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ERSTQL VEKÄNDDOIfL TEL
1909
HiKcreN <ö LopziG/BEJ Georg MLurJC
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RICHARD SCHAUKAL • VERSE
DER AUSGEWÄHLTEN GEDICHTE
ERSTER VERÄNDERTER TEIL
(1892—1908)
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VON DIESEM IN EINER EINMALIGEN
AUFLAGE VON 1000 NUMERIERTEN
EXEMPLAREN GEDRUCKTEN BUCHE
SIND 50 EXEMPLARE AUF ECHT VAN
GELDEERN BÜTTEN ABGEZOGEN UND
VOM DICHTER SIGNIERT WORDEN.
EIN SOLCHER LUXUSABZUG KOSTET IN
GANZPERGAMENT GEBUNDEN 15 MARK.
DIESES EXEMPLAR HAT DIE
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MEINER MAMA
Von jedem Glück den Schimmer
erschufst zu Glänze Du
Der erste Teil der seit einigen Monaten vergriffenen
„Ausgewählten Gedichte" (Leipzig, Insel-Verlag,
1904) erscheint hier, erweitert durch einige der be-
zeichnendsten altem, wenige neuere und die besten
aus dem „Buch der Seele" (München, Georg Müller,
1908) erlesenen Gedichte. Zum Teil sind Verbesse-
rungen versucht worden; das meiste war billigerweise,
dem Dichter selbst schon entrückt, zu schonen gewesen.
Ich habe dem Buche, dem ich die Grundlage meiner
Stellung als Lyriker danke - „Verse" (1894—1896),
Brunn, Rohrer, 1896 — den einfachen Titel entlehnt.
Der zweite Teil der erneuerten „Ausgewählten
Gedichte" — „Bilder" (im selben Verlage, 1909) —
ergänzt die vorliegende Sammlung. Die gesammelten
„Nachdichtungen" sollen folgen.
Wien, im Jänner 1909
Richard Schaukai
Inhalts -Verzeichnis
Seite
Unter den Hufen der Sonnenrosse 1
Wolken 2
Nixe im Wasserfall 3
Raub 4
Kuckuck •• . . 5
Sommerglück 6
Vom Kasernfenster 7
Öde 8
Der Tod 9
Feuchte fröstelnde Nacht 10
Der Weiher 11
Mittagsstille 12
Kleine Frau 13
An den Mond 14
Wagenrennen 15
Mögen mich die Alten schelten 16
Zu den Zielen seiner Träume 17
Glücklich, wer in ruhigen Händen 18
An die Nacht 19
Die junge Sehnsucht 20
August 21
Sommernächte 22
Traurige Mär 23
Unterm Kastanienbaum 24
Damals 25
Nachklang 26
Kämpfer 27
Weise-werden 28
Die Muschel 29
xm
Seite
Sterne 30
Ritterlicher Spruch 31
Du 32
Der Braut 33
Capri 34
Über deine Augenlider 35
Die Sonne 36
Das Lied von der Zeit 37
Das Glück 38
Abend 39
Die Zeit der kleinen Lieder 40
Morgen 41
Das Kornfeld 42
Waldweben 43
Und sind ja doch die Dinge dieser Welt ... 44
Meiner Frau 45
An der Wiege 46
Schnepfenstrich 47
Vorfrühlingsnächte 48
Ewigkeit 49
Sommerabend . . 50
Mondnacht 51
Der Engel 52
Strandfelsen 53
Nach der Birsch 54
Und so gehen wir vereint .... ... 55
Emtetag 56
Herbstabend 57
Nacht aus müden Händen 58
Meinem kleinen Johann Wolfgang 59
Sdinee 60
Zur Zigarette . 61
In der Nacht 62
Das grosse Schiff 63
Schattenspiel 64
Leben 65
XIV
Seite
WeihnaAt 66
An meine Frau 67
Mysterium 68
Meiner Mutter 70
Meiner Mutter (Ein andres) 72
Meiner Mutter (Das dritte) 73
Frühlingsahnen 74
Was will das bang-e Drängen 75
März 76
Mai 77
Erwartung 78
Sursum 79
England 80
Sommers Einzug 81
Der Nachen 82
Stunde der Fülle 83
Sonnenuntergang 84
Sonnenaufgang 85
Im Reisewagen 86
Wir 87
Klänge vom Zirkus 88
Seele 89
Spät 90
Das Wort 91
In der Heimat 92
Schöpfung 93
Jagdmorgen . . 94
An die Schönheit 95
Der Stern 96
Manchmal mein ich es zu halten 97
Bin ich im Leben 98
Die alten Bilder 99
Es wird sein 100
Nach einem Regentage 101
An Georg 102
Entführung 103
XV
Seite
Der traurig^e Mond 104
Nachthimmel 105
Aus einem Sonettenkranz „Heimat der Seele" :
Wie hast du, Mutter, mich so manches Mal . 106
Ich muss aus allerersten Kindertagen . . . 107
Du bist mir, Mutter, immer noch das braune 108
Elegie der seligen Resignation 109
An den Herrn 112
Unter den Hufen der Sonnenrosse
möcht ich enden,
vom Feuer der stählernen Räder umloht,
vom strahlenden Auge
des Phöbos ApoUon durchleuchtet,
der die blitzende Geissei
über den roten Mähnen sdiwingt,
flammenumleckt,
gross und kalt.
R Sdiaukal, Vene 1
WOLKEN
Im Grase lieg ich hingestreckt
und blinzle hodi ins Blau,
wo Wolken wandern windgeschredct,
und denke nichts und schau
und schau nur immer immerzu:
wie wird mir doch so weit,
als hielt ich meine gute Ruh
schon über aller Zeit . . .
NIXE IM WASSERFALL
Schäumender Gischt,
über Steinen zerstäubender Fall,
übermütig frohlockend
stürzest du dich
kopfüber aus dem gähnenden Schlünde,
streckst hundertfältig
zudcende Arme
rings an moosigen Felsen empor.
Im tollen Sprunge
reizt es dich,
staunende Ranken
mitzureissen zum Abgrund.
Dann dehnst du dich schlank,
wohlgefällig nach oben blickend
auf den silbernen Leib,
unter dem wasserwallenden Haupte
die glänzenden Arme gefaltet.
1»
RAUB
An seinen schwarzen flatternden Flechten
Hab idi das Glüdc aufs Ross mir gerissen:
die Dirne wehrt sich mit wütenden Bissen,
ich aber muss und werde sie knechten.
Ihr Mund ist rot, die Zähne blitzen,
ich will ihn küssen, sie soll mich lieben.
Dann reiten wir, dass die Funken stieben:
ein Sieger will ich im Sattel sitzen.
KUCKUCK
Sie hat den Kuckuck gefragt;
Kuckuck, wie lang noch?
Dreimal rief er und sdiwieg.
Sie harrte bang noch —
Stül war der Wald. Ins Tal
sah sie befangen.
Ober die Sonne sind
Wolken gegangen. . .
SOMMERGLÜCK
Im roten Mohn zur Mittagszeit,
wenn durch die schwüle Stille
wie aus dem Traum die Grille
und fern im Sumpfe die Unke schreit,
wenn sidi die gelben schweren
reifetrunkenen Ähren
im leisen Winde wiegen,
lang auf dem Rücken liegen,
den Blick ins blaue Flimmern,
sdilankragende Schlösser zimmern,
dem Atem der Erde lauschen,
dem Takte des heissen Lebens,
und selig sich berausdien,
sehnend und immer vergebens . . .
VOM KASERNFENSTER
Der Himmel ist rot, es dunkelt sehr,
länger werden die Schatten.
Über die Ahrenwogen her
gleitet schwüles Elrmatten.
Yom Kirchturm in die Feme
wandert der Stundenschlag.
Noch zögern die stillen Sterne:
noch wacht der müde Tag.
ODE
Einsam sein unter den andern,
leiden und keinem klagen,
lastende Träume tragen,
während die Wünsdie wandern,
immer das müde Erwachen,
immer das öde von gestern:
keine der Stundenschwestem
schenkt ein erlösendes Lachen.
Grausam gräbt schweigendes Sehnen
mir in das Herz die Krallen,
und es weigern bei allen
Qualen den Trost die Tränen.
DER TOD
Traumschwankend nahte mir ein stiller Kahn.
Tief schwebteSdiweigen, atembanges Schweigen,
die Blätter hingen starr an müden Zweigen —
der Nachen legte lautlos landend an.
Mich aber, den er lud: es trieb mich fast
mit zwingender Gewalt, ihn zu besteigen —
er schaukelte mit einem leichten Neigen:
noch hielt ich zögernd mich an einem Ast —
da regte sich das Boot schon, langsam gings
in ein Gewässer, das ich randlos wähnte,
das blau in sdiwarze Schattenferne gähnte:
nur stumme weiche glatte Fluten rings.
Und mir im Herzen ward — wars Weh, wars Glück?
Das Leben ahnt ich hinter mir entgleiten
und sah das Dämmern tiefer sidi verbreiten.
Nie kehrt der Kahn — idi weiss — zum Strand
zurück . . .
FEUCHTE FRÖSTELNDE NACHT
Feuchte fröstelnde Nacht,
fahl nur schimmern die Sterne:
die mir einst leuchtend gelacht,
in Wolken liegt die Feme.
Nikolausabend. Stumm
neig ich den Kopf in die Hände.
Alles gab ich darum,
wenn ich die Wege fände,
die das vertrauende Kind
lachend zum Glücke geleitet . . .
Längst hat wehender Wind
Sdinee darüber gebreitet.
10
DER WEIHER
Forschend über meinen Weiher
beug ich oft mein Antlitz nieder:
wie aus einem schwarzen Schleier
taucht es ängstlich fragend wieder.
Und wenn kräuselnd seinen glatten
Spiegel ihn ein Hauch durchgleitet,
seh ich, wie ein grosser Schatten
über meine Züge schreitet.
11
MITTAGSTILLE
Hohe steife Stauden stehen
in der sdiwebend heissen Luft der Mittag-
stille :
Psychen hör idi gehen
heimlich auf den Zehen
zu dem Hafen meiner Träumerzille.
12
KLEINE FRAU
D
eine Augen in Tränen, kleine Frau,
sind wie der Enzian im Tau.
Deine Augen, wenn sie lachen und blitzen,
sind sonnenfunkelnde Berberitzen.
Dein Mund, wenn er Alltagsdinge erzählt,
ist ein Rothengst, der im Geschirr sich quält.
Dein Mund, wenn er küsst und von Liebe spricht
ist ein reimetrunkenes Lenzgedicht.
13
AN DEN MOND
Wieder über den Dächern
steht der Mond und wadit,
giesst wie aus Silberbechem
kühles Lidit in die Nacht.
Sahst unsre glücklidien Stunden,
spiegeltest hell dich im See,
hast mich wiedergefunden
einsam in meinem Weh.
14
WAGENRENNEN
Deine Rosse dir zu lenken,
wähl nicht fremde Zügelführer.
Wag den höchsten Preis zu denken,
hgre nicht auf Zweifelschürer!
Sdiarfer Wind wird wehrend wehen,
hinter deinen schnellen Pferden
vollen Fusses wirst du stehen,
sidier Sieger noch zu werden.
Kann didi mit Erobrerhufen
dein Gespann ans Ziel nicht tragen,
Solls dich stürzend vor den Stufen
deiner Wünsche doch ersdilagen !
15
Mögen mich die Alten sdielten,
die mit Mauern sich verwahrt
meine Jugend lebt in Zelten,
denn sie liebt die rasdie Fahrt.
16
Zu den Zielen seiner Träume
adi, wer kann die Brüdcen schlagen!
Fehlt die Axt nidit, mangeln Bäume:
müde wird der Mut zu wagen.
R. Sehaulul, Vene 2
17
Glüddidi, wer in ruhigen Händen
seines Lebens Schale hält,
dass kein Tropfen zu Boden fällt.
18
AN DIE NACHT
Komm holde Nacht und hülle
in deinen Mantel midi,
die müden Augen fülle
mit sdiwerem Schlafe, sprich
ins Ohr voll Muttergüte
die Worte tiefer Ruh,
decke mit Blatt und Blüte
des Traums mein Sehnen zu,
lass mich die Pforten offen
finden zum alten Glück,
gib mir mein Kinderhoffen —
und Kraft zum Tag zurüde!
19
DIE JUNGE SEHNSUCHT
O junge Sehnsucht, die von einem Heerzug
träumt,
dem kampfbereiten Kiel, an den die Meerflut
schäumt,
der ungeduldig an der Kette zerrend sich im
Hafen wiegt,
dem sdilanken Mast, an den sich eine Scharlach-
flagge schmiegt!
O Sehnsudit, die in Qualen sidb auf liditgemied-
nem Lager windet,
einst kommt der Tag, der didi verhungert und
verdurstet flndet!
20
AUGUST MEINER SCHWESTER LOTTE
• •
Über Wald und Wiesen
liegt der Mondenschein,
zögert an den Fliesen
in das Haus herein.
Gurgelnd über Kieseln
dunkel rausdit der Badi.
Nur ein leises Rieseln
hält die Blätter wadi.
Grüne Funken flimmern
im verhüllten Straudi
und die Flügel schimmern
meiner Seele auch.
21
SOMMERNÄCHTE
O Glück der lauen Sommernädite,
wenn der Jasmin sein weisses Lied singt
und alle Hecken leuchten von grünen Lichtern!
Still!
Wie der Badi rinnt,
rinnt
gurgelt
rinnt,
plätschernd rinnt.
Und der Mond steht darüber
silberklar hell friedlich.
Wannsdiwarze Dächerzacken
und der Himmel weicher blauer Sammet . . .
22
TRAURIGE MAR
Idi gab mein Herz einem blonden Kind.
Sie nahms und ladite.
Idi wusste nicht, wie die Kinder sind,
ich freute mich und dachte:
„Nun legt sie's zartlidi in den Sdirein
und wirds verwahren."
Sie aber warfs in den Tag hinein:
der Stundenwagen fuhr polternd drein —
da ward es überfahren.
2S
UNTERM KASTANIENBAUM
Unterm Kastanienbaum
sass ich und sann:
war einst mein Tag wie ein Traum,
aber das Träumen verrann. . .
Stand auf und hob die Brust.
Leben ist schwer,
sagt immer nur: du musst!
hört nie: idi kann nicht mehr.
24
DAMALS
Als die Linden am Wege blühten
und fern die Kuppen der Berge glühten
und leise Luft
von den Höhen her
um die Wangen mir schmeichelte,
alles in Morgenduft
wie in Sdileiem lag
zärtlich ersdiauemd vor dem Tag:
damals . . . !
O ihr rotblühenden Hedcen der Träume,
vne sind meine Augen müd von Tränen,
wenn ich erwache vor Sehnen,
vor Sehnen . . .
25
NACHKLANG
Als idi dich liebte, damals, o wie war
voll Duft und Glanz dein flockenleichtes Haar,
wenn meine Finger selig es durdibebtenl
Ich weiss nidit mehr, ob deine Augen blau
wie früher leuchten, kleine blonde Frau,
da sie im Lichte meiner Liebe lebten.
26
KAMPFER
Ein reines Herz meine Wappenzier,
mein Stolz mein Schild, mein Blidc mein Schwert :
hoch reit ich, jedes Kämpfers wert,
in alle Schranken ohne Visir.
Um jedes Fussbreit Glückes will ich streiten,
dann aber seligmüd vom Sattel gleiten
und meinen Kopf in deinen Sdioss geschmiegt,
träumen eratmend, ich sei besiegt.
27
WEISE-WERDEN
Einmal kommt es über Nacht
wie ein Wind aus Norden,
und erschrodcen aufgewacht
bist du weise worden.
Aber müd ist deine Hand
ubers Haar geglitten:
was dir diese Nadit entschwand,
hast du einst erstritten.
28
DIE MUSCHEL
In der Muschel schlummert ein Sang
von Atlantis, der wunderbeu-en
Insel, die lang vor Jahren
von den Harfentönen des Qückes klang.
Streif sie nicht achüos im Gehen,
hebe sie scheu an dein Ohr:
was deine Jugend an süssen Wünschen verlor,
hörst du klagen aus ihrem Wehen.
STERNE
Schwarz und sdiwer schweigt rings der
Wald.
Oben stehn die Sterne,
stehen still und glitzern kcdt
nieder durch die Feme.
Und in mir wird Ruh und Glück,
alles ist verglommen.
Bringts der Tag auch stets zurück:
Sterne müssen kommen.
30
RITTERLICHER SPRUCH
Höherm Walten stumm geneigt,
Feinden frank die Färb gezeigt,
hehres Ziel im Femen.
Halt mir offen Aug und Herz,
Herr mein Gott, und lass von Schmerz
wie von Lust mich lernen !
31
DU
Wie aus tiefen Wäldern bist du,
wo keine sdiweren Mensdien gehen.
Wie in der WaJdquelle
seh idi mich rein und wahr in dir.
Idi bin ein heisser unzufriedener Mensch
mit einem herrisdien Kinderherzen.
Tau liegt auf meinen Haaren aus den Nächten
der Sehnsudit.
Meine Hände zittern nach Glüdc.
Und meine Seele kann fliegen
hoch über den Tagen:
idi seh ihr nadi und staune
lächle und weine.
Mandimal aber bin idi wie ein König . . .
Und alles ist dein.
Dein ward es ohne Schenken,
du kamst und es war dein.
Idi bin so sidier, dein zu sein mit allem.
32
DER BRAUT
Mit weissen Schuhen, weissen Schleifen,
Myrten in den weichen Haaren,
gehst du gegen alle Gefahren,
die nach uns greifen.
Und unterm Sdileier wirst du schauen
mit bangem Blick auf hohe weisse Kerzen:
mühsam mit heftig kämpfenden Brauen
scheuchst du die Tränen nach deinem Herzen.
R. Schaukel, Vene t 33
CAPRI
Weisse leuchtende Säulen. Rebenranken
schmiegen sich zärtlich um ihre sdilanken
schweigenden Leiber. Purpurn brennende Nelken.
Jäh aufduftende Rosen, die nächtens welken.
Bunt im Schatten kühler Laubengänge
blüht der Ginster. Meergetränkte Winde
nahen flatternd. Hörst du nicht Gesänge,
leise lockende und traurig linde ?
Sind es drunten im glitzernden Schaume,
im Sonnenjubel der hüpfenden Mittagswellen
nicht die brandungbeherrsdienden süssen und
hellen,
dunkel und muscheltief aus raunendem Traume
klagenden, ewig betörenden, flatternd bebenden,
schimmernd sich wiegenden, schwalben-
sdiwebenden
seltsam silbernen Stimmen — Mensdiensehnen
anner Unsterblidier künden sie — der Sirenen?
34
ÜBER DEINE AUGENLIDER
• •
Über deine Augenlider
zärtlich sacht
stridi mit weichem Flaumgefieder
der Wundervogel der Nacht.
Seine grossen grünen Schwingen
sind von Träumen sdiwer.
Horch: er will singen
von Palmenwäldem und seltnen süssen Dingen,
weit weit kommt er her . . .
DIE SONNE
Greise versöhnt sie,
an der Dinge sdiarfe Kanten gewöhnt sie,
mit Strahlen blendet, mit Strahlen krönt sie.
36
DAS UED VON DER ZEIT
Die lichten und schwarzen Lose
leg leise dem Leben zu Fuss:
freu didi der gelben Rose,
freu dich der Herbstzeitlose,
wahre dir Klang im Gruss.
Jaudize deine Fanfare
über die Wälder weit,
lieb deine lodernden Jahre :
einmal die schliditeren Haare
kränzt dir die schweigende Zeit.
J7
DAS GLÜCK
Wanderer, du stehst und sinnst:
leise wehend kams gegangen
tat dein Haar wie Schleier fangen,
aber eh aus deinem bangen
bebend ahnenden Verlangen
du mit heissen Kinderwangen
stammelnd einen Wunsch beginnst:
flüchtig und mit Flügelschritten
flatternd ist es fortgeglitten
und von deinen hohen Träumen
hängt nur zitternd in den Bäumen
windbewegtes Duftgespinst.
38
ABEND
Ferne Wälder dunkeln schon.
Sonnenscheiden füllt die Luft
tief mit einem goldnen Ton.
Ungeheuer schwillt das Meer der Schollen.
Sdiwer im Felde schreitend,
Brust und Arme breitend,
saug ich ein den samenvollen,
dieser ewigen Erde mütterlichen Duft.
39
I |ie Zeit der kleinen Lieder
'-^ verging,
die Zeit, da mir der Flieder
voll Tau und Sonne hing. . .
40
MORGEN
Und aus der tiefen dunkeln Nacht,
beladen schwer mit Schweigen,
bin idi im grossen Lidit erwacht:
verwunden Traum und Schwüle,
die grünen Blätter schwanken
in klarer Morgenkühle
und tau-beseligt neigen
die Rosen sidi und danken.
Die Welt steht hell in Gnaden,
Nun Herz tu ab dein Bangen :
sieh, rings auf allen Pfaden
bist du beglückt empfangen.
41
DAS KORNFELD
Meine Gedanken
sind ein Kornfeld im Wind:
sie rausdien so und schwanken,
weil sie hoch gewadisen sind.
42
WALDWEBEN
Vom Quell die Kieselkühle
haucht mir entgegen. Warm
aus sdiwebender Mittagsschwüle
tret ich, den Stock im Arm,
ins grüne Dämmern. Leise
den moosigen Weg entlang
die alte Waldesweise,
der rauschende Gesang.
Zitterndes Sonnenflimmern
spinnt sich von Zweig zu Zweig,
zwischen den Schatten schimmern
Goldkringel auf dem Steig.
Da sind die durstigen Farren,
da sind die Falter von einst . . .
Du Spur von knarrenden Karren,
wie du bekannt mir scheinst!
Du flatternde Waldesseele
voll Märchenheimlichkeit —
was würgt mir in der Kehle!
Das war vor langer Zeit . . .
43
Und sind ja doch die Dinge dieser Welt
ganz angetan, uns leidlich zu vergnügen;
in einem zarten Sdileier so zu lügen,
dass es uns Ladielnden gefällt.
44
MEINER FRAU
Dein Bild aus frühern Tagen,
das ich so lange trug,
ich kann mich nicht genug
nach seinen Zügen fragen.
Du bist mir so vertraut,
dass die Vergangenheiten
sich dicht wie Schleier breiten
um eine Perserbraut.
Nur denken darf ich mich
in jene fernen Stunden,
da ich Geliebte dich
noch als mein Ziel empfunden.
Nun- bist du schon so sehr
mit meinem Tag vereinigt:
wie Wandersdiaft gepeinigt,
begreift mein Glück nicht mehr.
45
AN DER WIEGE
Näditlich über ruhigem Wallen
teuren Atems sieh mich beten:
Lass mich in die hellen Hallen
dieser reinen Seele treten!
Gib aus Gnade mir für Treue
das Vertrauen Gott zum Lohn:
dies aus mir gewachsne Neue
sei mein eingebomer Sohn!
46
SCHNEPFENSTRICH
Stamm an Stamm wächst schwärzer
schon
in den bleiern bleichen
Himmel. Unkenklageton
schwillt aus braunen Teichen.
Leise tief im Auenried
sdiauem müde Winde,
sdiläfrig streicht ein Schlummerlied
durchs Gezweig der Linde.
Nun verstummen nah und fem
alle Vogelstimmen.
Tau fällt. Still den ersten Stern
seh ich hoch erglimmen.
47
VORFRÜHLINGSNACHTE
Nun sind die Winde wieder wild:
sie rütteln an den Mauern,
und du erwachst und dich durdiquillt
das alte Frühlingsschauern,
dass du dich aus den Kissen rüdcst,
hin lausdiend in Bedrängnis
dich über deine Seele bückst —
wie einer im Gefängnis.
48
EWIGKEIT
Was ist mein Leben als ein fadenscheinig
Stück
im dunkel flutenden Mantel der Ewigkeit!
Idi nahms mir nicht, idi geb es nidit zurück.
Nur im Flattern ist Qück.
Und in tausend Jahren ist wieder meine Zeit.
R. Schaukai, Verse 4 49
SOMMERABEND
Lautlos tanzt ein Müdcenschwarm
wirbelnd in der Sonnenschräge.
Kommt ein Lied im Lindenduft
sonntagabendbang und träge
durdi die laue weiche Luft
leise her aus den Alleen,
wo die jungen Mädchen gehn
Arm in Arm . . .
50
MONDNACHT
Nebel schieiert schimmernd auf den
Wiesen weit.
Mondbezaubert ihre Silberflügel breitet Einsamkeit
Weiden überm Flusse, der leis rausdiend wallt,
geistern schattend auf den Teppidi ihre Miss-
gestalt.
Tiefste grüne Dunkelheit umhängt
weich den ragenden Wald. Der Höhensaum
hebt sidi schwarz und sdiarf vom blauen Raum,
wo der Herr unendlidie Gedanken denkt.
51
DER ENGEL
Den Engel, der einst unerkannt
in Blumen sidi zu dir gefunden,
ihn ruft die zögerndste der Stunden
zurück ins dunkle Kinderland.
Schon will es purpurn drüben tagen,
im Dämmer harrt dein weiter Weg:
einmal an seine Brust noch leg
vorm Scheiden deinen Kopf in stummen Fragen.
52
i
STRANDFELSEN
Regenschleier flattern weit
von den schroffen Felsenwänden,
ängstlich mit erstarrten Händen
hält die Einsamkeit ihr Kleid.
53
NACH DER BIRSCH
Leise hat die milde Nacht gerührt
an Gesträuch und Baum mit weicher Hand,
lautlos dann an einem hellen Band
den erfüllten Mond herabgeführt.
Dort im Dunkelsten verliert
sich der weisse Steig, versinkt . . .
Grünlich funkelnd längs den Büschen schwingt
seinen leichten Leib ein Wurm und vrinkt,
wo der weisse Steig sich selbst verliert. . . .
54
Und so gehen wir vereint,
gehen gute, schlimme Wege,
schreiten über Sturzbachstege,
da durch Wolken und Gehege
immer wieder Sonne scheint.
55
ERNTETAG
Hoch steht die Sonne überm Emtetag.
Bald rauscht durch dichte Saaten
Sensenschnitt.
Manch eine blaue Blume mag
vom Stengel gleiten. Sie zertritt
ein Schritt . . .
56
HERBSTABEND
Müde geht der Tag zur Neige.
Nebelgraues Abenddämmem
hüllt in Schleier Feld und Wiesen.
Durch die frierend kahlen Zweige
raschele welke Blätter. Fern,
wie aas Stadt und Land verwiesen,
irrt ein dumpfes Glockenhämmem.
Einsam glänzt ein kalter Stern.
57
Nacht aus müden Händen
lässt den Mantel gleiten,
hörst die Stunden sdireiten
mit schleifenden Flügelenden.
Die Gedanken ballen
sich zu sdiweren Massen,
die mit wildem Hassen
jäh didi überfallen.
58
MEINEM KLEINEN JOHANN WOLFGANG
Geh mit dem siegenden Willen
Kind in den weidienden Tag,
sei wie der Lerdiensdilag !
Bald zirpen Gedankengrillen.
59
SCHNEE
Ihr Leute, o ihr Leute,
* was gab idi euch denn je!
In meiner Sonne von heute
sdimelzenden Stundensdinee!
60
ZUR ZIGARETTE
Wie auf den leichten Wellen blauen Rauches
dein Geist sich spielend neue Träume fand,
siehst du vielleicht im Duft des innern Hauches
beseligter das ferne Feenland,
wenn eine Stunde, die dir sonst verschlossen,
von Glanz erfüllt aus tiefem Brunnen steigt :
von Silber ist dein banger Wunsch umflossen,
dem sidi der Gott in stummer Gnade neigt.
61
IN DER NACHT
• •
Uberm Klopfen meines Herzens bin ich auf-
gewacht . . .
Atemzüge meines Kindes ruhig in der Nadit.
Schwankend sdiwebt ein leiditer Schatten an der
Decke hin,
und aus bunten trunknen Träumen weiss idi, wo
idi bin.
Lauschend beug idi mich hinüber. O erfüll sie
ganz,
Frieden, meine bange Seele still mit deinem
Glanz I
62
DAS GROSSE SCHIFF
Den schweren Anker hat das grosse Sdiiff
versenkt auf hoher Flut und Hegt und wadit
mit schwarzen Augen horchend in die Nadht —
und ihm zu Seiten wartet stumm das Riff.
Und morgen, wenn die rote Sonne kaum
am Himmel steht und buhlend Winde werben,
wird es sidi rühren aus dem dumpfen Traum
und an das Riff getrieben sdieitemd sterben.
a
SCHATTENSPIEL
Meinem Buben zeigt ich heut
an der Wand den Schatten,
und er stand und sah erfreut
auf den blassen glatten,
der sidi, als er näher kam,
gleich mit Blut erfüllte,
höher wuchs und gierig ncihm,
was ihn tief verhüllte,
schwindend hinterm Fusse schlidi,
als er sich entfernte:
schwarze Kunst, die lächelnd ich,
Kind, wie du erlernte.
Leben ist ein Schattenspiel,
lernst es einst begreifen,
wenn sie dir von Ziel zu Ziel
schwindend stets entschweifen.
64
LEBEN
Und wieder ist es Sdilzifenszeit,
ein grauer Tag zerrann,
und morgen legst du Müh und Kleid
gehorsam wieder an.
Und wenn du manchen Morgen so
dich in den Tag gefügt,
kaum traurig, aber selten froh,
sagt Gott wohl : Es genügt.
R. Schaukai. Verse 5 6S
WEIHNACHTEN
Von hohen Himmelsfernen
auf einem blauen Band
im Glanz von tausend Sternen
kam stilles Glüdc ins Land
und hat in dunkeln Herzen
ein Lichtlein angestedct,
hat Sorgen, Gram und Sdimerzen
ganz leise zugedeckt.
66
AN MEINE FRAU
Lass, Vertrauteste, zusammen
uns den steilen Pfad ersteigen:
meine Sehnsucht wird in Flammen
wallend uns die Wege zeigen.
Sdiatten schleichen in den Talen,
drücken auf die dumpfen Tage.
Mich verlangt nach heissen Strahlen,
der ein heisses Herz ich trage.
Nebelt's gleich aus sdiroffen Schrunden,
spreizen sich die Hindemisse:
unter Hängen, neben Schlünden
wag ich mich ins Ungewisse!
i* 67
MYSTERIUM
Nadit verhängt mit sdiwarzen Schleiern
lösendes Ermatten schon,
aus den schilfverschwiegnen Weihern
hebt sidi der kristallne Thron.
Ihre milden Hände hält sie
vor dem schimmernden Gesicht,
schlummertiefe Südite schwellt sie,
trunken von verhaltnem Licht.
MEINER MUTTER
Weisst du, dass von allen Zweigen
meines Lebensbaums
dir zu Danke Lieder steigen
in das Blau des Raums,
wo der ewige Erhalter,
der sie lächelnd lenkt,
all die Vögel und die Falter
seinen Engeln schenkt?
Und so sdiwirrts von bunten Sdiwingen
um die selige Sdiar,
und ihr Schweben wird ein Singen
eingestimmt und klar.
Und es drängen sich die Engel
durdi das Himmelstor,
Kopf an Kopf wie Lilienstengel
beugt sidi forschend vor.
Ihre Fittichschultern gleiten,
schimmernd Elfenbein,
dann zum Thron der Benedeiten
in der Glorie Schein.
Sanft den jubelnden Verkündem
wehrt die reinste Magd,
und die gnadevoll uns Sundern
Gott geboren, sagt :
69
Lange weiss die wundergute
Erdenkunde schon,
der im Schmerzenschosse ruhte
todesbleich der Sohn.
Als ein Ohr der Kindesklage,
Kindesglücks der Welt
bis ans Ende aller Tage
hat Er mich bestellt.
70
MEINER MUTTER (Ein andres)
Von deiner milden Güte
lass midi ein leises Lied
dir sagen, Vielgemühte,
wies mir mein Herz verriet
Ich ging in deinem Segen
so manches Kinderjahr,
du brachst auf Rosenwegen
die Domen der Gefahr,
und cils ich ritt ins Freie
mit hellem Knappenblick,
floss deine Gnadenweihe
um Fahrt- und Kampfgeschick.
Gesegnetes Gewaffen
mir manchen Sieg errang,
und was ich kühn erschaffen,
dir gilt der Hüterdank.
Viel Könige und Helden
gewannen Ruhm und Ehr,
mich aber lass vermelden,
wie mir geworden mehr:
Von jedem Glück den Schimmer
erschufst zu Glänze du,
das Leiden decktest immer
du mit der Hand mir zu
71
und bargst das Blut der Wunde,
dass midi verstörte nicht
audi nur die bange Kunde,
mit lächelndem Gesicht.
Die um die sieben Sdiwerter
duldend den Mantel sdilug,
didi ruf idi Unversehrter,
verkünd Ihm diesen Trug,
dass, laden die Drommeten
uns einst zum Weltgericht,
wir beide vor Ihn treten
und Seine Mutter spridit :
Sieh diese, Herr der Scharen,
sie hielt in treuer Hut,
was du ihr gabst zu wahren
als ein geliehnes Gut.
72
MEINER MUTTER (Das dritte)
Wir sind im Leben nun schon lang
nidit auf denselben Wegen,
doch schlägt das Herz im gleichen Takt,
und was der Tag uns aufgepackt,
wir hieltens uns entgegen
und weinten froh und lachten bang.
Das macht: es hat der liebe Gott
uns aus demselben weichen
und dennoch festen Holz gefügt
und sah uns nach und war vergnügt
und seinen Bogen streichen
tat er an uns in gutem Spott
und sprach zu seinen Engeln: Seht,
das gibt doch einen feinen Ton.
Nun wollen wir sie trennen:
ob sie sich auch erkennen.
Und sind es mandie j£ihre sdion,
dass jedes tapfer weiter geht.
Doch langt der grosse Bogen her
und will brav musizieren
und hat kaum einen Strich getan,
da fängt es fem zu klingen an:
das kann sich nidit verlieren!
Er aber ladit und freut sich sehr.
73
FRUHLINGSAHNEN
I
^^dion will sidi Frühlingsahnen
^-^ aus tiefer Brust erheben,
die lauen Lüfte mahnen
an seligstes Erleben.
Schon zeidinen sich die Bäume
weidier am Himmelsrande.
Sehnsüchtig sdiaun die Träume
nach dem gelobten Lande.
74
n
\Y/as will das bange Drängen
'' ' in meiner Brust,
in Schwellen und Verengen
die wehe Lust,
die mir das Herz, die Kehle
vor Horchen schnürt?
Hat eben Hauch die Seele
vom Lenz verspürt?
75
MÄRZ
Frühling, wie bist du überall,
du Fremdling mit den blassen Wangen,
mit Sdiritten ohne Widerhall
in süsser Traurigkeit gegangen.
Dein Atem liegt noch in der Luft,
viel scheue Knospen zittern bang,
und ein berauschend weicher Duft
schwebt tälerein und wegentlang.
Mir will die Brust vor Qual und Angst,
die liederreidie Brust verzagen:
du bangst in Sehnen und verlangst
nach ihm und kannst es ihm nidit sagen.
76
MAI
Bist du endlich gekommen,
rosenfingriger Mai?
Töne deiner Schalmei
sind in Lüften geschwommen.
Leise sind an den Bäumen
in einer seligen Nadit
aus ihren zagenden Träumen
weisse Blüten erwacht.
Hoch vom Himmel hernieder
spannt sich leuchtendes Blau
und im glänzenden Tau
funkeln die Gräser wieder.
Unter den Küssen der Winde
schauernd gleitet der Bach,
stärker schon rauschen der Linde
Wimpel über dem Dadi.
77
ERWARTUNG
I |umpfes Drängen, trübes Wähnen,
^•^ welkend sdileifts ein müder Wind,
dodi ich lausche durdb die Tränen
Schritten, die noch ferne sind.
Einen Schatten seh idi steigen,
eine Stimme hör ich nzihn:
aus mir selbst midi vorzuneigen,
treibt es mich, ihn zu empfahn.
Und nun hält er an der Schwelle,
und da klopft er schon ans Tor:
lodernd sdilägts in Flammenhelle
über meinem Haupt empor.
78
SURSUM
Empor zur sternbesäten Weite
wag wieder deinen fernetrunknen Flug !
Schon steht der g^te Geist dir freundlich an der Seite»
der auf dem starken Nacken sonst dich trug.
Verlass den Strand, der murmelnd deinen Füssen
Welle auf Welle sterbend angespült.
Die dich erwarten, wollen dich begrüssen!
Lass aus dein Herz, das wieder Flügel fühlt !
79
ENGLAND
Weiss im grellen Mittagleuchten
stieg es aus den Schimmerfluten,
wuchs in drängenden Minuten,
und ich sahs mit heimwehfeuchten
landuDgbangen stummen Augen.
Und es war, als ob mein Leben,
das ich, einem neuen Sterne
mich vertrauend, tauber Ferne
trotzig zwingend wollte geben,
traurig mich mit stummen Augen
fragte : Kannst du mir entrinnen . . . ?
80
SOMMERS EINZUG
Beug, o Lenz, den weissen Nacken:
sieh, ein brauner Herrscher naht
dem Gefilde reicher Tat;
stolz im Scharlach der Schabracken
windet sich der Zug in Zacken
ragend über schwanke Saat.
Längst schon stieg den Himmelsbogen
glühend dein Gestirn hinauf.
Deine Hirten sind verzogen,
deines Flusses flüchtige Wogen
schäumen schwalbenüberflogen
zu den Rosenbüschen auf.
R. Scbaulcal, Verse 6 81
DER NACHEN
Nun ist die Nadit gekommen
mit sanftem Sdiritt,
die lautlos rings erglommen,
die Sterne bringt sie mit.
Sdion hält ein stiller Nachen
am schwfirzen Strand:
steig schwankend ein, erwachen
wirst du im fernen Land.
82
STUNDE DER FÜLLE
Breit über, selige Stunde,
der Zweige schwankende Last!
Die Wunder quellende Kunde,
ach, sie verstört mich fast.
Herrschender meine Stirne
hebt sidi aus hemmender Hut,
nah und näher die Firne
eisig in Purpurglut.
Tief aus sdiütternden Sdilünden
lodernd stürmt es empor,
wallend über den Gründen
schwebt der gewaltige Chor.
Aildurchkreisendes Leben
braust in Flammen und Schwall,
und ich erfühls mit Beben:
ich bin überall!
«•
83
SONNENUNTERGANG
In den Fenstern glüht der letzte Sdiein,
alle Wolken stehen loh in Brand,
in den Himmel dampft der Raudi hinein,
atemlos in Sdiweigen harrt das Land.
Und nun ist die Sonne hinterm Berg,
ausgelösdit ist, heller Tag, dein Licht :
Mensch, lass ab vom mühevollen Werk,
lausdi der Seele, die im Kühlen spridit!
84
SONNENAUFGANG
Das ist die Zeit der kühlen Frühe:
die Vögel sdireien insgesamt,
der Himmel hebt sidi immer höher,
ganz leise wadisend angeflammt,
und von den Wiesen wallt der Nebel
zerfliessend wie ein Morgentraum,
den Weg entlang erwacht die Reihe
der hohen Pappeln, Baum an Baum .
as
IM REISEWAGEN
Scheu vorm Scheine der Laterne
weidit Gesträuch am Wegesrande.
Kälter glänzen schon die Sterne
hier in diesem fremden Lande.
Dodi wie dich gemadi das Rollen
in ein andres Leben leitet,
fühlst du, dass aus deinem vollen
Herzen Lidit es überbreitet.
86
WIR
Und immer wieder Nacht und Ende
und immer wieder Anfang, Licht;
wir schliessen, öffnen unsre Hände
und senken, heben das Gesicht.
So haben wir aus Angst vorm Kreise
in feiger Scheu zurechtgestellt
die Ewigkeit nadi Menschenweise,
für Menschenmüdigkeit die Welt.
87
KLANGE VOM ZIRKUS
Kreisdiende Fiedeln und wimmernde Flöten.
Ein Hund sdilägt an und heult darein,
und nun sdinauben die rauhen Trompeten.
Trübe Liditer erfromer Laternen . . .
Liegt eine Welt zwischen mein und dein.
Fallen die Lose von kalten Sternen?
Oder musst Mensdi du alles lernen,
Fiedel und Vieh und Gaukler sein?
88
SEELE
Sehnend schau idi hinaus:
riefst du mich, liebliche Seele?
Bang in der hämmernden Kehle
fühl ich das lastende Haus.
Schwingen wachsen mir schon.
Seele, Seele, ich nahe!
Dass ich dich wieder empfahe,
kündets der bräutliche Ton?
Wellen heben empor
sidi aus dem bleiernen Weiher,
flatternd zerreissen die Schleier
mir um Auge und Ohr
und ein Dröhnen im Blut
kündet die seligste Feier:
Seele, wie flammt dein Freier!
Herz, wie stürmt deine Glut!
89
SPAT
Spät, wenn die alte Uhr geschlagen
und wieder Stille dich umwirbt,
das Pendel geht, die Lampe zirpt,
steigt es empor aus alten Tagen
und füllt mit Geistergruss die Luft
und macht dein Herz so sdiwer vor Sehnen
nadi einem längst verhauchten Duft,
nach einer fernen kühlen Gruft,
nach Wind im Wald an Bergeslehnen . .
90
DAS WORT
Wir könnens nicht begreifen
und fragen immer doch,
wohin die Wolken sdiweifen
und wie die Wiesen reifen,
und fragen noch und nodi.
Es wird ein Wort uns tagen,
das über allem Wort.
Dann enden alle Fragen.
Jetzt aber tragen, klagen
und fragen wir so fort.
91
IN DER HEIMAT
Warum dies Traurigwerden
dort, wo die Sehnsucht weilt?
Bin ich denn hier auf Erden
nie ganz und ungeteilt?
Kann ich nicht stille kauern,
tief in mich selbst gebückt,
in Seligkeit und Schauem
mir und der Welt entrückt?
Muss ich mir selbst gestehen
stets meine arme Qual,
in Licht und Ruhe sehen
als ins entfernte Tal,
dahin ich nie gelange?
O Seele, wirst du nie
durchbrechen diese bange
Schale? O fiele sie!
92
SCHÖPFUNG
Du kennst des Werkes widriges Versagen:
wies ungewiss im Busen dir gewittert,
dein innerer Bau von Wehen wankend zittert
und alle Worte zögern und verzagen.
Du gehst ein Fremder durch die Zeit, es klagen
Gedanken dir, vom Ganzen abgesplittert,
dein Sehnen vor, das dich zuletzt erbittert ;
du willst zermürbt dich seiner schon entschlagen —
da ballt verdichtend sich die schwangre Schwüle,
die Welt verfinstert unter ihrem Schatten,
mit eins zerreisst ein Blitz, ein flanmiend greller,
donnernd das Dunkel ; schnell und immer schneller
strömts regenrauschend auf ergrünte Matten,
und farbig schwebt ein Bogen durch die Kühle.
93
JAGDMORGEN
Glitzernder Sdinee am Fusse,
weithin blitzende Schau,
weidi in wallendem Grau
der Himmel über den Fichten.
Wird sichs in dir nidit liditen
zu heiterem Gegengrusse?
Sdileppst trüb in Gottes Odem
dein enges Menschensein
an schmutzenden Ketten hinein.
Der Glanz erstirbt vorm Brodem
aus deinen Tiefen, Seele,
licht- und lebensdiele.
Ein Schatten trübt das reine
blaustarrende Kleid der Hügel:
sind schwarze Rabenflügel
und -Fänge: Seele, deine!
Und sieh, ein Volk von Dohlen
folgt stolpernden Jägersohlen.
94
AN DIE SCHÖNHEIT
Ich möchte die Schönheit in mich trinken,
die Schönheit, die schon meiner harrt.
Wo bleibst du, sagt sie, idi steh erstarrt,
und ich will erweichen und will versinken
in eine lebende Gegenwart,
ich will in einen untertauchen,
der mich nicht allen andern zeigt,
der mich verschlingt und mich verschweigt,
aus seinem Atem will ich hauchen
und wie vergangen in ihm ruhn,
auf dass er mich erst wieder didite,
idi will in seinem Augenlichte
und auferstehn in seinem Tun.
Denn diese, die da suchend schleichen,
sidi büdcen, näher mich zu sehn,
und mich umwandeln auf den Zehn,
mich messen und mit sich vergleichen,
acfa, alle diese sind wie Diebe,
ihr Blick, wenn er sich hebt, entweiht.
Ich aber bin alt wie die Zeit
und unbesiegbar wie die Liebe
und gross wie Gottes Schöpfersinn,
und weil ich unermesslich bin,
will ich in einem untergehn,
der unersättlich ist an mir,
nicht ein getragenes Panier,
nicht eine Helm- und Panzerzier:
als eine Flamme will ich wehn
aus ihm für mich und er aus mir.
95
DER STERN
Blass unter deinem Hauchen,
o Weihnaditstraurigkeit,
aus Nebelfeme taudien
die Türme der Kinderzeit.
Und über den Türmen funkeln
seh ich den alten Stern,
dann sitz ich wieder im Dunkeln,
verwiesen, fem.
96
Manchmal mein ich es zu halten
mitten in der Nacht,
was in wechselnden Gestalten
mich so selig macht.
Und es ist mir dann am Tage
unter meinem Kleid,
dass ich etwas an mir trage,
das von Ewigkeit.
R. Schaukai. Verac 7 97
Bin ich im Leben?
Ist es in mir?
War ich das eben?
Bin ich das hier?
Alle das Denken
gibt keinen Halt,
Dauer nur schenken
kann die Gestalt.
96
DIE ALTEN BILDER
Ich weile gerne vor den alten Bildern,
die dunkelnd in den Galerien träumen.
Es kommen Fremde, die beflissen säumen,
stumm in den Büdiem blättern, die sie schildern.
Idi kenne Bilder, die sich mählich mildern,
und welche, die sich immer trotzig bäumen.
Viele verfallen in den stillen Räumen
wie trostlos Eingeschlossne, die verwildem.
Manch eines hab ich wie ein Weib besessen,
das eines Tages kühl mir dann entglitten.
Verstohlen folgen andre meinen Schritten,
die wiederkehrend idi doch stets vergessen.
Nur mit Erstaunen mag idi mandimal lesen,
dass alle diese Bilder jung gewesen.
7» 99
ES WIRD SEIN
Was war, eh du den Anbeginn
der bitter-kargen Tage fühltest,
eh du mit jedem Hungersinn
dich brennend in das Leben wühltest?
Und was wird sein, wenn du im Hirn
den letzten Feuerfunken beben
verzweifelnd ahnst und diese Stirn
sie stumm der stummen Erde geben?
Wirst du mich rufen, Herr, und mir
die Wunder erst der Wirklichkeiten
wie einen klaren Teppich breiten?
Kannst du mich würdigen zu dir?
Ich darfs nicht denken, dass du dich
mir schenken solltest ganz allein.
Und dennoch, horch ich tief in mich,
dann muss ich sagen: es wird sein!
100
NACH EINEM REGENTAGE
Schon hat der Herbst die Wege
mit Blättern still bestreut.
Ich geh und überlege :
ist vieles, was mich reut.
Es funkelt noch die Feuchte
im dunstig schwachen Schein.
Ein schüchternes Geleuchte
fängt sich das Didcicht ein.
Mit rauschendem Gerinne
singt sidi der Badi zu Tal.
Es sdiimmert ein Gespinne
an einem Sonnenstrahl.
Da schau ich von dem Hange
hinüber und hinauf:
mit meinen Blicken fange
ich einen Vogel auf.
101
>N GEORG
Deine lieben Hände mir im Haare,
tief das Kinn auf deiner warmen Brust:
augenschliessend selig-stumme Lust
dieses Eine, dieses holde Wahre!
Und nodi ging dein Singsang durch das Zimmer
wie auf bunten Flügeln leicht und froh, 1
nun ist alles schwarz verstummt, und wo
leuchtet, liebster Schläfer, wohl dein Schimmer?
Wallt dein reiner Traum durch Wirklidikeiten,
die den Grossen unerforschlich sind?
Gott, verhüllter Gott, muss denn ein Kind
erst verarmend in das Leben gleiten?
102
ENTFÜHRUNG
Wenn die leichte Kerzenflamme
schwehlend sich gespenstisch hebt,
die am runden weissen Stamme
zuckend wie gefangen klebt,
und ein Hauch im düstem Zimmer
unbemerkt sie plötzlich treibt,
dass ihr flüchtig blasser Schimmer
schattend einen Kreis beschreibt:
fühlst du dich im tiefsten Kerne
wie von einem Ruf berührt,
der didi in die grosse Ferne,
in die Ewigkeit entführt,
fühlst dich über diesem Leben
körperfrei im Wirbelwind
lautlos zu den Quellen sdiweben,
draus die Zeit ins Dunkel rinnt.
103
DER TRAURIGE MOND
Traurig aus Gestrüpp und Bäumen
taucht der blasse Mond empor,
tief in Tränen und in Träumen
blickt er durch den feuditen Flor.
Und es fliesst ein silberbleicher
Nebel übern hohen Wald:
rätselhafter, ahnungsreidier
wandelt sich der Welt Gestalt.
104
NACHTHIMMEL
Sterne flimmern durch die Himmel weit,
dunkelblau verbreitet sich Unendlichkeit.
Aus der nachtverhüllten Erde ragen
schwarze Bäume, die die Stille tragen.
Und du selbst, du fühlst dich dir entgleiten,
eine Welle nur der Ewigkeiten.
105
AUS EINEM SONETTENKRANZ
„HEIMAT DER SEELE"
I
Wie hast du, Mutter, mich so manches Mal
in Bangigkeit von dannen fahren sehen,
und ich mit mutigem Lächeln sah didi stehen
und freundlich winken, in der Seele Qual.
Dann hat mich meines Herzens Lebenswahl
für immer dir entführt. EHe Jahre gehen,
die früher tändelten auf leichten Zehen,
die Stunden, stürmen wie ein Sturz ins Tal.
Nur selten darf ich didi, Geliebte, küssen,
und immer wieder siehst du schwer mich scheiden,
wir wissen, dass wir uns entbehren müssen.
Mir wachsen Kinder auf, die es nicht ahnen,
was wir, Mama, von solchen Dingen leiden,
die sie bezaubern, wie die Eisenbahnen.
106
n
Ich muss aus allerersten Kindertagen
— ich weiss nicht, hats die Mutter mir erzählt
und hab ichs aus den vielen mir erwählt —
ein mildes grünes Bild im Herzen tragen.
Idi seh mich selbst im weiss lackierten Wagen,
herum sind Bäume — wie sie mich gequält
mit Schrecken haben, wenn ein Wind sie wählt
und wühlend schüttelt; bebend flog mein Fragen:
„Die Bäume wackeln! Warum wackeln sie?" —
Doch das ist eine spätre Melodie . . .
Die grüne milde weilt am Vorhang, haucht
den blauen zärtlich an und wiegt auf vielen
besonnten Blumen sidi, und Falter spielen
in ihrem warmen Ton, der untertaucht.
107
m
Du bist mir, Mutter, immer nodi das braune
schwarzäugig frische Kind von einst — ich meine
dich fast zu sehn — du singst mir träumend deine
einsamen Lieder, und ich lausche, raune,
wie Kinder tun in weicher Sdiläferlaune.
Und klagend aus den Liedern steigt das eine:
es plätschert über laute dunkle Steine
und spiegelt mich zuweilen, dass ich staune.
Es ist ein Lied wie Wandern in die Weite
und ist die Ewigkeit vom Weiterwandern,
es geht nur immer nach der einen Seite,
es geht in Ufern, die sich höher heben,
es träumt sich so dahin, getrennt von andern:
es ist das Lied von deinem, meinem Leben.
108
ELEGIE DER SELIGEN RESIGNATION
Wenn ich das Antlitz dieser Welt betrachte,
die rätselhaften Züge, die verlocken,
bin ich, der glanzgeblendet einst erschrodcen
getaumelt hatte, nah, dass idi verachte.
Was künden all die hohlgegossnen Glocken?
Und keinen sah ich, der verweisend lachte!
Umlärmt von greller Stimmen wüstem Kreischen,
blidc idi erstaunt ins tägliche Zerfleischen.
Die Menschen rollen wie geballte Massen
aus leichtem Schnee und wachsend nur im Gleiten,
besinnungslos vor Lieben und vor Hassen,
ins dunkle Gähnen der Unendlichkeiten.
Und willst du einen herzlicher umfassen,
reisst ihn hinweg der breite Strom der Zeiten.
Den Mantel raffend um gebeugte Schläfen,
sinn ich der Ziele, die sie gerne träfen.
Und all die Kläglichkeit von Mensdienzielen
umgeistert meine schweigenden Gedanken:
wie sie als Kinder froh mit Wünschen spielen
und jeder Schmeichelhoffnung folgend schwanken,
uneingedenk der andern, die da fielen
entseelt an den erbarmungslosen Schranken.
Und träumend flieh ich in das Grenzenlose,
zum Fimenlicht der unbegriffnen Rose.
109
Euch Sdiwächlinge bedenk ich und beklage
das sinnlos nimmermüde Wegewandeln,
dies Drängen durdi die Hecken dunkler Tage,
dies ungestüme Fordern, zweifelnd Handeln,
und — bin versucht, dass ich gelassen sage:
es war doch schön im Ruch der frühen Mandeln,
da milder Abend manche Sehnsucht reifte,
mich mancher Traum vom Leben hold umsdiweifte.
Wer aber Irdisches verflattem hörte
wie einen hohen Flug von weissen Tauben,
wer Wunden, die er einst im Heilen störte,
entschlossen narben Hess, den blinden Glauben
an Gunst des Glüdcs, der folternd ihn betörte,
in einer Nacht voll Glanz verstiess: dem rauben
den friedevollen Schlaf nicht mehr Gesichte
und Blendewunder weltlicher Geschidite.
Er hat sich seinen engen Kreis gezogen,
in dem er still sein auferlegtes Tun,
unwirklidi fast, von Zweifeln kaum betrogen,
duldsam verrichtet, traumgekröntem Ruhn
als unserm besten Erbteil wohlgewogen,
geht jeden Morgen er in festen Schuhn
gewählter Pflicht ans Werk und gibt dem Leben
an reifer Frucht, was er ihm hat zu geben.
Dodi ragt sein freier Geist ins Unbegrenzte:
was ihn als Leib umgibt, ist nur Gewandung
der Seele, die in selige beglänzte
110
Gefilde steigi, ein Aar, aus dumpfer Brandung
der Täglichkeit; mild nahen sich bekränzte
Unsterblidie in strandgewohnter Landung
dem Hafen seiner stolzen Einsamkeit,
und überwunden sinkt und stürzt die Zeit.
111
AN DEN HERRN
Du, in den wir münden,
du, aus dem wir erwadit:
wer, wer darf dich verkünden,
der du dich selbst erdacht!
Der du über den Zeiten
thronst in Unendlichkeit:
über die Meere gleiten
Schatten von deinem Kleid.
Tage und Nächte schleichen
unten an seinem Saum.
Erblühen und Verbleichen
gabst du uns als Traum.
Druck von M. Müller & Sohn, München V
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