben fih ein fchönes Feld gu durchs
Haufen vorgefegt, wenn Sie alle Schriftfteller :
zwoifchen Homer und Caſſiodor durchlefen wol⸗ |
Iefen wollen, um ſich von jedem Jahrhundert '
ein fo lebendiges und vollſtaͤndiges Gemälde |
zu bilden, wie dasjenige, das wir durch Va⸗
ter Homer vom Trojaniſchen befommen. Die
Arbeit ift unermeßlich, aber der Zweck groß,
und eines Mannes von Ihrem Geifte wurdig,
und ich freue mich berzlich zum voraus auf
die Früchte, die wir davon einerndten werden.
‚ Möchte es bey diefer ruhmlichen Arbeit nebens
ber auch ihr Zweck feyn, ſich aus den vers
fchiedenen hiftorifchen Schreibarten, Deren Mus .
fter Sie durchlefen werden, ein Sdeal von
Vortrag und Styl zu bilden, worin das
verfchledene Schöne und Gute derſelben, ohne
dag was an jedem fehlerhaft ift, vereinigt
wäre, und möchten Sie dann fünftig, wenn
Sie entweder Ihre Schweizer s Gefchichte forts
feßen, oder irgend ein neues großes Werk
unternehmen, diefem deal fo nahe fommen,
als es per conditionem humanam möglid)
ift! Zwiſchen Zenophon und Thucydides, glaube
ich, liegt dag medium quod tenebit Beatus.
Leben Sie wohl.
0 ———— —
321
CCXCIII.
Au Meme.
Weimar, ce 9. April ı78e .
Deux mots seulement, mon cher Monsieur!
sour vous remercier de la vötre de Halber-
tadt le 4/5 April, et de Pesperance, que
'ous m’y donnes, de mettre & fin avant
ju’il soit.peu la conclusion de notre petit
raite. Je la desire avec toute la vivacite
les seniimens, que m’inspire l’honttete de
OSs procedes et lidee que j’ai concu de vos
alens. Les leitres sur la vie pastorale des
Jelvetiens ne peuvent pas manquer d’etre
nteressantes. Vous m’obligerez beaucoup
»n hätant la traduction allemande, de quel-
jues unes de ces lettres, pour le mois de
Mai, si faire se pourra.
Je serais tres charme de vous voir r fixe,
dans la capitale du grand roi, qui vient
d’ajouter à tant de belles actions’ celle de
souhaiter un Auguste à la literature
allemande; souhait d’autant plus meritoire,
puisque S. M. paroit s’interesser pour une
«hose, qui ne lui est pas plus connue, que
la constitution des habitans de la lune.
ar
Wielands Driefe III. V. —aıI
322
CCXCIV.
An Voß.
Weimar, den 16. April 17.
Ich hoffe, lieber Herr und Freund! daß I:
mit meiner Heinen Liſte von Pränumeranta|
auf Ihre Odyſſee (denn ich meines Orts fan
und will mir nun einmahl nicht mehr ang
mwöhnen Dodüffee zu fchreiben) nicht zu [md
fomme. Nehmen Ste mit meinem guten Wib
len vorlieb. Hier folgt eine Anweiſung pe
zwölf C!!) Ersmplare auf das Addreßs Comp
toie in Hamburg. Ich münfche Ahnen de
fundheit, froben Muth und fchönes Wett,
nebft einer reichen Erndte von Louidd’or ji
jeder Arbeit, womit Sie unfere Litteratur ba
reichern werden.
— — —
CCXCV.
An Gleim.
Weimar, den 7. May ızyı
Liebſter Gleim, To eben zeigt fich unberm
thet eine Gelegenheit, Ihnen ein Exempls
der neuen Ausgabe meines Oberon zuzuferi
gen. — Wie viel, und von wie vielen Dinge
323
efter Bruder, möcht ich mit Ihnen ſchwatzen
Snnen! Ich weiß nur zu gut, woran Sie mich
urch unfern Müller fo freundfchaftlich has
en erinnern laffen, daß die Reihe, Gie zu
efuchen, an mir ifl. Aber, mein Beſter, bes
enfen Sie, daß meine Familie indeffen auf
cht Kinder angewachfen, und daß die gute
Nutter fih von ihren vier Knaben, wovon der
:Itefte erft vier Sahr alt, unmöglich auf acht
Sage trennen fann. Kurz, lichfter Bruder,
eh bin nun in den biefigen Boden eingewachs
en. Gie find freyer, Kommen Gie zu ung,
‚nd glauben Sie, daß Ihre und Ihrer Nichte
Biedererfcheinung bey ung wie der Beſuch
weyer twohlthätiger menfchenfeeundlicher En⸗
el ſeyn wuͤrde.
Mein vortrefflicher alter Freund, leben Sie
wohl, und behalten Sie mic) lieb. 3 ums
grme Sie von ganjem Herzen.
CCXCVI.
An Johannes Müller.
Weimar, deu g. Juny 1781.
Viel Gluͤcks zu der Neuigkeit, die Sie mir
in Ihrem letzten berichten. Ich kenne Caſſel
325
r. Indeſſen iſts nun nicht zu ändern.
ug, es fam mir völlig aus dem Ginne,
Sie ein Dugend aparte Abdrüde von
en Briefen verlangt hatten; und fo wur⸗
denn auch Keine beforgt. Verzeihen Sie
, lieber Here Profeffor, diefe garftige
ylaßigfeit, und um fie in etwas zu vergüs
geftatten Sie, daß ich, fobald ich dag
wfeript von den legten dieſer Briefe babe,
befondere Auflage davon veranflalte, ehe
: von den Korfarifchen Nachdruckern Ihnen
mir zuvor fommt. Wenn Gie mir noch
Eleine Zeichnung, die fich zu einem
chen Titelkupfer ſchickte, dazu fchaffen '
ten, fo wollt' ich Ihnen ein gar artigeg
Hein daraus machen. Denn ohne ein
feechen haben die Buchhändler Feinen Glaus
an ein Buch, es fey Elein oder groß-
en Sie, mie Ihnen diefer Einfall gefaͤllt.
follen immer fo gut, oder wahrfcheinlich
etwas beffer bey mir fahren, als by -
gelehrten Buchhandlung In Deffau, die,
allen ihrem guten Willen nie alg de
ı claire macht.
326
CCXCVII.
An Ebendenſelben.
Weimar, den 13.
Die vor etlichen Tagen angelangt
tzung Ihrer unterhaltenden und I
Hirtenbriefe, iſt mir ſehr willkomn
fen; ich beſorgte, Sie wurden in t
Wochen Ihres neuen Aufenthalts ni
fo viel Zeit erfparen fonnen, und Da
alfo nicht aufs Ungewiſſe verlaffen w
durfte, fo war ich genöthigt den
etwas auszufuͤllen, welches Ih I
auf einen dringendern Nothfall zuriı
hatte. Sch weiß alfo nicht ob mi
genug für alle. überfchichten Briefe 1
wärtigen Monath bleiben wird, «4
manches andere varietatis gralia «
Dläschen fordert. Auf allen Kal 5.
die Güte, nur immer friſch fortzufal
athme noch einmahl fo leicht, wenn
rath auf ein Paar Monathe In mein
niis habe.
Mit den größten Vergnügen werbe
nähern Bericht von den Zrepburgifchı
hen, wodurch Sie den von Herren Sc
327
derfiummelten ergangen: und noch erweitern
‚wollen, in den Merkur aufnehmen. Nur
wuͤnſchte ich daß Sie daraus ein befonderes
Stud, etwa in Form eined Schreibens an
y den Herausgeber des Merkurd machten, und
damit nicht zögerten, fondern mich für den
g Monath Auguft damit verfehen wollten.
‚ Sole Nachrichten gewinnen beym Publico
; gar viel, je bäalder fie fommen, zumahl dag
" 1as Sie Schlögern mitgetheilt, bereits
gedruckt iſt, und in ganz Deutſchland curſirt.
Ich bitte Ste alſo ſehr, das Eiſen zu ſchmie—⸗
‚ den weil ed noch warm iſt. Mich freut dieſe
Gelegenheit, durch Ihre Hand der Berni⸗
ſchen Regierung, die ich vor allen Schweize⸗
riſchen bochadhte, ‚ein Paar wohlverdiente
Weyrauchkoͤrner fireuen zu Eönnen.
Mich freut, daB Ihnen Oberon gefällt,
und auch das mas Sie von der guten Mei—
nung, womit mich ihr vortreffticher Miniſter
von Schlieffen beehrt, mir haben nıelden wols
len, verdient meinen beſten Dank. Es if
immer fehr aufmunternd, einen. principem
virum mehr zu wiffen, dem das gefällt, mas
wir mit Anſtrengung allee unferer Faͤhlgkelten,
in bee Abfiche ung felbft ein Genuͤge zu thun,
329
Sie haben ſich ein fchönes Zeld zu durhs
Maufen vorgefegt, wenn Sie alle Schriftfteller
zwiſchen Homer und Caſſiodor durchlefen wol⸗
nun
lefen wollen, um ſich von jedem Jahrhundert '
ein fo lebendiges und vollfiändiges Gemälde
zu bilden, wie dasjenige, das wir durch Das
ter Homer vom Trojanifhen befommen. Die
Arbeit ift unermeßlich, aber der Zweck groß,
und eines Mannes von Ihrem Geifte wurdig,
und ich freue mich berzlich zum voraus auf
die Feuchte, die wir davon einerndten werden.
. Möchte es bey diefer ruͤhmlichen Arbeit nebens
ber auch ihr Zweck feyn, ſich aus den vers
..
——
fchiedenen hiftorifchen Schreibarten, deren Mus -
fer Sie durchlefen werden, ein Ideal von
Vortrag und Styl zu bilden, worin das
verfchledene Schöne und Gute berfelben,, ohne
das was an jedem fehlerhaft ift, vereinigt
wäre, und möchten Sie dann fünftig, wenn
Sie entweder Ihre Schweiger s Gefchichte Forts
fegen, oder irgend ein neues großes Werk
unternehmen, diefem deal fo nahe fommen,
als «8 per conditionem humanam möglid)
ift! Zwiſchen Renophon und Thucydides, glaube
ich, liegt dag medium quod tenebit Beatus.
Leben Sie wohl.
0 ———— —
331
Ich bitte Ste nicht um Verzeihung wegen
Diefer Mühe, die ich Ihnen verurfachen muß,
noch wegen meiner Dffenherzigfeit, denn ich
glaube Sie eben dadurch zu überzeugen, daß
ich Ihr Freund bin. DBielleicht liege der ganze
Fehler an meiner ökonomifchen Stupibdität; ich
fcheue mich aber nicht, mich Ihnen in Natus
ralibug zu zeigen. Vale etiam atque etiam.
So eben empfange Ih Ihr Briefchen vom
ı2ten dieß. Der elfte Brief, den Sie zurücd
verlangen, folgt biebey. Er ift wirklich unter
der Hand des Setzers; Ich will aber mit dem
Druck inne balten laffen, bis ich ihn wieder
von Ihnen zurüc befomme.. In diefem eilften
Briefe iſt ein Ausdruck, um deffen Aenderung
ich Sie bitten möchte, weil er fur ſchwache
Brüder etwas Auffallendeg gu haben fcheint —
er ift in folgender Stelle:
1732. Verbot aller ausländifchen Kalender,
denn viele derfelben waren pietiſtiſch. Was
ift Pietiſtiſch? was benft ein Phllofoph
dabey? — So unnaturlich finfire Phan⸗
tafien ummölften ben froben Sinn der Alpens
hirten. (Diefe Farben find mir bier zu dun—
Tel und Died aufgetragen) „feit viele Res
332
„formatoren, Prediger und Regenten
„Freude verfolgten, als wäre die €
„nur ein Gonfervatorium für tt
„Hbimmlifhe Serufalem.“
Dürfe ich Eie bitten, mein beſter Herr |
feffor, fo bliebe dlefe ganze Stelle weg, ı
wurde umgefchmolsen.
CCXCIX.
An Ebendenfelben.
Weimar, den 1. Detober ı
Ich bin nicht geflorben, mein lieber !
und Freund, wie Sie, nach) meinem Ian
durch hundert Zufaͤlligkeiten veranlaßten €
ſchweigen billig vermuthen müßten, fon:
ich lebe noch flarf genug, um Gie um |
möglichfie Einfendung der Fortfegung J
Hirtenbricfe zu bitten. Scier wäre mir
ſchluͤpft Beſchluß flatt Fortfegung zu fchrei.
ich hielt aber das Wort zuruͤck, damit ed n
ganz wider meinen Willen, den Gedanken
ihnen veranlaffe, als ob ich diefe Briefe ı
intereffant genug fände, um Sie noch Iı
fortgefeßt zu wuͤnſchen. Gans gewiß finde
He intereffant und Iefe fie mit Veignuͤ
v 333
Das thut auch ohne Zmeifel dag liebe Publis
Fum; indeffen bat mich doch die Erfahrung
gelehrt, daß Ein Artikel, der etliche. Duars
tale durch, in Kleinen Portionen aufgetifcht
wird, für die meiften Lefer endlich die gra-
tiam novitatis verliert. Und alfo war’ am
Ende doch wohl consilii, diefe mit gegenmwärs
tigem Jahrgang wenigſtens zu befchließen, und
inswifchen aliquid novi ex Africa, oder woher
es feyn mag, für unfere Leſer zu prepariren.
Iſt es wahr, daß Herr Forfter Eaffel vers
laßt, oder vielleicht fchon verlaffen hat? — Und
wie geht es ihnen. felbft an diefem Orte, aus
welchem, aller feiner Wunder ungeachtet, die
Deutfchen Gelehrten wenigſtens, fich fo bald
wieder heraus fehnen ? Qui agit Luchetius ille
qui quondam. \-
Wird die Preisſchrift, welche die Frage,
den Athenienſiſchen Luxus betreffend, ſo
gut aufgelöst haben fol, nicht gedruckt? und
wer iſt der. Autor? Ich hatte - vor, etlichen
Monaten eine Tentation, ein ganz Kleines -
Wort über dieſe Frage in den Merkur zu feßen,
um zu zeigen, daß nicht der Luxus, fondern
die Demofratie die Stadt der Minerva zu
Grunde gerichtet habe — aber ich ließ die ger
334
Iegene Zeit vorben fchlendern, und dag D
erfiichte wieder in meinem Kopfe.
Ich moͤchte alfo Doch wohl fehen, mas
Meinung des Herrn If, der um den Preis
fchrieben und ihn erfchrieben hat. Es wird!
wohl cin Franco-Gallus, oder Gallo-Frar
feyn. Daß ih auch ein unwuͤrdiges Eh
glied der antiquarifchen Societat zu Caſſel
wiffen Sie vielleicht, und dürfen alfo un
weniger fürchten, einem Non iniliato ti
Myiterien zu verrathen.
| CCC. |
Un Boß.
Weimar, den 28. December I
Dem Ueberfeger der Odyſſee Preis, €
und Danf mit meinem beften Gruß! Es |
gefchrieben, gute Menfchen ſollen die So
nicht über ihrem Zorne untergehen laffen;
viel mehr alfo, nicht ein Sonnenjahr! 8
ich Ihnen vor etlichen Monaten zu Leide t|
gefchah zwar im Unwillen über gewiſſe Di
die ich nicht zu wiederholen brauche, weil
fpecifice benamfet find: ob ich aber Necht c
Unrecht gehabt Gie deswegen zu fadeln, fo
335
Sie, wenigſtens in etlichen Jahren, felbft ents
Beheiden.
Sie werden finden, daB auch folche unans
genehme Uebergange Immer zu was gut find;
und Wenn wir auch nur 'cautius mercari und
Cwo nicht das Publikum) menigfiend ung
gelbdft beffer vefpectiren lernen, fo haben wir
mit dem bischen Kränfung unferer Eitelkeit
ſchon genug gewonnen. In der Wahl der Augs
Drücke hätte ich behutfamer ſeyn follen, das
ſeh' ich jest wohl; aber damahls, da ich ſelbſt
noch von Unmillen über die Art, wie Gie
Ihre arabifhen Märchen dem Publifum
angekündigt hatten, warm war, dachte ich
nicht daran, daß gerade die, welche der Ems
pfindlichkeit anderer Leute am wenigſten fchos
nen, felbft am menigften leiden können, wenn
man ein wenig: bart an fie anflößt.
Wie dem aber auch fey, dieß iſt gewiß,
lieber Voß, ich’ Habe Sie damabhls wie jegt,
und jegt wie damahls, für einen Mann ges
halten, deffen Geift, Talente und Gelehrfams
£eit ich .chre, und der Gedanfe, Sie zu
verachten, iſt nie In meine Seele gefommen.
Indeſſen iſts nun meine Art, daß ich gerade
denen, die in meinen Augen die beiten find,
337.
=ine einzige halbe Stunde mündlicher Befpres
hung würde dazu mehr thun als fechs Bogen
wzefchriebenes. Ich wollte bloß ein Fleines Zei⸗
shen von mir geben, oder ein wenig bey Ihnen
sinklopfen, um ihnen felbft Gelegenheit zu
geben, zu ſehen, wie es jetzt, nachdem die
erſten Bewegungen ſich gelegt haben muͤſſen,
n Ihrem Herzen, in Abſicht meiner ſtehe. Ich
Verlange feine Antwort, wenn Sie noch immer.
unzufrieden mit mir find, denn in diefem Fall
kann ich nichts mehrers thun, als was ih
fchon gethan habe.
Leben Sie wohl, und haben Sie nochmahls
Dank fuͤr Ihre Odyſſee, wovon ich die
zwoͤlf beſtellten Exemplare richtig erhalten habe.
CCCI.
An Sletim
Weimar, May 1782.
Mein theuerfieer Bruder Gleim! Wenn feit
vier Wochen jeder Gedanfe an Sie ein Brief
getworden wäre, Sie wären mit Briefen von
Ihrem Wieland überfchwenmt worden! — Aber
ich verlangte nur einen einzigen, werden Gie
fagen, und auch diefen einzigen vergebene zu
KWictande Briefe LIT, B. 22
339
Beichichte und Anekdoten fo reichlich übergoß,
Daß man zulegt gar nicht mehr wußte, wohin
Damit, und mie ein angefülltes Gefaͤß alles
was in ung gegoffen wurde, mieder ablaufen
laffen mußte. Nun iſt's, feit acht Tagen, dee
nicht weniger beruhmte M. de Nilloifon,
Der unmittelbar von Venedig fommt (wo er
viertehald Jahr In der St. Marfug ; Hibliothek
gelebt hat) um unfern Herzog, mit dem er,
fett ihrer. perfünlichen Bekanntfchaft in Parig,
in Correfpondenz iſt, zu befuchen, und fo lange
bey ung zu bleiben, big Er auggeleert und
wir ausgefogen find. Dieſer Villoiſon ift
ein wahres Prodige von Philologie, Sprachs
fenntniffen, Belefenbeit, griechifcher, morgens
Iändifcher und italiänifcher Litteratur — dabey
einer der lebhafteſten Menfchen, die ich je ges
ſehen, aͤußerſt behaglich, heiter und aufges
raumt, ohne einen Zug in feinem Geficht,
woraus man nur ahnen fünnte, daß er viertes
Halb Jahr in der Marcus s Bibliothek. gefchwigt
und gefroren hatte, um alte Kommentatoren
Homers zu copiren, und Ercerpte aus griechis
fchen, Hebräifchen und arabifchen Handfchrifs
ten zu machen ıc.
Sie koͤnnen fih nun leicht vorſtellen, wie
342
zufammengenommen faum jwanzig J«
len? Unfer Haus ift eine Fleine Welt
gemorden, mo unfre Gegenwart unen
ift. Aber Sie, beiter Sleim, Sie hat
ſolchen Hinderniffe. Kommen Sie ;
und derfuchen einmahl, wie ſich's In
Haufe lebt, wo alle Augenbliche aus
einem Winkel ein ander Buübchen cdı
cheu, auf dag man nicht gerechnet ha
vorgekrochen fomnit.
Inzwiſchen, mein Befter, fende id
an meiner Statt, meinen Horaz — ı
bersluhen Wunfche, daß er Ihnen, i
Art, fo wohl ſchmecken möge, ald u
Kidiseyer! Addio, und nochmahl Ad
Ihrem ganz eignen W.
CCCI.
An Frau General⸗Guperinten
Herder.
Weimar, M
Liebenswuͤrdige, beſte Freundin, we
heitern Morgen macht mir, bey bie
Dumpfen Wetter, Ahr freundliches 8
und der herrliche Beytrag Ihres Herbi
>
343
„ann Ihnen nicht ausdrucken, wie viel Freude
Ich daruber habe. Das Stud von 9. ift uns
Augbar ein Föftliches Werf, Ambrofia für eine
Hoͤttertafel — und es konnte wahrlich nur von
.d. für ung deutſche Leckermaͤuler zubereltet
"werden! — Kurz, liebe Frau, ich kann Ihnen
and Ihrem vortrefflihen Mann meine Dank⸗
barkeit nicht genug ausdrücen. Ach bin lange
nicht fo angenehm überrafcht worden, als da
"ich diefen Morgen in mein Stübchen trat,
‚und Ihr verfiegeltes Päckchen fand und öffnete.
"Denn geftern wurde der ganze Nachmittag und .
"Abend bey der Herzogin Mutter zugebracht,
welche bis fünf Uhr ganz allein blieb.
Meine Frau gratuliert zur Entwöhnung der
fleinen holden Louiſe, und fobald das Wetter
und die Straßen wieder practicabel find, wer⸗
den wir fommen, und und ohne Furcht vor
Ueberdruß (ne deplaise au seigneur H.)
an Ihrem Anfchauen laben.
Mit vollem Beyfal und Dank koͤmmt bier
auch Perfius zuruͤck. Bey etlichen Verſen
babe ich auf der Seite einen Punkt gefegt,
deffen Meinung H. leicht errathen und gütigft
zum Beſten deuten wird, Ich wuͤnſche ſehr
daß es Ihm Vergnuͤgen mache, dieſe Arbeit
845
ınten mir beyderſeits geflorben und begra⸗
I, ja bereits In Verweſung gegangen feyn,
te daB der uberlebende Theil ſich etwas das
ı traumen ließe.
Sch meines Orts fchlage mich feit funf Tas
ı mit einem dummen Fieber herum, fonft
er ih in Perfona gefommen, ihnen die
wort meiner Hälfte und zugleich meine
ne Noth refpective zu binterbringen, und
s und wehmuͤthig vorgutragen. Es flieht
ir wieder auf guten Befferungswegen mit
*, aber noch nicht auf guten Fuͤßen. Sch
heine alfo einsweilen fchriftlich, und berichte,
mo, Nahmend meiner Domina, (welche
te auch wieder Salz geſchluckt hat) daß fie
einer Menge wohlbedächtlicher und mweifer
mde, welche mit Gelegenheit mündlich. des
lirt werben ſollen, toeder für fich felbft
) für Sie rathfam finde, fich dem bewuß⸗
Flachsgefchäfte zu unterziehen. Ob die
nde ale fo'gut find, als meine Frau
ıbt, kann ich als ein Laye und Idiot nicht
‚etheilen: aber da meine Dame die Pras
tion der bauslichen Weisheit für fich hat,
iin Ich geneigt zu glauben, daß Ihre bes
en Grunde feiner Zeit auch von ihnen
347
Snubis! in den Kapusiner s Suppentopf greis
wen, und das wäre freplich eine harte Buße.
>30 viel, liebe Frau, mit noch Fränklicher
Hand, zur Nachricht. Leoen Sie wohl, taus
end Dank für Alles Liebreiche in Ihrem Bils
‚et an meine Frau, von welcher Sie herzlich
gegruͤßt werden. Wir wünfchen zu Ihrer Eur
den vollftändigften Effekt, und verbleiben Ihnen
mit aller Liebe und Freundfchaft von ganzem
Herzen wohl beygethan.
ccciv.
An Ebendiefelbe..
Ohne Datum.
Empfangen Ste, befte und liebfte Freundin!
meinen herzlichen Dank für das neue, ſehr
willfommne Zeichen Ihrer Freundfchaft, das
ich geftern Abend erhalten habe, Sie können
fih vorfielen, mit welcher Begier ich mich
von Allem losriß, um meinen Geiſt an biefer
vor Ihm aufgehenden neuen Gedankenfchös
pfung zu meiden. Ich ſehe an diefen drey
Büchern die Grundlage und die erſten Strebes
pfeiler zu einem immenfen und boch durch die
(höne Einheit feines Planes überfehbaren
243
Werke eines philoſophiſchen Palladio; ich ak
allerdings etwas von dieſem Plan; aber,
reichlich mit dem großen Mobile oder vielnmt
. der großen Hemmkette der Geifterwelt, Tra
heit genannt, begabt wie Ich bin, verla
much doch unausfprechlich, dieſes prächtige p:
latium mit meinen lieblihen und geiftigen !
gen ohne Hilfe der Divinationskraft zu befcha:
zu dDurchwandern und Indem ich aug frin
Mittelpunkt die kuͤhne, kraftvolle und ſchi
Verbindung der Theile zu Einem glorio
Ganzen anflaune, meine Bewunderung u
Liebe wenn 68 erlaubt iſt, fo zu reden) }
ſchen der Gottheit, die in diefem Tempel t
ehrt wird, und dem Baumeiſter Deffelben
theilen.
Andachtigere Wünfche find noch nie für
Vollendung eines Menſchen⸗Werkes zum Hi
mel aufgefchickt worden, als die Meint;
für dieſes!
Das Mehrere, mwenn’s mir endlich einm:
twieder fo gut werden wird, Sie befuchen
fönnen: — wornach mich fehr verlangt.
Geftern brachte ich ein Paar berzerhöher
Abendflunden bey Ihrer Herzogin gu. |
iſt eine vortreffliche Frau. Laſſen Sie d
349
Abren Mann, deffen Genius alles möglich ift,
in Wort für die Art von Liebe erfinden ‚bie
cqh fuͤr dieſe Art von Weibern empfinde, die
RK. immer mit einee Art Cärgern Sie fi
nicht über ale diefe Arten) von Roͤmiſch
Katholiſcher Marianifcher Andacht und mit eis
‚nem Salve regina, oder Eya, mater, fons
‚am oris begrüßen möchte, fo oft ich Ihnen mich
nähere — und wenn e8 auch nur, mie jegt,
durch) ein Stuͤckchen Papier wäre. Die Meis
nige grüßet und umarmet Sie von Herzen.
Und fo leben Sie wohl, meine Geliebten, und
bleiben immer fur Shren Wieland, was Sie
ihm find, feitdem er Sie fennt.
CCCV.
An den General Superintendent
Herder
Ohne Datum.
Ich athme noch einmahl ſo leicht „beſter
Herder! Seit dem ich Ihre eigne Hand und
Unterſchrift zum Pfande habe, daß Sie mit
der bewußten Recenſion nicht ganz unzufrieden
ſind. In ſo weniger Zeit war es unmoͤglich
350
eine andere zu erhalten. Es ift aber \
tourdig mehr auf den gutin Willen und
Herz ald auf das Dpfer felbft zu fehen.
lefe Ihr Buch ohne Aufhören und fange
mer wieder von.bvorne an, wenn ich dam
Ende bin, aber je mehr ich e8 leſe, je
ger kann Ich e8 — recenfiren. Es wäre
(tie ich geftiern Ihrer Frau fagte) geradı
ob ich die Natur felbft recenfiren ſollte.
Der befcheidne Titel hat zu allem €
noch in einen.befcheidnern verwandelt
den koͤnnen, Dank ſey der geneigten Er
rung, die noch zu rechter Zeit kam.
zeigt, a Birrısa!
CCCVI.
An Frau Präfidene Herder,
Ohne Datım.
Liebfte Sreundin, meine gufe Frau, um
Sie mit fchwerterlichee Lebe und herzli
Danf für die Gute, welche Sie haben mi
bey der keutigen Feyerlichkeit *) Ihre Mı
*) Vermuthlich Confirmations⸗Feyer eines ka
Kinder.
351
Seelle zu vertreten. Denn wiewohl es vielleicht
zr0c) ein paar Tage mit Ihr halten kann, fo
Iſt doch in ihren Umſtaͤnden hoͤchſt nothwendig
„ale Ruͤhrungen bey ihr zu vermeiden. Ich habe
‚„»iefen Morgen ein Beyſpiel davon geſehen,
„welches mich auf's neue hievon überzeugt bat.
Ich ſelbſt werde mit Geift und Herz gegens
waͤrtig feyn, und dieß ift genug. Unverfälfchte
und ewige Freundfchaft die ich Ihrem Herder
Ihnen und allem was von Ihnen flammt,
im Grunde meines Herzens von neuem weihe
und gelobe, ift dag Einzige, womit ich aller
Ihrer Güte und Liebe für die meinigen ants
worten kann. ch habe feine Worte für daß,
was ich fo innigft fühle.
Jetzt iſt mir faſt unbegreiflich wie ih ge⸗
ſtern Abend ſo dumpf ſeyn konnte, Ihnen,
beſte Freundin, ſo lange und mit ſo wenig
Ruͤckſicht auf Ihre noch ſo zarte Geſundheit,
laͤſtig zu ſeyn. Warum haben Sie mich doch
nicht in Zeiten fortgejagt? Beruhigen Sie mich
(und der Himmel gebe, daß Sie eg mit Wahrs
heit thun Ffünnen) nur mit zwey mündlichen
Morten durch meine Kinder, über Ihr Befins
den, denn Ich angfligte mich mit der Zucht,
352
daß der Inhalt unferer Gefpräche S
angegriffen Haben möchte, und Fann ı
Unbefonnenhelt nicht vergeben.
CCCVII.
An Sletm.
Weimar, den 9. Au
Sie mwiffen, befter Gleim, daß b
berg freudigen Epochen auch alle G—
eröffnet werden, und allen Verbrechei
ertheilt wird. Laſſen Sie die Anfun
beften Surftin, deren Nahme fchon
den Mufen heilig iſt, eine folche Epo
und ertbeilen Sie, um der Freude d
ges willen, dem faumfeligfien aller Il
refpondenten, aber der darum nicht
einer ihrer mwärmfien Freunde iſt uni
Gnade und Generalpardon.
Ich muß abbrechen. Die Herzogin ı
Ueberbringerin dieſes Briefchens fey:
ich weiß, fo arm ed an fich ſelbſt iſt,
Umftand wird es meinem Gleim un
machen. Ich umarme Sie kaufendma
halten Sie, mit allen feinen Unarten
Ihren alten Freund und
m.
Ä 859
cceVEl.
R An Zimmermann.
Weimar den 19. Merz 1784:
Es iſt, wie ich wohl fühle, etwas laͤcherli⸗
ches, daB eine bande joyeuse nad) Weimar
fommen muß, um mir,.bem trägfien und uns
regelmaͤßigſten aller Brieffteler In. Europa ,
nach mer weiß mie vielen Jahren endlich eins
mabl’eine Gelegenheit zu geben, an ben erften
meiner noch lebenden alten Steunde zu fehreis
Ben. Aber, sic visum superis; und für
Sie und mich iſts am Ende auch wohl fo
ziemlich einerley, ob eine Comedianten s Gefells
fchaft oder ein Eonfiftorium, ein Generals Felds
zeug s Meifter oder ein Signor Bellomo die
Meranlaßung darreicht, daf Sie einen uners
warteten fchriftlichen Befuch von Ihrem Wie⸗
Yand erhalten. Ich will alfo, ohne Sie mit
einem längern Vorbericht aufzuhalten, fogleich
zu der Sache fommen, die ich Ihnen vorzus
tragen babe. Der befagte Here Bellomo if
p- t. Directene einer deutfhen Schaufpieler
Sefenfchaft, die, fo wie mir fie durch einen
dreymonathlichen Aufenthalt bey ung in Wels
mar haben fennen lernen, feine von den ſchiech⸗
Wielands Briefe LEE, 8 23 -
354
teſten iſt, welche dermahlen im Heil.Röm.)
herum zu ambuliren genoͤthigt ſind. Er
einige sujets, die gewiß nicht zu verachten
und einige, aus welchen etwas ſehr Gutes
den kann. Seine Frau, die, (ſo wie er ſi
eigentlich Italleniſcher Abkunft, aber dod
deutſchen, wenigſtens der Wienerif
Sprache maͤchtig iſt, iſt die ſchoͤnſte Sti
und die beſte Saͤngerin, die ich auf
deutſchen Schaubuͤhne jemals gehört
Und dieß ſetzt ihn in den Stand, die Ue
tzungen, die wir von den beſten Italien
comiſchen Operetten haben, vielleicht
als irgend ein andrer Impresario ſeinei
zu geben. Kurz, feine Geſellſchaft Ha:
Erwartung, die wir ung von einer tı
ambulante machten , weit übertroffen, uni
ber auch, während ihres dreymonathlicher
figen Engagements alle mögliche gute Au!
me vom biefigen Hofe und Publiko genı
Herr Belomo felbft ift zwar Fein Schaufp
aber ein ſehr huͤbſcher, durch feine Perfon
fein ganzes Aeußerliches fich ſehr empfe
ber Mann: und ein Umſtand, auf den
vorzüglich mit Wahrheit appupiren Kann,
daß alle feine Leute, Männlein und Fraͤ
353
©) fehr unbefcholten aufgeführt, und durch
Rn ganzes Betragen, ohne Ausnahme, nice
ar Meder zu Klage noch Scandal Anlaß ges
ben, fondern als gefittete, befcheidene und
. foro soli unfträfliche Leute, fich, meines
Ziffens, allgemeine Achtung erworben haben,
50 viel von diefen wackern Hiftrionen zum vors
ugs, um Ihnen, liebfter Zimmermann, begreifs
ch zu machen, warum ich mic) einiger Maßen‘
ir ihr ferneres Unterfommen Intereffire, und
icht erröthe, auch die Beyhuͤlfe eines Mans
e8 mie Sie, zu diefem Ende, im Nahmen
es Herrn Belomo zu imploriren. Man iſt
ter fo wohl mit ihm und feiner Teuppe zufrlea
en, daß fie fchon zum voraus wieder auf
anftigen Winter engagirt find: Da es aber
un darum zu thun tft, daß dieſe Leute in
en nächfien fieben oder acht Monathen fubfis
Iren Eönnen: fo ift, neben einigen andern
Irten, too er bereits Erlaubniß bat, fein Aus
enmerf auch auf Ihr berühmte Leines Achen
richtet, vo ihm Here Hofrath Heyne, dem
ſich in eigener Perfon empfohlen, die befte
offnung gegeben hat, in fo fern nur von dee
Iannöverfchen Regierung aus, die Veranlaſ⸗
ing und Anfrage bey dem academifchen Ses
347
Sinubis! in den Kapuziner s Suppentopf greis
zen, und Das wäre freylich eine harte Buße.
-Bo viel, liebe Frau, mit noch kraͤnklicher
wdand, zur Nachricht. Leoen Sie wohl, taus
end Danf für Alles Liebreiche in Ihrem Bils
set an meine Frau, von welcher Sie herzlich
Jegrüßt werden. Wir wünfchen zu Ihrer Eur
den vollftändigften Effeft, und verbleiben Ihnen
mit aller Liebe und Freundfchaft von ganzem
Herzen wohl beygethan.
CCCIV.
An Ebendiefelbe..
Ohne Datum.
Empfangen Sie, befte und liebfte Freundin!
meinen berzlichen Dank für das neue, fehr
mwillfommne Zeichen Ihrer Freundfchaft, das
ich geftern Abend erhalten habe. Sie können
ſich vorfielen, mit welcher Begier ich mic
von Allem logriß, um meinen Geift an diefer
por ihm aufgehenden neuen Gedankenfchös
pfung zu meiden. Sch febe an diefen drey
Büchern die Grundlage und die erfien Strebes
pfeiler zu einem immenfen und doch durch die
fhöne Einheit feines Planes uͤberſehbaren
243
Werke eines philofophifhen Palladio; ich aM
allerdings etwas von dieſem Plan; aber, |
reichlid) mit dem großen Mobile oder vielm
. der großen Hemmfette der Geiſterwelt, Tri
heit genannt, begabt wie Ih bin, vera
mich doch unausfprechlich, dieſes prächtige F
latium mit meinen lieblihen und geiftigen‘
gen ohne Hilfe der Divinationskraft zu befcha
zu durchwandern und Indem ich aus fi
Mitteipunft die fühne, kraftvolle und fd
Verbindung der Theile zu Einem glori
Ganzen anflaune, meine Betounderung
Liebe (wenn 68 erlaubt iſt, fo zu reden)
ſchen der Gottheit, die in diefem Tempel
ehrt wird, und dem Baumeiſter beffelber
theilen.
Andaͤchtigere Wuͤnſche ſind noch nie fuͤr
Vollendung eines Menſchen⸗Werkes zum $
mel aufgeſchickt worden, als die Mein
fuͤr dieſes!
Das Mehrere, wenn's mir endlich einn
wieder fo gut werden wird, Sie befuchen
können: — mwornach mich fehr verlangt.
Geftern brachte ich ein -Paar herzerhoͤh
Abendftunden bey Ihrer Herzogin zu.
ift eine vortreffliche Srau. Laſſen Sie
349
Ihren Dann, deſſen Genius alles möglich ift,
„in Wort für die Art von Liebe erfinden, die
9 für diefe Art von Weibern empfinde, die _
ech immer mit einer Art (aͤrgern Sie ſich
aicht uͤber alle dieſe Arten) von Roͤmiſch
Latholiſcher Marianiſcher Andacht und mit eis
‚nem Salve regina, oder Eya, mater, fons
‚amoris begrüßen möchte, fo oft ich ihnen mic
‚nähere — und wenn es auch nur, mie jeßt,
durch ein Stückchen Papier wäre. Die Meis
nige grüßet und umarmet Gte von Herzen.
Und fo leben Sie wohl, meine Geliebten, und
bleiben immer für Shren Wieland, was Sie
ibm find, feitdem er Sie Tennt.
CCCV.
An den General Superintendent
Herder
Ohne Datum.
Ich athme noch einmahl fo leicht, befter
Herder! Seit dem ich Ihre elgne Hand und
Unterfchrife zum Pfande habe, daß Sie mit
der bewußten Necenfion nicht ganz unzufrieden _
find, In fo weniger Zeit war es unmöglich
350
eine andere zu erhalten. Es ift aber Si
twurdig mehr auf den guten Willen und!
Herz ald auf das Opfer felbft zu fehen. :
leſe Ihr Buch ohne Aufhören und fange
mer toleder von. vorne an, wenn ich damil
Ende bin, aber je mehr ich es leſe, je w
ger kann ich e8 — recenfiren. E8 wäre
(nie ich geftern Ihrer Frau fagte) gerade
ob ich die Natur felbft recenſiren ſollte.
Der befcheidne Titel hat zu allem Gl
noch in einen befcheidnern verwandelt ı
den konnen, Dank ſey der geneigten Erüı
rung, die noch zu rechter Zeit kam.
zeigt, w Birrısa!
CCCVI.
An Frau Präafidene Herder.
Ohne Datum.
Liebſte Freundin, meine gute Frau, uma
Sie mit ſchweſterlicher Lebe und herzlic
Dank für die Guͤte, welche Sie haben wol
bey der heutigen Feyerlichkeit ) Ihre Mu:
*) Vernmutblich Confirmations⸗Feyer eines ka
Kinder.
351
Felle zu vertreten. Denn wiewohl e8 vielleicht
„noch ein paar Tage mit Ihr halten kann, fo
if doch in ihren Umftanden hoͤchſt nothwendig
alle Ruͤhrungen bey ihr zu vermeiden. Sich habe
„Diefen Morgen ein Beyfptel davon gefehen,
„welches mich auf's neue hievon überzeugt hat.
Ich ſelbſt werde mit Geift und Herz gegens
„mwärtig feyn, und dieß ift genug. Unverfälfchte
„und ewige Freundſchaft die ich Ihrem Herder
Ihnen und allem was von Ihnen flammt,
‚im Grunde meines Herzens von neuem weihe
‚und gelobe, ift dag Einzige, womit ich aller
Ihrer Gute und Liebe für die meinigen ants
worten Fann. Sich habe Feine Worte für dag,
was ich fo innigft fühle.
Jetzt iſt mir faſt unbegreiflich wie ich ge⸗
ſtern Abend ſo dumpf ſeyn konnte, Ihnen,
beſte Freundin, ſo lange und mit ſo wenig
Ruͤckſicht auf Ihre noch ſo zarte Geſundheit,
laͤſtig zu ſeyn. Warum haben Sie mich doch
nicht in Zeiten fortgejagt? Beruhigen Sie mich
(und der Himmel gebe, daß Sie es mit Wahırs
heit thun fönnen) nur mit zwey mündlichen
Worten durch meine Kinder, über hr Befins
den, denn Ich angfligte mich mit der Sucht,
354
geften iſt, welche beemahlen im Heil. Roͤm. KA
berum zu ambuliren genöthige find. Er W
einige sujets, die gewiß nicht zu verachten ſu
und einige, aus welchen etwas ſehr Gutes m
den fann. Seine Frau, die, (fo wie er fe
eigentlich Italleniſcher Abkunft, aber doch!
deutſchen, wenigſtens der Wieneriſch
Sprache maͤchtig iſt, iſt die ſchoͤnſte Stim
und die beſte Sängerin, die ich auf e
dDeutfchen Schaubühne jemals gehört hi
Und dieß fegt ihn In den Stand, die Lebi
gungen, die wir von den beften Sitalienii
eomifchen Dperetten haben, vieleicht b
als irgend ein andrer Impresario feiner
zu geben. Kurs, feine Gefenfchaft Hat
Ermartung, bie Wir ung von einer trc
ambulante machten, weit übertroffen, und
her auch, während ihres dreymonathlichen
figen Engagements alle mögliche gute Aufı
me vom biefigen Hofe und Publifo geno
Herr Bellomo felbft ift zwar fein Schauſpi
aber ein ſehr huͤbſcher, durch feine Perfon
fein ganzes Neußerliches fich fehr empfel
der Mann: und ein Umfland, auf den
vorzüglich mit Wahrheit appupiren kann,
daß alle feine Leute, Männlein und Fraͤu
353
S fehr unbefcholten aufgeführt, und durch
K> ganıee Betragen, ohne Ausnahme, nicht
Re weder zu Klage noch Scandal Anlaf ges
Ben, fondern alg gefietete, befcheidene und
foro soli unfträfliche Leute, fi, meines
Siffens, allgemeine Achtung erworben haben.
»o viel von diefen wackern Hiftrionen gum vors
us, um Ihnen, liebfter Zimmermann, begreifs
ch zu machen, warum ich mich einiger Maßen
uͤr ihr ferneres Unterfommen Intereffire, und
icht erröthe, auch die Beyhuͤlfe eines Mans
8 wie Sie, zu dieſem Ende, im Nahmen
es Herrn Bellomo zu imploriren. Man iſt
ter fo wohl mit ihm und feiner Touppe zufrie⸗
en, daß fie ſchon zum voraus wieder auf
unftigen Winter engagirt find: Da es aber
un darum zu thun tft, daß diefe Leute in
en nächfien fieben oder acht Monathen fubfls
Iren koͤnnen: fo iſt, neben einigen andern
Irten, mo er bereits Erlaubniß bat, fein Aus
enmerf auch auf Ihr beruhmtes Leines Achen
erichtet, wo ihm Herr Hofratb Heyne, dem
e fi in eigener Perfon empfohlen , die befte
Yoffnung gegeben hat, In fo fern nur von der
yannöverfchen Regierung aus, die Beranlafs
ung und Anfrage bey dem academifchen Ges
356
nat deßwegen gemacht würden. Da ı
Umftände dem Herrn Bellomo nicht :
ſelbſt nach Hannover zu reifen, und er a
Anſuchen an die dortige Regierung fd
gelangen laffen muß; fo iſt es ihm al
angelegen, belehrt zu feyn, an wen er
Diefem Ende menden, und wie er es aı
sen babe, um zu Hannover die gem
Verguͤnſtigung und Beförderung feiner
tion zu erhalten. Er bat mich um ei
»fehlungsfchreiben an einen dortigen !
gebeten, welcher etwa mir zu lieb bie
haben möchte, theild ihm dieſe Belehr
verfchaffen,, theilg ihn und feine Angele
ten andern Perfonen von Einfluß zu e
len; und da ich ihm feine Bitte nich
abfchlagen möchte, an wen, mein alter
und Gönner, hätte ich mich fonft ı
fönnen, als an Sie? Das Wort Ha
erweckt bey mir nur zwey Ideen: Daß
Aufenthalt meines Freundes Zimmermar
bie Vaterſtadt unfrer Frau von Werth
Die legtere hat mir verfprochen, daß fie
Belomo an Ihre Verwandte, bie Frau
von Bufche, empfehlen wolle; welche, :
e fagt, Em. Liebden befondere Wer
357
R. Deſto beffer! durch Damen, Aerzte und )
Beichtoäte tft in diefer Welt alled möglich zu-
haben. Da die gegentwärtige Sache ſich nicht
o recht für dag forum poli qualificieen will,
“ glaube ich die Unterflüßung irgend eines
dgeiftlichen Herren dieſesmahl entBehren zu
Mönnen, und durch die bloße vereinigte Medias
ton der Dame und Des Arztes zu reuffiren.
Es iſt alfo nun Ihre Sache, mein Befler,
dafür zu forgen, daß ich mir von Ihrem Eins
Fuß und Ihrer Gefchiclichkeit, die Herzen dee
Sterblihen zu Ienfen, feinen zu großen Bes
geiff gemacht haben möge. —
Darf ih Sie, bey Gelegenpelt der zwey
erwaͤhnten Damen, im Vorbeygehen fragen:
was die Schattenriffe edler deutſcher
Srauenzimmer zu Hannover für eine Sens
fation gemacht haben,’ und ob die dortigen
Hohen Sjntereffenten gemeint find, diefe oͤffent⸗
lihe Schmach in flilifchweigender Geduld zu
fragen, oder was die dortigen Verehrer und
Sreunde der fchönen und biedern Damen,
über den albernen, aber von dem laͤcherlichſten
Eigendünfel aufgeblafenen Philiftee, der unſre
ehrlichen beutfchen Weiber und Töchter auf
eine fo fchnöde Weife vor dem Publico ent«
358
ſchleyert, beſchloſſen haben. Ich fehe di
opusculum ale da3 non plus ultra des ged
fhen Aberwitzes an, der fett einigen Je
rel auf unfre deutfhen Plattköpfe gefallen |
Auch dieſe Stunde bat euer Lavater auf fein
Gewiſſen, er, der das Dumme Autorvolf mi
al3 irgend ein anderer fündigen gemacht be
Die bieligen bey der Sache intereflirten Z
men laffen ich ſtark anmerken, daß fie ger
fäsen, wenn der deutſche Merfur fie an de
eienden Verfaſſer der Schattenriffe rad
wollte. Aber mid dünft, es harte, um mı
als einer Urfache willen, feine rechte A
wenn Ich meine Hand unmittelbar gegen eiı
fol hen Burfihen aufheben wollte. Kennen €
denn niemand In Hannover, der ritterlich
nug für die fchönen und biedern Damen
ſinnt if, um fih, inelnem Schreiben
den Herausgeber Des deutfhen M
kurs, Ihrer fo ſehr gekraͤakten Beſcheidenh
und Zucht anzunehmen? Man koͤnnte erſt etn
Allgemeines uber die mancherley Albernheit
Die de: pruritus scribendi bey unfern dumn
ungen hervorbringt, fagen, und dann gı
natuͤr!ich auf dieſes abgeſchmackteſte unter al
zeſchmackten Produkten dee deutfchen Dulı
359
nmen, und den Verfaſſer fo handhaben,
6 ihm die Luft zu einem zweyten Hefte vers
ıge. Ich weiß wohl, daß ich einen folchen
ꝛief an mich felbft fchreiben koͤnnte; aber,
t einem Worte, ich babe Feine Luft dazu,
d in der That gehen mir fo viel andere
nge im Kopfe herum, daß ich die Laune,
: Dazu gehört, um fo etwas gut gu mas
n, nicht in mie finde. — Ihnen — lieber,
nmermann, Mage ich nicht etwas zujumus
n; aber dag weiß ich wohl, vor zwanzig
hren würde fo ein Champion der Damen,
: Sie waren, bey einer folchen Gelegenheit -
be ruhig geſeſſen ſeyn. Verzeihen Sie Ih⸗
alten Freunde, der unter andern Alters⸗
wachheiten auch ſchwatzhaft iſt, (was er zwar
mer ein wenig war) dieſen langen Brief
l unbedeutenden Inhalts, und laſſen Sie
: bald ein kleines Merkzeichen ſehen, Daß
e ihn noch lieben, ihn, ber Sie ewis lie⸗
ı und verehren wird. | W.
368
CCCIX.
An Gheim.
Weimar, den 9. Mai
Mein beſter Gleim, empfangen Sie
neue Taſchenausgabe der Spiele oder ?
oder Spielmerfe, oder wie e8 die Weite:
nennen wollen, ihres alten Freundes
land, — ale eine kleine Wiederlage f
Epifteln, für welche ich ihnen meinen
ften Dank und Beyfall zu lange fehult
blieben bin! — mit Ihrer gewohnten
und glauben ie, mein Beſter, daß
mein Gleim und die Wenigen Deren
und Her; dem feinigen vermande iſt,
Blumen und Früchten meines Fleines
gartend MWohlgefalen finden, fih an
Mohlgeruch ergögen, oder an ihrem erfi
den Safte laben, daß alddann mein poı
Ehrgeig in feinem ganzen Umfange bef
ift, und daß mich weder das Superciliu
Afterweifen, noch Die Geſchmackloſigke
ſers Publikums, noch die Biſſe eines
Pantilius nur einen Augenblick in der
denheit ſtoͤren koͤnnen, womit Freun
d Unſchuld und gewogene Hausgoͤtte
361
Ices ante omnia Musae den Herbſt meines
eng. befeligen.
Das ganze Haus Ihres Wielandg befindet
wohl, mein/beſter Bruder, und da es
nbar unmoͤglich iſt, daß er, gleich einem
triarchen, an der Spige 'einer fo zahlrei⸗
n Familie, zu Ihnen nad) Halberſtadt
Ufarhte; und es gleichwohl (wie alle
optae befennen)t ein recht fchöner herzers
yender Anblick feyn fol, diefes ganze Wies
difhe Völflein mit Einem Bli zu übers
en: was hält dann meinen Sieim und feine
hie ab, zu Ihrem Bruder Wieland, zu
er Schwerter Wielandin berüber zu rollen,
» indem Sie ung einige goldene Tage der
undfchaft fchenten, ung gluͤcklicher zu mas
1, und‘ felbft glücklicher zu feyn? — Wins
Sie mir ein gewogenes Ja berüber, und
e follen unfee Haus mit Mayen gefchmürke
ven, und von einem ganzen Trupp. under«
ichter Kinder der Natur mit AJubelgefchren
geholt und empfangen werden! Halten Sie
th mit unfrer theuren @leminde, lieber
uder, und — well doch Göttern und Dichs
n ales möglich) if, fo laffen Sie ja dieß⸗
352
daß der Inhalt unferer Gefprache Sie zu
angegriffen haben möchte, und kann mir ı
Unbeſonnenheit nicht vergeben.
CCCVII.
An Gleim.
Weimar, den 9. Auguſt.
Sie wiſſen, beſter Gleim, daß bey b
ders freudigen Epochen auch alle Gefän;
eröffnet werden, und allen Berbrechern G
ertheilt wird. Laſſen Sie die Ankunft u
beften Fuͤrſtin, deren Nahme fchon fo |
den Mufen heilig if, eine folche Epoche |
und ertheilen Sie, um der Freude dieſes
ge8 willen, dem faumfeligfien aller Ihrer
refpondenten, aber der darum nicht mı
einer ihrer waͤrmſten Freunde iſt und bl
Gnade und Generalpardon.
Ich muß abbrechen. Die Herzogin wil ı
Veberbringerin diefes Briefchens feyn —
ih weiß, ſo arm es an fich felbft iſt, di
Umftand wird es meinem Gleim unfcha
machen. Ich umarnıe Sie taufendmahl.
halten Sie, mit allen feinen Unarten lieb
Ihren alten Freund und Brı
RER Tan
859
no ccevit.
- Un Zimmermant.
| Weimar den 19. Metz 1784:
Es if, tie ich wohl fühle, etwas laͤcherli⸗
ches, daß eine bande joyeuse nah Weimar
kommen muß, um mir,.dem trägfien und uns
regelmäßigfien aller Briefſteller in Europa,
nach wer weiß mie vielen Jahren endlich eins
mabl eine Gelegenheit zu geben, an den erfien
meiner noch lebenden alten Sreunde zu fehreis
ben. Aber, sie visum süperis; und für
Sie und mid iſts am Ende auch wohl fo
ziemlich einerley, ob eine Gomediantens Gefells
fchaft oder ein Eonfiftorium, ein Generals Felds
zeugs Meifter oder ein Signor Bellomo bie
Veranlaßung darreicht, daß Sie einen uners
warteten fchriftlichen Befuch von- Ihrem Wie⸗
Tand erhalten. Ich will alſo, ohne Sie mit
einem laͤngern Vorbericht aufzuhalten, ſogleich
zu der Sache kommen, die ich Ihnen vorzu⸗
tragen babe. Der befagte Herr Bellomo if
p- t. Directeur einer deutfhen Schauſpieler
Geſellſchaft, die, fo wie mie fie durch einen
dreymonathlichen Aufenthalt bey ung in Wels
mar haben fennen lernen, feine von den ſchiech⸗
Wielands Vriefe LEE, w. 23
354
teften If, welche dermablen Im Heil. Roͤm.
berum zu ambuliren genoͤthigt find. €
einige sujets, bie gewiß nicht zu verachten
und einige, aus welchen etwas fehr Gute:
den kann. Seine Stau, die, (fo wie er
eigentlich Italieniſcher AbEunft, aber bo:
deutſchen, wenigſtens der Wienert
Sprache mächtig iſt, ift die ſchoͤnſte Sti
und die beſte Sängerin, die ich auf
deutfhen Schaubuhne jemals gehört
Und dieß fegt ihn In den Stand, bie Ue
Bungen, die wir von den beften Italien
eomifchen Dperetten haben, vielleicht
ald irgend ein andrer Impresario felnc
zu geben. Kurz, feine Geſellſchaft ha
Erwartung, die wir ung von einer tı
ambulante machten, weit überteoffen, un
ber auch, während ihres dreymonathlicher
figen Engagements alle mögliche gute Au
me vom hiefigen Hofe und Publifo genı
Herr Bellomo ſelbſt ift zwar fein Schaufp
aber ein fehr huͤbſcher, durch feine Perfon
fein ganzes Neußerliches fich fehr empfı
der Mann: und ein Umfland, auf der
sorzüglich mit Wahrheit appupiren kann,
8 alle feine Leute, Männlein und Fraͤ
353
zftch ſehr unbefcholten aufgeführt, und durch
ihr ganzes Betragen, ohne Ausnahme, nicht
nur weder zu Klage noch Scandal Anlaß ges
geben, fondern als gefittete, beſcheidene und
in foro soli unfträfliche Leute, fich, meines
Willens, allgemeine Achtung ertvorben haben.
So viel von diefen wackern Hiftrionen zum vors
aus, um Ihnen, liebfter Zimmermann , begreifs
lich zu machen, warum ich mic, einiger Maßen
für ihr ferneres Unterfommen Intereffire, und
nicht erröthe, auch die Beyhuͤlfe eines Mans
nes mie Sie, zu diefem Ende, im Nahmen
des Herrn Belomo zu imploriren. Man iſt
bier fo wohl mit ihm und feiner Truppe zufrle⸗
den, daß ſie ſchon zum voraus wieder auf
kuͤnftigen Winter engagirt ſind: Da es aber
nun darum zu thun iſt, daß dieſe Leute in
den naͤchſten ſieben oder acht Monathen ſubſi⸗
ſtiren koͤnnen: fo iſt, neben einigen andern
Orten, wo er bereits Erlaubniß hat, ſein Au⸗
genmerk auch auf Ihr beruͤhmtes Leine⸗Athen
gerichtet, wo ihm Herr Hofrath Heyne, dem
er fich in eigener Perſon empfohlen, die beſte
Hoffnung gegeben hat, in fo fern nur von der
Hannoͤverſchen Regierung aus, bie Beranlafs
fung und Anfrage bey dem academifchen Ges
36
nat deßwegen gemacht würden. Da
Umftände dem Herrn Bellomo nicht
felbft nach Hannover zu reifen, und er «
Anfuchen an bie dortige Regierung ſa
gelangen laffen muß; fo iſt es Ihm al
angelegen, belehrt zu feyn, an wen cı
diefem Ende wenden, und wie er e8 c
sen babe, um zu Hannover die get
Verguͤnſtigung und Beförderung feiner
tion zu erhalten. Er bat mich um «
»fehlungsfchreiben an einen Dortigen
gebeten, welcher etwa mir zu lieb di
haben möchte, theild ihm diefe Beleh
verfchaffen, tbeils ihn und feine Angel
ten andern Perfonen von Einfluß zu
len; und da ich ihm feine Bitte nic
abfchlagen möchte, an wen, mein alter
und Gönner, bätte ich mich fonft
fönnen, als an Sie? Das Wort H
erweckt bey mir nur zwey Seen: daf
Aufenthalt meines Freundes Zimmerma
die Vaterſtadt unfrer Stau von Weri
Die leßtere hat mir verfprochen, daß fi
Belomo an Ihre Verwandte, die Fraı
n Bufche, empfehlen wolle; welche,
fagt, Em. Liebden befondere Ze
357
IR. Deſto beffer! dur Damen, Aerzte und \
MWeichtvaͤter iſt in diefer Welt alles möglich zu-
Bimachen. Da die gegenwärtige Sache ſich nicht
Eifo recht für dag forum poli qualificiren wi,
fo glaube ich die Unterkügung irgend eines
Zgeiſtlichen Herren dieſesmahl entbehren zu
Skoͤnnen, und durch die bloße vereinigte Media⸗
Ation der Dame und des Arztes zu reuffiren.
2Es if alfo nun Ihre Sache, mein Befter,
-Dafur zu forgen, daß ich mir von Ihrem Eins
Fuß und Ihrer Geſchicklichkeit, die Herzen der
" Sterblichen zu Ienfen, feinen zu großen Bes
griff gemacht haben möge. —
* Darf ih Sie, bey Gelegenheit der zwey
“erwähnten Damen, im Vorbeygehen fragen:
was die Schattenriſſe edler deutſcher
Srauenzimmer zu Hannover für eine Sens
fation gemacht haben,’ und ob die dortigen
Hohen Sintereffenten gemeine find, diefe oͤffent⸗
liche Schmach in filfchweigender Geduld zu
tragen, oder was die dortigen Verehrer und
Sreunde ber fchönen und biedern Damen,
über den albernen, aber von dem laͤcherlichſten
Eigendünfel aufgeblafenen Philifer, der unfre
ehrlichen deutſchen Weiber und Züchter auf
eine fo fehnöde Weiſe vor dem Publlco ent
248
Werke eines philofephifhen Palladio;
allerdings etwas von diefem Plan;
reichlich mit dem großen Mobile oder
der großen Demmfette der Geiſterwelt
heit genannt, begabt wie ich bin,
mich doch unausfprechlich, dieſes präacd
latium mit meinen lieblihen und geifi
gen ohne Hilfe der Divinationsfraft zu ı
zu durchwandern und Indem id au
Mittelpunft die Fühne, kraftvolle un
Verbindung der Thelle zu Einem
Ganzen anflaune, meine Bewunder
Liebe (wenn 68 erlaubt if, fo zu ret
fchen der Gottheit, die in biefem Zei
ehrt wird, und dem Baumeifter Def
theilen.
Andachtigere Wünfche find noch ni
Vollendung eines MenfhensWerfes 3
mel aufgefchict worden, als die $
für dieſes!
Das Mehrere, wenn's mir endlich
wieder fo gut werden wird, Gie bef
können: — wornach mic) fehr verlang
Geftern brachte Ich ein -Paar berze
Abendflunden bey Ihrer Herzogin
iſt eine vortreffliche Frau. Laffen (€
349
Ihren Mann, deffen Genius alles moͤglich iſt,
„ein Wort für die Are von Liebe erfinden, die
“ich für diefe Art von Welbern empfinde, die _
ich immer mit einer Are Cärgern Sie fi
nicht über alle diefe Arten) von Roͤmiſch
Katholifcher Marianifcher Andacht und mit eis
nem Salve regina, oder Eya, mater, fons
amoris begrüßen möchte, fo oft ich ihnen mid)
nähere — und wenn e8 auch nur, mie jest,
durch ein Stückchen Papier wäre Die Meis
nige grüßet und umarmet Gte von Herzen.
Und fo leben Sie wohl, meine Geliebten, und
bleiben immer für Shren Wieland, was Sie
ihm find, feitdem er Sie kennt.
CCCV.
An den General Superintendent
Herden
Ohne Datum.
Ich athme noch einmahl fo leicht, befter
Herder! Seit dem ich Ihre eigne Hand und
Unterfchrift zum Pfande habe, dag Sie mit
der bewußten Necenfion nicht ganz unzufrieden _
find. In fo weniger Zeit war es unmöglich
350
eine andere zu erhalten. Es iſt aber J
tourdig mehr auf den guten Willen und
Herz ald auf das Opfer felbfi zu fehen.
lefe Ihr Buch ohne Aufhören und fange
mer wieder von.vorne an, wenn Ich dam
Ende bin, aber je mehr ich es lefe, je h
ger kann Ich es — recenfiren. Es wäre
(wie ich geftern Ihrer Frau fagte) gerade
ob ich die Natur ſelbſt recenfiren folte.
Der befcheidne Titel bat zu allem G
noch) in einen.befcheidnern verwandelt
den konnen, Dank ſey der geneigten Erı
tung, die noch zu rechter Zeit kam.
zeigt, 0 Barrıss !
CCCVI.
An Frau Präfident Herder,
Ohne Datum.
Liebſte Freundin, meine gute Frau, um
Sie mit ſchweſterlicher Liebe und herzli
Dank für die Guͤte, welche Sie haben we
bey der heutigen Feyerlichkeit *) Ihre Mı
*) Vermuthlich Confirmations⸗Feyer eines ka
Kinder.
351
delle zu vertreten. Denn wiewohl es vielleicht
‚noch ein paar Tage mit Ihr halten fann, fo
IR doch in ihren Umftänden hoͤchſt nothwendig
alle Nührungen bey ihr zu vermeiden. Sich habe
‚diefen Morgen ein Beyſpiel davon gefehen,
welches mich auf's neue hievon überzeugt bat.
Ich ſelbſt werde mit Geift und Herz gegens
mwärtig feyn, und dieß ift genug. Unverfälfchte
und ewige Freundfchaft die ich Ihrem Herder
Ihnen und allem Mas von Shnen ſtammt,
im Grunde meines Herzens von neuem weihe
und gelobe, ift dag Einzige, womit ich aller
ihrer Güte und Liebe für die meinigen ants
worten fann. Ich habe Feine Worte für dag,
was ich fo innigft fühle.
Jetzt iſt mir faſt unbegreiflich wie ih ge⸗
ſtern Abend ſo dumpf ſeyn konnte, Ihnen,
beſte Freundin, ſo lange und mit ſo wenig
Ruͤckſicht auf Ihre noch ſo zarte Geſundheit,
laͤſtig zu ſeyn. Warum haben Sie mich doch
nicht in Zeiten fortgejagt? Beruhigen Sie mich
(und der Himmel gebe, daß Sie e8 mit Wahrs
heit thun fönnen) nur mit zwey mündlichen
Morten durch meine Kinder, über Ihr Befins
den, denn ich ängfligte mich mit der Sucht,
659
iO
CCcVHL.
Un Zimmermant.
Meimar den 19. Merz 1784:
Es tft, wie ich wohl fühle, etwas laͤcherli⸗
ches, daß eine bande joyeuse nad) Weimar
fommen muß, um mir,.dem trägfien und uns
tegelmäßigften aller Briefſteller in Europa,
nach mer weiß mie vielen Jahren endlich eins
mabl eine Gelegenheit zu geben, an den erften
meiner noch lebenden alten Sreunde zu fehreis
ben. Aber, sic visum süperis; und für
Sie und mid iſts am Ende auch wohl fo
ziemlich einerley, ob eine Comedianten s Gefells
fchaft oder ein Confiftorium, ein General; Zelds
zeugs Meifter oder ein Signor Bellomo die
Weranlaßung darreicht, daß Sie einen uners
warteten fchriftlichen. Befuch von Ihrem Wie⸗
land erhalten. Ich win alfo, ohne Sie mit
einem langern Vorbericht aufzuhalten, fogleich
zu der Sache fommen, die ich Ahnen vorzu⸗
tragen babe. Der befagte Here Bellomo if
p- t. Directeue einer deutfhen Schaufpieler
Geſellſchaft, die, fo wie wir fie Durch einen
dreymonathlichen Aufenthalt bey ung in Wels
mar haben fennen lernen, feine von den ſchiech⸗
Wielands Briefe LEE, w. 23
354
teften Ift, welche bermahlen im Heil. Roͤm.
berum zu ambuliren genöthige find. €
einige sujets, die gewiß nicht zu verachten
und einige, aus welchen etwas fehr Gute
den fann. Seine Frau, die, (fo wie er I
eigentlich Stallentfcher Abkunft, aber doı
deutfihen,, menigfiend der Wienerii
Sprache maͤchtig if, ift die ſchoͤnſte Sti
und die befle Sängerin, die ich auf
deutſchen Schaubuͤhne jemals gehört
Und dieß fegt ihn In den Stand, die Ue
Bungen, die wir von ben beften Italien
comifchen Dperetten haben, vielleicht -
als irgend ein andrer Impresario feiner
zu geben. Kurz, feine Gefelfchaft hat
Ermartung, Die Wir ung von einer tr
ambulante machten , weit übertroffen, uni
ber auch, während ihres dreymonatblichen
figen Engagements ale mögliche gute Auf
me vom hiefigen Hofe und Publiko gen:
Herr Bellomo felbft ift zwar fein Schaufp
aber ein fehr huͤbſcher, durch feine Perſon
fein ganzes Neußerliches fich fehr empfe
der Mann: und ein Umftand, auf den
vorzüglich mit Wahrheit appuylren Kann,
Daß alle feine Leute, Männlein und Fraͤ
353
ſehr unbefcholten aufgeführt, und durch
anzes Betragen, ohne Ausnahme, nicht
weder zu Klage noch Scandal Anlaß ges
', fondern als gefittete, ‚befcheidene und.
ro soli unfträfliche Leute, ſich, meines
ng, allgemeine Achtung erworben haben.
iel von diefen wackern Hiftrionen gum vors
um Ihnen, liebfter Zimmermann, begreifs
ı machen, warum ich mich einiger Maßen
je ferneres Unterfommen intereffire, und
erröthe, auch die Beyhuͤlfe eines Mans
vie Ste, zu diefem Ende, im Nahmen
Herren Bellomo zu Imploriren. Man iſt
o wohl mit ihm und feiner Truppe zufrie⸗
daß fie ſchon zum voraus mieder auf
gen Winter engagirt find: Da e8 aber
darum zu thun iſt, daß diefe Leute in
'ächften fieben oder acht Monathen fubfis
fönaen: fo ift, neben einigen andern
|, wo er bereits Erlaubniß bat, fein Au⸗
re auch auf Ihr beruhmtes Leines Achen
tet, wo ihm Herr Hofrath Heyne, dem
‚ in eigener Perfon empfohlen, die befte
ung gegeben hat, In fo fern nur von der
Överfchen Regierung aus, die Veranlafs
und Anfrage bey dem academifchen Ses
356
nat bewegen gemacht würden. Da nun ba
Umftände dem Herrn Bellomo nicht zulafai
felbft nach Hannover zu reifen, und er alfo ſch
Anſuchen an die dortige Regierung fchriftiih
gelangen laffen muß; fo iſt es ihm aMfärdef
angelegen, belehrt zu feyn, an wen er fh 8 |
diefem Ende wenden, und wie er es anjufan
sen habe, um zu Hannover Die gewaͤnſchte
Vergunftigung und Beförderung feiner Inte |
tion zu erhalten. Er hat mich um ein Ew|
sfehlungsfchreiben an einen dortigen Gremd
gebeten, melcher etwa mie zu lieb die Guͤte
haben möchte, theils ihm dieſe Belehrung p
verfchaffen,, theils ihn und feine Angelegenheis
ten andern Perfonen von Einfluß zu empfeh
len; und da ich ihm feine Bitte nicht gern
abfchlagen möchte, an wen, mein alter Sreuad
und Gönner, hatte ich mich ſonſt menden
fönnen, als an Gie? Das More Hannover
ertvecht bey mir nur zwey Ideen: daß es de |
Aufenthalt meines Freundes Zimmermann und
bie Vaterſtadt unfrer Frau von Werther if.
Die legtere hat mir verfprochen, daß fie Hera
Belomo an ihre Verwandte, die Frau G. R.
von Bufche, empfehlen wolle; welche, mie Re
ir fagt, Ew. Liebden befondere Werebreris
357
‚P Defto beffer! dur Damen, Aerzte und \
Wweichtvaͤter iſt in dieſer Welt alles moͤglich zu—
pachen. Da Die gegenwärtige Sache ſich nicht
fo recht für das forum poli qualificiren will,
Sſo glaube ich die Unterlügung irgend eines
Eiseiftlihen Herren dieſesmahl entBehren zu
mkoͤnnen, und durch die bloße vereinigte Medias
Stion der Dame und des Arztes zu reufficen.
FE iſt alfo nun Ihre Sache, mein Befler,
Fdafür zu forgen, daß ich mir von Ihrem Eins
fluß und Ihrer Gefchicklichkeit, die Herzen dee
Sterblichen zu lenken, feinen gu großen Bes
! griff gemacht haben möge. —
" Darf ih Sie, bey Gelegenpelt der zwey
erwaͤhnten Damen, im Vorbeygehen fragen:
was die Schattenriffe edler deutſcher
Srauenzimmer zu Hannover für eine Sens
fation gemacht haben,’ und ob die dortigen
Hohen intereffenten gemeint find, diefe Öffents
liche Schmach in flilfchweigender Geduld zu
fragen, oder was bie dortigen Verebrer und
Freunde der fchönen und biedern Damen,
über den albernen, aber von dem laͤcherlichſten
Eigendüntel aufgeblafenen Philifter, der. unfre
ehrlichen deutſchen Weiber und Töchter auf
eine fo fchnöde Weife vor dem Publico ent
358
ſchleyert, befhtoffen haben. Ich fehe
opusculum alg da3 non plus ultra des
ſchen Aberwitzes an, der fett einigen
rerl auf unfre deutſſchen Plattköpfe gefall
Auch dieſe Sunde bat euer Lavater auf
Gewiſſen, er, der dag dumme Autorvolf
al3 irgend ein anderer fündigen gemach
Die biefigen bey der Sache interefiirte
men laffen ſich ſtark anınerfen, daß fie
fahen, wenn der deutfche Merkur fie aı
eienden DBerfaffer der Schattenriffe
wollte. Aber mich dünft, es harte, um
‚als einer Urfache willen, Feine rechte
wenn ich meine Hand unmittelbar gegen
ſolchen Burfohen aufheben wollte. Kenne
denn niemand in Hannover, Der ritterli
nug für die fchönen und biedern Damı
finnt if, um ſich, Inelnem Schreib
den Herausgeber Des beutfchen
kurs, ihrer fo fehr gekraͤakten Befcheid
und Zuht anzunehmen? Man Fönnte erft
Allgemeines über die mancherley Albern'
Die der pruritus scribendi bey unfern du
ungen hervorbringt, fagen, und dan
Nnatuͤrlich auf dieſes abgeſchmackteſte untaı
abgeſchmackten Produkten der deutſchen {
359
z fommen, und den Verfaſſer fo handhaben,
daß ihm Die Luft zu einem zweyten Hefte vers
ee. Ich weiß wohl, daß ich einen folchen
Brief an mic felbft fchreiben koͤnnte; aber,
— mit einem Worte, ich babe Feine Luft dazu,
und In der That gehen mir fo viel andere
Dinge im Kopfe herum, daß ich die Laune,
die dazu gehört, um fo etwas gut zu mas
5 Ken, nicht in mie finde, — Ihnen — lieber,
J Bimmermann, tage ich nicht etwas zuzumu⸗
— then; aber dag weiß ich wohl, vor zwanzig
Jahren würde fo ein Champlon der Damen,
wie Sie waren, bey einer folchen Gelegenbeie
nicht ruhig. geſeſſen ſeyn. Verzeihen Sie Ih⸗
rem alten Freunde, der unter andern Alters⸗
ſchwachheiten auch ſchwatzhaft iſt, (was er zwar
immer ein wenig war) dieſen langen Brief
voll unbedeutenden Inhalts, und laſſen Sie
. ihn bald ein kleines Merkzeichen ſehen, daß
Sie ihn noch lieben, ihn, der Sie ewig lies
ben und verehren wird. W.
8
360
CCCIX.
An Sietm
Weimar, den 9. Mu
Mein beſter Gleim, empfangen Sie
neue Taſchenausgabe der Spiele oder °
oder Spielmerke, oder wie es die Weite:
nennen wollen, Ihres alten Sreundes
land, — als eine kleine Wiederlage f
Epifteln, für welche ich Shnen meinen
ften Danf und Beyfall zu lange full
blieben bin! — mit Ihrer getvohnten
und glauben ie, mein Beſter, daß
mein Gleim und die Wenigen deren
und Herz dem feinigen verwandt if, «
Blumen und Früchten meines Fleines
gartens Wohlgefallen finden, fi an
Mohlgeruch ergögen, oder an ihrem erfı
Den Safte laben, daß alddann mein po
Ehrgeitz in feinem ganzen Umfange bef
ift, und daß mich weder dad Supercilis
Afterweifen, noch die Geſchmackloſigke
ferd Publikums, noch die Biſſe eines
Pantilius nur einen Augenblick in der
denheit flören können, womit Freun
und Unſchuld und gewogene Hausgoͤtt
\ 361
ulces ante omnia Musae den Herbſt meines
Lebens beſeligen.
F Das ganze Haus Ihres Wielands befindet
> wohl, mein, befter Bruder, und da «8
E Ioffenbar unmöglich iſt, daß er, gleich einen
SPatriarchen, an der Spige 'einer fo zahlrei⸗
wchen Samilte, zu Ahnen nach Halberſtadt
we wallfarhte; und 88 gleichwohl (wie alle
ay autoptae befennen)} ein recht fehöner herzers
= Bödender Anblick feyn fol, dieſes ganze Wies
S landiſche Voͤlklein mit Einem Blick zu übers
m ſehen: was halt dann meinen Gleim und feine
Sy Nichte ab, zu Ihrem Bruder Wieland, zu
I |
ihrer Schwefter Wielandin berüber zu rollen,
‚und indem Sie ung einige goldene Tage des
⸗
>
8
r
J
v
h
’
Freundſchaft fchenten, ung glücklicher zu mas
hen, und‘ felbft glüclicher zu feyn? — Wins
fen Sie mir ein gewogenes Ja berüber, und
Sie follen unfer Haus mit Mayen geſchmuͤckt
; finden, und von einem ganzen Trupp unders
z fälfchter Kinder der Natur mit Yubelgefchrey
eingeholt und empfangen werden! Halten Sie
Math mit unſrer theuren Gleminde, lieber
Bruder, und — well doch Göttern und Dich⸗
seen alles möglich ift, fo laffen Sie ja dieß⸗
362
mahl feine Fehlbitte thun Fhren ganz ı
Sreund und Bruder. 3.
CCCX.
An Voß.
Weimar, Novemb
Ich gaͤbe etwas darum, liebſter Voß
ich Ihnen meine Antwort auf Ihren Br
7. October und meinen Dank fuͤr Ihre
muͤndlich und von Angeſicht gu Anfichı
und zeigen. könnte. Sie würden dann
telbar fühlen, wie warm beydes ang ı
Herzen koͤmmt — In weniger als eine
telfiunde würde und zu Muthe feyn,
wir uns fchon zwanzig Jahre Eennten ı
liebt hätten ; ale Mißverfländniffe würt
ewig gehoben, ale Zweifel aufgelöfet
und niemahlg, dag bin Ih gewiß, |
wir wieder einer an dem andern irre
fönnen. Mittelsmaͤnner find nicht allem
geſchickteſten Werkzeuge zu jenen Zwecken
ſelbſt Brilefe find es nicht, wenigſte
meinigen nur ſelten; denn ſie ſind faſt
entweder zu warm oder zu kalt, und bi
faft immer, um recht verſtanden su I
363,
BDaß man den Schreiber yerfönlich kenne.
SByärte ich ihnen vor vier Wochen, da id)
Ihren Brief mit der deliciöfen Idylle, diefem
mir fo werthen Pfand Ihres mir wieder ges
Gchenften Vertrauens, erhielt, hate? ich Ihnen
Da gleich fchreiben fünnen, fo würden Gie
einen fo warmen, fchwärmerifchen Brief bes
sTomnıen haben, daß er Fhnen vielleicht eben
„dadurch verdächtig worden ware. — Doch weg
3 mit alem Miftrauen, und mit allen Erinnes
2 tungen an vergangene Irrthuͤmer und Webers
z eilungen. Sie haben mir die meinigen vers
x geben; melne Meinung und Abficht war nicht
sy übel; aber ich fehlte fehr im Mittel, wie es
„su schen pflegt, wenn man ein Ding zu haflig
; und zu einfeitig angefeben hat. — Kurz, lieber
. Voß, ich haste beifer gethan, mich in Ihre
Handel mit 8. Cder mid ohnehin nicht naher
angeht, als der König von Kochinchina) nicht
einzumifcyen, und allenfall8 das was mir an
ihnen, bloß aus Freundfchaft für Ste, ans
fiößig an der Art, wie Sie ſich gegen die B.
und- & * * vertbeldigfen, mar, onen sub
. rosa und nicht vor der ganzen Welt fagen
foßen ıc. Was gefihehen iſt, Fann nun freys
lich nicht ungefchehen gemacht werden. — Aber
364
es gibt immer Gelegenheiten, der ir
zeigen, daß wir Freunde find, und Sie, nit
Lieber, begnügen fich mit dieſer Are von Ge
nugtbuung. Ich werde, um meinem eignet
Herzen genug zu thun, nie gu viel und zu fl
zeigen fonnen, daß ih Sie, fo ſehr als di
ohne perfönlihe Bekanntſchaft nur imme
moglich ift, fenne, ehre und liebe.
Ueber eine Stelle Ihres Briefchens mu
ich ihnen noch ein paar Worte fagen: „Lafleı
Sie und Freunde feyn“ (find Ihre Worte
„Sie fieben hoch über mir, aber mein Ha
it Ihrer nicht unwerth.“ — Dieß Sie fı
ben hoch über mir — kann Ihnen dor
wohl nicht ernft ſeyn — oder es wäre au
Ihrer Seite ein gewaltiger optiſcher Bı
trug. Denn wenn e8 wirklich fo mare
fo müßte Ich doch auch etwas davon miffen
ch geitehe ihnen aufrichtig, daß Das aͤußerſt
was ich meince Eigenliebe zu gefallen thut
fann, ift, wenn ich Ihr, ohne allgugenau
Unterfuchung , einraume, daß ich mit den mei
ſten guten Menfchen meiner und jeder andern
zeit fo viel gemein habe, um mich & peı
pres fir Ihres gleichen halten zu koͤnnen
ben Sie mir, lieber Voß, daß Sie mir
| . 365
reiner Art zu denken nach, ein größer Coms
»Aiment machen, wenn Ste mich für Ihren
Seiſtes⸗Verwandten erkennen, als wenn Sie
zsir etwas fagen, das Ich felbft fo wenig
Blaube, daß es mir auch unbegreiflich iſt, wie
Sie es glauben koͤnnten. Aber fein Wort
mehr hievon. Das mas den wahren Mens
fhen ausmadht, gibt allen, die e8 haben,
‚gleichen Werth. Das Uebrige find, Zufällige
keiten, die von taufend äußern Umfländen abs
‚Hängen, und meiſtens nur anfcheinende Vors
zuge oder Nachtheile geben. Ich kam z. €.
früher in die Welt, Sie fpäter. Diefer einzige
Umſtand war beyden in gewiſſen Stuͤcken vors
theilhaft und nachtheilig, aber beym Lichte bes
fehen, compenfirt fich meiflend eines gegen
das andere, und am Ende bat fih Niemand
gegen die Natur über Vernachthelligung zu
beklagen.
Ihre Idylle, mein Beſter, wird das Novem⸗
berſtuͤck vom D. M. gut machen helfen. Ich
muͤßt' Ihnen einen Bogen voll ſchreiben, um
Ihnen en detail zu ſagen, wie ſehr, warum
ih) von allen Ihren Idyllen und befonderg
von bdiefer bezaubert bin. Der Geift der Odyſe
fee hat Sie fo ganz durchdrungen, daß Allee
366
was aus Ihrer Seele nebt, davon tingir N
und zu reinem homeriſchem Golde wird.
In chen diefem Monathitücke fol auch Je
Avertiffement Plag finden und ich will mid
nach Möalichfeit verwenden, leider vornige u
zum Subſcribiren Immer mehr ung:neigte Di
letanten, hello modo dazu zu Difponiren.
Die Jdylle har vier Correkturen paſſirt
aber doc), lieber Freund, muß ich Sie wi
Voraus um Geduld bitten, wenn etwa, w
ic) beforge dennoch Febler überfehen word:
find. Sie baben feine Vorſtellung davon, I
ber Vor, mus ich, mit aller meiner von
manchen mir mißgännten Lduße, für ein yı
ſtuͤckeltes Leben lebe, und mie felten ich da
fommen fann nur eine halbe Stunde la
mich ununterbrochen mit einem Abwefenden
unterreden. Nehmen Gie alfo für Dießm:
mit diefem ziemlich leeren Blatte vorlieb, u
mit dem beillgen Schwur, daß ich unver‘
derlich, fo lange ich noch lebe, ſeyn mei
Ihr aufrichtiger Freund ꝛc.
367
ECCKI.
An Gleim.
Weimar, den 15. May 1785.
Mein liebſter Bruder, zu einer kleinen Er⸗
enntlichkeit für die Apiclanifchen lauticias,
somit unfer feine Freunde, nie bergeffender
Zfeim unfern Sedern Gaumen bemirthet bat,
rfcheine ich hier mit einem Körbchen voll Sees
nſpeiſe, zwar nicht fo frifch, als ich wohl
yanfchen möchte, aber doch fo gut als eg mein
(einer Vorrath vermag. Der gufe Wille, wos
sie fie gegeben und angenommen wird, muß
as Beſte dabey thun. Nichts ald mein Vers
ıngen, meinem Gleim etliche Bandchen auf
inmahl ſchicken zu fünnen, bat die Verzoͤge⸗
ung veranlaßt; es fchmeichelt indeß doch meis
ver kleinen Eitelfeit, daß meinem - Gleim,
inem der erfien unter den wenigen.
Quibus placuisse et cupio et gaudeo
die Zeit nach diefer Bortfegung lang gemors
den iſt. Langfiens in ſechs Wochen wird der
fünfte oder fechste Theil machfolgen, biefer
mit bem Fragment von Idris und Zenide
ıngefüllt, welches zwar (sic visum superis)
mmer noch Fragment iſt, und nun wohl Frag⸗
368
ment bleiben wird ewiglich, aber doch
einer viel correctern Geſtalt, und bie
da mit nicht ganz unerheblichen Verbeſſe
gen, wieder in der Welt erfcheint.
Diefe Meffe hat ung in Goͤtzens füm
chen Werfen, und dem erſten Theil von
ßens Gedichten etwas gebracht, dag und
ganze Zuder voll cacata charta reichlich fd
los hält. Goͤtzens Nachlaß iſt unſchaͤtz
nur Schade, daß ein böfer Genius dieſe
lichen Blumen angebaucht, und ihnen, wi
beforge, vieles von ihrer naibflen Anı
und ihrem füßeflen Duft geraubt bat.
Bon unfers Herders zerfireuten Blaͤl
fage ich Ihnen nichts, weil dag Belle,
ich davon fagen könnte, noch immer weil
ter ihrem Werth und meinem Gefühl blı
würde. Seinen Veberfegungen aus der Al
logie iſt nichts an Schönheit, Zartbeit,
ſcher Farbe und Lieblichkeit gleich. Es if
begreiflich, mit welcher glüdlichen Behe
feit er den leichten griechifchen Geiſt,
einem gemeinen Ucherfeger zwiſchen den
gern verduften würde, zu haſchen, und g
fam im Fluge mit Worten, wie mit e
Öurchfichtigen aus Roſenduͤften gewebten
369
befleiden weiß. Welch ein Gefchenf des
Immels ift ein Mann wie Herder, und an
ic) eine unwuͤrdige, undankbare Zelt ift dieß
Eſchenk verſchwendet!! Ale unfere Liebe,
Sppelt und dreyfach verdoppelt, iſt noch zu
wenig ihn Dafür zu entſchaͤdigen.
* * *, mein Hlebiter Gleim, bat, ohne
nn Schatten einer Urfache, mir eine ans
engen wollen, und ſich ſelbſt garflig in's
wige gefchlagen. Es iſt traurig, daR feine
> n allen den Gategorien, die fonft einen Mens
Sen weiſer und beffer machen, etwas über
«fen unheilbaren, eiteln und infolenten Zwit⸗
& von Tranzofen und Schweizer etwas vers
tag. Da ich nicht ganz ſtillſchweigen konnte,
>» habe ich für's befte gehalten, was ich fagen
‚wollte, bald zu fagen. Sie werden mit mels
er Maͤßigung, wie Ich gewiß glanbe, zufries
en feyn. Aber wehe Ihm, wenn cr an Diefer
"anften Correction nicht genug hat! .
Morgen, liebfier Bruder, den ı6. May,
mache ich ein Paar mir fehr liebe anime in-
amorate glüclih, indem ih meine Go
phie, die Ahnen vor gehn Fahren als ein
Mädchen von ſechs bis ſieben Jahren fo lieb
war, mit einem Ihnen zwar noch unbekann⸗
KRissands Briefe III. ©. 24
370
ten, aber gewiß mit einem von den
Menfchen, die jemahld von einem Weil
boren murden, verbeurathe. Die Gefd
wie und auf wag Art diefer junge Man
den Molfen, oder vielmehr aus den !
irgend eines Gottes in meinen Schtos
len, und mir und meiner Frau (für
Werth ich keinen Nahmen weiß) fo I
worden, daß wir ihn mit einftimmigen
fall unfers Kopfes und Herzens zu ı
Sohne angenommen haben, — es I
wunderbare Gefchichte — aber fie muß ı
Lich erzähle werden. Kommen Sie,
Bruder Gleim, und boren Sie und febe
Sie werden eine durch Liebe, Harmor
Einfalt des Herzens glüdliche Familie
wie vielleicht Feine andere In der W
Unfre Herderin kann Ihnen fagen, w
meine Wahl ihren, ihres Mannes un
thens Beyfal hat. Geben auch Sie uı
ven Segen, mein liebfter Bruder, und cı
gen Sie, im Nahmen alle Meinigen
berzlihe Umarmung von Ihrem ewig
Sreund und Bruder MB,
Nur noch ein Wörtchen, liebſter 2
von meinem neuen Schwiegerfohn. €
371
Seinhold ‚ iſt ein gebohrner Wiener, bat,
Zne ein Avanturier zu feyn, und wiewohl .
= erfi 26 Jahr alt iſt,. ſonderbare und merk⸗
Bürdige Wege durchgangen, war ehemahls,
nd iſt noch jetzt ein Liebling einiger der beſten
Renfchen in Wien, und bat dato den Chas
after eines hiefigen Rathes von unferm guten
yerzog erhalten. Ich habe Ihn fo arrangirt,
aß er mehrere Jahre, bey mäßiger litteraris
Her Befchäftigung , ohne ein Amt nöthig zu
aben, gemächlic) leben kann. Er ‚bleibe
ey mir im Haufe, und wir werden ung
hwerlich eher trennen, bis Fein Raum mehr
ir beyde da ift, oder Ich durch eine Reife In
ie andre Welt Plag mache. Bon feinem
zeiſte und feinen Fähigkeiten können Sie ſich
Inigen aber doch nur ſehr unvollfiändigen
zegriff aus etlichen Auffagen von ihm mas
yen, als da find: Merkur 1784. Nee, 1 und 4
m Julius. Neo, 4 und 7 im Auguſt.
2 und 3 im September. Nro. 6. im
Rovember — ingleichen die Recenfion von
Meiners Briefen uber die Schmweis,
nd Düvals Werfen im December 1784.
Die Necenfion von Herder Philofophie
er Gefchichte und von Zimmermanns
4
mahl feine Fehlbitte hun Ihren ganz eigenm
Freund und Bruder W. |
CCCX.
An Voß.
Weimar, November 1784
Ich gaͤbe etwas darum, liebſter Voß, wenn
ich Ihnen meine Antwort auf Ihren Brief vom,
7, Detober und meinen Dank für Ihre Idylle
muͤndlich und von Angeficht gu Anſicht geben
und selgen Eonnte. Sie würden dann unmit
telbar fühlen, wie warm beydes aus meinem ,
Herzen koͤmmt — In weniger als einer Bier |
telffunde würde und zu Muthe feyn, als ob
wir und fhon zwanzig Jahre Fennten und ge |
liebe hätten ; ale Mißverfländniffe würden auf '
ewig gehoben, ale Zweifel aufgelöfee feyn;
und niemahls, das bin Ich gewiß, wuͤrden
wir wieder einer an dem andern irre werden
konnen. Mittelsmaͤnner find nicht allemahl die |
gefchickteften Werkzeuge zu jenen Zwecken; und
ſelbſt Briefe find es nicht, wenigſtens die
meinigen nur felten; denn fie find faft immer
entweder gu warm oder zu Falt, und bedürfen
fait immer, um recht verflanden gu werden,
/
363,
Sdaß man den Schreiber perſoͤnlich kenne.
Haͤtte ich Ihnen vor vier Wochen, da ich
Ihren Brief mit der delicioͤſen Idylle, dieſem
mir ſo werthen Pfand Ihres mir wieder ge⸗
ſchenkten Vertrauens, erhielt, haͤtt' ich Ihnen
da gleich ſchreiben koͤnnen, ſo wuͤrden Sie
einen ſo warmen, ſchwaͤrmeriſchen Brief be⸗
kommen haben, daß er Ihnen vielleicht eben
dadurch verdaͤchtig worden waͤre. — Doch weg
mit allem Mißtrauen, und mit allen Erinnes
rungen an vergangene Irrthuͤmer und Webers
eilungen. Ste haben mir die meinigen vers
geben; meine Meinung und Abſicht war nicht
übel; aber ich fehlte fehr im Mittel, wie es
zu gchen pflegt, wenn man ein Ding zu baflig
und zu einfeitig angefehen hat. — Kurz, lieber
Voß, ich haste beifer gethan, mich in Ihre
Handel mit 2. Cder mid ohnehin nicht naher
angeht, als der König von Cochinchina) nicht
einzumifchen, und allenfalls das was mir an
Ihnen, bloß aus Freundfchaft für Ste, ans
ftößig an der Art, wie Sie fi) gegen die B.
und & * * vertheidigten, mar, Ihnen sub
‚ rosa und nicht vor der ganzen Welt fagen
ſollen ıc. Was gefiheben tft, kann nun freys
lich nicht ungefchehen gemacht werden, —
364
es gibt immer Gelegenheiten, der Wi
zeigen, daß wir Freunde find, und Sie,
Lieber, begnügen fich mit diefee Are voı
nugthuung. Ich werde, um meinem e
Herzen genug zu thun, nie zu viel und 5
zeigen koͤnnen, daß ih Sie, fo ſehr a
ohne perfönlihe Bekauntſchaft nur i
möglich iſt, Eenne, ehre und liebe.
Ueber eine Stelle Ihres Briefchens
ich ihnen noch ein paar Worte fagen: „!
Gie uns Freunde feyn“ Cfind Ihre Q
„Sie fiehen hoch über mir, aber mein
ift Ihrer nicht unwerth.“ — Dieß St«
hen hoch über mir — kann Ihnen
wohl nicht ernſt ſeyn — oder es waͤre
Ihrer Seite ein gewaltiger optiſcher
trug. Denn wenn es wirklich fo t
fo müßte ich doch auch etwas davon w
ch geitebe Ihnen aufrichtig, daß das äuj|
was ich meiner Eigenliebe zu gefallen
fann, tft, wenn ich Ihr, ohne allguge
Unterfuchung,, einraume, Daß ich mit ben
ſten guten Menfchen meiner und jeder an
Zeit fo viel gemein habe, um mich &
pres für Ihres gleichen halten zu kön
Glauben Sie mir, lieber Voß, Daß Sie
. 365
meiner Art zw denken nach, ein größer Coms
>Iinsent machen, wenn Sie mich für Ihren
Seiſtes⸗Verwandten erkennen, als wenn Sie
mir etwas fagen, das Ich felbft fo wenig
glaube, daß es mir auch unbegreiflich iſt, wie
Sie es glauben fönnten. Aber kein Wort
mehr bievon. Das was den wahren Mena
fhen ausmacht, gibt allen, die e8 haben,
‚gleichen Werth. Das Uebrige find, Zufällige
keiten, die von tauſend aͤußern Umfländen abs
‚bangen, und meiftens nur anfcheinende Vor—⸗
‚güge oder Nachtheile geben. Ich fam z. €.
‚früher in die Welt, Sie fpäter. Diefer einzige
Umftand war beyden in gewiffen Stuͤcken vors
theilhaft und nachtheilig, aber beym Lichte bes
ſehen, compenfirt fich meiſtens eines gegen
Das andere, und am Ende hat fih Niemand
gegen die Natur über Vernachthelligung zu
beklagen.
Ihre Idylle, mein Beſter, wird das Novem⸗
berſtuͤk vom D. M. gut machen helfen. Ach
muͤßt' Ihnen einen Bogen voll ſchreiben, um
Ihnen en detail zu ſagen, wie ſehr, warum
ich von allen Ihren Idyllen und beſonders
von dieſer bezaubert bin. Der Geiſt der Ddyfa
fee hat Sie fo ganz durchdrungen, daß Allee
366
was auß Ihrer Seele gebt, davon tingir!
und su reinem bomerifhem Golde wird.
In cben diefem Monathſtuͤcke fol auch?
Avertiffement Plag finden und ich will m
nach Mönlichfeit verwenden, leider wenige
zum Subferibiren Immer mehr ungeneigte!
letanten, bello modo dazu zu Ddifponiren.
Die Idylle bar vier Eorrefturen pafl
aber doch, lieber Freund, muß ich Sie ;
Voraus um Geduld bitten, wenn etwa,
ich beforge Dennoch Febler überfehben wo
find. Sie baben feine VBorftelung davon,
ber Voß, mas ich, mit aller meiner vo
manchen mir mißgönnten Liuße, für ein
ſtuͤckeltes Leben lebe, und mie felten ich |
fommen fann nur eine halbe Stunde |
mich ununterbrochen mit einem- Abwefenden
unterreden. Nehmen Ste alfo für dießr
mit dieſem ziemlich leeren Blatte vorlich,
mit dem heiligen Schwur, daß Ich unve
derlih, fo lange ich noch lebe, ſeyn w
Ahr aufrichtiger Treund 2.
367
ECCKI.
An Gleim.
Weimar, den 15. May 1785.
Mein liebſter Bruder, zu einer kleinen Er⸗
untlichkeit für die Apicianiſchen lauticias,
mit unſer feine Freunde, nie vergeſſender
leim unfern leckern Gaumen bewirthet hat,
ſcheine ich hier mit einem Körbchen voll Sees
iſpeiſe, zwar nicht fo fFrifh, als ich wohl
infchen möchte, aber doch fo gut als e8 mein
iner Vorrath vermag. Der gufe Wille, wos
t fie gegeben und angenommen wird, muß
8 Befte dabey thun. Nichts ald mein Ver⸗
sagen, meinem Gleim etliche Bandchen auf
imahl ſchicken zu koͤnnen, hat die Verzoͤge⸗
ng veranlaßt; es ſchmeichelt indeß doch meis
r kleinen Eitelkeit, daß meinem Gleim,
sem der erſten unter den wenigen.
Quibus placuisse et cupio et gaudeo
e zeit nach dieſer Fortfegung lang gewor⸗
n iſt. Laͤngſtens In ſechs Wochen wirb der
nfte oder ſechſte Theil nachfolgen, Diefer
it bem Fragment von Idris und Zenide
gefüllt, welches zwar (sic visum superis)
‚mer noch Fragment iſt, und nun wohl Srags
/
368
ment bleiben wird ewiglich, aber doch
einer viel correctern Geftalt, und bie
Da mit nicht ganz unerheblichen Verbeſſe
gen, wieder in der Welt erfcheint.
Diefe Meſſe hat uns in Goͤtzens ſaͤm
chen Werken, und dem erflen Theil von
ßens Gedichten etwas gebracht, dag und
ganze Fuder voll cacata charta reichlich fi
los haͤlt. Goͤtzens Nachlaß iſt unfchat
nur Schade, daß ein böfer Genius diefe
lichen Blumen angehaucht, und ihnen, wi
beforge, vieles von ihrer naibſten Anı
und ihrem füßeften Duft geraubt bat.
Bon unfers Herderg zerfireuten Blaͤ
fage ich Ihnen nichts, weil dag Befle,
ich davon fagen fünnte, noch immer welı
ter ihrem Werth und meinem Gefühl bl.
würde. Seinen lieberfegungen aug der Yı
logie iſt nichts an Schönheit, Zartheit,
ſcher Farbe und Lieblichfele gleich. Es ifl
begreiflich, mit welcher giüdlichen Beben
feit er dem leichten griechifchen Geiſt,
einem gemeinen Ueberſetzer swifchen den
gern verduften würde, zu hafchen, und gl
fam im Fluge mit Worten, wie mit ed
Öurchfichtigen aus Roſenduͤften gewebten
369
E befleiden weiß. Welch ein Befchenf des
Iimmels ift ein Mann mie Herder, und an
ech eine unwuͤrdige, undankbare Zeit ift dieß
> efchenE verfchwendet!! Alle unfere Liche,
Sppelt und dDreyfach verdoppelt, iſt noch zu
» enig ihn dafür zu entichadigen.
.. *, mein liebſter Gleim, Bat, ohne
en Schatten einer Urſache, mir eine ans
Ängen wollen, und ſich ſelbſt garflig in’s
huge gefchlagen. Es iſt traurig, daR feine
on allen den Gategorien, die fonft einen Mens
chen meifer und beffer machen, etwas über
leſen unhellbaren, eiteln und infolenten Zwit⸗
er von Trangofen und Schweiger etwas vers
mag. Da ich nicht ganz ſtillſchweigen fonnte,
ſo habe ich für’d befte gehalten, was ich fügen
wollte, bald zu fagen. Gie werden mit mels
ner Mäßigung, wie ich gewiß glaube, zufries
den feyn. Aber wehe ihm, wenn er an dieſer
fanften Correction nicht genug hat! .
Morgen, liebſter Bruder, den ı6. May,
mache ich ein Paar mir ſehr liebe anime in-
amorate glüclich, indem ih meine Gos
phie, dee Ahnen vor gehn Fahren als ein
Mädchen von ſechs bis fieben Yahren fo lieb
war, mit einem Ihnen zwar noch unbefanns
Miclands Briefe III. ©. 24
370
ten, aber gewiß mit einem von den be
Menfchen, die jemahls von einem Weibe
beren wurden, verbeurathe. Die Gefgli
wie und auf wag Art diefer junge Mann
den Wolfen, oder vielmehr aus den A
irgend eines Gottes in meinen Scheoß $
len, und mir und meiner Frau (für t
Werth Ich Eeinen Nahmen weiß) fo lie
worden, daß wir ihn mit einflimmigem
fall unfers Kopfes und Herzens zu un
Sohne angenommen haben, — es iſt
wunderbare Sefchichte — aber fie muß m
Lich ersahle werden. Kommen Gie,
Bruder Gleim, und boren Gie und fehen
Sie werden eine Durch Liebe, Harmonlı
Einfalt des Herzens glüdliche Familie fi
wie vielleicht Feine andere In der Wel
Unfre Herderin kann Ihnen fagen, mic
meine Wahl ihren, Ihres Mannes und
thens Beyfal hat. Geben auch Sie unt
ren Segen, mein liebſter Bruder, und em
gen Sie, Im Nahmen aller Meinigen,
herzliche Umarmung von Ihrem ewig 1
Freund und Bruder W.
Nur noch ein Wörtchen, liebſter Br
von meinem neuen Schwiegerſohn. Er
371
‚einbold, ift ein geboßener Wiener, hat,
Hne ein Avanturter zu feyn, und wiewohl
w erft 26 Jahr alt iſt „ſonderbare und merk⸗
yüardige Wege durchgangen, war ehemahls,
nd iſt noch jetzt ein Liebling einiger der beſten
Nenſchen in Wien, und hat dato den Chas
after eines hiefigen Rathes von unferm guten
yerzog erhalten. Ich habe ihn fo arrangirt,
aß er mehrere Jahre, bey mäßiger litteraris
cher Befchäftigung, ohne ein Amt nöthig zu
aben, gemächlich Ieben fann. Er ‚bleibe
ey mir im Haufe, und wir werden ung
chmerlich eber £rennen, bis fein Raum mehr
uͤr beyde da ift, oder Ich durch eine Reife in
ie andre Welt Plag mache. Bon feinem
Zeiſte und feinen Fähigkeiten koͤnnen Sie ſich
einigen aber doch nur ſchr unvollfiändigen
Begriff aus etlichen Auffagen von ihm mas
hen, als da find: Merkur 1784. Pro. ı und 4
im Julius. Nro. 4 und 7 im Augufl.
Neo. 2 und 3 Im September. Nro. 6. im
November — ingleihen die Recenfion von
Meiners Briefen uber die Schweiz,
und Düvals Werfen im December 1784
Die Recenfion von Herders Philoſophiée
der Sefhichte und von Zimmermanns
00373
ıfche ich daß Sie, wo nicht Neflord, doch
rigftend Bodmers fahre der Welt und hs
Freunden leben mögen! denn, wenn Sie
; einft verlaffen müffen
— Pudor et justitiae soror
ı Incorrupta fides, nudaque veritas
Quando ullum invenient parem?
Rich freut gar fehr, daß Sie mit meinem
faß uͤber dden Magnetismus, ber in
; guten Bremen einen fo albernen Spuk
ichtet, zufrieden find. Sie und das Pubs
m billigen ohne Zweifel den humanen und
tierlihen modum procedendi, den Ich
Herrn D. Bier und Conſort eingefchlas
babe. Der Ton, womit ihn unfre Herren
liner angelaffen haben, fält Jedermann
‚ und mir iſt e8 befonders leid, zu_fehen, . -
dieſe Champions der Vernunft unvermerkt
gewiſſe Arroganz und Unduldfamfeit con-
omnes aliter sentientes angenommen ha⸗
, die ihnen und der guten Sache fchaden.
:, auf deffen Seite die Wahrheit und Vers
fe if, kann nie befcheiden und human
ug gegen die Schwacher feyn. — Uebri⸗
8 habe ich meinen Köcher noch nicht vers
fen; die fchärfften Pfeile Hab’ Ich noch
375
Der aufwachfenden, grünenden und blühenden |
Plantage gutartiger, menfchlicher Gefchöpfe, |
Deren geringftes, wie ich hoffe, der Welt durch
Feine Exiſtenz mehr Gutes als Boͤſes thun
Koird. Leben Sie wohl, und lieben immer
Ihren Wieland, |
CCCXIE.
An Leonhard Meifter in Zürich.
Weimar, den ro. September. 1797.
Ich finde mich von ihnen mit einem Schreis
ben vom 28. des abgemichenen Monaths beebrt,
defien Inhalt mich in einige Verlegenheit fett.
Eine ganz offene treuhersige Erklärung wird
wohl das befte Mittel feyn, mich bey einem
Manne von Ihrem Charakter und der fo gütig
von mir zu benfen fcheint, aus ber Sache
zu ziehen.
Mancherley Beweggründe, bie fchon lange -
vorhanden find, aber wegen des Segengemwichts
anderer VBorftelungen und Umflände nicht ges
nug auf mich wuͤrkten, haben mich vor einis
ger Zelt auf den Entfchluß gebracht, authen⸗
tifche Beytrage zu meiner fünftigen
Biographie nah und nah im D. Merkur
377
Mars ı782 au commencement. Janvier 1781.
vol. 2. au commencement, etc. aud) im vol.
37 des Gabinets des Fees in deffen vol. 36
ine elende Ueberfegung des Don’ Sylolo ents
Baͤlt, iſt eine magere'und zum Theil unrichtige
FR otice von dem Verfaffer deffeiben, ich weiß
nicht von wem gegeben worden. ch habe es
ÄäÄmmer unter mir gehalten ‚ diefes Barboulflage
aynbefanntee Burfhe, die von einem Manne
den Sie nicht fennen, nnd von deffen-Schrifs
ten Sie feine Zeile zu lefen im Etande find,
mit fo unverfchamter Dreiftigfeit abfpredhen,
mic) aber oft gewundert, daß unter deu vies
fen Freunden, die ich haben foll (& ce qu’on
dit) fich binnen 10 Jahren feiner gefunden
bat, dem e8 einfiel diefe Noticen und Urtheile
der mir unbefannten Herausgeber der Biblio-
iheque des Romans zu berichtigen,
CCCXIV.
An Gleim.
Im December. 1787.
Mein theurer Bruder Gleim! Ihr liebevol⸗
les Briefchen hat mich zugleich innigſt erfreut
und beſchaͤnt. Ihr Herz iſt und bleibt ſich
368
ment bleiben wird emiglih, aber doch
einer viel correctern Geſtalt, und bier w
da mie nicht ganz unerbeblichen Verbeſſen
gen, wieder in der Welt erfcheint.
Diefe Meffe hat ung in Goͤtzens famnil
chen Werten, und dem erfien Theil von %
ßens Gedichten etwas gebracht, dag ung fü
ganze Fuder voll cacata charta reichlich fehal
los bält. Goͤtzens Nachlaß ift unfchapher
nur Schade, daß ein böfer Genius diefe lid
lichen Blumen angehaucht, und ihnen, wie i
beforge, vieles von ihrer naibſten Anmut
und ihrem füßeften Duft geraubt bat.
Bon unſers Herderg zerfirenten Blaͤtter
fage ich Ihnen nichts, well dag Beſte, wi
ich davon fagen könnte, noch immer welt u
ter ihrem Werth und meinem Gefühl blelk
würde. Seinen Ueberſetzungen aus der Anth
logie ift nichts an Echönheit, Zartheit, fi
fher Farbe und Lieblichkeit gleich. Es iu
begreiflih, mit welcher giüdlichen Behendi
feit er dem leichten griechifchen Geiſt, d
einem gemeinen Ueberſetzer zwifchen den Si
gern verduften würde, zu bafchen, und gie
fam im Fluge mie Worten, wie mit ein
Öurchfichtigen aus Kofenduften gewebten Lei
369
befleiden weiß. Welch ein Gefchenf des
immels ift ein Mann mie Herder, und an
elch eine unwuͤcrdige, undankbare Zeit ift dieß
zfchenf verfchmendet!! Ale unfere. Liebe,
»ppelt und dreyfach verdoppelt, iſt noch zu
enig ihn dafür zu entichadigen.
* * *, mein liebiter Gleim, bat, ohne
m Echatten einer Urfache, mir eine ans
engen wollen, und fich felbft garflig in's
uge gefchlagen. Es iſt traurig, daß feine
n allen den Gategorien, die fonft einen Mens
»en mweifer und beffer machen, etwas über
fen unhellbaren, eiteln und infolenten Zwit⸗
w don FTranzofen und Schweizer etwas vers
9. Da ich nicht ganz ſtillſchweigen konnte,
habe ich fuͤr's beſte gehalten, was ich ſagen
Dilte, bald zu ſagen. Sie werden mit mels
»r Mäßigung, mie Ich gewiß glaube, zufries
"n feyn. Aber wehe ihm, wenn er an dDiefer
wnften Gorrection nicht genug hat! .
Morgen, liebfter Bruder, den ı6. May,
ache ich ein Paar mir ſehr liebe anime in-
morate glüclih, Indem ich meine So
Wie, dee Ahnen vor gehn Fahren ale ein
ädchen von feche bis ſieben Jahren fo lieb
ar, mit einem Ihnen zwar noch unbefanns
Mictands Briefe III. ©. 24
371
einhold, iſt ein geboßener Wiener, bat,
Hne ein Avanturier zu feyn, und wiewohl
nm erft 26 fahr alt it, . fonderbare und merk⸗
sürdige Wege durchgangen, war ehemahls,
ind iſt noch jeßt ein Liebling einiger der beften
Nenfchen In Wien, und hat dato den Chas
after eines hiefigen Rathes von unferm guten
derzog erhalten. Sch habe ihn fo arrangirt,
aß er mehrere Jahre, bey mäßiger litteraris
cher DBefchäftigung, ohne ein Amt nöthig zu
aben, gemächlic) leben kann. Er ‚bleibe
en mie im Haufe, und wir werden ung
chmerlich eher trennen, bis fein Raum mehr
ür beyde da ift, oder Ich ducch eine Reiſe in
ie andıe Welt Plag mache. Don feinem
Zeiſte und feinen Fähigkeiten fünuen Sie ih -
inigen aber doch nur ſchr unvollſtaͤndigen
Begriff aus etlichen Auffagen von ihm mas
hen, als da find: Merkur 1784. Nro. ı und 4
im Julius. Neo, 4 und 7m Augufl.
Nro. 2 und 3 im September. Giro. 6. im
November — ingleichen die Recenfion von
Melners Briefen uber die Schweiz,
und Düvals Werfen im December 1784
Die Necenfion von Herders Philofoppie
der Geſchichte und von Zimmermanns
” 373
ãnſche Ich daß Sie, wo nicht Neſtors, doch
Snigſtens Bodmers jahre der Welt und hs
m Sreunden leben mögen! denn, wenn Gie
us einft verlaffen müffen
' — Pudor et justitiae soror
\ Incorrupta fides, nudaque veritas
/ Quando ullum invenient parem?
Mid) freut gar fehr, daß Ste mit meinem
uffag über den Magnetismus, der in
m guten Bremen einen fo albernen Spuk
richtet, zufrieden find. Sie und das Pubs
um billigen ohne Zweifel ben humanen und
anierlicyen modum procedendi, den id)
te Herrn D. Bicker und Conſort eingefchlas
n habe. Der Ton, womit ihn unfre Herren
erlinge angelaffen haben, fat Jedermann
ıf, und mir iſt es befonders leid, zu ſehen,
aß diefe Champions der Vernunft unvermerkt
ne gemiffe Arroganz und Unduldfamfeit con-
a omnes aliter sentientes angenommen has
en, die Ihnen und der guten Sache ſchaden.
er, auf defien Seite die Wahrheit und Vers
unft iſt, kann nie befcheiden und human
enug gegen die Schwachern feyn. — Uebri⸗
end habe ich meinen Köcher noch nicht vers
hoffen; die fchärfften Pfeile Hab’ ich noch
374
aufbehalten, und will nur erft abwarten,
die bey der Sache intereffirten Bremer
und wie fie meine Hergengerleichterung
nehmen merden.
Die neueften Theile der auserlefenen Gt
folen Sie in furgem erhalten. Wenn Gi
dafuͤr wieder etwas Liebes und Gutes |
fen wollen, mein Bruder Gleim, fo made
Anftalten auf eine ächte Ausgabe aller S
Schriften, fo viele vderfelben mit
Stempel der Unfterblichfeit bezeichnet find
deren find viele. Es wäre nicht recht,
Sie uns dieſes Gefchent länger vorent
mollten; und mit Freuden wollte ich,
Sie mir einen Auftrag dabey geben w:
einen Theil meiner kurz zugemeffenen Zei
opfern, um etwas zu Diefer Ausgabe :
tragen.
Lucian, an dem ich con amore aı
macht jest einen großen Theil des (
meined Lebens aus. In anderthalb
a dato, fo wir leben, wird auch dieſes
teuer beftanden feyn. — Sonft iſt alles
bey mie und gebdeihet, und ich lebe gl:
tie ein Patriarch, (wiewohl ohne R
haafe und Efel) mitten unter einer um
375
* auftwachfenden, grünenden und blühenden \
antage gutartiger, menfchlicher Geſchdpfe,
en geringſtes, mie ich hoffe, der Welt durch;
ne Exiſtenz mehr Gutes ald Boͤſes thun !
ed. Leben Sie wohl, und lieben Immer
ven Wieland, |
CCCXIE.
An Leonhard Meifter in Zürich
Weimar, den 10. September. 1787.
Ich finde mich von Ihnen mit einem Schreis
n vom 28. des abgemwichenen Monaths beebrt,
ffen Inhalt mich in einige Verlegenpeit fett.
Ine ganz offene treuherzige Erflärung wird
oh! das befte Mittel feyn, mich bey einem
tanse von Ihrem Charakter und der fo gütig
In mir zu denken fcheint, aus der Sache
ı ziehen. |
Mancherley Beweggründe, bie fehon lange -
sehanden find, aber wegen des Gegengewichts
derer Vorftelungen und Umflände nicht ges
ug auf mich wuͤrkten, haben mich vor einis
er Zelt auf den Entfchluß gebracht, autbens
iſche Beytraͤge gu meiner fünftigen
ziographie nach und nah im D. Merkur
376
befannt gu machen. Nie babe ich vi
enger Zeit zur Ausführung dieſes
beng gehabt, als dermahlen: aber hr
unmittelbar, als durch die Frau von ka
an mich gebrachted Aufinnen, wird es bi
nigen, und ich bin feft entichloffen, mi
nachitfommenden October den Anfang !
chen. Vielerley Rudtichten und Umftänt
fonderd der erwähnte Mangel an Muße
ben mir nicht, Ihrem Wunfch mede
noch in einem befondern für Ihre Blog
deutſcher Dichter, beftimmten Auffag e
nuͤge zu thun. Gie werden alfo die Gi
ben, jene dem Merkur beflimmten Beyti
erwarten und es wird alsdann von
abyanygen, von diefen Materialien ©
zu machen und Ihnen die beliebige Fı
schen. Angenehm it es mir, daß Her
den Ausländern befonders den Franzoſer
. zuderläßigeres von mir zu fagen entf
ift, als die fchiefen, unrichtigen, ur
Theil unartigen Nachrichten und Urthei
aus zlemlih trüben Quellen, wie e8
in einige Stuͤcke der bibliotheque uniı
des Romans gefloffen find. Voyez
Aoüt 1778 page 72. Mars ı78ı p
377
=ZUrSs 1782 au commencement. Janvier 1781.
2. 2. au commencement, etc. auch im vol.
des Gabinetd des Fees In deffen vol. 36
te elende Ueberfenung des Don’ Sylvlo ents
Lt, ift eine magere’und zum Theil unrichtige
Stice von dem Verfaffer deffeiben, ich weiß
It von wem gegeben worden. Sich habe es
aner unter mir gehalten ‚, dieſes Darboulllage
Kefannter Burſche, die von einem Manne
a Sie nichk fennen, nnd von deffen Schrif⸗
x Sie feine Zelle zu lefen im Etande find,
t fo unverfchamter Dreiftigfeit abſprechen,
ch aber oft gewundert, daß unter deu vies
⁊ Sreunden, die ich haben fol (& ce qu’on
=) fic) binnen 10 fahren feiner gefunden
.t, dem e8 einfiel diefe Noticen und Urtheile
x mir unbefannten Herausgeber der Biblio-
eque des Romans zu berichtigen.
_ CCCXIV..
An Gleim.
Am December. 1787.
Mein theurer Bruder Gleim! hr liebevols
8 Briefhen hat mich zugleich innigſt erfreut
ad beſchaͤnt. Ihr Herz iſt und bleibe fich
378
immer an Wärme und zuborfommenden 9
gleich, und o! gewiß wird dag meinige !
und Danf und Verehrung für Sie fly
fo lang es fchlagen Fann: aber ih ſch
mich doch vor Ihnen und vor mir felbft.
finde meine faum erflärbare Traͤgheit
Schreiben an meine Freunde, die fi |
feit mehrern Jahren meiner bemächtigt
abfheulih, und kann ihrer Doch nicht
werden. Sie, mein Befter, bemeifen
die That, daß die wahre Liebe, bie
Paul an die Eorinther fo vortrefflich di
terifirt, In Ahnen ift, Ihre Liebe hadert ı
eifert nicht, fucht nicht ihr eigneg, er
die Sehler ihrer Freunde, glaubet immer
Befte, duldee alles, hoffet alles — und
liebe Gott lohne Ihnen dafür, und aut
den herrlichen Gedanken, bald, bald -
den erfien Blnmen, die der May au
Fluren fchütten wird, zu Ihrem Wielaı
fommen. Erhalte Ihnen boch der Himme
fundheit Munterfeit und Muße eine fo
Hoffnung in Erfüllung zu bringen. Gie
dann auch meinen Sohn Heinhold f
lernen. Nicht er, fondern (wie Gile
vermuthet haben) ohne Zweifel Derber |
. 0329
„jerfaffer der Schrift über .Horen und Gras
en. | | |
*Ich flede bis über die Ohren in meinem
Mcian, und habe Feine Zeit Recenfionen zu
efen. Die Bibllothek der fchönen Wiſſenſchaf⸗
ten aber fehe ich gar nicht; weil ich Die
Schwachheit habe, ein Sournaly mwerin ich
sinmal fchief oder unartig recenfirt worden
Jin, nie ohne Widerwillen nur nennen hören
zu koͤnnen, und bey feinem Anblick ungefähr
Das enipfinde, was einer, der einmahl am
Pranger geftanden bat, bey'm Anblick eines
Pilory oder Galgens fühlt. |
Serus in coelum redeas! tft unfer herzli⸗
he Wunſch bey bevorfiehendem Jahreswechſel
und fo empfeble Ich ihnen, mit allem mag
Eein if, Ihren alten Freund und Bruder
| Wieland.
CCCXV.
An Leonh. Meiſter in Zürich
Weimart, den 28. December. 1787.
Als ich Ihnen aus dem Merkur etwas einer
Biographie aͤhnliches verſprach, war es wirke-
381
Slieder feit 150 Fahren Anfehnliche öffentliche.
Yemter in diefer Eleinen Republic verwaltet
Jaben, Diefer Umftand verbunden mit der das
mahligen großen Srugalität und Simplicität der
Bebensart und Sitten an dieſem Drte mit einer
Dirt von Naturleben in einer ſehr anmuthis
gen Gegend, bey nicht duͤrftigen, aber Doc)
auf dag Nothmwendige befihränften Vermögengs
umſtaͤnden, hatten großen Einfluß auf meine
erfie Bildung. Ich war fehr. frühzeitig und
mein Vater war von meinem dritten Jahre an
mein erſter Lehrer. Mit 8 Jahren las ich
Nepotis vitas fchon mit den feurigfien Ges
fühlen — im ızten Jahre verfland oder divis
nirte ich meinen Horaz und Birgil beffer als
mein Lehrer. Bon meinem ı2ten big ing ıate
Jahr machte ich eine unendliche Menge Deuts
fcher und Lateinifcher Verſe, die freylich elend
genug waren, — fieng im ı3ten fchon ein Nels
dengedicht — die Zerfiörung Jeruſalems an.
Mit,ız 1/2 Fahren ward ich nach Klofters
bergen bey Magdeburg, eine damahls unter der
Des bis zur Schwaͤrmerey devoten Abts Steins
metz Aufſicht ſtehenden beruͤhmten Schule ges
ſchickt. Ich blieb dort zwey Jahre, machte
ſtarke Progreſſen in litteris, ſchwaͤrmte anfangs
372
Einfamteit. Ingleichen die Apologie
Herder, oder das Schreiben des Pfar
von *** im Februar 1785. — Alles dieß
einzelne Fuͤnklein und Strahlen. Es liegt ı
viel, fehr viel in biefem Kopf und diel
Herzen, das noch nicht offenbar if. —
Nun leben Sie wohl, mein edler, lieb
würdiger Freund, leben Sie nody lange u
ung et serus in coclum redeas!
CCCXII.
An Ebendenfelben.
Januar ı
Mein tbeuerfter Gleim, des Himmels bi
Segen auf Sie, deffen reine, aus unver
barer Duelle irömende Güte des Herzens ni
hemmen, nichts trüben noch irre machen fc
Sie follten mich fchelten, mein Befter, für
fo langes Stilifchweigen auf fo mandye |
reihe Erfcheinungen, die Ihr Geiſt bey
gemacht bat, und Sie danken mir, verfcı
mic) felbft mie dem Schatten eines Borwı
oder Mißtrauend in bie ewige Freundſch
die ihnen mein Herz gewidmet bat. Wie
liebe und verehre Ich Sie dafür! Wie heri
” 373
ainfche Ich daß Ste, wo nicht Neſtors, doc)
enigſtens Bodmers fahre der Welt und hs
en Freunden leben mögen! denn, wenn Sie
ms einft verlaffen müffen
— Pudor et justitiae soror
Incorrupta fides, nudaque veritas
/ Quando ullum invenient parem?
Mich freut gar fehr, daß Ste mit meinem
lufſatz uͤber dden Magnetismug, der in
em guten Bremen einen fo albernen Spuk
nrichtet, zufrieden find. Sie und dag Pubs
ikum billigen ohne Zweifel ben humanen und
manierlichen modum procedendi, den ich
nit Deren D. Dicker und Confort eingefchlas
en habe. Der Ton, womit ihn unfre Herren
Berlinge angelaffen haben, fallt Jedermann
uf, und mir iſt e8 befonders leid, zu ſehen,
daß diefe Champions ber Vernunft unvermerkt
eine gewiſſe Arroganz und Unduldfamfeit con-
Ira omnes aliter sentientes angenommen ha⸗
ben, die ihnen und der guten Sache fchaden.
Der, auf deffen Seite die Wahrheit und Ver;
nunft if, kann nie befcheiden und human
genug gegen die Schwachern feyn. — Uebri⸗
gend habe ich meinen Köcher noch) nicht vers
hoffen; die fchärfften Pfeile Hab’ ich no
375
Mer aufmwachfenden, grünenden und blühenden \
Wiantage gutartiger, menfchlicher Geſchoͤpfe,
Deren geringfies, tie ich hoffe, der Welt durch ,
Beine Eriftens mehr Gutes als Boͤſes thun !
Koird. Leben Sie wohl, und Lieben immer
FHren Wieland. |
CCCXIEL
An Leonhard Meifter in Zürich.
Weimar, den 10. September. 1797.
Ich finde mich von Ihnen mit einem Schreis
ben vom 28. des abgemwichenen Monaths beebrt,
deffen Inhalt mich in einige Verlegenpeit ſetzt.
Eine ganz offene treuhersige Erklärung wird
wohl das befte Mittel feyn, mich bey einem
Manne von Ihrem Charakter und der fo gütig
von mir zu benfen ſcheint, aus der Sache
zu ziehen.
Mancherley Beweggruͤnde, die ſchon lange ˖
vorhanden ſind, aber wegen des Gegengewichts
anderer Vorſtellungen und Umſtaͤnde nicht ge⸗
nug auf mich wuͤrkten, haben mich vor eini⸗
ger Zelt auf den Entſchluß gebracht, authens
tifche Beytraͤge zu meiner fünftigen
Biographie nah und nah im D. Merkur
376 .
befannt zu machen. Nie Habe ich vi
wen ger Zeit zur Ausführung dieſes
bens gehabt, als dermahlen: aber Ihr
unmittelbar, als durch die Frau von fa
an mich gebrachtes Aufinnen, wird es bı
nigen, und ich bin feſt entſchloſſen, m
nachitfommenden Detober den Anfang :
chen. Vielerley Nudiichten und Umſtaͤnd
fonderg der erwähnte Mangel an Muße
ben mir nie, Sorem Wunſch mede
noch in einem befondern für Ihre Biog
deutſcher Dichter, beſtimmten Auffaß ei
nuͤge zu thun. Sie werden alfo die Gu
ben, jene dem Merkur beflimmten Bepytr:
erwarten und c8 Wird alsdann bon
abyanygen, von diefen Materialien Ge
su machen und Ihnen Die beliebige Sc
schen. Angenehm it e8 mir, daß Herr
den Ausländern befonders den Srangofen
. zuderiäßigered von mic zu fagen entid
ift, als die fihiefen, unrichtigen, und
Theil unartigen Nachrichten und Urtheil
aus ziemlidy trüben Quellen, wie e8 fc
in einige Stücde der bibliotheque unive
des Romans gefloffen find. Voyez
Aoüt 1778 page 72. Mars ı78ı pa
377
Mars ı782 au commencement. Janvier ı7Bı.
vol. 2. au commencement, etc. aud) im vol.
37 des Cabinets des Fees In deffen vol. 36
sine elende Ueberfegung des Don’ Sylvlo ents
zaͤlt, ift eine magere'und zum Theil unrichtige
Notice von dem Verfaffer deffeiben, ich weiß
nicht von wem gegeben worden. Sch habe es
Immer unter mir gehalten ‚, diefes Barboulllage
unbefannter Burfche, die von einem Manne
den Sie nicht fennen, nnd von deffen-Schrifs
ten Sie feine Zelle zu lefen im Stande find,
mit fo umnverfchamter Dreiftigfeit abfprechen,
mic) aber oft getwundert, daß unter deu dies
len Freunden, die ich haben foll (A ce qu’on
dit) fich binnen 10 fahren feiner gefunden
bat, dem es einfiel diefe Noticen und Urrheite
der mir unbefannten Herausgeber der Biblio-
iheque des Romans zu berichtigen.
CCCXIV.
An Gleim.
Im December. 17387.
Mein theurer Bruder Gleim! hr liebevol-
les Briefchen hat mich zugleich innigſt erfreut
und beſchaͤmt. Ihr Herz If und bleibt ſich
378
immer an Wärme und zuborfommenden
gleich, und o! gewiß wird dag meinige
und Dank und Verehrung für Sie fl:
fo lang e8 fchlagen fann: aber ich fü
mich doch vor ihnen und vor mie felbft.
finde meine faum erfläcbare Trägheit
Schreiben an meine Freunde, die fich
feie mehrern Jahren meiner bemächtigt
abfcheulich, und kann Ihrer doch nich
werden. Sie, mein Beſter, beweifen
die That, daß die wahre Liebe, die
Daul an die Eorinther fo vortrefflich c
terifirt, in Ihnen ift, Ihre Liebe badert
eifere nicht, fucht nicht Ihr eigneg, e
die Fehler ihrer Freunde, glaubet imme
Beſte, duldet alles, hoffet alles — un
liebe Gott lohne Ihnen dafür, und au
den herrlichen Gedanfen, bald, bald -
den erfien DBinmen, die der May aı
Fluren fchutten wird, zu Ihrem Wiela
fommen, Erhalte Ihnen boch der Himm
fundheit Munterfeie und Muße eine fı
Hoffnung in Erfüllung zu bringen. Gie
dann auch meinen Sohn Neinhold |
lernen. Nicht er, fondern (wie Sie
vermuthet haben ) ohne Zweifel Derber
- 379
Werfaffer der * uͤber Horen und Gra⸗
ien.
Ich ſtecke big über die Ohren in meinem
Bucian, und habe feine Zeit Kecenfionen : zu
leſen. Die Bibllothek der fchönen Wiffenfchafs
tern aber fehe ich gar nicht; weil ich die
Schwachheit habe, ein Journal worin ich
einmal ſchief oder unartig recenſirt worden
bin, nie ohne Widerwillen nur nennen hoͤren
zu koͤnnen, und bey ſeinem Anblick ungefaͤhr
Das empfinde, was einer, der einmahl am
Pranger geftanden bat, bey’m Anblick eines
Pllory oder Galgens fühlt. |
Serus in coelum redeas! iſt unfer herzli⸗
he Wunfch bey bevorfiehendem Jahresmechfel
und fo empfehle ich ihnen, mit allem mag
Sein if, Shren alten Sreund und Bruder
Wieland.
CCCXV.
An Leonh. Meiſter im Zuͤrich.
Weimar, den 28. December. 1787.
Als ich Ihnen aus dem Merkur etwas einer
Biographle ähnliches serfprach, war es wirk⸗
381
lieder feit 150 Fahren Anfehnliche öffentliche.
Aemter in diefer Eleinen Republick verwaltet
Jaben. Diefer Umftand verbunden mit der das
mahligen großen Srugalität und Simplicität der
Bebensart und Sitten an dieſem Orte mit einer
Urt von Naturleben in einer fehr anmuthis
zen Gegend, bey nicht Därftigen, aber Doc)
uf dag Nothwendige befihränften Vermögens
umſtaͤnden, hatten großen Einfluß auf meine
erſte Bildung. Sch mar fehr: frühzeitig und
mein Bater war von meinem dritten Sabre an
mein erfter Lehrer. Miet 8 Jahren las ich
Nepotis vitas ſchon mit den feurigfien Ges
fühlen — im ızten Jahre verfiand oder Divis
nirte ich meinen Horaz und Virgil beffer ale
mein Lehrer. Bon meinem ı2ten big Ing ıate
Jahr machte ich eine unendliche Menge Deuts
fcher und Lateinifcher Verfe, die freylich elend
genug waren, — fing im ı3ten fchon ein Hel—⸗
dengedicht — die Zerfiörung Jeruſalems an,
Mit,ı3 1/2 Jahren ward ich nach Klofters
bergen bey Magdeburg, eine damahls unter der
des big zur Schwaͤrmerey devoten Abts Steins
mes Aufſicht ſtehenden berühmten Schule ges
fchickt. Ach blieb dort zwey jahre, machte
ftarke Progreffen in litteris, ſchwaͤrmte anfangs
383 -
par ein ſogenanntes Privatiſſimum, das er
mir uͤber — den Don Quichote las.
Den Charakter meiner Liebe zu Sophien
muß man aus meinen erfien Schriften holen.
Sie war Höchft enthuflafifch, aber. im eigents
Lichen Berflande platgniſch; ich kann mich aber
jetzt nicht darüber ausbreiten. Wir waren im
Jahr 1750 (wo ich erſt fiebzehn Jahr alt war)
nur ohngefähr vier Monathe beyfammen; denn
im November ging ich nach Tübingen, wo id),
ftatt Jura gu fludiren, mich in mein Zimmer
einfihloß , und binnen anderthalb Fahren
meine erſten poetiſchen Schriften fchrieb und
herausgab. — Das Gedicht uber die Natur
Der Dinge war das Werf von drey Monas
ten. Mit allen feinen Mangeln bat es mir
die Liebe Jhred großen Obmann Blaarers
und des vortrefflichen Breitinger® ermors
ben. Beyden hatte ich in der Folge viel zu
Danfen. Mit, Bodmern wurde ich dadurch
befannt, daß ich ihm fuͤnf Geſaͤnge eines in
der Folge caſſirten Gedichts, Arminius in
Hexametern „ohne meinen Nahmen zuſchickte;
es waͤhrte eine Zeit, bis ich ihm eutdeckte,
daß ich der und der, ein Menſch von achtzehn
ein halb Jahren, und Verfaſſer von drey oder
334
vier Werklein ſey, die Er und feln Frau
Hagedorn für Schriften gang verfchiede
Verfaſſer gehalten hatte. Dieß Mar, die ıı
Ucfache der außirordentlichen Affeftion, die
für mich faßte, und einige Jahre behielt. |
lebte bis Oſtern 1759 in der Schweiz,
letzze Jahr in Bern, wo ich in Liaiſon
vortreffliden Perſenen beyderley Geſchiec
beſonders zwey Freundinnen, die wenig i
Gleihen, an Geift und Herz und Eultur
ten, Julie Bondely (# paxapiras)
Mariane Fels lebte. Ueberhaupt habe
meinem ficbenjährigen Aufenthalt in der Sch
den edlen, vorzüglichen und gefchichten Pı
nen, und überhaupt der fehr guten Goch
worin ich dort lebte, unendlich viel zu dan
Sm Jahr 1760 wurde ich ald Senatoı
meine Vaterſtadt berufen, und bald daı
sum Stadrfchreiber und Direktor
Kanzley dafelbit erwahlt. In dieſem Pe
blieb ich bis Oſtern 1700. Die Muſen mi
bier curarum du!ce lenimen für mid).
war bey Bodmern mit der Franzöfifd
Italiaͤniſchen und Englifchen Litteratur
befannt worden. Auf dieſe ſchraͤnkte ich n
faft ganz ein; ich las nichts Deutfcheg n
389
befonder& feine Sournale und nen berauss
ammende Sachen) und Mar von aller Deuts
«hen Litteratur, aus aller Verbindung mit
seutfchen Gelehrten und Schriftftelleen bis ins
Jahr 1768 fo rein Aabgefchnitten, als ob ich
chon den Styr paſſirt Hätte. In diefen acht
Fahren arbeitete ich, meift gu melnem eignen
Broft (weil mir die Rathhaus⸗ und Kanzleys
Befchäfte fehr laͤſig waren) eine Menge Werfe
mus, — als ı) Shafespearg leberfegung
, Bde. 2) Agathon. 3) komiſche Erzähs
ungen. 4) Mufarion, 5) Don Sylvio
‚von Rofalva;z ein Buch, das durch fchlechte
Teberfegungen und Auszüge in eingang
alſches Licht gefeßt worden ift, da feln wah⸗
er Zweck ift, dem Aberglauben einen tödtlichen
Stoß zu geben. 6) Idris. 7) Die erfie Hälfte
som neuen Amadis. — Mit meinem ebergang
aus der Platoniſchen Schwärmerey zur Myſti⸗
fchen (Ao. 1755. 56.) und mit meinem Her⸗
nbfteigen aus den Wolfen auf die Erde
ging es natürlich und gradatim zu; Mein
Cyrus, und meine Panthea und Aras
ſpes waren die erften Früchte der MWiederhers
ftelung meiner Seele in ihre natürlich Lage.
Indeſſen Eonnte 28 nicht anders feyn, ale
ielands Briefe IIL V. 25
377
ars ı782 au commencement. Janvier ı78ı.
wol. 2. au commencement, etc. aud) im vol.
37 des Cabinets des Fees in deſſen vol. 36
eine elende Ueberſetzung des Don Sylvlio ents
zaͤlt, ift eine magere und zum Theil unrichtige
Notice von dem Verfaffer deffeiben, ich weiß
nicht von wem gegeben worden. ch habe es
Immer unter mir gehalten ‚ diefes Barboulllage
anbefanntee Burfche, die von einem Manne
sen Sie nicht kennen, nnd von deffen Scrifs
ten Sie feine Zelle zu lefen im Etande find,
mit fo unverfchamter Dreiftigfeit abfprechen,
mich aber oft getwundert, Daß unter deu dies
fen Freunden, die ich haben foll (& ce qu’on
dit) fi) binnen 10 Fahren Feiner gefunden
bat, dem es einfiel diefe Noticen und Urtheile
der mir unbefannten Herausgeber der Biblio-
theque des Romans zu berichtigen.
CCCXIV.
An Gleim.
Im December. 1787.
Mein theurer Bruder Gleim! Ihr liebevol—
les Briefchen hat mich zugleich innigſt erfreut
und befhamt. Ihr Herz iſt und bleibe ſich
378
immer an Wärme und zuvorkommenden 6
gleich, und o! gewiß wird dag meinige }i
und Danf und Verehrung für Sie fol
fo lang es fchlagen kann: aber id fh
mich doch vor Ihnen und vor mir felbft.
finde meine kaum erflärbare Traͤgheit
Schreiben an meine Freunde, die fich f
feit mehrern Jahren meiner bemächtigt
abfcheulich, und kann ihrer doch nid
werden. Sie, mein Befter, bemeifen |
die That, daß die wahre Liebe, bie
Paul an die Eorinther fo vortrefflih ch
terifire, in Ihnen ift, Ihre Liebe badert ı
eifert nicht, fucht nicht Ihr eigneg, a
die Sehler ihrer Freunde, glaubee immer
Defte, duldet alles, boffet alles — und
liebe Gott lohne Ahnen dafür, und auc
den herrlichen Sedanfen, bald, bald -
den erfien Binmen, die der May au
Fluren fchütten wird, zu Ihrem Wielaı
fommen. Erhalte Ihnen doch der Himme
fundheit Munterkeit und Muße eine fo
Hoffnung in Erfällung zu bringen. Gie
dann auch meinen Sohn Neinhold ek
lernen. Nichte er, fondern (mie Sie
vermuthet haben) ohne Zweifel Derder |
- | 379
| |
!erfaffer der Schrift über .Horen und Gras
en. | |
‚Sch fiede bis über die Ohren in meinem
ucian, und habe Feine Zeit Necenfionen - zu
eſen. Die Bibltorhek der fchönen Wiffenfchafs
en aber ſehe ich gar nicht; weil ich Die
Schwachheit habe, ein Sournal) worin ich
sinmal fchief oder unartig recenfirt ‚worden
Bin, nie ohne Widermwillen nur nennen börcn
zu fönnen, und bey feinem Anblick ungefähre
das empfinde, was einer, der einmahl am
Pranger geftanden hat, bey'm Anblick eines
Pilory oder Galgens fühlt. |
Serus in coelum redeas! {ft unfer herzlis
he Wunfc bey bevorftehendem Jahreswechſel
und fo empfehle Ich Ihnen, mit allem was
Eein if, Ihren alten Freund und Bruder
Mieland.
CCCXV.
An Leonh. Meifter in Zürich
Weimar, den 2g. December. 1787.-
Als ich Ihnen aus dem Merkur etwas einer
Biographie ähnliches verſprach, war es wirk⸗
a}
350
lich meine Meinung. Wort zu haften: abe
bier erfuhr ich, daß
promettre est un et tenir est un au!
Kurz es ift mir jegt phyſiſch nnd me
ſiſch unmöglich, fo etwas nur gu ver|:
aber um fo mehr iſt es Pflicht, daß ich ı
fteng eine Stunde dasu verwende, um d
beit, fo Sie auf mich zu wenden, bie
gehabt haben, nicht Dadurch vergeblich 3
hen, wenn ih Sie der Berichtigungen
ihre bier und da noͤthig find, entbehren
Alfo — da meine Zeit dermahlen theur
als Dftindifches Roſenoͤhl, fogleich ad
Megen bes in proemio viel zu frey—
und mit toirflicher Verſchwendung der |
ten drogue — Hyperbole über mein
torfchaft ausgegoffenen Lobes, wafche ich
Hande — doch möchte ich Sie bitten, de
um einige Noten berabzuftimmen und mi:
derlich die Anbeter Klopſtocks Cden Ich
verehre, wiewohl zwifchen ibm und mi
ein naͤheres Verhältnig Statt gehabt hat)
auf den Hals zu ziehern.
Ich bin den 5. September 1733. In ber |
Reichsſtadt Biberach geboren, auß einer
bürgerlichen Samille daſelbſt, deren fän
381
Slleder feit 150 Fahren Anfehnliche öffentliche.
Aemter in diefer Heinen Republick verwaltee
Haben. Diefer Umftand verbunden mit der das
mahligen großen Srugalität und Simplicitat der
Rebensart und Sitten an dieſem Orte mit einer
Dire von Naturleben in einer fehe anmuthi⸗
gen Gegend, bey nicht bürftigen, aber doch
auf das Nothwendige beſchraͤnkten Bermögengs
umfländen, batten großen Einfluß auf meine
erfte Bildung. Ich war fehr. frühzeitig und
mein Vater war von meinem dritten Jahre an
mein erfler Lehrer. Mit 8 jahren las ich
Nepotis vitas fon mit den feurigfien Ges
fühlen — im ızten Sjahre verfland oder divi⸗
nirte ich meinen Horaz und Virgil beffer als
mein Lehrer. Von meinem ı2ten big ing ı4te
Jahr machte ich eine unendliche Menge Deuts
fcher und Lateinifcher Verfe, die freylich elend
genug maren, — fieng im ı3ten ſchon ein Nels
Dengedicht — die Zerfiörung Jeruſalems an,
Mit,ız 1/2 Jahren ward ich nach Klofters
bergen bey Magdeburg, eine damahls unter der
des big zur Schwaͤrmerey devoten Abts Steins
mes Aufficht ſtehenden berubmten Schule ges
ſchickt. Ach blieb dort zwey Jahre, machte
ſtarke Progreffen in litteris, ſchwaͤrmte anfangs
382
mit, fam aber bald wieder durchm ein!
liges Lieblingsſtudium, nahmlich durc
poetifcye Manier In den metaphyſiſchen
incognitis herum zu vagiren, ins frei
von einem Syſtem aufs andere. Id
etwas weniges uber funfzehn Fahre, a
eig kleiner Auffag über die Moͤglic
tie Venus aus Meerfhaum Habe ent
und auf gleiche Weife dag ganze Unir
ohne den lieben Gott, aus ewigen Ele
fi) babe formiren fönnen 9), beynah
böfe Händel in meinem Klofter zugezogen
Uebrigens war ich damahls fchon Bi:
Entbufiagmus BAonxdos und in diefen
trug Eenophon, der englifche Spectator,
ler und Guardian, ſehr viel zu meine
dung bey.
In meinem fechzehnten Jahre Hielt ich
anftatt nah Haufe zu reifen, wie ich
ein Fahr zu Erfurt bey Doftor Bau
auf Cder nachmahls als Profeffor der M
und Chemie nach Gießen fam, und ve
lih noch lebt) um bey ihm In ber Philo
jusunchmen. Das befle mas er an. mit
*) Brief an Bodmer vom 6. März 1752. I
S. 38.
33.
Jar ein fogenanntes Privatiffimum, dag er
nir uͤber — den Don Quichote las.
Den Charakter meiner Liebe zu Sophien
nuß man aus meinen erfien Schriften holen.
Sie war Höchft enthuſiaſtiſch, aber im eigents
ichen Berflande platgniſch; ich kann mic) aber
etzt nicht darüber ausbreiten. Wir waren. im
Fahr 1750 (wo ich erſt fiebzehn Jahr alt war)
sur ohngefähr vier Monathe beyfammen; denn
im November ging ich nach Tübingen, wo Id),
flatt Jura gu fludiren, mich in mein Zimmer
einſchloß, und binnen anderthalb Jahren
meine erften poetiſchen Schriften fehrieb und
herausgab. — Das Gedicht uber die Natur
Der Dinge war dad Werk von drey Monas
ten. Miet allen feinen Mängeln bat e8 mir
Die Liebe Ihres großen Obmann Blaarers
und des vortrefflichen Breitingerg ermors
ben. Beyden hatte ich in der Zolge viel zu
Danfen. Mit, Bodmern wurde ich dadurch
befannt, daß ich ihm fünf Gefänge eines in
der Folge caffirten Gedichts, Arminius in
Herametern, ohne meinen Nahmen zufchichte;
es waͤhrte eine Zeit, bis ich ibm eutdeckte,
Daß ich der und der, ein Menfch von achtzehn
ein halb Jabren, und Verfaſſer von drey oder
334
vier MWerflein fey, die Er und fein Fra
Hagedorn für Schriften gang verſchieden
Berfaffer gehalten hatte. Dieß war, die mi
Ucjache der außirordentlichen Affeftion, die
für mich faßte, und einige Jahre bebiclt. !
lebte bis Oſtern 1759 in Der Schweiz, \
legte Jahr In Bern, wo ich in Kiaifon
vortrefflicden Verjsnen beyderley Gefchle:
befonders zwey Freundinnen, die wenig il
Gleihen, an Geift und Ders und Eultur
ten, Julie Bondely (W pareziras)
Mariane Fels lebte. Ueberhaupt habı
meinem fiebenjährigen Aufenthalt in der Sch
den edlen, vorzüglichen und gefchichten P
nen, und nberhaupt der fehr guten Goch
worin ich dort lebte, unendlich viel zu dar
Sm Jahr 1760 wurde ich al8 Senato
meine Vaterſtadt berufen, und bald da
sum Stadefchreiber und Direktor
Kanzley dafelbit erwaͤhlt. In dieſem Pe
blieb ich bis Oſtern 1769. Die Muſen mwı
bier curarum dulce lenimen für mid).
war bey Bodmern mit der Franzöjifd
Italiaͤniſchen und Englifchen Litteratur
befanut worden. Yuf diefe fchränfte ich r
faft ganz ein; ich las nichts Deutſches n
339
efonders feine Journale und nen herauss
mmende Sachen) und tar von aller deut
ben Litteratur, aus aller Verbindung mit
eutſchen Gelehrten und Schriftfiellern bis Ing
Bahr 1768 fo rein abgefchnitten, als ob ich
Hon den Styr paffire hätte. In dieſen acht
fahren arbeitete ich, meift su meinem eignen
roſt (weil mir die Rathhaus⸗ und Kanzley⸗
zeſchaͤfte ſehr laͤſtig waren) eine Menge Werke
us, — als 1) Shakespears Ueberſetzung
Bde. 2) Agathon. 3) komiſche Erzaͤh—
ungen. 4) Mufarion, 5) Don Sylvio
on Roſalvba; ein Buch, das durch ſchlechte
eberfegungen und Auszüge in eingang
alſches Kicht gefegt worden ift, ba fein wah⸗
er Zweck ift, dem Aberglauben einen tödtlichen
5coß zu geben. 6) Idris. 7) Die erſte Hälfte
om neuen Amadis. = Mit meinem Üebergang
ug der Platoniſchen Schwärmerey zur Myſti⸗
hen (Ao. 1755. 56.) und .mit meinem Hers
bfieigen aus den Wolfen auf die Erde
ing ed natürlich und gradatim zu; Mein |
yrus, und meine Panthea und Aras
pes waren die erfien Früchte der Wiederhers
telung meiner Seele in ihre natürljcht Lage.
Indeffen Konnte es nicht anders feyn, ale
Folelands Briefe IIL B. 25
337
fen, nach und nach aber erwarb Ich mir dag
utrauen beyder Keligiong s Parteyen, und
‚zan ließ mic, fehr ungerne ziehen, als ich den
on dem höchfifeligen vortrefflichen Churfürften
Emmerich Joſeph zu. Mainz erhaltenen
Ruf (nicht al8 Kanzler fondern alg Regies
ungsrath und erfter Profeffor der Philoſophle)
uf der von Ihm neubelebten und erweiterten
Iniverfttäat Erfurt erhielt. Sein damaliger
efier Minifter, Baron von Grofchlag, der
sich zu Warthaufen hatte kennen gelernt,
atte hieran den mellten Antbeil, und ‚ich
rachte unter feinem Schus und mit. feiner
zreundſchaft beehrt, drey fehr angenehme Jahre
n Erfurt zu; — wo ich nach und nach wieder
wit der Deutfchen Litteratur Befannt wurde —
>enn meine Gleichgültigfeit hierüber war fo
woß gemefen, daß es mir ganz was Neues
var, No. 1768 durch einen Brief von meinem
achmahligen Freund und Collegen Riedel
n Erfurt, gu erfahren, daß mie Agatbon,
Nuſarion und andere Schriften Hroßen
Beyfall und Gelebritat in Deutfchland” erwors |
yen hätten. .
Sim Jahr 1772 wurde ich an den Weimaris
ſchen Hof eingeladen, und hatte zum erfiens
378
immer an Wärme und zuvorkommenden &4
gleich, und o! gewiß wird dag meinige !i
und Dank und Verehrung für Sie fchlagm
fo lang es fchlagen kann: aber ich ſchaͤm
mich doch vor Fhnen und vor mir felbft. #
finde meine kaum erflärbare Traͤgheit zu
Schreiben an meine Freunde, die fich fe
feit mehrern Jahren meiner bemächtigt ha
abfcheulih, und kann ihrer Doch nicht Ie
werden. Sie, mein Befter, bemweifen dur
die That, daß die wahre Liebe, die St
Paul an die Gorinther fo vortrefflich chara
terifire, In Ihnen ift, Ihre Liebe hadert nid
eifert nicht, fucht nicht ibr eigneg, erträ
die Fehler ihrer Freunde, glaubee immer bı
Beſte, duldet alles, boffet alles — und d
liebe Gott lohne Ihnen dafür, und aud f
den berrlichen Gedanken, bald, bald — n
den erfien Binmen, die der May auf |
Fluren fchüutten wird, zu Ihrem Wieland
fommen. Erhalte Ahnen doch der Himmel €
fundheit Munterfeite und Muße eine fo fı
Hoffnung in Erfüllung zu bringen. Gie fol
dann auch meinen Sohn Reinhold ken
lernen. Nicht er, fondern (mie Sie fl
vermuthet haben) ohne Zweifel Merder iſt
- « 329
zerfaſſer der Schrift uͤber Horen und Gras
ien. | = | |
Ich fiede bis aber die Ohren in meinem
Bucian, und habe Feine Zeit NRecenfionen - zu
efen. Die Bibliothek der fehönen Wiffenfchafs
ters aber febe ich gar nicht; weil id die
Schwachheit habe, ein Sournal) worin ich
einmal fchief oder unartig recenfirt ‚worden
bin, nie ohne Widerwillen nur nennen bören
zu Fönnen, und bey feinem Anblick ungefähr
Das empfinde, was einer, der einmahl am
Pranger geflanden hat, bey'm Anblick eines
Pilory oder Galgens fühlt. |
Serus in coelum redeas! iſt unfer herzlis
he Wunfch bey bevorftehendem Jahreswechſel
und fo empfehle ich Ihnen, mit alem mas
Eein if, Ihren alten Freund und Bruder
Wieland.
CCCXV.
An Leonh. Meifter in Zürich.
Weimar, den 28. December. 1787.
Als ich Ihnen aus dem Merkur etwas einer
Biographie ähnliches verfprach, war es wirks
.
370 s
lich meine Meinung. Wort ju halten: ab:
bier erfuhr ich, daß
prometire est un et tenir est un ar
Kurz es ift mir jetzt phyfifh nnd m
ſiſch unmöglich, fo etwas nur zu ber
aber um fo mehr iſt es Pflicht, daß ich
ftieng eine Stunde dazu verwende, um I
beit, fo Sie auf mich zu wenden, di
gehabt haben, nicht dadurch vergeblich ;
chen, wenn Ih Sie der Berichtigung:
ihr bier und da noͤthig find, entbehrer
Alfo — da meine Zelt dermablen theu
als Dftindifches Nofenöhl, fogleich ad
Wegen des in proemio viel zu frer
und mit twirflicher Verſchwendung der
ten drogue — Hyperbole über melı
torfchaft ausgegoffenen Lobes, wafche ich
Hande — doch möchte Ich Sie bitten, d.
um einige Noten berabzuflimmen und m
derlich die Anbeter Klopſtocks Cden id
verehre, wiewohl zwiſchen Ibm und n
ein naheres Verhaͤltniß Statt gehabt Hat
auf den Hals zu ziehen.
Sch bin den 5. September 1733. in der
Reichsſtadt Biberach geboren, aus eine
bürgerlichen Samille dafelbft, deren fa
381.
Slleder feit 150 Fahren anfehnliche öffentliche.
Aemter in diefer Eleinen Republick verwaltet
Haben. Diefer Umſtand verbunden mit der das
mahligen großen Srugalität und Simplicität der
Bebensart und Sitten an dieſem Orte mit einer
Dirt von Naturleben in einer fehr anmuthis
gen Gegend, bey nicht bärftigen, aber doch
auf das Nothwendige beſchraͤnkten Bermögengs
umflanden, batten großen Einfluß auf meine
erfie Bildung. Sch war fehr: frühzeitig und
mein Vater war von meinem dritten Sabre an
mein erſter Lehrer. Mit 8 Jahren las ich
Nepotis vitas ſchon mit den feurigfien Ges
fühlen — im ızten Jahre verfiand oder Divis
nirte ich meinen Horaz und Birgil beffer als
mein Lehrer. Bon meinem ı2ten bis ing ı4te
Jahr machte ich eine unendliche Menge Deuts
fcher und Lateinifcher Verfe, die freylich elend
genug waren, — fieng im 13ten fchon ein Hels
dengedicht — die Zerfiörung Jeruſalems an,
Mit,ız3 1/2 Jahren ward ich nach Klofters
bergen bey Magdeburg, eine damahls unter der
des big gur Schwaͤrmerey devoten Abts Steins
mes Aufficht ſtehenden berühmten Schule ges
ſchickt. Ach blieb dort zwey Fahre, machte
ſtarke Progreffen in litteris, ſchwaͤrmte anfangs
382
mit, fam aber bald wieder durchm ein dam
liges Lieblingsſtudium, naͤhmlich durd t
poetiſche Manier in den metaphyſiſchen Te
incognitis herum zu vagiren, ins freye
von einem Syſtem aufs andere. Ich
etwas weniges uͤber funfzehn Jahre, als
eig kleiner Aufſatz über die Moͤglichk
wie Venus aus Meerſchaum habe entſtel
und auf gleiche Weiſe das ganze Univerf
ohne den lieben Gott, aus ewigen Eleme
fih habe formiren fönnen 9), beynabe
böfe Händel in meinem Klofter zugezogen he
Uebrigene mar ich damahls fchon big
Enthufiagmus GrAonxdos und in diefen Fe
trug Zenophon, der englifche Spectator, 3
ler und Guardian, fehr viel gu meiner
dung bey.
Sin meinem fechzehnten Jahre hielt ich n
anftatt nach Haufe zu reifen, wie ich fü
ein Jahr zu Erfurt bey Doktor Baum
auf Cder nachmahls als Profeffor der Med
und Chemie nach Gießen fam, und verm
lich noch lebt) um bey ihm in der Philoſo
zusunchmen. Das befle was er an. mir t
*) Brief an Bodmer vom 6. März 1752, IL ‘
@. 38.
383 .
yar ein fogenanntes Privatiffimum, das er,
sie über — den Don Quichote las. |
Den Charakter meinee Liebe zu Sophien
suß man aus meinen erfien Schriften holen.
5ie war Höchft enthuflaftifch, aber. im eigents
Ichen Berflande platgniſch; ich kann mich aber
etzt nicht Darüber ausbreiten. Wir waren im
fahr 1750 (two ich erſt fiebzehn Jahr alt war)
sur ohngefähr vier Monathe beyfammen; denn
m November ging ich nach Tübingen, wo Ich,
Tate Jura gu fudiren, mich in mein Zimmer
infihloß, und binnen anderthalb Jahren
meine erſten poetifchen Schriften fehrieb und
herausgab. — Das Gedicht über Die Natur
der Dinge war das Werf von drey Monas u
ten. Mit alen feinen Mängeln bat es mir
die Liebe Fhres großen Obmann Blaarers
und des vortrefflichen Breitingers erwors
ben. Beyden harte ich in der Folge viel zu
danfen. Mit, Bodmern murde ich dadurch
befannt, daß ich ihm fünf Gefänge eines in
der Folge caffirten Gedichts, Arminius in
Herametern, ohne meinen Nahmen zufchichte;
es mahrte eine Zeit, bis ich ihm entdecke,
daß ich der und der, ein Menfch von achtzehn
ein halb Jahren, und Verfaſſer von drey oder
334
vier Werklein fey, die Er und fein !
Hagedorn für Schriften gang verſch
Verfaffer gehalten hatte. Dieß tbar, d
Urfache der außirordentlichen Affektion,
für mich faßte, und einige Jahre bebic
Icbte bis Oſtern 1759" in Der Schwei
legte Jahr In Bern, wo ich in Lial
vortrefflicden Perſenen beyderley Gef
beſonders zwey Freundinnen, die wen
Bleiben, an Geiſt und Herz und Eulı
ten, Julie Bondely (i maxarıra
Marlane Fels lebte. Ueberhaupt |
meinem fiebenjährigen Aufenthalt in der
den edlen, vorzüglichen und geſchickter
nen, und uberhaupt der fehr guten €
worin Ich dort lebte, unendlich viel zu
Sm Jahr 1760 wurde ich als Sena
meine Vaterſtadt berufen, und bald
sum Stadtſchreiber und Direkı
Kauzley Ddafelbit erwaͤhlt. In dieſem
blieb ich bis Oſtern 1760. Die Muſen
bier curarum dulce lenimen für mid
war bey Bodmern mit der Franzo
Italiaͤniſchen und Engliſchen Lieteratı
befannt worden. Yuf diefe fchränfte is
faft ganz ein; ich las nichts Deutſchet
359
efonderd feine Journale und nen herauss
Mmende Sachen) und war von aller Deuts
Yen Litteratur, aus aler Verbindung mit
eutſchen Gelehrten und Schriftfielern bis Ind
ahr 1768 fo rein abgefchnitten, als ob ih
bon den Styr paffirt hätte. In dieſen acht
ahren arbeitete ich, meiſt zu meinem eignen
roſt (weil mir die Rathhaus⸗ und Kanzley⸗
eſchaͤfte ſehr laͤſig waren) eine Menge Werke
is, — als 1) Shakespears Ueberſetzung
Bde. 2) Agathon. 3) komiſche Erzaͤh⸗
ıngen. 4) Mufarion, 5) Don Sylvio
In Rofalva; ein Buch, das durch fehlechte
eberfegungen und Auszüge in eingang
ilſches Licht gefeßt worden ift, da fein wah⸗
r Zweck ift, dem Aberglauben einen tödtlichen
toß zu geben. 6) Idris. 7) Die erfte Hälfte
ym neuen Amadis. — Mit meinem Uebergang
18 der Platoniſchen Schwärmerey zur Myſti⸗
hen (Ao. 1755. 56.) und mit meinem Hers
hfteigen aus den Wolken auf die Erde
ing es natürlich und gradatim zu; Mein
yrus, und meine Panthea und Ara
pes waren die erften Früchte der Wiederher⸗
ellung meiner Seele In ihre natürliche Lage.
indeffen Eonnte 28 nicht anders feyn, ald
Wielands Brite 111. 25
986
daß damahls alles noch fehr idealiſch in
nem Kopfe war.
Durh ein paar Jahre Aufenthalt i
zwar Fleinen, aber paritätifchen und ba
fehbr unruhigen Reichsſtadt Biberach
ich ing prafeifche Leben, und dieß
fo außerordentlih auf mih, daß In tı
als einem Jahre mein ganzes voriges
in ber Schwel; mir wie ein fchöner
vorkam, und daß ich mich aller meiner
gen Freunde und Berbindungen (den ei
Zimmermann, damahls zu Brugf, aus;
men) nur wie abgefchiedner Seelen in
ſium erinnerte. Sehr viel trug auch
evolution In meiner Seele meine mi
Jahr 1761 angefangene Eonnerion m
Bewohnern des graflich Stadionifchen €
fe8 Warthhaufen, befonders mit Hei
Roche und mit dem Grafen felbft bey, ı
einer der vorzgäglichfien Weltmänner ı
Zeit war, und unendlich viel jur Erwel
und Berichtigung meiner Welts und Me
fenntniß beytrug. Ein geringes aber
fälfchtes Denfmahl habe ich ibm vorlän
Proocmio de Neuen Amadig geftii
Ich hatte Anfangs in Biberach viel gı
337
en, nach und nach aber erwarb ich mir dag
trauen beyder Neligiong s Parteyen, und
an ließ mich fehr ungerne ziehen, als ich den
n dem höchfifeligen vortrefflichen Churfürften
mmerich Joſeph zu. Mainz erhaltenen _
ıf (nicht als Kanzler fondern als Negies
ngsrath und erfter Profeffor der Philoſophie)
f der von Ihm neubelebten und erweiterten
ziverſttaͤt Erfurt erhielt. Sein dbamahliger
der Minifter, Baron von Groſchlag, der
ich zu Wartbaufen hatte kennen gelernt,
tte bieran den meiſten Antheil, und ‚ich
achte unter feinem Schug und mit. feiner
:eundfchaft beehrt, drey fehr angenehme Jahre
Erfurt zu; — wo ich nach und nach wieder
it der deutſchen Litteratur befannt wurde —
enn meine Gleichgültigfeit hierüber war fo
oß gemefen, daß es mir ganz was Neues
ar, No. 1768 durch einen Brief von meinem
chmahligen Freund und Gollegen Riedel
Erfurt, zu erfahren, daß mir Agatbon,
ufarion und andere Schriften broßen
eyfall und Celebrität in Deutfchland” erwors |
a bätten. _
Im Jahr 1772 wurde ich an ben Weimaris
hen Hof eingeladen, und hatte zum erſten⸗
339
‚and mit einem moralifchen Charakter der einer
Heiligen Ehre machen würde. Die zwey und
gwanzig “jahre, bie Ich nun mit ihr lebe, find
worbengefommen, ohne daß ich nur ein einzis:
ges Mahl gewuͤnſcht hätte, nicht verheyrathet
gu feyn; im Gegentheil IfE fie und ihre Exi⸗
Ken; mit dee meinigen fo .verwebt, daß ich
micht acht Tage von ihr entferne ſeyn kann,
ohne etwas dem Schweisers Heimmeb aͤhn⸗
Liches zu erfahren. Bon dreyzehn Kindern,
bie fie mie geboren hat, leben zehn liebens⸗
würdige, gufartige, an Seel und Leib gefunde
Seſchoͤpfe, die nebft ihrer Mutter dag Stud
meines Lebens ausmachen. Schmwerlich iſt jes
mahls ein Menſch für den Genuß reiner haͤus⸗
licher Glückfeligkeit mehr gemacht und berfels
ben mehr theilhaftig worden, ale der Man
der dieß ſchreibt. |
Die in Ihrem Auffage aus den Briefen
des reifenden Franzoſen angeführte Stelle, iſt
meiner unwürdig, und wirft durch ihren Ton
ein falfches Licht auf mich und meine Familie.
Ich habe weder die Prätenfion, die mir diefer
Menfch, der mich nicht einmahl gefehen hat,
andichtet, noch irgend eine andere. Ich bie
von Natur launiſch oder humoriſtiſch, außer
390
dem aber was man un homme simple &
uni nennt. Es iſt ein Zug meines Charib
ters, Der fich nie dementiert hat, ohne Ri
und Eiferfucht zu feyn, Talente und Verdienkt
mit Wärme zu lieben, und gegen den Kuda
eber zu gleichgültig als zu paßionirt zu ſeyn.
Der Anekdote mit Bodmers Zilla erinnt
ih mich nur noch fehr dunkel, und glault
Daß fie Ihnen nicht ganz richtig. erzaple wor
den feyn mag.
Meine Keidenfchaft für Mme. La Roche hati
ſich bereits im Jahr 1755 zu einer gang ru)
gen Freundfchaft herabgeſtimmt, und |
auch in den fechziger Jahren fo geblieben. V
batten gar nicht getaugt mit einander, 9
ſchweige ald Mann und Frau gu leben, ur
faben dieß beyde fehr gut ein, nachdem d
erſte Schmerz unfrer Trennung vorüber we
In alen meinen Liebesavanturen w
viel Illuſion, und reine SGluͤckſeligkeit fen
ich erſt ſeit dem 2ı. October 1765, als t
Epoche meiner Verheirathung. Alles Dich
nicht franzöftfch, und wird vermuthli
mit Behutſamkeit und fo kurz ald möglich <
fagt werden muͤſſen, wenn ed in den Aug
ber Parifer mich nicht lächerlich machen fi
3991
Wiewohl es freylih auch noch unter Ihnen
Leute gibt, die einen Sinn für Wahrheit,
Natur und Honnetete haben.
Die Anekdote mit Bodmers Magd, die aus
Liebe zu mir wahnfinnig wurde, iſt nur Halb
wahr, wie fo vieles andere wag, von mir
berumgetragen wird. Sich war damahls fehr
ſtolz, und mit fublimen Idealen angefuͤllt; ich
ſprach nie Fein Wort mit dem armen Mäd;
chen; noch viel weniger fpann fie in dem Zim⸗
mer, wo ich gewöhnlich lebte und arbeitete.
Das Lefen meiner damahligen Gedichte, und
was fie bey Tifche manchmahl von mir börte,
flimmte nach und nach Ihre Smagination fo
hoch, big fie endlich uberfchnappte. Sie war
fhon rafend, als fie mir Durch ihren nächts
lichen Ueberfall fo bange machte, daß ih
Bodmern, der fchon zu Bette lag, um
Huͤlfe rief. Landluft, Aderlaſſen und ein
derber Schweigerfcher Dorffchulmeifter, den fie
heirathete, brachten fie wieder zurechte.
Eine andere Anecdote verdient eber anges.;
führe zu werden, und das iſt die: daß der bes.
ruͤhmte Dichter, Comte de Boufllers, im Jahe
1770 oder 71 ohngefähr den erften Grund zu
meiner nachmahligen Reputation. in Wien legte;
392
indem er einigen dortigen Damen vom ern
Kange, meine Grazien ſtuͤckweiſe Int
Sranzöfifche überfegte, und Ihnen tudtl
dabey den Zert lad, daß fie, als deutſch
Srauen, ihren Landsmann, der folche Verf
zu machen wußte, und den er fo höflich mar
einen Gänftling der Grazien zu nennen, er
durch einen Franzoſen kennen lernen müßte
Fett tft Feine Stadt In Deutfchland, w
ich mehr und waͤrmere Lefer und Treunde hätt
als Wien,
Sed ohe jam satis est — denn es iſt, ben
ih , hinlaͤnglich, Sie, lieber Here Profeffor
in Den Stand zu feßen, mehr hronolı
sifhe Drönung, (welches ein fehr nörhige
Umſtand bey meines Biographie I) in Ih
Fragment über mich Hineln zu ‚bringen
manches zu reckificiten, manches zu fuppli
ren, und zu fehen, was gan; meggeftriche
"werden muß.
Bon meinen auserlefenen Gedichten iſt aud
der fiebente Band mit Idris und Zenid
ſchon vor einem Jahr erfchlenen.
Machen Sie nun, mein Here und Freund
“us biefem allem, wenn Gie Luk und Zei
393
Baben, ein neues Ganzes, und empfangen Gie
indeffen die Verſicherung meiner Achtung.
CCCXVI.
An Deyne
Weimar, den 10. Januar 1788.
Wenn mich auch meine natürlihe Befcheis
Denheit nicht. fchon oft zurückgehalten hätte, Em.
Mohlgeboren bey Gelegenheiten, mo ich mir
über fchmwierige oder corrupte Stellen Lucians,
Cdeffen Ueberfegung mich felt anderthalb Jah⸗
ven befchäftigt) Ihre Belehrung gewuͤnſcht hätte,
Fchriftlich mit Anfragen zu behelligen, fo würde
mich wenigſtens meine eigene leidige Erfah⸗
rung, wie unangenehm, und das Leben vers
bitternd es iſt, fich von jedem male feriato
auf den Leib fommen, und unter vielen Höfs
lichfeitSbegeugungen fein bischen Zeit mit der
Piftole auf der Bruft abfordern zu laflen, von
einem Frevel, der in meinen Augen dem
Straßenraube ſehr nahe kommt, abgefchrect
haben. Hätte ich das Gluͤck, mit E. W. an
Einem Drte zu leben, fo wuͤrde ich freylich
weniger befcheiden In diefem Stüde feyn; auch
fann man ſolchen Zals fi) die commoda.
394
tempora gu Nuße machen, fo mie überhaum
mündlich alles kuͤrzer und leichter verhandelt
werden kann. Indeſſen, diefer Präfation und
aller abbaltenden Beweggründe ungeachtet, er⸗
fühne ich mich dieſes einzige Mahl, fchriftlid
an Ihrem Mufeo anzuflopfen, mit der Dittt,
Dickes Blatt, wenn es Sie nicht gerade in
einem ganz gelegenen Augenblicke teiffe, ſogleich
ungelefen auf die Seite zu legen, — auf dei
Fall aber, daß mein "Ayatodaiıır feine ZU
weislicher genommen hätte, die Gute für mid
und den armen Lucian zu haben, — ben bi
Adfchreiber nur zu oft ziemlich übel zugeric
tet, und die glücklich heilende Hand des Tib
Hemſterhuys leider zu bald verlaffen bat -
und mir, fo furz ald möglich, Ihre Meinuns
von folgender, wie es ſcheint, corrupter Stel
in der Epiftel der Reihen an Krono
$. 36. in fine p. 416. Tom. III. opp. Luc. edit
Reizii, gefalligft mitzutheilen.
— dis durssus uTW zus, ICodımiırure
nadtısarıs, as und To CUrdinirurar Musa
(seite) dırisoac’ai Fir
Graävius lag einem Manuferipe zu folg
jcodsaırnr wadsrurss, behält aber, ungeachte
die meiften Editionen auch wie haben
39%
das endswienrn der Amſterdammer Ausgabe
bey, und überfegte eodem cibo illum ex-
cipientes ut convictornihil possit accusare.
Geßner nimmt die Worte des Textes eben fo,
und überfegt nur etwas zierlicher. Beyde fcheint
nicht angefochten zu haben, daß Irohhaıens eilt
ort iſt, das, fo viel Ich habe finden konnen,
weder in irgend einem andern Autor vors
kommt, noch der Analogie aller andern mit
dseıra componitten Woͤrter gemäß formirt
wäre, als bie fih alle in os nicht »s termints
ren. Aber auh das Work cwäurnne fann
nicht wohl convictor heißen, da bag einfache
darrarns (wie Dufoul erinnert) nirgends eine
andere - Bedeutung als arbiter bat, die aber
gleichwohl hier auch nicht flatt finden zu koͤn⸗
nen fcheint. Befagter Dufoul meint, rrodkausınrns
wäre ein den Saturnalien (i. e. wie ich es vers
fiehe, den Saturnalifchen Gaftmälern) eigen
nes Amt getvefen , führe nichts zum Beweiſe
an, fagt aber nicht, was er fich eigentlich
dabey denfe, und gibt auch feine feinem
Sinne gemäße Ueberſetzung. Der theure
Here D. Franklin Cfür deffen mir aus Dero
Acad. Bibliothek guͤtigſt anvertraute Ueberfes
gung Lucians ich Em. W. unendlich verpflichs
/
396
tet bin) maht auch Hier wie überall, m
der Text Höcer hat, kurze Arbeit, und übe
feßt : and have therelore taken care, to gire
then such an equal porlion as may remore
U
all just cause of complaint amongst ihem.
Diefem Iöblichen und bequemen Beyſpiele iu
foige babe denn auch ich vorläufig mid
folgendermaßen aus der Sache gezogen: ſo
haben auch wir nicht ermangelt, diefen Grundı
fasen gemäß, auf einen fo gleichen Zuß mit
ihnen zu leben, daß fich Feiner aus Ihrem
Mittel deßhalb über ung beflagen kann. —
Allein, da hiermit die Knoten des Textes noch
nicht gelöfet find, fo recurrire ich zu EM.
als einem Drafel, deffen Antwort, mie fi
auch ausfallen mag, für mich := rer Jarpam
seiwodes ſeyn Wird.
Weil ih) nun einmabl über die fines vere- |
cundiae übergefe&t habe, fo muß ich ſchon, mit
Gicero8 naviter impudens ſeyn, und E. W.
noch um die guͤtige Gefaͤlligkeit bitten, mit
anzuzeigen, ob Ihnen etwas befannt ift, das
dem fehr corrupten halbſcythiſchen Drake
im Alexander oder Levdenarrns (opp. Tom. Il.
P. 257. n. 51.) Meet — — einiges Licht affun
diren fönnse; oder mir (wenn ed ohne Ihre
en En — — —
I}
—
—
—
397
54 Ungelegenhelt geſchehen könnte) Ihre eigenen
‚ Gedanken davon zu fagen. Ich habe ed, wie
billig, gar nicht uͤberſetzt, moͤchte aber doch
gern in den Noten etwas Vernuͤnftiges daruͤber
ſagen koͤnnen. Auch wuͤnſchte ich wohl zu
wiſſen, ob neuerlichſt von irgend einem gelehr⸗
ten und aufgeklaͤrten Manne uͤber beſagten
Alexander ſowohl, als über den Peregrinus
etwas beſonders und dxeilurigar gefchrieben
mworden, das mir etwas helfen Fünnte, dieſe
beyden fonderbaren moralifchen Monſtra der
Luclanifchen Zeit in das gehörige Licht zu
ſtellen. Ich Habe mich Teider durch meine
Liebe zu Lucian hinreißen laſſen, eine Arbeit
zu unternehmen, -für die ich nicht gelehrt
genug bin. Denn außerdem, daß ich den
Nachtheil habe, faſt ein bloßer durodidantes
zu feyn, (tie ehemahls Pope) fo haben mis -
auch theils meine vielen Verhältniffe und uns
vermeidlichen Zerſtreuungen, theils die dulces
ante omniae musae nicht erlaubt, fo viel zu
lefen, und fo viel Bücherfenntniß zu ermers
ben, als ich wohl zu befigen wuͤnſchen möchte.
Sed ohe! jam satis est. Vergeben Sie, vers
ey ae Herr, ich bitte Sie noch⸗
AA du4 O8.
390
dem aber was man un homme simple
uni neunt. Es iſt ein Zug meines Char
ters, Der fi nie dementirt hat, ohne N
und Eiferfucht zu feyn, Talente und Werdia
mit Warme zu lieben, und gegen den Ru
eber zu gleichgültig als zu paßionirt zu ſey
Der Anekdote mit Bodmers Zilla erim
id) mich nur noch fehr dunkel, und gla
Daß fie Ihnen nicht ganz richtig. erzahlı n
den feyn mag.
Meine Leidenfchaft für Mme. La Roche hi
ſich bereits im Jahr 1755 gu einer ganz rı
gen Sreundfchaft herabgeſtimmt, und
auch) in den fechziger Jahren fo geblieben. :
batten gar nicht getaugt mit einander,
ſchweige ald Mann und Frau gu leben, ı
faben dieß beyde ſehr gut ein, nachdem
erſte Schmerz unfrer Trennung vorüber ü
In allen meinen Liebesavanturen
viel Illuſton, und reine SGluͤckſeligkeit ke
ich erft feit dem 21. Dctober 1765, als
Epoche meiner Verheirathung. Alles diel
nicht franzoftfch, und wird vermutt
mit Behutfamfeit und fo kurz als moͤglich
fagt werden muͤſſen, wenn ed in den Yu
der Parifer mich nicht lächerlich machen
391
Wiewohl es freylih auch noch unter ihnen
Leute gibt, die einen Sinn für Wahrheit,
Natur und Honnetete haben.
Die Anekdote mit Bodmerd Magd, die aus
Liebe zu mir wahnfinnig wurde, iſt nur halb
wahr, wie fo vieles andere wag, von mir
berumgetragen wird. Sich war damahls fehr
ſtolz, und mit fublimen Idealen angefuͤllt; Ich
sprach nie Fein Wort mit dem armen Mäd-
chen; noch viel weniger fpann fie in dem Zims
mer, wo ich gewöhnlich lebte und arbeitete.
Das Lefen meiner damahligen Gedichte, und
mas fie bey Tifche manchmahl von mir hörte,
flimmte nach und nach Ihre Imagination fo
hoch, big fie endlich uberfchnappte. Sie war
fchon rafend, als fie mir Durch ihren nächts
lichen Ueberfall fo bange machte, daß ich
Bodmern, der ſchon zu Bette lag, um
Huͤlfe rief. Landluft, Aderlaſſen und ein
derber Schweizerſcher Dorfſchulmeiſter, den ſie
heirathete, brachten ſie wieder zurechte.
Eine andere Anecdote verdient eher ange⸗
fuͤhrt zu werden, und das iſt die: daß der be⸗
ruͤhmte Dichter, Comte de Bouſſſers, im Jahre
1770 oder 71 ohngefaͤhr den erſten Grund zu
meiner nachmabligen Keputation. in Wien legte;
392
indens er einigen dortigen Damen vom ertt
Range, meine Grazien flüchweife Ins
Sranzöfifche überfegte, und ihnen tudhtig
dabey den Tert laß, daß fie, als deutfät
Srauen, Ihren Landsmann , der folche Verl
zu machen mußte, und den er fo höflich war, |
einen Gänftling der Grazien zu nennen, ef
durch einen Franzoſen kennen lernen müßte.
Jetzt iſt keine Stadt in Deutfchland, mo |
ich mehr und waͤrmere Lefer und Freunde hätte |
als Wien.
Sci ohe jam satis est — denn es ift, denl
ich, hinlaͤnglich, Sie, lieber Here Profeſſor, |
in den Stand zu feßen, mehr chronola |
gifhe Ordnung, (welches ein ſehr nörhiger
Umſtand bey meines Biographie I) in Ihr —
Fragment über mich hinein zu bringen
manches zu rectificren, manches zu fuppli
ren, und zu fehen, was gang weggeſtrichen
"werden muß. |
Don meinen auserlefenen Gedichten iſt auf |
der fiebente Band mit Idris und Zenide
ſchon vor einem jahre erfchienen.
Machen Sie nun, mein Here und Freund!
aus diefem allem, wenn Gie Luſt und Zeit
> 393
Baben, ein neues Ganges, und empfangen Gie
‚indeffen die Verficherung meiner Achtung.
t
‚
CCCXVI.
An Deyne
Weimar, den 10. Januar 1788.
Wenn mich auch meine natürliche Befcheis
Denheit nicht. fchon oft zurückgehalten hatte, Em.
Mohlgeboren bey Gelegenheiten, wo ich mit
uber fchiwierige oder corrupte Stellen Lucians,
Cdeffen Ueberfegung mich felt anderthalb Jah⸗
ven befchäftigt) Ihre Belehrung gewuͤnſcht bätte,
Fchriftlich mit Anfragen zu behefligen, fo würde
mich wenigfteng meine eigene leidige Erfah⸗
rung, tole unangenehm, und das Leben vers
bitternd es iſt, fi) von jedem male feriato
auf den Leib fommen, und unter vielen Hoͤf⸗
lichfeitsbegeugungen fein bischen Zeit mit der
Piftole auf der Bruſt abfordeen zu laffen, von
einem Frevel, der in meinen Augen Dem
Straßenraube ſehr nahe fommt, abgeſchreckt
haben. Hätte ich das Slüd, mit E. W. an
Einem Drte zu leben, fo mürde ich freylich
weniger befcheiden In dieſem Stüde feyn; auch
fann man folchen Falls fi) Die commoda.
394
tempora zu Nuße machen, fo wie überh
mündlich alles fürzer und leichter verhat
werden kann. Indeſſen, diefer Präfation
aller abhaltenden Beweggründe ungeachtet,
fuhne ich mich diefes einzige Mahl, fehrii
an Ihrem Deufeo anzuflopfen, mit der 7
dieſes Blatt, wenn es Sie nicht gerad
einem ganz gelegenen Augenbliche trifft, fog
ungelefen auf die Seite zu legen, = auf
Sal aber, daß mein 'Ayasadusıur feine
weislicher genommen hätte, bie Güte für u
und den armen Lucian zu haben, — den
Abſchreiber nur zu ‚oft ziemlich übel zuge
tet, und die glücklich heilende Hand des
Hemſterhuys leider gu bald verlafien ba
und mir, fo furz als möglich, Ihre Mein
von folgender, wie e8 fcheint, corrupter €
in der Epiftel der Reihen an Pro
$. 36. in fine p. 416. Tom. III. opp. Luc.
Reizii, gefalligft mitzutheilen.
— dis durssun sw zus, Itodımıry
nudtesarıs, as und To Vrdiniruran a
(zemrar) dırızoactai Tin
Graͤvius lad einem Manuferipe zu f
scodiaırn» wadftorarss, behält aber, ungea
bie meiften Editionen auch surdinzen ba
39%
das ewdienen der Amflerbammer Ausgabe
bey, und überfegte eodem cibo illum ex-
cipientes ut convictor nihil possit accusare.
Geßner nimmt die Worte des Textes eben fo,
und überfegt nur etwas zierlicher. Beyde fcheint
nicht angefochten zu haben, daß Zrcdzrm ein
ort ift, das, fo viel Ich habe finden können,
weder in Irgend elnem andern Autor vors
fommt, noch der Analogie aller andern mit
daıra componirten Wörter gemäß formire
wäre, ale die fih alle in os nicht ns termints
ren. Aber auch dag Wort cwöarnrne fann
nicht wohl convictor heißen, da das einfache
Sernrns (wie Dufoul erinnert) nirgends eine
andere - Bedeutung als arbiter bat, bie aber
gleichwohl hier auch nicht flatt finden zu Füns
nen fcheint. Befagter Dufoul meint, dredasınrns
wäre ein den Saturnalien (i. e. wie ich es vers
fiehe, den Saturnalifhen Gaftmälern) eigen
ned Amt gewefen , führe nichts zum Beweiſe
an, fagt aber nicht, was er fich eigentlich
Daben denfe, und gibt auch Feine feinem
Sinne gemäße . Veberfegung. Der theure
Herr D. Franklin (für deffen mir aus Dero
Acad. Bibllothek guͤtigſt anvertraute Ueberſe⸗
tzung Lucians ich Ew. W. unendlich verpflich⸗
396
tet bin) macht auch Hier wie überall, w
der Tert Hoͤcker hat, kurze Arbeit, und um
feßt : and have therelore taken care, to gire
ihen such an equal portion as may remore
all just cause of complaint amongst ihem.
Diefem Töblichen und bequemen Beyſpiele ju
foige babe denn auch Ih vorläufig mid
folgendermaßen aus der Sache gezogen: ſo
haben auch mir nicht ermangelt, diefen Grund
fasen gemäß, auf einen fo gleichen Zuß mit
ihnen zu leben, daR fich Keiner aug Ihrem
Mittel deßhalb über ung beklagen Fann. —
Allein, da hiermit die Knoten des Textes noch
nicht gelöfet find, fo recurrire ich zu €. V.
als einem Drafel, deffen Antwort, mie fi
auch ausfallen mag, für mich ix ver Juargum
Teiwodos feyn wird.
Weil ich nun einmahl uber die fines vere-
cundiae übergefegt habe, fo muß ich ſchon, mit
Ciceros naviter impudens feyn, und €, W.
noch um die gütige Gefälligfeit bitten, mit
anzuzeigen, ob ihnen etwas befannt iſt, dad
dem fehr corrupten halbſcythiſchen Drake
im Alerander oder Leudoraırns (opp. Tom. Il.
P. 257. n. 51.) Meet — — einiges Licht affuns
diren Fönnte; oder mie (wenn es ohne Ihre
397
Ungelegenhelt gefchehen könnt?) Ihre eigenen
Gedanken davon zu fagen. Ich habe es, tie
billig, gar nicht überfegt, möchte aber doc)
gern In den Noten etwas Vernänftiged darüber
fagen fünnen. Auch mänfchte Ich mohl zu
miffen, 05 neuerlichft von irgend einem gelehrs
ten und aufgeflärten Manne über befagten
Alexander ſowohl, als über den Peregrinug
etwas beſonders und axedursgorss geſchrieben
mworden, das mir etwas helfen Fünnte, dieſe
beyden fonderbaren moralifchen Monſtra der
Lucianiſchen Zeit in das gehörige Licht zu
fielen. Ich babe mich Leider Durch meine -
Liebe zu Lucian hinreißen laffen, eine Arbeit
ju unternehmen, -für die ich nicht gelehrt
genug bin. Denn außerdem, Daß ich den
Nachtheil habe, faſt ein bloßer durodidantes
zu feyn, (wie ehemahld Pope) fo haben mis -
auch theils meine vielen Verbältniffe und uns
vermeldlichen Zerftreuungen, theils die dulces
ante omniae musae nicht erlaubt, fo viel zu
lefen, und fo viel Bücherfenntniß zu ermers
ben, ale ich wohl zu befigen wuͤnſchen möchte.
Sed ohe! jam satis est. Vergeben Sie, vers.
Herr, ich bitte Sie noch⸗
AA sus 01.
398
mahls um Lucians und aller Grazien willen,
dieſe vieNelcht allzufreie und zudringliche Zus
fchrift. Leben Sie glüdli et serus in coe-
lum redeas! und erlauben Gie mir, mid) mit
Ehrerbietung ju nennen ꝛc.
2
13
88 AN + A: 0.
-
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