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Full text of "Ausgewählte Briefe"

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Ausgewählte Briefe 
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‚ben Jahren 1751. bis 1810. gefchrieben, 
und nach der Zeitfolge geordnet. 


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Mit Koͤniglich Wuͤrtembergiſchem allergn. 
Privilegio. 





Dritter Band. 





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Bnuchtigfte, großmaͤchtigſte König und 
err, Herr Friderich Koͤnig von 
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Buchhandlung in Zürich das allerunterthäs 
wigft nachgefuchte Privilegium gegen den 
Nachdruck der in ihrem Verlag in vier 
Bänden erfcheinenden : Ausgewählten Briefe 
von C. M. Wieland an verfchiedene Freunde 
in den Jahren 1751 bis 1810 gefchrieben, 
auf Zwoͤlf Jahre zu ertheilen geruhet. 
Vermoͤge diefes Privilegiums darf, una 
ter den in der Königlichen General: Vers 
ordnung vom 25m Febr, 1815, betreffend 
die Privilegien gegen den "Bücher : Wachs 
druck, enthaltenen Beftimmungen und bet 
den dafelbft feftgefeßten Strafen, das ger 
dachte Werk binnen der nächften zwölf 
Jahre von dem unten gefeßten Tage an, 
in bem "Königreich Württemberg weder 


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nachgebruckt noch auch etwa davon 

waͤrts veranflaltete Machdrücke in das. 
nigreich Württemberg zum Verkauf geb 

werden. 

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| Erfurt, den 15. Auguſt 1770% 


Eben jetzt wird mir ein Brief oder vielmeht 
in kleines Paͤckchen von Briefen von meinem 
beiten Gleim gebracht. Ich verfchlinge fie mit 
Begierde, und gleich auf der Stelle ſchicke ich 
den ſchwaͤrmeriſchen Amadis und Schatoulliöfe, 
"bie Keufche, fort, um meinem Gleim zu ants 
orten, und für das Vergnügen, das er mir 
gemacht hat, zu danfen, 

Sie trinken Eger: Waffer, mein liebfler Freund, 
und Jakobi iſt von Ihnen entfernet, fchreibt 
Ihnen nicht, und predigt dag Evangelium zu 
Düffeldorf.e Das liebe, feltfame Männchen! 
Es mag ihm bey allem dem gut gelaffen 
baben ! 

Mein befter Gleim! Sie laden mich ſo ernſt⸗ 
lich ein, Sie ziehen mich mit ſo vielen freund⸗ 
ſchaftlichen Banden faſt unwiderſtehlich an — 
wie ſoll ich Ihnen ſagen, daß es mir jetzt 
unmoͤglich iſt, zu meinem Gleim zu kommen. 

Wielands Briefe II. W. 1 


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Unmöglih — es ift ein haͤßliches Wort - 


eine Herkuleskeule; es fchlägt auf einen E 


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zu Boden; aber was anders als Unmögl 
Eönnte mich zuruͤckhalten? ih muß jet 
Michaelis bier feyn; ich muß eg um fo 
da ich beynahe der einzige bin, (soit d 
tre nous) a cujus ore pendet studios 


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Ich fuche unter ber Hand eine Vermel 
meiner Penfion, ich habe gute Hoffnu 
zu erhalten; aber der Fleinfte Worwur| 
Nachläßigkeit, den-man mir machen fi 
würde mic) zurücmwerfen. Wenn Sie 
Pofition Hier mußten, fo würden Sie ef 
davon urtheilen, wie ich ſelbſt. Es find 
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lieber bey dieſem ſchoͤnen Wetter, im dl 
fchein, den Ich fo fehr liebe, zu meinem ( 
Iuffwandeln und acht goldene Tage In f 
Sans souci leben, als bier — vegetiren, 
piren und fchulmeifteriren wollen? Ich 
das braucht feines Beweiſes aber dura n 
sitas! Glauben Sie ein für allemahl, daß 
fo ſehr zu Ihnen verlangt, als Sie zu 
Ich will zu Ihnen fommen, und bie 

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enn ich bin nicht Meiftee genug über meine 
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er, wenigſtens meine Grazien, Ihre Gras 
en, weil Sie fo viel Antbeil an Ihnen neh⸗ 
en, zuzufenden. Diefe Grazien find wirklich 
a8 ich unter allen Kindern meines Geiſtes 
‚it gorzüglicher Gefaͤlligkelt anfche, Ich hoffe 
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nd, follen der dee nicht unwuͤrdig feyn, 
ie Sie ſich nach den beyden erfien vom Gans 
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Ich bin böfe, vecht böfe auf mich felbft, 
aß ich Ihnen, mein Liebſter, die Mühe ge⸗ 
acht habe, eine Apologie für Sie zu ſchrei⸗ 
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H bin ganzlich überzeugt, nichts mehr davon! 
Die Br***, melche eine Apologie von 
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venig wunderlich. Was für Zeichen fol man 
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und nach der Zeitfolge geordnet. 


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Mit Koͤniglich Wuͤrtembergiſchem allergn. 
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in den Jahren 1751 bis 1810 gefchrieben, 
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ben jetzt wird mir ein Brief oder vielmeht 
ileines Paͤckchen von Briefen von meinem 
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egierde, und gleich auf der Stelle ſchicke ich 
n ſchwaͤrmeriſchen Amadis und Schatoullloͤſe, 
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orten, und für das Vergnuͤgen, das er mir 
macht hat, zu danfen, 

Sie trinken Eger: Waffer, mein liebfter Freund, 
d Jakobi iſt von Ihnen entfernet, fchreibt 
nen nicht, und predigt das Evangelium zu 
affeldorf. Das liebe, feltfame Mannchen ! 
mag ihm bey allem dem gut gelafien 
ben! 

Mein beſter Gleim! Sie laden mich fo ernit 
h ein, Sie gieben mich mit fo vielen freunds 
yaftlihen Banden faſt unmiderftehlich an — 
ie foll ih Ihnen fagen, daß e8 mir jetzt 
möglich ift, zu meinem Gleim zu kommen, 
Wielands Briefe III. W. 1 


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eine Herkuleskeule; es ſchlaͤgt auf einen Streid 


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zu Boden; aber was anders als Unmöglichkeit 
Eönnte mich zurüchhalten? ich muß jetzt bi 
Michaelis hier feyn; ich muß es um fo mehr 
da ich beynahe der einzige bin, (soit dit em 
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meiner Penfion, ich babe gute Hoffnung fk 
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mit gorzüglicher Gefaͤlligkelt anſehe. Ich hoffe 
die vier Bücher, welche Ihnen noch neu 
find, follen der dee nicht unmürdig feyn, 
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Ich bin böfe, recht böfe auf mich felbft, 
daß ich Ahnen, mein Liebſter, die Mühe ges 
macht habe, eine Apologie für Sie zu ſchrei⸗ 
ben. Sie find volfommen gerechtfertigt, und 
ich bin gänzlich überzeugt, nichts mehr davon! 

Die Br***, melche eine Apologie von 
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in des Geßnerſchen Budhandflung 1815. 


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An Gleim. 
Erfurt, den 15. Auguſt 1770— 


Eben jetzt wird mir ein Brief oder vielmeht 
ein kleines Päckchen von Briefen von meinem 
beften Gleim gebracht. Ich verfchlinge fie mit 
Begierde, und gleich auf der Stelle ſchicke ich 
den ſchwaͤrmeriſchen Amadis und Schatoullioͤſe, 
bie Keuſche, fort, um meinem Gleim zu ants 
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gemacht hat, zu danfen, 

Sie trinken Eger: Waffer, mein liebfter Freund, 
und Jakobi iſt von ihnen entfernet, ſchreibt 
Ihnen nicht, und predigt dag Evangelium zu 
Düffeldorf. Das liebe, feltfame Männchen! 
Es mag Ihm bey allem dem gut gelafien 
haben ! 

Mein beftee Gleim! Sie laden mich ſo ernſt⸗ 
lich ein, Sie ziehen mich mit ſo vielen freund⸗ 
ſchaftlichen Banden faſt unwiderſtehlich an — 
wie ſoll ich Ihnen ſagen, daß es mir jetzt 
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Wielands Briefe III. W. 1 


eine Herkuledkeule; es fchlagt auf einen Stre 


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Unmoͤglich — es iſt ein haͤßliches Wort — 


zu Boden; aber mas anders als Unmoͤglichk 
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Michaelis bier feyn; ich muß es um fo mehl. 
da Ich beynahe ber einzige bin, (soit dit em 
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Sch fuche unter ber Hand eine Vermehrung 
meiner Penfion, ich babe gute Hoffnung fi 
zu erhalten; aber der kleinſte Vorwurf von 
Nachläßigkeit, den-man mir machen Fünnte, 
würde mich zurüchwerfen. Wenn Sie meine 
Dofition bier mußten, fo würden Sie eben fe: 
Davon urtheilen, wie ich ſelbſt. Es find Feine 
Ausflüchte, mein Liebſter. Sollte ih nicht 
lieber bey diefem fchönen Wetter, im Monds 
fchein, den Ich fo fehr liebe, zu meinem Gleim 
Iuffmandeln und acht goldene Tage In feinem 
Sans souci leben, als hier — vegetiren, crons 
piren und fchulmeifteriren wollen? ch dente 
das braucht feines Beweiſes aber dura neces- 
sitas! Glauben Sie ein für allemahl, daß mid 
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denn ich bin nicht Meifter genug über meine 
Umſtaͤnde, etwas gewiſſes verfprechen zu 
können. Zu 

Inzwiſchen hoffe ich Ahnen bald flatt meis 
ner, wenigſtens meine Grazien, Ihre Gras 
sien, weil Sie fo viel Antheil an Ihnen neh⸗ 
men, zugufenden. Diefe Grazien find wirklich 
was ich unter allen Kindern meines Geiſtes 
mit porzüglicher Gefaͤlligkelt anfche. Ich hoffe 
die vier Bücher, melde Ahnen noch neu 
find, ſollen der Idee nicht unmürdig ſeyn, 
die Ste ſich nach den beyden erfien vom Gans 
sen gemacht haben. 

Sch bin böfe, recht böfe auf mich ſelbſt, 
daß ich ihnen, mein Liebſter, die Muͤhe ge⸗ 
macht habe, eine Apologie fuͤr Sie zu ſchrei⸗ 
ben. Sie ſind vollkommen gerechtfertigt, und 
ich bin gaͤnzlich uͤberzeugt, nichts mehr davon! 

Die Br***, welche eine Apologie bon 
mir fordern, find, mit Ihrer Erlaubniß, ein 
wenig wunderlich. Was für Zeichen foll man 
vor dieſem Gefchlechte thun? Sie, mein lieb; 
fier, haben ihnen die rechte, haben ihnen die 
einzige Antwort gegeben, weiche man geben 
fol. Apollo auf dem Drenfuge hätte fie nicht 


Ausgewählte Briefe 


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den Jahren 1751. bis 1810. geſchrieben, 
und nach der Zeitfolge geordnet. 


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Dritter Band 





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Eben jetzt wird mir ein Brief oder vielmeht 
ein kleines Paͤckchen von Briefen von meinem 
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Begierde, und gleich auf der Stelle ſchicke ich 
ben ſchwaͤrmeriſchen Amadis und Schatoullloͤſe, 
die Keuſche, fort, um meinem Gleim zu ants 
orten, und für das Vergnügen, dag er mir 
gemacht hat, zu danken. 

Sie trinken Eger: Waffer, mein liebfter Freund, 
und Jakobi iſt von Ihnen entfernet, fchreibe 
Ihnen nicht, und predigt das Evangelium zu 
Düffeldorf. Das liebe, feltfame Männchen! 
ks mag ihm bey allem dem gut gelafien 
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Mein befter Gleim! Sie laden mich ſo ernſt⸗ 
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ſchaftlichen Banden faſt unwiderſtehlich an — 
wie ſoll ich Ihnen ſagen, daß es mir jetzt 
unmöglich iſt, zu meinem Gleim gu kommen. 

Mielands Briefe III. W. 1 


2 

Unmöglih — es iſt ein häßliches Wort — wi 
eine Herkuleskeule; es ſchlaͤgt auf einen Steck 
iu Boden; aber mas anders als Unmöglichke 
Eönnte mich zurückhalten? ich muß jege Hi 
Michaelis bier feyn; ich muß e8 um fo me 
da Ich beynahe ber einzige bin, (soit dit ei 
tre nous) a cujus ore pendet studiosa jı 
ventus. 

Sch fuche unter der Hand eine Vermehrun 
meiner Penfion, ich babe gute Hoffnung | 
zu erhalten; aber der Fleinfte Vorwurf ve 
Nachläßigkeit, den-man mir machen könnt 
würde mich zurücwerfen. Wenn Sie melı 
Pofition hier mußten, fo würden Sie eben 
Davon urtheilen, wie ich ſelbſt. Es find Eeiı 
Ausflüchte, mein Liebſter. Sollte ih nic 
lieber bey dieſem fchönen Wetter, im Moni 
fchein, den Ich fo fehr liebe, zu meinem Glei 
Iuffwandeln und acht goldene Tage In feine 
Sans souci feben, als hier — vegetiren, cro 
piren und fchulmeifteriven wollen? Ich den 
das braucht feines Beweiſes aber dura nece 
sitas! Glauben Sie ein für allemahl, daß miı 
fo fehe zu Ihnen verlangt, als Sie zu mi 
ch will zu Ihnen kommen, und vielleid 
iſt gu Ende des Funftigen Monaths möglid 


as es jetzt nicht If. Ich fage nur vieleicht; 
denn ich bin nicht Meifter genug über meine 
Umſtaͤnde, etwas gewiſſes verfprechen zu 





koͤnnen. 


Inzwiſchen hoffe ich Ihnen bald ſtatt meis 
ner, wenigſtens meine Stazien, Ihre Gras 
zien, well Sie fo viel Antheil an Ihnen neh⸗ 
men, zuzuſenden. Diefe Grazien find mirflich 
was ich unter allen Kindern meines Geiftes 
mit horzuͤglicher Gefaͤlligkelt anſcehe. Sch hoffe 
die vier Buͤcher, welche Ihnen noch neu 
find, ſollen der Idee nicht unwuͤrdig feyn, 
die Sie ſich nach den beyden erjien vom Gans 
sen gemacht haben. 

Ich bin böfe, recht böfe auf mich felbft, 
daß ich Ihnen, mein Liebſter, die Muͤhe ge⸗ 
macht habe, eine Apologie fuͤr Sie zu ſchrei⸗ 
ben. Sie ſind vollkommen gerechtfertigt, und 
ich bin gaͤnzlich uͤberzeugt, nichts mehr davon! 

Die Br***, welche eine Apologie von 
mir fordern, find, mit Ihrer Erlaubniß, ein 
wenig wunderlich. Was für Zeichen foll man 
vor diefem Gefchlechte thun? Sie, mein liebs 
fiee, haben ihnen die rechte, haben ihnen die 
einzige Antwort gegeben, welche man geben 
ſoll. Apollo auf dem Drenfuße hätte fie nicht 


4 


beffer geben koͤnnen Diogenes und bie Bey 
traͤge und Agathon feldft, enthalten meine 
vollſtaͤndige Rechtfertigung. Wem daran. nidt 
genüget, dem — kann unb weiß Ich, bey den 
Grazien! nicht zu helfen — ald mie einem 
Karren vol Niefemurz und meinem Segen! 

Noch etwas von meiner eignen Wenigkeit. — 
Ach bin nicht fo gar jungfräufich — befchelden ' 
als Sie etwan denken mochten. Es iſt alfe 
nicht Befcheidenhele, fondern was anders, 
wenn ich mir für gewiß einbilde, daß Sie, 
mein Liebfter, ein paar fehr große Augen an 
mich binmachen werden, wenn Sie mich per 
fönlich Eennen lernen follten. Ih will von 
meiner Figur und von meinen Zügen nichts 
fagen — welches das befte iſt mad man das 
von fagen. kann. Aber hätten Ste fih wohl 
vorgeftellt, daß Ich ordentlicher Weiſe Ealt, 
trocden, mehr ernfihaft als munter, und in 
einem ganzen fahre Faum einmahl in einer 
jovialifchen Laune bin? Gie, mein Liebfter, 
möffen fich zu mir verhalten, wie Champag⸗ 
ner zu altem Elfaßer Wein. Es iſt zwanzig 
gegen Eins zu wetten, daß ic) Ihnen in mes 
niger als drey Tagen Langeweile machen 
würde, Die Zeit des Enthufiasmus iſt bey 


5 


nie ganglich vorbey, die Empfindung If 
n deſſen Stelle gefommen; aber eine ruhige, 
elten aufwallende, noch feltner fich ergicßende 
Empfindung. O! tie troden, mie hölern 
ıußte Ihnen Ihr Wieland vorfommen, den 
Sie, aus voreiliger Freundfchaft, zu Ihrem 
eib s und Mund s Heiligen machen wollten! 
Wie dem auch feyn mag,ıfo will ich es 
leichwohl, wenn es nur irgend möglich zu 
sachen ift, noch in diefem Jahr auf eine 
robe anfommen laffen. Und dann, mein 
ebenswürdiger, ſchwaͤrmeriſcher, mweifer Anaz 
ton, wollen wir ung über Perfonen und 
sachen, über Könige und Dichter, über 
jötter und Menfchen, über die ganze Welt 
nd — ung felbft ſatt ſchwatzen. Jetzt muß 
h aufhören. Ach umarme Sie, und wuͤnſche 
Ien Segen des Himmels und mohlthätiger 
eifter auf Ihre Eur herab. Cura ut valeas, 
ıd ihr Mufen und Grazien, servate, precor, 
ıimae dimidium meae! — 


CLXXXIV. 
An Jakobi in Göttingen. 


Erfurt, den 13. Sepembter 1776; 


Mein alerliebfier Jacobi, meine und Ihre 
Hoffnung zu einer Zufammenkunft in Muͤhl⸗ 
hauſen, ift durch ein unvorbersufehendes Hins 
Derniß vernichtet worden; durch eine Arbeit, 
welche mir aufgetragen worden; eine Arbeit, 
welche alle meine Aufmerffamfeit erforbert, 
feinen Auffchub Teidet, und wobey Dennoch 
andere angefangene Gefchäfte ihren ungehin— 
derten Fortgang haben follten. Sie find ein 
glücklicher Mann, lieber Jacobi! Sie können 
thun was Sie wollen, fi) aufhalten wo Sie 
wollen, ihre Freunde in der ganzen Welt bes 
fuchen, des Lebens froh merden, und mit den 
Mufen ſpielen. Ich würde Sie beneiden, 
wenn ich Sie weniger liebte, und zum Des 
neiden aufgelegt wäre. 

erden Sie alfo nicht ungebalten, meln 
Lieber! daß ich dieſes Mahl unfer gemeins 
fchaftlihes DVergnügen der Nothwendigkeit 
aufopfern muß. Mir verliereii beyde auf einer 
Seite, was wir auf einer andern wieder ges 
winnen. Die Hoffnung, fagt man, ifl eine 


7 


ſerer gröften Gluͤckſeligkeiten, und nichts 
hr zu hoffen haben, der finis malorum. 
a8 jest nicht gefchehen kann, fol zu einer 
dern Zeit, und auf eine angencehmere Art 
ſchehen. Zu Muͤhlhauſen mürden wir ohne⸗ 
es in einem fchlechten Gaſihofe uns haben 
fhalten müffen, wo’ es und an allen möglis 
en DBequemlichkeiten und Agremens gefehlt 
tte. Ich bin nicht enthufiaftifch genug, daß 
dieſe Nebenumftände fur nichts halten 
Nte; fie mifchen immer etwas Unbebhagliches 
ter das DVergnügen des Geiftes und Hers 
18, und das iſt fchon genug, ihm etwas 
n feinem Reitz zu nehmen. Inzwiſchen, 
in lieber Jacobi, glauben Sie, daß ich Sie 
en fo zärtlich liebe, als ob wir ung perföns 
b Fennten. Wenn: wir ung einft fehen ters 
n, fo muß es wenigſtens auf acht Tage ſeyn. 
n oder anderthalb Tage find! gerade genug, 
» den Abfchied und die Trennung unerträgs 
h zu machen; der Gedanke, fobald wieder 
reiden zu müflen, beunruhigt unaufhoͤrlich; 
»e Minute wird koſtbar; man hat fich fo 
el zu fagen, zu fragen, zu antworten, daß 
an nicht weiß, wo man anfangen foll, und 
meiniglich findet fi) am Ende, daß man 


— 


8 


das Beſte vergeſſen hat. Wenn dieſe ganz rich⸗ 

tigen Reflexionen nicht hinlaͤnglich find, Sie 

über unſere fehlgeſchlagene Hoffnung gleichguͤl⸗ 
tig gu machen — fo werd' ich die Grazien 
bitten, Ihnen diefen Abgang zu erfeßen. Bald 

werden fie die Preſſe verlaffen, und Sie und 

Gleim folen den erfien Befuch von Ihnen 
befommen. Reih, Defer und Geyſer 
haben gemeinfchaftlich ale ihre Kräfte aufges 

boten, um aus diefen Grazien die Zierde der 

deutſchen Typographie gu machen. 


CLXXXV. 
An Glhleim. 
Erfurt, den 27. September 177%. 


. Ein Wort fo viel ald taufend (zu reden mit 
Pedrillo) mein allerliebfter Gleim — ich: Tann 
Gie lieben, wie noch Fein Poet den andern 
geliebt hat, Ich kann mich alle Tage und 
Stunden zu Ahnen fehnen, und das Schidkfal 
anflagen, welches nicht gewollt hat, daß ich. 
ein Canonicus des H. Bonifaz zu Halberſtadt 
oder Sie Dechant, Subdechant oder Cantor 
des Stifte der feligen Mutter Gottes zu Ers 
furt geworden find, Damit wir Immer beyfams 


Tr 


9 


men leben fönnen. = Sch Faun ungeduldig 
darüber werden, daß ich an den nähmlichen 
Tagen, bie ich mit meinem Gleim in füßen 
freundfchaftlihem Müßiggang zugubringen hoff⸗ 
te, vom Morgen bis in die Nacht über meis 
nen Schreibtifch gebucht ſitzen, und fchreiben 
muß, woran ich nie gedacht hätte, wenn Ich 
mein eigner Herr ware — aber zu Ahnen kom⸗ 
men fann ich nicht. Es iſt unmöglich. Ich 
bin mit einer Arbeit beladen worden, die ich 
weder ablehnen Eonnte, noch auffchleben kann. 
Sch arbeite mich hypochondriſch und krank — 
aber mein lieber Sleim, was thut nicht ein 
weifer Dann, wenn er — muß? Und was 
thut ein Vater nicht, wenn er durch feine 
Arbeit das Schickfal feiner Kinder zu verbefs 
fern hofft! — Sich Eenne die Großen, Dank⸗ 
barfeit if felten ihre Tugend, indeſſen hofft 
man doch immer glücklich genug zu feyn, und 
eine Ausnahme anzutreffen. Man verfuche 
alles, reuffire ich, fo verfchaffe ich mir eine 
ungleich beffere Situation, und dann fol, 
das ſchwoͤre ich zu den Grazien und ber 
Sreundfchaft, gewiß fein Jahr vorbey gehen, 
in welchem ich nicht acht Tage mit meinem 
Gleim verliebt harte, Dies ift jetzt alles, mein 


Io 


Befter, was Ich zu Ihrem und meinem Troft 
fagen und hoffen fann. 

Idhr kleines Gedichtchen iſt allerlichft. € 
iſt ein fchöner, fimpler, lieblicher, Tachender 
Gedanke, von der Hand einer Grasie in En 
reizendes Gemäldchen hingetuſcht. Aber fol 
ich Ihnen aufrichtig fagen wie mir's IE? Ich 
babe ein verwöhntes Ohr. Sch kann dem 
Keim an folchen Heinen Gedichtchen nicht miſ⸗ 
ſen. Rufen Sie die Mufe an, die Ihnen fo 
günftig if, und fagen Sie eben das, eben fo } 
naiv und fchön, in Kleinen Keimen, fo will 
ih Sie dafür herzen und Füffen! Keine Eins 
wendung, mein lieber Anakreon, zum Exem⸗ 
yel: — Anakreon bat auch nicht gereimt, — 
oder Ich Habe Feine Zeit dazu — oder derglei⸗ 
chen. — Sie fünnen alles was Sie wollen. 
Ich umarme Sie, mein Liebfter. — Die Gras 
zien foßen zu Ihnen fliegen, fobald fie dem 
Kerker des Herrn Bürger s Hauptmann Dürr, 
oder wie mein Buchdruder Heißt, entgangen 
find. 





Ir: 
CLXXXVI. : 
‘ An Ebendenfelben * 


Erfurt, den 15. November. 1770. ‘ 


Mein liebfter Gleim, für alles Schöne ‚' 
Freundliche und Enthufiaftifche, was Ste von 
meinen Grazien fagen, danke ich Ihnen in 
ihrem Nahmen von ganzem Herzen. Ihr Beys 
fall, Ihr Lob iſt Balfam für mein Haupt und 
Ambroſia für mein Herz. Wollte Gott, daß 
ich ben den Orgien, welche Sie den Grazien 
zu Ehren in Ihrem sans souci angeſtellt has 
ben, hätte zugegen feyn können! Ich mag 
gar nicht daran denken, daß ich gegwungen 
kin, fo weit von meinem Gleim und Jakobi 
zu leben — der Gedanke macht mich unmillig, 
verdroffen, böfe über Menfchen und Schickſal. 

Alfo auf einen andern Gegenfland! Unfer 
Jakobi will fich eine Gemahlin beyfeßen, und 
er wünfchte, daß es die Tochter meiner mers 
then Freundin ſeyn könnte. Wirklich iſt die 
Heine M. ein ganz reizendes allerliebfies Mäds 
chen; wer fie davon’ trägt und ein Herz 
und eine Denkensart hätte wie unfer Jakobi, 
würde alle Neigungen einer gebildeten Gries 
in mit allen foliden Eigenfchaften und Zus 





I2 


genden einer guten Frau in ihr befisen. 
Dieß, liebfter Gleim, ift der Hauptpunft: Geb 
ift eine Kleinigkeit dagegen; es iſt freylich eine 
fchöne Sache & son aise su ſeyn; aber reiche | 
Mädchen find felten liebens wuͤrdig, und 
noch feltener tugendbaft — in dem Sinne 
wie wir das Wort nehmen. Aber meine traus 
ten Herrn, wenn auch das Fräulein M. wos 
von die Rede if, fo viel Geld hätte als die 
Königin aus dem Reich Arabien, fo beforge 
ich Doch fehr, daß aller Enthuſiasmus, den bie 
Madame de *** nur immer für unfern Freund 
haben kann, die Sache wenig befördern werde 
Meine rationes find dreyfach: Ä 

Pro primo. Die junge Dame en ques- 
tion ift Roͤmiſch Katholiſch, und wird eg 
bleiben hasta la muerte. 

Pro secundo. {hr Papa befindee fi 
in Diefem Augenblick im Begriff fih zu ent 
fcheiden, ob er, unter einem großen Charafs 
ter, und mit einem Platz im Minifterio in ** 
oder in * * Dienfte treten will. Beyde werden 
ihm unter folchen : Bedingungen angeboten, 
und beyde geben ihm folche Ausfichten, welche 
dem liebenswürdigften aller Poeten und Chor⸗ 
beren in der Welt wenig Hoffnung laſſen. 


3 


> tertio. Die Dame M. iſt noch nicht 
funfzehn Jahre alt, und big die Zeit 
t, wo ihr DBater uber fie bisponiren 

würde unferm lieben Candidato s. s. 


monii die Luft des. Warten lange vers 


n feyn. 

leat ergo hoc Projectum in regio- 
idearum, unde profectum est! 

um aller Liebesgötter. und Grazien wil⸗ 
efchwöre Ich, Ste, mein Lieber, unferm 
i feine Drau zu geben, von ber Gie 
gewiß big zur Evidenz gewiß ſind, 
ſie ihn auf immer gluͤcklich machen 


ne Scherz, liebſter Gleim, wenn es moͤg⸗ 
ft, fo reden Sie unſerm Jacobi die Heys 
gedanfen aus; und iſt es nicht möglich, 
enden Sie alle Kräfte der menfchlichen 
jeit an, zumachen, daß ihn feine Wahl 
gereue. C’est courrir un terrible hazard. 
bin fein DVerächter noch Zeind der heil. 
Sch befinde mich, wie Sie wiſſen, felbft 
efem ehrenvollen Stande, und ich würde 


: fleine Frau, ungeachtet fie nichts Bril⸗ 
3 bat, um Keine in der Welt vertauſchen. 
Die Seltenheit des Charakters einer fo ° 


! 


14 

guten Frau als die meinige, iſt ed eben, 
mir für jeden Freund, der fich verbeut 
. will, angft und bange mad. 


CLXXXVII. . 
Un unfern Jacobi, 





Erfurt, den 15. November 1770 ii 


Das Lied das Ste den Orpheus den Schatl! 
ten fingen laffen, mein allerliebfier Jakobl, | 
ift Des Orpheus, nad) dem ganzen Charakter, 
den ihm die Alten, al8 Dichter und Weltmeis ! 
fen geben, eben fo als Ihrer würdig; id 
babe es unverzüglich an Herrn Boie abgehn 
laffen, — ohne einen Beytrag, denn: ich bin 
fo arm, daß ich nicht einmahl ein Almofer 
an einen armen Bettler von Boles ode 
Schmidts Klaffe zu geben habe. — Meint 
Gerinia find leer, oder doch nur mit Dingen 
angefült, die zu nichts zu gebrauchen find. 

Mit. unbefchreiblichem Vergnügen febe ich 
Ihren Elpfälfchen Feldern entgegen. Wie viel 
Schönes, Intereſſantes, Neues, erwarte ih 
nicht von meinem Jacobi, über einen Gegen 
fland, der zugleich fo idealifch und fo empfins. 
Dungsreich iſt! Sch Liebe die Vermifchung von 


15 
Profa und Verſen. Gle ſcheint mir der Nas 
ur näher gu fommen,. in erzählenden Gedichs 
en, welche nicht In die heroiſche Klaffe ger 
)ören, als lauter Verſe, — man kann mehr 
Mannigfaltigkeit, mehr Mufit hineinbringen, 
ils bey einerley Versart; und man bat den 
Bortheil, nur das in Verfen zu fagen, was 
virflich in Verfen gefagt zu werden verbient. 
Madam 2. R. befindet fich feit einiger Zeie 
u dem Tumulte, womit große Beränderungen 
n den äußerlichen Umſtaͤnden verbunden find. 
Raum erhalte ich alle drey oder vier Wochen | 
inen Brief von Ahr. Ich Hoffe aber, wenn 
ie fich erfk recht arrangiert haben wird, foll 
ie fich auch Ihrer abweſenden Freunde wieder 
ebbafter erinnern. Ihr Gemahl hat fih ent⸗ 
ihloffen, in die große Welt, von welcher er 
ſchon Abſchied auf immer genommen hatte, 
ich aufs neue zu embarquiren. — Zween geifls 
liche Churfürften öffnen ihm dazu eine glans 
sende Laufbahn, und in kurzem werde ich wiſ—⸗ 
fen, für wen er fich wird entfchieden Haben. 
Es war, ne vous deplaise, mon cher amıi! 
eine feltfame Licentia poelica von Em. Lieb⸗ 
den, den Düffeldorfern öffentlich das Evans 
gelium Yoriks zu predigen. Sehen Sie iu, 







16 


wie Ihnen die Geiftlichen und die fogenanntet 
Gritifer applaudiren werden. Ich meines Ol 
bin, das fünnen Sie ſich vorſtellen, mit Ihren 
Evangelio höchlich zufrieden — wiewohl frey 
lich leider alles mas Sie geprediget haben, 
lauter Naturalismus, Deismus und Pelagia 
nismus, ja purer verfeinerter Epicurid 
mus, Philofophie der Grazien, und mit 
einem Worte, pures Heidenthum if. 
Meine Frau, welche eine fehr gute Frau if, 
aber felten in die Kirche geht, fagt mir, wenn 
man zu Erfurt fo predigte, wie Sie zu: Düf 
- feldorf gepredigt haben, fe wollte fie gewiß | 
Feine Predigt verfäumen. — So, lieber Jacobt!. 
werden ale heitern, unverdorbnen, fhönek 
Seelen fagen. Aber — wie viele find deren? 
Ihre Predigt, mit einem Wort, iſt ſchoͤn 
und gut, aber ſie hat nicht gedruckt werden 
ſollen. Man muß die Weſpen nicht ohne Noth 
noch mehr reitzen. | 
Vergeben Sie mir, daß ih Ihnen meine 
Gedanken fo frey fage; Sie willen wie fehr 
ih Sie liebe. Die Grazien teen ein ewi⸗ 
928 Denfmahl davon! 
Laffen Sie fih umarmen, mein lieber beſter 
Racobit und nun gehen Sie hin und laffen 


17 
fih das quando corpus morietur, auß Pers 
Bolefe’8 stabat mater vorfingen, und 
dann feßen Sie ſich und ſchreiben was Sie 
Im Elpſium gefehen baben! | 


CLKXXXVIIL. 
An Gleim. 


Erfurt, den 18. November 1770 


Sch wende mih an Sie, um Sie zu Bits 
en, ein Werk der Barmherzigkeit an einem 
ungen Autor zu than, und ihm — einen Ver⸗ 
eger zu verfchaffen. Hier, befter Gleim, lefen 
Ste felbfi, und ſehen Ste, ob Heinfe nicht 
in Genie if, der Aufmunterung verdient! 

Ich bin gewiß, Sie werden fo mit mie 
yenfen, wenn Sie fein Manufeript durchge⸗ 
blaͤttert haben. | 

Er hat unlaͤugbar viel Genie, viel Feuer, | 
und für feine Umftände ziemliche Kenntnig. 

Sein Genie if noch braufend und trübe, 
wie junger Wein — Sein Feuer brennt noch 
nicht gleich, nicht rein genug — Geine 
Kenntniffe find noch) mangelhaft, und il y a 
beaucoup de crudites dans son esprit — 


Wislanda Vriefe. 1. 2. | 2 






38. ‘ 


Aber gleichwohl Fann was Großes aus den 
jungen Manne werben. 

Womit ich am wenigften zufrieden bin, If 
fein Cynismus Cder ſich fonderlich in feh 
nen Sinngedichten offenbart) und die- wenige 
Achtung die er zumeilen gegen Vorurtheile hat, 
qu’un honnete homme doit respecter. Sein 
Moral ift zuweilen nicht die befle; aber das 
alles wird fi ſchon geben, wenn fich ber | 
Menfch gefegt haben wird. Mit allen feine | 
Sehlern hoffe ih, Sie werden ihn Ihrer Pros | 
tection würdig finden. Seine fchlechten Um 
fände, Mangel an Erziehung, an feiner Le— 
bensart, find die bauptfächlichfie Quelle das 
von. Mo follte er den guten Ton gelerm 
haben ? 

Haben Sie die Guͤtigkeit, liebſter Freund, 
ibm einen Verleger zu verfchaffen, der we⸗ 
nigftens die armfelige Generofität bat, ihm 
funfzehn bis zwanzig Louisd'or für diefe Ras 
nuferipte zu bezahlen; und wenn Gie einen 
folhen Mann gefunden haben , fo beheben Sit 
das Geld an mich zu fenden. 

Gh bitte Sie nicht um Vergebung wegen 
ber Bemühung die ich Ihnen zumuthe. Ich 
“nne das Herz und bie Denkensart meine 


!: 


( 


19 
Sleims. In Leipzig, wo ich. die erſten Ders 
ſuche machte, Fonnte ich keinen Verleger dazu 
finden; es iſt aber auch wahr, daß ich die 
Saiten zu boch fpannte. Ich verlangte fünf 
nd zwanzig big drenßig Louisd'or; dag war 
u viel: ein neuer unbekannter Autor muß mit 
lem zufrieden feyn, was man ihm gibt. 
Infer junger Autor ift, bey aller feiner epifus 
Sifcher Schelmerey ein armer Schelm. Elos ' 
Rius wil Ihm eine Hofmeifterftelle in Leipzig 
serfchaffen; aber er braucht etwas Geld, um 
ſich ein wenig zu equipiern. 

Noch ein Wort von den Sinngedichten. 
Haben Sie die Gütigfeit, Diejenigen durchzus 
ſtreichen, die Shnen nicht‘ gefallen. Einige 
find cynifch, einige platt — der Geſchmack 
des jungen Menfchen iſt noch nicht rein, 
und feinen Sitten hängt noch zu viel von dem. 
Pöbelhaften feiner Erziehung an. Sneinigen 
Stuͤcken iſt mahrer Wi. Mit den übrigen 
verfahren Sie nach Belieben. Er unters 
wirft ſich fchlechterdings Ihrem Urtheil. 

Ich weiß nicht, liebſter Gleim, in was fuͤr 
einer leichtfertigen Laune ich war, da ich Ihnen 
letzthin ſchrieb. Beynahe iſt mir bange, daß 
Ih zur Unzeit geſcherzt haben möchte. Do 


Io 


Beſter, was ich zu Ihrem und meinem Troſte 
fagen und hoffen fann. 

Ihr Eleines Gedichtchen iſt allerliebft. Es 
iſt ein fchöner, fimpler, lieblicher, lachender 
Gedanfe, von der Hand einer Grazie in Ein 
reizendes Gemäldchen Bingetufcht. Aber fol. 
ich Ihnen aufrichtig fagen wie mir's it? Ich 
babe ein verwöhntes Ohr. Ich kann den 
Keim an folchen Heinen Gedichtchen nicht mifs 
fen. Rufen Sie die Mufe an, bie Ihnen fe 
günftig tft, und fagen Sie eben bag, eben fo 
naiv und fhön, in Fleinen Reimen, fo will 
ich Sie dafür herzen und Füffen! Keine Eins 
wendung, mein lieber‘ Anakreon, zum Erems 
yel: — Anafreon hat auch nicht gereimt, — 
oder ich babe Feine Zeit dazu — oder bergleis 
chen. — Sie fünnen alles was Sie wollen. 
Ich umarme Sie, mein Liebfler. — Die Gra⸗ 
sien follen zu Ihnen fliegen, fobald fie dem 
Kerker des Herrn Bürger s Hauptmanır Dürr, 
oder wie mein Buchdrucker heißt, entgangen 
find. 


u. 


11 
CLXXXVI. 
An Ebendenſelben.“ 


* 


Erfurt, den 15. November. 1770. 


Mein liebſter Gleim, fuͤr alles Schoͤne, 
Freundliche und Enthuſiaſtiſche, was Sie von 
meinen Grazien ſagen, danke ich Ihnen in 
ihrem Nahmen von ganzem Herzen. Ihr Bey⸗ 
fall, Ihr Lob iſt Balfam für mein Haupt und 
Ambrofia für mein Herz. Wollte Gott, daß 
ich bey den Drgien, welche Sie den Grazien 
zu Ehren in Ihrem sans souci angeſtellt has 
ben, hatte zugegen feyn können! Ach mag 
gar nicht daran denken, daß ich gegwungen 
bin, fo weit von meinem Gleim und Jakobi 
zu leben — der Gedanke macht mich unwillig, 
verdroffen, böfe über Menſchen und Schidfal. 

Alfo auf einen andern Gegenfland! Unfer 
Jakobi will fich eine Gemahlln beyfegen, und 


er wünfchte, daß es die Tochter meiner wer⸗ 


then Freundin feyn Fünnte. Wirklich ift die 
fleine M. ein ganz reizendes allerliehftes Mäds 
chen; wer fie davon träge und ein Herz 
und eine Denkendart hätte wie unfer Jakobi, 
würde alle Neigungen einer gebildeten Gries 
hin mit allen foliden Eigenfchaften und Zus 


12 


genden einer guten Frau in ihr befitzen. 
Dieß, liebſter Gleim, tft der Hauptpunkt: Geld 
iſt eine Kleinigkeit dagegen; es iſt freylich eine 
ſchoͤne Sache à son aise zu ſeyn; aber reiche 
Mädchen find felten liebens wuͤrdig, und 
noch feltener fugendbaft — in dem Sinne 
wie wir das Wort nehmen. Aber meine traus 
ten Herrn, wenn auch das Fräulein M. wos 
von die Rede ift, fo viel Geld hatte als die 
Königin aus dem Reich Arabien, fo beforge 
ich Doch fehr, daß aller Entbufiasmug, den bie 
Madame de *** nur immer für unfern Freund 
haben fann, die Sache wenig befördern werde, 
Meine rationes find dreyfach: Ä 

Pro primo. .Die junge Dame en ques- 
tion it Roͤmiſch Katholiſch, und wird eg 
bleiben hasta la muerte. 

Pro secundo. {hr Papa befindet fich 
in diefem Augenblick im Begriff fich zu ents 
fheiden, ob er, unter einem großen Charak⸗ 
ter, und mit einem Plag im Minifterio in ** 
oder In ** Dienfte treten will. Beyde werben 
ihm unter ſolchen Bedingungen angeboten, 
und beyde geben ihm folche Augfichten, welche 
dem liebenswurdigften aller Poeten und Chor⸗ 
beren in der Welt wenig Moffnung laſſen. 


13 

Pro tertio. Die Dame M. ift noch nicht 
volle funfzehn Fahre alt, und big bie Zeit 
fommt, mo ihr Vater uber fie digsponiren 
wird, würde unferm lieben Candidato s. s. 
matrimonii die Luft des. Wartens lange vers 
gangen feyn. 

Redeat ergo hoc Projectum in regio- 
nem idearum, unde profectum est! 

Aber um aller Liebesgätter und Grazien wil⸗ 
len befchwöre Ih, Sie, mein Lieber, unferm 
Jacobi feine Frau zu geben, von der Gie 
nicht gewiß bis zur Evidenz gewiß find, 
daß fie ihn auf immer gluclih machen 
wird. 

Dhne Scherz, liebſter Gleim, wenn es mögs 
lich if, fo reden Sie unferm Jacobi die Hey⸗ 
rathsgedanken aus; und iſt es nicht möglich), 
fo wenden Sie alle Kräfte der menfchlichen 
Klugheit an, zingnachen, daß ihn feine Wahl 
nicht gereue. C’est courrir un terrible hazard. 
Ich bin fein DVerächter noch Feind der heit. 
Ehe. Ich befinde mich, wie Sie wiffen „ felbft 
in diefem ehrenvollen Stande, und ich würde 
meine Fleine Frau, ungeachtet fie nichts Bril⸗ 
lantes bat, um Keine in der Welt vertaufchen. 
Aber die Seltenheit des Charakters einer fo 


B / 


7 







14 
guten Frau als die melnige, Ift es eben, wa 
mir für jeden Sreund, ber fich verheurathä 
. will, angft und bange macht. 


CLXXXVII. . 
An unfern Jacobi. 


Erſurt, den 15. November 177% 


Das Lied das Gie den Orpheus den Schats 
ten fingen Iaffen, mein allerliebfter Yatobl, | 
it des Orpheus, nach dem ganzen Charakter, | 
den ihm die Alten, als Dichter und Weltmweis 
fen geben, eben fo als Ihrer würdig; id 
babe e8 unverzüglich an Herrn Boie abgeha 
loffen, — ohne einen Beytrag, denn: ich bin 
fo arm, daß ich nicht einmahl ein Almofer 
an einen armen Bettlee von Boieg ode 
Schmidts Klaffe zu geben babe. — Meine 
Gerinia find leer, oder doch nur mit Dingen 
angefüht, die zu nichts zu gebrauchen find. 

Mit. unbefchreiblichem Vergnügen ſehe ich 
Ihren Elpfälfchen Feldern entgegen. Wie vie 
Schönes, Intereſſantes, Neues, erwarte Id 
nicht von meinem Jacobi, über einen Gegen 
fand, der zugleich fo idealifch und fo empfins 
Nungsreich ift! Ich liebe die Vermifchung von 


15 
fa und Verſen. Gle fcheint mir der Nas 
näher gu fommen,. in erzählenden Gedichs _ 
‚, welche nicht in bie heroifche Klaffe ges 
en, als lauter Verſe, — man kann mehr. 
nnigfaltigfeit, mehr Mufif hineinbringen, 
bey einerley Versart; und man bat den 
rtheil, nur das in Werfen zu fagen, was 
flich in Berfen gefagt gu werben verdient. 
Nadam 2. R. befindet fich feit einiger Zeile 
dem Tumulte, womit große Veränderungen 
den äußerlichen Umftänden verbunden find. 
um erhalte ich alle drey oder vier Wochen 
en Brief von hr. Sich Hoffe aber, wenn 
fich erft recht arrangirt Haben wird, foll 
fi) auch Ihrer abwefenden Freunde wieder 
bafter erinnern. Ihr Gemahl hat ſich ent⸗ 
loſſen, in die große Welt, von welcher er 
on Abſchied auf immer genommen batte, 
‚ aufs neue zu embarquiren. — Zween geifls 
ye Churfärften öffnen ihm dasu eine glans 
de Laufbahn, und in Furgem werde ich mwif- 
;, für wen er fich wird entfchteden haben. 
Es war, ne vous deplaise, mon cher ami! 
e feltfame Licentia poetica von Ew. Lieb⸗ 
1, den Düffeldorfern öffentlich das Evans 
lium Vorikg zu predigen. Sehen Sie iu, 


16 


wie Ihnen die Geiftlichen und bie fogenannt 
Gritifer applaudiren werden. Ich meines Di 
bin, dag können Sie ſich vorftellen, mit Ihr 
Evangelio höchlich zufrieden — wiewohl frı 
lich leider alles was Sie geprediget habı 
lauter Naturalismus, Deismus und Pelag 
nismus, ja purer verfeinerter Epicuri 
mus, Pbhilofophie der Grazien, und n 
einem Worte, pures Heidenthum if. 

Meine Frau, welche eine fehr gute Frau i 
aber felten in die Kirche gebt, fage mtr, we 
man zu Erfurt fo predigte, wie Sie zu Di 
- feldorf gepredigt haben, fo mollte fie gen 
feine Predigt verfäumen. — So, lieber Jacot 
werden alle heitern, unverdorbnen, ſchoͤn 
Seelen fagen. Aber — wie viele find dere 

Ihre Predigt, mit einem Wort, ift fchı 
und gut, aber fie hat nicht gedrudt werd 
folen. Man muß die Wefpen nicht ohne No 
noch mehr reisen. 

Dergeben Sie mir, daß Ih Ihnen met 
Gedanken fo frey fage; Sie willen mie fe 
tch Sie liebe. Die Grazien ſeyen ein ew 
ges Denkmahl davon! 

Laſſen Sie ſich umarmen, mein lieber beſt 
Jacobi! und nun gehen Sie hin und la 


17 
‚Rich das quando corpus morietur, auß Pers 
: goleſe's stabat mater vorfingen, und 
i Bann feßen Sie fih und fihreiben was Gie 
: im Elyfium gefehen haben! 


CLXXXVII. 
An Gletm. 


Erfurt, den 18. November 1770. 


ch wende mich an Sie, um Sie zu Bits 
ten, ein Werk der Barmherzigkeit an einem 
jungen Autor zu tun, und ihm — einen Ver⸗ 
leger zu verfchaffen. Hier, befter Gleim, lefen 
Sie felbft, und fehen Ste, ob Heinfe nicht 
ein Genie iſt, der Aufmunterung verdient! 
Ich bin gewiß, Sie werden fo mit mie 
Denken, wenn Sie fein Manuſcript durchge⸗ 
blaͤttert haben. 
Er bat unlaͤugbar viel Genie, viel Seuer, 
und für feine Umflände ziemliche Kenntniß. 
Sein Genie iſt noch braufend und truͤbe, 
wie junger Wein — Sein Feuer brennt noch 
nicht gleich, nicht rein genug — Seine 
Kenntniſſe find noch mangelhaft, und il y a 
beaucoup de crudites dans son esprit — 
Mielands Vriefe. II. V. 2 


38. ’ 


Aber gleichwohl fann was Großes aus dk 
jungen Manne werden. 





nen Sinngedichten offenbart) und die. wenige 
Achtung die er zumellen gegen Vorurtheile hat, h 
qu’un honnete homme doit respecter. Geist |, 
Moral ift zumellen nicht die beſte; aber bad 
alles wird fich fihon geben, wenn ſich de 
Menfch geſetzt haben wird. Mit allen feinen |, 
Fehlern hoffe ich, Sie werden ihn Ihrer Pros 
fection würdig finden. Seine fchlechten Um | 
flande, Mangel an Erziehung, an feiner Le— 
bensart, find die bauptfächlichfte Quelle das | 
von. Wo folte er den guten Ton gelernt 
haben ? E 

Haben Sie die Gütigfeit, liebſter Freund, 
ibm einen Verleger zu verfchaffen, der we⸗ 
nigftend die armfellge Generofität bat, ihm 
funfzehn bis zwanzig Louisd'or für diefe Mas 
nuferipte zu bezahlen; und wenn Sie einen 
folhen Mann gefunden haben , fo beNeben Sie 
das Geld an mich zu fenden. 

Ich bitte Sie nicht um Vergebung wegen 
ber Bemühung die Ih Ihnen zumuthe. Ich 
"ne das Herz und die Denkensart meine 


l 


! 19 


Heime. In Leipzig, mo ich. die erfien. Vers 
ıche machte, Fonnte ich Eeinen Verleger dazu 
nden; es iſt aber auch wahr, daß ich die 
satten zu boch fpannte. Ich verlangte fünf 
nd zwanzig bis dreyßig Louisd'or; dag war 
s viel: ein neuer unbekannter Autor muß mit 
Tem zufrieden feyn, was man ihm gibt. 
nfer junger Autor iſt, bey aller feiner epifus 
tifcher Schelmerey ein armer Schelm. Elos ' 
tus mil ihm eine Hofmeifterfiele in Leipzig 
erſchaffen; aber er braucht etwas Geld, um 
ch. ein wenig zu ‚equipieren. | 

Noch ein Wort von den Sinngedichten. 
yaben Sie die Gutigfeit, diejenigen burchzus 
reichen, die Ihnen nicht gefallen. Einige 
nd cynifch, einige platt — der Geſchmack 
e8 jungen Menfchen iſt noch nicht rein, 
nd feinen Sitten hänge noch zu viel von dem. 
Höbelhaften feiner Erziehung an. Ineinigen 
Stücken ift mahrer Wis. Mit den übrigen 
erfahren Sie nach Belieben. Er unter 
yirfe ſiſch fchlechterdings Ihrem Urtheil. 
Ich weiß nicht, liebſter Gleim, in wag für 
iner leichtfertigen Laune Ich war, da ich Ihnen 
tzthin fchrieb. Beynahe iſt mir bange, daß 
H zur Unzeit geſcherzt haben möchte. Doc 


20 


Sie und unfer Jakobi kennen mein Her; 
Dies beruhiget mih. Sagen Sie unfern 
lingsdichter, daß er nächfieng einen Bri 
Mad. La Roche befommen werde. Sagı 
ibm, daß ich Ihn und feinen Gleim 
feinen Bruder in Düffeldorf Coon de 
fürzlich einen allerliebfien Brief befo 
babe) über alles liche. Ach habe Feine 
dee vom Himmel, als wenn ich mir e 
ben unter folchen Sefchöpfen wie Ihr 
denfe! Warum, warım! kann Wieland 
mit denen leben, bie er liebe? Warum 
er unter Oſtrogothen, Slaven und Ma; 
nostris leben! Dites moi le mot d 
enigme! Stein! Maitre Panglofs mag 
was er will, nicht alles iſt gut in d 
Melt; ’tis buta worky-days world, 
the best of it you can; mais pour mo 
a des momens oü je voudrois .pouv< 
mettre dn pieces, le piler dans un mc 
le fondre en masse et en faire un ; 


Adieu, mon cher ami ‘ 


4 
* 
* 
> 
- 


ELXXXIX. 
An Jakobi. 
Erfurt, den 25. Jenner 1771. 
Ich ſetze mich fogleih hin, mein lieber Jas 


. eobi, Ihnen für Ihren Fleinen Brief vom 20. 


E 
B 
E 
FE 

— 


E: 
2 
4 
2 
E 
? 
b 
. 
& 


und für Ihre Cantate zu danken, welche mir 


zum Fruͤhſtuͤcke gebracht wurden, und von der 


ich, mie ihrer Erlaubniß, um ein gutes Theil 
gunfliger denfe, als Sie ſelbſt. Ste iſt Ihrer 


; völig würdig, und erneuert meinen Wunfch, 


daß Sie für ein Igrifches Theater (welches 
war noch nicht eriftirt, aber durch Gie vers 
anlaße werben fünnte) arbeiten möchten. Wenn 
Sie noch lange zaudern, fo fiehe ich Ihnen 
nicht dafür, daß ich Ihnen nicht zuvorkomme. 
Ich babe fchon lange die dee von einem klei⸗ 
nen Iprifchen Schaufpiel, Pysmalion, im. 
Kopfe, eine Idee, aus welcher etwas Schös 
nes, ſehr fchönes werden müßte, wenn ich fie 
fo ausführen fünnte, wie fie in meiner Eins 
bildung liegt. | 

Mit den Arien in der Cantate bin ich nicht 
fo ſehr zufrieden als mit dem Recitativ, 
und mit den beyden erfien Arten weniger, als 
mit den letzten. Sch münfchte, daB es mögs 


22 


lich waͤre, die Kunſt der Arien melne 
Liebling Metaſtaſio abzulernen; ich fuͤhle ur 
kenne die Schwierigkelten, die unſere Sprad 
Dagegen macht, nur gar zu wohl; aber gaı 
unuberwinddich find fie nicht; und wer Finn 
fie beſſer überwinden, als mein Jacobi, d 
das Lied der Grazien gefungen hat, Di 
ſes füße, nektarfüße Lied, das lauter Mul 
iſt, und bie Leichtigkeit eines Grazien⸗Tal 
zes hat. | 

Wie weit mir felbft Verſuche von diefer Ga 
tung in den Grazien gelungen feyn möchte 
darüber mwünfchte ich, zur Beflätigung Ihr 
und Unfers Gleimg vielleicht allzu nachſich 
lichen Beyfalls, das Urthetl eines Hiller 
oder irgend eines andern Tonfänftlerd, be 
die Deufen hold find, zu erfahren. 

Und: nun auch ein paar Worte auf Jhri 
vorletzten Brief. Warum konnte ich Doch d 
Reiſe nach Berlin nicht mit den Freund 
meines Geiſtes und Herzens, mit meine: 
Gleim und Jakobi mit machen? in ihrer & 
felfchaft Sulgern, Mofes Mendelsſoh 
und Kamlern kennen zu lernen! Ich geftel 
Ihnen, daß ich nichts weniger als gleichgü 
tig bey dem Beyfall der beyden letztern bi 


23 
beffen fie mich In fo Iebhaften Ausdruͤcken 
verfichern. 

Der letzte niederträchtige Ausfall, den, ich 
weiß nicht welcher Elende, auf Sie und mich 
in der Hamburger N. 3. gethan hat, reijte 
Anfangs meinen Unmwillen fo (ehr, daB Ich im 
Begriff war, etwas Dagegen für Sie und mic) 
aufzufegen, welches in den Gorrefpondenten 
eingerückt meiden follte. Aber Da fih mein 
erſter Unwille abgekuͤhlt hatte, fand ich, daß 
wir dem ſchlechten Menſchen zu viel Ehre ers 
weifen würden, wenn wir Empfindlichkeit über 
feine Beleidigungen zeigen wollten. Dieſe 
Können und nicht fchaden, und einer Apologie 
bedürfen wir auch nicht. Das befte iſt, wir 
gehen Hand in Hand unfern Weg fort, und 
würdigen dergleichen Zudringlichkelten nicht der 
geringfien Aufmerkſamkeit. Stillſchweigende 
Verachtung iſt das unfehlbarſte Mittel, der⸗ 
gleichen armſelige Blaͤffer, die mit aller Ge⸗ 
walt Aufmerkſamkeit erwecken wollen, abzu⸗ 
weiſen. 

Einer ſo gefühlvoflen und mit den fchönften 
Ideen von liebenswürdiger Menfchheit und 
Fchöner Natur angefüllten Seele, wie meines 
Jacobis, muß es freylich eben fo fchmerzlich 


24 


als undegreiflich fallen, wenn fle eine Erfah⸗ 
rung nad) der andern von der Bosheit und 
tuͤckiſchen Gemuͤthsart, melche fo gemein um 
ter dem Pöbel aller Elaffen und Stände if, 
zu machen genöthige wird. Aber fo ift nun 
die Welt, mein lieber, und wir haben fein 
ander Mittel, als uns in die befferen Welten 
zu flüchten, die wir ung ſelbſt 'erfchaffen koͤn⸗ 
nen, fo oft uns die wirkliche unectröglid 
wird. 

Umarmen Sie unfern Gleim in meinem 
Namen, für die Gütigfeit, die er für den 
armen Heinfe gehabt hat. | 


| 


CLXC. 
An Ebendenfelben. 


‚ Erfurt, den 18. Sebruar zz 


Liebſter Beorg! — Meine Sophie, bie 
ältefie meiner drey Mädchen, ift feit Eurgem 
von ber entfeglichften aller Krankheiten, den 
Pocken, glüdlich und mohlbehalten wieder aufs 
geftanden. — Wünfchen Sie mir Gluͤck dazu, 
befter Bruder! Mein Leben hing an dem Las 
ben dieſes füßen Gefchöpfes, und folglich zwey 

te drey Tage lang an einem Faden. 


25 


Ich umarme und füffe Sie tauſendmahl für 
das angenehmſte Gefchenf, das Sie mir jes 
mahls gemacht haben, für Ihre Pſyche (denn 
fo wid ich Ihren Schmetterling nennen) 
und für Ihre Antonette, meinen Liebling 
unter allen ihren Liedern, die zwey ausgenoms 
men, bey melchen zu Coblenz im Nachen, 
am fchönften Abend meines Lebens, in der 
beften Geſellſchaft worin ich jemahls war, fo 
fchöne, fo füße Thränen gemeint wurden. 

Alles was Sie mir von Ihrer Cantate fchreis . 
ben ift fehr nach meinem Sinne und die Wachs 
richten von Ihrer Aufführung haben mir uns 
endlich viel Vergnügen gemacht. Die Danks 
fagung Ihrer patriotifchen Gefelfchaft war 
wohl imaginirt und des patriotifchen Dichters 
würdig. Vortrefflich finde ich das Schreiben 
an den König — warum haben Ste nit auch 
eine Abfchrift von der Föniglichen Danffagung 
beygelegt? 

Unſer Bruder Fritz iſt einer von dem ſelte⸗ 
nen Sterblichen von denen Shakeſpeare ſagte, 
bey ihnen moͤchte die Natur aufſtehen und ſa⸗ 
gen: das iſt ein Mann! Er hat mir Urſa⸗ 
chen von ſeiner Standesaͤnderung gegeben, um 
derentwillen ich ſeinen Nahmen nie ohne Ehr⸗ 


26 


erbietung nennen werde, wiewohl alles ti 
fhön und gut, edel und groß iſt, feiner S 
fo natürlich ift, daß er niemahlen etwas fo x 
Bes thun wird, daB es mehr wäre, als 
ihm zutraue. Ich muß unferm lieben DB 
Gleim dießmahl meine Antwort fchuldig f 
ben. Ich hoffe aber, er iſt mit bem zufriel 
was ich ibm über feine vortrefflichen Li— 
gefchrieben babe. 

Ihren Michael möcht ich perfonlih 
nen. Wenn Gie wieder nach Düffeldorf 
ben, fo vermachen Sie Ihn mir, big Sie 
Derfommen. 

Leuchſenring ift wieder aus der Sc 
zurücgefommen, und hat mir neuerlichfi 
Sefenfchaft mit Merk ein Briefchen aus 
ſers Dumeiz Zimmer in Frankfurt gefchriel 
mit Beylage zweyer Stuͤcke ber Franffı 
Anzeigen, worin Gulgerß Theorie: 
fcharf , nicht etwa blog mit attifhem Sa 
fondern, beym Anubis! mit Salpeter und 
nifchem Pfeffer gerieben wird. Ich mi 
wohl wiffen, wer die Recenfion gemacht bc 
ie iſt avec connoissance de cause und 


gleich beſſer als die meinige gefchrieben. 
*) Wahrſcheinlich Göthe. 


27 


jſt es wahr, daß Feder in Göttingen Vers 
er der Revifion der Phllofophie If. 
kann e8 Ihm nicht zutrauen, das Buch iſt 
» merkwürdige Erfcheinung ; wiewohl es feldft 
j) einer Kevifion bedarf. 

ih umarme meinen Georg mit iInniger 
ve ꝛc. 


CLXCI. 
An Gleim. 


Erfurt, den 2. Merz 1771. 


Der Tag, wo ich einen Brief von meinem 
iebten Gleim empfange, iſt allemahl ein 
licher Tag fuͤr mich. Je groͤßer dieſer 
ief iſt, deſto groͤßer mein Vergnuͤgen; ſollte 
aber auch nichts weiter enthalten, als: gu⸗ 
Tag, mein lieber Wieland, ich bin wohl 
und liebe Sie — fo wuͤrde er mir doch 
je DBergnugen machen, als ber wigigfte 
ief von dem witzigſten Kopfe in Europa, 
mir alle acht Tage einmahl eine große 
iftel fchriebe, um mit feinem Wise Parade 
machen, — Alſo fein? Entfchuldigungen uns 
ung, mein beiter Gleim. Se ofter Gie 
: fchreiben koͤnnen, deſto beffer für mich; 


23 


aber ohne Ihre Ungemächlichfelt, bag verſich 
ſich ein fuͤr allemahl. 

Herr Heinſe empfiehlt ſich zu Gnader 
und iſt ſehr geruͤhrt von aller Ihrer Gütig 
keit fuͤr ihn. Er iſt kein Theologe, ſonder 
ein manquirter Juriſte, und taugt in Feiner 
ley Betrachtung in ein Predigerhand 
Kurz und gut, er mag auf eine. beffere Gel 
genheit warten. Daß Sie ihm einen DBerlege 
gefunden haben, bat ihn unendlich gefreut 
und er bittet Sie instanter, instantior, instan 
tissime, zu machen, daß wenlgſtens ein Thel 
feiner Dialogen auf die Oſtermeſſe das Lid 
ſehe. Er hofft ſich durch den Dialog über bi 
Muſik bey feiner gebletenden Dame, der Tür 
ſtin von Sondershaufen, welche eine Kennerh 
und Dilettantin von Mufif ꝛc. feyn fol, U 
infinulren, und. dadurch feinen übrigen Abfich 
ten förderlich zu feyn. Auch von feinen Sina 
gedichten, bittet ev Sie, biejenigen, welch 
Ahnen am wenigſten mißfallen, und toorlı 
feine fo fcandaleufe Reime vorkomme 
(ich denke bierin eben fo wie mein Gleim) aus 
zuzeichnen und drucken zu laffen. Die übrel 
gen Dialogen, welche der Ausbefferung nod 
am meiften bebärfen, bitter er fich wieder auf 


29 
zu befchnelden. Er iſt noch jung, 'ein 
um Juxurians, und e8 fehlt ihm noch 
n dem guten Ton, aber durch Aufmuns 
und freundliche Kritik iſt fchon was 
m zu machen. Wenn Ste gelegentlich 
echs oder acht Louisd'or für Ihn entbeh⸗ 
nnen, fo kann er fie freylich wohl ges 
en, und belieben Sie fich für alles bey 
Verleger wieder besable gu machen, 
r, wie ich hoffe, fo übel mit diefem new 
nden Autor nicht fahren wird. 
t vergebe Ihnen, mein liebflee Gleim, 
Sie durch Ihre Yufmunterung aus uns 
facobi einen Evangeliften gemacht haben. 
htet alles deffen, was man dafür fas 
zun, iſt Doch etwas Diffontrendeg 
e Sache, welches einen, wunderliden 
auf viele ehrliche Leute macht, und 
Seind Stoff zum Gpotten gibt. Ich 
hm meine Meinung bon’ der Sache in 
licher Liebe gefagt: wie wollen fehn wie 
fen wird. 

König folte mich allerdings zum Abe 
lofter Bergen machen, wenn er diefe 
e in einem vortrefflichen Stande, haben 
‚ Wenn 68 fich für einen Verfaſſer des 


30 
N. Amadis und der Grazien ꝛc. ſchickte, 
Geiſtlicher zu ſeyn, fo wäre ich der Manı 
zu, mich eraminiren und ordiniren gu I. 
Denn ih kann viel Theologie. Abe 
hätte dies alles nicht vonnöthen. Im vo 
Seculo ift ein Laye Cich weiß nicht 

was für ein D. juris,) Abt von Klofter 
gen gemwefen; und alfo hatten wir fehoi 
Praͤjudicium. Der feine Lärm, den Die K 
Gottes in Bergen und Magdeburg anfa 
würden, wenn Wieland Hähns und Si 
metzens Succeffor würde! Es iſt ein Ze 
vor dem jüngften Tage, würden fie mit gı 
‚genen Händen ſchreyen. In der That m 
ich nichts Lieberes auf der Welt feyn ale 
rector einer academifchen Schule cum 1 
potentia — oder Amtmann auf einem 

halb eingefallenen Schloffe, nicht gar zu 
von meinem Sleim. — Wenn Ihr hochwuͤ 
gnädiges Domcapitel fo eine Caſtellanſtelle 
ungefähr. taufend Neichsthalern jährlich zu 
geben bat, fo gedenfen Sie meiner im Bi 
Einen Zwerg meiß ich ſchon, den ich 
in meine Dienfte nehmen werde, damit er 
der Warte des Schloffes ſtehe, und alfe 
in fein Dorn floße, wenn er Gleim und 


31 
bi von ferne daher traben ſieht, einen Be⸗ 
ch bey dem Seigneur Chatelain abzulegen. 

Lebt wohl, meine Kinder, ich umarme Euch, 
d wenn ich Abt von Kloſter Bergen ſeyn 
erde, ſollt Ihr meine Benediction obendrein 


iegen. Ihr koͤnnt nicht glauben, wie gut es | 


ir läßt, wenn ich bie Benediction gebe. 


CLXCH. 
An Ebendenfelben. 


Erfurt, den 8. Merz 1771. 


Laſſen Sie ſich umarmen fuͤr Ihre koͤſtliche 
legiade, mein lieber ſchwaͤrmeriſcher, unnach⸗ 
mlicher Gleim! Ste allein Fünnen aus 
ichtS oder aus etwas bag beynahe nichts 
‚ da8 niedlichfte, anziehendſte, Intereffans 
te Ding machen, das jemahle eln "Barde 
macht hat. Wie liebe ich diefe anmuthig 
ilde Noten, dieſen Eunfllofen, von der blos 
n Natur eingegebnen Nachtigallengefang; es 
mein Lieblingston, der Ton Ihrer Alexias, 
ver niemand kann darin componiren, und 
emand foll darin componiren, als mein 
feim. Sa wohl müffen Ste: begeiftert ‘ges 
efen ſeyn, da Sie dieſe Aleriabe fangen; fie 


22 
ſieht fo ganz der freymilligen Ergießung elek 
vollen, glücklichen Ader von Geiſt, Gefuͤhl ud 
Laune gleih — koͤnnte Ich noch etwas dab 
wünfhenl, fo wäre e8 Zeit und Geduld fi 
meinen Gleim, um allen Strophen ohne And 
nahme diefe Leichtigkeit, diefe Bluͤthe der Bro 
zien zu geben, die ich nur in wenigen vw 
miffe; Zeit und Geduld, um alles fo völlg 
außzugläatten, und fo rund und fpiegelglatt 
zu machen, daß der Zoilus ſelbſt fich die Rb 
gel und die Nafe dazu abfreffen möchte, ohne 
was daran zu fehen, das er tadeln koͤnnte, 
folche Strophen mie diefe: 
„Die Schönheit einer Myrte, 
Die noch Fein Blümchen trug, 
Und ein getreuer Hirte 
Zum Prieſter, ift genug.“ 
sder wie diefe: | 
„Sn Ihrer Fleinen Hütte 
Sitzt zwifhen Ihm und Ihr 
Die alte gute Sitte 
Zufrieden an der Thür!“ 

Solche Strophen kann alles Gold des Ra 
nigs Midas nicht besablen, und der muͤßte 
feine Debrlein haben, den fie nicht entzüden 
ſollten! Solche Strophen verdienen, daß mels 
Gleim erlihe Stunden, und wenn es fen 


33 
ßte, etliche Tage dazu heiliget, die wenigen 
nen Flecken wegzuwiſchen, und die wenigen 
nen Härtigfeiten wegzufeilen, bie er ſelbſt, 
gut und beffer als ich, beym nochmahligen 
erlefen wahrnehmen wird. 

Bag Sie, liebfier Freund, nicht ſelbſt wahr⸗ 
men, davon foutenire ich gegen alle Welt, 
Pferd und zu Fuß, daß es Fein Fehler if; 
na wer hat ein zaͤrteres Gefühl und ein feis 
es Ohr ald mein Gleim? 
Die einzige Strophe auf der zehnten Seite, 
„Einf flocht er eine Myrte“ 
ede ich den Grazien zum füßen Geruch aufs 
ern, bie Empfindung die darin liegt, If, 
in ich nicht irre, gar zu gefändelt, gar zu 
feiner; die Mühe, einen Myrtenzweig in 
en Kranz zu flechten, ift fo Elein, fo Klein, 
3 08 fich fchlechterdings ber Muͤhe nicht vers 
nt, daß Elifa Aleris feyn möchte, um ihm 
ſe Muͤhe zu erſparen. 
Yh ſage nichts von den Niederſaͤchſiſchen 
imen: 
— Geſank (Geſang) 
— Zank 
Ihr andern Niederſachſen ſeyd uͤber dieſen 
ukt fo eigenſinnig! alſo nichts mehr von 
dielands Briefe BIL. V. 3 













34 


Sefanf, und Klank und Zaunk und lan m 
allen diefen Confufionen der armen Deiklantt 
g und k, g und hu. f. w., die uns ehrliche 
Allemannern fo unerträglich vorfommen! 
Verzeihen Sie, mein liebfter, befter Stemif: 
meine Impertinenz. Es tft am Ende be 
nicht, weil ich gern etwas tadeln möchte, fi 
dern weil ich gern alles, was von meint 
Gleim fommt omnibus nummeris absolutu#fl: 
ſehen möchte. 
Hoͤchlich wohl Hat mir die Strophe behagk:ke: 
Ach Fönnte Graff es malen, 
Ein ſolches Bild Fönnt? Ihm 
Der Kaiſer nicht bezahlen, 
Und ich bejahlt es ihm!“ | 
Ich liebe diefen Stolz, der das Herz dalı 
ſich ſelbſt Gerechtigkeit zu erweiſen — wi 
Appeles den Muth hatte, die Gunft der Söh 
zien laut gu bekennen, und Ihren Maler fi 
zu nennen. 
Nochmahls, liebſter Gleim, haben Sie taw 
fendmahl Dank für das füße Vergnügen, beik 
mir Ihr Alexis und Elifa gemacht haben. IL 
wurde mir's, ungeachtet ich wenig Yugenblidi 
babe, abgefchrieben haben, wenn ich es nie 
bald gedruckt zu feben hoffte, — 


35 
CLXCIIT. 
Un Jakobi. 


Erfurt, den 25. Mer. 1771 


be Trofifchreiben vom 6. Merz bat bie 
fung auf mid) gethan, nicht nur die Fleis 
Wunden, über die ich fo fchmerzliche Kla⸗ 
gegen Sie führte, auf einmahl völlig zuzus 
n, fondern mic) auch gegen alle fünftigen ' 
kenſtiche, die ich jemahls befommen werde, 
npfindlich gu machen. Kaum batte ich es 
en, fo bedauerte Ih von Herzen, daß ich 
en und Ihrem vortrefflichen Bruder eine 
nmäßige Empfindlichkeit gezeigt, und Sie 
wech gereist hatte, auf Rache an einer Art 
Sefchopfen zu denfen, welche von Rechte 
n unter unferem Geſichtskreiſe feyn follte. 
ı Unmille gegen mich ſelbſt, tft — erfchres 
Sie nicht, lieber Jakobi, vermehrt wor⸗ 
da ich Ihr ernfihaftes, aber nur gar zu 
thaftes Gedicht an daß deutfche Pubs 
3 lad. — So ſchoͤn einige Stellen darin 
ch ſelbſt find, fo fann und fol ich Ihnen 
nicht verbergen, was Sie vermuthlich bey 
em Blute felbft fühlen werden, daß der 
dieſes Fleinen Gedichts gefchickter I, ung 


36 


als unfern Feinden, Schaden gu thun. E 

zu viel Lfarmen um Nichts. Sie 

den ſehen, mie luſtig fich die Hamburger 
Böttinger über ung machen werden. Die 

firophe an eine Furie, dag Verbrechen dat 
deutfchen Nation daraus gemacht wird, 

fie nicht mit Feuer und Schwert (werden 
Spötter fagen) gegen Diejenigen auszie 
melche ihre Knie nicht vor den Grazien 

Amorn der Herren Gleim, Jakobi und S 
land beugen wollen; das Wort Freveli 
ten gebrauchen, um Eleine boshafte crit 
Wanzenſtiche zu bezeichnen, kurz der allzu 

erliche Ton des Gedichts, "und die poet 
Derwandlung einer Kleinigfeit In eine Si 
woran die ganze Nation Antheil nehmen 

alles dies wird Anlaß geben, uns nody aͤ 
mitzufpielen, als jemahls gefcheben iſt. 
die Unpartheyifchen werden fagen: Nun ı 
tollen denn Diefe empfindlichen Herren m 
als daß fie von der Nation begierig gel 
und bewundert werben? Soll man einen Kr 
zug gegen ihre nahmenlofe Feinde, gegen : 
tungsfchreiber, predigen?. — Vergeben | 
mir, mein allerliebftee Jacobi, diefe Frey: 
thigfeit — ich empfinde darum nicht wen 


37 


ſehr ich Ihnen für die warme Freund⸗ 
ft verbunden bin, welche Sie getrieben bat, 
meiner mit fo vielem Eifer anzunehmen. 
’ mich ſelbſt, bloß auf mich bin ich boͤſe, 
ich Ste zu dlefem kleinen Don Quiſchotti⸗ 
n Auszug gegen — Marlonetten verleitet 
e. Laffen wirs gut feyn, und folgen Eünfs 
bem Rath, den mir- unfer vortreffliche 
Bhofmeifter, der Freyherr von Grogfchlag 
s auf deffen Urtheil ich es anfommen 
‚ ob id den Göttinger und Hamburger 
ungsfchreibern etwas anttworten folte oder 
t: « je ne vous conseille pas, fo ſchreibt 
ir, de riposter & ce gazelier de Ham- 
rg et à ce triste litterateur de Göttingen. 
maniere est de ne jamais repondre aux. 
, aux pelits mechants, aux vieilles fem- 
;„ ni aux ennuyeux. — Vous auriez tort 
vous fächer aussi long-tems, qu’on vous 
et qu’on vous lit avec un avide plaisir. 
nfere Freundin Sophie ift Im Begriff nach 
em neuen Wohnfig in Coblenz abzureifen, 
ohne Zweifel haben Sie noch vor Ihrer 
tfe einen Brief von Ihr befommen. Mit 
ang Fünftigen Mays reife Ich ſelbſt nach 
enz; haben Sie, mein Lieber, nicht etwan 






38 
auch irgend eine Neife in diefe Gegenden ART 
in benachbarte vor, welche Gelegenheit zu el 
Zufammenfunft geben fünnte? Sollte es 
nicht feyn Eünnen, fo werde Ich nicht 
ruben, bis ich unfern Gleim In Halbe 
befuchen kann, und dies fol noch Im Diet 
Fahr gefchehen, oder der Himmel müßte vmf 
ber einfallen. 


CLXCIV. 
An Sleim. 
Erfurt, den 26. Merz 177% 


Wenn Ich Ihnen, mein liebfter Gleim, ned 
nicht8 davon gefagt habe, wie ſehnlich Id 
einer vollftändigen Ausgabe aler Ihrer Werk 
(dieſes Wort in feiner wahren poetifchen 34 
Deutung genommen) entgegen fehe, fo hatt 
ih es thun follen, und thue es jegt, da id 
vernehme, daß der ſchlechte Menſch Hechttl 
eine fchlechte Ausgabe, an der Ste folglih 
feinen Theil haben, davon zu beforgen fich ei 
freche babe. sch flelle mir vor, baß der Bau 
fag, einige von den Gedichtchen, die Yhnen 
durch eine plößliche Begeifterung eingegehet 
„Yorden, oder die Ihnen zufälliger Weife and 


Be Feder gefchlupft find, zu überarbeiten und 
rszupoliren, — und der Dangel an Zeit Dazu, 
‚Wie einzigen Urfachen feyen, fo Ste bisher vers 
‚Windert haben, eine authentifche Ausgabe zu 
Beranfialten. Aber wenn mein Bitten bey Ihnen 
Exwas vermag, liebfier Gleim, fo Tafien Sie 
‚Mich und alle Liebhaber Ihrer Mufe, das if, 
alles was einigen Antheil von Geiſt und Ges 
Fähl des Schönen unter unfrer Nation hat, 
micht länger nad) einer Sammlung aller Ges 
Dichte -eines von unfern Lieblings s Dichtern 
wergebeng fchmachten. indem ich «eine foldhe 
Ausgabe wünfche, wuͤnſche ich auch daß fie 
ſchoͤn und niedlich feyn möchte, und da 
“uch feinen Verleger In Deutfchland Fenne, der 
fo viel Herz hat, etwas auf eine fplendide 
Ausgabe zu Menden, ald Freund Neid, fo 
möchte ich Sie überreden können, ihm die 
Ehre Fhr Verleger zu feyn zu gönnen. Sch 
würde eben diefe Propofition unferm Jakobi 
gethan haben, wenn ich von feinem Vorhaben, 
alle feine Werke zufammen zu ediren, nicht zu 
fpat benachrichtige worden wäre. Gar fo gern 
möchte ich, daß wir drey Einen Verleger häts 
ten; Neich würde fich eine Ehre daraus machen, 
alles mögliche anzuwenden, um bie Kindlein 


40 


- unfers Geiſtes herauszuputzen; und geſtehe 
Ihnen, daß ich ſelbſt Kind genug bin, de 
meinigen gar zu gern gepußt zu fehn. Neid 
weiß nicht, daß ich Ihnen dies fchreibe, abe 
ich weiß, daß er ſtolz auf bie Ehre ſeyn wuͤrde, 
meined Gleim's Verleger zu feyn. Er IR de 
bonnetefte Buchhändler, den ich jemahls g# 
fannt habe, und ic) bin gewiß, daß Ihner 
fein andrer mehr GSatisfaction geben mürdt 
als er. Melden Sie mir doc) sub rosa, was 
Sie hiervon denfen, mein liebftee Gleim. Ih 
umarme Sie von ganzem Herzen. Die Grajle 
unfers Meifters Sokrates fey mit Ihnen. 


cxcv. 
An Jakobi. 


Erfurt, den 10. April 1771. 


Ich erinnere mich der Ausdruͤcke nicht mehr, 
worin ich Ihnen letzthin von Ihrem kleinen 
Gedichte an das Publicum, nach dee Ems 
pfindung welche mir das wiederholte: Lefen 
deffelben machte, fchrieb; wenn in biefen Aus⸗ 
drücen etwas ift, das Ihnen unangenehm 
feyn mußte, fo bitte ih Sie um Vergebung; 
daß mein Herz unfähig ift, Sie zu beleidigen, 


\ 


gi 


verficht fich von ſelbſt. Andeffen kann ich uns 
Möglich, mwenigfteng .einem Freunde, den id) 
fo liebe, wie ich Ste liebe, etwas anders fas 
gen, als was ich denfe. — Die vollfommne 
Zufriedenheit aller unfrer Freunde mit dem 
Gedicht wovon die Rede ift, beweist, Das wir 
nicht über alles gleich denfen, und wie können 
mwir das erwarten ? ch verlange nicht daß 
irgend eine lebende Seele empfinden fol wie 
ich. Unrecht, im höchften Grad Unrecht, that 
ih daran, daß ich Ahnen und Ihrem lieben 
Bruder, In ber erften. Bewegung des albernen 
Affekts fchrieb, worein mich die Böttingifche 
alberne Recenfion der Grazien ſetzte. Hatte ich 
es nur einen oder zween Tage anſtehen laffen, 
fo würde ich Ahnen und unſerm Bruder zu 
Düffeldorf viel unangenehme Augenblicke, und 
mir viel Nachreu erfpart haben. Doch dies 
iſt alles nun nicht mehr zu ändern; laffen wirg 
gut ſeyn. Sie follen mich in ihrem Leben 
nicht wieder uber Urtheile Flagen hören, welche 
meine Eitelfeit oder Eigenliebe beleidigen. 
Hingegen verfprechen Sie mir auch, lieber Ja⸗ 
tobi, in Ihrem Leben nicht wieder in dem 
hoͤchſt ernſthaften Ton, wozu Ihnen uns 
fee Gleim (A\qui dicu le pardonne!) geras 


42 
then bat, weder gegen die Mifocharlten uch 
gegen die Mifanthropen, noch gegen irgen 
eine Art von Haffern fehreiben wollen. Vi 
leicht hab’ ich Unrecht; aber mich dünft, ML: 
wollte eine große Differtation zur Entſchuldb 
gung, ja zur Rechtfertigung der Diifocharitm 
fchreiben können. Hütet Euch vor der Sch waͤn 
merey, meine Kindlein; etlihe Gran daten h, 
zumwellen, in einer hinlänglichen Portion Freud }ı 
als Liebe, oder Hoffnung, oder irgend elnt h 
andern angenehmen Empfindung aufgelödt I; 
ift ein ganz gutes Cordial; aber Flamw 
men athmen, und den Zurien ihreſ 
Fackeln aus den Klauen reißen, - 
welch eine Ausſchweifung für Enthufiaften dee |, 
Schönen und Guten? Ach empfinde die Stark | 
der Sreundfihaft Ihres Gruders in dem Slam 
menhbauchenden Briefe, wie ich foll; abe 
ich kann Ihnen doch nicht verbergen, daß ih 
mich ein wenig vor meinen ſchwaͤrmeriſchen 
Freunden fürchte. ch ſelbſt bin gewoͤhnlich 
fo kalt — ich ſehe die Welt und was in de 
Meltift, in einem fo jovialifchen Lichte, (wenn 
ich fo fagen kann) meine ganze Art zu Denken, 
meine ganze Philofophie iſt der Schwaͤrmerty 
fo wenig guͤnſtig, daß Ich obnmöglich ohne 







43 


e Görge feyn kann, wenn ich an dieſe 
rfihiedenheit in unfern Sinnesarten denfe. 
a fo mehr verlangt mich, fie alle perſoͤnlich 
Fennen. Deich Cdeffen bin ich gewiß) wer⸗ 
ı Sie nicht fo finden, wie Sie mich zu fins 
ı wüänfchen und vielleicht glauben; doch dies 
inruhiget mich nicht; Sie werden einen 
enfchen von geradem, offnem, aufrichtigem 
arafter an mir finden, der mit allen feinen 
angeln noch immer Ihrer Freundfchaft werth 
, und daß iſt genug. 
Ihre erfien Menfchen, mein Jakobi — 
: habe ich fo lange warten fönnen, Ihnen 
ſagen, Daß ich fie. mit dem höchflen Grade 
Vergnuͤgens, deffen ich fähig bin, geles 
babe? Sch kann nicht Worte genug fin: 
I, Ihnen zu fagen, wie ſchoͤn es Im mei⸗ 
ı Augen ifl! der ganze Ton fo vollfommen 
3 Gegenfland angemeffen, die. Bilder fo 
in, fo reisend, fo glücklich zufanımengefegt, 
Farbe fo glühend, der. Ausdruck fo leicht, 
leicht, daß Ich anfange unfre Sprache bald 
ig zu glauben, in: diefem Stüde die frans 
ſche felbft zu übertreffen, und beynahe die 
Tienifche gu erreichen. Welche Mufif im 
hmus, in dem abwechſelnden Sylbenmaß! 


34 

Geſank, und Klanf und Zank und lanfı 
allen diefen Confufionen der armen Mitlar 
g und f, g und hu.f. w., die ung ebrild 
Allemannern fo unerträglich vorkommen! 

Verzeihen Sie, mein liebfter, beſter Gle 
meine Impertinenz. Es ift am Ende d 
nicht, well ich gern etwas tadeln möchte, f 
dern weil ich gern alles, was von meh 
Gleim fommt omnibus nummeris absolut 
ſehen möchte. 

Hoͤchlich wohl hat mir die Strophe behat 

Ach koͤnnte Graff es malen, 

Ein ſolches Bild Finn Ihm 

Der Kaifer nicht besahlen, 

Und ich bezahlt es ihm!“ 
Ich liebe diefen Stolg, der dag Herz 5 
fih ſelbſt Gerechtigkeit zu erweiſen — 
Appeles den Muth hatte, bie Gunft der € 
zien laut zu bekennen, und Ihren Maler 
zu nennen. 

Nochmahls, liebſter Gleim, haben Sie ı 
fendmahl Dank für das füße Vergnügen, 
mir Ihr Aleris und Elifa gemacht haben, 
würde mir’d, ungeachtet ich wenig Augenbl 
babe, abgefchrieben haben, wenn ich es n 
bald gedruckt zu feben hoffte. — 





35 
CLXCIIT. | 
In Jakobi. 


Erfurf, den 25. Merz. 1771 


Troſtſchreiben vom 6. Merz hat die 
auf mich gethan, nicht nur die klei⸗ 
nden, über die ich fo ſchmerzliche Kla⸗ 


n Sie führte, auf einmahl völlig zuzu⸗ 


ondern mich auch gegen alle künftigen 
iche, die ich jemahlg befommen werde, 
rdlich zu machen. Kaum batte ich e8 
fo bedanerte ih von Herzen, daß ich 
nd Ihrem vortrefflihen Bruder eine 
ige Empfindlichkeit gezeigt, und Sie 
gereist hatte, auf Rache an einer Art 
hopfen zu denken, melche von Rechts 
nter unferem Geſichtskreiſe feyn follte. 
wille gegen mich felbft, ift — erfchres 


nicht, lieber Fafobi, vermehrt mors | 


ich Ihr ernfihaftes, aber nur gar zu 
ftes Gedicht an dag deutfhe Pubs 
3, — So ſchoͤn einige Stellen barin 
I6ft find, fo fann und fol ich Ihnen 
t verbergen, mas Sie vermuthlich bey 
Blute felbft fühlen werden, daß der 
es Fleinen Gedichte gefchickter IfE, ung 










36 


als unfern Beinden, Schaden zu thun. Es IR] 
zu viel Laͤrmen um Nichte. Gie mi 
den fehen, mie luſtig fich die Hamburger 
Göttinger über ung machen werden. Die Apo 
firophe an eine Furie, dag Verbrechen das de 
Deutfchen Nation daraus gemacht wird, 
fie nicht mit Feuer und Schwert (werden DE 
Spötter fagen) gegen Diejenigen ausziehen, 
melche ihre Knie nicht vor ben Grazien und 
Amorn der Herren Gleim, Sakobl und Wie 
land beugen mollen; dag Mort Srevelthal 
ten gebrauchen, um Fleine boshafte critiſche 
Wanzenſtiche zu bezeichnen, Fur; der allzu fey⸗ 
erliche Ton des Gedichts, "und die poetiſche 
Derwandlung einer Kleinigkeit in eine Sathe, 
woran die ganze Nation Antheil nehmen fol, 
alles dies wird Anlaß geben, ung nod) ärge 
mitzufplelen, als jemahls gefcheben iſt. Und 
die Unpartheyifchen werden fagen: Nun mas 
wollen denn diefe empfindlichen Herren mehr, 
als daß fie von der Nation begierig gelefen 
und bewundert werden? Sol man einen Kreup 
zug gegen Ihre nahmenlofe Feinde, gegen Ze 
tungsfchreiber, predigen? — Vergeben SH 
mir, mein allerliehfter Jacobi, diefe Freymͤ— 
thigkeit — ich empfinde darum nicht wenige 


37 


ie fehe ich Ihnen für die warme Freunds 
haft verbunden bin, melche Sie getrieben hat, 
h meiner mit fo vielem Eifer angunehmen. 
uf mich ſelbſt, bloß auf mich bin ich bofe, 
zß ich Sie zu dleſem Fleinen Don Quiſchotti⸗ 
hen Auszug gegen — Marionetten verleitet 
ibe. Laffen wirs gut feyn, und folgen kuͤnf⸗ 
3 dem Rath, den mir unfer vortreffliche 
roßhofmeifter, ber Freyherr von Grogfchlag 
be, auf deffen Urtheil ich es anfommen 
8, ob ich den Göttinger und Hamburger 
Atungsſchreibern etwas antworten ſollte oder 
cht: « je ne vous conseille pas, fo ſchreibt 
mir, de riposter & ce gazelier de Ham- 
yurg et à ce triste litterateur de Göttingen. 
a maniere est de ne jamais repondre aux 
ts, aux petits mechants, aux vieilles fem- 
es, ni aux ennuyeux. — Vous auriez tort 
: vous fächer aussi long- tems, qu’on vous 
,„ et qu’on vous lit avec un avide plaisir. 

Unfere Freundin Sophie ift im Begriff nach 
rem neuen Wohnfig in Coblenz abzureifen, 
d ohne Zweifel haben Sie noch vor Ihrer 
‚reife einen Brief von ihr befommen,. Mit 
fang : künftigen Mays reife Ich felbft nach 
blenz; haben Sie, mein Lieber, nicht etwan 


38 

auch irgend eine Keife in diefe Gegenden ode 
in benachbarte vor, welche Gelegenheit zu elue 
Zuſammenkunft geben könnte? Sollte es au 
nicht feyn koͤnnen, fo werde ich nicht che 
ruhen, bis ich unfern Gleim in Halberſtadt 
befuchen kann, und dies fol noch im diem 
Jahr gefchehen, oder ber Himmel müßte von 
ber einfallen. 


CLXCIV. 
An Sleim 
Erfurt, den 26. Merz 177% 


Wenn ich Ihnen, mein liebfter Gleim, noch 
nicht davon gefagt habe, mie febnlich id 
einer volftandigen Ausgabe aller Ihrer Werke 
(dieſes Wort in feiner wahren poetifchen Zu 
deutung genommen) entgegen febe, fo haͤtte 
ih es thun follen, und thue es jet, da ich 
vernehme, daß der ſchlechte Menſch Hechtel 
eine fchlechte Ausgabe, an der Sie folglid 
feinen Theil haben, davon zu beforgen fich er⸗ 
frecht habe. Ich flelle mir vor, daß der Dow 
faß, einige von den Gedichtchen, die Ihnen 
durch eine plögliche Begeifterung eingegeben 

den, oder die Ihnen zufälliger Weiſe aus 


39 


er Feder gefchlupft find, zu überarbeiten und 
mezupoliren, — und der Mangel an Zeit dazu, 
He einzigen Urfachen feyen, fo Sie bieder vers 
indert Haben, eine authentifche Ausgabe zu 
eranftalten. Aber wenn mein Bitten bey Ihnen 
twas vermag, liebfter Gleim, fo laffen Sie 
nic, und alle Liebhaber Ihrer Muſe, das iſt, 
illes was einigen Antheil von Geiſt und Ges 
uͤhl des Schönen unter unfter Nation bat, 
sicht langer nach einer Sammlung aller Ges 
ichte -eined von unfern Lieblings s Dichtern 
vergebens fchmachten. indem ich «ine foldhe 
Yusgabe mwünfche, wuͤnſche ich auch daß fie 
ſchoͤn und niedlich feyn möchte, und da 
ch keinen Berleger In Deutfchland Fenne, ber 
0 viel Her; hat, etwas auf eine fplendide 
Nusgabe zu wenden, als Treund Reich, fo 
wöchte ich Sie überreden Eönnen, ihm die 
Ehre Ihr Verleger zu ſeyn zu gönnen. Ach 
vuͤrde eben diefe Propofition unferm Jakobi 
zethan haben, wenn ich von feinem Vorhaben, 
We feine Werfe zuſammen zu ediren, nicht zu 
pat benachrichtigt worden wäre. Gar fo gern 
nöchte ich, Daß wir drey Einen Verleger hats 
ten; Reich würde fich eine Ehre daraus machen, 
alles mögliche anzuwenden, um die Kindlein 






40 
unſers Geiftes herauszuputzen; und gef 
Ahnen, daß ich felbft Kind genug bin, eh 
meinigen gar zu gern gepugt zu fehn. Meid 
weiß nicht, daß ich Ihnen dies fchreibe, abe In 
ich weiß, daß er ftolz auf die Ehre feyn märdt Fi; 
meines Gleim's Verleger zu feyn. Er iR de 
bonnetefte Buchhändler, den ich jemahls gu k 
kannt habe, und ich bin gewiß, daß huer 
fein andree mehr GSatisfaction geben würd 
als er. Melden Sie mir doc) sub rosa, was 
Sie hiervon denfen, mein liebfter Gleim. Ich 
umarme Sie von ganzem Herzen. Die Grajle 
unfers Meifters Sokrates fey mit Ihnen. 


XV. 
Un Jakobi. 


Erfurt, den 10. April 177% | 


ch erinnere mich der Ausdruͤcke nicht mehr, 
worin ich Ihnen Iegehin von Ihrem Eleine | 
Gedichte an das Publicum, nah dee Ems 
yfindung welche mir dag wiederholte. Lefen 
deffelben machte, fchrieb; wenn in dieſen Aus⸗ 
drüden etwas iſt, das Ihnen unangenehn 
feyn mußte, fo bitte ih Sie um Vergebung; 
dag mein Herz unfahig ift, Sie zu beleidigen, 


gi 


berſteht fich von felbft. Indeſſen kann ich uns 
möglich, wenigſtens einem Freunde, den id) 
fo liebe, wie ich Sie liebe, etwas anders fas 
gen, ald was ich denke. — Die vollfommne 
Zufriedenheit aler unfrer Sreunde mit dem 
SBedicht wovon die Rede ift, beweist, das wir 
nicht über alles gleich denken, und wie fönnen 
vir das erwarten ? Ich verlange nicht daB 
irgend eine lebende Seele empfinden fol wie 
ch. Unrecht, im höchften Grad Unrecht, that 
Ich daran, daß ich Ihnen und Ihrem lieben 
Bruder, in ber erften Bewegung des albernen 
Affekts fchrieb, morein mich die Göttingifche 
alberne Recenfion der Grazien ſetzte. Hätte Ich 
es nur einen oder zween Tage anfteben laffen, 
fo würde ich Ahnen und unferm Bruder zu 
Düffeldorf viel unangenehme Augenblicke, und 
mie viel Nachreu erfpart haben, Doch dies 
iſt alles nun nicht mehr zu ändern; laffen wirs 
zut feyn. Sie folen mich in ihrem Leben 
richt wieder über Urtheile Elagen hören, melche 
seine Eitelkeit oder Eigenliebe beleidigen. 
Dingegen verfprechen Sie mir auch, lieber Ja⸗ 
obi, in Ihrem Leben nicht wieder in dem 
öchſt ernfihaften Ton, wozu Ihnen uns 
ee Gleim (A\qui dicu le pardonne!) geras 


42 
then bat, weder gegen die Mifochariten noß 
gegen die Mifanthropen, noch gegen irgend 
eine Art von Haffern fchreiben wollen. Vie 
leicht Hab’ ich Unrecht; aber mich duͤnkt, Id 
wollte eine große Differtation zur Entfchuldi 
gung, ja zur Nechtfertigung der Mifocharlıa 
fchreiben können. Huͤtet Euch vor der Schwaͤr 
merey, meine Kindlein; etlide Gran davoı 
zuweilen, in einer hinlanglichen Portion Freude 
als Liebe, oder Hoffnung, oder irgend elne 
andern angenehmen Empfindung aufgelöst 
ift ein ganz gutes Cordial; aber Slam 
men athbmen, und den Surien Ihr 
Sadeln aus den Klauen reißen, - 
tvelch eine Ausfchweifung für Enthufiaften dei 
Schönen und Guten? Ich empfinde die Stärf 
der Sreundfihaft Ihres Gruders in dem Slam 
menhauchenden Briefe, wie ich foll; abe 
ich kann Ihnen Doch nicht verbergen, baß Id 
mich ein wenig vor meinen fchwarmerifche 
Freunden fürchte. Ich ſelbſt bin gewoͤhnlid 
fo kalt — ich ſehe die Welt und wag in be 
Melt if, in einem fo jovialifchen Lichte, (men 
ich fo fagen kann) meine ganze Art zu denfen 
meine ganze Philofophie iſt der Schwarmere 
fo wenig guͤnſtig, daß Ich ohnmoͤglich ohn 


1 


[au | 


ale Sorge feyn fann, wenn ich an diefe 


Verſchiedenheit in unfern Siunesarten denke. 


Um fo mehr verlangt mich, fie alle perfönlid) 
zu fennen. Deich Cdeffen bin ich gewiß) wer⸗ 
den Sie nicht fo finden, wie Sie mich zu fins 
den wunfchen und vielleicht glauben; doch dies 
beunruhiget mich nicht; Sie werden einen 
Menſchen von geradbem, offnem, aufrichtigem 
Charakter an mir finden, der mit allen feinen 
Mängeln noch immer Ihrer Sreundfchaft werth 
ift, und dag iſt genug. 

Ihre erfien Menfchen, mein Jakobi — 


wie babe ich fo lange warten können, Ihnen 


zu ſagen, daß ich fie mit dem hoͤchſten Grade 
des Vergnuͤgens, deſſen ich fahig bin, geles 
fen habe? Ich kann nicht Worte genug fin: 
den, Ihnen zu fagen, wie ſchoͤn es In meis 
nen Augen iſt! der. ganze Ton fo vollfommen 
dem Gegenftand angemeffen, die Bilder fo 
ſchoͤn, fo reizend, fo glücklich zufammengefegt, 
die Farbe fo glühend, der. Ausdruck fo leicht, 
fo Teicht, daß ich anfange unfre Sprache bald 
fähig zu glauben, in: diefem Stüde die frans 
söfifche felbft zu übertreffen, und beynahe die 
Stalienifche zu erreichen. Welche Muſik im 
Rythmus, in dem abwechfeinden Sylbenmaß! 


44 


2 
welch ein feiner mufifalifcher Inſtinct, de 


Sie in diefer Abwechslung geleitet hat! Ich 
bin entzückt von dem Gedanfen, wie groß Ihr 
Talent für die lyriſche Poeſie iſt. Nun, meln 
lieber Jacobi, nichts ald Euripides um 
Metaftafio gelefen, und dann lyriſche Dras 
mata gemacht, — dann und wann, wenn Sie 


eine Anmandlung dazu befommen, eine Drau | 
digt oder was Sie wollen, dazwiſchen — aber 


immer wieder zur Mufe des göttlichen Metas 


ſtaſio zurückgekehrt. — So fönnen Sie fh - 


felbft das gläclichfte Leben, Sfhren Freunden 
unendliches Vergnügen, und unferer Litteratur 
unvermelfliche Ehre machen! Und das follen 
Sie, mein Liebfter, oder — Sie follen fagen 
warum nicht? 

Taufendmahl und aber faufendmahl Danf 
für die WVerfiherung, daß Sie mit Ihrem 
vortrefflihen Bruder nad) Koblenz kommen 
tollen. Itzt kann Ich Ahnen unmöglich fagen, 
wenn ich Dafelbft eintreffen werde. 

Eben erhalte ich einen ganz unerwarteten 
ſehr freundfchaftlichen Brief von Ihrem Freunde 
Leuchfenring in Darmfladt. Um ihn zu beants 

seten, entreiß ich mich meinem Safobl, aber 

hts kann unfre durch die unauflöglichen 


\ 

/ \ 45 
Bande der fchönften und beflen Empfindungen 
vereinigte Seelen von einander reißen. Leben 
Sie wohl. 





CXCVI. | 
An Heyne in Göttingen. 
Erfurt, den 12. April 1771. 
Wohlgeborner 
Hochzuehrender Herr Hofrath, 


Herr Burkard, aus der Reichsſtadt Heil⸗ 
bronn gebuͤrtig, welcher im Begriff iſt von 
hier nach Goͤttingen abzugehen, um ſeine an⸗ 
gefangenen Studien daſelbſt fortzuſetzen, bit⸗ 
tet mich um ein Empfehlungsſchreiben an Ew. 
Wohlgeboren, und will ſich durch die Entſchul⸗ 
digung, daß ich keine Urſache habe, meiner 
Gmpfehlung einiges Gewicht zuzutrauen, nicht 
abweiſen laſſen. In der Ueberzeugung, daß 
ein junger Menſch von ſeltener Wißbegierde 
und Unſchuld der Sitten, der durch umvers 
droßnen Fleiß das, was ihm an Genie abgeht, 
fo viel möglich zu erfegen fucht, und dabey 
feiner unbemittelten Umftande wegen Aufmuns 
terung und Unterfiugung von Noͤthen bat, in 






46 
dem mir von fo vielen Sreunden angeprieſenn P 
leutfeligen und edelmüthigen Character Ei 
Wohlgeboren den beflen Surfprecher finden 
werde; wage ich es, Ihnen dieſen Her 
Burfard, als einen der gutartigfien Drenfchens 
föhne, die mir jemapls unter die Augen ge 
kommen find, beſtens zu empfehlen. Seine 
heftige Begierde nach allem was fchön ned 
gut iſt, fcheine mir feine Fähigkeiten weit zu 
überiteigen; allein auch diefe, von jener um 
terftußt, find noch immer hinlänglich, daß er 
unter einer fo vortrefflihen Anführung, als 
er in Gottingen zu genießen Gelegenheit has 
ben wird, zu einem dereinft In feiner Daten 
fladt brauchbaren Manne wird gebildet werden 
können. Da fein vorzüglichfier Wunſch If, 
zu den Fuͤßen des würdigen Nachfolger dee 
unvergeßlichen Geßners, und unter Deffen Ans 
leitung, aus den reinften Duellen der Weisheit 
und richtigen Empfindung , die zwey wichtig, 
fien Stüde wahrer Gelehrſamkeit, sapere, et 
posse fari quae sentias, gn lernen: fo boffe 
ich, daß ein feiner Verehrung für Ew. Wohl⸗ 
geboren gemäßer Fleiß Ihn der Gemogenbelt, 
Die ich jegt für ihm erbitte, immer wuͤrdiger 
machen werde. Uebrigens ergreife ich mit 


47 


de dieſe Gelegenheit, Ew. Wohlgeboren 
igen reinen und aus ungeheuchelter Em⸗ 
ng des Herzens ſtammenden Hochachs 
zu verſichern, welche Niemand, dem die 
hme der wahren Litteratur und der Ruhm 
r Nation nicht gleichgültig iſt, Ihren 
snften verfagen fann, und die ich mic 
darum zu feinem Verdienſt bey Ihnen 
nen fann, fondern als eine bloße Wirs 
ihres edlen Herzens aufnehmen werde, 
Ste einigen Antheil an Ihrer Freunds 
gönnen mollen ihrem 
‚anfrichtigen Verehrer und 
gehorfamften Diener 
"Wieland. 


CXCVII. 
Yn Sleim. 


Erfurt, den 27. Aptill. 1771. 


: ein paar Worte, mein liebſter Gleim; 
meine Abreife von bier nach Coblenz näs 
ih. Fur einen Menfchen, ber fo felten 
feinem Schneckenhaͤuschen herauskriecht 
h, iſt eine ſolche Reife eine Epoche, he 
E dat mir gemwiffe Hoffnung "gemacht, 


48 
daß ih ihn, und ungewiffe, daß ich 
meinen Gleim zu Coblenz fehen würde, 
wage es nicht, beydes mir gu verfprechen; 
wenn Sie es möglich machen fönnen, . 
würde mein Aufenthalt zu E. die ſchoͤnſte Eſ 
meines Lebens ausmachen. Ich Fann 
nen gar nicht fagen, wie ſehr mich verlc 
einmahl einige Tage mit Ihnen und Jakob 
zubringen; ich möchte fo viele Dinge mit 
nen fchwagen. In Briefen fann dieß nich: 
fchehen; niemand in der Welt fchreibe fo 
gern Briefe ale ich, und niemand, lei 
auf dem ganzen Erdenrund, England 
Shottland und Irland mit eingefchlof 
hängt mehr von Barometer, und Thermi 
ter und Hygrometer, von Hitze und Froft, 
Mind und Wetter, Sonnen s und Mondſch 
‚ und kaufend andern zufälligen Dingen ab, 
hr bumoriftifcher Wieland. Ich bin ofı 
ganzen acht Tagen Feine Stunde lang, 
ſelbſt, und hier in Erfurt gebe. ich volle 
nach und nach zu Grunde. Niemahls, niema 
mein Freund, haben die Grazien dieſes fi 
Denlere Chaos von alten Steinhaufen, w 
lichten Gaſſen, verfallenen Kirchen, gro 
Gemuͤß⸗Gaͤrten, und feinen Leimhaͤuſern, 


49 
8 die Hauptfiadt des edlen Thuͤringerlan⸗ 
vorſtellet, angeblicket; daß Sie Jemahlg, 
der ungeheuren Ebne, in welcher ung Herr 
edel den Amor, wie eine Stedinadel In cis 
n Suder Neu fuchen‘ laßt, getanzt haben 
ten, daran iſt gar nicht zu benfen. Ich 
ßte um ganz Erfurt feine Gegend, bie fi 
einem Rundetang fchidte, ed müßte denn 
Hexentanz feyn. Hier, mein liebfter Gleim, 
ide ich Ihnen eine Neuigkeit: Wenn Sie, 
e 28 Ihnen leicht feyn wird, bie Verfafferin 
athen, fo beſchwoͤre ich Ste, es ein Geheim⸗ 
ſeyn zu laffen. Wie gefällt Ihnen Thüms 
18 Inoculation der Liebe? Ön diroit que 
: homme m’a vol& ma maniere. 
Heinſe empfiehlt fich zu Gnaden und bitter 
e, wenn Sie über lang ober kurz, etwas 
Id an ihn zu ſchicken hatten, e8 an mich zu 
icken. Ich babe ibm Ingwifchen gegeben, 
8 er nöthig bat. Wahrend meiner Abwe⸗ 
beit von bier, gedenft er auch eine Excur⸗ 
n in feine Heymath zu thun. 
Iſt bey Ihnen auch ſolche Witterung ? Schon 
: 27. April und kein Anfchein vom Fruͤh⸗ 
9; nicht einmahl eine arme Schwalbe, bie 
8 Hoffnung machte, daß er kommen werde. 
Wielande Vriefe III. V. 4 


42 

then hat, weder gegen die Mifocharlten noeh E 
gegen die Mifanthropen, noch gegen irgend 
eine Art von Haffern fehreiben wollen. Vieh 
leicht Hab’ ich Unrecht; aber mich duͤnkt, ich 
wollte eine große Differtation zur Entfchuldb 
gung, ja zur Rechtfertigung der Mifochariten 
fchreiben koͤnnen. Hitet Euch vor der Schwars 
merey, meine Kindlein; etliche Gran davon 
zumwellen, in einer hinlanglichen Portion Freude, 
als Liebe, oder Hoffnung, oder irgend elne 
andern angenehmen Empfindung aufgelöst, 
ift ein ganz gutes Cordial; aber Slams 
men atbmen, und den Furien Ihre 
Sadeln aus den Klauen reißen, — 
welch eine Ausſchweifung für Enthufiaften bes 
Schönen und Guten? Ach empfinde die Stärke 
der Freundſchaft Ihres Bruders in dem Flam⸗ 
menhauchenden Briefe, wie ich ſoll; aber 
ich kann Ihnen doch nicht verbergen, daß ich 
mich ein wenig vor meinen ſchwaͤrmeriſchen 
Freunden fuͤrchte. Ich ſelbſt bin gewoͤhnlich 
ſo kalt — ich ſehe die Welt und was in der 
Welt iſt, in einem fo jovialiſchen Lichte, (wenn 
- ich fo fagen fann) meine ganze Art zu deuten, 
meine ganze Philofophie ift der Schtwarmerey 
fo wenig günfig, daß ich ohnmoͤglich ohne 


43 


ale Eörge ſeyn fann, wenn ich an biefe 
= _Verfchtedenheit in unfern Sinnesarten denke. 
- Um fo mehr verlangt mich, fie alle perfönlic) 

zu fennen. Mich (deſſen bin ich gewiß) wer⸗ 

den Sie nicht fo finden, wie Sie mich zu fins 
- den wünfchen und vielleicht glauben; doch dies 
beunrubiget mich nicht; Sie werden einen 
Menichen von gerabem, offnem, aufrichtigem 
Charakter an mir finden, der mit allen feinen 
Mängeln noch immer Fhrer Freundfchaft werth 
ift, und dag ift genug. 

Ihre erfien Menfchen, mein Jakobi — 
wie babe ich fo (ange warten können, Ihnen 
zu fagen, daß ich fie mit dem höchflen Grabe 
des Vergnuͤgens, deffen ich faͤhig bin, geles 
fen habe? Ich kann nicht Worte genug fin: 
den, Ihnen zu fagen, mie fihon es in mei⸗ 
nen Augen ift! der ganze Ton fo vollfommen 
dem Gegenftand angemeffen, die Bilder fo 
fchön, fo reisend, fo glücklich zufammengefegt, 
die Farbe fo glüuhend, der. Ausdruck fo leicht, 
fo leicht, daß ich anfange unfre Sprache bald 
fähig zu glauben, in: diefem Stüde die frans 
zoͤſiſche ſelbſt zu übertreffen, und beynahe die 
Italieniſche zu erreihen. Welche Muſik im 
Rythmus, in dem abwechfelnden Sylbenmaß! 


44 


weich ein feinee muflkalifcher Inſtinct, be 
Sie in diefer Abwechslung geleitet hat! Ich 
bin entzückt von dem Gedanfen, wie groß Ihr 
Talent für die lyriſche Voefie if. Nun, mein 
lieber Sacobi, nichts ald Euripides um 
Metaftafio gelefen, und dann Inrifche Dras 
mata gemacht, — dann und wann, wenn Sie 
eine Anwandlung dazu befommen, eine Pre— 
digt oder was Sie wollen, dazwiſchen — aber 
immer wieder zur Mufe des göttlichen Metas 


ı 


— — 


ſtaſio zuruͤckgekehrt. — So koͤnnen Sie ſich 


ſelbſt das gluͤcklichſte Leben, Ihren Freunden 
unendliches Vergnuͤgen, und unſerer Litteratur 
unverwelkliche Ehre machen! Und das ſollen 
Sie, mein Liebſter, oder — Sie ſollen ſagen 
warum nicht? 

Tauſendmahl und aber tauſendmahl Dank 
fuͤr die Verſicherung, daß Sie mit Ihrem 


vortrefflichen Bruder nach Coblenz, kommen 


wollen. Itzt kann ich Ihnen unmoͤglich ſagen, 
wenn ich daſelbſt eintreffen werde. 

Eben erhalte ich einen ganz unerwarteten 
ſehr freundſchaftlichen Brief von Ihrem Freunde 
Leuchſenring in Darmſtadt. Um Ihn zu beants 
worten, entreiß ich mich meinem Jakobi, aber 
nichts kann unſre durch die unaufloͤslichen 


) 


J 


45 


Bande der fchönften und beflen Empfindungen 
vereinigte Seelen von einander reißen. Leben 
Sie wohl, 





CXCVI. | 
An Heyne in Goͤttingen. 
Erfurt, den 12. April 1771. 
Wohlgeborner. 
Hochzuehrender Herr Hofrath, 


Herr Burkard, aus der Reichsſtadt Heil⸗ 
bronn gebuͤrtig, welcher im Begriff iſt von 
bier nach Göttingen abzugehen, um feine ans 
gefangenen Studien dafelbfi fortzufegen, bits 
tet mich um ein Empfeblungsfchreiben an Em. 
MWohlgeboren, und will fich durch die Entfchuls _ 
digung, daß Ich Feine Urfache babe, meiner 
Gmpfehlung einiges Gewicht gugutrauen, nicht 
abmweifen laſſen. In der Ueberseugung, daß 
ein junger Menſch von feltener Wißbegierde 
und Unfchuld der Gitten, der durch unvers 
droßnen Fleiß dag, was ihm an Genie abgeht, 
fo viel möglich zu erfegen fucht, und dabey 
feiner unbemittelten Umftande wegen Aufmuns 
terung und Unterfiugung von Nöthen bat, in 


48 
daß ich Ihn, und ungewiffe, daß ich dl. 
meinen Gleim zu Coblenz fehen wuͤrde. J4 
wage e8 nicht, beydes mir zu verfprechen; abe 
wenn Ste e8 möglich machen fünnen, dam 
würde mein Aufenthalt zu E. die fchönfte Epoche 
meines Lebens ausmachen. Ich kann Ss I 
nen gar nicht fagen, wie fehr mich verlangt, 
einmahl einige Tage mit Ihnen und Jakobi zus 
zubringen; ich möchte fo viele Dinge mit Ih 
nen fhwagen. Ir Briefen fann dieß nicht ge 
fcheben; niemand in der Welt fchreibt fo un 
gern Briefe als ich, und niemand, leider! 
auf dem ganzen Erdenrund, England um 
Schottland und Irland mit eingefchloffen, 
hängt mehr von Barometer, und Thermome⸗ 
ter und Hygrometer, von Hiße und Froſt, von 
Mind und Wetter, Sonnen s und Mondfchein, 
und kaufend andern zufälligen Dingen ab, ald 

Ihr bumoriftifcher Wieland. Ach bin oft ie 
ganzen acht Tagen Feine Stunde lang, Id 
felbf, und hier in Erfurt gebe. ich vollends 
nach und nach gu Grunde. Niemahls, niemahls, 
mein Freund, haben die Grazien diefes frew 
dDenlere Chaos von alten Steinhaufen, wink 
lichten Gaſſen, verfallenen Kirchen, großen 
Gemuͤß⸗Gaͤrten, und Heinen Leimhaͤuſern, meh 





. 49 
8 die Hauptfiadt des edlen Thüringerlans 
es vorfiellet, angeblicket; daß Sie jemabls, 
ı der ungebeuren Ebne, in welcher ung Herr 
tiedel den Amor, wie eine Stecknadel In eis 
em Suder Heu ſuchen laßt, getanzt haben 
ten, daran iſt gar nicht zu benfen. Sch 
uͤßte um gang Erfurt feine Gegend, die ſich 
ı einem Rundetang ſchickte, e8 müßte denn 
in Herentanz feyn. Hier, mein liebfter Gleim, 
hide ich Ihnen eine Neuigkeit: Wenn Sie, 
de 28 Ihnen leicht feyn wird, die Verfafferin 
rathen, fo beſchwoͤre ich Ste, es ein Geheim⸗ 
IB feyn zu laffen. Wie gefällt Ihnen Thuͤm⸗ 
zjels Inoculation der Liebe? On diroit que 
et homme m’a volè ma maniere. 

Heinfe empfiehlt fih zu Gnaden und bittet 
ste, wenn Sie über lang oder kurz, etwas 
ld an ihn zu ſchicken hatten, es an mich zu 
bien. Ich Habe ihm Ingwifchen gegeben, 
a8 er nöthig bat. Während meiner Abwe⸗ 
nheit von bier, gedenft er auch eine Ercurs 
on in feine Heymath zu thun. 

Iſt bey Ihnen auch ſolche Witterung ? Schon 
er 27. April und Fein Anſchein vom Fruͤh⸗ 
ng; nicht einmahl eine arme Schwalbe, die 
ns Hoffnung machte, daß er kommen werde. 
Wielande Briefe III. 2. 4 


50 

Sch Iebe nur noch an einem Faden, fo nd 
leidig macht mich diefe verwuͤnſchte deereg 
tude de la nature. — Maßleidig if md 
fein Wort, das Sie verfiehen; es ifE Rodiche 
biſch, aber es drückt den Ton meiner St 
aus, welches ne vous deplaise, ungefähr 
ein Ton iſt, als wie der Ton — des Koth 
den man mit Ruthen peitfcht. Gehaben € 
fi) wohl, liebſter Glelm, und machen © 
daß es Fruͤhling wird, oder ich flerbe. 


CXCVIII. 
An Ebendenſelben. 
Coblenz, den 26. May 1 


Wie oft, mein beſter Gleim, bat Ihr U 
land, haben Ihre Brüder Jacobi in die 
glücklichen vierzehn Tagen, welche wir in € 
len; und Düffeldorf gelebt haben, wie oft 
ben wir empfunden, daß unfer Siem ı 
mangelte, um vollkommen fo felig zu fe 
als die Seelen in Elyfium ! 

Außerordentlicher Mann! Liebenswuͤrdi— 
freundfchaftlicher Enthufiaft! Sie ſchicken 
nen Merkur in die Welt umber mich au 
fuchen, und Sie wollen mir entgegenrei' 


4 


Wohin es auch ſeyn mas. Ich kann Ahnen 
miicht ausdruͤcken, wie ſehr ich von dieſer Probe 
ihrer Liebe gerührt bin. Hören Sie nun, 


iR; 


a 


wein Lichfker, wie wir unfere Zufammenfunft 
arrangiren fünnen. 

Ich hange diefed Mahl von Umfländen ab, 
Welche mir Feine Freyheit lafien, meinen Reis 
feplan. abzuändern.( Mittewoche fruh sehe ich 


ach Hoͤchſt zu meinem Churfuͤrſten; Abends 


deffelben Tags mit meinem Freunde, dem 
Dechant du Mers nach Sranffurt, Donnerstag 
fruͤh nach Darmſtadt zu Leuchfenring und der 
kandgrafin; und Freytags werde Ich zu Dies 
burg auf einer bezauberten Billa unfers Großs 
hofmeiſters Freyherrn von Großfchlag feyn, 
wo ich wenigſtens vier Tage bleibe. Diefes 


S Dieburg liegt nur ſechs Stunden von Frank⸗ 


t 


nl 
» 


1,” 


* 


furt und zwey von Darmſtadt — und doͤrt (zu 
Dieburg naͤhmlich) gebe ich Ihnen Rendevous, 
wenn es Ihnen moͤglich iſt. Großſchlag wird 
die groͤßeſte Freude von der Welt haben, mei⸗ 
nen Gleim bey ſich zu ſehen, und auf dem 
ganzen Erdboden iſt fein. Winkel mwürdiger, 
burch die erſte Umarmung Gleims und Wies 
lands berühmt zu werden, als bie Villa des 
liebenswuͤrdigſten aller Baronen und Miniſter 


52 

die je gewefen find. Der Himmel gebe, dh 
nichts in der Welt meinen Gleim aufhalte, die 
fen besaubernden Vorſchlag zu realifiren. — Ar 
meiner Räckreiſe Eönnten Sie bis Eiſenaq 
mit mir reifen. 

Sophie, ihre Gemahl, und unfer Brube 
Fritz, (Jakobi) der mid) von Düffeldorf wie 
der bieber geführte bat, grüßen und fü 
meinen Gleim mit dem heiligen Kuß def 
Freundfchaft — den Sie in meinem Nah 
der liebenswuͤrdigen Gleminde geben ſollen. 
Ich bin zu bewegt mehr zu fchreiben. — Heute 
ift der legte Tag den ich in Coblenz lebe. 

Bol von der füßen Hoffnung, meinen beſten 
Gleim in fünf bis fieben Tagen zu Dieburg 
zu fehben, umarme ich ihn, und flehe den Bra 
zien und der alma mater rerum, ihn gefund, 
ſtark und fröhlich in die Arme. feines Wie 
lands zu führen — denn was wollen "Sie, 
daß man zu Dieburg mit einem kranken Pos 
ten anfange ? 







53 
CXCIX. 
An Ebendenfelben. 
Darmfadt, den 31. Day. 1771. 


[8 ich Ihnen, mein liebſter Siem, von 
eng aus fchrieb, daß ich ben 31. big 5. 
i zu Dieburg feyn mürde, wußte ich nicht, 
Eonnte nicht miffen, daß der Here von 
Efchlag den nähmlichen 31. May nach Höchft 
ınfeem Churfürften gehen, und ungefähr 
ı Tage dort Bleiben wuͤrde; ein Umftand, 
ich erſt gefteen erfahren babe, und welcher 
dt, daß ich nun Sonnabend früh von hier 
ver nach Höchft gehen werde. Sollten Sie 
‚ mein. befter Gleim, Freytags oder Sonn⸗ 
ids zu Dieburg anlangen, fo bittet Gie 
rn und unfeee Brüder Jacobi Freund, der 
5 Leuchſenring zu Darmfladt, Ihm die 
undfchaft zu erweiſen, und indeſſen zu Ihm 
> Darmſtadt zu kommen, wo als maß 
ie bat, begierig iſt, meinen Gleim zu fes 
. 2euchfenring, den Sie durch diefe Er⸗ 
inung gluͤcklich machen werben, wird Sie 
ann, fobald er durch mich aviſirt feyn wirds 
h Dieburg gu Ihrem Wieland führen. 


IB. Freund Leuchfenring iſt allhier in dem 


— 
fuͤrſtlichen Jaͤgerhauſe (mo Sie gleich hi 
fahren belieben werden) und dag Zimme 
ich loglet, wird das Ihrige feyn. 





CC. 
Un Jacobi. 


Erfurt, den 1. Julp 


Worte koͤnnen nicht ſagen, wie ſehr id 
liebe, mein beſter bruͤderlicher Freund, 
ganz eigner Jakobi! auch nicht, wie ſehr 
Ihre Lieder an. Eliſen gerührt haben! 
wollen mir nichts in dem Prtrarchifchen 
genden Zone fingen, auf den, felt m 
Abreife, Ihre ganze Seele geitimmt tft, $ 
Jakobi! was für flebiles elegi müßten 
feyn, welche noch trauriger wären die 
beyden erften Lieder au Eliſen! Es if n 
ihr Ton tft eine füße Traurigkeit, eine 
flige Schwermuth, worin eine von Pla 
Umor verwundere Seele fich ſelbſt gefällt, 
die fie um den Genuß aller Freuden, an t 
Elife feinen Theil harte, nicht bingäbe, 
defto rührender ift diefd Traurigfeit. Der 4 
mel bewahre Sie nor einer andern, welc 


' 55 


‚®raurfig wäre, um fo füße, fo fehöne Traͤume⸗ 
. xeyen in Ihrer fanften Seele zu nähren! 
Sie winfen mir: ich höre den Ton 
Don ihrem friedlihen Geſange; 
Sie winken mir: zu lange, au lange 
Derweil’ ich auf der Erde ſchon. — 


was für eine Strophe! 


Ich weiß nicht daß jemahls eine fchönere 

* Liebe in einem menſchlichen Herzen geſchlagen, 
und in einem von den moraliſchen Grazien 
ſelbſt eingegebnen Liede geathmet hätte, als 
"Die gang unſchuldige, der engliſchen Reinigkeit 
nahende Liebe, in dieſen Liedern iſt. Es iſt 
5 einige Berwandtfchaft darin mit Petrarchs 
.„ beten Sefängen; aber, o mein Freund! bes 
ſorgen Sie nicht, daß Sie Jemand einen 
u Nachahmer nennen werde, Niemahls iſt etwag 
gefchrieben worden, das fo ganz, fo durchaus 
wahre Empfindung, mahre unfludirte, 
freywillig aus einer gerührten Seele hervor⸗ 
quillende Ergießungen wären! Warum iſt 
Elife nicht mein? Und warum habe ich niche 
eine der gläclichen Infeln, ein Juan s Bers 
nandez, ein Tinian, die ich meinem Dichter 
iur Mitgife mic ihr geben koͤnnte? Was für, 


nwihn 


my 


s6 


eine Görterluf das waͤre, ein Paar fi 
Seelen in Eine zufammen zu fchmelzen ! 
Ihr drittes Lied *), dag mit unfer Br: 
diefen Abend ſchickte, übertrifft an Zaͤrtlich 
an Delikateffe alles was ich von irgend ei 
Dichter, und von Ihnen ſelbſt gelefen h 
Die dee der Sympathie iſt darin auf 
böchften Grad idealifcher Vollkommenheit 
trieben. Mas für ein Mädchen muß das f 
weiche würdig ift, fo geliebt zu werden 
meinem Jakobi. — Doch, wer ald Er Eö 
fo lieben ? fo geliebt werden. 

Und holde Mädchen gingen 

Im Roſenhaine dann; 

Elife, wir empfingen, 

Den müden Wandersmann. 

Befhatteten gelinde 

Sein armes, Fleines Mapl, 


, Verdoppelten den Klug... “ 
zum Echnitter hin und fühlten 
Ihm feinen Waſſerkrug. 


Dein Laͤcheln ſoll in ſchoͤnern Welten 
Zur Seligkeit die Geifter weihn. 


Fuͤr dieſe Züge wollte Ich Ihnen meine 
2) An Eliſen. N. Ausg. Thl. 2. p. 173. 


[" 
» 


geben, wenn Elife mein ware. Thränen treten 
mir in's Auge, wenn ich meine Eleine boldfes 
lige Sophie anfehe, und dann denfe — wird 
wohl in zwölf oder dreygehn Jahren ein Ja⸗ 
fobi für fie feyn. — Sch mag’ es nicht, eine 
ſoo wenig wahrſchelnliche Hoffaung zu hoffen! 

Ich habe Ihnen als Leſer von Ihren Lie⸗ 
dern geſprochen, mein Liebſter; nun auch ein 
Paar Worte als Dichter. Sie betreffen bloß 
die Verfification. Dieſe gefaͤllt mie uͤberhaupt 
in allen drey Stuͤcken ſehr wohl — und viels 
leicht iſt es auch bloße Caprice, daß Ich fie in 
einigen wenigen Stellen gerne anders hätte. 
3. €, in der Strophe: 


Soft’ ihm Feine neue Sonne glänzen 


bat die Beränderung des Sylbenmaßes in der 
dritten Zeile etwas Auffallendes für mein Ohr, 
ohne daß ich Deutlich fagen kann warum. 
Sin eben diefem Liede wuͤnſchte ich Die ganze 
fünfte Strophe umgegoffen zu fehn; theils 
weil mir nicht Melodie genug im Klang ift, 
theils well mich duͤnkt, Sie könnten den Ges 
danken felbft beſſer ausdruͤcken — „wäre ein 
Schimmer von Erinnerung ewig mein“ — 
will mir nicht recht gefallen = et pourquoi, 


58 


Monsieur? — je n’en sais rien — eben fo if 
e8 mit den beyden Zeilen 
und murmelten freudiger bey dem Kuffe 
Sunger Bräute vorbey. 

Es falt mir da wider Willen ein, daß « 
fo viele junge Braute gibt, die diefer Ehre 
nicht werth find. — 

Aber ich fühl es: Paradieſe — würde, 
daͤucht mich, beſſer und lebhafter Klingen: 
aber, o! ich fühl’ es. 

Statt (Strophe 12) Und Engeln ihre 
Tugenden vergelten, Hänge meinem 
Ohr, melhes duch den elfſylbigen Vers 
ohne Abſchnitt etwas belcidiget wird, 
beffer: | 
Sol Engeln Tugenden vergelten. 

Verseihen Sie diefen pruritum criticum, 
mein lieber Jacobi. Ihrem Wunfche, die Feſt⸗ 
fage, welche wir In Coblenz gelebt haben, ven 
ewiget zu ſehen, fol auf eine oder andere 
Meife, doch (aus guten Gründen) nicht durch 
einen Brief, oder eine zuſammenhaͤngende Eis 
zahlung, genug gefchehen. Nur bedenken Sie, 
mein Schag, daß ich nicht fo gluͤcklich bin, 
Here über meine Zeit gu fenn. Sch umarme 
meinen Jakobi mit brüderlicher Zärtlichkeit. 


59 
CCI. 
An Gleim. 


Erfurt, den 6. July 1771. 


err Boie fchreibt mir Ddiefer Tage von 
Ingen, daß Sie, mein liebſter Gleim, 
je Tage dort gewefen, und letzten Sonns 
d wieder abgegangen find. — Sie find alfo 
wohl wieder zu Ihren Hausgöttern gekehrt, 
ih kann es nicht länger anfteben laſſen, 
en zu fagen, was ich doch niemahls, fo 
als ich es empfinde, werde fagen koͤnnen, 
bie wenigen Stunden, bie wir zu Darıns 
mit einander zugebracht, mir das leb⸗ 
fe Verlangen zurücgelaffen haben, mein 
ed Leben mit Ihnen zusubringen. Da das 
: feyn faur, mein befter, liebſter Freund, 
ollen wir menigftend fein Jahr vergehen 
n, wo wir einander nicht wenigſtens acht 
ſchenken; und noch in diefem Jahre wi 
en Anfang dazu machen, wenn unfer lies 
Jakobi wieder bey Ihnen feyn wird. Ste 
n doc den dermahligen Herzenszuſtand 
8 guten Jakobi — und haben verbhoffents 
feine drey Lieder an Elifen? — Sie 
das Zartlichfte, das Empfindfamfle, was 


69 


jemahls Platons Amor einer fihönen Tibull⸗ 
(hen Seele eingehaucht hat. Ich habe kein 
Mitleiden mit ſeinen Liebesſchmerzen, ſo lange 
er ſo delicieuſe Dinge dabey machen kann. 
Und Sie, mein allerliebſter Gleim, was 
machen Sie? Sie ſind doch wieder wohl? 
Dies iſt der große Punct, über den Sie mid 
bald beruhigen folen, wenn Ste mich Lieben. 
Bey mir iſt alles wohl, und ale Ich von me 
ner Ichten Reife zurücdfam, fand ich drey 
Heine Madchen, flatt der zween die ich ven 
- Jaffen hatte, mir entgegen fommen. Der ben 


Graglen geheiligte Ternariug ift alfo vol, und. 


es fehle nun meiter nichts, als daß die guten 
Kinder eben fo gewiß Grazien werden, als 
ihrer drey find. O mein liebſter Gleim, warum 
koͤnnen wir nicht su Lampedufa oder Inan 
Fernandes, oder fonft an einem huͤbſchen Orte, 
der ein wenig näher läge, alle bie wir lieben 
verfammeln,, und eine kleine Republik von 
Sreunden und guten Menfchen errichten ? Dana 
wollte ich dafür fichen, daß meine Mädchen 
Grazien werden follten. | 

Vor einigen Tagen fand ich einen Artikel ie 
der Leipziger gelehrten Zeitung, den Ih, bei 
mir aͤußerſt argerlih war. Er fommt von 


| 





. 61 
[ 


Spalding, und macht Ihm in meinen Aus 
gen fehr wenig Ehre. Vermuthlich wird er 
ihn in nod) mehrere Zeitungen haben feßen 
laffen, und dadurch den Nicolaiten und ans 
derm folchen Gefchmeiße zum Triumphe, oder 
wenigftend zu einer Kleinen Ovation Geles 
genheit geben. Schreiben Sie mir doch, maß 
es mit der Ausgabe der Spaldingifchen Briefe 
für eine Bewandtniß hat. Ich bin gewiß, daß 
Sie eben ſo unfchuldig dabey find, als ich 
bey der Befanntwerdung des Briefeg der 
Graͤfin von Wartensieben. Wie dem auch 
feyn mag, das jetige Verfahren Spaldings 
baucht mir eines Goͤtze, oder irgend eines 
andern. Priefters wuͤrdiger als Des Ueberſetzers 
von Shaftesbury. Gar nichts zu fagen mar 
beffer, als aus diefem Tone zu fprechen. 
Niemand in der Welt ift begieriger nach 
einer vollfiändigen und fplendiden Ausgabe 
der fammtlichen Werke, welche Freude, Freund⸗ 
ſchaft, Mufen und Grazien, Patriotismus und 
Humanität meinem Gleim eingegeben haben. 
Mit allem möglichen Eifer werde ich fie bes 
fördern. Aber ich beforge, daB man, in den 
jegigen Zeitumfländen.. Mühe haben wird, eine 
beträchtliche Auzahl Pranumeranten gufammen 


62 


zu bringen. Der Weg der Pranumerarion Hl 
verhaßt und beynahe verächtlih geworden. 
Mir, ich geſtehe es frey, daͤuchte viel beſſet 
gethan, wenn Sie Reichen geradezu gu Ihrem 
Derleger machten. Er würde Ihre Werke fo 
(dön und prachtig drucken laffen, als wir es 
nur verlangten, und Ich zmeifle (ehr, ob bey Ä 
dem Wege der Pranumeration, nach Abzug 
ber Koften, fo viel Louisd'or übrig bleiben 
werden, als er, für die Ehre Gleim's Verle⸗ 
ger zu feyn, mit Freuden geben würde. 

Aber bin ich nicht ein garſtiger Menſch, 
daß ich Ahnen für das fchöne, niedliche, koſt⸗ 
bare Präfent, das ich bey meiner Nückkunft 
auf mich warten fand, nicht ſchon gebanft 
babe. Es iſt ganz vortrefflich ſchoͤn, umd 
macht Ihren Berlintfchen Künftlern Ehre. Aber 
wo denken Sie hin, liebfter Gleim, daß Sie 
um meinetwillen fo viel Deyenfen machen , und 
wozu machen Sie mich verbindlich, da Sie 
mir ein Schreibzeug fliften, welches entheillgt 
würde, wenn e8 gebraucht würde ettvas ande | 
res, ald mag der Grazien wuͤrdig iſt, zu ſchrei⸗ 
ben? Es fchmerst mic), daß ich nichts Habe, wor | 
mit ich Ihnen ein fo ſchoͤnes Geſchenk nur eind 
aermaßen erwiedern faun. Mein Bild ift ale, 





63 


was ich Ahnen anbieten Eöunte; aber ich kann 
mich nicht entfchließen, Ihren Mufentempel 
durch eine Gurkenmalerey entheiligen zu laffen; 
und bis ich Gelegenheit finde von Grafen 
gemalt zu werben, wird es alfo unmöglich) 
feyn, Ihren -freundfchaftlichen Wunfh und 
den meinigen in diefem Stuͤcke zu erfüllen. 
Meine Mufe, — tft was fie allegeit gemes 
fen ift, eine launenhafte, grillenfängerifche, 
eigenfinnige Sultanin, melche nie thut, was 
ich gerne Haben möchte, und nichts {hun kann, 
als was ihr der Gelft capriccio eingiebt. 
Ueberdies fielen Sie fih vor, daß ich fchuls 
meiftern und Compilationen machen, den zwey⸗ 
ten Theil der Sternheim emendiren, die Mus 
farlon und den Don Silvio ausfellen, und“ 
den dritten. und vierten Theil der Könige 
von Schefhian fihreiben fol, und alles 
dies binnen einer beftimmten Zeit, und unter 
tauſend Zerſtreuungen. Dies laͤßt wenig von 
allem dem hoffen, was ich mir vorgenommen 
hatte, da ich zu Coblenz und Duͤſſeldorf, in 
einem Ruͤckfall der füßen Schwärmeren meiner 
juüngern Jahre, meine Abbänglichkeit und den 
Unterfchied vergaß swifchen unferm Jacobi, 
welcher thun Tann was er will, und mir, 


64 


welcher thun muß, was er nicht will. Gleich 
wohl foll das Andenken des legten Mays, 
und der fellgen Stunden, melde uns bie 
Freundſchaft und die Empfindlichkeit unfre 
Seelen bat genießen laffen, auf trgend eine 
Art vereroiget werden. Warum es nicht In 
einee Erzählung gefchehben kann, Davon find 
eine Menge Urfachen, die Ich Ihnen ein au 
dermahl fagen will, wenn Sie nicht ſelbſt ſchon 
geneigt find zu denfen, daß man dag Publl⸗ 
cum fo menig als möglich zum Konfidentm 
unferer befonderen Begebenheiten, Verbindun⸗ 
gen und Empfindungen machen fol — nicht 
davon zu gedenken, daß alled, was bie Form 
eine empfindfamen KRelfe bätte, der 


mahlen als eine Nachahmung von Nachah⸗ 


mung aufgenommen werden, und bey De 
Welt wenig Danf verdienen würde. 

Laſſen Sie immer meine caprictenfe Mufe 
machen, was fie mil; ich hoffe doch, am Ende 
folen Ste mit ihr zufrieden feyn. 

Herr Heinfe fragt demüthiglich an, ob fein 
Manuſcript auf nächfle Meſſe gedruckt werde, 
und bittet, den Berleger wo möglich zu diſpo⸗ 
niren, ein Werk von Sefiaßifher Barmherzig⸗ 
feit an ihm zu thun. Er hat kein Geld mehr, 


63 
ind ich babe itzt auch nichts übrig, Ihm mehr 
borzuſtrecken. Er will Ihnen ein neues Mas 
nufcript ſchicken, nicht um es drucken zu laffen, 
(denn Sie werden, wie ich, finden, Daß es nicht 
imprimable iſt) fondern weil ee Sie dadurch 
zu amufiren hofft. Es heißt Himmel und Hölle 
der Meifen, und iſt ein profanes, witziges, 
ſchnackiſches, feltfames Ding, vol Genie, voll. 
guter und fchlechter Sachen, fehr leichtfertig 
und hbeidnifch, aber fo unterhaltend, daß man 
e8 nicht meglegen fann, bis man damit fertig 
if. — Ich Hoffe Heinfen zu Leipzig unterzus 
Bringen, wo er ſich ein wenig formiren fünnte, 
bie was Schicfliches für ihn ausgemittelt wers 
den kann. 

Ich umarme Sie, mein befter, liebenswuͤr⸗ 
diger Gleim, mit der volfommenften Zärtlichs 
feit — ganz und gar zufrieden, Sie gerade fo 
mie Sie find und nicht anders gefunden zu 
baben, — und über ale Maaßen gluͤcklich, 
wenn es ihnen aud) fo iſt. 

Noch eins, ehe ich's vergeffe. Unſer Großs 
bofmeifter, der liebenswuͤrdigſte Baron aller 
Barone die jemahls gewefen find, war gan 
betruͤbt, meinen Gleim nicht in Dieburg zu 
finden. Er hatte Sie nicht gekannt, da Sie 

Wielands !Griefe TIL. ©. 5 


66; 


ibn auf ber Landſtraße anhielten; er verflund, 
Sie beißen Canonicus Klein. Erfi nachdım 
er wieder feine Straße zog, und dieſer feltk 
men Rencontre nachdachte, fiel ibm endiid 
ein, daß diefer Canonicus wohl Gleim fa 
möchte, und alfo fort fchrieb er mir ein eigen 
handiges Billet nach Frankfurt. Hören Oh 
die eigenen Worte des Billets: „ Je vork 
envoye cct expres, pour vous averlir qu 
















jai rencontre ce matin en chemin publigue 
quelqu’un, & qui vous avez donne rende. 
vous à Diebourg. II venoit de Marbouq́; 
J’ai étéèé trop presse pour m’imformer du— 
detail de son existence et de son nom. 
m’a barbouill& quelque chose de chanoin 
Pr! ne sachant pas que vous ayez gr: 
eonnoissance avec ces Messieurs, j’ai reflech 
depuis que ce pourroit bien &tre Gleis 
Je serois au desespoir d’avoir manque 
faire sa connoissance. A tout hazard je Vs 
prie, de vous attendre & Diebourg et eh 
consideration de la qualit@ de vos amis o@ 
lui temoignera 1outes les politesses por 
sibles etc. 

Guten Abend, mein befer Gleim, und ned 
einen brüderlichen Kuß von Ihrem Wieland, 





67 
CCII. 
An Jabobi. 


Erfurt, den 6. September 1771. 


eſen Augenblick, mein lieber, beſter Bru—⸗ 
gibt mir mein Genius ein, Ihnen zu 
ben, daß Ich deu Mann gefunden habe, 
Zie für Ihren jungen Bruder verlangen, 
vill Ihnen eine Furze Abfchilderung von 
machen; feben Sie dann, ob er Ihnen 
t, und meiden Sie mir mit erfier Poſt 
Entſchließung. Dee Mann. heiße Heinſe. 
„ſeitdem Ich bier bin, fehr an mid) attas 
gemefen, und bat nicht nur alle Requi⸗ 
welche Sie verlangen, fondern noch viel 
dazu, wodurch er Ahnen und unferm' 
vw Fritz gefallen wird, Er hat unends 
iel Genie, einen phllofophifch poetifchen 
8, der nur noch mehr Ausbildung und 
w vonnoͤthen hat, um Ihn großer Dinge 
zu machen. Er iſt ſchon fünf Jahre auf 
rfitäten, hätte ein Juriſt werben follen, 
ch aber, von feinem Penchant fortgegos 
mehr auf belles lettres gelegt. Gleim 
rirklich ein Manufeript von ibm in Hans 
welches Sie nur zu lefen brauchten, um 


8 


68 


zu fehen, mie viel von diefem Jungen Ge 
zu erwarten iſt. Sch intereffire mich für- 
und münfche ihn alfo bey meinen Bruͤt 
Jacobi plackren zu können. Er ſelbſt wän 
es ſehnlich; denn er iſt einer von Ihren waͤ 
fien Bewunderern; er ift gemacht, den W 
des Stückes bey Ihnen zu Ichen, zu emp 
den, und es fih zu Nutze zu machen. 

mangelt ihm auch nicht an der Gefällt 
feit, welche ein Hofmeifter in Ihrem Hc 
vonnöthen hat. Au surplus verftebt er Mi 
fpielt dag Klavier, und iſt überhaupt ein g 
mufifalifchee Menfch) de cap en pied. N 
ſtens fol ee Ahnen felbft fchreiben. € 
Herz iſt warm und gefühluoll; eine flarke 9 
von fatyrifcher Laune macht es zuweilen 
wenig zweydeutig; aber dieß thut nichts; 
ift noch wenig über zwanzig Jahre; il: 
corrigera. In der. vortrefflichen Gefellfche 
in bie er kommen würde, würd’ er fich 
kurzem auf die vortbeilhaftefte Art enemwic 
und ausbilden. Bisher haben ihm feine | 
ftande gefchader. Kurz, e8 mangelt Ihm nic 
als gute Gefelfchaft, um ein Manu, wien 
feyn fol, zu werden. Sch empfehle Ih 


96 
> den Heren Heinfe aufs befle, und erwarte 
re Antwort mit Ungeduld. 

Ihr Brief an Aglaja *) mein lieber Brus 
„ iſt ohne Zweifel ein Brief an die Graͤfin 
‚pHie, und bezieht fi) auf gewiſſe fchiefe 
beile uber den Charakter diefer incarnirten 
azie. Er iſt Ihrer würdig, mein beflee 
robi; ich habe ihn mie Vergnügen gelefen, 
» dennoch murmelte etwas — ich weiß nicht 
8 — in mir gegen die Satyre über eine 
ziſſe Elaffe von Hofleuten, welche denen, 
ſich dadurch getroffen finden werden, kein 
: Blut machen wird. Unter denen welche 
zu M. gegen unfre Grazie erklärt haben, 
> verfchiedne Perfonen von unläugbarem 
ꝛrthe. Diefe möchten denken, daB man auch) 
fie wolle, und eine natürliche Folge das 
I wäre, daß Uebel ärger gemacht wuͤrde. — 
ch, ic) geftehe Ihnen, meine Abhänglichs 
: von M. macht mich furchtfam, und es iſt 
> fehe möglich), daß dag je ne sais quoi, 
z in mir murmelt, unrecht Hat. Sch muß 
hören, der Poftillion geht ab. 
> möchten Sie, mein befter bräbderlicher 
und! — mit diefer Umarmung fühlen, role 


IM. Ause. 2fer Thl. p. 10. 






yo 
inniglich Ihr Wieland Sie liebt. — Tanfadl 
Umermungen für unfern llebenswuͤrdigken 
Fritz. 


CCIII. 
An Sleim 


Erfurt, den 6. September 177 


So eben, liebſter Gleim, empfange ich Jr K 
Briefhen mit den Michaelifhen und 
Schmidtfchen Neuigkeiten. Heinfe if mb 
zuft über den Brief, den Sie Ihm geſchrle⸗ 
ben haben. Ich hoffe daß wir im Furgem ber 
Sorge für ihn entbunden feyn werden. Unfe 
Jacobi bittet mich um einen Informator für 
feinen jüngften Bruder. Ich habe Heinfen 
vorgefhfagen. Der Plan wäre vortrefflich für 
dieſes vortreffliche Sente. In der Geſellſchaft, 
worin er zu Düffeldorf leben würde, müßte er 
fich. za einem Mann comme il faut auf 
bilden. — Ein paar Zellen von Ihnen, mein 
Beſter, an unfern Dichter, würden dag lud 
des guten Heinfe unfehlbae machen. 

Ich babe Ihnen noch nicht gemeldet, daß 
die zehn Louisd'or für Herrn Heinſe richtig 
bey mir eingelaufen find, 


TE 
Wie ſehr mich dee Bruch zwiſchen Spalding 
nd meinem Gleim, der Druck der bewußten 
riefe, und (nachdem dieß nun einmahl ges 
heben, und alfo ein Kleines Uebel nicht mehr 
t andern war) wie fehr mich dee Ton, In wels 
em der Herr Probft feine Klagen öffentlich 
ageſtimmt, gefhmerzt haben, und noch ſchmer⸗ 
n, fann ich Ihnen niche genug fagen. Ich 
ihle alles für meinen Gleim, was er felbfl 
hlen müßte; aber zu ſehen, daß ein Michaes 
8 fich öffentlich die Mine der Vertraulichfeie 
ie Sleim und Jacobi gibt, dag er meinen 
leim rächen will, und es auf eine Art thut, 
elche unvermeidlich ihm ſelbſt und meinen 
reunden einen unmiederbringlichen Schaden 
9 der Welt thun muß — Dieß, ich geftehe 
3, hat meine Geduld gänzlich erichöpft, 
Heim und Paſtor Amor, iſt zwar ein 
itziges aber ein Fchändliches ärgerlis 
res Ding; Ich kann es den Berlinern niche 
erdenken, wenn fie fi) nun alles erlaube 
alten. Ums Himmlswillen, liebſter Gleim, 
zren Sie einmahl auf, durch Ihre unbe— 
raͤnzte Gutherzigkeit jedes Inſekt des Par⸗ 
aſſes zu autorifiren, ſich vor den Augen der 
Belt Ihren Freund zu nennen, um eine Ver⸗ 


„2 


traulichfeitt mit Ahnen zu affectiren, welche 
Sie für alle Sottifen dieſer Wiglinge vefpew 
fabel macht. Ein allgemeiner Aufſtand alle |, 
Leute, die Menfchenverftand baben, gegen alled 1, 
was Wiß und Empfindung beißt, gegen Du I, 
fen und Grazien, gegen Gleim, Jacobi und |: 
alles was ſich Ihre Freunde nenne, wird ends |, 
lich die Folge davon feyn, wenn alle Angens 1, 
blicde ein neuer Dichterling mit einem Wil 1, 
vol Verſe an feinen Freund Gleim, as 
feinen Sreund Jacobi angeflochen kommt, | 
und wenn Freund Michaelis fortfähre zu thus, 
als ob man nichts mehr ſchonen dürfe, fobald 
man nichts zu verlieren bat. 

Das Metier eines Autors wird Burch den 
Mißbrauch „den ſolche Witzlinge auf ben 
Schultern irgend eines beruͤhmten Maunes, 
auf den ſie ſich gehuckt haben, mit ihrem bis⸗ 
hen Gabe zu ſpotten und zu reimen, aus—⸗ 
üben wollen, fo verachtlich, daß ich taufends 
mahl den Tag verwünfche,. wo ich mir einfallen 
ließ, ein Autor 3u werden. Das wenigſte, 
mein beſter Gleim, was Sie fid) felbft und 
dem Publica und denjenigen von Ihren Freuns 
den, welche mehr Ehre zu verlieren "haben, 
als Herr * *, fchuldig find, iſt, den Menſchen 






73 


ortzujagen, und die ganze Welt zu avifiren, 
aß Sie es gerhan haben, und warum Sie eg 
ethan haben. Geltdem id) mir eine Ehre 
araus gemacht babe, der jegigen Melt und 
er Nachwelt zu fagen, daß ich Gleims und 
facobi8 Freund bin, feitdem iſt die Wuth, 
ch öffentlich zu Freunden meiner Freunde zu 
reiren, in alle avortons du Parnasse gefah⸗ 
en. Dieß möchte allenfalld noch bey den 
Schmidten und ihres gleichen angehen. Aber 
venn ein Michaelis in dem angenommenen 
harafter Ihres Freundes, sacra profanis 
uscuit, und 'den Poſſenreißer auf Untoften 
Des deffen, was die Welt ehrmürdig nennt, 
zacht — dann wird die Sache zu ernfibaft, 
nd Ihre mahren Freunde, die Freunde, von 
enen man Ehre bat, können nicht flille dazu 
Hweigen. Mir erlaubt es meine Pofltion am 
llerwenigſten. ch ruͤcke deswegen in die hie⸗ 
ge Zeitung eine Necenfion der Michaelifchen 
Scarteque ein, worin ich meinen Unmuth über 
en bübifchen Muthmillen diefes Cynikers auf 
ine ſehr nachdrücliche Art zu erfennen gebe. 
yem Herrn Michaelis rathe Ich, fih in Acht 
ı nehmen, und mich nicht zu reißen, daß Ich 
yn nicht ecraficen helfe. Man bat dadurch, 






74 


dag man ein bischen Witz und bie Gabe in 
reimen und nichts zu effen bat, nicht gled 
einen Freybrief, fih uber alle Egard's hinweg | 
zu feßen, und fih alles für erlaubt zu Halten Ki: 
was einem die poctifhe Wuth eingibt. Wen | 
ihnen dies hart tönt, fo bejammre ich dal; 
Exceß Ihrer Güte: Sch kann und will nid 
fo gut ſeyn; ich will nicht Faltfinnig zuſchen, li 
daß ich als ein oͤffentlich avouirter Freund vor Ih 
Gleim und Jacobi, vom Publico mie einem_\v 
Menfchen wie Michaelis, mit einem birnlofen I 
Spaßmacher und tandelnden Poetafter in Ein 
Claſſe gefege werde. Der bloße Gedanke au 
die Schmierereyen aus der Studlerftube unferd 
Jacobi macht mich rafen! Soll ein Michaelis 
fi) unterfichen, fol) Zeug an meinen Gleim 
drucken zu laffen, und auf das Titelblatt: | 
Unfer Jacobi zu fegen? Was meinen Si 
was die Welt endlich von und denken toirb? 
Und follen wir, einem folhen Erdſchwaͤmm 
zu gefallen, ung nichtd Daraus machen, was 
die Welt von uns denft? Man muß völlig 
unfinnig feyn, um nicht in allen Fibern feines 
Weſens zu fühlen, daß der Paſtor Amor 
eine wißige Mißgeburt iſt, welche nicht nur 
alle Tartäffen, fondern auch ale ehrliche Lente 


75 
; Seanbalifiren muß, Welch eine Thorheit, fels 
wien Feinden fo muthwilliger Welfe die Waffen 
en die Hande zu geben, womit fie ung aufs 
weiben! 

Ich muß aufhören. Ich beſorge Ihnen wehe 
a tun, mein befter Sleim; aber Ich liebe 
Sie mie mid ſelbſt; Ihre Ehre iſt die meis 
nige; Ihre Ruhe die meinige, und die wahre 
Sreundfchaft ſcheuet fih nicht, auch unange⸗ 
nehme Wahrheiten zu fagen, wenn fie noths 
wendig find. 

Herr Schmidt mag mohl ein ganz fein 
Salent zum Nachahmen haben. Sch werde 
ihn weder aufmuntern noch abfchreden. Aber. 
um fich öffentlich für einen Sreund großer 
Männer zu afflchiren, muß man vorher etwag 
getban haben, das und diefer Ehre würdig 
macht. Und wer nicht Dellcateffe genug hat, 
Dies zu fühlen, der iſt fein Mann für mic). 
Alſo nichts weiter von diefen Dichterſchwaͤmmen. 
Ich umarme Ste von ganzem Herzen, und bes 
fchwöre Sie nochmahls, ohne Verzug und 
Öffentlich, mit Herrn Michaelis- zu brechen. 


Ex duobus malis minimum! 


76 ' 
CCIV. 
An Ebendenfelben. 





* Erfurt, ben 9. September. IL 


Nur ein Paar Zellen, mein liebſter Sleim, 
um Ihnen die wilde Heftigkeit meines legten | 
Schreibens abzubitten. Ich bin des Vorſatzes, 
meinen Gleim zu beleidigen, unfähig. Ich 
liebe ihn von Grund der Seele, und laffe ges 
wiß der Güte feines Herzens und der Unfchulb 
feiner Beweggründe alle mögliche Gerechtigkeit 
wiederfahren. Aber die Sache felbft, wovon 
ich Ihnen letzthin fchrieb, ift mir noch immer 
fo verdrießlich und fehmerzlich als jemahls. 
Ich hatte nur Unrecht, Ihnen in der erſten 
und vollen Wuth zu ſchreiben, worein mich 
der Paſtor-Amor und das unſern Jakobi 
ſetzte. Sich beſchwoͤre Sie, vernichten Sie mei⸗ 
nen letzten Brief und laffen Sie bie Verſiche—⸗ 
rung meiner unveranderlichen Zreundfchaft jes 
den unangenehmen Eindruck diefes tollen Brie 
fes ausloͤſchen. 

Herr M. dauert mih, wenn ih an feine 
Hnpochondrie denke. Diefe Gattung von Leus 
ten kann faum für ihre Handlungen refponfas 
kel gemacht werden, Ein Poet feyn, iſt ſchon 


77 


fo viel, als einen oder zween Sparren zu viel 
"baben, aber noch hypochondriſch dazu ſeyn, 
iſt zu viel für die Weisheit irgend eines Sterbs 
lihen. Wenn ein Hypochondeift einen Anfall 
von Spaßbaftigfeit hat, fo iſt Gott der Vater 
auf feinem hohen Thron nicht ficher vor feinen 
Einfälen; er meint es fo böfe nicht, und Ich 
wollte werten, daß Herr M. gar nicht wird 
begreifen können, daß fein Paftor s Amor ein 
völlig iInjuftificabled Ding iſt. Wie dem auch 
fey, ich bin um melner Stcherheit willen mie 
ſelbſt ſchuldig, mein Mißfallen an diefer uns 
zeitigen Geburt feines Witzes öffentlich zu bes 
zeugen, und Ich weiß für ihn nur ein einziges 
Mittel, wie er fich mit dem Publico, mit 
welchem ihn diefes fein Abentheuer Höchlich 
brouilliren wird, mieder rehabtlitiren kann, 


und dieß iſt, eine Zeitlang ruhig gu feyn, und 


wenn er wieder zum Vorfchein kommt, mit 
einem Werfe, das ihm bey der vernünfsigen 
Belt Ehre mache, zu erfcheinen. Fur Sie, mein 
liebfter Gleim, iſt es gluͤcklich, wenn der Man⸗ 
tel Ihrer Tugend, in welchen Sie ſich, wie 
Ihr Horaz einhuͤllen, weit genug iſt, um ihn 
ſechs oder ſieben mahl um ſich ſchlagen zu koͤn⸗ 
nen. Denn der Plagregen, der Ihnen von 


t 
\ 


78 
Berlin aus bevorſteht, wird mächtig eindrin 


Qui vult bene vivere, debet de Domino 
bate omnia bona loquerc etc. Laßt die } 
fterfchaft ungehubelt, wenn ihr ein ‘gen 
Leben führen wollt! — et Dieu vous so 
Yaide! 

P. S. Auch für den armen jungen pet 
chiſirenden Schmidt ift mir leid, daß fein ! 
fuch Iegthin zu einer fo ungünftigen Zeit 
unter Augen kam. Indeſſen geftebe ich, 
junge , angehende Dichter by mir 56 
Spiel Haben. Sch bin immer geneigter, 
abzuſchrecken ale aufjumuntern; und ich £ 
wenigſtens Einen, der mir beynahe flexis 
nibus dafür gedanft hat, daß ich ihn von 
rage, Verſe zu machen, geheilt habe. 


CCY. 
An Ebendenfelben. 


Erfurt, den 21. Dckober. ı 


Mein beſter Steim, können Sie Ihrem 
land, der dag edle vortrifflihe Herz fei 
Gleims — nicht mißkannt — nur in einem 
gluͤcklichen Augendlicte — aus dem Gefichte 
Ioren, Ihren Wieland, der Sie von gan 


79 


Herzen liebt und hochachtet, der Felnen Aus 
genblick aufgehört hat, noch aufhören kann, 
Sie zu lieben, der in der unfeligen Stunde, 
da er hr gutes freundfchaftliches Herz in der 
ungeſtuͤmen Hite des feinigen vermundete, eben 
fo menig als in dieſem Augenblicke fähig 
war, feinen Gleim kraͤnken zu wollen, — koͤn⸗ 
nen Eie, fünnen Sie ihm vergeben? Können 
Sie es, beiter Gleim, fönnen Eie ihn wieder 
Hieben, Ihn mit der Empfindung, daß fein : 
Herz unfhuldig an dem Verbrechen feines Bluts 

und feiner Einbildung If, wieder in Ihre Ars 
me fchließen — fo ſehen Sie ihn bier mit thräs 
nenben Augen Ihre Siniee umfaffen und Sie 
bey allem, was jemahls Ihrem Herzen theuer 
gemwefen ift , befchmören, zu vergeffen, daß es 
einem feindfellgen Damon gelingen konnte, 
die fihmefterliche Eintracht unferer Seelen nur 
eine Minute zu fiören. DVergeffen Sie die uns 
glückliche Scene, vernichten Sie, wenn es niche 
ſchon geſchehen ift, den ungläcieligen Brief, 
und geben Sie, befter Gleim, geben Sie dem 
Herzen Ihres ewig eigenen Wielands die Ruhe 
wieder, indem Sie ihm fagen, daß Sie in 
dem Beſitz Ihrer Freunde, In dee Gewißheit, 
yon ihnen geliebt zu werben, wieder glück 


80 


lich find. Guter, rechtfchaffener, liebendiin 
diger Gleim! Sehen Sie Ihren Wieland ay 
Sehen Sie Thränen der Wehmuth und il 
in feinen Augen, reichen Sie ihm Ihre Hand 
und lafien Sie ung — laffen Gie ung mie ih 
gluͤcklich feyn ! | | 
| 





CCVI. 
An Ebendenfelben. 


Erfurt, den 3. November. ıyju 


Der junge Dann, der Ihnen, mein beſter 
Gleim, diefes Briefchen von Ihrem Mieland 
bringt, nennt ſich Werthes. Er iſt ein gw 
borner Würtemberger, ein Candidat Dee Thu 
ologie und Academie, ein Meifter dee fliehen 
freyen Künfte. Er iſt auf einer Are von Wal⸗ 
farch begriffen, die heiligen Derter der Muſen 
und Grazien zu befuchen, denn eim poetifcher 
Damon befigt Ihn, ein Damon, von welchem 
noch nicht ganz ausgemacht ift, ob es ein gw 
fer Genius oder ein Kakodaͤmon iſt. Anlage 
und Empfindfamkeit fcheint er zu haben, und 
fo unvollkommen feine Berfuche, (wovon & 
Ihnen einige zeigen wird) noch find, fo fcheint 


| St 
mir doch einige -Aufmunterung iu vers 
nen, 
Sin untiderfiehlicher Hang, fagt er, trieb 
3 zu den holden Künften der Mufen; er 
tte Leinen Anführer, keinen Freund, Feine 
ifmunterung, wenig Bucher. Er iſt alfo mehr 
bewundern, daß er nicht 'gar nichts ift, 
3 daß er nicht etwas beffers iſt. Als er hies 
Fam, fagte er mir, daß er gefonnen ſey, 
ch nach Halberfiade zu gehen, um Gleim und 
Eobi zu ſehen. In der Zolge vernahm ich, 
3 er es für ein ſehr großes Unglüd halten 
irde, wieder in fein Land zuruͤckkehren zu 
iſſen, mo er vor fieben bis acht Jahren, 
38 Heißt, bis die Reihe In der Sandidatens 
hl an ihn kommt) Feine Beförderung in bofs 
ı bat. Sein hoͤchſter Wunſch waͤre inzwi⸗ 
en, da wo Sie ſind, oder da wo ich bin, 
e Hofmeiſter oder Informator⸗Stelle zu fin⸗ 
3, welche ihm die nothduͤrftige Subſiſtenz 
d zugleich Gelegenheit ſich in den ſchoͤnen 
iſſenſchaften mehr zu uͤben, verſchaffte. Bey 
ver ſolchen Abſicht iſt Erfurt der legte Ort; 
nn alle andern Stride reiſſen, kann ich Ihm 
elleicht auf einige Zeit eine Stelle im hieſigen 
nvictorium verfchaffen; aber dieß iſt alles, 
Mielands Briefe I, m, 6 


82 


und dieß alles iſt ſehr wenig. Vielleicht, 
beſter Gleim, wiſſen Sie etwas beſſeres fie t 
den guten Werthes. Wirklich fcheint er Aut 
fehr gute Art von Menfchen zu ſeyn. Berhehii 
denheit und Mißtrauen in fich felbft mache ha 
weniger fcheinen ald ex if. Er bat wird]! 
Faͤhlgkeit und für feine Sitten glaube ih wi 
pondiren zu fünnen. Sollten Sie irgend da 
Maschen für ihn wiffen, fo habe ich nicht nd 
thig, meinen Gleim aufzummntern, dieß Bed 
der Liebe an ihn zu thun, und ihn gu empfehr 
len. Wo nicht, fo mag er Immer wieder jw 
ruͤckkommen; ich will ſehen, wie ich ihn un 
terbringe. Gott weiß, ob c8 gut iſt, daß fe 
manche junge Leute durch das Leſen unfer 
Schriften mit der gefährlichen Liebe der Du 
fen, oft bey ganz maßigem Talent angefett 
werden. Indeffen, da wir an diefem Uebel 
bauptfächlich Schuld find, fo iſt es nun wohl 
unfere Pflicht, zu thun, was wir können, um 
es zu vermindern und zu vergüteu, fo viel die 
Umftände nur immer zulaffen. 

Zur Ihr letztes Briefchen dankt Ihnen mein 
ganzes Herz, wiewohl es bey einigen Stelle 
blutete. Ich fage nichts mehr von einer Sat 
deren Erinnerung ich möchte vertilgen koͤnnen⸗ 





83 


> baffe alle qualenden Gedanken, die zu nichts 
ige feyn können. Unſer Jakobi und die übris 
n Sreunde, die im Begriffe find zu Ahnen 
. fommen, werden meinem Sleim die Sreude 
8 Herzens und Zufriedenheit mit fich felbft 
ledergeben, ohne welche das Leben fein Gut 
» Sch liebe an Ihnen fogar die Aufrichtigs 
t, mit dee Sie mir fagen, daß Sie mir 
Jar vergeben koͤnnen, aber daß doch immer 
ne Narbe In Ihrem Bufen Sie an die Hand, 
n welcher Sie verwundet wurden, erinnern 
wde. Mon cher, mon bien cher ami, je 
ai jamais fait des pretentions, et je n’en 
rai jamais. Ce sera un grand point de 
licite pour mon cœur, d’&tre aime de vous 
un des meilleurs humains que je connoisse, 
ais quels que puissent &tre vos sentiments 
jur moi, je ne cesserai jamais de vous 
onorer et de vous aimer de tout mon 
sur. EZ tauto basta! 





34 


CCVII. 
An Jakobi. 
Erfurt, den 6. November ızıı 






ı 
E 
| 


Dieß Briefchen trift Sie noch In Zelle au I 


mein lieber Jacobi! Es foll Ihnen nur fagen I 


daß ich noch lebe, und daß Ihre und Ihres 
beften Bruders Sreundfchaft, das iſt, was ım 
meiften dazu beyträgt, daß ich gern lebe. Ohm 
Sie, ohne das felige Gefühl unfrer Lied, 


tourde ich zumellen wünfchen nicht zu ſeyn. 





Ich bin feit einiger Zeit ſehr hypochondriſch; 


mein Geift iſt wie erlofchen; ich kann nicht 


gutes denken noch volbringen. Was würd ' 


aus mir werden, wenn die Brüder Jacobi 
nicht die melnigen wären? 


Sch Habe unferm Gleim gefchrieben. — | 


Seine Antwort if freundlich und Liebreih, 
aber fie gibt mir das Unrecht, das ich wider 
meinen Willen gethan habe, To ſtark gu empfins 
den, daß ich unmöglich mit mir fel6ft zufri® 
den ſeyn kann — und wie ſollte ohne DIE 
eine Gluͤckſeligkeit moͤglich ſeyn? Ich ſehe daß 
ich das Herz des guten Gleims verloren 
habe, und ich geſtehe Ihnen, daß nichts in 
der Welt mich wegen dieſes Verluſtes voͤlllt 


85 


teöften fann. Zu Allen. diefen fonmen noch 
eine Menge andrer Desagremeng, die elenden 
Recenfionen der Sternheim in der Göttins 
ger und Braunfchweiger Zeitung werden Ihnen 
befannt feyn. — Bor kurzem hatte ich mit 
tinem Gäte - metier, Nahmens Schröd in 
Sranffurt, zu kaͤmpfen, der eine Ausgabe aller 
meiner neuern Schriften androhet. 

Die Meffe dat ung einen deutfchen soi di- 
sant imitateur de Grecourt aus Königsberg. 
gebracht; einen Elenden, dem. der unflätigfle | 
Priapismus flatt der Begeifterung dient, und 
der die Schamlofigfeit gehabt Kat, feine ekel⸗ 
haften Obſcenitaͤten, mit einem salve frater, 
welches mich beynahe untroͤſtlich macht, mir 
zuzueignen; und um das Maß voll zu machen, 
erſcheint zu Paris eine elende Ueberſetzung 
meiner tomifchen Erzählungen. — Ich mache 
mie ein Gewiffen daraus, das Vergnügen fo 
Site, mein Liebfier, Im Schooß der Freunds 
fchaft genießen, durch alle die ſchwermuͤthigen 
Vorfielungen gu flören, womit meine Seele 
umzogen if. 

Wenn mir meln Dafeyn zu (ehr sur Laſt 
fallen will, nehme ich etwas .von den Schrif⸗ 
ten meines Jacobis, und erinnere mich dabey 


\ 


CCIV. 
An Ebendenfelben. 


- Erfurt, den 9. September. ıyyu 1. 


Nur ein Paar Zeilen, mein liebſter Gleim, 
um Ihnen die wilde Neftigfeit meines lebten 
Schreibens abzubitten. Ich bin des Vorſatzes, 
meinen Gleim zu beleidigen, unfähig. Ich 
liebe ihn von Grund der Seele, und laſſe 96 
wiß der Güte feines Herzens und der Unfchuld 
feiner Beweggründe alle mögliche Gerechtigkeit 
wiederfahren. Aber die Sache felbft, wovon 
ich Ihnen letzthin fchrieb, If mir noch immer 
fo dverdrießlich und fehmerzlich als jemabls. 
Sch hatte nur Unrecht, Ahnen in ber erflen 
und vollen Wuth zu fchreiben, mworein mid 
der Paftors Amor und dag unfern Jakobi 
feste. Ich beſchwoͤre Sie, vernichten Ste meh 
nen letzten Brief und laffen Sie die Verſiche⸗ 
rung melner unveranderlihen Zreundfchaft jes 
den unangenehmen Eindruck biefes tollen Bries 
fes ausloͤſchen. 

Herr M. dauert mich, wenn ich an ſeine 
Hypochondrie denke, Diefe Gattung von Leu⸗ 
ten kann kaum für ihre Handlungen refponfas 
bei gemacht werden, Ein Poet feyn, iſt fchon 





77 


fo viel, als einen oder zween Sparren gu viel 
haben, aber noch hypochondriſch dazu feyn, 
ift zu viel für die Weishelt irgend eines Sterbs 
lihen. Wenn ein Hypochondriſt einen Anfall 
von Spaßbaftigfeit hat, fo iſt Sott der Water 
auf feinem hohen Thron nicht ficher vor feinen 
Einfällen; er meint es fo boͤſe nicht, und Ich 
wollte wetten, daB Herr M. gar nicht wird 
begreifen können, daB fein Paflor s Amor ein 
völlig injufiificables Ding if. Wie dem auch 
fey, ich bin um meiner Sicherheit willen mit 
felbft (chuldig, mein Mißfallen an diefer uns 
zeitigen Geburt feines Witzes öffentlich zu bes 
zeugen, und ich weiß für ihn nur ein einziges 
Mittel, mie er fich mit dem Publico, mit 
welchem ihn Diefes fein Abentheuer Höchlich 
brouilliren wird, mieder rehabilitiren kann, 


und dieß iſt, eine Zeitlang ruhig zu ſeyn, und 


wenn er wieder zum Vorſchein kommt, mit 
einem Werke, das ihm bey der vernuͤnfügen 
Melt Ehre mache, zu erfcheinen. Fuͤr Sie, mein 
liebfter Steim, iſt e8 gluͤcklich, wenn der Mans 
tel Ihrer Tugend, in welchen Sie fih, wie 
Ihr Horaz einhüllen, weit genug iſt, um Ihn 
fech8 oder fieben mahl um fich ſchlagen zu koͤn⸗ 
nen, Denn der Platzregen, der Ihnen von 


\ 


78 
Berlin aus bevorſteht, wird mächtig eindringen! 


Qui vult bene vivere, debet de Domino Ab- || 
bate omnia bona loquere ctc. Laßt die Priv | 
fterfchaft ungehudelt, wenn ihr ein "gerupls 
Leben führen wollt! — et Dieu vous soit & 
Yaide! 

P.S. Auch für den armen jungen petran 
chiſirenden Schmidt ift mir leid, daß fein Ben 
ſuch letzthin zu einer fo ungünfligen Zeie mir 
unter Augen Fam. Indeſſen geftehe ich, daß 
junge, angehende Dichter bey mie böfes 
Spiel haben. Sch bin immer geneigter, fie 
abzuſchrecken als aufzumuntern; und ich kenne 
wenigfiens Einen, der mir beynahe flexis ge 
nibus dafür gedankt hat, daß ich ihn von ver 
rage, Verfe zu machen, geheilt habe. 


CCV. 
An Ebendenſelben. 


Erfurt, den 21. October. 1771 


Meln beſter Gleim, fonnen Sie Ihrem Wie 
land, der dag edle vortriffliche Herz feines 
Gleims — nicht mißkannt — nur in einem uns 
glücklichen Augendlicke — aus dem Gefichte vers 
ren, Ihren Wieland, der Sie von ganjem 


79 


derzen liebt und hochachtet, der feinen Aus 
enbiic aufgehört hat, noch aufhören kann, 
Sie zu lieben, der in der unfeligen Stunde, 
a er Ihr gutes freundfchaftliches Herz in der 
ingeſtuͤmen Hitze des feinigen verwundete, eben 
o wenig als In dieſem Augenblicke fähig 
var, ſeinen Gleim kraͤnken zu wollen, — koͤn⸗ 
ven Sie, koͤnnen Sie ibm vergeben? Können 
Sie es, beiter Gleim, koͤnnen Cie ihn wieder 


ieben, Ihn mit der Empfindung, daß fein : 


Herz; unfhuldig an dem Verbrechen feines Bluts 
und feiner Einbilbung Ifi, teieder in Ihre Ars 
me fchließen — fo fehen Sie ihn bier mit thräs 
nenden Augen Ihre Kniee umfaffen und Sie 
bey allem, was jemahls Ihrem Herzen theuer 
geweſen ift , befchmören, zu vergeffen, daß es 
sinem feindfeligen Damon gelingen fonnte, 
die fihmerterliche Eintracht unſerer Seelen nur 
eine Minute zu flören. Vergeffen Sie die uns 
glückliche Scene, vernichten Sie, wenn e8 nicht 
fchon gefchehen iſt, den ungluͤckſeligen Brief, 
und geben Sie, befler Gleim, geben Site dem 
Herzen Ibres ewig eigenen Wielands die Ruhe 
wieder, indem Gie ihm fagen, daB Gie in 
bein Beſitz Ihrer Freunde, In der Gewißheit, 
yon ihnen geliebt zu werden, wieder glück 


— 















30 

lich find. Guter, rechtfchaffener, liebenswin 
diger Gleim! Schen Sie Ihren Wieland au, 
Sehen Sie Thranen der Wehmuth und Lit 
in feinen Augen, reichen Sie ibm Ihre Hand, 
und laffen Sie ung — laffen Sie ung wie 
gluͤcklich ſeyn! 





CCVI. 
An Ebendenfelben. 


Erfurt, den 3. November. 72 


Der junge Mann, der Ihnen, mein beſter 
Gleim, diefes Briefhen von Ihrem Wieland 
bringt, nennt ſich Werthes. Er iſt ein ge 
borner Würtemberger, ein Candidate der Thw 
ologie und Academie, ein Meifter ber. fieben 
freyen Künfte. Er iſt auf einer Art von Wal 
farth begriffen, die heiligen Derter der Dufen 
und Grazien zu befuchen, denn ein poetiſcher 
Damon befigt ihn, ein Damon, von welchen 
noch nicht ganz ausgemacht iſt, ob es ein ge 
ter Genius oder ein Kakodämon iſt. Anlap 
und Empfindfamfeit fcheint er zu baben, | 
fo unvollfommen feine Verfuche, (wovor 
Ihnen einige zeigen wird) noch find, fo 


st 
r doch einige -Aufmunterung zu vers 
unmiderftehlicher Hang, ſagt er, trieb 
u den holden Künften der Mufen; er 
feinen Anführer, feinen Sreund, Feine 
ınferung, wenig Bücher. Er iſt alfo mehr 
wundern, daß er nicht 'gar nichts ifl, 
ß er nicht etwas beffers if. Als er hie⸗ 
3, fagte er mir, daß er gefonnen ſey, 
ach Halberfiadet zu gehen, um Gleim und 
E zu fehen, In der Folge vernahm ich, 
8 für ein ſehr großes Unglüd halten 
, wieder in feln Land zurückehren zu 
I, wo er vor fieben bis acht jahren, 
beißt, bis die Reihe In der Candidaten⸗ 
n ihn kommt) feine Beförderung zu bofs 
at. Sein höchfteer Wunfch waͤre inzwi⸗ 
ba wo Sie find, oder da wo Ich bin, 
ofmeiſter oder Informators Stelle zu fins _ 
welche ihm die notbdüurftige Subfiftenz 
ugleich Gelegenheit fich in den fchönen 
iſchaften mehr zu üben, verfchaffte. By 
folhen Abfiche iſt Erfurt der legte Ort; 
alle andern Stride reiffen, fann ich ihm 
cht auf einige Zeit eine Stelle im biefisen 
ctorium verſchaffen; aber dieß iſt alles, 
ands Briefe III, V. 6 


42 


und dieß alles iſt ſehr wenig. Vielleicht, u 
befter Gleim, wiffen Sie etwas beſſeres 
den guten Werthed. Wirklich fcheint er 

fehr gute Art von Menfchen zu ſeyn. Def 
denheit und Mißtrauen in fich ſelbſt macht 
weniger fcheinen alg er If. Er bat wi 
Faͤhlgkeit und für feine Sitten glaube ic 
pondiren zu koͤnnen. Sollten Sie irgent 
Maschen für ihn wiſſen, fo habe ich nich 
thig, meinen Gleim aufzumuntern, Dieß! 
der Liebe an ihm zu thun, und ihn gu em 
len. Wo nicht, fo mag er immer wiede 
ruͤckkommen; ich will ſehen, mie ich ihn 
terbringe. Gott weiß, ob es gut iſt, de 
manche junge Leute durch dag Lefen un 
Schriften mit der gefährlichen Liebe der 

fen, oft bey ganz maßigem Talent ange 
werden. ndeffen, da wir an dieſem 
hauptſaͤchlich Schuld find, fo iſt ed nun 

unfere Pflicht, zu thun, was wir können, 
es zu vermindern und zu vergüten, fo vie 
Umſtaͤnde nur immer zulaffen. 

Fuͤr Ihr letztes Briefchen dankt Ihnen 
ganzes Herz, wiewohl es bey einigen ©: 
blutete. Ich fage nichts mehr von einer € 
deren Erinnerung ich möchte vertilgen könn 


83 


b baffe alle qualenden Gedanken, die zu nichts 
ige feyn fönnen. Unſer Jakobi und die übris 
n Sreunde, die im Begriffe find zu Ahnen 
kommen, werben meinem Gleim die Freude 
8 Herzens und Zufriedenheit mit fich ſelbſt 
ledergeben, ohne welche das Leben fein Gut 
. Sch liebe an Ihnen fogar die Aufrichtigs 
it, mit dee Sie mir fagen, daß Sie mir 
yar vergeben können, aber daß doch immer 
ne Narbe In Ihrem Bufen Sie an die Hand, 
n welcher Sie vermundet wurden, erinnern 
erde. Mon cher, mon bien cher ami, je 
ai jamais fait des pretentions, et je n’en 
rai jamais. Ce sera un grand point de 
licitE pour mon caur, d’&tre aime de vous 
'un des meilleurs humains que je connoisse, 
‚as quels que puissent &tre vos sentiments 
dur moi, je ne cesserai jamais de vous 
onorer et de vous aimer de tout mon 
eur. E tauto basta! 





\ 


84 


CCVII. 
An Jakob, 
Erfurt, den 6. November ı7ı1 


Dieß Briefchen trift Sie noh In Zelle au 
mein lieber Jacobi! Es foll Ihnen nur fagen 
daß ich noch lebe, und daß Ihre und Ahre 
beften Bruders Freundfchaft, das iſt, was an 
meiften dazu beyfrägt, daß ich gern Iche. Ohne 
Sie, ohne dag felige Gefühl unfeer Liebe, . 
tourde Ich zumellen wünfchen nicht zu feye. 
Ich bin ſeit einiger Zeit ſehr hypochondriſch; 
mein Geiſt iſt wie erloſchen; ich kann nicht 
gutes denken noch vollbringen. Was wuͤrde 
aus mir werden, wenn die Brüder Jacobi 
nicht die meinigen waren? 

Sch Habe unferm Gleim gefchrieben. — 
Seine Antwort ift freundlich und liebreid, 
aber fie gibt mir das Unrecht, das ich wide 
meinen Willen gethan habe, To flarf zu empfin 
den, daß ich unmöglich mit mir felbft zufrie 
den feyn kann — und wie follte ohne bie 
eine Gluͤckſeligkeit möglich feyn? Ich febe daß 
ih das Herz des guten Gleims verloren 
babe, und ich geftehe Ahnen, daß nichts is 
der Melt mich wegen dieſes Verluſtes völlig 





85 


roͤſten kann. Zu Allen. diefen fonmen noch 
ine Menge andrer Desagremeng, bie elenden 
Recenfionen der Sternheim In der Goͤttin⸗ 
er und Braunfchweiger Zeitung werden Ihnen 
efannt feyn. — Bor kurzem hatte ich mie 
inem Gäte - metier, Nahmens Schröd in 
jeanffurt, zu kaͤmpfen, der eine Ausgabe aller 
geinee neuern Schriften androhet. 

Die Meffe bat uns einen deutfchen soi di- 
ant imitateur de Grecourt aus Königsberg. 
jebracht; einen Elenden, dem. der unflätigfte 
Irlapismus fatt der Begeifterung dient, und 
ee die Schamlofigfeit gehabt bat, feine ekel⸗ 
Jaften Obſcenitaͤten, mit einem salve frater, 
veldyes mich beynahe untröftlich macht, mie 
uzueignen; und um Das Maß voll zu machen, 
srfcheint zu Paris eine elende Weberfegung 
meiner comifchen Erzählungen. — Ich mache 
mie ein Gewiſſen daraus, das Vergnügen fo 
Ste, mein Liebfier, im Schooß der Freunds 
fchaft genießen, durch alle bie ſchwermuͤthigen 
Vorfielungen gu ftören, womit meine Seele 
umzogen ift. 

Wenn mir mein Dafeyn zu ſehr zur Laſt 
fallen will, nehme ich etwas von den Schrif⸗ 
ten meines Jacobis, und erinnere mich dabey 


86 


an die frlisen Tage, die wir mit einander gu 
lebt haben; dann fühl’ ih, daß meine Sul 
dieſe koſtbare Empfindlichkeit noch nicht vers 
ren hat, ohne welche es ein Unglück waͤre ein 
Menfch zu ſeyn; ch fühle, daß Ich Ste innig 
lich und unausfprechlich liebe; ich bin anf 
einige Augenblicke glüclich;_ aber wenn fid 
melne Arme aufthun, meinen Jacobi an mein 
Herz zu drücen, und Ich ihn nicht finde, und 
mir alle die Menge von Bergen und Thälern 
vorfielen muß, die zwiſchen ung fliegen, — 
ah: mein beſter George! Sagen Sie, nie 
kann da Ihr Wieland glüdlich bleiben? — 


CCVIII. 
An Ebendenfelben. 


Erfurt, den 2. December 1771. 


Komm, mein Bruder, laß dich an mein 
Herz dracen, laß mich ganz die Wonne de 
Verſchwiſterung unſrer Seelen genießen; mein 
sanz eigner liebſter Georg Jacobi! Welch eine 
Mufe war dieß, die meinem Jacobi Diele 
göttliche Licd vorfang, deffen hohe Einfalt das 
untrügliche Zeichen der wahren Begeiſterung 
iſt! — Noch immer tönt die mehr als Icdifck 


- Melodie In meiner Seele. — Befter der Sterbs 
lichen! Nein! niemahls, niemahls bat eine 
fchönere Seele als die Deinige in einem Leibe 
von Erde gewohnt ! 

Warum, mein Jacobi, kann ich nicht mit 
einem Wunfch in ihrem Zimmer, an Ihrer 
Seite feyn, Ihnen die Auferfiehung an 
Eliſen *) vorlefen, und dann mit Thraͤnen 
der Entzuͤckung und Liebe in Ihre Arme ſinken? 

Und wir folten Ihrem Bruder, Meinem 
Bruder ein Geheimniß daraus machen? Er 
ſoll noch etliche Wochen leben, ohne bad nah⸗ 
menlofe Vergnügen genoffen zu haben, Das 
ipm Elifens Auferfiehung geben wird? — 
Und doch, menn ich bedenke, daß fein Ents 
zuchen deſto größer feyn wird, To entfchließe 
ih mid, mir die Gewalt anzuthun, das 
ſchoͤnſte unter allen Liedern unſers Georg's 
vor ihm zu verbergen. 

Es tft mir noch nicht möglich Ahnen Deuts 
lich zu ſagen, wie ſchoͤn, wie unausſprechlich 
ſchoͤn ich dieſes Lied finde. Aber mir iſt (wenn 
ich es nur erſt zwanzig Mahl werde geleſen 
haben) ich wollte ein kleines Buch von allen 
Schoͤnheiten, die ich darin ſehe, ſchreiben. 

*) Jacobi's Schriften. N. Ausgabe. 2ter Thl. p. 176. 


85 \ 

Wie (hön if, z. E. der Abſatz des Yun 
den Tong der erften Strophen mit dem di 
genthuͤmlichen, fanften, Engelsliebe athma 
den Ton meines Jacobi, der in den folgenda 
Strophen herrſcht! Welch ein gluͤcklicher Bu |\ 
Danfe, den feyerlichen Bardıngefang, von 
Kommen des Weltrichters, zur Beran 
laffung des Liedes zu machen! Melch ein glügs 
licher, neuer, noch von feinem Dichter feine 
erfien Bluͤthe beraubter Gedanke; die Blumen, 
die um Elifend Grab geftreut und laͤngſt wie 
fie geftorben waren; die Nachtigallen, die in 
ſtillen Nächten über ihrem Grabe gefungen 
hatten, und geftorben waren, zugleich mit ihr 
auferfichen zu Hafen! — Und die legte 
Strophe! wie fchon vollendet fie mit einem 
Zug, das ganze uberirdifche Gemaͤlde! Wie 
glücklich muß mein Jacobi gemwefen feyn, da 
e8 In Diefer Idealen Schönheit, melche Fein 
Ausdruck vollig erreichen kann, vor feiner 
Augen fland ? | 

Zwo oder drey Kleinigkeiten möchte ich ver 
ändert fehen, ohne daß ich Ihnen viel beffere 
Grunde geben kann ald meine Empfim 
dung. In einem fo fehr volfommmen Stade 






nn. ae u 


89 
ann ich nicht dag Fleinfte Fleckchen, nicht die 
leinfte rauhe Spitze leiden. 

Diefer Böden hier | welchen Elife betrat 

Fuͤhlen Sie nicht auch), daß man an biefem 
‚ier im Declamiren anftößt, und daß zwi⸗ 
chen bier und welchen eine Kluft iſt, die 
icht feyn ſollte. — Lieber wolle ich fagen:, 
‚Diefer Boden, den Elife betrat. 

Schaffende Liebe gebeut Sonnen in ihrer 

Bahn; 
Mich daͤucht, es follte heißen: 
Gebeut Sonnen in ihre Bahn. 

Aber noch lieber wollte ich den ganzen Aus⸗ 
ruck andern. Gebieten duͤnkt mich, iſt 
zſicht ganz ſchicklich, wenn von einer Wirkung 
er Liebe die Rede iſt. Lieber wollt' ich die 
leine Schoͤnheit, die aus der Wiederho⸗ 
ang der ſchaffenden Liebe entfpringt, 
ufopfern und feßen. 


— 


Öffnet neuen Sonnen ihre Bahn, oder win⸗ 


fet neue. Sonnen in ihre Dahn 
der fo etwas ıc. 
Doch diefen Punkt unterwerf’ ich Ihrer und 
nfer8 Gleims und Ihres guten Michaes 
is Entfcheidung. — Denn es iſt genug für 
ich, daß Sie und Gleim Ihn Ihrer Lebe 


00 

werth finden, um mir's sur Pflicht zu made, Ih 
fo lange ich lebe alled anzuwenden, Damit id I, 
die Unbild, die ich ihm in ubertrlebner Hiky |: 
und ehe ich ihn kannte, angetban babe, vw i 
güten möge. Le vilain homme que J’etois! 

Aber die Goͤtterthaten der Elife — bie, 
mein Liebſter, müffen Ste mir aufopfen = 
Götterthaten iſt zu viel. Gehen Sie, 
wie Sie dieß anders fagen; im Nothfall, und 
wofern Ihnen nichts Schidlicheres einfiele, 
ware, dacht Ich immer beffer 

Deines Lebens fille Thaten baut. ®) 
Dieß iſt für Elifen zugleich eine ſtillſchweigende 
Lehre! Goͤtterthaten tönt zu fehr mie eine 
Schmeicheley, und würde das gute Kind übe 
müthig und ſchamroth machen müffen. 

Ich habe die Frage: ob Sie das Lied glelch 
mit der erfien Pot an unfern Srig abgeben 
laffen follen oder nicht, auf der feinften Wagt 
der Empfindung abgewogen , und meine Ems 
»findung fage mir: es fol abgehn. — Das 
Leben ift fo kurz! und überrafhen, — Id 
weiß nicht, — aber ich habe nie gerne üben 
rafcht, und mid) nie gerne uberrafchen laffen. 
Ich finde, ich weiß nicht was kindhaftes 

*) fo endet Strophe 14. p. 178. neue Audgabe. 





91 
rin. — Dieſen Augenblick ſchreib ich ohnehin 
ı unfern Fritz. Es iſt mie ſchmerzhaft, der 
egierde zu widerſtehen, ihm das Lied beyzu⸗ 
zen. Und dennoch kann und will ich es ohne 
hren Willen nicht thun. 

Unſern Gleim umarmen Sie in meinem Nah⸗ 
en, und ſagen Ihm, daß ich mit der naͤch⸗ 
n Poſt antworten werde. Itzt kann ich nicht 
eiter, als meinem Jacobi mit dieſem Kuß 
r unſterblichen Freundſchaft eine gute Nacht 
d Traͤume von Elifen wuͤnſchen. 


CCIX. 
ı An Ebendenfelben. 


. Erfurt, den 27 December 1771. 


Verzeihen Sie Ihrem Wieland, mein allers 
fier Bruder, daß er Ihnen feine Dankfas 
ng für die zwey legten Lieder, womit Gie 
m Freude gemacht haben, fo lange fchuldig 
blieben ift. 

Indem ich Ihnen, mein Geliebtefter, fage, 
‚8 mir das Lied an die Unfchuld, und dag 
habne, anmurhige, phantaliereiche, platonts 
ende Gedichtchen, der Schmetterling, 
efe gang vortreffliche Auflöfeng der hiero⸗ 


92 


glyphiſchen Bedeutung des Schmetterlingg, ie | 


den Bıldern der Pſyche — Freude, große Freude 
gemacht haben; daß ich mit der Erfindung, 
mit den Bildern, mit dem Ausdruck in bey 
den hoͤchſt zufrieden bin, und daß ich, beſon—⸗ 
ders den Schmetterling, den beften Canzo 
nen des Petrarca (wiewohl einige davor 
göttlich find) vorziche; indem ich Ihnen alle 
dies fage, und noch mehr, wenn ich Zeie hättt, 
über einzelne Stellen, welche mich vorgüglid 
bezaubern. 3. E. 

„Amor, wenn aus deinen Armen, 

Endlich meine Seele flieht ic. 
und dann 

Bald erwacht aus einer kurzen Ruh ıc. 
fagen würde: Kann ich Ihnen, mein beite 
Georg, nicht verbergen, — es würbe eine 
Sünde wider unfre Freundfchaft ſeyn, es vers 
bergen zu wollen — daß ich mwünfchte, Sie 
möchten diefe beyden Stüde noch einige Zeil 
surüch behalten, und verfuchen, od es Ihnen 
nicht möglid) wäre, die Melodie derfelben Clafs 
fen Sie mich die Verfification immer fo nen 
nen!) wenigſtens bier und da, wo Sie einer 
Mangel an wahrer, fanft fih entwickelnder, 


x} 


— —— — mn „en IE E -' 


.93 


ender Melodie ſelbſt empfinden muͤſſen, 
zuſtimmen. 
ch kann mich irren, lieber Georg, aber 
n ich irre, fo betruͤgt mich wenigſtens 
ne Empfindung; — id fühle und 
> 8 abermahl wieder, fo oft ich dieſe 
ven Stuͤcke wieder leſe, daß dieſer allzu 
ye Dythyrambenmaͤßige Rythmus, deffen 
ſich bedient haben, und an welchen, wie 
beforge, Ihre Muſe ſich gewoͤhnt, diefe 
t fo vortrefflichen Stuͤcke der Muſicali⸗ 
»n Schoͤnheit beraubt, welche in Ihrer 
ſarion, im Lied des Orpheus, im 
de der Grazien, Ohr und Herz bezau⸗ 
. Es mangelt ihnen, nicht durchaus, aber 
jielen Stellen, das Singende oder Sing⸗ 
re vielmehr, welches die kleine Strophe - 

Bald erwacht aus einer kurzen Ruh, 

Gleich den Schmetterlingen 

Eil' ich, ſchoͤn wie du, 

Neben dir auf goldnen Schwingen, 

Deinem Vaterlande zu. — 


erbefferlich Tieblich macht. Der Fehler die⸗ 
gar zu freyen Verſification iſt, daß ſie zu 
Mannigfaltigkeit, und eben darum 
wenig Einheit, daß Sie zu raſche Abs 


94 Ä 
wechfelungen, zu harte Intervalle, zu weis 


Fließendes, und cben daruın feine Melodie || 


bat. 3. E. in den Berfen: 
- u - y -= u v - 9 
Amor, Feine Derge fließen (vier Irocäen.) 


Mehr daB bimmlifche Madchen ein (ı Troch. 

1 Dactyl. ı Dactyl. 1. amphimacros.) 

würde Melodie feyn, wenn flatt des Dactyld 

bimmilifche, ein zweyſilbiges trochätfches 

More ſtuͤnde. So wie der legte Vers jept 

klingt, made er mit dem vorhergehenden einm 
Gontraft, der meinem Ohr Schmerz macht. 

Leichte Roſengewoͤlke ſchwebten 


— u 


U - u - V — 
Unter dem blauen Himmel nur. 


NB. Roſengewoͤlke und (des Dactyls ohn⸗ 
geachtet) beſſer als Roſenwolken. 


wuͤrde meinem Ohr beſſer klingen, wenn in der 
zweyten Strophe lauter Trochaͤen wären, z. B. 
Unter blauem Himmel nur. 

In eben dieſem Liede an die Unſchuld 
finde ich in der achten und elften Strophe 
einen ſo merklichen Mangel am Singbaren, 
daß Ih ihn kaum ertragen kann. Auch die 
funfzehnte Strophe wurde fehr gewinnen, wenn 


95 
a8 Metrum einformiger mare, und In ber 
echszehnten wurde ich, bloß propter eupho- 
iam, flatt 

vv - vv v - vv 
deinen befreundeten Seelen 
inſetzen 
Deinen Schweſter⸗Seelen hin. 

Das Dithyrambenaͤhnliche Metrum iſt mir 
orgehmlich im Schmetterling anſtoͤßig, 
oeil dieſes Gedichtchen eigentlich eine Erzaͤh⸗ 
ung — zwar aus der Ideenwelt — aber doch 
mmer eine Erzaͤhlung iſt, wo, vermoͤge der 
ſdatur der Sache, die Melodie vorzuͤglich 
ließend und einfältig ſeyn muß. 

Ich weiß nicht, mein Allerliebſter, ob ich 
jonen meine Begriffe, oder richtiger zu fpres 
ben, mein Gefühl über dag Cantabile der 
hönen Berfification, deutlich genug gemacht 
abe. Ich wollte lieber mündlich davon mit 
ihnen Handeln. Viele Beyfpiele können allein 
ie Sache deutlich machen. — Zum Exempel 
ie Strophe: 

1, Bald erwacht | aus einer Furzen Ruh 
2. Gleih den Schmetterlingen, 

(A) 3. Eil ich | ſchoͤn wie | du, 

4. Neben dir J auf goldnen Schwingen 
5, Deinem Baterlande zu. 


06 
St, fo mie fie da fieht, ſehr fingbar und vl | 
Harmonie. Und dennoch würde fie mir (mis 
wohl der Sinn dieſe Transpofition hier nidt 
zulaße) noch beffer Klingen, wenn die Worte fü 
flünden, (oder vielmehr ftehen könnten). 

1. Bald erwacht | aus einer kurzen Ruh, 

2. Eil ih, gleih den Echmetterlingen 
(8) 3. Neben dir | und ſchoͤn wie Du, 

4. Deinem Baterland’ | aufgeldnen Schwingen im. 

Vieleicht Licgt "bey dieſem Beyſpiel der 
Grund bloß in einer Gaprice meines Ohres — 
und Doch laſſen fih gewiſſe Urfachen angeben, 
welche in der Natur des Numerug felbfl ju 
liegen ſcheinen; nahmlich: 

I. Es liegt eine befondere Annehmlichkeit In 
frochaifchen Verſen, morin die Cäfur (melde 
ich durch | angedeutet habe) fo fallt, daß der 
Zweyte Theil des Verfeg eine Jambe 
gu werden fcheint, 3. €. in 


Bald et | wacht ] aus einer furjen 1 Ru 
Iſt der ganze Vers trochäifch; durch die Eäfur 
aber zerfällt er in Die zween Verſe: 
Bald erwacht 
aus einer Fursen Ruh 
wovon der erfte trochaifch, der andere jambiſch 
if, Ich nehme nun einsmweilen als einen En 


97 


fahrungsfaß, oder wenn Sie wollen als einen 
Lehrſatz (deffen Beweis ich jet brevitatis causa 
ſchuldig bleibe) an, daß diefe Art von Verſen 
einen vorzüglichen -mufifalifchen NReig haben, 
und fage alfo: . 
weil in der Strophe A dieſe Art von Mufiks 

fchönbeit nur zweymahl, naͤhmlich in Zeile 

ı und 4, hingegen in Strophe B dreys 

mahl, nähmlich in Zeile 1. 3 und 4 vor 

koͤmmt, fo ift in B mehr Wohlflang als in A 
Serner: 

IT. Der völlige rhthmiſche Gleichlaut zwoer 
Zeilen eder die Monotonie iſt keine Muſika⸗ 
liſche Schoͤnheit (gewiſſe beſondere Faͤlle gleich⸗ 

ohl ausgenommen) und wenn dieſe Monos 
tonie in Einer Fleinen Strophe drey oder viers 
mahl vorfommt, wird dag Monotonifche, 
wenligſtens einem muflcalifchen Ohre, merks 
lich genug, um, wo nicht Unluft, mwenigfteng 
einen Mangel an pofitiver Ergößung bes Ohres 
zu verurfachen. 

Wenn wir nun.die vorliegenden Strophen 
A. und B. in fo viel Fleinere Zeilen, als durch 
die Caͤſur herauskommen, fpalten, fo fins 
det ſich, 


Wielands Mriefe II. 6. ? 


98 


daß in A drey folche Eleine Zeilen, nahmlid 
Bald erwacht, - 
Schön wie du . 
Meben dir, 
in B hingegen nur zwey, naͤhmlich; 
Bald erwacht 
und Neben dir 
vorkommen; folglich if In B weniger Mo⸗ 
notoniſches als in A, folglih klingt B 
beffer als A. 
Q.E.D. 


Lachen Sie Immer über Ihren Wieland, 
mein lieber Georg, der Ahnen hier eine Probe 
von feiner Spisfindigfeit in Berfificatorifchen 
Kleinigkelten gibt, welche Sie ihm vielleicht 
nicht zugetraut hatten. Sm Ganzen, glauben 
Gie mir, ift mehr an diefen Kleinigkeiten ges 
legen, als die Meiften fih einbilden. Die 
Einwendungen, welche gegen dergleichen NRafs 
finements durch Beyſpiele gemacht werden 
koͤnnen, haben bey naͤherer Unterſuchung nichts 
zu bedeuten, ſondern find wohl immer nu 
Erceptionen von einer Kegel des Schönen 
zu Öunften einer hoͤhern. 3. E. man könnte 
als ein Benfpiel gegen meine obige Regel No. I. 
anführen, daß in der Strophe 


1. Amor | wenn aus deinen Armen | 

2. Endlich meine Seele flieht | 

3. Und mein Schatten | voll Erbarmen | 
4. Hier im Thal | dich irren ſieht. 


eine ganz vortreffliche Melodie. fey, ohngeachs 

tet die drey erften Zeilen, oder (nad) der 

Eäfur) die ſechs erften Zeilen lauter Tros 

chäen find, und bloß die allerlegte, nähmlich 
Dich irren ficht, 

jambiſch if. — Ich antworte aber: 

Eine. ganze Reibe von Trochaͤen bat einen 
rührenden zartlichen Klang, etwas Sanftmes 
lancholifcheg, welches fich hier vortrefflich zur 
Sache ſchickt; mie jeder geſchickte Tonkünftler, 
der diefe Strophe feßen mollte, fagen und 
erfahren wird. Folglich herrſcht in diefer 
Strophe die böhfte Regel aller Melodie, 
der Ausdruck, die Uebereinſtimmung der 
Muſik mit dem Text; man vermißt alfo 
die mindere Schönheit, welche ihr aufges 
opfert wird, nicht. 

Vebrigend und en passant, belleben Sie 
noch zu bemerken, mein Liebſter, daß die füße, 
fchmelzende Melodie diefer vier Verſe, Durch 
Hinzufegung einer einzigen Sylbe, auf die 


100 


auffallendfle Weife geſtoͤrt werden könnte; es 
dürfte nähmlich nur heißen: 


„Hier im Thale dich irren ficht.“ 


Und gleichwohl iſt das Metrum dieſes Verſes 
an fich ſehr angenehm; nur in der Verbins 
dung mit den drey vorigen Zellen, würde «8 
mißtönend. So viel alfo fommt auf einen 
einzigen armen Daftylug, der am unrechten 
Drte flieht, an. Und fo viel, mein theurer 
Georg! für diesmahl von der Verſification 
ihrer legten Stüde. In meinem nächften noch 
etwas weniges über den Ausdruck in einigen 
Stellen. Itzt muß ich abbrechen. 

er, mein Liebfier, mag wohl ber Bube 
feyn, der mich in No. 192, 93 und 94 ber 
Braunſchw. Zeitung auf eine fo boshafte 
und ungezogne Art angefallen hat? 

Ich umarme Sie, mein Freund, mein Brus 
der, mit einer Liebe, die aus ihrer und meiner 
Seele, nur Eine Seele made. 


tur aa 


ıoL 


«CCX, 
An Ebendenfelben. 
Erfurt, den 9. Januar, 1772. Mittags. 


Ich werde Ihnen nur ein ſehr kurzes Brief⸗ 
hen ſchreiben koͤnnen, mein liebſter Georg, 
ch erhalte Ihren Brief vom fuͤnften Jenner 
»0e einer halben Stunde, und um drey Uhr 
Diefen Nachmittag geht die Poſt ab, welche ich 
nicht verfäumen darf, um Sie nicht einen Aus 
zenblict länger, als ich verhindern kann, in 
einer fo unnöthigen Unruhe zu laffen. 

Ihr Lied an die Unfchuld ift auch ohne 
die Berbefferungen (durch welche es gleich, 
wohl, meinee Empfindung nad), gewinnt) 
viel gu gut, um vernichtee zu werben. Die 
Frage kann und fol gar nicht von Vernichtung 
feyn. Es iſt fo wie es nun if, Ihrer ſehr 
wuͤrdig und vollfommen in dem fonderbaren 
aber Seele ſchmelzenden petrarchifchen Ton ber 
übrigen Lieder an Elifen. 

De Schmetterling IfE ganz unflreitig 
eines Shrer beften Stüude, und nach‘ meiner 
Empfindung ein Gefpiele zum Liede der 
Gratien, zu deu erfien Menfchen zum 
Lied des Orpheus und zu Mufarlon. Der 
böchfie Grad der Begeiſterung aus bem 


102 


ſchauen idealifcher Schönhelten herrſcht ul - 
leicht in. feinem fo volfommen, als in dieſen 
es iſt im eigentlichen Verftand ein göttliche 
Licd, und Gie, mein Bruder, konnten nur eis 
nen Augenblicd daran denken, daß Ahr Wie 
land auf die Vernichtung eines ſolchen Stücks 
antragen fünne? Ich würde einem Bufiris, 
der c8 .vernichten wollte, mit Freuden meine 
Mufarion und meine Gratien zum Löfegeld für 
Den Schmetterling Hinbieten. 

Ich ſchicke Ihnen Ihre erſte Copie mit 
zwo oder drey Veraͤnderungen, die ich vors 
fchlage. Es find Minutiae; aber im Ganzen 
helfen dennoch) dergleichen Kleinigkeiten Die 
fchöne Wirkung volfommener gu machen. 

Alfo , mein liebfiee Bruder, burtig In bie 
Drucerey mit biefem vortrefflihen Stüde! 
Sch kann e8 faum erwarten, bis unfer Fri 
es Iefen kann! Mit welchem Entzuͤcken wird 
er es leſen und wieder lefen! Gelt drey oder 
vier Wochen darf ich ihm fein Wort von Ih⸗ 
nen fagen; denn wie fünnte ich ſonſt das vers 
fprochene Stilfchweigen halten. Fuͤhlen Sie 
ſelbſt was dieg meinem Herzen Foftet. 

Ich muß mich von Ahnen losreißen, mein 

eliebter, naͤchſtens, hoffe ich , ein mehreres 


103 


— Ich umarme Sie und unfern Glelm, und vers 
fuche e8 nur nicht, Ihnen auszudruͤcken, wie 
‘ich Sie liebe! 

P. S. Unferer hieſigen gelehrten Zeltung 
wünfchte Ich in Halberftadt einigen Debit. Sch 
arbeite für den gegenwärtigen Jahrgang ſelbſt 
mit an ihre, und habe bereit8 Sulzers Theos 
rie recenfirt und den Braunfchweigern 
geantwortet. Denn etwas fagen muß ich, . 
da fie mich geradezu für einen Epifuräer erfläs 
ren, der weder Gott noch Unfterblichkeit glaubt. 
Immer zu folchen Angriffen fchtoeigen, würde 

mir hier und bey einer Menge von Leuten, 
auf welche ih Rücficht nehmen muß, gefchas 
det haben. 


CCXI. 
An Stetim 
Erfurt, den 21. Jenner. 1771. 


Hier mein befter liebſter Gleim, iſt eine Bros 
fchüre von Ihrem Wieland, und feine fehr 
nachtfichtliche aber gewiß nicht furchtfame 
Kecenfion der Sulzerſchen Theorie und feine 
Erflärung gegen den Elenden, der Ihn in der 


104 


Braunſchweigiſchen Zeltung geläftert bat; - 
und bier, mein unfchägbarer Freund, iſt Ir 
Gedichtchen an die Mufe mit der wärmfln, 
zärtlichfien Umarmung Ihres Wielands, der 
Ahnen nicht beym Anubis, noch beym Hund, 
wie Sofrates, fondern bey allem, was ſchoͤn 
und gut if, und bey den Grazien — ohne 
welche, mie der göttliche Pindar fagt, fein 
Mann weder zarıs noch vopos feyn Fan, — 
ber bey den Grazien Ihnen ſchwoͤrt, daß um 
ter allen Sterblichen, mit denen er lebt, Gleim 
und die Brüder Jakobi diejenigen find, die er 
am herzlichfien ehrt und liebt, und von 
denen er mit dem ſtaͤrkſten Gefühl der Gewißs 
beit überzeugt ift, Daß fie Der Menfchheit 
Ehre machen. 

Mit Ihrem Liede, Vater Steim, bin ich volls 
fommen über die Maßen. zufrieden, — es {fl 
ſchoͤn und gut, es iſt ein getreuer Abdrud 
Ihrer Seele, in welcher die Weishelt meined 
Sofrates mit der Fröhlichkeit und Empfind: 
ſamkeit Ihres Anakreons fich vereinigen; «ed 
iſt ohne Schminke, ohne Zierrarten, einfach, 
edel und fchön, mie Alles feyn follte, was 
Menfchen denken und thun: der Ton infons 

t worin es gefungen iſt, gefällt mie uns 


- gemein, e8 iſt der eigene, charafterifiifche Ton 


» 
» 
b 


105 


meines Gleims, dee noch) im Jahre 2440 jede 


r gefühloollere Seele einer beſſern Nachwelt 


bezaubern wird. D warum Fann ic Sie nicht 


für einige Strophen an mein Herz dräden! — 


Alte find ſchoͤn; aber die legten ſechs find uns 
vergleichlich. Ich habe das Lied meines Gleims 
einige Mahle mit Ariftacchifchem Auge betrachtet 
und mit gefpistem muſikaliſchem Ohre behorcht 
und finde nichts Daran zu fchelten; nichts ale 
einige Kleinigkeiten, welche, alles wohl übers 
legt , vielleicht nur Eigenfinnigfeiten meines 
Geſchmacks find. | 

Sin der legten Strophe: mich nothigt, 
Menſchen Haffen, anflatt zu haſſen, die 
ich meinem Gleim, fo wenig als mir felbft, 
gern erlauben möchte, wiewohl ich beforge, 


daB ihre nicht anders als durch Aufopferung 


des Gedankens ſelbſt wird . geholfen werden 
fönnen. | 
Ich bin fehr begierig, mein liebfter Gleim, 
diefes Fleine Gedicht gedruckt zu haben, und 
bey deffen Ankündigung In unfrer Zeitung 
einige heilfame Wahrheiten fagen zu fönnen. 
Ich bitte Sie mir ein Eremplar von Michas 


5 elis poetifhen Briefen zu ſchicken und mi 


106 


unter die Subferibenten gu notiren. Sch ni 
ſehen, ob ich nicht in Mainz einige Subſch 
benten werben fann. 

Unfer neue Professor Theologiz Frorley, 
ift ein fo braver Mann, ale ein Theologus,| 
per naturam rei, feyn fann, unb dieß If gu h 
nug. Er verehrt meinen. Gleim, denkt gefimb,\' 
befise mahre Gelehriamfeit und verachtet di || 
Sende meine? Gleims. Er ift entfchloffen, | 
Diefem Hierophanten die Maske abzuziehen, 
und cr iſt der Mann, der es thun kann. Ich 
felbft gebe damit um, eine Reihe von Briefen 
an meinen Gleim aufzufegen, und Drucken iu 
laffen, unter dem Titel uͤber Pindars Gra 
zien, worin Ich entmwiceln will, warum Pins 
Dar fagt, daß man ohne Grazieu kein welfe 
noch tugendhafter Mann feyn könne. Aber 
noch müffen Sie mir Zeit dazu laffen, erfl 
müffen die Könige von Scheſchian fertig 
on. 





107 
CCXII. 
An J. G Jakobi. 


Erfurt, den 28. Jenner. 1771. 


ch bin ungehalten auf mich ſelbſt, mein 
er, liebſter Georg, daß ich Sie einen Poſt⸗ 
vergebens auf eine Autwort habe warten 
n. Aber es war nicht anders möglich. Sie 
ıben nicht, wie viel ich außer meinen aus 
ı Gefchäften und Zerfireuungen, beynahe 
jeden Pofttag mit Antworten auf alle Ars 
von Briefen, die mir zufommen, gu thun 
2; und anflatt auf mich zu zuͤrnen, werden 
mic, bedauren , wenn die unangenehme Ars 
mehanifche, aber zumeilen unaufs 
bliche Briefe zu fchreiben, mich des füßen 
gnügens, mit meinen liebften Freunden zu 
n beraubt. Gie find zu gut, beſter Georg! 
für meine beyden legten Briefe fo viel 
af zu wiſſen. Könnte ich weniger erfennts 
feyn für dag Zutrauen , das Sie mir zeig⸗ 
und fuͤr die Wolluſt, welche Sie meiner 
te durch Mittheilung Ihrer göttlichen Lies 
fchenften. | 
in Ihrer Cantate auf das Geburtöfeft 
ed Könige, hat mir Alles gefallen — bey⸗ 


108 


nahe Alles bis zum: Entzuͤcken gefallen. — &T 
fürtren es felöft, mein Lieber daß mir nid 
einzelne Stellen gefallen müflen — denn wen f 
ift jemahls ein wahreres, rührendered Gemälde |! 
gemacht worden , als das Gemälde der Mut 
ter, die in ſchwachen Armen 
Shr einziges Kind mit wankenden 
Schritte 
Durch die brotlofe Hätte — trägt? — 
welche Zug: ! \ 
Sammer iſt jeder Tag! — Entfepen jeder Traum 
Und ihre Ichfe Bitte des Kindes Tod — 
Welch ein die Seele zerreißender Zug, der auf 
dieſen folgt: 
Eine Mutter, und das Laͤcheln 
Der kleinen Unſchuld fuͤhlt ſie nicht? 
Und des Geſaͤugten ſterbendes Roͤcheln 
Und ſein ſterbendes Geſicht 
Erſchreckt ſie nicht. 

Ich ſchwoͤre Ihnen, George, dieſe fünf Zel⸗ 
len ſind die beſte Tragoͤdie werth, die je ge⸗ 
macht worden iſt. 

Das folgende Rezitativ: Weg vom win 
felnden Laute, beſonders bie Stelle — 
Elend! und du zwangſt ıc. — bat mid, 
ohne daß ich ſelbſt vecht fagen fan, Warum, 
wieder ein wenig abgekuͤhlt. Mie war, al 






109 
ihnen diefe Stelle einige Mühe gemacht 
wenigſtens fühle ich den Grad von Des 
rung nicht darin, der In den meiften übris 
Resitativen athmet. Aber wie über allen 
ruck fchön iſt dann wieder die Stelle 

Als unter Fluten euere Felder lagen 
dieſe: 

Verbargen jener Zaubergaͤrten 

Liebliche Grotten ihn Ks 
in, lauter Mufif, ganz eines deutſchen 
iſtaſio wuͤrdig iſt das Terzet: 

Selig wer im Schoos der Freuden ꝛc. 
die Arie: Genießt ihr guten Her— 
ıc. — aber das Ganze — Sie ſelbſt, 
er George, ſcheinen nicht Damit zufrieden — 
ich — ich fage: das Ganze iſt fo gut al 
pn fonnte, da Sie ſich einmahl den Plan 
ht hatten, den. der vorangeſetzte Inhalt, 
utet. — Cantatfen find übrigens auch 
nicht die Art von Gedichten, womit 
Ihre Mufe fih gerne befchäftigen ſehe. 
wiewohl ich mit dem edeln, eines freyges 
en, fühlenden und denfenden Menfchen 
igen Tone, worin Sie den König ber 
nen befingen,, fehr zufrieden bin, fo kann 
oh nicht umhin, gu münfchen, daß dieſe 


Sch bitte unfern Gleim herzlich am Verge— 
bung; aber ich kann nicht gegen Das Gefühl 
meiner Seele reden. 


110 
Cantate dle letzte in ihrer Art ſeyn 


Von der neuen Ausgabe meines Agathon 
ſchreibe ich Ihnen ein andermahl. — Sind Sie 
zufrieden damit, daß unſer Bruder Fritz In 
die Dienfle eines Fürften getreten If? Ich 
febe nicht genug Far in der Sache; aber id 
bin implicita fide mit allem zufrieden, was 
der vortrefflihe Mann thut, zwifchen. welchem 
und meinem Georg das Herz euerd Wielands 
auf eine fo fonderbare Art getheile iſt, daß | 
ich nicht fagen Fann, welchen ich am meiſten 
liebe, wiewohl ich empfinde, daß ich jeden 
über alles andere In der Welt liebe. 

Mit Scehnfucht ſeh ich der Sammlung ba 
fchönften Gefänge meines Georgs entgegen, 
und mit wallendem Herzen wünfch ich. mich is 
dieſem Augenblic® in die Arme des beften um 
ter ben Sterblichen! — 


II 
CCXIII. | 
.4An Gleim. 


Erfurt, den 8. Hornung 1772. 


r fommen Ihre Lieder zurück, mein vor⸗ 
cher Freund, und mit Ihren Liedern’ der 
hfie Dank und der waͤrmſte Beyfall Ih⸗ 
dielands. 

Ariſtarch zur Unzeit iſt ſo gut ein Pe⸗ 
als irgend eine andere Art von Pedan⸗ 
Favete linguis! werde Ich dem Kunſtrich⸗ 
fe zurufen, wenn ich meines Gleim's 
er für dag Volk, carmina non prius 
1, dem Publico ankündigen werde. eileim 
ve ich fagen) fährt fort ale ein aͤchter 
er der Mufen die Poefie zu ihrer älteften 
nuͤtzlichſten Beſtimmung zuruͤckzufuͤhren. 
heſtem Rechte koͤnnen wir von dem Volke 
‚, tag Horaz von der matura puella 
o ſagt: disceret unde preces, vatem 
usa dedisset? Ich beurthelle diefe Lieder 
als Kunftrichter, ja nicht einmahl als 
er: ich febe fie aus dem Geſichtspunkt 
aus welchem fie Sokrates betrachtet 
ı würde, und finde fie vortrefflih. Dank 
Preiß fen Ihnen, mein beſter Gleim, für 


112 


dag wahre Verdienſt, das Sie ſich d« 
um die nuͤtzlichſte, unſchuldigſte, und aı 
nigſten geachtete Claffe der Erdbewohne: 
chen. Sie haben fo gut ein coronam ci 
Damit verdient, als wenn Gie einem 2 
dag Leben gerettet hatten. Aber aud 
Dichter finde ich in der einfältigen Natu 
ihrem ungefünftelten Ausdrud,. und in 
ächten ländlichen Ton, deſſen Sie ſich fo 

lich) bemächtigt haben, etwas defto meh: 
mundernswürdiged, je leichter e8 mir 

wäre, eine Mufarion, ald das leid 
Diefer Lieder zu machen. Ich fage alfo mı 
Gleim aus voller Bruft, daß ich mit | 
Liedern für bag Volk zufrieden, und mit 
reren befonders ſehr zufrieden bin. — 
Wahrheit, alte find vortrefflich in Ihrer 
und auch das Lied des Hirten iſt ein I 
wahrer einfältiger Erhabenheit. — 
das Lied des Gartners! Wie, mein [I 
Gleim, mie werde ich ihnen ausdräden 
nen, auf welchen Grad e8 mid in Ent 
geſetzt hat? O vortrefflich, vortrefflich! 
ich, nach jeder neuen Strophe, und at 
fchwerer vor Vergnügen. Ganz und gar, 

ort hat es Ihnen in einer Der gluͤ 


_ 113 
fen Stunden Ihres Lebens die lieblichſte der 
Mufen eingegeben. ch fann und will Ihnen 
nichts mehr davon fagen; aber umarmen, taus 
ſendmahl umarmen möchte ic) Sie dafür. Es 
iſt ein vortreffliches Lied, und wenn die voll⸗ 
fommenften Meiſterſtuͤcke im Zache der einfäls 
tig fchönen Natur gefammelt werden, und alle 
Nationen das Ihrige beytragen follten, fo 
würde Diefes Lied meines Gleims darunter 
feyn muͤſſen, und feine Eprache würde was 
Bolltommneres in diefer Art aufzumeifen haben, 

Das ı6te und ırte find es In einer andern 
Arts beyde, befönders das ı6te, hoͤchſt erhas 
ben; die Gedanken und Empfindungen groß, 
fo, groß als die Seele des Menfchen benfen 
und empfinden fann, der Ausdrud edler Eins 
falt, von Winkelmanns höchfter Grazie einges 
geben: Daß aber die drey lebten Lieder eis 
gentlich nicht zu den Liedern für's Volk, fons 
bern zu einer hoͤhern Klaffe gehören, babe Ich 
nicht nöthig meinem Gleim zu fagen. 

Gerne wollte ich noch mit meinem Gleim 
länger fchwagen, aber ich werde abgerufen. 
Mit Verlangen fehe ich dem langen Briefe 
entgegen, den Ste mir berfprochen. Froriep 
fol, ſobald ich ihn ſehe, Iefen, was Sie von 

wSielandd V. Briefe IM. 8 


114 


Ihm fchreiben, und Ihr kleines freunbdlichts 
Geſchenk erhalten. Naͤchſtens recenſir' ich & 
in unfree Zeitung. Ich umarme Sie, mein 
unfchäßbarer Sreund, und ſchwoͤre Ahnen bey 
Der heiligen Mufe, die Ihnen die beften Ihrer 
Lieder eingeathmet hat, ewige unverbruͤchliche 
Liebe. 


CCXIV. 
An Ebendenfelben. 


Erfurt, den 20. Februar 1772 


Liebenswuͤrdiger Vater Gleim, zu Ihnen 
fliegen, um den Hals ihnen fallen und Sie 
bersen und füffen möcht’ Ich für den vortreff⸗ 
lichen Brief, den ich dieſen Augenblick von 
Ahnen erhalte, beſter Mann! Wie glüdlic 
machen Sie mich durch die herzliche Sreude, 
die Sie mir über meinen aus vollem Kerzen 
gefloffenen Beyfall für Ihre Bauern s und 
Gärtner s Lieder zeigen! Die Poſt gebt in einer 
Viertelftunde ab; aber ich kann unmöglich bis 
nächften Pofltag warten, Ihnen zu fagen, daß 
fein Sterblicher Sie mehr lieben kann ale id. ı 
Ich liebe und ehre Ihren Genius, der in fels 

Are fo felten iſt als Platons oder Nam 


119 


8 In der ihrigen. Aber Ahr Herz und diefe - 
ene Zufammenftimmung ihres Kopfes und 
ces Herzens „ Dies ift was ih an Ihnen 
e und liebe über alles was ich ausdruͤcken 
n. 

sch möchte ſelbſt ein Mädchen, und dag 
e im ganzen Rande feyn, um Ahnen für 
er ſchlafendes Mädchen einen füßen 
B zu geben. Die Grazien würden den Arie 
:h, der den Mund dagegen aufthun wollte, 
:ch ein Paar junge Saunen mit Neffeln weg⸗ 
iben laffen. — Bon den drey neuen einges 
alteten Strophen quaestionis ift die zweyte 
)» dritte berrlich; aber die erfte, befter 
im, wuͤrde einen dunklen Sieden auf die 
1ebenftehenden werfen. Gie iſt nicht, mie 
feyn fol; der Gedanfe ift nicht nett, nicht 
pel, nicht anpaffend, mit Einem Wert, 
bt gluͤcklich ausgedruͤkt. Die Muſe wird 
nen ganz gewiß In einem günfligeren Aus 
ıblick eine beffere eingeben. 

Yegt, ehe Ich mich wieder von meinem Gleim 
reißen muß, noch ein Paar Worte von 
em Ruf nach Halle. Ein ſolcher Ruf würde 
r in mehrfacher Betrachtung große Dienfie 
ın. Aber ob ich ihn annehmen könnte, If 


116 


“eine andre Stage. Sch babe ſeit zwanzig as 

ren mein Latein in fo weit vergeffen, Daß id 

weder fertig noch gut Latelg ſchreibe. Ih 
kann alfo feinen fogenannten Professor elo- 
quentiae abgeben. Sch tauge zu nichts als zu 
einem Profeffor der practifchen Philoſophie, 
1. e. der Gittenlehre und des Naturrechts — 
und den brauchen fie in Halle nicht. Wie 
glücklich ich wäre, näher bey meinem Gleim 
und Jacobi zu feyn, das ſagt Ihnen Ihr 
eigenes Herz an meiner Statt. Wollte der 
Himmel, daß e8 zu machen wäre. Etiam atque 
etiam cura ut valeas! Das ift aD’ mein eo 
tein, liebſter Gleim, ausgenommen daß id | 
ihren Horaz und Birgil fo ziemlich verſtehe. 


CCXV. 
Un Ebendenfelben 

Erfurt, den ıg. Mpril 177 
Mit innigfier Liebe und waͤrmſter eief im 
Herzen gefühlter Verehrung feines menfchens 
lebenden Herzens und des wahren Senius 
der in biefem Herzen feinen Thron bat, um 
arme ih meinen Gleim, meinen ganz eige⸗ 
Gleim, für feine Lieder für. das Volk, fir 


117? 


Zärtnerlied, mein Favoritſtͤck, fuͤr 
fragment worin wahrer deutſcher 
athmet, und für fein allerliebſtes Brief⸗ 


in unſer Jacobi den Werth, den 
Werth der einfaͤltig ſchoͤnen ungeſchmuͤck⸗ 
atur in dieſen Liedern nicht gefuͤhlt hat, 
chlimmer fuͤr unſern Jacobi. Aber dafuͤr 
uns auͤch weder ſeine beſte Welt, die 
urchaus um einen Trugſchluß als um 
chſe, herumdreht, noch ſein Ding an 
rnſt, welchem man keinen Nahmen ges 
nn, weil es ein Ding iſt wie dad Ho— 
e Humano capiti cervicem pictor equi- 
ungere si velit etc. einige ſchoͤne, etliche 
» fchöne Strophen mit etlichen nons 
califhen, und mit vielen froftigen 
gt; das Ganze eine Olla potrida, in 
hlimmften Geſchmack, der nun zuſe⸗ 
täglich überhand nimmt, und gu meinem 
fen nicht nur Ihren Michaelis, der fos 
nfern Jacobi angefteckt hat. Klopſtocks 
worin entfeglihder Non - sense 
len Blättern ift, tragen viel by. 
Hagedorn! o Utz! mo feyd ihr! Was 
: Ihr fagen, was fagt Ihr dieſen Augens 


‘ 


118 


blick gun den Zeiten, in die Gleim's Abb sl 


und Wielands Mittag gefallen iſt! 

Ihren Schweizer und feine fchöne Melufin 
erwarr ich mit wahrem Vergnügen. — Auch 
Diefer Zug freut mich inniglih! Ja, es if 
nur ein Gleim In der Welt, rief ich; und 
Gott laffe mich den Tag nicht fehen, wo id 
fagen müßte: Auch Gleim war mein Freund! 
Denn fein anderer Gleim koͤmmt nicht mehr. 
Sie, mein Befter, find einer von ben Weni— 
gen, welche mich zurüchalten, die Zeit, wos 
ein ich lebe, anzupfuyen — Verzeihen Sie 
das ehrlihe Schwaben s Wort — es fagt fo 
eigentlich, was es fagen fol. 

Ich bin froh, daß Michaelid nach Gießen 
gebt, wiewohl er fchmerlih zum Profeſſor 
taugt. Ach bin mit feinem zweyten Briefe 
wenig zufrieden. Seine Briefe find feine Briefe, 
fondern feltfame Rhapfodieen und im Ditbys 
ramben s Ton. Je n’aime pas la confusion 
des noms et des £tres. | 

Daß Leßing Jhre Lieder ſchmeckt, freut 
mich für Leßing. Er ift wirklich ein großer 
Mann in meinen Augen, und th fchmachte 
nach feiner Emilia Galotti. 

Rledel it noch bier; Hofft aber bald nad 


AV 


0 


|| — — — — — — — 


119 
n absugehn, to er große Augen machen 
», fo viele Dinge zu fehen, wovon feis 
Philoſophie nichts getraumt 
te. 
ie wollen mir, mein Beſter, von Berlin 
fchreiben, daß ich doch den Ruf nach 
e annehmen fol — und fein Menfch ruft. 
! Welch ein Raͤthſel iſt das? — Wie gerne 
t' ich noch recht viel mit meinem Gleim 
atzen, aber der Bote geht ab. Tauſend Um⸗ 
ungen und zaͤrtliche Wuͤnſche aller Freude, 
Guten zu Leib und Seele für meinen 
m von Seinem W. 


CCXVI. 
An Ebendenfelben. 
Erfurt, den 4. May 1772. 


ieſe erſte Woche des Maymonaths iſt zu 
fen beſtimmt. Ich Bin deren ſehr viele 


ldig, aber mein Gleim, mein Liebenswürs 


r befter Gleim, fol ben erfien haben , dieß 
usgemacht. Ich Fann nicht genug ellen, 
en für das Vergnügen zu danfen, fo mie 
e Zufriedenheie mit dem goldenen Spiegel 
ben hat, Mit welcher Sehnſucht erwarte 


110 


Gantafe die Ießte in ihrer Art ſeyn moͤchte. 
Sch bitte unfern Gleim berslih um Verge— 
bung; aber ic) kann nicht gegen das Gefühl 
meiner Seele reden. 

Bon der neuen Ausgabe meines Agathon 
fchreibe ich Fhnen ein andermahl. — Sind Sie 
zufrieden damit, daß unfer Bruder Frig In 
die Dienfte eines Fürfien getreten iſt? Id 
fehe nicht genug Elar in der Sache; aber ich 
bin implicita fide mit allem zufrieden, wat 
der vor£refflihe Mann thut, zwiſchen welchem 
und meinem Georg das Herz euerd MWiclande 
auf eine fo fonderbare Are getheile iſt, daf 
ich nicht fagen Fann, welchen Ich am meiften 
liebe, wiewohl ich empfinde, daß ich jeden 
über alles andere In der Melt liebe. 

Mit Sehnſucht ſeh Ich der Sammlung be 
ſchoͤnſten Gefänge meines Georgs entgegen, 
und mit wallendem Herzen wünfch ich. mich ir 
dieſem Augenblick in die Arme des beſten un: 
ter den GSterblichen! — 


| 111 
CCXIII. 
„An 61 e im. 


Erfurt, den 8. Hornung 1772. 


Hier fommen Ihre Lieder zurück, mein vor— 
trefflicher Freund, und mie Ihren Liedern der 
zaͤrtlichſte Dank und der waͤrmſte Beyfall Ih⸗ 
res Wielands. 

Ein Ariſtarch zur Unzeit iſt ſo gut ein Pe⸗ 
dant als irgend eine andere Art von Pedan⸗ 
ten. Favete linguis! werde Id dem Kunſtrich⸗ 
tervolfe zurufen, wenn id) meines Gleim's 
Lieder für das Volf, carmina non prius 
audita, dem Publico ankündigen werde. eileim 
(werde ich fagen) fährt fort ale ein Achter 
Prieſter der Mufen die Poeſie su Ihrer alteften 
und vüßlichften Beſtimmung zurüczuführen. 
Mit beftem Rechte fünnen wir von dem Volfe 
fagen, was Nora; von der matura puella 
marjto fagt: disceret unde preces, vatem 
ni Musa dedisset? Ich beurthelle diefe Lieder 
nicht als Kunftrichter, ja nicht einmahl als 
Dichter: ic febe fie aus dem Gefi chtspunkt 
an, aus welchem ſie Sokrates betrachtet 
haben wuͤrde, und finde ſie vortrefflich. Dank 
und Preiß ſey Ihnen, mein beſter Gleim, für 


112 


das wahre Berbienft, das Gie ſich da 
um die nüßglichfte, unfchaldigfie, und an 
nigften geachtete Claffe der Erdbewohner 
chen. Sie haben fo gut ein coronam civ 
Damit verdient, als wenn Gie einem 3 
dag Leben gerettet hätten. Aber auch 
Dichter finde Ich In der einfältigen Natur 
ihrem ungefünftelten Ausdrud,. und in 
ächten ländlichen Ton, deffen Sie fidh fo ; 
lic) bemächtigt haben, etwas deflo mehr 
mundernswurdiges, je leichter e8 mir 

märe, eine Mufarlon, ald das leid: 
Diefer Lieder zu machen. Sich fage alfo me 
Gleim aus voller Bruft, daß ich mie ff 
Liedern für das Volk zufrieden, und mit 
reren befonders fehr zufrieden bin. — 
Wahrheit, alle find vortrefflich in ihrer 
und auch das Lied bes Hirten ift ein Di 
wahrer einfältiger Erhabenheit. — 
das Lied des Gartners! Wie, mein Ik 
Gleim, wie werde ich Ihnen ausdruͤcken 
nen, auf welchen Grad e8 mid in Entki 
geſetzt hat? O vortrefflich,, vortrefflich ! 
ich, nach jeder neuen Strophe, und atl 
ſchwerer vor Vergnügen. Ganz und gar, | 
er Wort hat es Ahnen in einer der gli 


5 113 
fien Stunden Ihres Lebens die Tieblichffe der 
Mufen eingegeben. Ich fann und will Ihnen 
nicht8 mehr davon ſagen; aber umarmen, taus 
ſendmahl umarmen möchte ich Sie dafür. Es 
iſt ein vortreffliched Lied, und wenn die voll⸗ 
fommenften Meiſterſtuͤcke im Fache der einfäls 
tig fhönen Natur gefammelt twerden, und alle - 
Nationen das Ihrige beytragen follten, fo 
würde Diefes Lied meines Gleims Darunter 
feyn müffen, und feine Eprache würde was 
Vollkommneres In diefer Art aufzuweiſen haben, 

Daß ı6te und ırte find es in einer andern 
Arts beyde, befönders das ı6te, hoͤchſt erbas 
ben; die Gedanken und Empfindungen groß, 
fo,groß als die Seele des Menfchen denfen 
und empfinden, fann, der Ausdruck edler Eins 
falt, von Winkelmanns hoͤchſter Grazie einges 
geben. Daß aber die drey letzten Lieder eis 
gentlich nicht zu den Liedern für Volk, fons 
bern zu einer hoͤhern Klaffe gehören, babe Ich 
nicht nöthig meinem Bleim zu fagen. | 

Gerne wollte ich noch mit meinem Gleim 
länger ſchwatzen, aber ich werde abgerufen. 
Mit Verlangen fehe ich dem langen Briefe 
enfgegen, den Sie mir verſprochen. Froriep 
fol, fobald ich ihn fehe, lefen, was Sie von 

Wielandd B. Briefe IH. $ 


114° 


Ihm fchreiben, und Ihr kleines freund! 
Geſchenk erhalten. Naͤchſtens recenſir' fc 
in unſrer Zeitung. Sch umarme Sie, ı 
unfchäßbarer Zreund, und ſchwoͤre Ihnen 
der heiligen Mufe, die Ihnen die beften ° 
Lieder eingeathmet hat, ewige unverbruͤch 
Liebe. 


\ CCXIV. 
An Ebendenfelben. 


Erfurt, den 20. Februar ı 


Liebenswuͤrdiger Vater Gleim, zu St 
fliegen, um ben Hals Ahnen fallen und 
bersen und füffen möcht ich für den vort 
lichen Brief, den ich diefen Augenblick 
Ahnen erhalte, beſter Mann! Wie glüd 
machen Sie mich durch die herzliche Frei 
die Sie mir über meinen aus vollem Her 
gefloffenen Beyfall für Hure Bauern s 
Gärtner s Lieder zeigen! Die Poſt gebt in ei 
Biertelftunde ab; aber ich fann unmöglich 
nächften Pofttag warten, Ihnen zu fagen, i 
fein Sterblicher Sie mehr lieben kann ale 
Ach liebe und ehre Ihren Genius, der in 

e Are fo felten if als Platond oder N 


119 


tons In der ihrigen. Uber Ahr Herg und diefe - 
feltene Zufammenftimmung Ihres Kopfes und 
Ihres Herzens „ dies iſt was ih an Ahnen ' 
ehre und liebe über alles was ich ausdruͤcken 
fann. | 

Sch möchte felbft ein Mädchen, und das 
beite im ganzen Rande feyn, um Ahnen für 
hr ſchlafendes Mädchen einen füßen 
Kuß zu geben. Die Grazien würden den Aris 
flarch , der. den Mund dagegen aufthun wollte, 
durch ein Paar junge Saunen mie Neffeln weg⸗ 
treiben laſſen. — Bon den drey neuen einges 
fchalteten Strophen quaestionis ift die zwepte .. 
und dritte herrlich; aber die erfte, befter 
Gleim, würde einen dunklen Sieden auf die 
Danebenftehenden werfen. Sie iſt nicht, mie 
fie feyn fol; der Gedanke iſt nicht nett, nicht‘ 
fimpel, nicht anpaffend, mit Einem Wort, 
nicht glücklich auggedrüdt. Die Mufe wird 
ihnen ganz gewiß In einem gäünfligeren Aus 
genblick eine beffere eingeben. 

Jetzt, ehe ich mich wieder von meinem Gleim 
losreißen muß, noch ein Paar Worte von 
einem Ruf nach Halle. Ein ſolcher Ruf wuͤrde 
mir in mehrfacher Betrachtung große Dienſte 
thun. Aber ob ich ihn annehmen koͤnnte, iſt 


118 


blick gu den Zelten, in bie Gleim's Abend 
und Wielands Mittag gefallen ift! 

Ihren Schweiger und feine fchöne Meluſine 
erware ich mit wahrem Vergnügen. — Auch 
Diefer Zug freut mich Inniglih! Sa, 8 if 
nur ein Gleim In der Welt, rief ich; und 
Gott laffe mich den Tag nicht ſehen, wo Id 
fagen müßte: Auch Gleim war mein Freund! 
Denn fein anderer Gleim koͤmmt nicht mehr. 
Sie, mein Beſter, find einer von den Wenis 
gen, welche mich zurückhalten, die Zeit, wos 
rin ich lebe, anzupfuyen — Berzelben Sie 
das ehrlihe Schwaben sWort — es fagt fo 
eigentlich, was es fagen foll, 

Ich bin froh, daB Michaelid nach Gießen 
geht, wiewohl er fchwerlih zum Profeſſor 
taugt. Ich bin mit feinem zweyten “Briefe 
wenig zufrieden. Seine Briefe find keine Briefe, 
fondern feltfame Rhapfodieen und im Dithy⸗ 
ramben s Zon. Je n’aime pas la confusion 
. des noms et des &tres. 

Daß Leßing Ahre Lieder ſchmeckt, freut 
mich für Leßing. Er ift wirklich ein großer 
Mann in meinen Augen, und ich fchmadıte 
nach feiner Emilia Galotti. 

Rledel iſt noch) bier; Hoffe aber bald nad 


119 
a abzugehn, to er große Augen machen 
‚ fo viele Dinge zu feben, wovon feis 
Philoſophie nichts getraumt 
fe 
ie wollen mir, mein Beſter, von Berlin 
fchreiben, daß ich doch den Ruf nach 
e annehmen fol — und fein Menfch ruft. 
!ı Welch) ein Raͤthſel iſt dag? — Wie gerne 
? ich noch recht viel mit meinem Gleim 
aßen, aber der Bote geht ab. TZaufend Um⸗ 
angen und zärtliche Wünfche aller Freude, 
Guten zu Leib und Seele für meinen 
m von Seinem W. 


CCXVI. 
An Ebendenfelben. 


Erfurt, den 4. May 1772. 


iefe erfte Woche des Maymonaths iſt zu 
fen beflimmt. Sch bin deren fehr viele 
dig, aber mein Gleim, mein liebenswuͤr⸗ 
e befter Gleim, fol den erfien haben , dieß 
usgemacht. Ich Fann nicht genug ellen, 
en für das Vergnügen gu danfen, fo mir 
: Zufriedenheit mit dem goldenen Spiegel 
ben bat. Mit welcher Schnfucht erwarte 


120 


ich Ihre Eleder für die Kinder der Natur! Sie 
erinnern fich Doch bey dief:n Kindern der Rus 
tur meiner vielgeliebten Suline oder Fow⸗ 
leys in Africa, und der guten Einwohner ber 
Inſel Taiti, von denen ung der Ritter Bow 
gainville ein fo angiehendes Gemälde macht? 
Es ift ein füßer Gedanfe, daß es Doch wirklich 
noch hier und da folche Kinder der Natur auf 
Dem Erdboden gibt. Aber unfere armen iu 
Boden gedruckten, bungerficcbenden Landleute 
zu folhen umzuſchaffen, — nun daran iſt wohl 
nicht zu denfen. Aber es gibt doch auch es 
nen glüclichen Theil unter unferm Landoolfe, 
der des Lebens froh zu werden fähig iſt, der in 
dem glücdlichen Mittelftand zwiſchen Dürftigs 
feit und Ueberfluß gerade in derjenigen Vers 
faffung flieht, worin der Menſch die meife 
Dispofition hat, gut und froh zu feyn. Sins 
det mein Gleim, daß diefe Slaffe unfrer Brüs 
ber durch die Geſchichte der Kinder der 
Natur erbaut werden Fönnte, fo gebe ih 
meine Einwilligung von Herzen Dazu. Nur 
müßte freylich dieſe Gefchichte ganz umgefchmols 
sen, und ales den Begriffen und de 
Sprache unferes Landvolks angepaßt wer⸗ 
den; denn leider! fo wie fie in meinem Buche 





\ 
\ 


121 


ſteht, wuͤrde ſie den guten Leuten weder vers 
ſtaͤndlich noch erbaulich ſeyn. | 
Leßings Emilia Galotti, die ih in 
Weimar zuerfi in die Hände befam, hat mir 
fo außerordentlidy wohl gefallen, daß Ich Ihm 
auf der Stelle eine Art Yuldigungs: Brief 
fhrieb; den erfien, den ich in meinem Leben 
an diefen großen Mann gefchrieben habe. Ih 
bin begierig zu fehen, wie er ihn aufgenoms 
men bat. 
Ihre Toleranz gegen die neueften Verderber 
Des Nationalgeſchmacks und gegen die Dichs 
terlinge, Fann ih nicht ganz gut heißen 
und nicht ganz mißbilligen. Der liebe 
Friede iſt freylich eine edle Sache, und diefe 
poetifchen Infecten find Wefpen, genus 
irritabile. Allein auf der andern Seite bes 
günftiget zu viel Nachfiht ihre Vermeh⸗ 
rung und ihren Uebermuth. Warum föns 
nen wir doch unfern Liscov nit von ben 
Todten auferwecen? Einen Liscov hätten uns 
fere Zeiten vonnöthen. Indeſſen fünnen wir 
andern, die den Frieden lieben, dennoch vfel 
beytragen, dem Fortgang des poctifchen Uns 
finng zu fleuern, ohne daß wir eben nöchig 
haben, die Wefpen und Horniffen wider ung 


122 


zu empören, Nicht alles loben, nicht ı# |, 
febr Toben, Faltfinnig loben ober gar |: 
nichts fagen, iſt ein Mittelmeg, ben und 
Niemand verargen kann. Denn alle wohl | 
überligt, mein befter Gleim, fo find wir doch 
am Ende der Göttin Wahrheit, und ben Mu— 
fen und Grazien, welche feine Hlengefpinfte, 
fondern fehr reelle Gottheiten find, zum we 
nigſten eben fo viel fchuldig als und felbf. 
Es iſt nichts gleichgultiged, ob eine Nation 
einen guten oder einen verdorbenen Geſchmack 
bat, und ein Patriot, ein Menfchenfreund, 
fann, ohne feinen Charakter zu vergeffen, 
ohnmöglich gleichgültig zufehen, wenn gemwifle’ 
Leute de cul et de téête (wie die politen Frans 
zofen fagen,) daran arbelten, die Nation von 
der fchönen Natur, der edeln Einfalt, bem 
ächten Erhabenen,, dem Intereſſanten und Nüßs 
lichen abzuführen, um fie in die Region der 
Meteore zu verfeßen, und von ba in die fums 
pfihten Marfchländer des Bathos berabzuflürs 
zen, In welchen unfre Poeſie in kurzem verfins 
fen wird, wenn einige der beften Köpfe ſelbſt 
fortfahren ſollten, falfche Töne anzugeben. 
Die beyden leuten Theile des goldnen Spies 


123 


gels follen Sie von mir befommen, liebfter 
BSleim, fobald ich fie felbft habe. 

Und nun erlauben Sie mir doch auch, Ihnen 
ein Paar Worte von meinem Agathon zu fas 
gen. ch kann mir nicht vorfiellen, daß zu 
Halberſtadt, Magdeburg, Halle, ders 
Lin, Königsberg und den übrigen preußls 
ſchen Städten feine Liebhaber feyn follten, 
welche auf meinen Agathon zu pränumeriren 
Luft hätten. Aber mir fehle es in allen diefen 
Orten an Bekanntſchaft. Wollten Sie nicht 
die Freundfchaft für mich haben, und mir 
entweder Diejenigen von ihren Freunden, 
denen Sie Eifer genug zutrauen, und an die 
ich) mich menden könnte, zu nennen; da Id) 
mich einmahl entfchloffen habe, uber den Rus 
bicon zu geben, fo liegt mir nun alles Daran, 
daß ich einen ſolchen Schritt nicht vergebens 
oder um eines fchnöden Gewinnes willen ges 
than haben möge. Eine Menge durchlaucdys. 
tiger Nahmen werden in meiner Pranume 
rantens Lifte glaͤnzen, aber was helfen mie | 
- elihe Dugend durchlauchtigſte Louis⸗ 
dD’or? Die Menge muß es austragen. Wie \ 
müfen an allen Orten und Enden Werber 

Daben, welche die Sache mit einigem Eifer 


124 


betreiben. Meine Freunde muffen das Bahr 
thun; denn ich ſelbſt Habe wenig Connexlonen. 
Sch habe den grögeften Theil meines Lebens 
in der Schweiz und in Schwaben zugebradt, | 
und bin in Der » und Nieder s Sachfen ein 
fahrer Fremdling. Daß ich auch einige Drins 
zen aus dem Brandenburgifchen Haufe in meis 
ner Lifte ſehen möchte, fönnen Sie leicht den⸗ 
fen. Man bat mir Hoffnung auf die Königin 
von England, ja ſogar auf die Ruffifche Kals 
ferin gemacht. Ich bin gewiß, daß meine 
Pranumerationg s &.fte die brilantefte würde, 
die virlleicht jemahlgs gefehen worden iſt, wenn 
ich nur aller Orten Eollecteurs hätte, welche 
fih die Sache fo angelegen feyn ließen tie 
unfer Sacobi, wie Hompeſch, mie Graf 
Goͤrz zu Weimar u. a. 

Sch würde Ihnen ein Ding fagen, das 
nicht ift, wenn ich Ihnen fagte, daß ein Ruf 
nach Halle mir angenehm wäre. Ich bin gar 
niche zum Univerjitäte ;Profeffor gemacht, und 
mwünfche je balder je lieber von dieſer Ruder— 
bank befreyt zu werden. Wiſſen Sie, was 
das Klügfte wäre? Mein Agcethon ſollte mir 
fo viel eintragen, daß Ich in Sofratifcher Mits 
“Aßigkelt, weder arm noch reich, aber In 


125 


Muße leben fönnte; dann mollte Ich in die 
Nachbarfchaft meines Gleims ziehen, und den 
Reſt meines Lebens mit Ihm und feinen Freun? 
den verleben, der Philofophie, den Huldgoͤt⸗ 
tinnen, der Sreundfchaft und mir felbft leben, 
und der glüclichfie Sterbliche ſeyn. Schöner 
Traum, warum können wir dich nicht wahr 
machen ! | 

Zaufendmahl umarme ich meinen Steim, 
ben Menfchenfreund, den Weifen und Guten, | 
den Liebling der Natur, ben Prieſter der 
Grazien, den Einzigen der noch aus meiner | 
beffeen Zeit übrig geblieben ift, und den ich 
fo ehre und liebe wie ihn fein andrer ehren ' 
und lieben kann. Wenn Sie nah Berlin 
fommen, fo grüßen Sie mie unfern Platon 
Mofes, und den n vortrefflichen Ramler. Mit 
Sulzern bin ich nicht zufrieden, Die Natur 
bat ihm verfagt, was fie meinem Sterne, 
meinem Gleim, meinen Brüdern Jacobi 
und mir felbft fo reichlich ‚verliehen - bat: 
Wärme und ‚Gefühl, Wie follten wir den 
Mann lieben können, der fo wenig mit und 
fompathifire? 


126 
CCXVII. 
An Ebendenſelben. 


Erfurt, deu 14. Map 177ꝛ. 


Taufend Dank, befter Gleim, für den Hym 
uns auf Noel den Küchenmeifter. Ach bin, 
wiewohl Sie e8 verbergen wollen, geneigt zu 
glauben, daß Sie filbfi der Paraphraſt Sr. 
Coinefifhen Majeftät find. Wohl recht battt 
Voltaire, da er in feiner Epitre a P’Empereur 
de la Chine fagte: 

Vos vers seront toujours tres bons dans 
voire empire. 


Nicht als ob die an den Seigneur Noel eben 
fo gar fehr Kaiferlih oder Koͤniglich 
twären; aber dennoch muß ich Ahnen geftehen, 
daß mir die Paraphrafe, von wem fie aud 
feyn mag, menigftens in vielen Stellen liebe 
ift ald das Driginal. 

gaffen Sie fich umarmen, mein befter Gleim, 
für den Eifer, den Sie für meinen Agathon 
zeigen. 

Ihr Project, mein unfchäßbarer Freund, 
Ihr Project ung und unfere Freunde von den 
Buchhandlern unabhangig zu machen, muß 
ausgeführt werden Zrig Jacobi iß 


127 


er Mann dazu. Er bat das Feuer meins 
zleims, er bat feinen Eifer für alles mag gut 
ſt, und ift noch jung. Ich meines Orts will 
es mögliche dag beytragen. — Mehr fann 
ch nicht fagen, wenn ich die Poſt nicht. vers 
aͤumen mil. Alfo Gluͤck und gutes Wetter, 
uten Weg und gute Pferde, gute Poſtillions, 
ute Wirthshaͤuſer und gute Geſellſchaft auf 
er Reife, und kaufend herzliche Umarmungen, 
nein liebſter, beſter, wuͤrdigſter Freund, von 
jhrem W. 


CCXVIII. 
An Jakobi. 


Weimar, den 23. November 1772. 


Liebſter Jacobi! — Ich habe Ihnen lange, 
ange nicht geſchrieben, aber ich habe nie kei⸗ 
ven Augenblick aufgehört, Sie zu lieben, und 
Ihr vedlicher, brüderlichee Freund zu feyn. 
Die Veränderung in meinen Umfländen twifs 
fen Ste. Ich beforge, daß ich dadurch In einen 
Drean geworfen worden bin, aus dem ich 
mich vieleicht mein Lebetage nicht wieder her⸗ 
ausfinde. Aber in meinem Herzen IfE nichts 
verändert. Dee Plag darin, der Ihnen und 


128 


unſerm liebenswurdigen Vater Gleim zu 
hört, ift Heilig; die Mufen und die Gras 
fiehen um die Bilder meiner Freunde ber, u 
die Liche der Tugend ſchwebt über ihnen. 

Kiffen Sie auch, befter Jacobi, Daß 
lange iſt, feit Sie mich nichtd mehr von | 
und Ihren Befihäftigungen und Freuden tr 

fen laffen ? 

Von mir iſt das Neueſte, daß ich nächfte 
mit einem Singſpiel in fünf Caber gang fi 
nen) Aufsügen, Alcefte genannt, hervortre 
mwerde. Beygehende Aurora Cein bloß unf 
Hof, wie Sie fehen, interefiirendes Beleg 
heitsſtuͤck) iſt der Vorlaͤufer davon geweſ 
Herr Schweizer, der Ihr Elyſium und Ihr 
Apollo unter den Hirten, ſo vortrefflich co 
ponirt hat, iſt der Mann, ber mich in d 
Saumel des Enthufiasmus für das lyriſt 
Theater bingezerrt hat. Man Fann fih nid 
Scöneres vorftielen, als feine Compoſiti 
von der Aurora. 

Umarmen Sie unfen Gleim in mein 
Nahmen. Mich verlange fihr, mieder 9 
Ihnen und Ihm zu hören, daß Ste wohl fin 
daß Sie mich noch lieben, und daß Sie nlı 

imfelig im Dienſt der Gottinnen find, 


‘ 129 


ren Prieſtern wir und unter einem Volke, 
(8 nicht an ihre. Gottheit glaubt, aufgewore— 
n haben. | | 
Leben Sie wohl — liebſter Canonicus! und 
roßen Sie ja nicht. länger mit Ihrem Brus 
r und Sreund. a 


N. S. Die ehemahlige Madam Henfel iſt 
ın, als Madame GSeilerin, wieder an der 
pitze unfrer biefigen Schaufpielerinnen, quod 
lıx faustumque sit. — In Wien, wo daß 
ngeheuer, Stephantes Macbeth Beyfall 
halten hat, mußte man aus diefer großen 
chaufpielerin nichts befferd zu machen, als 
se Frau Salome. Und daß follten bie 
ute feyn - 
cum queis dii nocte loquantur? — 


CCXIX. 
An Herrn Hofrath Meuſel. 
Weimar, den g. Jenner 1773: 
Zaufend Danf für Ihre angenehme Zufchrift, 
r Ihre Bemühungen zu Gunften des Deuts 
ven Merkurs, und fur Ihre Zeitungen. 
Morgen Abends werde Ich Gelegenheit has 
n Ihre Intercessionales an Serenissimamı 


Wielandd Briefe III. D. 9 


130 


nostram gelangen gu laffen. Dein guter 9 
fiebe jedem, der mir von Ahnen empfe 
wird, zu Dienſte; aber was iſt guter S 
ohne Einfluß? Indeſſen werde ich nicht u 
laffen, Ihre Ehriftliche Liebe für den ehrli 
Israeliten Jeremias mit aler dee Mein 
zu verfiärfen. So viel ich aber von der € 
begreife, ift fie ein Nechtshandel, und ich 
alfo nicht, waß der Weg der Gnade Dd 
beifen fann. Es wird gefhehen was 9 
ift, wird man mir antworten, und ich n 
verfiummen; zumahl da in der That die 
Herzogin dag ganze Jahr duch fo oft 
viel um Gnaden, mwobey man in den € 
greifen muß, angefchrien wird, Daß fie 
Einfünfte des Mogols haben müßte, weni 
Jedermann erhoͤren wollte. 

Unſern Freund Schmidt zu Gießen w 
ich ſelbſt ſchriftlich anlangen, wenn ich ı 
ſeine und meine Zeit ſchonte. Quod 
potest per pauca etc. Verſichern Sie 
meiner ganzen Ergebenheit und meiner D 
barkeit für feine Geneigtheit in meinem $ 
fur zu arbeiten. Nur bitte ich, daß er ' 
Mitarbeiterfchaft (wenigſtens dag .erfle | 
durch) ein vollkommnes Geheimniß unter 


131 


dreyen ſeyn laffe. Bücher von Anno 72 fünnen 
noch recenfirt werden. Mit Recenfionen von 
Gedichten uud Schauſpielen werde ich 
unſern Freund nicht behelligen. Hingegen fols 
len mir Recenſionen von Lindners, 
Buͤſchings, Hurds, Mauvillons von 
Ihnen benannten Werfen, it. von Sophis 
ens Reife ꝛc. wilfommen feyn. Ich erfuche 
den lieben Mann, uns aus dem beften 
Saffe einzufchenfenz; und. weil er ſelbſt eine 
unleferliche Hand ſchreibt, feine. Stüde huͤbſch 
copiert und unfranfirt an mich einzufchie 
chen, weil ich pofifrey bin, Das Honorarium _ 
ſoll fo ehrenfeft feyn, daB es auch den -Eopis 
ſtenlohn tragen fol. Sch kann noch nichte 
gewiſſes verfprechen; aber Sie kennen mid, 
und dieß iſt genug. Empfehlen Sie dem Freunde 
Schmidt, daß er ſoviel moͤglich ſeine Ma⸗ 
nier verbergen, und diejenigen, die er, in 
eigner Perſon, laugen wuͤrde, im Merkur 
nur mit feiner leichter Plaiſanterie 
abfertigen ſoll. Ich moͤchte gerne gruͤndliche 
Critik, aber nicht ſchwerfaͤllig; ſcharf, aber 
nicht zu beißend; lebhaft aber decentz kurz, 
reifes Urtheil und guten Ton. Herr 
Schmidt kann ſeyn was er will. Er hat ein 


132 


treffliches Genie, Geſchmack, Feinheit, w 
eine Menge Kenntniffe. Sch mänfchte wi 
von feiner Hand ein recht fein ausgearbeitet 
eritifches Sendfchreiben über das derm 
lige Bardenslinwefen, wenn er anders d 
Unmefen für eben fo abgeſchmackt und fd) 
lich Hält als ich, Kretfhmann und Dei 
niöchte ich wohl gefchont, aber doch ni 
ganz leer ausgehen fehen. Bende Fünnten 9 
tionaldichter feyn, wenn Sie wollten. 
wen aber fchreiben diefe Leute jetzt ? Wer li 
fie? Fingal war ein göttlicher Mann; a 
wer den Bardenton im Jahr 1773 anftim 
naviget anticyram! Für unfer Zeitalter fin, 
diefe Herren nicht, dieß iſt Harz für t 
alfo? Für die Nachlommen? — ih dä 
doch nicht, daß wir ung große Hoffnung 
machen bäffen, unfre Enfel in Picten, \ 
ten, Cherusker u.f. f. verwandelt gu feben 
Communiciren Sie dieß Geſchreibſel, w 
Sie wollen, unſerm Freunde, aber unter 
abſoluten Bedingung, daß er es fogleich ı 
brenne. Klotzens Briefe find ein abſcheulit 
Erempel zur Warnung! Ich kann Feine Br 
fchreiben,, welche jemahls gedruckt zu wer 
verdienten; und man kann heut zu Tage u 


133 

orficht genug gegen Gewinnſucht und 
uthwillen gebrauchen. 
Leben Sie wohl, liebſter Menfel, und bleis 
n mein Freund. Ich umarme Sie und un; 
en Springer, und bin unveränderlich der 
jrige. | | 


P. Ss Mit unferd Reg. Rath Hermanns 
treuen Köhlern ift Herr Schmid in feis 
m Almanach (wo fonft die mehrfien Necens 
‚nen meinen völligen Beyfall haben) nicht 
illig und freundlich genug. umgegangen. 
ch wuͤnſchte, daß er, pro redemtione anim& 
ı eine nicht meltläufige,, aber doch beffer in 
je Merita diefes Stuͤcks eingehende Necenfion 
won für das Erſte Stüd des Merkurs machte. 
a8 Ding iſt in felnee Art wirklich gut; 
fallt immer beffer, je öfter mans aufführen . 
eht, intereffire fehe durch den Charakter 


es alten Trillers und feiner Familie, und 


uch die rührenden. Lehren, welche im Vor⸗ 
eygehen den Prinzen gegeben werden. Frey⸗ 
ch iſt fein groͤßeſter Werth local, und es ge⸗ 
innt auch viel Dadurch, mell es hier fehr gut 
efpiele wird. Uber welche fogenannte Ope⸗ 
ette verliere nicht durchs Lefen? Auch Ders 


124 


betreiben. Meine Freunde muffen das Beſte 

tbun; denn ich felbft habe wenig Connexionen. 
Sch habe den grögeften Theil meines Lebens 
in der Schweiz und in Schwaben zugebracht, 
und bin in Ober⸗- und Nieder s Sachfen ein 
wahrer Sremdling. Daß ich auch einige Prins 
zen aus dem Brandeuburgifchen Haufe in meis 
ner Lifte ſehen möchte, können Sie Teiche den⸗ 
fen. Man bat mir Hoffnung auf die Königin 
von England, ja fogar auf die Ruffifche Kals 
ferin gemacht. Ich bin gewiß, daß meine 
Pranumerationg s &.fte die brillantefte würde, 
die vielleicht jemahls gefehen worden iff, wenn 
ih nur aller Orten Collecteurs hätte, welche 
fih die Sache fo angelegen feyn ließen mie 
unfer Jacobi, wie Hompeſch, wie Graf 
Goͤrz zu Weimar u. a. 

Sch würde Ihnen ein Ding fagen, das 
nicht ift, wenn ich Ihnen fagte, daß ein Ruf 
nach Halle mir angenehm wäre. Ich bin gar 
nicht zum Univerfitäts sProfeffor gemacht, und 
wünfche je balder je licher von diefer Ruder—⸗ 
banf befreyt zu werden. Wiſſen Sie, was 
das Klügfte wäre? Mein Agathon follte mie 
fo viel eintragen, daß ich in Sofratifcher Mit 
telmaßigfeit, weder arm noch reich, aber in 


125 


uße Ieben koͤnnte; dann wollte Ich in die 
ichbarfchaft meines Gleims ziehen, und ben 
‚ft meines Lebens mie Ihm und feinen Sreun? 
n verleben, der Philofophie, den Huldgoͤt⸗ 
nen, der Freundfchaft und mir felbft leben, 
d der glüdlichfie Sterblihe feyn. Schöner 
aum, warum fönnen wir dich nicht wahr 
ıchen ! 


Faufendmahl umarme ich meinen Gleim, 
n Menſchenfreund, den Weiſen und Guten, 
n Liebling der Natur, den Prieſter der 


caglen, den Einzgigen der noch aus meiner 
ffern Zelt übrig geblieben If, und den Id) 
ehre und Liebe wie ihn Fein andrer ehren 
id lieben kann. Wenn Gie nad) Berlin 
mmen, fo grüßen Ste mie unfern Platon 
oſes, und den vortrefflihen Ramler. Mit 
ulzern bin: ich‘ nicht zufrieden. Die Natur 
t ihm verfagt, was fie meinem Sterne, 
einem Gleim, meinen Brüdern Jacobi 
id mir feLbft fo reichlich verliehen - hat: 
zaͤrme und ‚Gefühl. Wie folten wir den 


'ann lieben Eönnen, der fo wenig mit uns 


mpatbifire? - 


a 


.. —- 


126 
CCXVII. 
An Ebendenſelben. 


Erfurt, deu 14. Map 177% 


Taufend Dank, befter Gleim, für den Hym 
uns auf Noel den Küchenmeifter. Ich bin, 
wiewohl Sie e8 verbergen wollen, geneigt zu 
glauben, daß Sie filbfi der Paraphraſt Sr. 
Chineſiſchen Majeftät find. Wohl recht hatte 
Voltaire, da er in feiner Epitre a P’Empereur 
de la Chine fagte: 

Vos vers seront toujours tres bons dans 
voire empire. 


Nicht als ob die an den Seigneur Noel eben 
fo gar fehr Kaiferlih oder Köntglid 
wären; aber dennoch muß ich Ihnen geftehen, 
daß mir die Paraphrafe, von wen fie aud) 
ſeyn mag, menigftens in vielen Stellen lieber 
ift ale das Original. 

gaffen Ste fih umarmen, mein befter Gleim, 
für den Eifer, den Sie für meinen Agathon 
zeigen. 

Ihr Project, mein unſchaͤtzbarer Freund, 
Ihr Mroject ung und unfere Freunde von den 
Buchhandlern unabhangig zu machen, muß 

isgeführt werden. Zrig Jacobi Ü 


127 


r Mann dazu. Er bat das Teuer meine 
leims, er bat feinen Eifer für alle mag gut 
‚und iſt noch jung. Ich meines Ders will 
les mögliche dazu beytragen. — Mehr fann 
h nicht fagen, wenn ich die Poſt nicht vers 
umen will. Alfo Gluͤck und guted Wetter, 
sten Weg und gute Pferde, gute Poſtillions, 
ste Wirthshaͤuſer und gute Gefelfchaft auf 
r Reife, und tauſend herzliche Umarmungen, 
ein liebfter, befter, mwürdigfter Freund, von 
hrem W. 


CCXVIII. 
An Jakohbi. 


Weimar, den 23. November 1772. 


Liebſter Jacobi! — Ich habe Ihnen lange, 
nge nicht geſchrieben, aber ich habe nie kei⸗ 
en Augenblick aufgehört, Sie zu lieben, und 
he redlicher, bruderlichee Freund zu feyn. 
)ie Veränderung In meinen Umftänden wiſ⸗ 
n Sie. Ich beforge, daß ich dadurch in einen 
)cean geworfen worden bin, aus dem ich 
rich vieleicht mein Lebetage nicht wieder hers 
usfinde. Uber in meinem Herzen iſt nichts 
erändert, Der Plag darin, der Ihnen und 


128 


unferm liebenswüurdigen Vater Gleim zu 
hört, iſt heilig; die Mufen und bie Grajin 
fteben um die Bilder meiner Freunde ber, m 
die Liche der Tugend ſchwebt über ihnen. 

Wiſſen Sie auch, befter Jacobi, daß ı 
lange ift, feit Sie mich nichts mehr von fi 
und Ihren Beſchaͤftigungen und Freuden wi 

ſen laſſen? 

Von mir iſt das Neueſte, daß ich naͤchſter 
mit einem Singſpiel in fuͤnf (aber ganz kle 
nen) Aufzuͤgen, Alceſte genannt, hervortret 
werde. Beygehende Aurora (ein bloß unfe 
Hof, wie Sie fehen, Interefiirendes Gelege 
heitsſtuͤck) ift der Vorläufer. davon gemefe 
Herr Schweizer, der Ihr Elyſium und Zhre 
polo unter den Hirten, fo vortrefflich con 
ponirt hat, iſt der Mann, der mich In de 
Taumel des Enthufiasmug für das Iyrifd 
Theater Hingezerrt bat. Man Fann fih nicht 
Schoͤneres vorfiehen, als feine Compoſitio 
von der Aurora. 

Umarmen Sie unfen Gleim in melne 
Nahmen. Mich verlangt ſehr, wieder vo 
Ihnen und Ihm zu hören, daß Ste wohl fin! 
daß Sie mich noch lieben, und daß Sie nid 
faumfelig im Dienft der Göttinnen find, 4 


‘ 129 


en Vrieflern mir uns unter einem Volke, 
3 nicht an Ihre. Gottheit glaubt, aufgewore 
ı baben. | 

Reben Sie wohl — liebſter Canonicus! und 
oßen Sie ja nicht. langer mit Ihrem Brus 
und Sreund. N 


N. S. Die ehemahlige Madam Henfel iſt 
n, als Madame Seilerin, wieder an bee 
zitze unſrer hieſigen Schauſpielerinnen, quod 
ix faustumque sit. — In Wien, wo das 
igeheuer, Stephantes Macbeth Beyfall 
alten bat, wußte man aus biefer großen 
baufplelerin nichts beffers zu machen, als 
e Frau Salome. Und daß follten bie 
ıte feyn - Ä 
cum queis dii nocte loquantur? — 


CCXIX. 
An Herrn Hofrath Meuſel. 
Weimar, den g. Jenner 1773: 
Tauſend Dank für Ihre angenehme Zufchrift, 
Ihre Bemühungen zu Gunften des deuts 
en Merkurs, und für Ihre Zeitungen. 


Morgen Abends merde ich Gelegenheit has 
Ihre Intercessionales an Serenissimam 


Birlands Briefe UL. M.  - 9 


120 


ich Ihre Lieder für die Kinder der Natur! Sie 
erinnern fich doch ‚bey dief:n Kindern der Ras 
tur meiner vielgeliebten Fuline oder Fow⸗ 
leys in Africa, und ber guten Einwohner de 
Inſel Salti, von denen ung der Ritter Bow 
gainville ein fo anziehendes Gemälde macht? 
Es ift ein füßer Gedanke, daß es Doch wirklich 
noch hier und da folche Kinder der Natur auf 
Dem Erdboden gibt. Aber unfere armen iu 
Boden gedrückten, bungerfterbenden Landleute 
zu folchen umzufchaffen, — nun daran iſt wohl 
nicht zn denfen. Ab:r es gibt doch auch eis 
nen glücklichen Theil unter unferm Landoolfe, 
der des Lebens froh zu werden fähig iſt, der in 
dem glüdlichen Mittelftand zwifchen Dürftigs 
feit und Ueberfluß gerade in derjenigen Vers 
faffung fleht, worin der Menfch die meifte 
Dispofition bat, gut und froh zu ſeyn. Sins 
det mein Gleim, daß dieſe Claffe unfrer Brüs 
der durch die Geſchichte der Kinder der 
Natur erbaut werden könnte, fo gebe ich 
meine Einwilligung von Herzen dazu. Nur 
müßte freylich dieſe Sefchichte ganz umgefchmols 
zen, und alles den Begriffen und de 
Sprache unferes Landvolks angepaßt wers 
den; denn leider! fo mie fie in meinens Buche 


\ 
ſteht, wuͤrde fie den guten Leuten Meder vers 
ſtaͤndlich noch erbaulich feyn. 

Leßings Emilia Galotti, die ih in 
Weimar zuerfi in die Hände befam, hat mir 
fo außerordentlich wohl gefallen, daß ich ihm 
auf der Stelle eine Art Yuldigungs: Brief 
fchrieb; den erfien, den ich In meinem Leben 
an dieſen großen Mann gefchrieben habe. Ach 
bin begierig zu ſehen, wie er ihn aufgenoms 
men bat. 

Ihre Toleranz gegen die neueften Verderber 
Des Nationalgeſchmacks und gegen die Dichs 
terlinge, Fann ih nicht ganz gut beißen 
und nit ganz mißbilligen. Der liebe 

‚Grigde iſt freylich eine-edle Sache, und diefe 
poetifchen Infecten find Wefpen, genus 
irritabile. Allein auf der andern Seite bes 
günftiget zu viel Nahfiht ihre Vermeh⸗ 
rung und ihren Uebermuth. Warum föns 
nen wir doc) unfern Ligcoo nicht von dem 
Todten auferweden? Einen Liscov hätten uns 
fere Zeiten vonnöthen. Indeſſen können wir 
andern, die den Frieden lieben, dennoch vfel 
beytragen, dem Fortgang des poetifhen Uns 
finns zu feuern,’ ohne daß wir eben nöthig 
haben, die Welpen und Horniſſen wider ung 


121 


124 


betreiben. Meine Freunde müffen das Bee 
thun; denn ich felbft Habe wenig Connexionen. 
Sch babe den grösgeften Theil meines Lebens 
in der Schweiz und in Schwaben zugebradt, 
und bin in Dber » und Nieder s Sachfen ein 
wahrer Fremdling. Daß ich auch einige Prins 
zen aus dem Brandenburgifchen Haufe in meis 
ner Lifte ſehen möchte, koͤnnen Sie leicht dens 
fen. Man bat mir Hoffnung auf die Königin 
von England, ja fogar auf bie Ruffifche Kals 
ferin gemacht, Ich bin gewiß, daß meine 
- Pranumerationg s L.fte die brillantefte würde, 
die virlleicht jemahlgs gefehen worden tft, wenn 
ich nur aller Orten Collecteurs hätte, welche 
fih die Sache fo angelegen feyn ließen wie 
unfer Jacobi, wie Hompefch, wie Graf 
Goͤrz zu Weimar u. a. 

Sch würde Ihnen ein Ding fagen, das 
nicht ift, wenn ich Ihnen fagte, daß ein Ruf 
nach Halle mir angenehm wäre. Ich bin gar 
nicht zum Univerfitätg s Profeffor gemacht, und 
wünfche je balder je licher von diefer Ruder 
bank befreyt zu werden. Wiffen Sie, maß 
dag Klügfte wäre? Mein Agethon fohte mir 
fo viel eintragen, daß Ich in Sofratifcher Mits 
telmaßigfeit, weder arm noch reich, aber in 


125 


Muße Ieben koͤnnte; dann wollte ich in die 
Nachbarſchaft meines Gleims ziehen, und den 
Reſt meines Lebens mit Ihm und feinen Freun’ 
den verlieben, der Philofophie, den Huldgoͤt⸗ 
tinnen, der Sreundfchaft und mir felbft leben, 
und der glüdlichfie Sterbliche feyn. Schöner 
Traum, warum fönnen wir dich nicht wahr 
machen ! 


Zaufendmahl umarme . ich meinen Gleim, 
den Menſchenfreund, den Weiſen und Guten, 


den Liebling der Natur, den Prieſter der 
Grazien, den Einzigen der noch aus meiner 
beſſern Zeit uͤbrig geblieben iſt, und den ich 


ſo ehre und liebe wie ihn kein andrer ehren 


und lieben kann. Wenn Sie nach Berlin 
kommen, ſo gruͤßen Sie mir unſern Platon 
Moſes, und den  dortrefflichen Ramler. Mit 
Sulzern bin ich nicht zufrieden. Die Natur 
bat ihm verfagt, was fie meinem Sterne, 
meinem Gleim, meinen Brüdern Jacobi 
und mir felbft fo reichlich verliehen - bat: 
Wärme und ‚Gefühl. Wie follten wie den 


Mann lieben können, ber fo wenig mit und 


ſympathiſirt? 


—— .. 


126 
CCXVII. 
An Ebendenſelben. 


| 
Erfurt, den 14. Map 1772 


Taufend Dank, befter Gleim, für den um 
ung auf Noel den Kuͤchenmeiſter. Ich bin, 
wiewohl Sie e8 verbergen wollen, geneigt zu 
glauben, daß Sie felbfi der Paraphraſt Sr. 
Coinefifhen Majeftät find. Wohl recht batte 
Boltaire, da er in feiner Epitre à l’Empereur 
de la Chine fagte: 

Vos vers seront toujours tres bons dans 
voire empire. 


Nicht als ob die an den Seigneur Noel eben 
fo gar fehr Kaiferlih oder Koͤniglich 
wären; aber dennoch muß ich Ahnen geftehen, 
daß mir die Paraphrafe, von wem fie aud) 
feyn mag, menigftens in vielen Stellen Lieber 
ift ale dag Driginal, 

Laſſen Sie fi) umarmen, mein beſter Gleim, 
fuͤr den Eifer, den Sie fuͤr meinen Agathon 
zeigen. 

Ihr Project, mein unſchaͤtzbarer Freund, 
Ihr Project ung und unſere Freunde von den 
Buchhandlern unabhangig zu machen, muß 
ausgeführt werden. Zrig Jacobi iR 


127 


er Mann dazu. Er bat das Feuer meins 
zleims, er bat feinen Eifer für alles mag guf 
t, und iſt noch jung. Ich meines Orts wi 
Mes mögliche dagu beytragen. — Mehr fann 
ch nicht fagen, wenn ich die Poſt nicht vers 
aͤumen mil. Alfo Gluͤck und gutes Wetter, 
uten Weg und gute Pferde, gute Poſtillions, 
ute Wirthshäufer und gute Gefelfchaft auf 
er Reife, und taufend herzliche Umarmungen, 
nein liebfter, befler, tourdigfier Sreund, von 
jhrem W. 


CCXVIII. 
un Jakobi. 


Weimar, den 23. November 1772. 


Liebſter Jacobi! — Ich habe ihnen ange, 
ange nicht gefchrieben, aber ich habe nie kei⸗ 
sen Augenblick aufgehört, Sie zu lichen, und 
Ihr vedlicher, bruderlichee Freund zu feyn. 
Die Veränderung in meinen Umftänden wiſ⸗ 
ren Sie. Ich beforge, daß ich dadurch in einen 
Deean geworfen worden bin, aus dem ich 
mich vielle icht mein Lebetage nicht wieder her⸗ 
ausfinde, Aber In meinem Herzen iſt nichts 
berändert, Der Platz darin, der Ihnen und 


123 


unfeem Tiebenswürdigen Vater Gleim gug6 | 


hört, iſt heilig; die Mufen und die Gran | 
ſtehen um die Bilder meiner Freunde her, und | 


die Kiche der Tugend ſchwebt über ihnen. 

Kiffen Sie auch, befler Jacobi, daß es 
lange ift, feit Sie mich nichts mehr von fid 
und Ihren Beſchaͤftigungen und Freuden mwiß 

fen laffen ? 

Von mir iſt dad Neuefte, daß ich nächfleng 
mit einem Singſpiel in fünf Caber ganz klei⸗ 
nen) Aufzügen, Alcefte genannt, bervortreten 
werde. DBengehende Aurora (ein blog unfern 
Hof, wie Sie fehen, interefjirendes Gelegens 
heltsſtuͤck) ift der Vorläufer davon geweſen⸗ 
Herr Schweizer, der Ihr Elyfium und Ihren 
Apollo unter den Hirten, fo vortrefflih coms 
ponirt bat, iſt der Mann, der mich in den 
Saumel des Enthuſiasmus für das Inrifche 
Theater hingezerrt bat. Man kann ſich nichts 
Schöneres vorfichen, als feine Eompofition 
von der Aurora. 

Umarmen Sie unfern Gleim In meinem 
Nahmen. Mich verlangt ſehr, wieder von 
Ihnen und Ihm zu hören, daß Sie mohl find, 
daß Sie mich noch fieben, und daß Sie nit 
faumfelig im Dienft der Gottinnen find, zu 


‘ 12) 


eren Vrieflern mir uns unfer einem Volke, 
a8 nicht an ihre. Gottheit glaubt, aufgewor—⸗ 
n baben. | | 
Leben Sie wohl — Liebfter Canonicus! und 
rotzen Sie ja nicht. langer mit Ihrem drus 
er und Freund. an 


N. S. Die ehemahlige Madam Henfel iſt 
un, als Madame Seilerin, mieber an bee 
5pige unfrer hiefigen Schaufpfelerinnen, quod 
:lix faustumque sit. — In Wien, wo das 
‚ngeheuer, Stephantes Macbeth Beyfall 
halten hat, mußte man aus diefer großen 
5chaufpielerin nichts befferd zu machen, als 
ine Frau Salome. Und das follten die 
eute feyn - 
cum queis dii nocte loquantur? — 


CCXIX. 
An Herrn Hofrath Meuſel. 
Weimar, den g. Jenner 1773: 
Tauſend Dank für Ihre angenehme Zufchrift, 
ar Ihre Bemuͤhungen zu Gunſten des deuts 
hen Merkurs, und für Ihre Zeitungen. 


Morgen Abends merde ich Gelegenheit has 
en Ihre Intercessionales an Serenissimamı 


Wielandd Brlefe TIT. W. 9 


130 


nostram gelangen zu laffen. Dein guter Wtle | 
fiebt jedem, der mir von Ihnen empfohlen 
wird, zu Dienfle; aber mas iſt guter Mile 
ohne Einfluß? Indeffen werde ich nicht unten 
laffen, Ihre Ehriftliche Liebe für den ehrlichen 
Israeliten Jeremias mit aller der Meinigen 
zu verflärken. So viel ich aber von der Sache 
begreife, ift fie ein Necheshandel, und ich febe 
alfo nicht, waß der Weg der Gnade dabey 
helfen fann. Es wird geſchehen was Recht 
iſt, wird man mir antworten, und ich werde 
verſtummen; zumahl da in der That die gute 
Herzogin das ganze Jahr durch ſo oft und 
viel um Gnaden, wobey man in den Seckel 
greifen muß, angeſchrien wird, daß ſie die 
Einkuͤnfte des Mogols haben muͤßte, wenn fie 
Jedermann erhoͤren wollte. 

Unſern Freund Schmidt zu Gießen wärde 
ich ſelbſt ſchriftlich anlangen, wenn ich nicht 
feine und meine Zeit ſchonte. Quod fieri 
potest per pauca etc. Verſichern Sie ihn 
meiner ganzen Ergebenhelt und meiner Dank; 
barkeit für feine Genelgtheit in meinem Mes 
fur zu arbeiten. Nur bitte ich, daß er feine 
Mitarbeiterfhaft (wenigſtens dag .erfie Jahr 
durch.) ein vollkommnes Geheimniß unter uns 


131 


nen feyn laſſe. Bücher von Anno 72 fünnen 
h recenfirt werden. Mit Necenfionen von 
dihten uud Schaufpielen werde ich 
fern Freund nicht bebelligen. Hingegen fols 

mie Necenfionen von Lindners, 
ıfchings, Hurds, Maupillong von 
nen benannten Werfen, it. von Sophi—⸗ 
8 Reife ꝛc. willkommen feyn. Sch erfuche 
ı leben Mann, ung aus dem befien 
ffe einzuſchenken; und weil er ſelbſt eine 
'eferliche Hand ſchreibt, feine. Städte huͤbſch 
tert und unfranfirt an mich einzufchie 
n, weil ich poflfrey bin. Das Honorarium _ 
| fo ehrenfeft feyn, daB es auch den Copi⸗ 
alohn tragen fol. ch Fann noch nichts 
viffes verfprechen; aber Sie kennen mid, 
d dieß ift genug. Empfehlen Sie dem Freunde 
ymidt, daß er ſoviel möglich feine Mas 
er verbergen, und diejenigen, die er, in 
ner Perfon, laugen würde, im Merfur 
e mie feiner leichter Platfanterie 
fertigen fol. Ich möchte gerne gründliche 
itik, aber nicht ſchwerfaͤllig; fcharf, aber - 
ht zu beißend; Tebhaft aber decentz kurz, 
ifes Ureheil und guten Tom. Kerr 
chmidt kann feyn was er will. Er hat ein 


132 


erefflihes Genie, Geſchmack, Feinheit, md | 
eine Menge Kenntniffe. Ich wuͤnſchte wohl 
von feiner Hand ein recht fein ausgearbeitetee 
eritifhes Sendfchreiben über Das dermahı | 
lige Barden-Unweſen, wenn er anders bie 
Unweſen für eben fo abgeſchmackt und ſchaͤd⸗ 
lich bält als ich. Kretfhmann und Denid 
möchte ich wohl geſchont, aber doch nid 
ganz leer ausgehen fehen. Beyde könnten Nas 
tionaldichter feyn, wenn Sie wollten. Für 
wen aber fchreiben diefe Leute jegt ? Mer liest 
fie? Fingal war ein göttliher Mann; aber 
wer den Bardenton Im Jahr 1773 anftimmt 
naviget anticyram! Für unfer Zeitalter fingen 
diefe Herren nicht, dieß iſt Harz für men 
alfo? Für die Nachlommen? — ich daͤchte 
Doch nicht, daß wir ung große Hoffnung zu 
machen haften, unſre Enfel in Picten, Cel⸗ 
ten, Cherusker u.f. f. ‚verwandelt gu feben ꝛc. 
Communiciren Sie dieß Gefchrcibfel, wenn 
Sie wollen, unferm Freunde, aber unter ber 
abfoluten Bedingung, daß er es fogleich ven 
brenne. Klotzens Briefe find ein abſcheuliches 
Exempel zur Warnung! Ich kann keine Briefe 
fchreiben, welche jemahls gedruckt zu werden 
verdienten; und man kann heut iu Tage nicht 


133 
fiht genug gegen Gewinnſucht und 
thwillen gebrauchen. 
ben Sie wohl, liebſter Menfel, und blei⸗ 
mein Freund. Ich umarme Sie und uns 

Springer, und bin unveranderlich der 
ige. | 


. 9 Mit unferd Leg. Rath Hermanns 
reuen Koͤhlern ift Here Schmid in feis 
Almanach (two fonft die mehrflen Recen⸗ 
en meinen völligen Beyfall haben) nicht 
lig und freundlich genug. umgegangen. 
wünfchte, daß er, pro redemiione animæ 
Relne nicht weitlaͤufige, aber doch beſſer ir 
Merita dieſes Stuͤcks eingehende Necenfion 
on für das Erſte Stück des Merkurs machte. 
8 Ding iſt in feiner Are wirklich gut; 
illt Immer beffer, je öfter mans aufführen 
t, intereffire ſehr durch den Charakter 

alten Trillers und feiner Familie, und 
ch die rührenden. Lehren, melche im Vor⸗ 
gehen den Prinzen gegeben werden. Frey⸗ 
ift fein groͤßeſter Werth local, und es ges 
int auch viel Dadurch, well es hier fehr gut 
pielt wird. Aber welche fogenannte Ope⸗ 
e verliert nicht durchs Lefen? Auch Ders 


134 


manns Talent für die leichten Lieder 
(wie fie fi) in das Ding, das man Operette 
beißt, fchicken) kann mit gutem Gewiſſen gr 
lobt werden. Ueberhaupt däuche mich, das 
Genre der Operette taugt nichts; aber in die 
fem Genre kann es gleichwohl gute Gtüde 
geben, und die Köhler find eins davon, Wu 
gen der Zufchrift an Trillern verdiene unferd 
Heren Hermanns gutes Herz gepriefen in 
werben. Er wollte dem guten alten Greifen, 


Der doch wirklich, ungeachtet feiner Poeterey, 


Merdienfte als Arge und Gelehrter bat, eine 
unverhoffte Freude in feinem hoben Alter mar 
hen. Es iſt nicht edelmäthig, In unfern Ta 
gen einem Trier Backenſtreiche zu geben. 
Gegen die Geſchmackverderber, gegen 
die Klopflocke und ihre Nachahmer, gegen bie 
Sänger im Buchflaben Deon, gegen bie tran⸗ 
fcendentalifchen poetiſchen Narren muß mar 
die Peitfche gebrauchen. Sapienti sat. 


155 
CCXX. 
An Ebendsnfelben. 


Meimar, den 22. Januar 1773, 


Die Durcdhlauchtige Herzogin bat mir zu 
Erhörung Ihres ehrlichen Hebraͤers gute Hoff⸗ 
nung gemacht, und fobald ich wieder Gelegens 
beit habe, will ich Sie daran erinnern. 

S’"*" In G*** befommt ein Eremplar 
des Mercurs gratis, aber feine Mitarbeiters 
fchaft fol er ein Geheimniß feyn laffen, oder 
fie hört auf, Es iſt unfäglich was der Mann 
zu thun bat, um feinen Credit wieder empor 
zu bringen; er iſt zur Zeit fo tief, fo tief, 
daß der bloße Soupgon, dag Her S6 *** 
in G. mit am Mercur arbeite, hinlaͤnglich 
wäre, unfre Unternehmung in. den Grund zu 
bohren. _ 

: Unfer Sreund Springer bat mir unlaͤngſt 
eine große Epiſtel geſchrieben, um mir zu bes - 
mweifen, daß ich beffer thate den Merkur zu 
Erfurt drucken zu laſſen. Es mag feyn, aber 
ber Accord mit Herrn Bergmann iſt fehon vor 
vier Wochen gefchloffen, und dabey muß es 
nun bleiben. Außerdem bitte ich unferm dul- 
cissimo Springero nebſt Einem philofophifchen 


136 


Liebeskuß zu melden, Ich hoffte allerdings, dal 
es dabey bleiben fol, daß Er ſelbſt fih de 
Ausarbeitung des ſechſten Artikels unterziehen, 
und mir zu dem Ende laͤngſtens in ſechs Bu 
hen eine Probe einzufenden die Gutheit haben 
werde. 


CCXXI. 
An Zimmermann. 
Meimar, den 22. Jenner 1773 


- Schon in einem Briefe vom 1. September 
des vermwichenen Jahres verfihern Sie mid, 
nach einem langwierigen, auf Ihrer Seite 
durch die grauſamſten Leiden veruefachten 
Stillſchweigen, Ihres Andenkens, Ihrer Eiche, 
Ihrer Freude über mein Schidfal, das mid 
in eine Sphäre verfegt hat, bie mir, wie Sie 
glauben, angemeffen it — Site fagen mir jw 
gleich, daß Sie keine Antwort wollen; und 
ch — ich, den Ihr Brief mie dem innigften 
Vergnügen erfüllte, ich, der Sie Immer ge 
liebt, der oft mit ihnen befümmert gewefen, 
oft mit Ihnen gelitten hatte, und num mit 
doppelter Stärke alles was ein Mann für 

Freund fühlen kann, für Sie fühlt, 


137 


ich war gleichwohl fähig, Sie beym Worte 
zu nehmen! Sie uberfehen mir's, Sie ſchrei⸗ 
ben mie wieder, und mit einer Wärme, bie 
mich aufs innigfte überzeugt, daß Ihr Herz 
mit mir fpricht. Sollte e8 denn wahr feyn, 
daß mein Zimmermann durch ein Bedurfs 
niß feines Herzens wieder zu feinem alten 
Freunde Wieland gezogen wärde? D! wenn 
dieß if, mein vortrefflicher, mein theurer 
dreund, fo kommen Sie In melne Arme! lafs 
fen Sie fih an mein Herz drüden, das ſtolz 
darauf ift, Sie nad) dem ganzen Umfang 
Ihrer Wuͤrdigkelt zu lieben und zu ehren! 

ie viel, liebfter Zimmermann, iſt binnen 
bier jahren mit und vorgegangen! Gie, 
mein Sreund, — ich weiß nur den: Eleinften 
Theil deffen, was Sie gelitten haben; Ich 
mag’ e8 nicht, Sie daran zu erinnern. 

O! mein befter Freund, mich wundert nicht, 
daß Sie mit: Ihrem Lavater fo gerne in die 
Ewigkelt hinaus ſehen! — Aber ſagen Sie 
mir — auch Jhre Kinder? — Ihre Kinder 
haben Ste doch noch? Ich münfche eg mit - 
Sehnfucht, und bis ich's weiß, wag' ih es 
richt Ihnen zu fagen, mie glücklich mich dry ı 
Heine Gefchöpfe machen, die ich über alles 


138 


liebe, die Alles verfprechen, die Jliemand an ' 
ficht, ohne Ihnen gut zu werden. — 

Don meiner ‚jebigen Lage moͤcht' ich ihnen 
gerne fprechen, wenn fi) wenig davon fagen 
ließe. Denn zu großen Epiſteln baben mit 
wohl beyde Feine Zeit. Ich warb auf eine 
fehr befondere, und in ber That ehrenvolle 
Art hieher verfegt. Der junge Fürft, bey dem 
ich bin, wollte fchlechterbingg einen Danifchs 
mende fur feinen eigenen Leib haben; er 
erbat mich von feiner Itebenswüärdigen Mutter, 
und da feine Wünfche mit den hrigen nie 
beſſer sufammengetroffen hatten, fo winkte 
man mir, und ich kam. Ich liebe meinen 
Prinzen. Er liebt mich. Sein Mentor, der 
Graf von Goͤrz, iſt mein Freund — Schuͤt⸗ 
teln Sie den Kopf nicht bey einer fo vermefs 
fen tönenden Affertion. Er ift mein Freund, 
und damit ich es Ihnen nicht weitläufig bes 
weifen muffe, will ich Ihnen in ſehr wenigen 
Worten begreiflid) machen, warum es nicht 
anders ſeyn fann. Wir find beyde fo eins 
fam bier, als wir e8 auf dem Berge Nitria 
oder mitten in der Wüfle Sara feyn könnten. 
Unfern Prinzen ausgenommen, bat er Beinen 


139 


Sreund, als mich; ich feinen als Ihn; braus 
chen Sie nun noch weiter Zeugnis? 

Taufend Dank, mein theurer Zimmermann, 
für die Lecture .die Sie mir gefchenfe haben. 
Mit welcher Wolluſt fog melne Seele eine 
ihr fo analogifhe und fo ganz nach ihrem 
Geſchmack zubereitete Nahrung ein! Wie vors 
trefflich gedacht und gefchrieben find die erften 
beyden Stuͤcke! Und was für eine belcbende 
Wärme hat Ahr Herz Ihren Gedanfen nicht 
mitgetheitt! D mein Freund,‘ mie gluͤcklich 
koͤnnten Sie Ihren Wieland machen, wenn 
Sie ihn nur dann und wann, nur Einmahl 
des Jahres, wenn es nicht anders ſeyn kann, 
mit einem Beytrage dieſer Art zum deutſchen 
Mercur erfreuen wollten! Ich kann es Ihnen 
nicht ſtark genung ſagen, wie ſehr ich wuͤnſche, 
daß es Ihnen moͤglich ſeyn moͤge, mir dieſen 
Beweis Ihrer Liebe zu geben! Ich moͤchte, 
daß mein Merkur unſrer Nation Ehre machte. 
Ohne die Beyhuͤlfe unfrer beſten Schriftfieller 
fann ich nicht. Denn, ah! mein Freund, 
die Zeit jener fellgen Einſamkeit iſt vorbey! 
vieleicht auf immer verloren!.— doch dieß 
will ich nicht denfen. Es braucht nicht mehr 


140 


als diefen Gedanfen, um alles um mic her 
finfter gu machen. | 

Hier ift meine Alcefte. Mie Zittern üben 
geb’ ich fie Ihnen; nicht weil ich mich vor der 
Critik fürchte Cdenn ih weiß ungefähr mas 
gut und was nicht guet In meinem Werke if, 
und Warum Ich nicht beffee machen fonnte) 
fondern weil ich beforge, daß ich Wunden in 
Ihrem Herzen dadurch aufreiße. 

Noch font ich Ihnen für die Statue dans 
Een, die Sie Ihrem W. in einer Abhandlung 
aufgerichter Haben, welche unfehlbar mit allen 
Ihren übrigen Schriften auf die Nachwelt 
fommt. Aber was kann ich Ihnen fagen, 
liebiter Zimmermann? Sie haben eine Feuers 
feele, wie ich auch. Sie fagen zu viel, aber 
Sie lieben mich; wie Fonnte ich mich weigern 
wollen, mich von Ihnen lieben zu laffen? 

Aber mich däucht, es ift Hohe Zeit, mich 
von Ihnen zu beurlauben. Kür einen Dann, 
der den ganzen Tag über Mangel an Zeit 
flagt, habe Ich, mie ich fehe, einen langen 
Drief gefchrieben. Und einen Brief, wo nichts 
drin iſt, würde ein Salmaſius, Gronovlus 
und Erneſtlus fagen. Melden Sie mir, wenn 

te mich wieder mit einem Briefchen glüds 


141 


ih machen, ob Sie entichloffen find, immer 
n Hannover gu leben, oder — follte gar Feine 
Möglichkeit feyn, wie wir einander wieder 
aber fommen fünnten?” 

O! mein Zimmermann, ich denfe jet an 
Jen Gruß der Griechen — Könnte Ihr Wies 
and Freude in Ihre Seele bringen! 


CCXII. 
An Gleim. 
Weimar, den 14. Februar 1773. 


Ihr Wieland, mein beſter Gleim, iſt ein 
garſtiger Menſch, es laͤßt ſich gar nicht laͤug⸗ 
nen; er ſchaͤmt ſich vor Ihnen und vor ſich 
ſelbſt, daß er Ihnen auf einen ſo freundlichen 
Brief erſt ſo ſpaͤt antwortet. Und was fuͤr 
eine Antwort! Ein paar armſellge Zeilen, die 
meinem Gleim ſagen, daß Wieland noch lebt, 
aber leider nicht fuͤr ſeine Freunde lebt, daß 
Agathon und Merknr und die abſcheuliche 
Gorrefpondenz‘, die Ihm dieſer Merkur auf ben 
Hals geladen hat, ihm alle Stunden und Aus 
genblicke wegnehmen, Die ihm der Hof und 
feine Befimmung an demfelben übrig läßt — 
und Sie wiffen, mein Liebſter, dieſe Beſtim⸗ 


142 ' 


mung ift nicht Dpereeten machen, wien 
gewiffer male feriatus in dem Wienerſchen 
Theater sEalender dee Welt weiß machen mil. 
Mit einem Worte, befler Sleim, fo flrafbar 
ich immer fcheinen mag, fo bin ich doch am 
Ende mehr ungluͤcklich ald ſtrafbar. Denn id 
liebe und ehre Sie von ganzen Herzen, und 
gewiß mehr ald Ich Ihnen jemahls gefagt habe. 
Ich begreife nicht, warum unfer George 
(Sacobi) den Gehelmnißreihen gegen Sie 
macht, wenigſtens ift gewiß, daß unfere Ge 
heimniffe in kurzem auf den Dächern werden 
geprediget werden. Vermuthlich will er Ihnen 
nur eine angenehme GSurprife menagiren. — 
Bis jege ift mein merkurlalifched Bureau nod) 
fo arnı, daß ich beynabe in dem Falle bin, 
wie die Samaldulenfer, wenn fie nichts mehr 
zu effen haben, die Nothglocke anzuziehen. 
Bey ihrer Thur, liebſter Gleim, babe ich 
fehon durch George anflopfen laffen; er bat 
mir eine fehr artige Antwort in Ihrem Nah⸗ 
men gegeben; aber damit kann ich feine Seite 
im Merkur fülen. — „Ey wie fchön,“ wer⸗ 
den Sie fagen, „ih bin alfo nur zum Aus—⸗ 
füllen gut!“ — Dii meliora! Das nicht! zum 
Ausfüllen hatt ich endlich Zeugs genug; aber 


143 
ein Blatt von Gleim, ein Lied wie dag 
Gaͤrtnerlied, iſt mehr werth als 24 Bogen vol 
Leyerwerks — und dag ift Doch alles, was man 
von unfern heutigen Poeten hört. 

Megen des Leinsiger Mufenalmanache fol 
fi unfer George Feine Sorge machen. Ich 
will fehen, daß Ich einen tauglichen Recenſen⸗ 
ten dazu finde. — Roſt iſt zum Necenfiren 
noch zu leicht, duͤnkt mich. — Laſſen Sie fih 
umarmen, mein theurer, unfchäßbarer Freund, 
und lieben Sie Ihren Wieland, tie er Gie 
liebt, | 

CCXXIL. 
An Meufel, 


Weimar, den 26. Februar 1773. 


Taufend Dank für Ihr freundfchaftliches 
Gefchent, und taufend Abbitten, daß ich Ihnen, 
bis ich wieder einen neuen Transport mit 
Alceften von Leipzig erbalte, mit feinem Ges 
genprafent aufwarten kann. 

Sie fünnen fich Feine Idee von ber Korres 
fpondenz machen, die mir der Mercur zuzieht. 
Sie nimmt mir beynahe alle meine Zeit weg. 
Doch dieß kann nicht mehr lange dauern. Ins 


134 


zroifchen bitte ich Sie um Geduld; die Freunde 
mit denen ich am liebſten ſchwatzen moͤchte, 
find jegt gerade die, für die ich nie Leine Zeit 
finde. 

Sch fchmeichle mir Immer, daß ich bald 
Mittel und Wege finden werde, auf ein paar 
Tage nach Erfurt zu fommen — und dan 
bring ich Ihnen Antworten auf alle mögliche 
Fragen. Der Merkur kann denjenigen, toelde 
ihn monathlich auf ihre eignen Koften verlaw 
"gen, gar wohl monathlich geſchickt werben. 
Merken Sie in Ihrer dereinfligen Lifte diefe 
Herren nur an, fo will ich ſchon für dad 
übrige forgen. Das erſte Städ iſt bereits uns 
ter der Preſſe. Wenn unfer Springer böfe 
auf mich iſt, well ih Ihm nicht antworte, fü 
hat er Unrecht; ich. kann nicht, aber niemand 
liebt und ehrt ihn mehr ald ich. Grüßen Sie 
ifn mco nomine, und fragen: ob ich mid 
Darauf verlaffen kann, daß er den Artikel der 
fuccineten Erzählung der neueften politifchen 
Welthandel auf ſich nehmen wil. Es iſt ein 
figlichter Artikel; aber wenn Springer will, 
fo Fann er mag fehr gutes Daraus machen. 
Der Artifel kommt zwar jederzeit nur in das 
legte Stu eines jeden Bandes, und ſol 





145 
höchftens einen Bogen Caber mit Fleinen 
riften, ohne Zmifchenfpäne) betragen: 
in fängfiens in fünf Wochen muß ic) Dies 
Artikel für den Erſten Band haben, ode: 
e mir! Ich flehe um eine baldige pofitive 
lärung, und bin dis zum Wiederfehen mit 
» und Seele der Ihrige. 


CCXXIY. 
An Ebendenfelbem 
Weimar, den 22. Mer; 1773 


zie, und unfer Springer, und Schmidt in 
Ben vergeffen mich gänzlich. Ich habe alfa 
ı erften Theil des Merkurs gar nichts von 
en zu hoffen? Bar nichts Fönnte niche 
tiger feyn. 

Sagen Sie Springero nostro, wenn fein 
ft und fo sancte verfprochner polltifcher 
i£el nicht binnen acht Tagen komme‘, fo 
me er zu fpat. Ich empfehle unferm Freund 
n ernfihaften, NB. nicht launenhaften, 
upeln Styl; weiches mich der einzige zu 
ı Däucht, der diefem Artikel angemeſſen ifl. 
Relden Sie mir, Ich bitte Sie, was 9. 
). Heinrich Schlegel in, Copenhagen für 
wielands Briefe IIT. ©. 10 


146 

einen Charakter habe, ĩ. e. was für Am 
Titel und Würde. Die Leute Bilde 
wenn fie an unfer einen fchreiben ein, 
wife das fchon, und doch iſt Fein ; 
Idiot in der neueften Litterars Hiftorii 
Dero ergebenfter W. | 


CCXXY. 
An Ebendenfelben 


Weimar, den 14. Apr 


Zanken Sie nur nicht, mein liebfter D 
wenn Sie bier wären, und mußten, w 
mir, feitdem ich dag Gouverneur s An 
unferm Prinzen, anftatt des auf etlich 
chen abmwefenden Grafen vor Görg ı 
modo zu verwefen babe, zu meinen - 
Sefchäften und zur Correſpondenz Zelt 
bleibt, fo würden Sie mich wie einen 
St. Jobſt mit Bewunderung und beilig« 
furcht anfehen, und befennen, Daß ich 
als der heilige St. Jobſt von Nürnbe: 
diene, daß der nächfie Siechfobel, der t: 
ringen gebaut werden wird, meinem N 
gewidmet werde. 

Der Plan, nach welchem Sie, mei 


147 


rwuͤrdiger Mitbruder , in der gelebrten Kreußs 
ägerfchaft das Fach der fritifhen Nach⸗ 
ihten, „von dem, mie ed pro tempore 
in der biftorifchen Provinz des gelehrs 
ten Deutfchlandes ausſieht, und was darin 
von 1773 an ferner fich ereignen und zutra⸗ 
gen wird“ — auf fih zu nehmen ſich guͤtigſt 
bieten; diefer Plan If wie aus meinem Kopfe 
rausgefihnitten. Dieß iſt 08 eben warum 
y» Eie bitten wollte, und fchon längft gebes 
n hätte, wenn ich zum Schreiben fommen 
nnte. Da ich Duartaliter nicht mehr als 
oIch ſtens Einen mit Fleinen Lertern gedruck⸗ 
n Bogen verlange, fo verlaffe ich mich das ! 
ıf, daB Euer Liebden diefen Artikel (wozu 
) Sie hiemit ad ordinarium in zierlichſter ' 
sem erbeten, ermählt, poflulire, confirmire 
id inflallirt haben will) quoad materiam et 
rmam fo fleißiglich ausarbeiten werden, als 
Ihnen möglich iſt. 
Anlangend die Ungeduld der Abbonnenten, 
elche ſich beſchweren, daß ich fidem publi- 
m gebrochen habe, fo wünfche ich den Herren 
ıgen zu fehen, und in meinem Avertiffemene 
leſen, daß Ich ausdrücklich gefagt, wie pro 
ce prima vice aus befondern Urfachen, der 


148 


erſte Band nicht vor DOflern ausgegeben ta 
den koͤnne. Gleichwohl werden Sie nun d 
verlangten 31 Eremplare nebſt drey bit 
mweldye zu Dero eigner Diepofition fliehen, nd 
fier Tage franco erhalten. Alles weitere Port 
von dem Orte des Eollecteurd aus, müflen t 
Abbonenten ſelbſt tragen. 

Urfache warum Ich Quartaliter nur ein 
Bogen verlange iſt, well ich der Artifel 
viele babe, daB mir zu den Originals Auffäßı 
nicht Raum genug bliebe, wenn ich mich nic 
in dem philofophifchen — biftorifchen — uı 
fhönen Literatur s Tache bloß auf allg 
meine Nachrichten, kurze Anzeigen u 
concife aber deſto zuperläßigere (folglich i 
Nothfall auch meitläufig zu rechefertigend 
Urtheile einfchranfen wollte. Unferm Schmil 
babe Ich im Fache der fchönen Litteratue d« 
nähmliche Amt aufgetragen, welches Sie iı 
biftorifchen Fache übernehmen. Nun gebt m 
noch ein tüchtiger Mann ab, dem ich de 
nahmliche Amt Im philoſophiſchen Sache au 
trage — daß tft, ich brauche einen Speculi 
tor, der, nachdem er uns von Dem pra&sen 
statu Republic philosophic Rapport al 
Heftattet, & 1. Januar 3773 alle Phaneme 


- 149 


B: an unferm Deutfchen philoſophiſchen Himmel 
a wohl beobachte, und uns darüber Dartaliter 
> in Einem oder hoͤchſtens anderthalb Bogen, 
= getreulih und ohne Gefährde, Bericht und 
e} Gutachten abliefere. Sich habe vor der Hand 
g und nisi {u quid novisti rectius istis, drey 
Candidaten im Vorſchlag: | | 
ı) Herrn Meiners, von dem Ich aber 
® ignorire, wer er if, und wo er iſt? 
“ 2) Heren Prof. Müller in Schafhaufen, 
von welchem ich ohnlaͤngſt einen beliciöfen 
- Brief erhiele. 
3) Einen academifchen Mitbruder Herrn 
Prof. Loſſius. 
Ich erbitte mir hieruͤber in moͤglichſter Eile 
s» Dero Gutachten aus. Glauben Sie daß Lofs 
: fiug mein Mann iſt, und daß er Müllern 
> vorzujiehben fen (moran ich valde dubitire) fo 
trage ich Ihnen alfobald auf, ihn meo nomine 
zu erbitten, zu poſtuliren und zu inſtalliren ıc. 
Springerum nostrum herzen und füffen Sie : 
in meinem Rahmen. * der beſte bravſte 
Mann von der Welt, Mann von Genie 
und Wiffenfchaft, Eurg, niemand kann ihn : 
höher ſchaͤtzen als ich: aber von feinem Aufs 
faß Eonnte Ich unmöglich Gebrauch machen, 


“ 







150 


/ 

Der Mereurius würde übel dabey gefi 
feyn, an allen Höfen hatte man cru« 
über ihn gerufen, und weder fein gefluͤt 
Huth, noch feine goldene NRuthe, wom 
Die Seelen regiert, batten ihm helfen Eöı 

Ich bin mit Mund, Hand und Herz 
ganz eigner. 


CCXXVI. 
An Johannes Müller. 
Meimar, den 14. April. 


Ga, mein liebenswürbiger Freund! eı 
Treundfchaft zwifchen ihnen und Wieland 
immer fol und wird fie feyn! Hatte mir 
unfer gute Meufel zu Erfurt nicht | 
lange einen großen Begriff von dem E&h« 
ter Ihres Geiſtes gemacht, fo wäre mir ‘ 
Zufchrift vom leßten des abgemichnen Iron 
genug, um mid) in jeder Fiber meines. 


send empfinden zu de ‚daß wir Frei 







find. Es gibt ei Sprache, die fih ı 
nachmachen laßt, Man muß fo denken, 
fo zu reden und man muß xurds zus "ATAL 
feyn, um fo zu denfen. Bon nun an, ı 
uerſter Müller! iſt alles unter ung gef 


151 


Mir Haben nicht nöthig gu wiſſen, wie lang 
oder kurz wir find, mas für Augen, Nafen, 
Dhren u. f. f. wir haben; Die ganze Phyfiogs 
nomif des Sreundes Lavater iſt und uns 
nuß. Wir fennen ung, und dieß ir ung 
genug. 

Sreplich iſt's ein menig meit von Weimar 
nach Schaffhaufen. Und zum Ungluͤck verfas 
gen mir meine jeßigen Umſtaͤnde das Vergnuͤ⸗ 
gen beynahe gänzlich, den Mangel des perfüns 
lichen Umganges mit meinen Steunden durch 
diejenige Art von Briefwechfel zu vergüten, 
die einer vertraulichen Untereedung fo nahe 
kommt als möglich. Der Hof, der für mich 
ben fo wenig ein Gluͤck iſt, als für den ehr⸗ 
lichen Köhler in der Dperette meines biefis 
zen Freundes Herrmann, raubt mir ſehr viele 
zeit. Von dem, was mir mein Amt bey uns‘. 
erm Prinzen übrig läßt, gehört ein Theil ' 
meiner fleinen Familie, einem Weibe, die ihr - 
Zlück und ihren Stolz darein fegt, nichts zu 
ſeyn als Wielands Weib und die. Mutter feiz 
ver Kinder, — und Kindern, welche die Nas 
ur con amore gebildet hat, und die ich nie 
infehe, ohne zu fühlen, daß ich der glucklichfte 
Sterbliche bin. — Ein andrer Theil gehört 


152 


meinen ältern, im Befiß unverlierbarer Nehte 
an mein, Herz fiehenden Sreunden, ein ander 
dem Merkur und dem unabfeblichen Dean 
von Briefen aus allen Enden des nördlichen 
Theils von Europa, der auf mich zufiürmt. 
Urtbeilen Ste nun, liebfler Freund, von mes 
ner Lage, und geloben Sie mir zum voraus 
Geduld und Nachfiht, menn Sie den Brief 
mwechfel, um deffen Sortfegung ich Ste hiemit 
bitte und ernfllih bitte, von meiner Seite 
nicht fo unterhaltend finden werden, als « 
feyn mußte, wenn er meiner Hochachtung und 
Liebe für Sie angemeffen feyn follte. \ 

Und nun, mein vortrefflicher Sreund, eine 
erfie Bitte, die Gie mie. fchlechterdinge 
nicht abfchlagen ſollen! 

Ich wuͤnſchte jährlich ein paar Artikel über 
die neuefte Litteratur (Hiſtorie und Phls 
lofophie mit unter dieſem weitfchichtigen Worte 
begriffen) in Helvetien In meinem Men 
fur zu haben. Sie find der Mann, von dem 
ih gewiß bin, daß er mir diefen Artikel 
zu Dank madhen würde. Sch verlange 
kurzgefaßte Fritifche Nachrichten, von einem 
Mann der das ganze Feld überfiche, concle 
jufammengedrangt, eine bloße Skizze, abe 


153 


ne Skizze von einer feften , freyen Hand, in 
r Geiſt und Leben if. — Kurz, ich verlange 
ag vielleicht in ganz Helvetien Sie allein . 
iften fönnen — und noch’ einmabl, liebſter 
güller, feine Verweigerung! Ich kann und 
ill mich nicht abwelfen laffen. Sie können 
jefem Artifel die Form eines Briefes von 
nem Neifenden oder Einwohner, oder welche 
orm Sie nur immer wollen, geben; ich vers 
fe mich über alles dieß fo ficher auf Sie, 
[8 ob ich Sie ſchon zehn jahre fennte. 
Wollen Sie.mir außer dieſem, jährlich noch 
n Paar fleine Abhandlungen oder Auffäße, 
ser welchen intereffanten Gegenftand Sie 
ollen, für den Merfur sufchicken, fo würden 
ie mich defto gluͤcklicher machen. Ich mwünfchte 
efen Merkur nad) und nach in einem "hoben 
rade vortrefflich und nüuglich zu mas 
en, und dieß fann nur mit Huülfe folcher 
veunde, wie Ste, gefchehen. 

In Ihr liebenswürdiges Vaterland fomme 
h ganz gewiß wieder, oder ich müßte früher 
s eine andere Welt gehen, ale ein Water uns 
undiger Rinder, und ein Mann, .der noch) 
erne viel Gutes thun möchte, wuͤnſchen fann. 
zielleicht geſchieht es einſt in der Geſellſchaft 


154 

eines jungen Sürften, den ich — geborner Ans 

tihrift der GSultane und Weffire — zärtlih 

liebe, und dem ich wenigſtens einen Theil 

meines noch übrigen Lebens gewidmet habe. 
Sept, mein beſter Müller, laffen Sie fid 

umarmen und leben Eie wohl. 


CCXXVIT, 
An Ebendenfelben 


Meimar, den 10. May 1773. 


Ach danfe Sihren von ganzem Herzen, mein 
liebenswerther Freund, für Ihren lieben Brief 
vom 28. April, Es bleibt bey dem, was wir 
einander nun ein fur allemahl erklärt haben. 
Mich freut, dad ich Sie gefunden habe, und 
der Gedanke, daß Sie mein Frenud find, If 
ein wichtiger Zuwachs meiner Gluͤckſeligkelt. 

Auch auf die Annalen des belvetifchen Gel—⸗ 
fe, welche Sie mir zum Merfur verfprechen, 
freue Ich mich ungemein. Ich laffe Ihnen dazu 
coudtes franches — mit einem Kopf und eis 
nem Herzen wie Sie haben, darf ı man thun 
was man will. 

Weil Ihre Annalen (oder wie Sie es fonft 
“ennen wollen) in das vierte Bändchen des 


155 


kurs 1773 fommen follen, fo haben Sie 
Zeit bi8 Ende Octobers diefes Jahre. 
ingegen bitte ich Ste Infländig, mir, mo 
lich, binnen dato und drey Wochen eine 
ı8 ausführliche Recenſion der voyages 
Montaigne zusufenden. Der Gefallen, den 
mir dadurch ertwiefen, würde unendlih 
ſeyn. Wir haben diefed Buch noch nicht 
‚, fo ungeduldig ich darnach bin. 
ie Bewegungen, welche der Fanatismus 
** macht, find aͤußerſt intereffant. Ich 
ſchte, daß ich eine umfiäandliche und ges 
re Erzählung von dem Anfang und big, 
ven Fortgang de main de maitre, in dem 
for einzuruͤcken befäme; und ich bitte Sie 
ndig, mofern Sie gu einer folchen Erzaͤh⸗ 
; Cin Form eines Briefes) nicht ſelbſt 
je und Luft haben, dafür zu ſorgen, daß 
Ihrer zuverlaͤßigſten Freunde dieſe Be⸗ 
ung auf ſich nehme. 
ine Abhandlung uͤber den Helvetius, 
Ihrer Hand, wuͤrde mir ſehr willkommen 
Ich denke uͤber ſeinen Esprit ohngefaͤhr 
Sie. Nur empfehle ich Ihnen dabey viel 
utſamkeit, um dem großen Haufen der 
r des Merkurs (worunter über fünfhuns 


146 | 
einen Charakter habe, i. e. was für Amt ode !, 


Titel und Würde. Die Leute bilden 
wenn fie an unfer einen fchreiben ein, mar 
wiffe das fchon, und doch iſt Fein größte 
Idiot in der neueften Litterars Hifforie, als 
Dero ergebenfler W. 


CCXXV. 
An Ebendenfelben 


Weimar, den 14. April 1773: 


Zanken Sie nur nicht, meln liebfter Meufel; 
wenn Gie bier wären, und müßten, wie viel 
mir, feitbem ich das Gouverneur s Amt bey 
unferm Prinzen, anftatt des auf etliche Wo— 
chen abmefenden Grafen vor Görg vicario 
modo gu verwefen habe, zu meinen übrigen 
Geſchaͤften und zur Eorrefpondeng Zelt übrig 
bleibt, fo würden Sie mich wie einen neuen 
St. Jobſt mit Bewunderung und beiliger Ehr⸗ 
furcht anfehen, und befennen, daß ich fo gut 
als der heilige St. Jobſt von Nürnberg ver 
diene, daß der näachfte Siechkobel, der in This 
singen gebaut werden wird, meinem Nahmen 
gewidmet werde. 

Der Plan, nah welchem Sie, mein fe 


147 


hrwuͤrdiger Mitbruder , in der gelehrten Kreutz⸗ 
rägerfchaft das Fach der Eritifhen Wachs 
ichten, „von Dem, wie e8 pro tempore 
in der biftorifchen Provinz des gelehrs 
ten Deutfchlandes ausfieht, und was darin 
‚von 1773 an ferner fich ereignen und zutras 
‚gen wird“ — auf fih zu nehmen fich gutigft 
cbieten; diefer Plan ift wie aus meinem Kopfe 
erauggefchnitten. Dieß iſt ed eben warum 
h Eie bitten wollte, und ſchon längft gebes 
n hätte, wenn ich zum Schreiben fommen 
Innte. Da ich Duartaliter nicht mehr ale 
oͤch ſtens Einen mit Fleinen Lertern gedruck⸗ 
n Bogen. verlange, fo verlaffe ich miich dars : 
uf, daB Euer Liebden diefen Artikel (wozu 
h Sie hiemit ad ordinarium in gierlichfter '- 
orm erbeten, erwählt, poflulirt, confirmirt 
nd inſtallirt haben will) quoad materiam et 
ırmam fo fleißiglich ausarbeiten werden, als 
; Ihnen möglich iſt. . 
Anlangend die Ungeduld der Abbonnenten, 

eiche fich befchweren, daß ich fidem publi- 
ım gebrochen babe, fo wünfche ich den Herren 
ugen zu fehen, und In meinem Avertiffement 
leſen, daß ich ausdruͤcklich gefagt, mie pro 
ic prima vice aus befondern Urſachen, der 


148 


erfie Band nicht vor Oſtern ausgegeben wer⸗ 
den fönne. Gleichwohl werden Sie nun dk 
verlangten 31 Eremplare nebſt drey bi, 
melde zu Dero eigner Diepofition ſtehen, naͤch⸗ 
fier Tage franco erhalten. Alles weitere Porto, 
von dem Orte des Eollecteurd aus, muͤſſen bie 
Abbonenten felbft fragen. 

Urfache warum ich Quartaliter nur einen 
Bogen verlange iſt, weil ich der Artikel fo 
viele babe, daB mir zu den Originals Auffägen 
nicht Raum genug bliebe, wenn ich mich nicht 
in dem pbilofophifchen — Hiflorifhen — und 
fhönen Eitteratur s Tache bloß auf allge 
meine Nachrichten, kurze Anzeigen und 
concife aber deſto zuverläßigere Cfolglich im 
Nothfall auch meitläufig zu vechtfertigende) 
Urtheile einfchräanfen wollte. Unferm Schmidt 
babe ich im Fache der fehönen Litteratur das 
nähmliche Amt aufgetragen, welches Sie im 
biftorifchen Fache übernehmen. Nun gebt mie 
noch ein tüchtiger Mann ab, dem ich das 
nabmliche Amt im philofophifchen Sache aufs 
trage-— das ift, ich brauche einen Speculas 
for, der, nachdem er uns von dem prasenti 
statu Republic philosophicz Rapport abs 
geftattet, & 1. Januar 3773 alle Phänomene 


i 
5 


149 


an unſerm deutſchen philoſophiſchen Himmel 
wohl beobachte, und uns daruͤber Qartaliter 


: in Einem oder hoͤchſtens anderthalb Bogen, 


- um 


getreulich und ohne Gefaͤhrde, Bericht und 
Öutachten abliefere. Sich habe vor der Hand 
und nisi tu quid novisii rectius istis, drey 
Candidaten im Vorſchlag: | 
ı) Herrn Meiners, von dem Ich aber 
ignorire, wer er if, und wo er iſt? 
2) Heren Prof. Müller in Schafhaufen, 
von welchem ich ohnlängft einen delictöfen 
Brief erhielt. 


3) Einen academifchen Mitbruder Herrn 


Drof. Loſſius. 

Ich erbitte mie hierüber in möglichfter Eile 
Dero Gutachten aus. Glauben Sie daß Lofs 
fing mein Mann if, und daß ee Mullern 
vorzusiehen fen (woran ich valde dubitire) fo 
trage Ic) Ahnen alfobald auf, ihn meo nomine 
zu erbitten, gu poſtuliren und zu inflalliven ıc. 







Springerum nostrum hgrjen und füffen Sie 
in meinem Rahmen. ber beſte bravſte 


Mann von Genie 


Mann von der Welt, | 
und Wiffenfchaft, Eurg, niemand kann ihn 


höher fchägen als ich: aber von feinem Aufs 


faß konnte ich unmöglich Gebrauch machen. 


” 


— . 


150 


Der Mercurius würde übel dabey gefahren 
feyn, an allen Höfen hätte man crucıfige 
über ihn gerufen, und weder fein geflügelte 
Huth, noch) feine goldene Ruthe, womlt a 
die Seelen regiert, hätten ihm helfen koͤnnen. 

Ich bin mie Mund, Hand und Herz Ihr 
ganz eigner. 


CCXXVI. 
An Johannes Muller. 
Meimar, den 14, April. 1773 


Ta, mein liebenswürdiger Freund! es ifl 
Treundfchaft zwifchen Ihnen und Wieland und 
immer fol und wird fie feyn! Hatte mir auch 
unfer gute Meufel zu Erfurt nicht ſchon 
lange einen großen Begriff von dem Charak— 
ter Ihres Geiftes gemacht, fo wäre mir Ihre 
Zufchrift vom legten des abgemichnen Monaths 
genug, um mid in jeder Fiber meines Ners 
zens empfinden zu wachen, daß wir Freunde 
find. Es gibt for die fich nicht 
nachmachen laßt, Man muß fo denken, um 
fo zu reden und man muß xursr xus "ATAOOE 
feyn, um fo zu denfen. Bon nun an, mein 
theuerſter Müller! iſt alles unter und gefagt, 







"151 


Zir haben nicht nöthig zu miffen, mie lang 
ver kurz wir find, was für Augen, Nafen, 
hren u. f. f. wir haben; die ganze Phyſiog⸗ 
mit des Freundes Lavater iſt und uns 
uͤtz. Wir kennen ung, und dieß iſt ung 
enug. 

Freylich iſt's ein wenig weit von Weimar 
ach Schaffhauſen. Und zum Ungluͤck verſa⸗ 
n mir meine jetzigen Umſtaͤnde das Vergnuͤ⸗ 
n beynahe gänzlich, den Mangel des perfüns 
chen Umganges mit meinen Sreunden durch 
ejenige Art von Briefwechfel zu vergüten, 
e einer vertraulichen Unterredung fo nahe 
mmet als möglich. Der Hof, der für mich 
en fo wenig ein Glüd iſt, als für den ehr⸗ 
chen Köhler in der Dperette meines hiefis 
nn Sreundes Heremann, raubt mie fehe viele 
it. Bon dem, was mir mein Amt bey un⸗ 
em Prinzen übrig läßt, gehört ein Theil | 
einer fleinen Familie, einem Weibe, die ihr 
lück und ihren Stolz darein fegt, nichts zu 
nn ale Wielands Weib und die. Mutter feis - 
r Kinder, — und Kindern, welche die Nas - 
r con amore gebildet bat, und die ich nie 
iſehe, ohne zu fühlen, daß ich der glucklichfte 
terbliche bin. = Ein andrer Theil gehört 


152 


meinen älfern, im Befiß unverliecbarer Rech 
an mein, Herz fiehenden Freunden, ein ande 
dem Merkur und dem unabfeblichen Dee 
von Briefen aus allen Enden des nördlid) 
Theils von Europa, der auf mich zufiün 
Urtheilen Ste nun, liebfler Freund, von m 
ner Lage, und geloben Sie mir zum vora 
Geduld und Nachfiht, wenn Sie den Bri 
mechfel, um deffen Fortfegung Ich Sie bier 
bitte und ernfllich bitte, von meiner &ı 
nicht fo unterhaltend finden werden, alg 
feyn müßte, wenn er meiner Hochadytung u 
Liebe für Sie angemeffen feyn follte. 

Und nun, mein vortrefflider Sreund, e 
erfie Bitte, die Sie mir fchlechterdin 
nicht abfchlagen ſollen! 

Ich wänfchte jährlich ein paar Artikel ü 
die neuefte Literatur (Hiſtorie und P 
Iofophie mit unter diefem meitfchichtigen- Wo 
begriffen) in Helvetien In meinem Mı 
Eur zu haben. Sie find der Mann, von d 
ich gewiß bin, daß er mir dieſen Artil 
zu Danf madhen würde Sch verlaı 
kurzgefaßte Fritifche Nachrichten, von ein 
Mann der das ganze Feld überfiche, con 
jufammengedrangt, eine bloße Skizze, a 


153 


eine Skizze von einer feften , freyen Yand, in 
der Geiſt und Leben if. — Kurz, ich verlange 
was vielleicht in ganz Delvetien Sie allein. . 
leiften fönnen — und noch’ einmahl, liebſter 
Müller, keine Verweigerung! Ich kann und 
will mich nicht abwelfen laffen. Sie können 
Diefem Artifel die Form eines Briefes von 
einem Neifenden oder Einwohner, oder welche 
Sorm Sie nur immer wollen, geben; Ich vers 
laffe mich über alles dieß fo ficher auf Sie, 
ale ob ich Sie ſchon zehn jahre Fennte. 

Wollen Sie.mir außer-diefem, jährlich noch 
ein Paar fleine Abhandlungen oder Aufſaͤtze, 
über melchen intereffanten Gegenfland Sie 
wollen, für den Merkur sufchicken, f9 würden 
Sie mich defto glücklicher machen. Ich wünfchte 
diefen Merkur nach und nach in einem "hoben 
Grade vortrefflih und nuglich zu mas 
hen, und dieß fann nur mit Hulfe folcher 
Freunde, wie Sie, gefchehen. 

In Ihr liebenswürdiges Vaterland komme 
ih ganz gewiß wieder, oder ich müßte früher 
in eine andere Welt gehen, als ein Water uns 
mundiger Rinder, und ein Mann, der noc) 
gerne viel Gutes thun möchte, wuͤnſchen fann. 
Vielleicht gefchiehe es einft in der Geſellſchaft 


154 

eines jungen Sürften, den ich — geborner Ans 

tichrift der GSultane und Weſſire — gärtlih 

liebe, und dem Ich wenigſtens einen Theil 

meines noch übrigen Lebens gewidmet habe. 
Jetzt, mein beſter Müller, laſſen Ste fi 

umarnıen und leben Eie wohl. 


CCXXVII. 
An Ebendenſelben. 


Weimar, den 10. Map 1773. 


Ich danke Ihnen von ganzem Herzen, mein 
liebenswerther Freund, für Ihren lieben Brief 
vom 28. April. Es bleibt bey dem, was wir 
einander nun ein fuͤr allemahl erklaͤrt haben. 
Mich freut, daß ich Sie gefunden habe, und 
der Gedanke, daß Sie mein Freund ſind, iſt 
ein wichtiger Zuwachs meiner Glückfeligfeit. 

Auch auf die Annalen des belvetifchen Sels 
flieg, welche Sie mir zum Merfur verfprechen, 
freue Ich mich ungemein. Ich laffe Ihnen dazu 
coudces franches — mit einem Kopf und eis 
nem Herzen wie Sie haben, darf man thun 
mas man will. 

Weil Ihre Annalen Coder wie Sie es fonf 
nennen wollen) in das vierte Bändchen des 


153 


Merfard 1773 kommen follen, fo haben Sie 
noch Zeit bi8 Ende Octobers diefes Jahre. 

Hingegen bitte ich Ste Infländig, mir, mo 
möglich, binnen dato und drey Wochen eine 
etwas ausführliche Necenfion der voyages 
de Montaigne zuzufenden. Der Gefallen, den 
Ste mir dadurch ermwiefen, würde unendlih 
groß feyn. Wir haben diefes Buch noch nicht 
bier, fo ungeduldig ich darnach bin. 

Die Bewegungen, welche der Fanatismus 
in ** macht, find dußerft intereffant. Ich 
wuͤnſchte, daß ich eine umflandliche und ges 
nauere Erzahlung von dem Anfang und big; 
herigen Fortgang de main de maitre, in dem 
Merkur einzuräcen befame; und ich bitte Sie 
inftandig, wofern Sie zu einer folchen Erzähs 
lung (in Form eines Briefes) nicht ſelbſt 
Muße und Luſt haben, dafuͤr zu forgen, daß 
einer Ihrer zuverlaͤßigſten Freunde dieſe Be⸗ 
muͤhung auf ſich nehme. 

Eine Abhandlung uͤber den Helvetius, 
von Ihrer Hand, wuͤrde mir ſehr willkommen 
ſeyn. Ich denke uͤber ſeinen Esprit ohngefaͤhr 
wie Sie. Nur empfehle ich Ihnen dabey viel 
Behutſamkeit, um dem großen Haufen der 
Leſer des Merkurs (worunter über fünfhuns 


156 

dert Fatholifche Abonnenten find) nicht anfk 
Big gu werden. Dit einer gewiffen guten A 
laßt fich Alles fagen. Ueberdich iſt wohl nid 
zu laugnen, daß Helvetlus nicht in alle 
und am allerwenigften in feinem Deaterlali 
mus Recht hat. 

Das lange Außenbleiben ded deutfchen Mi 
furs wird, mie ich beforge,. großes Mißve 
gnügen erregen. Die Umſtaͤnde alein fi 
daran fihuld. Sch ließ Anfangs nur 25: 
Eremplar druden, und glaubte an diefen no 
zu viel zu haben. Nach und nach aber liefi 
fo viele Beflelungen ein, daß Ich eine ne 
Auflage machen laffen mußte, weil die er 
kaum zureichte, die altern Bellelungen zu 6 
friedigen. Die fpäter gefommenen mußt 
alfo nothwendig um einige Wochen zuri 
ſtehen. | 
Es mangelt mir ein geſchickter Correſpo 
dent, der von vier Monathen zu vier Mon 
then Eritifchen Bericht über den Zuſtand d 
Litteratur und Künfte in Italien an di 
Merkur erfiatte. Sie, welche um fo viel nah 
als ich bey Italien find, haben vielleicht S 
legenheit mir einen folchen zu verfchaffen. 


157 


CCXXVII. | 
An Meufel. 


Weimar, den 26. May 1773. 


Sch danke Ahnen für die ferner an mich 
ibermachten 40 Reichsthaler mercurialifcher 
Belder, wofuͤr Ich Sie hiemit in beſter Form 
juittire. 

Daß unfer Freund und Mitarbeiter Schmidt 
in Exemplar frey bat, verfieht ſich ja von 
elbſt. Ich biete Sie inftändig, mir Ihren 
rften Beytrag bald moͤglichſt zu fchiden. 
rünfteln Sie ja nicht gar zu viel. Sch bin 
vewiß, daß aus Ihrer Feder nichts kommt 
a8 dem Mercur nicht Ehre machen follte. 

Ich begreife nicht, wie es zugeht, daß ich 
yergeffen haben folte, Ihnen zu fagen, bag 
mmer dag zehnte Eremplar- von den Erems 
olaren, welche Sie als Collecteur debitiren, 
Ihnen zugehoͤrt. Aber monathlich, llebſter 
Freund, kann und ſoll kuͤnftig Niemand den 
Merkur erhalten. Ich muß auf alle erſinnliche 
Mittel denken, dem Nachdruck zu ſteuern, der, 
leider! von allen Enden angedroht wird. Alles 
komme darauf an. daß die Abonnenten auss 
halten und getreu bleiben bis in den Taod. 


- 


— 


158 
Ich meines Orts will Dagegen auch das mög 
lichſte thun, und für den nachflfünftigen Jahr 
gang eine Einrichtung treifen, wobey Das 
Publikum merklich gewinnen fol. 
Tu ne cede malis sed contra audentior ito. 
Zur Nlcefle, mein Treund, find Sie und 
ihre Geltchte und Freund Springer freund: 
nachbarlidy) eingeladen. Sie wird naͤchſten 
Freytag zum Erftenmahl, und vermuthiich in 
Fünftiger Woche nieder cin oder zweymahl 
gefpielt. 





CCXXIX. 
An Ebendenſelben. 

Weimar den 21. YJuny 1773. 
Macte virtute! Euge! recte! belle! ift alle 
mas Ich Ahnen zu Ihrem Beytrage fagen 
fann! Ich bin ſehr damit zufrieden, wenn 
Ihnen hieran was gelegen ſeyn kann. Da 
ich ſelbſt viel Daraus gelernt babe, fo iſt vers 
muthlich, daß noch viele Hundert Unwiſſendere 

als ich Gott dafuͤr danken werden. 
Tahren Sie nun, ich bitte Sie, ferner alfo 
fort, und erfülen Sie binnen ſechs Wochen 
langfiens Die Doffuungen, fo Sie ung Is 


159 
efem Auffaß gegeben haben. Muͤndlich wäre 
eylich noch viel zu fprechen. Aber wie foms 
en wir dasu? Die zwo Meilen zwiſchen 
as find der Wirkung nad) fo viel als 200. 
ch fhame mich vor unferm ***. Auf zween 
tiefe bin ih ihm Antwort fehuldig. Gott 
fe mie! Sch weiß nicht wo ich löfchen fol, 
an es brennt.an allen Eden. jeder Pofts 
g haͤuft meine Schulden an meine Corres 
ondenten, und e8 tft wahrlich meine Schuld 
ht, wenn ich zu zahlen aufhore. In acht 
ıgen, liebſter Meufel, beziehe ich meine neue 
ohnung; dort hab’ ih Raum geung fur 
ich und meine Freunde; und dann, wann 
ft Alcefte wieder gefpielt wird, lad’ ich Sie 
d Ihre liebe Hausehre zu mir ein, und Sie 
en Ihre Wunder. fehen und hören. Ich ꝛc. 


CCXXX. 
An Ebendenſelben. 

Weimar, den 2. Auguſt 1773. 
ch bitte und befchwöre Sie bey den Goͤt⸗ 
n der Sreundfchaft, um folgende drey Lies 
sdienſte: 
1) um eine Fortſetzung des hiſtoriſchen Ars 

tifels für den dritten Theil des Mercurs. 


166 


2) Den Freund Schmidt in Biegen I 
lid um Sortfegung feines Artikel 
bitten. Sich bab es ſchon vor vl 
Tagen ſelbſt gethan, aber er gibt 
chriftlich Zeichen von fich. 

3) Unverzüglich den Herrn Profeffor Lı 
in meinem Nahmen anzufprechen, dı 
(gegen die Gebühr) auf ſich nehme, 
tifche Nachrichten von dem gegenmwär 
Zuftande der Philoſophie und den neu 
Erfcheinungen über dem philoſophi 
Horizont in Deutfchland, in dem 
ſchmacke ungefähr wie Schmids und 
Artikel ik, In den Merkur zu liefern. 
Anfang müfle fogleich gemacht wer 
denn binnen drey Wochen muß Ich 
Manuſcript notbiwendig haben. Ihr 
teefflicher Here Statthalter wird 9 

‚ Loſſius felbft gu Diefer Arbeit aufmunı 

⸗ Ich habe unmoͤglich Zeit ſelbſt an di 

jungen Mann zu ſchreiben; aber ich w 

mich vielleicht in den naͤchſten vier 

Tagen mündlich gegen ihn exrpectort 

und einsmwellen bitte ich Sie mein | 

fprecher zu feyn. 


| 162, 
CCXXXI. 
An Johann von Muͤller. 
Weimar, den 2. Auguſt. 1773. 


Rein Theuerſter, ich babe nur etliche Aus 
liche Shren angenehmften Brief zu beants 
ten und alfo erwarten Sie nicht mehr, 
was ſich in etlichen Augenblicken fagen 
Ihre Freundfchaft iſt mir unendlich 
bar, aber ich geftehe ihnen frey, fie ME 
mir vornehmlich Durch die Hoffnung, daß 
: von Zeit zu "Zeit einige Stunden ans 
den werden, etwas für den Merkur zu 
n. 
ſch habe bey dieſem Merkur hoͤhere Abſich⸗ 
als Cameraliſtiſche (und auch dieſe letztern 
in ich ſie erreiche, will ich dem Publico auf 
edelſte Art nuͤtzlich machen) aber ich kann 
8 ohne die Mitwirkung ſolcher Geiſter, 
Sie ſind. | 
8 fchmerzte mich fehr, da ich, nad) fo lan⸗ 
s Warten, einen leeren Brief von Ihnen 
lelt. Der Fleinfte Aufſatz wuͤrde mir die 
Jaftefte. Freude gemacht haben. Fragen Sie - 
h nicht — was für Auffäge? Einem Mann 
| Genie fagt man nicht was er thun fol, 
Bielands Briefe III. V. 11 


163 


Indeſſen, wenn Sie eben fo wenig Zeit has 
ben, für den Merfur zu arbeiten als ich jum 
Briefefchrelben, fo ergebe ich mich zwar In 
mein Schickſal: aber in diefem Falle bitte ich 
Gie, alles was in Fhrem Gegenden fähig if, 
etwas Gutes zu fihreiben, zur Thellnehmung 
an meiner Unternehmung, toelche eine Wohl 
that für unfere Nation werden könnte, aufzus 
muntern. Sie haben das was der Merkur 
thun follte, vortrefflich Ins Auge gefaßt. Aber 
nochmahls, liebſter Freund, beifen Sie mir 
vollbringen. Hier zu Lande find viele ho- 
mines bonae voluntatis: aber damit allein if 
mir und der Melt nicht gedient. 

Maß, wie mich dünft, gang vorzüglich Ihr 
Sach wäre, find Dialogen im Gefchmad 
des Diderot, die man nicht genug leſen 
noch loben kann. Wenn ich’ errachen babe, 
fo fegen Sie fih In dem erfien Yugenblid, 
da Sie das Säufeln der Gegenwart Ihres 
Genius hören, bin, und fchreiben, mas er 
ihnen eingibt, 

Den zweyten Theil bes Merfurs möäflen Sie 
nun erhalten haben. Ich wuͤnſchte gu wiſſen, 
ob man beffer damit zufrieden ſeyn mird, 

t dem erfien. 


——— — — ———— — — — — —— —- —ñ— — — ung 


| 163 
Sept occupirt mich der dritte Theil, und ein 
aar Gingfpiele auf bevorfichende Geburts⸗ 
ige an unferm Hofe, fo flarf, daß ich fonft 
ı nichts gut bin. Eines von dieſen letztern, 
iv unfern jungen Herzog, nennt fih die 
Zahl deg Herkules (Hercules in bivio) 
ıd macht einen Fleinen Anfpruh an Ihren 
eyfal. Es wird im dritten Theil des Mers 


IE paradiren. 
| 


CCXXXII. 
"An Ebendenfelben. 
Weimar, den 6. Auguſt. 73 


Mein Theureſter, ich habe einen Mann wie 
ie vonnöthen, der von Vierteljahr zu Vier⸗ 
ljahe kritiſche Nachrichten von dem Merk⸗ 
uͤrdigſten, mag feit 1773 im Fache der Phis 
‚fophie in Deutfchland herausgekommen 
und ferner erfcheinen wird, in den Merkur 
fre. Aber zum Unglüd bat ein Mann tie 
ie mehr zu thun, als einen ordentlichen Mits 
beiter zum Merfur abzugeben. Sich fage Ih⸗ 
n nichts von Motiven. Sie ſehen fo gut 
8 ich, daß diefer Merkur ein für die Nation 


164 


wichtige Inſtitut würde, wenn bie beſten 
Köpfe daran arbeiteten. Und dieſer Gebanle 
wuͤrkt gewiß bey Ahnen mehr, ale was id 
Ahnen fonft fageh koͤnnte. Es kommt alfe 
wohl nur darauf an, ob Sie Zeit haben. 

Ich bitte Sie aufs Inflandigfie, mie mil 
naͤchſter Poft Ihre Entfchli:Bung zu melden, 
Iſt fie gänftig, fo hoffe ich Ste werden noch 
zum dritten Bande des Merfur, an welchen 
nun gedruct wird, Ihren erfien Beytrag is 
fern können. In ſechs Wochen a dato,‘ abet 
feinen Tag fpäter, fame folcher noch’ zu rech⸗ 
ter Zeit, wiewohl ich freylich wänfchte, {fe 
fhon mit Anfang des September zu erhalten 
Verzeihen Sie, mein licbenswärdiger Breund, 
meinem Ungeſtuͤm. Es mangelt in Gachfer 
nicht an Männern, welche den Artikel den Id 
Ahnen fo gerne übertragen möchte, ganz leid⸗ 
Ih machen mürden. Aber ich kenne Pliemans 
den der ihn fo gut machen würde, als Sie 
Molen Sie nicht, oder fünnen Sie nicht, 
wie Sie wollen, fo muß ich freylich aus de 
Noth eine Tugend machen. Reißen Ste mid fi 
bald als möglich aus einer Ungewißheit, bie 
mich verlegen macht. 


Re en an — — 


265 
CCXXXIII. 4 
An Meufel 


Weimar, den 1. September. 1773: 


Künftigen Sonnabend, ale den vierten Sep⸗ 
ımber mird unferm jungen Herzog zu Ehren, 
Afride, ein neues ſehr fchönes Trauerfpiel 
on Heren Bertuh, und die Wahl des 
yerculegs von dem Berfaffer der Alcifte aufs 
eführt werden. Ach babe alle Erforderniffe 
n meinem jetzigen Quartier , etliche gute 
freunde zu Iogiren. Alſo, mein liebſter Meus 
ef, find Sie und Ihre Tiebe Hergensfönigin 


nd unfer Springer freundlich von meiner . i 


frau und mir invitirt und eingeladen, zu 
ommen, zu fehen, zu hören, und ung bey 
tiefer Gelegenheit durch Ihren freundfihaftlis 
ben Befuh gluͤcklich zu machen. Ja feine 
‚bfchlägige Antwort, mein liebſter Freund: 
Daß Sie geradenmweged vor meln Quartier, 
hnweit der Stadtkirche (wo Sie jedermann 
u rechte weiſen kann) fahren follen, verſteht 
ih von felbft. Ich umarme Ste von ganzem 
yerzen. Empfehlen Sie mich unferm Sprins 
er und fagen ihm, wenn er mich noch ein 
venig liebe, fol er Ja nicht zuruͤckbleiben. 


166 


CCXXXIV. 
An Eb:ndenfelben. 


Weimar, den 17, September : 


ihre zu fchnelle Entfernung von ung 
nen Sie nur dadurch gut machen, wenn 
defto bälder und auf längere Zelt mi 
fommen. 

Ihre Recenfion des Herkules iſt mit 
angenehm, und ich danfe Ahnen dafür 
Herzen, fonderlic für das Gute das Sie 
Schmelzern und den beyden Actricen 
fagt haben. 

Schüsgen werde ich fragen = Was 
ft du? 

Die Alcefte des Quinault Habe Ich wir 
auf meinem Schreibtifche liegen; ich bra 
fie noch, und fiehe Ihnen und Ihrer acad 
chen Bibliothek fir die Zuruͤckgabe mit a 
was Ich bin und habe. 

Kehren Sie ſich an kein Naferumpfen, 
fahren Sie mit Ihrem Artikel in den Mi 
fort. Man Fann nicht allen alles gu d 
tun. Die Göttinger wollen daB man 
ihnen nur mit gebognen Knien, wie von | 

fprechen fol; und find alfo unmui 


Baß Sie von: ihnen als von flerblichen ſuͤndi⸗ 
gen Menfchen gefprochen haben. Die Nachs 
richt wegen des Winkelmannifchen Werkes 
kann Im dritten Bande des Merkurs feinen 
Dia mehr bekommen; denn fchon find neuns 
sehn Bogen vol, Aber: im vierten Bande fol 
fie einen Plab erhalten. 


CCXXXV. 
An Gleim. 
Weimar, den 22. October 1773. 


Mein lieber Here Gott ſelbſt fann: nicht alle 
frumme Hölzer gerade machen, und allen Ber 
fchwerden der Menfchenfinder zuvor fommen, 
Wie follt ich Erdenwurm ed können, beftee 
Gleim: Niemand leidet nur halb fo viel unter 
der bisherigen fchnedenmäßigen und niche fels 
ten unrichtigen Expedition des Merkurg, als 
ih. Die Duelle alled Uebels war bisher, daß 
der Mercur nicht bier, fondern zu Rudolſtadt 
gedruckt wurde — daher eine folche verwünfchte 
Menge von versögernden Amfländen und Zus 
fällen, daß mir oft dag Leben darüber zur 
Dlage wurde. Bon Anno 1774 an fol dee 
Merkur bier in Weimar gedruckt werben, und 


168 


dann ſtehe ich Ihnen und allen Lefern fit 
rüunftliche-Erfulung meines gegebenen Worte, 

Es iſt meine Echuld nicht, mein verehrungs 
wuͤrdiger und innigfigelichter Freund, daß die 
bauptfächlichfien Echriftficher unferer Nation 
nicht in eine Confoͤderation gegen die Elenden, 
die ung ungeftraft berauben, sufammentreten. 
Ich bin zu allem bereit, was der gemeinen 
Sache zuträglih iſt. Allein Coriphaͤus kann 


ich nicht ſeyn; mein Leben bat ohne dieß Pla⸗ 


gen genug; dann fehe ih doch auch yganj 
deutlih, daß die Sache in der Ausführung 
Schmierigfeiten bat, die Ihe andern warmen 
Köpfe für übermwindlicher anfeht, als fie find. 

Der Himmel weiß, wie oft e8 mich in der 
‚Seele fchmerzt, daß ich dem Vergnügen, mic 
mit Ihnen und unfern Brüdern Jacobi oft 
und freundfihaftlic zu unterhalten entfagen 
muß. Ich kann Ahnen nicht zumutben, daß 
Sie immer allein fprehen; und mit zu reden 
babe ich bald feine Zeit, bald feine Luft. Denn 
Weimar und der deutfche Mercur haben mid 
fo fehr aus meinen Eirkeln herausgefegt , daß 
ich Mühe habe mich felbft zu fennen. Geduld, 
liebſter Gleim, vieleicht wird mir mit ‚der 
Sit leichter um Kopf und Her. DaB Ih 


| 


169 


Inen Gleim herzlich Tiebe, iſt und bleibt 
e Empfindung, die in meine Seele enges 
bt iſt, und nur durch ihre Vernichtung zer⸗ 
hrt werden fönnte, Dieß Iaffen Ste einss 
Hen für ertwag gelten, und haben Sie Mis⸗ 
den mit Ihrem guten Wieland, der jede 
tre Stunde, die ihm zufällt, forgfältig ans 


nden muß, einem Engagement mit dem - - 


blico genug zu thun, zu welchem ihn mehr - 
ne Umftände und häuslichen Pflichten, als 
n frener Wille gebracht haben. 


CCXXXVI. 
An Ebendenfelben 


Weimar, den 6. December 1773. 


Mein unvergleichlicher, befter, llebſter Gleim! 
we Gutherzigfeit, Ihre Geduld mit. mie . 
che mir in der That das Herz. Vermuth⸗ 
h hat “ihnen irgend ein Gott, ein Genius 
ferer Sreundfchaft geoffenbart, daß Ich Sie, 
‚8 meiner hartnäcigen Stummheit, die bald 
re Tochter der Nothmwendigkeit, bald Ders 
offenheit und Krankheit war, immer noch 
en fo zärtlich Tiebe, als ehmahls, da «8 
nen meine Briefe fagten. 


166 


2) Den Freund Schmidt in Gieß 
Ih um Fortfegung feines Ar: 
bitten. Sch Hab es fchon vor 
Tagen ſelbſt gethban, aber er ; 
chriſtlich Zeichen von ſich. 

3) Unvergüglich den Herrn Profeffo 

in meinem Nahmen anzufprechen 
(gegen die Gebühr) auf fich neh 
tifche Nachrichten von dem gegen 
Zuftande der Philofopbie und den 
Erfcheinungen über dem philoſi 
Horizont in Deutfchland, in t 
ſchmacke ungefähr wie Schmids 
Artikel IR, iu den Merkur zu lief 
Anfang muͤſſe fogleich gemacht 
denn binnen drey Wochen muß 
Manufcript nothwendig haben. | 
treffliher Here Statthalter wir 
Loſſius ſelbſt zu Diefer Arbeit aufı 
Ach babe unmöglich Zelt ſelbſt a 
jungen Mann gu (chreiben; aber i 
mich vielleicht in den nächften 
Tagen mündlich gegen Ihn expe 
und einsweilen bitte ich Sie m 
fprecher zu ſeyn. 


| 162, 
CCXXXI. 
An Johann von Muͤller. 
Weimar, den 2. Auguſt. 1773. 


Mein Theuerſter, ich habe nur etliche Aus 
genblicke Ihren angenehmften Brief zu beants 
orten und alfo erwarten Sie nicht mehr, 
als was fich in etlichen Augenblicken fagen 
läßt. Ihre Freundſchaft iſt mir unendlich 
ſchaͤtzbar, aber ich geftehe Ihnen frey, fie Mi 
es mir vornehmlich Durch die Hoffnung, daß 
Sie von Zeit zu "Zeit einige Stunden ans 
menden werden, etwas für den Merkur au 
thun. | 

Ich habe bey diefem Merkur höhere Abfichs 
ten als Sameraliftifhe (und auch dieſe letztern 
wenn ich ſie erreiche, will ich dem Publico auf 
die edelſte Art nuͤtzlich machen) aber ich kann 
nichts ohne die Mitwirkung ſolcher Geiſter, 
wie Sie ſind. 

Es ſchmerzte mich ſehr, da ich, nach ſo lan⸗ 
gem Warten, einen leeren Brief von Ihnen 
erhielt. Der kleinſte Aufſatz wuͤrde mir die 
lebhafteſte Freude gemacht haben. Fragen Sie 
mich nicht — was für Aufſaͤtze? Einem Mann 
von Genie ſagt man nicht was er thun ſoll. 

Wielande Briefe III. V. 11 


163 


Sindeffen, wenn Sie eben fo wenig Zelt ha 
ben, für den Merkur zu arbeiten als ich zum 
SHriefefchrelben, fo ergebe ich mich zwar in 
mein Schidfal: aber in dieſem Falle bitte ich 
Sie, alled was in hrem Gegenden fähig if, 
etwas Gutes zu fihreiben, zur Theilnehmung 
an meiner Unternehmung, toelche eine Wohl 
that für unfere Nation werden könnte, aufs 
muntern. Sie haben das was der Merkur 
thun follte, vortrefflich Ing Auge gefaßt. Aber 
nochmahls, liebfter Freund, beifen Sie mir 
vollbringen. Hler zu Lande find viele ho- 
mines bonae voluntatis: aber damit alleln if 
mir und der Welt nicht gedient. 

Was, wie mich dünft, ganz vorzüglich Ihr 
Sach wäre, find Dialogen im Geſchmack 
des Diderot, die man nicht genug leſen 
noch loben kann. Wenn ich’ errathen habe, 
fo fegen Sie fi) In dem erfien Augenbild, 
da Sie das Säufeln der Gegenwart Ihres 
Genius hören, bin, und fchreiben, was e 
ihnen eingibt. 

Den zweyten Theil bes Merkurs mäflen Sie 
nun erhalten haben. Ich wuͤnſchte gu wiſſen, 
ob man beffer damit zufrieden ſeyn wird, 
als mit dem erfien. 


a ü 


| 163 
Jetzt oecupirt mich der dritte Theil, und ein 
Jaar Gingfpiele auf bevorfichende Geburts⸗ 
age an unferm Hofe, fo ftarf, daß ich ſonſt 
u nichts gut bin, Eines von dieſen letztern, 
ar unfern jungen Herzog, nennt fi die 
Bahl des Herkules (Hercules in bivio) 
nd macht einen Fleinen Anfpruch an Ihren 
seyfal. Es wird im dritten Theil des Mers 


ıv paradiren. 
) 


CCXXXIT. 
An € bendenfelben, 
Meimat, den 6. Auguſt. 17730 


Mein Theureſter ‚ich habe einen Mann wie 
zie vonnöthen, der von Vierteljahr zu Vier⸗ 
»ljahr kritiſche Nachrichten von dem Merhk—⸗ 
ͤrdigſten, was ſeit 1773 im Fache der Phis 
ofophie in Deutfchland herausgekommen 
E und ferner erſcheinen wird, in den Merkur 
efre. Aber zum Unglüc bat ein Mann wie 
zie mehr zu thun, als einen ordentlichen Deits 
rbeiter zum Merfur abzugeben. Ich fage Ih⸗ 
en nichts von Motiven. Sie fehen fo gut 
[8 ich, daß diefer Merkur ein für Die Nation 


164 


wichtiges Anftitut würde, wenn die befn 
Köpfe daran arbeiteten. Und diefer Gedantı 
wuͤrkt gewiß bey Ahnen mehr, ald mag id 
Ihnen fonft fagen koͤnnte. Es kommt alſo 
wohl nur darauf an, ob Sie Zeit haben. 

Ich bitte Sie aufs inſtaͤndigſte, mir mit 
naͤchſter Poſt Ihre Entfchli.Gung zu melden. 
Iſt ſie guͤnſtig, ſo hoffe ich Sle werden noch 
zum dritten Bande des Merkur, an welchem 
nun gedruckt wird, Ihren erfien Beytrag lie - 
fern können. In ſechs Wochen a dato, aber 
feinen Tag fpäter, kaͤme folcher noch’ zu rech⸗ 
ter Zeit, wiewohl ich freylich wuͤnſchte, Ihn 
fhon mit Anfang des September zu erhalten. 
Merseihen Sie, mein liebenswärdiger Sreund, 
meinem Ungeftüm. Es mangelt in Sachſen 
nicht an Männern, welche den Artikel den ich 
Ahnen fo gerne übertragen möchte, gang leid 
lich machen mürden. Aber ich kenne Nieman⸗ 
den der ibn fo gut machen würde, als Sie 
Wollen Sie nicht, oder koͤnnen Sie nicht, 
wie Gie wollen, fo muß ich freylich aus be 
Noth eine Tugend machen. Reißen Sie mich fo 
bald als möglich aus einer Ungewißheit, die 
mich verlegen macht. 


265 
CCXXXIII. 
An Meuſel. 


Weimar, den 1. September. 1773. 


Kuͤnftigen Sonnabend, als den vierten Seps 
nber wird unſerm jungen Herzog zu Ehren, 
fride, ein neues ſehr ſchoͤnes Trauerfpiel 
n Herrn Bertuh, und die Wahl deg 
ercules von dem Verfaſſer der Alceſte aufs 
führt werden. Ich habe ale Erforderniffe 

meinem jegigen Quartier , etliche gute 
eunde zu logiren. Alſo, mein liebſter Meus 
‚ find Sie und Ihre liche Herzenskoͤnigin 


d unfer Springer freundlich von meiner . 


au und mir invitirt und eingeladen,. zu 
mmen, zu feben, zu hören, und ung bey 
efer Gelegenheit duch Ihren freundfihaftlis 
en Beſuch glüdlich zu machen. Ja Feine 
fchlägige Antwort, mein liebſter Freund! 
aß Sie geradenweged vor mein Quartier, 
nmeit dee Stabtkicche (wo Sie jedermann 
rechte weiſen kann) fahren follen, verficht 
h von ſelbſt. Ich umarme Sie von ganzem 
zen. Empfehlen Sie mich unferm Sprins 
e und fagen ihm, wenn er mich noch ein 
enig liebe, fol er Ja nicht zuruͤckbleiben. 


166 


CCXXXIV. 41 
An Ebindenfelben 


Weimar, den ı7. September 177% 


ihre zu ſchnelle Entfernung von ung kön 
nen Sie nur dadurdy gut machen, wenn Gi 
deito bälder und auf längere Zeit wieder 
kommen. 

Ihre Recenſion des Herkules iſt mir ſehr 
angenehm, und ich danke Ihnen dafür von 
Herzen, ſonderlich fuͤr das Gute das Sie von 
Schweizern und den beyden Actricen ge 
ſagt haben. 

Schuͤtzen werde ich fragen — was ma— 
cheſt du? 

Die Alceſte des Quinault habe ich wirklich 
auf meinem Schreibtiſche liegen; ich brauche 
fie noch, und ſtehe Ihnen und Ihrer academi— 
ſchen Bibliothek fuͤr die Zuruͤckgabe mit allem 
was ich bin und habe. 

Kehren Sie ſich an fein Naſeruͤmpfen, und 
fahren Sie mit Ihrem Artikel In den Merkur 
fort. Man kann nicht allen alles zu Danke 
tun. Die Göttinger molen daB man von 
ihnen nur mit gebognen Knien, wie von Goͤt⸗ 
tern fprechen fol; und find alfo unmuthig, 


167 
daß Sie von. Ihnen als von flerblichen fündis 
gen Menfchen gefprochen haben. Die Nach⸗ 
richt wegen des Winkelmannifchen Werkes 
kann im dritten Bande des Merfurs feinen 
Platz mehr bekommen; denn fchon find neuns 
sehn Bogen vol, Aber: im vierten Bande fol 
fie einen Platz erhalten. 


CCXXXV. 
An Gleim. 


Weimar, den 22. October 1773. 


Mein lieber Herr Gott ſelbſt kann nicht alle 
krumme Hoͤlzer gerade machen, und allen Be⸗ 
ſchwerden der Menſchenkinder zuvor kommen. 
Wie ſollt' ich Erdenwurm es koͤnnen, beſter 
Gleim! Niemand leidet nur halb fo viel unter 
der bisherigen fchnedenmäßigen und nicht fels 
ten unrichtigen Expedition des Merfurs, als 
ih. Die Duelle alles Uebels war bisher, daß 
der Mercur nicht bier, fondern zu Rudolſtadt 
gedruckt wurde — daher eine folche verwünfchte 
Menge von verzögernden Umfländen und Zus 
fällen, daß mir oft dag Leben darüber zur 
Dlage wurde. Bon Anno 1774 an fol der 
Merkur bier in Weimar gedruckt werben, ul 


168 
dann fiehe ih Ahnen und allen Lefern fir 


pünftliche. Erfüllung meines gegebenen Worte, | 


Es ift meine Schuld nicht, mein verehrungs 
wuͤrdiger und innigfigelichter Freund, daß bie 
hauptſaͤchlichſten Schriftſteller unferer Nation 
nicht in eine Confödsration gegen bie Elenden, 
die ung ungeftraft berauben, sufammentreten. 
Ah bin zu allem bereit, was der gemeinen 
Sache zuträglich if. Allein Coriphaͤus Kann 
ich nicht feyn; mein Leben bat ohne dieß Plas 
gen genug; dann fehe ich doch auch gang 
deutlih, daß die Sache In der Ausführung 
Schmierigfeiten hat, die ihre andern warmen 
Köpfe für überwindlicher anfebt, ale fie find. 

Der Himmel weiß, wie oft ed mich in der 
‚Seele fchmerzt, daß ich dem Vergnügen, mic 
mit Ihnen und unfern Brüdern Jacobi off 
und freundfchaftlic zu unterhalten entfagen 
muß. Ich kann Ihnen nicht zumuthen, Daß 
Sie immer allein (prechen; und mit gu reden 
babe ich bald feine Zeit, bald feine Luft. Denn 
Meimar und der deutfche Mercur haben mid 
fo (ehr aus meinen Eirfeln herausgefegt , daß 
ich Mühe babe mich felbft zu kennen. Geduld, 
liebſter Gleim, vicheiche wirb mie mit der 

t leichter um Kopf und Her. DaB ich 


169 


meinen Gleim herzlich liebe, iſt und bleibe 
eine Empfindung, die in meine Seele enges 
webt ift, und nur durch ihre Vernichtung zers 
fiöhre werden könnte, Dieß laſſen Ste einds 
weilen für etwas gelten, und haben Sie Miss 
leiden mit Ihrem guten Wieland, der jede 
heitre Stunde, die ihm zufaͤllt, forgfältig ans 
wenden muß, einem Engagement mit dem - 
Publica genug zu thun, zu welchem ihn mehr - 
feine Umflände und häuslichen Pflichten, ale 
fein freyer Wille gebracht haben. 


CCXXXVI 
An Ebendenfelben. 


Meimar, den 6. December 1773. 


Mein undergleichlicher, beſter, liebſter Gleim! 
Ihre Gutherzigkeit, Ihre Geduld mit mir 
bricht mir in der That das Herz. Vermuth⸗ 
lich hat Ihnen irgend ein Gott, ein Genius 
unſerer Freundſchaft geoffenbart, daß ich Sie, 
trotz meiner hartnaͤckigen Stummheit, die bald 
eine Tochter der Nothwendigkeit, bald Ver⸗ 
droſſenheit und Krankheit war, immer noch 
eben ſo zaͤrtlich liebe, als ehmahls, da es 
Ihnen meine Briefe ſagten. 


170 


D warum Eonnten Ste nicht mit bem Kam 
merberrn von Spiegel fommen, und Schwe 
zers Alcefte hören, und fih in die fchöm 
ruhrende Creatur verlieben, welche fie vorfielt, 
Veriprechen Sie mir, daß Sie, fobald ei 
guter dichter Schnee liegt, mit Georgen hen 
über fommen wollen, ober — ich fiche Ihnen 
für nichts. — Aber überrafchen Ste mich nid, 
fondern melden Sie mir vorher, wann Gh 
fommen, damit ich meine Negotiatlationen | 
entamiren kann; denn es iſt leichter, Daß ein 
Kameel durch ein Nadelöhr gehe, als zuwege 
zu bringen daß Alcefte zu W. gefpielt werde, 
wiewohl man fie faft nirgends fpielen Fann. 

Am Monat Jenner des deutfchen Mercurs 
werden Sie Ihr Fräulein Sunnuemon . 
die Kleine finden. Ach war lange Zeit In | 
einer dummen Laune; aber fett einigen Wochen 
wird es wieder beffer mit mir; da kam Id 
von ungefähr dazu und las dag Liedchen mies 
der, und fand es allerliebft, und konnte gar 
nicht begreifen, wie man ed anders finden 
fönnte. 

Gerne, gerne möchte ich viel mie Ihnen 
plaudern; aber in dieſem Moment babe Ich 
fo abfcheulich viel zu thun, daß ich nicht weiß 


25 
= 
a —— =: 2 =” 


171 


yte ich fertig werben fol. Bald mäls’ ich alle 
Hefe mechanifchen Gefchhäfte von mir ab, und 
ann wird es wohl wieder beffer geben. Dies 
es Jahr durch. habe fch meder für meine 
Sreunde, noch für ‚bie Welt, noch fuͤr mich 
elbſt exiſtirt. 

Behalten Sie mich immer lieb, mein vor⸗ 
refflichee Freund, und nehmen Sie mit diefer 
Imarmung den Schtwur erneuerter eroiger Zärts 
ichkeit und Treue von Ihrem Wieland. 


P. 8. Was fagen Ste zu dem adfcheulichen 
Srevel, den H*** durch feinen Encolp 
vider unfre Göttin Kalokagathia und Ihre 
Zrazien begangen hat? Hätte der Ungläckliche 
sur das vom Petron überfegt, mas ehrliche 
teute Iefen können, und hätte dieß defto beffer 
jemacht und polirt, fo hätte er ein gufes 
Werk gethan! Aber nun, — und feine unauss 
tehlichen Noten! — feine öffentlich profiticte 
Aſotie! — Der Elende! Wo it er? Iſt er 
virklich nach Italien gegangen, den vaticani⸗ 
ſchen Apollo mit profanen Augen zu verun⸗ 
reinigen? | 


178 


CCXXXVII 
An Ebendenfelden 


Ki 


Y 
! 


Weimar, den 22. December 177 |! 


Verzeihen Sie mir, mein beſter Gleim, baf 


ich mir Ihre WVermittelung ausbitte, um dem 


Herrn H* * * die beyliegenden Stangen wis 
der zurückzugeben. 

Es ift viel fchöne Poeſie in dieſen Stange; 
der Menfch hat eine glüuhende Phantafie, er 
ſchreibt aus ber Fülle einer aͤußerſt erbißten 
Sinnlichkeit; daher find feine Gemälde Eräftig 
und warm bis zum Brennen — aber, auf 
blos als Dichter betrachtet, ift fein Gefchmad 


noch fehr ungeläutert, feine Imagination üppig, 


fein Geift mild und augfchweifend. Er mag 
fi) wohl einbilden, ein erftaunliches Genie zu 
feyn; aber, quid dulci voveat nutricula majus 
alumno quam sapere? — Der Mann bat 
den GSofrates immer im Munde, unb dent 
und fchreibt, wie nur ein Menfch fchreiben 
fann, in welchem die Wuth ber auggelaffens 
ſten Gellheit alles fitkliche Gefühl erſtickt hat, 
Denn was für Hoffnung fol ich mir von 
einem Menfchen machen, der mit Schwärmes 
rey von Sofratifcher Philoſophie und 


173 
on Grazlen fpricht, und fählg mar den 
Jetron fo zu überfegen, und eine foldhe 
3orrede und folche Noten dazu zu machen, Ä 
ie er gethan hat? | 

Menn H*** um folde Unfläfereyen zu 
echtfertigen, fi) auf meine fomifchen Erzahs 
ungen beruft, fo muß er gar Fein Digcernes 
nent haben, und fo iſt es au. 

Don Helvetius, nicht vom. Sofrated, hat 
ee Unglückliche gelernt, daß das moralifche 
Schöne nur eine Schimäre fey. Ich kann 
ihnen nicht ausdruͤcken, wie ſehr mir efelt, 
Yiefen Satyr von Grazien reden zu bören, 
hu, der nicht weiß, nicht fühlt, daß die - 
Reufchhelt eine Grazie ift. | | 

Yus feinem Briefe, den ich beylege, werden 
Sie ſehen, daß er mich zum Narren hat, und 
ich einbildet ich werde mich beſtechen laſſen, 
venn er mich feinen alten Sokrates und Ober⸗ 
riefter der Grazien nennt, von meinem trans 
cendentalen Genie fchwagt und Dergleis 
hin. Ich Eenne ihn beffer; aber ich bin es 
att, Briefe In diefem Ton von einem Mens 
chen zu .befommen, dee mir durch fein Lob 
mebe Sort thut, als andre mir ‚durch die 
ſchaͤndlichſten Epigeammen fhaden können, Er 


174 


verlangt, ich foll mich feiner annehmen, hi]! 
ihn zum Hofmeifter irgendwo empfehlen! 4 || 
bitte Sie um des Himmels willen, mit wii‘ 
cher Stirne Eönnte Ich den-Berfafler des En 
folp zu einem Mentor empfehlen? Ein. felm 
Hofmeifter! 

Indeſſen jammre ich ſelbſt über ihn, un 
geftebe gern, daß e8 Schade um fein Gel 
il. Was für ein Dichter hätte der Menfdı 
ohne den verdammten Tentigo werben koͤnnen! 
Glauben Sie indeffen, meln Theurer, dei 
noch eine Möglichkeit fey, ihn zu retten, fe 
melden Sie e8 mir; aber wenn ich mein 
Dhren nicht vor allem was er mir fagen kam, 
verfiopfen fol, fo bringen Gle Ihn zuvor da 
bin, daß er heilig angelobe, Feine Zeile mehr 
zu. fchreiben, die nicht vor Bellalen geleſen 
werden duͤrfte. Lehren Sie ihn die morallſche 
Schoͤnheitslinie kennen; lehren Sie ihn, daß 
die Myſterien der Natur und Liebe nicht auf⸗ 
gedeckt werden muͤſſen. Aber wozu ſag' ich 
Ihnen dieß? Ich bin uͤberzeugt, daß H*** 
auf der einen Seite ein viel zu heteroklites 
Genie, und auf der andern zu ſehr verdorben 
ift, um fi) jemahls zu beffern.! 

. In eine Keitit über feine Stangen werd’ Id 





; 175 
ch nie einlaffen, da ich gewiß bin, daß er 
ı feinem Herzen ung alle als fleine Geifter 
nfiebt, und fich erflaunlich viel auf fein 
‚euer, und fein muftcalifhes Ohr zu 
ut thut, wiewohl ih ihm fehr gute Gründe 
eben konnte, daß man zu viel Feuer haben _ 
ann, und daß feine Stangen mit dem ewigen 
Ibfchnite nach der vierten Sylbe, für jedeg 
‚andre Ohr als ſeines, In die Länge eine höchft 
emüdende Monotonie haben müflen. Doc 
enug, und fchon zu viel von diefem Mutos 
ziato. Ueberlaffen wir ihn feinem Schickſal. 
Fin Autor, der wie ein Pavian feine einzige 
Freude daran findet, obfcöne Pofluren und 
Srimaffen gegen feine Lefer zu machen, iſt 
ein Menfch, mit dem ehrliche Leute fich In 
Societat einlaffen können. Ich überlaffe es 
Ihnen, mein geliebtefter Gleim, ob Sie ihm 
zieſen Brief leſen laffen wollen. Ich finde 
tein Bedenken dabey. 

Ihr kleines Gedichtchen, petrarch und Laura, 
meinGleim, iſt ein goͤttliches kleines Gedicht, 
Sie erlauben doch, daß ich es im Erſten Stuͤck 
dee Neuen Merkurs 1774 neben unſers J. 
neuen Pigmalion fielle? Sch bin, big ich nicht 
mehr athme, Ihe ganz eigner W. u 





166 


CCXXXIV. 
An Ebendenſelben. 


Meimar, den ı7. September 177% 


Ihre zu ſchnelle Entfernung von ung Fön | 


nen Sie nur dadurd) gut machen, wenn Sie 
deito bälder und auf längere Zeit wieder 
kommen. 


Ihre Recenſion des Herkules iſt mir ſehr 


angenehm, und ich danke Ihnen dafuͤr von 
Herzen, ſonderlich fuͤr das Gute das Sie von 
Schweizern und Den beyden Actricen ges 
ſagt haben. 

Schuͤtzen werde ich fragen — was ma— 
cheſt du? 

Die Alceſte des Quinault habe ich wirklich 
auf meinem Schreibtiſche liegen; ich brauche 
fie noch, und ſtehe Ihnen und Ihrer academis 
ſchen Bibliothek für die Zurüchgabe mit allem 
was ich bin und habe. 

Kehren Sie fih an Fein Naferämpfen, und 
fahren Sie mit ihrem Artikel in den Merkur 
fort. Man faun nicht allen alles zu danke 
thun. Die Göttinger molen daB man von 
ihnen nur mit gebognen Knien, wie von Goͤt⸗ 
teen ſprechen fol; und find alfo unmuthig, 


| 167 
' Sie von. Ihnen als von fierblichen ſuͤndi⸗ 

Menfchen gefprochen haben. Die Nach⸗ 
t wegen des Winkelmanniſchen Werkes 
n im dritten Bande des Merkurs feinen 
8 mehr bekommen; denn fchon find neuns 
ı Bogen vol. Aber: im vierten Bande fol 
einen Platz erhalten. 





* 


CCXXXV. 
An Gleim. 


Weimar, den 22. October 1773. 


Drein Lieber Herr Gott ſelbſt Fann: nicht alle 
mme Hölzer gerade machen, und allen Des 
werden der Menschenfinder zuvor fommen, 
ie folle ich Erdenwurm es können, beſter 
eim! Niemand leidet nur halb fo viel unter 
: bisherigen ſchneckenmaͤßigen und nicht fels 
ı unrichtigen Expedition des Merfurs, als 
. Die Duelle alles Uebels war bisher, daß 
° Mercur nicht bier, fondern zu Rudolſtadt 
zruckt wurde — Daher eine folche verwünfchte 
enge von verzögernden Umfländen und Zus 
Ilen, daß mir oft dag Leben daruber zur 
age wurde, Won Anno 1774 an fol 
erkur bier In Weimar gedruckt werben, 


168 


dann ſtehe ich Ihnen und allen Lerern fi 
pünftlicye. Erfüllung meines gegebenen Worte, 

Es ift meine Schuld nicht, mein verehrungs 
wuͤrdiger und innigfigellebter Freund, daß di 
hauptſaͤchlichſten Schriftftellee unferee Nation 
nicht in eine Confoͤderation gegen bie Elenden, 
Die ung ungeftraft berauben, zuſammentreten. 
Ich bin zu allem bereit, was der gemeinen 
Sache zuträglih if. Allein Coriphaͤus kann 
ich nicht ſeyn; mein Leben bat ohne dieß Plas 
gen genug; Dann fehe Ich doch auch gan 
deutlih, daß die Sache in der Ausführung 
Schmierigfeiten hat, die ihe andern warmen 
Köpfe für überwindlicher anfeht, als fie find. 

Der Himmel weiß, wie oft e8 mich In ber 
Seele fchmerzt, daß Ich dem Vergnügen, mid 
mie Ihnen und unfern Brüdern Jacobi oft 
und freundfihaftli zu unterhalten entfagen 
muß. Ich kann ihnen nicht zumuthen, daß 
Gie immer allein fprechen; und mit gu reden 
babe ich bald feine Zeit, bald keine Lufl. Denn 
Meimar und der deutfche Mercur haben mich 
fo fehr aus meinen Eirkeln herausgeſetzt, daß 
ich Mühe babe mich felbft zu Fennen. Geduld, 
liebitir Gleim, vieleicht wird mir mit ber 
Zeit leichter um Kopf und Her, Daß Id 


! 


169 


meinen Gleim herzlich Tiebe, iſt und bleibe 
eine Empfindung, die in meine Seele enges 
webt ift, und nur durch ihre Vernichtung zer⸗ 
ſtoͤhrt werden könnte. Dieß laffen Sie eins⸗ 
weilen für etwas gelten, und haben Sie Mis⸗ 
leiden mit Ihrem guten Wieland, der jede 
heitre Stunde, die ihm zufaͤllt, forgfältig ans 
menden muß, einem Engagement mit dem - 
Publico genug zu thun, zu welchem ihn mehr - 
feine Umftände und häuslichen Pflichten, als 
fein freyer Wille gebracht haben. 


CCXXXVI 
An Ebenbdbenfelben. 


Weimar, den 6. December 1773. 
Mein unvergleichlicher,, befter, liebſter Gleim! 


Ihre Gutherzigkeit, Ihre Geduld mit mie _” 


bricht mic in der That das Herz. Vermuth⸗ 
lich hat Ihnen irgend ein Gott, ein Genius 
unſerer Freundſchaft geoffenbart, daß ich Sie, 
trotz meiner hartnaͤckigen Stummheit, die bald 
eine Tochter der Nothwendigkeit, bald Ders 
Droffenheit und Krankheit war, immer noch 
eben fo zärtlich liebe, als ehmahls, da es 
Ihnen meine Briefe fagten. 

\ 


170 


— — 


O warum konnten Sie nicht mit dem Kam 
merherrn von Spiegel fommen, und Schwei 
zers Alcefte hören, und fich in die fchöm | 
ruhrende Ereatur verlieben, welche fie vorſtellt. | 
Verfprechen Sie mir, daß Sie, fobald eln 
guter dichter Schnee llegt, mit Georgen hei 
über fommen wollen, oder — ich ſtehe Ihnen 
für nichts. — Aber äberrafchen Sie mich nid, 
fondern melden Sie mir vorher, wann SH 
fommen, damit ich meine Negotiatlatlonen 
entamiren kann; denn e8 iſt leichter, Daß ein 
Kameel durch ein Nadelöhr gehe, als zumege 
zu bringen daß Alceſte zu W. gefpielt werde, 
wiewohl man fie faft nirgends fpielen Eann. 

Am Monat Jenner des deutfchen Mercurs 
werden Sie Ahr Fräulein Sunnemon 
die Kleine finden. ch war lange Zeit in 
einer dummen Laune; aber feit einigen Wochen 
wird es wieder beffer mit mir; da kam Id) 
von ungefähr dazu und lag das Liedchen mies 
der, und fand eg allerliebft, und Fonnte gar 
nicht begreifen, wie man ed anders finden 
fönnte. 

Gerne, gerne möchte ich viel mit Ihnen 
plaudern; aber in diefem Moment babe id 
fo abſcheulich viel zu hun, daß ich nicht weiß 


I yı 


'e ich fertig werben fol. Bald waͤlz' ich alle 
efe mechanifhen Geſchaͤfte von mir ab, und 
nn wird c8 wohl wieder beffer gehen. Dies 
3 Sahr durch. habe ich weder für meine 
-eunde, noch für die Welt, noch fuͤr mich 
(bft exiſtirt. | 

Behalten Sie mich immer lieb, mein vors 
efflicher Freund, und nehmen Sie mit diefer 
narmung den Schwur erneuerter ewiger Zärts 
hfeit und Treue von Ihrem Wieland. 


P. 8. Was ſagen Sie zu dem abſcheulichen 
evel, den H*** Durch feinen Encolp 
der unfre Göttin Kalofagathia und Ihre 
razien begangen bat? Hätte der Ungluͤckliche 
ur das vom Petron überfegt, was ehrliche 
ute Iefen können, und hätte dieß defto beffer 
macht und polirt, fo hätte er ein gufes 
erk gethan! Aber nun, — und feine unauss 
hlihen Noten! — feine öffentlich profitirte 
fotle! — Der Elende! Wo ift er? Iſt er 
rklich nach Stalien gegangen, den vaflcanis 
yen Apollo mit profanen Augen zu beruns 
inigen ? 


178 


CCXXXVII. 
An Ebendenſelben. 


Weimar, ben 22. December 177% 


Verzeihen Sie mir, mein befter Gleim, daß 
ich mir Ihre Vermittelung ausbitte, um bem 
Herrn H* * * die beyliegenden Stangen wie 
der zurückzugeben. 

Es iſt viel fchöne Poefie in dieſen Stangen; 
der Menfch hat eine glühende Phantafie, er 
fchreibt aus der Fülle einer aͤußerſt erbigten 
Einnlichfeit; daher find feine Gemälde Eräftig 
und warm bis zum Brennen — aber, auf 
blos als Dichter befrachter, IE fein Geſchmack 
noch fehr ungeläutert, feine Imagination üppig, 
fein Geiſt mild und ausſchweifend. Er mag 
ſich wohl einbilden, ein erfiaunliches Genie zu 
feyn; aber, quid dulci voveat nutricula majus 
alumno quam sapere? — Der Mann bat 
den GSofrates immer im Munde, und benft 
und fchreibt, wie nur ein Menfch fchreiben 
fann, in welchem die Wuth der auggelaffens 
ſten Geilheit alles fiteliche Gefühl erſtickt hat. 
Denn was fur Hoffnung fol ich mir von 
einem Menfchen machen, der mit Schwärme 

von Sokratiſcher Philoſophie und 


173 
son Grazien fpricht, und fählg war den 
Petron fo zu überfegen, und eine ſolche 
Vorrede und folche Noten dazu zu machen, 
wie er gethan hat? 

Wenn H** * um folche Unflaͤtereyen zu 
rechtfertigen, fich auf meine Eomifchen Ersahs 
lungen beruft, fo muß er gar Fein Discernes 
ment haben, und fo iſt ed au. 

Von Helvetius, nicht vom. Sofrated, hat _ 
der Unglückliche gelernt, daß das moralifche 
Schöne nur eine Schimäre fey. Ich kann 
Ihnen nicht ausdrüden, wie ſehr mir ekelt, 
Diefen Satyr von Grazien reden zu bören, 
ihn, der nicht weiß, nicht fühlt, daß die 
Keufchhelt eine Grazie ift. , 
- Aug feinem Briefe, den ich beylege, werben 
Sie fehen, daß er mich zum Narren bat, und 
ſich einbildet ich werde mich beſtechen laſſen, 
wenn er mic) feinen alten Sofrates und Ober⸗ 
priefter der Grazien nennt, von meinem trans 
feendentalen Genie fchwagt und dergleis 
chin. Ich kenne ihn beſſer; aber ich bin es 
fatt, Briefe In diefem Ton von einem Mens 
fchen zu . befommen, der mie durch fein Lob 
mehr Tort thut, als andre mir durch bie 
ſchaͤndlichſten Eplgrammen ſchaden koͤnnen. Cr 


174 
verlangt, ich foll mich feiner annehmen, fol 


ihn zum Hofmeifier irgendwo empfehlen! Jh 


bitte Sie um des Himmeld willen, mit weh 
cher Stirne Eünnte ich den Verfaſſer des Ew 
Eolp zu einem Mentor empfehlen? Ein. feine 
Hofmeifter! 

Indeſſen jammre ich felbf über ihn, und 
geftebe gern, daß e8 Schade um fein Genie 
if. Was für ein Dichter hätte der Menſch, 
ohne den verdammten Tentigo werden fünnen! 
Glauben Sie indeffen, mein Theurer, ba 
noch eine Möglichkeit fey, ihn zu retten, To 
melden Ste e8 mir; aber wenn ich mein 
Dhren nicht vor allem wag er mir fagen fann, 
verfiopfen fol, fo bringen Sie Ihn zuvor das 
bin, daß er heilig angelobe, feine Zeile mehr 
zu’ fchreiben, die nicht vor Veſtalen gelefen 
werden dürfte, Lehren Sie ihn die morallſche 
Schönheltslinie kennen; lehren Sie ihn, daß 
die Myſterien der Natur und Liebe nicht aufs 
gedeckt werden müffen. Aber wozu ſag' Id 
Ahnen dieß? Ich bin überzeugt, Daß H*** 
auf der einen Seite ein viel gu heteroklites 
Genie, und auf der andern zu ſehr verborben 
ift, um fich jemahls zu beffern. 

In eine Kritif über feine Stangen werd’ ich 


; | 175 
mich nie einlaffen, da ich gewiß bin, daß er 
In feinem Herzen ung ale als fleine. Geifter 
anſieht, und ſich erflaunlich viel auf fein 
Feuer, und fein. muftcalifhes Ohr zu 
gut thut, wiewohl ich ihm fehr gute Gründe _ 
geben Eönnte, daß man zu viel Feuer haben _ 
fann, und daß feine Stangen mit dem ewigen 
Abſchnitt nach der vierten Sylbe, für jedes 
andre Ohr als ſeines, In die Länge eine höchft 
eemüdende Monotonie haben muͤſſen. Doc 
genug, und fchon zu viel von diefem Mutos 
niato. Ueberlaffen wir ihn feinem Schickſal. 
Ein Autor, der wie ein Pavlan feine einzige 
Freude daran findet, obſcoͤne Pofturen und 
Srimaffen gegen feine Lefer zu machen, iſt 
fein Menfch, mit dem ehrliche Leute fich In 
Societaͤt einlaffen können. Ich überlaffe es 
Ihnen, mein geliebtefter Gleim, ob Sie ihm 
diefen Brief leſen laffen wollen. Sch finde 
fein Bedenken dabey. 

Ihr kleines Gedichtchen, Petrarch und Laura, 
mein’ Sleim iſt ein "göttliches kleines Gedicht. 
Sie erlauben doch, daß ich es im Erſten Stuͤck 
des Neuen Merkurs 1774 neben unſers J. 
neuen Pigmalion fiele? Ich bin, big ich nicht 
mehr athme, Ihr ganz eigner W. u 





176 
CCXXXVIII. | 
Un Ebendenfelben. . 


Weimar, den 9. Januar. 177% 


Zugleich mit Ihrem — erlauben Sie mit 
e8 Ahnen zu fagen, fehr harten Briefe vom 
zweyten Januar, erhalte ich beyliegende Epb 
ftel von Ihrem H***, die in einem Ton ge 
ſchrieben ift, der, wenn ernicht beleidigen 
follte, feinen Zweck fehr verfehle hat. Ich 
begreife nichts von dem, was Merr ger 
von mir will, Man kann doch wohl Niemand 
zur Liebe zwingen. Wenn thn fein Gebächts 
niß nicht ganz verlaffen bat, fo muß er: fih 
erinnzen, daß ih, auch In Erfurt, von fels 
nem Herzen nie günflig Dachte. Meine 
Schuld war dieß nicht; denn ich banbelte 
demungeachtet fo gegen Ihn, als wie eine, 
der ihn lieben zu können wänfcht, und den 
es ſchmerzt, daß er fih wider Willen 
zu ruͤckgeſtoßen fühle. Die Thaten, welche 
Herr H*** inzwiſchen getban bat, konnten 
mich unmöglich beffer von ihm denken machen. 
Auch der Ton feiner Briefe empört immerfort 
mein Herz. Sch kann nichts dazu, Daß- ich 
"ten Ton und überhaupt den Son be 


. 


177 


Schwaͤrmerey je länger je weniger ausftehen 
kann. Ich baffe und verfolge deswegen Nies 
mand; aber wenn ich fürderhin mein Herz 
und meine Ohren vor allen fchwärmerifchen 
Selftern verftopfe, fo bat wohl ſchwerlich ein 
Sterblicher mehr Urfache dazu gehabt, ale ich. 
Vermuthlich war e8 eine Folge des widrigen⸗ 
Eindrucks, den die Sprache des Enthuſiasmus 
in Briefen auf mich macht, daß ich, Außerft 
hoquirt durch den muthmwilligen Ton der Reue 
des Herrn H”** und durch den Contraſt 
zwiſchen diefee Reue, falls ich fie für Ernſt 
halten ſollte, mit dem Gemälde, das er gleich 
m Anfang feines Gedichts aufftelt, mir den 
Bedanfen, daß er meiner nur fpotten 
wolle, nicht aus dem Kopfe friegen konnte. 
Ich kann ihnen den Unmuth meiner Seele 
über diefen Gedanken nicht fo ſtark fchildern, 
als er mar; und wozu haͤlf' es auh? Meln 
leßter Brief an Sie fchildere ihn flarf genug. 
Hab’ ih Ihrem H**” gleichwohl, bey fo 
oielem Anſchein twider ihn, Unrecht gethan, 
fo geſchah es wider meinen Willen. Homines 
sumus. ft er alled das, was Sie von ibm 
glauben und fehreiben, defto beffer! Sp vers 
Wielands Briefe III. - 0: 12. 


179 


rt surücdgeführt, und mich wegen 
figer Vorfälle zur Rede geſtellt ꝛc. 
d dann rufen Gie aus: 
„Gott, daß deine befien Menfchen In 

- ſoolche Tiefen niederfallen und finfen!“ 
Gleim, wenn Sie der rechtfhaffne Mann 

d, für den jeder Blutstropfen in meinen 
ern Sie bisher gehalten bat, wenn Sie je 
in Freund gemefen find, fo Iaffen Sie 

*5 * Diefen Brief noch einmahl fchreiben. 
h darf mich nach Erfurt zurückführen laſſen! 
d ich will wiffen, was für Vorfälle das 
d, wegen welcher Here H. mich zur 
ede ftellt. 

Sie hatten mir nichts fagen ſollen, oder 
es. Nun haben Sie zu viel geſagt, um 
cht Alles zu ſagen. Ich erwarte es von 
zrer Freundſchaft, von Ihrer Gerechtigkeit. 

Und nachdem Sie mir geftanden haben, dag 
*“* in feiner Wuth meinen Charafter, mein 
ben angegeifert hat, fünnen Sie mir gleich, 
ohl noch von ihm ale von der unſchuldigſten 
id reinften Seele fprechen ? Liebſter, befter 
leim, was foR ich denken, was fol Ich fas 
n? Ich bitte Sie, laffen Sie es Licht zwi⸗ 
hen ung werden! Ich darf fo fiart beleuch⸗ 


181 


folp — nun leſen Ste an meinem 
age, feinen vorlegten aͤußerſt petulanten 
ef an mich, an felnen vorgeblichen Sofras 
‚ und dann feine Stangen, und dann 
en Sie, ob e8 mir möglich feyn konnte, 
er von Ihm zu denken, als ich. dachte, da 
Ihnen jüngft fchrieb? Fuͤhlt er, daß ich 
ı Unrecht gethban babe, fo entfchuldige er 
. Uber berechtigt ihn dieß zu einem infos . 
‚ten, troßigen Ton gegen mich? SHE 
3 alles, was ih um die Welt und um 
felbit verdient habe ? 
Benn Sie allem diefem nachdenken, und 
noch finden fönnen, daß ich von dem erfien 
ı beften jungen Menfchen, der feinen uns 
ränzten Eigendünfel, durch die Wahrheit, 
ih ihm, vielleicht ein wenig zu bitter — 
e der Himmel weiß ob nicht in gerechter 
terkeit! — gefagt habe, beleidiget findet, 
unanfländig und unmwürdig behandelt zu 
den verdient, nun, fo will Ich geſtehn, 
ih allen Begriff von Anfländigfeit und 
ht verloren habe, und die Ausrufung: 
mer, armer Wieland,“ In Ihrem 
efe in vollerem Maße verdiene, .ald vers 
thlich Ihre Meinung war. 


183 


febe! Warum, beſter Gleim, iſt ed unmöglich, 
mir wenigſtens unmöglih, das Leben, das 
der Menfchenfreund, der Freund der Mufen, 
uns anbeut, den Vorgefchmad von Elyfium, 
aus feiner Hand anzunehmen? Warum kann 
ich nicht mit meinem Gleim nach Kupferberg 
ziehen? Sie wiſſen, mein Befter, was mid) 
an Weimar feffele; ein junger Fuͤrſt, der 
nein Freund ift, der cin DBedurfniß fühle, 
einen Freund, wie ich, zu haben, den ich 
nicht verlaffen fann, und der, ju feinem 
Slücde, nur ein Feiner Fürft iſt, aber, für 
das Gluck der Menfchen, ein großer Monarch 
ſeyn follte. — Doch auch ohne dieß, wiſſen 
Ste noch ein Hinderniß; eine zahlreiche as 
milie, die fih noch In diefem Jahre vermehs 
en wird; unersogne: Kinder ıc. Aber Ahnen, 
nein theurer Gleim, mwünfchte ich eine folche 
Retraite! Und was wollte ich nicht thun, wenn 
8 in meiner Macht fünde, die Hinderniffe 
u beben, die Ihrer Freyheit, ihrer Ruhe Im 
Wege fliehen. 2 

ein junger Herzog, der, wie Sie willen, 
och ungefähr achtzehn Monathe unter Vor—⸗ 
nundfchaft fiehen wird, kann jegt noch nichts 
hun, und die gange dermahlige Lage der 


185 


»Verzweifeln Sie nicht ganz an der Menfchz 
3 heit, mein beftee Gleim. Schwach find wir 
Ale; Dumm und überflug, welches am 
Ende auf Eins hinausläuft, find. nur allzus 
viele; aber die Boshaften machen wahrlich 
die kleinſte Zahl aus. Das Herz des Mannes, 
"der Ihnen fo ſchreiben konnte, wie Schlab⸗ 
berndorf, kann kein Betrüger ſeyn. Laſſen 
Sie ſich umarmen, und an 'ein Herz druͤcken, 
das Ihres Vertrauens gewiß nicht unwerth 
iſt. Schreiben Sie mir ſo bald wieder, als 
Sie koͤnnen. 


CCXL. | 
An Ebendenfelben. 


Weimar , den 14. Meta 1774 
Mag fol ich Ionen bon Ihrem cothen 


gelefen, oder vielmehr verfihlungen - id hab’ 
es empfunden, verflanden, bis auf den klein⸗ 
fien Zug ind Auge gefaßt — es ift in allen 
Betrachtungen ein außerordentliches Phanos - 
menon. — Wird die Welt, in der wir leben, 
diefe hohe Einfalt, diefe wahre Sprache des 
Anfchaueng, fühlen = verfichen? — Ich hoff’ 


176 
‚CCXXXVIIT. 
Un Ebendenfelben. 


Weimar, den 9. Januar. 1774 


Zugleich mit Ihrem — erlauben Sie mi, 
e8 Ihnen zu fagen, fehr harten Briefe vom 
zweyten Januar, erbalte ich beyliegende Eph 
ftel von Ihrem H***, die in einem Ton ge—⸗ 
fchrieben ift, der, wenn ernicht beleidigen 
foLllte, feinen Zweck ſehr verfehlte bat. Ich 
begrelfe nichts von dem, was Herr H*** 
von mie will. Man Fann doch wohl Niemand 
zur Liebe zwingen. Wenn ihn fein Gedächts 
niß nicht ganz verlaffen bat, fo muß er fih 
erinnern, daß ich, auch in Erfurt, von fels 
nem Herzen nie günftig dachte. Meine 
Schuld war dieß nicht; denn ich handelte 
demungeachtet fo gegen Ihn, als wie einer, 
ber ihn lieben zu können wuͤnſcht, und ben 
e8 ſchmerzt, daß er fihb wider Willen 
zu ruͤckgeſtoßen fühlt. Die Thaten, welche 
Herr H*** inzwiſchen gethan bat, Fonnten 
mich unmöglich beffer von ihm denken machen. 
Yuch der Ton feiner Briefe empört Immerfort 
mein Herz. Sch kann nichts dazu, Daß- Ich 
Diefen Ton und überhaupt Den Ton bee 


— 


177 


Schwaͤrmerey je länger je weniger ausſtehen 
ann. Ich baffe und verfolge deswegen Nies 
nand; aber wenn ich fürderhin mein Herz 
ınd meine Dhren vor allen ſchwaͤrmeriſchen 
Seiftern verftopfe, fo bat wohl ſchwerlich ein 
Sterblichee mehr Urfache dazu gehabt, ale ich. 
Bermuthlich war e8 eine Folge des widrigen⸗ 
Eindrudg, den die Sprache des Enthuſiasmus 
n Briefen auf mic) macht, daß ich, aͤußerſt 
hoquirt Durch den muthmwilligen Ton der Neue 
es Herrn H**” und durch den Contraſt 
mifchen diefee Neue, falls ich fie für Ernſt 

yalten follte, mit dem Gemalde, das er gleich 
u Anfang feines Gedichtd auffielt, mir den 
Sedanfen, Daß er meiner nur fpotten 
volle, nicht aus dem Kopfe Friegen konnte. 
ch kann Ihnen den Unmuth meiner GScele 
ıber diefen Gedanken nicht ſo ſtark ſchildern, 
ils er war; und wozu haͤlf' es auch? Mein 
etzter Brief an Sie ſchildert ihn ſtark genug. 
Hab’ ich Ihrem H*** gleichwohl, bey fo 
yielem Anfchein wider ihn, Unrecht gethan, 
ſo gefchah e8 wider meinen. Willen. Homines 
sumus. Iſt er alle dag, was Sie von ihm 
zlauben und fehreiben, deſto befier! So vers 

Wielands Briefe III. - 12 -. 


179 
furt guräcgeführe, und mich wegen 
Dafiger Vorfälle zur Rede geftelle ıc. 
Und dann rufen Gie aug: 

„Gott, daß deine beften Menfchen in 

- ſoolche Tiefen niederfallen und finfen!“ 

Gleim, wenn Sie der rechtfhaffne Mann 
find, für den jeder Blutstropfen in meinen 
Adern Sie bisher gehalten hat, wenn Sie je 
mein Sreund geweſen find, fo laffen Sie 
Hr** dieſen Brief noch einmahl fehreiben, 
Ich darf mic) nad) Erfurt zurückführen laſſen! 
und ich will wiffen, was für Vorfälle das 
find, wegen welcher Herr 2. mich zur 
Rede ftellt. 

Sie hatten mie nichts fagen ſollen, oder 
alles. Nun haben Sie zu viel geſagt, um 
nicht Alles zu ſagen. Ich erwarte es von 
Ihrer Freundſchaft, von Ihrer Gerechtigkeit. 

Und nachdem Sie mir geſtanden haben, daß 
H ** in feiner Wuth meinen Charafter, mein 
Leben angegeifert hat, können Sie mir gleiche 
mohl noch von ihm als von der unſchuldigſten 
und reinften Geele fprechen ? Liebſter, befter 
Gleim, was ſoll ich denken, was fol ich fas 
gen? Ich bitte Sie, laffen Sie es Licht wis 
ſchen ung werden! Ich darf fo flark beleuch⸗ 


181 


Enkolp — nun leſen Ste an meinem 
Plage, feinen vorlegten äußerft petulanten: 
Brief an mich, an feinen vorgeblichen Sofras 
te8, und dann feine Stangen, und dann 
fagen Sie, ob es mir möglich feyn konnte, 
befier von ihm zu denfen, ale Ich. dachte, da 
ſch Ihnen jängft fchrieb ? Fuͤhlt er, daß ich 
ihm Unrecht gethan habe, fo entfchuldige er 
ſich. Aber berechtigt ihn dieß zu einem infos . 
lenten, trogigen Ton gegen mih? Iſt 
dieß alles, was ich um die Welt und um 
ihn felbft verdient babe? 

Wenn Gie allem diefem nachdenken, und 
dennoch finden fünnen, daß ich von dem erſten 
dem beften jungen Menfchen, ber feinen uns 
begränzten Eigendänfel, durch die Wahrheit, 
die ich ihm, vielleicht ein wenig ‘zu bitter — 
‚aber der Himmel weiß ob- nicht in gerechter 
Bitterkeit! — gefagt habe,. beleidiget findet, 
fo unanftändig und unmwürdig behandelt zu 
werden verdient, nun, fo will Ich geſtehn, 
daß ich allen Begriff von Anflandigfeit und 
echt verloren babe, und die Ausrufung: 
„armer, armer Wieland,“ in Ihrem 
Briefe In volerem Maße verdiene, als vers 
muthlich Ihre Meinung war. 


182 


Sch bitte Sie fehr, liebſter Sleim, mein |! 
Herz nicht durch eine rafche Antwort abım 1 
mahl zu zerreißen. Diesmahl, mein Bee 
fordre ich nur Berechtigfeit von Ihnen; 
und um diefe zu handhaben, muß man bey 
kuͤhlem Blute feyn. 

Wenn in dieſen Blaͤttern ein beleidigendes 
Wort iſt, fo deſavouirt es meine ganze Seele 
Ich liebe und ehre Sie noch immer mie eher 
den, und ohne einen Schatten von Zweifel 
erwart’ ich von der Rechtſchaffenhelt meines 
Gleims Gerechtigkeit gegen feinen W. 


CCXXXIX. 
An Ebendenſelben. 


Weimar, den 14. Februar 1774 


Mein vortrefflicher Freund — Was fuͤr ein 
göttlicher Mann ift Ihr Schlabberndorf? Seh 
ten in meinem ganzen Leben bin ich fo gerührt 
geweſen, ale vou der Stelle, die Sie mir aus 
feinem Briefe abgefchrieben haben. Der edle 
Mann! Wie freut e8 mich, daß ich Doch end⸗ 
lic; einmahl den Beſitzer eines guten, mwohls 
thätigen, großen Herzens, auch mit dem Bers 
mögen groß und fchon zu handeln, begabt 


183 


ehe! Warum, beſter Gleim, iſt es unmöglich, 
mir wenigſtens unmoͤglich, das Leben, das 
der Menſchenfreund, der Freund der Muſen, 
ans anbeut, den Vorgeſchmack von Elyſium, 
aus feiner Hand anzunehmen? Warum kann 
ich nicht mit meinem Gleim nach Kupferberg 
lehen? Sie wiſſen, mein Beſter, was mich 
in Weimar feſſelt; ein junger Fuͤrſt, der 
nein Freund iſt, dee cin Beduͤrfniß fühle, 
inen Freund, wie ich, zu haben, den ich 
richt verlaffen fann, und der, zu feinem 
Bluͤcke, nur ein Fleiner Fürft iſt, aber, für 
a8 Glück der Menfchen, ein großer Monarch 
eyn ſollte. — Doch auch ohne dieß, wiſſen 
Sie noch ein Hinderniß; eine zahlreiche Fas 
nilie, die fich noch in dieſem Fahre vermehs 
en wird; unerzogne: Kinder ıc. Aber Ahnen, 
nein tbeurer Gleim, münfchte ich ‚eine folche 
Retraite! Und was wollte ich nicht tdun., wenn 
8 in meiner Macht ftunde, die Hinderniffe 
u beben, die Ihrer Freyheit, Ihrer Ruhe im 
Bege fliehen. 

Mein junger Herzog, der, wie Sie wiſſen, 
och ungefähre achtzehn Monathe unter Vor⸗ 
aundfchaft eben wird, kann jetzt noch nichts 
hun, und die ganze dermahlige Lage ber 


184 


Eachen geftattet nicht, denen, welche an feint 
Statt fchalten und malten, einen Antrag ver ' 
Diefer Art zu machen. Wie dieß zugeht, und | 
marum ee fo Ik — begehre nicht zu 
wiffen, Sreund, der Eumeniden Hand 
fhließe meinen Mund! 

Db ein Verſuch zu Maynz zu machen fi, 
foll mid) unſer Dahlberg belehren. Was er 
thun kann, wird er gewiß thun. Sciden 
Sie mir, fobald es ſeyn kann, das Ver— 
zeichniß *). 

Aber der Gedanke, daß Sie ſich von Ihrem 
Muſeum trennen ſollen — und aus welcher 
Veranlaſſung! — Die Bosheit der Menſchen, 
über die Sie klagen. — Es muͤſſen in ber 
That Ungeheuer feyn, die meinen Gleim vors 
föglih zu mißhandeln fahig find! — Die 
tiefe beynah Timonifche Mifantbropie, in 
die ich Sie zu verfinfen bereit fehe — o mein 
Freund, tie fehr beklemmt mich alles bieß! 
Ich Unglücfeliger, warum muß ich Sie leis 
den fehn, und Ihnen nicht helfen, nicht mes 
nigfteng zu Ahnen fliegen können, ben Bals 
fam der Liebe in Ihr Eranfes Herz gu gießen! 








*) Gleim wolle, Dom : Eapitularifher Zwiſte wegen, 
Halberftadt verlaffen, und feine Bibliothek verkaufen. 


185 


Verzweifeln Sie nicht ganz an. der Menfchz 
heit, mein befter Gleim. Schwach find wir 
Alle; dumm und uͤberklug, welches am 
Ende auf Eins hinauslaͤuft, find nur alzus 
viele; aber die Boshaften machen wahrlid) 
die Hleinfte Zahl aus. Das Herz des Manneg, 
"der Ihnen fo fchreiben Fonnte, wie Schlabs 
beendorf, Fann Fein Betrüger feyn. Laſſen 
Sie fih umarmen, und an’ein Herz drüden, 
. das Ihres Vertrauens gewiß. nicht unwerth 
ift. Schreiben Sie mir fo bald wieder, ale 
Sie können. 


CCXL. | 
An Ebendenfelben. 


Weimar, den 14. Mer; 1774 


Mas fol Ih Ahnen von Shrem rotben 
Buche fagen, befter Gleim? — Ich hab’ es 
gelefen, oder vielmehr verfehlungen — Ich hab’ 
ed empfunden, verflanden, big auf den Fleins 
fien Zug Ind Auge gefaßt — es iſt in allen 
Betrachtungen ein außerordentliches Phanos - 
menon. — Wird die Welt, in der wir Ichen, 
diefe hohe Einfalt, diefe wahre Sprache des 
Anfchauend, fühlen — verſtehen? — Ich hoff’ 


187 


ichte daß legte, woruͤber ich entſchlummere, 
d dieß ſo lange bis ich's auswendig weiß! 
Aber, beſter Gleim, darf ich Ihnen einen 
undſchaftlichen Zweifel Ihres Wielands 
ven, der Sie wahrhaftig wie feine Seele 
bt — der Ihren Ruhm für feinen eigenen 
ficht — doch was iſt Ruhm? — der 
nen fo gern die ganze Wonne des Gedans 
8 — recht viel Gutes gethan zu haben — 
nnen möchte ! 

Es betrife die Vorrede. Diefe moͤcht' ich 
trirt, und dafür nur einen fimplen avis au 
teur, ohne alle Prätenfion von Außerordents 
eit, nur um Ihn zu orientiren, um ihn, 
ie es auch nur mit zwey Worten, mit der 
cene der folgenden Gemälde, Monologen 
d -Dialogen, und mit den Perfonen,. die 
ı fo lieb werden müffen, ein wenig befannt 
machen. | | 
Auch die fo häufig vorfommenden fremden 
ahmen — (ich bin nicht gelehrt genug, um 
wiffen, ob fie arabifch, perfifch oder tartas 
find) werden, wie ich beforge, der Haupts 
he eher nachtheilig als zuträglich feyn! Ich 
greife nicht recht, was für eine Bettachtung 
ie bewegen fonnte, ihre Leſer fo oft In die 


135 


Norhivendigkeit zu feßen, In die Noten herab 
zu gucen, und dann gleichwohl fehr oft fh | 
feinen beftimmtern und anfchauendern Begriff 
bey dem fremden Worte machen zu fönnen 
als zuvor ? 

Der Gedanke, — ein für alle fchöne Seelen, 
für alle gute Menfhen — für alle Menu 
fchen, in dem Augenblicke, da fie fabig find 
die Stimme der reinen Wahrheit gu hören — 
gefchriebenes Buch von allem zu befreyen, 
was den natürlichen Eindrud, den e8 machen 
muß, ſchwaͤchen koͤnnte, dieſer Gedanke follte, 
wenn ich ſo gluͤcklich waͤre Verfaſſer vom Hal⸗ 
ladat zu ſeyn, der einzige Rathgeber ſeyn, 
dem ich in allem, was nicht die Hauptſache 
ſelbſt ausmacht, Gehör geben wollte. Sie mols 
len den Debit durch Klopſtocks Eollecteurd mas 
chen laffen? — Sch bin feiner davon — denn 
Klopſtock fieht zu Hoch, um ein fo profanes 
Inſektchen, als ich in feinen Augen bin, auf 
der Erde kriechen zu ſehen. — Er bat mid 
noch nie erfannt, und würdigt mich alfo auch) 
nicht, mich unter feine Collecteurg zu nehmen. 
Aber wenn ich durch den Merkur etivag zur 
Beförderung Ihres Halladats thun fann — fo 
winfen Sie mir. 


189 


deffen ſollt' 08 ein Geheimniß (wenigſtens 
Zeit lang) bleiben, wer der Verfaffer ift. 
e kann's nicht geheim bleiben — denn 
fieht gleich, daß Sie der einzige Deuts 
find, der's gemacht haben kann. Dieß 
t ſich. | 

) wünfchte mich für einen Abend zu ihnen 
Halberfiadt, um mich über alles dieß 
viel andres, aus offnem Herzen, mit 
3, befprechen zu koͤnnen. Wollte Gott, ich 
e Ihnen dieß Buch) felbft bringen. Mic 
'befter Gleim, kommt mein hberzlichftee 
‚ für den Vorzug, den Sie mir gegonnt 
, 28 im Manuferipk zu lefen, und mein 
er Wunſch, daß der Mann immer ruhig, 
und glücklich feyn möge — der, fo viel 
m ift, ale Menfchen glücklich zu machen 


CCXLI. 
An Zimmermann. 
Belvedere bey Weimar, den 3. Juny. 1774 
ine ganze Seele danke ihnen, mein bes 


immermann, für den warmen Anutheil, 
5ie an meinem Schickſal nehmen: Ich 


190 


felbt bin für mich und ale Meinigen ka 
dem fchrecklichen Unfall des fechsten May" 
unverleßt geblichen; aber meine Geele li 
für andre. In unmittelbaree Gefahr wuͤrd 
das Haus, das ich bewohne, gemwefen ſeyn 
wenn der Sturmwind, der das Feuer in | 
furger Zeit Durch das ganze Schloß verbreitet 
fih nur ein wenig gedreht hatte. Zu unfen 
Gluͤck kamen wir mit der Furcht davon. Ei 
paar Bücher, die ich Im Zimmer des junge 
Herzogs liegen hatte, find mein ganzer Berlul 

Ueberhaupe findet fich, daß der Schade nid 
fo groß iſt, daß er, ohne mindefte Befchwert 
des Landes, bloß durch einige, vormahls nid 
nöthige Einfchranfungen in der Ausgabe, nid 
in wenig Jahren wieder ſollte erfege feyn for 
nen. Und dieß iſt was unfer Hof nun In 
Werk ſetzt. Die Entlafung unferer Schaufpii 
Lcr : Sefellfchaft war eine unvermeidliche Folg 
diefer Maaßnahmen; und ich geſtehe daß fi 
mir fchmerzlich iſt, einmahl, well unfer recht 
fchaffene Andrea dabey verliert, und dann 
weit ich meine Alcefte dabey verliere. Die gu 
ten Leute geben nun auf drey Monathe nad 
Gotha, und dabin möge fie der Genius de 
öramatifihen Kunft begleiten! 


eo I9I 


Wuͤnſchen Sie mir gu meinem Prinzen Gluͤck. 


bat fi) am fechsten May und in den fols 


ıden Tagen wie ein Held und wie ein Mens . 
ienfreund aufgeführt, Was ift ein halb abs ! 
branntes Schloß gegen die herzliche Liebe 


nes Volks, die er durch fein ganzes Betra⸗ 
n in diefem Unfall gewonnen bat. 

Leben Sie wohl, mein theuerſter Zimmers 
ann, und behalten Sie mich lieb. Bald 
rden Sie unfern Stein und feine fehöne 
au wieder fehen Eönnen; denn fie gehen nach 
hrmont. Aber, o mein befter, verebrungss 
erther alter Freund, mann werden denn wir 
is mwiederfehen? Glauben Sie mir, der Tag 
dieſes gefchehen würde, würde zum glück 
Hfien der Menfchen machen Ihren W. 


CcXLI. © 
An Gleim. 
Weimar, den 15. Auguſt. 1774. 
Was fir ein fchöner herrlicher Traum, mein 
heurefier! Mir und meinem ganzen Haͤus⸗ 
en träumte, Glelm bätte ung befucht, hätte 
as ziveen goldene Tage gefchenft, hätte uns 
le, iedes In feiner Art, gluͤcklich gemacht. 


X 


| 


192 

Gogar die Kinder find Gleims und Blen 
deng voll, furg, wenn e8 nur ein Traum k 
denn welcher Philofoph kann die Unmöglid 
eines Familientraumes beweifen? — 
tar e8 wenigſtens ein fo angenehmer Traı 
und der fo tiefen Eindrud in unfern He 
zuruͤckließ, daß wir den Göttern an Wo 
gleich zu feyn glaubten, wenn wir auch) 
alfe vier Wochen einen folchen Samilientre 
träumen fünnten. 

Im Ernft, liedfter Gleim, wir verlaffen 
darauf, daß Sie In unfern Herzen gelefen 
ben, daß Sie es durch den nahmenlofen 
nern Sinn, durch den Seelen fich einan 
unmittelbar mittheilen, empfunden haben, 
herzlich wir Sie lieben und verehren, — de 
ohne dieß, koͤnnten wir es Ihnen auf fi 
andre Weife binlänglich zu erfennen geben. 

Stellen Sie fi) vor, daß fogar die fle 
Amalie jetzt noch, da Sie ſchon wieder a 
Tage weg find, fich meines Gleims und ur 
rer Gleminde erinnert. Sobald man Ih 
Nahmen nennt, kommt fie in Bewegung, ze 
bie Treppe hinauf, die zu Ihren Zellen fühı 
und firebt mit Hand und Fuß vol füßer I 

duld, daß man fie zu Ihnen hinauf fragen ſi 


193 


bleibt nun dabey, Beſter unter allen 
ihen, — mir befuchen einander alle 
wechſelsweiſe? da die Entfernung fo 
dag Leben fo kurz, und die Gegenwart 
Sreundes, wie Gleim, der beſte Genuß 
bens iſt! 

Ihrer Entfernung iſt Pami Grimm, 
ihrer zweyer rußiſcher Grafen, Soͤhne 
eldmarſchalls Romanjow, mit ſelbigen 
weſen. 

junge Herzog zaͤhlt ſehr darauf, meinen 
kuͤnftig kennen zu lernen und ſich zu 
zu machen. 
hiechen, Carolinchen, Dorchen machen 
und ſonders ihren Knicks, jede ſo gut 
a. O mein Gleim, mein ganz eigner 
da Sie dieſe Kinder und ihre Mutter, 
zater ſo fehr lieben, warum konnen wir 
eyfammen leben, Eine Familie ausma⸗ 
Wie felig wären wir! | 

h einmahl taufend Dank aus vollem 
für jeden Beweis Ihrer Liebe, die und 
klich macht. 





ndB Briefe III. B. 13 - 


194 


CCXLIIE. 
An Ebendenfelben. 
Meimar , den 17. Detober 171 


Ste haben fich ganz vortrefflich wegen Ihre 
Stillſchweigens gerechtfertigt. Sie waren die 
Zeit hindurch glücklich — und Ich bin eg, wen 
ich höre daß Sie es find. 

Daß unfer Zimmermann mich liebe, iff m 
immer füß zu hören, wiewohl ich darauf zähle 
aber daß Ihre Grafen von Stollberg fo gü 
fig von mir denfen, ift mir neu. 

Daß Sie noch langer hätten bey ung bl, 
ben, daß Sie mit mir noch Gotha hatten r 
fen und Alceften hören können, und daß fi 
freundlicher Genius gemwefen iſt, dee ung d 
in die Seele geflüftert hat, verdrießt mich he 
lich, und würde mich untröftlic) machen, we 
ich nicht feft auf unfern Vertrag zahlte, u 
alle Jahre wechſelsweiſe zu befuchen. 

Wie ganz eigen ihnen, feit Ihrem fo lic 
vollen Befuche, mein Herz iſt, wie fehe € 
und Die angenchme geifts und gefuͤhlvolle G 
minde von allem was mein iſt geliebe werd: 
wie ſtark und lange wir fühlten, daß Sie u 
fehlten, beſter Gleim, dieß kann ich Ihn 


195 
je fagen. Worte und Phrafen find Feine 
yrachen fur Herzen wie die unfrigen; fie 
einen leiht zu viel zu fagen, und fagen 
ch nie was wir empfinden, weder fd flarf 
ch fo herzlich als wir ed empfinden. 

Menn Sie in Berlin, wie ich hoffe, einige 
enfchenföhne und Töchter mit gefundem Kopf 
d Herzen antreffen, die mich lieben, fo 
auch’ ich meinem Sleim nicht zu empfehlen, 
ß er mich ihnen in naturalibus,, mie er mich 
fehen bat, vormalen fol. Es ift ein albern 
ing um den Schleyer den meine Laune um 
ich her. gezogen bat: Wenige Menfchen ken⸗ 
n mich, und mein Herz fagt mir doch, daß, 
nn man mich fennte, nur böfe Menfchen 
It gegen mich bleiben würden. Und .gleichs 
ohl, mein theurer. Vater Gleim, haben Sie . 
der wenigen Zeit, da wir beyfammen mas 
n, gefeben, daß ich leider! ſchr lich unars 
3 feyn kann. Aber freylich, wenn mir dieß 
gegnet, leidet auch niemand mehr. Dabey 
8 ich. 

Mit dem Merfur geht es fchon ziemlich 
Hecht. Die Collecteurd bezahlen nicht, manche 
ffen fi) mahnen, und geben gar feine Antse 
ort. Auch die Buchhandier verderben mir 


196 


das Spiel auf alle Weile. Es it Eläglih, 
was der Mangel an Ehrlichfeit, und bie ve 
dammte mir unbegreifliche Unluſt an ande 
Gluͤck, für Unheil im menfchlichen Leben an 
richten. Das ärgfie if, daß wir ung zu Tod 
fchreißen fünnen, ohne daß darum ein einzige 
Schurke weniger in der Welt wird. 

Um fo mehr, llebſter Gleim, wollen wi 
andern, deren Herzen Die Natur aus feiner 
Zon gemacht, einander durch unfre Liebe fchat 
los halten, 

Der Gedanfe, daß mein rechtfchaffner Gleim 
der edelfte und beſte Mann den ich kennt 
von folhen Menfchen wie Spalding und Ran 
ler, nicht eben fo geliebt werden fol, wie e 
von Wieland geliebt wird, iſt wahre Pein fü 
mein Herz... Welche Wonne, wenn Ihre Keil 
nah Berlin Geiſter und Herzen wieder zu 
fansmenfchmelzen koͤnnte, die nicht gemad 
find, einander zuruͤckzuſtoßen. Oder iſt's mög 
lich, daß jene Geifter Fein Ders haben? 


1% 
GCXLIV. 
An Ebendenfelben. 
Meimar, November 1774: 


Nein, mein geliebter, verebrter, herzlich 
nd innig geliebter und verehrter Vater Gleim, 
» lang Ihr Wieland lebt, follen Sie feinen 
ndeen Winkel des Erdbodeng zu Ihrer Reti⸗ 
ade fuchen, als den, wo Ahr Wieland lebt, 
‚ er mit dem Weibe feines Herzens, und 
sit den Kindern die ihm Gott gelafien bat, 
bt, und um das Gelubde, das er Gott über 
er Leiche feines Sohns — fo jung. er flarb, 
) verfprach er doch ſchon einen Sohn, ber 
effer als fein Vater worden wäre — gelobt 
at; um dieß Gelübde — was für Eines, lafs 
n Sie Ihr Herz fih fagen — unverbrüchs 
ich zu halten, hat er einen foldhen Gefährs 
en feines übrigen Lebens vonnoͤthen, wie fein 
zleim iſt. 

Beſter Gleim, noch find mir alle Nerven 
seines Körpers ſchwach und Eranf, der Stoß 
ar zu flarf und unerwartet — ich kann noch 
iche fchreiben, aber ich befchwöre Sie bey 
er Urne meines theuern Schmerzensſohns, 
enken Sie an feinen andern Winfel der Erde, 


198 


als wo Ihr Wieland If. Kommen Gie, Ih 
fen Sie uns Eine Familie ausmachen; ndy 
men Gie an allen meinen Unternchmunga 
Theil; feyn Sie mein Vater, mein Bruda, 
mein STreund, der Mitvater meiner Kinder, 
der Bruder des Engeld in deffen Armen, in 
Deffen Herzen meine Seele Ruhe finder. Mein 
Meib, meine Mutter, fogar meine flein 
Sophie, mir alle athmen im gleichen Augen 
blit den nähmlichen Wunfch, die naͤhmllche 
Ditte aus vollem Herzen auß. 

Kommen Sie, es ſoll Sie nie gereuen; Sit 
werden zu guten Menfchen »ımmen, und die 
Wonne fühlen, uns alle beffer zu machen. 

Alles übrige fchreibt Ihnen mein und Ihr 
Bertuch, der redlichfie, gutberzigfte Mann, 
Den Gottes Boden trägt. Ich kann nicht mehr 
fchreiben, als lebe wohl, edelfter und befer 
unter den Gterblichen. 





CCXLV. 
An Ebenpdenfelben. 
Weimar, den 6. Merz 1775 


Bin ich nicht eine undanfbare Eeele, mein 
e Öleim, daß ih Ihnen meinen Dan 


195 
das Vergnügen, das Sie meinen Kindern, 
er Mutter und Großmutter und mir felbft 
ecte und indirecte durch den überfchichen 
ligen Chrift gemachte baben, erſt den 6. 
erz darbringe. Aber, liebſter Gleim, ich 
ıfe in folchen Dingen machen Sie es gerade 
e unfer lieber Here Gott; Sie fehen die 
eude, die wir über Ihre Gutthaten empfuns 
ı haben, als den beſten Danf an, und diefe 
be ich Ihnen doch ſchon laͤngſt durch unfern 
euch Fund und zu wiffen thun laſſen. Kurz 
d gut, mein vortrefflicher Freund, alles was 
meinem Haufe lebt und webt, liebt Sie, 
d fühle, jedes in feiner Art, und fo gut es 
nn und mag, daß es nicht noch fo einen - 
ten Mann in ber Welt giebt, wie mein 

eim. 

Und nun, warum ſchrelb' ich Ihnen dieß 
es? Weil heute der 6. Maͤrz iſt, und in 
er Wochen der 6. April feyn wird, und dann 
fehr wenig Wochen die Zeit kommen wird, 
y ich Ihnen mit meiner Srau und der klei⸗ 
n Sophie auf den Hals zu fallen Luft und 
ebe hätte, wenn Sie um biefe Zeit etliche 
eye Tage hätten, die Sie der Freundfchaft 
yenfen koͤnnten. Dein geliebter Karl Auguſt 





. | 191 


Wuͤnſchen Sie mir zu meinem Prinzen Gluͤck. 
: bat fi) am fechsten May und in den fols 
nden Tagen wie ein Held und wie ein Mens. 


yenfreund aufgeführt, Was ift ein halb abs 


P 


branntes Schloß gegen die herzliche Liebe 


Ines Volks, die er durch fein ganzes Betra⸗ 
a In diefem Unfall gewonnen bat. 

Leben Sie wohl, mein theuerfter Zimmers 
ann, und behalten Sie mich lieb. Bald 
erden Sie unfern Stein und feine fehone 
rau wieder fehen Eönnen; denn fie gehen nach 
pemont, Aber, o mein befter, verehrungss 
erther alter Freund, wann werden denn wir 
ns wiederſehen? Glauben Sie mir, der Tag 
ı Diefes gefchehen würde, wuͤrde zum glück 
chſten der Menfchen machen Ihren W. 


CCXLIL 

An Gleim. 
Weimar, den 15. Augufl. 1774. 
Mag für ein fchöner herrlicher Traum, mein 
heureſter! Mir und meinem ganzen Haͤus⸗ 
ven träumte, Gleim bätte ung befucht, hatte 
n8 zween goldene Tage gefchenft, hatte uns 
Ne, iedes In feiner Are, gluͤcklich gemacht. 


5) 


dene voll, furs, wenn ed nur ein Traum mar; | 
denn welcher Philofoph kann die Unmöglichtelt 

eines Familientraumes beweifen? — fh 

war e8 mwenigfiens ein fo angenehmer Traum, 

und der fo tiefen Eindruc in unfern Herzen 

zurüchieß, daß wir den Göttern an Wonne 

gleich zu feyn glaubten, wenn wir auch nur 

alle vier Wochen einen folchen Familientraum 

traͤumen koͤnnten. 

Im Ernſt, liebſter Gleim, wir verlaſſen uns 
darauf, daß Sie in unfern Herzen geleſen has 
ben, daß Sie ed durch den nabmenlofen Ins 
nern Sinn, durch den Seelen fih einander 
unmittelbar mitthellen, empfunden haben, wie 
herzlich wir Eie lieben und verehren, — denn, 
ohne dich, fönnten wir es Ihnen auf keine 
andre Weiſe hinlänglich zu erfennen geben. 

Steffen Sie fi) vor, daß fogar die Elelne 
Amalie jeße noch, da Sie ſchon wieder acht 
Tage weg find, fich meines Gleims und unſe—⸗ 
rer Gleminde erinnert. Sobald man Ihren 
rahmen nennt, komme fie in Bewegung, zeigt 
die Treppe hinauf, die zu Ihren Zellen führte, 
und firebt mit Hand und Fuß vol füßer Uns 
geduld, daß man fie zu Ihnen hinauf fragen fol. 


192 .. 
Sogar die Kinder find Gleims und .. 


193 

bleibt. nun dabey, Beſter unter allen 
lichen, = wir befuchen einander alle 
», wechfelsweife? da die Entfernung fo 
‚ dag Leben fo kurz, und’ die Gegenwart 
Freundes, wie Gleim, ber befte Genuß 
ebens iſt! 
it Ihrer Entfernung iſt Pami Grimm, 
führer zweyer rußiſcher Grafen, Söhne 
Seldmarfchallg Romanzow, mit ſelbigen 
zeweſen. 

junge Herzog zähle ſeht darauf, meinen 
uͤnftig kennen zu lernen und ſich zu 
zu machen. 
phiechen, Carolinchen, Dorchen machen 
t und ſonders ihren Knicks, jede ſo gut 
nn. O mein Gleim, mein ganz eigner 
t, da Sie dieſe Kinder und ihre Mutter, 
Vater: fo fehr lieben, warum konnen wie 
beyfammen leben, Eine Familie ausma⸗ 
Wie felig wären wir! | 
oc) einmahl taufend Dank aus vollem 
n für jeden Beweis Ihrer Liebe, die und 
icklich macht, 





lands Briefe III. 8. 13 - 


194 
CCXLIIF. 
An Ebenvdenfelben. € 
Weimar, den 17. October 1774 || 


Ste haben fi) ganz vortrefflich wegen Ihres | 
Stillſchweigens gerechtfertigt. Sie waren dieſe 
Zeit hindurch gluͤcklich — und ich bin eg, wenn 
ich höre daß Sie es find. 

Daß unfer Fimmermann mich liebt, iſt mir 
immer füß zu hören, wiewohl ich Darauf zaͤhle — 
aber daß Ihre Grafen von Stollberg fo guw 
fig von mir denfen, iſt mir neu. 

Daß Sie noch langer hätten bey ung biels 
ben, daß Ste mit mir noch) Gotha hatten reis 
fen und Alceften hören koͤnnen, und daß fein 
freundlicher Genius gewefen ift, dee ung dad 
in die Seele geflüftert hat, verdrieße mich ber 
lich, und wurde mich untröftlich machen, wenn 
ich nicht feſt auf unfern Vertrag zahlte, ung 
alle Jahre mechfelsweife zu beſuchen. 

Wie ganz eigen Shnen, feit ihrem fo liches 
vollen Beſuche, mein Herz tft, wie fehr Sie 
und die angenehme geifts und gefuͤhlvolle Gle⸗ 
minde von allem was mein ft geliebt werben, 
wie ſtark und lange wir fühlten, daß Sie und 
fehlten, beſter Gleim, dieß kann ich Ihnen 


195 
fagen. Worte und Phraſen find Feine 
chen für Herzen wie die unſrigen; fie 
ıen leicht zu viel zu fagen, und fagen 
nie was mir empfinden, mweber ſo flarf 
fo herzlich als wir ed empfinden. 
enn Sie In Berlin, wie ich hoffe, einige 
ichenföhne und Töchter mit gefundem Kopf 
Herzen antreffen, die mich lieben, fo 
ch’ ich meinem Gleim nicht gu empfehlen, 
ee mich ihnen in naturalibus,, wie er mich 
en bat, vormalen fol. Es iſt ein albern 
j um den Schleyer den meine Laune um 
bee gezogen bat. Wenige Menfchen ken⸗ 
mich, und mein Herz fagt mir doch, daß, 
ı man mich fennte, nur böfe Menfehen 
gegen mich bleiben würden, Und „gleichs 


l, mein theurer .Bater Gleim, haben Sie . 


er wenigen Zeit, da wir beyfammen mas 
gefehen, daß ich letder!_fchr dAlich unars 
eyn fann. Aber freylich, wenn mir dieß 
jnet, leidet auch niemand mehr: dabey 
ich. 

ie dem Merkur geht es ſchon ziemlich 
cht. Die Eollecteurd bezahlen nicht, manche 
n fih mahnen, und geben gar feine Ant« 
. Yuch die Buchhandiee verderben mir 


/ 


u 


196 


das Spiel auf alle Welle. Es ift Fläglic 
was ber Mangel an Ehrlichfelt, und die vr 
dammte mir unbegreiflihde Unluſt an andre 
Gluͤck, für Unheil im menfchlichen Leben ar 
richten. Das ärgfte IR, daß wir ung zu Tel 
fchreißen fünnen, ohne daß darum ein einzig 
Schurke weniger in der Welt wird. 

Um fo mehr, liebfiee Siem, wollen w 
andern, deren Herzen die Natur aus feinere 
Ton gemacht, einander durch unfre Liebe fchal 
los halten, 

Der Gedanfe, daß mein rechtfchaffner Glein 
der edelfte und befle Dann den ich kenn 
von folchen Menfchen wie Spalding und Kar 
ler, nicht eben fo geliebt werden fol, tie ı 
von Wieland geliebt wird, iſt wahre Pein fi 
mein Herz. . Welche Wonne, wenn Ihre Rei 
nah Berlin Geifter und Herzen wieder $ 
fammenfchmelzgen Eönnte, die nicht gemad 
find, einander zuruͤckzuſtoßen. Oder iſt's moͤp 
lich, daß jene Geiſter kein Herz haben? 


10% 
GCXLIV. 
An Ebendenfelben. 
Weimar , November 1774. 


Nein, mein geliebter, verehrter, herzlich 
nd innig geliebter und verehrter Vater Gleim, 
‚ lang Ihr Wieland lebt, follen Sie keinen 
ndern Winkel des Erdbodeng zu Ihrer Reti⸗ 
ıde fuchen, als den, wo hr Wieland lebt, 
o er mit dem Weibe feines Herzens, und 
ie den Kindern die ihm Gott gelaffen bat, 
bt, und um dag Geluͤbde, das er Gott über 
er Leiche feines Sohns — fo jung. er flarb, 
» verfprach er doch fchon einen Sohn, der 
effer als fein Vater worden wäre — gelobt 
at; um dieß Gelübde — was für Eines, lafs 
n Sie Ihr Herz fi fagen — unverbruͤch⸗ 
ch zu halten, bat er einen foldhen Gefährs 
m feines übrigen Lebens vonnoͤthen, wie fein 
jleim ift. 

Beſter Gleim, noch find mir ale Nerven 
seines Körpers ſchwach und krank, der Stoß 
yar zu flarf und unerwartet — ich Fann noch 
icht fchreiben, aber ich befchwöre Sie bey 
er Urne meines theuern Schmerzensfohng, : 
enfen Gie an feinen andern Winkel der Erde, 


135 


Nothwendigkeit zu feßen, In bie Noten herab 
zu gucken, und dann gleichwohl fehr oft fh | 
feinen beflimmtern und anfchauendern Begriff 
bey dem fremden Worte machen zu koͤnnen 
als zuvor ? 

Der Gedanfe, — ein für alle fchöne Seelen, 
für alle gute Menfhen — für alle Mew 
fchen, in dem Augenblicke, da fie fähig find 
die Stinnme der reinen Wahrheit zu hören — 
gefchriebenes Buch von allem zu befreyen, 
was den natürlichen Eindruck, den es machen 
muß, ſchwaͤchen fönnte, biefer Gedanke follte, 
wenn ich fo gluͤcklich ware Verfaſſer vom Hab 
ladat zu ſeyn, der einzige Nathgeber ſeyn, 
dem ich in allem, was nicht die Hauptfache 
ſelbſt ausmacht, Gehör geben wollte. Sie wols 
len den Debit durch Klopſtocks Collecteurg mas 
chen laſſen? — Sch bin feiner davon — denn 
Klopftock fieht zu hoch, um ein fo profanes 
Inſektchen, als ih in feinen Augen bin, auf 
der Erde Eriechen zu fehen. — Er hat mid 
noch nie erfannt, und wuͤrdigt mich alfo auch 
nicht, mich unter feine Colecteurg zu nehmen. 
Aber wenn Ich durch den Merkur etwas zur 
Beförderung Ihres Halladats thun kann — fo 
winfen Gie mir. 


v 


189 


Indeſſen fol! e8 ein Geheimniß (wenigſtens 
Ine Zelt lang) bleiben, wer der Verfaſſer ift- 
ange kann's nicht geheim bleiben — denn 
ıan fieht gleih, daß Sie der einzige Deuts 
che find, der's gemacht haben Fann. Dieß 
uͤhlt ſich. | 

Ich wünfchte mich für einen Abend zu Ihnen 
ah Halberſtadt, um mid) über alles dieß 
nd viel andres, aus offnem Herzen, mit 
ihnen, befprechen zu können. Wollte Gott, ‚ich 
Inte Ihnen dieß Buch felbft bringen. Mie 
m, 'beiter Gleim, kommt mein berzlichfter 
Yanf, für den Vorzug, den Sie mir gegönnt 
aben, es im Manufeript zu lefen, und mein 
iniger Wunfch, daß der Mann immer ruhig, 
eiter und glücklich feyn möge — der, fo viel 
n ihm ift, alle Menfchen glücklich zu machen 
icht. | 


CCXLI 
An Zimmermann. 
Belvedere bey Weimar, den 3. Juny. 1774 
Meine ganze Seele dankt ihnen, mein bes 


er Zimmermann, für den warmen Antheil, 
en Sie an meinem Schickfal nehmen: Ich 


190 


ſelbſt bin für mich und ale Meinige 
dem fchredlichen Unfall des fecheten : 
unverletzt geblieben; aber meine Geel 
füe andre. Sin unmittelbarer Gefahr 
daB Haus, das ich bewohne, geweſen 
wenn der Sturmwind, der das Feuer 
kurzer Zeit durch das ganze Schloß verbr 
fih) nur ein wenig gedreht hatte. Zu u 
Glück famen wir mit der Furcht davon. 
paar Bücher, die ich im Zimmer des j 
Herzogs liegen hatte, find mein ganzer V 
Ueberhaupt findet fich, daß der Schade 
fo groß iſt, daß er, ohne mindefte Befch 
des Landes, bloß durch einige, vormahle 
nöthige Einfchrankfungen In der Ausgabe, 
in wenig Jahren wieder follte erſetzt ſevn 
nen. Und dieß IfE was unfer Hof nun 
Merk fest, Die Entlaffung unſerer Schai 
Ice s Sefellfchaft war eine undermeidliche | 
diefer Draaßnahmen; und ich ‚gefiche ba 
mir fchmerzlich ift, einmahl, weil unfer ı 
fchaffene Andrea dabey verliert, und d 
weit ich meine Alcefte dabey verliere. Di 
ten Leute gehen nun auf drey Monathe 
Gotha, und dahin möge fie der Genius 
öramatifihen Kunft begleiten! 


.. | 191 


Wünfchen Sie mir zu meinem Bringen Slüd. 


Er hat fih am fehsten May und in den fols ° 


genden Tagen wie ein Held und wie ein Mens : 


fchenfreund aufgeführt, Was ift ein halb abs 
gebranntes Schloß gegen die herzliche Liebe 


feines Volks, die er ducch fein ganzes Betra⸗ 


gen In diefem Unfall gewonnen hat. 

£eben Sie wohl, mein theuerſter Zimmers 
mann, und behalten Sie mich lied. Bald 
werden Sie unfern Stein und feine fchöne 
Stau wieder ſehen können; denn fie gehen nad) 
"Wprmont. Aber, o mein befter, verehrungss 
werther alter Freund, wann werden denn wir 
ung wiederſehen? Glauben Sie mir, der Tag 
da diefes gefchehen würde, wuͤrde zum glück 
lichfien der Menfchen machen Ihren W. 


CCXLU. 
An Sleim 


Weimar, den 15. Auguſt. 1774. 


as fiir ein fchöner herrlicher Traum, mein 
Sheurefier! Mir und meinem ganzen Häußs 
chen träume, Gleim hätte uns befucht, hatte 
ung ziveen goldene Tage gefchenft, hätte uns 
alle, jedes in feiner Art, glüclich gemacht. 


a 
F 


n- 


182 


Sch bitte Sie fehr, liebſter Sleim, mein 
Herz nicht durch eine rafche Antwort aba | 
mahl zu zerreißen. Diesmahl, mein Hefte 
fordre ih nur Gerechtigkeit von Ahnen; | 
und um diefe zu handhaben, muß man bey | 
kuͤhlem Blute feyn. 

Wenn in dieſen Blaͤttern ein beleidigendes 
Wort iſt, ſo deſavouirt es meine ganze Seele. 
Sch liebe und ehre Sie noch immer wie eher 
dem, und ohne einen Schatten von Zweifel 
erwart’ ich von der Rechtſchaffenheit meines 
Gleims Gerechtigfeit gegen feinen W. 


CCXXXIX. 
An Ebendenſelben. 


Weimar, den 14. Februar 1774 


Mein vortrefflicher Freund — Was für ein 
göttlicher Mann ift Ihr Schlabberndorf? Seh 
ten in meinem ganzen Leben bin ich fo gerührt 
geweſen, als vou der Stelle, die Sie mir aus 
feinem Briefe abgefchrieben haben. Der edle 
Mann! Wie freut es mic), daß ich doch end⸗ 
li; einmahl den Befiger eines guten, wohl⸗ 
thätigen, großen Herzens, auch mit dem Ber 
mögen groß und fchon zu handeln, begabt 





133 


febe! Warum, befler Gleim, iſt es unmöglich, 
mir wenigſtens unmöglich, das Leben, dag 
der Menfchenfreund, der Freund der Mufen, 
ung anbeut, den Vorgefchmacd von Elyfium, 
aus feiner Hand anzunehmen? Warum kann 
ich nicht mit meinem Gleim nach Kupferberg 
sieben? Sie willen, mein Befler, was mid 
an Welmar feffele; ein junger Zürft, der 
nein Freund if, der cin Bedurfniß fühlt, 
einen Freund, wie ich, zu haben, den ich 
nicht verlaffen Fann, und der, zu feinem 
Gluͤcke, nur ein kleiner Fuͤrſt If, aber, für 
dag Glück der Menfchen,, ein großer Monarch 
feyn ſollte. — Doch auch ohne dieß, wiſſen 
Ste noch ein Hinderniß; eine zahlreiche Tas 
milie, die ſich noch in diefem Fahre vermehs 
ren wird; unerzogne: Kinder ıc. Aber Ihnen, 
mein theuree Gleim, wünfchte ich eine folche 
Retraite! Und mag wollte ich nicht (hun, wenn 
es in meinee Macht ſtuͤnde, die Hinderniffe 
u beben, die Ihrer Freyheit, Ihrer Ruhe im 
Mege fliehen. 

Mein junger Herzog, der, wie Sie wilfen, 
30h ungefähr achtzehn Monathe unter Vors 
nundfchaft fiehen wird, kann jegt noch nichts 
hun, und die ganze dermahlige Lage der 


185 


Versmeifeln Sie nicht ganz an der Menfchz 
heit, mein beſter Gleim. Schwach find wie 
Ale; dumm und überflug, weſches am 
Ende auf Eing binausläuft, find nur allzu⸗ 
viele; aber die Boshaften machen wahrlich 
die Heinfte Zahl aus. Das Herz des Mannes, 
der Ihnen fo fchreiben fonnte, wie Schlabs 
berndorf, kann Eein Betrüger feyn. Laſſen 
Sie ſich umarmen, und an’ein Herz drücken, 
das ihres Vertrauens gewiß. nicht unmerth. 
ift. Schreiben Sie mir fo bald wieder, als 
Sie können. 





- CCXL. | 
An Ebendenfelben. 


Weimar, den 14. Met 1774 


Mas fol ich Ihnen von Iprem rothen 
Buche ſagen, beſter Gleim? — Ich hab' es 
geleſen, oder vielmehr verſchlungen — ich hab' 
es empfunden, verſtanden, bis auf den klein⸗ 
ſten Zug ins Auge gefaßt — es iſt in allen 
Betrachtungen ein außerordentliches Phaͤno⸗ 
menon. — Wird die Welt, in der wir leben, 
dieſe hohe Einfalt, dieſe wahre Sprache des 
Anſchauens, fühlen — perfiehen? — Ich hoff’ 


187 


Nächte dag lebte, worüber .ich -entfchlummere, 
und dieß fo lange big ich’8 auswendig meiß! 

Aber , beſter Gleim, darf ich Ihnen einen 
freundfchaftlihen Zmeifel Ihres Wielands 
fagen, der Sie wahrhaftig wie feine Seele 
liebt — der ihren Ruhm für feinen eigenen 
anficht — doch was iſt Ruhm? — der 
Ahnen fo gern die ganze Wonne des Gedans 
kens — recht viel Gutes gethan zu haben — 
gönnen möchte ! 

Es betrife die Vorrede. Diefe möcht ich 
caftrire, und dafür nur einen fimplen avis au 
lecteur, ohne alle Prätenfion von Außerordents 
lichkeit, nur um ihn zu orientiren, um ihn, 
war’ es auch nur mit zwey Morten, mit der 
Scene der folgenden Gemälde, Monologen 
und -Dialogen, und mit den Perfoönen, die 
ihn fo lieb werden müffen, ein wenig befannt 
zu machen. | | | 

Auch die fo Haufig vorfommenden fremden 
Nahmen — Cich bin nicht gelehrt genug, um 
zu wiſſen, ob fie arabifch, perfifch oder Lartas _ 
rifch find) werden, wie Ich beforge, der Haupts 
fache eher nachtheilig als zuträglich feyn! Ich 
begreife nicht recht, was für eine Bettachtung 
Sie bewegen konnte, Ihre Lefer fo oft In die 


135 
Nothwendigkeit zu ſetzen, In die Noten herab 


zu gucen, und dann gleichwohl ſehr oft fi I 


feinen beftimmtern und anfchauendern Begtif 
bey dem fremden Worte machen zu fönnen 
ale zuvor ? 

Der Gedanfe, — ein für alle fchöne Seelen, 
für alle gute Menfhen — für alle Men— 
fchen, in dem Augenblicke, da fie fahig find 
die Stimme der reinen Wahrheit zu hören — 
gefchriebeneg Buch von allem zu befreyen, 
was den natürlıchen Eindrud, den e8 machen 


muß, ſchwaͤchen fünnte, diefer Gedanke follte, 


wenn ich fo glüdlic wäre Verfaffer vom Hal 


Iadat zu ſeyn, der einzige Rathgeber ſeyn, 


dem ich in allem, was nicht die Hauptfache 
felbft ausmacht, Gehör geben wollte. Ste wol⸗ 
len den Debit durch Klopſtocks Collecteurg mas 
chen laſſen? — Sch bin feiner davon — denn 
Klopſtock ſteht zu hoch, um ein fo profanes 
Ssnfeftchen, als ich in feinen Augen bin, auf 
der Erde kriechen zu fehen. — Er bat mid 
noch nie erfannt, und wuͤrdigt mich alfo auch 
nicht, mich unter feine Collecteurs zu nehmen. 
Aber wenn Ich durch den Merkur etwas zur 
Beförderung Ihres Halladats thun kann — fo 
nfen Sie mir. 


189 


Indeſſen ſollt' e8 ein Geheimniß (wenigſtens 
ine Zelt lang) bleiben, wer der Verfaſſer tft. 
ange kann's nicht geheim bleiben — denn 
zan fiehe gleih, daß Sie der einzige Deuts 
che find, der’s gemacht haben kann. Dieß 
uͤhlt ſich. | 

Sch mwünfchte mich für einen Abend zu Ihnen 
ach) Halberfiadt, um mich über alles dieß 
nd viel andres, aus offnem Herzen, mit 
ihnen, befprechen zu können. Wollte Gott, ich 
Snnte Ihnen dieß Buch felbft bringen. Mit 
m’, 'beiter Gleim, fommt mein berzlichftee 
Yank, für den Vorzug, den Sie mir gegönnt 
aben, es im Manufeript zu lefen, und mein 
ıniger Wunfch, daß der Mann immer rubig, 
eiter und glüchlich feyn möge — der, fo viel 
n ihm iſt, alle Menfchen glücklich zu machen 
icht. 


CCXLI. 
An Zimmermann. 
Belvedere bey Weimar, den 3. Juny. 1774. 
Meine ganze Seele dankt ihnen, mein bes 


er Zimmermann, für den warmen Autheil, 
en Sie an meinem Schickfal nehmen: Ich 


190 
ſelbſt bin für mich und alle Meinigen | 
dem fchrecklichen Unfall des fechsten Mays 
unverletzt geblieben; aber meine Seele litt 
fuͤr andre. In unmittelbarer Gefahr wuͤrde 
das Haus, das ich bewohne, geweſen feyn, 
wenn der Sturmwind, der das Feuer in fi 
furger Zeit durch das ganze Schloß verbreitete, 
fih nur ein wenig gedreht hatte. Zu unferm 
Glück famen wir mit der Furcht davon. Ein 
paar Bücher, die ich im Dimmer des jungen 
Herzogs liegen hatte, find mein ganzer Verluſt. 

Ueberhaupt findet fich, daß der Schade nicht 
fo groß iſt, daß er, ohne mindefte Befchwerdt | 
des Landes, bloß durch einige, vormahls nicht 
nöthige Einſchraͤnkungen In der Ausgabe, nicht 
in wenig Jahren wieder follte erfege feyn koͤn⸗ 
nen. And dieß iſt was unſer Hof nun in's 
Berk fest. Die Entlafung unferer Schaufplis 
ler⸗Geſellſchaft war eine unvermeidliche Folge 
diefer Maaßnahmen; und ich geſtehe daß fie 
mir ſchmerzlich ift, einmahl, weil unfer rechts 
fchaffene Andrea dabey verliert, und dann, 
weil ich meine Alcefte dabey verliere. Die gus 
ten Leute gehen nun auf drey Monatbe nad 
Gotha, und dahin möge fie der Genius der 
öramatifchen Kunft begleiten ! 


. 191 
Bünfchen Sie mir zn meinem Prinzen Gluͤck. 
bat ſich am fechsten May und in den fols 
den Tagen wie ein Held und wie ein Mens : 
enfreund aufgeführte, Was ift ein halb abs 
wanntes Schloß gegen die herzliche Liebe ', 
8 Volks, die er durch fein ganzes Betra⸗ 
ı in diefem Unfall gewonnen bat. 
?eben Sie wohl, mein theuerfier Zimmers 
nn, und behalten Sie mich lied. Bald 
rden Sie unfern Stein und feine fchone 
au toleder fehen Eönnen; denn fie gehen nach 
rmont. Aber, o mein befter, verehrungss 
rther alter Freund, wann werden denn wir 
8 wiederfehen? Glauben Sie mir, der Tag 
Diefes gefchehen würde, wuͤrde zum glück 
fen der Menfchen machen Ihren W. 


CcXLIL. 
An Sleim 
Weimar, den 15. Augufl. 1774. 
Was für ein fchöner herrlicher Traum, mein 
yeurefter! Mir und meinem ganzen Haͤus⸗ 
n träumte, Gleim bätte ung befucht, hätte 
8 ziveen goldene Tage gefchenft, hätte une 
ie, iedes In feiner Are, glücdlich gemacht. 


nu 


192 


Gogar die Kinder find Gleims und Glemi 
deng voll, furz, wenn es nur ein Traum wa 
denn welcher Philofoph kann die Unmöglidfi 
eines Familientraumes beweifen? — 
war e8 wenigſtens ein fo angenehmer Traun 
und der fo tiefen Eindruck in unfern Her 
zuruͤckließ, daß mir den Göttern an Won 
gleich zu ſeyn glaubten, wenn wir auch n 
alfe vier Wochen einen folchen Samillentrau 
träumen fönnten. 

Im Ernft, liebfter Gleim, wir verlaffen ui 
darauf, daß Sie In unfern Herzen gelefen h 
ben, daß Sie ed durch den nahmenlofen i 
nern Sinn, durch den Seelen fih einand 
unmittelbar mitthellen, empfunden haben, m 
herzlich wir Sie lieben und verehren, — den 
ohne die, koͤnnten wir es Ihnen auf keii 
andre Weife hinlänglich zu erkennen geben. 

Steffen Sie fih vor, daß fogar die Elek 
Amalie jetzt noch, da Sie ſchon wieder ad 
Tage weg find, fich meines Gleims und unf 
rer Gleminde erinnert. Sobald man hr 
Nahmen nennt, Fommt fie in Bewegung, zei: 
die Treppe hinauf, die zu Ihren Zellen führt 
und firebe mit Hand und Fuß vol füßer U: 
geduld, daß man fie zu ihnen hinauf fragen fol 


193 
8 bleibt nun dabey, Beſter unter allen 
rblichen, — wir befuchen einander alle 
ve, wechfelsweife? da die Entfernung fo 
ı, das Leben fo kurz, und die Gegenwart 
8 Freundes, wie Gleim, der beſte Genuß 
Lebens iſt! 
seit Ihrer Entfernung iſt Pami-Grimm, 
Sührer zweyer rußiſcher Grafen, Soͤhne 
Feldmarſchalls Romanzow, mit ſelbigen 
geweſen. 
er junge Herzog zaͤhlt ſehr darauf, meinen 
m kuͤnftig kennen zu lernen und ſich zu 
je zu machen, | 
ophiechen, Carolinhen, Dorchen machen 
mt und fonders ihren Knicks, jede fo guf 
ann. O mein Gleim, mein ganz eigner 
m, da Sie diefe Kinder und ihre Mutter, 
n Bater-fo fehr lieben, warum konnen wie 
t beyfammen leben, Eine Familie ausmas 
? Wie felig wären mir! | 
Roh einmahl taufend Danf aus vollem 
ven für jeden Beweis Ihrer Liebe, die und 
luͤcklich macht. 





zlelands Briefe IIT. 8. 13 - 


194 
CCXLIIE, 
Yn Ebendenfelben. J 
Weimar, den 17. October 1774 | | 


Sie haben fih ganz vortrefflich wegen Ihres 
Stillſchweigens gerechtfertigt. Sie waren diefe 
Zeit hindurch glücklich — und ich bin eg, wenn 
ich höre daß Sie es find. 

Daß unfer Zimmermann mich Liebe, if mir 
immer füß zu hören, wiewohl ich darauf zahle — 
aber daß Ihre Grafen von Stolberg fo gun 
fig von mir denfen, iſt mir neu. 

Daß Sie noch langer hätten bey ung blels 
ben, daß Ste mit mir noch Gotha Hatten rei 
fen und Alceften hören fönnen, und daß fein 
freundlicher Gentug gemwefen ift, der uns dad 
in die Seele geflüftert hat, verdrieße mich hery 
Lich, und würde mich untröftlich) machen, wenn 
ich nicht feit auf unfern Vertrag zahlte, ung 
alle Jahre mwechfeldweife zu befuchen. _ 

Wie ganz eigen ihnen, feit Ihrem fo liches 
vollen Defuche, mein Herz tft, wie ſehr Sie 
und die angenehme geifts und gefuͤhlvolle Gle⸗ 
minde von allem was mein Ift geliebt werden, 
wie ſtark und lange wir fühlten, daß Sie uns 
fehlten, beſter Gleim, dieß kann ich Ihnen 


195 
hicht fagen. Worte und Phrafen find Feine 
Sprachen fur Herzen wie die unfrigen; fie 
foheinen leiht zu viel zu fagen, und fagen 
Doch nie was mir empfinden, weder fd flarf 
noch fo herzlich als wir e8 empfinden. 

Wenn Sie In Berlin, wie ich hoffe, einige 
Menfchenföhne und Töchter mit gefundem Kopf 
und Herzen antreffen, die mich lieben, fo 
brauch’ ich meinem Gleim nicht gu empfehlen, 
daß er mich ihnen in naturalibus,, wie er mich 
gefeben bat, vormalen fol. Es iſt ein albern 
Ding um den Schleyger den meine Laune um 
mic) ber. gezogen hat: Wenige Menfchen fens 
nen mich, und mein Herz fagt mir doch, daß, 
wenn man mich fennte, nur böfe Menfchen 
falt gegen mich bleiben würden. Und .gleichs 
wohl, mein theurer Vater Gleim, haben Sie . 
in der wenigen Zeit, da wir beyfammen tvas 
ten, gefehen, daß ich letder!..fche lich unars 
tig feyn fann. Aber freylich, wenn mir dieß 
begegnet, Ieldet auch niemand mehr: Dabey 
als ich. 

Miet dem Merkur geht es fchon ziemlich 
ſchlecht. Die Colleeteurd bezahlen nicht, manche 
laffen fi) mahnen, und geben gar Feine Ants 
wort. Auch die Buchhändler verderben mir 


196 


das Spiel auf alle Welle. Es iſt klaͤgllch, 
was der Mangel an Ehrlichfeit, und die ven 
dammte mir unbegreifliche Unluft an andrt 
Gluͤck, für Unheil im menfhlichen Leben au 
richten. Das ärgfte ift, daB wir ung zu Tod 
fchreißen können, ohne daß darum ein einzige 
Schurfe weniger in der Welt wird. 

Um fo mehr, liebfter Gleim, wollen wi 
andern, deren Herzen die Natur aus feineren 
Ton gemacht, einander durch unfre Liebe fchad 
los halten, 

Der Gedanke, daß meln rechtfchaffner Gleim 
der edelffe und befte Mann den ich kenne 
von folchen Menfchen mie Spalding und Kam 
ler, nicht eben fo geliebt werden fol, wie e 
von Wieland geliebt wird, tft wahre Pein fü 
mein Herz... Welche Wonne, wenn Ihre Reif 
nach Berlin Geiſter und Herzen wieder zu 
ſammenſchmelzen koͤnnte, bie nicht gemad 
find, einander zuruͤckzuſtoßen. Oder iſt's moͤg 
lich, daß jene Geiſter kein Herz haben? 


197 
GCXLIY. 
An Ebendenfelben. 
Meimar, November 1774: 


Nein, mein gellebter, verebreer, herzlich 
id innig geliebter und verehrter Vater Sleim, 
lang Ihr Wieland lebt, follen Sie keinen 
dern Winkel des Erdbodeng zu Ihrer Reti⸗ 
de fuchen, als den, wo Ihr Wieland lebt, 
o er mie dem Weibe feines Herzens, und 
it den Kindern die ihm Gott gelaſſen bat, 
bt, und um das Gelübde, das er Gott über 
r Leiche feines Sohns — fo jung. er flarb, 
. verfprach er doch ſchon einen Sohn, der 
fer als fein Vater worden wäre — gelobt 
it; um dieß Gelübde — was für Eines, lafs 
n Sie Ihr Herz ſich fagen — unverbrüchz 
ch zu halten, hat er einen ſolchen Gefährs 
n feines übrigen Lebens vonnoͤthen, wie fein 
leim tft. 

Befter Gleim, noch find mie ale Nerven. 
eines Rörpers ſchwach und franf, der Stoß 
ar zu flarf und unerwartet — ich kann noch 
Ihe fchreiben, aber ich befchwöre Sie bey 
x Urne meines theuern Schmergensfohng, : 
enken Sie an feinen andern Winkel der Erde, 


198 


als wo Ihr Wieland if. Kommen Sie, Ih 
fen Sie ung Eine Familie ausmachen; nd 
men Gie an allen meinen Unternchmunga 
Theil; feyn Sie mein Bater, mein Bruda 
mein Freund, der Mitvater meiner Kinder, 
der Bruder des Engel In beffen Armen, In 
Deffen Herzen meine Seele Ruhe findet. Mein 
Meib, meine Mutter, fogar meine Kleine 
Gophie, wir alle atbmen im gleichen Augen 
blick den nähmlichen Wunſch, bie nahmlice 
Bitte aus vollem Herzen aus. 

Kommen Sie, e8 fol Sie nte gereuen; Sie 
werden zu guten Menfchen „mmen, und die 
Wonne fühlen, uns ale beffer zu machen. 

Alles übrige fchreibt Ihnen mein und Ihr 
Bertuch, der redlichite, gutberzigfie Mann, 
Den Gottes Boden trägt. Ich kann nicht mehr 
fchreiben, als lebe wohl, edelfter und beſter 
unfer den Sterblichen. 





CCXLV. 
An Ebendenfelben 
Weimar, den 6. Mer 177% 


Bin ich nicht eine undanfbare Eeele, mein 
Fheuerfier Gleim, daß ih Ihnen meinen Dank 


. 199 
: daB Vergnügen, das Sie meinen Kindern, 
er Mutter und Großmutter und mir felbft 
ecte und indirecte durch den uͤberſchickten 
ligen ChHrift gemachte baben, erft den 6. 
er; darbringe. Aber, liebfter Gleim, ich 
nke in folchen Dingen machen Sie e8 gerade 
e unfer lieber Here Gott; Sie fehen bie 
eude, die wir über Ihre Gutthaten empfuns 
r haben, als den beften Danf an, und diefe 
be ic) Ihnen doch: ſchon laͤngſt durch unfern 
ertuch Fund und zu mwiffen thun laffen. Kurz 
d gut, mein vortrefflicher Freund, alles was 
meinem Haufe lebt und webt, liebt Gie, 
d fühle, jedes in feiner Art, und fo gut es 
nn und mag, daß e8 nicht noch fo einen 
ten Mann in ber Welt giebt, wie mein 
leim. 
und nun, warum ſchrelb' ich Ihnen dieß 
les? Weil heute der 6. Maͤrz iſt, und in 
er Wochen der 6. April ſeyn wird, und dann 
ſehr wenig Wochen die Zeit kommen wird, 
o ich Fhnen mit meiner Srau und der Eleis. 
a Sophie auf den Hals zu fallen Luft und 
ebe hätte, wenn Gie um dleſe "Zeit etliche 
eye Tage hätten, bie Sie der Freundfchaft 
henken Fönnten. Dein geliebter Karl Auguf 


190 


felbt bin für mich und alle Meinigen dr 


dem fchreclichen Unfall des ſechsten Mas |‘ 


underlegt geblieben; aber meine Seele litt 
fie andre. In unmittelbarer Gefahr wuͤrde 
das Haus, daB Ich bewohne, gewefen fegn, 
wenn der Sturmwind, der das Feuer in ſe 
furger Zeit durch das ganze Schloß verbreitete, 
fih nur ein wenig gedreht hatte. Zu unferm 
Glück famen wir mit ber Furcht davon. Ein 
paar Bücher, die ich im Dimmer des jungen 
Herzogs liegen hatte, find mein ganzer Verluſt. 

Ueberhaupt findet fich, daß der Schade nicht 
fo groß iſt, daß er, ohne mindefte Befchwerde 
des Landes, bloß Durch einige, vormahls nicht 
nöthige Einfchrankungen In der Ausgabe, nicht 
in wenig Jahren wieder follte erſetzt ſeyn koͤn⸗ 
nen. Und dieß iſt was unſer Hof nun in's 
Merk ſetzt. Die Entlaſſung unſerer Schaufplis 
ler-Geſellſchaft war eine unvermeidliche Folge 
diefer Maaßnahmen; und ich geſtehe daß fie 
mir fchmerzlich iſt, einmahl, weil unfer rechts 
fchaffene Andres dabey verliert, und dann, 
weil ich meine Alcefte dabey verliere. Die gus 
ten Leute geben nun auf drey Monathe nad 
Gotha, und dahin möge fie der Genius der 
dramatiſchen Kunft begleiten! 


. Ä 191 

Wuͤnſchen Sie mir zu meinem Pringen Gluͤck. 
: bat fih am fehsten May und in den fols - 
nden Tagen wie ein Held und wie ein Mens : 
yenfreund aufgeführt, Was ift ein halb abs ;* 
branntes Schloß gegen die herzliche Liebe \ 
nes Volks, die er durch fein ganzes Betras 
a in dieſem Unfall gewonnen bat. 
Leben Sie wohl, mein theuerfier Zimmers 
ann, und behalten Sie mich lied. Bald 
erden Sie unfern Stein und feine fchone 
rau toleder fehen koͤnnen; denn fie gehen nach 
yrmont. Aber, o mein befter, verehrungss 
erther alter Freund, wann werden denn wir 
ng mwicderfehen? Glauben Sie mir, der Tag 
3 diefes geſchehen würde, wuͤrde zum glück 
hen der Menfchen machen Ihren W. 


CCXLI. 

An Sleim. 
Weimar, den ı5. Augufl. 1774 
Was für ein fchöner herrlicher Traum, mein 
‚heurefier! Mir und meinem ganzen Haͤus⸗ 
yen träumte, Gleim bätte ung befucht, hätte 
ns zween goldene Tage gefchenft, Hatte und 
Ne, jedes In feiner Are, glüclich gemacht. 


no 


192 


Sogar die Kinder find Gleims und Glemin⸗ 
dene voll, kurz, wenn e8 nur ein Traum war; 
denn welcher Philofoph kann die Unmöglichkeit 
eines Familientraumes beweifen?! — fo 
war es wenigſtens ein fo angenehmer Traum, 
und ber fo tiefen Eindrud in unfern Herzen 
zurüchließ, daß mir den Göttern an Wonne 
gleich 3u fenn glaubten, wenn wir auch nur 
alle vier Wochen einen ſolchen Familientraum 
träumen Eönnten. 

Im Ernſt, liebfter Gleim, wir verlaffen und 
Darauf, daß Sie In unfern Herzen gelcfen has 
ben, daß Sie ed durch den nahmenlofen ins 
nern Sinn, durch den Seelen fi einander 
unmittelbar mitthellen, empfunden haben, mie 
herzlich mir Ste lieben und verehren, — denn; 
ohne dieß, koͤnnten wir es Ihnen auf keine 
andre Weife hinlänglich zu erfennen geben. 

Stellen Sie fi vor, daß fogar die Ffelne 
Amalie jetzt noch, da Sie ſchon wieder adt 
Tage weg find, fih meines Gleims und unfe 
rer Gleminde erinnert. Sobald man Ihren 
Nahmen nenne, fomme fie in Bewegung, zeigt 
bie Treppe hinauf, bie zu Ihren Zellen führte, 
und ftrebet mit Hand und Fuß vol füßer Uns 

uld, daß man fie zu Ihnen hinauf fragen fo, 


u ÿj—————— 
no EG, JE 


193 

Es bleibt nun dabey, Beſter unter allen 
Sterblichen, — wir befuchen einander alle 
Sahre, wechſelsweiſe? da die Entfernung fo 
lein, dag Leben fo kurz, und die Gegenwart 
ined Freundes, wie Gleim, der beſte Genuß 
veB Lebens iſt! 

Seit Ihrer Entfernung iſt Pami Grimm, 
ils Fuͤhrer zweyer rußiſcher Grafen, Soͤhne 
es Feldmarſchalls Romanzow, mit felbigen 
er geweſen. ” 

Der junge Herzog zählt ſehr darauf, meinen 
Heim künftig kennen zu lernen und ſich zu 
Ruße zu machen, 

Sophiehen, Carolinhen, Dorchen machen 
ammt und fonders Ihren Knicks, jede fo gut 
ie fann. O mein Gleim, mein gang elgner 
Sleim, da Sie diefe Kinder und ihre Mutter, 
bren Vater: fo fehr lieben, warum konnen wir 
sicht beyfammen leben, Eine Familie ausmas 
ben? Wie felig wären wir! | 

Noch einmahl taufend Dank aus vollem 
herzen für jeden Beweis Ihrer Liebe, die und 
o gluͤcklich macht. 





Mielands Briefe 1I. 8. 13 


194 
CCXLIIE. 
An Ebenvdenfelben. Ki 
Weimar , den 17. October 1774 | | 


Sie haben fich ganz vortrefflich wegen Ihres 
Stillſchweigens gerechtfertigt. Sie waren diefe 
Zeit hindurch glücklich — und Ich bin eg, wenn 
ich höre daß Sie es find. 

Daß unfer Fimmermann mich liebe, iſt mit 
immer füß zu hören, wiewohl ich Darauf zähle — 
aber daß Ihre Grafen von Stolberg fo guns 
fig von mir denfen, iſt mir neu. 

Daß Sie noc) langer hätten bey uns bleis 
ben, daß Ste mit mir noch Gotha hätten reis 
fen und Alceften hören fönnen, und daß fein 
freundlichee Genius gemwefen ift, ber ung das 
in die Seele geflüftert hat, verdrießt mich bery 
lih, und wurde mich untröftlich machen, wenn 
ich nicht feit auf unfern Vertrag zahlte, ung 
alle Fahre wechſelsweiſe zu befuchen. 

Wie ganz eigen ihnen, feit ihrem fo liches 
vollen Beſuche, mein Herz tft, wie fehr Sie 
und die angenehme geifts und gefuͤhlvolle Gle⸗ 
minde von allem mag mein ift geliebt werden, 
wie ſtark und lange wir fühlten, daß Sie und 
fehlten, beſter Gleim, dieß kann ich Ihnen 


195 
icht ſagen. Worte und Phrafen find Feine 
Sprachen fur Herzen wie die unſrigen; fie 
heinen leicht zu viel zu fagen, und fagen 
och nie wag wir empfinden, weder fd fiarf 
oc fo herzlich als wir e8 empfinden. 

Menn Sie In Berlin, wie ich hoffe, einige 
Nenfchenföhne und Töchter mit gefundem Kopf 
nd Herzen antreffen, bie mich Heben, fo 
rauch’ ich meinem Öleim nicht zu empfehlen, 
aß ee mic) ihnen in naturalibus,, wie er mich 
efeben bat, vormalen fol. Es iſt ein albern 
ing um den Schleyer den meine Laune um 
nich bee gezogen hats Wenige Menfchen ken⸗ 
en mich, und mein Herz fagt mir doch, daß, 
venn man mich fennte, nur böfe Menſchen 
alt gegen mich bleiben würden. Und .gleichs 
vohl, mein theurer Vater Gleim, haben Sie . 
n der wentgen Zeit, da mir beyfammen wa⸗ 
en, gefehen, daß ich leider! fchr lich unar⸗ 
ig feyn fann. Aber freylich, wenn mir die 
egegnet, leidet auch niemand mehr. dabey 
ils ich. | 

Mit dem Merkur geht es fchon ziemlich 
Hlecht. Die Collecteurd bezahlen nicht, manche 
affen fit) mahnen, und geben gar Feine Ant⸗ 
vort. Auch die Buchhändler verderben mir 


196 


das Spiel auf alle Welle. Es ift Flaglih, 
was der Mangel an Ehrlichfeit, und bie ven | 
dammte mir unbegreifliche Unluſt an andık 
Gluͤck, für Unheil im menfchlichen Leben an 
richten. Das ärgfte ift, daB wir ung zu Tode 
fchreißen fünnen, ohne daß darum ein einziger 
Schurfe weniger in der Welt wird. 

Um fo mehr, liebfter Gleim, wollen mit 
andern, deren Herzen bie Natur aus feinerem 
Ton gemacht, einander durch unfre Liebe ſchad⸗ 
los halten. 

Der Gedanfe, daß mein rechtfchaffner Gleim, 
der edelfte und beſte Mann den ich Fenne 
von folchen Menfchen wie Spalding und Ram⸗ 
ler, niche eben fo geliebt werden fol, wie er 
von Wieland gelicht wird, tft wahre Pein für 
mein Herz. . Welche Wonne, wenn Ihre Reiſe 
nah Berlin Geiſter und Herzen wieder zus 
fammenfchmelzen Eönnte, die nicht gemadt 
find, einander zuruͤckzuſtoßen. Oder iſt's mögs 
lich, daß jene Geifter Fein Herz haben? 


1 
GCXLIY. 
An Ebendenfelben. 
Weimar, November 1774, 


Nein, mein gellebter, verehrter, herzlich 
id innig geliebter und verehrter Vater Gleim, 
lang Ihr Wieland lebt, follen Sie feinen 
dern Winkel des Erdbodens zu Ihrer Reti⸗ 
de fuchen, als den, wo Ahr Wieland lebt, 
o er mit dem Weibe feines Herzend, und 
it den Kindern die ihm Gott gelaffen bat, 
bt, und um das Gelübde, das er Gott über 
er Leiche feines Sohne — fo jung. er flarb, 
verſprach er doch fchon einen Sohn, der 
fer als fein Vater worden wäre — gelobt 
at; um dieß Gelübde — was für Eines, lafı 
n Sie Ihr Herz ſich fagen — unverbrächs 
ch zu halten, hat er einen foldhen Gefährs 
n feines übrigen Lebens vonnoͤthen, wie fein 
leim ift. 
Befter Gleim, noch find mie ale Nerven 
eines Körpers ſchwach und franf, dee Stoß 
ar zu flarf und unerwartet — ich kann noch 
iche fchreiben, aber ich befchwöre Sie bey 
er Urne meines theuern Schmerzensſohns, 
enken Sie an feinen andern Winfel der Erde, 


195 


als wo Ihr Wieland if. Kommen Sie, uf || 
fen Sie uns Eine Samilie audmachen; ud ı 
men Gie an allen meinen Unternchmunge 

Theil; feyn Sie mein Bater, mein Brude, 

mein Freund, der Mitvater meiner Kine, 

der Bruder des Engels in deſſen Armen, in 

deffen Herzen meine Seele Ruhe findet. Mein 

Meib, meine Mutter, fogar meine kleine 

Sophie, wir alle atbmen im gleichen Augen 

blick den nähmlichen Wunſch, die naͤhmliche 

Ditte aus vollem Herzen aus. 

Kommen Sie, e8 fol Sie nie gereuen; Sie 
werden zu guten Menfchen »ımmen, und bit 
Wonne fühlen, ung alle beffer zu machen. 

Alles übrige fchreibe Ihnen mein und Ihr 
Bertuch, der redlichfie, gutherzigſte Mann, 
Den Gottes Boden trägt. Ich kann nicht mehr 
fchreiben, als lebe wohl, edelfter und befle 
unter den GSterblichen. 





CCXLV. 
An Ebendenfelben 
Weimar, den 6. Der 177% 


Bin ich nicht eine undankfbare Eeele, mein 
uerſter Gleim, daß Ich Ihnen meinen Dank 


195 
ar das Vergnügen, dag Sie meinen Kindern, 
hrer Mutter und Großmutter und mir felbft 
Yirecte und indirecte durch den uͤberſchickten 
yelligen Chrift gemacht haben, erſt den 6. 
Merz darbringe. Aber, liebfter Gleim, ich 
yenfe in folchen Dingen machen Sie e8 gerade 
vie unfer lieber Here Bott; Sie fehen die 
Steude, die wir über Ihre Gutthaten empfuns 
en haben, als den beſten Danf an, und dieſe 
yabe ich Ihnen doch ſchon laͤngſt ducch unfern 
Bertuch fund und gu mwiffen thun laffen. Kurz 
and gut, mein vortrefflicher Freund, alles was 
m meinem Haufe lebt und webt, liebe Sie, 
nd fühlt, jedes In feiner Art, und fo gut eg 
ann und mag, Daß es nicht noch fo einen 
guten Mann in der Welt giebt, wie mein 
Sleim. 

Und nun, Marum ſchreib' ich Ihnen dieß 
alles? Weil heute der 6. Maͤrz iſt, und in 
vier Wochen der 6. Aprik ſeyn wird, und dann 
in ſehr wenig Wochen die Zeit kommen wird, 
wo Ich Ahnen mit meiner Frau und ber klei⸗ 
nen Sophie auf den Hals zu fallen Luf und 
Liebe hätte, wenn Sie um dleſe Zeit etliche 
freye Tage hätten, die Sie der Freundfchaft 
fchenfen Fonnten. Mein geliebter Karl Auguſt 


330 


ift nun gu Paris, und nebft Graf Gören If 

unfer liebensmürdiger guter Knebel bey Ihm 

den ich durch feine reigenden Briefe imme 

mehr lieb gewinne. Aber zu Ende bes May 

fommen fie wieder gurüd, und dann mufle 

die Neifen, die ich in diefem Jahr thun will, 

gemacht feyn, oder ich mache Feine mehr, dad 

ift, die Umflände werden nicht erlauben, daß 
ih mich von einem Prinzen, dem ich mid 

ganz zu eigen gegeben habe, gerade zu eine 
Zeit, wo er feiner Freunde am nötbigften hat, 
entferne. — Der bloße Gedanke an dieſe Keife 
macht mic) und meine Frau mie, neugeboren. 
Unfer Herz, unfer Kopf, unfer Blut und unfre 
Nerven, haben aller der mannigfaltigen Arten 
von Erfchätterungen vonnötben, die ung diefe 
Reiſe geb.n wird. 

Andre Luft, taufend neue Gegenflände, dag 
Schaufpiel der neuauflebenden Natur um und 
ber, und — mas für und wahres Elifium 
feyn wird, die offuen Arme unfers Gleims, 
nnfrer lieben, feelens und anmutbuollen Gle— 
minde — fein Haus, fein Mufentempel, fein 
fleines Sangfouci, und die inertes horae im 
Schooße der Treundichaft und der Muſen - 


r 


201 


sie wohl, wie wohl wird ung dieß alles zu 
eib und Seele bekommen! 

Geben Sie uns bald Gewißheit, beſter Gleim, 
aß dieß alles — kein leerer Traum aus der 
Jforte von Elfenbein iſt. 5 

Mir Haben die Schmerzen unfrer Gleminde 
nd die Yhrigen Im Grunde des Mergens mits 
mpfunden, und um fo lebhafter, da der uns 
rige, der Berluft meines holden Karls, eines 
dnaben, wie ich noch feinen von Diefem Alter 
efeben babe, — no fo neu war. Solche 
Schmerzen Fann nur die Zeit heilen — aber 
veder die Zeit, noch irgend eine Macht in der 
datur fann ung ein abgerißne® Glied wieder 
eben. Die Wunde heilt endlich zu, und. hört 
uf zu ſchmerzen; aber es mangelt ung doch 
Ue Augenblicke. 

Mich verlangt herzlich wieder Nachricht zu 
aben, wie mein Gleim lebt, wie e8 um feine 
zeſundheit ſteht, ob fein Geiſt munter ift, ob 
ie Plagegeifter, die Ihm zeither dag Leben 
erbittert haben, endlich einmahl von Ihm 
blaffen, ob man Ihm erlaubt fo glücklich. zu 
eyn, -ald er mit einem Herzen und einem 
dopf, wie er hat, feyn muß, und es überall — 
uußer im Ochſen bes Phalaris — feyn wird, 


Tg 


204 


Alſo, lieber Vater Gleim, liebes Schwehn ® 
chen Gleminde, noc fünf oder ſechs Wohn \} 
müffen wir unfer aller Herzen zue Geduld m || 
weifen — oder vielmehr ung wie die Kindleh 
. auf den 5. Chriſt freuen, ber doch nun mi | 
jedem Tag um — einen Tag näher kommt. 

Meine liebe Mutter dankt Ihnen, theuerfler 
befier Mann, mit Sreudentbränen in den Aw 
gen, für Ihre Liche. | 

Aber — drey von unfern Kindern, unfte 
Caroline, Dorchen, Amalie, müffen zuruͤck 
bleiben, und wie fünnten wir die lieben Kinder 
obne Mutter laffen ? das gute fromme 
Mütterchen wird alfo dem Leibe nach zurüd 
bleiben, mit Ihren Gedanfen und Ihren Her— 
gen aber immer mitten unter und feyn. Gie 
tröftet fi indeffen durch die Hoffnung, Sie 
fünftig, und Soft gebe baldı wieder bey und 
zu fehen, und länger als das letztemahl zu 
behalten. 

Nun, lichfter Gleim, haben Sie alfo Zeit 
und Welle, alle Ihre Fleinen Reifen gu mas 
hen, — micwohl ich wuͤnſchte, daB wir bie 
Reiſe zu dem gutem Fürften von Deffau mit 
einander machen fünnten; denn auch mid 
bat er eingeladen, und ich muß über lang 


. 205 
der kurz Ihn und fein Zauberfchlößchen fehen. 
znzwiſchen, mein DBefter, fchreiben wir ung, 
Jache ich, ale Wochen, um unfre Sachen fo 
u arrangiren, Daß alles fein huͤbſch und ſo 
zut, als immer menſchenmoͤglich iſt, in einan⸗ 
der paſſe. Fuͤr meines alten Lehrers und 
Freundes Pythagoras Ordensregel — denn 
dieß find elgentlich die goldnen Spruͤche, 
möchte ich Ihnen auf den Knien danken! Die 
Heberfeßung oder Paraphrafe ift, bey allem 
was gut iſt! Herrlich — ganz und gar pytha⸗ 
gorifh, und doch zugleich fo ungemein vers 
fchönert! So erhaben einfach, fo wahrhaft im 
Son ber Achten ungefchminften Weisheit! — 
Die legten vierzehn Verſe find dem Bellen 
gleich, was je In irgend einer andern Sprache 
gefchrieben worden. Sie haben unfrer Zeit ein 
Geſchenk damit gemacht, das wirklich nicht 
genug gefchägt werben kann. ES iſt wahres 
Geſetzbuch der Weifen, der. Weltbürs 
ger In ſechzehn Octavſeiten. Wie ſtolz würde 
ich darauf geweſen ſeyn, wenn Sie mir er⸗ 
laubt hatten, dieſe goldne Ordensregel zuerſt 
im Merkur zu publiciren. 

Es iſt ein ganz herrlicher Gedanke, uns nach 
Blankenburg entgegen zu kommen, und es mir 


206 


voraus zu fagen. Gleminde hatte dießmakl\ in 
Unrecht; ich liche die Ueberraſchungen nick; il 
fie taugen für ale ſehr empfindlichen Leutchen 
nichts; vorauggenießen iſt ein zu fuße 1 
Vorrecht der Menſchheit, um fich deffen felbk t 
su begeben. Alfo gebe ich dann der Kleben |! 
Gleminde ein paar Dugend Mäulchen auf Abs |! 
ſchlag derjenigen, die Ich bald, bald — dem 
tole ſchnell raufchen fünf oder ſechs Wochen |! 
vorbey, in natura einzuziehen boffe. Lebett | 
wohl, meine Lieben! Meine Frau freut fih | 
tie ein Kind auf diefe Reife. | 
Wir umarmen unfsen Gleim, unfre Gleminde | 
inniglid. 








CCXLVII. 
An Ebendenfelben. 


Weimar, den 31. Merz 1775: 


Liebfier Gleim, es waltet zwifchen den Koͤ⸗ 
nigen und den Weiſen, die zu Fuß gehen und 
alles Ihrige bey fich tragen, oder auch den | 
Meifen, die fich in einem alten Rırmpeifaften ' 
von vier magern Kleppern ziehen laffen, und 
nur eine Frau, ein Kind, einen Freund und 
einen gentilhomme servant bey fich führen 





207 


t Fleiner linterfchied vor, den Em. Liebden 
ht in Erwägung zogen, als Sie mich durch 
8 Beyfpiel des großen Königs piquiren woll⸗ 
ı, den Tag meiner Abreife zu Ihnen feſtzu⸗ 
sen. Die Könige bangen von Niemand ab, 
d koͤnnen alles, was fie wollen. Wir aber 
cht alfo. 

Indeſſen weil Sie, mein Beſter, fo ſehr 
rauf beſtehen, daß ich dießmahl, quoad 
»c possum, König ſeyn ſoll, fo ſey dann 
emit, in aller guten Geiſter Nahmen, der 
'erte May zum Tage meiner Abreife von 
zeimar fefigefegt, mit der Erklärung, daß 
ich nichts als Krankheit oder Tod — oder 
ne unverboffte plößliche Abführung auf die 
zartburg — daran verhindern fol. — Hinz 
‚gen, liebftee Gleim, können wir, i. e. ich, 
eine Stau und Bertuch, der mit ung geht, 
is unmöglich entfchließen, Ihrem Rath zus 
ige, bey Ihren reſp. Freunden Gottfchalt 
: Sondershaufen und Friederici In 
lanfenburg zu logiren; und wir bitten 
ie, recht inftändig, was mir bitten können, 
evon abzuftehen, und nicht ungehalten auf 
a8 zu werden, daß wir ohne außerfie Kepugs 
anz Leibes und Dee Seelen nicht Daran den— 


193 


als wo Ahr Wieland ifl. Kommen Sie, hf 
fen Sie ung Eine Familie ausmachen; nes ı 
men Sie an allen: meinen Unternchmunge 
Theil; feyn Sie mein Vater, mein Brude, 
mein Freund, der Mitvater meiner Kinder, 
der Bruder des Engels in beffen Armen, in 
Deffen Herzen meine Seele Ruhe finder. Weis 
Meib, meine Mutter, fogar meine Flein 
Sophie, wir alle athmen im gleichen Augen 
blick den nähmlichen Wunfch, bie naͤhmllche 
Ditte aus vollem Herzen and. 

Kommen Gie, e8 fol Sie nie gereuen; Si 
werden zu guten Menſchen vmmen, und bit 
Wonne fühlen, ung alle beffer zu machen. 

Alles übrige fchreibt Ihnen mein und Ihr 
Bertuch, der redlichfle, gutherzigſte Mann, 
Den Gotted Boden trägt. Ich kann nicht mehr 
fchreiben, als lebe wohl, edelfter und befe 
unter den GSterblichen. 





CCXLV. 
An Ebendenfelben. 
Weimar, ben 6. Merz 177% 


Bin ich nicht eine undankbare Eeele, mein 
uerfiee Gleim, daß Ich Ihnen meinen Danf 


195 
ur das Vergnügen, das Sie meinen Kindern, 
hrer Mutter und Großmutter und mir felbft 
irecte und indirecte durch den uͤberſchickten 
yeiligen Chrift gemacht haben, erſt den 6. 
Merz darbringe. Aber, liebſter Gleim, ich 
yenfe in folchen Dingen machen Sie e8 gerade 
vie unfer lieber Here Gott; Sie fehen die 
Sreude, die wir über Ihre Gutthaten empfuns 
ven haben, als den beften Danf an, und diefe 
yabe ic) Ihnen doch ſchon Tangft Durch unfern 
Bertuch fund und zu wiffen thun laffen. Kurz 
und gut, mein vortrefflicher Freund, alles mas 
m meinem Haufe lebt und webt, liebe Sie, 
und fühle, jedes In feiner Art, und fo gut es 
fann und mag, Daß es nicht noch fo einen 
guten Mann in ber Welt giebt, wie mein 
Sleim. 

Und nun, warum ſchrelb' ich Ihnen dieß 
alles? Weil heute der 6. Maͤrz iſt, und in 
vier Wochen der 6. April ſeyn wird ‚und dann 
In ſehr wenig Wochen die Zeit kommen wird, 
wo Ich Ihnen mit meiner Frau und ber klei⸗ 
nen Sophie auf den Hals zu fallen Lu und 
Liebe hätte, wenn Sie um biefe Zeit etliche 
freye Tage hätten, die Sie der Freundfchaft 
ſchenken Fönnten. Mein geliebter Karl Augı 


330 


ift nun gu Paris, und nebſt Graf Gärten Hi 
unfer liebenstwürdiger guter Knebel bey ihm 
mehr lieb gewinne. Aber zu Eude des Mat 
fommen fie twieder zurüd, und dann mufe| 
die Reiſen, die ich in dieſem Jahr thun will, 
gemacht feyn, oder ich mache Feine mehr, das 
ift, die Umflände werden nicht erlauben, dab 
ih mich von einem Prinzen, dem ich mid 
ganz zu eigen gegeben habe, gerade zu eine 
Zeit, wo er feiner Sreunde am nötbigften hat, 
entferne. — Der bloße Gedanfe an dieſe Reife \ 
macht mich) und meine Frau mie, neugeboren. 
Unfer Herz, unfer Kopf, unfer Blut und nuſte 
Nerven, haben aller der mannigfaltigen Arten 
yon Erfchütterungen vonnöthen, die ung biefe 
Reiſe geb:n wird. 

Andre Luft, taufend neue Segenftände, dad 
Schaufpiel der neuauflebenden Natur um une ; 
ber, und — mas für und wahres Elifium 
feyn wird, die offuen Arme unſers Gleims, 
unſrer lieben, feelens und anmutbuollen Gle— 
minde — fein Haus, fein Mufentempel, feis 
feines Sangfouci, und bie inertes horae Im 
Schoofe der Sreundfchaft und der Muſen — 


e 


201 


wie wohl, wie wohl wird uns dich alles zu 
Leib und Seele befommen ! . 

Geben Sie ung bald Gewißheit, befter Gleim, 
daß dieß alles — Fein leerer Traum aus ber 
Pforte von Elfenbein ift.- - 

Mir haben die Schmerzen unfrer Gleminde 
und die Ihrigen im Grunde des Herzens mits 
empfunden, und um fo lebbafter, da der uns 
frige, der Berluft meines Holden Karls, eines 
Knaben, wie ich noch Eeinen von dieſem Alter 
gefehen babe, — noch fo neu mar. GSolde 
Schmerzen fann nur bie Zeit heilen — aber 
weder die Zeit, noch irgend eine Macht in der 
Natur kann ung ein abgerißnes Glied wieder 
geben. Die Wunde heilt endlich zu, und hört 
auf zu ſchmerzen; aber es mangelt ung doch 
ale Augenblicke. 

Mich verlangt Herzlich wieder Nachricht gu 
baben, wie mein Sleim lebt, wie es um feine 
Geſundheit ſteht, ob fein Geiſt munter ift, ob 
die Plagegeifter, die Ihm seither bag Leben 
verbittert haben, endlih einmahl von Ihm 
ablaffen, ob man Ihm erlaubt fo glücklich zu 
feyn, als er mit einem Herzen und einem 
Kopf, wie er hat, ſeyn muß, und eg überall — 
außer im Ochſen des Phalaris — feyn wird, 


. 
.d 


204 


Alfo, lieber Vater Gleim, liebes Schwerer 
chen Gleminde, noch fünf oder ſechs Wochen 
müffen wir unfer aller Herzen zur Geduld ven 
mweifen — oder vielmehr ung wie Die Kindleln | 
. auf den 5. Ehrift freuen, der doch num mit | 
jedem Tag um — einen Tag näher fommt. 

Meine liebe Mutter dankt Ihnen, theuerfler, | 
befier Mann, mit Freudenthraͤnen in den Aus | 
gen, für Ihre Liche. 

Aber — drey von unfern Kindern, unfte 
Caroline, Dorchen, Amalie, müffen zuräd 
bleiben, und wie fünnten wir die lieben Kinder 
ohne Mutter laffen ? das gute fromme 
Mütterchen wird alfo dem Leibe nach zurud 
bleiben, mit ihren Sedanfen und Ihren Ders 
gen aber immer mitten unter ung feyn. Sie 
tröftet fich indefien durch die Hoffnung, Sie 
fünftig, und Gott gebe bald! wieder bey uns 
zu fehen, und länger als das leßtemahl zu 
behalten. 

Nun, liebfter Gleim, Haben Sie alfo Zeit 
und Weile, alle Ihre Eleinen Reifen gu mas 
hen, — wiewohl ich münfchte, daB wir bie 
Heife zu dem gutem FZürften von Deffau mit 
einander machen Eönnten; denn auch mid) 
bat er eingeladen, und ich muß über lang 


205 


er kurz Ihn und fein Zauberfchloßchen fehen. 
13wiſchen, mein Beſter, fchreiben wir ung, 
he Ich, ale Wochen, um unfre Sachen fo 
arrangiren, daß alles fein huͤbſch und fo 
it, ale immer menfchenmöglich Ift, in einan⸗ 
e paſſe. Zür meines alten Lehrers und 
reundes Pythagoras Drdensregel — denn 
eß find eigentlich die goldnen Sprüche, 
öchte ich Ihnen auf den Kmen danken! Die 
sberfeßung oder Parapbrafe ift, bey allem 
as gut iſt! Herrlich — ganz und gar pytha⸗ 
yrifch, und Doch zugleich fo ungemein vers 
hönert! So erhaben einfach, fo wahrhaft im 
on ber Achten ungefchminkften Weisheit! — 
ie leuten vierzehn Verſe find dem Beſten 
eich, maß je in trgend einer andern Sprache 
sfehrieben worden. Sie haben unfrer Zeit ein 
jefchenf damit gemacht, das wirklich nice 
enug gefchägt werden kann. Es ift wahres 
zeſetzbuch der Weifen, der. Weltbürs 
er in fechzehn Detavfeiten. Wie ſtolz würde 
h Darauf gemefen feyn, wenn Sie mir ers 
zubt hatten, dieſe goldne Ordensregel zuerft 
n Merfur zu publiciren. 
Es iſt ein ganz herrlicher Gedanke, ung nach 
zlankenburg entgegen zu fommen, und e8 mir 


4‘ 


206 


voraus zu fagen. Gleminde hatte dießmäahl 
Unrecht; ich liebe die Ueberrafchungen nidt; 
fie taugen für alle fehr empfindlichen Leutchen 
nichts; vorausgenießen iſt ein zu ſuͤßes 
Dorrecht dee Menfchheit, um fich deffen felbk 
su begeben. Alfo gebe ich dann der Heben 
Gleminde ein paar Dusend Maͤulchen auf Abs 
ſchlag derjenigen, die Ich bald, bald — denn 
wie ſchnell raufchen fünf oder ſechs "1 


vorbey, in natura einzuziehen boffe. Lebet 
wohl, meine Lieben! Meine Frau freut fi 
wie ein Kind auf diefe Reife. 

Wir umarmen unſern Gleim, unfre Slemindt 
inniglich. 





CCXLVII. 
An Ebendenſelben. 


Weimar, den 31. Merz 1775 


Liebſter Gleim, c8 waltet zwifchen den Koͤ— 
nigen und den Weiſen, die zu Fuß gehen und 
alles Ihrige bey fich tragen, oder auch der 
Meifen, die fih in einem alten Rırmpelfaften ! 
vom vier magern Kleppern ziehen laffen, und 
nur cine Frau, ein Kind, einen Freund und 
einen gentilhomme servant bey fich führen 


207 
ı Fleiner linterfchied vor, den Em. Liebden 
cht in Erwägung zogen, als Sie mich durch 
8 Benfpiel des großen Königs piquiren woll⸗ 
rn, ben Tag meiner Abreife zu Ihnen feſtzu⸗ 
sen. Die Könige bangen von Niemand ab, 
id koͤnnen alles, was fie wollen. Wir aber 
cht alfo. 
Indeſſen meil Sie, mein Beſter, fo ſehr 
wauf befiehen, daß ich diekmahl, quoad 
>c possum, König feyn ſoll, fo fey dann 
emit, in aller guten Geiſter Nahmen, der 
ferte May zum Tage meiner Abreife von 
3eimar feftgefegt, mit der Erklärung, daß 
ich nichts als Krankheit oder Tod — oder 
ne unverhoffte plögliche Abführung auf die 
3artburg — daran verhindern fol. — Hinz 
gen, liebfter Gleim, fünnen wir, i. e. ich, 
eine Frau und Bertuch, der mit ung geht, 
ı8 unmöglich entfchließen, Shrem Rath zus 
Ige, bey Ihren reſp. Freunden Gottfchalt 
ı Sondershaufen und Friederici in 
‚lankenburg zu logiren; und wir bitten 
sie, recht inftändig, was wir bitten fünnen, 
;evon abzuſtehen, und nicht ungebalten auf 
ng zu werden, daß wir ohne Außerfie Repug⸗ 
anz Leibes und der Seelen nidye daran dens 


208 


fen fünnen, vor Haͤuſer hinzufahren, wo niı 
feine Seele kennen. 

Yaffon Sıe uns alfo immer incognito wi 
fen; wir wollen ung unterwegens behelfen fi 
gut wir fünnen, und die Hauptfache ft, M]. 
balo als möslih bey Shnen zu feyn. N‘ 

Das beite mare, wenn ich den Merfur and | 
meinen theuerften &leim, und Durch meinen 
Gleim den Merkur dem Publikum intereflant 
machen konnte — dag Wort dießmahl im Dop 
pelinn genommen! — Aber wenn Ich nicht 
Wege finde, mehr Abfag zu bekommen, | 
fommen wirklich kaum die Unfoften bey'm 
Merkur heraus. Die Deutfchen find entfeglic 
falte Seelen. In einer Stadt, wie Berlin — 
wo der Merkur in jedem guten Haufe feye 
follte — nicht zwanzig Abonnenten. 

Mir umarmen unfern Vater und Seelen 
Bruder Gleim, und unfere ficbe Zante. Sie 
minde mit einer Liebe, die nur Sie und wit 
verdienen, und mir und Sie lieben fünnen. 
Wie find wir fchon im Voraus glücklich ! Der 
ganze April wird was ganz anders dadurd, ! 
als er fonft geweſen märe. Und hiermit, lieb 
fier Freund, Gott befohken von Eurem W. 








209 
CCXLVIII. 
Yn Gleim. 
Meimar, den 7. April. 1775: 


iebſter beſter Gleim, nur zwey Worte um 
ien zu ſagen, daß mich Gott aus einer 
'ahr erlöst bat, an die Ih ohne Schaus 
ı nicht denfen Ffann. Ich war nahe dabey 
r wenigſtens machte mich’8 Liebe und Angſt 
fen, das .befte, für mich allein gefchaffene 
ibchen zu verlieren. Alle lieben Engel Gots 
haben Mitleiden mit mir und meinen vier 
ıen Eleinen Mädchen gehabt; wir haben uns 
beſtes Mütterchen wieder, und, durch eine 
rkung des bewundernswerthen Gleichgewichts, 
rin ihre ſchoͤne Seele ihr Maſchinchen haͤlt, 
indet ſie ſich nicht nur außer aller Gefahr, 
dern in jeder Betrachtung ſo wohl, als es, 
Natur der Sache nach, nur immer mögs 
iſt. 

Die goldenen Spruͤche fommen in den Mos. 
bh May des Merfurlus; id kann Ihnen 
ht anders beifen, fie find zu fchön, zu ges 
innügig um nicht fo befannt als möglich ges 
sche zu werben. Ohne diefe VBergunftigung, 
de ich die Iris ganz -abfcheulih um dag 
Wielandd Briefe UI. ©. 14 ” 


210 


allerliebſte Lied benelden, dag Sie ihr geſchaft 
haben. ch Hoffe der Merkur dieſes Jahs 
ſoll Ihnen fo gut gefallen, daß Sie künftgl} 
folche Leckerbiſſen für Lefer die Seele hama 
ihm vor allen andern Concurrenten, männl 
hen und meiblichen Geſchlechts zufommalnı 
laffen. bir 

Leber wohl, heim und Nichte, anmelıı 
candidae! Reine Fleine Srau ruft and Ihm, 
Dette, daß ich Ahnen fagen foll: es freue Min 
berzlich, daß fie Hate einer Reiſe in's Ey 
die noch Immer frub genug kommt — zu 
beften Seelen, bie je in Rerblichen Hütten 
wohnt haben, nach Halberſtadt reifen we 
Schon um ben Tage näher! Eya! m 
wir da! 









CCXLIX. 
Un Meufel. 
Weimar, den 7. April. ar ı 


Melden Sie doch unferm Schmidt, daß MN 
ibn pro futuro von dem ohnehin odigfen 
ingraten Artikel Der kritiſchtn Nachrichten 
bifpenfire, aber sub lege, daß er auf 
\ramatifhen Artikel defto mehr Zeit uk! 






211 


e wende, beſonders auf den dramaturgi⸗ 
Theil deſſelben. Ich honoriere Ihm den 
n des Theatral:s Artifeld mit zwey Du⸗ 
‚ bis etwan beffere Zeiten fommen, bes 
: mir aber die Freyheit, wegzulaffen, was 
u fehe wider alle meine Begriffe verftöße 
ch z. B. mit feiner allzumildherzigen Beurs 
ıng des hoͤchſt unſinnigen Wezelſchen 
ſters von einem Trauerſpiel gethan habe. 
muͤthigkeit und vor allen Dingen Uns 
heylichkeit empfehle ich hoͤchlich. Ge⸗ 
ie letztere verſtoͤßt, daͤucht mich, ziemlich 
die uͤbertriebne Verachtung des neueſten 
8 von Großmann, welches nach meis 
Gefühl und Urtheil, nichts weniger als 
und unendlichmahl beffer iff, als Wezels 
eburt. | 
es was ich der Zeit von Rezenſionen vor⸗ 
3 babe, fol in den Monath April foms 
der Platz dazu komme auch her, wo er wolle. 
en Sie wohl, Theuerfier, Ihre geliebte 
te Ift doch wieder wohl? Ich war diefer 
n in Gefahr, die Meinige und mit ihre 
Zluct meines Lebens zu verlieren. Gotts 
at fich die Gefahr bald verloren, und num 
alles wieder fehr gut. 


CCL. 
An Gleim. 
Weimar, den 21. April. mi 


Das Meibchen Ift wieder beffer, mein hm 
jendvater Gleim, gebt wieder ganz munter ha 
um, und wird glaube ich, von dem bloka 
Gedanken zu meinem Gleim und Ihrer El 
minde zu reifen, von der bloßen Freude a 
diefe Reife, gefund. Wir kommen alfo gewil 
liebfte Seelen, aber — nicht den vierten, & 
den zehnten May, fage: den zehnten May mr 
den wir von bier abreifen; und warum die 
Alles bloß um dieſes gebenedeyten Merku 
willen, den wir, Ich und Bertuch, ſchlechte 
dings vom Halfe haben müffen, um mit ga 
heiterm , ruhigem, forgenfreyem Geifte u 
Herzen zu unferm Gleim ziehen und acht ga 
zer feliger Elifiumstage bey ihm zu leben. 

Wirklich) haben wir mit bem Drud des M 
nathflüfs May heute den Anfang gemad 
Bis zum neunten May merden wir mit Dr 
den, Heften und Spediren nad Erfurt fert 
feyn und dann auf und davon! 

Wir freuen ung berzlih, Daß wir den O 
feben, betreten und fegnen follen, Der die Wi 


213 


des liebenstwärbigften und beflen Mannes, 
r des Lieblings der Natur und, der Mufen, 
r unfers Gleims Wiege gemwefen If. 
Künftigen Montag oder Mittwochen, mein 
fter, fchreibe ich Ihnen unfere eigentlichfte 
arfchroute fo genau ald menfchenmöglid. 
tzt kann ich nicht; ich habe noch alle Haͤnde 
N für den Merfurtus zu thun, und daß 
in Kopfdabeny nicht müßig ift, und mein Herz 
ch mweniger, wiffen Sie. Bon einem Mens 
en aber, der mit Kopf Herz und Hand ars 
tet, Tann man wohl fagen, Daß er arbeitet. 
ber den Merkur wollen wir, der Länge und - 
eite nah, zufammen ſchwatzen. Nun 
fen Sie ihn doch haben. Die Spedition 
ed Fünftig munterer geben, wenn nur bie 
Preußifchen Poftämter uns das Spiel nicht 
derben. Denn die wollen immer noch nicht 
zen, was wir Ihnen auch pfeifen. 

Ade Herzlieber Onkel und Hausnichte! 

Ihe feyd warme Seelen, Beuerfeelent das 
d wir arme Schwaben nicht. Aber es fchlägt 
8 doch auch was unterm Bruſttuch und wir 
yen Euch von Leibes und Seelenfräften, was 

e lleben können. | 
Bald, bald! Es iſt fchon der 21. April! 


— 


214 
CCLIT. 
An Ebendenfelben 


Meimar, den 1. May. 17 


Heil dem erfien May, an dem Ich Ihnen d 
fchreibe, mein Alterliebfter, und ſchnell mö: 
mit Ihm feine zehn Brüder vorbeyellen, 
mit ich auf den Flugeln des zwölften, b 
bald in meines Gleims Umarmung fliegen fa 
Zaufendfachen herzlichen Danf von ung a 
für Ihr herzliebendes Briefchen vom 26. Ap 
und für das Fleine Lied an Ihre Blümd 
Die ganze Natur fängt jet an zu leben : 
zu eben, zu grünen und zu blühen. | 
jedem Tage ſchießt der Lebensftrom ftärfer di 
alte Ahre Adern. Wir werden die angenehr 
Heife machen, die je gemacht worden. M 
gutes Seelenweibchen zähle beynahe die St 
den big zum zehnten May. Nun find’ o 
den heutigen nur noch fieben, wird fie mot, 
fager, wenn fie aufwacht. 

Bertuch "und ich möchten aus der Haut 
ausfahren, dag die Merkfure den 26. 9 
noch nicht bey Ihnen ‚angelangt feyn fol 
Bertuch verpfandet feine arme Seele, ı 
müßten Sie folche ganz gewiß haben. ‘ 


215 


e heute nah Erfurt fchreiben, woran es 
n liege. Mie Zittern verlaß ich mich ins. 
en auf Bertuhs Wort. Es iſt was hor⸗ 
8, daß mein Gleim der Einzige feyn muß, 
noch nicht weiß, was .Danifchmend und’ 
Ifade und das Famillenſtuͤck, und die Ges 
hte dee Sultanfchaft, und der Mönch und 
Nonne für Dinge find, Der May If uns 
mein Beſter, alfo follen Sie feine Gewalt 
ichen muͤſſen, um ung ein paar Tage über 
Ripulirten achte, länger zu haben, wenn 
wicht felbft bälder fatt von uns werben. 
werden dieſe Wonnetage wie Stunden vors 
chluͤpfen und wir werden gewiß Feine Zeit 
en, fie zu zählen. Ich mit alem was hier 
it, merfe mich In meines Gleims Arme 
freue mich der feligen Tage vor mir. Ich 
„te dem Oheim und der Nichte noch gern 
ı recht fchöneß fagen, aber dag Herz ifl 
fo voll, wenn ich an Euch denke, Ihr 
en unter allen menfchlichen Weſen, daß ich 
nichts ſagen kann. 


.S. Fraͤulein S “8 empfiehlt fich bes 
3. Die gute Seele! Warum giebt's doch 
e Feen und Feenwagen mehr? Ehe wir 


‘ 





217 


nden den Staub legen wird. Sollte wider 
erhoffen anhaltender Negen, und großes Ges 
äffer eintreten, fo wuͤrden mir freylich erft 
rentag Vormittags nad) Halberftadt fommen 
nnen. Aber wir wollen das Beßte hoffen. 
nfre Route wird diejenige feyn, die Sie 
[Oft ung vorgegeichnet haben. . 
Ich habe jege nicht Zeit Ihnen ein Wörts 
ven mebr zu fagen, als daß wir im Geifte 
hon bey ihnen find. Wir denfen an nichts, 
nd reden von nichts ald von unfrer Reife 
ı unferm Gleim und feiner lieben Nichte. 
Schicken Sie ung alle Ihre guten Götterchen 
nd Engelchen entgegen. Ade, liebfter Oheim, 
ebſte Nichte! 


ccLM. 
Un Ebendenfelben. 


Weimar, den 28. May 1775. 


Da find wir nun wieder zu Weimar, haben 
nfer gutes Mütterchen, haben .unfre Kinder 
leder gefunden, und das ganze Haus mit 
sefen gekehrt, und alles zu unferm Empfang 
ereitet, und große Freude auf beyden Seiten — 
nd nun fisen wir da, und erzählen einander 


218 


unfern langen zwoͤlftaͤglgen Wonnetraum von 
Slein und Gleminde, von Freundfchaft nad 
Gellgfelt, von Halladat und Sappifchen Lie 
dern, von ESpiegelbergen und Nonnenparabdic 


fen, und von dem Heinen Sansſouci, wor! 


unferm Gleim fo felten fo gut wird, fich aller 


soucis die Ihn plagen, zu entfchutten — und | 


wundern ung, wie aus diefen zwoͤlf feligen 
Tagen ein einziger Augenblick worden iſt; und 
fühlen dann wieder, gleich der aus Elyfium 
mwiedergefommenen Alceſte im Grunde der 
Seele, daß es fein Traum War, aber führ 
len auch, daß die Hälfte unfered Herzens 


bey unferm Gleim und unſrer liebften Sie 


minde zuruchgeblieden iſt, find nicht mehr fo 
wohl, fo munter, fo fröhlich als wir bey uns 
fern Lieben waren, und koͤnnen und durch 
nichts leichter um’s Herz machen, als menn 
wir von Ihnen reden, ung ſelbſt unter einan⸗ 
der und unſrer lieben Mutter und unfrer klei⸗ 
nen ſchwaͤrmeriſchen S * * * fagen und mies 
Derfagen, was für ein guter, lieber, mwürs 
diger, herrlicher Mann unſer Gleim, was für 
ein gutes, liebes, auserwaͤhltes Gefchöpf 
melne Seelenſchweſter Gleminde iſt! Ach daß 
Seelen sole die unfern, bie fo ähnlich empfin⸗ 


219 


n und Denken, in fo vielen Punkten einans 
er berühren, fo eigentlich dazu gemacht find 
it einander su leben und zu weben — durch 
chzehn Meilen getrennt feyn follen! denn bes 
enkt es ſelbſt, meine Lieben, dieſe fechzehn 
deilen ſind, bis wir wieder zu euch, oder 
hr zu ung reiſet — fo viel als 16000 Meilen. 
rer Morgen kommt, und der Abend ſchleicht 
bey, ohne Hoffnung, daß wir ung Morgen 
iher ſeyn werden als heute. Einen Freund 
ie Gleim, eine Freundin mie Gleminde zu 
aben, und nicht mit Ihnen leben zu köns 
en, was für ein Leben iſt das? | 

Ich ſchwoͤre Ihnen bey unfrer heiligen 
reundfchaft, mein. Befter, felbit dad Wieder⸗ 
ben unfrer Rinder, die Sreude der Eleinen 
‚den Gefchöpfe, die Woluft, fie wieder an 
iſer Herz zu drücken, hat ung nur halb gluͤck⸗ 
h gemacht, weil. wir fie.niche mit Ihnen 
eilen konnten. Iſt denn kein Mittel, liebs 
r Gleim, unfer Leben fo zufammen zu flechs 
n, daß ung nichtE als der Engel Tod mehr 
beiden könne? 


Alle Yugenbiice unterbrochen, wie es nach 
nee Entfernung von: ſechzehn Sagen In meis 


220 


ner hiefigen Lage, nicht anders feyn fam. | ' 
Nun nach Hofe zu der lieben guten: Fürſn! 
Amalie. Bey'm Eintritt In ihr Zimmer fd | 
ich meinen ehrlichen Landsmann Meyer ım 
Jena und eine junge Eängerin von "jreäll 
Fahren bey ihr. Die Sängerin veranlaft ci \ 
Concert in der Herzogin Zimmer, und ich fol 
zuhören. So gehen wieder zwo Stunden hin - 
dann fommen etliche Mitglieder von der Geb 
lerfchen bande joyeuse, die von Leipzig zu— 
ru nach Gotha gehen, und mir Die dritt 
Stunde nehmen — und nun zu Haufe finds 
ih eine Heine Gefelfchaft, deren Seele Fraͤu⸗ 
lin 5 * ** die Kleine if. Da fchwagen 
wir nun zwar von Halberſtadt bis in die fpätt 
Nacht — aber, uber allem dleſem gebt bie Zeit 
hin, und ich wollte lieber mit meinem Sleim 
als von Ihm ſchwatzen. 
Eden wird mie Ihr lieber göldnee Brief 
vom vier und zwanzigſten gebracht, mein ewig 
tbeurer Gleim. Wir haben ihn mit geruͤhrtem 
Herzen gelefen und wieder gelefen, und freuen 
ung inniglich über diefe neue Probe bes Eins 
klangs auf den unfre Seelen geflimme find. 
Zaufend, taufend Dank an Oheim und, Nichte 
ehr dag Gelübde: zu unferm Zufammenmohnen 





221 


iftlichere Anflalten als bisher gu machen. 
ie bloße Hoffnung macht ung glücklich, liebfte 
eunde, für uns und euch. Denn wo wird 
leminde eine andere Wielandin oder Wielans 
n eine andere Gleminde finden? Oder mer 
nn Wielanden feinen Gleim oder Gleimen 
Inen Wieland erfegen? Beyſammen muͤſſen 
ie wohnen, mein Befler, meine Kigder müfs 
n die Sihrigen feyn, Ihre Freuden und Leis 
na’ die meinigen, und vice versa — Aber bes 
met, befte Seelen, wie kurz dieß Leben if, 
ad wie Schade um’ jeden Tag, den wir vers 
ren! Laßt ung von nun an, ohne Auffchubd, 
en Plan machen, die Mittel abmeſſen, die 
inderniffe berechnen, und dann Hand an's 
Berf legen, fobald als ed nur immer möglidy 
. Sind wie einmapl beyfammen, fo fol 
oh! bald Kath dazu werden, unfern guten, 
ortrefflichen Stamford nachzuziehen. Ich habe 
hon ein quo modo dazu ausgefonnen, und 
Inge auch dieß nicht, fo finden wir unfehlbar 
In andres. Zuförderft koͤmmt alles darauf an, 
b Wieland zu feinem Gleim, oder Gleim zu 
einem Wieland: ziehen fol. Carl Auguft wird 
ieß entfcheiden, oder bat es vielmehr fchon 
nefchieden. Denn welcher gute Cosmopolit 


224 


An das Wundermweib, unfre Karfchin, far 
ich noch dieſe Woche. Jetzt bin ich noch 
fo vielen Gefchäftsbriefen uͤberhaͤuft, die fh 
nige Expedition erfordern — und Darum ı 
ich auch jest abbrechen, fo gerne ich noch 
ger mit meinem Gleim ſchwatzte. 

Alfo, befter der Freunde, befte der Sreun 
nen, nochmahls faufend Danfoolle Umarn 
gen von Eurem Wieland und dem Meibe 
nes Herzens fur die glüdlichen Tage, die 
bey Euch gelebt haben. Taufend zärtliche $ 
von der Eleinen Tochter der Natur, die fol 
liche Kaffe geben Fann, wenn die Allmacht 
Empfindung ihre junge, noch nichts Böfes 
nende Seele, übermwaltigt. Gott fegne unt 
halte und befelige unferen Sleim und uı 
Gleminde! Wie herzlich Ih und die He 
meines Ichs Euch beyde lieben, fünnen W 
nicht ausdruͤcken. Euer Dafeyn IfE unfer ı 
nes. O fönnten wir Euch, Ihr Beben, ı 
ren Hippokrates zufchicken! Komme, 
Geelen, fommt doc) je bälder, je Liebe: 
uns, und holet Euch Gefundheit und n 
geben bey ung. — Nur noch zwey Worte 
unfrer Nückreife. Donnerflag Mittags fa 
wir in Kalbesried an, blieben den Fre 


| 225 
rt, ſahen einen der ſchoͤnſten, froͤhlichſten, 
manmaßigftien Winkel des Erdbodeng; fahen 
demfelben ein niedliches Gut, das Gleim 
id ich dereinft um ıgoco Thaler kaufen fols 
— und famen Sonnabend um fechs Uhr 
achmittags in Weimar an. | 
Meine liebe Mutter fegnet Sie für alles 
ute, wag Sie Ihren Kindern gethan haben. 
ıferm und Ihrem verehrungs wuͤrdigen Doms 
chant fagen Sie an unfrer Statt alles, was 
ie in unfern Seelen für dieſen edlen Mens 
yenfreund leſen. Sein Andenken wird nie 
is unfern Herzen fommen. Taufend zärtliche 
rüße und Umarmungen an Stamford, Eas 
Auss Schmidt und Neffen Gleim, und Eoms 
imente von mehr oder weniger Innrem Ges 
le, refpective an alle, die deren wert) find, 
ın Ihrem ganz eignen W. 





. CELIV. 

An Ebendenfelben. 
| . Weimar , den 3. Juny 1775: 
Auf Ihre drey lieben Briefchen vom 28. May, 
halten Sie dießmahl nur ein Kleines Blaͤtt⸗ 
en, liebſter Neziensbruder; ich wollte, daß 
Mielando Briefe IL. . | 


—8X 





227 


sthig, daß alle Membra einer zu einer Ens 
eprife verbundenen Societät in dem naͤhmll⸗ 
en Staate wohnen, um Beguͤnſtigungen von 
mfelben zu erhalten! 

Doch auch zu einer Migration nach Halbers 
ade, oder wohin Sie fonft wollen, koͤnnte 
elleicht nody Rath werden, wenn Sie mir 
ıf alle Fragen und Zweifel, die meine Vers 
anft, die Zweiflerin, noch aufwirft, hinlängs 
he Antworten geben fünnen, Aber von alle 
m ein andermabl. 

Taufendfachen Dank dem guten Engel, ber 
fern theuren verehrungewindigen Domde⸗ 
anten noch im Augenblick der dringenden 
efahr aufgeweckt hat! Ich fchauderte bey der 
achricht, die Sie unferm Bertuch davon gas: 
n. Gagen Sie doch dieſem edlen Manne, 
r den Timon ſelbſt mit der Menſchheit wie⸗ 
re ausſoͤhnen koͤnnte, in melnem Nahmen 
les, was Sie in meiner Seele leſen, alles 
as ih Ihm ſagen würde, wenn Ih in dies 
m Augenblick, wie ebemahle bey. meinem 
leim, neben Ihm gegenüber fäße, und mid) 
loͤſt wegen melner Empfindungen für den 
ortrefflichen Dann licher hätte 

Ihe gerechter Zorn über ben ſchandlichen 





219 


den und denken, in fo. vielen Punkten einans 
Der berühren, fo eigentlich dazu gemacht find 
mit einander zu leben und gu weben — durch 
fechzehn Meilen getrennt feyn follen! denn bes 
Denft es ſelbſt, meine Lieben, dieſe fechzehn 
Meilen ſind, bis wir wieder zu euch, oder 
Ihr zu ung reiſet — fo viel als 16000 Meilen. 
Der Morgen kommt, und der Abend ſchleicht 
vorbey, ohne Hoffnung, daß wir uns Morgen 
naͤher ſeyn werden als heute. Einen Freund 
wie Gleim, eine Freundin wie Gleminde zu 
haben, und nicht mit Ihnen leben zu koͤn⸗ 
nen, was fuͤr ein Leben iſt das? | 

Ich ſchwoͤre Ahnen bey unfrer heiligen 
Freundſchaft, melin.Befler, ſelbſt das Wieder; 
ſehen unfrer Kinder, die Freude der Fleinen 
holden Gefchöpfe, die Wolluſt, fie wieder an 
unfer Herz zu druͤcken, bat ung nur halb glüchs 
lich gemacht, weil wir fie.nicht mit Ahnen 
theilen konnten. Iſt denn fein Mittel, lieb⸗ 
fter Gleim, unfer Leben fo zuſammen zu flechs 
ten, daß ung nichts als der Engel Tod mehr 
fcheiden fünne? | 


Alle Augenblicke unterbrochen, wie es nach 
einer Entfernung von: ſechzehn Tagen In meis 


220 


ner hiefigen Lage, nicht anders ſeyn fan, |, X 
Yun nach Hofe zu der lieben guten Zürfie | D 
Amalie. Bey’m Eintritt in ihr Zimmer fin | 5« 
ich meinen ehrlichen Landsmann Meyer va | Ö 
Jena und eine junge Cängerin von "ni di 
Fahren bey ihr. Die Sängerin veranlaft ein ic 
Concert in der Herzogin Zimmer, und id | ° 
zuhören. So gehen wieder zwo Stunden —2 
dann kommen etliche Mitglieder von der Sek 

lerfchen bande joyeuse, die von Leipzig |} 

ru nach Gotha gehen, und mir Die deite\d 
Stunde nehmen — und nun su Haufe finde | 





ke 


ih eine Eleine Gefelfchaft, deren Seele Fraͤu⸗ 
lin 5 * * * die Kleine if. Da fchwagen 
wir nun zwar von Halberſtadt bis in die ſpaͤte 
Nacht — aber, uber allem. diefem gebt bie Zeit 
hin, und ich wollte lieber mit meinem Gleim | i 
als von hm fhwagen. | ı 
Eben wird mir Ihr lieber goldner Brief 5 
vom vier und siwanzigften gebracht, mein ewig 1 
theurer Gleim. Wir haben Ihn mit geruͤhrtem | 
Herzen gelefen und wieder gelefen, und freuen W 
ung inniglich über diefe neue Probe des Eins 
klangs auf den unfre Seelen geflimme find. | 
iwnfend, tauſend Danf au Oheim und Nichte 
dag Geluͤbde: zu unferm Zufammenmohnes 


221 


ftlichere Anflalten als bisher zu machen. 
ie bloße Hoffnung macht ung glücklich, liebte 
eunde, für uns und euch. Denn two wird 
leminde eine andere Wielandin oder Wielans 
n eine andere Gleminde finden? Oder mer 
nn Mielanden feinen Gleim oder Gleimen 
Inen Wieland erfegen? Beyfammen muͤſſen 
ir wohnen, mein Befler, meine Kinder müfs 
n die Ihrigen feyn, Ihre Freuden und Leis 
n die meinigen, und vice versa — Aber bes 
met, befte Seelen, wie kurz dieß Leben ifl, 
ad wie Schade um’ jeden Tag, ben wir vers 
ren! Laßt ung von nun an, ohne Auffchub, 
en Plan machen, die Mittel abmeflen, die 
inderniffe berechnen, und dann Hand an's 
Berf legen, fobald als es nur immer möglid) 
. Sind wie einmapl beyfammen, fo fol 
oh! bald Rath dazu werden, unfern guten, 
orerefflichen Stamford nachzugiehen. Ich habe 
hon ein quo modo dazu ausgefonnen, und 
Inge auch dieß nicht, fo finden wir unfehlbar 
In andres. Zuförderft koͤmmt alles darauf an, 
b Wieland zu feinem Gleim, oder Gleim zu 
einem Wieland ziehen fol. Carl Auguft wird 
ieß entfcheiden, oder bat eg vielmehr fchon 
ntfchieden. Denn welcher gute Cosmopolit 


224 


An das Wunderweib, unfre Karfchin, ſchi 
ic) noch diefe Woche. Jetzt bin ich noch 
fo vielen Gefchäftsbriefen überhäuft, die fd 
nige Expedition erfordern — und Darum 
ich auch jest abbrechen, fo gerne ich noch 
ger mit meinem Gleim ſchwatzte. 

Alſo, befter der Freunde, befte der Freu 
nen, nochmahls taufend dankvolle Umarı 
gen von Eurem Wieland und Dem Weibe 
nes Herzens fur die gluͤcklichen Tage, die 
bey Euch gelebt haben. Taufend zärtliche: 
von der Eleinen Tochter der Natur , die fo 
liche Stufe geben kann, wenn die Allmach 
Empfindung ihre junge, noch nichts Böfee 
nende Seele, überwältigt. Gott fegue un 
halte und befelige unferen Gleim und u 
Gieminde! Wie herzlich Ih und die £ 
meines Ichs Euch beyde lieben, fönnen I 
nicht ausdrucen. Euer Dafeyn iſt unfer 
nes. D könnten wir Euch, Ihr Lieben, 
ven Hippokrates zuſchicken! Kommet, 
Seelen, fommt doch je bälder, je Iieb« 
und, und holet Euch Gefundheit und ı 
£eben bey und. — Nur noch zwey Worte 
unfrer Ruͤckreiſe. Donnerflag Mittags ke 
wir in Kalbesried an, blieben den Sr 


225 
et, fahen einen der fchönften, Fröhlichften, 
manmaßigfien Winkel des Erdbodeng; fahen 

demfelden ein niedliches Gut, das Gleim 
id ich dereinft um ıgoco Thaler kaufen fols 
ı.— und famen Sonnabends um fechs Uhr 
achmittags In Weimar an. 

Meine liebe Mutter fegnet Sie für alles 
ute, was Gie Ihren Kindern gethan haben, 
aſerm und Ihrem verehrungs wuͤrdigen Doms 
hant fagen Sie an unfrer Statt alles, mad 
ie in unfern Seelen für dieſen edlen Mens 
benfreund Iefen. Sein Andenken wird nie 
18 unfern Herzen fommen. Taufend zärtliche 
ruͤße und Umarmungen an Stamford, Ca⸗ 
limente von mehr oder weniger innrem Ge⸗ 
alt, reſpective an alle, die deren werth find, 
on Ihrem ganz eignen W. 





CCLIV. 

An Ebendenfelben. 
Weimar , den 3. Juny 1775: 
Auf Ihre deep lichen Driefchen vom 28. May, 
halten Sie dießmahl nur ein Kleines Blaͤtt⸗ 
yen, liebſter Nerzensbruder; ich wollte, daß 
Mielands Griefe ILL. 06. > 


Sn 


226 


ich melne ganze Seele barauf drucken, w 
Ahnen zuſchicken könnte! denn es ift fo ds 
faltes8 Ding um einen gefchriebnen Brief ar 
einen Sreund wie mein Gleim, von einm 
Freund mie fein Wieland — und dann 1 
ich jetzt nicht einmahl Zeit zu einem Briefe, 
ſo viele andere nothwendige Briefe muß ich 
ſchreiben, ich mag wollen oder nicht. 
Das Projekt beyſammen zu leben, iſt, welt 
ich ſehe, unſer beyder Lieblingeprojeft gewor⸗ 
den. Gleminde und Muͤtterchen Win 
land junlor find aud da. logirt. Was If 
dieß zeitliche Leben, wenn Seelen, die fo wit 
die unfrigen für einander gemacht find „ Brief 
papier und Giegellad, und Poſtklepper un) 
Poſtbothen nöthig haben, um einander alt 
Wochen einmahl ein paar Worte auf fechzehn 
Meilen zuzufchreyen! Dieß muß anders mer 
den, e8 gehe auch zu wie es wolle, Binnen 
Fahr und Tag muß fih zeigen, ob mir ju 
Ihnen oder Sie zu ung ziehen follen. 
Indeſſen, lieber Gleim, dächte ich, koͤnnte 
unſre Afociation fie den Merkur in ordine 
ad obtinendum ein preußifched Privdilegium 
eben fo gut realifirt werden, als ob ich mitten 
Am Preußenland wohnte Denn. meru if ed 





227 


sthig, daß alle Membra einer zu einer Ens 
eprife verbundenen Societaͤt in dem nähmlis 
en Staate wohnen, um Begünfligungen vor 
mfelben zu erhalten! 

Doch auch zu einer Migration nad) Halbers 
ade, oder wohin Sie fonft wollen, koͤnnte 
elleicht noch Rath werden, wenn Sie nie 
ıf alle Sragen und Zweifel, die meine Vers 
ınft, die Zweiflerin, noch auftwirft, hinlängs 
che Antworten geben koͤnnen. Aber von alle 
m ein andermabl. 

Taufendfachen Dank dem guten Engel, der 
fern theuren verehrungewindigen Domdes 
anten noch im Augenblick der dringenden 
fahr aufgeweckt hat! Ich fchauderte bey der 
'achricht, die Sie unferm Bertuch davon gas: 
n. Sagen Sie doch dieſem edlen Manne, 
re den Timon felbft mit der Menfchheie wies 
r ausföhnen fönnte, in melnem Nahmen 
les, was Sie in meiner Seele Iefen, alles 
ag ich Ihm fagen wurde, wenn Ich in dies 
m Augenblid, wie ehemahls bey meinem 
leim, neben Ihm gegenüber fäße, und: mic) 
loͤſt wegen melner Empfindungen für den 
ortrefflichen Mann licher hätte! | 

Ihr gerechter Zorn über ben (handlichen 


228 


neuen Nachdruck Ihrer Werke, iſt gan ® 
meine Seele übergegangen. Der Merkur fl 
bierbey feine Pflicht nicht vergeffen. Ich habt 
war das profane Ding noch nicht gefehen, 
aber e8 ift genug, daß Sie es gefeben habt, 
und daß es da iſt. Ufurpation des Dafeynd 
it in meinem Criminalrecht ärger als Hoch 
verrath. 

Die fleine Sophie horchte und paßte mit 
allen ihren Leibeds und Geelenfräften anlı 
ob in meines Gleims legten drey Briefen nidt 
auch ein Wort an Sophiechen komme— 
würde — und wurde roth und ein wenig 
traurig, daß nichts Fam. 

Das Seelenwelbchen drückt Ihre ganz eigu 
Sleminde an Ihr fanftes, vedliches Der. 

Auf den Herbſt alfo, mein Lieber! Hippe⸗ 
krates ſoll Inzwifchen feine beflen Beſchwoͤrun 
gen gegen Dhrenteufel, Magenteufel, und als 
andern Teufel, die man ohne Beelzebub, bes 
oberften der Teufel, austreiben kann, hervor⸗ 
fuchen. — Er fol den heim und die Richte 
fo gefund machen, als kämen fie aus Medea's 
Wunderbade heraus, oder es. fol nicht meht 
Hippokrates beißen. 





229 


Der Brief über Halladat fol mir ſehr will⸗ 
ommen fegn. 

Und nun gehabe dich. wohl,. Freund und 
Bruder meiner Seele! Ale Segnungen des 
dimmels über dich. 

Hab’ Ich Ihnen ſchon gemeldet, daß, waͤh⸗ 
end wir fchliefen und Wonnetage und Hochzeit⸗ 
yächte träumen , ein fchwarzer Dann, einhere 
on **, ein Dberpfarrer und Superintendent 
kommen iſt, und ung unfre fchöne Euphro⸗ 
yne mit den Grasiennamen tweggeblafen hat? 
Der böfe fchwarge Mann! Daß doch dieſe Leute 
illenthalben Unheil anrichten muͤſſen, wo fie 
re Nafe hinſtecken! 

Weil ich beforge, mein Brief an die Kars 
hin möchte fie verfehlen, da ich nicht darauf 
eßen fann wo er abzugeben if, fo ſchick ich: 
hn Ihnen zur Beſtellung zu. 


CCLV. 
An die Karſchin. 
Weimar, den 3. Jun. 1775 
Mitten im Himmel. der Zeeundfchaft, an 
der Seite unſers Gleims, des ebelften und 
befen der Denfchen, bringt mie ber Venus 


230 


ſchneeweißeſtes Taubchen Ihren erfien Krk 
göttlihe Sappho! Wir Iefen Ihn mie Ei 
zucken, wir reden den ganzen Tag, und ein 
großen Theil der folgenden von nichts ald 
ihnen, hören unferm Gleim, mit Halb offnen 
Munde, fo leife athmend als in einer Be 
zudung zu, da er und eine Menge ber hat 
lichten Lieder liefet, die ein Gott unſrer Gap 
ꝓho cinft eingab, und wovon Die Welt noch 


nicht8 gehört hat; hören unverwandt, erfuͤl⸗ 


len. ung gang mit ihrem Geiſt, brennen von 
ihrem euer, ergießen uns in Liebe und Be— 
wunderung des fchönften Geifled, Der jemahls 
ein mweibliched Weib belebt hat, und beten bie 
Natur in einem ihrer berrlichftien Werke an — 
und dennoch, vortrefflichfie Karſchin, konnte 
Mieland Ealt oder träge genug ſeyn, es bi 
zum Dritten Juny anftehen gu laffen, Ihnen, 
der Dichterin, die er fchon fo viele Jahre liebt 
and beivundert, zu fagen, Daß Ste die freund 
ſchaftlichen Empfindungen, wovon Ihr fchöner 
Brief überfließt, an keinen Undankbaren vers 
fchivendet haben! Aber glauben Sie mir, meint 
Liebfie Freundin, meder Trägbelt noch Kaltfinz 
war daran Schuld. Es iſt von jeher meine 
Art fo geweſen, daß ich nicht ſchreiben Fans 


231 


noch mag, wenn mein Herz fo vol if, als 
es in Halberfiade war. Gefchriebene Worte 
duͤnken mir dann eine fo falte, fo armfelige 
Art, wie Seeke mie Seele Semeinfchaft pfle⸗ 
sen fol, daß: ich mich: gar niche dazu ents 
fchließen kann. Doch auch jest, da ich bey 
gelaßnem Muthe an Sie fchreibe, kann und 
werde ich Ihnen nicht den zehnten Thell davon 
fagen, was ich von Ahnen denke, was ich für 
Sie empfinde, und wie gluͤcklich Sie mich das 
Durch machen, daß Sie meine Freundin feyn 
wollen. Ein Genlus fol Ihnen dag in feiner 
eignen Sprache. unmittelbar in's Herz fagen. 
Sie folen’s fühlen, eben fo ſtark es fühlen, 
als ob. Sie e8 mit Ihren eignen Geiftesaugen 
unmittelbar in meiner Seele läfen = und wos 
zu. brauche ich Sie denn noch daß ich's Ahnen 
durch) Worte fage? Ste allein, vortrefflichfte 
Frau, fehlten noch, um unfre Wenne in Hals 
berſtadt vollkommen zu machen. Zwölf ganzer 
Tage — ein Jahrhundert an innerm Werth, 
ein Augenblic im Genuſſe ſelbſt — hah' ich 
bey unferm Gleim, dem beften unter allen 
Günftlingen des Mufengottes, dem waͤrmſten 
der Freunde, dem edelften bee Menſchen, ges 
eds. Nur unfre Sappho, unfee Mufe mans 





233 
GCLVI. 
An Sleim 
| Weimar, den 19. $unp 1775. 


Mir leben hier feit einigen Tagen in Zona 
rrida, mein liebfter Herzensbruder; es ift fo 
wm, daß ich nicht weiß, wie ich es anfans 
na fol, um fogar an meinen Gleim etwas 
6 einem Brief ähnlich hebt, w Stande iu 
ingen. 
Die heilige Stunde, bie Sle am 1qten 
tten, beſuchte uns am ııten zuvor, in dem 
ohlthaͤtigſten, harmloſeſten und zugleich praͤch⸗ 
jiſten Gewitter, das ich je erlebt habe — 
ıch einer vier Wochen langen Dürre. ch 
eiß nichts Ruͤhrenderes als ſolche Scenen. 
h und mein zweytes beßres Ich hatten auch 
er, wie ſo oft, einerley Empfindung, ohne 
einander eher, als da alles vorbey war, 
ſtzutheilen. Wir fühlten inniger, als ſich 
it Worten ausdruͤcken laͤßt, die Gegenwart 
ottes, und Sie, die ſchuldloſe Periſade in⸗ 
nderbeit, fuͤhlte es mi einer alles in und 
u fie her heiter machenden Ruhe und ſeligen 
ifriedenheit, wovon ein nicht fo unfchuldigegs 
zeſen fich Faum einen Begriff machen kann. 


234 


In diefem Augenblicd donnert ber Get 
Ehren wieder, und die unter Ihm liegende 
barret abermahl8 auf einen milden 9 
Mir tft fchon merklich leichter. Ich 
wenigfiend eher mit biefem Blatte fertig 
den. Haladat = Dieß ewig waͤhrende 
Denfmahl einer guten, gereinigten, | 
Geele — Halladat, mein Befler, kann 
für eine Ueberfegung aus dem Arabifd 
wenigſtens nicht öffentlich ausgegeben w 
Denn es gibt jegt zu viele, die Arabifch 
mwiffen, um ung in's Angefiche gu fagen 
e8 nicht aus dem Arabifchen überfet 
Denn, Lieber, Sie felb haben ja a 
fremden Worte geprägt, wovon, fo ai 
fie auch Elingen, doch gewiß bie meiften 
weniger denn arabifh find. Und t 
ſollte fich auch der Verfafler verläugnen w 
Was haben Sie von den Deutungen, 
man davon macht, zu beforgen? Was 
dem Verfaſſer des goldnen Spiegels ur 
Danifchmende bevorfiehen, wenn der Be 
des Halladat fich fcheuen follte, ein Bu 
reiner Liebe für Gott und Menfchen, ei 
vol Gedanken, Gefinnungen und Gefühl 
dem heiligen Engel Ehre machten, ge 


235 


r zu haben! Der unfelige Caſus mit dem 
Ep. hat Sie, liebſter Freund, zu aͤngſtlich, 
fehüchtern vor der Bosheilt und Tüde der 
enfchen gemacht. Aber freylich fird die meis 
a Menfchen dumm, und viele boshaft: aber‘ 
Dummen find Schaafe, deren: blä, bla! 
nig zu bedeuten hat. Und mit den Böfen 
8 wie mit den Hunden; fobald ſie fehen, 
B man fie fürchtet, fo werden fie Infolent 
d packen an, gebt man aber feiner Wege/, 
d achtet Ihres Klaffend and Bellens nicht, 
bören fie bald von felbft auf, und ziehen: 
t gefenftem Schwanz ab. 
Ein anderer Umfland, der mir viel mehr zu 
rzen dringt, ift die unendliche Gleichgultigs 
t unfrer Zeit für diefeg Halladat, das, — 
nn tole nicht alles Gefühl für das Wahre’ 
Höne und Gute verlohren hätten. eine eben 
große allgemeine Aufmerkfamfelt erwecken, 
d eben fo aufgenommen werden müßte, ald 
es eine Taube in ihrem Schnabel vom 
'mmel herab gebracht hätte. Aber was Ih — 
e die Menfchen leider nur zu ‚gut kennt, 
rher ſah, das erfolge nun auch. Halladat 
zwar Ambrofia für die wenigen, guten, von 
r Natur reingeflimmten, empfindfamen und 


ein Buch für alle, fi 
Zeiten, aber feln ® 





237 


‚chter, nie in der erhabenen etwas flärs 
8 gemacht ald den Sefans an ben Pankar 
ch. Wir find vor Freud’ und Wonne dars 
er fchier gu Kindern worden. Nur ein eins 
8 bat ung alle insgeſammt an den ſieben 
tern beträbt, und das find ihre Nah⸗ 
en. Lieber Himmel! 318, Zilo, Zilli, Et, 
ta, Zizilis und Ziziaris! Nein, befter Gleim! 
8 Menfchengefchlecht kann's nicht tragen! 
d fol um diefer feltfamen rahmen willen — 
geachtet des Raffinementd, daß die Rahmen 
r leben Töchter eben fo von Einer Familie 
d, und eben fo verſchwiſtert, tote bie fieben 
chter ſelbſt — das fchönfte Stud von der 
elt feinen Effekt verlieren? Gleichwohl ges 
me Ich mir hierin, ohne Ihre Bewilligung, 
hts zu ändern, imprimis da. ich ed unends 
) ſchwer finde, andre, weniger auffallende, 
mahl einfyibige Nahmen, für die guten 
ädchen zu finden. Muthiger bingegen babe 

aus eigener vom Himmel empfangner 
acht und Gewalt, in jeder biefer beyden 
en ein Hemifihion geraden wegge⸗ 
chen, weil jebed eine gang vortreffliche 
elle vernichtet. = Das Ganze geminnt durch 
ı Verluft, and iſt und bleibt Dann ein Ideal 





239 
CCLVII. 
An Ebendenſelden. 
Weimar, den 14. July 1775. 


Die Tage der Unruhe ſind vorbeygerauſcht, 
in beſter Bruder; der Himmel iſt wieder 
ter. Er wird zwar nicht immer heiter bleis 
3, aber dafür If bie Welt, wo mir jege 
d, nur aus den Abſchnltzeln der übrigen 
elten gemacht, nnd man kann alfo nicht 
dern, daß fie viel deſſer fey als fie ift. 

Tauſend hersliche Umarmungen für bie 
äcme, womit Sie an Ihres Wielands Schick⸗ 
| Antheil nahmen! Noch, mein Liebſter, iſt 
es in folchen terminis, daß ich nichts zu 
igen habe. Das Unangenehme, deſſen ich 
zthin erwaͤhnte, waren ſchnell voruͤberge⸗ 
nde Augenblicke. Wahrſcheinlicher Weiſe 
d C. A. mir niemahls Urſache zeben, mich 
n ihm zu entfernen. Ich ſitze bier ganz gut, 
si qua sede sedes etc. So ſchoͤn auch 
mer Ihr Berlinifches Brojece für mich in 
‚fer ſchoͤnes fchimarifches Plänchen paßte, fo 
uͤrde es doc) in. der Ausführung unendliche 
chwierigkeiten haben. Ich bitte Sie alfo gae 
be, meinethalben ruhig au ſeyn. Meberhaupte 


230 


ſchneeweißeſtes Taͤubchen Ihren erſten Brleh— 
goͤttliche Sappho! Wir leſen ihn mie Ei 
zuͤcken, wir reden den ganzen Tag, und elum 
großen Theil der folgenden von nichts ald 
Ihnen, hören unferm Gleim, mit halb offu 
Munde, fo leife athmend ale in einer Bew 
zudung zu, da er und eine Menge ber bau 
lichſten Lieder liefet, die ein Gott unfrer Gap 
»ho einft eingab, und movon bie Melt ned 
nichts gehört hat; hören unverwandt, erfül 
len ung gang mit Ihrem Geiſt, brennen von 
Ihrem Feuer, ergießen uns in Liebe und Year 
wunderung des fchönften Geifled, der jemahls 
ein mweibliched Weib belebt bat, und beten die 
Natur in einem ihrer herrlichſten Werke an— 
und dennoch, vortrefflichfie Karfchin, Fonatt 
Wieland kalt oder träge genug ſeyn, es bi 
zum Dritten Juny anftehen zu laffen, Ahnen, 
der Dichterin, die er fchon fo viele Jahre liebt 
and beiwundert, zu fagen, baß Sie die freund 
fhaftlihen Empfindungen, wovon Ihr ſchoͤner 
Brief überfliege, an Keinen Undanfbaren vers 
fchivendet Haben! Aber glauben Sie mir, meine 
Liebfte Freundin, weder Trägheit noch Kaltfinz 
war daran Schuld. Es IfE von jeher mein 
Art fo gemefen, daß Ich nicht ſchreiben Fans 


231 


Ich mag, wenn mein Her; fo vol if, als 
in Halberſtadt war. Gefchriebene Worte 
infen mir dann eine fo kalte, fo armfelige 
rt, wie Seele mie Seele Semeinfchaft pfle⸗ 
en fol, daß: ich mich: gar niche dazu ents 
hließen kann. Doc auch jest, da.ich bey 
laßnem Muthe an Sie ſchreibe, kann umd 
erde ich Ihnen nicht den zehnten Theil Davon 
igen, was ich von Ihnen denke, was ich für 
ste empfinde, und mie gluͤcklich Sie mich das 
urch machen, daß Sie meine Freundin feyn 
ollen. Ein Genius fol Ihnen das in feiner 
gnen Sprache. unmittelbar in’d Herz fagen. 
zie ſollen's fühlen, eben fo ſtark es fühlen, 
ls ob Sie e8 mit Ihren eignen Geiftesaugen 
nmittelbar in meiner Seele lafen = und os 
1. brauche ich Sie denn noch daß ich's Ihnen 
uch Worte fage? Sie allein, vortrefflichfte 
rau, fehlten noch, um unfre Wenne in Hals 
erſtadt vollkommen gu machen. Zwölf ganzer 
age — ein Jahrhundert an innerm Werth, 
in Augenblick im Genuffe ſelbſt — Gab’ ich 
ey unferm Gleim, dem beflen unter allen 
zuͤnſtllngen des Muſengottes, dem waͤrmſten 
er Freunde, dem edelſten der Menſchen, ge⸗ 
ebt. Nur unſre Sappho, unſre Muſe mans 


23e 


gelte und, um aus feinem kleinen Sansſeni 
den Hayn der Mufen oder Elyſium zu mac. 

Ihr freundfchaftliheer Wunſch, beſte Katı 
ſchin, if auch der Wunſch meines Herjens. 
Ja, wir müffen ung noch von Perſon Fennn 
lernen, Sie möffen meine Kinder, und bi 
Mutter meiner Kinder, called was ein Thal 
meines Selbſt iſt, feben, und unter den kleinen 
um Sie berumtummelnden Kindern ber Au 
fur fich felbfE wieder vergnuͤgt fühlen, und 
ſchoͤnere Lieder fingen als Sie je. gefungen ha 
ben. Ed muß feyn, es wird feyn, oder mein 
Seele müßte mir in diefem Augenblick falld 
weiffagen. Unwilfommene Hinberungen um 
terbrechen mid. — Ach muß mich von Ahnen 
Iogreißen. Uber der Anfang If nun gemacht, 
meine Sreundin — Poften zwiſchen Berlin und 
Weimar geben wöchentlich und richtig zwey⸗ 
mahl. Alfo Fein Wort welter, als Daß ich 
mit aller Bewunderung ber gefühlten Seelen 
verwandtſchaft bin, und ewig fegn werde, IR 
gan; ergebenfter W. 


233 
CELVI. 
An Gleim. 
| Weimar, den 19. $unp 1775. 


Wir leben Hier feit einigen Tagen in Zona 
rrida, mein liebfter Herzensbruder; es ift fo 
arm, daß Ich nicht weiß, mie ich es anfans 
n fol, um fogar an meinen Sleim etwas 
ı8 einem Brief ähnlich hebt, w Stande zu 
ingen. 

Die Heilige Stunde, bie Sle am 1aten 
itten, beſuchte uns am sten zuvor, in dem 
ohlthaͤtigſten, harmloſeſten und zugleich praͤch⸗ 
gſten Gewitter, das ich je erlebt habe — 
ich einer vier Wochen langen Duͤrre. Ich 
eiß nichts Ruͤhrenderes als ſolche Scenen. 
ch und mein zweytes beßres Ich hatten auch 
er, wie fo oft, einerley Empfindung, ohne : 
: einander eher; ald da alles vorbey war, 
ſtzutheilen. Wir fühlten inniger, als ſich 
it Worten ausdruͤcken läßt, die Gegenwart 
ottes, und Sie, die fchuldlofe Periſade ins 
nderheit, fühlte e8 mi’ einer alles in und 
n fie ber heiter machenven Ruhe und feligen 
sfriedenheit, wovon ein nicht fo unfchuldigeg 
3efen fich Faum einen Begriff machen Tann. 


234 


In diefem Augenblic® bonnert ber Got 
Ehren wieder, und die unter ihm liegende 
barret abermahls auf einen milden R 
Mir iſt fchon merklich leichter. Ach ı 
wenigfiens eher mit biefem DBlatte fertig 
den. Haladat = Dieß ewig mährenbe | 
Denfmahl einer guten, gereinigten, Mi 
Seele — Halladat, mein Befler, kann 
für eine Ueberfegung aus dem Arabiſch 
wenigſtens nicht öffentlich ausgegeben me 
deun es gibt jeßt gu viele, die Arabifch ı 
wiffen, um und in's Angefiht zu fagen, 
es nicht aus dem Nrabifchen überfegi 
Denn, Lieber, Sie felbf Haben ja al 
fremden Worte geprägt, wovon, fo arı 
fie auch Elingen, doch gewiß die meiften ı 
weniger denn arabifh find. And w 
foute fich) auch der Verfaſſer verläugnen wı 
Was haben Sie von den Deutungen, 1 
man davon macht, zu beforgen? Was ı 
dem Verfaffer des goldnen Spiegels un 
Danifchmende bevorfiehen, wenn ber Ba 
des Halladat fich fcheuen follte, ein Bud 
reiner Liebe für Gott und Menfchen, ein 
voll Sedanfen, Gefinnungen und Gefühl 
dem heiligen Engel Ehre machten, ge 


235 
, zu baden! Der "unfelige Caſus mit dem 
Ep. hat Sie, liebftee Freund, zu aͤngſtlich, 
fehüchtern vor der Boghelt und Tuͤcke der 
'nfchen gemacht. Aber freylich find die meis 
ı Menfchen dumm, und viele boshaft: aber‘ 
Dummen find Schaafe, deren: blaͤ, bla! 
nig zu bedeuten hat. Und mit den Böfen 
8 wie mit den Hunden; fobald ſie fehen, 
3 man fie fürchtet, fo werden fie Infolent 
d paden an, gebt man aber feiner Wege, 
d achtet ihres Klaffens nnd Bellens nicht, 
hören fie bald von felbfE auf, und ziehen 
t gefenftem Schwanz ab. 
Ein anderer Umfland, der mir viel mehr zu 
rzen dringt, ift die unendliche Gleichguͤltig⸗ 
t unfeer Zeit für diefeg Halladat, dag, — 
nn wir nicht alles Gefühl für das Wahre’ 
Höne und Gute verlohren hätten ‚. eine eben 
große allgemeine Aufmerkſamkelt erwecken, 
d eben fo aufgenommen werden müßte, ald 
es eine Taube in ihrem Schnabel vom 
mmel herab gebracht hätte. Aber was Ih — 
e die Menfchen leider nur zu gut fennt, 
her fah, das erfolgt nun auch. Halladat 
zwar Ambrofia für die wenigen, guten, von 
e Natur reingeflimmten, empfindfamen und 


ein Buch für alle, fü 
Zeiten, aber fein B 
diefer unſter DR e 


mie Halladat, ein Sch 


den — lle 





237 


Öchter, nie In der erhabenen etwas flärs 
es gemacht ald den Sefang an Den Pankas 
ah. Wir find vor Freud’ und Wonne dars 
ver fchier zu Kindern worden. Nur ein eins 
ges bat ung alle insgeſammt an den fieben 
öchtern betruͤbt, und das find ihre Nah⸗ 
en. Lieber Himmel! Zis, Zilo, Zilli, Et, 
ia, Zizilis und Ziziaris! Nein, befter Gleim! 
eß Menfchengefchlecht kann's nicht tragen! 
sd fol um diefer feltfamen Nahmen willen — 
geachtet des Raffinements, daß die Nabmen 
er fleben Töchter eben fo von Einer Familie 
id, und eben fo verfchmwiftert, wie die fieben 
Schter felbft — das fchonfte Stud von der 
zelt feinen Effekt verlieren? Gleichwohl ge⸗ 
aue ich mir hierin, ohne Ihre Bewilligung, 
ichts zu ändern, imprimis da-id) es unend⸗ 
ch fchwer finde, andre, weniger auffallende, 
mahl einfyibige Nabmen, für die guten 
daͤdchen zu finden. Mutbiger hingegen habe 
h aus eigener vom Himmel empfangnee 
tacht und Gewalt, in jeder biefer beyden 
zuren ein Hemiflihion geradezu wegge⸗ 
:ihen, well jedes eine gang vortreffliche 
‚tele vernichtet. = Das Ganze geminnt Durch 
in Verluſt, und iſt und bleibt Dann ein Ideal 


238 


von Pathos und Erhabenheit der Geflnm 
gen und der Sprache, ewiglich!! 

Unferm geliebten Domdechant, dem ver 
runssmwurdigen, edlen Manne, deffen T 
wir ort, und alemapl wenn wir im Geiſt 
Gleim und Gleminde find, mit Wohlwol 
und Liebe in unferm Herzen aufftellen, 
faxen Sie allemapl etwas von ung, wenn' 
bey ibm find, etwas, Das ung in dem! 
dienten des edlen menfchenfreundlichen M 
nes bey'm Leben erhalte, 

Unferm Stamjord meine befle Umarm 

fur feine beyden allerliebfien Fabeln. Pı 
putus Lafontaine. 
Periſade Eufee Sie mit dem Kuß I 
Mundeg, und umarmet für fi) und mid 
Herzenss und Seelen s Schwefler Gleminde 
ſendmahl, mit tunigen MWünfchen für die 
fundheit und Erhaltung. einer Steundin, 
fie liebt, role fie noch kein mweibliches W 
sritebe hat. 

Bertuch ſteckt bis über die Ohren in W 
muͤhlen ‚und Walkmuͤhlen. — Man kriegt 
gar nicht mehr zu ſehen. | 

Lebet wohl, Geliebteſte, Beſte! So ı 
a.8 Fur geliebt merder von Euerm W. 


239 
CCLVII. 
An Ebendenſelden. 
Weimar, den 14. July 1775. 


Die Tage der Unruhe ſind vorbeygerauſcht, 
in beſter Bruder; der Himmel iſt wieder 
ter. Er wird zwar nicht immer heiter blei⸗ 
8, aber dafür IfE die Welt, wo mir jege 
d, nur aus den Abichnigeln der übrigen 
elten gemacht, und man Tann alfo nicht 
dern, daß fie viel deffer fey als fie iſt. 

Zaufend herzliche Umarmungen für die 
ärme, womit Sie an Ihres Wielands Schick⸗ 
| Antheil nahmen! Noch, mein Liebſter, iſt 
es in ſolchen terminis, daß ich nichts zu 
igen habe. Das Unangenehme, deſſen ich 
zthin erwaͤhnte, waren ſchnell voruͤberge⸗ 
nde Augenblicke. Wahrſcheinlicher Weiſe 
xd €, A. mir niemahls Urſache zeben, mich 
an ihm zu entfernen. Ich fige bier ganz gut, 
si qua sede sedes etc. So ſchoͤn auch 
mer Ihr DBerlinifches Project für mich in 
ıfer fchönes fchimarifches Plänchen paßte, fo 
arde es doch in. der Ausführung unendliche 
hwierigkeiten haben. Ich bitte Sie alfo gar 
je , meinethalben ruhig gu ſeyn. Ueberhaupt, 


249 


und wenn ich auch in dee Folge Urſache fr 
den follte, lieber anderswo als In Meiner — 
leben, würde mich doch bloß die Noch jew 
gen koͤnnen, irgend ein Öffentliched Amt ann 
nebmen, oder zu fuchen. Ueberbieß bedeute 
Sie, wie wenig eine. Verfegung in eine Bi 
wie die Berlinifche if, fih zu meiner & 
müthsart und meinen Umfländen ſchickte. Pau 
cuit et liberi& wird ewig mein NBahlfprad 
bleiben. Lieber mit fech8 Hundert Thalern hı 
dem kleinen Dörfchen, wo mein Gleim gebw 
ren wurde, in einer Hütte an dem Shmw 
lenbach, aus dem Ihn die an deffen Rank 
tangenden Grazien einft al8 Knabe berandie 
gen, als in Berlin oder. Wien mit fo ok 
taufend Thalern ald Sie wollten. Aber, mw 
gefagt, Carl Auguft iſt mir gut, feine Muite 
auch. In Hofinteiguen und Staatsfachen wert 
ich mich nie mifchen, und mich fo viel möglid 
in meinem Schnedenhäuschen ruhig Halten, 
Ich werde alfo wenig ober keine Selnde in 
W. Haben, und in Trieden und Unfchuld be 
bin leben, fo lang es Gott gefällt. Aendern 
fih einmahl die Umftände, fo wollen wir, us 
Ruhe gu befommen, und weder nach Berl 
och in eine Windmühle ſetzen; ſondern am 





24t 

idwo, fo nah bey unferm Gleim, gerade 
in Fleines fuetonifches tranquilles Guͤtchen 
en, wie e8 einem Danifchmende nügt und ' 
imt — fo weit von Sultanen und Bonzen 
immer moͤglich iſt. 

en allem dem, beſter Bruder ſeh' ich bie 
ine Seite Ahres Projekts fehr wohl, 
geftehe gern, daß es au pis aller eine 
lihe Sache wäre. Aber auch nur au pis 
r. Denn des Menfchen Wie ift fein Him⸗ 
reich, und mein Wille war nie und wird 
feyn, in einer großen Stadt zu leben — 
ware denn, daß ich einmahl einen Schaf 
de, oder einen ehrlichen Heck⸗Louisd'or. 
ın zum Leben in einer großen Koͤnigsſtadt 
Set Geldes die Fule, Haus und Hof, 
y' und Keller, Kutfche und Pferde, kurz 
8 wag D. Luther unter dem täglichen Brot 
reift. In einer Kleinen Stadt oder auf 
1 Lande, nicht meit von einer kleinen 
dt, kann ein Mittelding von Sokrates 
> Horaz, wie ich bin, wohlfeiler gluͤcklich 
n. 
Nich freut, daß Sie mit meiner Ankuͤndi⸗ 
ıg des Halladat zufrieden find. Ich hatt’ 
gern beffer gemacht, aber damahls — ben 
Wielands Briefe TIL. V. 16 


243 


düurfniffe der Menfchheit koͤnnen nicht mars 
ı. Daran aber fol es ihm auch, fo lange 
eim und Wieland Athen holen, fo Gott 
il, nicht fehlen! 

Meine Halfte umarmt Ihre Freundin innigs 
», und bittet Sie, fich ihrentmegen feinen 
immer zu machen. Sie felbft bat auch in 
ı unruhigften Tagen nicht einen Augenblick 
ımmer, denn, zum Gluͤck für fie und 
ch, — fie bat keine poetiſche Phantafle. 
Ancora, liebfter Herzensbruder, leben Sie 
hl. Der Merkur laͤßt mich: nicht länger 
reiben. — Ein umerbittlicher Gott! — der 
ll und muß nun einmahl alle vier Wochen 
8 gedructe Bogen in meinem Nahmen in 
Welt berumtragen, fie mögen berfommen 
fie wollen. Ä 


CCLVIII. 
An Menuferl. 

Weimar, den 16. November 1775. 
krſchrecken Ste nicht, daß ich Ahnen des 
ren D. Martini Auffag mieder zuruͤckſende. 
> bin mit allem fehe zufrieden, nur nicht 
e der epiftolarifchen Form. Haben Sie bie 


245 


Außer dieſen dreyen Artikeln verfhone ich 
ie pro anno 1776 mit allem andern; bitte 
ngegen omnem lapidem zu mooiren, daß 
eſe drey Artikel ſehr gut werden moͤgen; 
Ir aber auch zugleich das für alle drey Ars 
el zu entrichtende Honorarium offenhersig gu 
fimmen, und biebey den Umſtand zu confis 


riren, daß dieſe fammtlichen litterariſchen 


etikel mit der kleinern Schrift (womit zeither 
e Gedichte im Merkur gedruckt worden) 
gedruckt werden ſollen; und alſo viel Ma⸗ 
iſcript auf den gedruckten Bogen geht; auch, 
ß ich allen drey Artikeln zuſammen hoͤchſtens 
w acht Bogen jährlich im Merkur einraͤumen 
nit. | Ä 

Die beygehende Necenfion kann ich nicht ges 
auchen, und mwünfche überhaupt daß unfer 
und Schmidt fih, was den Merkur betrift, 
glich auf den Theatral s Artikel einfchränfe, 
efen aber mit defto größerer Sammlung 
er feiner Geifteskräfte ausarbeite. | 
Mich verlangt, Sie bald wieder zu umars 
en, mein Theurer, | " 
Göthe, den wir feit neun Tagen bier bes 
en, ift dag größte Genie, und ber befte lies 


q. 


246 


bensmwertbefte Menſch, den ich kenne, m 
muthlich fommt er auch noch nach Erfurt. 

Bon 1776 an kommt NB. vor jedeg Stid 
des Merkurs ein Kupferfiih en Medaille 
von einem merkwürdigen Menfchengeficht. Verl 
erfte fangen wie mit Dichtern, Kuͤnſtlern und 
fhönen Geiſtern des ſechzehnten Jahrhus— 
derts an. 


CCLIX. 
An Zimmermann. 


Weimar, ben g. Januar. 177% 


Mas Bott sufanmengefügt bat, fol be 
Menfch nicht fcheiden. Göthe, Lavater, Hen 
der, warum follten fie nicht auch meint 
Freunde feyn? ſeit ich dieß Kleeblate Kenne, 
find fie meine Heiligen. 

ch lebe nun 9 Wochen mit Göthen, und 
lebe, feit unfere Seelen s Bereinigung fo un 
vermerft und ohne allen eflort nach und nad 
zu Stande gefommen, ganz in ibm. 

Es iſt in allen Betrachtungen und bon allen 
Selten das größte, befte, herrlichſte menſch⸗ 
liche Wefen, das Gott gefchaffen bar. 


247 


Died fag’ Ih meinem Zimmermann, 
seit er's beynahe mit eben fo Innigem Vergnüs 
en lefen wird, ald womit ich’8 ihm fchreibe. 
Deöcht ich's der ganzen Welt fagen dürfen! 
Noͤcht' alle Welt den liebenswuͤrdigſten ber 
Renfchen fo kennen, fo durchfchauen, fo lies 
en, wie id). 

Heute war eine Stunde, wo Ich ihn erfi in 
einer ganzen Herrlichkeit — der ganzen fchönen 
efühlvollen reinen Menfchbeit ſah. Außer mir 
niet' ich neben ihn, drückte meine Seele an 
sine Bruft, und betete Gott an. 

Abe, mein alter, Tiebenswürdiger, innigſt 
Jeurer und verehrter Freund! Denfen Gie 
och zuweilen an ꝛc. ur 


CCLX. 
An Andre‘. | 
Weimar, den 7. Februar. 1776. 


Empfehlen Sie mich unferm Zimmermann; 
agen Sie Ihm, daß ich von dem Tage der Res 
ierung meines lieben Carls Auguſts an, mein 
ste ſelbſt und meinen Freunden fo oft gegebs 
ed Wort erfüllt, und mich vom Hofe ganzs 
ih in mein Schnedenhäuschen zuruͤckgezogen 


249 


nheit, die er nicht baben kann, fehlt 
m nichts. Wenn nicht viel Gutes hier durch 
In gefchleht, und viel weniger Böfes als fonft 
efchehen wäre; fo wird die Schuld gewiß nicht 
n ihm liegen. 


CCLXI. 
AnGleim. | 
Meimar,. den 22. Februar 1776. 


Du biſt ein Mann Gottes, Tleber Bruder 
Bleim, denn es gehört göttlihe Langmuth 
azu, mein langes, bartnäciges, verfloctes 
Stiffchweigen zu tragen, wie du thufl, und 
nich doch lieb zu behalten, wie du thuſt! — 
Jafür aber, lieber, befter Gleim, ſeyd Ihr 
uch der einzige Mann In der Welt, der Güte 
nd Liebe genug in fi) bat,. um fo was zu 
önnen. Bey allem dem lieben wir Euch herz⸗ 
nniglich; aber Goͤthe nimme.mir alle Zeit zum: 
Srieffchreiben weg; und dann ifl’8 am Ende 
o ein armfeligeds Ding um einen Brief an 
inen Zreund wie Gleim! Was find: die fhöns 
ten Worte gegen dad, mag die Geele fühlt, 
yenft, ftrebt und thut? — Indeſſen bleibe es 
doch wahr, daB wenn man fo viel Berg und 


251 


er auch der feinige werben foll, muß und 
ird, die Stelle eined Vice⸗-Vaters oder geifts 
chen Vaters, den Rechten bes natürlichen, 
eifchlichen, oder wie ihre andern Moraliften 
3 fonft nennen wollt, unbefchadet, bey dem 
rmen Eleinen Schelm vertreten; es ſey nun 
a8 es wolle, Liebenswurdig wird es immer 
pn, wenn feine Pathen es auch. nur mit dem 
hnten Theil der Seelengauberen begaben wer⸗ 
en, die in ihnen fo reichlich wohnet. 

Bon Goͤthe fchreib’ ich Ihnen nichts, Tiebs 
er Gleim. Komm und fiche! Genug, daß 
h nichts Befferes, Edleres, Herzlicheres, 
teberes und Größeres In der Menfchheit fenne - 
(8 ihn — fo wild und fiebenfeltfam der holde 
nhold auch zuweilen if, oder ſcheint. — 

Ade! Gott mit Euch und Uns, Ihr Lieben. 
zanz euer W. 


CCLAXII. 
An Ebendenfelben. | 
Weimar, den 22. Mit; 1776. 
Liebfter Gleim, Taffen Sie ſich's nicht leid 


eyn, daß daß Fleine Märzen s Rindehen, wos 
sit uns meine Frau geflern um ſechs Uhr 


253 


yeneral s.Superintendent zu uns kommt? 
yenft doch, was E. A. aus Weimar macht! 
nd machen mwird ! 


CCLXIII. 
An Ebendenſelben. 


Weimar, den 16. Aprill 1776. 


Tauſend Umarmungen, mein beſter Bruder, 
ae Ihre lieben Briefchen, und für dag artige 
Jaubchen und für alles Gute, was Sie Ihrer 
leinen Wilhelmine (die wir zwar, beliebter 
bürze wegen, Lottchen nennen) Im Geiſte 
yeiffagen. — Im Namen unferer lieben Wöchs 
erin und meines miebergenefenden Toͤchter⸗ 
eins fol ich Sie Bitten: Ihre Reife gu ung 
„o möglich bis gegen die Mitte Mays zu vers 
chieben. Bis dahin verfprechen Mutter und 
sochter wieder gefund gu feyn und zu huͤpfen 
vie Schmerlen in einem Elaren Büchlein. W. 


255 
u, daß ich erhalte, warum ich den Herrn 
nn Rochow bitte: eine unpartbeyifche 
achricht, wie man das Philanthropin bes 
ınden hat; obne Superlativog, well diefe 
r guten Sache Immer mebe Schaden ale 
ortheil bringen, ut nosti. 
Ade, ich muß aufhören. Habe einen Gars 
n gekauft, der mir großen Spaß macht, aber 
ıch einen guten Theil meiner Exiſtenz megs 
elt, bis ich ihn einigermaßen fo umgeflaltet 
be, daB man gerne darin feyn kann. Wols 
uns mehr als einmahl wohl darin feyn 
fien, wiewohl er gegen euer Fleines Sands 
uci nur ein Maulmurfshäufchen if. Lebet 
ohl, ihr Lieben! 


CCLXV. 
An Lavater. 


Weimar, den 22. Jung 1776. 


Liebfter Lavater, dag Wort verzeihen ges 
re unter Die, wobey Ich gar nichts denfen 
nn. Ich verlange Feine Verzeihung. Was 
das ift, und was gefchehen ift, iſt gefches 
n; da fann die Allmacht ſelbſt nichts daran 
dern, ** Dat mir dur die gar zu 





257 


ich wenigſtens auf einer Seite wieder ges 
ne, was Ich auf der andern verliere. 

nfern Goͤthe habe ich ſeit acht Tagen nicht 
n Eönnen. Er iſt nun geheimer Legations⸗ 
), und fibe im Minifterio unfers Herzogs — 
SavoritsMinifter, Factotum und Yrägt die 
nden der Welt. Er wird viel Gutes fchafs 
‚ viel Böfes hindern, und da8 muß — 
ınd möglich iſt — uns dafür troͤſten, daß 
ils Dichter wenigſtens auf -viele Jahre für 
Welt verloren ift. Denn Göthe thut nichts 
3. Da er nun einmahl in diefe neue Laufs 
n getreten ift, fo wird er nicht ruben, bis 
am Ziel iſt; wird als Mintfter fo groß 
ı, wie er als Autor war; 

en; if durch Superlativos verdorben 
den, wenigſtens haben fie ihn nichts ges. 
st. Es war in meiner Jugend mein Cafus 
9. Seit er bier iſt, iſt er unendlich gedes 
thigt werden. Er iſt ein gutet Junge, die 
ilfte von einem Dichter, und bat wenig 
lage jemahls etwas ganz zu feyn. 
jn Ihrem zweyten Theile der phyf. Frags 
nee iſt viel Goͤttliches und viel Menſch⸗ 
bes. Fuͤrs erfte if Gott zu danken. 
ı8 andre fans und fol nicht anders ſeyn⸗ 


Wielands Briefe III. R. 17 


249 


enheit, die er nicht Haben kann, fehlt 
ym nichts. Wenn nicht viel Gutes hier durch 
yn gefchieht, und viel weniger Böfes als fonft 
efchehen ware; fo wird die Sau gewiß nicht 
n Ihm liegen. Ä 


CCLX1I. 
An Gleim | 
Meimar,.den 22. Februar 1776. 


Du bifl ein Mann Gottes, Teber Bruder 
Slein, denn es gehört göttliche Langmuth 
azu, mein langes, hartnädigeg, verſtocktes 
Stiffchweigen zu tragen, wie du thufl, und 
nich Doch lieb zu behalten, wie du thufl! — 
Dafür aber, lieber, befter Gleim, fend Ihr 
nuch der einzige Mann In der Welt, der Güte 
ınd Liebe genug In fi) hat, um fo was zu 
önnen. Bey allem dem lieben wir Euch herss 
nniglich; aber Goͤthe nimme.mir alle Zeit zum 
Brieffchreiben weg; und dann iſt's am Ende 
o ein armfeliges Ding um einen Brief an 
'inen Freund wie Gleim! Was: find: die fchöns 
ten Worte gegen das, was die Seele fühlt, 
denkt, firebt und thut? — Indeſſen bleibe es 
Dod wahr, daß wenn man fo viel Berg und 


251 


we auch der feinige merden fol, muß und 
vird, die Stelle eines Vice⸗-Vaters oder geifts 
ichen Vaters, den Rechten des natürlichen, 
feifchlichen, oder wie ihr andern Moraliften 
8 fonft nennen wollt, unbefchadet, bey dem 
wmen fleinen Schelm vertreten; eg fey nun 
bas e8 tolle. Liebenswurdig wird es immer 
eyn, wenn feine Patben es auch nur mit dem 
ehnten Theil dee Seelengauberen begaben wers 
en, die in ihnen fo reichlich wohnet. 

Bon Goͤthe fchreib’ ich ihnen nichts, lieb⸗ 
tere Gleim. Komm und fiehe! Genug, daß 
ch nichts Beſſeres, Edleres, Herzlichereg, 
:ieberes und Größeres In der Menfchheit Eenne - 
18 ihn — fo wild und fiebenfeltfam der holde 
Inhold auch zuweilen if, oder ſcheint. — 

Ade! Gott mit Euch und Uns, Ihr Lieben. 
Sanz euer W. 





0. CCLXH. 
Un Ebendenfelden 
Weimar, ben 22. März 1776. 
Liebſter Gleim, laffen Sie ſich's nicht leid 
eyn, daß das fleine Maͤrzen⸗Kindchen, wo⸗ 
nit uns meine Frau geftern um ſechs Uhr 


252 
Morgens befchenft bat — nur ein Mäh 
iſt. CDieß nur, liebe Gleminde, kommten 
auf meine Rechnung; es ift bloß nad 
meiner menfchlicher Weife geſprochen; denn 
meines Drts bin von der Fuͤrtrefflichkeit Il 
Geſchlechts völlig und innigft überzeugt. 2 
ift, das iſt, und was ift, iſt recht. Mi 
vier Mädchen machen mich glücklich, find 
Sreude meines Lebens, und ich gäbe fie ni 
für die vier beften Buben in der Chriſtenh 
Warum folte ich von der fünften nicht a 
das Beſte hoffen? — Der Engel, Ihre Mut 
befindee fir) fo twohl, als es die Natur! 
Sache nur Immer geſtattet. — Wir haben u 
befter Freund und Bruder, des Rechts bed 
das Sie ung vor einem jahre gegeben ba 
und Gie, wiewohl abmwefend, aber ung 
Geiſte gegenwärtig, zum Pathen des ho 
Fleinen Geſchoͤpfs ernannt, In Hoffnung, 
es Ihnen angenehm feyn würde, dieſe 
liche Paternitat mit unferm Goͤthe zu the 
der Sie liebt und ehre, und fih eine Fr 
Daraus macht, Sie bald perfünlich bey 
fennen zu lernen. Die Eleine Neuange 
mene heiße Charlotte Wilhelmine 
Ihr wißt doch, licher Bruder, daß Herder 


253 


al ; Superintendent zu und fommt 
doch, mag C. A. aus Welmar macht! 
sachen wird! 


CCLXIII. 
An Ebendenfelben. 


Meimar, den 16. Aprill 1776. 


ıfend Umarmungen, mein befler Bruder, 
hre lieben Briefchen, und für dag artige 
hen und für alles Gute, was Sie Ihrer 
ı Wilhelmine (die wir zwar, beliebter 
wegen, Lottchen nennen) im Geifte 
gen. — Im Namen unferer lieben Wöchs 
und meines toiedergenefenden Toͤchter⸗ 
fol ih Sie bitten: Ihre Reife gu uns 
öglich bis gegen die Mitte Mays zu vers 
en. DBIS dahin verfprechen Mutter und 
er wieder gefund gu feyn und gu hüpfen 
Schmerlen in einem klaren Bachlein. W. 


253 


eneral ; Superintendent zu und kommt? 
enft Doch, was C. A. aus Weimar macht! 
nd machen mird ! 


CCLXIII. 
An Ebendenfelben. 


Meimar, den 16. April 1776. 


Tauſend Umarmungen, mein befter Bruder, 
ie Ihre lieben Briefchen, und für dag artige 
haͤubchen und für alles Gute, was Sie Ihrer 
einen Wilhelmine Cdle wir war, bellebter 
ürze wegen, Losttchen nennen) Im Geifte 
eiffagen. — Im Rahmen unferer lieben Wochs 
erin und meines miebergenefenden Toͤchter⸗ 
ins fol ich Sie bitten: Ihre Reife gu uns 
yo möglich bis gegen die Mitte Mays zu vers 
hieben. Bis dahin verfprechen Mutter und 
‚ochter twieder gefund zu ſeyn und zu hüpfen 
ie Schmerlen in einem Klaren Büchlein. W. 


255 

su, daß ich erhalte, warum ich den Herrn 
ein Rochow bitte: eine unpartbeyifche 
achricht, wie man das Philanthropin bes 
ınden bat; ohne Superlativos, well diefe 
r guten Sade Immer mebr Schaden ale 
ortheil bringen, ut nosti. 
Ade, ich muß aufhören. Habe einen Gars 
n gekauft, der mir großen Spaß macht, aber 
ıch einen guten Theil meiner Exiſtenz weg⸗ 
elt, bis ich ihn einigermaßen fo umgeflaltet 
be, daB man gerne darin fenn kann. Wols 
rn uns mehr als einmahl wohl darin ſeyn 
fien, wiewohl er gegen euer kleines Sans⸗ 
uci nur ein Maulwurfshäufchen iſt. Lebet 
obl, ihr Lieben! 


CCLXV. 
An gavater 


Weimar, den 22. Junp 1776. 


Liebfter Lavater, das Wort verzeihen ges 
re unter die, wobey ich gar nichts denfen 
nn. Ich verlange Feine Verzeihung. Was 
das ift, und was gefchehen ift, iſt gefches 
n; da fann die Allmacht ſelbſt nichts Daran 
dern. ** bat mir Durch Die gar zu 


357 

ich wenigſtens auf einer Seite wieder ges 
ne, was ich auf der andern verliere. 

nfern Göthe habe ich feit acht Tagen nicht 
n fönnen. Er iſt nun geheimer Legations—⸗ 
', und fie im Minifterio unferd Herzogs — 
Favorit⸗Miniſter, Factotum und kraͤgt die 
nden der Welt. Er wird viel Gutes fchafs 
‚ viel Böfes Kindern, und das muß — 
ins möglich iſt — uns dafür tröflen, daß 
ils Dichter wenigſtens auf -viele Jahre für 
Welt verloren ift. Denn Goͤthe thut nichts 
3. Da er nun einmahl in diefe neue Laufs 
n getreten ift, fo wird er nicht ruhen, bis 
am Ziel iſt; wird als Mintfter fo groß 
ı, wie er ald Autor war; 

en; If durch Superlativos verdorben 
den, wenigſtens haben fie ihn nichts ges. 
zt. Es war in meiner Jugend mein Caſus 
h. . Seit er bier iſt, iſt er unendlich gedes 
thigt worden. Er ift ein gutet Junge, bie 
Ifte von einem Dichter, und bat wenig 
lage jemahls etwas ganz zu ſeyn. 
in Ihrem zweyten Theile der phyf. Frag⸗ 
nee iſt viel Goͤttliches und viel Menfihs‘ 
bes. Fürs erfte if Gott zu danken. 
8 andre kann und fol nicht anders ſeyn⸗ 
Wielands Briefe III. V. 17 


| 259. 
für andere, und risquiren gerade dadurch, zu 
wenig zu leben. Was für ein herrlicher Mann 
müßten Sie feyn, wenn Gie funfzig Jahre - 
gelebt hätten, und feine Favorits Hypotheſe ſo 
gebeirathet, daß Feine Ehefcheidung mehr ı 
ſchicklich noch thunlich if! 

Ihr unverfälfchter Freund W. 


NR. Damit wir uns nicht mißverſtehen: 
Nach melner Ueberzeugung ift das Hier übers 
al — im Ffleinften Infekt wie im Menfchen 
oder Engel, Alfo lauter Superlativi oder gar 
feine! Hoheit der Menſchheit! — Hoheit 
der Wurmheit — Mir iſt's eind. Das Götts 
liche im Menfchen, dag Göttlihe im Wurm — 
ift gleich goͤttlich. Die Menfchheit ohne 
Daffelbe, die Wurmbelt ohne daffelbe — if 
höchfleng ein Ieeres Gefaͤß, mo bey einem bie 
Form fchöner iſt ald beym andern, 


CCLXVI. 
Un Gleim. 
Meimat , September 1776 


Wenn ich hatte voraus ſehen koͤnnen, beſter 
Steim, daß ich durch meine Herzlich mohlges 


260 


meinte Bitte, Ihre Reife gu uns bis zur Bü 
derfunft des Herzogs von feinem geliebten % 
menau aufzufchieben , mich Der Freude, unfern 
Gleim diefes Jahr bey uns zu feben, gäny 
lich berauben würde. — Ih muß niche uld 
Freunde unter den Amfcharpands und Jjed⸗ 
unfers Erzprieſters Herders haben, daß mih 
auch nicht einer gewarnt, und den Nebel, de 
gewöhnlich fehr dick zwiſchen meinem Geiſtes 
auge und der Zufunft liegt, ein menig vw 
Dünnert bat! Was hilft mir nun, Daß ich is 
Kopfe Frage und über mich felbft böfe bin? - 
Und gleichwohl harte der Herzog diefen Som 
mer fo viel Verlangen bezeugt, Sie bey Ihruſ 
Hicherkunft fennen gu lernen, und auch Söll 
hatte fich fo darauf gefreut. — Ale Diefe Ten 
flelungen mirften auf mich, und fo fchrk 
ih Ihnen, Sie mochten fpäter fommen, mM 
das Schickſal (mie das fo ziemlich oft ſein 
Are ift) beſtraft mich dafür, daß ich nıdk 
Steunde mehr als mich ſelbſt geliche! — 
ift zum raſend werden, und am Ende If 
welter nichts zu thun ale ſich zu erg 
Mein gutes Weibchen dauert mid) am mel 
dabey. Gie hatte fih fo herzlich auf I 
minde, ihre einzige Freundin gefreut! 






















⏑⏑ * Tr Cr "er .. ⏑— ———— 


361 


Reſen Herbſt noch zu Ihnen zu kommen, 
In Befter, iſt eine pure Unmöglichkeit. Mein 
teurialifches Fabrikweſen, das jetzt, ſeit 
rtuch's Abgang, auf mir allein liegt, ers 
dert meine immermwährende Gegenwart und 
ffihrt. Ich kann nicht vier Tage abweſend 
n, ohne daß gleich alles ſtockt und file 
14 

Ihre Zukunft hätte mich unter andern auch) 
on darum gefreut, well mein Gleim dann 
t eignen unmittelbaren Augen hatte fehen 
nen, wie es zwiſchen mir und Göche ficht. 
te, mein Liebfier, haben noch einen PIE 
sen diefen edlen herrlichen jungen Mann,. 
s ich fchon lange wie meinen Augapfel liebe. 
e brauchten ihn aber nur etliche Tage in 
: Nabe zu fehn, fo würde er ihnen faſt fo 
b werden, als mir. In biefen zehn Mos 
ten, die ich nun mit ihm gelebt habe, iſt — 
ı einziges Mißverfiändniß aufgenommen, 
8 aber nicht länger als eine Stunde 
uerte — (und auch dieß begegnete fchon vor 
hr als ſechs Monaten) Fein Augenblick 
wefen, wo Goͤthe und ich niche In ber reins 
a Harmonie zufammen exiſtirt hätten. Sein 
ngeficht zu fehen, if für mich eine Art non 





263 
d täglich fchöner,. IE rund wie der Voll⸗ 


nd, bat Grübchen im. Baden und ſchone 
ue Augen. 


CCLXVII. 
An Ebendenſelben. 
Weimar, den 4. October 1776. 


Beſtes Bruderherz! Der Mann Gottes, mit 
ıem lieben Engel an der Seite, ift Dienflag 
ende glüdlid bey und angelommen. — 
y'm erſten Anbli flog ihm meine Geele 
gegen. Wir blieben gleich imo Stunden 
fammen, und die Sreude über Herder 
ıfeyn vergoldete mir den ganzen Tag. Aled 
ißte trugen, wenn tole nicht in brüderlicher 
atracht fein und lieblich beyſammen wohnen 
Iten. — So menig die Welt dag faflen oder 
uben kann. — 

Kommt doch nun, wenn's irgend moͤglich 
I Seht nur wie ſchoͤn Himmel und Erde 
ch iſt! Wie milde no die Luft! — Kommt,’ 
3er Bruder Gleim, liebe Schweſter Gleminde, 
fe ung unfer Glaͤck genießen, beift es befe⸗ 
jen! Und ſeht mit: euern eigenen Augen, 
B Weimar, das von böfen Buben und Tho⸗ 


264 | 


ren fo verläfterte Weimar, bie. wahre Ark 
No: ifi, wohin fi) die wenigen Guten ad 
einer verdorbenen Welt vor der herannahendu 
Suͤndfluth retten können. 

Taufend Dank, lieber Bruder Gleim, ik 
des rotben Buchs dritten Theil, und fürdi| Y 
Sinngedihte. Ich Habe meinen Geil m] % 
Herz am erfien, und meinen Witz an den au| ı 
dern gelabt. — Wiewohl auch unter ben Sim | ) 
gedichten verfchledene Ambroſia für Geiſt und, fi 
Ders find. An beyden freut mid) auch befiw | 1 
ders die wunderbare Reinheit des Aut] h 
drucks. Die meiften dee Sinngedichte hattt | ı 
ich ſchon gelefen; aber fie waren mir wie! e 
ganz neu geworden, fo frifch und blühend fu | 
ben fie aus. | 

Dein Enthuſiasmus für das Philanthre| i 
pinum, liebſter Bruder, = wollte Sort! wie 
Eönnten einen unten davon in alle Große | ı 
und Reichen unfeer Ealtblütigen Nation baw |! 
chen! — Ich fürchte aber, wir werden's nidt| 
vermögen! Baſedow muß Zeichen und Wanı 
der thun, und dann iſt's doch noch die Frau 
ob fie glauben werden. 


265 . 
CCLXVIIL. 
An 3. 8 Jakobi. 
Weimar, den 25. October 1776. 


Da, lieber. Bruder Georg, ift meine der 
tigen entgegenflommende Hand — und da 
e uns nun wieder gefunden haben, fo fcheide 
8 weder Gegenmärtiges. noch Künftigeg, 
bes noch Tiefes wieder. Vom Vergangenen 
rde nur der Augenblicke gedacht, an die 
8 unfer Herz erinnert. Wir freuen uns 
zlich auf Ihre fo nahe. Zukunft! Ste kom⸗ 
n zu einer Familie, in ber Sie gar Bald 
; geliebtes Mitglied feyn werden. Die freunds 
fe, brüderlichiie Aufnahme, das iſt Alles 
is ich Ihnen voraus verfprechen werde; das 
rige — Komm und Siehe! | 
Huch daß ich Sie wieder zum Mitarbeiter 
s Merkur haben werde, freut mich herzlich. 

18 der Bereinigung der Guten, lieber Seorg, 
aß lauter Gutes entſpringen. 

Herdern hat und Gott in feiner Freund⸗ 
hkeit gegeben. Ich fage Ahnen nichts: mehr 
bon, weil Sie bald... gegenwärtig, ſehen, 
sen, fühlen, ſich mit ung freuen, mit ung. 
sachlich feyn werden. 





269 


nn, und mir, der in bdiefen lieben Geſchoͤ⸗ 
en allen und in feinen Freunden fo glücklich 
» Hemacht haben. Sch fage — Freunden — 
ver 100 iſt auch noch fo ein Freund, wie meln 
leim? noch fo ein Herz, wie feines? Neh⸗ 
en Sie alfo unfere Sreude über Ihre Liebe 
ı und und unfere berzlichfie Gegenllebe als 
en einzigen Dank, die. einzige Erflattung an, 
le wie Ihnen geben koͤnnen. Lange, lange 
dnne ung und allen guten Menfchen der Hims 
el noch, den edlen guten und in feiner Art 
» ganz eignen Mann! Sa, lieber Sleim, 
sie follen noch die Enkel Ihres Wielande 
uf Foren Armen büpfen laſſen, oder ich mag 
[hf nichts davon erleben. 

Georgens (Jakobis) Umflände geben mie 
de zu Herzen. Der. arme Schelm ift alfo im 
igentlichen Wortverſtand in Liebe gefallen, 
ie man In einen Brunnen fällt. Da bilfe 
replich fein Moralifiren! Indeſſen wenn Fein 
nder Mittel if, ihn ad sanam mentem ju 
ringen, und zu machen, daß man ihn doch 
rieder zu was gebrauchen kann, fo laffen Sie 
‚n in Gottes Rahmen weiben. Der Merkur 
raͤgt ibm doch von nun an, ſo lang es dauert, 
aͤhrlich vier hundert Thaler ein — und dieß 





7 
t melchem Theil feines Leibes es ſonſt ſeyn 
239, durch die Welt durchzuarbeiten ꝛc. 20. — 
h bitte und: befchwöre Sie alfo: verſtaͤndi⸗ 
a Sie den Herrn Urian, daß er fi) auf mich 
nz und gar feine Nechnung zu machen babe, 
D daß eine Reife zu mir ihm gar nichts 
fen, mir aber, in meiner jegigen Lage las 
3 und fatal feyn wurde, Machen Sie ihm 
zreiflich, daß Amerifa ein herrliches Feld zu 
en Abenteuern If, und dag der Weg das 
ı auch ihm offen liegt, da er fich die Ruͤck—⸗ 
e In das väterlihe Haus ein für allemahl 
bſt gefperrt bat., Denn im Comptoir kann 
in ihn dort nicht gebrauchen — und daß man 
en Kerl von zwey und dreißig Jahren, der 
ne gefunden Glieder hat, mie einen Kapaus 
n füttern fol, daß ſteht doch in feinem Bus 
» gefchrieben. | 
Ade, Ihr Geift und Herzensbruder Wieland. 


CcCILXII. 
An J. © Jakobi. 
Weimar, den 14. Februar 1777. 
Mit offnen Armen erwarten wir dein, lie⸗ 
3 Brüderchen! Du kommſt in ein Haus von | 
Wielande Briefe III. ©. 18 


273 


feiner Kinder, wo Du Sitten antreffen whl Gl 
vie fie zu unfrer Urgroßmätter Zeiten up] lin 
faͤhr Mode waren; befto beffer. An Pak mı 
und Dinte fol Dir's niche fehlen. Will ©: 
auch gute Federn fehneiden laflen. 

Kann Dir eine Empfehlung von unft 
Herzogin Mutter was helfen, fo forid. 
und fag nur, an wen fie Deinethalben (re 
ben fol. Sie ift in folchen Fällen bie Sir 
ſelbſt. Ade, Bruderberz. 


— — 





CCLXXIII. 
An Gleim. u 


= 
Weimar, den 2g. Februar 1777 


Liebſter Herzensbruder, Sie und Georg u 
Fobi haben ung erfchredit, da Ste ung nur of 
eine Möglichkeit fehen ließen, daB unfer Gleim 
mit Jakobi ohne die liebe Sleminde zu 
uns fommen fünnte. Sch befchwöre Sie, thun 
Sie das ja nicht, wenn Sie meiner armı 
Frau nicht alle Freude auf den ganzen Som 
mer verderben wollen. Sagen Sie Georgen, 
er werd’ uns allein jeher willkommen fegn; 
und Sie, mein Befter, kommen mit unfer 


"275 
minde im May, unb genießen des Fruͤh⸗ 
8 bey ung, und bleiben bis Ihnen eines 
ner Mädchen die erfien Roſen aus unfern 
ten bringt. 


CCLXXIV. 
An %. G. Jakobi. 


Weimar, den 24. Meti. 1777- 


erzensbruder! gleich nach Deiner Entfers 
g von Weimar ging ich nad) Gotha, und 
e da die ganze verwichene Woche ſo gang. 
enehm bingebracht. Ich war aber dort fo 
ig mein eigen, daß ih Dir unmoͤglich 
eiben konnte. Du bift mir alfo zuvorge⸗ 
men und dag hatte von Rechts wegen nicht 
yeben follen, — denn ich hatte Dir gar 
erne gleich in den erfien Tagen fagen mös 
‚, wie ung zu Muthe war, ba fein Jas 
i mehr im Haufe zu finden war — mie 
guten Kinder dich allenthalben fuchten — 
unfer aller Hergen dich vermißten, — 
innig wirs fühlten, und wie oft wirg 
nder fagten, daß wir dich mit jedem Mors 
und Abend lieber gewonnen. — Heute 
je mir dein Sieber Brief an, der fo ganz 


⸗ 


276 
Abdruck deiner fchönen und guten Sedet: 


Er bat ung alle gluͤcklich gemacht, und w| | 


danfen dir alle dafür aus vollem Herzen. U 
freut ung Inniglih, daß wir dir fo lieb mei 
den find; daß du uns mit fo guten, m 
mwollenden, fehlerbededenden Augen gefeht 
und mit fo vieler Güte den Willen fürs Wei 
angenommen haſt. Künftig, Lieber Bruden 
wirſt du dic), hoffen wir, fo einrichten, di’ 
du uns alle Jahre etliche Wochen fchenfu 
fannft. Dein leiblicher Bruder iſt nicht meh 
dein Bruder als ich es bin und bleiben werd 
dum spiritus hos regit arlus. 

Deine dee, deine Reife nah Welma 
zu fchreiben, gefalt mir ſehr, und ich feh 
gar nicht warum du fie nicht ausführen ſol 
tell. Wenn du mas von Triftan faga 
willſt, fo fprih davon als einem Gebdidt, 
worin dag Edeljie und Intereſſanteſte aug dm 


i 
\ 


Sefchichten der Tafelrunde In die traurig gärd| 


liche Liebesgefchichte von Triſtan und Die, 
verwebt feyn wird. 

Lieber Bruder, ich werde alle Yugensiit 
unterbrochen, und fann nicht fortſchreiben 


Der Herzog iſt bey mir — eben koͤmmt auf | 


oͤthe, fie werden den Abend Da bleiben. 


277 
Ich werde eine. Stelle deines Briefe -abs 
reiben, und der Herzogin Mutter durch 
yusnelden geben laffen. "Sie ‘wird große 
eude dran haben. | u 
Goͤthe, dem ich deinen Brief Iefen laffen, 
ußt Did. Er iſt dee Meinung, bu folft 
e Reiſe nach Weimar nicht fihreiben. Er, 
int, es ſchicke fich für und am beflen, in - 
ıferm heiligen Dunfel gu bleiben — 8 würd 
ve dienen, viele boßhafte, hämifche Seelen 
er und dort aufzuwiegeln. 
Thu' nun was Dir Dein guter Genius ein⸗ 
bt, und liebe deinen guten Bruder. 


CCLXXV. 
An Glhleim. 
Weimar, den 30. May 1777. 

Zaufendfachen Dank, liebſter Freund und 
euder, für die herzliche Freude, die Gie 
rem Wieland und feinem - ganzen Haufe 
ech die Fröhliche Bothſchaft von Ihrer bals 
gen Erfcheinung bey und gemiacht haben. 

Herder bat feit drey Wochen böfe Zeit ges 
ibt. Er war an einer böfen ſchwarzen Gelbs 
cht krank. Er iſt aber nun wieder in tan- 


267 


macht, wenn fie fich erft ein paar Stunden 
'eßt hat, auf ein Stückhen Papier — dag 
Ace. 


CCLXIX. 
An Sletim 


Weimar, den 10. December. 1776. 


Empfangen Sie, meln theurer Herzgensbrus 
e Gleim, den beflen Danf ihres Mies 
ads für die ertheilte Nachricht von * * * 
Innen Sie, felbft oder durch Ihre Freun⸗ 
‚durch Empfehlung an Behörde, etwas für 
n jungen Mann thun, ſo ermeifen Sie 
mir. I 
Ich und alles, was bier zu meinem Ich ges 
rt, glauben fo fe als an ein prophetiſches 
ort an die Verheißung unferd Gleims, daß 
ung mit feiner lieben Gleminde auf den 
:ahling befuchen, und unter den Blüthen 
einer Baume fi) mit und des Lebens 
d unferer Freundſchaft freuen werde! 
Herder und Herderin gruͤſſen und fegnen 
ich, ihr Lieben. Ste:gewohrten je länger je 
fer an, und Herder ‚gewinnt, wie billig, - 


268 


alle Herzen der Broßen und des Volkls, % 
viel als davon noch ein Endchen Her ik 
haben. Wir unter einander leben einträdhtig 
lich und tragen einer bed andern Lafl. Leni 
iſt weg und geht. vermutblich wieder ud 

Straßburg. 

‚Sind Sie nicht auch einer von benm 
welche Freude an Bürgers deutfchem Hom 
haben? Fa, ganz gewiß find Steg! Klo 
ſtock, ſagt man, hat Grafen Leopold Ste 
berg zu einer Gegen sUeberfegung in Heram 
tern aufgemuntert. Ich denfe aber, bie fı 
ung unferm Bürger und feinen Jamben nlı 
untreu machen. 

Sinmer und ewig Ihr getreuer Bruder. 


- CCLXX. 
An Ebendenfelben. 


Weimar, den 8. Januar 17 


Der Hlmmel lohnt guten Menfchen ihre ©: 
berzigfeit durch die Freude, die cr ihnen 
andern fchenft. Diefe fey dann auch Ihr Lo 
mein beſter Herzensbruder, für die gr 
Freude, die Sie meinen Kindern, ihren M 


269 


an, und mir, dee in dieſen lieben Gefchds 
en allen und In feinen Freunden fo glücklich 
» Hemacht haben. Sich fage — Freunden — 
‚er wo iſt auch noch fo ein Freund, wie mein 
leim? noch fo ein Herz, wie feines? Nehs 
en Sie alfo unfere Freude über Ihre Liebe 
. un® und unfere herzlichſte Segenliebe als 
n einzigen Dank, die. einzige Erflattung an, 
e wir Ihnen geben können. Lange, lange 
inne und und allen guten Denfchen der Him⸗ 
el noch, den edlen guten und In feiner Art 

ganz eignen Mann! Sa, lieber Gleim, 
te ſollen noch die Enkel Ihres Wielands 
ıf Ihren Armen buͤpfen laſſen, oder ich mag 
lbſt nichts davon erleben. j 
Georgend (Jakobis) Umflände gehen mie 
he zu Herzen. Der. arme Schelm if alfo im 
gentlichen Wortverftand in Liebe gef allen, 
ie man in einen Brunnen faͤllt. Da bilfe 
eylich fein Moralificent Indeffen wenn fein 
nder Mittel ii, ihn ad sanam mentem ju 
ringen, und zu machen, daß man ihn doch 
ieder zu was gebrauchen kann, fo laffen Sie 
m in Gottes Rahmen meiben. Der Merkur 
aͤgt ihm doch von nun an, ſo lang es dauert, 
uͤhrlich vier hundert Thaler ein — und dieß 


2709 


zu feiner Praͤbende reiht doch wenigſteni 
den erſten Fahren fuͤr's anfländtge Ne 
wendige. Für die Zukunft wird unje 
ber Herr Gott forgen. Es würde bald 
felne Chen mehr geben, wenn mir. in DI 
unjern beillofen Tagen fo weit hinaus de 
wollten. Nur muß Here George, wen 
bausliches Gluͤck koſten will, auf bie file 
Freudchen der Eitelkeit, und auf's ewige X: 
und Herumftreichen Verzicht thun, und 

deffen den Hausvaterfinn anziehen ıc. 9 
finn und Hausvaterfinn fünnen nicht bey 
men ſtehen. — Verliebt feyn mag er, 

ganz unnug für Gott und Menfchen muß 
die Liebe Doch nicht machen. 

Herder und Herderin, das bBerrliche | 
Menfchen, danken meinem Gleim für fein 
bes Andenken an fie. Es gehe Ahnen 
"ganz gut — fo gut als es bier möglich i 
Was dieß heißt, werdet Ihr im May | 
feben. 

Ade, liebe Seelen. — Alled was in mc 
Haufe Arme hat, ſtreckt fie nach Euch au 
Lebe wohl, KHerzensbruder. Dein W. 


| 271 
CCLXXIL 
An Ebendenfelben 


Weimar, den 17. Sennet 1777. 


Mein theuree Herzensbruber — Herr * * * 
E felbft zu ‚Ihnen gekommen, bat Gie 
berzeugt, daß er zu Ballenſtaͤdt fchleche 
rdings nicht langer exiſtiren koͤnne, er 
ill auf Oſtern dort abgeben, und zu mir 
Immen, und auf's Ungewiffe. unter meis 


n Flügeln Pag nehmen, und bilder ſich 


n, der Thor, ich werde ihn zur Erpedis 
on des Merkurs brauchen können, und Gott 
eiß, was für folche Eraume mehr — Liebfter 
zruder, Sie kennen mein Herz: aber Gie 
mnen auch meine Lage und meine Nerhälts 
ife. Herr * * * iſt, (wie alle Leute, 
ie einmahl aus ihrem wahren Verhaͤltniß 
nd Ihrer beſtimmten Laufbahn herausgetreten 
nd) ein unglüclicher, verfchobener Menfch, 
berall zu furz und zu lang, und mit vielen 
atürlichen Faͤhigkeiten und dem beften Willen, 
leichwohl zu nichts brauchbar; alſo — da ex 
ein Vermögen bat wovon er leben fönnte, 
in bebauernswüurdiger armer Teufel; aber ich 
ann ihm nicht Helfen. Außerdem baf 


L. 


273 


es mir unmöglich wäre, nur acht Tage | 
ihm in Einem Haufe zu erifliren, und | 
fein Aufenthalt bey mir alle haͤusliche Gluͤckſe 
feit zerftören würde — weiß Ich auch gar ı 
wozu ich ihn gebrauchen könnte. Denn 
dem Merkur habe ich ja fhon vor Jahr 
Tag bekanntermaßen eine neue Einricht 
getroffen, die mich der Unfoften eines € 
ditionsſecretaire gaͤnzlich entuͤbrigt. 

Sch bin jetzt fo gluͤcklich im Meittelpi 
meiner Familie bey Weib, Mutter, Kini 
und wackern Domeftiquen. E8 brauchte 
fo einen Saufewind, um Alle unfere 9 
und Freude an einander zu zerrütten. Ai 
dem dächte ic), en bonne morale wäre j 
Menfch verbunden, in feinem zwey und t 
Bigften Jahre auf feine eigene Fauſt zu e 
ren, Er wurde zum Kaufmann deſtinirt 
erzogen, dag war feine carriere: er hätte 
den Fähigkeiten, die er bat, fein Slüd t 
machen fünnen. Aber er hatte Feine Luft 
Arbeiten, war ein Springinsfeld und w 
auf Abenteuer ziehen. Wer Luft zum 2 
teuerleben hat, muß auch Muth dazu ha 
und Stoff und Kraft in ſich fuͤhlen, 
allein mit ſeinem eignen Kopf oder Arm, 


273 
mit welchem Theil feines Leibes ed ſonſt ſeyn 
mag, Durch die Welt durchzuarbeiten ꝛc. 21. — 
ch bitte und. befchwöre Sie alfo: verfländis 
gen Sie den Herrn Urian, daß er ſich auf mich 
zanz und gar Feine Rechnung zu machen habe, 
nd DaB eine Reife zu mir ihm gar nichts 
jelfen, mir aber, in meiner jegigen Lage las 
tig und fatal feyn wurde. Machen Sie ihm 
jegreiflich, daß Amerika ein herrliches Seld zu 
Men Abenteuern if, und daß der Weg das 
Jin auch ihm offen liegt, da er fich die Ruͤck⸗ 
ehr in dag väterliche Haus ein für allemahl 
ſelbſt geſperrt hat. Denn im Comptoir kann 
nan ihn Dort nicht gebrauchen — und daß man 
inen Kerl von zwey und dreißig Jahren, dee 
eine gefunden Glieder hat, mie einen Eapaus 
sen füttern fol, dag fteht doch in feinem Bus 
he gefchrieben. | 

Ade, Ihr Geiſt und Nerzensbruder Wieland. 


- CCLXXII. 
An %. © Jakobi. 
Weimar, den 14. Februar 1777. 


Mit offnen Armen erwarten wir dein, lies 
08 Yrüderchen! Du kommſt in ein Haus voll 
Mielands Sriefe III. ©. | 18 


273 

fleiner Kinder, wo Du Sitten antreffen nn 
wie fie zu unſrer Urgroßmüätter Zeiten um 
fähr Mode waren; deſto beffer. An Yan 
und Dinte fol Dir's nicht fehlen. Wil? 
auch gute Federn ſchneiden laſſen. 

Kann Dir eine Empfehlung von unl 
Herzogin Mutter was helfen, fo fprii 
und fag nur, an wen fie Deinethalben fdr 
ben fol. Sie ift in ſolchen Faͤllen bie 8 
ſelbſt. Ade, Bruderberz. 


CCLXXIII. 
An Gleim. 


Weimar, den 2g. Zebruat 77 


Kiebfter Hergensbruder, Sie und Georg ‘ 
fobi haben ung erfchredt, da Site ung nur: 
eine Möglichkeit fehen ließen, daB unfer Sl 
mit Jakobi ohne die liebe Gleminde 
ung fommen könnte, Sch befchwöre Sie, ti 
Sie das ja nicht, wenn Sie meiner ar 
Frau nicht alle Freude auf den ganzen St 
mer verderben wollen. Sagen Sie Georg 
er werd’ uns allein ſehr willkommen fa 
und Sie, mein Beſter, kommen mit unf 


"275 
minde im May, und genießen des Fruͤh⸗ 
38 bey ung, und bleiben bis Ihnen eines 
Iner Mädchen die erften Rofen aus unferm 
rten bringt. 


CCLXXIV. 
A n J. G. J a ko b i. 


Weimar, den 24. Merz. 1777. 


derzensbruder! gleich nach Deiner Entfers 
ig von Weimar ging ich nad) Gotha, und 
e da die ganze verwichene Woche fo gang 
venehm bingebracht. Ich war aber dort fo 
tig mein eigen, daß ich Dir unmöglich _ 
eiben konnte. Du bift mır alfo zuvorge⸗ 
ımen und dag hatte von Rechts wegen nicht 
heben ſollen, — denn ich hatte Dir gar 
gerne gleich in den erfien Tagen fagen mös 
, wie ung zu Muthe war, da kein Tas 
»t mehr im Haufe zu finden war — mie 
guten Kinder dich allenthalben fuchten — 

unfer aller Herzen dich vermißten, — 
: innig wird fühlten, und wie oft wirs 
ınder fagten, daß wir dich mit jedem Mor⸗ 

und Abend lieber gewonnen. — Heute 
gt mir dein Jieber Brief an, der fo ganz 


⸗ 


276 | 


Abdruc deiner fchönen und guten Sal‘ 
Er bat ung alle gluͤcklich gemacht, und wi It 
danfen dir alle dafür ang vollem Herzm. | T 
freut ung Inniglich, daß wir dir fo lieb wel V 
den find; daß du uns mit fo guten, me 
wollenden, fehlerbedeckenden Augen gefeul 9 
und mit fo vieler Güte den Willen fürd Weil t 
angenommen haft, Künftig, lieber Bude] ı 
wirſt du dich, hoffen mir, fo einrichten, di | 
du und ale fahre etliche Wochen fchenfs, | 
fannft. Dein leiblichee Bruder iſt nicht me] | 
Dein Bruder als ich es bin und bleiben werd 
dum spiritus hos regit artus. 

Deine dee, deine Reife nah Welmat 
zu fchreiben, gefaͤllt mir fehr, und ich feh 
gar nicht warum du fie nicht ausführen fol 
tel. Wenn du mas von Triftan fagen 
willſt, fo ſprich davon als einem Gedicht, 
worin das Edelſte und Intereſſanteſte aus den 
Geſchichten der Tafelrunde in die traurig zart 
liche Kiebesgefchichte von Triſtan und Dfelda 
verwebt feyn wird. 

Lieber Bruder, ich werde ale Angenblicke 
unterbrochen, und kann nicht fortſchreiben. 
Der Herzog iſt bey mir — eben koͤmmt auch 

oͤthe, ſie werden den Abend da bleiben. 


277 


Ich werde eine Stelle deines Briefes ab⸗ 
yreiben, und der Herzogin Mutter durch 
yusnelden geben laffen. Gie wird große 
eude dran haben. u 
Goͤthe, dem ich deinen Brief Iefen laffen, 
ußt Did. Er iſt der Meinung, du fol 
> Reiſe nach Weimar nicht fchreiben, Er 
int, es fchicke fich für ung am befien, in 
‚ferm heiligen Dunkel gu bleiben — 38 würd’ 
e dienen, viele boshafte, bämifche Seelen 
er und dort aufzuwiegeln. 

Thu' nun was Dir Dein guter Genius ein⸗ 
bt, und liebe deinen guten Bruder. 


CCLXXV. 
An Gleim. 

Weimar, den 30. May 1777. 
Zaufendfachen Dank, liebfter Freund und 
ruder, fuͤr die herzliche Freude, die Sie 
hrem Wieland und ſeinem ganzen Hauſe 
irch die fröhliche Bothſchaft von Ihrer bal⸗ 
gen Erſcheinung bey uns gemacht haben. 
Herder hat ſeit drey Wochen boͤſe Zeit ge⸗ 
ibt. Er war an einer boͤſen ſchwarzen Gelb⸗ 
cht krank. Er iſt aber num wieder in tan- 


278 | 


tum hergeſtellt, und Ich denfe die Gegenui| Ar 
meines Gleims ſoll fir ihn wohlthaͤtig fm. | ® 

Warum iſt Anfpach doch zu einen He] Di 
Ausflug fo weit von Weimar, und die Bu mi 
dahin fo abſcheulich? Wäre es eine Möge] V— 
keit dahin zu gehen, tie ſehr würde ich om] 8 
fuht, mit Ihnen nach Anfpach zu fliega| d 
und den liebenswürdigen Dichter von Anp| de 
ſicht zu Angeſicht zu ſehen, der unſerm Bolt’ © 
einſt fo lieb war, und unſern Nachkommer, 9 
wenn die jeßige Genies Wuth erft ausgetet| ? 
bat, mwieder fo lieb werden wird! 

Alles übrige auf die feeligen Tage, die Ei 
su ung bringen und mit uns leben werben: 
Mit offnen Armen und von ganzer Seele dit 
Ihrige W. 


CCLXXVL 
An Ebendenfelben 
Weimar, den 17. Junp 17; 
Liebſter Gleim, da wir der Nachricht, deß 
Sie unterwegens ſeyen, mit Ungeduld entge⸗ 
gen ſehen, erhalten wir heute durch Ihr Brief ' 
hen die leidige Nachricht, daß Ihnen ein: 
Damon — der gewiß nicht der Genius dt 


279 
reundfchaft if, abermabl einen Klog in ben 
zeg geworfen hat. — Daß alles dieß nur kein 
men ſey — Nein, mein Beſter, kommen 
üffen Sie, davon fpricht Sie nichts los! — 
erfchieben Sie aber Ihre Abreife länger als 
chſtens bis den 2. July, ſo risquiren Sie⸗ 
iß Sie uns mitten im Einziehen in eine an⸗ 
re Wohnung begriffen finden. — Gott bringe 
ie bald gefund und glücklich in die verlans 
den offnen Arme Ihres guten redlichen 
ruders MW. 





CCLXXVII. ü 
Un Ebendenfelben. 


Weimar, den 11. Auguſt 1777. 


Liebfter Hergensbruder — wir dachten gleich 
aß es Ihnen reche wohl gehen müßte, und 
aß Sie fih zu Lauchſtaͤdt und in den Gegens 
‚en umher tüchtig herumtreiben, und von jes 
‚em fchönen und leidlichen Tag den mögliche 
ten Gebrauch) machen würden — und daß mir 
ilſo Ihr Stillſchweigen ganz getroft ale ein. 
zutes Zeichen aufnehmen dürften. 

Wir andern bier haben indeſſen freylich mit 
anferm Umziehen in die neue Wohnung, und 


280 | | 


mit der Einrichtung in derſelben fo vll 

(haffen gehabt, daß ung Die Zeit nod 

mahl fo ſchnell vorbey gefommen, und wird 
Entbehrung unferes Gleims und unfrer Öl 
minde aug unfern Augen und Armen umli 
eber haben verfchmerzen können, aber def 
baben wir immer fleißig an Sie gedadıt un 
von Ihnen sefprohen. Auch Hab’ ich in du 
erften vierzehn Tagen nach Ihrer Abreife mein 
Roſamund ganz neu und mehr als zur Half 
völlig umgefchaffen, und ihr nun eine folk 
Grftalt gegeben, daß ich Ehre und Freude at 
ihr erleben werde. Wenigſtens ift fie nun al 
was eine achte Mannheimer Dper feyn fol; 
auch haben die Leute ein Gaudium darudeı 
tie Ihr Euch kaum vorjtelen koͤnnt. Schwel 
zer iſt ingwifchen felbft zu Mannheim gems 
fen, und bat mir fehr vergnügte Briefe von 
dort aus geichrieben. — 

D euer Konig, euer König! Barum wolltt 
doch der Himmel nicht, daß er, gu feine 
Zeit, auf den Einfal fam, aus feinem gott 
lihen Berlin ein deutfches Athen zu machen! 
AN das, was jest in Mannheim iſt, foltt 
ja von Gott und Rechtsmwegen in Berlin feyn - 

> wie viel mehr und größere Dinge wollten 


— — — — — 


231 


Wir Alte gethan Gaben, wenn Friedrich — Per 
rifles für uns und feine Nation hätte feyn 
wollen! — Es ift nun fo! Diefer Ruhm bleibt 
einem andern aufbehalten — der dafür weder 
ein Schlefien mit dem ‚Schwerbt, noch ein 
Weſtpreußen mit einem Federzuge erobern wird. 
Daß der Elector Saxoniae — mit welchem 
Gott ſey! Lauchitädt fo anfehnlich zu ermeis < 
tern und zu verfchönern befliſſen iſt, hoͤr' ich 
ſehr gerne. Dafuͤr wollen wir dem auch uns 
ferm Gleim und der gebenedeyten unter den 
Nichten fünftiges Jahr einen Rendezvous zu 
Lauchftädt geben — darauf verlaffen Sie ſich! 
Immittelſt befinden wir ung alle, ſammt 
und fonders, alt und jung, in unfrer Lands 
mohnung, fo nah und Doch wieder fo weit von... 
dem Städtlein Weimar, herrlich wohl. Lott⸗ 
Ken wird, wie billig, ale Tage droliger, 
Holdfeliger, ſchoͤner, gefcheidter, eigenfinnts l | 
ger ıc. Die Idee der lieben Nichte Ifl ihe 
noch immer fd lebhaft, "daß fie, fo oft fie, 
ein Frauensimmer das meiß angezogen ift und 
eine etwas fpisige Naſe hat, vorbey gehen 
ſieht, aus Leibeskräften: Gleim, Gleim, fomm, ! 
komm! ruft, alle Hände nach Ihe ausſtreckt,“ 
mit allen ihren Singerchen herbeywinkt, und 


232 | 


ſich ſchrecklich ersurne, wenn die vermeim 
Gleim nicht näher fommen will. 

Die Oberpriefterin — brozt. Wir hab 
Sie feit Eurer Abreife niche gefeben. Ih 
Mann ift feit acht Tagen wieder bier; es falt 
ihm aber auch nicht ein, nach ung zu guden, 
wiewohl wir feine Schaafe (ich zwar nur eis 
Boͤcklein) und er unfer Hirte — aber freylid, 
leider! nur einer iſt — deſſen bie Schaafe nicht 
eigen find. 

Ade, für dießmahl, liebfter Bruder — und 
liebes, liebes Schweſterchen! — Nie hat ein 
weibliches Weſen das andere lleber gehabt, 
als meine Frau ihre Schweſter Gleim liebt! — 

Mit Goͤthe bin ich dieſe Zeit her ungemein 
und fo ſehr als jemahls zufrieden. Der Her— 
zog iſt auch lieb und gut. Adio. W. 


CCLXXVIII. 
An Ebendenfelben. 
Weimar, den 16. September 1777. 
Liebes Seelenſchweſterchen, da ich die Ehre 
habe, bey den Frauens in meinem Haufe als 
Secretair in Dienften zu ſtehn, fo babe Drdre 
Fuer Liebden nebft unſerm refpectiven Liebes 


283 


fuß, deb s und wehmuͤthig vorzutragen: wel⸗ 
hergeftalten meine bochgebachten gebietenden 
Srauen fich zur Zeit in fo großem Flachsman⸗ 
zel befinden, daß fie ihren hochadelichen Spins 
aerinnen keine Arbeit mehr geben können, das 
durch aber nicht allein Gefahr laufen, ſolche 
zar zu verlieren, fondern auch in ihrem löbs 
ichen Hausfabrikweſen merklich zuruͤckgeſetzt 
ju werden. Da nun alfo die Noth erheifcht, 
yiefem Uebel fchleunig abzubelfen: als ergehet 
ın Euer Liebden meiner Frauen Prinzipalinnen 
jehorfam auch unterdienfllihes und freunds 
sachbarlicheg Anfuchen und Bitten, daß Dies 
elben geruhen möchten, den für unfer Haus 
yochgeneigt eingefauften bewußten Flachs bald⸗ 
noͤglichſt uber Nordhauſen an die Frau Vice⸗ 
Lanzlerin von Bechtolsheim in Eiſenach zu 
pediren. Bitten aber gar dienſtlich und fleis 
tig, daß Euer Edlen fo geneigt feyen, und 
riefe Spedition fein bald beforgen, fintemalen 
ver Flach alsdann von Eifenach aus ohne 
ießfeitige Koſten mit dem Kuͤchenwagen des 
derzogs unfers gnaͤdigſten Herrn, anhero 
ransportirt werben fünnte. Ein Mebreres zu 
reiben verbietet zu Zeitz; alldiemeilen wir 
riefen Nachmittag einen ganz ugverhofften ans 


234 | 
genehmen Befud von Herrn Prediger zu | 
fer und Madanı befommen haben. 

Herder ift wieder gefund und wohlgemut) 
angelangt, und dag gute Vernehmen zwiſche 
beyden hohen Häufern ift wieder vollfommu 
hergeſtellt, wovon gute Continuation gu wün 
ſchen ſteht. 

Wenn auch Dieſelben nebſt Herrn Oncle 
und Oheim, unſerm freundlich geliebten Hertn | 
und Gevattern fih an Seel und Leib wohl 
befinden, fol es und allerſeits große Freude 
zu vernehmen ſeyn. | 

Momit Euer Lieb und Andacht zu geneigtem 
Andenken mich empfehlend, auch zu allen ans | 
genchmen Gegendienften (jedoch in alleweg 
alleseit licher in Kicb als Leid) von Herzen 
willig und erboͤtig, mit aller Veneration bu 
barre 





Dero Ehrmürden 
dienfigefalligfter 
pr. Frau Geniorin ) 
Frau Hofräthin Wieland. 
C. M. Wieland, 
zeitiger Secretarius. 


285 
CCLXXIX. 


Un Ebendenſelben. 
Weimar, den 30. October 1777. 


Liebſter Bruder Gleim, und liebe, liebe 
Schweſter Gleminde, nur mit zwey Worten: 
Victoria! — Wir haben vorgeſtern, Abends 
um 9 Uhr — nad) einem etwas harten Kampf 
ber Natur, wobey jedoch, Gott Lob! Mutter 
und Kind böchft glücklich mweggefommen — 
einen gefunden, hübfchen, breitfticnigen, großs 
nafigten, kurz einen herrlichen Buben befoms 
men, an dem und Gott Freude erleben laffen 
wolle! Er bat ein dauerhafte Anfehn und 
sine gute männliche Stimme. Mir ift, ich 
febe, wie Euch, liebe Seelen, das Alles freut! 
Mit mir geht’d nun à Conto nuovo. Heros 
gin Louife und Prinz Conftantin waren Pathen, 
und der Herzog war fo freundlich und affiftirte 
dem Taufactus In eigner Perfon. Für all 
das heißt der Junge nun Ludwig Fries 
drich Augufl. Beben Sie ihm Ihren Ohelms 
lichen Seegen, lieber Herzensbruder, und leben 
follen Sie, bis Sie fehen, daß Ein Mann 
aus Ihm geworden. Amen ! 

Nach fo etwas kann man. obnmöglich von. 
sans fchreiben. 





286 
CCLXXX. 
An Ebendenfelben. 


Weimar, den Io. December 


Liebſter Herzensbruder, taufend Dant 
volem Herzen für Euren Segen auf m 
fleinen Louis, und für alles Liebes und 
tes, wovon Eure edle, warme, gefühl 
Seele für ung überfließt! Gott gebe, daß 
Bruder Gleim mit feinem Bruder Wielar 
lange lebe, um noch viele Freude an dem 
gen Schildfnappen zu erleben, den mir 
neunzehnten Jahrhundert an unferer € 
binterlaffen wollen, daß er da fortfahre, 
wir aufhören, und feine dem Anfchein 
fraftvole Stirne entgegen flemme allem 
twefen der Dunfe, Sophiften, Heuchler, Sch 
mer, Weltgeifter und aller andern böfen 
ter feines Zeltalterd, und merbe ein 3 
der Wahrheit, nnd ein Priefter der M 
und ein Achter Sohn der Natur, und ein ' 
bild guter Eitten, und ein glüdlicher Bi 
in dem Reich eines künftigen Sriederi: 
und ein Vater von Söhnen, die dem Nah 
Wieland Ehre machen ewiglich! Amen ! 

Lieber Bruder, ich möchte Euch gerne 


287 
fchreiben, aber ich babe ſchon Einen Fuß in 
der PoftsChaife, und ale meine Gedanken 
reiten Courier voraus nach Frankfurt und 
Mannheim. Hier iſt inzwiſchen ein Eremplar 
der Rofamunde, ‚welche nach der Eompofition 
des Seelenbaͤndigers Schweizer den 7. Jenner 
78 zum erfienmahl aufgeführt werden fol, und 
um derentwillen ich eigentlich meine Wallfarth 
unternebme. — Lebet indefien wohl und bes 
baltet ung lieb. Ewig Euer treuer Bruder W. 


CCLXXXI. 
In Menufel 
Weimar, den 30. September. 1778. 


Empfangen Sie meinen verbindlichfien Danf 
für das angenehme Zeichen, fo Sie mir von 
Ihrem freundfchaftliden Andenken haben ger 
ben wollen. Der lebte Bogen des Merkurg 
vom September war fchon vol, da es anlangte, 
und fo müßte die Anzeige dieſes, aller Unters 
flügung würdigen gemeinnugigen Werkes auf - 
den naͤchſten Monath ausgefegt bleiben. Mich 
freut fehr, daß Sie fih noch erinnern einer 
meiner aältefien Sehulfen ans Merfur geweien 
zu ſeyn, und noch mehr wuͤrde mich’d freuen‘, 







283 


wenn Ihre vielerien Gefchäfte Ihnen eriauis 
fonnten, auch jebt noch, wenigſtens bann md 
wann, an meinen Journal Antheil zu nehm 
und mir da® Vergnügen zu machen, unfe 
lieben Publifo zumeilen ein -plat de votre me 
tier aufjutifchen. Im nachfien Quartal zeigte 
ſich dazu eine vorzägliche Gelegenheit, da id 
zum Bilde des berühmten Ritters, rang bet | 





Siefingen, welches ich liefern werde, eine ea 
möglichfter Kürze, doch hinlänglich ausgefuͤhrt 
Darftellung feines Charakters und. Leben ber 
einem, in diefen Zeiten bewanderten Geſchichts 
fundigen zu erhalten wuͤnſchte. ‚Konfultirte 
Sie doch ein wenig mit Ihrem Genius, mer 
lieber Herr und Freund, und fagen Sie uk 
ſchriftlich, oder (welches mir noch angenehm 
feyn wird) mündlich, ob ich mir dazu Hof) 
nung machen fann. 

Meine Frau empfichlt fi der Ihrigen erge 
benft, und erfreut fich Ihres liebreichen Anden 
tens. Da ung das immer gehegte Vorhaben, 
Sie Ddiefen Sommer über einmal auf du 
Tag zu befudyen, zufälligerweife immer zu Waſ⸗ 
fer geworden, fo würde es deſto angenehme | 
feyn, fie beyderfeits bald bey ung zu ſſchen, 
und der unmandelbaren Freundſchaft zu verß 


289 


ın, womit ich mich proprio ct uxorio no- 
ne unterfchreibe. 


CCLXXXII. 
An Ebendenfelben. 


Weimar, den ı2. October 1778: 


Sch nehme Sie beym Worte, mein wertbes 
er Herr und Freund, fihlde Ihnen beyfols 
nd eine ganze Kifte vol Materialien zu der 
bensbefchreibung des mannbaften . Ritters 
:anz des Sickingers. Es befinden fi) darin 
che nur alle von Ei. Lbden. verlangte Bis 
er, fondern auch noch Drey Andre, welche 
er Herr Unters Bibliothekar aus eigner Bewe⸗ 
ıng binzugetban, nähmlich: 

ı) Sammlung von merkwürdigen Lebensber 
fchreibungen aus der Brittannifchen Bios 
graphie 6ter Theil. 

2) Sammlung zur Saͤchſiſchen Geſchichte. 
ster und 6ter Band. | 

3) Bellum Sickingenum. (Ein elendeg opus, 
ut videbitis.) | 

Sur al diefes nun und deffen binnen ſechs 

Vochen a dato erfolgen folende unverfehrse 


Wielands Briefe IL, V. 1) 


290 
Keftitution babe ich mich der hochfl 
Hibliorhef alhier verbüärgen mäüffen, ı 
alfo Em. Loden. dafür zu forgen, daß 
gewuͤrget werde. 

Was die Größe, i. e. den körperlic 
fang dieſes hiſtoriſchen Auffages bet 
überlaffe ich Ihnen folche felbft, mir 
feld, daß Sie die justam mensura 
zu treffen mwiffen werden. Wird er f 
Monath zu groß, fo theilen wie ihn 
wie Ariftoteleg dag universum. In 
wartigem Detober s Stüd iſt ohne 
Platz mehr. 

Uebrigens, mein liebſter Freund u 
Herr College du temps jadis, danfe 
nen zum boraug verbaliter, big eg ; 
Zeit pro modulo facultatum mearum 
gefchehen wird, für den Nitterdienft, 
mir hierin mit fo viel gutem Willen ; 
fen bereit find, und verbleibe C unter | 
Salutation an Eure liebe Hausfrau 
Meinigen) donec ego vixero etc, 


| 291 
J— CCILXXXIII. 
An Gleim. 


Weimar, ben 22. December 1778. 


Mein befter Gleim, der Himmel lohne Ih⸗ 
nen die Freude, die mir Ihre unermüdliche 
Nachſicht mit meiner Cfreylich nicht immer 
unuͤberwindlichen) Traͤgheit, und die erneus 
erte Verſi cherung Ihrer Liebe, die wie Bals 
fam des Lebens auf mein Her gekommen iſt, 
zegeben hat. 

Ungeachtet wir uns fo "lange nicht geſehen, 
nicht gefchrieven haben, haben gewiß unfte 
Herzen (ich rede von mir und meiner beften 
Hälfte) Feinen Augenblick aufgehört für Euch 
zu fchlagen, und an. Euch und Eurem Schick⸗ 
fal den zärtlichiten Antheil zu nehmen. — Aber 
wie's mit dem Briefe fchreiben zwifchen ſehr 
befchäftigten Sreunden (die aber juft feine 
Gefchäfte mit einander machen) befchaffen tft, 
wiffen Sie aug eigener Erfahrung: oft iſt der 
Geiſt willig, aber das Fleiſch ſchwach. Oft 
in dem Moment, wo uns das Herz dringt 
mit einem geliebten Abweſenden zu reden, 
haͤlt uns eine dazwiſchenkommende unvermeid⸗ 
liche Hinderung ab, und dann hat ſich das 


292 


Herz wieder zugefchloffen, bie Duelle dr wi & 
pfindung iſt da, aber- fie ergieße ſich a! * 
mehr. Oft find Reiben von Sefchäften, | 7 
Reihen von Zerfireuungen, oft haͤusliche Vmf ü 
ffande, oft glüdliche Stunden, wo und W 
Mufen Hold find, oft dumpfe Nebelfunden: 
two unfer Dafeyn wie ein Gebirg auf un 
ige, Schuld daran, daß man fich nicht ſchre 
ben Fann. Aber fehen, ſehen und befuhr 
müffen wir ung noch, fo lange und fo oft alt 
es ung das Schiefal nur immer möglich. mo 
chen wird. — Im naͤchſtkuͤnftigen SFreahliag 
fommen Sie, liebſter Bruder, mit unfrer Ss 
minde, auf den Flügeln Des Friedens it 
uns, und feben und fegnen meinen fleina 
Ludwig, und den neu angefommenen Earlı 
den mir das befte Weib und die befte Mutts 
heute vor vierzehn Tagen an Agatbhons 
Tage geboren hat. Die Kinder find noch u 
flein, als daß mir fie unferm Bruder un 
ihren Vater Gleim auf unfern Armen neh 
Halberſtadt zutragen Fönnten, Er muß all 
nur felbft fommen, fie zu fehen, und unfte 
Freude volfommen zu machen — auch u fü ' 
ben, was für ein holdes Gefchöpf der Lie 
feine Pathe Lottes Mine worden if, ww 


| 293 
wie die andern Mädchen heranwachſen, und 
Alle, fammt Vater, Mutter und Kindern eine 
Familie der Liebe ausmachen, und in und mit 
und durch einander leben weben und find. | 
Daß ein Mann, der in fich felbft und in 
Weib und Kindern, und in feinen menigen 
aber defto edlern Freunden, und in der immer 
junehmenden Liebe der Natur und dem traus 
ten Umgang der Mufen, die noch nicht aufge; 
hört haben ihm Hold zu feyn, gluͤcklich iſt, 
d. i. ein Mann wie Ihr Wieland, keine Zeit 
noch Luft bat, su lefen was fo arme Sünder 
mie der Knabe Cramer und der’ Maupillon 
uber ihn und mwider ihn drucken laffen, ſollte 
meinem Gleim doch wohl nicht unbegreiflich 
feyn. Und warum folt’ ich die Herkules Keule 
aufheben, um Fliegen £odt zu fchlagen? 
.Will einer meiner Freunde die- Fliegenklats 
ſche ergreifen, und dem Sumfen und Stechen 
Diefer Ungeziefer ein Ende machen, gut! Wo 
nicht, fo laffen wir ihnen das bischen Leben, 
Das Ihnen die Natur gönnek. 
. Nach den Novis. von Ihrer Mufe, befter 
Gleim, bin ich herzlich begierig. Außer eints 
gen Srenadierliedern, die des preußifchen Tyr⸗ 
taͤus würdig find, und beweiſen, daß das 


294 | 


Feuer feines Geiſtes heiliges anauelöſhin 
Feuer iſt, Hab’ ich ſeit langer Zeit nichts M 
ihm gefeben. 

Leben Sie wohl, beſter Bruder! Gott geh 
Ihnen neue Geſundheit, Kraft und Lebent 
freude zum Neuen Jahre! — Ade! hr mit 
treuer Bruder W. 


CCLXXXIV. 
An Voß. 


Weimar, den 24. Senner me 


Beynah fol ich Ihren MWohlgebohrun 
Herrn Hofrath mit einem Hochedelgebohrnn 
Herrn Rector erwiedern — Aber ich mag nid! 
alles was ich fann, geſchweige alles was Id 
ſollte — wiewohl es wirklich ein garſtiges Ding 
um dieſe Titulaturen unter unſers gleichen If. 
Mer weiß welcher gute Wind Sie einmahl 
nah Weimar oder mich ind Land Hadelen 
weht, und dann ſolls ja wohl anders zwiſchen 
uns werden. | 

Doh was hadre ich mit Ihnen? Ste haben | 
durch) das DBertrauen, womit Gie mir ba 
vierzehnten Gefang Ihrer Odyſſee zugeſchickt, 
alles unter ung gut und eben gemacht. Nichts 


| 295 
billlger, als Ihr Vorhaben, befagte 
dyſſeee auf Subſcriptlon drucken zu laſſen; 
id wenn ich machen koͤnnte, daß Sie Ihnen, 
ich Proportion, als fie beſſer denn die Pos 
iſche oder von Pope corrigirte engliſche iſt, 
ich mehr eintruͤge, als dieſem ſein Homer 
agetragen, ſo ſollten Sie wahrlich nicht lange 
ektor zu Otterndorf in Lande Hadeln ſeyn. 
ndeffien wollen mir zu dem loͤblichen Werke 
enigftens beytragen mas mir fönnen. Sich 
‚be den Grund, daß Ihnen dadurch .ein Ges 
Den gefchieht (wiewohl für mich ein gang 
reichender Grund) nicht nöthig, wo fo viel 
eweggrund in der Sache felbft liegt. Ihr 
ersehnter Geſang wird alfo ganz, mie er if, 
ı nächfien Februar des Merkurs erfcheinen, 
id die Heine Note, momit Ih Ihn introduis 
n muß, fol wenigſtens nichte verderben, 
a8 der Merfur in der Folge, megen ber 
ubferiptiongs Sache melter ankündigen fol, 
rüber werden Sie ihm feiner zeit Inſtruction 
theilen. 

Ste haben wohl daran gethan, daß Sie die 
fichere Erifteng eineds homme de lettre & 
"ansbeck , mit der Neftorfielle zu Otterndorf 
rtaufcht haben, biy der Ihnen wenigfieng 


296 


beffer zu Muthe feyn wird, als wenn 
Hector der Thumagfchule In Leipzig w 
Er wäre freylich allerley darüber zu fü 
daß unfere Auguften und Mäcene x. 
es ift im Grunde doch nur lahmes Geſcht 
und am Ende iſts einem jeden ehrlichen 
und einem Dichter mehr als jedem an 
beffer, wenn er fein verdientes Bro 
Schweiß feines Angefichts iffee, und 

feinem Auguft bofiren und feinem an 
chen Maͤcen den Kutzen fireichen muß. 
babe big zu meinem ficben und zman; 
Sabre auch geichulmeiftert, (wiewohl in 
Derbar angenehmen Umſtaͤnden) bernad 
ich neun Jahre Stadtfchreiber Coder Ca 
Direktor, wie man heutigen Tages fagt 
dem man das Gefühl für die Wahrheit 
Einfale unfrer Altvordern verloren bat, 
die Schweizer ihre Stadffchreiber Secre 
d’Etat nennen) alfo GStadtfchreiber in 

rach geweien, und habe tuchtig im $ 
ziehen müffen, wäre auch ohne allen 3 
Darüber zu Grunde gegangen, wenn mit 
Agatbon, Mufarion, Idris wm. 

zum Troft erfchienen waren, und ir 

mancher gluclichen Stunde sollicitae ju: 


297 
joblivia vitae verfchafft hätten. NHernach da 
sich endlich doch der Kanzley herzlich fatt war, 
Heß ich mich wieder zum Schulmeiftern vers 
‚führen, und war drey Fahre Profeffor in Erz 
sfurt, und wieder drey Jahre Prinzen⸗Inſtruk⸗ 
:for hier zu Weimar; big mir endlich ein Deus 
‚oder vielmehr die Dea Anna Amalia diefe 
Otia gegeben hat, worin Ich nun lebe — und 
die ich twahrlich wohl verdient zu haben meine, 
Denken Sie indeffen nicht, daß es eben ein 
gar Ariſtippiſches und Heluonifches Leben 
um diefe meine Dtia fey. Sch bin Hausvater, 
und habe inclufive fieben liebe holde Kinder, 
wovon das aͤlteſte wenig uber zehn Jahre, 
und das jüngfte fieben Wochen alt iſt, tägs 
lich ſechzehn Maͤuler und Mägen zu verforgen. 
Bey einem folhen Amte darf man wahrlich 
die Hände auch nicht in den Sad fleden, 
und der ehrlihe Merfur fpielt, wie Sie 
denken können, dabey feine ganz entbehrliche 
Mole, Aber dag iſt ed auch, was ihn hei⸗ 
liget und mir das Necht gibt, mich qua 
Herausgeber des deutfhen Merkurg, 
noch immer wenigſtens für einen eben fo 
twacern Ehrenmann zu halten, als wenn ich 
ein ehrbarer Weber s oder GSchneldermeifter 


298 | 

mwäre, und mich und die Meinigen red 
meiner Handarbeit nährte. Geben Si, 
Voß, fo führe unfer Herr Gott feine 
wunderlich. Sie werden wahrlich au 
als Rector zu Deterndorf im Lande 
fierben. Genug für den Anfang, daß 
in dem ordentlihen Weg einer bir, 
Eriftenz find. Das übrige Deus pre 
Nur forgen Sie für Ihre Geſündheit 
diren fich nicht, um Nichts und wide 
zu einem Eccehomo⸗Bild, wie fo 
wacre Mann in Deutfchland fchon gel 
und noch thut — dag dann gerade & 
ift, Gott und Menfchen und fich felbi 
zu werden. 

Leben Sie wohl. Sch endige dieſen 
erfien Brief an Sie mit keiner Hocha 
verfiherung; Sie feben ja wohl, i 
ganze Brief eine if. 


CCLXXXV. 
An Meufel, 
Weimar, den 2. Aug 


Tauſend herzliche Glüds und Seg 
fche zu Ihrer bevorfiehenden glücklich 


299 
„Pflanzung in den geliebten vaterlandifchen Bo⸗ 
‚ben! Immer werde ich warmen Antheil an 
Ibren Schickſalen nehmen ‚ und mich bruͤder⸗ 
lich freuen, wenn es Ihnen ſo wohl ergeht 
als Sie es in allen Betrachtungen verdienen. 
Aber tant pis für Jena, daß man, fo nahe 
dran fich Ihrer zu bemächtigen, um einer 
Kleinigfeit willen, den günftigen Augenblick 
verfaumt hat. Doch, was iſt darüber anders 
zu fagen, als: Mir iſts leid um die bochfurfts 
liche fächfifche Gefammt + Univerfität — auch 
leid um mich felbft, daß Ste nun um fo viel 
weiter aus meinen Augen gerüdt werden; 
aber lieb, ſehr lieb iſt mir für Sie, mein 
wuͤrdiger Freund, und für die Ihrigen; denn 
unfireitig verbeffern Sie fich gu Erlangen , alles 
zufammen genommen, um hundert Procent, 
und ich bin gewiß dag Sie wenigſtens zwan⸗ 
zig Jahre langer leben, und um den Werth 
eines halben Jahrhunderts vergnügter, muns 
ter und glücklicher dort leben werden, als 
in Jena oder dem gebenedeyten Haͤringsnaſen⸗ 
lande. \ 
Da tie nun in fo Furger Zeit fo meit ge 
trennt werden, iſts ja wohl billig, daß Sie 
ihrem alten Freunde und ehmahligen Collegen 


ſchuldig; in 
langen Epiftel 





301 


Snade ſtrenger darob zu halten, als gewoͤhn⸗ 
lich über Polizeyverordnungen gehalten wird) 
bey allen Briefen die ich befomme, bloß auf 
Die Gefchäftspunfte zu antworten. Was das 
übrige betrifft, naͤhmlich Ihre dermahligen 
Gefinnungen gegen mich, fo bin ich fehr das 
mit zufrieden. — Allis good — Ale Ste vor 
einigen Jahren das häßlihe Episramm auf 
mich machten, und Ihren Nahmen darunter 
festen, entfchuldigte ich Sie mir felbft und 
meinen Freunden mit Ihrer Jugend, und daf 
Sie mich nicht fennten. Nach gerade fangen 
Sie ſelbſt an zu ſehen, daß man fich wohl 
bier und da, fonderlich in Ihrem Niederfachs 
fen, im Urtheilen über mich verfündige haben 
fönnte. Indeſſen werden Sie mic) doch ſchwer⸗ 
lic) eher recht fennen lernen, bis wir und von 
Angeficht zu Angeficht gefehen, und wenigſtens 
einige Tage zufammen gelebt haben. Ein eins 
ziger Blick in mein Herz, in mein hausliches 
£eben, in den Zufammenhang meines ganzen 
Lebenslaufs, würde mir, das bin ich gewiß, 
alle guten und edlen Menſchen auf dem Erds 
boden zu Freunden machen, wiewohl ich von 
Serungen und Uebereilungen fo menig, und 
nach Beſchaffenheit der. Umſtaͤnde, vieleicht 





305 
: Stunde dadurch) machen fünnen, wer⸗ 
nie immer hoͤchſt angenehm feyn. 
en Sie gefund und wohl. Ein Dichter, 
die Mufen fo Hold find. wie Shnen, zus 
wenn er ein liebes Weib und einen bols 
feinen Jungen um ihren Bufen fpielend 
ift, troß der Fortuna, immer einer der 
ichften Sterblichen. 


CCLXXXVH. 
An Herrn Doctor Hirzel 
in Zuͤrich. 
Weimar den 28. December 1779. 
erehbrungsmwürdiger Herr und 
Steund! 
3e doppelte Befriedigung meines Herzeng, 


h durch Ihre fo unverhoffte Zufchrift vom _ 


November erhielt, bat mir die geflrige 
dſtunde, da mir folche zu Handen fam, 
zer der angenehmften meines Lebende ges 

Denn ich genoß ‚zu gleicher Zeit das 
he Vergnügen zu ſehen, daß ich noch 
wen Andenken lebe, und meinen felt des 
n Sulzers gehegten elfrigen Wunſch, daß 
doh von einem In allen Betrachtungen 
lands Briefe 111. B. 20 





307 


: Gang vorzüglich hat mir auch Freude gemacht, 
mferm theuern Als Bater Bodmer, bey fo 
nancher in diefer Schrift fich darbietenden Ges 
egenheit, die langft verdiente Gerechtigkeit in 
oem Maße adminiftrirt zu ſehen. Seine gros 
en, tefentlichen, mannigfaltigen Verdienſte 
m die Nation, find auf eine fchandliche Art 
isher verfannt worden. ch denfe aber es 
ch zu erleben, daß unferm, fonderlidy feit 
em legten Decennio ganz nebeltrunfenen Pub⸗ 
ico auch endlich hierüber die Augen aufgehen 
verben. Gie, mein theurer Here und Treund! 
eben doch wohl noch zumellen den vortrefflis 
yen Greis, deffen Erdenleben In einer fo fihös 

ven Abenddämmerung unvermerft verdämmert. 
ringen Sie ihm doch, ich befchwöre Sie 
arum, meinen herzlichften Gruß, nit einem, 
eilgen Kuß auf feine alte, vaterliche Hand! | 
Sagen Sie ihn, daß ich Vater von ſieben 
dindern ſey, mitten unter welchen ich kaum 
ewahr werde, wie nahe ich ſchon dem Witz 
elpunkt des Lebens bin, und auf die ich, Die i 
ankvolle Liebe fortpflanze, womit: mein Herz 
> lange es ſchlägt, für meinen Vater B0ds 
ver erfüllt bleiben wird, Sagen Sie ihm, 
aß ich Goͤthen nie um etwas beneidet babe, 


CCLXXXVIII. 
Un Sletim. 


Meimar, den 12 


Siebfter Bruder Gleim, ih will e 
verfuchen, ein Stilfchweigen, dag 
lichen Vernachlaͤßigung fo ahnlich fi 
fchuldigen. Zwar, der Himmel mı 
Diefer ganzen langen Zeit fein Au 
wefen iſt, worin mein Herz nicht ı 
Liebe für meinen Gleim geweſen m 
ich ihm alle acht Tage die zaͤrtlich 
gefchrieben hatte. Aber was iſt t 
Licht unter einem Scheffel? — S 
fühl ich meine Schuld, und fon 
von mir erhalten, ohne einen Kurt 
Ihre Augen zu fommen. Oberon, 
der am Ende doch allein Schul if 
alles andre uber ihm vergeffen hab 
fol mein Fürfprecher feyn — und 
ich immer big er im Stande mwäre, 
Statt vor Ahnen zu erfcheinen. 
nun, mein befter Gleim, nicht — € 
nem Korn von Elfenbein tanzen ; 
fondern Site aus feinem goldenen 2 
jugendfraft trinfen zu laſſen, 


311 


te Berührung mit feinem Lillenftabe jede 
merung an unangenehme Augenblicde, die 
t mehr find, in ewige Bergeflenheit zu 
en, und feiner andern Empfindung in 
em Herzen Raum zu laflen, als Ihrer alten 
e für Ihren Sie herzlich wieder liebenden 
unmandelbar getreuen W. 


teine liebe beifere Halfte hat mir vor fieben 
hen den vierten Sohn geboren (den erfien 
e ih, mie Sie miffen, bald wieder zus 
geben) aber die drey, die ih nun habe, 
n viel Schönes und Gutes von fich Hoffen. 
wär’ es, liebfler Sleim, wenn Sie mit 
beften aller Richten diefen Sommer fäs 
und das alles ſelbſt bey mir In Augens 
n nahmen? Ich kann nicht augdrüden, 
glücklich Sie ung dadurch machen mürden ! 


CCLXXXIX. 
An Ebendenſelben. 
| - Weimar, den 5. Merz 1750. 
aförderft, mein” beſter Bruder, ſoll ich 
en im Nahmen aller Kibitzeyereſſer in 
nem Haufe unſern einſtimmigen Dank abs 
en, daß Sie uns fo reichlich mit einer 





313 
Schwanenwagen zu Gebot flunde, ber dag 
wraute Paar in Einer Nacht von Bagdad nach 
Askalon trug. Aber ah! Wir find in diefen 
Soden eihgemwurzelt, und die Unfterblichen 
Hein wiffen, ob und Wann e8 ung jemahle 
nieder fo gut merden wird, mit unferm 
theuern Gleim unter feinen fchönen Daumen 
zu wandeln. 

Nur noch Eins, lieber Bruder — Gie ers 
inneen fich Doch noch, daß Sie mir ſchon lang’ . 
einmahl zuriefen: o Löwe, Löwe, bruͤll' 
einmahl! Brülen kann ich nicht, mein Bes 
fler, oder ich müßte nur (mit Claus Zetteln 
im Shafespeare zu reden) bruͤllen fo lieblich 
und zart wie eine Nachtigall. Aber ich habe 
mich doch wenigſtens hören laffen. Sich habe 
meinen Freunden und Feinden den Dberon 
gegeben — und ich hoffe beyden, jedem nah 
feiner Welfe, .auf etliche jahre genug getban 
zu haben. — Und nun für dießmahl Adieu, 
lieber theurer NHergensmann, Sie werden von 
Herdern und feinem holden Weib® Ceiner der 


reinften und fchönften Seelen auf Wotted Bos 


den) und von allem was gu mir gehört herz; 
lic) gegrüßt, und taufendmahl brüderlich ums 
arme von Ihrem W. 





315 


sen Muſenalmanach Haben machen tollen, 
nichts Gutes enthielte, als Ihren mir uber 
alle Maßen Föftlichen Idyllion, fo wär’ es 


Fechon goldner als Gold (wie ber alte Aefchys 


fus fagt) und dreyfach werth mit meinem 
= Mberon, der, feitdem Ich ihn: dem Publis 
cum babe proftituiren muͤſſen, (denn dieß und 
Enichtd anders iſt Herausgegeben tn unfern 
 beilofen Tagen) beynahe allen feinen Werth 
sin melnen Augen verloren bat, vergolten zu 
: Werden. 


g 
z 


; 


Mir iſt gar nicht eingefallen, daß Sie an 
: der groben und illiberalen Beleidigung, 
bie mir der homunculus, Cramer junior, fo 


"gan; sans rime et sans raison, neulich durch 
: die fhändlihe Note zu Ihrer bewußten Ode, 


abermahls zugefügt hat, den mindeflen Ans 
theil haben könnten. Ich fange aber an gegen 
Buͤbereyen diefer Art gleichgültiger zu werden 
als jemahls, und huͤlle mich fehr ruhig in 
das Bewußtſeyn ein, daB ich ein Befleres, 
um die Zeit in der ich lebe, verdient habe. 
Mas mir feit dem Moment, da ich etwas 
Gutes habe drucken laffen, d. 1. ungefähr vom 
Agathon an mwiederfahren iſt, und noch täg: 
lich wiederfaͤhrt, ware hinlaͤnglich, jeden Jüngs 





317° 
ns einen Tag mit mir en famille gelebt - 
ıben, werde ich Ihnen immer fremd, unbes 
nnt und raͤthſelhaft bleiben; wiewohl viels 
icht der ehrliche Hand Lafontaine nicht fimps 
e und barmlofer gemwefen ift, als Ihr ergebes 
vr Freund. 





CCXCII. 
A Müller. 


Weimar, den 31. Merz, Fünftig Lenz: 
monat genannt 17581. 

Votre letire datee de Brunswic ı2. Mars, 
> m’est parvenue que le 20. apres-midi. 
faut quelle ait fait un detour singulier 
:je crains que ma reponse, qui ne peut 
artir que le 22. ne vous trouve plus a Cas- 
]. En tout cas, vous aurez pris soin de 
zus la faire envoyer oü vous ir. 
Vous n’auriez pu me donner une preuve 
lus essentielle de l’estime dont vous avez 
. bonte de m’assurer, que par la proposi- 
on que vous me faites. Je Paccepte avec 
ne confiance qui repond à celle dont vous 
’honorez, et je suis charmé de pouvoir 
ompter sur un compagnon de travail tel 
ue vous, 





321 


CCXCIII. 
Au M&me 


Weimar, ce 9. April 1781. 


Deux mots seulement, mon cher Monsieur! 
our vous remercier de la vötre de Halber- 
tadt le 4/5 April, et de Pesperance, que 
‘ous m’y donnes, de mettre & fin avant 
Iu'il soit.peu la conclusion de notre petit 
raite. Je la desire avec toute la vivacite 
les sentimens, que m’inspire l’honetete de 
‘os procedes et lidee que j’ai concu de vos 
alens. Les leitres sur la vie pastorale des 
Telvetiens ne peuvent pas manquer d'être 
nteressantes. Vous m’obligerez beaucoup 
:n hätant la traduction allemande, de quel- 
jues unes de ces lettres, pour le mois de 
ai, si faire se pourra. 

Je serais tres charme de vous voir fixe, 
lans la capitale du grand roi, qui vient 
j’ajouter à tant de belles actions’ celle de 
‚ouhaiter un Auguste à la literature 
ıllemande; souhait d’autant plus meritoire, 
puisque S. M. paroit s’interesser pour une 
„hose, qui ne lui est pas plus connue, que 
la constitution des habitans de la lune. 





— 


Wielands Briefe III. V. 21 


322 
CCXCIV. 
An Voß. 
Weimar, den 16. April 


Ich boffe, lieber Herr und Freund! da 
mit meiner Eleinen Liſte von Pränumer 
auf Ihre Ddnffee (denn ich meines Orts 
und till mir nun einmahl nicht mehr 
woͤhnen Ddüffee zu ſchreiben) nicht zı 
komme. Nehmen Sie mit meinem guten 
len vorlieb. Hier folgt eine Anmelfung 
zwölf Ct!) Ersmplare auf das Addreß⸗ 
toie in Hamburg. Ich wuͤnſche Ihner 
fundheit, frohen Muth und fchöneg 
nebft einer reichen Erndte von, Louisd' 
jeder Arbeit, womit Ste unfere Litterat 
reichern werden. 


CCXCV. 
An Sleim. 
Weimar, den 7. May 
tiebfier Gleim, fo eben zeige ſich uno 
thet eine Gelegenheit, Ahnen ein Exe 
der neuen Ausgabe meines Dberon zusı 
gen. — Wie viel, und von wie vielen DI 


323 


fter Bruder, möcht ich mit Ihnen ſchwatzen 
Snoen! ch weiß nur zu gut, woran Sie mich 
auch unfern Müller fo freundfchaftlich has 
en erinnern laffen, daß die Reihe, Sie zu 
efuchen, an mir ifl. Aber, mein Befler, bes 
senfen Gie, daß meine Familie indeffen auf 
icht Kinder angewwachfen, und daß die gute 
Dutter fih von ihren vier Knaben, wovon der 
aͤlteſte erft vier Jahre alt, unmöglich auf acht 
Tage trennen fann. Kurz, liebſter Bruder, 
ich bin nun in den biefigen Boden eingemwachs 
fen. Sie find freyer, Kommen Gie zu ung, 
und glauben Sie, daß Ihre und Ihrer Nichte 
Miedererfcheinung bey ung mie der Beſuch 
zweyer mohlthätiger menſchenfreundlichet En⸗ 
gel ſeyn wuͤrde. 

Mein vortrefflicher alter Freund, leben Sie 
wohl, und behalten Sie mich lieb. Ich um— 
arme Sie von ganzem Herzen. 


CCXCVI. 
An Johannes Müller. 
Meimar, ben g. Juny 1781. 


Biel Gluͤcks zu der Neuigfeit, die Gie mir 
in Ihrem Testen berichten, Ich kenne Caffel 


315 


gen Mufenalmanad) haben machen tollen, 
nichts Gutes enthielte, als Ihren mir über 
ale Maßen koͤſtlichen Idyllion, fo waͤr' es 
ſchon goldner als Gold (wie der alte Aeſchy⸗ 
lus ſagt) und dreyfach werth mit meinem 
Oberon, der, ſeitdem ich ihn dem Publi⸗ 
cum habe proftitulren muͤſſen, (denn dieß und 
nicht8 anders If Herausgegeben in unfern 
heilloſen Tagen) beynahe allen feinen Werth. 
in meinen Augen verloren bat, vergolten zu 
werden. | 

Mir ift gar nicht eingefallen, daß Sie an 
der groben und Illiberalen Beleidigung, 
die mir der homunculus, Cramer junior, fo 
gang sans rime et sans raison, neulich durch 
die fchändliche Note zu Ihrer bewußten Ode, 
abermahls zugefügt hat, den mindeften Ans 
theil haben könnten. Ich fange aber an gegen 
Buͤbereyen dieſer Art gleichgültiger zu werden 
als jemahls, und huͤlle mich fehr ruhig in 
das Bewußtſeyn ein, daß ich ein Beſſeres, 
um die Zeit in der ich Iebe, verdient habe. 
Mas mir feit dem Moment, dba ich etwas 
Gutes habe drucken laffen, d. t. ungefähr vom 
Agathon an wiederfahren iſt, und noch taͤg⸗ 
Lich rolederfährt, ware hinlanglich , jeden Juͤng⸗ 





317° 


‚fend einen Tag mit- mir en famille gelebt - - 
„bsaben, werde ih Ihnen immer fremd, unbes 
kannt und räthfelhaft bleiben; wiewohl viels 
„ufeicht der ehrliche Hand Lafontaine nicht fimps 
— "ler und harmlofer geweſen iſt, als Ihr ergebes 
„ner Freund. | 


CCXCII. 
A Müller. 


I o- Weimar, den 31. Merz, Fünftig Lenz 
monat genannt 1781. 


ne m’est parvenue que le 20. apres-midi. 

Il faut quelle ait fait un detour singulier 
et je crains que ma reponse, qui ne peut 
; partir que le 232. ne vous trouve plus a Cas- 
ı sel. En tout cas, vous aurez pris soin de 
: vous la faire envoyer ou: vous irez. 

Vous n’auriez pu me donner une preuve 
plus essentielle de Pestime dont vous avez 
la bonte de m’assurer, que par la proposi- 
1ion que vous me faites. Je Paccepte avec 
une confiance qui repond & celle dont vous 
m’honorez, et je suis charme& de pouvoir 
compter sur un compagnon de travail tel 
que vous. 


w 
ı ,‚Votre lettre date de Brunswic ı2. Mars, 
I 
y 





321 


CCXCIII. 
Au Meme. 


Weimar, ce 9. April 17813. 


Deux mots seulement, mon cher Monsieur! 
sour vous remercier de la vötre de Halber- 
tadt le 4/5 April, et de lesperance, que 
'ous m’y donnes, de mettre & fin avant 
ju’il soit.peu la conclusion de notre petit 
raite. Je la desire avec 1oute la vivacite 
les sentimens, que m’inspire Phonéêteté de 
ros procedes et lidee que j’ai concu de vos 
alens. Les leitres sur la vie pastorale des 
Helvctiens ne peuvent pas manquer d’Etre 
interessantes. Vous m’obligerez beaucoup 
en hätant la traduction allemande, de quel- 
ques unes de ces lettres, pour le mois de 
Mai, si faire se pourra, 

Je serais tres charme de vous voir fixe, 
dans la capitale du grand roi, qui vient 
d’ajouter a 1ant de belles actions celle de 
souhaiter un Auguste à la literature 
allemande; souhait d’autant plus meritoire, 
puisque S. M. paroit s’interesser pour une 
hose, qui ne lui est pas plus connue, que 
la constitution des habitans de la lune. 





Wielands Briefe III. V. au 


322 
CCXCIV. 
An Voß. 
Weimar, den 16. Apri 


Ich Hoffe, lieber Herr und Sreund! t 
mit meiner Eleinen Lifle von Praͤnum 
auf Ihre Ddyffee (denn ich meines Dr 
und till mir nun einmahl nicht mehr 
wöhnen Ddüffee zu fchreiben) nicht ; 
komme. Nehmen Sie mit meinem gute 
len vorlieb. Hier folgt eine Anmelfu: 
zwölf (1!) Ersmplare auf das Addreß 
toir in Hamburg. Ich wuͤnſche Ihn 
ſundheit, frohen Muth und ſchoͤnes 
nebſt einer reichen Erndte von, Louis 
jeder Arbeit, womit Sie unſere Littera 
reichern werden. 


CCXCV. 
An Gleim. 
Weimar, den 7. Me 
Liebſter Gleim, ſo eben zeigt ſich un 
thet eine Gelegenheit, Ihnen ein Ex 
der neuen Ausgabe meines Oberon zu 
n. — Wie viel, und von wie vielen £ 


323 


efter Bruder, möcht’ ich mit ihnen ſchwatzen 
Snnen! Ich weiß nur zu gut, woran Sie mich 
auch unfern Muller fo freundfchaftlich has 
en erinnern laffen, daß die Reihe, Sie zu 
efuchen, an mir if. Aber, mein Befter, bes 
enfen Sie, daß meine Familie indeffen auf 
cht Kinder angewachfen, und daB die gute 
Nutter fih von ihren vier Knaben, wovon der 
Itefte erft vier Fahr alt, unmöglich auf acht 
age trennen fann. Kurz, lichfter Bruder, 
H bin nun in den hiefigen Boden eingewachs 
en. Gie find freyer, Kommen Sie zu ung, 
nd glauben Sie, daß Ihre und Ihrer Nichte 
Biedererfcheinung bey ung wie der Beſuch 
weyer mohlthätiger menfchenfreundlicher Ens 
vel feyn würde. 

Mein vortrefflicher alter Freund, leben Sie 
wohl, und behalten Sie mich lieb. Sch ums 
arme Sie von gangem Herzen. 


CCXCVI, 
An Johannes Müller. 
Meimar, den g. Juny 1781. 


Biel Gluͤcks zu der Neuigfeit, die Sie mir 
in Ihrem legten berichten, Ich kenne Caffel 


324 

nicht durch mich felbft, aber, nach allem W 
ich davon höre, muß es ein intereffanter U 
enthalt für Sie feyn. Mir iſts um fo au 
nehmer, daß Sie auf eine Art, die Jh 
Neigungen und Studien angemeffen ift, u 
fur; , wovon Sie, wie eg fcheint, fo viel? 
snügen haben, in Deutfchland,, und zwar n 
genug bey Weimar, fixirt find, daß wir ho 
fünnen, Sie einmahl mie Forftern, | 
jungen Argonauten um die Welt, bey une 
ſehen. 

Ihre Briefe über das Neuarkadiſche Sa 
land find In den May und Junius des I 
kurius vertbeilt, und alle Welt ſehnt ſich 
mir nac) der Fortſetzung. Ich ſchicke St 
bier vors erfie den May; mit dem uni 
fogenannten Sommermond wird noch erft 
Preffe ſchwitzen gemacht. 

Ih bin ganz befhämt, daß ich Sie, ſ 
ſo früh und im Eingang unferer Freundfi 
um Verzeihung einer faft unverzeiblichen N 
laßigfeie bitten muß. Wer mich kennt 
weiß, mie unmüßlg die Muße iſt, in 
ich lebe, begreift freylich um fo leichter, 
ih fo diftract vergeßlich feyn kann, als 
leider bin. Aber dieß macht bie Sache ı 


325 
er. Indeſſen iſts nun nicht zu ändern. 
9, es fam mir völlig aus dem’ Sinne, 
Sie ein Dusend aparte Abdrüde von 
en Briefen verlangt hatten; und fo Mwurs 
denn auch Feine beſorgt. Verzeihen Sie 
‚» Tieber Here Brofeffor, dieſe garflige 
hlaßigfeit, und um fie in etwas zu vergüs 
geſtatten Sie, daß ich, fobald ich dag 
nuferipe von den legten diefer Briefe habe, 
beſondere Auflage davon veranftalte, che 
e von den Korfarifchen Nachdrudern Ahnen 
mir zuvor kommt. Wenn Sie mir noch 
Eleine Zeichnung, die fich zu einem 
chen Zitelfupfee fchickte, dazu fchaffen ' 
ten, fo wollt' ich Ihnen ein gar artigeg 
flein daraus machen. Denn ohne ein 
ferchen haben die Buchhändler Eeinen Slaus 
an ein Buch, es fen Elein oder groß. 
en Sie, wie Ihnen diefer Einfall gefällt. 
folen immer fo gut, oder wahrfcheinlich 
, etwas beffer bey mir fahren, ald bey - 
gelehrten Buchhandlung in Deffau, die, 
allen ihrem guten Willen nichts als de 
ı claire macht. 


CCXCVII. 
An Ebendenfelben 


Meimar, den 13. July 


Die vor etlihen Tagen angelangte Fi 
Bung Ihrer umterhaltenden und lehrre 
Hirtenbriefe, IR mir fehr wilfonmen g 
fen; ich beforgte, Sie wurden in den « 
Wochen Ihres neuen Aufenthalts nicht < 
fo viel Zeit erfparen konnen, und da ich 
alfo nicht aufs Ungewiſſe verlaffen wollte 
durfte, fo war ich genöthige den Platz 
etwas auszufuͤllen, welghes ich lieber 
auf cinen dringendera Nothfall zuruͤckgeh— 
hatte. Ich weiß alfo nihe 0b mic R 
genug für alle uberfchichten Briefe im ge 
waärtigen Monath bieiben wird, weil 
manche? andere varietatis gralia auch 
Plaͤtzchen fordert. Auf alen Fall haben 
die Güte, nur immer frifh fortsufahren : 
athme noch einmahl fo leicht, wenn Ich ! 
rath auf ein Paar Monathe in meinen € 
niis habe. 

Mit dem größten Vergnügen werde Ich 
nähern Bericht von den Srepburgifchen U 
ben, wodurch Sie den von Herrn Schloͤz 


327 
erfiummelten ergänzen: und noch ermeitern 
wollen, in den Merkur aufnehmen. Nur 
vüunfchte ich daß Gie daraus ein befondere® 
Stud, etwa In Form eines Schreibens ah 
Jen Herausgeber des Merkurs machten, und 
damit nicht zögerten, fondern mich für den. 
Deonatd Anguft damit verfehen wollten. 
Solche Nachrichten gewinnen beym Publico 
gar viel, je balder fie fommen, zumahl dag 
was Gie Schlögern mitgetbeilt, bereits 
zedruckt iſt, und In gang Deutfchland curfirt. 
Ich bitte Ste alfo ſehr, das Eifen zu fchmies 
Den weil es noch warm If. Mich freut diefe 
Gelegenbeit, durch Ihre Hand. der Bernis 
ſchen Regierung, bie ich. vor allen Schweizes 
rifhen hochachte, ein Paar mohlverdiente 
Weyrauchkoͤrner freuen zu innen. 

Mich freut, daB Ihnen Dberon gefält, 
und auch das was Sie von Der guten Weis 
nung, womit mich ihre vortrefflicher Minifier 
von Schlieffen beehre, mir haben melden wol⸗ 
len, verdient meinen beſten Dank, Es if 
immer ſehr aufmunternd, einen princinem 
virum mehr zu wiffen, dem das gefällt, was 
wir mit Anftrengung aller unferer Faͤhlgkelten, 
in der Abfiche ung ſelbſt ein Genuͤge zu thun, 


328 


und den Edelſten und Bellen unſers Do 
zu gefallen, gearbeitet haben. 

Sagen Gie mir do, sub rosa nur m 
zwey Worten, was man dort von dem fell 
men Potpurri fagt, den der Marg. de ** 
unter dem täujchenden Nahmen hist. litt. 
Voltaire, dem Bublico mit einem ung Di 
fhen kaum begreifflihen Gelbftvertrauen aı 
getifcht hat? So viel gefunden Verſtand u 
fo viel Unfinn, fo viele Kenntniſſe und 
viel Unmiffenheit, fo viel Verwegenheit u 
alles abzufprechen, fo viel fchaale Declan 
tion, fo viel Kruditäten, fo viel Widerſpruͤt 
fo viel Wiederholungen, eine fo barodii 
Charpente des Ganzen, fo viel fchöne Stel 
im Detail, und fo viel miseres et platitu 

eyfammen in einem Buch von fünf Baͤnd 
bat doch mohl noch nie Fein Menſch, fel 
fein Tranzos und fein Marquis gu Tage 
fördert. Und was dag Schlimmſte if, 
Mann ft fo vol guten Willen, und ma 
feine Sottifen alle mit einer folchen bor 
foı, daß man unmöglich graufam genug fi 
fann, ihm was daruber zu fagen. Aber wı 
dern foll michs, menn ihms feine eigı 
Landsleute fo ungenoffen hingehen laffen. 


329 

: Sie haben fih ein fchönes Feld gu durchs 
Haufen vorgefegt, wenn Sie alle Schriftfteller : 
zwoifchen Homer und Caſſiodor durchlefen wol⸗ | 
Iefen wollen, um ſich von jedem Jahrhundert ' 
ein fo lebendiges und vollſtaͤndiges Gemälde | 
zu bilden, wie dasjenige, das wir durch Va⸗ 
ter Homer vom Trojaniſchen befommen. Die 
Arbeit ift unermeßlich, aber der Zweck groß, 
und eines Mannes von Ihrem Geifte wurdig, 
und ich freue mich berzlich zum voraus auf 
die Früchte, die wir davon einerndten werden. 

‚ Möchte es bey diefer ruhmlichen Arbeit nebens 
ber auch ihr Zweck feyn, ſich aus den vers 
fchiedenen hiftorifchen Schreibarten, Deren Mus . 
fter Sie durchlefen werden, ein Sdeal von 
Vortrag und Styl zu bilden, worin das 
verfchledene Schöne und Gute derſelben, ohne 
dag was an jedem fehlerhaft ift, vereinigt 
wäre, und möchten Sie dann fünftig, wenn 
Sie entweder Ihre Schweizer s Gefchichte forts 
feßen, oder irgend ein neues großes Werk 
unternehmen, diefem deal fo nahe fommen, 
als es per conditionem humanam möglid) 
ift! Zwiſchen Zenophon und Thucydides, glaube 
ich, liegt dag medium quod tenebit Beatus. 
Leben Sie wohl. 


0 ———— — 





321 


CCXCIII. 
Au Meme. 


Weimar, ce 9. April ı78e . 


Deux mots seulement, mon cher Monsieur! 
sour vous remercier de la vötre de Halber- 
tadt le 4/5 April, et de Pesperance, que 
'ous m’y donnes, de mettre & fin avant 
ju’il soit.peu la conclusion de notre petit 
raite. Je la desire avec toute la vivacite 
les seniimens, que m’inspire l’honttete de 
OSs procedes et lidee que j’ai concu de vos 
alens. Les leitres sur la vie pastorale des 
Jelvetiens ne peuvent pas manquer d’etre 
nteressantes. Vous m’obligerez beaucoup 
»n hätant la traduction allemande, de quel- 
jues unes de ces lettres, pour le mois de 
Mai, si faire se pourra. 

Je serais tres charme de vous voir r fixe, 
dans la capitale du grand roi, qui vient 
d’ajouter à tant de belles actions’ celle de 
souhaiter un Auguste à la literature 
allemande; souhait d’autant plus meritoire, 
puisque S. M. paroit s’interesser pour une 
«hose, qui ne lui est pas plus connue, que 
la constitution des habitans de la lune. 





ar 


Wielands Driefe III. V. —aıI 


322 
CCXCIV. 
An Voß. 


Weimar, den 16. April 17. 


Ich hoffe, lieber Herr und Freund! daß I: 
mit meiner Heinen Liſte von Pränumeranta| 
auf Ihre Odyſſee (denn ich meines Orts fan 
und will mir nun einmahl nicht mehr ang 
mwöhnen Dodüffee zu fchreiben) nicht zu [md 
fomme. Nehmen Ste mit meinem guten Wib 
len vorlieb. Hier folgt eine Anweiſung pe 
zwölf C!!) Ersmplare auf das Addreßs Comp 
toie in Hamburg. Ich münfche Ahnen de 
fundheit, froben Muth und fchönes Wett, 
nebft einer reichen Erndte von Louidd’or ji 
jeder Arbeit, womit Sie unfere Litteratur ba 
reichern werden. 





— — — 


CCXCV. 
An Gleim. 
Weimar, den 7. May ızyı 
Liebſter Gleim, To eben zeigt fich unberm 
thet eine Gelegenheit, Ihnen ein Exempls 
der neuen Ausgabe meines Oberon zuzuferi 
gen. — Wie viel, und von wie vielen Dinge 


323 


efter Bruder, möcht ich mit Ihnen ſchwatzen 
Snnen! Ich weiß nur zu gut, woran Sie mich 
urch unfern Müller fo freundfchaftlich has 
en erinnern laffen, daß die Reihe, Gie zu 
efuchen, an mir ifl. Aber, mein Beſter, bes 
enfen Sie, daß meine Familie indeffen auf 
cht Kinder angewachfen, und daß die gute 
Nutter fih von ihren vier Knaben, wovon der 
:Itefte erft vier Sahr alt, unmöglich auf acht 
Sage trennen fann. Kurz, lichfter Bruder, 
eh bin nun in den biefigen Boden eingewachs 
en. Gie find freyer, Kommen Gie zu ung, 
‚nd glauben Sie, daß Ihre und Ihrer Nichte 
Biedererfcheinung bey ung wie der Beſuch 
weyer twohlthätiger menfchenfeeundlicher En⸗ 
el ſeyn wuͤrde. 

Mein vortrefflicher alter Freund, leben Sie 
wohl, und behalten Sie mic) lieb. 3 ums 
grme Sie von ganjem Herzen. 


CCXCVI. 
An Johannes Müller. 
Weimar, deu g. Juny 1781. 


Viel Gluͤcks zu der Neuigkeit, die Sie mir 
in Ihrem letzten berichten. Ich kenne Caſſel 





325 


r. Indeſſen iſts nun nicht zu ändern. 
ug, es fam mir völlig aus dem Ginne, 
Sie ein Dugend aparte Abdrüde von 
en Briefen verlangt hatten; und fo wur⸗ 
denn auch Keine beforgt. Verzeihen Sie 
, lieber Here Profeffor, diefe garftige 
ylaßigfeit, und um fie in etwas zu vergüs 

geftatten Sie, daß ich, fobald ich dag 
wfeript von den legten dieſer Briefe babe, 
befondere Auflage davon veranflalte, ehe 
: von den Korfarifchen Nachdruckern Ihnen 
mir zuvor fommt. Wenn Gie mir noch 

Eleine Zeichnung, die fich zu einem 
chen Titelkupfer ſchickte, dazu fchaffen ' 
ten, fo wollt' ich Ihnen ein gar artigeg 
Hein daraus machen. Denn ohne ein 
feechen haben die Buchhändler Feinen Glaus 
an ein Buch, es fey Elein oder groß- 
en Sie, mie Ihnen diefer Einfall gefaͤllt. 
follen immer fo gut, oder wahrfcheinlich 

etwas beffer bey mir fahren, als by - 
gelehrten Buchhandlung In Deffau, die, 
allen ihrem guten Willen nie alg de 

ı claire macht. 


326 
CCXCVII. 
An Ebendenſelben. 


Weimar, den 13. 


Die vor etlichen Tagen angelangt 
tzung Ihrer unterhaltenden und I 
Hirtenbriefe, iſt mir ſehr willkomn 
fen; ich beſorgte, Sie wurden in t 
Wochen Ihres neuen Aufenthalts ni 
fo viel Zeit erfparen fonnen, und Da 
alfo nicht aufs Ungewiſſe verlaffen w 
durfte, fo war ich genöthigt den 
etwas auszufuͤllen, welches Ih I 
auf einen dringendern Nothfall zuriı 
hatte. Sch weiß alfo nicht ob mi 
genug für alle. überfchichten Briefe 1 
wärtigen Monath bleiben wird, «4 
manches andere varietatis gralia « 
Dläschen fordert. Auf allen Kal 5. 
die Güte, nur immer friſch fortzufal 
athme noch einmahl fo leicht, wenn 
rath auf ein Paar Monathe In mein 
niis habe. 

Mit den größten Vergnügen werbe 
nähern Bericht von den Zrepburgifchı 
hen, wodurch Sie den von Herren Sc 


327 
derfiummelten ergangen: und noch erweitern 
‚wollen, in den Merkur aufnehmen. Nur 
wuͤnſchte ich daß Sie daraus ein befonderes 

Stud, etwa in Form eined Schreibens an 
y den Herausgeber des Merkurd machten, und 
damit nicht zögerten, fondern mich für den 
g Monath Auguft damit verfehen wollten. 
‚ Sole Nachrichten gewinnen beym Publico 
; gar viel, je bäalder fie fommen, zumahl dag 
" 1as Sie Schlögern mitgetheilt, bereits 
gedruckt iſt, und in ganz Deutſchland curſirt. 
Ich bitte Ste alſo ſehr, das Eiſen zu ſchmie—⸗ 
‚ den weil ed noch warm iſt. Mich freut dieſe 
Gelegenheit, durch Ihre Hand der Berni⸗ 
ſchen Regierung, die ich vor allen Schweize⸗ 
riſchen bochadhte, ‚ein Paar wohlverdiente 
Weyrauchkoͤrner fireuen zu Eönnen. 

Mich freut, daB Ihnen Oberon gefällt, 
und auch das mas Sie von der guten Mei— 
nung, womit mich ihr vortreffticher Miniſter 
von Schlieffen beehrt, mir haben nıelden wols 
len, verdient meinen beſten Dank. Es if 
immer fehr aufmunternd, einen. principem 
virum mehr zu wiffen, dem das gefällt, mas 
wir mit Anſtrengung allee unferer Faͤhlgkelten, 
in bee Abfiche ung felbft ein Genuͤge zu thun, 





329 


Sie haben ſich ein fchönes Zeld zu durhs 


Maufen vorgefegt, wenn Sie alle Schriftfteller 
zwiſchen Homer und Caſſiodor durchlefen wol⸗ 


nun 


lefen wollen, um ſich von jedem Jahrhundert ' 


ein fo lebendiges und vollfiändiges Gemälde 
zu bilden, wie dasjenige, das wir durch Das 
ter Homer vom Trojanifhen befommen. Die 
Arbeit ift unermeßlich, aber der Zweck groß, 
und eines Mannes von Ihrem Geifte wurdig, 
und ich freue mich berzlich zum voraus auf 
die Feuchte, die wir davon einerndten werden. 
. Möchte es bey diefer ruͤhmlichen Arbeit nebens 
ber auch ihr Zweck feyn, ſich aus den vers 


.. 
—— 


fchiedenen hiftorifchen Schreibarten, deren Mus - 


fer Sie durchlefen werden, ein Ideal von 
Vortrag und Styl zu bilden, worin das 
verfchledene Schöne und Gute berfelben,, ohne 
das was an jedem fehlerhaft ift, vereinigt 


wäre, und möchten Sie dann fünftig, wenn 


Sie entweder Ihre Schweiger s Gefchichte Forts 
fegen, oder irgend ein neues großes Werk 


unternehmen, diefem deal fo nahe fommen, 


als «8 per conditionem humanam möglid) 
ift! Zwiſchen Renophon und Thucydides, glaube 


ich, liegt dag medium quod tenebit Beatus. 


Leben Sie wohl. 


0 ———— — 





331 


Ich bitte Ste nicht um Verzeihung wegen 
Diefer Mühe, die ich Ihnen verurfachen muß, 
noch wegen meiner Dffenherzigfeit, denn ich 
glaube Sie eben dadurch zu überzeugen, daß 
ich Ihr Freund bin. DBielleicht liege der ganze 
Fehler an meiner ökonomifchen Stupibdität; ich 
fcheue mich aber nicht, mich Ihnen in Natus 
ralibug zu zeigen. Vale etiam atque etiam. 


So eben empfange Ih Ihr Briefchen vom 
ı2ten dieß. Der elfte Brief, den Sie zurücd 
verlangen, folgt biebey. Er ift wirklich unter 
der Hand des Setzers; Ich will aber mit dem 
Druck inne balten laffen, bis ich ihn wieder 
von Ihnen zurüc befomme.. In diefem eilften 
Briefe iſt ein Ausdruck, um deffen Aenderung 
ich Sie bitten möchte, weil er fur ſchwache 
Brüder etwas Auffallendeg gu haben fcheint — 
er ift in folgender Stelle: 

1732. Verbot aller ausländifchen Kalender, 
denn viele derfelben waren pietiſtiſch. Was 
ift Pietiſtiſch? was benft ein Phllofoph 
dabey? — So unnaturlich finfire Phan⸗ 
tafien ummölften ben froben Sinn der Alpens 
hirten. (Diefe Farben find mir bier zu dun— 
Tel und Died aufgetragen) „feit viele Res 


332 
„formatoren, Prediger und Regenten 
„Freude verfolgten, als wäre die € 
„nur ein Gonfervatorium für tt 
„Hbimmlifhe Serufalem.“ 

Dürfe ich Eie bitten, mein beſter Herr | 
feffor, fo bliebe dlefe ganze Stelle weg, ı 
wurde umgefchmolsen. 


CCXCIX. 
An Ebendenfelben. 


Weimar, den 1. Detober ı 


Ich bin nicht geflorben, mein lieber ! 
und Freund, wie Sie, nach) meinem Ian 
durch hundert Zufaͤlligkeiten veranlaßten € 
ſchweigen billig vermuthen müßten, fon: 
ich lebe noch flarf genug, um Gie um | 
möglichfie Einfendung der Fortfegung J 
Hirtenbricfe zu bitten. Scier wäre mir 
ſchluͤpft Beſchluß flatt Fortfegung zu fchrei. 
ich hielt aber das Wort zuruͤck, damit ed n 
ganz wider meinen Willen, den Gedanken 
ihnen veranlaffe, als ob ich diefe Briefe ı 
intereffant genug fände, um Sie noch Iı 
fortgefeßt zu wuͤnſchen. Gans gewiß finde 
He intereffant und Iefe fie mit Veignuͤ 


v 333 


Das thut auch ohne Zmeifel dag liebe Publis 
Fum; indeffen bat mich doch die Erfahrung 
gelehrt, daß Ein Artikel, der etliche. Duars 
tale durch, in Kleinen Portionen aufgetifcht 
wird, für die meiften Lefer endlich die gra- 
tiam novitatis verliert. Und alfo war’ am 
Ende doch wohl consilii, diefe mit gegenmwärs 
tigem Jahrgang wenigſtens zu befchließen, und 
inswifchen aliquid novi ex Africa, oder woher 
es feyn mag, für unfere Leſer zu prepariren. 

Iſt es wahr, daß Herr Forfter Eaffel vers 
laßt, oder vielleicht fchon verlaffen hat? — Und 
wie geht es ihnen. felbft an diefem Orte, aus 
welchem, aller feiner Wunder ungeachtet, die 

Deutfchen Gelehrten wenigſtens, fich fo bald 
wieder heraus fehnen ? Qui agit Luchetius ille 
qui quondam. \- 

Wird die Preisſchrift, welche die Frage, 
den Athenienſiſchen Luxus betreffend, ſo 
gut aufgelöst haben fol, nicht gedruckt? und 
wer iſt der. Autor? Ich hatte - vor, etlichen 
Monaten eine Tentation, ein ganz Kleines - 
Wort über dieſe Frage in den Merkur zu feßen, 
um zu zeigen, daß nicht der Luxus, fondern 
die Demofratie die Stadt der Minerva zu 
Grunde gerichtet habe — aber ich ließ die ger 


334 
Iegene Zeit vorben fchlendern, und dag D 
erfiichte wieder in meinem Kopfe. 

Ich moͤchte alfo Doch wohl fehen, mas 
Meinung des Herrn If, der um den Preis 
fchrieben und ihn erfchrieben hat. Es wird! 
wohl cin Franco-Gallus, oder Gallo-Frar 
feyn. Daß ih auch ein unwuͤrdiges Eh 
glied der antiquarifchen Societat zu Caſſel 
wiffen Sie vielleicht, und dürfen alfo un 
weniger fürchten, einem Non iniliato ti 
Myiterien zu verrathen. 


| CCC. | 

Un Boß. 
Weimar, den 28. December I 
Dem Ueberfeger der Odyſſee Preis, € 
und Danf mit meinem beften Gruß! Es | 
gefchrieben, gute Menfchen ſollen die So 
nicht über ihrem Zorne untergehen laffen; 
viel mehr alfo, nicht ein Sonnenjahr! 8 
ich Ihnen vor etlichen Monaten zu Leide t| 
gefchah zwar im Unwillen über gewiſſe Di 
die ich nicht zu wiederholen brauche, weil 
fpecifice benamfet find: ob ich aber Necht c 
Unrecht gehabt Gie deswegen zu fadeln, fo 


335 
Sie, wenigſtens in etlichen Jahren, felbft ents 
Beheiden. 

Sie werden finden, daB auch folche unans 
genehme Uebergange Immer zu was gut find; 
und Wenn wir auch nur 'cautius mercari und 
Cwo nicht das Publikum) menigfiend ung 
gelbdft beffer vefpectiren lernen, fo haben wir 
mit dem bischen Kränfung unferer Eitelkeit 
ſchon genug gewonnen. In der Wahl der Augs 
Drücke hätte ich behutfamer ſeyn follen, das 
ſeh' ich jest wohl; aber damahls, da ich ſelbſt 
noch von Unmillen über die Art, wie Gie 
Ihre arabifhen Märchen dem Publifum 
angekündigt hatten, warm war, dachte ich 
nicht daran, daß gerade die, welche der Ems 
pfindlichkeit anderer Leute am wenigſten fchos 
nen, felbft am menigften leiden können, wenn 
man ein wenig: bart an fie anflößt. 

Wie dem aber auch fey, dieß iſt gewiß, 
lieber Voß, ich’ Habe Sie damabhls wie jegt, 
und jegt wie damahls, für einen Mann ges 
halten, deffen Geift, Talente und Gelehrfams 
£eit ich .chre, und der Gedanfe, Sie zu 
verachten, iſt nie In meine Seele gefommen. 
Indeſſen iſts nun meine Art, daß ich gerade 
denen, die in meinen Augen die beiten find, 





337. 
=ine einzige halbe Stunde mündlicher Befpres 
hung würde dazu mehr thun als fechs Bogen 
wzefchriebenes. Ich wollte bloß ein Fleines Zei⸗ 
shen von mir geben, oder ein wenig bey Ihnen 
sinklopfen, um ihnen felbft Gelegenheit zu 
geben, zu ſehen, wie es jetzt, nachdem die 
erſten Bewegungen ſich gelegt haben muͤſſen, 

n Ihrem Herzen, in Abſicht meiner ſtehe. Ich 
Verlange feine Antwort, wenn Sie noch immer. 
unzufrieden mit mir find, denn in diefem Fall 
kann ich nichts mehrers thun, als was ih 
fchon gethan habe. 

Leben Sie wohl, und haben Sie nochmahls 

Dank fuͤr Ihre Odyſſee, wovon ich die 
zwoͤlf beſtellten Exemplare richtig erhalten habe. 


CCCI. 
An Sletim 


Weimar, May 1782. 


Mein theuerfieer Bruder Gleim! Wenn feit 
vier Wochen jeder Gedanfe an Sie ein Brief 
getworden wäre, Sie wären mit Briefen von 
Ihrem Wieland überfchwenmt worden! — Aber 
ich verlangte nur einen einzigen, werden Gie 
fagen, und auch diefen einzigen vergebene zu 

KWictande Briefe LIT, B. 22 


339 

Beichichte und Anekdoten fo reichlich übergoß, 
Daß man zulegt gar nicht mehr wußte, wohin 
Damit, und mie ein angefülltes Gefaͤß alles 
was in ung gegoffen wurde, mieder ablaufen 
laffen mußte. Nun iſt's, feit acht Tagen, dee 
nicht weniger beruhmte M. de Nilloifon, 
Der unmittelbar von Venedig fommt (wo er 
viertehald Jahr In der St. Marfug ; Hibliothek 
gelebt hat) um unfern Herzog, mit dem er, 
fett ihrer. perfünlichen Bekanntfchaft in Parig, 
in Correfpondenz iſt, zu befuchen, und fo lange 
bey ung zu bleiben, big Er auggeleert und 
wir ausgefogen find. Dieſer Villoiſon ift 
ein wahres Prodige von Philologie, Sprachs 
fenntniffen, Belefenbeit, griechifcher, morgens 
Iändifcher und italiänifcher Litteratur — dabey 
einer der lebhafteſten Menfchen, die ich je ges 
ſehen, aͤußerſt behaglich, heiter und aufges 
raumt, ohne einen Zug in feinem Geficht, 
woraus man nur ahnen fünnte, daß er viertes 
Halb Jahr in der Marcus s Bibliothek. gefchwigt 
und gefroren hatte, um alte Kommentatoren 
Homers zu copiren, und Ercerpte aus griechis 
fchen, Hebräifchen und arabifchen Handfchrifs 
ten zu machen ıc. 

Sie koͤnnen fih nun leicht vorſtellen, wie 


342 

zufammengenommen faum jwanzig J« 
len? Unfer Haus ift eine Fleine Welt 
gemorden, mo unfre Gegenwart unen 
ift. Aber Sie, beiter Sleim, Sie hat 
ſolchen Hinderniffe. Kommen Sie ; 
und derfuchen einmahl, wie ſich's In 
Haufe lebt, wo alle Augenbliche aus 
einem Winkel ein ander Buübchen cdı 
cheu, auf dag man nicht gerechnet ha 
vorgekrochen fomnit. 

Inzwiſchen, mein Befter, fende id 
an meiner Statt, meinen Horaz — ı 
bersluhen Wunfche, daß er Ihnen, i 
Art, fo wohl ſchmecken möge, ald u 
Kidiseyer! Addio, und nochmahl Ad 
Ihrem ganz eignen W. 


CCCI. 

An Frau General⸗Guperinten 

Herder. 
Weimar, M 
Liebenswuͤrdige, beſte Freundin, we 
heitern Morgen macht mir, bey bie 
Dumpfen Wetter, Ahr freundliches 8 
und der herrliche Beytrag Ihres Herbi 


> 


343 


„ann Ihnen nicht ausdrucken, wie viel Freude 
Ich daruber habe. Das Stud von 9. ift uns 
Augbar ein Föftliches Werf, Ambrofia für eine 
Hoͤttertafel — und es konnte wahrlich nur von 
.d. für ung deutſche Leckermaͤuler zubereltet 
"werden! — Kurz, liebe Frau, ich kann Ihnen 
and Ihrem vortrefflihen Mann meine Dank⸗ 
barkeit nicht genug ausdrücen. Ach bin lange 
nicht fo angenehm überrafcht worden, als da 
"ich diefen Morgen in mein Stübchen trat, 
‚und Ihr verfiegeltes Päckchen fand und öffnete. 
"Denn geftern wurde der ganze Nachmittag und . 
"Abend bey der Herzogin Mutter zugebracht, 
welche bis fünf Uhr ganz allein blieb. 

Meine Frau gratuliert zur Entwöhnung der 
fleinen holden Louiſe, und fobald das Wetter 
und die Straßen wieder practicabel find, wer⸗ 
den wir fommen, und und ohne Furcht vor 
Ueberdruß (ne deplaise au seigneur H.) 
an Ihrem Anfchauen laben. 

Mit vollem Beyfal und Dank koͤmmt bier 
auch Perfius zuruͤck. Bey etlichen Verſen 
babe ich auf der Seite einen Punkt gefegt, 
deffen Meinung H. leicht errathen und gütigft 
zum Beſten deuten wird, Ich wuͤnſche ſehr 
daß es Ihm Vergnuͤgen mache, dieſe Arbeit 





845 
ınten mir beyderſeits geflorben und begra⸗ 
I, ja bereits In Verweſung gegangen feyn, 
te daB der uberlebende Theil ſich etwas das 
ı traumen ließe. 

Sch meines Orts fchlage mich feit funf Tas 
ı mit einem dummen Fieber herum, fonft 
er ih in Perfona gefommen, ihnen die 
wort meiner Hälfte und zugleich meine 
ne Noth refpective zu binterbringen, und 
s und wehmuͤthig vorgutragen. Es flieht 
ir wieder auf guten Befferungswegen mit 
*, aber noch nicht auf guten Fuͤßen. Sch 
heine alfo einsweilen fchriftlich, und berichte, 
mo, Nahmend meiner Domina, (welche 
te auch wieder Salz geſchluckt hat) daß fie 
einer Menge wohlbedächtlicher und mweifer 
mde, welche mit Gelegenheit mündlich. des 
lirt werben ſollen, toeder für fich felbft 
) für Sie rathfam finde, fich dem bewuß⸗ 
Flachsgefchäfte zu unterziehen. Ob die 
nde ale fo'gut find, als meine Frau 
ıbt, kann ich als ein Laye und Idiot nicht 
‚etheilen: aber da meine Dame die Pras 
tion der bauslichen Weisheit für fich hat, 
iin Ich geneigt zu glauben, daß Ihre bes 
en Grunde feiner Zeit auch von ihnen 





347 


Snubis! in den Kapusiner s Suppentopf greis 
wen, und das wäre freplich eine harte Buße. 
>30 viel, liebe Frau, mit noch Fränklicher 
Hand, zur Nachricht. Leoen Sie wohl, taus 
end Dank für Alles Liebreiche in Ihrem Bils 
‚et an meine Frau, von welcher Sie herzlich 
gegruͤßt werden. Wir wünfchen zu Ihrer Eur 
den vollftändigften Effekt, und verbleiben Ihnen 
mit aller Liebe und Freundfchaft von ganzem 
Herzen wohl beygethan. 


ccciv. 
An Ebendiefelbe.. 
Ohne Datum. 


Empfangen Ste, befte und liebfte Freundin! 
meinen herzlichen Dank für das neue, ſehr 
willfommne Zeichen Ihrer Freundfchaft, das 
ich geftern Abend erhalten habe, Sie können 
fih vorfielen, mit welcher Begier ich mich 
von Allem losriß, um meinen Geiſt an biefer 
vor Ihm aufgehenden neuen Gedankenfchös 
pfung zu meiden. Ich ſehe an diefen drey 
Büchern die Grundlage und die erſten Strebes 
pfeiler zu einem immenfen und boch durch die 
(höne Einheit feines Planes überfehbaren 


243 

Werke eines philoſophiſchen Palladio; ich ak 
allerdings etwas von dieſem Plan; aber, 
reichlich mit dem großen Mobile oder vielnmt 
. der großen Hemmkette der Geifterwelt, Tra 
heit genannt, begabt wie Ich bin, verla 
much doch unausfprechlich, dieſes prächtige p: 
latium mit meinen lieblihen und geiftigen ! 
gen ohne Hilfe der Divinationskraft zu befcha: 
zu dDurchwandern und Indem ich aug frin 
Mittelpunkt die kuͤhne, kraftvolle und ſchi 
Verbindung der Theile zu Einem glorio 
Ganzen anflaune, meine Bewunderung u 
Liebe wenn 68 erlaubt iſt, fo zu reden) } 
ſchen der Gottheit, die in diefem Tempel t 
ehrt wird, und dem Baumeiſter Deffelben 
theilen. 

Andachtigere Wünfche find noch nie für 
Vollendung eines Menſchen⸗Werkes zum Hi 
mel aufgefchickt worden, als die Meint; 
für dieſes! 

Das Mehrere, mwenn’s mir endlich einm: 
twieder fo gut werden wird, Sie befuchen 
fönnen: — wornach mich fehr verlangt. 

Geftern brachte ich ein Paar berzerhöher 
Abendflunden bey Ihrer Herzogin gu. | 
iſt eine vortreffliche Frau. Laſſen Sie d 


349 


Abren Mann, deffen Genius alles möglich ift, 

in Wort für die Art von Liebe erfinden ‚bie 

cqh fuͤr dieſe Art von Weibern empfinde, die 
RK. immer mit einee Art Cärgern Sie fi 
nicht über ale diefe Arten) von Roͤmiſch 
Katholiſcher Marianifcher Andacht und mit eis 
‚nem Salve regina, oder Eya, mater, fons 
‚am oris begrüßen möchte, fo oft ich Ihnen mich 
nähere — und wenn e8 auch nur, mie jegt, 
durch) ein Stuͤckchen Papier wäre. Die Meis 
nige grüßet und umarmet Sie von Herzen. 
Und fo leben Sie wohl, meine Geliebten, und 
bleiben immer fur Shren Wieland, was Sie 
ihm find, feitdem er Sie fennt. 


CCCV. 
An den General Superintendent 
Herder 
Ohne Datum. 
Ich athme noch einmahl ſo leicht „beſter 
Herder! Seit dem ich Ihre eigne Hand und 
Unterſchrift zum Pfande habe, daß Sie mit 
der bewußten Recenſion nicht ganz unzufrieden 
ſind. In ſo weniger Zeit war es unmoͤglich 


350 
eine andere zu erhalten. Es ift aber \ 
tourdig mehr auf den gutin Willen und 
Herz ald auf das Dpfer felbft zu fehen. 
lefe Ihr Buch ohne Aufhören und fange 
mer wieder von.bvorne an, wenn ich dam 
Ende bin, aber je mehr ich e8 leſe, je 
ger kann Ich e8 — recenfiren. Es wäre 
(tie ich geftiern Ihrer Frau fagte) geradı 
ob ich die Natur felbft recenfiren ſollte. 
Der befcheidne Titel hat zu allem € 
noch in einen.befcheidnern verwandelt 
den koͤnnen, Dank ſey der geneigten Er 
rung, die noch zu rechter Zeit kam. 


zeigt, a Birrısa! 


CCCVI. 
An Frau Präfidene Herder, 
Ohne Datım. 
Liebfte Sreundin, meine gufe Frau, um 
Sie mit fchwerterlichee Lebe und herzli 
Danf für die Gute, welche Sie haben mi 
bey der keutigen Feyerlichkeit *) Ihre Mı 


*) Vermuthlich Confirmations⸗Feyer eines ka 
Kinder. 


351 


Seelle zu vertreten. Denn wiewohl es vielleicht 
zr0c) ein paar Tage mit Ihr halten kann, fo 
Iſt doch in ihren Umſtaͤnden hoͤchſt nothwendig 
„ale Ruͤhrungen bey ihr zu vermeiden. Ich habe 
‚„»iefen Morgen ein Beyſpiel davon geſehen, 
„welches mich auf's neue hievon überzeugt bat. 
Ich ſelbſt werde mit Geift und Herz gegens 
waͤrtig feyn, und dieß ift genug. Unverfälfchte 
und ewige Freundfchaft die ich Ihrem Herder 
Ihnen und allem was von Ihnen flammt, 
im Grunde meines Herzens von neuem weihe 
und gelobe, ift dag Einzige, womit ich aller 
Ihrer Güte und Liebe für die meinigen ants 
worten kann. ch habe feine Worte für daß, 
was ich fo innigft fühle. 

Jetzt iſt mir faſt unbegreiflich wie ih ge⸗ 
ſtern Abend ſo dumpf ſeyn konnte, Ihnen, 
beſte Freundin, ſo lange und mit ſo wenig 
Ruͤckſicht auf Ihre noch ſo zarte Geſundheit, 
laͤſtig zu ſeyn. Warum haben Sie mich doch 
nicht in Zeiten fortgejagt? Beruhigen Sie mich 
(und der Himmel gebe, daß Sie eg mit Wahrs 
heit thun Ffünnen) nur mit zwey mündlichen 
Morten durch meine Kinder, über Ihr Befins 
den, denn Ich angfligte mich mit der Zucht, 


352 

daß der Inhalt unferer Gefpräche S 
angegriffen Haben möchte, und Fann ı 
Unbefonnenhelt nicht vergeben. 


CCCVII. 
An Sletm. 
Weimar, den 9. Au 


Sie mwiffen, befter Gleim, daß b 
berg freudigen Epochen auch alle G— 
eröffnet werden, und allen Verbrechei 
ertheilt wird. Laſſen Sie die Anfun 
beften Surftin, deren Nahme fchon 
den Mufen heilig iſt, eine folche Epo 
und ertbeilen Sie, um der Freude d 
ges willen, dem faumfeligfien aller Il 
refpondenten, aber der darum nicht 
einer ihrer mwärmfien Freunde iſt uni 
Gnade und Generalpardon. 

Ich muß abbrechen. Die Herzogin ı 
Ueberbringerin dieſes Briefchens fey: 
ich weiß, fo arm ed an fich ſelbſt iſt, 
Umftand wird es meinem Gleim un 
machen. Ich umarme Sie kaufendma 
halten Sie, mit allen feinen Unarten 

Ihren alten Freund und 


m. 





Ä 859 
cceVEl. 
R An Zimmermann. 
Weimar den 19. Merz 1784: 


Es iſt, wie ich wohl fühle, etwas laͤcherli⸗ 
ches, daB eine bande joyeuse nad) Weimar 
fommen muß, um mir,.bem trägfien und uns 
regelmaͤßigſten aller Brieffteler In. Europa , 
nach mer weiß mie vielen Jahren endlich eins 
mabl’eine Gelegenheit zu geben, an ben erften 
meiner noch lebenden alten Steunde zu fehreis 
Ben. Aber, sic visum superis; und für 
Sie und mich iſts am Ende auch wohl fo 
ziemlich einerley, ob eine Comedianten s Gefells 
fchaft oder ein Eonfiftorium, ein Generals Felds 
zeug s Meifter oder ein Signor Bellomo die 
Meranlaßung darreicht, daf Sie einen uners 
warteten fchriftlichen Befuch von Ihrem Wie⸗ 
Yand erhalten. Ich will alfo, ohne Sie mit 
einem längern Vorbericht aufzuhalten, fogleich 
zu der Sache fommen, die ich Ihnen vorzus 
tragen babe. Der befagte Here Bellomo if 
p- t. Directene einer deutfhen Schaufpieler 
Sefenfchaft, die, fo wie mir fie durch einen 
dreymonathlichen Aufenthalt bey ung in Wels 
mar haben fennen lernen, feine von den ſchiech⸗ 

Wielands Briefe LEE, 8 23 - 


354 


teſten iſt, welche dermahlen im Heil.Röm.) 
herum zu ambuliren genoͤthigt ſind. Er 
einige sujets, die gewiß nicht zu verachten 
und einige, aus welchen etwas ſehr Gutes 
den kann. Seine Frau, die, (ſo wie er ſi 
eigentlich Italleniſcher Abkunft, aber dod 
deutſchen, wenigſtens der Wienerif 
Sprache maͤchtig iſt, iſt die ſchoͤnſte Sti 
und die beſte Saͤngerin, die ich auf 
deutſchen Schaubuͤhne jemals gehört 
Und dieß ſetzt ihn in den Stand, die Ue 
tzungen, die wir von den beſten Italien 
comiſchen Operetten haben, vielleicht 

als irgend ein andrer Impresario ſeinei 
zu geben. Kurz, feine Geſellſchaft Ha: 
Erwartung, die wir ung von einer tı 
ambulante machten , weit übertroffen, uni 
ber auch, während ihres dreymonathlicher 
figen Engagements alle mögliche gute Au! 
me vom biefigen Hofe und Publiko genı 
Herr Belomo felbft ift zwar Fein Schaufp 
aber ein ſehr huͤbſcher, durch feine Perfon 
fein ganzes Aeußerliches fich ſehr empfe 
ber Mann: und ein Umſtand, auf den 
vorzüglich mit Wahrheit appupiren Kann, 
daß alle feine Leute, Männlein und Fraͤ 


353 


©) fehr unbefcholten aufgeführt, und durch 
Rn ganzes Betragen, ohne Ausnahme, nice 
ar Meder zu Klage noch Scandal Anlaß ges 
ben, fondern als gefittete, befcheidene und 
. foro soli unfträfliche Leute, fich, meines 
Ziffens, allgemeine Achtung erworben haben, 
50 viel von diefen wackern Hiftrionen zum vors 
ugs, um Ihnen, liebfter Zimmermann, begreifs 
ch zu machen, warum ich mic) einiger Maßen‘ 
ir ihr ferneres Unterfommen Intereffire, und 
icht erröthe, auch die Beyhuͤlfe eines Mans 
e8 mie Sie, zu diefem Ende, im Nahmen 
es Herrn Belomo zu imploriren. Man iſt 
ter fo wohl mit ihm und feiner Teuppe zufrlea 
en, daß fie fchon zum voraus wieder auf 
anftigen Winter engagirt find: Da es aber 
un darum zu thun tft, daß dieſe Leute in 
en nächfien fieben oder acht Monathen fubfis 
Iren Eönnen: fo ift, neben einigen andern 
Irten, too er bereits Erlaubniß bat, fein Aus 
enmerf auch auf Ihr berühmte Leines Achen 
richtet, vo ihm Here Hofrath Heyne, dem 
ſich in eigener Perfon empfohlen, die befte 
offnung gegeben hat, in fo fern nur von dee 
Iannöverfchen Regierung aus, die Veranlaſ⸗ 
ing und Anfrage bey dem academifchen Ses 


347 


Sinubis! in den Kapuziner s Suppentopf greis 
zen, und Das wäre freylich eine harte Buße. 
-Bo viel, liebe Frau, mit noch kraͤnklicher 
wdand, zur Nachricht. Leoen Sie wohl, taus 
end Danf für Alles Liebreiche in Ihrem Bils 
set an meine Frau, von welcher Sie herzlich 
Jegrüßt werden. Wir wünfchen zu Ihrer Eur 
den vollftändigften Effeft, und verbleiben Ihnen 
mit aller Liebe und Freundfchaft von ganzem 
Herzen wohl beygethan. 


CCCIV. 
An Ebendiefelbe.. 
Ohne Datum. 


Empfangen Sie, befte und liebfte Freundin! 
meinen berzlichen Dank für das neue, fehr 
mwillfommne Zeichen Ihrer Freundfchaft, das 
ich geftern Abend erhalten habe. Sie können 
ſich vorfielen, mit welcher Begier ich mic 
von Allem logriß, um meinen Geift an diefer 
por ihm aufgehenden neuen Gedankenfchös 
pfung zu meiden. Sch febe an diefen drey 
Büchern die Grundlage und die erfien Strebes 
pfeiler zu einem immenfen und doch durch die 
fhöne Einheit feines Planes uͤberſehbaren 


243 


Werke eines philofophifhen Palladio; ich aM 
allerdings etwas von dieſem Plan; aber, | 
reichlid) mit dem großen Mobile oder vielm 
. der großen Hemmfette der Geiſterwelt, Tri 
heit genannt, begabt wie Ih bin, vera 
mich doch unausfprechlich, dieſes prächtige F 
latium mit meinen lieblihen und geiftigen‘ 
gen ohne Hilfe der Divinationskraft zu befcha 
zu durchwandern und Indem ich aus fi 
Mitteipunft die fühne, kraftvolle und fd 
Verbindung der Theile zu Einem glori 
Ganzen anflaune, meine Betounderung 

Liebe (wenn 68 erlaubt iſt, fo zu reden) 
ſchen der Gottheit, die in diefem Tempel 
ehrt wird, und dem Baumeiſter beffelber 
theilen. 

Andaͤchtigere Wuͤnſche ſind noch nie fuͤr 
Vollendung eines Menſchen⸗Werkes zum $ 
mel aufgeſchickt worden, als die Mein 
fuͤr dieſes! 

Das Mehrere, wenn's mir endlich einn 
wieder fo gut werden wird, Sie befuchen 
können: — mwornach mich fehr verlangt. 

Geftern brachte ich ein -Paar herzerhoͤh 
Abendftunden bey Ihrer Herzogin zu. 
ift eine vortreffliche Srau. Laſſen Sie 


349 


Ihren Dann, deſſen Genius alles möglich ift, 
„in Wort für die Art von Liebe erfinden, die 
9 für diefe Art von Weibern empfinde, die _ 
ech immer mit einer Art (aͤrgern Sie ſich 
aicht uͤber alle dieſe Arten) von Roͤmiſch 
Latholiſcher Marianiſcher Andacht und mit eis 
‚nem Salve regina, oder Eya, mater, fons 
‚amoris begrüßen möchte, fo oft ich ihnen mic 
‚nähere — und wenn es auch nur, mie jeßt, 
durch ein Stückchen Papier wäre. Die Meis 
nige grüßet und umarmet Gte von Herzen. 
Und fo leben Sie wohl, meine Geliebten, und 
bleiben immer für Shren Wieland, was Sie 
ibm find, feitdem er Sie Tennt. 


CCCV. 
An den General Superintendent 
Herder 
Ohne Datum. 
Ich athme noch einmahl fo leicht, befter 
Herder! Seit dem ich Ihre elgne Hand und 
Unterfchrife zum Pfande habe, daß Sie mit 


der bewußten Necenfion nicht ganz unzufrieden _ 
find, In fo weniger Zeit war es unmöglich 


350 
eine andere zu erhalten. Es ift aber Si 
twurdig mehr auf den guten Willen und! 
Herz ald auf das Opfer felbft zu fehen. : 
leſe Ihr Buch ohne Aufhören und fange 
mer toleder von. vorne an, wenn ich damil 
Ende bin, aber je mehr ich es leſe, je w 
ger kann ich e8 — recenfiren. E8 wäre 
(nie ich geftern Ihrer Frau fagte) gerade 
ob ich die Natur felbft recenſiren ſollte. 
Der befcheidne Titel hat zu allem Gl 
noch in einen befcheidnern verwandelt ı 
den konnen, Dank ſey der geneigten Erüı 
rung, die noch zu rechter Zeit kam. 


zeigt, w Birrısa! 


CCCVI. 
An Frau Präafidene Herder. 
Ohne Datum. 
Liebſte Freundin, meine gute Frau, uma 
Sie mit ſchweſterlicher Lebe und herzlic 
Dank für die Guͤte, welche Sie haben wol 
bey der heutigen Feyerlichkeit ) Ihre Mu: 


*) Vernmutblich Confirmations⸗Feyer eines ka 
Kinder. 


351 


Felle zu vertreten. Denn wiewohl e8 vielleicht 
„noch ein paar Tage mit Ihr halten kann, fo 
if doch in ihren Umftanden hoͤchſt nothwendig 
alle Ruͤhrungen bey ihr zu vermeiden. Sich habe 
„Diefen Morgen ein Beyfptel davon gefehen, 
„welches mich auf's neue hievon überzeugt hat. 
Ich ſelbſt werde mit Geift und Herz gegens 
„mwärtig feyn, und dieß ift genug. Unverfälfchte 
„und ewige Freundſchaft die ich Ihrem Herder 
Ihnen und allem was von Ihnen flammt, 
‚im Grunde meines Herzens von neuem weihe 
‚und gelobe, ift dag Einzige, womit ich aller 
Ihrer Gute und Liebe für die meinigen ants 
worten Fann. Sich habe Feine Worte für dag, 
was ich fo innigft fühle. 

Jetzt iſt mir faſt unbegreiflich wie ich ge⸗ 
ſtern Abend ſo dumpf ſeyn konnte, Ihnen, 
beſte Freundin, ſo lange und mit ſo wenig 
Ruͤckſicht auf Ihre noch ſo zarte Geſundheit, 
laͤſtig zu ſeyn. Warum haben Sie mich doch 
nicht in Zeiten fortgejagt? Beruhigen Sie mich 
(und der Himmel gebe, daß Sie es mit Wahırs 
heit thun fönnen) nur mit zwey mündlichen 
Worten durch meine Kinder, über hr Befins 
den, denn Ich angfligte mich mit der Sucht, 


354 

geften iſt, welche beemahlen im Heil. Roͤm. KA 
berum zu ambuliren genöthige find. Er W 
einige sujets, die gewiß nicht zu verachten ſu 
und einige, aus welchen etwas ſehr Gutes m 
den fann. Seine Frau, die, (fo wie er fe 
eigentlich Italleniſcher Abkunft, aber doch! 
deutſchen, wenigſtens der Wieneriſch 
Sprache maͤchtig iſt, iſt die ſchoͤnſte Stim 
und die beſte Sängerin, die ich auf e 
dDeutfchen Schaubühne jemals gehört hi 
Und dieß fegt ihn In den Stand, die Lebi 
gungen, die wir von den beften Sitalienii 
eomifchen Dperetten haben, vieleicht b 
als irgend ein andrer Impresario feiner 
zu geben. Kurs, feine Gefenfchaft Hat 
Ermartung, bie Wir ung von einer trc 
ambulante machten, weit übertroffen, und 
her auch, während ihres dreymonathlichen 
figen Engagements alle mögliche gute Aufı 
me vom biefigen Hofe und Publifo geno 
Herr Bellomo felbft ift zwar fein Schauſpi 
aber ein ſehr huͤbſcher, durch feine Perfon 
fein ganzes Neußerliches fich fehr empfel 
der Mann: und ein Umfland, auf den 
vorzüglich mit Wahrheit appupiren kann, 
daß alle feine Leute, Männlein und Fraͤu 


353 


S fehr unbefcholten aufgeführt, und durch 
K> ganıee Betragen, ohne Ausnahme, nicht 
Re weder zu Klage noch Scandal Anlaf ges 
Ben, fondern alg gefietete, befcheidene und 

foro soli unfträfliche Leute, fi, meines 
Siffens, allgemeine Achtung erworben haben. 
»o viel von diefen wackern Hiftrionen gum vors 
us, um Ihnen, liebfter Zimmermann, begreifs 
ch zu machen, warum ich mich einiger Maßen 
uͤr ihr ferneres Unterfommen Intereffire, und 
icht erröthe, auch die Beyhuͤlfe eines Mans 
8 wie Sie, zu dieſem Ende, im Nahmen 
es Herrn Bellomo zu imploriren. Man iſt 
ter fo wohl mit ihm und feiner Touppe zufrie⸗ 
en, daß fie ſchon zum voraus wieder auf 
unftigen Winter engagirt find: Da es aber 
un darum zu thun tft, daß diefe Leute in 
en nächfien fieben oder acht Monathen fubfls 
Iren koͤnnen: fo iſt, neben einigen andern 
Irten, mo er bereits Erlaubniß bat, fein Aus 
enmerf auch auf Ihr beruhmtes Leines Achen 
erichtet, wo ihm Herr Hofratb Heyne, dem 
e fi in eigener Perfon empfohlen , die befte 
Yoffnung gegeben hat, In fo fern nur von der 
yannöverfchen Regierung aus, die Beranlafs 
ung und Anfrage bey dem academifchen Ges 


356 
nat deßwegen gemacht würden. Da ı 
Umftände dem Herrn Bellomo nicht : 
ſelbſt nach Hannover zu reifen, und er a 
Anſuchen an die dortige Regierung fd 
gelangen laffen muß; fo iſt es ihm al 
angelegen, belehrt zu feyn, an wen er 
Diefem Ende menden, und wie er es aı 
sen babe, um zu Hannover die gem 
Verguͤnſtigung und Beförderung feiner 
tion zu erhalten. Er bat mich um ei 
»fehlungsfchreiben an einen dortigen ! 
gebeten, welcher etwa mir zu lieb bie 
haben möchte, theild ihm dieſe Belehr 
verfchaffen,, theilg ihn und feine Angele 
ten andern Perfonen von Einfluß zu e 
len; und da ich ihm feine Bitte nich 
abfchlagen möchte, an wen, mein alter 
und Gönner, hätte ich mich fonft ı 
fönnen, als an Sie? Das Wort Ha 
erweckt bey mir nur zwey Ideen: Daß 
Aufenthalt meines Freundes Zimmermar 
bie Vaterſtadt unfrer Frau von Werth 
Die legtere hat mir verfprochen, daß fie 
Belomo an Ihre Verwandte, bie Frau 
von Bufche, empfehlen wolle; welche, : 
e fagt, Em. Liebden befondere Wer 


357 


R. Deſto beffer! durch Damen, Aerzte und ) 
Beichtoäte tft in diefer Welt alled möglich zu- 
haben. Da die gegentwärtige Sache ſich nicht 
o recht für dag forum poli qualificieen will, 
“ glaube ich die Unterflüßung irgend eines 
dgeiftlichen Herren dieſesmahl entBehren zu 
Mönnen, und durch die bloße vereinigte Medias 
ton der Dame und Des Arztes zu reuffiren. 
Es iſt alfo nun Ihre Sache, mein Befler, 
dafür zu forgen, daß ich mir von Ihrem Eins 
Fuß und Ihrer Gefchiclichkeit, die Herzen dee 
Sterblihen zu Ienfen, feinen zu großen Bes 
geiff gemacht haben möge. — 

Darf ih Sie, bey Gelegenpelt der zwey 
erwaͤhnten Damen, im Vorbeygehen fragen: 
was die Schattenriffe edler deutſcher 
Srauenzimmer zu Hannover für eine Sens 
fation gemacht haben,’ und ob die dortigen 
Hohen Sjntereffenten gemeint find, diefe oͤffent⸗ 
lihe Schmach in flilifchweigender Geduld zu 
fragen, oder was die dortigen Verehrer und 
Sreunde der fchönen und biedern Damen, 
über den albernen, aber von dem laͤcherlichſten 
Eigendünfel aufgeblafenen Philiftee, der unſre 
ehrlichen beutfchen Weiber und Töchter auf 
eine fo fchnöde Weife vor dem Publico ent« 


358 


ſchleyert, beſchloſſen haben. Ich fehe di 
opusculum ale da3 non plus ultra des ged 
fhen Aberwitzes an, der fett einigen Je 
rel auf unfre deutfhen Plattköpfe gefallen | 
Auch dieſe Stunde bat euer Lavater auf fein 
Gewiſſen, er, der das Dumme Autorvolf mi 
al3 irgend ein anderer fündigen gemacht be 
Die bieligen bey der Sache intereflirten Z 
men laffen ich ſtark anmerken, daß fie ger 
fäsen, wenn der deutſche Merfur fie an de 
eienden Verfaſſer der Schattenriffe rad 
wollte. Aber mid dünft, es harte, um mı 
als einer Urfache willen, feine rechte A 
wenn Ich meine Hand unmittelbar gegen eiı 
fol hen Burfihen aufheben wollte. Kennen € 
denn niemand In Hannover, der ritterlich 
nug für die fchönen und biedern Damen 
ſinnt if, um fih, inelnem Schreiben 
den Herausgeber Des deutfhen M 
kurs, Ihrer fo ſehr gekraͤakten Beſcheidenh 
und Zucht anzunehmen? Man koͤnnte erſt etn 
Allgemeines uber die mancherley Albernheit 
Die de: pruritus scribendi bey unfern dumn 
ungen hervorbringt, fagen, und dann gı 
natuͤr!ich auf dieſes abgeſchmackteſte unter al 
zeſchmackten Produkten dee deutfchen Dulı 


359 


nmen, und den Verfaſſer fo handhaben, 
6 ihm die Luft zu einem zweyten Hefte vers 
ıge. Ich weiß wohl, daß ich einen folchen 
ꝛief an mich felbft fchreiben koͤnnte; aber, 
t einem Worte, ich babe Feine Luft dazu, 
d in der That gehen mir fo viel andere 
nge im Kopfe herum, daß ich die Laune, 
: Dazu gehört, um fo etwas gut gu mas 
n, nicht in mie finde. — Ihnen — lieber, 
nmermann, Mage ich nicht etwas zujumus 
n; aber dag weiß ich wohl, vor zwanzig 
hren würde fo ein Champion der Damen, 
: Sie waren, bey einer folchen Gelegenheit - 
be ruhig geſeſſen ſeyn. Verzeihen Sie Ih⸗ 
alten Freunde, der unter andern Alters⸗ 
wachheiten auch ſchwatzhaft iſt, (was er zwar 
mer ein wenig war) dieſen langen Brief 
l unbedeutenden Inhalts, und laſſen Sie 

: bald ein kleines Merkzeichen ſehen, Daß 
e ihn noch lieben, ihn, ber Sie ewis lie⸗ 
ı und verehren wird. | W. 


368 
CCCIX. 
An Gheim. 


Weimar, den 9. Mai 


Mein beſter Gleim, empfangen Sie 
neue Taſchenausgabe der Spiele oder ? 
oder Spielmerfe, oder wie e8 die Weite: 
nennen wollen, ihres alten Freundes 
land, — ale eine kleine Wiederlage f 
Epifteln, für welche ich ihnen meinen 
ften Dank und Beyfall zu lange fehult 
blieben bin! — mit Ihrer gewohnten 
und glauben ie, mein Beſter, daß 
mein Gleim und die Wenigen Deren 
und Her; dem feinigen vermande iſt, 
Blumen und Früchten meines Fleines 
gartend MWohlgefalen finden, fih an 
Mohlgeruch ergögen, oder an ihrem erfi 
den Safte laben, daß alddann mein poı 
Ehrgeig in feinem ganzen Umfange bef 
ift, und daß mich weder das Superciliu 
Afterweifen, noch Die Geſchmackloſigke 
ſers Publikums, noch die Biſſe eines 
Pantilius nur einen Augenblick in der 
denheit ſtoͤren koͤnnen, womit Freun 

d Unſchuld und gewogene Hausgoͤtte 


361 


Ices ante omnia Musae den Herbſt meines 
eng. befeligen. 
Das ganze Haus Ihres Wielandg befindet 
wohl, mein/beſter Bruder, und da es 
nbar unmoͤglich iſt, daß er, gleich einem 
triarchen, an der Spige 'einer fo zahlrei⸗ 
n Familie, zu Ihnen nad) Halberſtadt 
Ufarhte; und es gleichwohl (wie alle 
optae befennen)t ein recht fchöner herzers 
yender Anblick feyn fol, diefes ganze Wies 
difhe Völflein mit Einem Bli zu übers 
en: was hält dann meinen Sieim und feine 
hie ab, zu Ihrem Bruder Wieland, zu 
er Schwerter Wielandin berüber zu rollen, 
» indem Sie ung einige goldene Tage der 
undfchaft fchenten, ung gluͤcklicher zu mas 
1, und‘ felbft glücklicher zu feyn? — Wins 
Sie mir ein gewogenes Ja berüber, und 
e follen unfee Haus mit Mayen gefchmürke 
ven, und von einem ganzen Trupp. under« 
ichter Kinder der Natur mit AJubelgefchren 
geholt und empfangen werden! Halten Sie 
th mit unfrer theuren @leminde, lieber 
uder, und — well doch Göttern und Dichs 
n ales möglich) if, fo laffen Sie ja dieß⸗ 


352 

daß der Inhalt unferer Gefprache Sie zu 
angegriffen haben möchte, und kann mir ı 
Unbeſonnenheit nicht vergeben. 


CCCVII. 
An Gleim. 
Weimar, den 9. Auguſt. 


Sie wiſſen, beſter Gleim, daß bey b 
ders freudigen Epochen auch alle Gefän; 
eröffnet werden, und allen Berbrechern G 
ertheilt wird. Laſſen Sie die Ankunft u 
beften Fuͤrſtin, deren Nahme fchon fo | 
den Mufen heilig if, eine folche Epoche | 
und ertheilen Sie, um der Freude dieſes 
ge8 willen, dem faumfeligfien aller Ihrer 
refpondenten, aber der darum nicht mı 
einer ihrer waͤrmſten Freunde iſt und bl 
Gnade und Generalpardon. 

Ich muß abbrechen. Die Herzogin wil ı 
Veberbringerin diefes Briefchens feyn — 
ih weiß, ſo arm es an fich felbft iſt, di 
Umftand wird es meinem Gleim unfcha 
machen. Ich umarnıe Sie taufendmahl. 
halten Sie, mit allen feinen Unarten lieb 

Ihren alten Freund und Brı 


RER Tan 





859 
no ccevit. 

- Un Zimmermant. 

| Weimar den 19. Metz 1784: 


Es if, tie ich wohl fühle, etwas laͤcherli⸗ 
ches, daß eine bande joyeuse nah Weimar 
kommen muß, um mir,.dem trägfien und uns 
regelmäßigfien aller Briefſteller in Europa, 
nach wer weiß mie vielen Jahren endlich eins 
mabl eine Gelegenheit zu geben, an den erfien 
meiner noch lebenden alten Sreunde zu fehreis 
ben. Aber, sie visum süperis; und für 
Sie und mid iſts am Ende auch wohl fo 
ziemlich einerley, ob eine Gomediantens Gefells 
fchaft oder ein Eonfiftorium, ein Generals Felds 
zeugs Meifter oder ein Signor Bellomo bie 
Veranlaßung darreicht, daß Sie einen uners 
warteten fchriftlichen Befuch von- Ihrem Wie⸗ 
Tand erhalten. Ich will alſo, ohne Sie mit 
einem laͤngern Vorbericht aufzuhalten, ſogleich 
zu der Sache kommen, die ich Ihnen vorzu⸗ 
tragen babe. Der befagte Herr Bellomo if 
p- t. Directeur einer deutfhen Schauſpieler 
Geſellſchaft, die, fo wie mie fie durch einen 
dreymonathlichen Aufenthalt bey ung in Wels 
mar haben fennen lernen, feine von den ſchiech⸗ 

Wielands Vriefe LEE, w. 23 


354 


teften If, welche dermablen Im Heil. Roͤm. 
berum zu ambuliren genoͤthigt find. € 
einige sujets, bie gewiß nicht zu verachten 
und einige, aus welchen etwas fehr Gute: 
den kann. Seine Stau, die, (fo wie er 
eigentlich Italieniſcher AbEunft, aber bo: 
deutſchen, wenigſtens der Wienert 
Sprache mächtig iſt, ift die ſchoͤnſte Sti 
und die beſte Sängerin, die ich auf 
deutfhen Schaubuhne jemals gehört 
Und dieß fegt ihn In den Stand, bie Ue 
Bungen, die wir von den beften Italien 
eomifchen Dperetten haben, vielleicht 
ald irgend ein andrer Impresario felnc 
zu geben. Kurz, feine Geſellſchaft ha 
Erwartung, die wir ung von einer tı 
ambulante machten, weit überteoffen, un 
ber auch, während ihres dreymonathlicher 
figen Engagements alle mögliche gute Au 
me vom hiefigen Hofe und Publifo genı 
Herr Bellomo ſelbſt ift zwar fein Schaufp 
aber ein fehr huͤbſcher, durch feine Perfon 
fein ganzes Neußerliches fich fehr empfı 
der Mann: und ein Umfland, auf der 
sorzüglich mit Wahrheit appupiren kann, 
8 alle feine Leute, Männlein und Fraͤ 


353 


zftch ſehr unbefcholten aufgeführt, und durch 
ihr ganzes Betragen, ohne Ausnahme, nicht 
nur weder zu Klage noch Scandal Anlaß ges 
geben, fondern als gefittete, beſcheidene und 
in foro soli unfträfliche Leute, fich, meines 
Willens, allgemeine Achtung ertvorben haben. 
So viel von diefen wackern Hiftrionen zum vors 
aus, um Ihnen, liebfter Zimmermann , begreifs 
lich zu machen, warum ich mic, einiger Maßen 
für ihr ferneres Unterfommen Intereffire, und 
nicht erröthe, auch die Beyhuͤlfe eines Mans 
nes mie Sie, zu diefem Ende, im Nahmen 
des Herrn Belomo zu imploriren. Man iſt 
bier fo wohl mit ihm und feiner Truppe zufrle⸗ 
den, daß ſie ſchon zum voraus wieder auf 
kuͤnftigen Winter engagirt ſind: Da es aber 
nun darum zu thun iſt, daß dieſe Leute in 
den naͤchſten ſieben oder acht Monathen ſubſi⸗ 
ſtiren koͤnnen: fo iſt, neben einigen andern 
Orten, wo er bereits Erlaubniß hat, ſein Au⸗ 
genmerk auch auf Ihr beruͤhmtes Leine⸗Athen 
gerichtet, wo ihm Herr Hofrath Heyne, dem 
er fich in eigener Perſon empfohlen, die beſte 
Hoffnung gegeben hat, in fo fern nur von der 
Hannoͤverſchen Regierung aus, bie Beranlafs 
fung und Anfrage bey dem academifchen Ges 


36 
nat deßwegen gemacht würden. Da 
Umftände dem Herrn Bellomo nicht 
felbft nach Hannover zu reifen, und er « 
Anfuchen an bie dortige Regierung ſa 
gelangen laffen muß; fo iſt es Ihm al 
angelegen, belehrt zu feyn, an wen cı 
diefem Ende wenden, und wie er e8 c 
sen babe, um zu Hannover die get 
Verguͤnſtigung und Beförderung feiner 
tion zu erhalten. Er bat mich um « 
»fehlungsfchreiben an einen Dortigen 
gebeten, welcher etwa mir zu lieb di 
haben möchte, theild ihm diefe Beleh 
verfchaffen, tbeils ihn und feine Angel 
ten andern Perfonen von Einfluß zu 
len; und da ich ihm feine Bitte nic 
abfchlagen möchte, an wen, mein alter 
und Gönner, bätte ich mich fonft 
fönnen, als an Sie? Das Wort H 
erweckt bey mir nur zwey Seen: daf 
Aufenthalt meines Freundes Zimmerma 
die Vaterſtadt unfrer Stau von Weri 
Die leßtere hat mir verfprochen, daß fi 
Belomo an Ihre Verwandte, die Fraı 
n Bufche, empfehlen wolle; welche, 
fagt, Em. Liebden befondere Ze 


357 


IR. Deſto beffer! dur Damen, Aerzte und \ 
MWeichtvaͤter iſt in diefer Welt alles möglich zu- 
Bimachen. Da die gegenwärtige Sache ſich nicht 
Eifo recht für dag forum poli qualificiren wi, 

fo glaube ich die Unterkügung irgend eines 
Zgeiſtlichen Herren dieſesmahl entbehren zu 
Skoͤnnen, und durch die bloße vereinigte Media⸗ 
Ation der Dame und des Arztes zu reuffiren. 
2Es if alfo nun Ihre Sache, mein Befter, 
-Dafur zu forgen, daß ich mir von Ihrem Eins 
Fuß und Ihrer Geſchicklichkeit, die Herzen der 
" Sterblichen zu Ienfen, feinen zu großen Bes 

griff gemacht haben möge. — 

* Darf ih Sie, bey Gelegenheit der zwey 
“erwähnten Damen, im Vorbeygehen fragen: 
was die Schattenriſſe edler deutſcher 

Srauenzimmer zu Hannover für eine Sens 

fation gemacht haben,’ und ob die dortigen 

Hohen Sintereffenten gemeine find, diefe oͤffent⸗ 

liche Schmach in filfchweigender Geduld zu 

tragen, oder was die dortigen Verehrer und 

Sreunde ber fchönen und biedern Damen, 

über den albernen, aber von dem laͤcherlichſten 

Eigendünfel aufgeblafenen Philifer, der unfre 

ehrlichen deutſchen Weiber und Züchter auf 

eine fo fehnöde Weiſe vor dem Publlco ent 


248 


Werke eines philofephifhen Palladio; 
allerdings etwas von diefem Plan; 
reichlich mit dem großen Mobile oder 
der großen Demmfette der Geiſterwelt 
heit genannt, begabt wie ich bin, 
mich doch unausfprechlich, dieſes präacd 
latium mit meinen lieblihen und geifi 
gen ohne Hilfe der Divinationsfraft zu ı 
zu durchwandern und Indem id au 
Mittelpunft die Fühne, kraftvolle un 
Verbindung der Thelle zu Einem 
Ganzen anflaune, meine Bewunder 
Liebe (wenn 68 erlaubt if, fo zu ret 
fchen der Gottheit, die in biefem Zei 
ehrt wird, und dem Baumeifter Def 
theilen. 

Andachtigere Wünfche find noch ni 
Vollendung eines MenfhensWerfes 3 
mel aufgefchict worden, als die $ 
für dieſes! 

Das Mehrere, wenn's mir endlich 
wieder fo gut werden wird, Gie bef 
können: — wornach mic) fehr verlang 

Geftern brachte Ich ein -Paar berze 
Abendflunden bey Ihrer Herzogin 
iſt eine vortreffliche Frau. Laffen (€ 


349 


Ihren Mann, deffen Genius alles moͤglich iſt, 
„ein Wort für die Are von Liebe erfinden, die 
“ich für diefe Art von Welbern empfinde, die _ 
ich immer mit einer Are Cärgern Sie fi 
nicht über alle diefe Arten) von Roͤmiſch 
Katholifcher Marianifcher Andacht und mit eis 
nem Salve regina, oder Eya, mater, fons 
amoris begrüßen möchte, fo oft ich ihnen mid) 
nähere — und wenn e8 auch nur, mie jest, 
durch ein Stückchen Papier wäre Die Meis 
nige grüßet und umarmet Gte von Herzen. 
Und fo leben Sie wohl, meine Geliebten, und 
bleiben immer für Shren Wieland, was Sie 
ihm find, feitdem er Sie kennt. 


CCCV. 
An den General Superintendent 
Herden 
Ohne Datum. 
Ich athme noch einmahl fo leicht, befter 
Herder! Seit dem ich Ihre eigne Hand und 
Unterfchrift zum Pfande habe, dag Sie mit 


der bewußten Necenfion nicht ganz unzufrieden _ 
find. In fo weniger Zeit war es unmöglich 


350 
eine andere zu erhalten. Es iſt aber J 
tourdig mehr auf den guten Willen und 
Herz ald auf das Opfer felbfi zu fehen. 
lefe Ihr Buch ohne Aufhören und fange 
mer wieder von.vorne an, wenn Ich dam 
Ende bin, aber je mehr ich es lefe, je h 
ger kann Ich es — recenfiren. Es wäre 
(wie ich geftern Ihrer Frau fagte) gerade 
ob ich die Natur ſelbſt recenfiren folte. 
Der befcheidne Titel bat zu allem G 
noch) in einen.befcheidnern verwandelt 
den konnen, Dank ſey der geneigten Erı 
tung, die noch zu rechter Zeit kam. 


zeigt, 0 Barrıss ! 


CCCVI. 
An Frau Präfident Herder, 
Ohne Datum. 
Liebſte Freundin, meine gute Frau, um 
Sie mit ſchweſterlicher Liebe und herzli 
Dank für die Guͤte, welche Sie haben we 
bey der heutigen Feyerlichkeit *) Ihre Mı 


*) Vermuthlich Confirmations⸗Feyer eines ka 
Kinder. 


351 


delle zu vertreten. Denn wiewohl es vielleicht 
‚noch ein paar Tage mit Ihr halten fann, fo 
IR doch in ihren Umftänden hoͤchſt nothwendig 
alle Nührungen bey ihr zu vermeiden. Sich habe 
‚diefen Morgen ein Beyſpiel davon gefehen, 
welches mich auf's neue hievon überzeugt bat. 
Ich ſelbſt werde mit Geift und Herz gegens 
mwärtig feyn, und dieß ift genug. Unverfälfchte 
und ewige Freundfchaft die ich Ihrem Herder 
Ihnen und allem Mas von Shnen ſtammt, 
im Grunde meines Herzens von neuem weihe 
und gelobe, ift dag Einzige, womit ich aller 
ihrer Güte und Liebe für die meinigen ants 
worten fann. Ich habe Feine Worte für dag, 
was ich fo innigft fühle. 

Jetzt iſt mir faſt unbegreiflich wie ih ge⸗ 
ſtern Abend ſo dumpf ſeyn konnte, Ihnen, 
beſte Freundin, ſo lange und mit ſo wenig 
Ruͤckſicht auf Ihre noch ſo zarte Geſundheit, 
laͤſtig zu ſeyn. Warum haben Sie mich doch 
nicht in Zeiten fortgejagt? Beruhigen Sie mich 
(und der Himmel gebe, daß Sie e8 mit Wahrs 
heit thun fönnen) nur mit zwey mündlichen 
Morten durch meine Kinder, über Ihr Befins 
den, denn ich ängfligte mich mit der Sucht, 


659 


iO 


CCcVHL. 
Un Zimmermant. 
Meimar den 19. Merz 1784: 


Es tft, wie ich wohl fühle, etwas laͤcherli⸗ 
ches, daß eine bande joyeuse nad) Weimar 
fommen muß, um mir,.dem trägfien und uns 
tegelmäßigften aller Briefſteller in Europa, 
nach mer weiß mie vielen Jahren endlich eins 
mabl eine Gelegenheit zu geben, an den erften 
meiner noch lebenden alten Sreunde zu fehreis 
ben. Aber, sic visum süperis; und für 
Sie und mid iſts am Ende auch wohl fo 
ziemlich einerley, ob eine Comedianten s Gefells 
fchaft oder ein Confiftorium, ein General; Zelds 
zeugs Meifter oder ein Signor Bellomo die 
Weranlaßung darreicht, daß Sie einen uners 
warteten fchriftlichen. Befuch von Ihrem Wie⸗ 
land erhalten. Ich win alfo, ohne Sie mit 
einem langern Vorbericht aufzuhalten, fogleich 
zu der Sache fommen, die ich Ahnen vorzu⸗ 
tragen babe. Der befagte Here Bellomo if 
p- t. Directeue einer deutfhen Schaufpieler 
Geſellſchaft, die, fo wie wir fie Durch einen 
dreymonathlichen Aufenthalt bey ung in Wels 
mar haben fennen lernen, feine von den ſchiech⸗ 


Wielands Briefe LEE, w. 23 


354 


teften Ift, welche bermahlen im Heil. Roͤm. 
berum zu ambuliren genöthige find. € 
einige sujets, die gewiß nicht zu verachten 
und einige, aus welchen etwas fehr Gute 
den fann. Seine Frau, die, (fo wie er I 
eigentlich Stallentfcher Abkunft, aber doı 
deutfihen,, menigfiend der Wienerii 
Sprache maͤchtig if, ift die ſchoͤnſte Sti 
und die befle Sängerin, die ich auf 
deutſchen Schaubuͤhne jemals gehört 
Und dieß fegt ihn In den Stand, die Ue 
Bungen, die wir von ben beften Italien 
comifchen Dperetten haben, vielleicht - 
als irgend ein andrer Impresario feiner 
zu geben. Kurz, feine Gefelfchaft hat 
Ermartung, Die Wir ung von einer tr 
ambulante machten , weit übertroffen, uni 
ber auch, während ihres dreymonatblichen 
figen Engagements ale mögliche gute Auf 
me vom hiefigen Hofe und Publiko gen: 
Herr Bellomo felbft ift zwar fein Schaufp 
aber ein fehr huͤbſcher, durch feine Perſon 
fein ganzes Neußerliches fich fehr empfe 
der Mann: und ein Umftand, auf den 
vorzüglich mit Wahrheit appuylren Kann, 
Daß alle feine Leute, Männlein und Fraͤ 


353 


ſehr unbefcholten aufgeführt, und durch 
anzes Betragen, ohne Ausnahme, nicht 
weder zu Klage noch Scandal Anlaß ges 
', fondern als gefittete, ‚befcheidene und. 
ro soli unfträfliche Leute, ſich, meines 
ng, allgemeine Achtung erworben haben. 
iel von diefen wackern Hiftrionen gum vors 
um Ihnen, liebfter Zimmermann, begreifs 
ı machen, warum ich mich einiger Maßen 
je ferneres Unterfommen intereffire, und 
erröthe, auch die Beyhuͤlfe eines Mans 
vie Ste, zu diefem Ende, im Nahmen 
Herren Bellomo zu Imploriren. Man iſt 
o wohl mit ihm und feiner Truppe zufrie⸗ 
daß fie ſchon zum voraus mieder auf 
gen Winter engagirt find: Da e8 aber 
darum zu thun iſt, daß diefe Leute in 
'ächften fieben oder acht Monathen fubfis 
fönaen: fo ift, neben einigen andern 
|, wo er bereits Erlaubniß bat, fein Au⸗ 
re auch auf Ihr beruhmtes Leines Achen 
tet, wo ihm Herr Hofrath Heyne, dem 
‚ in eigener Perfon empfohlen, die befte 
ung gegeben hat, In fo fern nur von der 
Överfchen Regierung aus, die Veranlafs 
und Anfrage bey dem academifchen Ses 


356 


nat bewegen gemacht würden. Da nun ba 
Umftände dem Herrn Bellomo nicht zulafai 
felbft nach Hannover zu reifen, und er alfo ſch 
Anſuchen an die dortige Regierung fchriftiih 
gelangen laffen muß; fo iſt es ihm aMfärdef 
angelegen, belehrt zu feyn, an wen er fh 8 | 
diefem Ende wenden, und wie er es anjufan 
sen habe, um zu Hannover Die gewaͤnſchte 
Vergunftigung und Beförderung feiner Inte | 
tion zu erhalten. Er hat mich um ein Ew| 
sfehlungsfchreiben an einen dortigen Gremd 
gebeten, melcher etwa mie zu lieb die Guͤte 
haben möchte, theils ihm dieſe Belehrung p 
verfchaffen,, theils ihn und feine Angelegenheis 
ten andern Perfonen von Einfluß zu empfeh 
len; und da ich ihm feine Bitte nicht gern 
abfchlagen möchte, an wen, mein alter Sreuad 
und Gönner, hatte ich mich ſonſt menden 
fönnen, als an Gie? Das More Hannover 
ertvecht bey mir nur zwey Ideen: daß es de | 
Aufenthalt meines Freundes Zimmermann und 
bie Vaterſtadt unfrer Frau von Werther if. 
Die legtere hat mir verfprochen, daß fie Hera 
Belomo an ihre Verwandte, die Frau G. R. 
von Bufche, empfehlen wolle; welche, mie Re 
ir fagt, Ew. Liebden befondere Werebreris 


357 


‚P Defto beffer! dur Damen, Aerzte und \ 

Wweichtvaͤter iſt in dieſer Welt alles moͤglich zu— 
pachen. Da Die gegenwärtige Sache ſich nicht 
fo recht für das forum poli qualificiren will, 
Sſo glaube ich die Unterlügung irgend eines 
Eiseiftlihen Herren dieſesmahl entBehren zu 
mkoͤnnen, und durch die bloße vereinigte Medias 
Stion der Dame und des Arztes zu reufficen. 
FE iſt alfo nun Ihre Sache, mein Befler, 
Fdafür zu forgen, daß ich mir von Ihrem Eins 
fluß und Ihrer Gefchicklichkeit, die Herzen dee 
Sterblichen zu lenken, feinen gu großen Bes 
! griff gemacht haben möge. — 
" Darf ih Sie, bey Gelegenpelt der zwey 
erwaͤhnten Damen, im Vorbeygehen fragen: 
was die Schattenriffe edler deutſcher 
Srauenzimmer zu Hannover für eine Sens 
fation gemacht haben,’ und ob die dortigen 
Hohen intereffenten gemeint find, diefe Öffents 
liche Schmach in flilfchweigender Geduld zu 
fragen, oder was bie dortigen Verebrer und 
Freunde der fchönen und biedern Damen, 
über den albernen, aber von dem laͤcherlichſten 
Eigendüntel aufgeblafenen Philifter, der. unfre 
ehrlichen deutſchen Weiber und Töchter auf 
eine fo fchnöde Weife vor dem Publico ent 


358 
ſchleyert, befhtoffen haben. Ich fehe 
opusculum alg da3 non plus ultra des 
ſchen Aberwitzes an, der fett einigen 
rerl auf unfre deutſſchen Plattköpfe gefall 
Auch dieſe Sunde bat euer Lavater auf 
Gewiſſen, er, der dag dumme Autorvolf 
al3 irgend ein anderer fündigen gemach 
Die biefigen bey der Sache interefiirte 
men laffen ſich ſtark anınerfen, daß fie 
fahen, wenn der deutfche Merkur fie aı 
eienden DBerfaffer der Schattenriffe 
wollte. Aber mich dünft, es harte, um 
‚als einer Urfache willen, Feine rechte 
wenn ich meine Hand unmittelbar gegen 
ſolchen Burfohen aufheben wollte. Kenne 
denn niemand in Hannover, Der ritterli 
nug für die fchönen und biedern Damı 
finnt if, um ſich, Inelnem Schreib 
den Herausgeber Des beutfchen 
kurs, ihrer fo fehr gekraͤakten Befcheid 
und Zuht anzunehmen? Man Fönnte erft 
Allgemeines über die mancherley Albern' 
Die der pruritus scribendi bey unfern du 
ungen hervorbringt, fagen, und dan 
Nnatuͤrlich auf dieſes abgeſchmackteſte untaı 
abgeſchmackten Produkten der deutſchen { 


359 


z fommen, und den Verfaſſer fo handhaben, 
daß ihm Die Luft zu einem zweyten Hefte vers 
ee. Ich weiß wohl, daß ich einen folchen 
Brief an mic felbft fchreiben koͤnnte; aber, 
— mit einem Worte, ich babe Feine Luft dazu, 
und In der That gehen mir fo viel andere 
Dinge im Kopfe herum, daß ich die Laune, 
die dazu gehört, um fo etwas gut zu mas 
5 Ken, nicht in mie finde, — Ihnen — lieber, 
J Bimmermann, tage ich nicht etwas zuzumu⸗ 
— then; aber dag weiß ich wohl, vor zwanzig 
Jahren würde fo ein Champlon der Damen, 
wie Sie waren, bey einer folchen Gelegenbeie 
nicht ruhig. geſeſſen ſeyn. Verzeihen Sie Ih⸗ 
rem alten Freunde, der unter andern Alters⸗ 
ſchwachheiten auch ſchwatzhaft iſt, (was er zwar 
immer ein wenig war) dieſen langen Brief 
voll unbedeutenden Inhalts, und laſſen Sie 
. ihn bald ein kleines Merkzeichen ſehen, daß 
Sie ihn noch lieben, ihn, der Sie ewig lies 
ben und verehren wird. W. 


8 


360 
CCCIX. 
An Sietm 


Weimar, den 9. Mu 


Mein beſter Gleim, empfangen Sie 
neue Taſchenausgabe der Spiele oder ° 
oder Spielmerke, oder wie es die Weite: 
nennen wollen, Ihres alten Sreundes 
land, — als eine kleine Wiederlage f 
Epifteln, für welche ich Shnen meinen 
ften Danf und Beyfall zu lange full 
blieben bin! — mit Ihrer getvohnten 
und glauben ie, mein Beſter, daß 
mein Gleim und die Wenigen deren 
und Herz dem feinigen verwandt if, « 
Blumen und Früchten meines Fleines 
gartens Wohlgefallen finden, fi an 
Mohlgeruch ergögen, oder an ihrem erfı 
Den Safte laben, daß alddann mein po 
Ehrgeitz in feinem ganzen Umfange bef 
ift, und daß mich weder dad Supercilis 
Afterweifen, noch die Geſchmackloſigke 
ferd Publikums, noch die Biſſe eines 
Pantilius nur einen Augenblick in der 
denheit flören können, womit Freun 
und Unſchuld und gewogene Hausgoͤtt 


\ 361 


ulces ante omnia Musae den Herbſt meines 


Lebens beſeligen. 

F Das ganze Haus Ihres Wielands befindet 
> wohl, mein, befter Bruder, und da «8 
E Ioffenbar unmöglich iſt, daß er, gleich einen 


SPatriarchen, an der Spige 'einer fo zahlrei⸗ 
wchen Samilte, zu Ahnen nach Halberſtadt 
we wallfarhte; und 88 gleichwohl (wie alle 
ay autoptae befennen)} ein recht fehöner herzers 
= Bödender Anblick feyn fol, dieſes ganze Wies 
S landiſche Voͤlklein mit Einem Blick zu übers 
m ſehen: was halt dann meinen Gleim und feine 
Sy Nichte ab, zu Ihrem Bruder Wieland, zu 


I | 


ihrer Schwefter Wielandin berüber zu rollen, 


‚und indem Sie ung einige goldene Tage des 


⸗ 
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J 
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Freundſchaft fchenten, ung glücklicher zu mas 


hen, und‘ felbft glüclicher zu feyn? — Wins 
fen Sie mir ein gewogenes Ja berüber, und 
Sie follen unfer Haus mit Mayen geſchmuͤckt 


; finden, und von einem ganzen Trupp unders 
z fälfchter Kinder der Natur mit Yubelgefchrey 


eingeholt und empfangen werden! Halten Sie 
Math mit unſrer theuren Gleminde, lieber 
Bruder, und — well doch Göttern und Dich⸗ 
seen alles möglich ift, fo laffen Sie ja dieß⸗ 


362 


mahl feine Fehlbitte thun Fhren ganz ı 
Sreund und Bruder. 3. 


CCCX. 
An Voß. 


Weimar, Novemb 


Ich gaͤbe etwas darum, liebſter Voß 
ich Ihnen meine Antwort auf Ihren Br 
7. October und meinen Dank fuͤr Ihre 
muͤndlich und von Angeſicht gu Anfichı 
und zeigen. könnte. Sie würden dann 
telbar fühlen, wie warm beydes ang ı 
Herzen koͤmmt — In weniger als eine 
telfiunde würde und zu Muthe feyn, 
wir uns fchon zwanzig Jahre Eennten ı 
liebt hätten ; ale Mißverfländniffe würt 
ewig gehoben, ale Zweifel aufgelöfet 
und niemahlg, dag bin Ih gewiß, | 
wir wieder einer an dem andern irre 
fönnen. Mittelsmaͤnner find nicht allem 
geſchickteſten Werkzeuge zu jenen Zwecken 
ſelbſt Brilefe find es nicht, wenigſte 
meinigen nur ſelten; denn ſie ſind faſt 
entweder zu warm oder zu kalt, und bi 
faft immer, um recht verſtanden su I 


363, 

BDaß man den Schreiber yerfönlich kenne. 
SByärte ich ihnen vor vier Wochen, da id) 
Ihren Brief mit der deliciöfen Idylle, diefem 
mir fo werthen Pfand Ihres mir wieder ges 
Gchenften Vertrauens, erhielt, hate? ich Ihnen 
Da gleich fchreiben fünnen, fo würden Gie 
einen fo warmen, fchwärmerifchen Brief bes 
sTomnıen haben, daß er Fhnen vielleicht eben 
„dadurch verdächtig worden ware. — Doch weg 
3 mit alem Miftrauen, und mit allen Erinnes 
2 tungen an vergangene Irrthuͤmer und Webers 
z eilungen. Sie haben mir die meinigen vers 
x geben; melne Meinung und Abficht war nicht 
sy übel; aber ich fehlte fehr im Mittel, wie es 
„su schen pflegt, wenn man ein Ding zu haflig 
; und zu einfeitig angefeben hat. — Kurz, lieber 
. Voß, ich haste beifer gethan, mich in Ihre 
Handel mit 8. Cder mid ohnehin nicht naher 
angeht, als der König von Kochinchina) nicht 
einzumifcyen, und allenfall8 das was mir an 
ihnen, bloß aus Freundfchaft für Ste, ans 
fiößig an der Art, wie Sie ſich gegen die B. 
und- & * * vertbeldigfen, mar, onen sub 

. rosa und nicht vor der ganzen Welt fagen 
foßen ıc. Was gefihehen iſt, Fann nun freys 
lich nicht ungefchehen gemacht werden. — Aber 


364 


es gibt immer Gelegenheiten, der ir 
zeigen, daß wir Freunde find, und Sie, nit 
Lieber, begnügen fich mit dieſer Are von Ge 
nugtbuung. Ich werde, um meinem eignet 
Herzen genug zu thun, nie gu viel und zu fl 
zeigen fonnen, daß ih Sie, fo ſehr als di 
ohne perfönlihe Bekanntſchaft nur imme 
moglich ift, fenne, ehre und liebe. 

Ueber eine Stelle Ihres Briefchens mu 
ich ihnen noch ein paar Worte fagen: „Lafleı 
Sie und Freunde feyn“ (find Ihre Worte 
„Sie fieben hoch über mir, aber mein Ha 
it Ihrer nicht unwerth.“ — Dieß Sie fı 
ben hoch über mir — kann Ihnen dor 
wohl nicht ernft ſeyn — oder es wäre au 
Ihrer Seite ein gewaltiger optiſcher Bı 
trug. Denn wenn e8 wirklich fo mare 
fo müßte Ich doch auch etwas davon miffen 
ch geitehe ihnen aufrichtig, daß Das aͤußerſt 
was ich meince Eigenliebe zu gefallen thut 
fann, ift, wenn ich Ihr, ohne allgugenau 
Unterfuchung , einraume, daß ich mit den mei 
ſten guten Menfchen meiner und jeder andern 
zeit fo viel gemein habe, um mich & peı 
pres fir Ihres gleichen halten zu koͤnnen 

ben Sie mir, lieber Voß, daß Sie mir 


| . 365 
reiner Art zu denken nach, ein größer Coms 
»Aiment machen, wenn Ste mich für Ihren 
Seiſtes⸗Verwandten erkennen, als wenn Sie 
zsir etwas fagen, das Ich felbft fo wenig 
Blaube, daß es mir auch unbegreiflich iſt, wie 
Sie es glauben koͤnnten. Aber fein Wort 
mehr hievon. Das mas den wahren Mens 
fhen ausmadht, gibt allen, die e8 haben, 
‚gleichen Werth. Das Uebrige find, Zufällige 
keiten, die von taufend äußern Umfländen abs 
‚Hängen, und meiſtens nur anfcheinende Vors 
zuge oder Nachtheile geben. Ich kam z. €. 
früher in die Welt, Sie fpäter. Diefer einzige 
Umſtand war beyden in gewiſſen Stuͤcken vors 
theilhaft und nachtheilig, aber beym Lichte bes 
fehen, compenfirt fich meiflend eines gegen 
das andere, und am Ende bat fih Niemand 
gegen die Natur über Vernachthelligung zu 
beklagen. 

Ihre Idylle, mein Beſter, wird das Novem⸗ 
berſtuͤck vom D. M. gut machen helfen. Ich 
muͤßt' Ihnen einen Bogen voll ſchreiben, um 
Ihnen en detail zu ſagen, wie ſehr, warum 
ih) von allen Ihren Idyllen und befonderg 
von bdiefer bezaubert bin. Der Geift der Odyſe 
fee hat Sie fo ganz durchdrungen, daß Allee 


366 


was aus Ihrer Seele nebt, davon tingir N 
und zu reinem homeriſchem Golde wird. 

In chen diefem Monathitücke fol auch Je 
Avertiffement Plag finden und ich will mid 
nach Möalichfeit verwenden, leider vornige u 
zum Subſcribiren Immer mehr ung:neigte Di 
letanten, hello modo dazu zu Difponiren. 

Die Jdylle har vier Correkturen paſſirt 
aber doc), lieber Freund, muß ich Sie wi 
Voraus um Geduld bitten, wenn etwa, w 
ic) beforge dennoch Febler überfehen word: 
find. Sie baben feine Vorſtellung davon, I 
ber Vor, mus ich, mit aller meiner von 
manchen mir mißgännten Lduße, für ein yı 
ſtuͤckeltes Leben lebe, und mie felten ich da 
fommen fann nur eine halbe Stunde la 
mich ununterbrochen mit einem Abwefenden 
unterreden. Nehmen Gie alfo für Dießm: 
mit diefem ziemlich leeren Blatte vorlieb, u 
mit dem beillgen Schwur, daß ich unver‘ 
derlich, fo lange ich noch lebe, ſeyn mei 
Ihr aufrichtiger Freund ꝛc. 





367 
ECCKI. 
An Gleim. 


Weimar, den 15. May 1785. 


Mein liebſter Bruder, zu einer kleinen Er⸗ 
enntlichkeit für die Apiclanifchen lauticias, 
somit unfer feine Freunde, nie bergeffender 
Zfeim unfern Sedern Gaumen bemirthet bat, 
rfcheine ich hier mit einem Körbchen voll Sees 
nſpeiſe, zwar nicht fo frifch, als ich wohl 
yanfchen möchte, aber doch fo gut als eg mein 
(einer Vorrath vermag. Der gufe Wille, wos 
sie fie gegeben und angenommen wird, muß 
as Beſte dabey thun. Nichts ald mein Vers 
ıngen, meinem Gleim etliche Bandchen auf 
inmahl ſchicken zu fünnen, bat die Verzoͤge⸗ 
ung veranlaßt; es fchmeichelt indeß doch meis 
ver kleinen Eitelfeit, daß meinem - Gleim, 
inem der erfien unter den wenigen. 

Quibus placuisse et cupio et gaudeo 
die Zeit nach diefer Bortfegung lang gemors 
den iſt. Langfiens in ſechs Wochen wird der 
fünfte oder fechste Theil machfolgen, biefer 
mit bem Fragment von Idris und Zenide 
ıngefüllt, welches zwar (sic visum superis) 
mmer noch Fragment iſt, und nun wohl Frag⸗ 


368 

ment bleiben wird ewiglich, aber doch 
einer viel correctern Geſtalt, und bie 
da mit nicht ganz unerheblichen Verbeſſe 
gen, wieder in der Welt erfcheint. 

Diefe Meffe hat ung in Goͤtzens füm 
chen Werfen, und dem erſten Theil von 
ßens Gedichten etwas gebracht, dag und 
ganze Zuder voll cacata charta reichlich fd 
los hält. Goͤtzens Nachlaß iſt unſchaͤtz 
nur Schade, daß ein böfer Genius dieſe 
lichen Blumen angebaucht, und ihnen, wi 
beforge, vieles von ihrer naibflen Anı 
und ihrem füßeflen Duft geraubt bat. 

Bon unfers Herders zerfireuten Blaͤl 
fage ich Ihnen nichts, weil dag Belle, 
ich davon fagen könnte, noch immer weil 
ter ihrem Werth und meinem Gefühl blı 
würde. Seinen Veberfegungen aus der Al 
logie iſt nichts an Schönheit, Zartbeit, 
ſcher Farbe und Lieblichkeit gleich. Es if 
begreiflich, mit welcher glüdlichen Behe 
feit er den leichten griechifchen Geiſt, 
einem gemeinen Ucherfeger zwiſchen den 
gern verduften würde, zu haſchen, und g 
fam im Fluge mit Worten, wie mit e 
Öurchfichtigen aus Roſenduͤften gewebten 


369 


befleiden weiß. Welch ein Gefchenf des 

Immels ift ein Mann wie Herder, und an 
ic) eine unwuͤrdige, undankbare Zelt ift dieß 
Eſchenk verſchwendet!! Ale unfere Liebe, 
Sppelt und dreyfach verdoppelt, iſt noch zu 
wenig ihn Dafür zu entſchaͤdigen. 

* * *, mein Hlebiter Gleim, bat, ohne 
nn Schatten einer Urfache, mir eine ans 
engen wollen, und ſich ſelbſt garflig in's 
wige gefchlagen. Es iſt traurig, daR feine 
> n allen den Gategorien, die fonft einen Mens 
Sen weiſer und beffer machen, etwas über 
«fen unheilbaren, eiteln und infolenten Zwit⸗ 
& von Tranzofen und Schweizer etwas vers 
tag. Da ich nicht ganz ſtillſchweigen konnte, 
>» habe ich für's befte gehalten, was ich fagen 
‚wollte, bald zu fagen. Sie werden mit mels 
er Maͤßigung, wie Ich gewiß glanbe, zufries 
en feyn. Aber wehe Ihm, wenn cr an Diefer 
"anften Correction nicht genug hat! . 

Morgen, liebfier Bruder, den ı6. May, 
mache ich ein Paar mir fehr liebe anime in- 
amorate glüclih, indem ih meine Go 
phie, die Ahnen vor gehn Fahren als ein 
Mädchen von ſechs bis ſieben Jahren fo lieb 
war, mit einem Ihnen zwar noch unbekann⸗ 

KRissands Briefe III. ©. 24 


370 
ten, aber gewiß mit einem von den 
Menfchen, die jemahld von einem Weil 
boren murden, verbeurathe. Die Gefd 
wie und auf wag Art diefer junge Man 
den Molfen, oder vielmehr aus den ! 
irgend eines Gottes in meinen Schtos 
len, und mir und meiner Frau (für 
Werth ich keinen Nahmen weiß) fo I 
worden, daß wir ihn mit einftimmigen 
fall unfers Kopfes und Herzens zu ı 
Sohne angenommen haben, — es I 
wunderbare Gefchichte — aber fie muß ı 
Lich erzähle werden. Kommen Sie, 
Bruder Gleim, und boren Sie und febe 
Sie werden eine durch Liebe, Harmor 
Einfalt des Herzens glüdliche Familie 
wie vielleicht Feine andere In der W 
Unfre Herderin kann Ihnen fagen, w 
meine Wahl ihren, ihres Mannes un 
thens Beyfal hat. Geben auch Sie uı 
ven Segen, mein liebfter Bruder, und cı 
gen Sie, im Nahmen alle Meinigen 
berzlihe Umarmung von Ihrem ewig 
Sreund und Bruder MB, 

Nur noch ein Wörtchen, liebſter 2 
von meinem neuen Schwiegerfohn. € 


371 
Seinhold ‚ iſt ein gebohrner Wiener, bat, 


Zne ein Avanturier zu feyn, und wiewohl . 


= erfi 26 Jahr alt iſt,. ſonderbare und merk⸗ 
Bürdige Wege durchgangen, war ehemahls, 
nd iſt noch jetzt ein Liebling einiger der beſten 
Renfchen in Wien, und bat dato den Chas 
after eines hiefigen Rathes von unferm guten 
yerzog erhalten. Ich habe Ihn fo arrangirt, 
aß er mehrere Jahre, bey mäßiger litteraris 
Her Befchäftigung , ohne ein Amt nöthig zu 
aben, gemächlic) leben kann. Er ‚bleibe 
ey mir im Haufe, und wir werden ung 
hwerlich eher trennen, bis Fein Raum mehr 
ir beyde da ift, oder Ich durch eine Reife In 
ie andre Welt Plag mache. Bon feinem 
zeiſte und feinen Fähigkeiten können Sie ſich 
Inigen aber doch nur ſehr unvollfiändigen 
zegriff aus etlichen Auffagen von ihm mas 
yen, als da find: Merkur 1784. Nee, 1 und 4 

m Julius. Neo, 4 und 7 im Auguſt. 
2 und 3 im September. Nro. 6. im 
Rovember — ingleichen die Recenfion von 
Meiners Briefen uber die Schmweis, 
nd Düvals Werfen im December 1784. 
Die Necenfion von Herder Philofophie 
er Gefchichte und von Zimmermanns 


4 


mahl feine Fehlbitte hun Ihren ganz eigenm 
Freund und Bruder W. | 


CCCX. 
An Voß. 


Weimar, November 1784 


Ich gaͤbe etwas darum, liebſter Voß, wenn 
ich Ihnen meine Antwort auf Ihren Brief vom, 
7, Detober und meinen Dank für Ihre Idylle 
muͤndlich und von Angeficht gu Anſicht geben 
und selgen Eonnte. Sie würden dann unmit 
telbar fühlen, wie warm beydes aus meinem , 
Herzen koͤmmt — In weniger als einer Bier | 
telffunde würde und zu Muthe feyn, als ob 
wir und fhon zwanzig Jahre Fennten und ge | 
liebe hätten ; ale Mißverfländniffe würden auf ' 
ewig gehoben, ale Zweifel aufgelöfee feyn; 
und niemahls, das bin Ich gewiß, wuͤrden 
wir wieder einer an dem andern irre werden 
konnen. Mittelsmaͤnner find nicht allemahl die | 
gefchickteften Werkzeuge zu jenen Zwecken; und 
ſelbſt Briefe find es nicht, wenigſtens die 
meinigen nur felten; denn fie find faft immer 
entweder gu warm oder zu Falt, und bedürfen 
fait immer, um recht verflanden gu werden, 





/ 


363, 


Sdaß man den Schreiber perſoͤnlich kenne. 


Haͤtte ich Ihnen vor vier Wochen, da ich 
Ihren Brief mit der delicioͤſen Idylle, dieſem 
mir ſo werthen Pfand Ihres mir wieder ge⸗ 
ſchenkten Vertrauens, erhielt, haͤtt' ich Ihnen 
da gleich ſchreiben koͤnnen, ſo wuͤrden Sie 
einen ſo warmen, ſchwaͤrmeriſchen Brief be⸗ 


kommen haben, daß er Ihnen vielleicht eben 


dadurch verdaͤchtig worden waͤre. — Doch weg 
mit allem Mißtrauen, und mit allen Erinnes 
rungen an vergangene Irrthuͤmer und Webers 
eilungen. Ste haben mir die meinigen vers 
geben; meine Meinung und Abſicht war nicht 
übel; aber ich fehlte fehr im Mittel, wie es 
zu gchen pflegt, wenn man ein Ding zu baflig 
und zu einfeitig angefehen hat. — Kurz, lieber 
Voß, ich haste beifer gethan, mich in Ihre 


Handel mit 2. Cder mid ohnehin nicht naher 


angeht, als der König von Cochinchina) nicht 
einzumifchen, und allenfalls das was mir an 
Ihnen, bloß aus Freundfchaft für Ste, ans 
ftößig an der Art, wie Sie fi) gegen die B. 
und & * * vertheidigten, mar, Ihnen sub 


‚ rosa und nicht vor der ganzen Welt fagen 


ſollen ıc. Was gefiheben tft, kann nun freys 
lich nicht ungefchehen gemacht werden, — 


364 


es gibt immer Gelegenheiten, der Wi 
zeigen, daß wir Freunde find, und Sie, 
Lieber, begnügen fich mit diefee Are voı 
nugthuung. Ich werde, um meinem e 
Herzen genug zu thun, nie zu viel und 5 
zeigen koͤnnen, daß ih Sie, fo ſehr a 
ohne perfönlihe Bekauntſchaft nur i 
möglich iſt, Eenne, ehre und liebe. 

Ueber eine Stelle Ihres Briefchens 
ich ihnen noch ein paar Worte fagen: „! 
Gie uns Freunde feyn“ Cfind Ihre Q 
„Sie fiehen hoch über mir, aber mein 
ift Ihrer nicht unwerth.“ — Dieß St« 
hen hoch über mir — kann Ihnen 
wohl nicht ernſt ſeyn — oder es waͤre 
Ihrer Seite ein gewaltiger optiſcher 
trug. Denn wenn es wirklich fo t 
fo müßte ich doch auch etwas davon w 
ch geitebe Ihnen aufrichtig, daß das äuj| 
was ich meiner Eigenliebe zu gefallen 
fann, tft, wenn ich Ihr, ohne allguge 
Unterfuchung,, einraume, Daß ich mit ben 
ſten guten Menfchen meiner und jeder an 
Zeit fo viel gemein habe, um mich & 
pres für Ihres gleichen halten zu kön 
Glauben Sie mir, lieber Voß, Daß Sie 


. 365 
meiner Art zw denken nach, ein größer Coms 
>Iinsent machen, wenn Sie mich für Ihren 
Seiſtes⸗Verwandten erkennen, als wenn Sie 
mir etwas fagen, das Ich felbft fo wenig 
glaube, daß es mir auch unbegreiflich iſt, wie 
Sie es glauben fönnten. Aber kein Wort 
mehr bievon. Das was den wahren Mena 
fhen ausmacht, gibt allen, die e8 haben, 
‚gleichen Werth. Das Uebrige find, Zufällige 
keiten, die von tauſend aͤußern Umfländen abs 
‚bangen, und meiftens nur anfcheinende Vor—⸗ 
‚güge oder Nachtheile geben. Ich fam z. €. 
‚früher in die Welt, Sie fpäter. Diefer einzige 
Umftand war beyden in gewiffen Stuͤcken vors 
theilhaft und nachtheilig, aber beym Lichte bes 
ſehen, compenfirt fich meiſtens eines gegen 
Das andere, und am Ende hat fih Niemand 
gegen die Natur über Vernachthelligung zu 
beklagen. 

Ihre Idylle, mein Beſter, wird das Novem⸗ 
berſtuͤk vom D. M. gut machen helfen. Ach 
muͤßt' Ihnen einen Bogen voll ſchreiben, um 
Ihnen en detail zu ſagen, wie ſehr, warum 
ich von allen Ihren Idyllen und beſonders 
von dieſer bezaubert bin. Der Geiſt der Ddyfa 
fee hat Sie fo ganz durchdrungen, daß Allee 


366 


was auß Ihrer Seele gebt, davon tingir! 
und su reinem bomerifhem Golde wird. 

In cben diefem Monathſtuͤcke fol auch? 
Avertiffement Plag finden und ich will m 
nach Mönlichfeit verwenden, leider wenige 
zum Subferibiren Immer mehr ungeneigte! 
letanten, bello modo dazu zu Ddifponiren. 

Die Idylle bar vier Eorrefturen pafl 
aber doch, lieber Freund, muß ich Sie ; 
Voraus um Geduld bitten, wenn etwa, 
ich beforge Dennoch Febler überfehben wo 
find. Sie baben feine VBorftelung davon, 
ber Voß, mas ich, mit aller meiner vo 
manchen mir mißgönnten Liuße, für ein 
ſtuͤckeltes Leben lebe, und mie felten ich | 
fommen fann nur eine halbe Stunde | 
mich ununterbrochen mit einem- Abwefenden 
unterreden. Nehmen Ste alfo für dießr 
mit dieſem ziemlich leeren Blatte vorlich, 
mit dem heiligen Schwur, daß Ich unve 
derlih, fo lange ich noch lebe, ſeyn w 
Ahr aufrichtiger Treund 2. 





367 
ECCKI. 
An Gleim. 


Weimar, den 15. May 1785. 


Mein liebſter Bruder, zu einer kleinen Er⸗ 
untlichkeit für die Apicianiſchen lauticias, 
mit unſer feine Freunde, nie vergeſſender 
leim unfern leckern Gaumen bewirthet hat, 
ſcheine ich hier mit einem Körbchen voll Sees 
iſpeiſe, zwar nicht fo fFrifh, als ich wohl 
infchen möchte, aber doch fo gut als e8 mein 
iner Vorrath vermag. Der gufe Wille, wos 
t fie gegeben und angenommen wird, muß 
8 Befte dabey thun. Nichts ald mein Ver⸗ 
sagen, meinem Gleim etliche Bandchen auf 
imahl ſchicken zu koͤnnen, hat die Verzoͤge⸗ 
ng veranlaßt; es ſchmeichelt indeß doch meis 
r kleinen Eitelkeit, daß meinem Gleim, 
sem der erſten unter den wenigen. 
Quibus placuisse et cupio et gaudeo 

e zeit nach dieſer Fortfegung lang gewor⸗ 
n iſt. Laͤngſtens In ſechs Wochen wirb der 
nfte oder ſechſte Theil nachfolgen, Diefer 
it bem Fragment von Idris und Zenide 
gefüllt, welches zwar (sic visum superis) 
‚mer noch Fragment iſt, und nun wohl Srags 


/ 


368 

ment bleiben wird ewiglich, aber doch 
einer viel correctern Geftalt, und bie 
Da mit nicht ganz unerheblichen Verbeſſe 
gen, wieder in der Welt erfcheint. 

Diefe Meſſe hat uns in Goͤtzens ſaͤm 
chen Werken, und dem erflen Theil von 
ßens Gedichten etwas gebracht, dag und 
ganze Fuder voll cacata charta reichlich fi 
los haͤlt. Goͤtzens Nachlaß iſt unfchat 
nur Schade, daß ein böfer Genius diefe 
lichen Blumen angehaucht, und ihnen, wi 
beforge, vieles von ihrer naibſten Anı 
und ihrem füßeften Duft geraubt bat. 

Bon unfers Herderg zerfireuten Blaͤ 
fage ich Ihnen nichts, weil dag Befle, 
ich davon fagen fünnte, noch immer welı 
ter ihrem Werth und meinem Gefühl bl. 
würde. Seinen lieberfegungen aug der Yı 
logie iſt nichts an Schönheit, Zartheit, 
ſcher Farbe und Lieblichfele gleich. Es ifl 
begreiflich, mit welcher giüdlichen Beben 
feit er dem leichten griechifchen Geiſt, 
einem gemeinen Ueberſetzer swifchen den 
gern verduften würde, zu hafchen, und gl 
fam im Fluge mit Worten, wie mit ed 
Öurchfichtigen aus Roſenduͤften gewebten 


369 


E befleiden weiß. Welch ein Befchenf des 
Iimmels ift ein Mann mie Herder, und an 
ech eine unwuͤrdige, undankbare Zeit ift dieß 
> efchenE verfchwendet!! Alle unfere Liche, 
Sppelt und dDreyfach verdoppelt, iſt noch zu 
» enig ihn dafür zu entichadigen. 

.. *, mein liebſter Gleim, Bat, ohne 
en Schatten einer Urſache, mir eine ans 
Ängen wollen, und ſich ſelbſt garflig in’s 
huge gefchlagen. Es iſt traurig, daR feine 
on allen den Gategorien, die fonft einen Mens 
chen meifer und beffer machen, etwas über 


leſen unhellbaren, eiteln und infolenten Zwit⸗ 


er von Trangofen und Schweiger etwas vers 
mag. Da ich nicht ganz ſtillſchweigen fonnte, 
ſo habe ich für’d befte gehalten, was ich fügen 
wollte, bald zu fagen. Gie werden mit mels 
ner Mäßigung, wie ich gewiß glaube, zufries 
den feyn. Aber wehe ihm, wenn er an dieſer 
fanften Correction nicht genug hat! . 
Morgen, liebſter Bruder, den ı6. May, 
mache ich ein Paar mir ſehr liebe anime in- 
amorate glüclich, indem ih meine Gos 
phie, dee Ahnen vor gehn Fahren als ein 
Mädchen von ſechs bis fieben Yahren fo lieb 
war, mit einem Ihnen zwar noch unbefanns 
Miclands Briefe III. ©. 24 


370 
ten, aber gewiß mit einem von den be 
Menfchen, die jemahls von einem Weibe 
beren wurden, verbeurathe. Die Gefgli 
wie und auf wag Art diefer junge Mann 
den Wolfen, oder vielmehr aus den A 
irgend eines Gottes in meinen Scheoß $ 
len, und mir und meiner Frau (für t 
Werth Ich Eeinen Nahmen weiß) fo lie 
worden, daß wir ihn mit einflimmigem 
fall unfers Kopfes und Herzens zu un 
Sohne angenommen haben, — es iſt 
wunderbare Sefchichte — aber fie muß m 
Lich ersahle werden. Kommen Gie, 
Bruder Gleim, und boren Gie und fehen 
Sie werden eine Durch Liebe, Harmonlı 
Einfalt des Herzens glüdliche Familie fi 
wie vielleicht Feine andere In der Wel 
Unfre Herderin kann Ihnen fagen, mic 
meine Wahl ihren, Ihres Mannes und 
thens Beyfal hat. Geben auch Sie unt 
ren Segen, mein liebſter Bruder, und em 
gen Sie, Im Nahmen aller Meinigen, 
herzliche Umarmung von Ihrem ewig 1 
Freund und Bruder W. 

Nur noch ein Wörtchen, liebſter Br 
von meinem neuen Schwiegerſohn. Er 


371 


‚einbold, ift ein geboßener Wiener, hat, 
Hne ein Avanturter zu feyn, und wiewohl 
w erft 26 Jahr alt iſt „ſonderbare und merk⸗ 
yüardige Wege durchgangen, war ehemahls, 
nd iſt noch jetzt ein Liebling einiger der beſten 
Nenſchen in Wien, und hat dato den Chas 
after eines hiefigen Rathes von unferm guten 
yerzog erhalten. Ich habe ihn fo arrangirt, 
aß er mehrere Jahre, bey mäßiger litteraris 
cher Befchäftigung, ohne ein Amt nöthig zu 
aben, gemächlich Ieben fann. Er ‚bleibe 
ey mir im Haufe, und wir werden ung 
chmerlich eber £rennen, bis fein Raum mehr 
uͤr beyde da ift, oder Ich durch eine Reife in 
ie andre Welt Plag mache. Bon feinem 
Zeiſte und feinen Fähigkeiten koͤnnen Sie ſich 
einigen aber doch nur ſchr unvollfiändigen 
Begriff aus etlichen Auffagen von ihm mas 
hen, als da find: Merkur 1784. Pro. ı und 4 
im Julius. Nro. 4 und 7 im Augufl. 
Neo. 2 und 3 Im September. Nro. 6. im 
November — ingleihen die Recenfion von 
Meiners Briefen uber die Schweiz, 
und Düvals Werfen im December 1784 
Die Recenfion von Herders Philoſophiée 
der Sefhichte und von Zimmermanns 





00373 


ıfche ich daß Sie, wo nicht Neflord, doch 
rigftend Bodmers fahre der Welt und hs 
Freunden leben mögen! denn, wenn Sie 
; einft verlaffen müffen 

— Pudor et justitiae soror 
ı Incorrupta fides, nudaque veritas 

Quando ullum invenient parem? 
Rich freut gar fehr, daß Sie mit meinem 
faß uͤber dden Magnetismus, ber in 
; guten Bremen einen fo albernen Spuk 
ichtet, zufrieden find. Sie und das Pubs 
m billigen ohne Zweifel den humanen und 
tierlihen modum procedendi, den Ich 
Herrn D. Bier und Conſort eingefchlas 
babe. Der Ton, womit ihn unfre Herren 
liner angelaffen haben, fält Jedermann 


‚ und mir iſt e8 befonders leid, zu_fehen, . - 


dieſe Champions der Vernunft unvermerkt 
gewiſſe Arroganz und Unduldfamfeit con- 
omnes aliter sentientes angenommen ha⸗ 
, die ihnen und der guten Sache fchaden. 
:, auf deffen Seite die Wahrheit und Vers 
fe if, kann nie befcheiden und human 
ug gegen die Schwacher feyn. — Uebri⸗ 
8 habe ich meinen Köcher noch nicht vers 
fen; die fchärfften Pfeile Hab’ Ich noch 





375 


Der aufwachfenden, grünenden und blühenden | 
Plantage gutartiger, menfchlicher Gefchöpfe, | 
Deren geringftes, wie ich hoffe, der Welt durch 
Feine Exiſtenz mehr Gutes als Boͤſes thun 
Koird. Leben Sie wohl, und lieben immer 
Ihren Wieland, | 


CCCXIE. 
An Leonhard Meifter in Zürich. 


Weimar, den ro. September. 1797. 


Ich finde mich von ihnen mit einem Schreis 
ben vom 28. des abgemichenen Monaths beebrt, 
defien Inhalt mich in einige Verlegenheit fett. 
Eine ganz offene treuhersige Erklärung wird 
wohl das befte Mittel feyn, mich bey einem 
Manne von Ihrem Charakter und der fo gütig 
von mir zu benfen fcheint, aus ber Sache 
zu ziehen. 

Mancherley Beweggründe, bie fchon lange - 
vorhanden find, aber wegen des Segengemwichts 
anderer VBorftelungen und Umflände nicht ges 
nug auf mich wuͤrkten, haben mich vor einis 
ger Zelt auf den Entfchluß gebracht, authen⸗ 
tifche Beytrage zu meiner fünftigen 
Biographie nah und nah im D. Merkur 





377 


Mars ı782 au commencement. Janvier 1781. 
vol. 2. au commencement, etc. aud) im vol. 
37 des Gabinets des Fees in deffen vol. 36 
ine elende Ueberfegung des Don’ Sylolo ents 
Baͤlt, iſt eine magere'und zum Theil unrichtige 
FR otice von dem Verfaffer deffeiben, ich weiß 
nicht von wem gegeben worden. ch habe es 
ÄäÄmmer unter mir gehalten ‚ diefes Barboulflage 
aynbefanntee Burfhe, die von einem Manne 
den Sie nicht fennen, nnd von deffen-Schrifs 
ten Sie feine Zeile zu lefen im Etande find, 
mit fo unverfchamter Dreiftigfeit abfpredhen, 
mic) aber oft gewundert, daß unter deu vies 
fen Freunden, die ich haben foll (& ce qu’on 
dit) fich binnen 10 Jahren feiner gefunden 
bat, dem e8 einfiel diefe Noticen und Urtheile 
der mir unbefannten Herausgeber der Biblio- 
iheque des Romans zu berichtigen, 


CCCXIV. 
An Gleim. 


Im December. 1787. 
Mein theurer Bruder Gleim! Ihr liebevol⸗ 


les Briefchen hat mich zugleich innigſt erfreut 
und beſchaͤnt. Ihr Herz iſt und bleibt ſich 


368 

ment bleiben wird emiglih, aber doch 
einer viel correctern Geſtalt, und bier w 
da mie nicht ganz unerbeblichen Verbeſſen 
gen, wieder in der Welt erfcheint. 

Diefe Meffe hat ung in Goͤtzens famnil 
chen Werten, und dem erfien Theil von % 
ßens Gedichten etwas gebracht, dag ung fü 
ganze Fuder voll cacata charta reichlich fehal 
los bält. Goͤtzens Nachlaß ift unfchapher 
nur Schade, daß ein böfer Genius diefe lid 
lichen Blumen angehaucht, und ihnen, wie i 
beforge, vieles von ihrer naibſten Anmut 
und ihrem füßeften Duft geraubt bat. 

Bon unſers Herderg zerfirenten Blaͤtter 
fage ich Ihnen nichts, well dag Beſte, wi 
ich davon fagen könnte, noch immer welt u 
ter ihrem Werth und meinem Gefühl blelk 
würde. Seinen Ueberſetzungen aus der Anth 
logie ift nichts an Echönheit, Zartheit, fi 
fher Farbe und Lieblichkeit gleich. Es iu 
begreiflih, mit welcher giüdlichen Behendi 
feit er dem leichten griechifchen Geiſt, d 
einem gemeinen Ueberſetzer zwifchen den Si 
gern verduften würde, zu bafchen, und gie 
fam im Fluge mie Worten, wie mit ein 
Öurchfichtigen aus Kofenduften gewebten Lei 


369 


befleiden weiß. Welch ein Gefchenf des 
immels ift ein Mann mie Herder, und an 
elch eine unwuͤcrdige, undankbare Zeit ift dieß 
zfchenf verfchmendet!! Ale unfere. Liebe, 
»ppelt und dreyfach verdoppelt, iſt noch zu 
enig ihn dafür zu entichadigen. 
* * *, mein liebiter Gleim, bat, ohne 
m Echatten einer Urfache, mir eine ans 
engen wollen, und fich felbft garflig in's 
uge gefchlagen. Es iſt traurig, daß feine 
n allen den Gategorien, die fonft einen Mens 
»en mweifer und beffer machen, etwas über 
fen unhellbaren, eiteln und infolenten Zwit⸗ 
w don FTranzofen und Schweizer etwas vers 
9. Da ich nicht ganz ſtillſchweigen konnte, 
habe ich fuͤr's beſte gehalten, was ich ſagen 
Dilte, bald zu ſagen. Sie werden mit mels 
»r Mäßigung, mie Ich gewiß glaube, zufries 
"n feyn. Aber wehe ihm, wenn er an dDiefer 
wnften Gorrection nicht genug hat! . 
Morgen, liebfter Bruder, den ı6. May, 
ache ich ein Paar mir ſehr liebe anime in- 
morate glüclih, Indem ich meine So 
Wie, dee Ahnen vor gehn Fahren ale ein 
ädchen von feche bis ſieben Jahren fo lieb 
ar, mit einem Ihnen zwar noch unbefanns 
Mictands Briefe III. ©. 24 





371 


einhold, iſt ein geboßener Wiener, bat, 


Hne ein Avanturier zu feyn, und wiewohl 
nm erft 26 fahr alt it, . fonderbare und merk⸗ 
sürdige Wege durchgangen, war ehemahls, 
ind iſt noch jeßt ein Liebling einiger der beften 
Nenfchen In Wien, und hat dato den Chas 
after eines hiefigen Rathes von unferm guten 
derzog erhalten. Sch habe ihn fo arrangirt, 
aß er mehrere Jahre, bey mäßiger litteraris 
cher DBefchäftigung, ohne ein Amt nöthig zu 
aben, gemächlic) leben kann. Er ‚bleibe 
en mie im Haufe, und wir werden ung 
chmerlich eher trennen, bis fein Raum mehr 
ür beyde da ift, oder Ich ducch eine Reiſe in 
ie andıe Welt Plag mache. Don feinem 
Zeiſte und feinen Fähigkeiten fünuen Sie ih - 
inigen aber doch nur ſchr unvollſtaͤndigen 
Begriff aus etlichen Auffagen von ihm mas 
hen, als da find: Merkur 1784. Nro. ı und 4 
im Julius. Neo, 4 und 7m Augufl. 
Nro. 2 und 3 im September. Giro. 6. im 
November — ingleichen die Recenfion von 
Melners Briefen uber die Schweiz, 
und Düvals Werfen im December 1784 
Die Necenfion von Herders Philofoppie 
der Geſchichte und von Zimmermanns 





” 373 
ãnſche Ich daß Sie, wo nicht Neſtors, doch 
Snigſtens Bodmers jahre der Welt und hs 
m Sreunden leben mögen! denn, wenn Gie 
us einft verlaffen müffen 

' — Pudor et justitiae soror 

\ Incorrupta fides, nudaque veritas 

/ Quando ullum invenient parem? 

Mid) freut gar fehr, daß Ste mit meinem 
uffag über den Magnetismus, der in 
m guten Bremen einen fo albernen Spuk 
richtet, zufrieden find. Sie und das Pubs 
um billigen ohne Zweifel ben humanen und 
anierlicyen modum procedendi, den id) 
te Herrn D. Bicker und Conſort eingefchlas 
n habe. Der Ton, womit ihn unfre Herren 
erlinge angelaffen haben, fat Jedermann 


ıf, und mir iſt es befonders leid, zu ſehen, 


aß diefe Champions der Vernunft unvermerkt 
ne gemiffe Arroganz und Unduldfamfeit con- 
a omnes aliter sentientes angenommen has 
en, die Ihnen und der guten Sache ſchaden. 
er, auf defien Seite die Wahrheit und Vers 
unft iſt, kann nie befcheiden und human 
enug gegen die Schwachern feyn. — Uebri⸗ 
end habe ich meinen Köcher noch nicht vers 
hoffen; die fchärfften Pfeile Hab’ ich noch 


374 

aufbehalten, und will nur erft abwarten, 
die bey der Sache intereffirten Bremer 
und wie fie meine Hergengerleichterung 
nehmen merden. 

Die neueften Theile der auserlefenen Gt 
folen Sie in furgem erhalten. Wenn Gi 
dafuͤr wieder etwas Liebes und Gutes | 
fen wollen, mein Bruder Gleim, fo made 
Anftalten auf eine ächte Ausgabe aller S 
Schriften, fo viele vderfelben mit 
Stempel der Unfterblichfeit bezeichnet find 
deren find viele. Es wäre nicht recht, 
Sie uns dieſes Gefchent länger vorent 
mollten; und mit Freuden wollte ich, 
Sie mir einen Auftrag dabey geben w: 
einen Theil meiner kurz zugemeffenen Zei 
opfern, um etwas zu Diefer Ausgabe : 
tragen. 

Lucian, an dem ich con amore aı 
macht jest einen großen Theil des ( 
meined Lebens aus. In anderthalb 
a dato, fo wir leben, wird auch dieſes 
teuer beftanden feyn. — Sonft iſt alles 
bey mie und gebdeihet, und ich lebe gl: 
tie ein Patriarch, (wiewohl ohne R 

haafe und Efel) mitten unter einer um 


375 


* auftwachfenden, grünenden und blühenden \ 
antage gutartiger, menfchlicher Geſchdpfe, 
en geringſtes, mie ich hoffe, der Welt durch; 
ne Exiſtenz mehr Gutes ald Boͤſes thun ! 
ed. Leben Sie wohl, und lieben Immer 
ven Wieland, | 


CCCXIE. 
An Leonhard Meifter in Zürich 


Weimar, den 10. September. 1787. 


Ich finde mich von Ihnen mit einem Schreis 
n vom 28. des abgemwichenen Monaths beebrt, 
ffen Inhalt mich in einige Verlegenpeit fett. 
Ine ganz offene treuherzige Erflärung wird 
oh! das befte Mittel feyn, mich bey einem 
tanse von Ihrem Charakter und der fo gütig 
In mir zu denken fcheint, aus der Sache 
ı ziehen. | 

Mancherley Beweggründe, bie fehon lange - 
sehanden find, aber wegen des Gegengewichts 
derer Vorftelungen und Umflände nicht ges 
ug auf mich wuͤrkten, haben mich vor einis 
er Zelt auf den Entfchluß gebracht, autbens 
iſche Beytraͤge gu meiner fünftigen 
ziographie nach und nah im D. Merkur 


376 


befannt gu machen. Nie babe ich vi 
enger Zeit zur Ausführung dieſes 
beng gehabt, als dermahlen: aber hr 
unmittelbar, als durch die Frau von ka 
an mich gebrachted Aufinnen, wird es bi 
nigen, und ich bin feft entichloffen, mi 
nachitfommenden October den Anfang ! 
chen. Vielerley Rudtichten und Umftänt 
fonderd der erwähnte Mangel an Muße 
ben mir nicht, Ihrem Wunfch mede 
noch in einem befondern für Ihre Blog 
deutſcher Dichter, beftimmten Auffag e 
nuͤge zu thun. Gie werden alfo die Gi 
ben, jene dem Merkur beflimmten Beyti 
erwarten und es wird alsdann von 
abyanygen, von diefen Materialien © 
zu machen und Ihnen die beliebige Fı 
schen. Angenehm it es mir, daß Her 
den Ausländern befonders den Franzoſer 
. zuderläßigeres von mir zu fagen entf 
ift, als die fchiefen, unrichtigen, ur 
Theil unartigen Nachrichten und Urthei 
aus zlemlih trüben Quellen, wie e8 
in einige Stuͤcke der bibliotheque uniı 
des Romans gefloffen find. Voyez 
Aoüt 1778 page 72. Mars ı78ı p 


377 


=ZUrSs 1782 au commencement. Janvier 1781. 
2. 2. au commencement, etc. auch im vol. 

des Gabinetd des Fees In deffen vol. 36 
te elende Ueberfenung des Don’ Sylvlo ents 
Lt, ift eine magere’und zum Theil unrichtige 
Stice von dem Verfaffer deffeiben, ich weiß 
It von wem gegeben worden. Sich habe es 
aner unter mir gehalten ‚, dieſes Darboulllage 
Kefannter Burſche, die von einem Manne 
a Sie nichk fennen, nnd von deffen Schrif⸗ 
x Sie feine Zelle zu lefen im Etande find, 
t fo unverfchamter Dreiftigfeit abſprechen, 
ch aber oft gewundert, daß unter deu vies 
⁊ Sreunden, die ich haben fol (& ce qu’on 
=) fic) binnen 10 fahren feiner gefunden 
.t, dem e8 einfiel diefe Noticen und Urtheile 
x mir unbefannten Herausgeber der Biblio- 
eque des Romans zu berichtigen. 


_ CCCXIV.. 
An Gleim. 


Am December. 1787. 
Mein theurer Bruder Gleim! hr liebevols 


8 Briefhen hat mich zugleich innigſt erfreut 
ad beſchaͤnt. Ihr Herz iſt und bleibe fich 


378 

immer an Wärme und zuborfommenden 9 
gleich, und o! gewiß wird dag meinige ! 
und Danf und Verehrung für Sie fly 
fo lang es fchlagen Fann: aber ih ſch 
mich doch vor Ihnen und vor mir felbft. 
finde meine faum erflärbare Traͤgheit 

Schreiben an meine Freunde, die fi | 
feit mehrern Jahren meiner bemächtigt 
abfheulih, und kann ihrer Doch nicht 
werden. Sie, mein Befter, bemeifen 

die That, daß die wahre Liebe, bie 
Paul an die Eorinther fo vortrefflich di 
terifirt, In Ahnen ift, Ihre Liebe hadert ı 
eifert nicht, fucht nicht ihr eigneg, er 
die Sehler ihrer Freunde, glaubet immer 
Befte, duldee alles, hoffet alles — und 
liebe Gott lohne Ihnen dafür, und aut 
den herrlichen Gedanken, bald, bald - 
den erfien Blnmen, die der May au 
Fluren fchütten wird, zu Ihrem Wielaı 
fommen. Erhalte Ihnen boch der Himme 
fundheit Munterfeit und Muße eine fo 
Hoffnung in Erfüllung zu bringen. Gie 
dann auch meinen Sohn Heinhold f 
lernen. Nicht er, fondern (wie Gile 

vermuthet haben) ohne Zweifel Derber | 


. 0329 


„jerfaffer der Schrift über .Horen und Gras 
en. | | | 
*Ich flede bis über die Ohren in meinem 
Mcian, und habe Feine Zeit Recenfionen zu 
efen. Die Bibllothek der fchönen Wiſſenſchaf⸗ 
ten aber fehe ich gar nicht; weil ich Die 
Schwachheit habe, ein Sournaly mwerin ich 
sinmal fchief oder unartig recenfirt worden 
Jin, nie ohne Widerwillen nur nennen hören 
zu koͤnnen, und bey feinem Anblick ungefähr 
Das enipfinde, was einer, der einmahl am 
Pranger geftanden bat, bey'm Anblick eines 
Pilory oder Galgens fühlt. | 

Serus in coelum redeas! tft unfer herzli⸗ 
he Wunſch bey bevorfiehendem Jahreswechſel 
und fo empfeble Ich ihnen, mit allem mag 
Eein if, Ihren alten Freund und Bruder 

| Wieland. 


CCCXV. 
An Leonh. Meiſter in Zürich 
Weimart, den 28. December. 1787. 


Als ich Ihnen aus dem Merkur etwas einer 
Biographie aͤhnliches verſprach, war es wirke- 





381 


Slieder feit 150 Fahren Anfehnliche öffentliche. 
Yemter in diefer Eleinen Republic verwaltet 
Jaben, Diefer Umftand verbunden mit der das 
mahligen großen Srugalität und Simplicität der 
Bebensart und Sitten an dieſem Drte mit einer 
Dirt von Naturleben in einer ſehr anmuthis 
gen Gegend, bey nicht duͤrftigen, aber Doc) 
auf dag Nothmwendige befihränften Vermögengs 
umſtaͤnden, hatten großen Einfluß auf meine 
erfie Bildung. Ich war fehr. frühzeitig und 
mein Vater war von meinem dritten Jahre an 
mein erſter Lehrer. Mit 8 Jahren las ich 
Nepotis vitas fchon mit den feurigfien Ges 
fühlen — im ızten Jahre verfland oder divis 
nirte ich meinen Horaz und Birgil beffer als 
mein Lehrer. Bon meinem ı2ten big ing ıate 
Jahr machte ich eine unendliche Menge Deuts 
fcher und Lateinifcher Verſe, die freylich elend 
genug waren, — fieng im ı3ten fchon ein Nels 
dengedicht — die Zerfiörung Jeruſalems an. 
Mit,ız 1/2 Fahren ward ich nach Klofters 
bergen bey Magdeburg, eine damahls unter der 
Des bis zur Schwaͤrmerey devoten Abts Steins 
metz Aufſicht ſtehenden beruͤhmten Schule ges 
ſchickt. Ich blieb dort zwey Jahre, machte 
ſtarke Progreſſen in litteris, ſchwaͤrmte anfangs 


372 
Einfamteit. Ingleichen die Apologie 
Herder, oder das Schreiben des Pfar 
von *** im Februar 1785. — Alles dieß 
einzelne Fuͤnklein und Strahlen. Es liegt ı 
viel, fehr viel in biefem Kopf und diel 
Herzen, das noch nicht offenbar if. — 
Nun leben Sie wohl, mein edler, lieb 
würdiger Freund, leben Sie nody lange u 
ung et serus in coclum redeas! 


CCCXII. 
An Ebendenfelben. 


Januar ı 


Mein tbeuerfter Gleim, des Himmels bi 
Segen auf Sie, deffen reine, aus unver 
barer Duelle irömende Güte des Herzens ni 
hemmen, nichts trüben noch irre machen fc 
Sie follten mich fchelten, mein Befter, für 
fo langes Stilifchweigen auf fo mandye | 
reihe Erfcheinungen, die Ihr Geiſt bey 
gemacht bat, und Sie danken mir, verfcı 
mic) felbft mie dem Schatten eines Borwı 
oder Mißtrauend in bie ewige Freundſch 
die ihnen mein Herz gewidmet bat. Wie 
liebe und verehre Ich Sie dafür! Wie heri 


” 373 
ainfche Ich daß Ste, wo nicht Neſtors, doc) 
enigſtens Bodmers fahre der Welt und hs 
en Freunden leben mögen! denn, wenn Sie 
ms einft verlaffen müffen 

— Pudor et justitiae soror 
Incorrupta fides, nudaque veritas 

/ Quando ullum invenient parem? 

Mich freut gar fehr, daß Ste mit meinem 
lufſatz uͤber dden Magnetismug, der in 
em guten Bremen einen fo albernen Spuk 
nrichtet, zufrieden find. Sie und dag Pubs 
ikum billigen ohne Zweifel ben humanen und 
manierlichen modum procedendi, den ich 
nit Deren D. Dicker und Confort eingefchlas 
en habe. Der Ton, womit ihn unfre Herren 
Berlinge angelaffen haben, fallt Jedermann 
uf, und mir iſt e8 befonders leid, zu ſehen, 
daß diefe Champions ber Vernunft unvermerkt 
eine gewiſſe Arroganz und Unduldfamfeit con- 
Ira omnes aliter sentientes angenommen ha⸗ 
ben, die ihnen und der guten Sache fchaden. 
Der, auf deffen Seite die Wahrheit und Ver; 
nunft if, kann nie befcheiden und human 
genug gegen die Schwachern feyn. — Uebri⸗ 
gend habe ich meinen Köcher noch) nicht vers 
hoffen; die fchärfften Pfeile Hab’ ich no 





375 
Mer aufmwachfenden, grünenden und blühenden \ 
Wiantage gutartiger, menfchlicher Geſchoͤpfe, 
Deren geringfies, tie ich hoffe, der Welt durch , 
Beine Eriftens mehr Gutes als Boͤſes thun ! 
Koird. Leben Sie wohl, und Lieben immer 
FHren Wieland. | 


CCCXIEL 
An Leonhard Meifter in Zürich. 


Weimar, den 10. September. 1797. 


Ich finde mich von Ihnen mit einem Schreis 
ben vom 28. des abgemwichenen Monaths beebrt, 
deffen Inhalt mich in einige Verlegenpeit ſetzt. 
Eine ganz offene treuhersige Erklärung wird 
wohl das befte Mittel feyn, mich bey einem 
Manne von Ihrem Charakter und der fo gütig 
von mir zu benfen ſcheint, aus der Sache 
zu ziehen. 

Mancherley Beweggruͤnde, die ſchon lange ˖ 
vorhanden ſind, aber wegen des Gegengewichts 
anderer Vorſtellungen und Umſtaͤnde nicht ge⸗ 
nug auf mich wuͤrkten, haben mich vor eini⸗ 
ger Zelt auf den Entſchluß gebracht, authens 
tifche Beytraͤge zu meiner fünftigen 
Biographie nah und nah im D. Merkur 


376 . 

befannt zu machen. Nie Habe ich vi 
wen ger Zeit zur Ausführung dieſes 
bens gehabt, als dermahlen: aber Ihr 
unmittelbar, als durch die Frau von fa 
an mich gebrachtes Aufinnen, wird es bı 
nigen, und ich bin feſt entſchloſſen, m 
nachitfommenden Detober den Anfang : 
chen. Vielerley Nudiichten und Umſtaͤnd 
fonderg der erwähnte Mangel an Muße 
ben mir nie, Sorem Wunſch mede 
noch in einem befondern für Ihre Biog 
deutſcher Dichter, beſtimmten Auffaß ei 
nuͤge zu thun. Sie werden alfo die Gu 
ben, jene dem Merkur beflimmten Bepytr: 
erwarten und c8 Wird alsdann bon 
abyanygen, von diefen Materialien Ge 
su machen und Ihnen Die beliebige Sc 
schen. Angenehm it e8 mir, daß Herr 
den Ausländern befonders den Srangofen 
. zuderiäßigered von mic zu fagen entid 
ift, als die fihiefen, unrichtigen, und 
Theil unartigen Nachrichten und Urtheil 
aus ziemlidy trüben Quellen, wie e8 fc 
in einige Stücde der bibliotheque unive 
des Romans gefloffen find. Voyez 
Aoüt 1778 page 72. Mars ı78ı pa 


377 


Mars ı782 au commencement. Janvier ı7Bı. 
vol. 2. au commencement, etc. aud) im vol. 
37 des Cabinets des Fees In deffen vol. 36 
sine elende Ueberfegung des Don’ Sylvlo ents 
zaͤlt, ift eine magere'und zum Theil unrichtige 
Notice von dem Verfaffer deffeiben, ich weiß 
nicht von wem gegeben worden. Sch habe es 
Immer unter mir gehalten ‚, diefes Barboulllage 
unbefannter Burfche, die von einem Manne 
den Sie nicht fennen, nnd von deffen-Schrifs 
ten Sie feine Zelle zu lefen im Stande find, 
mit fo umnverfchamter Dreiftigfeit abfprechen, 
mic) aber oft getwundert, daß unter deu dies 
len Freunden, die ich haben foll (A ce qu’on 
dit) fich binnen 10 fahren feiner gefunden 
bat, dem es einfiel diefe Noticen und Urrheite 
der mir unbefannten Herausgeber der Biblio- 
iheque des Romans zu berichtigen. 


CCCXIV. 
An Gleim. 


Im December. 17387. 


Mein theurer Bruder Gleim! hr liebevol- 
les Briefchen hat mich zugleich innigſt erfreut 
und beſchaͤmt. Ihr Herz If und bleibt ſich 


378 

immer an Wärme und zuborfommenden 
gleich, und o! gewiß wird dag meinige 
und Dank und Verehrung für Sie fl: 
fo lang e8 fchlagen fann: aber ich fü 
mich doch vor ihnen und vor mie felbft. 
finde meine faum erfläcbare Trägheit 
Schreiben an meine Freunde, die fich 
feie mehrern Jahren meiner bemächtigt 
abfcheulich, und kann Ihrer doch nich 
werden. Sie, mein Beſter, beweifen 
die That, daß die wahre Liebe, die 
Daul an die Eorinther fo vortrefflich c 
terifirt, in Ihnen ift, Ihre Liebe badert 
eifere nicht, fucht nicht Ihr eigneg, e 
die Fehler ihrer Freunde, glaubet imme 
Beſte, duldet alles, hoffet alles — un 
liebe Gott lohne Ihnen dafür, und au 
den herrlichen Gedanfen, bald, bald - 
den erfien DBinmen, die der May aı 
Fluren fchutten wird, zu Ihrem Wiela 
fommen, Erhalte Ihnen boch der Himm 
fundheit Munterfeie und Muße eine fı 
Hoffnung in Erfüllung zu bringen. Gie 
dann auch meinen Sohn Neinhold | 
lernen. Nicht er, fondern (wie Sie 
vermuthet haben ) ohne Zweifel Derber 


- 379 
Werfaffer der * uͤber Horen und Gra⸗ 
ien. 

Ich ſtecke big über die Ohren in meinem 
Bucian, und habe feine Zeit Kecenfionen : zu 
leſen. Die Bibllothek der fchönen Wiffenfchafs 
tern aber fehe ich gar nicht; weil ich die 
Schwachheit habe, ein Journal worin ich 
einmal ſchief oder unartig recenſirt worden 
bin, nie ohne Widerwillen nur nennen hoͤren 
zu koͤnnen, und bey ſeinem Anblick ungefaͤhr 
Das empfinde, was einer, der einmahl am 
Pranger geftanden bat, bey’m Anblick eines 
Pllory oder Galgens fühlt. | 

Serus in coelum redeas! iſt unfer herzli⸗ 
he Wunfch bey bevorfiehendem Jahresmechfel 
und fo empfehle ich ihnen, mit allem mag 

Sein if, Shren alten Sreund und Bruder 

Wieland. 


CCCXV. 
An Leonh. Meiſter im Zuͤrich. 
Weimar, den 28. December. 1787. 


Als ich Ihnen aus dem Merkur etwas einer 
Biographle ähnliches serfprach, war es wirk⸗ 





381 


lieder feit 150 Fahren Anfehnliche öffentliche. 
Aemter in diefer Eleinen Republick verwaltet 
Jaben. Diefer Umftand verbunden mit der das 
mahligen großen Srugalität und Simplicität der 
Bebensart und Sitten an dieſem Orte mit einer 
Urt von Naturleben in einer fehr anmuthis 
zen Gegend, bey nicht Därftigen, aber Doc) 
uf dag Nothwendige befihränften Vermögens 
umſtaͤnden, hatten großen Einfluß auf meine 
erſte Bildung. Sch mar fehr: frühzeitig und 
mein Bater war von meinem dritten Sabre an 
mein erfter Lehrer. Miet 8 Jahren las ich 
Nepotis vitas ſchon mit den feurigfien Ges 
fühlen — im ızten Jahre verfiand oder Divis 
nirte ich meinen Horaz und Virgil beffer ale 
mein Lehrer. Bon meinem ı2ten big Ing ıate 
Jahr machte ich eine unendliche Menge Deuts 
fcher und Lateinifcher Verfe, die freylich elend 
genug waren, — fing im ı3ten fchon ein Hel—⸗ 
dengedicht — die Zerfiörung Jeruſalems an, 
Mit,ı3 1/2 Jahren ward ich nach Klofters 
bergen bey Magdeburg, eine damahls unter der 
des big zur Schwaͤrmerey devoten Abts Steins 
mes Aufſicht ſtehenden berühmten Schule ges 
fchickt. Ach blieb dort zwey jahre, machte 
ftarke Progreffen in litteris, ſchwaͤrmte anfangs 





383 - 
par ein ſogenanntes Privatiſſimum, das er 
mir uͤber — den Don Quichote las. 

Den Charakter meiner Liebe zu Sophien 
muß man aus meinen erfien Schriften holen. 
Sie war Höchft enthuflafifch, aber. im eigents 
Lichen Berflande platgniſch; ich kann mich aber 
jetzt nicht darüber ausbreiten. Wir waren im 
Jahr 1750 (wo ich erſt fiebzehn Jahr alt war) 
nur ohngefähr vier Monathe beyfammen; denn 
im November ging ich nach Tübingen, wo id), 
ftatt Jura gu fludiren, mich in mein Zimmer 
einfihloß , und binnen anderthalb Fahren 
meine erſten poetiſchen Schriften fchrieb und 
herausgab. — Das Gedicht uber die Natur 
Der Dinge war das Werf von drey Monas 
ten. Mit allen feinen Mangeln bat es mir 
die Liebe Jhred großen Obmann Blaarers 
und des vortrefflichen Breitinger® ermors 
ben. Beyden hatte ich in der Folge viel zu 
Danfen. Mit, Bodmern wurde ich dadurch 
befannt, daß ich ihm fuͤnf Geſaͤnge eines in 
der Folge caſſirten Gedichts, Arminius in 
Hexametern „ohne meinen Nahmen zuſchickte; 
es waͤhrte eine Zeit, bis ich ihm eutdeckte, 
daß ich der und der, ein Menſch von achtzehn 
ein halb Jahren, und Verfaſſer von drey oder 


334 


vier Werklein ſey, die Er und feln Frau 
Hagedorn für Schriften gang verfchiede 
Verfaſſer gehalten hatte. Dieß Mar, die ıı 
Ucfache der außirordentlichen Affeftion, die 
für mich faßte, und einige Jahre behielt. | 
lebte bis Oſtern 1759 in der Schweiz, 
letzze Jahr in Bern, wo ich in Liaiſon 
vortreffliden Perſenen beyderley Geſchiec 
beſonders zwey Freundinnen, die wenig i 
Gleihen, an Geift und Herz und Eultur 
ten, Julie Bondely (# paxapiras) 
Mariane Fels lebte. Ueberhaupt habe 
meinem ficbenjährigen Aufenthalt in der Sch 
den edlen, vorzüglichen und gefchichten Pı 
nen, und überhaupt der fehr guten Goch 
worin ich dort lebte, unendlich viel zu dan 
Sm Jahr 1760 wurde ich ald Senatoı 
meine Vaterſtadt berufen, und bald daı 
sum Stadrfchreiber und Direktor 
Kanzley dafelbit erwahlt. In dieſem Pe 
blieb ich bis Oſtern 1700. Die Muſen mi 
bier curarum du!ce lenimen für mid). 
war bey Bodmern mit der Franzöfifd 
Italiaͤniſchen und Englifchen Litteratur 
befannt worden. Auf dieſe ſchraͤnkte ich n 
faft ganz ein; ich las nichts Deutfcheg n 


389 


befonder& feine Sournale und nen berauss 
ammende Sachen) und Mar von aller Deuts 
«hen Litteratur, aus aller Verbindung mit 
seutfchen Gelehrten und Schriftftelleen bis ins 
Jahr 1768 fo rein Aabgefchnitten, als ob ich 
chon den Styr paſſirt Hätte. In diefen acht 
Fahren arbeitete ich, meift gu melnem eignen 
Broft (weil mir die Rathhaus⸗ und Kanzleys 
Befchäfte fehr laͤſig waren) eine Menge Werfe 
mus, — als ı) Shafespearg leberfegung 
, Bde. 2) Agathon. 3) komiſche Erzähs 
ungen. 4) Mufarion, 5) Don Sylvio 
‚von Rofalva;z ein Buch, das durch fchlechte 
Teberfegungen und Auszüge in eingang 
alſches Licht gefeßt worden ift, da feln wah⸗ 
er Zweck ift, dem Aberglauben einen tödtlichen 
Stoß zu geben. 6) Idris. 7) Die erfie Hälfte 
som neuen Amadis. — Mit meinem ebergang 
aus der Platoniſchen Schwärmerey zur Myſti⸗ 
fchen (Ao. 1755. 56.) und mit meinem Her⸗ 
nbfteigen aus den Wolfen auf die Erde 
ging es natürlich und gradatim zu; Mein 
Cyrus, und meine Panthea und Aras 
ſpes waren die erften Früchte der MWiederhers 
ftelung meiner Seele in ihre natürlich Lage. 
Indeſſen Eonnte 28 nicht anders feyn, ale 

ielands Briefe IIL V. 25 


377 


ars ı782 au commencement. Janvier ı78ı. 
wol. 2. au commencement, etc. aud) im vol. 
37 des Cabinets des Fees in deſſen vol. 36 
eine elende Ueberſetzung des Don Sylvlio ents 
zaͤlt, ift eine magere und zum Theil unrichtige 
Notice von dem Verfaffer deffeiben, ich weiß 
nicht von wem gegeben worden. ch habe es 
Immer unter mir gehalten ‚ diefes Barboulllage 
anbefanntee Burfche, die von einem Manne 
sen Sie nicht kennen, nnd von deffen Scrifs 
ten Sie feine Zelle zu lefen im Etande find, 
mit fo unverfchamter Dreiftigfeit abfprechen, 
mich aber oft getwundert, Daß unter deu dies 
fen Freunden, die ich haben foll (& ce qu’on 
dit) fi) binnen 10 Fahren Feiner gefunden 
bat, dem es einfiel diefe Noticen und Urtheile 
der mir unbefannten Herausgeber der Biblio- 
theque des Romans zu berichtigen. 


CCCXIV. 
An Gleim. 


Im December. 1787. 
Mein theurer Bruder Gleim! Ihr liebevol— 


les Briefchen hat mich zugleich innigſt erfreut 
und befhamt. Ihr Herz iſt und bleibe ſich 


378 

immer an Wärme und zuvorkommenden 6 
gleich, und o! gewiß wird dag meinige }i 
und Danf und Verehrung für Sie fol 
fo lang es fchlagen kann: aber id fh 
mich doch vor Ihnen und vor mir felbft. 
finde meine kaum erflärbare Traͤgheit 
Schreiben an meine Freunde, die fich f 
feit mehrern Jahren meiner bemächtigt 
abfcheulich, und kann ihrer doch nid 
werden. Sie, mein Befter, bemeifen | 
die That, daß die wahre Liebe, bie 
Paul an die Eorinther fo vortrefflih ch 
terifire, in Ihnen ift, Ihre Liebe badert ı 
eifert nicht, fucht nicht Ihr eigneg, a 
die Sehler ihrer Freunde, glaubee immer 
Defte, duldet alles, boffet alles — und 
liebe Gott lohne Ahnen dafür, und auc 
den herrlichen Sedanfen, bald, bald - 
den erfien Binmen, die der May au 
Fluren fchütten wird, zu Ihrem Wielaı 
fommen. Erhalte Ihnen doch der Himme 
fundheit Munterkeit und Muße eine fo 
Hoffnung in Erfällung zu bringen. Gie 
dann auch meinen Sohn Neinhold ek 
lernen. Nichte er, fondern (mie Sie 
vermuthet haben) ohne Zweifel Derder | 


- | 379 


| | 
!erfaffer der Schrift über .Horen und Gras 
en. | | 
‚Sch fiede bis über die Ohren in meinem 
ucian, und habe Feine Zeit Necenfionen - zu 
eſen. Die Bibltorhek der fchönen Wiffenfchafs 
en aber ſehe ich gar nicht; weil ich Die 
Schwachheit habe, ein Sournal) worin ich 
sinmal fchief oder unartig recenfirt ‚worden 
Bin, nie ohne Widermwillen nur nennen börcn 
zu fönnen, und bey feinem Anblick ungefähre 
das empfinde, was einer, der einmahl am 
Pranger geftanden hat, bey'm Anblick eines 
Pilory oder Galgens fühlt. | 
Serus in coelum redeas! {ft unfer herzlis 
he Wunfc bey bevorftehendem Jahreswechſel 
und fo empfehle Ich Ihnen, mit allem was 
Eein if, Ihren alten Freund und Bruder 
Mieland. 


CCCXV. 
An Leonh. Meifter in Zürich 
Weimar, den 2g. December. 1787.- 


Als ich Ihnen aus dem Merkur etwas einer 
Biographie ähnliches verſprach, war es wirk⸗ 


a} 
350 


lich meine Meinung. Wort zu haften: abe 
bier erfuhr ich, daß 

promettre est un et tenir est un au! 

Kurz es ift mir jegt phyſiſch nnd me 
ſiſch unmöglich, fo etwas nur gu ver|: 
aber um fo mehr iſt es Pflicht, daß ich ı 
fteng eine Stunde dasu verwende, um d 
beit, fo Sie auf mich zu wenden, bie 
gehabt haben, nicht Dadurch vergeblich 3 
hen, wenn ih Sie der Berichtigungen 
ihre bier und da noͤthig find, entbehren 
Alfo — da meine Zeit dermahlen theur 
als Dftindifches Roſenoͤhl, fogleich ad 

Megen bes in proemio viel zu frey— 
und mit toirflicher Verſchwendung der | 
ten drogue — Hyperbole über mein 
torfchaft ausgegoffenen Lobes, wafche ich 
Hande — doch möchte ich Sie bitten, de 
um einige Noten berabzuftimmen und mi: 
derlich die Anbeter Klopſtocks Cden Ich 
verehre, wiewohl zwifchen ibm und mi 
ein naͤheres Verhältnig Statt gehabt hat) 
auf den Hals zu ziehern. 

Ich bin den 5. September 1733. In ber | 
Reichsſtadt Biberach geboren, auß einer 
bürgerlichen Samille daſelbſt, deren fän 


381 


Slleder feit 150 Fahren Anfehnliche öffentliche. 
Aemter in diefer Heinen Republick verwaltee 
Haben. Diefer Umftand verbunden mit der das 
mahligen großen Srugalität und Simplicitat der 
Rebensart und Sitten an dieſem Orte mit einer 
Dire von Naturleben in einer fehe anmuthi⸗ 
gen Gegend, bey nicht bürftigen, aber doch 
auf das Nothwendige beſchraͤnkten Bermögengs 
umfländen, batten großen Einfluß auf meine 
erfte Bildung. Ich war fehr. frühzeitig und 
mein Vater war von meinem dritten Jahre an 
mein erfler Lehrer. Mit 8 jahren las ich 
Nepotis vitas fon mit den feurigfien Ges 
fühlen — im ızten Sjahre verfland oder divi⸗ 
nirte ich meinen Horaz und Virgil beffer als 
mein Lehrer. Von meinem ı2ten big ing ı4te 
Jahr machte ich eine unendliche Menge Deuts 
fcher und Lateinifcher Verfe, die freylich elend 
genug maren, — fieng im ı3ten ſchon ein Nels 
Dengedicht — die Zerfiörung Jeruſalems an, 
Mit,ız 1/2 Jahren ward ich nach Klofters 
bergen bey Magdeburg, eine damahls unter der 
des big zur Schwaͤrmerey devoten Abts Steins 
mes Aufficht ſtehenden berubmten Schule ges 
ſchickt. Ach blieb dort zwey Jahre, machte 
ſtarke Progreffen in litteris, ſchwaͤrmte anfangs 


382 

mit, fam aber bald wieder durchm ein! 
liges Lieblingsſtudium, nahmlich durc 
poetifcye Manier In den metaphyſiſchen 
incognitis herum zu vagiren, ins frei 
von einem Syſtem aufs andere. Id 
etwas weniges uber funfzehn Fahre, a 
eig kleiner Auffag über die Moͤglic 
tie Venus aus Meerfhaum Habe ent 
und auf gleiche Weife dag ganze Unir 
ohne den lieben Gott, aus ewigen Ele 
fi) babe formiren fönnen 9), beynah 
böfe Händel in meinem Klofter zugezogen 
Uebrigens war ich damahls fchon Bi: 
Entbufiagmus BAonxdos und in diefen 
trug Eenophon, der englifche Spectator, 
ler und Guardian, ſehr viel zu meine 
dung bey. 

In meinem fechzehnten Jahre Hielt ich 
anftatt nah Haufe zu reifen, wie ich 
ein Fahr zu Erfurt bey Doftor Bau 
auf Cder nachmahls als Profeffor der M 
und Chemie nach Gießen fam, und ve 
lih noch lebt) um bey ihm In ber Philo 
jusunchmen. Das befle mas er an. mit 


*) Brief an Bodmer vom 6. März 1752. I 
S. 38. 


33. 


Jar ein fogenanntes Privatiffimum, dag er 
nir uͤber — den Don Quichote las. 

Den Charakter meiner Liebe zu Sophien 
nuß man aus meinen erfien Schriften holen. 
Sie war Höchft enthuſiaſtiſch, aber im eigents 
ichen Berflande platgniſch; ich kann mic) aber 
etzt nicht darüber ausbreiten. Wir waren. im 
Fahr 1750 (wo ich erſt fiebzehn Jahr alt war) 
sur ohngefähr vier Monathe beyfammen; denn 
im November ging ich nach Tübingen, wo Id), 
flatt Jura gu fludiren, mich in mein Zimmer 
einſchloß, und binnen anderthalb Jahren 
meine erften poetiſchen Schriften fehrieb und 
herausgab. — Das Gedicht uber die Natur 


Der Dinge war dad Werk von drey Monas 


ten. Miet allen feinen Mängeln bat e8 mir 
Die Liebe Ihres großen Obmann Blaarers 
und des vortrefflichen Breitingerg ermors 
ben. Beyden hatte ich in der Zolge viel zu 
Danfen. Mit, Bodmern wurde ich dadurch 
befannt, daß ich ihm fünf Gefänge eines in 
der Folge caffirten Gedichts, Arminius in 
Herametern, ohne meinen Nahmen zufchichte; 
es waͤhrte eine Zeit, bis ich ibm eutdeckte, 
Daß ich der und der, ein Menfch von achtzehn 
ein halb Jabren, und Verfaſſer von drey oder 


334 


vier MWerflein fey, die Er und fein Fra 
Hagedorn für Schriften gang verſchieden 
Berfaffer gehalten hatte. Dieß war, die mi 
Ucjache der außirordentlichen Affeftion, die 
für mich faßte, und einige Jahre bebiclt. ! 
lebte bis Oſtern 1759 in Der Schweiz, \ 
legte Jahr In Bern, wo ich in Kiaifon 
vortrefflicden Verjsnen beyderley Gefchle: 
befonders zwey Freundinnen, die wenig il 
Gleihen, an Geift und Ders und Eultur 
ten, Julie Bondely (W pareziras) 
Mariane Fels lebte. Ueberhaupt habı 
meinem fiebenjährigen Aufenthalt in der Sch 
den edlen, vorzüglichen und gefchichten P 
nen, und nberhaupt der fehr guten Goch 
worin ich dort lebte, unendlich viel zu dar 
Sm Jahr 1760 wurde ich al8 Senato 
meine Vaterſtadt berufen, und bald da 
sum Stadefchreiber und Direktor 
Kanzley dafelbit erwaͤhlt. In dieſem Pe 
blieb ich bis Oſtern 1769. Die Muſen mwı 
bier curarum dulce lenimen für mid). 
war bey Bodmern mit der Franzöjifd 
Italiaͤniſchen und Englifchen Litteratur 
befanut worden. Yuf diefe fchränfte ich r 
faft ganz ein; ich las nichts Deutſches n 


339 
efonders feine Journale und nen herauss 
mmende Sachen) und tar von aller deut 
ben Litteratur, aus aller Verbindung mit 
eutſchen Gelehrten und Schriftfiellern bis Ing 
Bahr 1768 fo rein abgefchnitten, als ob ich 
Hon den Styr paffire hätte. In dieſen acht 
fahren arbeitete ich, meift su meinem eignen 
roſt (weil mir die Rathhaus⸗ und Kanzley⸗ 
zeſchaͤfte ſehr laͤſtig waren) eine Menge Werke 
us, — als 1) Shakespears Ueberſetzung 
Bde. 2) Agathon. 3) komiſche Erzaͤh— 
ungen. 4) Mufarion, 5) Don Sylvio 
on Roſalvba; ein Buch, das durch ſchlechte 
eberfegungen und Auszüge in eingang 
alſches Kicht gefegt worden ift, ba fein wah⸗ 
er Zweck ift, dem Aberglauben einen tödtlichen 
5coß zu geben. 6) Idris. 7) Die erſte Hälfte 
om neuen Amadis. = Mit meinem Üebergang 
ug der Platoniſchen Schwärmerey zur Myſti⸗ 
hen (Ao. 1755. 56.) und .mit meinem Hers 
bfieigen aus den Wolfen auf die Erde 
ing ed natürlich und gradatim zu; Mein | 
yrus, und meine Panthea und Aras 
pes waren die erfien Früchte der Wiederhers 
telung meiner Seele in ihre natürljcht Lage. 
Indeffen Konnte es nicht anders feyn, ale 

Folelands Briefe IIL B. 25 





337 


fen, nach und nach aber erwarb Ich mir dag 
utrauen beyder Keligiong s Parteyen, und 
‚zan ließ mic, fehr ungerne ziehen, als ich den 
on dem höchfifeligen vortrefflichen Churfürften 
Emmerich Joſeph zu. Mainz erhaltenen 
Ruf (nicht al8 Kanzler fondern alg Regies 
ungsrath und erfter Profeffor der Philoſophle) 
uf der von Ihm neubelebten und erweiterten 
Iniverfttäat Erfurt erhielt. Sein damaliger 
efier Minifter, Baron von Grofchlag, der 
sich zu Warthaufen hatte kennen gelernt, 
atte hieran den mellten Antbeil, und ‚ich 
rachte unter feinem Schus und mit. feiner 
zreundſchaft beehrt, drey fehr angenehme Jahre 
n Erfurt zu; — wo ich nach und nach wieder 
wit der Deutfchen Litteratur Befannt wurde — 
>enn meine Gleichgültigfeit hierüber war fo 
woß gemefen, daß es mir ganz was Neues 
var, No. 1768 durch einen Brief von meinem 
achmahligen Freund und Collegen Riedel 
n Erfurt, gu erfahren, daß mie Agatbon, 
Nuſarion und andere Schriften Hroßen 
Beyfall und Gelebritat in Deutfchland” erwors | 
yen hätten. . 

Sim Jahr 1772 wurde ich an den Weimaris 
ſchen Hof eingeladen, und hatte zum erfiens 


378 

immer an Wärme und zuvorkommenden &4 
gleich, und o! gewiß wird dag meinige !i 
und Dank und Verehrung für Sie fchlagm 
fo lang es fchlagen kann: aber ich ſchaͤm 
mich doch vor Fhnen und vor mir felbft. # 
finde meine kaum erflärbare Traͤgheit zu 
Schreiben an meine Freunde, die fich fe 
feit mehrern Jahren meiner bemächtigt ha 
abfcheulih, und kann ihrer Doch nicht Ie 
werden. Sie, mein Befter, bemweifen dur 
die That, daß die wahre Liebe, die St 
Paul an die Gorinther fo vortrefflich chara 
terifire, In Ihnen ift, Ihre Liebe hadert nid 
eifert nicht, fucht nicht ibr eigneg, erträ 
die Fehler ihrer Freunde, glaubee immer bı 
Beſte, duldet alles, boffet alles — und d 
liebe Gott lohne Ihnen dafür, und aud f 
den berrlichen Gedanken, bald, bald — n 
den erfien Binmen, die der May auf | 
Fluren fchüutten wird, zu Ihrem Wieland 
fommen. Erhalte Ahnen doch der Himmel € 
fundheit Munterfeite und Muße eine fo fı 
Hoffnung in Erfüllung zu bringen. Gie fol 
dann auch meinen Sohn Reinhold ken 
lernen. Nicht er, fondern (mie Sie fl 
vermuthet haben) ohne Zweifel Merder iſt 


- « 329 


zerfaſſer der Schrift uͤber Horen und Gras 
ien. | = | | 
Ich fiede bis aber die Ohren in meinem 
Bucian, und habe Feine Zeit NRecenfionen - zu 
efen. Die Bibliothek der fehönen Wiffenfchafs 
ters aber febe ich gar nicht; weil id die 
Schwachheit habe, ein Sournal) worin ich 
einmal fchief oder unartig recenfirt ‚worden 
bin, nie ohne Widerwillen nur nennen bören 
zu Fönnen, und bey feinem Anblick ungefähr 
Das empfinde, was einer, der einmahl am 
Pranger geflanden hat, bey'm Anblick eines 
Pilory oder Galgens fühlt. | 
Serus in coelum redeas! iſt unfer herzlis 
he Wunfch bey bevorftehendem Jahreswechſel 
und fo empfehle ich Ihnen, mit alem mas 
Eein if, Ihren alten Freund und Bruder 
Wieland. 


CCCXV. 
An Leonh. Meifter in Zürich. 
Weimar, den 28. December. 1787. 


Als ich Ihnen aus dem Merkur etwas einer 
Biographie ähnliches verfprach, war es wirks 


. 
370 s 


lich meine Meinung. Wort ju halten: ab: 
bier erfuhr ich, daß 

prometire est un et tenir est un ar 

Kurz es ift mir jetzt phyfifh nnd m 
ſiſch unmöglich, fo etwas nur zu ber 
aber um fo mehr iſt es Pflicht, daß ich 
ftieng eine Stunde dazu verwende, um I 
beit, fo Sie auf mich zu wenden, di 
gehabt haben, nicht dadurch vergeblich ; 
chen, wenn Ih Sie der Berichtigung: 
ihr bier und da noͤthig find, entbehrer 
Alfo — da meine Zelt dermablen theu 
als Dftindifches Nofenöhl, fogleich ad 

Wegen des in proemio viel zu frer 
und mit twirflicher Verſchwendung der 
ten drogue — Hyperbole über melı 
torfchaft ausgegoffenen Lobes, wafche ich 
Hande — doch möchte Ich Sie bitten, d. 
um einige Noten berabzuflimmen und m 
derlich die Anbeter Klopſtocks Cden id 
verehre, wiewohl zwiſchen Ibm und n 
ein naheres Verhaͤltniß Statt gehabt Hat 
auf den Hals zu ziehen. 

Sch bin den 5. September 1733. in der 
Reichsſtadt Biberach geboren, aus eine 
bürgerlichen Samille dafelbft, deren fa 


381. 


Slleder feit 150 Fahren anfehnliche öffentliche. 
Aemter in diefer Eleinen Republick verwaltet 
Haben. Diefer Umſtand verbunden mit der das 
mahligen großen Srugalität und Simplicität der 
Bebensart und Sitten an dieſem Orte mit einer 
Dirt von Naturleben in einer fehr anmuthis 
gen Gegend, bey nicht bärftigen, aber doch 
auf das Nothwendige beſchraͤnkten Bermögengs 
umflanden, batten großen Einfluß auf meine 
erfie Bildung. Sch war fehr: frühzeitig und 
mein Vater war von meinem dritten Sabre an 
mein erſter Lehrer. Mit 8 Jahren las ich 
Nepotis vitas ſchon mit den feurigfien Ges 
fühlen — im ızten Jahre verfiand oder Divis 
nirte ich meinen Horaz und Birgil beffer als 
mein Lehrer. Bon meinem ı2ten bis ing ı4te 
Jahr machte ich eine unendliche Menge Deuts 
fcher und Lateinifcher Verfe, die freylich elend 
genug waren, — fieng im 13ten fchon ein Hels 
dengedicht — die Zerfiörung Jeruſalems an, 
Mit,ız3 1/2 Jahren ward ich nach Klofters 
bergen bey Magdeburg, eine damahls unter der 
des big gur Schwaͤrmerey devoten Abts Steins 
mes Aufficht ſtehenden berühmten Schule ges 
ſchickt. Ach blieb dort zwey Fahre, machte 
ſtarke Progreffen in litteris, ſchwaͤrmte anfangs 


382 

mit, fam aber bald wieder durchm ein dam 
liges Lieblingsſtudium, naͤhmlich durd t 
poetiſche Manier in den metaphyſiſchen Te 
incognitis herum zu vagiren, ins freye 
von einem Syſtem aufs andere. Ich 
etwas weniges uͤber funfzehn Jahre, als 
eig kleiner Aufſatz über die Moͤglichk 
wie Venus aus Meerſchaum habe entſtel 
und auf gleiche Weiſe das ganze Univerf 
ohne den lieben Gott, aus ewigen Eleme 
fih habe formiren fönnen 9), beynabe 

böfe Händel in meinem Klofter zugezogen he 
Uebrigene mar ich damahls fchon big 

Enthufiagmus GrAonxdos und in diefen Fe 
trug Zenophon, der englifche Spectator, 3 
ler und Guardian, fehr viel gu meiner 

dung bey. 

Sin meinem fechzehnten Jahre hielt ich n 
anftatt nach Haufe zu reifen, wie ich fü 
ein Jahr zu Erfurt bey Doktor Baum 
auf Cder nachmahls als Profeffor der Med 
und Chemie nach Gießen fam, und verm 
lich noch lebt) um bey ihm in der Philoſo 
zusunchmen. Das befle was er an. mir t 


*) Brief an Bodmer vom 6. März 1752, IL ‘ 
@. 38. 


383 . 


yar ein fogenanntes Privatiffimum, das er, 
sie über — den Don Quichote las. | 

Den Charakter meinee Liebe zu Sophien 
suß man aus meinen erfien Schriften holen. 
5ie war Höchft enthuflaftifch, aber. im eigents 
Ichen Berflande platgniſch; ich kann mich aber 
etzt nicht Darüber ausbreiten. Wir waren im 
fahr 1750 (two ich erſt fiebzehn Jahr alt war) 
sur ohngefähr vier Monathe beyfammen; denn 
m November ging ich nach Tübingen, wo Ich, 
Tate Jura gu fudiren, mich in mein Zimmer 
infihloß, und binnen anderthalb Jahren 
meine erſten poetifchen Schriften fehrieb und 
herausgab. — Das Gedicht über Die Natur 


der Dinge war das Werf von drey Monas u 


ten. Mit alen feinen Mängeln bat es mir 
die Liebe Fhres großen Obmann Blaarers 
und des vortrefflichen Breitingers erwors 
ben. Beyden harte ich in der Folge viel zu 
danfen. Mit, Bodmern murde ich dadurch 
befannt, daß ich ihm fünf Gefänge eines in 
der Folge caffirten Gedichts, Arminius in 
Herametern, ohne meinen Nahmen zufchichte; 
es mahrte eine Zeit, bis ich ihm entdecke, 
daß ich der und der, ein Menfch von achtzehn 
ein halb Jahren, und Verfaſſer von drey oder 


334 


vier Werklein fey, die Er und fein ! 
Hagedorn für Schriften gang verſch 
Verfaffer gehalten hatte. Dieß tbar, d 
Urfache der außirordentlichen Affektion, 
für mich faßte, und einige Jahre bebic 
Icbte bis Oſtern 1759" in Der Schwei 
legte Jahr In Bern, wo ich in Lial 
vortrefflicden Perſenen beyderley Gef 
beſonders zwey Freundinnen, die wen 
Bleiben, an Geiſt und Herz und Eulı 
ten, Julie Bondely (i maxarıra 
Marlane Fels lebte. Ueberhaupt | 
meinem fiebenjährigen Aufenthalt in der 
den edlen, vorzüglichen und geſchickter 
nen, und uberhaupt der fehr guten € 
worin Ich dort lebte, unendlich viel zu 

Sm Jahr 1760 wurde ich als Sena 
meine Vaterſtadt berufen, und bald 
sum Stadtſchreiber und Direkı 
Kauzley Ddafelbit erwaͤhlt. In dieſem 
blieb ich bis Oſtern 1760. Die Muſen 
bier curarum dulce lenimen für mid 
war bey Bodmern mit der Franzo 
Italiaͤniſchen und Engliſchen Lieteratı 
befannt worden. Yuf diefe fchränfte is 
faft ganz ein; ich las nichts Deutſchet 


359 


efonderd feine Journale und nen herauss 
Mmende Sachen) und war von aller Deuts 
Yen Litteratur, aus aler Verbindung mit 
eutſchen Gelehrten und Schriftfielern bis Ind 
ahr 1768 fo rein abgefchnitten, als ob ih 
bon den Styr paffirt hätte. In dieſen acht 
ahren arbeitete ich, meiſt zu meinem eignen 
roſt (weil mir die Rathhaus⸗ und Kanzley⸗ 
eſchaͤfte ſehr laͤſig waren) eine Menge Werke 
is, — als 1) Shakespears Ueberſetzung 
Bde. 2) Agathon. 3) komiſche Erzaͤh⸗ 
ıngen. 4) Mufarion, 5) Don Sylvio 
In Rofalva; ein Buch, das durch fehlechte 
eberfegungen und Auszüge in eingang 
ilſches Licht gefeßt worden ift, da fein wah⸗ 
r Zweck ift, dem Aberglauben einen tödtlichen 
toß zu geben. 6) Idris. 7) Die erfte Hälfte 
ym neuen Amadis. — Mit meinem Uebergang 
18 der Platoniſchen Schwärmerey zur Myſti⸗ 
hen (Ao. 1755. 56.) und mit meinem Hers 
hfteigen aus den Wolken auf die Erde 
ing es natürlich und gradatim zu; Mein 
yrus, und meine Panthea und Ara 
pes waren die erften Früchte der Wiederher⸗ 
ellung meiner Seele In ihre natürliche Lage. 
indeffen Eonnte 28 nicht anders feyn, ald 
Wielands Brite 111. 25 


986 


daß damahls alles noch fehr idealiſch in 
nem Kopfe war. 

Durh ein paar Jahre Aufenthalt i 
zwar Fleinen, aber paritätifchen und ba 
fehbr unruhigen Reichsſtadt Biberach 
ich ing prafeifche Leben, und dieß 
fo außerordentlih auf mih, daß In tı 
als einem Jahre mein ganzes voriges 
in ber Schwel; mir wie ein fchöner 
vorkam, und daß ich mich aller meiner 
gen Freunde und Berbindungen (den ei 
Zimmermann, damahls zu Brugf, aus; 
men) nur wie abgefchiedner Seelen in 
ſium erinnerte. Sehr viel trug auch 
evolution In meiner Seele meine mi 
Jahr 1761 angefangene Eonnerion m 
Bewohnern des graflich Stadionifchen € 
fe8 Warthhaufen, befonders mit Hei 
Roche und mit dem Grafen felbft bey, ı 
einer der vorzgäglichfien Weltmänner ı 
Zeit war, und unendlich viel jur Erwel 
und Berichtigung meiner Welts und Me 
fenntniß beytrug. Ein geringes aber 
fälfchtes Denfmahl habe ich ibm vorlän 
Proocmio de Neuen Amadig geftii 

Ich hatte Anfangs in Biberach viel gı 


337 


en, nach und nach aber erwarb ich mir dag 
trauen beyder Neligiong s Parteyen, und 
an ließ mich fehr ungerne ziehen, als ich den 
n dem höchfifeligen vortrefflichen Churfürften 
mmerich Joſeph zu. Mainz erhaltenen _ 
ıf (nicht als Kanzler fondern als Negies 
ngsrath und erfter Profeffor der Philoſophie) 
f der von Ihm neubelebten und erweiterten 
ziverſttaͤt Erfurt erhielt. Sein dbamahliger 
der Minifter, Baron von Groſchlag, der 
ich zu Wartbaufen hatte kennen gelernt, 
tte bieran den meiſten Antheil, und ‚ich 
achte unter feinem Schug und mit. feiner 
:eundfchaft beehrt, drey fehr angenehme Jahre 
Erfurt zu; — wo ich nach und nach wieder 
it der deutſchen Litteratur befannt wurde — 
enn meine Gleichgültigfeit hierüber war fo 
oß gemefen, daß es mir ganz was Neues 
ar, No. 1768 durch einen Brief von meinem 
chmahligen Freund und Gollegen Riedel 
Erfurt, zu erfahren, daß mir Agatbon, 
ufarion und andere Schriften broßen 
eyfall und Celebrität in Deutfchland” erwors | 
a bätten. _ 

Im Jahr 1772 wurde ich an ben Weimaris 
hen Hof eingeladen, und hatte zum erſten⸗ 





339 

‚and mit einem moralifchen Charakter der einer 
Heiligen Ehre machen würde. Die zwey und 
gwanzig “jahre, bie Ich nun mit ihr lebe, find 
worbengefommen, ohne daß ich nur ein einzis: 
ges Mahl gewuͤnſcht hätte, nicht verheyrathet 
gu feyn; im Gegentheil IfE fie und ihre Exi⸗ 
Ken; mit dee meinigen fo .verwebt, daß ich 
micht acht Tage von ihr entferne ſeyn kann, 
ohne etwas dem Schweisers Heimmeb aͤhn⸗ 
Liches zu erfahren. Bon dreyzehn Kindern, 
bie fie mie geboren hat, leben zehn liebens⸗ 
würdige, gufartige, an Seel und Leib gefunde 
Seſchoͤpfe, die nebft ihrer Mutter dag Stud 
meines Lebens ausmachen. Schmwerlich iſt jes 
mahls ein Menſch für den Genuß reiner haͤus⸗ 
licher Glückfeligkeit mehr gemacht und berfels 
ben mehr theilhaftig worden, ale der Man 
der dieß ſchreibt. | 
Die in Ihrem Auffage aus den Briefen 
des reifenden Franzoſen angeführte Stelle, iſt 
meiner unwürdig, und wirft durch ihren Ton 
ein falfches Licht auf mich und meine Familie. 
Ich habe weder die Prätenfion, die mir diefer 
Menfch, der mich nicht einmahl gefehen hat, 
andichtet, noch irgend eine andere. Ich bie 
von Natur launiſch oder humoriſtiſch, außer 


390 

dem aber was man un homme simple & 
uni nennt. Es iſt ein Zug meines Charib 
ters, Der fich nie dementiert hat, ohne Ri 
und Eiferfucht zu feyn, Talente und Verdienkt 
mit Wärme zu lieben, und gegen den Kuda 
eber zu gleichgültig als zu paßionirt zu ſeyn. 

Der Anekdote mit Bodmers Zilla erinnt 
ih mich nur noch fehr dunkel, und glault 
Daß fie Ihnen nicht ganz richtig. erzaple wor 
den feyn mag. 

Meine Keidenfchaft für Mme. La Roche hati 
ſich bereits im Jahr 1755 zu einer gang ru) 
gen Freundfchaft herabgeſtimmt, und | 
auch in den fechziger Jahren fo geblieben. V 
batten gar nicht getaugt mit einander, 9 
ſchweige ald Mann und Frau gu leben, ur 
faben dieß beyde fehr gut ein, nachdem d 
erſte Schmerz unfrer Trennung vorüber we 
In alen meinen Liebesavanturen w 
viel Illuſion, und reine SGluͤckſeligkeit fen 
ich erſt ſeit dem 2ı. October 1765, als t 
Epoche meiner Verheirathung. Alles Dich 
nicht franzöftfch, und wird vermuthli 
mit Behutſamkeit und fo kurz ald möglich < 
fagt werden muͤſſen, wenn ed in den Aug 
ber Parifer mich nicht lächerlich machen fi 


3991 
Wiewohl es freylih auch noch unter Ihnen 
Leute gibt, die einen Sinn für Wahrheit, 
Natur und Honnetete haben. 


Die Anekdote mit Bodmers Magd, die aus 
Liebe zu mir wahnfinnig wurde, iſt nur Halb 
wahr, wie fo vieles andere wag, von mir 
berumgetragen wird. Sich war damahls fehr 
ſtolz, und mit fublimen Idealen angefuͤllt; ich 
ſprach nie Fein Wort mit dem armen Mäd; 
chen; noch viel weniger fpann fie in dem Zim⸗ 
mer, wo ich gewöhnlich lebte und arbeitete. 
Das Lefen meiner damahligen Gedichte, und 
was fie bey Tifche manchmahl von mir börte, 
flimmte nach und nach Ihre Smagination fo 
hoch, big fie endlich uberfchnappte. Sie war 
fhon rafend, als fie mir Durch ihren nächts 
lichen Ueberfall fo bange machte, daß ih 
Bodmern, der fchon zu Bette lag, um 
Huͤlfe rief. Landluft, Aderlaſſen und ein 
derber Schweigerfcher Dorffchulmeifter, den fie 
heirathete, brachten fie wieder zurechte. 

Eine andere Anecdote verdient eber anges.; 
führe zu werden, und das iſt die: daß der bes. 
ruͤhmte Dichter, Comte de Boufllers, im Jahe 
1770 oder 71 ohngefähr den erften Grund zu 
meiner nachmahligen Reputation. in Wien legte; 


392 
indem er einigen dortigen Damen vom ern 
Kange, meine Grazien ſtuͤckweiſe Int 
Sranzöfifche überfegte, und Ihnen tudtl 
dabey den Zert lad, daß fie, als deutſch 
Srauen, ihren Landsmann, der folche Verf 
zu machen wußte, und den er fo höflich mar 
einen Gänftling der Grazien zu nennen, er 
durch einen Franzoſen kennen lernen müßte 
Fett tft Feine Stadt In Deutfchland, w 
ich mehr und waͤrmere Lefer und Treunde hätt 
als Wien, 


Sed ohe jam satis est — denn es iſt, ben 
ih , hinlaͤnglich, Sie, lieber Here Profeffor 
in Den Stand zu feßen, mehr hronolı 
sifhe Drönung, (welches ein fehr nörhige 
Umſtand bey meines Biographie I) in Ih 
Fragment über mich Hineln zu ‚bringen 
manches zu reckificiten, manches zu fuppli 
ren, und zu fehen, was gan; meggeftriche 
"werden muß. 

Bon meinen auserlefenen Gedichten iſt aud 
der fiebente Band mit Idris und Zenid 
ſchon vor einem Jahr erfchlenen. 

Machen Sie nun, mein Here und Freund 
“us biefem allem, wenn Gie Luk und Zei 


393 


Baben, ein neues Ganzes, und empfangen Gie 
indeffen die Verſicherung meiner Achtung. 





CCCXVI. 
An Deyne 
Weimar, den 10. Januar 1788. 


Wenn mich auch meine natürlihe Befcheis 
Denheit nicht. fchon oft zurückgehalten hätte, Em. 
Mohlgeboren bey Gelegenheiten, mo ich mir 
über fchmwierige oder corrupte Stellen Lucians, 
Cdeffen Ueberfegung mich felt anderthalb Jah⸗ 
ven befchäftigt) Ihre Belehrung gewuͤnſcht hätte, 
Fchriftlich mit Anfragen zu behelligen, fo würde 
mich wenigſtens meine eigene leidige Erfah⸗ 
rung, wie unangenehm, und das Leben vers 
bitternd es iſt, fich von jedem male feriato 
auf den Leib fommen, und unter vielen Höfs 
lichfeitSbegeugungen fein bischen Zeit mit der 
Piftole auf der Bruft abfordern zu laflen, von 
einem Frevel, der in meinen Augen dem 
Straßenraube ſehr nahe kommt, abgefchrect 
haben. Hätte ich das Gluͤck, mit E. W. an 
Einem Drte zu leben, fo wuͤrde ich freylich 
weniger befcheiden In diefem Stüde feyn; auch 
fann man ſolchen Zals fi) die commoda. 


394 


tempora gu Nuße machen, fo mie überhaum 
mündlich alles kuͤrzer und leichter verhandelt 
werden kann. Indeſſen, diefer Präfation und 
aller abbaltenden Beweggründe ungeachtet, er⸗ 
fühne ich mich dieſes einzige Mahl, fchriftlid 
an Ihrem Mufeo anzuflopfen, mit der Dittt, 
Dickes Blatt, wenn es Sie nicht gerade in 
einem ganz gelegenen Augenblicke teiffe, ſogleich 
ungelefen auf die Seite zu legen, — auf dei 
Fall aber, daß mein "Ayatodaiıır feine ZU 
weislicher genommen hätte, die Gute für mid 
und den armen Lucian zu haben, — ben bi 
Adfchreiber nur zu oft ziemlich übel zugeric 
tet, und die glücklich heilende Hand des Tib 
Hemſterhuys leider zu bald verlaffen bat - 
und mir, fo furz ald möglich, Ihre Meinuns 
von folgender, wie es ſcheint, corrupter Stel 
in der Epiftel der Reihen an Krono 
$. 36. in fine p. 416. Tom. III. opp. Luc. edit 
Reizii, gefalligft mitzutheilen. 
— dis durssus uTW zus, ICodımiırure 
nadtısarıs, as und To CUrdinirurar Musa 
(seite) dırisoac’ai Fir 

Graävius lag einem Manuferipe zu folg 
jcodsaırnr wadsrurss, behält aber, ungeachte 
die meiften Editionen auch wie haben 


39% 


das endswienrn der Amſterdammer Ausgabe 
bey, und überfegte eodem cibo illum ex- 
cipientes ut convictornihil possit accusare. 
Geßner nimmt die Worte des Textes eben fo, 
und überfegt nur etwas zierlicher. Beyde fcheint 
nicht angefochten zu haben, daß Irohhaıens eilt 
ort iſt, das, fo viel Ich habe finden konnen, 
weder in irgend einem andern Autor vors 
kommt, noch der Analogie aller andern mit 
dseıra componitten Woͤrter gemäß formirt 
wäre, als bie fih alle in os nicht »s termints 
ren. Aber auh das Work cwäurnne fann 
nicht wohl convictor heißen, da bag einfache 
darrarns (wie Dufoul erinnert) nirgends eine 
andere - Bedeutung als arbiter bat, die aber 
gleichwohl hier auch nicht flatt finden zu koͤn⸗ 
nen fcheint. Befagter Dufoul meint, rrodkausınrns 
wäre ein den Saturnalien (i. e. wie ich es vers 
fiehe, den Saturnalifchen Gaftmälern) eigen 
nes Amt getvefen , führe nichts zum Beweiſe 
an, fagt aber nicht, was er fich eigentlich 
dabey denfe, und gibt auch feine feinem 
Sinne gemäße Ueberſetzung. Der theure 
Here D. Franklin Cfür deffen mir aus Dero 
Acad. Bibliothek guͤtigſt anvertraute Ueberfes 
gung Lucians ich Em. W. unendlich verpflichs 


/ 


396 

tet bin) maht auch Hier wie überall, m 
der Text Höcer hat, kurze Arbeit, und übe 
feßt : and have therelore taken care, to gire 
then such an equal porlion as may remore 


U 


all just cause of complaint amongst ihem. 
Diefem Iöblichen und bequemen Beyſpiele iu 
foige babe denn auch ich vorläufig mid 
folgendermaßen aus der Sache gezogen: ſo 
haben auch wir nicht ermangelt, diefen Grundı 
fasen gemäß, auf einen fo gleichen Zuß mit 
ihnen zu leben, daß fich Feiner aus Ihrem 
Mittel deßhalb über ung beflagen kann. — 
Allein, da hiermit die Knoten des Textes noch 
nicht gelöfet find, fo recurrire ich zu EM. 
als einem Drafel, deffen Antwort, mie fi 
auch ausfallen mag, für mich := rer Jarpam 
seiwodes ſeyn Wird. 

Weil ih) nun einmabl über die fines vere- | 
cundiae übergefe&t habe, fo muß ich ſchon, mit 
Gicero8 naviter impudens ſeyn, und E. W. 
noch um die guͤtige Gefaͤlligkeit bitten, mit 
anzuzeigen, ob Ihnen etwas befannt ift, das 
dem fehr corrupten halbſcythiſchen Drake 
im Alexander oder Levdenarrns (opp. Tom. Il. 
P. 257. n. 51.) Meet — — einiges Licht affun 
diren fönnse; oder mir (wenn ed ohne Ihre 


en En — — — 


I} 
— 
— 
— 


397 
54 Ungelegenhelt geſchehen könnte) Ihre eigenen 
‚ Gedanken davon zu fagen. Ich habe ed, wie 
billig, gar nicht uͤberſetzt, moͤchte aber doch 
gern in den Noten etwas Vernuͤnftiges daruͤber 
ſagen koͤnnen. Auch wuͤnſchte ich wohl zu 
wiſſen, ob neuerlichſt von irgend einem gelehr⸗ 
ten und aufgeklaͤrten Manne uͤber beſagten 
Alexander ſowohl, als über den Peregrinus 
etwas beſonders und dxeilurigar gefchrieben 
mworden, das mir etwas helfen Fünnte, dieſe 
beyden fonderbaren moralifchen Monſtra der 
Luclanifchen Zeit in das gehörige Licht zu 
ſtellen. Ich Habe mich Teider durch meine 
Liebe zu Lucian hinreißen laſſen, eine Arbeit 
zu unternehmen, -für die ich nicht gelehrt 
genug bin. Denn außerdem, daß ich den 
Nachtheil habe, faſt ein bloßer durodidantes 
zu feyn, (tie ehemahls Pope) fo haben mis - 
auch theils meine vielen Verhältniffe und uns 
vermeidlichen Zerſtreuungen, theils die dulces 
ante omniae musae nicht erlaubt, fo viel zu 
lefen, und fo viel Bücherfenntniß zu ermers 
ben, als ich wohl zu befigen wuͤnſchen möchte. 
Sed ohe! jam satis est. Vergeben Sie, vers 
ey ae Herr, ich bitte Sie noch⸗ 


AA du4 O8. 


390 

dem aber was man un homme simple 
uni neunt. Es iſt ein Zug meines Char 
ters, Der fi nie dementirt hat, ohne N 
und Eiferfucht zu feyn, Talente und Werdia 
mit Warme zu lieben, und gegen den Ru 
eber zu gleichgültig als zu paßionirt zu ſey 

Der Anekdote mit Bodmers Zilla erim 
id) mich nur noch fehr dunkel, und gla 
Daß fie Ihnen nicht ganz richtig. erzahlı n 
den feyn mag. 

Meine Leidenfchaft für Mme. La Roche hi 
ſich bereits im Jahr 1755 gu einer ganz rı 
gen Sreundfchaft herabgeſtimmt, und 
auch) in den fechziger Jahren fo geblieben. : 
batten gar nicht getaugt mit einander, 
ſchweige ald Mann und Frau gu leben, ı 
faben dieß beyde ſehr gut ein, nachdem 
erſte Schmerz unfrer Trennung vorüber ü 
In allen meinen Liebesavanturen 
viel Illuſton, und reine SGluͤckſeligkeit ke 
ich erft feit dem 21. Dctober 1765, als 
Epoche meiner Verheirathung. Alles diel 
nicht franzoftfch, und wird vermutt 
mit Behutfamfeit und fo kurz als moͤglich 
fagt werden muͤſſen, wenn ed in den Yu 
der Parifer mich nicht lächerlich machen 


391 


Wiewohl es freylih auch noch unter ihnen 
Leute gibt, die einen Sinn für Wahrheit, 
Natur und Honnetete haben. 


Die Anekdote mit Bodmerd Magd, die aus 
Liebe zu mir wahnfinnig wurde, iſt nur halb 
wahr, wie fo vieles andere wag, von mir 
berumgetragen wird. Sich war damahls fehr 
ſtolz, und mit fublimen Idealen angefuͤllt; Ich 
sprach nie Fein Wort mit dem armen Mäd- 
chen; noch viel weniger fpann fie in dem Zims 
mer, wo ich gewöhnlich lebte und arbeitete. 
Das Lefen meiner damahligen Gedichte, und 
mas fie bey Tifche manchmahl von mir hörte, 
flimmte nach und nach Ihre Imagination fo 
hoch, big fie endlich uberfchnappte. Sie war 
fchon rafend, als fie mir Durch ihren nächts 
lichen Ueberfall fo bange machte, daß ich 
Bodmern, der ſchon zu Bette lag, um 
Huͤlfe rief. Landluft, Aderlaſſen und ein 
derber Schweizerſcher Dorfſchulmeiſter, den ſie 
heirathete, brachten ſie wieder zurechte. 

Eine andere Anecdote verdient eher ange⸗ 
fuͤhrt zu werden, und das iſt die: daß der be⸗ 
ruͤhmte Dichter, Comte de Bouſſſers, im Jahre 
1770 oder 71 ohngefaͤhr den erſten Grund zu 
meiner nachmabligen Keputation. in Wien legte; 


392 
indens er einigen dortigen Damen vom ertt 
Range, meine Grazien flüchweife Ins 
Sranzöfifche überfegte, und ihnen tudhtig 
dabey den Tert laß, daß fie, als deutfät 
Srauen, Ihren Landsmann , der folche Verl 
zu machen mußte, und den er fo höflich war, | 
einen Gänftling der Grazien zu nennen, ef 
durch einen Franzoſen kennen lernen müßte. 
Jetzt iſt keine Stadt in Deutfchland, mo | 
ich mehr und waͤrmere Lefer und Freunde hätte | 
als Wien. 


Sci ohe jam satis est — denn es ift, denl 
ich, hinlaͤnglich, Sie, lieber Here Profeſſor, | 
in den Stand zu feßen, mehr chronola | 
gifhe Ordnung, (welches ein ſehr nörhiger 
Umſtand bey meines Biographie I) in Ihr — 
Fragment über mich hinein zu bringen 
manches zu rectificren, manches zu fuppli 
ren, und zu fehen, was gang weggeſtrichen 
"werden muß. | 

Don meinen auserlefenen Gedichten iſt auf | 
der fiebente Band mit Idris und Zenide 
ſchon vor einem jahre erfchienen. 

Machen Sie nun, mein Here und Freund! 
aus diefem allem, wenn Gie Luſt und Zeit 


> 393 


Baben, ein neues Ganges, und empfangen Gie 
‚indeffen die Verficherung meiner Achtung. 


t 
‚ 





CCCXVI. 
An Deyne 
Weimar, den 10. Januar 1788. 


Wenn mich auch meine natürliche Befcheis 
Denheit nicht. fchon oft zurückgehalten hatte, Em. 
Mohlgeboren bey Gelegenheiten, wo ich mit 
uber fchiwierige oder corrupte Stellen Lucians, 
Cdeffen Ueberfegung mich felt anderthalb Jah⸗ 
ven befchäftigt) Ihre Belehrung gewuͤnſcht bätte, 
Fchriftlich mit Anfragen zu behefligen, fo würde 
mich wenigfteng meine eigene leidige Erfah⸗ 
rung, tole unangenehm, und das Leben vers 
bitternd es iſt, fi) von jedem male feriato 
auf den Leib fommen, und unter vielen Hoͤf⸗ 
lichfeitsbegeugungen fein bischen Zeit mit der 
Piftole auf der Bruſt abfordeen zu laffen, von 
einem Frevel, der in meinen Augen Dem 
Straßenraube ſehr nahe fommt, abgeſchreckt 
haben. Hätte ich das Slüd, mit E. W. an 
Einem Drte zu leben, fo mürde ich freylich 

weniger befcheiden In dieſem Stüde feyn; auch 
fann man folchen Falls fi) Die commoda. 


394 


tempora zu Nuße machen, fo wie überh 
mündlich alles fürzer und leichter verhat 
werden kann. Indeſſen, diefer Präfation 
aller abhaltenden Beweggründe ungeachtet, 
fuhne ich mich diefes einzige Mahl, fehrii 
an Ihrem Deufeo anzuflopfen, mit der 7 
dieſes Blatt, wenn es Sie nicht gerad 
einem ganz gelegenen Augenbliche trifft, fog 
ungelefen auf die Seite zu legen, = auf 
Sal aber, daß mein 'Ayasadusıur feine 
weislicher genommen hätte, bie Güte für u 
und den armen Lucian zu haben, — den 
Abſchreiber nur zu ‚oft ziemlich übel zuge 
tet, und die glücklich heilende Hand des 
Hemſterhuys leider gu bald verlafien ba 
und mir, fo furz als möglich, Ihre Mein 
von folgender, wie e8 fcheint, corrupter € 
in der Epiftel der Reihen an Pro 
$. 36. in fine p. 416. Tom. III. opp. Luc. 
Reizii, gefalligft mitzutheilen. 
— dis durssun sw zus, Itodımıry 
nudtesarıs, as und To Vrdiniruran a 
(zemrar) dırızoactai Tin 

Graͤvius lad einem Manuferipe zu f 
scodiaırn» wadftorarss, behält aber, ungea 
bie meiften Editionen auch surdinzen ba 


39% 


das ewdienen der Amflerbammer Ausgabe 
bey, und überfegte eodem cibo illum ex- 
cipientes ut convictor nihil possit accusare. 
Geßner nimmt die Worte des Textes eben fo, 
und überfegt nur etwas zierlicher. Beyde fcheint 
nicht angefochten zu haben, daß Zrcdzrm ein 
ort ift, das, fo viel Ich habe finden können, 
weder in Irgend elnem andern Autor vors 
fommt, noch der Analogie aller andern mit 
daıra componirten Wörter gemäß formire 
wäre, ale die fih alle in os nicht ns termints 
ren. Aber auch dag Wort cwöarnrne fann 
nicht wohl convictor heißen, da das einfache 
Sernrns (wie Dufoul erinnert) nirgends eine 
andere - Bedeutung als arbiter bat, bie aber 
gleichwohl hier auch nicht flatt finden zu Füns 
nen fcheint. Befagter Dufoul meint, dredasınrns 
wäre ein den Saturnalien (i. e. wie ich es vers 
fiehe, den Saturnalifhen Gaftmälern) eigen 
ned Amt gewefen , führe nichts zum Beweiſe 
an, fagt aber nicht, was er fich eigentlich 
Daben denfe, und gibt auch Feine feinem 
Sinne gemäße . Veberfegung. Der theure 
Herr D. Franklin (für deffen mir aus Dero 
Acad. Bibllothek guͤtigſt anvertraute Ueberſe⸗ 
tzung Lucians ich Ew. W. unendlich verpflich⸗ 


396 


tet bin) macht auch Hier wie überall, w 
der Tert Hoͤcker hat, kurze Arbeit, und um 
feßt : and have therelore taken care, to gire 
ihen such an equal portion as may remore 
all just cause of complaint amongst ihem. 
Diefem Töblichen und bequemen Beyſpiele ju 
foige babe denn auch Ih vorläufig mid 


folgendermaßen aus der Sache gezogen: ſo 


haben auch mir nicht ermangelt, diefen Grund 
fasen gemäß, auf einen fo gleichen Zuß mit 
ihnen zu leben, daR fich Keiner aug Ihrem 
Mittel deßhalb über ung beklagen Fann. — 
Allein, da hiermit die Knoten des Textes noch 
nicht gelöfet find, fo recurrire ich zu €. V. 
als einem Drafel, deffen Antwort, mie fi 
auch ausfallen mag, für mich ix ver Juargum 
Teiwodos feyn wird. 

Weil ich nun einmahl uber die fines vere- 
cundiae übergefegt habe, fo muß ich ſchon, mit 
Ciceros naviter impudens feyn, und €, W. 
noch um die gütige Gefälligfeit bitten, mit 
anzuzeigen, ob ihnen etwas befannt iſt, dad 
dem fehr corrupten halbſcythiſchen Drake 
im Alerander oder Leudoraırns (opp. Tom. Il. 
P. 257. n. 51.) Meet — — einiges Licht affuns 
diren Fönnte; oder mie (wenn es ohne Ihre 


397 
Ungelegenhelt gefchehen könnt?) Ihre eigenen 
Gedanken davon zu fagen. Ich habe es, tie 
billig, gar nicht überfegt, möchte aber doc) 
gern In den Noten etwas Vernänftiged darüber 
fagen fünnen. Auch mänfchte Ich mohl zu 
miffen, 05 neuerlichft von irgend einem gelehrs 
ten und aufgeflärten Manne über befagten 
Alexander ſowohl, als über den Peregrinug 
etwas beſonders und axedursgorss geſchrieben 
mworden, das mir etwas helfen Fünnte, dieſe 
beyden fonderbaren moralifchen Monſtra der 
Lucianiſchen Zeit in das gehörige Licht zu 
fielen. Ich babe mich Leider Durch meine - 
Liebe zu Lucian hinreißen laffen, eine Arbeit 
ju unternehmen, -für die ich nicht gelehrt 
genug bin. Denn außerdem, Daß ich den 
Nachtheil habe, faſt ein bloßer durodidantes 
zu feyn, (wie ehemahld Pope) fo haben mis - 
auch theils meine vielen Verbältniffe und uns 
vermeldlichen Zerftreuungen, theils die dulces 
ante omniae musae nicht erlaubt, fo viel zu 
lefen, und fo viel Bücherfenntniß zu ermers 
ben, ale ich wohl zu befigen wuͤnſchen möchte. 
Sed ohe! jam satis est. Vergeben Sie, vers. 
Herr, ich bitte Sie noch⸗ 


AA sus 01. 


398 


mahls um Lucians und aller Grazien willen, 
dieſe vieNelcht allzufreie und zudringliche Zus 
fchrift. Leben Sie glüdli et serus in coe- 
lum redeas! und erlauben Gie mir, mid) mit 
Ehrerbietung ju nennen ꝛc. 


2 
13 
88 AN + A: 0. 





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