Skip to main content

Full text of "Aus neuer und neuester zeit"

See other formats


Google 



This is a digital copy of a book that was prcscrvod for gcncrations on library shclvcs bcforc it was carcfully scannod by Google as pari of a projcct 

to make the world's books discoverablc online. 

It has survived long enough for the Copyright to expire and the book to enter the public domain. A public domain book is one that was never subject 

to Copyright or whose legal Copyright term has expired. Whether a book is in the public domain may vary country to country. Public domain books 

are our gateways to the past, representing a wealth of history, cultuie and knowledge that's often difficult to discover. 

Marks, notations and other maiginalia present in the original volume will appear in this flle - a reminder of this book's long journcy from the 

publisher to a library and finally to you. 

Usage guidelines 

Google is proud to partner with libraries to digitize public domain materials and make them widely accessible. Public domain books belong to the 
public and we are merely their custodians. Nevertheless, this work is expensive, so in order to keep providing this resource, we have taken Steps to 
prcvcnt abuse by commercial parties, including placing lechnical restrictions on automated querying. 
We also ask that you: 

+ Make non-commercial use ofthefiles We designed Google Book Search for use by individuals, and we request that you use these files for 
personal, non-commercial purposes. 

+ Refrain fivm automated querying Do not send automated queries of any sort to Google's System: If you are conducting research on machinc 
translation, optical character recognition or other areas where access to a laige amount of text is helpful, please contact us. We encouragc the 
use of public domain materials for these purposes and may be able to help. 

+ Maintain attributionTht GoogXt "watermark" you see on each flle is essential for informingpcoplcabout this projcct and hclping them lind 
additional materials through Google Book Search. Please do not remove it. 

+ Keep it legal Whatever your use, remember that you are lesponsible for ensuring that what you are doing is legal. Do not assume that just 
because we believe a book is in the public domain for users in the United States, that the work is also in the public domain for users in other 
countries. Whether a book is still in Copyright varies from country to country, and we can'l offer guidance on whether any speciflc use of 
any speciflc book is allowed. Please do not assume that a book's appearance in Google Book Search mcans it can bc used in any manner 
anywhere in the world. Copyright infringement liabili^ can be quite severe. 

Äbout Google Book Search 

Google's mission is to organizc the world's Information and to make it univcrsally accessible and uscful. Google Book Search hclps rcadcrs 
discover the world's books while hclping authors and publishers rcach ncw audicnccs. You can search through the füll icxi of ihis book on the web 

at |http: //books. google .com/l 



Google 



IJber dieses Buch 

Dies ist ein digitales Exemplar eines Buches, das seit Generationen in den Realen der Bibliotheken aufbewahrt wurde, bevor es von Google im 
Rahmen eines Projekts, mit dem die Bücher dieser Welt online verfugbar gemacht werden sollen, sorgfältig gescannt wurde. 
Das Buch hat das Uiheberrecht überdauert und kann nun öffentlich zugänglich gemacht werden. Ein öffentlich zugängliches Buch ist ein Buch, 
das niemals Urheberrechten unterlag oder bei dem die Schutzfrist des Urheberrechts abgelaufen ist. Ob ein Buch öffentlich zugänglich ist, kann 
von Land zu Land unterschiedlich sein. Öffentlich zugängliche Bücher sind unser Tor zur Vergangenheit und stellen ein geschichtliches, kulturelles 
und wissenschaftliches Vermögen dar, das häufig nur schwierig zu entdecken ist. 

Gebrauchsspuren, Anmerkungen und andere Randbemerkungen, die im Originalband enthalten sind, finden sich auch in dieser Datei - eine Erin- 
nerung an die lange Reise, die das Buch vom Verleger zu einer Bibliothek und weiter zu Ihnen hinter sich gebracht hat. 

Nu tzungsrichtlinien 

Google ist stolz, mit Bibliotheken in Partnerschaft lieber Zusammenarbeit öffentlich zugängliches Material zu digitalisieren und einer breiten Masse 
zugänglich zu machen. Öffentlich zugängliche Bücher gehören der Öffentlichkeit, und wir sind nur ihre Hüter. Nie htsdesto trotz ist diese 
Arbeit kostspielig. Um diese Ressource weiterhin zur Verfügung stellen zu können, haben wir Schritte unternommen, um den Missbrauch durch 
kommerzielle Parteien zu veihindem. Dazu gehören technische Einschränkungen für automatisierte Abfragen. 
Wir bitten Sie um Einhaltung folgender Richtlinien: 

+ Nutzung der Dateien zu nichtkommerziellen Zwecken Wir haben Google Buchsuche Tür Endanwender konzipiert und möchten, dass Sie diese 
Dateien nur für persönliche, nichtkommerzielle Zwecke verwenden. 

+ Keine automatisierten Abfragen Senden Sie keine automatisierten Abfragen irgendwelcher Art an das Google-System. Wenn Sie Recherchen 
über maschinelle Übersetzung, optische Zeichenerkennung oder andere Bereiche durchführen, in denen der Zugang zu Text in großen Mengen 
nützlich ist, wenden Sie sich bitte an uns. Wir fördern die Nutzung des öffentlich zugänglichen Materials fürdieseZwecke und können Ihnen 
unter Umständen helfen. 

+ Beibehaltung von Google-MarkenelementenDas "Wasserzeichen" von Google, das Sie in jeder Datei finden, ist wichtig zur Information über 
dieses Projekt und hilft den Anwendern weiteres Material über Google Buchsuche zu finden. Bitte entfernen Sie das Wasserzeichen nicht. 

+ Bewegen Sie sich innerhalb der Legalität Unabhängig von Ihrem Verwendungszweck müssen Sie sich Ihrer Verantwortung bewusst sein, 
sicherzustellen, dass Ihre Nutzung legal ist. Gehen Sie nicht davon aus, dass ein Buch, das nach unserem Dafürhalten für Nutzer in den USA 
öffentlich zugänglich ist, auch für Nutzer in anderen Ländern öffentlich zugänglich ist. Ob ein Buch noch dem Urheberrecht unterliegt, ist 
von Land zu Land verschieden. Wir können keine Beratung leisten, ob eine bestimmte Nutzung eines bestimmten Buches gesetzlich zulässig 
ist. Gehen Sie nicht davon aus, dass das Erscheinen eines Buchs in Google Buchsuche bedeutet, dass es in jeder Form und überall auf der 
Welt verwendet werden kann. Eine Urheberrechtsverletzung kann schwerwiegende Folgen haben. 

Über Google Buchsuche 

Das Ziel von Google besteht darin, die weltweiten Informationen zu organisieren und allgemein nutzbar und zugänglich zu machen. Google 
Buchsuche hilft Lesern dabei, die Bücher dieser We lt zu entdecken, und unterstützt Au toren und Verleger dabei, neue Zielgruppcn zu erreichen. 
Den gesamten Buchtext können Sie im Internet unter |http: //books . google .coiril durchsuchen. 



^^^^H B ^^^^^^^^^^^^^^^^^^^1 




(Sbuarb $)an5ÜA 

3tuö neuer 

unb 

neuefter 3ett 







Eu« xttmx utttr neittper Mtit 



Jlu$ neuer ^^ * * * 
» und neuester Zeit. 

(Der ■o«fiiM Op<i TX. t<H.) 



musikalisAe Kritiken und SAildeiungen 
von 

Eduard Ranslich* 




BtrlU. 

AUgemeiner Uerein tQr Deutsd)e tttteratur. 
1900. 



ML 
3SS0 

1100 



I 



^Ile 9ie(^te vorbehalten. 



/'/^•^^ 



f 



''^ 



I ' 



|n|)alt9tier}ei(l)ni9« 



I. ^Ibteilnng. 

Seite 

„^\t Kriegsgefangene' Don ®oIbmor! 1 

^^ie Königin Don Saba" Don (SJoIbmarf 10 

„^tx 3)ämon" oon Slubinftein 17 

$Q)}bnd ir^ot^efer" unb Sor^ingS »0)>ern))robe" ... 25 
^Solant^e" oon SfddaüomSf^ unb XfddaifomSft)? „(Srinne^ 

rungen'' 80 

^®d mar einmal" oon 3 cnti ins IQ . . . . 44 

n. ^Ibtetlnng. 

„ßucifer" Don % ©enoit 51 

Qwti Orc^efterfon^erte oon SRaboub unb b'OUone . . . 57 
$§i(^armonif(l()eS Konzert 70 

^greftf länge" oon SiS^t. — S^igaubon Don Sporne au. 

— ®9m))§onieen Don ^. ®oet>. — f^ftnf ®efönge oon 

®. SKa^Ier. — ^Woma" oon ©iaet. — »1812* Don 

Xf^aifotod!^. 
S^eue Drcfteftenoerfe 80 

^«u8 gtalien" Don W. 6trau6. — ^3)ie ©albtaube* 

Don S)Dora!. 

,,3)ebora5" Don l^önbel 87 

dr^Bre Don 6. 9da^, ©ra^mS unb 9Renbe[«fo^n ... 94 



3nf{aItsoer3eic^nis. « 

Ckitc 

S)Tei murifalff^e ^Iftd^finber (Sü^aScagni, $ero(i unb 

©iegfrieb SSagner) 97 

(Gemeine, f^fibli^e unb gemehifc^äbad^e J^Iaüierf^ielerei . . 105 

^er @trett um bte 3mif4fnartmuft( 118 

SWupffeinbc 188 

diu Hamburger Jubiläum 150 

@4mei^er SD^uriferlebniffe 168 

IV. ^Ibteilnng. 

«erbl 175 

^tciox ©erlloi 197 

e^o^jln 241 

Srran^ ^aufer 262 

SacqueS gftomental $a(et)Q 294 

Sodann ©traug (t 1899) 805 

V. ^Ibteilung. 

SB. 3 Don 93afieIemSfi unb @:(ara @d)umann . , . 818 

©illrot^ über aWupl 836 

^anS D. Sülomft »riefe 848 

9{i4arb SSagner unb fBenbelin SBeig^eimer .... 867 




L 2(bteiUns. 



®lin; in jmci 3Mm tum fiatl Q^olbmarh. 
[Siftc «uP^ning im ^faptmtgcatn: am 17. ^iinuar 1899.] 

^^iT ^fitten e8 nimmenne^r 'geglaubt, bag 3Id|tQeB 
nod) eine neuefte Vufetfte^ung feiern loetbe. 3<>6'^''^ fi"^ 
bie Opern, tnelt^ im fiebjel^nten unb ac!^tjef|nteii ^Q^i* 
^unbert Don ben gelben bei troianifdten Shieged lebten. 
^xi it^tt „"HtS^UtS', ben toii felbft nod) fingen ge^Öit, 
mir ber in ®lad& ,3pi)i8enie in SluliS". SRan er^d^U, 
e« ^abe feine 5tompf'8Irie bei ber erflen 5porifer auf- 
fü^ung (1774) fo jünbenb genirEt, bag bte Offiziere im 
^rterre unmiinürlic^ i^re ©fibet jogen. SIlfi Wir bie 
Oper jule^t in SSien f|Örten, bürften b(og einige Aritifer 
ben SIeiftift gejogen ^aben, um im Xe^tbui^ fo etttaS nie 
«langueilig* ju notieren. @eit me^r aU ^unbeit 3t)E|ren 
faffen unfete Opemfomponiften ben ^c^iUed famt feinen 
ftriegSgefA^rten völlig in 9tul|e. 3un^(^ft uwil man ed 
enblid) überbrüffig geworben, immer nur biefen onlilen 

«1111 llld, «ul ncu<[ URb nnuB» ^tit. 1 



2 €b. QansKcf. 

gelben auf ber Opembfil^ne ju begegnen. S)aneben tptrft 
aber ate tiefer tiegenber ®runb bie moberne ^nfd^auung 
t)on bromatifd^er Sßa^r^ett. 3n ber alten itatienifd^en 
Op^x toaizn Sd^iHed, ^eftor, Slgamemnon nur glänjenbe 
STuö^ängefd^ilber für eine Slei^e t)on 10 big 20 Sraöour- 
Slrien, bie ein Senor ober aud^ ©opran an^ feiner gol* 
benen Sflüftung ^eraud über bai^ ^ublifum ergog. ^att^ 
bai äft^etifd^e (Smpfinben jener ß^t eine ftrenge Strafte* 
rifierung ber ißerfonen unb i^rer Umgebung gcforbert, 
fein SomeSi ober ^iccini n)urbe an ^d^illed bie ^anb ge^ 
legt i^aben. S)iefeö ungefc^riebene ®efe| bramatifd^er SBa^r- 
^eit ^errfd^t aber ^eute, prinjipieS anerfannt unb mel^r 
ober toeniger ftreng befolgt, in ber Dpern*Som|)ofition. 
Unfere Sonbid^ter toiffcn, bafe i^r 5ßublifum nid^t mel^r 
ben näd^ftbeften Sriüer^SBirtuofen afö Std^iQc^ acce^)tiert. 
Sl^n aber mit berfelben ©laubtoürbigleit mufifolifd^ ju 
d^aralterifieren, toie einen S)on Suan, ©araftro, ©üon, 
^anö ^eiling ober eine anbere fagcnl^afte ®eftalt, bleibt 
eine fd^toer erfüllbare gorberung. S)ennod^ erfd^cinen feit 
ben legten ^ecennien, bie überhaupt ein n^unbertid^ed @£^ 
perimcntieren in ber Dper auftoeifen, öcreinjette SBcrfud^e 
mit altllafftfd^en ©toffen. 3^^^* .S)ie Trojaner " Don 
Serlioj, bann „I)le Db^ffee" t)on Sungert unb jegt, 
gteid^jeittg mit ber in ißari^ Vorbereiteten „Briseis** oon 
@^^abrter,®oIbmarfi^„Jtriegdgefangene*' gteid^en91amen8. 
(2)er jtoeite Sitet ber „Brisei's** Don S^^abrier, „La fianc^e 
de Corinthe**, lä^t übrigen« Vermuten, ba^ l^icr feine«* 
toeg« bie befangene bed Sd^iQed, fonbem bie ^elbin ber 
®oet^efd^en SSaQabe gemeint fei.) Ob bie ®^mpat^ie für 
biefen ©tofffreiS in ber Oper lieber enoad^en unb fid^ 



ou86rcitcn toirb, ftc^t ba^in; jcbcnfaHS crforbcrt feine 
9{eu6elebung eine ungetpö^nlid^ ftarfe unb originelle muft« 
falifc^e ißcrfönlici^fcit. 

(Solbmarfö Dptt, bcren Sejtbid^ter fic^ unter bcm 
$feubon^m (Emil ©d^tid^t Verbirgt, fpielt im legten S^^re 
bed trojanifd^en JtriegeS unb fe|t mit bem Sobe beS ^eftor 
ein. Sitet^clbin ift bie Don Sld^iHe« erbeutete fd^öne Sri* 
feig. 3n ber ^Sliabc'' fd^immert fte nur gan§ vorüber* 
ge^enb tt)ie ein fd^tpad^er Sid^tftra^I burd^ bie ihriegS* 
greueL äßit biefem einen Sid^tftral^I ein ganjei^ 3)ramQ 
}U erneuen unb ju erfüllen, mod^te ©olbmarf, ben ^einb 
bed ©etpö^nli^en, olS eine fettfame Aufgabe reiben, ^ie 
Dper beginnt mit ber Seid^enfeier für 5ßatrof Iu8. Äd^illeä 
fd^n^ört, blutige Städte ju nel^men, unb bermünfd^t bie 
®öttcr, tocld^c ben %ob feine* grcunbeä jugelaffcn. 3e|t 
ergebt fid^ auS ben SReere^tPogen ^etiS, beS Sd^iÜeS gött« 
lid^e TtvLÜtt, unb ermahnt i^n, ber Slod^e ju entfagen. 
aSergcbeng! ©r befiehlt, bie SRoffc ju fd^irren unb §eftorg 
fiei^nam, ben er bereits brei Soge lang um bie SDtauern 
XrojoS gefc^Ieift, neuerbingS an ben äBagen ju fnü^fen. 
3)a melbet man bem SBfitcnbcn, bafe feine ©Ilaüin SBriföS 
gett^agt ^abe, bie fieid^e ^eftorS in ein Sinnen ju ^üDen. 
©einem ©d^tour getreu, toiU Sld^iH bie (Jrcölcrin mit bem 
Xobe beftrafen, beju^ingt ftc^ aber angefic^tS i^rer ruhigen 
aSürbc unb befiei^It, fein ©d^iff jur «bfo^rt bereit ju 
mad^cn, 68 foU Srifci« ju ben Sl^rigen jurfidEbringen. 
S)er jtoeitc Äft fpielt, gleid^ bem erften, im 3^^^ ^^ 
%^xU^. ©d^Iafloä, Don Srdumcn gefd^redEt, ftö^nt biefer 
auf feinem Sager. S3rifci8 eilt ^erbei, mifc^t bcm troftig 
Äbtoe^renbcn einen ^eiltranl unb fingt i^m, auf fein Joe* 



4 £b. Qanslicf. 

gel^r, ein Sieb. Saum ^at fte ed Beenbet, als, t)on einem 
in SBoIfen öoranfd^toebenben Sungling (§erme8) geleitet, 
ber alte Äflnig 5ßriamu8 ju Sld^iH in ba8 gelt tritt, ©r 
fle^t um bie Seid^e feineS @ol^ned $e!tor, tpeld^e er ba« 
l^eim feierlid^ Beftatten möd^te. fiange Bittet er bergeBIid^» 
®rft ate Jßriamug fnieenb feine güge umflammert, toeid^t 
Äd^iCeS ber Vereinten gürbitte öon SrifeK, Slutomebon 
unb SbäuS unb lägt ^eftorS Seid^nam bem unglüdlid^en 
SSater audfolgen. tiefer jie^t banfbar ab. SSaiS nod^ folgt, 
ift ein lange« SiebeSbuett jtoifd^en Srifei« unb ad^ill. 

^a^ XejtBud^ ift nid^t ^b^n glüdEKd^ geraten. S)ie 
Vorgänge unb ^erfonen auiS bem legten SBud^e ber 
,,3Iiabe" l^ätten leBenbiger, bramatifd^ tpirifamer l^eraud« 
treten muffen, t)or aQem aber bem (£l^ara!ter bed ^omer« 
fd^en (S^joS getreu. SBir finb nid^t fo pebantifd^, bem 
SSerfaffcr Slbioeid^ungen öon bem Original ju öerubeln; 
ber ^ramatifer ^at ba^ gute Siecht, bie ^iftorie nad^ 
feinem Sebürfniffe ju mobein, falls er nur Iraffe SBiber* 
fprüd^e mit ü^ren unb feinen eigenen Sl^orauSfegungen 
unterlägt. SBir tooQen eS nid^t anfed^ten, bag ber SiBrettift 
©rifcÄ für bie Seid^e beS §eItor, alfo beS ^einbeS, t^un 
lägt, toaS fie im @))o8 für ^atrofluS, ben geliebten 
greunb, tl^ut Äud^ nid^t, bag am ©d^Iuffe baS fam^jf^ 
gerüftete §eer „3ur ©d^Iad^t! 3"«^ ©ieg!" ruft, nad^bem 
bod^ furj jubor ben Trojanern ein jtoölftägiger SBaffen« 
ftiQftanb BetoiQigt toorben, jur feierlid^en JSeftattung §eItorS. 
S)er Äom^jonift brandet eBen ein paav fräftige ©d^Iug» 
accorbe — eS finb i^rer ol^nel^in fel^r toenige. SlBer bag 
toir Äd^iHe«, ben ^fd^redEtid^en*', ben „toilben", ben 
^männcrmorbenben" unb toie er fonft l^eigt, aö einen in 



(Solbmarfs „Kriegsgefangene" 5 

üerfc^toiegener Sie6ed))etit fid^ üerje^renben, feine @!(atrin 
Qttfd^mad^tenben Sflngling und üorfteUen foQen, tft eine 
ftatfe 3^^^t^"9- *0 Srife'rö", fcufet er, „idö bin fo 
franf, fo tounb, fo toc^; mein iperj fo tpc^!" unb fo k la 
^eine toeiter, bid er enblid^ Souroge be!ommt unb qu^ 
ruft: ^Siebft bu mid^? ®u liebft mid^? entäüdenbe Suft!'' 
9tun benfe man ftd^ einen SIugenblidE in jene QÄtm unb 
i^re Striegdfitten jurüdE! S)a n^ar bie fd^dne Striegdbeute 
Srifei'd il^rem (Eroberer tpiUfommen genau toie ein Sec^er 
fügen SBeineiS, ben er fid^ frd^Iid^ fd^medEen lieg, ol^ne i^n 
erft ju fragen: ^Sicbft bu mid^? Sicbft bu mid^?* SBfi^- 
renb bei ®oIbmar{ ber tpilbe 9(c^iU, ))Id^Iid^ «fo toe^ unb 
tounb" toie ein beutfd^er S^rifer, um bie ®cgenliebe ber 
SSrifeÄ bettelt, l^eigt eS bei §omcr ganj furj unb felbft- 
üerftänblid^: 

Hber 9(4tIIeuS ru^t im innerflen 9{aum beS ®egefteS, 
Unb i^m log ^ux Sehe beS Sdfed roftge ^od^ter. 

Unb i^rerfeit» fle^t toieber bie roftge ®rifere um „fein 
^erj, fein toilbeS, tounbcä, ^od^l^errKd^c» §crj!* auf 
«d^iHe«' grage, m^ ®Iüd fei, antwortet Srifc«: „®Iüd[ 
ift ®IüdC, ®Ificf ift ®Ianj, Scnj unb Sic^t im ®emüt!-' 
toeld^en mobemen @d§tpu(ft Sld^iH mit ben SBorten fort^* 
fe^t: „Jtlingenbe ®Iut, tönenber ®Ianj!'' unb n^aiS beiS Un^ 
finnd me^r ifi 

SKan lann ftd^ nur mit einiger ?lnftrengung öor* 
fteKen, bag biefeS Sibretto ®oIbmar! begeiftert fyiit. Wiofyc» 
fc^einlic^ ftanb i^m fein beffered ju ®^iGtt. SBeber bie 
Seibenfd§aftli(^leit unb altteftamcntarifc^e 5ßrad^t ber 
„ÄSnigin öon Saba", nod^ bie m^ftifd^e SRomantil be8 
„iDIerlin", nod^ enblid^ bie trauliche Sb^Qe bed ,,ipeimd^enS 



6 £b* Qanslicf« 

am ^crb" bot i^m baS neue Sibrctto. ©rin Salcnt fonntc 
ha nur mit l^aI6gef))annten @egelit auslaufen unb blieb 
leintet ber SBirlung ber brei früheren Dpem jurücf. S)iefe 
l^aben ®oIbmar!d Siu^m nad^ allen äBettgegenben verbreitet 
unb barum (Srtoartungen erregt, luelc^e bie ,,^egdge« 
fangcne* — nid^t erfüllt fyit 5)a§ bie Siobität feine 
unbebeutenbe, f[ad^e SKufif enthalt, t)ielmel^r eine fe^r 
ernfte, getpiffen^afte, bramatifd§ einbringlid^e, bebarf bei 
einem SSer!e @(oIbmarte nid^t audbrüdEIid^er 93etonung. 
Slber aus Slefpeft t)or bem ^omerfd^en ®poi jie^t ®oIb« 
matt fein ©efic^t in nod^ ftrengere galten als gen^fil^nlid^ 
unb bermeibet nad^ a)25glid^!eit ben 9ieij mufifalifd^ ab« 
gefc^toffener, einjjräglid^er SWelobien unb lebenbiger, origi* 
netter SRI^^t^men. Sänge ©cenen bereifen fid^ mit ge* 
fungener ®e!(amation über einer unabläfftg tpü^lenben 
5ßol5pl^onie im Drd^efter. ©aburd^ entfielt — toaS n\x^ 
fd^cinbar ein SBiberfpruc^ — eine aufgeregte (Sinförmigfeit 
in ber ganjen Optx, eine monotone Unrul^e. @ie ma^nt 
uns an bie toeite graue SßecrcSfläc^e, bie nur burd& bie 
unaufl^örlic^e 93en)egung tieferer äBetten an ber Oberfläd^e 
gelräufelt toirb. SBagncrfd^c (Sinffüffe, bie fd^on ®oIb* 
mar!S frühere 0|?ern berührten, ol^ne feine Snbiüibualität 
ju untcrjod^en, fd^einen mir in ber „ÄriegSgefangenen" 
ju ftarfer SBor^errfd^aft gebiel^en. S)er 6^or ift nur an 
ber crften ©cene ftärfcr beteiligt. 5)ie Seid^enfeier, toürbig 
gehalten, nur übermäßig auSgebel^nt, toirft i^ren Trauer*» 
fd^teier über atteS golgenbe. 3)aS JSegrfibniS ift borüber, 
aber bie S9egräbniSftimmung ioitt nid^t toeid^n. ^ie 
glcid^mäfeig langfamen %m!px l^crrfd^en bor; felbft ber 
3)iatog betoegt fid^ ftodEenb: ^rage unb ?lnttport toerben 



(Solbmacfs lyKrie^gefangene*. 7 

teils burd§ Raufen, teifö burd§ Otd§efter:«3^^f^^^fP^^I^' 
Qudetnanberge^atten, fo bag man unkDiUffirlic^ fouffiteren 
möd^te: SJortoärtS, loeiter! 2)er SJ^onoIog Sld^iHeS' nad^ 
ber Seid^enfeier ift ein befonberS d^arafteriftifij^ed 93eif))iel 
für bicfc in Snterieltionen unb abgeriffenen ©ä|en ftam- 
melnbe ©efangStpeife, beten Sin^eit ein fturm6eu>egte8 
Drd^efter ^erjufteQen bemül^t ifi Sufeerft feiten fommt 
ed ju ber fleinften )7laftifci^ ^ertortretenben äRelobie, bie 
und jperg unb O^r erfreut S)a8 Stuftreten ber SrifeiS 
bringt einige SRu^e unb Sr^olung nacSj bem SBüten bed 
t^erjtpeifelt fid§ ^erumtperfenben Sld^iQ. STUein aud^ fie 
gelangt ju feinem redeten mufüolifc^en Seben, bleibt ftetd 
gelaffen, temperamentlos, felbft n)0 fie il^re Siebe unb 
f^erjenSfe^nfud^t fingert ^ai Drd^efter fprid^t in be« 
rebten Stifingen auS, toad tpir lieber t)on i^r felbft gehört 
^tten. @o in bem jarten, jauber^aft fßngenben As-dur- 
3tpifd§enf))iele gegen ben ©d^Iug beS erften S(fte8. 

3toifd§en bem erften unb jtoeiten Sßt l^ören toir ein 
felbftfinbigeS, breit ausgeführtes Ord^efterftüdE, toie bieS feit 
ber «Cavalleria* @itte getporben unb aud^ t)on ©olbmarf 
fo glänjenb im ^^eimd^en*' öertoenbet ift 5)aS Qcox^äien^ 
f))iel in ber j^ÄriegSgefangenen" beginnt mit einem Wege* 
rifc^en SUIegro, baS aber tro| ber breinfd^metternben 
S^rom^en !eine ^elbenhaft unb ©iegeSfreube auSbrüdEt. 
2)aS lagt ftd^ fd^ioer erreid^en mit ber aufbringlid^en 
Xriolenfigur, bei beftfinbigem ©d^n^anlen jtoifd^en Ges-dur 
unb Es-moU, d^romatifd^em Sammer unb raftlofem SD^obu« 
lieren. 3um ®Iücf leitet biefe ^^militfirifc^e" §alfte baS 
Sntermejjo in eine beffere, fentimentale, n^eld^e mit garten 
ßlangmifd^ungen auf bie ^ergenSge^eimniffe ber SSrifeiS 



8 <Eb. ^anslid. 

I^inbcutct. S)er jtocttc ?lft bringt ßcgcn bcn crftcn eine 
©teigerung fou>o^t in bem btamatifd^en SBorgange, ti)te in 
bet mufifalifc^en Srfinbung. SIuS bcm langen 3^^' 
gcfprfid^c („S)uctt* fann man eS nic^t nennen) jtDifd&cn 
^c^iQ unb SBrifeid taud^en toarme innige SCccente; aud^ in 
ber Crd^efterbegteitung ju bem A-dur-©a$ (^3ni Srunf 
ift SBermut") Ifift fid^ bie biSl^erige Strenge unb Unrul^e. 
auf Ä^iüeS' Sitte fingt »rifeiS ein „Sieb^ @S befielt in 
ber erften ^filfte auS abgebrod^enen, recitatiüifc^ erj&^Ien«» 
ben ©ö^d^en mit ^arfenbegleitung unb fd^Kegt mit einem 
melobifd^ jufammen^&ngenben Allegro moderato. ©ein 
gleid^mä^ig penbeinber dil^Qtl^muS t)on t)ier Viertelnoten 
fj&lt tpie ein fd^u>ereS ©etoid^t bie (Sm))finbung nieber unb 
Vereitelt ben l^ier ertparteten ^uffd^n^ung. @d folgt bie 
©cene mit JßriamuÄ, ein ergreif cnb rü^rcnber SSorgang^ 
ber fd^on al8 fold^er, rein ftofflid^, feiner SBirfung fidler 
ift. 93om S)id^ter gefd^idt angelegt, Dom Siom))oniften mit 
ber ganzen i^m eigenen SSärme unb SBerebfamfeit ge« 
fteigert, ergebt fic^ biefe ©cene jum bramatifc^en $ö^« 
))unft beS ©anjen. ^a^ ©d^Iugbuett jtoifd^en Sld^iQ unb 
SrifeiiS erfüllt faum bie Srtoartungen, toelc^e balS etn^ad 
mclobie^ungrig geworbene 5ßublilum biefer erl^offten Ärö* 
nung beS @(ebäubed entgegenbrachte. Süerbingd entfd^Iiegt 
fid^ ©olbmarf, bie beiben Siebenben, toetc^e biSI&er nur ju 
einanber, nid^t mit einanber gefungen ^aben, in einem 
!urjen S)uettfag ju Dereinen: „^k Siebe jie^t ein". 3(ud^ 
einige ^^erjcn* unb ©ejtengfinge gießen ein, Vermögen fid^ 
aber nid^t me^r red^t ju acciimatifteren. 

S)ie äuffü^rung ber SRoüitSt unter ÜRa^Ier«, be8 
Unermflblid^en, perfönlic^er Seitung ift bie benfbar DoQ« 



<0ol^marfs ^Krtedsgefongene". 9 

fommenfte. 3n ber tueiblic^en Hauptrolle gifinjt grdulein 
Slenarb ebenfo \ifft butd^ jarte Smpfinbung in @ptel 
unb ®€fang, toic burd^ i^tc malcrifd^e ©rfd^cinung. §crr 
Sleid^mann beiD&Itigte bie fd^tpierige, anftrengenbe 9loIIe 
bed %ä)xü mit augerorbentlid^em Srfolg; feine ©tinime ^t 
nie mftd^tiger unb 6eU)egenber geflungen. S)er ^riamud 
bc8 Herrn Heftig — er f^at leiber eine einjige ©cene — 
gel^drt ju ben beften Seiftungen biefeS ftfinftlerd. Sßelc^e 
©orgfalt auf bie Sluffü^rung ton ©olbmarfS Dptt Qt>^ 
toenbet loarb, jeigt und bie treffliche Sefegung ber Heineren 
aiollen. grftulein SBalfer, unfere gibeS unb ÄmneriS, 
giebt bie Xl^etiS, loeld^e nur einige furje ©fi^c^en au8 bem 
ÜReer ^eraud ju fingen ^aL 9{od§ t)ie( Heiner, ettpa ad^t 
bis je^n Spalte lang, ift bie 9toIIe beS Slgamemnon, ber 
nad^ ber erften @cene üerfd^toinbet. SKan gab fie H^rm 
SWeibI, beffen eble 9ie))räfentation für ben ,,Äönig ber 
Könige" nic^t ju entbel^ren toar. Sletc^mann unb 9teibl in 
i^ren golbenen Reimen unb Slüftungen — koeld^ ))räd§tige 
©eftalten! ©el^r gut in ber Keinen 9loIIe be8 9(uto« 
mebon — bie einjigc ^Tenorpartie — ift Herr 5ßacaL 
SBirftid^ giebt e8 in ber „Kriegsgefangenen" einige nodö 
Heinere SRoQen, bie aber nur mit betoaffnetem ^Jluge toafyc* 
ne^mbar finb. 

3)ie neue Dper erfreute fid^ einer burd^auiS gunftigen 
Slufna^me. ^aä) biefem Srfolge ber erften Slufffi^rung 
ber „StriegSgefangenen" mug id^ vermuten, bag id§ mit 
meiner ffi^Ieren Stnerfennung in ber 9]7inorit&t fte^e. 
3d^ ffird^te baS nic^t, id§ toünfc^e eiS. ®enn faum einen 
Stfinftter koügte ic^, beffen Xalent unb (S^arafter größere 
Sichtung t)erbiente, unb feinen, bem id^ bie fd^önften blei« 



10 (Eb. £|anslkf. 

6enbften Erfolge aufrtci^tiger tpünfcl^^ als unferem (Bolb« 
tnarf. 



iFeßoorlteiiung in (6oihmavkB 10. (Bebnrtstag. 

[18. 9Rai 1900.] 



^Ifo anä) fd^on @tebitg? S8te unabfe^bar lang bün!t 
uns in jüngeren Sauren biefe ©trede, unb bod^ toie un« 
^eimlid^ fd^neQ finben tpir eineS S^ageS unS bort angelangt! 
SDte erfte §alfte ber SBanbcrung öerltef für ®oIbmarf forgcn» 
unb mü^eboÜ. p,3ci^ ^^tte t)ie( SSeluntmerniS", fang er mit 
©ebaftian föaci). SBer aber burd^ einen S8alb ton ^inber« 
niffen ftd^ mutig burd^gefam))ft ju !ünftlerifd§er $ö^e unb 
unbeftrittener ©eltung, ben feiern kuir gtüdtoünfd^enb mit 
t)erbo))))e[ter iperjlid^!eit 2)ie lange trübe Qtxt ber (SnxU 
be^rungen ^at unfemen Subilar nic^t t)erbittert; ber enblid^ 
erlangte 9lu^m i^n U)eber geblenbet, nod^ er!ältet. Smmer 
feigen toix ifyx neibloS anerfennenb bei fremben Erfolgen. 
Suf fein äBo^ItooHen, feine ®ered^tig!eit fann man bauen. 
S)arum ^at feinerjeit Sra^mS fofort ©olbmarf öorgc:» 
f dalagen, als in unferem breiEö))figen Stomitee jur SSer»* 
teilung t)on ©taatsftipenbien an taIentt)oIIe iDIuftfer eines 
biefer S^renämter ju befe^en fam. 9htn l^alf ©olbmar! 
felber junge Som))oniften unterftügen, nad^bem er gioanj^ig 
Saläre t)or^er, in unferer aUererften @i|ung, mit bem 



^Die Kontdtn von Saba". H 

©toatöfttpenbium betetit tpotben toax, ali ber einjige ton 
fünfjel^n 93etpet6ern. ^anb in ^anb mit ber ^od^fd^ä^ung 
für ben ßünftler @oIbmarf ge^t bie allgemeine ©i^mpatl^ie 
für ben iDIenfci^en. SBie laut unb fefilid^ fam beibeS jum 
SluSbrud, ali bor je^n Sauren ©olbmarfS fec^jigfier ®e^ 
burtdtag jugleic^ mit ber l^unbertften Sluffü^ntng feiner 
irJtfinigin bon ©aba'' gefeiert tourbe! Unb üoUenbS ^eute! 
2)a mod^te ber Subilar tt)o^I an jenen Hbenb in Oben« 
bürg jurüdtben!en, koo er als ad^tjä^riger Jtnabe mit feiner 
fleinen ®eige baS erfte Sondert gab. 83on biefem erften 
Srfolg bis ju feinem ffoÄtm unb britten bauerte ed fd^on 
zttoai (dnger. @d jog ben jungen SD^ufüuiS nad^ SSien, 
tDO er unter S. Sanfa unb 3ofe))]^ fBbfyxi ftd^ jum tüd^« 
tigen SJioIinfpieler audbilbete. 3^^^ Sa^re l^inburd^ fag er 
bann als ©eiger im Ord^efter bed Seopolbftäbter X^eaterd. 
SJon biefer SRufif ift i^m glüdEKd^crtoeife nid^t» an ben 
gingern Heben geblieben, ate er feine erften eigenen Som* 
pofitionen nieberfc^rieb. Sr probujierte fie 1860 in einem 
gut befud^ten Stonjert, toorin feine ©d^ülerin (Carotine 
SBettell^eim gum erftenmal ate ^aniftin \)ox bie Offen t»« 
lid^feit trat, ^ai talentboQe junge SKäbc^en toar ®oIb^ 
marfö erfte Snterjjretin. ©ie ^at in ben fofgenben Salären 
bei ^eQmedberger ©olbmarfö ßlabiertrio unb beffen ©uite 
für St(at)ier unb SJioIine aud bem 3Jlanuf!ript gef))iett 
©0 feigen mir bie beiben aufblü^enben Talente t)om SCnfang 
an eng üerbunben. 2)er glfidlid^e @rfoIg t)on ®o(bmarfö 
erften ßammermuftfen befeftigte unb fteigerte fid^ bei ber 
SCufffi^rung ber nad^folgenben. 3d^ erinnere an feine 
Quartette in B- unb A-moll, an bie beiben SBioKnfuiten, 
bor allem an bad oft gefpielte filabierquintett 



12 €b. fjanslicf. 

S)en erften @d^ritt über bie ^ammemtufif ^tnauiS 
loagte ©olbmarf mit jetner Dubertüre ju i,@QfuntaIa*. 
^qS mit üerfengenb glül^enben färben gemalte (S^arofter« 
bilb f)at überall ftarf getpirft unb ®oIbmar!8 9^amen j^uerft 
toeit über Öfterreic^ ^in öerbreitet. 3^^ meinen Sieblingen 
gehört ^&, e^rlid^ geftanben, nic^t. Um fo reiner unb freunb« 
lieber tpirfte nac^ biefer orientalifd^en ©ommerfd^iDüfe ®otb^ 
marte „grü^IingiJ«'Duüertüre'' unb feine fünffdgige 
Sinfonie j^Sänbfidjc ^od^jeit". ^aä) biefen lieblid^en fSiU 
bem fe^rte ©olbmarl toieber ju bem ftürmifc^en 5ßat^o« 
feiner „©aluntala" jurüd in ben beiben Äonjert-Dut^er* 
türen ^^ßent^efilea" unb ^©app^o". 3n ber Reißen 
(Snergie il^rcä 8lu8brude3 finb fie d^arafteriftifd^e ©eifpiele 
öon ®oIbmarte SBorliebe für tragifc^e ©toffe unb leiben* 
fd^aftlid^eö unöerfö^ntcö SRingen. S)ie britte Äonjert^Duöer- 
türe, i^^ßromet^euÄ*, ergebt ftc^ anfc^nlid^ über bie beiben 
genannten burd^ felbfiänbigeren mufiEalifd^en ©e^att unb 
überfid^tlid^e gorm. Über biefen ©^)i^en ©olbmarffd^er 
3nftrumentalmufif bürfen toxi feine (Sl^ortoerfe nid^t 
ganj t)ergeffen: ben fd^Iid^ten flangfd^önen (S^or ^SBer 
fic^ bie ÜRufil erlieft", ben funftreid^er aufgebauten 
^113. 5ßfalm*, bie ^grü^IingS^^mne" mit t^rer lebhaften 
OueQenmalerei, bad ^SRegenlieb" unb mand^eS anbere be« 
tDfil&rte ©tud£. 

Snjtpifd^en feigen toir ©olbmar! unabläffig arbeiten 
an feiner großen Dper „3)ie Königin öon ©aba''. 
©ein SfatureQ brängte nac^ energifc^er Setl^&tigung auf 
ber Sül^ne, nad^ bramatifd^er SBirffamfeit. 3^^" Saläre 
lang toar ber peinlich getoiffen^afte Äom^jonift mit ber 
Partitur befd^äftigt. 3)amit glüdlid^ ju Snbe gelangt, ftanb 



jyDie Königin von Saha," 13 

er aber erft am Anfang faft unüberf erbatet ©d^tpterigfeiten 
unb §inbcrniffc. ,,3a, Dpcrn fomjjonicrcn ift leidet", pflegt 
ein 93etltner JtoHege ©olbmarfS ju fagen, „aber fie jur 
Sluffü^rung bringen, bai^ ift fd^toer." ©olbmarf lonnte' 
babon erjä^Ien. S)er bamalige ®eneroI'3ntenbant ®raf 
SSrbna mollte burd^aud feine ßuf^^^tn^^S ^^^t. erteilen 
jur Annahme ber ®oIbmarffd^en D^jcr. 3n feiner Se«» 
brängnid fd^rieb mir ©olbmar! im Januar 1873 einen 
langen Srief, ber l^ente, nac^ 27 Sauren, nid^t o^ne eigen:» 
tümlid^eS 3ntereffe ift 2)arin l^eigt ed unter anberem: 
„SDi^ir ift ba^ groge UnglüdE gefd^^n, eine Oper gu fom« 
ponicren. SBer nie fein ©rot mit X^ränen a^, toer nie 
eine Oper !omponierte, ber fennt eud^ nid^t, i^r l^immlifd^en 
3R&ä)M S)ie ganje Xiefe eineS fold^en UnglüdEd fann aber 
nur ber ermeffen, ber eine folc^e aufzuführen beabfid^tigt. 
Unb id^ bin in biefem traurigen ^Ue; barum rufe ic^ 5U 
Sinnen. @ie allein ffinnen mir Reifen, mel^r als alle bier«» 
jel^n SRot^elfer. ©c^on öfter ^atte id^ mid§ ber Setoeife 
S^rer perfönlid^ kuo^tooHenben ®efinnung ju erfreuen. 3d^ 
^abe Sinnen aQejeit ein lebhaftes ^anfgefü^t hierfür be« 
tpa^rt. Sud§ glaube ic^ mid§ biefer @mpfe§lung !ünftlerifd^ 
nid^t untpürbig gejeigt ju ^aben. Sei aller notkuenbigen 
93efd^eibenl^eit toerben @ie mir baS bigd^en ©elbftgefü^l 
nid^t fibelnel^men, toenn id^'S §ier audfprec^e: bag id^ ber 
einjige flfterreid^ifd^e Äomponift bin — ba man Sra^mg 
unb SSolfmann nid^t ju biefen jä^len {ann — beffen SSerfe 
auf allen beutfd^en unb augerbeutfc^en Konjertprogrammen 
}u finben finb. SUlein nic^t bie früheren SBetoeife Sl^rer 
freunblid^en ®efinnung blog ermutigen mid^, ^eute 3^r 
einflugreid^eS SBort anjurufen, fonbern aud^ bie SBflrbig« 



14 €b. ^ansHcf. 

feit meine« SEBerfcS. ÄaJjeCmeiftcr ©effoff ^at, toie td^ 
erfal^re, ein leBl^aft anerlennenbei^, ber Sluffü^rung burd^auS 
juftimmenbeij Urteil abgegeben. SBer ba« ftrenge 5ßflic^t* 
gefügt, bie Suc^tigfeit ©effoffS fennt, toirb ein folc^e« 
Urteil nid^t gering anfd^Iagen. ^ag an bem Se^te (i)bn)O^I 
er um t)ieled beffer als frül^er) nod^ mand^ed augjufelen 
fei, toei§ id§ tpo^r. Slber bu lieber ^immel! ©oetl^e unb 
©d^iHer ^aben leibcr nid^t me^r gelebt, afö id^ ,,mit bem 
©ti^)enbium im ®etoanbe" an bie Ferren SJid^ter um einen 
%tTct l^eranfam, unb toie id^ ©oet^e unb ©d^iHer fenne, 
l^dtten fie mir fc^loerlid^ einen gefc^rieben. SBa^rlid^, baS 
S^d^ jur „QanUv^bU*' ift aud§ fein Sbeal eine» fold^en, 
unb lebt bod^ fd^on faft ein @äfutum auf ber 93ü^ne. 
9^un ^öre id^ fd^on S^re läd^elnbe S(ntn)ort: Sd^ fei aud^ 
fein aRojart! Unb baS, toeig ber §immel, ift toa^r. ®afür 
märe id^ aud^ für mein SBerf mit ber §älfte ber Sebenä* 

bauer biefer ^^ß^^^^^ff'^^c* ^^^t f^^^ aufrieben. SllleS in 
aQem glaube id§ ein tüc^tiged, lebensfähige« SBerf ge« 
f (^rieben ju l&aben, für beffen ®rfoIg, für breiüiertel beS 
SBerfeS ti)enigftenS, id^ bei genügenber ^arfteUung einfte^en 
mßd^te, tpenn ©ie eine fo jtpeifel^afte Sürgfd^aft überl^au^t 
gelten laffen — unb baS öierte SSiertel »erben fie ol^ne^in 
ftreid^en. 3d^ i^abe ®runb ju glauben, bag unfere ^iref^ 
tion burd§ einige baterlänbifd^e 9RigerfoIge fingftlid^ unb 
migtrauifd^ n)urbe. (SS mag tpo^I mand^mal ein UnglüdE 
fein, ein jDfterreid^er ju l^eigen, aber eigen tlid^ bod^ nod^ 
feine ©d^anbe. S)er ©taat giebt 5ßenfionen, auftrage, @ti* 
penbien an Äünftler — unb toenn biefer nun fein SBort 
^filt, nad§ ia^relanger angeftrengter unb geloiffen^after 
Arbeite in tofirbigeS, ©rfolg öerfpret^enbeS SBerf öorlegte. 



„Vit Kdnigtn von Saha," 15 

finbet er nur t)crfd§Ioffenc 3;prcn! @8 fäHt mir nid^t 
ein, toenn mein SBerf fd^Ied^t ift, mid^ auf ben „SBater^^ 
länbifd^en" 5U berufen; aber toenn eS, »ie l^ter ber gaH, 
gut ift, follte mir baÄ billig fein ipinberni» fein. . . • @ie 
finb t)om Staate mit bem fd^önen S^renamte betraut, bie 
Äunft unb bie lünftlerifc^en Sntereffen ju förbem — 
toeld^eS jum Seile aud^ barin befte^t, ben Stünftlern in 
i^ren 9tdten beijufte^en. ^ appelliere an biefe 3^re 
fd^öne SÄiffion!'' 

SDer ÄppeQ an meinen fel^r jtoeifel^aften (5influ§ er* 
toki fid^ als unnötig; Ratten bod^ ^erbed unb S)eff off, 
in biefem ^^aQ bie eingig berufenen Stntpälte, ®o(bmar{8 
Oper nad^brüdQid^ empfol^Ien unb bei SBrbnad Slmtdnad^ 
fotger, bem gflrften ^o^nlo^e, ein geneigteiS O^r gefunben. 
gür bie bamaligen äBiener Opernjuftfinbe ift ®o(bmarfö 
Srief ebenfo d^arafteriftifd^ kuie für ©olbmarfö tüd^tige 
Stunftlematur, in loeld^er 93ef(^eibenl^eit unb @e(bftgefü^( 
l^armonifd^ jufammenftimmen. iRad^ langem ^arren unb 
unfäglid^en ilJ^u^en !am enblid^ bie .»Königin üon ©aba'' 
gur Suffül^rung, t)oIIe ffi>ti Saläre nad^ ®oIbmarfö Srief 
an mid§! S)er 10. ÜRärg 1875 bejeic^net ben eigentlid^en 
Geburtstag t^on ©olbmarfö 9tu^m, beffen mftc^tigfte ©&ule 
bis ^eute bie «^^önigin t)on ©aba" geblieben ift. ®eme 
gebenfen tpir ber glänjenben Stuffü^rung mit ber 9Ra« 
terna als Sfönigin, ber 3BiIt als ©ulamit^, SSalter 
als äff ab, S9ed als Jtönig ©alomo. i^reiti^, SioIbmarfS 
^^antafie ^atte i^m anfangs bie SBettel^eim als ibeale 
Königin t)on .@aba üorgegaufelt, tpar bod^ auS ber treffe 
Hd^en jungen ^aniftin eine nod^ t^orjüglid^ere ©angerin 
getDorben — unfere erfte ^©elica*'! gür fte toar öon Sin- 



16 £^. Qansitcf. 

fang an bad @uj[et ber Oper getoäp unb bte Hauptrolle 
gefd^ricben. SCber fo lange loie ©olbmarfd Partitur fonnte 
bo^ feine geträumte Äflnigtn nid^t lebig bleiben — ber 
graufame 3uliud t). ©omperj entführte fie al8 Jtammer« 
^fifibentin nad^ SBrfinn; ber Siomponift unb baiS jßof« 
opernt^eater Ratten bad trauernbe SZad^fe^en. @iner nac^« 
trfiglic^en ©d^Uberung ober ^ti! bebarf bie ^^ßönigin 
Don ©aba'' ebenfokoenig toie bte übrigen allgemein qz^ 
!annten unb Idngft getoürbigten ^aupttoerle ©olbmarfö. 
^ute jiemt ed ftd^, fte nur }u nennen, nic^t ju 3er« 
gliebem. ®ie ,, Königin t)on ^aia", toeld^e fd^on bor je^n 
Sauren bei i^rer l^unbertfien Sluffäl^rung l^ielt, l^at fid^ 
über alle großen Dpembü^nen biedfeitd unb jenfeitS bed 
äSeltmeereS Verbreitet unb rü^mlid^ft erhalten. 3d^ ben!e, 
ba^ genügt. 

3la6) ber „Königin bon ©aba'' §at und ©olbmarf 
nod^ mit bret Dpem befd^enft Sebe grunbt)erfd^ieben öon 
ber anberen. @d reijte i^n, ©toffe gu Verarbeiten, Stuf« 
gaben ju Idfen, an bie nod^ feine ^anb gerührt Suf bie 
leibenfd^aftltc^e ®Iut beS Oriente in ber ,,Stßnigin t)on 
©aba^ folgt bie mit bämonifd^en Elementen verfemte 
m^t^ifd^e SRittertoelt ^SWerlinäV S)tefe öertaufd^t bann 
®oIbmarf, »u allgemeiner Überrafc^ung, mit bem ftillen 
englifd^en 35orf, beffen fd^Iid^te Setoo^ner auf bad 
^.^eimd^en am iperb'' ^ord^en. Unb toad rei^t fid^ 
unmittelbar an biefe laufd^ige Sb^Qe, in n)eld^er }um 
erftenmal ®oIbmarfö ipumor unb §eiterfeit aufteud^tet? 
„^u StriegSgefangene*', ein tragifd^er Äuäfd^nitt au« 
ber Stiabe, mit ^ä)xUti, Slgamemnon unb anberen gelben 
beS trojanifd^en 5triegeS! SSon feinen Xe^tbid^tern UKir 



„Der Dämon* von Hubtnßetn. 17 

©olbmarf mitunter ungenägenb unterftügt. «äRetlin'' ^at 
bcä^alb nur teiltocifc bcn ©rfolg bcr „Rönigin öon ©aba"* 
erreicht; bte p^Shieg^gefongene" nic^t entfernt bie Popularität 
be8 „§cimd^cn8 am ^crb". 216er eine 3:ugcnb öcrgolbet fie 
alle: ber fd^öne @rnft, mit tocld^em ®oIbmarf bcm ®d^ten 
unb SBa^ren nad^ftrcbt unb, feiner fünftlcrifd^cn Über* 
jeugung unüerbrüd^Iic^ treu, jeben }n)eibeutig leidsten (Sr« 
folg öerfc^mfi^t. 3n jüngfter Q^xt ^jrobuftiöcr geworben 
afö in feinen früheren Sauren, pXant er jegt eine neue 
Dper, beren ^elb bem beutfd^en SBoRe am $er}en liegt: 
®fi§ öon Scrlid^ingen. SJon ber ^croifc^en toie Don 
ber gemätlid^en @eite biefeS @toffeS f^m^atl^ifd^ angezogen, 
crblidt Oolbmarf §ier ein reid^ei^ gelb für feine SKufil. 
ßr ^at, toie fein ®b^, eine eiferne $anb, einen toetter* 
garten Äopf unb ein toeid^e« ^erj. 2Rit biefen brei SScr* 
bfinbeten toirb er ju unferer greube nod^ lange ruftig 
fc^affen unb ficgen. 



(&ptt in br^ MUxtf nadj ^evmontom^ gieiitntamigetn (Bebtet, 

von ilnton Hubinftefn« 

[1899.] 



^n ^ämon in 9$erbannung f^toebte 
iBetrQbt i,viv f&nb'gen (Srbe ^in, 
Unb bcff'rer 8«it ®nnn'rung lebte 
3n gr&Qe auf k>or feinem @inn. 

So lauten bie erften SSerfe Don fiermontotoS poe« 
tifd^er @rjä^Iung, bem Urbift bcr SRubinfteinfd^en Dper. 
Unb ganj äl^nlic^ bie HnfangSkoorte, mit benen bei 9io6ert 

^anilid» 9iui neuer unb neucftet 3<tt. 2 




18 €b. ^anslirf. 

©^umonn „bie 5ßcri fd^mcrjbcfangcn" auftritt. STIfo l^icr 
tote bort eine märd^enl^aftc ^ß^antaftegcftalt als trcibenbcr 
SKittetpunft bcr §anblung; md£|t göttlid^ unb bod£| urt* 
fterblid^, nid^t Tncn[d£|üci^ unb boc^ crfüQt Don menfc^Iici^cn 
SBcgicrben unb Dualen. 5)tc ^cri unb ber Sänton, betbc 
finb fie ^um cincS ge^ftrittcS toittcn" au8 bem ^arabicS 
öerfto^cn; jene fanft, bulbcnb, bcm ®uten jugetocnbet; 
bicfcr trofeig, em^JÖrt, ein (Seift ber Sßertoüftung unb SSer- 
nid^tung. Solchem gabeltoefen öffnet fid^ leidster bie 
epifd^e aU bie bramatifd^e gorm, entf priest beffer bie 
Äantate al8 bie Dper. SJaruni ^at aud^ ©d^umann toeifer 
ge^anbelt atö Siubinftein. 

gür eine breiaftige Dper bietet SerniontotoS ®cbic^t 
nur fe^r bürftigen Stoff. SRubinftein l^at i^n burc§ ©in^* 
fü^rung Dolfötümlic^er S^änje unb Sieber aufgefc^mücft^ 
aud^ (mit toeniger ®Iücf) bramatifc^ ju ertocitern gefud^t. 
5)ie ©inleitungöfcene bringt f^mbolifd^ ben Äampf beS 
böfen mit bem guten ^rinji)) jur ^nfd^auung: ber ^dmon 
toe^rt fid^ ^ö^nenb gegen ben mal^nenben Sngel bed Sid^teS. 
?tuö ber ftürmifd^en ®efpenfternad^t gelangen toir plö^ 
lic^ in fonnige ßanbfd^aft unb Weiteres SKenfd^entreiben. 
S^amara, bie 3:od^ter beg faufafifd^en gfirften ®ubaf, 
fd£|reitet Don ber S9urg jum ging ^erab, too i^re SKägbe 
SBaffer fc^öpfen. S)er ©fimon, entjüdft öon i^rem SLnblicf, 
nähert ft^ i^r, allen übrigen unfic^tbar, unb be^auc^t i^r 
arglofeö ^erj mit berüdEenben ©d^meid^eltoortcn. SBieber 
toed^felt bie ©cene: SBalb, Slbenbbämmerung. gürft 
©inobaf, S^amaraS SBertobter, fommt mit feinem ®efotge 
angeritten; er raftet, um bei Sageöanbruc^ bie Steife ju 
feiner SBraut fortjufe^en. S)er S)ämon, ber i^m aufge* 



„Vtx Dämon" von Hubtnficin. 19 

lauert, lägt bie ffiaratoanc burd^ STatarcn überfallen, unb 
©inobal fällt im Sampfe. S)cr jtpcitc Slft beginnt mit 
ben ^odöseitSöorbcreitungen in ®ubate ©d^Iofe. @t^ 
fang unb Sanj finbcn aber ein jä^eS @nbe: unter ben 
bumpfen ffilängen eincä Srauermarfd^e^ bringt man bie 
Seid^e bed ermorbeten 93räutigamd. Slud^ burd^ biefen 
Sammer bringt bie fd^meid^etnbe Stimme beS ®ämonö 
immer berfül^rerifd^er an Samaras Dl^r. SSertoirrt, auf§ 
^eftigfte erfd^üttert, ffe^t fie ju i^rem SSatcr, fie in8 Slofter 
jie^en ju laffen. 3)ort in i^rer ßelle finbcn toir fie ate 
3ionne ju Stnfang beS britten SHtc§. SBieber nal^t i^r 
ber SJerfud^er unb gewinnt enblid^ SKad^t über fie. 2tl8 
Samara, feinen SBerlocfungen faum me^r toiberftel^enb, Don 
feinem Sufe berührt toirb, erfd^eint ber Sngel be8 Sid^teö. 
Samara fin!t entfeelt ju ©oben unb toirb bon (£ngeln 
jum ipimmel em^orgetragen. S)er S)dmon berfinft mit 
einem fjlud^e auf ben Sippen. 

3n ber incommenfurablen S^gur be8 ©ämonS fteDte 
fid^ bem Äontponiften bie größte ©d^toierigfeit entgegen. 
SBetd^e Slufgabe, il^n bramatifd^ unb mufifalifd^ übergeugenb 
JU mad^en! (£in Seufel, l^aßerfüllt, üerberbenbringenb unb 
babei untoiberfte^ßd^ bejaubernb; ein Unfterblid^er unb 
boc^ jum Sterben öerliebt! JRad^bem er i^jal^rtaufenbe^ 
lang" bie 2Renfd^en öerflud^t unb öernid^tet l^at, finft er 
plö^Iid^ einem jungen SWdbc^en fd^mad^tenb ju güfeen. ®r 
betoegt un8 nid^t ju f^mpat^ifd^em 2Ritgefü§t, toie bie 
fagen^aften ©eftalten §an8 §eiling ober ber ^oQänber; 
nein, er ift ba8 abfolut 95öfe. S)a8 toirb un8 nod^ red^t 
abfid^tSt)oII burd^ bie iDieber^oIte @rfd^einung bed il^n 
befämpfenben (Sngefö, be3 abfolut ®uten, eingeprägt. Sie 



20 €5. fjansitcf. 

SBibcrf^rüd^c, toeld^c bcr ^c(b unfcrcr Oper in [id^ öcr* 
einigt, [tnb nid^t ju löfcn. gür ein fo un6crcd^en6arcÄ, 
^tDiefpältiged i^abetoefen giebt ed feine ^f^ci^ologie, leinen 
moralijd^cn SBertmeffcr, feine logif d^e SKotiöierunfl. SJoHenbä 
anf bcr Sü^nc, too toir fe^cn tooBen, tocS toir glauben, 
unb nur glauben, toai tt)ir [e^en. ^er Sl^arafter beS 
„©amon" toiberftrebt ber feftcn gorm; fie jerbrödEelt, ob 
er nun feinen biabolifd^en Srofe un^ jufel^rt ober feine 
irbifd^e Siebedfel^nfud^t. ®o lägt un^ benn beibed im 
®runbc gtcid^güWg. SRit SRed^t fud^te SRubinftein« Scji- 
bid^ter in ber ®eftalt beS S)ämon bad ®ro§e, Sitanifd^e 
ju betonen, nad^ beut 9}organg Sermonton^S. tiefer l^at 
feinerfeitÄ toieber ben Sucifer in 95t)rong „Äain'' jum 
SJorbilb genommen. 85^ron fafet ben Sucifer (wortgetreu) 
atö fiid^tbringer, afö ben ftoljen, unbcugfamen ®eift ber 
Äritit, ja ben ®cift ber greil^eit auf. 3n biefen genialen 
^id^tungen eine im^ofante, unbegreiflid^e äJ^ad^t, fann ber 
„SJamon'' in ber D^er faum met)r tocrben al8 eine — 
banfbarc 95aritonpartie. Unb bai ift er bei SRubinftcin 
immerl^in getoorben; toenngleid^ er als Sieb^aber nic^t bic 
ergreifcnben Söne ^anS §eilingö finbet, nod^ atö S)dmon 
bie geE)eimnigt)oIlen bed ^^liegenben ^oQänber. 

S)er Srain, mit toeld^em SRubinfteiniJ „Sämon" in 
SBien angelangt ift, l^at eine arge SJerfpätung. SSierunb^ 
jtoanjig Sollte finb öerftoffen, feit SRubinftein balb nad^ 
ber erften ^Petersburger 2luf f ü^rung feine« ^SJämon" (1875) 
nac^ SBien fam unb feinen greunb 9Rofcntl^aI crfud^tc, 
bag ©tüdt für unfere ^ofoper ju bearbeiten. SKofentl^at 
lonnte fid^ mit bem ,,S)ämon" nimmermel^r befrcunben. 
9}ad^bem er baS S)ing t)on aQen ©eiten betrad^tet unb ge« 



„Der Dämon" von Hubinjicin. 21 

U)enbet ^atte, lel^nte er bte 3(rbett ab, fiberjeugt, bad @itjet 
bc8 ^3)ämon'' fei öor bcm SBtcncr 5ßubüfum unmöglid^. 
Unb bod^ ftanb SRubinftein bamafö in ber S3Iüte feinet 
SRul^meö unb feiner ffiraft. ©r genofe gerabe in SBien eine 
enttjufiaftif^c SJcrel^rung als SKenfd^ unb al8 — Älaöier* 
f^)ieler. 9lur feine D^)ern bermod^ten in SBien niematö 
bur(^jubringen. SlllerbingiJ toirfte bie perfönlid^e ®^m* 
pat^ic für SRubinftein fo ftarf, ba% jebe D^em^remi^re, 
bie er felbft birigierte^ eine glänjenbe Stufnoi^mc fanb. 
@obaIb er aber SBien ben SRüden gefe^rt l^atte, t^at bad 
^ublifum fofort baöfelbe gegen feine D^ern. ©otool^I bie 
„Äinber ber ipaibe", toie „geramorä" — meines ©rad^tenä 
feine re(atit) erfinbungSreid^ften — toanberten naä) toenigen 
Äuffül^rungen inS ärd^iö. ^SRir ift bie D^er eine unter* 
georbnete ®attung in unferer ffiunft," fd^reibt SRubinftein 
in feinem befannten 93üd^Iein. Xrogbem br&ngte ed il^n 
immer toieber baju. 35aS Sl^eater toar fo red^t fein ber«« 
lodtenber S)ämon. (SS folgten auf „geramorS"' „S)ie 
aWaßabäer"^ enbtid^ »Jiero", jmei nieberbrüdEenb mono« 
tone, bramatifd^ toie mufifalifdö flügeHal^me S33er!e. S)en 
„Jiero" ^ieft Sftubinftein felbft für feine befte Dper. ©ic 
ift eS nic^t unb fonnte eS nid^t fein, koeit il^r jene einjige 
Äraft fel^It, bie feine frül^eren Dpzvn teiltoeife gerettet ^atte: 
baS rufftfd^*orientaIifd^e Clement. S)en SRömem lonnte 
SRubinftein bod^ unmdglid^ moSfotoitifc^e 9}oIfSmeIobien 
jumuten. 

S)cn (fSdmon* fd^äfee id^ unbebingt ^ö^er, als bie 
i^SKaffabäer" unb ben „SRero''. SS ftedft barin me^r mufi* 
f alif(^e Srfinbung, me^r garbe unb 9iatürlid^!eit, als in jenen 
beiben toeit größer unb anf^rud^St)oQer angelegten Dpttn. 



22 €b. fjanslicf. 

SBa§ bem „Sämon*' bicicn Sßorjug fd^afft, ift c6en ber 
nationale rufft[c^c 9Rufifgcift S)ic am Saufaju« f^iclcnbc 
ipanblung bietet in ben ätoct crften 9ßtcn fold^en 3KcIo* 
bien ungei^oungenen Eingang. SJorl^er muffen koir unS 
f reiltd^ burd^ ba§ lange Sßorfpiel burd^arbeiten, in tocld^cm 
unfid^tbarc gute unb böfe ©cifter, ß^flrc ber ©etoaffer, ber 
Söäume unb SBinbe i^r rebfclig SBefen treiben, um cnblid^ 
bem 3)ämon unb bem @ngel baS 3Bort jur S)i^^utation 
abjutreten. gür bergletd^en ©cenen l^at SRubinftein bereite 
in feinem ^SSerlorenen ^ßarabie^*" fid^ einen bequemen 
gciftüd^*tt)eItKd^en Son jured^t gemad^t, ber in feiner ftili* 
fierten garblofigfeit iebenfaßS bem Oratorium beffer tnU 
fprid^t ate ber Dper. §ier crtoarten toir ftäricre, inbi* 
öibuelTere ß^arafteriftif. Sluf ber 85ü^ne lo^nt eiJ ftd^ 
fd^Icd^t, einen (Sngel fingen ju taffen ober einen Seufcl; 
beibe bleiben font^entioneU ober toerben läd^erlid^. 9?ad^ 
biefcm näd^tlid^en ©eifteröorfpiel beginnt mit ber auf* 
gel^enben ©onne aud^ bie 972uftf ju leud^ten unb ju 
toärmen. SBie pbfd^ ift gteid^ ber einleitenbe (SX)OX ber 
9J25bd^en beim äBafferfd^öpfen, bann bad Sieb Samara^, 
enblid^ bie 93allabe ber Slmme mit bem tafttoeife koieber« 
le^renben SRefrain im Drc^eftcr! ®egen biefe liebcnätoürbigc 
©eite be^ SSoIfStümlid^en fontraftiert effeftooQ bie fd^tocr*« 
fällig meland^oüfc^e ber folgenben ©cene: ®§or ber im 
SBalb lagernben J!araioane. Snnig, fel^nfud^tlSt)oIl, babei 
burd^ eine püante SR^^tl^mi! getoürjt, Hingt bie As-dur- 
©antilene be8 gürften. GS folgt ber SKännerd^or in Es- 
moll „ginftere Siad^t*", ben toieber bie füj^c aWcIobic beS 
gürften: „SBinbe gel^orc^et mir!" fd^meid^clnb ablöft. SJiefc 
ganje nSd^tlid^e SBalbfcene erfüllt ein einl^eitlid^eS, burd^« 



„Per PSmon" von Xubtnjietn. 23 

Qud fttntmungdDoIlei^ Stib, koeld^em koir einige fi&ngen 
gern nad^fe^en. 3)en jtocitcn 2Ht eröffnet eine reijenbe 
SBallettmufif bon nationatrufftfd^em Gl^arafter. JRacft biefem 
^fil^epuntt ber Partitur ge^t ed aber jufel^enbd abto&rtd. 
S)ie ß^ormaffen fd^tocHen an, aber bte (£rfinbung ift aug*» 
getrodnet. ©rmübenb fd^Ieppt fid^ bag breite (£nfemble 
in H-moU {„D bu ©eliebter") öortoärt^, in banalen 
5ß^rafen bag ®eftänbni8 be8 ®ämon. SBie längft be* 
fannt Hingt Samara^ ®efang „D ®ott, toie leibet meine 
©eele*, nnb enbltd^ ber 6^or „^nff im Älofter!" Sa ^at 
ben Äom|)oniften, toie fo oft in feinen größeren Sontoerfen, 
plöfelic^ bie 3nf^iration t)erlaffen; er be^itft fic^ mit ^er* 
gebrad^tem, „Ältbetofi^rtem" unb fd^eint eS laum ju merfen. 
SBol^Iflang ^err)d^t aQerbing^ in biefen Sl^ören unb %x^ 
nateg — ein leerer SBo^Iflang, ben fein inbibibueßer ®eift 
erfüllt. SJer Sit fd^Iiefet im Original mit einem ^^ox^ 
finale: nad^bem Samara ben SBeg jum ffilofter angetreten, 
ergebt fi(^ ber alte gürft mit feinen fam|)fluftigen JBafaQen, 
um blutige Sflac^e an bem 3)?örber ©inobatö ju nel^men. 
SBer biefer SKörber getoefen unb too er ju ftnben fei, ba* 
üon f)at er freiließ feine Sl^nung. Offenbar empfanb ^ier 
Slubinftein ba^ 8ebürfni8, bie ftodEenbe ^anblung ju be- 
leben unb ben Sft mit einem leibenfd^aftlid^en ©l^or gu 
fd^Iiefeen. SSon SJireftor SKa^Ier ift biefe @c^Iu§fcene 
gfinjUd^ geftrid^en. 9J2it SRed^t; ber nid^tdfagenbe Särm 
jerftört bie poetifd^e SBirfung bon Siamaraä Slbf^ieb, 
anftatt fie ju fteigem. Sludö für ja^Ireid^e Heinere 
©trid^e, mit weld^en SRa^Ier läftige SBieberl^oIungen be^ 
rebfeligen Äom|)oniften befeitigt fjat, finb toir il^m auf* 
rid^tig banfbar. 23ir tt^ünfc^ten il^rer nod^ biel me^r. 



24 ^^- Qansitcf. 

Am mciftcn im britten Slft, bcffcn mufifalifc^cn SBoKcn* 
fd^Icier ein cinjigcS l^olbcä ©tcrnlein crlcud^tct: Samaras 
fc^lic^tc« Sieb in E-moU ^Sl^ toie fc^toül ift bie dlad)t\ 
^oxaui gel^t eine neuerlid^e S)id^utation jtDifd^en bem 
ma^nenben @ngel unb bem ftörrigen 2)ämon, bie und unb 
ben 6eiben ©eiftern nid^tS 9?eued bringt. 3m übrigen ift 
ber ganje britte Slft ein ermübenb langtoierigeS 3)uett 
}n)ifcl^en bem bebr&ngenben ^ämon unb ber immer juräcf«« 
toeicfienben Samara. @in ^)einlici^c§ $in«» unb ^erjcrren, 
beffen SBirfung nic^t burd^ ben mufifalifd^en ©ebanfen, 
[onbern lebiglid^ burd^ bie materielle 3Buci^t beS Ord^efterS 
unb bie unbarml^erjige Slnftrengung ber ©ingftimmen er* 
reid^t toirb. 

S)er ©rfotg ber Dper ergab fid^ immerl^in günftiger, 
ate id^ bei ber grembartigfeit beS ©toffeS unb ber Un*« 
gleid^l^eit ber ffiom^ofition ertoartet l^atte. Stm fd^önften 
toirften (toie bei allen SRubinftcinfd^en Dpmx) bie natio* 
naien SRufifftüdte; jämtüd^e ©cenen, in toeld^cn baS mu[i* 
falifd^e Sntereffe mit bem et^nogra^^ifd^en berbunben ober 
rid^ttger, bar an gebunben erjc^eint. ^eine ^rage, bag 
toir bie reijenbften ©tüdEe feiner Dpem toeniger ber in* 
bit)ibuellen Srfinbung SRubinfteiniS t)erbanfen, als ber 
mufifalifd^en Urlraft feines SSoIfSftammeS. SJafe aud^ 
ber britte Stft fteQentoeife nid^t ol^ne ftarfen ©nbrudt 
blieb, ift jur guten §älfte baS SSerbienft bon ^räulein 
ö. aWilbenburg (Samara) unb §errn SReid^mann. 3n 
ber SamararoDe l^errfd^t ein mufifalifd^er ß^iefpalt: an^ 
fangS eine jierlid^e Äoloratur^)artie, toäd^ft fte in ben 
folgenben Slften jur entfd^ieben ^od^bramatifd^en, tragifd^en 
$elbin. ?5^&ulein t). SD?iIbenburg erfüllte in überrafd^enber 



„Der 2lpot!iefer*' von Bfaybn, 25 

SBeifc Beibc, fo feiten Vereinte Sfnforberungcn. ©ie brad^te 
SrUIerfetten, ^od^Itegenbe ^affagen itnb eine t)om l^o^en 
B burd^ anbert^alb DftoDen rafd^ ^erabgleitenbe d^ro« 
mattfd^e ©fala im crften Äft mit einer fidleren Seid^tig!eit, 
bie unferer SBrünn^ilbe unb Sfolbe niemanb jugetraut 
^fitte. 9toc^ toeit bebeutenber, ja ^inreijjenb entfaltete fid^ 
i^r Salent im jtoeiten unb britten Ält S)a toirlten 
Stimme unb 5ßerfflnlid^feit ber ©ängerin, ftarleS Smpfin» 
ben unb burd^gebilbete bramatifd^e SEunft ju ergreifenber 
SBirfung jufommen. ^err iReic^mann E)Qt feinem be« 
rfil^mten ®eiftertrio: ^oQ&nber, f8amp\)x unb $and 
^eiling, afö t)ierte ebenbürtige ©eftalt, ben S)amon, an« 
gereift. fUtbztt ^mara unb bem S)ämon treten aQe 
übrigen Stollen ftarf jurücf. 



unb ICottsing^ f,(^pttnvtttbt\ 

[1899.] 




fmDpeml^aufe finb jefet jtoei intcreffante muftfalif(^e 
Paritäten au8geftellt: ^S)er Stpot^efer* öon Sofe|)^ 
^a^bn unb „3)ie Dpern^^robc'' t)on Sor^ing. Über 
beiben fd^koebt unfid^tbar bie ©eftalt a)?0}art8. STn il^n 
mujste man unmiQfürlid^ benfen bei ipa^bn unb bei 
Sor^ing: ®rfterer beutet auf SWojart t)orau8, Sorfeing auf 
9Rojart jurüd. ©enfation ju ma^en, und aufzuregen 



26 <£^. Bianslxd. 

ober l^inäureifeen, bafür ftnb bic Beiben anfprud^ätofen ®in* 

after ntci^t gefc^affen, aber als eine freunblic^e (Srl^olung 

nad^ ben ®en)Qlttl^aten beS 9KbeIungenIiebed unb ber Sliabe 

erfd^einen fte eben jegt ju red^ter ©tunbe. ^apa ^a^bn 

mad^te ben Stnfang. Sefanntlid^ f^at bic gürftin SRctter- 

nic^ bor öicr Salären eine einjige Sluffü^rung beö „Sipo*» 

t^eferä" atö aBo^It^ätigfeitg^SBorftellung im ©arl^S^eater 

t)eranla§t mit ben erftcn Äräften ber ©reSbener ipofoper. 

SBeber früher nod^ fpäter ^atte SBien biefeS allerliebfte 

Sftofofo^'Singfpiel ju ^ören befommen. Sugenbfrifd^ fort* 

lebenb in feinen Oratorien, @4mp^onien, Quartetten, ge« 

^ört ^a^bn bod^ ald Dpemfom))onift ju ben SBerfd^oQenen. 

3u ben unrettbar SSerfd^oQenen burfte man fagen^ beöor 

fein „Slpottjefer" atö uberrafd^enbe Sluäna^me uniS eine^ 

Sefferen belel^rte. SJiefer feiert nun eine jtoeite Sluf* 

erftel^ung in ber praltifd^en Bearbeitung Dr. ^irfd^felbS. 

©ireftor SRal^Ier lägt öor bcm ^Stpot^efer'', in (Srmange«' 

lung einer Out)ertüre, eine ^a^bnfd^e ©Qmpl^onie fpielen, 

tt)eld^e bzn ^örer gleid^ in bie entfpred^enbe mufifalif^e 

?ltmofp^äre öerfefet. ©troaä umftänblid^ bor einem ein* 

aftigen ©ingfpiel, tourbe bie @^mp^onie bod^ mit auger^^ 

orbentlid^em ©eifaU aufgenommen. 3n fo öoHenbet feiner 

S(udfü^rung befommt man ja ^a^bnfd^e ©^mpl^onien nie 

unb nirgenbd jn ^dren, n)enn überhaupt. Unter frd^Iid^em 

Slpplaud ge^t ber SSor^ang auf. ^a flogen toir gleid^ auf 

eine }n)eite glüdRid^e Steuerung. 3^^ erftenmal erblicfen 

toir im Drd^efter ein 5ßianino, auf toelc^em ©ireftor 9Ra^Icr 

bie einfädln SRedtatioe begleitet. @o toar eiS el^ematö 

©itte, unb eine Vernünftige ©itte. S)er ÄapeÜmeifter 

fann am Stiabier fid^ bem freien, l^alb gefprod^enen 9ieci« 



„Der 2IpotIjefer" von ^aybn. 27 

tatiö leidster anfd^mtegcn; bcr (Sintritt bc8 Drc^cftcrö totrft 
barauf um fo fräftigcr. Sic ^anblung bc8 ©tüdteS tft 
fd^ncH erjäl^It. S)cr ?^)0t^clcr ©cm^ronb tft ein 6or^ 
nicrtcr Älter, bcr nad^ ©ctoo^nl^eit aller fiuftf^telöormdnner 
ftd^ um feine fd^öne Siid^te ®rtletta bewirbt. Sn biefem 
Unternel^men tuirb er t)on iloei jungen Seuten gel^inbert, 
bie beibe in ©riletta öerliebt finb. ®cr eine, ein rcid^er 
©tu^er Siamend SSoIpino, ber anbere, SKengone, ein fd^üd^* 
terner Süngling, ber ©riletta juliebe oli 2e§rling bei bem 
SCpot^efer eingetreten ift S)iefe bciben SRebenbul^ter^ fo* 
tool^I ber begänftigte SD^engone atö ber t)erfd^m5§te Solpino, 
benügen bie fieid^tglaubigfeit bed ^affionierten 3^ttung8* 
lefer^ @empronio ju aüerl^anb eigennu^igen ^offen. 3^^ 
erft erfd^einen fie atö Siotarc, um ©em^^roniog ^eiratä« 
lontraft aufjufe^en, bann fpielt SSoIpino einen türKfd^en 
5ßafd^a, toeld^er bem Sitten eine ^Berufung afö §of*?lpo* 
tl^efer nad^ ^onftantinopet überbringt, ©d^lieglid^ fü^rt 
ber glüdElic^e SO^engone bie 93raut ^eim. 2)iefc ^anblung, 
bie fid^ im Slpotl^eferlaben abfpielt, entkoaffnet und burd^ 
bie Slnfprud^Stoftgfeit il^rer poffenl^aften Äomit S)ie 
9J2uftf ergoßt burd^ naioe Slnmut unb SroUigfeit; man 
geniegt fie überbieS atö einen ^iftorifd^en SedEerbiffen. 
®lüc!lic^ erfunben unb t)on foliber äJ^eifterl^anb auiS« 
geführt finb inSbefonbere bie (Snfemble*9lummem: bad 
Quartett mit ben beiben falfd^en 9?otaren unb bie bur^ 
einen Keinen ÜKfinnerd^or öerftfirfte Sürlenfcene. SSon ben 
Strien toirfen am frifd^eften bie erfte bei^ SKengone unb 

jene ©empronioS. Um bie ^ier geftrid^ene tangkoierige 

• 

Gr-moll-Slrie be8 mit bem Segen ^erumfud^telnben 83ot* 
pino \)ahm toir nid^t ju trauern; e^er koären nod^ eine 



28 €b. ^ansltcf* 

ober bic anbcrc Äürjung, namentlich ber fentimentalcn ®e* 
fange, ju befürtüortcn. Sin ber Sluffü^rung toürbe ^o^bn 
feine greube gel^abt l^aben, fo bringenb er in feiner 95c* 
fd^eiben^eit ftc^ bogegen aud^ geloel^rt ^at, bag feine für 
bag fürftlid^c §an^tl^eatcr in ©ftcrl^aj bered^neten ©tng* 
f^iele auf gro^e SBül^nen berpffanjt toürben. 3)cn alten 
Slpotl^cfer giebt §err §efd^ t)oII braftifd^er Äontif, gleich 
trcfflid^ in ©piel unb ®efang. 3)er bä^mifd^*beutfd^e Sln^ 
Itang feiner Sluöfprad^e, ber in crnften SRoDen mitunter 
auffaßt, ftört nid^t in ber ?ßoffe. ©nen glänjenben 
®d)mnd befi|t bie SJorfteUung in gräulein SK ideale! 
(®riletta) unb §errn ©^röbter (SRengonc). ®em 
toürbigen wir baS SSerbicnft 3)ireftor 3Raf)Ux^ um biefe 
anfd^cinenb fo leidste Heine Oper, bcren ©til bem l&eutigen 
Sünftlerperfonal ja ganj fremb gctoorben ift. 

Sor|ingg einaftige fomifd^e Dper „S)ic Opern* 
probe* lel^nt fid^ an ein langft t)ergeffeneö Suftfpiel bon 
Sfinger ,,S)ic ffiomöbic au8 bem ©tegreif. ©c^on ba^ 
Sibretto tocift auf ben 3"fö"^"^c^^^"9 ^^^ ^^^^^ ^^^* 
gangenen 3^^** f^^^ ^aupteffeft berul^t, toie im „?lpo* 
tiefer", auf bem ©paß mit SSerfleibungen. ®in flotter 
junger 93aron Slbolf SReint^at l^at ftd^ l^eimlid^ au8 bem 
$aufe feinet OnfelS entfernt, um einer t)on biefem ge* 
planten Äonöenienj*$eirat ju entgelten. SJon feinem 
Wiener Sodann begleitet, fommt er in bie 5Rä^e eines 
gräftid^en ©d^Ioffed, beffen Sefi^er ein 9Ruftf* unb 
Sl^catemarr ift ®aS gan^e §auS 6i8 jum ffiüd^enjungen 
^erab mufijiert. 95aron Slbolf unb fein 35icner Sol^ann 
^aben atö reifenbe ©änger ft(^ ©inlafe in8 ©d^Iofe zv^ 
toirft unb follen in ber beöorfte^enbcn Opernprobe mit* 



^Die 0pemprobc* von tor^mg. 29 

toirfcn. fiaum l^at bicfc bcflonnen, atö plößUd^ bcr alte 
Sarott''Dn!cI anfommt. SCboIf ftürjt i^nt ju güfeen, um 
9}erge6iing bittenb, unb erfährt, bag bie t§m jugebad^te 
Staut feine anbete ift, afö bie junge pbfc^e ffiomteffe, 
bie fcetcitö fein ipetj etobett f)at ©o enbet bie untct- 
btod^ene D^etn^tobe mit einem 9}etlobungdfcl^maug unb 
aUgcmeinet ßi^friebcnl^eit. Slud^ be« 5ßublifumg, Iflnnen 
toit beifügen. ®ie einfädle §anblung ift gefd^idEt gefü^tt 
unb mit mand^em guten @d^etj auSgeftattet. Sinige 
^tjungen in bem aQju gefd^loä^igen Dialog butften 
öieQeid^t nid^t fd^aben. Sie STOufi! ift ed^tet, unöetfälfd^tet 
Sot^ing, toenn fie gleid^ ^intet bem „SBaffenfd^mieb* unb 
„SBilbfd^ü^" jutücEfte^t, t)om „(S^^ai unb 3^"^»^^^^^^^" 
gat nid^t ju teben. 2tn bie »Opetn^tobe" einen tfidEfid^tö- 
Io8 l^o^en SKafeftab ju legen, betmeiben toit um fo liebet, 
als bie fomifd^e Dpet in SJeutfd^lanb Mäglid^ öettoaift ift, 
ba^et jcbem il^tet toenigen toadEeten 5ßfleget ein fd^onenbeS 
^ßtiüilegium gebül^tt, d^nlid^ bem Beneficium competentiae 
be^ ©d^ulbnetg im tömifd^en Siedet. 35ie ©dtjtoäd^en bet 
fiot^ingfd^en Dpet möchte id^ nid^t befd&finigen, nod^ 
toeniget untetfd^ä^e id^ il^te Sotjüge. 9Bit tooBen unb 
f önncn l^eute Sot^ing nid^t entbe^ten ; fein gto^et SKeiftet, 
ift et bod^ bet lefete naiöe Dpetnfompontft bet ©cutfc^en. 
S33ie etquidtenb ftifd^ Hingt nid^t glei(^ baS etfte ®uett 
?tboIf8 mit bem Sebienten, toie jatt bie 2enot * Slomanje 
„Ob id^ bid^ liebe?'' 3d^ ettod^ne no^ ba8 Suffo-S)uett 
jtpifd^en Sol^ann unb bem ^ammetmäbd^en, enblid^ bad 
©ejtett unb ba8 ginale — jtoei toirffam auSgefü^tte 
@nfemble8, beten ^auptt^emen und fd^on in bet Duüet« 
tüte öettaten finb. ©o tocife unS Sotfeing im ganjen 



30 €^- fjansitcf. 

jiDar nid^t ütd SRcueS ju fagcn, aber ba^ Sitte fagt er 
mit gctoinnenbcr §citcrfcit, in fficfeenber SRebc. SJtc 
„D^em^robc" tft Sorfeingä legte« SBerf; et fd^rieb c« für 
ba« griebrtd^ * SBitl^elmftäbtif d^e Sl^cater in Serlitt, an 
toeld^em er julegt, bon ©orgen fd^n)er bebrüdEt, atö Sa^eD* 
mciftcr getoirft f)at ©tnigc SRonate nad^ feinem Sobe 
(1851) gelangte bie „Dpernprobe" jur Sluffü^rung, um 
balb bom SRe^ertoire toiebcr ju t)crfd^n)inben. (£rft in 
neueftcr ßeit ift baS Kebenätoürbigc Heine SBerl gebrudtt 
unb an mehreren Süt)nen mit ©rfolg gegeben toorben. ®§ 
jiemt unb berlol^nt fic^, ba« SInbenlen SorgingS aud^ bei 
un« ttieber ju ertoedEen. 



r^SIoIantge/^ 

£i|rifit)e (JDper ht jelnietn ^uf|uge Don )fl. fRfäjalkoxoikri [1900], 
ncbft einem ?ln^ang über Xtcf)QtfomS!9§ „©rinncrungcn". 




>erüdEt üon bem ^oetifd^en ßauber ber ÄönigStod^ter 
3oIant^e, geblenbet üon einer SBIinben, t)at Xfd^aifotoöft) 
§enri! ^ergS ®rama jur Dper umgefd^affen. ®r ift ber 
erfte nid^t. SBor 50 Sauren ift im alten Äärntncrtl^or* 
3;i^eater eine D^er „3oIant^e" bon So^anneS §ager auf* 
geführt unb trog mand^er glüdEtid^er ©cenen rafd^ toiebcr 
befcitigt toorben. S)a8 toar, afö ganj S)eutfd^Ianb üon 
bem rü^renben Sb^U be8 bänifd^en ©id^terä fc^toärmte. 
Siur ju Ici^t mod^te ein junger geffi^lüoBer Som^)onift 



„3oIantlie* von (Efd^ifoiPsFv. 31 

« 

in bcr bttnbcn 3oIant^c ein 0^)em»3bcat erblidEcn. @8 
Ratten fogar namhafte ^tifer in i^rer ^Beurteilung ober 
aSerurteilung be8 ^er^fd^en S)rama^ auf ba^ Dpcmgebiet 
^ingeimefen, inbem Solont^e fein bramatifc^er S^arafter 
fei, fonbern eine mufilalifd)c ©eelc. ©oute — fo l^icfe cd 
— bie fo rü^renbc ©cfd^ici^tc nid^t burc^ 9Rufif unenblid^ 
getüinnen? 3a, br&ngt fie nic^t gerabeju nad^ muftfalifc^er 
SJerftärfung unb SScrflärung? SKan übcrfat) nur cined: 
bafe bic füfee l^immelblaue 9Ronotonic, bic auf bcm ©d^au* 
fpicl laftct, gcrabc für bic D^cr öerJ^ängniSöoH toerbcn 
mugte. flloä) pcinlid^cr em^finbcn tuir l^tcr ben SJiangcI 
an fräftigcn ©egenfä^cn, an öortodrtöbrängcnbcr §anblung. 
S5ic SKufif brandet jur (Sntfaltung cincö S)iaIog8 ober 
SKonoIogS bop^clt fo öicl ßcit, ate bic gcfpro^cnc 9flebc; 
übcrbicd toirb bcr ^omponift gar nid^t lodfommcn aud 
bem langfamen ßcitmafe unb bcr glcid^m&feigcn 9fll^^t^mif. 
SBad an bcm S)rama bcd bänifd^cn $octcn und ^umcift 
fcffclt, finb bic finnigen SRcbcn unb ©rörtcrungen über 
bad Sid^t, bad ©c^cn — geiftreid^c, ^octifd^c ®cbanfcn, 
tocl^e bicfed S^ema fott)ol^t nac^ bcr ®cfül^(dfcitc, toie 
nad^ bcr pf^^ologifd^cn unb patEjoIogifc^cn beleuchten. 
S)aöon fann bad SBcnigfte in 9Rufif rein aufgellen unb 
n)irb baS ST^cifte im ®cfangdt)ortrag unbcutlid^ t)^x^ 
fd^n)immcn. 

3)a l^ättcn toir oorläufig unb öorcilig fd^on @nt* 
fd^ulbigungdgrünbe öorgebrad^t, toarum bic Dpcr ,,3o- 
lantl^e'' feinen großen ©rfolg crjicicn fann. Äcincn @r^ 
folg toie Sfd^aifotodf^g ,f®ugcn Dnegin". gür btefcn l^cgc 
id) eine befonberc Sßorlicbe; tro§ bcr fe^r unglcid^en ®r^ 
finbung unb bcm unglücflic^cn legten Slft, bcr bad 3Berf 



32 €b. ^anslid. 

niäft abfd^Itcgt, jonbcm abbricht. 3n ,,Oncgin* erfd^ctnt 
un» bcr ftom|)onift afö eine geprägte Snbiüibualttfit, eine 
gciftöoHe, liebenötoürbige SRatur, bereu toefteuropäifc^e Sil* 
bung bie ruffifd^c Siationalttät tro^bem nid^t Verleugnet. 
3)ieje reijöoBen nationalen ?[n!(änge, toeld^c ber SKufif ju 
^Dnegin" it)re d^arafteriftifd^c garbe geben, muffen toir in 
bcr proöcngalifd^en „Solant^e** entbehren, unb toir ent* 
beeren fie fd^toer. ®ern l^dttcn toir ber neuen Dptx einen 
ä^nlid^en tiefen @inbrudt oerbanft unb nad^gerü^mt, tuie 
jener &(teren. ^ber bad toiQ und trog mand^er fd^önen 
©injcl^eit in ^Solantl^e" nid^t gelingen. ®g ift bem Storni 
poniften biedmat nid^t t)iel neueS eingefallen; too^l und, 
ba§ er biefem 9Rangcl nid^t burd^ SRo^eit unb Sijarrcrie 
abjul^clfcn fud^t, toie f o biete feiner Sanbdleutc. 3n Xfd^ai* 
fotodf^d „Solantl^e'' ^errfd^en übertt)iegenb 9?atürltc^feit 
unb jarte (Sntpfinbung, bie mand^mal jum ©etoö^n^ 
lid^en ^erabftnlt, mand^mat aber fic^ ju fc^öner Anmut 
ergebt. 

5Kan l^öre glcid^ bie einleitenben ibljllifc^en ©cenen 
im ©arten. (Sin ®efpräc^ Solant^ed mit i^rer Slmmc, 
jtoifc^en Siecitatit) unb (Santilene fd^n)anfenb, tt)irb Don 
einer ungemein einfad^en lieblid^en G-dur-9Relobie ber 
JBioIinen unb Warfen getragen. SJaran fc^liefet fid^ ein 
jartcd 3lriofo ber Solantl^e: ,,SBarum lannte in früheren 
Sagen toeber S^ränen noc^ ffiummer mein ©inn?" unb 
ein Weiterer SKäbd^end^or „©ringen bir SBIumen". 3)ie 
naiDe, l^erjlid^e SRelobie mit ben jubelnben 93ogelftimmen 
im Drd^efter toirft in il^rer SRein^cit ebcnfo föftlid^ toic 
baS barauf folgenbe ©d^lummcrlieb in Es-dur. ®d toirb 
obn)ed^felnb erft üon guiei ©oloftimmen gelungen, benen 



,,3oIantt{e'' von Cfc^atfoiDsfv. 33 

)id) bann bic tiefere britte unb ein leife ber^aDenbet 
SKäbd^end^ot anfügt 3n biefen einleitenben ib^Uifd^en 
©cenen jeigt fid^ %^ä)aitotoSt\)^ I^rifd^ed S^alent in t)oIIer 
fanfter Seud^tfraft Slled etiuad breit auSgefponnen, 
aber ftimmungSöoU, in mufilalifd^ fd^ön gcrunbeter 
ijorm. SRun jinb toir aber beinahe fertig mit ben ©cenen, 
bie nnr nneingefc^r&nlt, fo red^t t)on ^erjen loben lönnen. 

Sagb^drner t)erlünben bad Stallen bed Könige, ber in 
Segleitung be« maurifd^en Ärjte« @bn««3a^ia auftritt. Sie 
%rie, in tuel^er ber ^nig baS UnglüdE feiner Sod^ter be« 
flogt, ift banibar für ben ©Snger, aber ftarl an italienifd&e 
SKufter anflingenb, öon geringer Driginalität. ©I^arafte* 
riftifd^er erfd^eint unmittelbar barauf bie Arie be8 Srjte^ 
in i^rer tüunberlid^en ST^onotonie. 3)a8 ettoaS fteife $at^o8 
ber beiben JSaffiftett toirb crfreulid^ abgelöft burd^ bie 
fü^n einbringenben jungen f^reunbe Xriftan unb 9flobert, 
bereu gntjüdEen beim SlnblidE bed ^errlid^en ©artend in 
reijenben Drd^efter*(Sffeften auällingt Stttter 9flobert preift 
in einer rec^t banalen Slrie bie ©d^5nl^eit einer gett^iffen 
9)?at^ilbe, bie toir leiber nic^t ju fe^en befommen: ,,9Ber 
fann mit 3){at^ilben [id^ meffen an SD^ad^t, mit il^red fd^toarj« 
blidEenben 9[ugen))aard ^rad^t?" $on ber fd^redEHd^en 
„Umbid^tung" bed Originals burc^ $erm ^and ©d^mibt 
geben U)ir aufS ®eraten)O^I nod^ jtoei tueitere ^oben. 
3o(ant^e fingt: „D, um ju retten i^n, koill gerne id^ er« 
tragen aQeS, benn mir toert ift er.* SBorauf ber Äfinig 
bie großartige ®ntfd^eibung fällt: ^©o fei fie bein, mein 
©o^n, benn!" 

3)er 3Ktter Sriftan (ba8 ift nämlic^ „mein ©ol^n 
benn'') ffat bie fd^Iafenbe Solantl^e ertoedEi dlaä) einer 

i^anilttf, SuS neuer unb neuefter Qtit 8 



34 £^« f^ansHcf. 

ftürmtfd^en SiebeSerflärung entbedt er aümfil^ttd^, bag 3o^ 
lantl^e blinb ift. Surd^ feine (fragen tDtrb bie bisher 
Sll^nungdlofe jum erftenmal \fyc^ ©ebred^enS tnne. 3n 
bem ermübenb langen Suett ber beiben leud^ten einige 
feine SBenbungen auf; tDO aber bie äRelobie enblid^ in 
feftem, breitem Säett ]iä) ju fammeln beginnt („3ft beS 
©d^flpferg erfte« SBerl"), üerfäUt fie ber getDfll^ntid^en 
Opemp^rafe. Unb bod^ fielet bie @cene ^ier auf i^rem 
^bf^epuntt, n^ie ber 5Somponift bur^ eine fp&tere SBieber^ 
^olung beS Sl^emad befr&ftigt. SSo aber bie firaft ber 
originellen äJJelobie fe^It, ba Reifen aQe Warfen ber Sßett 
nid^tS. 2)er Jtönig mit bem Strjte unb ben Wienerinnen 
SoIant^eS eilen ^erbei, erfd^redt über bie Slntuefenl^it eined 
gremben. (Sin breiter, aUmfi^üd^ ftd^ fteigernber (Snfembles» 
fa^ („(Sr fprad^ ju mir tjom ©tra^t ber ©onne') legt fi^ 
berul^igenb auf bie @rfd^ütterung ber Slnn^efenben. S)ann 
fle^t Sotant^e in einem (eibenfc^fttid^en SlSegro um ®nabe 
für Sriftan. 3)er Ärjt entfernt fid^ mit Solant^e, um 
i^re Teilung ju Derfud^en. ^aä) fe^r furjer ßeit fe^ren 
fie j^urfidE; ein jubeinber Studruf bed Sl^ord ..Solant^e fie^t 
bai Sid^t!" begrübt bie glüdüd^ Errettete. Sine groge 
bramatifd^e @cene SoIant^eS, toeld^e aüm&^Iic^ i^re Um^ 
gebung erlennt, gipfelt in i^rem ®zh^t „D ^err ju bir!", 
vorauf ein furjer S)an!« unb ^eidc^or bie Dper befd^Uegt. 
Wad $ublifum folgte ber Oper fel^r aufmerffam, mit 
mel^r Stnbad^t aii Segeifterung. ^d liegt in ber Statur 
bicfer STOufif. SEBebcr aßciftertoerl noc^ effeftftüdC, too^I 
aber forgfältige Slrbeit eines üome^men ^ünftlerS. SHe 
erften @cenen mit ben äRäbd^end^ören, ja^Ireid^e ^nl^eiten 
im Dialog, t)or allem bie SHeise ber d^arafteriftifd^en 3n* 



„Zolanil^" von (Efc^aüomsfy. 35 

ftrumentterung fonnten t)on unferem ^ubltfum ntd^t über^ 
fe^en, nid^t unterfc^ägt tDerben. 3)er Srfolg t)on «»(Sugen 
Dncgin" ^at bcr SBtcncr Jpofopcr bag Sftcd^t, tool^I aud^ 
bie ^flid^t gegeben, bem ruffifd^en ^omponifteit nod^matö 
il^re Pforten ju öffnen. S^fd^aüotDdfQ f^at tavm ein ^albe8 
S)u^enb Dpvnx gef daneben; fe^r toentg, tt)enn man feine 
enorme grud^tbarfeit auf bem ©ebiete ber ©Qmp^onie, 
ber ^ammermuftt, bed Siebed unb bed J{[at)ierftüd(ed ba« 
gegen §ält gär bie ^uffül^rung ber „^olant^z" fprad^ 
ber Vorgang anberer beutfd^er Säfil^nen unb bie frfil^ere 
Seliebtl^eit ber ^er^fd^en SDid^tung. ßtoei grofee Opern: 
„3)er Dpritfd^nif' (nad^ einer Sragöbie tjon Sajetfd^* 
nifoto) unb ^©afula, ber ©c^mieb'' (nad^ einem 
9J2ard^en t)on ©ogol) ^aben fetbft in ^eterdburg nur ein 
{urjed Seben gefriftet; ffir beutfc^e S9ül^nen mad^t fd^on 
i^r @toff fie unmSglid^. 9lud^ eine Einbürgerung t)on 
Sfd^aüon^dfQS „$ique^3)ame'' auf beutfd^en SJül^nen 
toirb burd^ boÄ Sejrtbud^ fel^r erfc^tocrt S)er ©toff, einer 
fe^r tDunberlid^en SloDeHe tjon ^ufd^fin entnommen, ift 
burd^ bie Dpembearbeitung nod^ unüerftfinblic^er unb ge^ 
toaltfamer getoorben. ^ai ift fe^r ju bebauem, benn bie 
SKufil jur „^quc*»5Dame'' entl^filt grofee ©d^flnl^ten unb 
ungteid^ mel^r bramatifd^eS Seben, atö Solantl^e. 33ai t)on 
ben ^ier nod^ unbefannten SSül^nentoerfen Xfd^aifotodf^d 
bie meifte Äugfid^t auf ®rfoIg l^tte, ba« finb feine Sal* 
lette: „SlugfnadCer*, „SJer ©d^toanenfee" unb öor aDem 
ba8 reijüolle, grajiöfe Stanjmfird^cn ^©ornröSd^en". 

gaft gleid^ieitig mit ber SBiener Aufführung ber 
^Solant^'' erfc^ienen im JBud^^anbel ^fd^aifotoSf^« 



36 ^^' tjanslxd. 

wSTOuftfalif^c erinncrungcn*. STOit crtoartuttggüottcr 
Ungebulb griff id^ banaä). 93erbanfe id^ boä) ber J^atf^t^ 
tifd^en ©^mp^onie"^ nod^ me^r bem »@ugen Dnegin'', eine 
lebhafte @^mpat^ie für ben Stomponiften, in beffen früheren 
Drd^eftenoerfen mid^ mand^ed ro^e unb bilettantifd^e ai^ 
geflogen l^tte. 3)ie „Erinnerungen'' enthalten ein anto* 
biogrop^if^eS Fragment %\6)a}toto^tqi, nebft einer 9lud^ 
toa^t feiner für ruffif d^e S9Ifitter gefd^riebenen SRuftff ritifen. 
3n bem „Fragment" erjfi^It Sfd^aifon^df^ t)on feinen 
Aunftreifen nad^ ^Berlin, Seipjig unb Hamburg; eine 
©d^ilberung feiner Sriebniffe in ^ranfreid^ unb Stmerifa 
ift er uns leiber fd^ulbig geblieben. @^rlid^ geftanben 
f)at bai ani %\(S)a\lotDit\ii 92ad^Iag iufammengefteQte 
JBud^ mid^ ein tDenig entt&ufd^t. ®erabe t)on il^m ^tte 
ic^ me^r ©igenartigeiJ, SntereffanteS ertoartet ®in liebend* 
loürbiger, aufrid^tiger äJ^enfd^ fpnd^t aSerbingd auS biefen 
äßittetfungen. Slber nid^t aSed, toai ein fold^er feinen 
^reunben auSfü^rlid^ erjä^It, ^at ein gleid^eS Sntereffe 
für n)eitere Seferfreife. Sfd^aifon)df^ beginnt mit ber 
@d^i(berung feinet erften ^irigenten^2)ebütö in SD2odfau 
(1886). 9Bie er, ganj ungeübt im dirigieren, üoQ Se* 
forgnid ben Saftftodt in bie $anb na^m, fd^Iieglid^ aber 
aQed gut ablief, gaft badfelbe erjfil^It er n)eiter ani $eterd' 
bürg unb aud Seipjig, wo er ebenfaQd in grogen Drd^efter« 
Sbnjerten feine eigenen SBerfe birigieren mugte. ^ud^ 
bie auSgebe^nte (Srjäl^Iung t)on ben Ungefd^idßid^feiten unb 
SDüggriffen feinet (nic^t genannten) SSonjertagenten bietet 
l^eute roenig Sntereffe. 93on feinen SanbSleuten, ben Tln* 
fifern SdrobSfi, ©eloti unb ^eb^eim, fprid^t er gelegentlid^ 
feines Seif^iger Aufenthaltes mit augerorbentUd^r äBdrme, 



(£fc^atFovs!ys „Erinnerungen" 37 

o^ne jebod^ beten latente unb Seiftungeit nfi^er ju 
c^arafterifieren. Sntereffant finb l^ingegen feine Urteile 
über einige berühmte ^mponiften. 3n Seip^ig lernt er 
iBra^mS fennen, beffen (Srfd^etnung i^m merftofirbiger« 
tt)eife „gar nic^t beutfd^" üorfommt, fonbem «.an ben S^puS 
bed ed^ten ©rogruffen erinnert, tt^ie man i^n befonberd 
unter ®eiftlid^en antrifft". %\6)axtoto!ltt)i geringe ©^m* 
patzte für bie äRuftf t)on fSxaiimi ift befannt; eS fc^eint 
bag biefe Snipftnbung gegenseitig tDar. „SSte alle meine 
mufüaßfd^en greunbe in JRufelanb'', [einreibt Sfd^ailotog!^, 
iifd^fi^e id^ tBral^mS aU e^rlid^en, überjeugungStreuen, 
energifd^en 9J2ufiter, aber trog allen guten SBiUenS fann 
id^ feine 9Rufif nid^t lieben. 3n biefer liegt für bad 
ruffifd^e ^erj ztioai Xrodened, ^alted, 9tebell^afte8 unb 
Slbftogenbed; t)on unferem ©tanbpunfte auS fe^It f8xaf)m^ 
jebe melobifd^e Srftnbung. Sßenn man i§n ^0rt, fragt 
man fid^: ift JBra^m« in ber S^at tief, ober lofettiert er 
nur mit ber Siefe feiner mufilalifd^en ®rfinbung, um bie 
fiugerfte Srmut ber ^^antafie ju maiSüeren? @d bürfte 
fd^toer l^alten, biefe 3rage befinitit) ju entf treiben.'' SBir 
ad^ten bie ^ufric^tigfeit t)on %\6)aitottalt)i SBefenntnid, 
bad, fem t)on Sünfel unb @e^öffig!eit, ftd^ rein fubjeftit) 
auSfpric^t; bag fein Urteil und trogbem ^öd^ft einfeitig, 
befd^r&nft unb ungered^t erfd^eint, braud^en n)ir unferen 
fiefem nid^t erft ju fügen. Über fbiafjmi' S^arafter, feine 
ed^te 93efd^eiben]^it, fein l^ilfSbereited äßirfen für junge 
2;onIünftIer fprid^t Sfd^aifowäf^ mit aufrid^tiger Slner* 
!ennung. «9{id^arb SBagner'', erjä^It S^fd^aitotodfQ, #rpf(c9te 
befonberd bod^ft über ^ai^mi ©^öpfungen fid^ ju 
äußern. 9tö man nun Sra^mS einmal einen neuen, be^ 



38 €d. fjanslicf. 

fonberS boshaften SludfaU 33agner8 an feine Stbreffe 
l^ütterbrad^te, rief er ani: ^SDIetn ®ott, Sßagner f errettet 
ja triump^ierenb auf ber großen @trage! SBoburd^ fann 
td^ i^m tt)o^I l^tnberlic^ fein ober i^n ärgern, tDenn id^ 
meinen befd^eibenen Keinen ^ugpfab gel^e, ünb toarum 
lann er mid^ nid^t in 9{u^e laffen, ba ic^ getoig niemals 
feinen SBeg freujen tuerbe?'' S)ad ift ed^ter Sdral^md! 

©ans anberS ful^It 2;fd^aifoti)8f9 für SbtDarb ®rieg, 
ber ed üerftanbcn ^abe, fid^ für immer bie ruffifd^en ^erjen 
ju erobern, „^n feiner t)on garter 9)!eIand^oIie burd^« 
brungenen äJ^ufif fpiegetn ftd^ gleic^fam bie ©d^önl^eiten 
ber nortoegifd^en Statur ab, bie balb ergaben unb grog^ 
artig, balb in 9te6el t)erfd^Ieiert, in anfprud^8lo[er S)ürftig« 
feit fid^ jeigt, aber für bie @eele bed SRorbIfinberd ettoaS 
unaudfprec^Iid^ 9ieijt)oIIed, einen oertoanbten Son befi^t, 
ber in unferen ^erjen einen äSiber^aU toedtt @S ift mög« 
Kd^, bag ®rieg oiel tt^eniger SDJeifterfd^aft beft^t ali SJral^md, 
toeniger |od^fIiegenbe $Iäne t^erfolgt unb ber Steigung ju 
bobenlofer Siefe gänjlid^ entbehrt, aber bafür fte^t er und 
menfd^Iid^ biet nS^er." S^fd^aifotoSf^ ift unerfd^öpflid^ in 
Sobpreifungen ©riegiS, benen man fo jiemlid^ beipflid^ten 
!ann, bii auf bie Säe^auptung, bag ®rieg ,, allem ®t^ 
fud^ten unb ©equätten aud bem Sßege ge^t". 3m ®egen« 
teil, auf biefem äSege glauben toir i^m re^t ^ufig ju 
begegnen. SlHerbingd bürfen tt^ir bie Eigenart bed natio^ 
naien ©efd^madtS nid^t gu gering an[d^Iagen. ^em f{an^ 
binaoifd^en S3oI!e Hingt t)ieled leineStoegd gefud^t unb ge« 
qufilt, toaQ toir fo nennen; bem Siuffen nid^t ro^ unb 
Ifirmenb, toaS u n iS f o berührt; bafür bürfen tt)ir 2)eutfd^e 
ru^ig aud^ bie ißortoürfe ablehnen, toeld^e Stuffen unb 



(£f(^atfoiosFys ^(Ermnernngen*. 39 

9{ort0eger gegen SSrol^md ergeben. ißoQ SäetDunberung 
fprid^t %\ä)axlotD^tt) t)on bem 2)trtgenten«®eme bed jungen 
$Q^meifter8 ^rtl^ur 92t!if d^; mit tD&rmfter Slnerfennung 
t)on bem gifinjenben ^lent SBufontS, beS SSomponiften 
unb 93trtuofen. ©tetd^too^t bebauert er, bag SBufoni fetner 
yiatnx ®etDatt ant^ue unb um jeben $retö atö Seutfd^er 
erfd^einen tDoQe. Sbenfo ©gambati „@ie fd^&men ftd^ 
beibe, Staltener ju fein, fürd^ten, bag in il^ren Stontpo« 
fitionen aud^ nur ein ©d^atten Don HSidobiz burd^Ieud^te, 
unb tooHen „tief fein nad^ beutft^er Art* Sfd^aifotoSf^ 
nennt bied eine traurige Srfd^einung; fiberjeugt, «ba^ bie 
italienif^e Ttn^it nur bann eine neue SJIütenperiobe er« 
leben toirb, toenn i^re SSertreter fid^ entf^Iiefeen, anftatt 
im SBiberfpruc^ mit i^rem lünftlerifd^en 92atureII in bie 
Steigen bon SBagner, SiSjt unb Sral^mS ju brfingen, ani 
bem Snnem bed nationalen ©eifted ^erauS neue muftfalifd^e 
Slnregungen ju fd^öpfen unb unter Sergid^t auf bie t)er« 
alteten Sdanalit&ten ber ^reigigerja^re neue formen ju 
finben, bie in Übereinftimmung mit ber fie umgebenben 
fübßd^n 9tatur fid^ burd^ gl&njenben SOtelobienreid^tum 
unb gef&Hige Sinfleibung audjeid^nen/ 

SBon Seipjig fül^rt und S^fd^aifotodfQ nad^ Hamburg. 
(Sr fonnt fid^ förmlid^ im 9tad^genuffe ber i^m l^ier be^ 
reiteten OtKitionen unb bed f o freunbfd^af tlid^en Entgegen« 
!ommend vieler muftfalifd^er Familien, ^en 93ral^mi^ 
Stuttud tDxVi er nirgenbd fo verbreitet gefunben ^aben toie 
in Hamburg; eine Sl^atfad^e, bie er einfad^ auf bie Oppo« 
fttion ber Hamburger gegen SSagner jurüdtful^rt „^u 
^aft nun einmal bie Stntipat^ie!'' ^eigt ed im «»t^auft''. 
S^fd^aifoloäf^ folgt l^ierctuf einer @inlabung nad^ Sdertin, 



40 ^' ijansUa. 

tDo er im Jtonjerte bei „^^il^armome" 6Iog feine eigenen 
Äompofitionen birigiert Äud^ ^ier erfreut er fidö großer 
Erfolge unb gefeQigen freunbfd^aftlic^en 93erfe§r^ mit 
Tto^toto^tt}, @auret, ^ermann Sßolff unb ber t3on 
il^m l^oc^toere^rten 3)efir^e 81 r tot. — SSon toeit geringerem 
Sntereffe afö bai autobiograp^ifd^e Fragment ftnb bie 
angefügten ^STOufifalifd^en ftritifen unb i^tnilU^ 
tong*. Sfd^aiforoÄf^ ^atte ftd^ im 3a^re 1871 ent- 
fd^Ioffen, für bie STOoäfauer „SRuffifd^en Slad^rid^ten" ba8 
SDJufitreferat ju übernehmen. Sßeniger ani Siebe jur 
@ad^e, aii um fid^ ein fefteS @infommen ju fid^m. Sebte 
er bod^ hamali in fe^r fnap^n SSerl^&Itniffen. ©eine 
Urteile über bie 9J2o8fauer Sup^rungen lauten oft fel^r 
fc^arf, befonberd über bie (S^öre unb bie 3)?itglieber jtoeiten 
9{anged ber italienifd^en Opernfaifon unter äßereQi. 9ud^ 
bad ^ublifum toirb n)egen taftlofen ober ftArenben fSt* 
nehmend ^fiuftg t)on i^m abgefanjelt @o I&ftiger unb 
meift frud^tlofer Sl^fitigfeit f^neQ fiberbrüffig, legte ^fd^ai« 
fomSf^ nad^ t)ier Salären bie fritifd^e ^ber nieber. 92eue 
@efid^t8^unfte ober originelle, geiftrei^e Sudffi^rungen 
toirb man fd^toerlid^ finben in biefen Stufffigen über „^on 
Suan", bie „(Sxoxca", „Fra Diavolo", ^3)ie Äfrifanerin", 
„Traviata", ©^riftine 9litefon unb Süloto. betroffen 
innehalten mugten toir nur bei bem merhoürbig fnappen 
Urteil über „gibelio": ^S)ie a»ufif ift ^übfd^, fann aber 
mit S9eet^ot)en8 ©^ntpl^onien nid^t t)erglid^en loerben unb 
ftel^t loeit hinter ben Dptm äRojartd jurüd!^ ^ann bei 
bem ent^uftaftif^en Slu^fprud^, ber Es-moU-^a^ in @d^u« 
mann 8 vierter @^mp^onie n^erbe ..für bie julfinftigen 
®efd^Ied^ter ein ebenfo leud^tenbeS ^nfmal beS menfd^^ 



(£fc^atfoiosfys ^Erinnerungen". 41 

lid^n ®ciftcS Klbcn, toic bcr Ädincr ®om felbft\ ©o 
itnbered^enbar ftnb oft bie Steigungen Xfd^atfotDdf^d: bort 
t)xd ifi loenig für ben ..gibeHo", §ter tiü ju Diel für 
ben ©c^umannfd^en ©^mpl^oniefa^ Srtoartung^t^oU trat 
ic^ an Xfd^aifotoSf^S S3eric^te über baS 93a^reutl§er ^ft« 
fpiel 1876. 3n gtoet langen oorbereitenben ^uiUetonS 
erjäl^tt er bie ©ntftc^ung üon SBagnerö „SKbelungenring'', 
befd^reibt bie @tabt, bad geftfpiel^aud, bie namhaften 
t^remben, bie elenbe Verpflegung, um enblid^ in einem 
einjigen britten SIrtifel bie ^auptfad^e, SBagnerS ^tra^ 
logie 2U befpre^en, ober üielme^r fid^ fd^eu J^erumiuloinben. 
@r bittet feine Sefer um Sntfd^ulbigung, n^enn er i,nur 
für eine ferne ßufunft" eine fritifd^e ©rörterung berSBagner* 
fd^en ©d^ftpfung k)erfpre^en fSnne. ^06 91. SBagner red^t ge« 
t^an ^at, inbem er im S)ienft feiner 3bee bid jum ^ugerften 
gegangen ift, ob er tai ^rinjip bed fift^etifd^en ®(eid^<> 
gemid^tS Demad^I&ffigt l^at unb ob bie 5hinft nod^ toeiter 
auf bemfelben SBege, ben er als StuSgongdpuntt bejeid^net, 
fortfd^reiten tt^irb, ober ob ber ^^Stibelungenring'' jugleid^ 
ben $unft bebeutet, t)on bem aud bie 9fleaftion beginnen 
nnrb — tt^er looHte bad l^eute entfd^eiben ?" Sfd^aifotodf^ 
!ommt n)ieber^oIt auf ben ,,3^f^^^^ t^oUftänbiger geiftiger 
unb p^^fifd^er (Srfd^ftpfung" jurüdE, bie er nad^ ben ein« 
jelnen Seilen ber Tetralogie empfunben, unb refumiert 
jum @d^Iug, toai er auS bem Säa^reut^er ^ftfpiel^auS 
mit l^eimgenommen ^abe: ,,1. @ine t^enoirrte Erinnerung 
an jal^Itofe überrafd^enbe ©^ön^eiten, befonberS f^mp^o« 
nifd^er Statur. 2. Setounberung für baS ungeheure 
5£alent bed ^id^terfomponiften unb feine Sed^nif. 3. Sen 
ßtoeifel an ber Stid^tigfeit t)on Sßagnerd Snfid^t über 



42 &' ^ansUa. 

hai Sßefen ber Oper. 4. ®a8 ©efül^I groger Ermattung, 
aber and) ben SSuttf^, bai ©tubtum btefer fompliiierteften 
aUcr icmalS gefd^riebcnen SRufilfd^öpfungctt fortjufefecn." 
SSagneriS berühmte S^afyreut^er ©d^Iugrebe: ^©ie ^aben nun 
gcfc^cn, toa^ toir !önncn ic/, ftcHt Xfd^aifotogf^ treffcnb 
in eine 9lei^e mitSubtoigd bed Sierjel^nten: L'^tat c'estmoi !^' 
%\ä)aitotD^tt)^ perjönUd^ed äJer^alten ju ber 9Rufif 
ber berühmten 9)?eifter erbeut ani feinen ^Feuilletons nur 
fe^r unüoQft&nbig. SJiel^r barüber erfahren toir öon feinem 
intimen greunbe, bem auSgejeid^neten SKuftfgele^rten unb 
^tUer ^erm fiarod^e in WtoStan, bemfelben, bem id^ 
für feine Überfe^ung be« „STOufilaHfc^^^Sc^önen'' in« Sftuf* 
fif d^c berpfli^tet bin. Sfd^ailoto«!^« $au^)tgott^eit, erjd^It 
Saroc^e, toar unb blieb STOojart, mit bem er Qtit feine« 
Seben« fid^ grünblid^ nad^ aUen ©eiten ^in befd^äftigte. 
JBad^ unb ^änbel ftanb er ganj fremb gegenüber. JBad^d 
gugen fpielte er »ol^I jutoeilcn für ftd^ auf bem Ätaöier, 
bie Kantaten aber unb bie grogen Sofalfompofttionen 
nannte er eine Hafftfd^e Dufilerei. §finbel lonnte er 
abfolut nid^t leiben, (äßer benft ba nid^t an ©pol^r« 
SInttoort ju ben Ferren tjom Sad^*3)enImaI'Äomitee: »3d^ 
tocig nur einen Äomponiften, ber mir no^ unangencl^mcr 
ift afö fSaä^: ba« ift ^änbel!") SKerftoürbigertocife ge* 
l^Srte JU Sfd^aifon^iSf^S Slntipat^ien aud^ (Sl^opin. iBiet^ 
leidet XDÄl er unbetougt felbft mit Sl^opin mand^e £^nlid^« 
feit l^atte. 3n feiner Sugenb fd^märmte er fc^r für bie 
ttalienifd^e Dper, für Sftoffini unb SSerbi, liebte aud^ ba« 
italienifd^e 93oIf unb bie italienifd^e ©prad^e. iSon einem 
breijfi^rigen Slufent^alte in Statien batiert fein italienifd^e« 
©apricrio unb bie Drd^efter * ^l^antafic über italienifd^c 



(£fc^at!oi9s!ys ^(Erinnerungen''. 43 

SSoIfSmetobten. Sei beit Sltottierten, tDelc^e 9%. Sßagner 
1863 in ^eteriSburg gab, blieb %\ä)ailo\DStt) !ü^I unb 
ffe))tifd^; befonberd bag aUgemein bejubelte Sorfpiel ju 
„So^engrin'' mad^te auf i^n gar feinen Sinbruc!. ®egen 
Sarod^e mad^te er qu^ !etn ^e^I barau^, tuie tt^enig i^m 
bie „Slibelungen" gefielen. 3n Sa^reut^ bcfanb er fid^ 
aber in einer @e|ellfd^aft, tt)o er nid^tö gegen Sßagner 
äußern burfte; befonber« 5ßrofeffor Slinbtoort^ öom 
9Ro8lauer Sonferbatorium, einer bcr ^cftigften SBagnerianer, 
toid^ nid^t tjon feiner ©eite. ©rft im 3a^re 1886 lernte 
er ,,$ar}ifal'' auiS bem SüabierauSjug fennen unb tuar 
Don bcr ©d^Iufefcene bed erften 2lfteg entjücft. SSon biefer 
ßeit an jcigen ftd^ fogar gewiffc SBagnerfd^c ©inpffe 
auf feine eigenen Rom^ofitionen, obtüo^I er SBagner« 
D^emt^eorie nid^t anerlannte unb big ju feinem SebcniS* 
enbe D^em mit Strien, S)uetten, ©^flren unb SBalletten 
fd^rieb. ®egen ®ounob »ar er anfang« fe§r ffil^I ge* 
ftimmt, tourbe aber fpfiter, unter bem ©nfluß ber SIrtöt, 
ein »armer SBere^r beä „gauft" unb be« ^SRomeo". 
Umgele^rt erging eSi^m mit® d^u mann, ber einen tiefen 
einbrudC auf %\ä)axlomh) l^eröorgebrad^t l^atte, fpfiter 
jebod^ an i^m einen biet lül^Ieren Beurteiler fanb. Über 
Sfc^aif otDSfQd Serl^alten juSäeetl^oüen giebt unSSarod^e 
folgenbcn mertoörbigen Äuffd^Iufe: ,,3m allgemeinen ^egte 
er für öeet^oüen große ©^rfurd^t, bie freilid^ fel^r öer«» 
fd^ieben toar öon ber fd^toärmerifd^en Siebe, bie er für 
SKojart em^fanb. 3n feinen fd^riftlid^en llußerungen 
über JBeet^oöen toar er fel^r Dorfid^tig unb farblo«, ba er 
ed nid^t liebte, burd^ öffentlid^e StuSfprad^e feiner geheimen 
(Sebanten eine ^olemit ^eraudjuforbem." 



44 &' Bfansltd. 

Z\ä)axtoto»tt) ftarb am 25. Dftober 1893 naä) jioei« 
tfigtgcm Äranfcnlaflcr, crft 53 Sö^re alt. @ctt S^urgcn* 
\taa unb ^oftojetDl^ftS ^infd^ben l^atte Petersburg fein 
fo prunboQeS SBegräbniS gefe^en unb feine fo allgemeine 
S^rauer. 



^€^ inat einmal'' 

(Delegentlidl» übsx Bfmlinf h^ mtb ^Xüjath Strauß. 

[1900.] 




•u§ bcnn immer getüagnert fein?^ ©o flagt ein 
JBerliner Äorrefponbent ber „3^^" — ^^ ^^^ SBefpre^ung 
einer neuen Oper „Sftatbolb'' Don SRcin^oIb Seder. Der 
^n ift (j^arafteriftifd^, benn iBedter, ein beliebter unb 
tfid^tiger 5Somponift, l^atte bisher nur flare melobiöfe 
9Ruftf gef daneben. 3l\in bat ben 58j5^rigen äJ^ann aud^ 
bie äßagnereSnfluenga gepadEt @r qu&It ftd^ ,,mit ilßeifter« 
ftnger«@toIIen unb redEt bie befd^eibenen X^emen ju einer 
aufbringlid^en iBreite, einer SDJaffen^aftigfeit aud, bag in 
bem ©toffe ber ©cift erfticft". UntoinfürRd^ mufete id^ 
an biefe ^tif benfen, aU xd) ber le^en Sufffll^rung t>on 
3emlin8f^8 Oper „®i tuar einmal" beitt)o^nte. 
SOteine Sefriebigung über ben Srfolg eineiS talentt^oSen 
jungen Öfterreic^erS n>ar ebenfo aufrid^tig tpie bie ^n^ 
erfennung S)ireftor STOa^terÄ, ber nic^t erft ein Urteil 
beiS SuManbeS abgekartet ^at, um eine @rftIingSoper ^ier 
feftlid^ aud ber Xaufe ju ^eben. ^ublifum unb ^tit 
^aben bie SSorjuge biefer 92ot)it&t fo beiffiHig begrflgt, 



»<Es mar einmal" oon Semitnsfy. 45 

bag eS i^r nid^t fd^aben fann, toeitn nad^traglid^ aud^ 
i^ter ©d^attenfeiten ertofil^nt tuirb. @egenfiber ber tntU 
ftimmig ertitngenben Srmunterung, unfer 5Sompontft möge 
fo fortfahren, mfld^te tc^ i^n bod^ erfud^en, nid^t ganj fo 
fortjufQl^rcn. Unleugbar ift fein Salcnt, finb bic SBorjügc 
feiner fiberauS gefd^idEten, j|a brillanten Xed^nif. SCud^ bie 
gludlid^e SBal^I be8 @ioffe8 rechnen tuir i^m atö ein 
93erbienft an. SBie fel^r btefed poetifc^e ilßard^enfpiel fd^on 
afö 2)rama ju intereffiren unb ju erfreuen t)ennag, baüon 
fonnte id^, itoölf Sa^re t)or ber ^mpofition t)on 
Qmlxn&tt)i Oper, mic^ leibl^aftig überjeugen. S)aniald 
fa^ id^ im fönigtid^en ^^eater ju ^open^agen bad fßolti^ 
ftädE „Dar var engang% bem mit tt)enigen SlbtDeid^ungen 
3em(inS{^d Oper getreu nad^folgt. S)ie ^anblung bed 
Driginalftüdted (nad^ einem 9J2är^en SlnberfenS) ift t)on 
bem geiftüoHen banif d^en ^oeten ^olger^rad^mann 
fo !Iar exponiert unb anfc^aulid^ geführt, bag felbft ber 
^rembe i^r in ben ^auptjügen ju folgen t^ermag. „(Sd 
toar einmal", ein Sieblingdftüd beS banifd^en ^ubKIumiS, 
mad^t ben erfreulid^ften SinbrudE, ol^ne ber äJ^ufif ju be« 
bfirfen. ^^reilid^ nid^t, o^ne mufüalifd^en @d^mudE ganj 
)u t)erfd^mä^en. S)iefe an red^ter ©teile magüoH unb an« 
mutig einfe^enbe 9)?uftf bed Originale ^at ben bfinif^en 
Stomponiften fiange^SRüIIer populär gemalt Sturer 
einigen melobramatifd^en Drc^efterbegleitungen l^ören toir 
ba Sieber be8 ^rinjen unb feinet S)iener8, ein ©d^Iummer« 
lieb ber ^ofbamen, Säger^ ©olbaten« unb @pielmannd« 
lieber. 3n ber Oper mug natärlid^ bie 9Rufi! fid^ ungleid^ 
breiter auSbe^nen, aud^ mäd^tiger in bie $ö§e unb Xiefe 
ftreben, aber etloaS t)on bem naiüen Sieij, t)on ber SRatur« 



46 £^« ^ansUa, 

jd^ön^ett beS 93o(fötümtid^en tDQte gelDtg aud^ ber Dpzxn^ 
bel^anblung unfereiS 3R&xä)vxi jum Vorteile gebieten. 
3emlitt8ft)8 SKufif fd^cint mir für bicfen Suftfpielftoff 
ju fünftlid^, um nid^t ju fagen gefünftett; ju ^fiuftg jer« 
^adEt beKamatorifd^, metobtenarm in ben ©ingftimmen, 
überfüllt unb ru^cto« im Drd^fter. „3J?u6 benn immer 
aetoagnert fein?** 

nmm erfc^inurtflen begeflnen «ir ^eute überall. 
Me junge D^emfom:poniften bemühen ftd^, ju tuagnern, 
nid^t bebenfenb, bag, tpenn 3^^ baSfelbe tl^un, ed nid^t 
me^r bagfelbe ift. @ie Derfd^mfil^en bereite Sßagnerd 
frühere gefangreid^e Dpem, Hammern ftd^ an „S^riftan", 
bie ^Slibetungen", DoQenbS an bie „SWeifterfinger". 3n 
ben „3D?etfterfingern* erl^ebcn ft^ jebo^ über bem SBogen 
bed pol^p^on t)erfc^Iungenen Drd^efterd bie blü^enben 
Snfeln: SBalt^erg ?ßrei8Keb, 5ßogner8 Slnrebe, ba« Quintett, 
enblid^ bie ^eiteren SSoIföfcenen im britten SRt! SSergeben^ 
fpfi^t man nad^ fold^en melobiengefegneten Dafen in 
3emKn8f^8 5ßartitur. Sc^ möd^te nid^t entfd^eiben, ob 
3emlin*f^ ber felbftänbigen, originellen ®efang8meIobie 
abfi^tlid^ auStoei^t, ober fie i^m. %üx erftered fpred^en 
in ben beiben erften Sßten bie t)ielen garten, entpfinbfamen 
©teilen be8 @ebid^te8, toeld^e, nad^ SKetobie fd^mad^tenb, 
oon ßemlindfQ nur beflamatorifd^ abgefertigt toerben. 
S)ie le^tere 93ermutung erregt ber britte Vtt, too ßemlinSf^ 
in bie jtoeite unb britte ©cene nom)egifd^e SSoIfölieber 
einfd^iebt, anftatt felber tt^etd^e unb beffere ju erfinben. 
Über ben öcgriff oon „SRelobie" in ben ®cfang8^artien 
einer Oper fann fein e^rlid^er ©treit fein. Stürbe biefen 
yiamta jebe Stufeina nberfolge bon %bmn, im ®egenfa^ 



„€s mar einmal* von §emlinsfy. 47 

Übungen mit ftillfte^enber ^anb 9J2eIobte. Unb nid^t t)tel 
beffer bag uferlos melobtfterenbe @^tDeifen o^ne 9(nfang 
unb (Snbe, ober bie recitatit)tfd^ abgeriffenen 3)taIoge, bie, 
um ein ^einefd^eS 9^Ib ju gebraud^en, tote er^igte ^ft^e 
burd^einanber fpringen, S)ie fc^ön geformte, babei oon bra« 
matifd^em Seben erfüllte 3Re(obte oermiffen totr nur ju 
fel^r in ber Dptx Qzmlxn&tt)^. SBo^Igemer{t beS jungen 
3emIinSf^! Xa foUte bod^ bie fd^öne @innlid^feit nod^ in 
ooQem @afte ftel^en, bie ©angeSfreubigfeit nod^ nid^t 
erbrüdt fein t)on ber felbft^errßd^en ^ol^pl^onie eineiS 
atemlos arbeitenben Ord^efterS. „23lu^ benn immer ge« 
toagnert fein?" 

S)ag felbft&nbige, babei bramatifd^ belebte ®efang8^ 
melobie ein 3Ba^n fei, bad ift ber aSergrögte SBa^n. @r 
bürfte ftd^ bieUeid^t früher bemaSfieren, als bie jungen 
Ferren glauben. Q3tättem toir in ben Säänben einer be^ 
liebigen äRufifjeitung unb notieren, toie t)iele t)on ben feit 
25Sctl^ren erfd^ienenen Opern beutfd^er SBagnerianer f)entt 
no^ ejiftieren — ja, toie oiele baoon i^re §eimatftabt 
überfd^ritten unb il^r Seben über ein ^alb ^u^enb %n^* 
fü^rungen gefriftet ^aben? S)er I&rmenbe, t)orauSt)erftd^erte 
SSeifaQ ber „Partei" t^ermod^te fie nid^t ju retten. Sßagner 
^at in feinen legten Sßerfen fid^ einen eigenen SSeg ge* 
ba^nt, ffi^n, mit SebenSgefa^r; bie i^m blinblingS fflaä)^ 
fletternben bred^en ben $als. aßSgen fte ja nid^t nad^ 
feinen Erfolgen &|nKd^e für ftd^ ertoarten! 9uf aßen 
beutfd^en D))ernbül^nen ift Sßagner f)mU fo bor« unb 
übenagenb oertreten, bag feine Serel^rer fid^ t^oQauf ba« 
bon erf&ttigen fönnen. JteineStoegS bebarf eS o^ne @nbe 



48 ^^- Qanslicf. 

fd^loäd^Itd^er SBteber^oIung beS beffer fd^on Sßor^anbenen. 
3ü, bie Sttmofpl^Qre ift fo ftarf gelaben mit SBagner, bag 
bancbcii jcbe gute Aufführung einer — Sor^ingfti^cn Dpn 
i^r banfbared ^ublifum ftnbet! 

Sie Sntoidelung einer 5Sunft lägt fid^ nimmer beliebig 
jurflcffd^rauben. 92ur ein 9tarr fönnte berlangen^ unfere 
9Ruftf foQe fid^ auf bie fna^pen ^^ormen unb bürftigen 
Stunftmittel befd^rfinf en, mit roeld^en bie 9)7eifter bed t)origen 
Sal^r^unbertd getDirft l^aben. Siein D^emfomponift lonn 
^ute im ©til ber ^ßauberflöte" fd^rciben tooHen; jeber 
mug bie gortfd^ritte feiner 3^ init Sßal^I unb S^efonnen«* 
^eit in ftd^ aufnehmen. @o be^ne er benn immerhin im 
Drd^efter bie äßelobie ind »^Unenbtid^e'' aud, bertuidEte fie 
in bie SOtafd^en ber bi^teften ^olQp^onie, inftrumentiere fo 
^bramatifdö", bag unauSgefe^t jebeä einjelne Snftrument be- 
beutungSt^oü feine eigene äJ^einung fagt — nur oben auf ber 
83ü]^ne t^ergönne er und etlid^e fül^Ienbe äßenfd^en, bie aud 
t)oUer^©eeIe fingen unb nic^t ani einer beliebigen jtoeiten 
SBioIinftimme. 

Siefe SBemerlungen, lange nad^ ber ^remi^re beS er^ 
folgrei^en ßemlinSf^fd^en Sßerfed gefd^rieben^ geben ftd^ 
burd^auS nid^t afö eine ^ritif bedfelben. 9llS fold^e tt^ren 
fie ungered^t, ba fie nnffentli^ nur bie ©d^attenfeiten, 
eigentUd^ eine @(^attenfeite biefer 5Som^ofition ^erüor^ 
^ben. 3m aufrichtigen Sntereffe für bie 3^Ii^i^ft ^ ^* 
gobten jungen SEom^oniften. 3d^ fenne ^errn 3cinIinSf)) 
nid^t perfönlid^ unb toeig ni^t, loie er ftd^ jur ftritit 
überhaupt üer^It. S^eQeid^t acceptiert aud^ er nad^ 
mobemem äßufter 93er^errli^ung afö fd^ulbigen 34:ibut 
unb em^finbet jeben Sabel ati Unred^t unb Un))erftanb. 



gemltnsfy vmb Htc^arb 5trau§. 4 g 

SttDQ mä) bem SBeifpiel eineS gefeterteit ^m^onifien, beS 
$^errn SRid^arb ©traug, toeld^er f ürsUd^ ein SD^anif eft 
in biefem @inne an bie i,®rajer SageSpoft'' erlaffen ^at. 
3)q8 ftarfe S06 beS SBIatteS genehmigt er gndbig, jebod^ 
mit bemSBeifag, er toün^äjt, „ha^ bie SSiener Siunft« 
rid^ter Don il^ren ©rajer ftoIUgen lernen 
m ö d^ t c n !•* ,,3n ber §am)tftabt*, fd^rt er fort, ^l^errf d^cn 
leiber nod^ bie ett)igen @d^fin^eitSgefege, bie unfereinS aud^ 
gern einmal ju ®eftd^te befäme, bie aber big ^eute als 
rätfel^afte ®e^eimniffe im Sufen ber Ferren ipanSlidC 
unb ©enoffen fd^Iummcm." S)iefe rätfel^aften ®e^eimniffe 
liegen aber in SSa^rl^eit offen Dor allen muftfalifc^en 9)?en^ 
fc^en, tpeld^e lefen fönnen: in ben Partituren üon SD^ojart 
unb Seet^oüen, @d^ubert, 3)2enbeIdfo]§n unb ©d^umann, 
JBra^mö unb ^üoraf . Seber t)on i^nen, too^Igemerft, toar 
ein SRcucrer gegen feine SBorg&nger — fie alle aber ^abcn 

in i^ren ©^mpl^onien 972uftf gemad^t unb nid^t SBilber« 

« 

rätfei. SfiematS pebantifd^, boc^ immer emft. hingegen 
fann man fid^ ber Vermutung faum ertoe^ren, ob §crr 
©traug fid^ mit feinen ^örern unb ißerel^rem nid^t ein 
toenig ®pag mad^t? SSie mag ber geifireic^e Wann t)tv^ 
fto^Ien I&d^eln, toenn bie J£on5ertbefud^er in il^ren 
Programmen nerüSS ^rumfuc^en, bei toetd^emXaft @ulen« 
fpiegel an ben ®algen herauf gejogen toirb, ober loo im 
3arat^uftra »bie ipintertocltler" aufhören unb „ba8 
Äapitcl t)on ber SBiffenfc^aft" beginnt, ober toann fie auf 
baS ir^eitige Sad^en" unb toann auf baS „SJZotit) ber 
SBerad^tung'' aufzuraffen ^aben. Staum bürfte ^ttxn 
@trau§ eineä ber treffenbften Slp^oriämen feineS SReifterä 
92ie^f(^e un6efannt geblieben fein, loeld^eS lautet: „Snt 

^anBIttf, Ku8 neuer unb neueftet Seit. 4 



50 <2&. ^anslirf. 

SScr^Itnig jur aKufi! ift aHe aKitteilung burd^ 
SBortc t)on f^amlofer SIrt; bag SBort öerbfinnt unb üer« 
bummt; bad !S3ort eittpetfSnlid^t; baS SSort mad^t bad 
Ungemeine gemein." 

Sdj toax fc[t überzeugt, ber berühmte Autor fo 
öieler f^mp^onif^er JBitberbüd^er fte^e längft ienfeitö 
üon So6 unb Xabel unb blide auf t)erein)elte nid^t ju« 
ftimmcnbe ffiritifer mit bem Oleid^mut be8 rid^tigen Über* 
menfd^en l^erab. Siad^ bem Sriafe an feine getreue ^upU 
ftabt ®xai fd^eint bied febod^ nid^t ganj ber ^aS ju fein, 
greunblid^ lobt er, bie i^n loben, unb bitter tabelt er bie 
Xabler. 3)ag ift ja „menfd^lid^, aüjumeufd^lid^", Sliemanb 
toirb eg i^m verübeln. §übfd^ »äre ei^ aber bod^, toenn 
ber mufifalifdCie ^offaplan 3^i^^t^i^fttad aud^ ber äBeiSl^eit 
eine^ freilid^ fd^on unmobemen beutfd^en ©ic^terö fein 
Df)x leiten tooHte: 

Stif fprad^ griebrid^ SR ü dE e r t : 

UnftQtt^aft iii% tüillft hu baS 2ob 
9(tö bare SRün^* einnehmen 
Unb bann ^um S^abel frauS unb grob 
ffliä^i glett^fallS bid^ bequemen. 
(EnttDeber beibeS ober feind 
^ugt bu in [Re^nung f^reiben, 
Unb immer »irb baS grQcit eind: 
^ein eigner ^ert bir bleiben. 





n. Jlbltltuna. 

Jion$erfe. 



„a:udfei". 

Orutottttin nun JDeter fietiott 



Sita im 3uH 1880 SBrüffet ba« fünfeigififiriflc 3«- 
ini&ma faet btlgifi^en Unab^ängigfett feierte, ftanb obenan 
unter ben mufitolifi^en gefttiiiileiten ein Oratorium Oon 
?Peter SBenoit ,De Oorlog" (Sei SWeg). 3cf| [djämte 
mi^ ein tvettig, ben S^amen biefeS fiomponiften nie jubor 
ge^rt ju ^aben, ber ringä um mid) I|er mit @toIj unb 
99egeifterung genannt mürbe. ^n(ic^ mag eS ben meiften 
SBienern ergangen fein, als fie am legten Sonjertfonntag 
ein Dratorinm ,Suctfer" »on öenoit angejeigt lofen. 
S3ieQeic^t fann meine ältere SeFanntfdiaft einiget beitragen 
jur Orientierung über baS neue SßJer! unb feinen Autor. 

3)ie Slufffitirung Von SenottS „Oorlog" fanb bamalS 
in SBrüffel in bem fi^ttigen „^arc Seopolb" ftatt, mo für 
biefen S^"^ tin loeitläufifler, an 6000 ^ßerfonen faffenber 



62 €b. QansHcf. 

^otibau errichtet xoax. Stuf bent ^obtum fianb eine impO' 
fante ©dnger^ unb aJZuftferfc^ar Don 800 bxi 1000 ^pfen. 
^cter Senoit birigicrte. @ine ^erfulifc^c ®cftalt mit ettoa« 
breitgejogenem, aber audbru(fSt)oIIeni ®eftd^t, baS unter bem 
langen, glatt ^erabfaHenben $aar gar ffi^n breinfd^aute. 
©0 mochten loir und einen ftreitbaren Dldmifd^en fßolt^ 
tribun, etwa Sacob öan Srteöclbe, öorfteÜen. §alb Snt«« 
tperpen (ber ^au^tft| ber Dlömifc^en S3en)egung unb SSol^n« 
ort beS ffiomponiften) toar im Äonjertfaale mittoirlenb ober 
juWtenb toerfammelt, ber Seifall ent^ufiaftifd^, Dom $ßatrio» 
tiömuö förmlid^ er^i^t. SenoitÄ „Dorlog* fd^ilbert ben 
Ärieg; nid^t einen rtfimifciien, fonbern einen gonj abftraften 
Ärieg, ben Jhieg an unb für ftd^. S)er $ßoet (Dan SeerS) 
]§atte eö leiber öerfci^mä^t, feinem ®cbid^t irgenb einen 
beftimmten lofalen ober l^iftorifd^en ^intergrunb ju geben. 
Slnftatt ein fo realiftifc^e^ S)ing toie ben Ärieg burd^ reale 
^äfte tior und entfielen unb bejn^ingen ju laffen, umgiebt 
uns ber ?ßoet mit Armeen Don (grbgeiftern, Sid^tgeiftem, 
©pottgeiftem unb bergleid^en altmobifd^em ^ßadt ©iefer 
gefcfimadEIofen S^imSren bebarf eS toa^rlid^ nici^t, um bie 
©d^reden be8 Kriege« noc!^ ju er^ö^en. S)er erfte Xeil 
beS „Dorlog" feiert ben grü^Iing; mit gefd^idter jCon* 
maierei, o^ne redete grü^IingSftimmung. 3m gweiten Xeil 
bereitet ftd^ ber Ärieg Dor. S)er ©pottgeift Der^ö^nt bie 
Übergebung beS fid^ mdd^tig bünfenben SWcnfd^en; er ent* 
fenbet gegen fie feine S)ämone Siferfud^t unb äWifetrauen. 
S)er griebe entfliel^t. 3iun entfeffelt ber britte Seil alle 
®reuel be« Äriegeö; ©d^Iad^tenmalerei in großem ©til 
unb greQften garben. Vergebliche Hoffnung, eö toerbe 
toenigftenS ber öierte unb le^te 2;eil un8 Don biefem SHp 



„Cncifer* von Benott. 53 

beS (Sntfe^Itd^n befreien. 9{eue8 ^o^ngeldd^ter beS ®^ott^ 
geifteS. Seid^enraub auf bem ©d^tad^tfelb, SRöc^eln ber 
ißertounbeten unb fo fort, bx& enblt^, ganj julegt, ein 
Sngeld^or mit ber SBer^eigung ,,e)mgen ^rieben?" bem 
®reuel ein @nbe mad^t 3)er „Dorlog" bauerte üon 2 
bid 6 U^r unb f)at mic^ tro^ einjelner ©d^ön^eiten mit 
einem peinßd^en Sinbrud entlaffen. (£8 ^errfd^t barin 
eine 9)?agIofigfeit unb Übertreibung, bie einem j[ebe ^reube 
an bem unleugbaren Xalente beS ftomponiften Derbirbt. 

S)a8 ieftt in SBien gcl^örte Oratorium ^Sucifer", 
bereits üor 33 Sauren in JBrfiffel aufgeführt, ift trofebem 
auger^alb 99elgiend fo n^enig toie ber „Dorlog" populör 
getoorben. 3n feiner SSiener äRufif^anblung mar meines 
SBiffenS ein (£jem^)Iar beS „Sudfer" aufjutreiben. „^ßeter" 
(nic^t me^ ^ierre) SBenoit, ber angefe^enfte Stomponift in 
(Belgien, ®rünber unb 3)ireftor beS JtonferüatoriumS in 
Slntmerpen unb muftfalifci^eS ^aupt ber Dlfimifd^en SBetoe^ 
gung, ift in S^eutfd^Ianb faum bem 9{amen nad^ befannt. 
hingegen feiern i^n feine t)I&mifd^en SanbSleute mit jenem 
©nt^ufiaSmuS, toelc!^er „intereffanten ^Rationalitäten", b. \). 
foIc!^en, bie in ber ftulturtoelt fid^ erft burd^feften muffen, 
allüberall eignet. 3n l^od^gefteigertem nationalen ©elbft» 
gefü^I Derfd^mä^t eS SBenoit, feinen Oratorien unb Opern 
eine beutfc^e, franjöfifd^e ober italienif^e Überfefeung, fei 
es aud^ nur auf bem Titelblatt, beizufügen, unb fo blieben 
benn feine 993er!e bisfang auf ben engen StreiS ber SanbS« 
mannfd^aft befd^rdnft. SBenn eS bem 51'omponiften red^t 
ift, ber mufifalif^en SBelt unbefannt ju bleiben, fo fyxt 
er ja red^t. 3)ie SBogen beS nationalen Snt^uftaSmuS 
mad^en aber merfmürbigertoeife immer Dor ben ^üren 



54 <Eb. Qatisitcf. 

bcr Serlcgcr $alt; bicfe fürd^tcn, bic großen Soften nid^t 
^creinjubefommcn üon bcm rclatiü fletncn „nationalen" 
$ßubKIum. SBenoitg Dratorien „Suctfer" nnb ^5E)cr ffiricg*' 
mußten eine gute SBeite »arten, e^e fie im ©tid^e erfd^ienen. 

3Ba^r[d^einIic!^ I^ätten toir aud^ jegt, nad^ breiunbbreißig 
Sauren, ben ^Sucifer" in SBien nid^t ju l^ßren befommen, 
toäre nid^t öor lurjem ber öerbienftöolle S)üffeIborfcr 
SWufifbireftor SuKug SBut^g mit einer beutfc^en Ü6er* 
fefeung biefei^ Oratoriums ^erüorgetrcten. 9iun erft fann, 
aQerbingS ettoaS ]p&t, ber SSomponift Senoit ju unferer 
Kenntnis gelangen. 9?ationaIe @ng^erjigfeit l^at baS biSI^ 
Der^inbert. SBir l^aben ja ä^nti^e Seifpiele in nac^fter 
3l&i)^. SBer fennt außerhalb ber äRauern ^agS bie ioi^U 
reid^en cjedEjifd^en Dpcrn unb ©efänge, bie bort mit Sei«» 
fall gegeben unb mit SSerad^tung jcber Überfefeung gebrudCt 
ttjorbcn finb? SBer fennt felbft üon S)öorüf — ^eute, 
S)anf feinem ^Berliner SBerleger, eine europSifd^e JBerü^mt^ 
^eit — ■ feine frfil^eren, nur mit cjed^ifd^em Sejrt unb 3;itel 
in 5ßrag erfd^ienencn SBerle, toie bie reijenben „S)uettc auS 
SRfi^ren"? 9?odö fd^ttmmer fte^t e8 um bie ruffifd^en 
Dpern, beren S^cjt toir nid^t öerfte^en, ja ber c^rillifd^en 
£ettem toegen nid^t einmal bud^ftabieren fönnen. SBon 
Olinla unb Sfd^aifotoSl^ finb nur jene Dpem über 
SRußlanb ^inauSgebrungen, bie, toie „^a^ Seben für ben 
ßjar* unb ,@ugen Dnegin", eine beutfd^e ober franjöfifd^e 
Überfe^ung auftoeifen. S)aÄ OleidEjc gilt bon ben Dptm 
©metanaS unb ^borafS. 

SenoitS „Sucifer"' ift ein 6c[d^eibenere8 ©eitenftüdE 
jum ^^Dorlog"; nidEjt fo farbenreich unb toed^felöoü, toeniger 
lang unb ettoad toeniger langtoeilig. @8 fd^tlbert ben 



„Cnctfer* pon Bctiott. 55 

„Äampf beg Sid^te« mit bcr Sinftcmig". SSortrefflic^c* 
%f)ima für eine ^ßrebigt ober ein ©rbauungSbud^, aber 
ald bloge Sniegorie bod^ etn^a^ bürfttg für ein grogeS 
fionjert. ©in breiteiligeg Dratorium, in toeld^em gar feine 
SRenfc^en auftreten, fonbern nur ©ngel unb Seufel, be- 
rührt und mobeme ©terbficiie gar frembartig. 3n ^a^bnä 
„©d^öpfung" unb SRubinfteing .^ßarabicg* präfentieren ftd^ 
n)enigftenÄ im britten 2;eil Sbam unb ©öa afö SSerlobte. 
SBad SRubinftein in ber einleitenben erften ©cene feineä 
^^Dämon" fc!^ilbert, ift bei Senoit ju einem großen Dra* 
torium auögeftredt. S)a bleibt t)on Slnfang bii^ ju ©nbe 
ber ©atan bie einzige l^anbelnbe ^erfon; alled um i^n 
^er ift ©^or, nur öon n^entgen ©otofteHen unterbrod^en. 
S)ag toirft auf bie Sfinge ermübenb; ber 2;ejt bietet feine 
Äbtoed^Slung, fogar bie SJi^pofition ber brei 3;eile bleibt 
bie gleid^e, Snt erften Seile fommanbiert Sucifer bie ©le* 
mente: „Sluf, Oeift ber ©rbe! 9luf, ®eift beg SBafferg! 
Stuf, ®eift beö geueri^!'' ©te foHen bie STOenfd^en jur 
©mpörung gegen Oott antreiben. 3m jtDeiten ruft er 
abermals: ^©rbe, geucr, SSaffer!" S)ie ©erufenen er* 
fd^einen unb melben, bag fie nid^tS auSgerid^tet l^aben. 
S)en britten 2;eil eröffnet Sucifer, o^ne bie geringfte 8e* 
forgnig, langtoeilig ju toerben, abermals mit bem Aufrufe: 
„©rbe, türm' Serge! SBaffer, fpei' ©tröme! g^uer, bem 
©d^Iunb entfteig'!" ©tatt be8 anbefohlenen SSernid^tung^*» 
fpeftafetg ertönt aber ein frommer ©l^or: ,,§oftanna! ®ott 
bem ^rm bie ©^re!* S)er ©atan ift befiegt, toie jeber 
gläubige ©l^rift üon aQem Stnfang gen^u^t l^at, alfo je^t 
o^ne befonbere Überrafd^ung Don ben iubilierenben ©ngeln 
erfährt. S)ag ift ber üollftänbigc Sn^alt be8 ©ebid^te«, 



56 C^. Qansitcf. 

bai ftd^ burd^ eine betPunberungiStDürbtge ^untel^eit ber 
Button bei aSereinfac^^ftem Sn^alt ^erüort^ut. Jteine t^rage, 
ba% biefe traurige SintSnigteit beS ^oemi auf bie $^n« 
tafie beS SSom^onifien bruden mu^te. Uberrafd^enbe Jtou« 
trafte, leud^tenbe garben, finnlic^er SRcij toaren l^ier 
faft auggcfc^Ioffcn. 3" ^^^ getoiffenl^afteften 3;reue gegen 
biefe unbanf bare Sid^tung gefeilt fic^ bei SBenoit aud^ nod^ 
bie SSorliebe für ^Sufige SBieber^oIungen bei übermdgiger 
SluSbe^nung ber einseinen SJZufif ftfide. Sro^bem erfüllt uni^ 
S^enoitd ftrenge fünftlerifc^e tlberseugung unb bebeutenbed 
jtSnnen mit aufrid^tiger ^od^ad^tung. SUS SReifter be« 
l^errfd^t er bie ntufifalifc^e tS^vm, bai Drc^efter unb ben 
®efang. ÄI8 bcften SSorjug feincS SBerfei^ em^finben toir 
ben 38o^{fIang unb SBoHflang feiner S^öre. 3)a ift aSeS 
ftintmgemfijs unb d^orgemäg gebadet. @benfo fd^ön flingen 
bie ©olo* Quartette. SWit melobifd^en JBIüten »irtfd^af tet 
Sucifer leiber fc^r fparfam, unb bie wenigen l^crüorfted^cnben 
toirb man fd^toerlid^ originell finben. Stm onf<)rec^enbften 
toirfte ba8 5arte 3;cnor'©oIo in A-dur unb baiS grauen* 
3)uett in H-moU, beibed in ber jiDeiten 3[bteilung, bie 
überhaupt am meiften t^rifd^e atmet. 3Bad n)ir an 93enoit 
öermiffen, ift baS fd^arfe ®epränge ber ^erfönlid^feit, bie 
Urfprünglid^feit ber (Srfinbung. Qx ma^nt oft nac^brudt^ 
lid^ an ©d^umann unb äJJenbetöfo^n, mitunter aud^ an 
SBeber unb SRarfd^ner, bereu ftfirffter Sinfluft ja in bie 
em^fdnglic^ften Sugenbjal^re beS je^t 66j[d^rigen ftontpo« 
niften fäQt. SBaS bie 3"'^^^^^ ^^^^ ^^ bcgierigften er* 
toarten mochten, ber nationat^üldmifd^e S^arafter, jeigt fid^ 
am aUertpenigften. 3d^ !onnte baüon im ^Sucifer" ebenfo 
toenig entbeden, aö frül^er im ^Dorlog*. ©injelne ©^öre 



^ranjöfifc^e (Drc^efierfompoiitionen. 57 

Don anbeten Belgifd^en Stomponiften fd^tenen mir bamali 
bie etgentümlid^e %opostapf)it Düffels tpiebersuf^tegetn: bte 
ariftof ratifc^c obere ©tabt frangßfifd^, bie bütflerlic^e untere 
Dlfimifc^. 3n ©enoitS SKuftf ^ört man n)eber gransöfifd^ 
nod^ SBIämifd^; fie tft oben nnb unten 3)eutfd^. 

3n SBien tourbc „Sucifer'' mit großer Slufmerlfamfeit 
gehört unb ac!^tung8t)oII, ol^ne befonberen (Snt^ufiaSmuS 
aufgenommen. Dbgteid^ baS Oratorium einen gifinjenben 
erfolg nid^t erjielte, finb toir bod^ für beffen Selannt* 
fd^aft banfbar. ^ie 3lu&toafjil ))on neuer Oratorienmufif, 
bie ein großer S^orüerein neben ben flaffifd^en SBerlen 
boc^ nid^t entbehren fann, toirb feit ^ecennien immer ge« 
ringer. ^ireftor ^erger ^at und aSmä^Iid^ mit bem 
beften ober toenigftend renommierteften befannt gemad^t, 
toad mobeme Jtom^oniften in biefem f^d^ geleiftet: „^it 
©eligteiten" öon (S^far grandt, „grancigcuä" Don ®. 3;inel, 
„(Soa" Don SKaffenct, .S)ie ^eilige SubmiHa** oon 3)Dofaf 
unb j|e|t „Sucifer**. ®er alte 5ßeter SBenoit ift ein inter* 
eff anter (S^arafterlopf, bie erfte SRotabilität in feinem 
JBatertanb, ja bereit« eine muftf^iftorifd^e $ßerfönlic^feit, 
Don ber eS fid^ gejiemte^ enblidC) auc^ in Dfterreid^ einmal 
9!otii ju nehmen. 



Z\ati (^tgeftetfionsette 

Itx Ferren ttabaub mtb b'OiUn^ 

[im.] 




^toei liebendloürbige junge ^ranjofen, ^enri 9la« 
baub unbäRajrb^DUone, reifen als Stonjertgeber eigenS 
nad^ SBien — um, merfwürbig genug, unS toeber i^re Storni 



58 <e^. ^anslid. 

pofittonen, nod^ i^te Sirtuofit&t ju jeigen. Unb bod^ finb 
beibe burd^ i^r eigenes %aUnt in $ariS rü^mlid^fi 6e« 
fannt: SRabaub fpejieS als ^omponift, b'DIIone über« 
bieg als trefflid^er Slaöierfpielcr. S^re Äunftreife Derfolgt 
lein egoiftifd^cS, üiclmel^r ein patrioti[d^»!ün[tIcrifd^e3 Qiü. 
@ie tPoQen und mit einer SluSiual^I bed 8eften befannt 
marinen, toad franjöfifd^e Sonbiciiter in neuefter 3^^ 9^ 
fd^affen ^aben. SBo^Igemerft: in ber Drd^efter^ßompofition. 
?ßari[er Dpern*9ioüitäten ^olen toir unö ja felbft. SBon 
franjöfifd^er Drdicftennufif hingegen lennen toir n^enig. 
@ie ift SWufif ber neueften ober boä) neueren Qüt 9Kan 
fann (Don bem längft öergeffenen ©^mpl^onienjopf Ooffec 
abgefel^en) Serlioj ben erften Ord^efter*Äomponiften %xanU 
reici)^ nennen, ber ^zit unb bem SRange nac^. Sluf i^n 
folgt erft ©aint*©QeniS mit SnftrumentaltDcrfen größeren 
Umfanget, toeld^e über granfreid^ ^inaud ißerbreitung unb 
Erfolge errungen ^aben. äBeitauS bie größte fOltfycffifjl ber 
franjöfifd^en unb itaüenifdEjen Äom^joniften toibmet [td^ ber 
Oper ober bod^ ber SSofalmufif. ^er ®üben lebt unb toebt 
im ®efang, [dE)todrmt für ha^ Sl^eater. (£rft in neuefter 
3eit meieren fid^ SSerfud^e ber granjofen in f^mp^onifd^er 
unb Sammermufif. 2)iefe @p&tliebe fließt aud üerfd^iebenen 
Duellen jufammen. ^mx^t au« ber SBere^rung für SSerlios, 
ber, bei Sebjeiten ignoriert ober öerfpottet, feit etwa 
25 Sauren bie begeifterte Siebe ber granjofen genießt. 
2)ann au« ber regeren 93efd^aftigung mit beutjd^er aJtufif, 
inSbefonbere mit 993agner. ^a« ungeftüme Xemt)erament 
ber ^ranjofen rüdt aud^ in ber ^nft bie ©egenfd^e l^art 
aneinanber. SKan erinnert fid^ ber f rud^tlofen Änftrengungen 
äßagnerS in ^axxi unb beS fd^md^Iid^en 2)urc!^faQe« feine« 



Ptncent b'3nby. 59 

„%ann^avi'\tx'' , Scfet treibt bie SBagncromanic bort bic 
tpunberßd^fien 8Iutett; nid^t nur tperben in ber Oper 
i^So^nflrin" unb ^S)ic SKeifterfinger'' bejubelt, nein, im 
Stonsertfaale fßlt man ganje, unenblicf) lange STfte Don 
„^iriftan" unb ben „SRibcIungen'' gebulbig au8, ol^ne ipanb* 
lung, o^ne ftoftüm unb ^eforotion. SBie ftorf Sßagner 
auf bie neue frangö[i[d^e ©d^ule, auä) in ber Snftrumental* 
mufif eingetpirf t ^at, ben^eifen S^abrier, b'Snb^, 93runeau u. a. 
Sud^ bie ©d^toierigfeiten, neue Dpern in ?ßarid auf bie 
Sü^ne ju bringen, treibt bort ))iele jüngere Jtomponiften 
jeittoeilig ber Snftrumentalmuft! in bie SIrme. Aber jur Dper 
brdngt eS fie bod^ alle — alle mit Sludna^me S^far ^randd. 
(£« ift eine ftattfid^e 3^^! jüngerer Drd^efter^ffiom^jo* 
niften, toeld^e in bem (auf jtoei ^onjerte Oerteilten) $ro« 
gramm ber Ferren SRabaub unb b'DIlone ju 3Bort 
fommen: SKaffenet, ©aint*@aeni^, grandC, S)uboi8, 
b'3nb^, S^abrier, SBruneau, Salo, S)ula«. 3)ie 
brei erftgenannten SReifter braud^en toir unferen Sefern 
nid^t erft borjufteSen; ebenfon^enig bie mit Heineren jilaoier« 
ftüdten bertretcnen SBijet unb S)elibe8. 3)a8 erfte ffion jert 
begann mit einem ©^mpl^oniefa^ ))on Vincent b*Snb^ 
.SBaQenfteinö Säger", ©d^iöer« Sragöbie ^at e8 i^m 
offenbar anget^an. SBor ettoa 25 Salären toar b'Snb^ im 
Concert populaire mit einer Duücrture ,Les Piccolomini* 
^erborgetreten; jefet bringt er feine „Xrilogie SBaHenftein", 
beren erfter ©ag bad Sager fd^ilbert, n^d^renb ber jmeite 
„SKaj unb Sl^ella*, ber le^te „aSallenfteing 5&)b'' bc^anbelt- 
®inen beutfd^en SSorganger befiftt b'Snb^ in Sofep^ SR^ein«' 
berger, beffen SBaIIenftein-©^mp^onie toor 20 Salären 
unfere $ß^tI^armonifer mit beftem Srfolg gefpielt ^ben. 



60 €^- ßanslxd. 

993ie in 9fl^etn6erger8, fo f^at anä) in b'Snb^ ftom|)ofttion 
fic^ bai »Saget* olS ber n^itffamfte ©ag betpäl^rt unb nrirb 
felbftfinbig in mand^en Stonjerten aufgeführt b'3nb^ fc^eint 
me^r an ©atand Sager gebadet ju ^aben. ^ai ftnb nid^t 
luftige SBaÜenfteiner, bie ftarten fpielen unb mit 9)tdbd^en 
fd^erjen, f onbern erbofte Teufel, mlä)t einanber mit glü^enben 
3angen itptdten. 3^r ©c^reien unb fBruQen ift täufd^enb 
nad^gea^mt; ein $en in meiner 92ä^ moKte fogar ben 
®erud^ beS üerfengten t^eifd^eS üerfpuren. @in ©^ntp^onie** 
©d^erjo badeten tpir uniS tpenigftenS ein^eitli^ geformt, üon 
feftem 9flal^men umfd^Ioffen. b^nb^ hingegen bietet und 
ein tDfifteS 3)urd^inanber üon Xonarten, 9i^^t^men, SKang« 
effeften, fein SBilb, f onbern eine 9flei^e Don f^rbenfledEfen. 
®ie Stapujiner))rebtgt, für bie Si^inberger mit einem ^gott 
auslangte, exponiert b'Snb^ in einem ^ugato ))on brei 
f^gotten. Sin falfc^er, erquälter ^umor, mie er aud^ an 
anberen ©teilen in brutalen ©pägen fid^ ergebt. Unb 
boc^ mangelt biefem 3ut)iel eined: ber militärifd^ ®eift. 
©n furje« SKarfd^motiü für 2;rommeI unb ^Pfeifen, eine 
^erj^afte 3;rompeten*ganfare, unb toir toü^ten, too toir 
und befinben. 9[ber nid^td bergleid^en in b'Snb^S tro^ 
aDen SfirmS bod^ nid^t d^arafteriftifd^em Sagerbilb. @d 
t)erfte^t ftd^, ba^ b'Snb^ mit Seitmotit)en arbeitet, bem 
^^eilmittel ber 3ung«3Bagnerianer. @tn ben SBaSenftein 
DorfteQenbed SRotiD t)on furjen jtDei ^ften erfd^eint in 
aDen brei ©fi^en; bem Programm jufolge bebeutet ber nur 
aus brei fftottn (fis, g, fis) befte^enbe erfte Xaft ,,bie 
l^errfd^enbe Sbee im S^arafter SBaHenfteinS, ber jtoeite 
Salt feine ^©c^idtfalSibee". 3" i^iefen 5tt>ei ,,3been^ fe^It 
leiber nur eine britte: bie muftfaUfd^e. ©d^abe! 



(El)eo5or Dnbots. 61 

9Bic b'Snb^, fo ift au^ SE^cobor S)u6ot8 für SBicn 
ein neuer iTOann. ®e6oren 1837, ^t ^uboiS längere 3^^ 
atö Drganift an ber 9]?abeleine getmrft, bis er ^rofeffor 
unb fd^Iieglid^ 3)treftor beS ^arifer jtonfertmtoriumd tDurbe. 
SStr fürten Don biefem in allen 3^^8^n äberaud fruc^t« 
baren Stom^oniften ein SdaDierfonjert in F-moU, unt)er« 
gfeid^Iid^ fc^ön gefpielt Don ^rSuIein Slotifbe jtleeberg. 
3m Programm toar ber $(a^ für 3)uboii^ gut gett)5^It; 
unmittelbar nad^ b'Snb^i^ ^ejrenlager befreunbet man fic^ 
tt)inig. mit einem iD?anne, ber, toenn aud^ o^ne reid^e 
^^antafte, bod^ in flaffifd^er ©d^ule gebilbet, bie ^orm 
bel^errfc^t, bie ^nftmittet meiftert unb für feine äRuftt 
tt)eber ein eri&^IenbeS ^^rogramm noc!^ aufbringlid^er Seit« 
motit)e bebarf. 3)uboid ift in ^armonifd^er unb fontra** 
punftifd^er (Snttoidelung feiner Sbeen ftfirfer, atö in origi** 
neßer ©rfinbung berfelben. STOandEjei^ in feinem F-moll- 
ßonjert erinnert an äRenbelSfo^n (®c^er5o), mandCie^ an 
ben früheren Seetl^oüen (Slbagio), aud^ ©rüge Don S^opin 
unb ©d^umann blieben nid^t gfinjUd^ au8. 9SaS obenbrein 
biefed Sponsert l^eute f^fibigt, ift bie etn^aS veraltete, an 
Rummel unb 9J{ofd^eIe8 erinnernbe StlaDierted^nü, bereu 
©lanjpunfte nid^t über einige Sriüerfetten, @falenl&ufe 
unb Strpeggien in geraber ober ©egenbekoegung ^inauS» 
ge^en. 92eu ift bie Stellung, loeld^e ^uboid ber ^^Sabenj" 
antocift: ein lange« ©olo ju Slnfang be8 ginaleS. SKe^r 
fiorbeerlrfinje bürfte S^uboiS ^eute aU JtonferDatoriumd* 
S)ireftor ernten, toenn feiner fünftlerifc^en Slutoritdt eS 
gelingt, einige feuerfpeienbe Sünglinge oor bem legten 
2(bfturie ju retten. 

§luf ^uboie' me^r bibaftif^ed a(8 poetifd^ed ^onjert 



62 <2^- ?iansM. 

tDtrfte als boppelt pifanted ©egenftficf eine fletne Drd^efter« 
©uite öon Sl}la[fenet: „Seines alsaciennes". S)ie crftc 
bicfer brci anfprud^^Iofcn ®Ifä[fcr Sb^IIen fd^ilbcrt ba« 
fcftßd^ müßige treiben am ©onntag SSormittag in einer 
Keinen @tabt 3)Qrauf folgt ald jn^eited SBilb ber ^9(6enb 
im SBirtdl^aui^'': eS fd^Iagt ad^t Ul^r, einige furje Xrommel^ 
nrirbet nnb ^rompetenftfige ertönen, unb bie ganje Sugenb 
marfd^iert üergnügt hinter bem franjöftfd^en ßopfenftrcid^. 
3um ©d^Iuffe bie ©ccne ^unter bem Sinbenbaum**, ein 
j&rtlid^ed ^uo jn^ifd^en SSioIonceHo unb Klarinette. S)ie 
©täde finb f&mtlid^ furj unb intereffant SSäl^renb bie 
beiben erften öcrfc^tpenberifd^ umgel^en mit bem fd^arfcn 
^armonifc^en unb rl^^t^mifd^en ©etpürj, o^ne toelc^eS ber 
moberne granjofe nun einmal nid^t hefteten fann, erfreut 
bad britte burd^ ungetrübten SSo^Uaut unb jarte @mpfin« 
bung. S)er füfee Sinbenbuft öerfefete bie 3"^^^^^ ^^ ^^^ 
tt)o^Iigfte ©timmung. Keinem Don ben getoaltfamen grogen 
Drd^efterftüdtcn biefeg SlbenbS ^at einen fo ftarfen, ein« 
mutigen S^eifaH hervorgerufen, toie biefe^ !(eine ®enrebUb. 
S)ie C-moll-©^mp^onie öon ©aint^©aen3 (SRr. 3) 
geniest in granfreid^ beim ?ßub(ifum toie bei ber Jtritif ein 
ungemeine^ Slnfe^en. ^a^ SBiener ^ublif um trat bem neuen 
SBerfe mit au^gefprod^ener ©^mpat^ie entgegen, ^at eS bod^ 
fcincrjeit an ©aint»'©aeng' gciftreid^en Xongemfilben ,,2)cr 
^iotentanj'' unb „S)a8 ©pinnrab ber Dmp^ale", bann an 
jtoei effeltöoÜen ffilaöicrfonjerten aufrid^tigeS ®efaHen ge^ 
funben, auc^ ben Slutor ald eminenten KlaDierfpieler unb 
DrgeI*SSirtuofen fd^d^en gelernt. 9Kit berC-moll-©^mp§onie 
trad^tet ©aint*©aen8 feine früheren SBerfe nid^t bloß an 
(M)alt unb Umfang, fonbcrn aud^ burd^ Steuerungen in 



Sympltonte von 5atnt«5aens. 63 

ber ^orm unb ben SluiSbrucfdmttteln ju überl^olen. @eine 
©Qm^^onie f)at (lojs jtDet @&^e, in tpeld^en nd^ere 8e^ 
trad^tung aUcrbing^ bie alten öicr ©äfec in f orgfamcr SScr^ 
pQung H)icbcrfinbct. S)cr erfte SHIegrofa^ übcrfKcfet in bad 
Slnbantc; bic 5tpcite Slbtcitung ^eftct baS gtnale unmittel^ 
bar an ba^ ©ciierjo. aSicQcid^t ein S^tf^wi^i^n^ang mit 
ber SBibmung biefer ©^mpl^onie an Si^jt, beffen „©^m* 
pl^onifd^c S)id^tungen" brci ©äfee öcrfd^iebenen ß^arafter^ 
in einen bcrfd^meljcn ober üielmel^r aneinanber reil^en. 
SMe jtoeite Sicuerung betrifft bad Drdiefter, ba8 ju bem 
ftärfften Slufgcbot aller geMud^Iid^en Snftrumente aud^ 
noc^ bie Drgel unb baö Älatoier l^injufügt S)ie SKit* 
toirfung beS Älaüierd (einige rapibe Xonleitem in ^ol^er 
Sage) ift babei fo gering nnb überflüffig, baß man fie 
o^ne ©d^aben ganj ftreid^en bürfte. SSSirffamer ift bie 
Orgel ))er)penbet, unb jn^ar nid^t ettoa gleic^bered^tigt ober 
fonjertant (toie einft in ^erbedg ©^mp^onie), fonbern 
toei^Iid^ nur jur Unterftüfeung einjetner befonberä toid^* 
tiger, feierlid^er ©teilen. ©aint*©aeng bctodl^rt fid^ in 
biefem SBerfe neuerbingö ate ein glänjenbe^ 2;alent; für 
ein »al^r^aft fdEjöpferifc^c^ l^aben toir i^n nie l^alten 
tonnen, S)ie Kombination, bie grübeinbe unb fünfteinbe 
Arbeit überwiegt boc^ ju empfinbtidE) ben freien gtug ber 
?ß^antafie, bie urfprüngtid^e ©rfinbung. SBir üermiffen in 
biefer aufgetürmten, rafttoiS betoegten S^onflut bie einfad^en, 
fd^Iid^t auftretcnben, J^erjerfreuenben ©ebanfen. SKand^e 
fd^öne ©injet^eit, eine güHe geiftreid^en S)etail8 unb lunft* 
öoffer] ©ifetierarbeit erregt unfere Setounberung — ba8 
©anje toirft mel^r bebrüdenb afö erl^ebenb. ©ainti»©aen8 
beugt feine ©^mp^onie nid^t unter ein beftimmteS „^xo* 



64 ^^. ttanslxd. 

gromm', tote ^eute bie meiften jungen SDtuftfer t^un, toeld^e 
bei ber S)id^tfunft unb SRalerei erbetteln muffen, toaS i^nen 
an eigener äßünje abgebt. ,^e n'ai Jamals 6t6, je ne suis 
pas, je ne serai jamais de la r^ligion Wagnerienne^', fo 
erflärt @Qint«@QenS in einer feiner geiftreid^en Stb^anb'* 
lungen. 3n ^ranfreid^ fflfß man i^n beS^a(b, fe^r mit 
Unred^t, fd^on ju ben 9leaftionären; in feinen gewagten 
Drd^efter *» (Sff eften, wie in ber Äuflöfung ber formen, ja 
oft ber ^orm überhaupt, er ift ganj mobern, jutoeilen bi8 
jum 9tet)oIutionär. 

S)a8 $ub(if um jeigte fid^ Don ber SRoüit&t me^r inter» 
effiert als wa^r^aft erwärmt. @ie ift in ber S^at nid^t 
leidet ju üerfte^en; au^ nid^t lei^t ju f fielen. $ier mfiffen 
wir ben beiben jungen 3)irigenten unfere üoQe SBewunberung 
audbrüdEen. @ie ^aben im ©nftubieren unb S)irigieren fo 
Iom|)Iijicrter, f^wieriger SBcrfc mit einem frcmbcn Drd^efter 
S(ugerorbent(ic^ed geleiftet. $enri 9labaub unb Ttas 
b'Ddone jä^Ien ^eute fc^on ju ben gefd^idEteften S)irigenten 
unb SDtifftonären i^reS äJaterlanbed. 

^ai legte Drd^efterftüdE im^rogrammwar bie Dut)ertüre 
jur Dper ^©Wenboline'' Don Smanuet S^abrier. S)iefe 
®wenbo(ine, ein fed^je^n jd^rigeS ^^ifd^ermabd^en an ber breto^ 
nifd^n Jtüfte, }ä^mt burc^ Siebe ben gewaltt^&tigen gelben 
^aralb. ^e beiben nehmen aber fein fo glüdtlid^ed Snbe 
wie i^r SSorbUb Sngomar unb ^art^enia; fte fterben ge« 
meinfam an Siebe, SJ'^orb unb ©elbftmorb. Vergebens ^atte 
ber Jtomponift jahrelang bad X^or ber $arifer ®rogen 
Oper belagert mit feiner ®wenboIine; aber SatuKe 
äRenb^d, ber ®enera(fonfuI beS ^arifer SSagnertumS, 
waltete feined %mted unb brad^te bie ^ilflofe ®wenboIine 



€m. (Lf{aBrter. 65 

in ben üerbunbeien ©tdbteit SJ'^find^en unb ^rteru^e unter, 
jum bitteren Setbmefen bed boxttgen $ub(if umd. ^ie ^arifer 
®xo^tOptt folgte 1893 mit bei Suffü^rung nad^. äBeniger 
aud SBequemlid^feit aii aui Un|)Qrtei[id^feit erlaube id^ mir 
baS Urteil jioeier ^od^angef ebener ^arifer ajhtfiffritifer, 
eined ö(teren unb eineS jüngeren, über S^abrierS Dut)ertüre 
5tt citieren. ^Ttf)\xt $ougin fd^reibt im SJ'^^neftrel: 
,y3n biefer Duüerture ^ört man gleid^}eitig bie SSioIinen 
freifc^en, bic Äontrabäffc brummen, baä 5ßiccoIo <)feifen, 
bie IBIe^inftrumente brüQen, bie S^mbeln ftingeln. SRiematd 
ffat man ein firgered ^urc^einanber Don SRoten erlebt ^ad 
ift ni^t mel^r aJhifif, ba« ift SoDwut.- — ^3)er fiärm in 
biefer Dutjertüre ift toa^r^aft peinlid^", ruft Dftaüe 
i^ouqu^ in ber 9let)ue be^ beujr SlZonbee. «9Hd^td fd^nier}:» 
^fter für bad D^r, atö bie (Soba, too bie ^ofaunen bad 
Sßal^aQat^ema beulen, n^öl^renb barunter bad ganje Drd^efter 
n)ütet. Df), biefe bidEe, bidEe, grobe SJ'^ufif! (Sine mit ber 
^dEe juge^auene 3Ru^\t 9ßie bie Harmonie, fo ift bie 
Snftrumentierung jum äugerften getrieben, bid jum SSa^n* 
ftnn. SBarum mu§ boc^ biefer Särm jebe Erinnerung, bie 
bai Sßer! in und jurüdEl&gt, übertäuben, fobag unS bie 
D^ren loe^t^un, fo oft toir nur baran jurüdbenfen!" SDtan 
l^at mir mangeinbe @^m|)atl)ie für Sung * granfreid^ Dor« 

gehalten. 3d^ n^eig mic^ gfinjli^ frei t)on biefer Sor^» 
eingenommen^eit; bie 9?ac^eingenommen^eit fann id^ aber 
ttid^t leugnen. S)ad Urteil ber beiben franjöfifd^en 
Sutoritöten bürfte meine (£m))finbung red^tfertigen« 

9^i(^t ben bebeutenbften, geioig aber ben angene^mften 
Seil bed franjöftfd^en fionjerted bi(beten einige Heinere 
ÄlaöicrftüdEeöonSBijet, 3)clibe«, gaurö unb ®obarb, 

^anllitf, KuB neuet unb neuefter 3ctt. 5 



66 ^2>. £^anslt(f. 

ml(f)t ^räuletn ftlotUbe ftleebetfl aud $arid mit un^* 
Dergleid^Iid^er SCnmut unb ^in^ett vortrug. Sl^r ©piel, 
btö ins Üeinfte detail üoQenbet unb t>on geiftreic^er Saune 

befeelt, xoat o^ne ^xa^z bei grögte ®rfoIg beS StbenbS 

^SBcld^ ganj anbcrcn ©influfe," fc^ricb ©aint*®aen8 
Dor funfje^n Salären, „fönnte unfere franjöfifd^e @d^ule 
gewinnen, toenn unfere jungen äRufifer ftc^ entfd^Idffen, 
tDeite 9ieifen ju unternehmen unb tofi^renb einiger Sa^re 
spioniere ber franjöfifd^en Äunft ju werben!" 3)iefen 
äBunfd^ i^red SD^eifterS erfüQen je^t bie Ferren 9ta6aub 
unb b'Odone. Db i^re äRiffiondreife bei unS bleibenbe 
®rfoIge jurücflaffen toerbe, fte^t ba^in — jcbenfaQg ift i^re 
^emu^ung, xfjx perfdnlid^eS Eintreten Don bem ^ublifum 
auf baS toärmfte anerfannt werben. 3^r iWeiteS Jtonjert 
begann mit ben bereits ju franjöfifc^en $aI6f(affifem ge*» 
bie^enen SCom))oniften S^far ^ranc! unb ©aint^'SaenS. 
@S fci^tog mit Salo unb S3runeau, ^ül^rern ber neueften 
@(^u(e, wenn man baS nod^ eine ©d^ute nennen barf. 
grandsD-moll-@^m|)^onie ift wo^t baS befte unter ben 
ton 9iabaub unb b'DSone birigierten umfangreichen SBerfen. 
S)ie Aufführung üon grandS ^©eligfeiten" gab mir t>or 
fur^em Slnlag, auSfü^rUd^ bon biefem in a)}ä^fa[ unb 
Sefc^eiben^t terlofd^enen Xonbic^ter ju f))red^en. ^ute 
geniest er in granfreid^ eine poft^ume )6ere^rung, bie 
oieQeid^t über baS richtige iDJag fc^on ^inauSftrebt. ©eine 
@^mp^onie im))oniert a(S ein SBer{ t>on ftarfer e^r(ic^er 
Überzeugung unb bebeutenbem 5tönnen. ißirgenbS ein eitles 
SBerec^nen fingeren SrfoIgeS, überall ber StuSbrudE geprägter 
Snbioibualitfit. S)ag biefe gar ju frei unb wiQf ürlic^ waltet 
im Stammen ber ®t)mp^onk, ift nic^t ju Der^e^Ien. SBo 



(£• ^tand ttnb SamUSaens. 67 

bcn Äoin^oniftcn ein SRotiö, eine S^Ö"^ flcrabe feffelt, ba 
lagt er traumenb, fd^toeifenb, p^antafierenb fid^ ergeben, 
o^ne 9tädEfid^t auf bie ^o))ortion beS ©anjen. ^S^andES 
©^m^^onie ift breifägig. 3m erften @age loed^feln unab^ 
laffig baS Sorgo ber Einleitung mit bem SHegro; ber 
$ßrer fommt ju feiner ein^eitlid^en ©timmung, bad ©tue! 
nid^t jum geraben @m^ortt>Qd^fen. S)er jloeite @ag bereinigt 
in ä^nlid^em 9ßed^[el Slnbante unb ©d^erjo; auS erfterem 
fßngt t)iel 3^^^ ^^^ SnnigeS. SDtit einem frfiftigen 
Sniegro-S^ema fe|t baS ginale ein, um aber forttoSl^i^enb 
ju 9temtniScenjen auS ben beiben früheren ©figen iuxM^ 
jugreifen. 3^ ^^^^^ SDtotit)e löfen einanber ab; ein 
bie ganje @^mp^onie bur^jie^enbed ^auptt^ema ift 
leiber nid^t plaftifd^, nid^t ^arafteriftif^ genug, um 
in aH feinen ^erfleibungen unb SSerbinbungen erfannt 
JU toerben. ^iefe Unruhe erzeugt im längeren SBerlaufe 
äßonotonie unb biefe äRonotonie toieber Unrul^e im 3^^ 
^ßrer. S)ie Snftrumentierung beutet üielfad^ auf S3eet^ot)en; 
fie li&lt fi(^ abfeitS üon ber ftlangfpielerei mie Don bem 
®etdfe ber jungen franjßfif ^en ®^m|)^onif er. SRur im erften 
@ag fäQt bie ftarfe SSern^enbung bed Sled^eS auf; bie S3ag«* 
))i)faune unterftreid^t ba jebeS einjelne SSort, bad ber 
Autor fprid^t. 

93on ©aint^@aen8 belamen loir abermals ein 
größere^ SBerf ju ^ören: fein Ätaöierfonjert in C-molL 
@S ift bem um bie Sinfü^rung biefeS SSomponiften 
t)erbienten ^rofeffor Slnton 3)oor getoibmet unb in Sßien 
bereit» befonnt. S)er jfingft gehörten C-inoll-®^m|)^onie, 
in toeld^er ©aint'@aen8 fid^ geloaltfam ^ö^er ftredt, a(8 
er geload^fen ift, jie^e id^ bad S£(at)ierfoniert o^ne loeitere« 



68 ^^* Qanslt(f. 

t)or. 3)te 9lücfftc^t auf bett ^iamften, ber bod^ gt&njen 
toiQ, ]^&It ben ftomponiften Don gelehrtem 2)uitlel unb 
\ä)totttn Äom})Iifationcn jurüd. 3)er JBIaDicr * SBirtuof c 
@Qint«@Qend bietet ^ter bem 2:onbtd^ter bie tettenbe ^anb. 
©einem feinen, erpnberifc^en Satent für SöaDier ^ ®ff elte 
öerbanft ba« C-moll-Äonjert me^r fieben unb garbe, at8 
bie C-moll-@Qmp^onie und ju bieten ^at. STUerbingd ftnb 
auc^ ^ier bie reijenben, geiftteid^en SRebenbinge toirffamer 
aU bie ^auptfac^e; bie ®efci^icf(id^feit größer qIS bie 
Originalität unb güße ber ©rfinbung. ^rdutein «lotilbe 
fileeberg \pkltt bod fe^r fc^n^ierige Jtonjert mit üoHenbeter 
©id^er^eit unb @(eganj. 9Sie fd^ön audgebilbet unb ber 
fcinften ©Wattierungen mäd^tig ift i^r Änf^Iag! Äud^ 
mit öier grajiöfen ©oloftüden öon ©uboid, gaur^, 
©aint-©aeng unb Gleite ß^aminabe erfreute und bie 
tiebenStoürbige ßünftterin. 

Sßeiter bef^erte unS bad Jtonjert ein paar neue 
Drc^efterftüdEe Don fialo unb S3runeau, jtoei ^ü^rem 
ber SSagner « ^ropaganba in ^arid. 93on @bouarb Salo 
lennen wir in SBien nur ein SioIonceß^Äonjert t)on ftarf 
gepfefferter Smpotenj, baS t)or ettoa itoanjig Salären ber 
5ßarifer SSirtuofe gifd^er l^ier bortrug, ©o gut er bod 
©tüdE au^ gefpielt ^at, man gratulierte fic^ inbrünftig, 
aU ed an^ toax. fialo l^atte 30 Saläre lang ed ju 
feinem @rfoIg gebrad^t. @rft am Stbenb feinet fiebenS 
täfelte i^m baS ®IüdE: feine Dper „Le roi d'Ys", bie er 
feit }e^n Sauren fertig l^atte, tourbe angenommen unb mit 
großem SBeifaH aufgeführt. ®r ^at bicfen ©päterfolg nid^t 
lange überlebt. 3)ie Oper felbft fenne ic^ nid^t, loeld^e 
(£. SBeHaigne ^eined ber fünf big fed^S SReiftertoerfe nennte 



^. £aIo nnb 2(. Bntneau. 69 

iDeld^e t^tontretc^ in ben legten 25 Sauren l^ert^orgebrad^t. 
S>ie Dut)ertüre fonnte loentg befriebigen. Unb boc^ l^at 
i^e ßonjert « Stuff ül^rung ber ganjen Dptx ben 9Seg ge« 
bal^nt! ^ie Einleitung, ein gefü^IIofed ^nbante ib^Qifc^en 
(S^arafterd, f ann man, o^ne bramatifc^e ®ebraud^Santoeifung, 
mufifaüfd^ genießen; aber e^ bauert nic^t lange, unb ein 
beifpiellofer ©peftafel Don S3Ied^inftrumenten unb groger 
5£rommeI ^aut aUed jufammen. @in fi^nlid^eS, nod^ 
berbereS unb unüerftänblid^ereiS Drd^efterftüdE ift bad 93orf))ieI 
junt vierten Sßt ber Dper „SKeffibor" üon Sllfreb SBruneau, 
(5r gilt für ben geuerbranb unter ben 5ßarijer SRobemen; 
fd^n^ört nur auf äSagner unb fomponiert nur ßola. ^rei 
D<)emftoffe ^at biefer ©id^ter §erm Sruneau geliefert: „Le 
reve", „F Attaque de moulin** unb „Messidor" — bur^auS 
@tüde, bie in ber ©egenloart, im mobernen Jtoftüm unb 
^ßd^ft reatiftifd^er Sßrofa fpielen. S)a« „Pr^ude** au8 
j^SKefftbor** toiU unS mit berfelben ©c^Iinge fangen, toie 
bie Dut>ertüre Don fialo: eS beginnt ganj menfd^Ud^, ja 
5art unb ib^Hifc^. SIber traue bem niemanb! 3)a8 @(^&fer« 
fpiel fpringt unt)erfe^enS in ein ©^(ad^tgetümmel über 
unb tobt mit S^rompeten unb ^ofaunen, mit SBeden, groger 
unb Seiner Trommel, bag unS $3ren unb @e^en üerge^t. 
@inen mufifalifc^ genießbaren ^rn loirb fc^toerlid^ Semanb 
l^erauSftnben. 2)ad heutige mufifalifc^e granfreid^ ift inS 
©jrtrem geraten. S)er ®eift ber franjöfifc^en 5ßrofa, 5ßoefie 
unb SKuftf toar e^ebem Klarheit unb Sogi! — mitunter 
bis jur erfältenben 9^üd^tem^eit 3egt ^errfc^t bort baS 
Gegenteil, unb unfer n^agnerif^eS junged 3)eutf erlaub ift 
t)on ben ^ranjofen toeit überl^olt. SBir mdd^ten biefe an 
einen il^rer eigenen ftlaffiler, an S)iberot, erinnern. SBon 



70 &. Qansitcf. 

t^m tft ber SluSfpruci^: ,,Le goüt de reztraordinaire est 
le caractöre de la m^diocrit^. Quand on d^sesp^re de 
faire une chose belle, naturelle et simple, on en tente 
nne bizarre." 



„IfftUSttge" t>w |i$;L — Siganion wn Santeait. — 

Stintp^onie t>w g. ^otl^. — junf ff fangt wn §• Pa^Ur. — 

«rSottta" 13011 §i;et. — ^1812'' wn ffi^aibnisiiii. 




'eftf (änge ^aben bad legte $§U^armonte«ftonjert ein* 
gelautet. @d loaren nur bie Don fiidjt Unter [einen 
f^mp^onifd^en S)id^tungen gel^ören bie „^ftflSnge'' ju ben 
am feltenfien gefpielten. 3n äSien, too ber fiiSjtfuItud 
bod^ fo eifrig genährt tourbe, blieben bie ^g^ftflänge" bi« 
jur @tunbe audge[^Ioffen t)on ben $^i(^Qrmonifd^en loie 
t)on ben ©efeUfd^aftiSfonjerten. SRur in einem t)on bem 
JKaDierüirtuofen 5£auf{g auf eigene ^auft t)eranfialteten 
SiSjt^föonjert finb üor etioa 40 Sauren aud^ bie ^eftflänge 
aufmarfd^iert. ©eitbem nic^t loieber. SBem bie übrigen 
biefer fQm))^onifd^en neun iDJufen belannt finb, bem toirb 
man über bie ^S^ftKänge faum t)id Steuer fagen. @ie 
teilen mit i^ren ©d^loeftern mand^en SSorjug: SiSjtd 
feinen Sinn für Älangeffefte, bie pxtantz SBürje vW^^ 
mifd^er unb ^armonifd^er Kombinationen, ben ungeftümen 
^rang einer na^ Sieuem ringenben ©ubjeftiDitfit. Seiber 
fe^It bie eigentlid^e fd^öpferifd^e Kraft unb baS eble ®Ieid^« 
mag ber Sludfül^rung. Sßie rul^elod toed^feln in biefem 



^feftf länge" von Ctsjt. 71 

äRtfd^mafd^ t)on fentitnentalen unb l^eroifc^en ^nf&Hen 
%att, Tonart, Sem))o, (S^arafter! @tne üereinjelte äßelobie 
ftecft l^tn unb toieber furc^tfam i^r S£ö|)fci^en ^erauS, itm 
fofort in toüftem ®ebränge unterjugel^en; jeber jarten 
SRcßung tritt eine breiftc ganfare, jeber reinen Harmonie 
ein fd^neibenber äJZigflong auf ben ^adtn, @8 toar Sidjtd 
gutee SHed^t, gegen feine f (affif c^en Vorgänger e8 mit größerer 
Slbtoed^dlung unb fd^&rferen ®egenfä|en }U t)erfud^en. 
S(6er biefer SSarnebal t)on SDtanntgfaltigleit fennt feine 
Sin^eit, biefer gauftfampf t)on ftontraften feine Ser« 
fö^nung, Änftatt erfreut unb erhoben, fül^It fi^ ber 
^örer betäubt unb üerftimntt. (Sinen SSorjug ^aben 
übrigens bie p^f^ftflänge" t)OX fiiSstd anberen f^mp^onifd^en 
^id^tungen: ben, bog fie feine ®ef^i(^te erjäl^Ien. äßon 
mug nid^t immerfort mit anfe^en unb nad^Iefen, toie baS 
^^rogramm' ben geöngftigten Sonbid^ter t)on Saft ju 
Saft Verfolgt. 3n jenem öcrf^oKenen Saufigfonjert mußte 
ein öon einem SBiener ©d^riftftefler eigenS toerfafeteä 5ßro* 
gramm bad ^ubüfum einloei^en in bie poetifc^en ®e« 
l^eimniffc ber gcftflänge. „(Sin große« allgemeine^ geft," 
l^ieg ed ba, ^ruft eine betoegte äRenge, bie ^reube auf ber 
©tirn, ben §immel in ber öruft, in feine Qaubtttx^i^^* 
9SHe biefe ^^reube, biefer ^immel fid^ bod^ in Sid}tfc^en 
Sccorben aufnimmt! Unb bie bort t)erf))rod^enen „oI^m))i« 
fd^en ©^)icle ber ®ried^en/ erinnern fie nid^t an bie 
blutigen @rgß|(id^feiten einer ungarifc^en SanbtagStoa^I? 
9^atür(id^ ergeben fid^ bie ^ftflfinge, toie faft aQe Zx^U 
fd^en Drd^efterftüdEe, fe^r üppxQ in ^türfifd^r SKufif.* 
SHe große 9)2enge ^ört bad immer gern, unb fo I&ßt fie 
fid^ üieQeid^t auc^ einreben, biefelbe große Trommel fei 



72 C^. ^anslxd. 

bei SBcrbi ro^cr ©ffcft, bei ßi8ät ÄuSbrud fublimfter »e- 
fleiftcrunfl. SBrenbel, ber fieipjigcr ßulunftäagent, [c^rieb 
bamald ben monumentalen @q^: «SiS^tö 993erfe ftnb 
ba8 Sbeal unferer Qtit" ©te[e 3«it fc^int fe^r rafd^ 
ju fliegen. Xro| ber ^etriebfamfeit einiger ftabiler 2\iiU 
SBereine tDerben bie ^[ufffi^rungen t)on fiiSstS Ord^efter«' 
unb S^ortoerfen jufe^enbd feltener. Sü^jtö geniale, 
^inreigenbe ^erfönlid^feit, bie aud^ ben 993iberftrebenben 
gefangen na^m, fie gehörte ju feiner 9Rufif, ebnete i^re 
Srfolge, t)ergoIbete i^re Sßirfung. 9hxr loenige ber einft 
t)on SiSjtS Umgang Sejauberten ftnb nod^ am Seben. 
Unb toenn and^ bie einmal fort finb? ... 3)ie „geft* 
fUnge" tourben unter SRa^IerS fieitung gl&njenb auS« 
geführt unb beifdUig aufgenommen. (Sinen gen^iffen finnlici^ 
beraufd^enben SinbrudE machen fie o^ne ^^rage unb um fo 
fidlerer, al8 fie gegen „^ßromet^euS", j^SKajeppa", ,,S)ante", 
^^amlet'', „^unnenfc^Ia^t", „^elbenüage" unb toic bie 
anberen f9m|)^onifd^en UnglüdESfdQe aUe ^eijsen, in eine 
freunblid^ere 9iegbn einlenfen unb gleid^ mit bem ^vcpU 
tt)tma einen t)oItötüm(id^en Xon anfd^Iagen. 

fftaäi ben ^^ftKängen fprangen n)ir rafd^ anbert^alb«« 
l^unbert Saläre jurudE, üon SiSjt ju 9tameau. ^er einft 
t)iel gefd^mfi^te unb t)id gefeierte SDlann erfd^eint nur 
äugerfi feiten in ben SSonjertffilen unb Ifingft nid^t me^r 
in ber Dper. Äug feiner fünfaltigen großen Dper 
^3)arbanu8* (1739) ^aben un8 bie 5ß^U^armonifer ein 
SaÜettftüdd^en geffnelt, ben 9ligaubon. @o l^iejs eine ältere 
prot)en9aIifd^e Sanjform im munteren SQIabret)e « S^aft, 
bereu 92amen Stouffeau t)on i^rem Srfinber Stigaub abju:* 
leiten oerfud^t. @ine d^arafteriftifd^e, altmobifd^ gtajidfe 



^Daxharms" von Hameou. 73 

SKufiL ®ie gefiel bem ^ublifum itnb erkoecfte bie in« 
tereffcnteften Erinnerungen an einen t^erfd^oQenen Dpmi* 
gefd^mcd 3n ben Dpücn SHameauS, noc^ me^r in jenen 
feines SSorgdngerS ävXit), f))ie(te bad SBaQett eine unS l^eute 
unbegreiflid^ tmd^tige groge 9toIIe. ^ie tragifd^ften Dpzm 
and ber cntifen ^elbenjeit entl^alten faft ebenfotnel ®a* 
wttm, aJ^enuettS, ^affdpiebS n. f. to. n^ie ©efangSftüde. 
3n SRameauS berü^mtefter Tragödie en musique: »Saftor 
unb 5ßoHuj* bringt jebcr bcr fünf Sl!te ein gro^eä SBaHett; 
nod^ int legten, nad^ bem Sobe ber gelben, tanjen bie 
feiigen @eifter im @I|^fium, bag ed ein SSergnfigen ift 
@in fftaäßaxiQ biefer ©itte l^rrfd^t ^tatz nod^ in ^ariS. 
3ebe groge Dper mug üorfd^riftSmfi^ig ein SBaQett ent<> 
galten ober beren jloei, meiftenS im stoeiten unb im t)ierten 
%ft. 9Ran beule an bad 993iberftreben SRid^arb Sßagnerd, 
ber in feinen ^SonnJ^äufer" rin Sallett einlegen mu^te, 
tooUtt er ni^t auf bie ^(ufffi^rung in ^arid üerjic^ten. 
Unb n)ie ^at®ounob geloeftert gegen biefelbe ßi^niutung, 
afö fein „gouft'' öom S^eätre S^rique an bie ©ro^e 
C<)er fam. ®o fel^r il^n biefeS Slöanccment freute, fo 
arg Derbro^ i^n bie 9Utigung, ben fünften %tt nad^tr&g« 
lid^ mit einem finnlofen grogen SSaQett aufiu))ugen. %n 
ben Srabitionen i^reS X^eaterd galten bie granjofen mit 
unglaublicher ^artnddEigleit feft. 3n ber Dp^ra Somique 
barf fein SBaQett borfommen unb pagte eS noci^ fo gut; 
in ber ®rogen Cper mujs eS t)or!ommen unb pagte eS 
noci^ fo fd^Ied^t Sean $^i(i)))) 9iameau toar ber mufi« 
falifd^e @eniu8 t$ranlrei^8 im 3^^ta(ter SBoItaireS. UnS 
ift er längft ein toter SRame, genau fo tot ttjie fein be^» 
rü^mter SBorlfiufer SuII^. pr ben SKufi^iftoriler bleibt 



74 ^^- ^anslxd. 

diameau eine ber intereffanteften @rfd^etnungen jmt&d^ft 
ate Segrünbcr einer neuen Harmonielehre.*) ©obann 
burd^ feinen unbeftreitbaren Sinflug auf ®lnd in ber 
SBel^anblung bed SlecitatiM unb ber S^öre. Und ^nbern 
beS 19. Sa^rl^unbertd beginnt aber bie Dper erft mit 
®ind, unb felbft bicfem gönnen toir nur anwerft feiten 
me^r bad Sßort. ÜJZan ^at für i^n großen dtefpeft, aber 
loeber Siebe no^ SBerlangen. gür 9tameau nici^t einmal 
SReugierbe. 3)an!en toir bem S)ire!tor SWa^Ier, bafe er 
und ben merftofirbigen Tlann, gleid^fam auf Umtoegen 
öerftedCt, toieber in Erinnerung brad^te — mit einem Sonj" 
ftücf, beffen grajiöfer ©d^ritt gar feiner ^iftorif^en SBor* 
bilbung bebarf, um aufrid^tig 5U gefallen. (£d ift Wn 
einer faft finblid^en ©nfac^^eit Unb bod^ furfierte ba« 
maU in $arid gegen bie ©d^toerffiHigfeit unb S3er!finfte« 
lung t)on dtameaui^ ÜJZufif baS ^anU)^(et: „Si le 
difficile est le Beau — C'est iin grand homme que 
Bameau!' 

9Sir genoffen im ^^il^armonifd^en SSonjert brei 
92otnt&ten: eine längftüergangene (Süameau) unb jtoei l^alb« 
vergangene {2i^t unb ®ö^). SRur für SBien toar bie 
P-dur-®^m|)l^onie öon ^ermann ®ög eine Sßeuigfeit. 
S)cr öor 23 Salären im beften STOanneöalter üerftorbene 
5£onbi^ter ift in Sßien erft burd^ feine ^Sejfi^mte SBiber«» 
f^enftige" befannt unb beliebt gemorben. 3)a8 t)ortreffIic^e 
D))ernbu^ SSictor äßibmannS ^at er ba mit einer feinen 



*) Seine Berühmte 9(B^anbIung „De rbarmonie ledaite k ses 
prinoipes natnrela*' üerdffentlt^te SRameau 1722, in bemfetBen Sa^re, 
in toelc^em 3. @eB. Sac^ ben erften ^et( feined SBo^Item^erierten 
j((at)ier9 fd^rieB. 



Symphonie von Q. (55^. 75 

geiftreici^en, ^äufig an Sßagner erinnemben äRufif iQuftriert, 
toct^c nur einen teid^tcren Suftfpielton üermtffen liefe. 
Wtan fönnte i^re SBieberaufnal^nte em|)fel^Ien, loenn toit 
nur für bie ^auptroHe eine jn^eite Routine Succa l^ätten. 
(n^ai flicbt^S nit/ fagt bcr SBiener.) S)er burc^greifenbe 
©rfolg einer Dper Jjflegt aHntä^Iid^ bie früheren Heineren 
3Berfe i^reS ßont))oniften and Sic^t }u jie^en; fo gefd^o^ 
e8 and) na^ ber Aufführung ber „SBiberfpenftigen*. (Sine 
„grü^Iingd^Duüertüre'' t)on ©ö^, bereu ntäfeige SBänne 
an einen SJ'^ai in Königsberg, ben ®eburts$ort beS ftompi> 
niften erinnert, a(fo niemanben toarm maift, erkoarb fid^ 
nur baS jtoeifel^afte Sob einer tüd^tigen ftapellmeifter:> 
arbeit Sebeutenber toirtten t)on ®ö| jtoei größere Stom* 
pofitionen für 6^or unb Drd^efter: ©dritter« „Sßdnie" 
unb ber 137. 5ßfalm. 3n beibe, an SKenbctefo^n an^ 
f(ingenbe Sl^oriperte brad^te bie gebiegene 93ilbung unb 
feinfühlige Statur be8 Xonbi^terS eine gctoiffe SBomel^ms 
^eit, o^ne baS SRarf fclbftanbiger, triebfröftiger Sbeen. 
grifd^er unb ein^citlid^er toirft bie F-dur-©^ntp^onie öon 
®ög, tneld^e, feit itoanjig Sauren ein beliebtet äiepertoire« 
ftüdE ber meiften beutfc^en Äonjertüercine, erft jc§t burd^ 
SHreftor 3Jtaf)ltt und be!annt getoorben ift. 9ßie aQent« 
leiben, fo galt aud^ ^ier ber SBeifaH ^auptfäc^Ii^ beut 
t)oIfStfimIid^ anflingenben, lebhaften ©d^erjo in C-dur. 
®ie übrigen brei ©ä^e ftnb mel^r ober ntinber Umptta* 
mentlod unb langn^ierig, fd^ienen aud^ geringeren (SinbrudE 
5U mad^en. ^ür mein ^eil t)ennag i^ barin aud^ nur 
bie gefc^idEte Srbeit eined feingebilbeten, tü^tigen ffiapeS» 
nteifierS ^u erblidEen, ber über loenig Originalität unb 
3beenfüIIe üerffigt. 



76 ^2>. ttanslxd. 

fBiai bie 9{eugterbe bed ^ubßtumd ganj befonberd 
erregte, UKiren bie f&nf ®efdnge mit Or^efterbegleituttg 
t)on ®. äRa^Ier, gefitngen Don t^rauletn @elma Jtur}. 
^ie ®ebi(i^te ftnb teil8 ^^ee ^aben SBunber^ont'' 
entnommen, teils einem S^fluS „Sieber eined fahren* 
ben ®efellen/' ali beren ^i^ter nnS ber ßom)?onift 
felbft bejeid^net trnrb. ^ireftor Tlafjittt l^at bid iegt 
mit einer an ©elbftüerleugnnng ftreifenben S3ef^eiben^eit 
feine eigenen Jtompofitionen für 993ien üerftedt gel^alten, 
fo günftigen @rfoIg biefelben in anberen ©tfibten ba* 
t)ongetrQgen. SSon i^m ftanb 92eued, Eigenartiges gu 
ertoorten. 3n feiner jtoeiten @^m^^onie (bie id^ leiber 
nur aus SBeric^ten fenne), geigte er fid^ als ein SReuerer 
grogen @tiIeS, in enormer @npeiterung ber ^orm unb 
ber S)arfteIIungSmitteI. Slud^ auS ben geftern gehörten 
®ef5ngen f))rid^t ber t^einb beS ^rgebrad^ten unb 
©etofl^nlic^en , ber ,Chercheur", »ic bie granjofen 
fagen, o^ne mit bem SBorte eine abfc^figige jhitif gu 
Derbinben. 2)ie neuen „©efänge'' finb fd^loer gu üaffi« 
figieren: loeber Sieb noc^ Srie, nod^ bramatifd^e @cene, 
^aben fie Don aQebem ettoaS. ©ie erinnern ber ^orm 
nad^ am e^eften an bie ®efänge mit Dr^efterbeglei* 
tung Don Serliog: nLei captive", .Le chasseur 
danois", „Le pätre breton". SKal^ter l^at bie SRel^rga^I 
feiner ®efänge ber SSoUSlieberfammlung „5S)eS ^aben 
SBunberl^om' entlehnt. ®o eigenartig ©d^öneS fie ent« 
^fi(t, man ift Don ber frül^eren 3en)unberung bafur bod^ 
etloaS abgefommen, feit bie beutfd^e fi^rit burd^ ®oet^e 
einen fo ^o^en ^uffc^toung genommen. @oet^e befprac^ 
befanntlid^ eingel^enb baS i^m Don ^rnim unb ^Brentano 



(SefSnge von <S. lYTal^Ier, Biaeis „'^oma", 77 

geHnbinete ,,Sßunber]^om'', er lobte ,,b{e ^oIjf^mtttnQnter" 
beS SBoIteliebed, loied aber bem 83ud^e feinen $Iag „am 
Ofenfter unter bem ©))iegel, ober n)0 [onft ©efang« unb 
Roäjibüäftx ju liegen |)f[egen.'' SDta^Ier, oIS ber SDJobemften 
einer, mod^te ftd^, ttnt bai oft gejd^ie^t, gern in bai (Sjr^ 
trem flüd^ten, in bie 9{Qit)et&t, bie ungebro^ene Sm^ftnbung, 
bie tndpp^, ja ungefüge ©prad^e bed älteren SBoÜdliebeS. 
SHefe @ebi(^te mit ber fd^Iid^ten S(nf|)rud^Iofigfeit frül^erer 
^mponiften ju be^anbeln, U)iberftrebte aber feiner 9tatur. 
3)em üoßdtfimlici^ gel^altenen ©efang legte er eine fip))ige 
^Begleitung t)on geiftreid^er SBetoeglid^f eit unb f d^arf er 3Jtobn* 
lation unter unb gab fie nid^t bem Stiabier, fonbem bem 
Drd^fter. fS^v SBoH^Iieber ein ungetoö^nlid^ reid^ed, j|a 
raffiniertes Aufgebot: brei glöten, 5ßiccoto, brei Älari* 
netten, SBajsflarinette, @ngIifd^^om, t)ier ^ömer, f/mn 
iparfcn. ®n SBiberfpruc^, ein 3toief<)alt jtoifd^en bem 85e* 
griffe ,,5SoIf8tieb*' unb biefer funftöoHen, überreid^en Dr* 
(i^efterbegleitung ift ni^t loegjuleugnen. Sber äßa^Ier 
^at biefed SßageftüdE mit augerorbentlid^er i^ein^eit unb 
meifterlid^er 5£ed^nil audgefül^rt. 3e|t <int ^Beginne eineS 
neuen Sa^r^unbertd empfiehlt ed fid^, ben 9{ot)itdten ber 
mufifafifc^en ;,®cccffion" (SKa^Ier, SRic^arb ©traufe, §ugo 
äßolf IC.) jebeSmal nad^jufagen: @d ift fe^r mögli^, ba^ 
t^nen bie 3"^"«ft gehört- ^räutein ©elma Äurj l^at 
bie red^t fd^toierigen 9)?a^Ierfd^en ®ef finge aui^toenbig, 
mit t)oIIfommener SBe^errfd^ung Don SBort unb 2^on bor«» 
getragen, mit flangüoQer ©timme unb n^armem, bur^auS 
naturli^em 2(u8brudE. 

SHreftor SJ'^a^Ier ^at auc^ bad Dierte ^njert mit 
«iner SRoöitfit gef^müdtt: mit Sijet« Drd^efterfuite 



78 ^^* Btanslxd. 

„Borna". SBol^cr bicfcr Sitcl ? Stuf eine SBcr^errlid^ung 
bed alten 9iom ift SSijet genng nid^t verfallen. 9ud feinem 
Saft [prid^t ba8 ftolje „Civis romanus sum"; öielmel^r 
ber foSmopoIitifd^e t^i^anjofe im mobemen 9iom. SSiget l^at 
atö @tipenbift ber franjöfifd^en Stegierung jn^ei Saläre in 
SSiUa äRebici jugebrad^t unb bort üerfuc^t, bie SinbrüdEe 
römifd^en SebenS unb S^reibenS mufifalifc^ toieberjugeben. 
.Borna'' ftammt au8 S^ijetS 92ad^lag. Sine iEßenge 
grSgtenteilS unDoQenbeter SBerfe giebt S^ußi^^^ ^^^ ber 
unermüblid^en X^fitigfeit bed frü^ t)erftorbenen SSom« 
^)oniften. 3n 5ßari8 ift »Boina*^ toie eS fc^eint^ toenig 
bead^tet ober frü^ üergeffen toorben; ber fonft fo oertfifefid^e 
Arthur 5ßougin ertoä^nt in feinem biograp^ifd^en Sejifon 
ni^t einmal ben SRamen. ®rßgere SBerbreitung gen^annen 
jtoci anbere Cr^eftertoerfe Sigetö: bie Duöertüre „Patrie", 
toel^e im Dftober 1875 bie mufifalifd^e Xotenfeier Sijetg 
in ber „Association artistique" einleitete, unb bie aud) 
in SBien befannte reijenbe „Arlesienne". ßegtere (ju 
2) au bei S 2)rama gef ^rieben) ift übrigen^ auc^ t^ea** 
tralifc^er ^erfunft. Stur auSna^rndn^eife entfc^Iiegen 
fi(^ grangofen unb Italiener gu rein f^mp^onifd^en 
Siom|)ofitionen; Steigung unb Xalent brängen fie ent^ 
fc^ieben gum X^eater. Dpernm&gig f(ingt aud^ bieleS in 
ber „Borna". 3Benn ba eine fanfte iDJelobie ))Idgnd^ t)on 
c^romatifd^ ^eulenbem ©turmtoinb gerriffen toirb, Sl^emen, 
St^^t^men, 24)narten unvermittelt n^ed^feln, fo l^at man 
mand^mal bie @m))finbung, aii fpiele bei ^erabgelaffenem 
äSor^ange eine D))emfcene fid^ ab. (Man benfe an ben 
ptö^Kd^en ©infatt be8 E-dur- in ba8 erfte C-moU- 
%Qegro, ober an bie fird^Iic^«fromme Es-dur-äRelobie, 



tDelc^e im finale bte tpitbe Siirantella unterbrid^L) SBon 
ber äStelbeutigfeit ber Snftrumentalmufif unb ber Un«» 
fic^et^eit il^rer Interpretation überjeugt und n)ieber einmal 
bie SSiograp^ie SBijetS Don S^arleS $igot, nad^ toelc^er 
ber erfte @a^ urfprünglic^ «Sine 3agb im SSalbe t)on 
Dftia" f)it%, unb ber britte „eine ^ßrojeffion" fc^ilbcrn 
foQte. . . . SSijetS „Soma*" l^at im ^^il^armonifc^en 
Sionjert lebhaft angefprod^en. Originalität unb Steic^o 
tum ber Srfinbung fann man bem äSerfe faum nad^« 
rühmen; bod^ entl^ft eS t)iel 9(nmutiged, ©eiftreid^eS, ja 
99(enbenbeS in burc^auS rei2t)oIIer Snftrumentierung. 2)en 
S9efc^Iu§ mad^te ein f^mp^onifd^eS Xongem&Ibe, baS in 
jüngfter ßeit auStp&rtS Diele Erfolge errungen ^at: ^fd^ai^* 
lotodt\)i Duöertüre „1812^ S)iefe Sa^redja^I in »er*« 
binbung mit bem Stamen beS JSomponiften t)err&t und, 
bag |ier StapoIeonS ^Belagerung Don SDJoSfau unb ber 
©ieg ber SRuffen iHuftriert toirb. 3n bem effeftöolfen, 
nur aUgubreit auSgefül^rten @täd toerben bie Sßarfeillaife 
unb bie ruffifd^e SSoUdli^mne geiftreid^ verflochten unb ber 
n^elt^iftorifd^eftampf mit^ufgebot ader erbenflid^en^mel^r ober 
minber mufifalifd^en äßittel (ftanonenfd^Iäge, Xrommeln, 
©lodengeläute) gefd^ilbert S)ie 9}ooität, beren ganj au^er« 
orbentlid^e {Inforberungen Don bem Drd^efter glänjenb be« 
ttKiItigt iDurben, mad^te eine ftarfe, Doüoiegenb fiu^erlic^e 
äBirfung. (Sinen toeit tieferen (SinbrudE bürfte fie in 
$arid mad^en, aber fd^toerlid^ ben Dom ßomponiften ge^ 
n)änf(j^ten. ^loä) Dor furjem ^at man bort freilid^ aud^ 
bie ruffifd^e SBoItel^qmne a6n)ec^felnb mit ber 3Rax^ 
feiOaife gefpielt unb bejlubelt, aber mit einanber, nid^t 
gegen einanber. Sei %\ä)aitotx>Ü\) unterliegt bie 2Stat^ 



80 ^^- Qaitsltcf. 

fetHatfe unb Deratmet fl&gltci^ unter ben ruffifd^tt 
^Stnent. 

,f tts Jtiiltett'' «Ott i- St^auH* — „|te Palbtatibe'' 

«Ott iooSab* 




te legten pl^tl^armomfci^en Jbnserte befd^erten und 
Stoet tntereffante f^m^l^onifc^e 9tot)tt&ten: „^n^ Stalten'* 
t)on Sfltd^arb @ttQU§ unb ^^e SBalbtaube" üon2)t)ora f. 
99et großer SBerfd^teben^t bed ntuftlalifd^en fterned l^aben 
bte beiben bod^ mand^ed SugerKd^e gemein : ^%uiS Stalten' 
tft l^albt)er^äate, ^^te Sßalbtaube' ganj unt)er^üllte ^o« 
gtammmuf if. 3n trier grogangelegten @^m^^ontef d^n malt 
Sttd^arb @traug italienifd^e Saubfc^aft, ttalientfd^ed S^oIfS« 
leben; ^Doiaf erjfil^It in einem @a| eine ganje toed^fel« 
tooHe ©efc^ic^te. 3n ben SBorten ^malt'' unb ^rersd^It'' 
ffriegelt fid^ ungefähr ber grunbf&|Iid^e Unterfd^ieb jtDifd^n 
biefen beiben Drd^eftertoerfen. 

©traufe' p^S^mp^onifd^e ^ßlantafie** — fo nennt er e§ 
etlmt« pregiöd — ift ein frfil^ered Sßerf (op. 16) beS frud^t^ 
baren Sßünd^ener ftomponiften. SSefannter unb berül^mter 
flnb feine fpfiteren Drc^efterbid^tungen „S)on Suan*, „Sob 
unb SBerß&rung", „Sulenfpiegel*, j^S^^^t^^ftra". 3>iefe 
fiberfegen ein poetifd^ed Programm, eine @rja^Iung, iniS 
SRufifaKfc^e mit einer SSirtuofität, toeld^e etned fomifd^en 
SSeigefd^madS nid^t g&njlid^ entbehrt SBor fold^en SBag^^ 
ftfidten fc^ien ber gü^rer unferer muftfalifd^en ©eccffio* 
niften nod^ einige ©c^eu empfunben ju ^aben, ali er fid^ 



K. Strong. „Tlus Jtollen.*' 81 

bamit begnügte, bte t)ier @ä^e fetner ttaltenifd^en ®\fm* 
))bonte einfad^ ju betiteln: ^te Sampagna, SiomS Siuinen, 
©orrento, Kcapel. ©o flar unb etnfad§, »ie biefe Äu^ 
fd^riften, bleibt {einei^toegiS bie 9Ruftf felbft ©traug' un« 
ru^iged, nert^öfed Talent, fein Überfc^u^ an gl&njenbem 
9iaffinement bei S)ürftigfeit bed fd^Spferifd^en ©ebanfenS 
laffen il^n bei gefamntelter, natürHd^er Sm^finbung nid^t 
lange t^eüoeilen* 9ßo man ^ am n)enigften eitoartet, 
unterbrid^t irgenb ein auderlefener Drd^eftereffeft, eine 
tDunberlic^e giguration pU^Iid^ ben mufüalifd^en 3^' 
fammen^ang, 99Ienbenbe 3nfttumentaln)i|e jie^en unfere 
Xufmerffamfeit Dom ®anjen ab: tpie jnm SSeifpiel bie in 
rafd^em ^lug anf« nnb nieberfd^iegenben d^romatifd^en 
©ejtaccorbe ber ^oljblfifer im Änbantino (©orrent). S)ie 
fibrigen ®&^e toimmeln t)on fil^nlic^en, toenngleic^ nid^t 
immer fo pbfd^ flingenben uberrafc^ungen. ©ie n)irfen 
ungefähr toie bie pifanten ober braftifd^en „ß^^W^"^"^^"' 
toelc^e im !(bgeorbnetenl^aufe langn^ierige SReben nnter^ 
bred^en — für bie ^örer oft ba8 (Srgö^Iic^fte an ber 
ganjen ®efd^id§te. '^er Unterfd^ieb ift nnr, bag ^ier ber 
SRebner, 3fL ©traufe, bie amüfanten ftörenben 3^f^^* 
rufe felbft mac^t. @r mag mitunter ein toenig beforgen, 
bag ber ungeftörte glatte SBerlauf feiner SRebe bod^ er« 
müben toürbe. X^atfäc^Kd^ toeig unS ©traug, abgefe^en 
t)on jenen Überrafd^ungen, tpenig 9leued, toenig SBebeu« 
tenbeS ju fagen. ^ie erften brei ©5^ „Stauen'' raufd^en 
mit üerfc^iebenen glänjenben Ord^eftereffeften unb Der« 
einjelten melobifd^en Snfägen o§ne tieferen Sinbrudt an 
und Dorüber. ^a, toir Dermiffen barin fogar eined, toaS 
urir Don aQem Anfang gu ertoarten ein Siedet Ratten unb 

^ a n 9 ( t (t , ftu9 neuer unb neuefter «Sctt. 6 



82 ^^* Qansitcf. 

bad Quc^ leidet ju befd^affen tpar: ttaltentfd^e ^axU, ita« 
Itentfd^e ©timmung ! 993ie f Ungt boS alleS f o beutfd^ um« 
ftänblid^! 3n bicfen öcrfd^toommcncn, bidflüfftgen SKcIo* 
bicn rinnt fein italicnifd^er Slutötropfcn. ©ogar in 
SufeerKd^fcitcn ift ©trau§, bei aUtm ^Raffinement, auf- 
fallenb unitalienifd^: im erften unb britten ©a| l^ören 
tinr jipei Warfen unermflblid^ arpeggieren, atö ^anbelte e8 
ftdö um eine Sttuftration DffianÄ. S38er l^at je bei römi* 
fd^en ober nea))oIitanifd^en SSoIföfeften eine $arfe gel^ört? 
SBeim finale angelangt, fd^eint bei JSom^onift boc^ bie 
S^ottoenbigfeit empfunben ju l^aben, fein „3}oIf Sieben in 
Stea^eP tttoai neapolitanifc^ ju färben. (£r intoniert bad 
belannte „Funicoli Funicula", unb toir glauben, ba^ ©tüdE 
loerbe, rafd^ ba^inftrömenb , fortan bie f übliche l^eitere 
Saune beibehalten. 9tid^t8 toeniger ate bad. iDZag ©trau§ 
e8 nid^t getooQt ober nid^t gelonnt ^aben — mit ber iDolti^ 
tümlid^en ^errlid^feit ift e^ fd^neS ju @nbe. (Sr lägt bie 
eingefangene luftige Serd^e Funiculi nur ein SBeilc^en 
flattern, bann ftedCt er fte gnabenloÄ in feine büftercn 
ftafematten, too fte Don aQer^anb pol^p^onen toilben Xieren 
erbärmlid^ gejauft unb gerriffen toirb. @in paar t^berd^en 
fliegen gang jule^t nod^ auf unb melben bad fd^nöbe Snbe 
bed armen Xierc^enS. S)ie ganje f^mpl^onifc^e ^^antafte 
intereffiert fteüenioeife atö ba^ ^robuft eined geiftreid^en, 
effeftfunbigen, me|r ))oetifd^ angeregten als muftfalifc^« 
fd^öpferifd^en ftünftlerd. ©id^tlid^ Don SSerlioj infpiriert, 
mit SSagnerfd^en Kombinationen arbeitenb, berfd^mä^t ei^ 
©traug tro^bem nid^t, einigemal Don SD^enbelSfo^n ju 
borgen* 

S)er SBeifaQ, nad^ ben erften brei ©fi^en red^t mägig^ 



Doora!. „Die Wcdbianht". 83 

am ©d^Iuffe um fo leO^after, toav f^aupt^&äilitS) tpo^l ben 
^^tl^amtontfent gugebad^t. 3latf) einer fc^Ieumgen SBieber« 
^olung bed 993erfed tptrb man ftd^ fd^toerlid^ fernen. „SBiU 
Stalten nit me^r feigen/ fingt bie Sngtänbcrin in «gra 
©iaöolo"» 

Sieben SR. ©trau§ ift SJöofal unftrcitig bie mufi* 
falifd^ ftärfere, urfprüngüc^ere Siatur; in naiöem @m* 
pftnben unb melobifd^em 9leid^tum biefem unenblid^ u6er:> 
legen. SQlein gerobe in ber „äBalbtaube'' tl^ut er einen 
©d^ritt tpeiter in ber ^rogrammmufif, als @traug in 
feiner italienifd^en ©^ntpl^onie. S)iefe bringt fc^öne STuf^ 
fd^riften gu unfd^öner SF^uftf, S)t)oraf fd^Sne 3Jtu[il gu un« 
fc^Snem Sejte. 

S)ie „SBalbtaube" fd^Iiefet fid^ in ^orm unb lenbeng 

Dfillig an bie betben f^mpl^onifd^en S)id^tungen («^er 

SBaffermann'' unb „S)ie ÜÄittagäl^e''), toeld^e toir bereit« 

f rfil^er gehört ^aben. SBeld^ feltfam neuefte $af fion S)t)o£afö 

für ba8 frauenhafte, Sßibematürlid^e unb ®ef)}enftige, 

baS feinenr ed^t mufifalifd^en @inn, feiner liebenStoürbig 

menfd^Iid^en Statur bod^ fo tpenig entf priest! 3m „SBaffer« 

mann" ber ^bolb, toefd^er bem eigenen ^inbe ben £o))f 

abbaut unb il^n ber unglüdEßd^en Sßutter guf d^Ieubert ; in 

ber „äRittagS^e^e" ein n^eiblid^eiS Ungeheuer, in beffen 

mdrberifd^en t^äuften baS unfd^ulbige Sinb einer 99&uerin 

üeratmet. Unb nun bie „äSalbtaube" ! S)a8 ©tudE be<« 

ginnt mit einem Xrauermarfd^. SSe^agenb folgt bie 

junge ^au bem ©arge il^reS Derftorbenen ®atten* S)a 

intonieren l^inter ber ©cene trompeten, Don Oboen, Warfen 

unb @ngIifd^l^om begleitet, ein luftige« Sieb im 3^^^" 

öierteltalt: ein fd^mudCer SBurfc^e mad^t ber SBittoe einen 

6* 



I 



84 <Si>. ^analia. 

^etratSantrag. ©c^neQ folgt baS ^oi^jettöfeft. Sin bcibeS 
^^Qnjmotiö in C-dur, aorin bie'übemtäSifle Quarte (Pia) 
^umoriftifc^ aufjaucl^jt, fü^rt un« in faie bfi^mifc^c ©otf» 
f(%ente. 3"!^^" @m}]finbunflen (fingen üorüberge^enb in 
einem AUegretto grazioso an. Siä ^er^er Wfite aKeSl 
jiem(icf| einfai^ unb berftänblic^ Stbei tsaS eijfit|It unS 
gleii^ baiauf ba$ unmittelbar aaS bent §o[^jett3|ubel ft(^ 
toSiingeufae fcfiaurige Stnbante? ,^uä ben S^iS^n 1^ 
©t^e, über bent ®rabe iI)reS bur^ fie öergifteten erften 
©otten ertönt ba« «Surren ber SSalbtaube,' fo belehrt un« 
bai ber ^rtitur borgebrucEte Programm. Sllfo bie f(^6ne 
SSittoe E|at i^ren Wann beigiftet? ^abon ^atte \a fein 
Wltn\äj eine $C^nung! Unb baS @irren einer ^ube treibt 
bie eten noc^ fo ^cö^tic^e ju SerjUeiftung unb @elbft< 
morb? SBenn nur irgenb ein bebenlfamer fataliftifdier 
3ug, ein pf^ologifi^er 3ufQ<ni'i^^<ing jtbifä^ biefem 
Saubengirren unb bem 9krbre<$en beS SBeibeS bor^er an* 
gebeutet uräre! ®d aber überraf^t und bei graufige SluiS- 
gang biefei ^orfgefi^t(§te no^ gettKiItfamei als im „33af|er> 
mann" unb ber „SRittagd^'. 25abci ift bie SKufif bon 
einer liebengffiürbigen SInmut unb 9IaiUetfit, niie fte ^ute 
unter ben SnftnimentalEomponiften nur S)boiaf beftt|t. 
2Sir läufigen entaüdt biefen tinbli(^n aWetobien, benen 
originelle ^rmonienfolgcn unb Klangfarben einen wet^fetn- 
ben fdiarfen 91eij ber(ei^n. 

SSaä it|rc SlStriung (c^mÖIert, ift nur bie forlwätirenbe 
5Rötignng be« ^u^örcrS, bie SMufif fi^rittweife mit ber i^ 
aufgeäwungenen Srjäfiluug ju bergtei(^en. SKan Wenbe 
nti^t ein, bag Programm fönne ja nid^t {djoben, teenn bie 
9Äufit nur gut ift. Sie HBufif leibet immer barunter. 



Dporaf. ^Dte IPalbtaabe''. 85 

toenn ein betoiQierteS Programm bie ^rei^ett beS ßom^ 
pomftett tpie bed ^SrerS t)eTntd^tet. 2)))oraf8 Zonbi^tung 
gleid^t einer fd^önen (befangenen, xodäjt gefeffelt jtpifc^en 
ffm ©enbamten il^ren Dorgefc^riebenen SBeg jurud(egen 
mug. @in er^a^IenbeS Programm, toie boS jur «äSalb^ 
taube", ift ein Unglüdf für bie Äompofttion, toeil e^ mife- 
öerfidnblid^ unb toeil ed leiber — unentbcl^rKd^ ift SJcnn 
aus bem mufifalifd^en @>ebonfengang ber „SBalbtaube" 
taffen ftd^ biefe j&^en @timmungsn)ed^fel, Hbfprünge, ^ixd» 
tpanberungen unb t)erb(äffenben Drd^efterflänge nimmer 
erllären. ÄnberS ein Xitel, ber unS tt)ic eine angcfd^Iagene 
©timmgabel nur ben burd^flingenben poetifc^en ©runbton 
be« ©tfide« angiebt. Sluffd^riften, toie „Sfinblid^c ^oä)^ 
idt" (®oIbmarf), ^^Stalien" (9i. ©traufe), ^2fu8 ber neuen 
SBelt" (S)öofaf) unb anbcrc laffen bem §örer grei^eit 
genug. SRid^t fo bie jüngften f^m^J^onifd^en 2)id§tungen 
t)on S)t)oraf. ®egen i^re Programme f)}red^en neben 
dftl^etifd^en aud^ fe^r praftifd^e S9eben{en. SBer {ann fid^ 
für biefe ^alb ftnbifd^en, ^a(b U)ibern)&rtigen ©d^auer« 
gefd^id^ten begeiftem? S33ie lange tt)irb man tro^ ber 
geiftöollen SRufi! fid& bafür intereffieren? S)er erftc Sin* 
brudt biefer neuen Drc^efterftücfe ift beftridenb; aber toir 
fürd^ten für bie S)auer unb ©ic^er^eit i^rcr ^errfd^aft 
ein präd^tig blü^cnbe» Stoeiglein, bie 2»uftf S)t)ofal8, 
erfd^eint l^ier auf einen !ranfen SSaum gepfropft, ber ed 
oorjeitig oerborren mad^t 

SBir bemerlten ©onntagS red^t Derlegen fragenbe 
SRienen — Ronjertbefud^cr, bie e8 unterlaffen Ratten, ein 
^ogramm ju oerlangen ober barin mitjulefcn! ©ie 
tonnten ftd^ ben gaD nid^t jured^tlegcn. S)ie ?lu«brudf8- 



86 <Hb. ^anslirf. 

fd^igfcit ber Snftrumcntalmufif l^at fid^ feit Sertioj in 
frül^er nid^t geahnter SBeife gefieigert. S93enn man aber 
l^eutjutage t)orgie6t, bie reine Suftrumentalmuftf fei Bereits 
f&l^ig, alles mfiglic^e audjubrüden, tpoju bann bie fo emftg 
erlfiuternben ^Programme? S)t)oraI ift ju fel^r ed^ter SWu* 
ftfer, als ba^ äfi^etifd^e (S^perimente, @ntbedungSfa|rten 
nac^ ben ©renjen ber ^nft il^n ju reijen t)ermöd^ten. 
9ßaS i^n toeggelocft l^aben mag aus bem Sieid^e ber abfo« 
luten ÜÄufif, baS er feit SBra^mS' Heimgang als ©rfter 
be^errfc^t ift offenbar bie 9^ad§bi(bung ber Derfd^iebenen 
Siaturftimmen. S)arin fd^afft S)Dofaf ganj Unöergleid^* 
lid^eS, äßunberbareS. S)aS Sßellen« unb äBogenranfd^en 
in feinem ^SBaffermann", baS fd^reienbe 5tinb in ber 
^^ÜÄittagSl^eje", baS ©d^nurren beS ^©pinnrdbd^enS*! Sud^ 
bie 1,993 albtaube' reijt unb feffelt unS ununterbrod^en burd^ 
il^ren ffilangjauber unb realiftifd^e ßüge, bie bei aQer SSül^n*' 
^eit nie anS ^äglid^e ftreifen. !Danfbar, ja nur aQju fel^r 
em^fänglid^ für bie SReije S)t)ora!fd^er 9Rufif, fonnte id^ 
mir bod^ bie ®efa^ren feiner neueften SRid^tung nid^t ijer* 
]§e^Ien. S)üoraI l^at eS nid^t nötig, für feine SKufif bei 
ber S)id^tlunft (unb toeld^er ^^SJid^tfunft"!) betteln ju 
gelten, ©eine reid^e mufifalifd^e ©rfinbung bebarf feiner 
Slnlei^e, feiner ffirüdEe, feiner ®ebraud^Sann)eifung; brfingt 
eS il^n aber, gur Slbtpec^Slung, l^erauS auS ber tnortlofen 
Snftrumentalmufif gu realen ©eftalten, bann fte§t ein 
n)eit offenes X^or einlabenb t)or i^m: bie Dp er. 

S)ie i^SSSalbtaube" ift mit großem JBeifaHe, aber bod^ 
nid^t fo ent^ufiaftifc^ aufgenommen tt)orben, toie bie Diel 
emftere unb fd^ttjerer faßlid^e F-dur-@^mp]^onie Don 
SSral^mS, nac^ toeld^er ber ^IppIauS nid^t enben tooQte. ^aS 



^Vehota" von Bi&nbel 8? 

Stonjert jd^Iog mttS9eet^ot)end groger Dut)erture ,,9ßei]^e 
bed ipaufed*. ^aS i^^auS", tpeld^ed mit biefent getot^« 
tig^f fugengepanjerten @:pättDer! SSeetl^oDenS t)or 77 Salären 
eingetpei^t tourbe, ift befanntltd^ un[er — Sofepl^ftäbter 
%f^tattt. @8 l§at einen fibertofiltigenben Sieij, fid^ audju« 
malen, toie tttoa l^eute ber ®eift ber $Beet^ot)enfd^en Out)er« 
ture in feinem »rC^ciufe" auftaud^t mtb mit einem el^r^ 
erbietigen „^d^ bin fo frei!'' gräulein S)irlen8 begrübt. 
SSieHeid^t mad^t S)))oraf einmal eine mufifalifc^e Segenbe 
baraud. 



(Dratorium rxm ^&nltl 




^ad^bem n)ir längft fein jipeil^unbert]5l^riged ^nhu 
I&um gefeiert, tl^ut ber alte iperr nod^ immer SBunber. Unb 
nid^t bIo§ mit feinen befannten SReiftertoerfen — nein, 
aud^ nod^ mit ganj neuen. 9luf bie Qdt beS regften 
§finbel*5hiltug in SBien (unter SKojart unb Dan ©»ieten) 
toar befanntlid^ eine lange ^eriobe feiner SBemac^Iäfftgung 
gefolgt. S)a feigen toxi in ben legten Sauren i^n unt)er« 
fegend n)ieber auftaud^en, mit lauter 9tot)itäten! 1873 
birigiert 8ra§m8 bie erfte Sluffü^rung be8 ,,®auP, 1885 
bringt ipanö 9iid^ter bie ^3;i§eobora'', 1889 ben „Sofua", 
unb l^eute |ören n)ir unter ^ergerd Seitung jum erften« 
mal ^dnbelS ^S^ebora". ©ie l^atte am Ifingften ge« 
fd^Iummert im @d^atten il^rer berül^mteren ©d^n^eftem. 
S^re (SrtpedCung ift Dornel^mlid^ bod SBerbienft bed uner^ 
mfiblid^en ^änbetgorfd^erS unb ipönbetSlgitatorÄ &)xt)' 



88 C^- ^nsltcf. 

fanber; mit feiner 92eubear6eitung ber „2)ebora'' ift juerfi 
Hamburg, bann SSöIn, ^Berlin, 2)re8ben, Sei^jig ber äSiener 
^[uffü^rung t)orangegangen. 

©efd^ic^te unb Sn^alt ber ^X)e6ora'' ftnb balb erjä^It. 
©einer italienifd^en Dpemunteme^mung in Sonbon mfibe, 
^atte ^finbel mit pr^ftl^er" fid^ bem altteftamentltd^en Dra« 
torium jugetoenbet unb i^r ald jioeiten 8}orfd^ritt auf 
biefem neuen ®ebiet 1732 „^tboxa" folgen laffen. S)ie 
Slnfünbigung lautete t)erIo(!enb genug: ,,9uf SBefe^I @r. 
9}2ajeftdt. 3m !0nig(id^en X^eater in $a^mar!et toirb am 
17. 3R&Xi gegeben toerben: ,2)e6ora^ ein neuei^ Oratorium 
in Snglifd^, fom^oniert Don $erm ^dnbel, auSgefäl^rt 
burd^ eine gro^e Slnja^I ber beften ©timmen unb Snftru« 
mente. ^ied ift bie legte bramatifd^e 9luffül§rung, n^eld^e 
in bem Sweater bor Dftern ftattfinben toirb. S)aS $au8 
n)irb in einer befonberen äBeife au^gefd^mfidEt unb bt^ 
leud^tet fein." ^Hein man ^atte bie SintrittSpreife fel^r 
er^fil^t, unb bad ^aug blieb leer. @rft elf Saläre fpdter 
lam baS äSerf ju einer äBieber^oIung. 

jC)ie ^elbin b^ Oratoriums ift 2)ebora, ^ropl^etin 
unb gugleid^ Stid^terin in Sdrael. Sßie Sienan in feiner 
.Histoire du peuple d'Israel'' und erfifirt, toar bamalS 
bie ©tellung ber grauen in ben patriard^alifd^en ZribuS 
feinedtoegS, toaS fte f)}äter getoorben, als baS ^aremS« 
leben, t)on ©alomon an, bie @itten g&njlid^ emiebrigt 
^atte. @ine angeblid^e ©d^toefter beS ST^ofeS, SD^irjam, be« 
^auptete in ber Segenbe t)or bem SluSjug auS flg^pten 
eine ©tellung, beren äBid^tigteit nad^ bem gegenlo&rtigen 
3uftanb ber Xe^e faum in il^rer Dollen SBebeutung ju 
ermeffen fei ®8 gab uncingefd^rfinft felbftänbige grauen, 



„Vehota" oon Qftnbel. 89 

melc^ fiber t^r SBennögen frei t)erfügten, il^ren ®atten 
feI6ft toSfßm unb aQe SReferüatred^te einer m&nnlic^ 
@£iftenj ausübten, barunter aud^ baS ^rop^etentum unb 
bie ^d^tfunft. S)ie ßuge aud bem Seben biefer ^elbinnen 
bilbeten einen tpefentlid^en S9eftanbteil beS epifd^en S^HuS 
ber Station. S)ie ©el^erin in Sdroel tl^ronte getpü^nlid^ 
unter einer $alme, meldte bie $alme S)eborad ^ieg, jtoifd^n 
Siania unb 93etl§el, ba hinauf toanberten bie SSraetiten 
ju i^r, bamit fie i^nen bie (Sntfd^eibungen @(otteS funb« 
gebe. S)ie $ro))^etin toar n)ie aQe Patrioten fanatifd^ 
bem 3el^ot)a^bienft ergeben unb be^anbelte aü SSerbred^en 
jebe religiSfe Steuerung, jebe Hinneigung bed 93o(fe8 ju 
bem ^ItuS Don JSanaan. ^bora na^m bie ^Befreiung 
beS SSoIfei^ in il^re ^anb. @ie fd^idtte im 9tamen 3e^o« 
t)a]^d an 93araf, ©ol^n bed SIbinoam, ben 93efe^I, mit feinen 
Sln^angem gegen ben S^abor gu marfd^ieren. 3n ber 
©d^tad^t tourbe ber feinblid^e ^nffll^rer @ifera t)oIIftanbig 
gefc^Iagen. Srfd^öpft flo^ er ju gug bis jum Eingang 
einer ^fitte. 3ae(, ein fenitif^eS Sßeib, ^ie§ ben t^Iüd^t» 
ling eintreten, t)erbarg i^n unter i§rer !Dede unb labte 
ben @rfd^öpften mit faurer SRild^. @r fc^Iief Dor (£r» 
mubung ein. S)a ergriff Sael einen ber großen Siägcl, 
loeld^e jur SBefeftigung beS QAt^ bienen, unb trieb il^n 
mit bem ^mmer fo getoaltig in bie ©d^Ifife @iferaS, baß 
baS (Sifen ben ^pf burd^brang unb i|n auf bem SBoben 
feftnagette. S9alb barauf fam SBaral unb toar l^öd^Kc^ 
erfreut Don biefem ^nblid %uS ber empSrenben ©rau^» 
famfeit biefeS SSorgangeS, toeld^en ber nationale unb reli« 
gidfe ^natiSmuS beS Sllten SeftamentS Derl^ertlid^t, mag 
eS loenigftenS teUtt)eife ftd^ erfl&ren, baß .2)ebora'' tro^ 



90 C^. £(anslt(f. 

t^rer mufif olifd^en ©d^ön^eiten nur feiten auf gef äl^rt tourbe. 
Sl^r^fanber l^at in feiner ^Bearbeitung biefen abftogenben 
aßeud^elmorb, an bem tpeber bie @e|erin nod^ ber frieg« 
fü^renbe ipelb ben geringften Slnteil ^ot, g&njlid^ ge^ 
ftrid^en. S)amit entfäQt bie ganje t^igur ber Sael, toeld^e 
in jeber 9l6teilung bei^ Oratoriumi^ auftritt unb mit brei 
großen !(rien bebad^t ift ^reilid^ t)erlieren toir mit biefer 
toilben 5ta^ jugleid^ ben einzigen bramatifc^ aufregenben 
ßtDifd^enfaU, n^eld^er bie fanfte 9ffonotonie ber ^anblung 
unterbrad^. S)enn in bem ganjen Oratorium gefd^ie^t 
eigentlid^ nid^td anbereS, als bag bie frommen Suben 
beten: einmal flel^enb um ben getoünfd^ten @ieg, bann 
banfenb für ben errungenen. 

9)?it feiner ^Did^tung ^at ^finbelS $oet ©amuel 
^um^l^re^ fein 9)?eiftertoerf geliefert S)ie l^anbelnben 
^erfonen laffen und gleid^gültig, aud^ bie ^au^tfigur 
S)e6ora entbel^rt beS lebenbigeren SntereffeS, ber bebeui^ 
tenben Snbioibualität. Snbem bie gefd^idfte SBerbinbung ber 
S^ormaffen mit ben ©ologeffingen ju organifd^er @in^ 
f)üt ^tf)lt, erreid^en felbft mand^e ber Sl^öre nid^t jene 
äSirfung, bie il^rem mufifalifd^en ©ehalte nad^ t)on il^nen 
ertoartet toerben burfte. 9(ud^ bie übrigen Oratorien 
Rubels (mit 9ludno§me ber beiben d^riftlic^en „X^eobora' 
unb ^iKeffiaS") be^anbcln, toie „SJebora", burd^toeg alt* 
teftamenttid^e SSorgange, t)em?eilen alfo gleid^mä^ig bei ben 
klagen ber unterjochten unb ben S)an!ed]^^mnen ber ge» 
retteten Snben. Slllein innerl^atb biefciS begrenjten ©toff* 
gebietet ragen bod^ „@aul", ^©amfon", ^Sofua", „SubaiJ 
SF^affabäuS" toirifam ^eroor burc^ mannigfaltigere $anb« 
lung, intereffantere ^erfönlid^feiten, fd^ärfere bramatifd^e 



^Debora" von £}SnbeI. 91 

®egenfä^. ^ treffen toir bann neben ber SSoIfSntenge 
Qud^ ge)^&gte Snbbtbualttdten, neben bloßen SSorg&ngen 
andf X^aten. 3n ^^tboxa'* feffeln und tpeber bte @^araf« 
tere, nod^ betoegt und ein brantatifd^eS Snteteffe. ^ndf 
rein mufifaltfd^ fann ^S)ebora* tro^ einjelncr granbiofer* 
S^öre ftd^ mit ben f))&teren Oratorien nid^t nteffen. ^m 
®egenfa^e gu mand^en ftänftlem, bte mit einem erften 
SBurf il^r 99efie8 geben unb bann aQmä^Iid^ abnel^men, ift 
§änbcl — ganj abgefel^en öon feiner italienifd^en D}i^m^ 
jugenb — mit june^menben Salären nod^ erftaunlid^ ge« 
Umd^fen in feinen Oratorien. Ttan benfe nur an bie ge^n 
unb gtoangig Saläre nad^ „^boxa" gefd^affenen: „SD^efftaS", 
^Sofua-, ,,3ep^ta"! 

Sebermann toeig, toie fel^r fid^ ^dnbel in feinen jal^U 
reid^en Oratorien loieber^olt. ^arf man ed bem Jtritifer 
t)erben{en, loenn er ftd^ gleid^faQd toieberl^olt in aQerlei 
^nbetSerid^ten? ®8 bleibt i^m aud^ in ber ,,S)ebora* 
nid^t tt^paxt, jundd^ft bie Straft ber großen Sl^öre ju 
rul^men, baneben ju beflagen ben ftarren SluSbrudt, bie 
ftereot^pe ^^orm unb SluSfd^mfidEung ber Strien, enblid§ baS 
dugerft bürftige, faft nur auf ©treic^inftrumente befd^ränfte 
Ord^efter« Sin prad^tt)oIlen Spüren bringt gleid^ im Slnfang 
bie erfte Slbteilung ben ad^tftimmigen ^^mnuS „^n ®ott 
ber SRad^t* unb ben Stufruf jum Äampf: „SSäirf ab bie 
©d^eu!' ^oä) getoaltiger ergebt fic^ im jtoeiten Xeil ber 
S)op))eId^or ber eifemben $Baal8)}riefter gegen bie in 
frommem ©ottDertrauen betenben S^raeliten. S(ud^ bie 
britte Slbteilung bed Oratorium^ loieberl^olt biefen ©egen« 
fa|: einem jammemben &)ox ber befiegten ^ananiter ant« 
b^ortet bai banferffiQte SSrael mit bem großen, funftt^oü 



92 ^^- QansUcf. 

aufgebauten ©d^lufed^or: ,,3»"i ^immel auf!" 8Ba8 bie 
@i)Io))artien betrifft, fo gefte^t fogar S^r^fanber ju, ^ 
fei in i^nen bad tnbtt)ibuen SSebeutfame, bem S^or gegen« 
über, ,,ntd^t ))öllig enttoidEelt''. ,,ftaum angebeutet", mSd^ten 
tpir lieber fagen. 93on üerl^ältniSmägig ftarfer, ber @ttua« 
tion entfpred^enber äSirfung ift im erften Xeil ber ®efang, 
mit todäjtm ^bora als Seiterin ber ganjen iSraelitifd^en 
S9en)egung fid^ mit bem S^or Dereintgt. SBeid^, gefü^boü 
Hingt bie Safe^ärie SlbinoamS „O, mein ©o^n", über 
beren ermübenbe Sludbe^nung und ber lang entbel^rte 
jilang jtoeier flöten freunblid^ l^inn^egl^ilft. ^ad ©d^Iu§* 
buett S)eborad mit 99araf (im Original mit ^aet) toirft, 
bei geringer Originalität ber 3JtdoW, julegt burd^ ben 
äBo^Iflang ber beiben in Xerjen« unb ©e^tengängen tKX» 
einigten Stimmen. Sin ^inbemiS für unfer lebenbigeS 
9J{itfü^Ien ift übrigen^ bie muftfalifd^e Serf5r))erung bed 
gelben 93araf in einer Slltftimme. hingegen ift nid^t 
einjufe^en, n^arum tDxx und, nad^ Sfir^fanberd 93el^au^tung, 
2)ebora nur als ^(tiftin benfen fSnnen. $5nbel felbft 
unb anbere tlaffifd^e 9ffeifter l^ben ^elbinnen unb 
$ro)}^etinnen genug gefc^affen, meldte, toie S)ebora, 
(Sopran fingen unb an einbringenbem ^atl^od unb frfif« 
tiger SBirfung e8 nid^t fehlen laffen. S)ebora felbft be* 
ftätigt unfere Slnftd&t burd^ il^re Strie „^ox Se^oöal^d An* 
gefielt", tDeld^e übrigens toie nod^ anbere Srien aus 
filteren 993er!en ^finbelS (ber 2)eutfd^en $affton unb ben 
StrönungS * Slnt^emS) einfad^ ^erübergenommen ftnb. 3n 
frül^eren 3^iten ift biefe bequeme ^rajriS inSbefonbere bon 
jpänbel anftanbSloS unb fel^r gern geübt toorben. ^ut« 
jutage iDürbe ein foId^eS S9allf))iel mit SDJuftfftüdten, bie 



JDehota" von QSnbel. 93 

einem befttmmten Aunfttoerf entoad^j'en unb t)ertDad^fen 
ftnb, und fd^merjltd^ ^erfi^ren. 

@tne nterftoürbige StoDttät l^aben toir in biefer an 
170 Saläre alten j^SJcbora" lennen gelernt — eine 9?ot)ität, 
in ber aber nid^t aQed ober anä) nur DteleS uniS neu ge« 
fbtngen ^qL Unfer ytad^hax, ein alter S)tufiffreunb, ber 
feit S)ecennien feine ^änbel * Stuffü^rung öerfaumt, be« 
^auptete nad^ ber Suffü^rung, er l^abe «,2)ebora'' getoi^ 
fd^on einmal in Sßien gel^ört, t)ielleid^t mit tttocS t)er« 
änbertem Sejt S)er SKann tt)ar im Strtum, aber ber 
Srrtum ift entfd^ulbbar unb bejeid^nenb. SBer fo auger« 
orbentlid^ Diel unb [d^neQ probujierte tDte ipfinbel unb ein 
ganjed Oratorium getpöl^nlid^ in brei bid t)ier Sßod^en 
fertig mad^te, ber fonnte unmfiglid^ immer 9teued unb Dri« 
gineHed bringen, nod§ bei jebem S)tufifftfidC ben ®eniu8 an 
feiner @eite l^aben. Slud^ burd^ feine altteftamentlid^en 
Xejrte loar ^nbel an eine ftarfe ©leid^förmigfeit bed 9(uS« 
brudEed gebunben. Sßer bfirfte ftd^ Derl^e^Ien, bag biefeS 
Stoffgebiet in ber Sunft einem ftetig abne^menben Snter« 
effe begegnet? Unb bamit aud^ ein namhafter Xeil ber 
©änbelfd^en SKufif ? 2ttö ^finbel ftarb, »ar SKojart fd^on 
brei Sa^re alt. Sßelc^ neue, ))on ipänbel ungeahnte SBelt, 
in ber toir unS nod^ §eute iung fül^Ien, l^at er und er* 
fc^Ioffen! 



94 ^. ^anslxd. 

von 2. iBailf, £xa\jm» uiib Mttiheifkfo^ju 




m t)orIe^te ®efeUfci^aftS«J£on}ert ^atte und 
bte erfte 3luffü^rung etneS $&nbelfd^en Oratoriumd 
(®cbora) gcbrad^t; im legten l^ßrtcn toir eine für SBien 
neue JSantate üon 99 ad^. S)te beiben ®rogmeifter beutfd^er 
Sonfunft finb unerfc^fipflid^ — nod^ anbert^alb Sa^r* 
^unberte nad^ il^rem Xobe. i,9Bad^et auf, ruft unS bie 
©timme/ Reifet bie Äantate, toeld^e ©ad^ 1731 auf ein 
breiftrop^iged Stird^enßeb üon $^ilt|)p 9ttcotai fomponiert 
^at; StecitatiDe unb 2^^^ S)uette trennen bie ©tropfen 
beSfelbcn. 9Kit fcicrlid^er Slnbad^t folgten bie 3"^^^^ 
biefer 9)?ufif, fd^ienen aber fd^ßeglid^ t)on bem ®an}en 
me^r befrembet ali begeiftert. 9lUe (S^rfurd^t unb )0e* 
tounberung für lOad^S erftaunlid^e ^nft t)ermag nid^t 
ganj 5U üer^inbem, bag uniS ^eute bie fügßd^e, unleiblid^ 
pietifafd^e ©id^tung ftört. 3toei förmlid^e SiebeSbuette 
fingt @^riftu8 mit feiner ©raut. 2)amit ift bie „gläubige 
©eele* gemeint, befanntlid^ in bcr älteren proteftantifd^en 
Shrd^enmufif eine ftereot^pe $igur, bie aud^ in 83ad^8 
^errlid^er Kantate: „3d^ ^atte t)iel SBefümmerniS'' unb 
anberen in unmittelbare Säejie^ung jum jpeitanb tritt S>ie 
enbloS toieber^olten Sßorte in bem erften S)uett: i,S8ann 
fommft bu, mein §eil? — 3d^ fomme, bein ^eil!" 
,JJomm\ 3efu! — 3d^ fomme!" crmfiben unb berftimmen 
unS; nod^ me^r baS in opem^aften Xerjeng&ngen fofenbe 
jtoeite S>uett jtoifd^en @^riftu8 unb feiner Sraut: i,9ßein 



menbelsfof^ns JVal^nt^xsnadii''. 95 

grcunb tft mein unb id^ Sin bcin! S)ic Siebe foK nid^tö 
fd^eibenl* SRan mufe g^^^'^^^ä^f^ßc^ $ßroteftant unb un* 
bebingtet SBad^*(£nt^uftaft fein, um in biefer Äantate mit 
gonjem ^erjen aufjugel^en. ®etptg ift ed unfere @d^u(b 
unb bie @d^ulb unfered auSge^enben Sa^r^unbertd, bag 
tDir für biefe pietiftifd^en Slnfd^auungen unb @mpfinbungen 
nid^t biefelbe SBftrme aufbringen, tpte feinerjett SBad^ unb 
feine ®emeinbe, ?l6er leugnen fönnen loir nid^t biefe« 
SSSibcrftreben, ba« toeber öor unferem ^iftorifd^en Se* 
greifen, nod^ t)or bem mad^tigen SinbrudEe 99ad^fd^er JSunft 
ganj t)erfd^n)inbet« . . t^reubig begrüßten toir einige nur ju 
feiten ge^firte S3o{aId^öre üon IBra^mS. 3n8befonbere bie 
„^a^tmaäjt" , ein betounberungdtoürbiger fe^dftimmiger 
©afe, unb „Seftte« ®lüd*' (baS fd^ßne ©ebid^t üon SKaj 
^albed) ge^firen ju ben perlen Sral^m^fd^er S3o{a(mufif. 
S)a8 t)on Sral^m» ^armonifterte SBoIfölieb ^^SBoHuft in ben 
^Jtat^m", beffen populäre SBirlung niemals üerfagt, mußte 
tDieber^oIt toerben, toie aud^ bad martige S^orlieb ,,9e« 
^er^igung''. S)a« Jtonjert f^Iog mit üßenbelSfo^n« 
Kantate i,^ie erfte SBalpurgiSna^t". f8ov 55 Sauren }um 
erftenmat in Sßien aufgeführt, ^at biefe S^onbid^tung noc^ 
nid^tS eingebüßt üon il^rer jugenblid^en ^rifd^e. ^ie fieg« 
reid^e Unmittelbarfeit i^red SinbrudEeS ließe taum erraten, 
koeld^ genriffen^afte 3lr6eit unb Überprüfung äTZenbetöfol^n 
baran gewenbet. 3m 3a^re 1831 in SRom fomponiert, ge* 
langte bie „SEBalpurgiSnad^t" erft jtpSIf Sa^re fp&ter nac^ 
burd^greifenber Umgeftaltung an bie Dffentlid^feit. Sßetc^e 
SBebenfen toegen ber Snftrumentierung beS ^ejend^orä! 
Sieber^olt }tt>eifelt STZenbeldfo^n, ob er bie große Trommel 
baju nehmen bürfe ober nid^t ®IüdEIid^em)eife l^t er feine 



96 ^^' Qanslicf. 

fift^ettfd^en ®ltnpd beftegt; er fe|te bte gro§e Xrommel 
ba^tn, ntd^t 6Io§ xoo fie effeftooQ, fonbem too fte unettt« 
6e^rlid^ ift. $eute giebt ed feine ^©Qtnp^omfci^e ^tc^tung" 
me^r, an kneld^er fte nid^t mttbid^tet 

Snigemetn aufgefallen ftnb bte Slbfinberungen bed 
®oet^efd§en ©ebtd^ted, toeld^e bad SBtener ßonjertprogramm 
auftpetft. 83et ©oet^e fingen befannttid^ bie ^ibnifd^en 
äBfic^ter: ^JSontntt mit 3^^^^^ ^^ ^^^ Nabeln unb 
mit ®Iut unb JJIapperftödEen — Ttxt bem Seufel, ben 
fie fabeln, tooQen toir fie felbft crfd^recfen. ©iefe 
bumpfen $ßf affcnd^riften, lafet un8 led fie fiberliftcn!" 
993er mag ber muntere Senfor fein, ber auS ben Pfaffen«" 
(i^ften „biefe S^riften*' gemad^t ]§at unb — ben Keim 
„®abeln, fabeln* ftofä ignorierenb — fabeln in „fürchten" 
toem^anbette? SBir bauten, biefe Don ^ngftUd^Mt unb 
§oci^mut bütierte ,,SBcrbefferung'' einer gefeierten, burd^ 
a)?enbet8fo]§nd STZufif in allen Reifen ^eimifd^en 3)id§tung 
®oet^ed muffe aud bem SBormfirj ftd^ unbead^tet in unfere 
2^ge eingefd^Iid^en ^aben. SlQein bem ift nid^t fo. 3d^ 
^abe t)or bem Sa^re 1848 aU @tubent üßenbeldfo^nd 
^JEBalpurgignad^t" in $ßrag unb SBien fingen gehört, immer 
mit bem ©oet^efd^en Originaltext. 'S^a^ augerorbentlic^ 
fird^Kd^c geingefü^I unferer 93e^örben ift alfo ein neu auf^ 
geblümte« $ßpnjlein. „©o »eit gebrad^tü" fingt ber 
alte 2)ruibe. 





III. ^tbteilung. 

^un^ unt» <^eften. 



^d jfi^It ju txn @elten(|etten in bei a)hiftfgef^^e, 
bog tmi^nanbet Drei gfinjlt<^ unbefannte junge ftom)>oniftm 
gleit^ mit i^rem aQererften 9Berfe bie gidnjenbfte Suf< 
na^me finben. TOaäcagni, ißerofi, ©iegfrieb ffiagnet 
— baS SBeltfinb led^tö, baä 3Bettfinb linfs, ^cofj^e in 
bcr 3)ittten. Son biefen biei Jünglingen im feurigen 
SRu^meÄofen ift SKaäcagni mit [einer .Cavalleria" ben 
twtben anberen um einige 3a^re tiorau^egangen. ^^ 
Sifolge bergen fo intereffante Analogien unb SUetfc^ieben« 
tieiten, baß man bem SReise, fie ju tietgleitfien, faum wiber» 
ytelien fann. SRaScaflni ift ftreng genommen bei ©njtge 
in bem Stteeblatt, wläiit ben @tfo(g ganj aQein nur feinem 
SBetfe ixibanft, nidEjt aud| feinem fliamm ober feinen ptx* 
ffintidien ^erfifiltniffen. ISin bunflet $TOt)injmufifei Don 
25 ^a^ren, f|atte er ben ^üt, \id) fi^neKfertig an ©OU' 
jognoS^eiSauSfctiretbungju beteiligen; feine .Cavalleria" 

(anllttf. Vul vtutt unb ntntR« Btlt. 7 



98 ^^' l?ansltcf. 

tDUtbe afö bie befte t)on fiebitg etngefenbeten 0))em er« 
tonnt unb getrfint. S^t brifpieHofer (Srfolg in Stalten 
ertDtcfi ftd^ Qud§ als koettgreifenb unb nod^^altig« 9tod§ 
^eute, nad^ ad^t Sauren, lebt bie „Cavalleria", bcren 
fünfttenfd^er Sßett ober Untoert und ^eute nid^t 6efd§äftigt, 
auf aQen Opembü^nen btedfeitS ober jenfettd beS Sßelt» 
meereS t)ergnägltd§ fort. 

Unter ungteid^ günftigeren Sßer^&Itniffen traten bie 
beiben anberen ©(üdEStinber t)or bie Öffentlid^feit. 2)en 
einen fd^mfldEt unb ^ebt ber 9lame feineS S3aterd, ben 
anbem fein geiftltc^eS ^leib. Umftfinbe finb bie SD^inifter 
ber (Sötter. D^ne bem Xalente $ßcrofid ober ©iegfrieb 
SBagnerS na^ejutreten, barf ntan bod^ behaupten, bag nic^t 
biefed ^lent allein fte fo plfiglid^ emporheben fonnte. 
äRinbeftenS ein paar 3a^re leibigen Um]§em)anbemS unb 
Stnflopfenä mit il^rem Opus 1 ^ätte e8 gefoftet, ^cfee ber 
eine ftatt SBagner @d^mieb unb ernährte ber anbere eine 
ja^Ireic^e ^miüe irgenbtoo als befd^eibener Organift ober 
@d^ul(e^rer. 3Ben baS $ublilum unb bie ®efeQfd§aft mit 
fo jubeinbem ß^^^f^ ^^b toeitgefiffneten Strmen empf fingt, 
o^ne nod^ eine 9{ote t)on i^m }U !ennen, ber ift ein @onn« 
tagSünb, toie ed oft in 9Rörd^en, aber fel^r feiten in ber 
JSunftgefd^id^te t)or{ommt . . . 

3;reten toir et»ad nä^er an $ßerofi. @8 begreift 
ftd^, bag bie fat^oUfc^e Shrd^e, t)or allem ber rSmifd^e 
(Spidfopat, bad 3(uftreten eines jungen ^riefterS mit reli^' 
gidfcn S^ontoerfcn frcubigft begrüßte. ®nblid^ ein SBieber* 
aufleben lang unterbrod^ener rfll^mlid^er ^^rabition! ©eit 
me^r a(8 itoei^unbert 3a^ren ^atte ber fat^olifd^e ftleruS 
nur in einzelnen nid^t eben ^erüorragenben ^omponiften 



21Bbe perofl 99 

ftd^ fd^affcnb bct^ättgt 3m üorigcn Sa^t^unbctt befaß 
Stalten nod^ an $abre aTZartint unb beffen @d§üler 
$abre äJJattei jtpet als X^eorettfer unb Seigrer l^od^ange^ 
fe^ne Son!finftIer. 3n ^eutfd^Ianb gifinjte 9166^ SJogler 
(ber Sekret SOte^erbeerS unb SBeberS) afö getftooQer 
SRufilforfd^er unb Drgelüirtuofe; feine ja^Ireid^en Äompo:» 
ftttonen ftnb tängft tjergeffen, gleid^ jenen SRartiniS unb 
SRatteiS. 3n öfterreid^ fontponierten ju SRojartg 3^*^^^ 
W>h6 @tabler unb ber unerfattßci^ üartterenbe 9t66e 
©elinef; beibe üöHig öerf^oüen. $Wad^ ?l6b^ ©tabler 
fam erft Si^jt (faft ein Sa^r^unbert fpäter) afö ber erfte 
fai^olifd^e Xonbid^ier, ber toieber ein geiftlic^eS Oratorium 
fd^rieb. Stein SBunber, toenn ^eute inmitten ber [tarieren 
SBetoegung fatl^olifd^en ©laubenSeiferd baS plSglid^e @r^ 
fd^einen eines Oratorien fd^reibenben ^riefterS toonnigeS 
Auffeilen enegt SRan toeifc mit toetd^en Sl^ren ber junge 
Sßerojt in Stauen unb Öfterreid^ überhäuft, üon Älerud 
unb SIriftofratie gefeiert, an ^fid^fter geiftlid^er unb toett*» 
lid^er ©teile empfangen tourbe. SDiefer SBiberl^aH feiner 
fird^Iid^en SBegeifterung entfd^eibet aQerbingS nod^ nid^t 
für ^erofiS muftfalifd^e Sebeutung. 9Kd^t nur bem ^nj« 
luftigen ift leidet aufgefpielt — aud§ bem frommen ©eter, 
Sei aQer ®Qm|)at^ie mit feinem ibealen @treben unb 
reblid^en ^^leig Vermag id^ bod^ in $erofi ein ftarleS, 
eigenartiges Xalent nid^t gu erfennen. ®Iatt unb getoanbt 
gefd^rieben, nid^t ol^ne einzelne anmutige SBenbungen, ftnb 
bod^ feine beiben l^ier aufgeführten Oratorien arm an 
urfprflnglid^en ®ebanfen. „Lazzaro" unb bie »Bisur- 
rezione** — too immer man biefe beiben ^ßartituren auf* 
fd^Iagen mag, eS ift faft immer baSfelbe. @ine bflrftige, 



100 ^^' E^ansltcf. 

iit engem ShetS melobtfd^er t^ormeln unb 9egteitung8« 
figuren niftenbe ©rfinbung. Statt audgcprfigter ^ßerfön«' 
Itd^fett ber aUgemetne @tem^el tatl^oltfd^er ^rd^enmuftf; 
ein butd^ ^fiufige trompeten« unb ^ofaunenftöge er^Uter 
monotoner Sttanetenton. 3)en l^anbetnben ^erfonen fe^It 
faft jeglid^e S^atafteriftif, unb ber 6^or, biefcr ®runb» 
Pfeiler eci^ter Dratorienmuftf, ift fümmerlid^ beifeite gc* 
fd^oben. 

ßtmfd^en bie tird^Iid^en unb bie mufüaltfd^en 9[n« 
fprüd^e gefteHt, bie ja im Oratorium ^&uf[g auSeinanber« 
ge^en, beoorjugt ^erofi offenbar bie erfteren, toie fd^on 
bie ganj ungetofi^nlid^e SBa^I ber lateinifd^en ©prad^e fftr 
feinen %^ bartl^ut. ©ie berü^mteften ffiomponiften Statienä, 
fc^on Sarifftmi unb bie an ber SBiener JpoffapeQe ange« 
[teilten alten tWeifter, ^aben fid§ im Oratorium il^rerSRutter* 
fprad^e bebient; SRaffenet, Sinei, ®. x^xand fd^rieben auf 
franjöfifd^en Xejt; bie bcutfd^en ffiatl^otifen (ipa^bn, 
SBeet^ooen, fogar SIbbä SiSjt) auf beutfc^en. SSSe^^alb 
toenbet ftd^ $ßeroft nid^t an fein SBoIf? Satein ift bie 
@prad§e feiner lebenben Station, fonbem bie beS fatl^o« 
lif^en Äleru«. ©ie brfingt 5ßerofi8 ©til in eine trabi«« 
tionelle fird^Iid^e ©tarr^eit unb erfd^toert jcbe unmittel* 
bare ipingabe an feine SD^ufit 2)aju ba8 ^^ft^alten an 
ben fnappen SBorten bed (SDangeliften. ^aS t)erurfad^t 
ein maglofed Überwiegen beS erjä^Ienben 5£eiled über ben 
I^rifd^en, einen jer^adEten S)ialog an ©teile einer muftfalifc^ 
geformten, fid^ auSbreitenben SKelobie. aufredet erl^alten 
fonnte 5ßerofi ben ftreng Krd^Iid^n ©til trofebem ni^; 
mobeme SBenbungen, fogar SBagnerfc^e, f&rben ben ®e^ 
fang toie bie Snftrumentierung. S^m barauS einen SJor* 



^Der Bftrett!{äuier'' ©on Sicgfrieb VOaqntt. 101 

iDutf ju fd^mteben uitb unbebttigte 9tudfe^r ju ^aleftrtna 
üotjufd^reiben (tote jüngft in einem großen blatte ge« 
fc^el^en) toäre X^orl^eit. ßein JSünftler fann fid^ l^eute um 
brei bid Dier 3a^r^unbette jurüdfc^rauben , toenn er 
nic^t auf jebed SSerfte^en unb äßitfä^Ien feiner ß^itgenoffen 
t)erii($ten toiH. 9{ur mag feine ßunft, fein Talent unb 
fein fift^etifd^ed (Smpftnben ftarf genug fein, um eine $ar^ 
monie jtDifd^en fird^Hd^en unb muftfalifd^en ^nforberungen 
fefi^ul^Iten. @in {r&ftiged, origineQeS Xatent tann und 
fogar mit (Sinjel^eiten üerföl^nen, too ber SBrud^, ber im 
SBegriffe ber ^Äird^enmufiJ" ftedEt, ettoa ju (Sunften ber 
9Kuftf unb jum 9{Qd^teite ber Stird^e ^ert^ortritt. äßer 
gebadete nid^t beim 9ln§dren t)on ^erofiiS ^^Lazaros^ an 
baS gleid^namige (unüoQenbete) Oratorium oon $ranj 
@d^u6ertl äSie feffelt unb erl^ebt unS bie Snnigfeit unb 
metobifife x^Mt, meldte ^ier Seben au8 bem Xobe jauberti 
3n ©d^ubert ift me^r SKufif unb loeniger Äird^e, in 5ßerofi 
baS ©egenteiL Ob ^eroftd halbreife JSunft ftd^ nod^ ju 
toirflid^er ©ebeutung enttoideln, bereid^em unb oertiefen 
koerbe? 9Bir mfid^ten ba8 um fo fe^nlid^er toünfd^en, als 
bie fabelhaften fingeren (Srfolge feiner jungen IBerfi^mtl^eit 
fid^ fd^n)erlid§ ein jtoeited Wlal toieber^olen bürften. 

SBie bem jungen Äbbate bie l^o^e ©eiftlid^feit mit 
$a(m)toeigen unb 9flaud^fäffem oorangefd^ritten toar, fo 
nal^te und @iegfrieb SSagner unter ben ^nfaren ber 
@l^amberlain«$ufaren t)on 99aQreut^. ^erofi blieb n^eit 
unter meinen ^od^gefpannten @m)artungen, hingegen ^abe 
ic^ im^Sfiren^fiuter" beinahe SBeffereS gefunben, aU iä) üer» 
mutete, ©iegfrieb l^atte einen ungleid^ fd^toereren ©tanb 
als S)on ^erofi. (Siner aQererften großen Oper pflegt 



102 €^- ^anslicf. 

man mit geredetem äf^igtraueit ju begegnen. 9Bte biete 
Sugenbopern Don ©lud, SRojart, S^eruBtnt, SBeber, Slu6er 
unb 9iofftnt finb burd^gefallcn ober in rafd^c« SJunlet 
ücrfd^tDunbcn, bcüor biefc SRcifter mit einem üöUig reifen 
SBerf ftd^ Stnerfennung erf&mljften. ©elBft ^gibclio", bie 
erfte unb jugleid^ Ie|te Oper IBeetl^oüend, brandete neun 
Sa^rc, um fid^ üon i^rem erftcn 5^11 ju erholen. (Sin 
jtoeiter ®runb 5U einigem äf^igtrauen lag in ©iegfriebS 
gefeiertem Stamen. Sßann ^at je ber @o^n eined Serä^m^* 
ten Sonbid^terd aud^ nur l^albtoegS ben SSater erreid^t? 
Stemmen toir ettoa t)on SBad^d elf @5^nen @manuel unb 
t^riebemann aud, beren 9{amen n^ir no^ e^ren, il^re SSerfe 
aber faum mel^r fennen, fo finb bie ^luSna^men mit biefem 
»cifpiete too^I erfd^fipft. S)ag lurje, fd^üd^terne JJünftIcr* 
leben Don SRojartd ©o^n toar ein äf^art^rium, aud^ ein 
materieSed. @in geiftigeS toenigftenS bie Saufbal^n Don 
®oetl^eS (Snfeln SBoIfgang, bem ^i^ter, unb SSalt^er, bem 
JJomponiften. 3n öielen gdHen a^nen bie SSäter, mit«= 
unter aud^ bie ©öl^ne f elbft, baS SluSftd^tSlofe fold^er 9?ad^« 
folge. ®ie ©ö^ne 6. Tl. SBeber», SKenbetefo^n«, ®ounob8 
folgten praftifd^en SerttfgjtDeigen, 5Die 9?atur bererbt 
nid^t gern ein grogeä S^alent; biet lieber enterbt fte. 
Stid^arb SBagner felbft ^atte feinen ©o^n befanntlid^ jum 
Jlrd^iteftcn bcftimmt. 9lun fommt 3ung*©icgfrieb toage* 
mutig toie fein Siamengpatron, folgt feinem triebe jur 
SKufil unb überrafd^t bie SBelt — nid^t ettoa mit ein paar 
Sieber* ober Älabier^eften, fonbem gleid^ mit einer großen 
Oper. (S3 glüdEt il^m biefer Anfang beffer, atS Dorbem 
feinem SSater. ^JBfiren^auter" ift in Xejt unb 2Kufif 
iebenfaHS toirffamer afö 9lid^arb SßagnerS (SrftlingSoper 



^Der 3Srenl{äuter" von Stegfneb VOaqnex, 103 

^3)te ^eett'', bte totr in üRfind^en mit ]o itngl&ubigem 
lOefremben geprt l^aBen. ®rog unb eigenartig tme bie 
SJorteile ftnb aber and^ bie (Skfal^ren eines ererbten Spaniens. 
Unb nid^t erft t)or bem ^ublifum. @d^on kofi^renb ber 
Arbeit nmlauem fte ben ©o^n. ©tarf, felbft&nbig foll 
er in feinem SBerf e erfd^einen, nid^t als bloger äSagnerianer. 
(£benfon)enig }iemt il^m anbererfeitS ein t)fiIIigeS SBerleugnen 
beS üäterlid^en ©tilprinji^ unb Äolorit«. gfirtoa^r, fein 
leidster ^onptl ai^an benft untpiUfärlid^ an bie 3toetfeI 
9?at^an8 beä SBeifen üor feiner änttoort an ben ©ultan: 
„®o ganj ©todEjube fein }u tpollen ge^t fd^on nid^t. Unb 
ganj unb gar nid^t Sube ge^t nod^ minber!'' ©iegfrieb 
trad^tet nad^ beiben ©eiten ^in ju befriebigen, rebtid^, boc^ 
nid^t mit gleichem Gelingen. SSo er unbefangen bem 
eigenen ©d^affenSbrang ftd^ l^ingiebt unb mfiglid^ft natfir^»' 
lid^ bleibt, toie üielfad^ im }n>eiten Slft, ba folgt man il^m 
tirillig. 9ßo er hingegen getoattfam fic^ feiner Shonprinjen« 
toürbe erinnert unb ben SBater topittt, ^fo toeit bie öor» 
^anbenen Äräfte reid^en'', ba toirb er ungenfigenb, affeftiert, 
langtoeilig. S)a8 empftnbet man fd^on ^fiuftg im erften 
9lft; am ftfir!ften im britten, namentlid^ toa^renb beS un«* 
auS^altbar langen unb langtoeiligen S)uettS bed lO&ren^ 
^äuterg mit ber obligaten „erlöfenbcn*' SKaib. SBeften 
S)anf unferem S)ireftor äRal^Ier, bag er btefem gefungenen 
S)rad^en, loeld^en ©iegfrieb, ftatt il^n ju erfc^Iagen, gejeugt 
^at, loenigftenS bie Pfoten unb ben ©d§n>eif abl^ieb ! Und) 
in ber maglofen Sludbe^nung beS ganjen SBerfeS, in Unter«' 
jod^ung ber felbftfinbigen äJfelobie unb jerbrfidCelnben 
2)eIIamation folgt ©iegfrieb all}u getreu SBagnerfd^en 
äßuftem« 3a, er fud^t fte nod^ }U fiberbieten in bem 



104 ^^* l?atislicf. 

tDte ein nerüfifer Stmeifen^aufen burd^etnatiber fri66etnben 
Ord^efter, bai bte paar l^fibfd^en melobtSfen Anfänge un« 
barm^etstg üerfc^üttet. Übertrumpft ^ ©tegfrieb ben 
S3ater auc^ bartn, bog er ntd^t blog baS t)er))finte SBort 
^^Dpcr^Jonbern aud^ bag üon SBagner fubftituicrtc „SKufif** 
brama* öcrabfd^eut unb ftatt beffcn — Qax ntd^tö ^in* 
fd^reibt S)q8 ift bod^ ein bigd^en finbifd^. 2>ie alte 99e« 
jeid^nung „Optt" ^at noc^ niemals einer guten Sßufit 
gefd^abet unb baS ftolje SluS^ängefd^ilb ^SD'Zufübrama'' 
nod^ feine fd^Ied^te gerettet. D^ne 3^^f^I ^^^ ^^^ ^^^^ 
neuefte Obftruftion @c^ule mad^en bei ben 3ung«9ßag^ 
nerianem; mfige ed bann nur n)irf(ic^ feigen: 3RxttA 
o^ne Xitel! ®em .SJären^äuter" fam bie mufterl^fte 
SBorfteQung im $ofo))emt^eater fe^r }u ftatten, tofi^renb 
bie miferabte Aufführung ber »Bisurrezione" bem ©in* 
brudCe biefer ffiompofttion ol^ne grage gef d^abet l^at Stnberer* 
feitS ftanb $eroft »ieber im SBorteil burd^ bie Särje feines 
9Ber!eS. @r l^at nid^t t)iel ju fagen, fagt eS alfo furj. 
©iegfrieb toeig aud^ nid^t t)iel 9teueS, erjäl^tt eS aber fo 
lang unb umft&nblid^, bag man üerjtoeifeln fSnnte. 

^aS äBiener ^ublifum l^at bie 9tot)itäten üon ®. 
SBagner unb öon $ßerofi in ber aUergünftigften SBeife 
aufgenommen. S)abei bfirfte eS eine furje 3^^ ^^"8 ^^^ 
bleiben. SBen Äritif ni^t plagt, ber toirb im ,,Sären» 
^äuter'' fid^ fteKentoeife unterhalten, unb toer ^od^grabig 
fromm ift, fid§ bei ^erofi nid^t töblid^ langweilen. 



gemeine, fd^ätilid^e nnti gemeinfd^ätiiid^e 

itiabierfiiielevet 




,an tm% bag {Bral^mS bei feiner fonft fo be« 
f c^eibenen Sebendf ü^rung fic^ e t n e n SujruS gern geftattete : 
eine geräumige 3unggefeIIentDo]§nung t)on bret bis tner 
ßintmem. 3^^ ®ommerd}ett (in 3fc^(, aJ'^firjjufc^Iag, 
X^un) — pflegte er fogar ein ganjed ©todtoerf in einem 
billigen ipQufe allein ju ben)o^nen. @r ^atte Slngft bor 
einer mufijierenben S^ad^barfd^aft. 2>ie äJ'^ufif, citierte er 
aus jhint, ift eine jubringlid^e Aunfi ®&d\% erlaubte 
ic^ mir ju bemerfen, — fte ift aber noc^ me^r eine 
egoiftifd^e. 3Bir felber tt^oQen muftjieren, t)iet unb nac^ 
^)er}en8luft, — bafe aber unfer SRad^bar biefelbe ^affion 
^ege, baS ftnben n>ir empdrenb. SrabmS toünfd^te oft, 
id^ mbd)tt ztmai gegen bie auSfc^reitenbe SluSbreitung beS 
jtlatrierfpielS fc^reiben. 9ber biefer ^Spibemie" gegenüber 
toax id^ bod^ nur Patient, nid^t Strjt; l^fid^ftenS ein 
S>octoranb jener Jtlaffe, tt>e(d^e, unfel^Ibar im Srfennen 
ber Shanf^eit, bod^ fein SKittel toeife, fie ju gellen. 3a 
nod^ me^r: 3d^ ^alte bie ^errfd^enbe @eud§e ffir un^Ibar 
unb glaube, bag toir nur mittelbar, auf u>eiten &ft^fc^ 
unb f)äbagogifd^en Umn^egen bal^in gelangen tfinnen, i^ren 
üer^eerenben ^^ortgang aSmfi]§(id§ ein}ub&mmen. 

S)ie Dualen, bie totr täglid§ burd§ nad^barßc^ 
flimpembe 2)ilettanten ober ejrerjierenbe @d^üler erbulben, 
finb in aQen ^^arben oft genug gefd^ilbert 3c^ glaube 
aQen Smfted, bag unter ben ^unberterlei ®er&ufd^n unb 



106 €^- ^anslxd, 

aRtgfl&ngen, tpeld^e tagflber baS D^x bed ©rogfiabterd 
jcrmartcrn uitb öotjctttg abftumpfcn, bicfc mufifalifd^c 
goltcr btc aufrcibcnbftc ifi 3n irgenb eine toid^ttgc Arbeit 
ober emftc Scftürc ücrtieft, ber SRu^e bebfirfttg ober nad^ 
geiftigcr ©antmlung rtngcnb, muffen toxi lotbcr SBiUen 
bem eittfe^Iid^en Sf lQt)ierfpteI neben und jul^dren ; mit einer 
Slrt gefponnter SobeSangft toarten toir auf ben und too^I« 
belannten Sccorb, ben bai liebe ^^räulein iebeSmal falfd^ 
greift; toir jittern üor ber Sßaffage, bei toeld^er ber Heine 
Sunge unfehlbar ftocfen unb nun t)on Dom anfangen 
nrirb. 3n biefem pf^d^otogifd^en QtoanQ, bem Dertoünfd^ten 
Slaüierfpiet mc^r ober minber aufmerffam ju folgen, liegt 
kDO^I ^auptf&d^Iid^ bie qu&Ienbe ©peciaUtät gerabe biefeS 
(Seräufd^ed. 

S)ie ©riefe üon SBert^oIb STuerbad^ enthalten l^ierüber 
nod^ eine anbere, feine SBemerfung. Sluerbad^ flagt au8 
feinem ©ommcraufent^att ®emdbad^, bafe allerlei un* 
rul^ige 9tad^barfd^aft i^n in ber Arbeit toie im ©d^Iafe 
ftflrc, unb fügt bei: ^S)ag Siaufd^cn ber SKurg unb aud^ 
bed ©turmeiS (nrie ^eute 9tad^t) ertrage id^ leidster, als ba8 
®eräufd^, üon SKenfd^en erregt. SBarum? Unfere 9?eröen 
^aben aud^ SJerftanb. SBaS toir ^inbem fönnten, ertragen 
toir fd^toerer, al8 boS Unabänberlid^e in ber9?atur brausen/ 

SBaS nrir ^inbem fönnten? 3a, toenn toir baS Siedet 
unb bie SRad^t befägen, eS }u l^inbern! Slber barin liegt 
eS eben, ba§ toir gegen ben SaftemSBamp^r nebenan biefeS 
9led^t, bie SRad^t nid^t ^aben, niemals ^aben fönnen. @r 
ift, fo gut wie toir, §err im eigenen §aufe, ^err am 
eigenen Ätaüier. SBann er ba fpielen barf, toie oft, toie 
ftarl, toie gut ober fd^Ied^t, baS entjie^t fid^ ber gefe^tid^cn 



Klooierfpteleret. 107 

@tnmtfd^ung, unb bte ^oKieigetoalt toirb uni^ ^öd^ftenS 
jienfett ber ©ren^Itnie fd^ü^en fönnen, too baS SffentKd^e 
SItgerntS, ber ©tanbal beginnt. 

®8 finb mir im SKoment nur jwci ?lrtcn erinnerlid^ 
Don be^drblid^ent Sinfd^reiten gegen bie Selfiftigung burd^ 
ftlaöierfpiel. Sic 5ßartf er 5ßoIijei f)at einjcinc 95efd^»erben 
bal^in entfd^ieben, bog ol^ne Srlaubnid ber 9tad^6arn nid^t 
t)or fieben Ul^r frfi]§ unb nad^ elf U^r abenbS muftiiert 
toerben barf. Ä^nlid^c SJefd^r&nf ungen Beftel^en in mand^en 
beutfd^en ©tfibten, nte^r nod^ burd^ ©etoo^n^eitöred^t atd 
gefeglic^. S)Qburd^ ift aber btog unfere Siad^tru^e gefd^ü^t 
nid^t bie un8 gleid^toid^tige SlrbeitSru^e bei S^age. 9?ur 
»ben ^eiligen ©d^Iaf ju morben", »ie SKacbetl^ fo fd^fin 
fagt, üertoel^rt baö (Sefeft ben pianifiercnben Un^otben, — 
öertoel^rt eö ^im 5ßrinäi|)*', benn eine toirflid^ ftrenge 
^anb^abung n^ürbe aQe ^au^b&Se, aQe $rit)Qt«%6enb« 
!on}erte u. bergt, unmöglid^ ma^en. 

@ine ih)eite poIijeiKd^e ^ürforge befte^t, ben ß^itungen 
jufotge, in SBeimar, too eg gegen jioei SKarf ©träfe üer^ 
boten ift, bei offenen genftem ju mufijieren. (S8 ift bieS 
eine loo^It^ätige SSerorbnung, — befd^&menb nur burd^ 
ben ©ebanfen, bag eine Dbrigfeit erft befel^Ien mugte, 
n^oS bad eigene Slnftanbdgefü^I einem jeben Don fetbft 
biftieren foQte. 

Stuf bicfem ®ebiet mufifalifd^er Attentate barf id^ 
mid^ ber fd^merjlid^ften (Srfal^rungen rfil^men. @S toar 
eine angeblid^ iri^ül^ige*', ettoa» enge (Saffe, in toetd^er id^ 
Dor einigen Sauren bad ®lnd l^atte, ein ftaüierfreieS $au8 
JU betoo^nen. 9[ber mir gegenüber ftürmten au8 brei 
©todtoerfen aUe böfcn ®eifter ju ben ftet» offenen genftern 



108 <Sb. Qanslicf. 

l^erauS. SSfi^renb im erften @tocf mehrere mufüaltfci^e 
©^tpeftern ton libetalftem ®tf)bx unb ftetS Derftimmtem 
5£lQt)ter Seetl^oüen, ®txan% Offenbad^ unb @l^optn bunt 
burd^einanbet fc^üttelten, blutete aber t^nen ein junges 
Opfer mufifalifci^er SJreffur ftunbenlang unter 3;onIeitem 
unb Übungen. Slm fru^eften begann bie @oprQn«3)ame 
im britten ©todC i^r Sxigetocrf mit itatienifd^cn Arien 
aM »Sucia* unb ^Sucrejia^. (Sd fd^ien i^r Slppetit 
gum t$rül^ftfidE ju macben; tpir anbem üerbienten feine 
SRfidEfid^t, unb S)onijetti toax \a längft tot. @o ging eS 
bed äRorgenS. S)er 9lbenb pflegte im anftogenben $Qufe 
burd^ Dier^&nbigeä 3(bfd§Iad^ten alterdfd^ttKid^er Duüerturen 
gefeiert ju n^erben, unb toenn gerabe SBoQmonb toar, fo 
ftöl^nte überbied eine ^^QS^armonifa il^ren SSeltfd^merj 
in baiS lieblid^e (Snfemble. Unb niemals, gar niemals fam 
biefen funftfinnigen ®emütem ber ®ebanfe, ei^ !6nnten 
i^re mufifalifd^en Orgien tpe^rtofe Qtntt in ber 9tad^« 
barfd^aft belfiftigen. Siegt nic^t in bicfem rücffid^tslofen 
ÜÄuftjieren bei offenem ^cnftcr aud^ eine ©arbarei, ä^nlid^ 
jener ber SJre^orgcImdnner, bie fid^ öor unfere SBol^nung 
poftieren? SRufifalifd^eS gauftred^t — oben ober 
unten. S)te SBeimarifd^e $ßotijei * Scrorbnung fd^ü^t 
Wenigfteng baS vis-ä-vis be8 mufifalifd^en Ungeheuers,' 
inbem fte biefem bie genfter ücrfd^Iiefet. ©en SRad^bar 
t)ermag fie nid^t ju retten, toetc^er burd^ bie bfinnen Sßänbe 
aSeS unb jebeS mit an^dren mug. 

3n Öfterreid^ giebt eS meine« SBiffen» feinerlei ge* 
fefelic^e SSerorbnung gegen nac^barlid^e ÄlaDierinfuIten, 
foweit biefe ni^t in ba8 ®ebiet be8 „öffentlid^en Ärger» 
niffe»** überfpringen. JBereinjelte Älagen, üon benen id^ 



Klapterfpteleret. 109 

erfuhr, iDurben t)on ber Se^örbe mit bem SBemerfen ab^ 
geiDtefen, eS bleibe bem Stlfiger fein anbetet a]?ittel, ald 
bie Sßo^nung ju ti)ed^feln. 92 un ereignete eS ftd^, bag jur 
felben 3^^ i^ffillig ffim ganj anbete 93ef(^n)erben mit 
glucflid^erem Srfolg bid t)or (Sertc^t famen, Se^d^tuerben, 
bie im 3uf ammen^ang mit unferem X^ema f el^r d^arafterifti^d^ 
finb. SDie 3Jtuiitx einiger ftttfamer Xöd^ter führte Stiage 
gegen einen i^r gegenüber ti)o^nenben ©(^neibermeifter, 
n)eil beffen (SefeÜen jur ©ommerdjeit in aüerluftigftem 
9icgRg6 bei offenen genftern arbeiteten. 3)er Ätage tourbe 
ftattgegeben unb ben im ©labiatorenfoftüm befinblid^en 
©d^neibergef eilen befolgten, il^re ^nfter ober ft(^ 
felbft JU üer^&ngen. (Sbenfo erfolgreid^ leerlief ber 
jtpeite gaQ: bie 93efd^ti)erbe mel^rerer SOtietdparteien gegen 
einen ©eifenfieber, beffen Saboratorium bie ®affe öerpeftete; 
— er jog ben jtürjeren unb mugte bad ^Ib räumen. 
3Jtan fie^t aud biefen jti^ei SBeifpielen, n^ie ganj anberd 
bad Suge unb bie 92afe gefd^ügt Ujerben gegen t)erle^enbe 
92ert)enreiie, afö baS Df)x, biefer ent))finblid^fte unb njel^r« 
lofefte ber @inne. Suriftifd^ ift bad freilii^ unanfed^tbar. 
@ine ©efeggebung, bie ^ unternehmen tt)oQte, und t)or bem 
ftlaüierfpiel ber 92ad^barn ju fi^ü^n, mägte bie a)?uftf 
überhaupt Verbieten. S)enn im SSefen ber 9)?ufi{ liegt ed 
ja, bag man i^r nid^t entfliegen fann, bag man fie l^ören 
mu§, man tooQe ober nid^t, ba§ fie mit einem SBort (e8 
rfi^rt öon Äant ^er) eine ^jubringlid^e Äunft^ ift. 

ftfinnte unb n^oQte man übrigens einige taufenb 
@täbter üon ben Dualen nad^barlid^en jtlatiierfpielend be» 
freien, fo müj^te man eben fo Dielen Saufenben i^re befte, 
oft einjige greube unb (Srl^olung rauben, ben gad^« 



110 <2b. Qanslirf. 

muftfem oft gerabeju i^re Stiften}, ^a, ba8 SD^ertoitrbtgfte 
tft, bag in fel^r Dielen, üieUetd^t in ben meiften ^Qen, 
|ier ßlfiger unb ©eflagter, ©elbftfpieler nnb angespielter 
in bemfeI6en Snbiüibuum sufammenf allen; benn gerabe 
loir, bie n)ir nnter ben unerbetenen nad^barlid^en klängen 
am em^jfinblici^ften teiben, finb in bcr SRegel felbft muftlalifi^ 
unb muftiierenb. 2Bir fangen f eiber an, Ujann ber anbere 
aufhört, unb fo bre^t fi(^ bie filage in eti^igem Streife. 
SSie man fte^t, üermag bie $anb bed ©efe^eS l^ier nii^td 
au^jurid^ten, ober bod^ nur ein tierfd^njinbenb ©eringei^. 
%nä) toix, bie $ßartei ber 3)efenfiöe, befifeen toenig fd^üfeenbe 
3JtittA; bide SSänbe unb ©ebulb ftnb üieQeid^t bie einzigen. 
SSiel me^r oermag fd^on bie gegnerifd^e, bie offenfioe 
Partei für und ju t^un, toenn fie Rumäne ^ilbung unb 
einiges SKitgefü^I mit bem SZebenmenfd^en befi^t, — l^eijjt 
eS bod^, bafe SKufif bie ©itten mitbcre unb bie §erjen 
Verebte. Überbied ift anjunel^men, bag bie ^ed^nif beS 
Snftrumentenbaue«, bie fo riefige gortfd^ritte in ber SSer* 
ftärfung beS 3;one8 auftoeift, aud^ nod^ gortfd^ritte in ber 
beliebigen Slbfi^ioäd^ung beSfelben mad^en fann unb loirb. 
S)ie erfte Srfinbung biefer Strt ift mir 1862 in ber 
Sonboner äBeltauSfteUung aufgefallen: eine geloß^nlid^e 
SKilitärtrommel, „Practice silent drum" (ftille ÜbungS* 
trommel) genannt, loeld^e mittelft beliebiger Sbfpannung 
bed t^^Qed ed ermfiglid^te, bag ein l^alb SDu^enb Xambourd 
ftd^ in i^rer ^nft üben lonnten, o|ne bie 92ad^barfd^aft 
im minbeften ju beläftigen. SMefelbe 3bee, auf baS JJtatjier 
übertragen, tritt mir in einer Annonce beS Hamburger 
$ßianofortefabriIanten S. 3)ü]^rfopp entgegen; fein neu er- 
funbener ^^Son »» SRoberateur" fefet ben Spieler in ben 



KlaDterfpteleret. m 

©taitb, ben Xon [thti Rlat>izx^ beliebig abjubfim^fett, 
«auf SBunfd^ bis gut 3;onIo[t8fcit*. ^ä) roei^ nid^t, ob 
bie neue Srftnbung, bie mir nid^t ju (Sefid^t gefontmen, 
i^ren Qtotd erreid^t; bie Sbce felbft ift gut unb ermöglicht 
luenigftenSj einen ©d^ritt jum SBeffem: ba^ man leife 
f fielen fann. 

9Ser aber barf bem 92ad^bar befel^Ien, bag er leife 
fpielen mu§! SBer jtoingt unÄ jum «Xon^SRoberateur" ? 
S)ie äRad^t eined 9iegimentd«^ommanbanten, toeli^er feinen 
Xambour§ bie „ftiQe Übungdtrommel^ umfängt, fie erftrecft 
fid^ nid^t über unfere flaüiertrommelnben (Sit)iliften. 

SDie ßlage über S3eläftigung buri^ nai^barlii^en 
Stlatrierlärm ift feineSUjegd fo alt, toie ba$ $tlat)ier felbft, 
SDiefeS toar jur ^tit ^a^bnd unb SD^OjartS ein fi^loäc^« 
lieber, bünner haften mit jartem ^on, faum bis inS 
SSorjimmer l^örbar. S)ie filage entftanb erft nad^ unb 
nac^ mit bem immer ftarfer toerbenben ^on unb größeren 
Umfang bed ^ianoforted; fie ift jum SBel^gefd^rei, bie 
SBel&ftigung jur Sanbplage gen^orben feit ben 50 biiS 
60 Sauren, ba aQeS ©treben ber ßlat)ierfabrifanten ba^in 
jielte unb nod^ immer ba^tn jielt, bie ®d^aQ{raft biefed 
Snftrumente* ju öerftärfen. SBor 100 Salären toar ba8 
^(aüier nid^t üiel me^r ald ein Dergrögerted ^adbrett 
(S^mbal), l^eute ift eS ein öerfleinerte« Drd^efter. 5Der 
^langfüQe unb fc^Ieubernben ^aft beS heutigen panoforte 
entfprid^t ber gen^altige Umfang unb ba§ burd^ bie ftarfe 
@ifen« unb aRetaQarmatur bebingte foloffale ©emid^t ber« 
felben. SBie anber« tjor 100 Sauren! S)er berühmte 
äBiener ^(aüierfabrifant ^. S3. @treid^er erjö^Ite mir, baj| 
fein ©rofeüater mütterlid^erfeitä, 3lnbrea8 Stein, afö junger 



:^s i 



&«-' 



Fl '■ 



l' '. 



112 Cb. QansUcF. 

3Rann fein Stlaüter oft ftunbenloeit unter bem %rme ge« 
tragen ^at, tt)enn er in ben benad^barten Drtfd^aften 
©onntagS jum Sanj auffpiefen foQte. Unb üon ®eorg 
SBenba, bem rinft l^od^beliebten ®ot^aer O))emfom))ontften, 
iDeij^ man, baj^ er einmal fpät abenbS eigen^finbig fein 
Älaöier über bie ©trafee trug, um feinem bereite ju ®ette 
liegenben ^e^bid^ter eine eben {omponierte %m in unab« 
gefüllter SBegeifterung Dorsufpielen. S)amate gab ed 
^t)iere genug, aber nod^ feine |,StIat)ierfeud|e''. @rft in 
unferen ^agen gen^ann biefe^ Snftrument offenfiDe ftraft 
unb leiber aud^ offenftt)en (Sl^arafter. SDKt biefer Qualität 
fteigert ftd^ aud^ fortm&^renb bie Quantitfit ber jt(at)ier« 
fabrifation; faum giebt eS in ben (Sro^ftfibten ein ^ud, 
in ipeld^em nii^t ein bid jujei $ianoS, aud^ me^r, ju 
finben iD&ren. 

9totgebrungen ftnb loir bei bem toenig tröftlid^en 
Stefultate angelangt, baj^ bad Unheil burc^ fingere 9)?ag« 
regeln nid^t ju l^Ien ober ^m oertreiben ift, bag toir 
t)ielme|r gut t^un, fie toie mand^e^ anbere unabti^enbbare 
Übel unferer (Siüilifation mit möglid^fter ^iefignation ju 
tragen. 

SSbxx mittelbar, fo bemerfte id^ gleid^ @ingangi^, 
bfirfte eine aDmfil^Iid^e 93efferung biefer 3ufifinbe ftd^ an« 
bahnen laffen, nur mittelbar unb auf toeitem Umn^ege: in« 
bem n^ir in ben ^eranlDad^fenben (Generationen toeniger 
AlaDierfpteler auffommen laffen. S)ieienigen, bie |eute 
bereits JHatjier fpielen — toorunter tt)o|I 50 ©tümjxr 
auf einen ftünftler fommen — , öermögen toir am Ausüben 
i^rer gertigleit nid^t ju ^inbem; toir fönnen aber — 
ieber in feinem Äreife — ba^in toirfen, ba§ fünftig nid^t 



Klaoterfpteleret. 113 

me^r fo titele Stlaüter fpielett lernen. 9htr bann ti)irb 
loeniger unb tptrb Beffer gefptelt ti^erben. (£d tft bieS, meine 
td^, eine tmd^tige tlngelegen^eit, Don einer meit über baS 
äJhtnfalifd^e ^inaudreid^enben XrQgti)eite. S)ag ber ^Itu^ 
ber 9)?uft{, inSbefonbere bed ftlaüierfpietö, ^eutjutage über« 
trieben »irb, auf ftoften ^ö^erer unb bringenber 3ntereffen, 
ge^firt ju ben nid^t me^r beftrittenen SBa^r^eiten. S)er 
päbagogifd^e S3ert bed äRufifunterrid^tö, ben id^ geti^ig 
nic^t üerfenne, iDtrb ^eute o^ne f^rage fiberfd^&^t unb ein« 
feitig im Xei^nifd^en gefud^t. Sebed Ainb jum filat)ier« 
lernen ju jn^ingen, e^ ftunbenlang and ^ano }u fi^mieben, 
gleic^met ob ed Suft unb Talent baju l^at, ift ein Unftnn, 
eine SSer^ünbigung. S)er unoerl^&Itni^mä^ige ß^^^^^uf^^^nb, 
ben unfere Sugenb bem ftlatnerfpiele opfert, loirb jum 
SRaube an ber emfteren nriffenfd^aftlid^en ![uiSbiIbung. 

SBir fc^en ben Unterrid^t im ^tiäjxttti auffaücnb öer« 
nad^Ififftgt gegen bad aRufijieren, unb in biefem ttneber ben 
®efang üemad^Ififfigt burd^ bad aQeiS t)erbrfingenbe $Iat)ier« 
f^el. äBaS ieber lernen unb {önnen foU, ift: in einem 
(Sl^or mitjuftngen. 2Bie fpärlid^ ttrirb gerabe bafür bei 
und geforgt!*) 3)ie Dpfer be« ftlaöier» finb nid^t blofe 



*) 3n biefem $un(te übertreffen toir aQerbingd meit bie gfran« 
3ofen, fönnten aber mand^ed üon ben (Snglänbem lernen. @o §at 
bie „Bristol Mnsical Festival Society'* in fionbon (eine $rit)atgefells 
f^aft, meldte alle brei Sa^re groge Si^ufiffefte üeranftaltet) in Der« 
fd^iebenen teilen ber @tabt Singflaffen etabliert, in meldten etma 
800 3i^dli>^dc i^ Q^^orftngen unb befonberd im prima yista-Sefen 
auftgebilbet mürben; oon ben @(6ülem pafftenen ungefähr 260 bie 
Prüfung mit Sud^eic^nung. ^a9 Honorar filr ben Untenid)t beträgt 
25 Pfennig für bie Stunbe. ^eld)en üorteil^aften (£influ6 eine ber^» 
artige Pflege bed O^efanged auf bie Seiftungdfä^igleit bed S^ord 
ausüben mug, ift unfc^mer einjufe^en. 

^an«Ii(f, KuS neuer unb neueflec B'tt. 8 



114 €b. RansHcf. 

bic 3«^örcr bcr Htmpcrnbcn ©d^üler, fonbcm biefe ©d^üler 
felbft, t)or allem bie ja^IIofen jungen 3Jt&bä)^n, njeld^e t^re 
Sierücn abnüftcn unb fo Dtet foftbare Qüt Verlieren, um 
bod^ fo feiten gute ^aniftinnen ju merben. Sßte f(^6n, n^te 
toertöoD ift cö, eine gute $ßtaniftin in ber gomilie ju 6e- 
figen! Slber biefer glücflid^e $ß^8nij finbet fid^ äufeerft 
feiten. SKö^te bod^ bie ©tatifttf folgenbe Slufgabe löfen: 
toie tjiele SKiCionen ©tunben toerben jeftt auf ba« ßlaöier« 
fpiel üemjenbet unb loie üiele ©tunben njal^rer, genuj^reid^er 
SKufif bringen fie ju SBege? 3n ber 3;^at, biefe SRenge 
bem Älaüier gemibmeter ©tunben foDte nur burd^ eine 
entfd^iebene, gebieterifd^e Begabung gere^tfertigt toerben. 
3ft baS Über^anbne^men be« bitettontifd^en ffilaüicr*» 
fpiete, ba^ obligate S^^^^S^pi^i^i^ ^^ ben gamilien ju be« 
flogen, fo jetgt ftd^ l^ute nod^ bebenflid^er bie ma^Iod an« 
fd^toellenbe ftonlurrenj ber ^ianiften üon gad^, toeld^e afö 
SSirtuofen ober ate fie^rer bai^ ftlaöierfpiel ju i^rem 
Seben^berufe ertoäl^Ien. ©atjon follte aCerorten fo bringenb 
afö möglid^ abgemahnt »erben. 3n erfter Sinie, glaube id^, 
mären bie Äonferüatorien öerpflic^tet, bem Stnbrange oon 
Älaüierfd^ülem entgegenjutoirfen, aber gerabe fie beffirbern 
im Gegenteil bie maffenl^afte Drittung öon $ßioniften unb 
baburd^ bai^ Slnn^ad^fen eines bebauemSn)erten mufifalifd^en 
$ßrotetariatg. 3)ie äJhififfonferöatorien ^aben ben Seruf, 
für bie ^ludbilbung unb ben ^aäfconäß oon Ord^efter« 
mufifern ju forgcn. @I)ebem Rieften fie aud^ feft an biefer 
^enbenj, gönnten bem filat)ierf))iele pd^ftend eine unter« 
georbnete ©tette unb überliegen eS in ber Siegel bem 
5ßrioatunterric^tc §eute brol^t biefeS SBer^ältni« fid^ um* 
jufe^ren; bie 3^^^ ber Älaöicrfc^fller überfteigt in ben 



Klaoierfpielnei. 115 

mciftcn ftonfertjatorien bic ber ®ctgcr ober Steifer, ©reifen 

tmr bte nfii^ftbeften Sa^re^berid^te i>^ äBiener ftonfer« 

t)atortUTnS ^eraud. SDadfelbe toax im ©d^ulja^r 1898—99 

t)on 392 ftlaüterißgttngen befud^t, tporunter 353 aßfibd^en. 

Stfö SBetpeiS, ba% bieS ntd^t ettoa fo fein mu% ober anber« 

toaüi fo ift, ffil^re td^ baS 5ßarifer Sonferöatorium an, 

baiS feine Stufgabe rii^tiger auffaßt ®i nimmt in ber 

Siegel üon |nnbert ftd^ betoerbenben Paniften faum jel^n 

auf; nur bie aEertalentooQften, beren ^erüorragenbe 93e^ 

fäl^igung bod^ einige ©elo&^r teiftet für i^re fünftlerifd^e 

Karriere. SDoS ift ber rid^tige ©tanbpunft. ®er abfolt^ierte 

®eiger ober SBIfifer ftnbet leidet ein fefteS Unterfommen 

bei einem ber ja^Ireid^en Sweater«, Stonjert« ober Sall^ 

ord^efter; für ben $ßianiften ejiftieren bergleid^en fidlere 

Slf^Ie nid^t. 3n SBien J)at m6) je brei big öier Salären 

ftetö ein neuer ©d^toarm junger ^aniften unb ^aniftinnen 

mit guten ßeugniffen bad Äonferüatorium öerlaffen; er 

überfd^toemmt juerft erfolglos fonjertierenb bie Reinen 

©täbte unb Sabeorte, um ftd^ bann fümmerlid^ mit £ef^ 

tionen fortjufriften. 

2)em Sefer xmb bad unoer^filtniSmdj^ige Ubergetoid^t 

ber toeiblid^en ^ianiften aufgefallen fein. @in fd^IimmeS 

gefeUfd^aftlid^eS ®\)ntptom\ 3n ber 3:]^at gebührt ben 

jtlaüierfpielerinnen eine eigene ©tropl^e, unb nid^t bie 

^eiterfte, in unferem l^utigen Silageliebe. ®i gel^t mit ber 

ftIaüiert)irtuofit&t in 2)eutfd^Ianb |e|t ungef&^r fo, tt)ie in 

Snglanb mit ber SRomanfd^riftftetterei — beibe finb faft 

g&njlid^ in ben ^nben ber 2)amen. 9E8enn loir englifd^e 

Sud^^finbleran^eigen burd^fe^en, fo tommt etioa auf ein 

S)u^enb SRomane tjon toeiblid^en Autoren einer bon mann* 

8* 



116 C^- ^ansM. 

lxä)tx ^erfunft; eine ^eerfd^au über unfere Sionjertjettel 
ergtebt ungefähr baiS^elbe SSerl^dltnid iiotfd^en ^antften unb 
5ßianiftinnen. ^a, in mand^er ©aifon öerfd^toinbcn bereite 
bie fi(Qt)tert)trtuo[en tJöQtg gegen bie Übermüdet t^rer ^tafien« 
ben" ©d^toepern. S)a6 bie jegt überall etablierte grfiutein* 
^err[c^aft auf bem ^taDier lieber bem ^^rdulein nod^ bent 
Si(at)ier ju groj^em SSorteil audfd^I&gt, njirb jeber ßunbige 
jugeben. 5Die Analogie mit ben SRomanfd^riftftellerinnen 
l^drt aud^ bejüglid^ ber Dnalitfit nid^t ganj auf: Ujir ^aben 
t)ie(e tüd^tige ^ianiftinnen, einige Dorjüglid^e, ^ie unb ba 
eneid^t einmal eine bie ^ö^e auSgebilbeter m&nnlid§er 
Stunft. SDiei^ bleibt eine Sludna^me, loeld^e bie Siegel nur 
bef tätigt, bie 9iege(, bag bie t^rauen burd^ i^re jartere 
pl^fifd^e loie geiftige Drganifation auf ein engered Siunft» 
gebiet, meiftenS bad ber ^lein« unb ^nmalerei befd^ränft 
bleiben unb felbft in i^ren glfinjenbften SRe^räfentantinnen 
ein Sefeteä, ©ntfc^eibenbed in ber Äunft öermiffen laffen. 
S3on ben praftifd^en, focialen Stadtteilen beS überl^anb« 
ne^menben SSirtuofentumS junger S)amen möd^te id^ am 
liebften ganj fd^loeigen. SSer fü^It nid^t bad innigfte 
äßitteib mit aQ biefen jungen S)?äbd^en, bie baS ^ano« 
fpielen jum SebeniSjloedEe ertofil^Ien unb auf baiS bi^d^en 
SSirtuofit&t eine S^iftenj grünben iDoIIen! 9htr ju fidler 
fommt bie 9ieue barüber, fo unenblid^ t)iel f^eijs unb 
9Rü|e auf eine Sunftfertigfeit üertoenbet ju l^aben, bie 
als fiffenttid^e ^robuftion fid^ nid^t me^r lol^nt, ja faum 
nod^ intereffiert. 

„2)er maffen^afte ^nbrang beS loeiblid^en ®efd^Ied^t8 
jum SSirtuofentum", fd^rieb einmal ber SRufilhHtiler 
Oum^jred^t, „ift eine böfe ftranf^eitgerfd^einung ber 3rit 



Klaoterfpieleret. n 7 

9ne aSfiter unb SD^fitter foEen ftd^ jtoei« ober bretmal 6e« 
[innen, beüor fte ben ^fid^ft k)erQnttt)ortIid^en Sntfd^Iug 
faffen, i^re Sfid^tet ju Jtunftlerinnen ober aud^ nur ju 
S)?uftf(e]^rerinnen ju erjtel^en. 2)te S^age, t)on beren 93e« 
anttoortung ^ter aEed a6|dngt, bte nad^ bem 2;oIent, 
tommt babet geiDö^nttd^ gar ntd^t in SBetrad^t. ^d^innen, 
92&]^erinnen, SBerf&uferinnen finb ungleid^ nüglid^ere unb 
frfi^Iid^ere SRttglieber ber menfd^Ii^en ©efeüf^aft, ali 
jene bebauemSn^erten ©efd^pfe, bie o^ne jjeben inneren 
83eruf gu ^ianiftinnen gebriQt h)erben, um il^r Seben lang 
nur fid^ unb anberen jur Saft ju fein, ©erabe bad JilaDier 
leiftet mit feinen t)on $au8 aud fertigen, Don aller Un« 
reinl^eit bettxil^rten Xönen ber leibigen mufifalifd^en SDtaffen^ 
breffur ben t^er^ängniSüoIIften* SSorfd^ub. ®enug beS Un» 
fugS n)irb auf ben Xaften ja^raud jahrein in ben f^< 
milien unb in ben @aIond getrieben. 3^ t)er|inbem, baj| 
er ft(^ nid^t aud^ in ber Offen tlid^feit Breitmad^e, ift eine 
gebieterifd^e $flid^t ber Sagei^Iritif.'' 2)ie @ad^e l^at Urirt 
lid^ i^rc fe^r ernfte ©eite. SBic tnel 3^* ^^b Jhaft toirb 
nid^t fort unb fort an ben ®rtoerb .ber banflofeften, un* 
frud^tbarfien gingerbraüour üerfc^toenbet. @elbft bem %a^ 
lente ift heutigen S^aged bie ftTat)iert)irtuofen«>fiaufbal^n 
mit ©omen beffiet. Son i^r gilt SBort für SBort, toa« 
®oet|e einft t)on ber bid^terifd^en ^obuftion gefagt: „^ai 
ganje Unheil entftel^t ba^er, ba^ bie poetifd^e Shiltur in 
S)eutfd^Ianb fid^ fo fe^r t)erbreitet l^at, bag niemanb me^r 
einen f^Ted^ten 83erd mad^t. 3)ie jungen 2)i^ter, bie mir 
i^re äßerfe fenben, finb nid^t geringer al8 il^re Vorgänger, 
unb ba fie nun jene fo l^od^ gepriefen fe^en, fo begreifen 
fte nid^t, n^arum man fie nid^t aud^ preifet. Unb bod^ 



118 €b. Qanslirf. 

barf man ju tl^rer Stuf munterung ntd^tö tl^un, e6en totxl 
i& fold^er Talente je^t ju ^unberten gte6t unb man bai 
Überflüfftge ntd^t 6efßrbem ^oU, to&f)xm\> no^ fo btel 
fUmi^ti ju tl^un tfi SDer SSelt fann nur mit bem 
Slu^crorbentlid^cn gcbient frin.* 

9htr njenn etnfluj^retd^e ©timmen ntd^t mübe toerben 
ju »amen, — tocnn unferc Äonfcröatoricn bcr Ubcr- 
probuftton an ^tantften unb ^aniftinnen entgegenujtrfen, 
anftatt ftc Icid^tfinmg nod^ ju bcffirbcm, — tocnn cnblid^ 
jeber bon und im eigenen ^eife feine Straft bagegeu ein« 
fegt: bann unb nur bann ift ed ju l^offen erlaubt, bajl 
bie ®ei^el, bie man fd^auerlid^ genug „JtTabierfeud^e'' 
nennt, aüm&^Iid^ milbere t^ormen annel^men unb fünftig« 
^in njeniger Dpfer, auf ber fpielenben n^ie auf ber ^dren« 
ben ©eite, forbern toerbe. 



^et Streit um bie Stoifd^enafttmufift. 

Von &nhig bis auf d^it^lu)», SingelMt, Coube, fitxb. 'QlUer 




.m ^obedtage Sefftngd (15. f^bruar) pftege id^ mir 
eine ftille $ri)Hitfeier bed großen SRanneS ju Vergönnen 
unb feine ,,$amburgifd^e 2)ramaturgie'' n^ieber jur ^anb 
JU nehmen. 3n biefem go(benen Sud^e ^at Seffing, fo un« 
gern er ftd^ fonft mit muftfalifd^en %tCiQtn befd^&ftigte, eine 
Unterfud^ung über ß^f^^^^^^^^fi' eingef droben , inetd^e 
— fotoeit meine Srfa^rung reid^t — gerabe öon ben 
SD^ufifern tt)enig gelaunt ifi @ie füQt baS 26. unb 



Der Streit um bte ^iPtfc^enaftmtiflf. 119 

27. @tüd bcr Hamburger Dramaturgie öom ^a^xt 1767, 
too unsere jungen Sonffinfticr fic in extenso nad^tefcn 
mögen. 

^ter foUen nur bie leitenben Sbeen unb mid^tigften 
@äge baraud in Erinnerung gebrad^t ti)erben. 

Seffing befprid^t am angeführten Orte eine SBorfteÜung 
öon SSoItaireS 3;ragöbie „©emiramig", ju toeld^er bcr 
feinerjeit gefd^&^te ^omponift unb preugifd^e $offa|)eQ« 
meifter 3o^. gricbr. «gricola (geb. 1720, f 1774) bie 
Duöerture unb ßroifc^cnaftmufifen öerfertigt l^atte. Sefftng 
beginnt mit bem — |cute gar mertoürbig flingenben — 
©age: ba^ bad Drd^efter bei unferen ©d^aufpielen geujiffer- 
maj^en bie ©teile ber atten (S^öre t)ertritt, n^edl^alb 
benn Jtenner fd^on längft geloünfd^t |aben, e^ mßi^te bie 
SKufif, toeld^e öor unb jtoifc^cn bem ©tucfe gefpielt toirb, 
mit bem Sn^att bci^felben me^r übcreinftimmen. §err 
©d^eibe fei unter ben SKufifern ber jenige, toeld^er ^icr 
für bie ^nft ein ganj neued ^Ib bemerft unb eingefe^en 
fyit, baB jebed ©c^aufpiel feine eigene mufüalifc^e 
Segleitung erforbere. 3ol^ann Slbolf ©d^eibe (geb. 1708, 
t 1776) toar nid^t blojj ein fcl^r frud^tbarer Äomponift, 
fonbem aud^ SKufil - ©d^rif tfteöer unb Herausgeber einer 
SBod^enfd^rift „3)er fritifd^e SKuftfug". Sn lefeterer t)iv^ 
breitet er fid^ unter anberem über bie ©genfd^aften unb 
©rforberniffe ber SD?uftIftüd!e, bie ju bcftimmten ©d^au* 
fpielen lomponiert toerben. 3)iefem äuffafee ©d^cibc» er* 
»cift nun Seffing bie ®|re eine« faft öoUftänbigen Ab* 
brud^d unb erfennt barin bie toid^tigften Stegein, um aud^ 
^ier bie ^onfunft unb $oefie in eine genauere SSerbinbung 
ju bringen, ^ür und l^aben bie 83ele^rungen ©d^eibed 



120 &' QansItcF. 

nur nod^ |tftorifd^en SEBett SEBad fönnte aud^ ^eutjutage 
ein ^mpontft mit SRegeln toit folgenbc anfangen: t,%az 
@^mp^onien ju Trauerspielen mfiffen präd^tig, feurig 
unb geiftreid^ gefegt fein; infonber^eit aber f)at man ben 
S^aralter ber $au))t))erfonen unb ben Hauptinhalt ju 6e» 
merfen unb bamad^ feine (Srfinbung einjurid^ten. " ^!£)ie 
Jiomöbie«@9m))]^onien muffen frei, fliegenb unb juloetten 
au^ fd^erj^aft fein, inSbefonbere aber fid^ nac^ bem eigen» 
tumlid^en 3n§alte einer jeben ^mßbie rid^ten'' u. f. tu. 
Wit berartigen Siegeln finb immer ju toeit unb ju eng; 
fie fagen meiftenS uberflüffiged, baS ftd^ üon felbft üer« 
fte^t, unb übergeben fd^h)eigenb gerabe baSjenige, nmiS ju 
erfal^ren am ti)i^tigften todre. fieffingd nid^t ju taufd^enber 
Shinftüerftanb ffi^tt bad aud^ augenblidEüc^ ^eraud, inbem 
er nad^träglii^ bemerft: ,,3^^^ ^^^ Siegeln felbft loaren 
leidet 2u mad^en; fie lehren nur, ti)ajS gefd^e^en foU, 
o^ne JU fagen, toie eS gefd^e^en fann. 2)er Slu^brudE 
ber Seibenfd^aften, auf n^elc^en aQed babei anfOmmt, ift 
nod^ einjig bad SBerf be^ ®enied.'' Sro^bem fäumte 
fieffing nid^t, ben ^omponiften t3on ©d^aufpielmufif einige 
treffenbe SBinfe ju geben, j. S.: „3« ber SBofalmufif 
l^itft ber &£t bem Slu^brudE aQjufe^r nad^: ber fd^n>äd^fte 
unb fd^UHinfenbfte njirb burd^ bie SSorte beftimmt unb 
üerftärh; in ber Snftrumentalmufif hingegen fällt biefe 
Hilfe n^eg, unb fie fagt gar nid^td, tuenn fie bad, toa^ fte 
fagen loiS, nid^t red^tfd^affen fagt. 2)er fiunftler loirb 
alfo ^ier feine äu^erfte ©t&rfe ann^enben muffen; er n^irb 
unter ben k)erfd^iebenen S^Igen t3on S^önen, bie eine @m» 
pfinbung audbrüdEen fönnen, nur immer biejenigen to&fjUm 
bie fte am beutlid^ften audbrudEen/ 



Der Streit nm bte giptfc^enaftmnfif. 121 

fftadf bieder t^eoretifd^cn Einleitung toenbet fid^ Seffing 
iu ben äJ^ufifftüden felbft, alfo üon ^erm ©d^eibe gu 
^)errn 5!lßricoIa. ^Sci^ toill cö bcr^ud^cn," fagt er, . ^etnen 
83egriff Don ber SRuftf bed $erm Sgricola ju mad^en. 
92td^t itt)Qr nad^ i^ren SSirfungen; — benn je lebhafter 
unb feiner ein ftnnlid^eS SSergnügen ift, befto loeniger Id^t 
ed fid^ mit ^Sorten befd^reiben; man fann nid^t tooJ)l 
anberS, ali in allgemeine Sobfprüd^e, in unbeftimmte %uS^ 
rufungen, in freifi^enbe SSetPunberung barüber verfallen, 
unb biefe finb ebenfo ununterrid^tenb fär ben Siebl^aber, 
als e!el|aft für ben SSirtuofen, ben man ju e^ren t)er« 
meint; — fonbem bIo§ nai^ ben Äbftd^ten, bie i§r SKeiftcr 
babet gehabt, unb nad^ ben ÜRitteln überhaupt, beren er 
fid^ jur erreid^ung berfelben bebienen toollte." Scffing 
unterjie^t nun SlgricoIaS (SntreacteS einer äft^etifd^en 
Slnal^fe, in loeld^er ftc^ bie gett)iffen^aften eingaben ber 
Tonart unb Snftrumentierung faft broQig ausnehmen, 
toeld^e i^m, bem SWd^tmufüer, offenbar ber ftomponift 
felbft an bie §anb gegeben, j. 99.: „S(uf ben 5. Sfft folgt 
ein Hbagio ani bem E-dur, ndd^ft ben 93ioIinen unb ber 
Sratfd^e, mit Römern mit t)erftfirfenben ^oboen unb 
^ßten, unb mit (^gotten, bie mit bem (Srunbbaffe ge^en." 
SBenn Sefftng auiSbrücIIid^ l^erüor^ebt, bag in bem 3. Sntre« 
aft ;,Q*§ömer mit E*§flrnern oerfd^iebentlid^ abtoei^feln", 
fo möd^te man, bei allem fd^ulbigen SRefpelt, bod^ barauf 
toetten, baj^ Seffing barunter ganj üerfd^iebene Jüang» 
färben Vermutet l^abe. SWerlmürbig finb SeffingS Äu§c* 
rungen über bie (poetifd^en) ®renjen, innerhalb toeld^ 

eine ß^^f^^^^^^^^ufi^ f^^i^ 3^^ t)erl^alten f)ai^ (£r toill 
(mit Ägricolag 5ßraji8 übereinftimmenb), ba§ bie SWuftl 



122 €5. QonsHrf. 

nad^ jebem %Et nur aud einem etnitgen @q^ befiele unb 
bag beffen SluiSbrud fid^ ftetö auf ba^ SSor^ergel^enbe 
6e2te|e. ir^enn bte äßufif foE bem ^id^ter nid^tö üer« 
berben; ber tragtfd^e 2)td^ter liebt bad Unerumrtete, baiS 
Überrafd^enbe mel^r ali ein anbetet; er Ifij^t feinen ®ang 
ntd^t gern üorau§ üerraten, unb bie SD^uftf tpürbe i^n üer« 
raten, loenn fie bie folgenbe Seibenfd^aft angeben tDoUtt." 
Seffing glaubt alfo ber Snftrumentalmufif et»aS abraten 
ju muffen, toai fie ti)unberlid^em)eife feiner äßeinung nad^ 

leiften fönne. (Sr bittet ben 3tt>ifc^«i^ö*tw"fifc^/ ^^^ ^^^ 
baS Überrafd^enbe liebenben SDid^ter nid^t baburd^ fd^dbigen 
ju toDlIen, bag er ben ®ang beS SDramad fd^on früher 
üerrate. 

3m ftrengen Sinn (unb biefen fd^eint Scffing nai^ 
ber ©enauigfeit, mit XDtldSjtt er fpäter StgricotaiJ einzelne 
3tDifd^ena{tmufifen anal^fiert, anjun^enben) üermag bieS 
aber bie reine Suftrumentalmufif gar nid^t. 3n einem 
toeiteren @inn, überleitenb ju einer anberen Stimmung, 
— auiS bem traurigen ind f^ö^Iid^e, auS bem Sb^Qifd^en 
ind ^^eroifd^e, fann fie ed aüerbingd. Unb bann barf 
fie eS aud^ in ben Qmx^djtnatt^xi. SBir Steueren bürfen 
bied toofjil audfpred^en auf ®runb üon äReiftermerfen biefeS 
gad^g, toie fie im öorigen Sal^r^unbert nid^t ejiftierten. 
SBenn Seffing bie 3tt^iWci^flttniuftfen ®eet^ot)eniJ ju „®g* 
mont' unb ÜJtenbeföfol^nd jum „©ommemad^tdtraum" ge« 
fannt l^ätte, fein offener @inn tp&re i^rer SSirfung nid^t 
üerfd^Ioffen geblieben, unb er iDürbe bie interpretierenbe 
SBirffamfeit ber ßroifd&cnaltmufif fd^toerlid^ bto§ auf ba8 
im 2)rama SSor^ergegangene bef darauf t l^aben. 2)ie 
beiben genannten Xonbid^tungen erblidEen i^re ![ufgabe 



Der Streit um bte giptfc^enaftinisjtf. 123 

ebenfo [el^r bann, bie ©ttmmuttg be^ Dorl^erge^enben SfteS 
nad^fltngen gu laffen, ald bic beS foTgenben üorberettenb 
anjufd^Iagen; mitunter betbed in ein unb bemfelBen S^on« 
ftud. 93eet^ot)en iDteberl^oIt nad^ bem britten Stit Jtlfird^end 
eben gel^örted Sieb ^greubdoU unb leibüoQ'' im Ord^efter 
unb ge^t barauS o^ne 3<^ubem in ein »AUa marcia« 
über, baS eine emfte hiegerifd^e Stimmung atmet, ober, 
um mit Sefftng ju fpred^en, bem ^örer bad beüorfte^enbe 
©inmarfc^ieren ber fpanifd^en %xup)j>tn „Derrät". 3n 
SD^enbeUfo^nS SRufif jum @ommemad^t8traum gilt bie 
3tinfd^naftmuf{f nad^ bem 3. 2tft, im teibenfc^aftlic^cn 
A-moIl-@age, bem angftlid^en @ud^en beS im SBalbe üer« 
irrten SiebeSpaareS S^fanber unb ^ermione, alfo bem 
eben SSorl^ergegangenen; fie leitet aber mit einem luftigen 
©prung nad^ A-dur jugleid^ ju ben broQigen ^nbiuerfer« 
fcenen bed ndd^ften SCfted. 2)er ^od^jeitömarfi^ ertönt ald 
3toifd^enaftmufif öor bem 5. aft, „txn&f atfo ba8 erft im 
fünften üorfommenbe ^od^jeitöfefL @S bebarf unfrerfeit^ 
nid^t ber SBerfid^erung, ba§ „Überrafd^ungen", toie ber @in* 
marfd^ üon %lbai %xnpptn ober bie 3)o))|)eI^od^ieit im 
©ommernad^tdtraum, nur bemienigen burd^ 2toi\6)tmtt^ 
muft{ „Derraten^ loerben fßnnen, ber fd^on barum toeig. 
Seffing Dergigt momentan, ober toiU ed ignorieren, bag er 
felber auS StgricoIaS ©emiramid«9)htftf niemals alleS bai 
]^eraui^e|6rt |dtte, loaS er erjäl^It, loürbe nid^t baS 
^rama unb junäd^ft ber Sn^alt jebeS einjelnen !lfted 
t§n unjtoeibeutig barüber belehrt ^aben. „2)er @a^ nai^ 
bem erften Sit," berid^tet Seffing, ^fud^t lebiglid^ bie öe* 
forgniffe ber ©emiramiS ju unterhalten, benen ber 
3)id^ter biefen «ft getoibmet ^at." »3m 2. Äft fpielt 



124 C^. ^anslid. 

SCffur eine ju loid^tige StoQe, afö bag er nid^t ben 9u^ 
brud ber barauf folgenben SRufi! 6efttmmen foQte. (Sin 
SlQegro affai qu8 bem G-dur, mit SSalb^dmem burd| 
^Ifiten unb ^oboen, anä) ben ©runbbog mitfpielenbe 
f^gotte t)erftärft, brfidEt ben burd^ 3^^t^^ "^^ t^urd^t 
unterbrod^enen, aber immer nod^ ftd| loieber er^olenben 
@toIj biefeS treulofen unb l^errfd^fäd^tigen 9Ri* 
nifterÄ auÄ.* Unb fo toeiter burd^ aUe äfte. 

Sene ^^rei^eit unb @elbftänbig!eit, loeld^e Seffing 
früher ber Snftrumentalmuft! gegenüber ber t)om Xejrt 
unterftü|ten Sßofalmuft! mit 9ted^t nad^gerü^mt l^at, ift 

bei 3^f^^n^'^ufit^n ^^^^^ abfolute. SSir fe^en an 
Sefftngd eigener Stnal^fe t)on ^(gricoIaS SOtufifftficf, bag 
ber Sn^alt jebee t)or]^erge^enben SlfteS il^m aü eine %xt 
Programm bient loeld^eS ber ^^antafie bed $örerS eine 
ganj beftimmte 9iid|tung giebt. @d ftnb feine gefungenen 
3Borte, n^ie bei ber SSofalmufif, ido^I aber t)or^ergefprod^ene 
äBorte unb borgefteHte Situationen, loeld^e bei biefen 
3toifd|enaftmufifen ^bem SuSbrudE nad^l^elfen ". J8ein 
ßiDeifel, bag bie 93efc^affen^eit ber bamaligen SDhtfil 
(fieffing ftarb öoQe 10 Sa^re öor ÜKojart, beffen fd^fipfe* 
rifc^e ?ßeriobc er fomit nid^t erlebte) — bem obcnbrein 
mufüalifd^ unge[d|u(ten fieffing ein gu befc^rönlteS 9Ra« 
terial geliefert l^at, aU bag er barauS fo monumentale 
®efe|edtafeln ^atte errid^ten !önnen, loie für bie bid^tenbe 
unb bilbenbe ^unft. Um fo beu^unberungeiourbiger finb 
neben mand^em 3^^^^ut^8^n ^^^ t>kUn treffenben !Be« 
merlungen, bie er über Aufgabe unb ©renjen ber SRufU 
mad^t. ©ein ^(aibo^er für 93efd^ränfung ber ß^f^^naft* 
mufil auf je einen ein^eitlid^en @ag fül^rt Seffing fd^Iieg« 



Der Streit nm bie gmtfc^enaftmufif. 125 

lid^ ju bem fd^dnen Sudfprud^: .SBer mit unferem ^erjen 
ftnred^en unb f^m^at^etifd^e ^Regungen in il^m ertoedEen toiH, 
tnug ebenfolDO^I ben ß^f^n^n^^n^^ng beobachten, atö toer 
unferen SSerftanb ju unterhalten unb ju belehren gebenft. 
O^ne ßufanimen^ang, ol^ne bie innigfte SBerbinbung aDer 
unb jeber Seile ift bie befte STOufil ein alter ©anb^aufen, 
ber feines bauer^aften SinbrudS fä^ig i[t; nur ber ßu« 
fammen^ang mad^t fie ju einem feften SRarmor, an bem 
fid^ bie $anb beS JtünftlerS t)eretDigen fann." 

@elbft toie au8 9Rarmor genauen, t)on einer Stfinftler- 
^anb o^ne gleid^en, fte^t ber @d|(ug ber Seffingfc^en jtritif 
ba: i,Z)ie Sbfid^ten eineS XonfünftlerS merfen, ^eigt i^m 
jugefte^en, bag er fie erreid^t f)at @ein SBer! foQ fein 
IRätfel fein, beffen Z)eutung ebenfo mü^fam atö fd^tuanfenb 
ifi SBaS ein gefunbeS Of)x am gefc^tuinbeften in i^m 
bemimmt, bad unb nid^tS anbereS ^at er fagen tooQen; 
fein Sob toäd^ft mit feiner Serftänblid^feit; je leidster, je 
-aUgemeiner biefe, befto üerbienter jened. @S ift fein SRul^m 
für mid|, bag id^ rec^t ge^drt ^abe; aber für ben ^erm 
^ricola ift e8 ein fo t)iel größerer, bafe in biefer feiner 
ftompofition niemanb ettoaS anbereS gehört ^at, als ic^." 

gür ben $erm Slgricola unb aud^ für ben $erm 
©d^eibe ift eS eine unüerbiente @^re, )?on einem fieffing 
^(fo gepriefen ju tuerben. ®önnen tuir ben beiben biefeS 
tinjige 3ßonument, baS fie üeretDigt, nadEfbem i^re eigenen 
SSSerfe längft fpurloS üerfunfen unb t)ergeffen finb. @S 
toar baS eine frieblic^e Qüt ber 3)2uftf: einer 3)2uftf, 
oberen fiob mit i^rer SJerftänblid^feit toud^S". 2)amaIS 
fonnte Seffing bona fide ben bebenfßd^en ©a| l^infteQen, 
iafe ein Sonfünftler, beffen Slbfie^ten toir merfen, bie» 



126 ^^- ^anslirf. 

fclbcn anä) erreicht l^abc. §eutc unter bcr ^crrfd^aft bcr 
^ßrogrammmufifer, bcr malcnbcn, p^ilofop^ifd^cn, toclt^ 
gefd^ici)tnd|en Xonbtc^tungen toürbe fief[ing jtDar bie l^o^n 
Slbfid^tcn biefcr ffiompontftcn o^nc tocitcre^ ^mcrlen", aber 
kool^I entfc^ieben gegen bog S^S^f^^^^"^^ proteftieren, bag 
fie btefe 8lb[ici)ten aud^ „erreicht" ^aben. 

93emerlen8toert ift, ba§ Seffing unb feine S^itfl^noffen 
nur eine ^idfuffion über bie toflufd^endtDerten Stgen:" 
fciiaften bcr S^ifc^enaltmufil lannten, fetneStoegS über 
bie S^IäfPs^^it ^on S^if^^^^Itmufif überhaupt. SJhir 
bad SSie tarn i^nen in t^rage, niemaliS ba^ Ob? Z)Qg 
anä) jum ©c^aufpiel STOufil gel^öre, ftanb Seffing au§er 
3toetfel, unb totr ^aben gefe^en, toetd^e SBid^tigfeit er i^r 
beilegte. Z)ie t^rage, ob man überl^aupt 3^if<^^nQftmufi! 
mad^en, ober fie nid^t ötelme^r ganj öerbannen foHe, ift 
erft in unferen Xagen aufgetaucht unb ^at leibenfd^aftlid^en 
©treit erregt. ®ö ift ein l^ödift intereffanter ?ßroje§, in 
tueld^em bie geiftreid^ften fieute )?om bramatifd^en i^ä) 
atö STnlläger unb SSerteibiger ber ßtoifc^enaftmuftl auf* 
traten unb in glänjenben SRepIifen unb 2)upli{en n^id^tige 
5ßrinjipienfragen ftreiften. 2lui^ biefen mobernen ^ßrojefe* 

aften für unb toiber bie S^^f^^n^^^^^f^'^ ^^8^ W^ ^^^ 
Sntereffantefte bünbig refapituliert unb fd^Iieglid^ aud| 
bem SJotum beS SBerfafferS ein befd^eibened ^ägd^en ge« 
gdnnt n^erben. 

II. 

3nt Sa^re 1855 l^atte man im SBerliner ^oft^eater 
bei 2)atoifone ®aftfpiel juerft bie ß^^f^^^^^^^f^' ^^ 
feitigt, nm 9ftaum für ©perrftge ju getoinnen. 3)a fid^ 



Der Streit um bte 5»lf(^cTiaftinu|if. 127 

bort niemonb ob btefer Sntbe^rung ein fieibd antrat, be« 
gönn bte Sournalifttl mit Seb^aftigfeit bie ^^rage ju big« 
futieren, ob nid^t überhaupt bie 3)2uft{ bei @d^QufpieIen ju 
faffieren loäre. S)ie ©ad^e ift inSbefonberc babutd^ an« 
jiei^enb, bag fte einen jener äft^etifd^en StoUiftondfäDe bilbet, 
in toeld^en bad Sntereffe ber einen ^unft bem einer an« 
beren jun^iberlfiuft. 

@iS toar juerft ber geiftreid^e Stomponift ^^erbinanb 
filier, tocld^er (in ber Äölnifc^en 3^t"^fl) ötö ge« 
^amifd^ter Siitter für bie SBürbe ber Sonfunft einrieb, 
bamit man bod^ enblid) bie 9)ht[if bed fd^mäl^Iic^en ©flaben» 
bienfted enthebe, ben fie in ben @d^au]pieI«3toifd^enaIten ju 
leiften ^at. @r n^ied nad^, toie ffiriS erfte fd^on bie ted^« 
nifd^en 93ebingungen , an tueld^e bie 3^M'^^nntuft! gebun« 
ben ift, j. ©. bie bcftimmtc fidnge ber (StüdEe, fe§r fd^toer 
DoÜftänbig ju erfüllen finb. 92od| n^eit ^adeliger jdge fid^ 
bie bramatifd^e Slnforberung an ben Snl^alt ber 9Rufi!, 
toeld^er ftetS bie Stimmung beS Dorl^erge^enben SfteS nad|« 
juflingen, jugleid^ aber biejenige oft ganj entgegengefegte 
einjuleiten ^abe, mit n^elc^er ber näc^fte %tt anhebt. (SBie 
man fie^t, ift ^ier bie Seffingfd^c 2Infc^auung bereits be- 
feitigt.) 

Um biefe Überleitung nic^t burd^ ro^ed Stneinanber« 
fügen, fonbem burc^ feine Schattierung ju erreid^en, be^ 
bürfte ed ber Shinft ber größten SSomponiften, n^eld^e faum 
befonbere Suft ju fold^er Arbeit empftnben loerben. Über« 
bieS mußten bie ftompofitionen auf baS audbrudEiSt)oQfte 
t)orgetragen unb t)om $ubli!um aufmerffam aufgefaßt 
tt)erben. 2)ieiS aUeS fei, toie man allgemein jugeftel^en 
ttnrb, nid^t erreichbar, — man fü^re ba^er, nad^ filier, 



128 ^^' QonsHtf. 

Me ©d^ufpiele o^ne 9}2ufil auf, unb niemonb loerbe fid^ 
itad^ leitetet fel^nen. 

^ag biefe ©e^nfuc^t aber trogbem mögltd^, betoied 
aföbalb ein 9luffa| (in ben ^Unterhaltungen am ^Audlid^en 
^b'') t)on ®u|foko, beffen bramaturgifc^e (Sinftd^t unb 
@rfa^rung geloig geeignet tuaren, in berlei t^ragen ben 
SuiSfd^Iag ju geben. ®u|fotD ertl&rt bie SudfüQung ber 
ßt^ifd^enafte burc^ SJJufi! ffir fo nottoenbig )ur Srl^altung 
ber geeigneten Stimmung im ^ublifum, bag fte burd^auS 
nid^t entbehrt toerben Idnne. SIein Slutor, fagt er, ber 
felbft je ein @tüd( auf bie 93ü^ne gab, tuirb fid^ t)on ber 
3toifd^enaftmuftl trennen tooffen. @ie fäHt in bie Slul^« 
paufe beS Urteitö, aber fie forgt bafär, bag baS Urteil 
nid^t avLi ber Spannung !ommt, fie erhält bie ©timmung 
beS SInteifö, fie mad^t mand^e ©c^n^äc^e beS Sbenbd gut, 
fte erl^fi^t bie SSirfung beffen, toad gelungen. ^%n jenen 
^an)ifonfc^en Sbenben ^atte ber faQenbe SJorl^ang nur bie 
Stritif eineä aufgeregten 5ßublilum8 freijugeben. ÄnberS 
aber ift ed bei einem 2)rama, bad bie 93fi^nent)em)altung 
nic^t unter bem @c^u|e einer nur auf bie 2)arftel[ung bed 
fremben StänftlerS gerid^teten 9teugier aufführt. O^ne 
3^jid|enaftmuftf tpirb fie toenig 9tot)itäten pr Geltung 
bringen. @ie toxtb einen minber anfpred^enben jtDeiten, 
britten ober vierten 9[!t fc^on jur flippe ber im übrigen 
trieüeid^t tDertüoQen Arbeit mad^en, fie tuirb bie !D2ü^e beS 
@inftubierend fd^eitern laffen, tuenn fid| nad| bem ^^allen 
bd^ SBor^angd bad fßublifum ber @mfid^terung unb ber 
Xonangabe ber en^ig 9)2äfelnben preidgiebt." 

9(uf biefe 3^^f^^n^'^^^^^^^^^sung bei^ berühmten 
©d^riftfteHerä replicierte nun toieber ein berül^mter Son«» 



Der Streit um bie gmifc^enoftmuflf. 129 

lünftlcr, granj StSjt, in ber SRufifäcitfd^rift ^ec^o^ 
©ein Äuffal ücrlangt, übcrcinftimmcnb mit filier, nur 
noä) öicl heftiger, btc Äbfd^ffung bcr ßto^W^^ö^^wP^- 
SBfil^renb filier mcl^r bic praftifdien Snfonöenienjcn bicfcr 
(Einrichtung betonte unb feinen Singriff burd^ mond^erlei 
^umoriftifd^e Sid^ter milberte, ^olt Sidjt feine ©rünbe 
gegen bie 3^f^^na{tntufi{ aud ben l^öd^ften ©paaren ber 
SRufif unb bonnert mit bem ganjen ^otl^oS eined ©trei:« 
ter8 für bie beleibigte ÜKajeftät ber Sonfunft S)ie 3ttJifc^c«* 
aftmufil ift il^m „ein alter ©d^Ienbrian, ber bie SRufifer 
unnü^ertoeife ermübet, fie entneröt, unb fie burd| eine 
3Renge fd^Iec^ter ^ngen^ö^nungen, n^eld^e bei einer für beu 
ftünftler bemütigenben SBefc^äftigung md)t ausbleiben 
fönnen, für bie jur ?lu8fü^rung unferer grofeen SBcrfe 
erforberUd^en crnften ©tubien öftere untauglid^ mac^t/ 
^e Sntreafte l^aben, nad^ SiSjt, mit ber ftunft eigentüd^ 
gar feine SBerü^rung. „©ie nähren fid^ t)on allen ®aU 
tungen SDlufif, o^ne felbft eine ©attung ju bilben, brauchen 
ÜJ^ojart fo gut tDie ©traug ju fiüdenbügern unb fe^en 
fid^ barüber l^intoeg, ba% fotuol^I SJZojart ali ©traug il^re 
SBerle in ber ftoffreid^en, eilfertigen, ad libitum jerftüdtelten 
unb nod| me^r ad libitum angei^firten Suffül^rung nid^t 
aU bie übrigen anerfennen möd^ten/ ^ie ju getuiffen 
Dramen gefd^riebenen 3^ifd^snaftmufiIen((£gmont,©ommer« 
nad^tdtraum, ^reciofa) nimmt Sidjt t)on feinem 93er« 
toerfungSurteil aud, benn fie bilben eine eigene ^tegorie 
t)on !D2ufif unb t)erbienen befonberS angezeigt unb ger^ 
toiffen^aft einftubiert ju toerben. aber ,,bic Siegel barf 
nid^t alberne ober albern gegebene 9Kuf{f in ben 9i&umen 
bulben, n^elc^e jum ©pie(en unb Slnl^ören ber beften be« 

Qantlid, SuS neuet unb tteitefter 3ett. 9 



130 ^^- f^ansUcf. 

fttmmt ftnb^ SiSjt befinicrt bic 3toifd^enaltmufil ali 
Jd^Ied^te SJZufü, bie t)on guten SJZufüern gemad^t 
koirb''. Unb feI6fi „ein !D2onb6etDO^ner ober SSäften«» 
menfdl mügte barin eine gleid^e 9}erle|ung für bie $oefte 
toie für bie SJhiftf erfennen". SiÄjt« geiftreid^e ©ä^ 
t)om reinfien Snt^ufiaSmuiS für bie Xonfunft unb t)om leb» 
l^ftefien SBol^tooIIen für bie aJ2uft(er bütiert, leiben toie 
bie ^iÜerfd^en an ber (Sinfeitigfeit, bai Sntereffe beS 
©d^aufpieU in biefer S^age ju ignorieren ober aud^ 
runbtoeg )u leugnen. 

Z)iefe8 legtere Sntereffe fanb nun neueftend in bem 
3)rQmQturgen ^einrid^ Saube einen nüchternen, aber 
befto überjeugenberen SSerteibiger. ®ie6t eS ettoad pfantereS, 
ald gu fe^en, toie jtoei auSgejeid^nete SJZufifer, fiidjt unb 
$iQer, gegen bie SJZuftf im ©d^aufpiel agitieren, to&^renb 
jtoei 3)id^ter — baüon einer (Saube) ber SRuftI fteta 
gleichgültig, ber anbere (®ugfoto) beinahe antipat^ifd^ 
gegenüberftanb — auf baä eifrigfte für bie bebro^te SRufil 
im ©d^aujpiel eintreten? äBaiS Sanbt, ber geiftooQe unb 
erfahrene Dramaturg, ju ®unften ber ß^^f^^n^'^^f^'^ 
anführt, ift fo überjeugenb, bag toenigftenS bie $au))tfäge 
bat)on ^ier $Iag finben mögen. 

Saube fagt: „^aS Stbfd^affen ber 3^if^^nafti8muftl 
ift eine 93ar barei. 9)2ufif üor ^Beginn einer bramaturgifd^en 
2)arfteIIung unb tofi^renb ber Raufen er^fil^t bie ©timmung, 
erl^ält bie ^öl^re ©timmung; fte ift ein überaus toertt^oHeS 
poetifd^ed ^ilfiSmittel. Z)ie 93enu^ung fo(d^ eineS poetifc^en 
^ilfjSmittefö mügte erfunben toerben, toenn ed unbefannt 
geblieben to&re in ben ©d^aufpiel^äuf em ; baS (ängft er» 
f unbene §ilf8mittet jerftören, ^ei§t ?ßoefie jcrftören. ©e^t 



Der Streit nm bte giptfc^ettaftmnfif. 131 

fte mir an, bie ©d^aufpielfale, in betten anä) ber Ord^efter* 
raunt t)on 3^!^^^^^ h^t^t ift! Z)iefe ^u\ä)autx bliden 
ttne frogenb brein: 993a8 tooHen, toa^ foHen to)ir ^ier? 
SBaä fte^t ju crtoartcn? ©nc DiSfuffion? ©ne SB<n> 
lefung? Ober gar eine ^inrid^tung? ^a gtebt'8 leine 
©pur bon ©ammtung^für einen lünftterife^en SSorgang, 
koeld^er unfere $§antafte, unfer $erg, unferen erhobenen 
®eift in ^nfprud^ nehmen joQ. 9!ein, grfinblid^ nüd^tem 
bleiben toir, unb ber ©ebanfe liegt ganj nal^e: V ift bod^ 
furios, bag man fid| ba^er fegt, um brei ©tunben lang 
ein überfpannteS treiben ba oben anjufe^en, eine fünftlid^e 
Erregung, eine t^ajre! 3d^ liebe eS gar nid^t, bag ftd| bie 
SRuftI breitmache im ©d^aufpiele ; id^ finbe SBeet^oüend 
SRufif jum „ggmont* fe^r fd^ön, aber fie betäftigt mid| 
in ber „ggmont" «» SBorfteHung, toeil fie mir feine SRu^e 
lagt für ben ®enug ber ^id^tung unb toeil fie mir baburd^ 
bie SDid^tung beeinträd^tigt ?Cber fo ftörenb STOufif fein 
fann, n^enn fie mit breiter ©elbftänbigfeit im 2)rama 
auftritt, fo förberlid^ fann fie fein, toenn fie befd^eiben 
toid^tige ^nfte bei^ 2)rama8 begleitet unb baburc^ §ebt, 
n^enn fte bie fßaufen in ber Sluffu^rung beS S)ramad mit 
i^rem ©d^tounge unb i^rem Steige belebt, mit jjenem SReije 
ftnnlid^er Slnregung, u^eld^e unfere ®efu^l8nert)en in 
©d^tt^ingung mfegt. ^auptfunft in ber Dper, foH fie im 
2)rama ^IfSfunft fein, nid^t mel^r unb nid^t toeniger. Z)ie 
ÜKuftfer felbft finb fämtlid^, id^ weife e8, gefd^toorene 
t$einbe ber ß^^f^^^^^^^^f^^- 3^r finblid^er ©tolg n^ill 
fid^ nid^t jur ^ilfSarbeit ^ergebetu 9!fid^ften8 n^irb ber 
äßaler ein Sdilb, ber SBilb^uer eine ©tatue für bie Sü^ne 

t)ertoeigem, koeilSdilb unb ©tatue nid^t bie^auptgegenftönbe 

9* 



132 €b. BjansM. 

auf ber SBü^ne feien. 3Jlan toirb utiBebad^t etngeftel^en, 
ba§ man bon ber tteftnneren S^f^niniengel^örigfeit aller 
fünfte ntd^t9 tueig unb bag man ein fünftlerifd^er $anb« 
toerfer ift SBenn bann auc^ bte S)id|ter feine Dpemtcjte 
me^r fd^reiften toerbcn, »eil ber Scjt nur eine golie fei 
für bte 9Rufi{ in ber Oper, bann n^irb bie X^or^eit offenbar 
tt)erben. ^Jreilid^ ift bie 3toifd^enaltmuftl eine unbanfbare 
S{ufga6e für bie SRufifer, unb ei^ toirb aud^ ber too^lfeile 
@pott berer nie audgel^en, toeld^e übertriebene ^^orberungen 
an biefelbe machen. %xo^ aUebem ift fie nottoenbig.* 

®ö ift bemerlen^tüert, ba§ Saube biefcr feiner Über* 
jeugung fogar ein naml^afteS ftnanjieHei^ Opfer brad^te. 
Sfe er bie S)ireftion be8 Seipjigcr ©tabttl^caterS antrat, 
toar bort bereite, nad^ bem SJorgang t)on 93erlin, 3ßünd|en 
unb üieler norbbeutfc^er ©täbte, bie 3^ifö^^"ö^t"i"fi^ ^b* 
gefdEiafft — au^ ©parfamleit, toie ftd^ faft öon felbft ber* 
ftel^t. Saube fül^rte bie ßtoife^enaftmufil fofort toieber ein, 
obgleich er fein SBubget baburd^ um einige taufenb X^aler 
mel^r belaftete. @d n^ar nic^t fidler, ob i^m biefe ©umme 
nic^t fel^r empfinblid^ fein toürbe beim Sbfd^Iug ber 
Sal^redred^nung, aber er fc^Iug fie o^ne Siebenten in bie 
©d^anje. ,,9Sie !onnte id^/ erjfi^lt er, „ein guteS ©d^au«^ 
fpiel aufbringen tooQen mit biefem 92ieberfd^(ag t>on 
Xrodfen^eit, toeld^er bie SBorfteHungen arg beeinträd^tigt? 
Slm Snbe ift ed aud^ eine f alf d^e ©parfamfeit ; benn toenn 
bie SBorftellungcn reijtofer toerben, bann toerben fie aud^ 
in geringerem 3J?a§c befud^f Äöftlid^ lontraftiert biefer 
Ie|te ©a| mit ber ©egenfe^rift bon SiSjt, toeld^er gleid^» 
fall« baS finanjielle SRotib anführt, aber für feine Änfid^t 
in gan5 entgegengefefttem ©inne. fiiSjt räumt ein, ba§ 



Der Streit um bte gtptfc^enaftmttfif. 133 

bic 3toif d^cnaf tmufti im Scritner §of t^cater nid^t arttftifd^cn 
®rünbcn gcopfext toprbcn fei, fonbcrn bcr Äaffc, „biefcr 
unbcugfamcn 5ßarjc bcr S^^catcrfpiclc". aber bicä bdräftigt 
nur feine Überjeugung, „bafe bie fo oft fd^einbar fic^ 
freu}enben ^aftoren (— bie materielle ©pe!u(ation unb bie 
geiftigen 3ntereffen ber ffiunft — ) fid) f olibarifd^ ju einanber 
Der^alten, bag i^re )?ermeintlid^e S)i)?ergeng nur auf falfc^en 
93ere(i^nungen beruht unb bag bie ©d^mälerung ber @in^ 
nal^me eine frühere ober fpdtere unüermeiblid^e ^jolge t)on 
SSerle^ung geredeter gorbcrungen ber Äunft finb. Sä ift 
)?iel toQ^rer, ali man bis jegt erfannt ^at unb jugeben 
toiH, bafe S)efijit8 ber Jtunft immer mit ber 3^^* ^^ 
ftoffenbefijitg auslaufen/ 8Hfo nad^ fiigjt ift bic 
3toifd|enaftmufif ein ffiunftbefijit, .baÄ fid^ aud^ burd| 
fd^Ied^tere ffiaffenerfolge rfie^t. fSlad) Saubc ift fie eine 
ißotkocnbigfcit, meldte bie barauf gekoenbeten Sludlagen burd^ 
beffere ffiaffencrfolgc lol^nt Somit fagt ber eine ba* 
gerabe @(egenteil Dom anberen. 2)ie longi&l^rigen Sr^» 
fol^rungcn ber äBiener ©d^aufpicl^&ufer beftatigen un^ 
bebingt bie ^nfic^t Saubei^. S)qS Surgt^eater, toürbe 
burd^ Sbfd^affung beS Drc^efterd nid^t b(og eine fel^r groge 
SluSgabc erfparen, fonbern gleid^icitig eine bebeutenbc 
SRe^rcinnal^me erjielen, ba oier bi§ fünf SRcil^en 5ßarfett^ 
fige in bem frein^erbenben äftaum anjubringen todren. S)ie 
3toifd^enaltmufil ift fomit für baS SBurgt^eater in finan* 
jieller S5ejiel^ung jugleid^ „damnum emergens" unb „luc- 
rum cessans", juriftifd^ ju fpred^en. S)q§ man tro^m nid^t 
baran rü^rt, betoeift, toie feft man t)on i^rer SRottoenbigfeit 
fiberjeugt ifi Äud^ Saube» Sßad&folger, granj SJingel- 
ftebt, loibmete il^r bie forgfältigfte ^ufmerffamfeit, obtoo^I 



134 €b. Qanslicf« 

er fßr feine ^erfon ganj tDoJ)l o^ne aUe 9}2uftl ju leben 
t)emiod^te unb nid^t eine 9tote fannte* 

3n muftfalifc^en 2)ingen gebührt fonft ben 9)hiftfem 
baS entfd^eibenbe SBort. Mein bie fift^etijd^en ®rflnbe, 
bie fie gegen bie 3^^f^^ti<^ftemu[i! anfüllten, galten eine 
unbefangene ^fifung nid^t au& filier unb SiSjt ge^en 
t)on einer ibealeren Slnfc^auung ber aßufi! auS q(8 ®u$foto, 
Saube unb Xiingelftebt; (eiber t)on einer ju ibealen. äBie 
bie X^eorie mand^mal baS Üblid^e unterfd^&|t, fo pflegt 
fie in ber Srfirterung ber ß^^f^^n^^t^ufif ju l^od^ ju 
greifen: <£)aS ^ubtüum §Qt in SBirflid^feit nid^t baifSt- 
bürfniS, in berfelben ibealen ©timmung erl^atten ober ge« 
fteigert )u toerben, toeld^e ber Z)id^ter ben 9Ü ^inburd^ im 
3ufd^auer erregt f)at. SBielme^r empfinben loir nad| ber 
ungeteilten Slufmerffamfeit auf ben ißorgang beS 9{te8 
baS 93ebürfni8 nac^ einer furjen 9{u^e. S)a8 fiberaQ 
geltenbe 9taturgefeg t)om Sßec^fel ber Slnfpannung unb 
(Sr^olung u^ieberl^olt ftc^ genau bei ber geiftigen S^ätigfeit, 
mit tDeld^er u^ir ein ^rama Derfolgen. SSir füllen ba nad^ 
jjebem größeren Slbfd^nitt baS SebürfniS, ©inn unb ®eift 
für eine SSeile t)on ber Slnftrengung ju erholen, nad| 
Ifingerer ©elbftentfiugerung u^ieber ju und ju fommen. 
9Ran ben!e fid^ nac^ jebem Stft eines ©^afefpearefd^en 
Xrauerfpiete einen @^mp^oniefa| Don SBeet^ot)en t)om 
großen Drd^efter auf bad feurigfte Vorgetragen unb gefte^e, 
ob man fid^ biefer geiftigen Slnfpannung gen^ad^fen füllte. 

(Sine 3^^f^^n^ufi^ ^^^ fi^ ^^^^^ fift^etifd^en Sbeal 
mdglid^ft nähern, folglid) ben ganjen Slbenb ^inburd^ bie 
^^ntafie beS ^örerS feinen Stugenblid freigeben tDürbe^ 
mügte ettoaS 9(tembeflemmenbed ^aben. $Beet]^ot)enS 



Der Streit ttm hit Smifc^enaftnmfif. 135 

ßtoifd^enolte ju ®oet^8 ^Sgmont" ftnb bem äJhtfiler baS 
^Sd^fie ttt btefem f^d^; aber gerabe bei^l^alb burfte Saube 
ali ^tamaturg gefielen, bag fte t^n in ber SSorfteQung 
fclbft ^bciafttgcn''. Dag »erlangen, bie 3toifd^aftmuftf 
atö gleid^ftrebenbe unb gleid^üennögenbe 93unbei^genofftn 
bem S)ranta betjugefeQen, befielt nur in ber ^orie, nid^t 
in ber 9Sir!Iid^!eit. Sud^ filier flagt über bie Unauf^ 
merf )am!eit unb bie laute 5Iont)erfation bei ber ß^ifd^^nafts» 
mufif unb folgert baraud, man folle bie Seute lieber ganj 
unge^inbert o^ne SRufif plaubern lajfen. Unfer trefflid^er 
i^reunb t)ergigt, ba§ eS nod| ettoad 93etrflbenbered giebt, 
afö bie allgemeine Unaufmerffamleit bei einer SJZufif, 
nämlid^ bie auiSbrüdE(id^ SBeftimmung einer SDlufü, fold^e 
@eneraI«Unaufmer!famfeiten ju tuürjen. Die SRufif in ben 
ßtpifd^enaften giebt bad flingenbe SRebium ab, in toeld^em 
bie ffionöerfation fe^toimmt. ©ie öerfnüpft auf einer 
unabfe^bar tieferen @tufe, ald eS baS ©d^aufpiel getrau, 
bie ifolierten (Sinjelbeftanbteile einer großen SBerfammlung 
ju einer S(rt t)on momentanem ©efamtintereffe. Die lOe« 
rid^te über bie neuen @ntmufi2ierung8«$Berfud^e lauteten 
ade ba^in, bag biefe SBorftellungen etmaS eigentümlid^ 
SWd^temed, ©ebrüdteS l^atten. 

Die 3tt>ifd&cna!tmufil ift unentbel^rßd^ — allein über 
ba8 SEBarum barf man fid^ feine SQuftonen mad^n. 3n 
i^er Senu^ung für S^ifdöenafte toirb bie SRufi! bei ber- 
jenigen ©eite ge^dtt, too fie fterblid^ ift, fterblid^ unb 
bennod^ unerfeglid^. Die Suft foQ liebßc^ erfd^üttert, bie 
Slufmerlfamfeit fyiib jerftreut, l^alb angelodEt toerben. 

@iS lommt ber 3)2ufif aiS (Sigentümlic^feit )u, bag fte 
toie gar feine anbere 5htnft ju ben ^Ad^ften unb ju ben 



136 &' Bfanslid. 

aHtäglid^ften 3^^^n t)ertt)enbet loerben fantt Segtered tft 
fiberaH bort ber ^H, loo bem 3^^^^^^ ^^^ baran Itegt^ 
einer beftimmten 9)2uft! jujul^ören, jonbem nur über* 
^Qupt äRufif ju l^ören, b. ^. Don 3^nen umgaulelt unb 
ftnnlid^ angeregt ju fein. 

3n einem belannten 93üd^Iein §Q6e id^ oor Sauren 
üerfud^t, biefe Sigentümlid^feit ber Xonfunft unb bie S3er» 
fc^ieben^eit ittrifd^en einer fift^etifd^en unb einer rein 
elementarifd^en Slufna^me berfelben genauer ju 6e>* 
grünben. $ier ift nur audjufpred^en, bag bie QtiA^dftnalU 
mufif bei ©d^aufpielen entfd^ieben in bie Ie|tere J(ategorie 
gel^ört SBeim Sanj unb beim 9Rarfd^ ift bie 93ebeutung 
ber 9RufiI eine ^ö^ere a(d im 3tDifd^ena!t, fogar bei ben 
9ieiter!ünften im Sirfud fpielt fte eine toefentlid^ere, »eil 
r^^t^mifd^ unentbel^rlid^e 9ioQe. 

©obatb Icbiglid^ im Sntereffe ber Son fünft ge* 
fproc^n toirb, ift gegen bie äbfdöaffung il^rer 3toifd^enaft* 
fro^ne nid^tS einjun^enben. 3)er Z)ramaturg ift aber gar 
nid^t in ber Sage, bad Sntereffe ber ^lonfunft bem 
t^eatralifd^en t)oran3uftenen. Z)ie S)ienfte, n?eld^e fte 
leiftet unb in aQe @tt)igfeit leiften mirb, nimmt er in 
feinen ©olb. @r begehrt nid^t $anb unb $erj üon i^r, 
nur bie ©efäHigfeit, i^n eine furje @trede 9Begd ju h^ 
gleiten. 

Z)iefe ©tellung einmal jugegeben, mirb man fid^ aud^ 
über bie SaSa^I ber SRufifftüde für 3toifc^ena!te leichter 
bereinigen. JSein red^ter SD^ufifer mirb $Beet]^ot)end @^m« 
Päonien ober SSeberd Out)erturen auiSliefem toollen, bamit 
babei XageSneuigfeiten befprod^en unb bie Toiletten ge< 
muftert loerben. 



Der Streit um bie Smifc^enaftmnfif. 137 

(Sd tft iDol^I bai befte, bie betben @etten ber SJZufil, 
tl^re fouüeräne unb il^re btenenbe, mögltd^ft ju trennen. 
Sebe Seftrebung, l^ier ju t)ereinigen, n^irb jum 3)2tgerfoIg 
führen. 

SUaffifd^e JSompofttionen ge^firen nur ini ^njert, 
tueil ba bad ^blifum burd| fein blogeS Srfd^etnen bie 
Garantie leiftet, ju^firen ju moHen. ^ür bie SludfüQung 
t)on ©d^aufpietpaufen merben ©tfidEe, loeld^e ben S^arafter 
beS ShraniQS nid^t Sägen [trafen unb ben muftfalifd^n 
®efd|ntQ(! nid^t beleibigen, i^ren näd^ften ßioed erf üQt ^aben, 

93ei Qugergen^ö^nlid^en Slnläffen (@gmont, ©omnter^ 
nad^tetraum) toirb man eine grfigere Xeilnal^me t)om 
fßublifum aud^ ertoarten bürfen. ^ür bie Siegel bed Wl* 
tag8 toäre eS aber ein ganj unjuIäffigeS Sege^ren. ^e 
Slufna^me tiefer gebanfenreid^er Sompofitionen mutet und 
eine größere Slnftrengung ju, ald tuir im ^rama auf 
SRufif )?em)enben toollen unb ffinnen. SSIaffifd^e Siompo« 
fttionen finb ed nic^t, toai bem äiepertoire ber 3toifc^ena!t« 
mufüen not t^ut, fonbern fleine, mo^ßüngenbe @tüd(e, an 
bereu ß^f^^^ten^ang nic^tiS ju üerlieren ift. 

S)a6 man e8 berfd^mä^t, für Qtox\6jemltt öon 5ßoffen 
unb fiuftfpielen gute Xanjmufi! auiSjutu&^Ien, bie ja fflr 
biefen S^edE toie gefd^affen ift, fd^eint mir eine eng^erjige 
^ßrüberie. 

8Ba8 bie Äudfü^rung ber ß^if^^^^^Pt^K ^^' 
trifft, fo ^t bad ^ublifum ein 9ted|t, ju t)erlangen, bag 
fein ®e^ör nid^t beleibigt n^erbe; benn u^enn eS aud^ nid^t 
ju^drt, fo ^drt eä boc^. 2)ie aRufif aber lägt fic^ nid^t 
t)erftedEen. 

SBir lommen fomit ju bem ©d^Iugfo^: man be^ble 



138 <Eb. f^ansltcf. 

bie ß^^f^^^^'^uf^^ n^^^ ^^^ ^"^n gletd^6ere(i^tigten 
^nftBeftanbtetl bramatifd^er Slufffl^rungen uttb t^ Ser« 
^alttttd }um S)ramQ ntd^t al8 ein ibealeS 3ufammen)otr!en 
6etber jSünfte, fonbem afö ein äugerlid^eS, burc^ Qto^^ 
tnfigigfett unb @itte gebilligtes SCttribut ber SJorfteHung. 
SHe Sorgfalt, toeld^e man auf bie ^(udftattung ber ^ox^ 
ftellungen, auf SluSfd^müdEung beS 3^f^^^^^^^^^^ ^^f 
93eleud^tung unb Z)e!orierung tuenbet, kcibme man in gleid^er 
SBeife ber mufifalifd^en S)ra|)erie ber 3toifd^enafte. S)amit 
^ebt man ba8 3)rama, o^ne bie Sonfunft ju erniebrigen. 



Mn^fiftintt. 




nter bem aufregenben J^itel „Contre la Musique" 
fd^enlt und ber greife $oet unb Sfabemifer SBictor be 
Saprabe ein ftattlid^eS SBud^, meld^eS il^m unter mufi« 
falifd^en unb fonftigen gefü^IüoQen @eelen u^enig greunbe 
guffil^ren bürfte. Sluf einen fo umft&nblid^en t^Ibjug gegen 
bie SRuft! I^atte eä ber Siebter ber ,,®)angelife^en Dben"*, 
ber poetifd^e3ßiId^Bruber fiamartined, anfangi^ nid^t ab^» 
gefe^en. Sine Heinere Sbl^anbtung über ^^^ilofop^ie ber 
iDfufif toar früher öon i^m erfd^ienen, toelc^e ben ®runb« 
ftod bed neuen Sud^ei^ Bilbet Saprabe l^tte barin 
mit fo öerbiffener SBorliebe bei ben ©d^attenfeiten ber 
SRufif unb i^rer SBerel^rer öerioeilt bafe le^tere i^n öffent* 
Iid| ate einen „unoerföl^nlic^en geinb ber Sonlunft'' be^ 
jeid^neten. Xiurd^ biefen SSortourf gefränft unb oben^ 



ntttfUfeinbe. 139 

bretn burd^ eine feine ©egenfd^rift t)on aßt. be f^atloujr 
jur ttbtoe^r aufgefiad^elt, fd^rieb nun Saprabe fein S9u^ 
„Contre la Musique**, toeld^eS feine urfpruttgli^en 9n^ 
fixten toeiter auSffil^ren, bur^ neue SSetoeiSmittet f^u^en 
unb feinen ®egnem einleu^tenb ma^en foQte. 

Sin ganjeS S9u^ i» gegen bie Wtu]iV^ beft^en tmr 
meines äßiffend in ber beutf^en fittteratur ni^t, aber 
jal^Ireid^ f^arfe SluSfäüe, bie in toenigen QÄUn oft me^r 
®ift entl^atten, atS ntan^eS lange 5£apitel beS toürbigen 
Saprabe. iRamentli^ jtoei fold^e ©teilen fallen mir atö 
befonberä d^arafteriftif^ ein; fie mögen — afö in SKufif* 
freifen toeniger belannt — l^ier ein ^ßlä^d^en finben. S)er 
erfte SludfaU ftel^t in ©u^fotoS einft üielbefprod^enem, 
jegt l^atbk)erf^oIIenem 9loman „fEiallt)" unb lautet: 
„ma» foll und überhaupt SRufif, biefe flingenbe 
SDtat^ematif? 3n ben großen SDtufifem l^be id^ immer 
Seute gefunben, bie, obf^on fie immer mit ©d^Ififfetn 
umgel^en, bo^ über ni^td Sluffd^Iu^ geben fSnnen. äßenn 
i^ bei irgenb einem SDfhtfilftfidCe ein fold^er fftan bin, ba« 
bur^ unb beStoegen an bie Unfterblic^feit ber @eete ^n 
glauben, fo t^erbinben gu gteid^er 3eit anbere bamit einen 
SBegriff, ber üieQeic^t ber entgegengefe^te ift. fRAn, bie 
ajtufif nnrb aufl^ören, ju ben erften Stfinften gered^net iu 
toerben. 9lfi^ert fi^ bie aRuftf in ber Oper ni^t f^on 
immer me^r ber rl^etorifd^en ^eflamation? . . . SBaS finb 
^unberttaufenbe in ber 9Be(t ol^ne bad big^en f^ortepiano, 
toa« fie fpielen lönnen!" 9lod^ reijenber ift folgenbe JBo** 
^eit, toet^e ber geiftreid^e ^ermann ^redber in 
feiner SRoöetle „&n Änempfinber" gegen bie SWufif aU 
f^neSt: «S)er S^on ift bie tönenbe @eele. S3ei tSnenben 



140 €b. fJansHrf. 

@eelen ftnbet ft^ aber tnetfienS fein ®eifi. 2)te 3RuftI 
tft bte einitge Shinft, in toeld^er neben bem Satente bie 
2)umml^eit ein fröl^Ii^eS gortfommen ftnbet nnb fre^ unb 
anfprudiSüoII auftreten barf. Sa ja! S)ie aßuftt ift bie ge«* 
feUfd^aftlici^fte unb flefeHigfte Jtunft. ©g fragt fid| nur, 
n^er ]xä) in ber rein mufifalifd^en ©efeQfd^aftlid^feit unb 
©efeüigfeit lange tool^I befinbet. ®ieb einem aßenfd^en 
baS l^ol^e C unb bad tiefe C, unb er toirb bir tuie jener 
mit ®oIb belabene @]'e( ^l^ilippS t)on 9J{acebonien in alle 
@täbte unb ®emäd|er bringen.'' 

SD^it ben SBaffen beS ^umord, bed gutmütigen ober 
bed ä^enben, fämpft $err t). fiaprabe feinedtoegd; er 
tDiQ nid|t üerfpotten, fonbem belehren, unb t^ut bieS bur(^« 
iDeg mit (Smft unb Überzeugung. 2)en Sitel feines SBuc^ed 
bejei^net er felbft im SSonoorte atö tügnerifd^, als einen 
„titre menteur*', ber nid^t fott)o^( l^erauSforbernb, alS 
^erauSgeforbert fei bur^ unbiQige ®egner. S)enn er felbft, 
fiaprabe, fei nici^tS toeniger als ein ^inb ber 3Ruftf, 
„bicfer bejaubembften aller Äünfte". 3n unferer 3^* 
forbere man aber (eiber unbebingte iBetounberung auf 
aQen ©ebieten; ben SD^igbraud^, bie Übertreibung einer 
©ad^e befäm^fen, ^eifee fofort „i^r geinb fein". SBir 
glauben eS bem greifen $oeten aufS SBort unb muten 
i^m eine tDirflid^e ^einbf^aft ober eine SSera^tung gegen 
bie 3Rufif fo toenig ju, toie ben S)eutf^en ©u^foto, 
^reSber, $eine unb anberen, bie irgenb einmal il^rem 
ärger über bie gefäl^rlid^ um ft^ greifenbe 9J{uftf«^ibemie 
Suft gema(^t l^aben. @ie ftnb im ©runbe nur ®egner 
einer finn« unb ma^IoS mufiiierenben ®efellfd|aft, met^e 
ber Xonlunft ben l^öd^ften 9tang unter ben duften ein« 



. Hlnftff einbe. 141 

rfiuinen unb bad SRed^t bed ©ebanfend ^erabfe^en mö^te 
neben jenem ber @mpfinbung. iRid^t «^gegen bie äRufif'' 
füllten ft^ unfere 9lttter t)oin ®eifie gereift unb fampf« 
luftig, fonbem gegen bie Slad^teile, toeld^e il^r einfeitiger 
unb fibertriebener ftuttuS für bie adgemeine ®eifteiSbi(bung 
^erbeiffi^Tt. @elbfi bie auffaHenbe SBitterleit in 9u8« 
fprfi^en tme bie früher citierten fönnen toir (eid^t be« 
greifen unb Vergeben, äßug ed bo^ gerobe ©d^riftfteHer 
unb ^xdjUx, toel^e i^r fieben ber inl^altreid^ften ftunfi, 
ber ^nft beS äßorteS unb ®ebanfend geü)ibmet, tief Der« 
ftimmen, loenn fie aQent^alben bie S9et)orjugung ber 
SÄufil, biefer Äunft ber frönen 3n^atttoftgfcit, ju erfahren 
^aben. äßit einer Slrt iBefc^amung erleben fie jja tSglid^, 
tt)ie in unseren großen unb Keinen ©efeQfd^aften unerfättlic^ 
mufijiert, aber ^5^ft feiten Dorgelefen ü)irb, unb bie 
f^Iec^tefte Dptx eine längere ftonDerfation ^erDorruft ali 
t>a^ befte neue S3ud|. @d ift bemerfenSroert, bag S)ic^ter 
unb ©c^riftfteßer lebiglic^ bie SRiöalität ber SRufif, nid^t 
bie ber äßalerei ober Srd^iteftur als feinbfelig empftnben. 
Übrigens finb ed nid|t bie $oeten ^Qein, fonbem mitunter 
aud^ aRufiler öon Seruf, toetd^e bur^ bie ?Iufbringti(^feit 
unb geifttofe Unerfättlid^feit beS allgemeinen äJJufiftreibenS 
fi^ in il^ r e r emfteren, f cufc^ercn 5Kufif liebe öerlefet unb 
in eine Slrt öon Dppofition getrieben füllten, ©n SKufifcr, 
einer unferer beften (fjerbinanb Ritter), ^at einmal ben 
Älageruf „3^ ^^^^ SKufif!" an bie ©pifee eines ton« 
abtoel^renben ^uffa^ gefteHt. ^ie Übertreibung ift eS, 
bie Übertreibung eineS an fi^ löblid^en unb oon unS ge« 
teilten ©efül^IeS, ü)aS ben ®eift beS SSiberfpru^eS ü)ad^ 
ruft SBer l^ätte e8 nid^t an ftd| felbft einmal erfal^ren, 



142 ^^ Qanslicf. 

bag er gegen einen talentDoQen Stomponiften ober @d^rtft^ 
fteQer fül^Ier unb ftrenger gefttmmt tourbe, fobalb biefen 
baS groge ^ubltfum auf ftofien^ anberer gu überf^&^n 
unb mit biefer Überf^äguug l^eraudforbemb ju prallen 
begann? Unb al^nli^ U)ie mit einjelnen ftünftlem mag eS 
und einmal auc^ mit einer ganzen ^nft ergel^en. S)ie ma^* 
lofe ^errf^aft ber SDtufif in unferen Sagen, bie ®u^foto^ 
\ä)m ^unberttaufenbe, bie ni^tS finb o^ne il^r big^en 
ft(at)ierf))iel, unb bie ^edberfd^en golbbelabenen (Sfet t)om 
^o^en unb t)om tiefen C !Snnen mitunter bem e^rlidiften 
äJhtfiffreunbe SSorte entreißen, bie na^ ST^ufiffeinbfd^aft 
fc^meden, 3^ f elbft mugte eines ^geS ben SSortourf (efen, 
bag meine befannte @^rift «QSom 9)?ufi{a(ifd^«®d^5nen' 
ol^ne aQe Siebe für bie ä)?u[tf gefc^rieben fei. SQIerbingS 
f)attt bie SKufiffd^toelgerei, toie fie inÄbefonbere in Dfter* 
rei^ tDud^erte, mid^ ^um iRa^benfen gebrfingt, ob toir barin 
ni(^t ju toeit gelten unb mSgli^ertoeife ju tief ftnfen? S)ai} 
S3ebenfen, eS fönnte bie Energie einer fo t)iet unb Ieiben>' 
fd^aftlidi muftjierenben Station eineS XageS für ^Sl^re 
Slufgaben üerfagen, fd^ien mir emft genug unb nid^t ju 
bemänteln. SD^and^ fc^arfer Studfpru^ bed genannten 
SSü^leinS gegen bie blinbe Überf^fi^ung ber äRufif unb 
il^ren einfeitigen ßultuS toar lebiglic^ aud ber Oppofition 
gefloffen, bie glei^ einer ^otxotffv und üon ben ^natifem 
berfelben SDtufe abge2ü)ungen Unrb. 3n SBal^r^eit fpridit 
borin nic^t ein JKuftffcinb gegen bie SWufüfreunbe, fonbem 
ein aßufiffreunb gegen bie STJufifnarren. ^ie Sno&l^nung 
meiner eigenen @d^rift mag l^ier Sntf^ulbigung finben^ 
tml fe^r Dieied in be SaprabeS SBu^ t)onfommen mit 
bem übereinftimmt, toai iä) t)or 40 Sauren fd^rieb. S^eued- 



innflffetnbe. 143 

bfirftc man in mufilalifd^cr unb pl^tlofopl^ifci^cr Untere 
fud^ung bei fiaprabe faum antreffen, aber tnet SBal^reS 
unb Sireffenbed, in^bef onbere in Sejug auf f ranjöfifd^e 3"* 
fifinbe. StQerbingd l^ätte legtered auf einem t)iel Reineren 
Sflaum Pag gefunbcn, afö auf 358 DItaöfeiten, unb toürbe, 
tnopptt iufonunengebrängt, an Sßirfung getoonnen ^aben, 
3)ie aWel^rsa^I ber franjöftft^cn ©d^riftfteHer, toelt^e il^re 
©pra^e fo mfi^eIo8 unb meifierlid^ l^anb^ben, nierben 
bur^ biefen SSorjug gern gu breiter 9lebfe(igfeit herleitet 
^ag be Saprabe fid^ auSbrfidli^ für einen 
i^reunb ber 9J{uftf unb nnirmen SSere^rer Tloiaxti unb 
©eetJ^oöen« erflärt, ift öieDeit^t nid^t ganj fiberfififfig, 
feit bie franjSftf^en ©d^riftfteHer Don il^rem berühmten 
JtoQegen ^tpl^onfe Raubet afö ganj unb gar un< 
mufifalifd^e äßenfd^en benungiert toorben finb. 3n einer 
empfel^Ienben SSorrebe }u bem unbebeutenben S3ud^e eined 
jüngeren f^reunbei^ (.Instruments et Musiciens" 
öon ß^on ^ßillant) fagt nämli^ 3)aubet: ^3m aD- 
gemeinen ift ben (Sd^riftfteQem bie SRufif ein ©reuel« 
Tlan lennt bie 9nfid|t %f)6opf)xlt ©autierS Don bem 
» unangenel^mften aller ©erfiufd^e": SSictor $ugo, 
Sanöille, Seconte be Si^Ie, ©aint-SSictor 
teilen biefelbe DoQftSnbig. ©oncourt rümpft bie 9lafe, 
fobaO) man ein ^ano öffnet @mi(e 3^^^ erinnert fi^ 
bunfel, in feiner Sugenb auf irgenb ettoaS gefpielt gu 
^aben, er toei^ ni^t me^r re^t, toad eS toar, f^Iaubert 
gab fid| gn^ar gern bad ^nfe^en eined 9Jhtfiffennerd, 
allein baS gefd^^ nur Xurg^nieto gu gefallen, toeI(^er 
feinerfeitS toieber niematö eine STJufif geliebt l^at, auger 
bie im ®a(on ber äßabame SSiarbot." 



144 Cb. Qanslicf. 

äßod Zapxaht bef&mpft, ifi nur baS Übermag tu 
®€nug unb SluSübung ber SOtufif unb beffen fd^fibltc^e 
StntDtrfung auf bad geifttge fieben ber Stationen. 2)ie 
SRufif, Hagt er, ift fd^ted^toeg bie ffiunft unferer QÄt 
©cu 93eö)ctÄ i^rcr ^errfd^aft liefert ba8 ungeheure SBubget, 
bad fie iQ^rlt^ üerfc^Itngt. ®ie @tattftif belehrt und, bag 
für feine Äunft fo öiel ®elb ausgegeben »irb (öom ©taate, 
t)on Snftituten unb Don ^riüaten), toie für bie Pflege ber 
SRufif. SBaS il^re fo l^od^ ge))riefene moralifd^e SRac^t 
betrifft, fo erinnere man fid^, bag bie großen unb bie 
Hennen S)eSpoten fie ftet« protegiert ftaben. SKufif fei bie 
SieblingSfunft unterbrüdter $5lfer. ^ad am toenigften 
muftfalif^e SBoIf fei unftreitig bo8 freie ©nglanb. SMc 
granjofen ^oben ju aUen ßeiten i^rer öiftorif^en ©röge 
falf(^ gefungen; baS fd^abete nichts, ba fie ri^tig ju 
beulen unb tapfer ju ^anbeln öerftanben. 3e^t fei aud^ 
granfrei^ fortgeriffen öon bem muftlalifc^en ^ortf^ritte 
unb fein „neuer ©eift" eng Derbunben mit ber an^ 
Seutf^Ianb unb Stauen importierten ßunft @o immenfe 
@ummen toie $ariS für baS neue Dpeml^aud, betoillige 
ein fßolt fonft nur für religiöfe ßtoede. & fei aber aud^ 
l^eutjutage toirftid^ eine 9teIigion, ein ftuItuS, toofür ein 
Dpeml^aud errid^tet toirb. äßan mug um j|eben ^eid 
einen Xempel für bie neue ©ottl^eit bauen, eine Snba^tiS« 
ftatte für all bie «ßilger ber SBoUuft, bie nad^ ^ßari« 
ftrömen. ^S)a8 neue Dpern^auS ift bie toal^re Äatl^ebralc 
beg aWaterialigmuö." Saprabe fül^It bei biefem @a^, 
bag er bo^ ju n^eit gegangen, nid^t in feiner Dppofttion 
gegen bie ^errfd^enben ßwftänbe in ^ranfreid^, bie i^m ein 
(Sreuel finb, tool^I aber in feinen STnHagen gegen bie 



mnfiffeinbe. 146 

SRuftl. M ift toa^T-, fügt er bei, M% Me SKufif 
eigentlid^ ni^t tnel bebeutet in bief en ^enlid^f eiten unferer 
Dper; fte liefert nur ben SSormanb gu bem Xempel, ber 
in SBal^r^eit ganj anberen ®0ttinnen bient. SUIein bie 
SD^fif, biefe fdieinbar unf0r))ernd^fte aller ftfinfte, ift bod^ 
bie SSeranlaffung für qQ ben enttufirbigenben unb grob« 
finnlid^en Sujrud, ber fid^ in ben OpemJ^finfem breit mad^t 
unb bie toa^ren Slnbad^tigen t)erf^eu^t. 2)o8 nadte Ser«* 
gnügen, o^ne jjebe l^Sl^ere geiftige IBeimifd^ung, toirb ^ier 
unter bem ßommanbo ber SD^ufil, loel^er fi^ aSe anberen 
Aunfte ge^orfam untenuerfen, ^unt @elbftin)etf erhoben." 

Sa|)rabe erblidt unb t)erabfc^eut in ber ^^errf^aft 
ber SD^ufif feineStoegd etloaS SSereinjelteS; er citiert aii 
SRitf^uIbige an ber allgemeinen SSerberbniS bie &xttDidtP 
lung ber 9^aturn)iffenfd^aften unb baS Stuftreten ber 
1{)emofratie. ^ieS finb il^m brei gtei^jeitige unb eng« 
t)erbunbene (£rfd|einungen, brei ^ufammentoirfenbe f^ftoren 
bed moralif^en SSerfaSeiS. ISr fteEt fi^ bad ffinftige 
l^ranfreic^ unter bem SBilbe einer immenfen ©pielbofe üor, 
bie mit S)ampf gtoif^en gloei @c^ienen getrieben unb t)on 
einer irgrogen Station'' bet)5l{ert ift; ber SD^e^anifer ftel^t 
im 3Rittetpunfte unb brel^t eine ^rbe(, um bie S3en)egung 
3U bef d^Ieunigen ober gu üerjögem, tofil^renb bie 9leifenben, 
burd^ ffige STJelobien in ^albfd^Iummer eingeluSt, ol^ne 
9[ufent]^alt bem n&d|ften 3uf^^in^ttf^u^ entgegengefül^rt 
toerben. 

Sebed Kapitel bed S3ud^ed ^Contre la Musique*' ent« 
l^filt Sßal^reS unb S3egrünbete8, faft jebed aber (fiuft in 
Übertreibungen auS unb gelangt ju irgenb einem ^nfte, 
tDO ber tool^Imeinenbfte Sefer nid^t mel^r mitgel^n fann. 

^antlttf, Sut Tieuet unb neuerer 3eU. IQ 



146 ^- Bianslid. 

Um unfere mufiftoQe ©egentoart J^abiufe^en gegen bai 
aitcrtum, preift her SBcrfaffer bic fpartanifd^en 9ltd|ter, 
toelc^e ben 3Rufifer Xtmot^eud beftraf ten, toeil er brei neue 
©atten feiner 2t)xa l^tn}U}ufflgen getoogt. „Unfere 3^^/ 
meint Saprabe, ^tt^firbe ben SSerbefferer n)a^rfd^einli(l^ 
frönen, anftott il^n ju ftrafen." ®etDx^ toürbe ^utgutage 
niemanb einen Snftrumentenmad^r als ftaatSgef&^rlic^ 
t)erfoIgen, ber bie ©fala feines Snftrumented um einige 
X5ne bereid^rt S(6er gerobe hai betoeift, ba^ man ^eute 
ber SRufif ungleid^ geringere SBt^tigfeit beimißt, il^r 
tpeit loeniger Sinflug auf bie @itten jutraut, al8 eS e^ 
mols gef^al^ — eine SBenbung beS fiffentlid^en ©eifteS, 
toel^e fomit Sa|)rabe üon feinem ©tanbpunfte nur freubig 
anerfennen mü^te. äßir geben ^eute ^ö^ftend ju, bag bie 
iRufif burd^ bie @itten Derfd^Ied^tert ti^irb. @o begrfinbet 
femer bie f^orberung ift, bag bie Ttn^it nid|t unDerl^It* 
niSmägig bie übrigen 5£ünfte fibertoud^em unb bie Pflege 
ber SBiffenf^aften becintro^tigen bürfe — in feinen Fol- 
gerungen lägt [xä) Sopxobt als Slntoalt ber übrigen 5£ünfte, 
namentli^ ber SD^alerei, abermals gu loeit fortreiten. @r 
ftögt fi^ an bie ftarfe Sinf eitigfeit , an baS nur nac^ 
Snnen fonjentrierte SBefen ber größten ßomponiften unb 
fragt: „SBeld^er intelligente, geiftig el^rgei}ige aRenfd^ 
möd^te nid^t lieber 9ßid|e(ange(o ober fieonarbo ba 
SSinci fein, alS SD^ojart ober 9eet^ot)en?'' S)aS fommt, 
glaube iä), ganj auf bie perfSnli^e SSorßebe unb ^Begabung für 
eine ober bie anbere ber beiben Stünfte an, ift alfo ©efd^ma^- 
fa(^e. gür mein Xeil befenne ic^ unbebenfli^, bag i^ 
lieber SRojart ober S9eet^ot)en fein mfi^te, a(S Wi^U 
angelo ober fieonarbo ba Sinei, n^eil id^, mel^r auf baS 



IRnftffeinbe. 147 

Dl^r afö auf bod Sluge orgamfiert, SRojart unb 9eet> 
]^ot)en ungleid^ mel^r ®enug unb Srl^ebung t)erbanfe unb 
fte mir ptt^bnli^ unentbe^rK^er ftnb, ald bte beiben 
grogen SD^aler. Unjfil^Itge 3Jttn\(f)tn, benen ber „S^rgeij 
bed ©etfieS" frinedtpegS abgel^t, toerben ebenfo tofil^Ien unb 
anbete toieber mit gteid^em Sfted^te entgegengefe^t. SBenn 
fia|)rabe ftatt äßid^elangelo unb Seonarbo ba SBind 
„(Soztf^t unb ©^afefpeare" gefagt ^&tte, bann freilid^ 
ftfinbe bie @a(i^e etoaS anberS. 

3n ben rein t^eoretif^en Unterfud^ungen Sa^rabeS 
— ä- ®. ob bie SWuftI einen beftimmten ©cgenftanb ober 
©ebanfen au^brüden !ßnnc? — toirb ber in beutf^en 
©ti^riften betoanberte Sefer faum etoad neues ftnben. 
®od^ illuftriert er bie eben ern^fil^nte f^rage burd| eine 
pbf^ unb menig befannte Slnefbote. ©eorge @anb 
ergäl^It nfimli^ in einer i^rer ©Triften, bag fie einmal, 
bur^ ein unrid^tigeS ftonjertprogramm irregeffil^rt, ber 
SReinung toar, bie l^eroifd^ @9m|)l^onie t)on SBeetl^ot)en ju 
^ören, toä^renb in ber S^l^at bie ^aftoratf^mpl^onie ge« 
f)nelt tourbe. Tlit Sntjüden laufest fie ben ^nen, ^0rt 
DoS reger ^^antafie alle feinen Intentionen beS ^mpo^ 
niften l^erauS unb legt bis inS S)etai( ben «l^eroifd^en'' 
Snl^It ber — ^aftoralf^m^l^onie auS! SUIerbingS ein 
ftarfeS ©tüdd^en t)on einer geiftboüen aßufiffreunbin, 
n^eld^e jahrelang bie intime ^reunbin S^opinS unb SiSgtS 
getoefen. Saprabe jebod^ h^fyiupUt, ha% in bem ele» 
ganteften ^onjertpublifum t)on $ari8 nur loenige eine 
größere Unfel^Ibarfeit an ben %a% legen tofirben, als George 
@anb in bem gegebenen ^Qe. 

Über ben iD'hifttfinn feiner SanbSteute f)nid^t fia))rabe 

10* 



148 ^^. Qonsllcf. 

ein Urteil, loie eS t)on irgenb einem auStfinbifd^en ^ran« 
jofenfreffer ni^t ungünftiger gefdQt toerben fSnnte. ^i 
@^(immfte bei bem gegentDfirtigen SDhtfiftaumet ^xanU 
teici^S fei, bag brei SHerteile unferer ©äfio&tmtt für 
mü[xt ni^t ba« W8^ bat)on üerfiel^en. ©ie fiärjen ft^ 
in eine SBetDunbentng, toetd^e beS^alb fo bequem ift, toeil 
fie {einerlei SSerftanbeiStl^dtigfeit erforberi S)ie unenbli^e 
SSermel^rung ber ftlaüiere in t^ranfreid^, il^r Einbringen 
in aQe Käufer t)on ber Portierloge bis in bie 2)ad^ 
fammer l^at ben mufilalifd^en ®inn in ber 9lation nid^t 
im minbeften erl^Sl^t ,,9Bir bleiben in äBal^r^eit fe^r un« 
muftfalif^, tofi^renb toir und mit STJufil bis an ben jpate 
anftopfen. 3a/ fd^Iiegt fia^rabe, ,,id^ lenne ni^td 
©d^redEfid^ereS, als bie S^jeffe eineS SBoßeS gerabe in einer 
^nft, für bie eS leine tiefere SBegabung unb feinere 
©m^finbung befiftt." 

yiaäf biefen burd^ Übertreibung unb Sitterfeit ge« 
trübten Unterfu^ungen tl^ut eS tool^I, fd^Iie^ti^ auf ein 
burd^auS toa^reS unb t)emünf^geS Sta|)itet ju ftogen, 
toAä)^ bie ©teUung ber SD^ufil in ber Ergieß ung 6e« 
teuftet. SMe äßal^nungen fiaprabeS gegen baS uber^ 
tpud^em beS ^taüierunterri^teS, toetd^er auf ftoften einer 
emfteren JSilbung fo unenbli^ t)iel 3^^ t)erf^(ingt, ol^ne 
SiüdEfid^t auf Xalent unb Steigung ben ^aben unb nod^ 
me^r ben 3R5bc^n aufgejtDungen toirb unb bod^ nur fetten 
2U bleibenbem, toertt)oIIem SRefuItate f ül^rt, fie ftnb nur ju 
begrünbet unb üerbienen aEe SSel^erjigung — nid^t blo§ 
in t^ranfrei^. 

@S ift über biefen $unlt t)on beutfd^n ©d^riftftellem 
t)iel ^eitfameS unb j£reffenbeS f^on gefagt toorben. 



niufffeinbe. 149 

3u bemSBeften gel^ört toofjll, toai unfer^aut^e^fe 
ben gelben fetneS SRomonS i,3m ^atobtefe' aber ben 
heutigen äRttfiffuItttS fiugem lägt SRit biefem legten 
(Sttat fd^Iiegen totr am liebften unfere $roiegaften in 
©Qd^en ber aRufttfeinbe: 

„^ liebe ttid^t b(og bte aßufif/ fagt $aul ^^fe, 
wfte tft mir fogar ein fiebendbebürfniS, nnb iDenn i^ fie 
Idngere QÄt entbehre, tft meiner armen @eele fo koenig 
toofjjl babei, ttne meinem St5r))er, toenn ber ftd^ einmal 
ol^ne iBab bereifen mug. • . ." 9txä)t toal^r, aud^ ein S9ab 
regt an unb auf, eS berul^igt ober belebt baS iBIut, eS 
f|)ü(t ben @tau6 bei^ SSerfeltagd üon ben ©liebem unb 
befd^toid^tigt allerlei ©d^merjen. Slber eS ftiQt toeber 
junger nod^ ^urft, unb koer ffi ^äufig babet, ful^tt feine 
SReröenfraft erfd^laffcn, fein Slut überreijt, feine Organe 
in eine tooQäftige S)um^fl^eit l^erabgeftimmt 3ft eS nun 
nid^t ä§nti(^ fo mit ber SUhtfif? SSieUei^t ^at man eS 
nur i§r gu banfen, toenn bie SD^enfd^en il^re S3eftialitfit nad^ 
unb na^ t)erIoren ^ben unb gottal^nli^er gen)orben finb. 
2)a8 aber ftel^t nid|t minber feft, bag aßenfd^en, bie nun 
biefen ®enug übertreiben, nad^ unb na^ in ein l^flanjen» 
l^afteS S^raumleben Derftnfen, bag ju einer 3^^^ ^^ ^^^^ 
ba§in ffime, bie STOuftf toirfßc^ als bie ^S^fte ftunft ju 
feiern, bie l^ßd^ften 9[ufgaben ber 9(Renfd|l§eit ni^t gelSft 
unb baS 9Rarf ber SDt&nner fie^ unb elenb iperben 
tofirbe. . . • 

S)a8 ^vti Zbntn benfen," toai biefe 5{unft mit fid^ 
bringt, I0ft mit ber 3^it aUeS ^fte im ®e^im in eine 
toeid^e SIRaffe auf, unb nur bie großen, nxil^rl^aft fd|0))fe« 
rifd^en Xalente betoal^ren fid^ bie ^l^igfeit unb 9leigung 



150 £^- ^anslid. 

für anbete geiftige SnteEeffen. ^g bie ^Öc^ften SRetfter 
in einer j;eben Jtunft einanbet ebenbürtig ftnb, brauche i^ 
ni^t etfi ju Derfti^ern. 3Iuf bie Übrigen fa&t loaEir^ftig 
boS EEBort, baS jemanb uon ben I^rifdien $oeten gesagt 
^at: fie finb iDie ®änfe, bie auf bie Seber gemfiftet finb; 
trefffi^ Sebetn, aber hante ®änfe. ©ie foD auc^ ba« 
(9Ietd|getDic^t ber ©eifteSfr&fte er^ften bleiben, bxnn 
jemanb neun ©tunben bo^ XagoB Dor einem ^nftniment 
fi^t unb beftänbig biefelben ^affagen e^erjiert? 9ber 
freilidi, eine foldie %ufD))Ferung ift nur mfiglt^ bei einem 
falfi^en 95egriff bom SBert ber ©a^e." 



€ta l^am&utger 3uMäanu 

[1878.] 

I. 

^m 3a^re 1828 troten in Immburg fünf fünft« 
finnige äRfinner jufammen, brei 33o!foren, ein Oberft unb 
ein SWufifer, um eine floniert.®efeIIfc|aft, ^ouptfäc^lii^ für 
Huffü^tung tton ©^mp^onien unb Cuberturen, gu gtünben. 
3u jener 3eit fämpfte in Seutft^lanb bie Sinfü^rung regel- 
mägiger Ort^efter'flonjcrte noc§ mit großen ©^wierisfeiten, 
Rielc^ teiU in ber Sefi^r&nh^eit ber »or^anbenen SRittel, 
teils in ber erft aufblü^enben 3;etlna^me bed $ubrifumS 
für f^mp^onifd^e 9ßufif ttiurjelten. ^n Hamburg Ratten 
cbenbrein bie Sriegdja^re aQe ftunftbeftrebungen nat^^Itig 
jurQdgebrfingt, unb na^bem bie franjöfifi^ iOccutxition 



€tn fyanhutQtx 3ubtIAnm. 151 

obs^OQim ttKir, badeten bie Hamburger natfirttd^ ^uerft an 
bie fominerjtellen unb m^t an bie muftfalifd^en Sntereffen. 
Stonjertmuftf ftanb in ber ®unft ber Hamburger tief unter 
bem Xl^eater, galt nur afö eine 9[rt ^[boptit^finb beSfelben, 
ba bie meiften ftonjerte (überimegenb 83irtuofen)n:obu^ 
tionen nebft Dpem-Slrien) im 3^ter unb auf SSeranftal« 
tung ber Sl^eater-Srtreftion ftattfanben. Sa felbft ein ge* 
ftc^er Xl^eaterbefud^ tote l^eutjutage ejdftierte nod^ ntAt 
in Hamburg, too l^&uftg mittag^ ein 3^^^^ ^^^ ^ ^^* 
jeige erfc^ten: „9Begen beS fd^önen SßetterS finbet ^eute 
Äbenb Wne SBorftellung ftatt/ gür regelmäßige Drd^efter* 
Stonjerte mußte ein $ublifum erft l^erangebilbet toerben. 
9Bie in Sßien bei ber ®ränbung ber <,®efellfd|aft ber 
aRufilfreunbe" (1814) unb in ben meiften beutfd^en @tSbten, 
toaren ed SHIettanten aud ben befferen ©efeüfd^oftSfreifen, 
tDel^e bie erften regelmäßigen übonnementS« ober SBereinS« 
fonjerte f^ufen. @oId^e opfertDiQige iBegrünber (feine 
,r®rünber'' im fpäteren ©inne) fonnten ftd| gratulieren, 
loenn fie toenigftend einen tfid^tigen ^d^mufifer als ^iri« 
genten in i^rer SRitte befaßen. IHefe muftfalifd^e SrgSn« 
jung ber brei ^öfteren unb bed Dberften toax in Hamburg 
ber Stomponift unb ßlaDierle^rer äBil^elm ®runb, ber 
SaJ^rjel^nte lang bie @eele ber ©efeQfd^aft blieb unb erft 
im Sa^re 1874, üierunbad^tjigjlfil^rig, geftorben ifi 9lad^ 
®runbd 9lfldtritt fibernal^m SutiuS ©todl^aufen, ber 
unDerglei^Iid^e ®efangdffinftler, 1862 bie 2)ireftion ber 
p^il^armonifd^en ftonjerte unb fül^rte fie üier 3a§re lang; 
feit 1867 Derfiel^t ber Don Seipjig nad^ Hamburg berufene 
ftapeQmeifter S. t). ISernut^ baS Smt. Sn biefe brei 
9lamen: ®runb, ©todl^aufen unb SBernutl^ fnüpft ft^ bie 



152 <^' ^anslid. 

ganje Sebendgefd^td^te ber Hamburger ^l^il^armome^fton« 
jerte. Utfprünglid^ gab ed beten nur t)ier anid^rli^, ^p&ttt 
unter @tod^aufen fiieg man bis auf jel^n ftonjerte, toeld^ 
bte regfie ^Inal^me unb fogar für bte Generalproben ein 
jal^Ienbed ^ubltfum bis l^ute geftd^ert blieb. SBeim fünf« 
gtgfien Sa^reStag i^rer p^il^rmonifdien ftonjerte an« 
gelangt, nutzten bie ^mburger ftolje ®enugtl§uung em« 
pfinben über biefen auS bürftigem Steint fo ftattlidi unb 
tDetterfeft emporgetoad^fenen SBaum. ^atriotüSmud, SD^uftl« 
liebe unb bie fpri^toSrtli^e (Skiftfreunblid^feit ber Sin« 
tDOl^ner Hangen nun )n:aji8 ju bem Sccorb }ufammen: 
äBir geben ein SRufiffeft f/im Subilfium unferer p^il«* 
^annonifd^n ®efeQfd^aft! ^aSfetbe marb in grogem ®til 
angelegt unb burd^ üier DoIIe ^ge, Dom 25. bis jum 
28. ©eptember, mit bem aQergünftigften (Skiingen gefeiert. 
SMe liebentoürbige Sinlabung beS ftomiteeS inm SSe» 
fu^e be8 SD^uftffefted fanb mid^ anfongS etn^ai^ fd^n^anfenb; 
^atte ic^ bod^ nad^ biefem 9BeItau8fteQung8«@ommer einiges 
9ied|t, muftf« unb reifemübe ju fein. SOIein bie @e^nfud^t, 
jpamburg toieberjufel^en na^ DoQen jn^anjig Sauren, lieg 
fid§ nid^t bef^mid^tigen. @eit bamalS trug id^ ben jauber^ 
^aften (SinbrudE biefer @tabt treu unb immergrün im ®^ 
bfi^tnid. @S toar ein fonniger SRaitog, als i^ jum 
erftenmale t)on ber 9n^5l^e beS ^©tintfang" auf ben Don 
^unbert SOtaften belebten $afen blidEte unb bann bie (SIbe 
^inabfd^iffte jnrifd^en blü^enben (Störten unb jierli^ 
Sanbl^&ufem bis SSIanfenefe. ®ie ganje fommerlid^e SßeTt 
toar ^eH unb frifc^ unb n)oIIte überftrdmen Don Seben. 
Sn ber ©tabt felbft toeibete i^ mi^ an bem l^rrlid^en 
ftontraft itoifd^en bem neuen eleganten @tabtteil mit feinen 



€tn Qambnrger 3»^^^nt. 153 

^ol&ften am Sllfierbafftn unb ber langen Sleil^ uralter 
@KebeI^Sufer in ber jpafengegenb. SßeÜ^e anbere @tabt 
beft^t btefeiS 9^e6eneinanber t)on grogfiftbtifd^ (Slegong 
nnb e^rtofirbtg ntittelalterlidient Slbel, biefeS Snetnonber 
lanbfdiaftlic^er ©d^finl^eit unb grogartigften 98e(tt)erIe^rS 
— toeld^e anbere ©tobt, a\& jpamburg, baS beutfc^e Sonbon? 
SlQeS bteS fal§ td^ je^t ttneber, freilid^ nid^t tote ba» 
mate bei loamter gfrü^IingSbeleuc^tung, fonbem in rec^t 
fü§Iem, regnerifdiem ©pät^erbft. Slber ber lanbfd^ftlid^ 
SReij ift eS glfidlic^rtoeife nid^t aQein, toomit und jpant» 
bürg feffelt, eS t^ut bieS ebenfofel^r burd| bie Erinnerungen 
an eine glorreid^e SBergangenl^t beutf^er SDhtftl unb 
fiitteratur. S)a freujt man funftgetoeü^te $(ä^ unb 
©tragen, bereu t)ergangene8 Seben und au^ unter bem 
SBinterrod unb Siegenf^irm bad ^erj tounberbar enuärmt. 
SEBir pilgern guerft na^ bem fo profaif^ flingenben „®Sn\t^ 
marft". S)ag nur ja fein fift^etifd^er SBfirgermeifter ben 
Pag j[e umtaufe! SMefer Hamburger ^y^änfemarft" ttxir 
giDeimal im üorigen Sa^r^unbert bad S9et^(e^em unferer 
bramatifd^ ^nft, ber gefungenen juerft, bann ber ge« 
ftnrod^enen — eine ber Slmbogft&tten beS beutfc^n ®eifte8. 
2)er Sefer fürchte l^ier feine Sb^anblung über bie Opern 
9leinl^rb fteiferd ober fieffingS «Hamburger S)rama« 
turgie". Unmfiglid^ aber fönnte id^ ben (SinbrudE $am* 
burgS »a^rl^aft unb t)oQ toiebergeben, ol^ne einen Singen» 
blid bei jenen großen nationalen Erinnerungen gu t)ero 
»eilen. äBirb boc^ t)on ^emben unb (Sinl^mifd^n baS 
litterarifc^ unb mufifalifd^e Hamburg fo gern t)ergeffen 
über bem reid^en unb fd^önen. 3d^ lieg mir auf bem 
(SMinfemarfte bie ©teile beS alten X^terS jeigen, in 



154 ^* f^ansltcf. 

loeld^em genau bor 200 Salären bte erfte ftabtie beutfd^e 
Opentbü^ne eröffnet »urbe, baS X^eater, in n)e{c^m ber 
(.boUfommene Stopenmeifter" 9ßatl^ef on bmgierte, $& nbel 
als junger äßann bte jföeite Stoltne fptelte, unb bor beffen 
Singang fidä eined XageS toegen eined ^trettiond^SRangftreited 
bte beiben bueQterten bor aQem S^olte. (SS toar eine neue 
unb große Sbee, ate 1678 einige ipamburger sperren — 
natürli^ toieber S)oftoren, 9lat8^erren, Sicentiaten — ben 
SBefd^Iujs ausführten, eine ftabile beutfd^eOpembü^ne }u 
errid^ten, bie erfte in ^utfd^Ianb. SBiQ man fid^ anfd^au« 
lid^ mad^en, toai baS fagen tooQte ju fener 3^^, too nur 
bie italienifd^e Cper in ^utfd^Ianb gepflegt toar, als 
eine 8etuftigung bome^mlid^ ber jpöfe unb beS SlbelS, fo 
brandet man bloß fid^ )u erinnern, bag beifpielstoeife 
Bresben erft bur^ fiarI9RariaäBeber 1817 eine eigene 
beutfd^e Oper erhielt, toeld^e obenbrein lange nod^ als 
^fd^enbrSbel neben ber italienifd^en be^anbelt tourbe. Sllfo 
140 Sa^re frül^er unb guerft in ganj S)eutfd^Ianb baute 
Hamburg ber beutfd^en Oper eine bleibenbe ©tätte. @ie 
bilbete ju Anfang beS ad^tjel^nten Sal^r^unbertS nament« 
lid^ burd^ bie Opern beS genialen, fru^tbaren dieinl^arb 
Steifer einen gl&njenben äßittelpunft beS beut[d^en SDlufiE« 
n)efen8. Seiber erhielt bie Hamburger Oper ftd^ nid^t lange 
auf il^rer jpö^e; fie fani, mit Steinl^arb Eifers Xob, immer 
tiefer, unb l^örte 1738, nad^ fünfjigjfil^rigem 8eftel^n, g&n}- 
lid^ auf. dreißig Sa^re fp&ter grünbete abermals $am< 
bürg baS erfte ftabile beutf^e ißational^Xl^eater unter 
ÄdEermannS S)ireItion unb SeffingS Iritifd^cr Ober* 
aufftd^t @S erlebte befanntlid^ einen einjigen Sa^rgang, 
l^t aber bod^ ungleid^ gröjseren (Sinffujs auf unsere Sitten 






(Ein QamBtirger 3ttBtI2Enm. 155 

ratur unb Xl^eaterjuftänbe geübt, afö jene fünfjigifil^rtge 
0))emunteme^mung auf bte beutfd^e äßufif. Sßtd^t nur 
berblieb nad^ SeffingS SBeggang feine «jpamburger S)tQ« 
maturgte" aö unfd^ä^bare fortf[ieJ5enbe DueHe ber ®it 
bung für @d^aufpteler unb 8ül^nenbid^ter, baS Xl^eater 
felbft fanb balb eine rü^ntlid^e ^ortfegung unter ber S)irel« 
tion @d^röber8, beS genialen Seiterd unb SSoQenberS ber 
^mburger ©d^ule. 3lud^ biefeS S^l^eater, in toeld^em nod^ 
bis 1827 gefpielt tDurbe, ftel^t nid^t mel^r; ed l^at ganj 
fflrjlid^ bem S)urd^brud^ ber neuen (Solonnabenftrage jum 
0))fer faQen muffen. 92ur bie leere ©teile fal^ id^, too baS 
burd^ Seffing getoeil^te S^l^eater gef tauben, baS bie „^xa* 
ntaturgie'' l^ertorgerufen, bie erfte Sluffü^rung beS „®b1i 
Don äöerlid^ingen" unb ber „SKinna tjon JBaml^elm'' ge* 
brad^t unb juerft ben ®eift ©^afefpeared über ^eutfd^Ianb 
Verbreitet l^atte. Gelangte bod^ burd^ bie berül^mte jpam« 
burger »uffül^rung ber ^©amlet'' ju fold^er Verbreitung, 
bag Anfang ber ad^tjiger 3a^re Sarottarten mit ^guren 
an» i^^mlet* in ©eutfd^Ianb 9Kobe tourben. Ät« §eine, 
fonft nid^t ber 9ßann überm&jsiger ^etSt, jum erftenmal 
Serlin fal^, toar feine erfte @m<)finbung: „SBie oft mag 
Seffing biefe ©tragen getoanbelt fein!" Um toie biet 
m&d^tiger padEt und biefe SSorfteQung in Hamburg, baS 
Seffing fo unenblid^ beffer gefiel, aö Serlin. 

ein anberer groger 3^*fl^"^ff^ Seffing« — er fü^rt 
un8 öon ber ©id^tlunft »ieber auf bie STOufif jurüdE — 
l^atte im felben Saläre toie biefer gleid^faQS SBerlin mit 
^mburg frol^en ^erjenS t)ertaufd^t unb itoaxtiiQ Sa^re 
lang ben mufifalifd^en Stu^m biefer ©tabt aufred^terl^alten: 
$]^ilip)) @manuel SBad^, ber britte unb bebeutenbfte 






156 



&. Qanslicf. 



JT- 



@o]^n @e6afüanS, fd^Ied^toefl ber ,^m6urger SBad^'' ge» 
nannt. Sßtr laffen und jur 3afo6dfirc|e unb gum Soon« 
neum fül^ren, loo (Smanuel Sdaä) afö Stantot unb 3Jtü[xl» 
bireftor fungierte, nad^ bem Xobe XelemannS, etneS ber 
frül^eren großen ®tttnt an bem 9ßuftl^tmmel ^mburgS. 
(Smanuel SBad^ berlieg gern feine ©teQung bei ^riebrid^ 
bem ®rogen, beffen f^ötenf))iel er buni^ 27 Saläre auf 
bem RiatAtt begleitet ^atte, um in jpamburg fiantor ju 
n^erben. 2)ad SBerlin f$riebrid^8 IL fonnte fid^ nid^t mit 
jpamburg meffen. 9^d^t ol^ne 3lnfirengung l^abe id^ mir 
unter ben bielen feltfamen ©tragennamen JpamBurgS aud^ 
bie „^ul^Ientknief ' gemerft, n)o 93ad^ bie legten Sa^re feinet 
SebenS in unermflblid^em äßufiffd^affen, babei in intimer 
^reunbfd^aft mit $t(o))ftod tierlebte. Se^terer l^at il^m aud^ 
eine poetifd^ ®rabfd^rift üerfagt, bie mit ber ettoad ge« 
fd^raubten Anrufung beginnt: ,,@te]^' nid^t ftill, 9tad^« 
al^mer, benn bu müjsteft erröten, nienn bubleibft!'' 
®ie foQte ein für Smanuel SBad^ ))roj[eftierted S>enfmal in 
ber jpamburger äRid^aelidfird^e fd^mfidEen, bad aber eben« 
fotoenig ju ftanbe fam, tsAt bad üon feiner SSaterftobt 
SSkimar i^m gugebad^te. 2)urd^ feinen Sinflug auf ^a^bn 
^ngt (Smanuel fBatS^ befanntlid^ aud^ mit Sßien unb ber 
SEBiener ©d^ule jufammen; feine Stlaüierfonaten, bie erf ten 
S3Iüten ber i, freien ©d^reibarf*, nnrften, nad^ ^a^bnS eigenem 
©eftänbniffe, toefentlid^ auf beffen ®til ein. ®ne merf- 
n)firbige, l^eute gerabegu unglaubßd^ Elingenbe 2:^tfad^e ift 
ed, baj5 $a^bn auf feiner jtoeiten Seife nad^ fionbon 1795 
ftd^ in Hamburg aufl^ielt, um ben alten SBad^ ju befud^en; 
er ^atte nid^t erfal^ren, bag biefer fd^on im Siejember 1788 
geftorben toaxl ®o n)eit behüten fi^ bamalsß^t unbStaum, 



(Em Qambttrger 3nbtlSnm. 157 

f ifofiett ftanben ®rogft&bte tote Hamburg unb 9Bten gegen 
eittanber. 

3m felben Saläre, ba Jpa^bn, ber banfbare SSete^rer 
$^. Smanuel a9a^, in SBien ftarb, 1809, fd^enfte unS 
ipamburg einen anbeten gtojsen Xonbid^ter, ber in mo« 
bemeren Q3iIbung8formen bie liebenStDflrbige 9}2eifterfd^aft 
ber ^^bnfd^en Snftmmentalntufif erneuerte unb eine fil^n^ 
lid^ $o))uIarit&t in ganj (Suropa errang: ^^Utc äßen* 
beUfo^n^SBart^oIb^. 3^ fal^ fein ®eburtd^au8, an 
btox man toeidlid^ eine ®ebenltafel angebrad^t ^at, benn 
noäi immer leiten )3iele t)on feinen SBere^rem äßenbelS« 
fol^n für ein 5tinb 93erlind, kool^in er aUerbingS in frfi^ 
Sugenb mit feiner gamilie überfiebelte; felbft baS neuefte 
flrojse ^SRufilalifd^e ÄonöerfationS-SepIon" öergifet, $am* 
bürg aU ben ®eburtSort a^enbelSfo^nS ju nennen. 

Slber koir finb nod^ nid^t fertig mit bem mufifalifd^en 
iRu^m Hamburgs. & mujs bod^ nod^ ettuaiS (SblereS in 
ber 9[tmof))l^re biefer ©tobt n)el^en, ali ber „@d^eQfifd^< 
feclenbuft", über ben §eine fpöttelt. 9?od^ toirlte aRenbeÖ* 
f ol^n in ber f^üQe frfiftigften 9ßanneSaIterd, als feine SBater« 
ftabt Hamburg fd^on »ieber einen Xbnbid^ter in großem 
©til ^ertoorgebrad^t ^atte: So^anneS SBral^mS. S)a8$auS, 
in tueld^em er am 7. Sßai 1833 bad Sid^t ber SBelt erblidEt 
l^at, ift abgeriffen; id^ toill ed il^m aufS SBort glauben, ob« 
(gleid^ ed bem @d^al! nid^t unS^nlid^ ffi^e, fein eigenes 
^ater^auS ju t^erl^eimlid^en, auS ^urd^t, eS lönnte in ein 
i^illeton fommen. @S tl^at mir leib, baS befd^eibene olte 
^uS nid^t mel^r fe^en 5U fönnen, in toeld^em ber Spater, 
<in tüd^tiger, el^renfefter ©tabtmufiler, unb bie järtlid^e 
3Rutter — fie finb beibe bereits heimgegangen — ben 



168 ®- ^slirf. 

Itrinen Sofyinne« sunt broBen Sffienf^ ^eranjogen. @ei'8 
um baS alte $auS; bei Xempet ben ft^ SBia^mS in feinen 
23er!en erbaut, lann nii^t metit bemoliert Werben, er fte^t 
fcft, unb bte Pforten SHebel^eimS bKiben i^n md^t aber* 
wältigen. 

n. 

Sir ^tten erioartet unb anbere muftfalift^ ®dfle 
mit und, ba^ in bem ^ubilfiuinS'SlIufiffe^e bie alten mu> 
l'iFaEif^ Serä^mt^eiten ^mburgiB ni^t tiergeffen bleiben 
roürben. Jffienigften« burd) je eine Äompofition Ratten nrir 
gecn 9lein^arb Seifer, Smanuel SSai^, äßat^efon unb Xele* 
mann ref)r&fenttert gefe^. 3n 91. SeiferS öpeta finben 
fic^ nid|t b(o| intereffante, fonbem ^ute nod) retjUoQe 
iiiib felir banfbare Strien. 

9to^ Diel rei^ ift bie 9Iu8iDa^[ anmutiger unb ge< 
biegener ©tficfe Don $^Iipp Smanuef ^a^, ber allein 
iDä^renb feined ^mburger %Cufent^a(ted jioölf fflonjerte 
mit SSegleitung, 53 ftlatiierfanaten u. f. n. gefdjrieben E|at 
;^n)ifd^en einer 0)>emarie Don Steifer unb einem j^aDier- 
Funjert Don @manue( 99ad) bälgten wir unS einen geift- 
lid)<n (S^^or Don Xelemann unb irgenb ein ®efangftüd 
i'on SKat^fon an xti)ttt ©tefle. 3)ie berüt)mten Siomen 
ielemann unb aSatliefo« fennt jeber auä ber SKufil« 
lieferte, unb boi!^ lebt ^te nw^rf^einliti^ niemanb, ber 
eine JCompofition Don tE|nen ^at aufführen ^firen. Xele^^ 
mann, eine ber legten @äulen beS alten ftonttafiunftiften> 
unb Organiftenru^me^S Don Hamburg, ^t fo überaus Diel 
ticf(^rieben, bag namentlich auä feinen jafilreii^n Ora< 
torien unb för^muftfen irgenb ein (|aralteriftif^ unb 




(Em OamBurger 3nbiISnm. 15g 

gebiegeneS ©täd geiotjs leidet audjutoS^Ien koor. ^aSfelie 
gilt t)on Sol^anneS SRatl^efon, ber aQetbtttgS bebeutenber 
ald SDhtfiffd^riftfteSer, benn ate ftompontft, bod^ al8 ge« 
botener Hamburger, unb }tt)or einer ber einftugreid^ften, 
bei biefem ^ftanlaffe nid^t l^ätte fehlen bflrfen. 9Ber ben 
merfkofirbigen 9ßann, toeld^er @Snger, Stont))omft, flo^Q« 
meifter, ©d^riftftefler, Ärittfer, Surift, ©cfanbtfc^ftÄ- 
@efret&r in einer $erfon gelDefen, aud^ nur auS SRiel^U 
ifS^arafterfdpfen" fennt, ^&tte ftd^ gelipijs (ebl^aft für irgenb 
ein $robeftüdt feiner Stunft intereffiert a^atl^efon tpar 
nebenbei ein guter ^mburger Patriot, er fd^enfte ber 
9ßid^aeli8fird^e (in ber er aud^ begraben liegt) 44000 SRarl 
©ourant jum JBaue einer neuen Crgel — ein SinfaD, ben 
il^nt iDenige 9ßuft{^ ftritifer nad^mad^en toerben. SBoS 
^finbel betrifft, fo Ratten n)ir gehofft, bie Hamburger 
tourben i^n bei biefem 9)hifi{fefte ftatt mit einem feiner 
befannteften @pättperfe lieber mit irgenb einem ©efangd« 
ftfide ))robu}ieren, baS er in feinen jüngeren Sauren in 
^mburg unb für ^mburg fd^uf, j. SB. mit einer 92ummer 
QUiS feiner Oper «^SHmira'', n^eld^e 1705 in ^mburg 
SlDanjigmal hinter einanber gegeben tourbe. SBeit entfernt 
üon ber I&d^erlid^en ßumutung, baS Hamburger ^^ftfomitee 
foQte ein i,]^iftorif(^ ftongert" arrangieren, l^offten tüir 
bod^ toenigftenS auf eine l^iftorifd^ äBürje biefed ftonjerteS. 
SHe paar 92ummern k)on alten ^mburger äßeiftern lonnten 
nic^t me^r als bie ^älfte bed erften S^onjert^SlbenbS au8* 
füllen, unb für bie mobeme äßufit tpfiren no(^ jtDei unb 
ein ^Iber SIbenb übrig geblieben. S)ie ®tabt Hamburg 
^dtte eS fd^fin gefleibet, fid^ an biefem feltenen tiefte mit 
i^ren alten SBerül^mt^eiten ju fd^müden toie mit einem 



160 ®- ^ansWa. 

loftbaren t^tntltenfd^ntudfe, ber t^r aSetn gel^örb Um bte 
i^SroicQ" ober bte «Oberon^^uberture ju ^ören, reift man 
gekmjs ntd^t nad^ ^mburg, ^öd^ftend tion SlItonQ. 

%m erfien Jtonjerfc'Slbenb fu^r bad fd^toere ®efd^ü^ 
auf: geiftltd^e 9)htfi{ t)on SBad^ unb ^nbel in QßmÜiQm 
SHmenftonen. ©ebaftian SBqc^S Stantate: «(Sin' fefie SBurg 
tft nnfer ©Ott" — unb ©SnbelS Oratorium: ^38rael in 
fCg^ten" (jtoeite 3l6tetlung) toaren ganj borjugi^metfe Qt* 
eignet, bie Seiftungen beS ^mburger (S^oreS in gl&njenbeS 
Sid^t ju fteSen. S)a§ Hamburg einen (Sl^or t)on 460 SD^it« 
gliebem, burd^auiS SHIettanten, aufjufteQen tiermag, fe^t in 
Srftaunen. Unb mit toeld^ norbifd^proteftantifd^en Straft 
unb 'Zapferieit führten biefe ^mburger ^auen unb ^&u^ 
leinS bie anftrengenbften (S^öre aud! S)ie SBad^fd^ Stantate 
gehört mit i^rer granbiofen, aber für bie ®dnger graufamen 
ftontra))unftif bei^ Sut^erfd^en S^orafö ju ben fd^toierigften 
Aufgaben; bei fe^r ftarfer SBefe^ung n)unbert man fid^ bei« 
nal^e, koenn bie ©timmeinfä^e a&e koirflid^ auf einen ©d^tag 
gefd^el^en. 3n bem ^finbelfd^n Oratorium gldn^te wx 
oSem ^au ^efc^fa^Seutner, eine Öfterreic^erin. «ud 
il^rem SDhtnbe Hingt aud^ boS ©d^koerfte nid^t mfl^fam, 
unb barin finben tuir ben Dome^mften SReij il^reS ®e« 
fanget. 3^r junäd^ft ftanb ber treff(id^ Säariton ®eorg 
^enfd^eL ©eine ©timme feffelt feineSlüegS burd^ SEBol^t« 
Hang, man mug fid^ an einen gemiffen 99eil(ang t)on 
Sftau^t unb ©d^ärfe anfangs gekoöl^nen. S)afär imponiert 
^nfd^eld ©efangSfunft burd^ ^o^e SuSbilbung im ge«* 
tragenen toie im folorierten ©til, feine S)eftamation ber» 
r&t burd^koegS ben SRann )3on ®eift, fein S^ortrag ben 
trefftid^en SDhifif er. 



(gilt Hamburger 3n^i^^nm. 161 

^er }k9eite §l6enb Brad^te ^xm ®\fmp1iomtn, eine 
^a^bnfd^e unb bte britte üon @d^untann. !S)en gröjsten 
Xriuntp^ feierte biedmal grau (SXaia ©d^umann. ®te 
^tte ium SSortrag äRojartS D-moU-ßonjert getpfi^It, biefen 
©trom flüfftgen ®oIbed. SBor bteiunbüterjig Salären l^tte 
biefe bekounberungStoürbige ^rau bereite aU ^onjertgeberin 
bie jpamburger ent^üdt — unb l^eute? ®d mag über« 
trieben Hingen unb ift bod^ bud^ftäbli^ toafyc: fie f))ielte 
bad Itoniert fd^öner ald je. 3^r Vortrag toar bie reine 
Offenbarung 2)iojart«, bie berförperte SKufil. S)a8 ©ejtett 
aug bem erften SHt bon ©l^erubini« „SBafferträger", faft 
untrennbar mit ben fcenifd^en Vorgängen Derlnüpft, toar 
{eine paffenbe fS&afji für l(oniertt)ortrag. 3n ber fc^toierigen 
©opranpartie ((Sonftance) e^ceUierte grau Dr. @d^ ramm, 
bie Dor mehreren Salären i^re glänjenb begonnene SSü^nen^ 
laufba^n mit einem glüdEUc^en ^milienleben t)ertau)d^t 
l^at. ©üjser £Iang, toarme (Smpftnbung unb poetifd^e @r« 
fd^einung Ratten fie ju einer ber beften S>arfteIIerinnen 
ber @Ifa in «^fio^engrin" unb ä^nlid^er ©eftalten gemad^t 
3^r ®efang erfd^ien und fo rec^t atö ber SluSflang einer 
rein geftimmten @eele. 

SEBal^r^aft begeiftert äußerte fi^ am britten Stbenb 
bie ^reube bed $ublilumd an 93ral^md' jnieiter @^m« 
Päonie in D-dur. f&xa^xti^, mit Ord^eftertufd^ unb Sor« 
beerfränjen empfangen, birigierte felbft. Soad^int fpielte 
im Drd^efter bie erfte SioKne, ?lm ©d^Iujs ber ©^m« 
p^nie toarfen bie S)amen Dom (Sl^or itnb auS ben erften 
©i^rei^ 8ra§mS il^re 93IumenfträuJ3d^en gu; er ftanb 
ba, txnt ed in feinem SESiegenlieb ^eigt, ,,mit 9iofen bebedEt, 
mit Steifen beftedt\ 9ßit Sludna^me ber S^ra^mdfd^en 

^anitttf, «tti neuer unb neuejter 3ett. H 



163 £b. ^anslicf. 

<3>^mpfiomt xoatm fämtlic^ SDhtfifftüde btefed großen 
bceitfigigen ^fteS tion ^rn ^rofeffor ^uttu^ t>. IQSeinut^ 
mit beffeni <£rfolge birtgieit 

3n>if^ett bett jtD«iten unb beti britten Sonjetttas 
tiKic bie gemeinfame Suftfal|tt na^ SSlanfenefe etnge' 
|iJE|otiett, mo aucfi baS t^F^ftbanfett ftattfanb. 3Cuf bem 
^erbed beS ftatttic^ ^mpfetö gab ed ein frö^Iidie« 
©ctDimmet; man fonnte mit jebem unac^tfamen @<^ritt 
einer SQecü^mt^t auf bcn ^a% treten. S>a begrüßten 
mir juerft bcn gdfttioQen, liebenSniürbigen t^rbinanb 
^tQer, ober nie er je^t ^eifit: ^cbinanb Don filier, 
bntn er ^t burdi irgenb einen Ocben jegt beCommen, 
was er Mngft unb biet beffer (etbft 6efa§: ben „per- 
fönficfien SlbeC. ^er fd|n)eig|ame äRonn im S^inteipel}, 
mit bem frappant an ©{fiumann erinnernben ^pf, ift 
X^obor J^trc^ner, ber Jiomponift fo mancher poetifc^er 
SlaDierftüde unb Siebet. Unb neben i^m, bie Bomelime 
©reifengeftalt? ^et foQte t& glauben, ber Somponift 
ber nedifc^en Häßart^a" mit meifien ^acen unb [angem 
nieigen fdaitl glototD I|at eS nic^t Dergeffen, bog er 
feinen erften burc^ft^Iagenben ^olg in ^utfi^Ianb ber 
Hamburger äuffü^rung feine« »©ttabeKa" (1844) Der* 
bonite. ©in älterer |ierr Don befdieibener SKittelgröle, 
aud beffen glattiafiertem lofigen ®efid|t eine ec^te SRd» 
j^artnafe ^erDorfpringt, tommt auf mi(^ ju unb nennt fii^ 
— yiitU @abe. ^0 mar mir benn ein alter SSunft^ 
in ^füDung gegangen, biefen oere^rten, eckten ffiünftler, 
ben Siebttng SRenbeUfo^nä unb ©(^umannS, einmal non 
Hngefit^t jufe^nl 3*"^ Ferren, bie [xi) offenbar nedenb 
fe^r munter lonDerfieren, foQte id| (enncn, boc^ !ommt mix 



Sdfwtiiet ninfiferlebniffe. 163 

ber jüngere ju alt t)or für 99ra^mS, ber filtere ju jung 
für ^apa ©r&bener. Unb bod^ finb fte'd beibe. ®i&^ 
bener, ben SBienem eine alte, teerte Erinnerung, ift feifc^ 
l^r nod^ fprül^enber unb bli^enber geworben, fo bajs id^ 
i^n ali ein Beneibendteerted SBeifpiel unbertDüftlid^er, [a 
gefteigerter Sugenbli^f eit f aum teiebererf annte. S9 r a 1^ m d 
aber — trfigt einen martialifd^en SSoIIbart. ®r ^at fein 
bi^^eriged milbed ^aftorgefid^t mit bem eineS ta))feren 
SBaQenfteinfd^en fianitned^ti^ Dertaufc^t unb gleid^t je^t 
einer feiner SSariationen, in ber man bad X^ema nur 
mül^fam erfennt. @d fd^ien jebod^, bag ben tarnen auf 
unferem ©d^iff bie SSariation au^ne^menb gefiel, ^a ftnb 
femer ber geiftreid^e l^oüfinbifd^e ^omponift SSerl^uIft, 
bie beiben trefflid^en Serliner aRufiffritiler Ctto ®um:s 
pred^t unb ^rofeffor @ngel, bie Somponiften SRein«» 
t^aler, ®rimm, ®ernS§eim, SleinedEe unb SuIiuS 
©d^fiffcr. Son ^mburger SKufif • 9?otabiIitäten bie 
i^ren Subteig 9ßeinarbud, Jta))eameifter 9iicciud, 
Dr. Äraufe unb ber e^rtoürbige SSerfaffer ber geftfd^rift, 
SlD^^fialtemant. 2)ie f^^rt nad^ 99Ian!enefe berüef 
Reiter unb anregenb teie bad ganje ^eft. 



^d^tnelsec Müfihttltfmi^t. 




An reift jur ©ommer^ieit nid^t in bie ©d^toeij, 
um a^ufif iu l^ören. @ie felbft lägt fid^ tro^bem reid^« 
lid^ l^ören, unb gerabe in i^rer t)oIf8tümIid^ften, für bied 
fianb bejeid^nenbften ^orm: als Q^^orgefang ber Sr^ 



IV 



p/,' 



'y > 



» *v- 






164 



€6. ^an5lxa. 



tPQd^fenen unb ber @d^ul)ugenb. 3n ber f^ftematifd^en 
Pflege tne^rfttmmtgen ©efangd ru^t baS @(!^toergett)id^t 
unb bie Stgentümlid^feit beS äRufitoefenS in ber ©c^nieij. 
9lud Eunftlofen bolfötfimlid^en Anfängen f)at \xä) l^ter ju 
Slnfang beS Sai^rl^unbertö ber bterftimmtge iDl&nnergefang 
enttuidelt, unab^&ngtg bon feinem faft gleid^jeitigen (Sr« 
Blfi^en in 92orbbeutfd^lQnb. ^ie ber üTlfinnergefang, fo 
gewann and) ber gemifd^te @^or balb eine anfe^nlid^e 
Pflege unb 3ludbreitung, gleid^ jenem eine mel^r fittlid^ 
unb patriotifd^e S^enbenj, atö eine rein artiftifd^e beob^. 
ad^tenb. 3n ber Sd^toeij bereinigen fi^ bie ja^Ireid^en 
©ingftimmen, ftarfe unb geringe, me^r ju eigener Übung 
unb Erbauung, afö um öffentlid^en ^ifolld tDiQen. S)urc| 
bie betannten, nod^ ftetig forttoirfenben Serbienfte beS 
alten SRägeli in 3^^^' ^^^ f^^^^ mufifQlifd^en ®runb* 
ffi^e mit ben pfibagogif^en ^eftalojiid ftü|te, tpurben 
neben ben äßufifDereinen aud^ bie @c|ulen fleijsigfte Pflege« 
ftätten bed Q^^orgefanged. 3n ben legten bierjig Sauren 
f)at QUd^ bad eigentlid^e Stonjerttoefen in ben SSororten an« 
fel^nlid^e @nttpidtelung erfahren; ^afel unb 3üric^ nament« 
lid^ toetteifem mit' regelmäßiger Drd^efter* unb Äammer* 
mufit mad^en aud^ jeitmeilig burd^ Sluffül^rung großer 
Oratorien eine rül^mendtoerte, bon beftem Gelingen be* 
gleitete Stnftrengung. Slud^ bon guten Opemauffäl^rungen 
I^Srt man in neuerer QÄt, obgleid^ bie Oper tebenfaQd 
l^inter bem Stonjert« unb Sl^ortoefen biefed fianbeS jurüd« 
fielet. OpemborfteSungen l^aben bie bebeutenbften ©d^toeijer 
^auptorte bod^ nur in ben SBintermonaten, unb bann 
nid^t immer regelmäßig. @o oft id^ im ©ommer bie 
©^toeij befud^te, id^ ^abe nie unb nirgenbS aud^ nur baS 



Sc^oetser ninfiferlebnifre. 165 

fleinfie X^eater offen gefunben. Um fo angenehmer übet« 
rafd^te mi^ bieSmal eine Slnjeige in ber Sujemer 3^tung: 
ed n)erbe ©onntag am 3. 3u(i um 12 Ul^r äJJittagS in 
Slttborf t)on ber bortigen „X^catergefeHfd^aft* SorftingÄ 
fomifd^e Oper ^^tt SBaffenfci^mieb'' aufgeführt toerben. 

SBer an einem ©onntage ben SBieüDalbftatter« ober 
ßürid^er @ee befäl^rt, ber fann auf @ang unb Stiang 
iä^Ien« 3lud^ auf unferem nad^ ^lüelen bampfenben ©d^iffe 
formierten balb ad^t bis ^e^n rüftige 9ß&nner, mit 9toten« 
heften in ber Jpanb, einen ^eiS unb fangen einige l^übf^e 
Siebertafeld^öre. 3l^r SBortrag, frifd^ unb aufrid^tig, XDtnn^ 
gleid^ o^ne feineren @d^Iiff, mad^te guten (SinbrudE; eS flang 
fo red^t toie gefungene ©onntagi^freube. ^ie @&nger koaren 
burd^tueg 3lrbeiter auS ber großen äßafd^inentoerfftätte 
in Olten unb trugen als SSereinSjeid^en eine fleine mefftngene 
£oIomoti))e auf bem ^ute. tiefer Arbeiterverein befajs 
aber auger feinem ®efangd^or aud^ eine Heine ^^anfare 
Don ettoa fed^d ungefügen Sled^inftrumenten, koeld^e nun^ 
mel^r i^re @ee(e in me^r biden als reinen Xönen auSju^ 
l^aud^en begannen. §ln mufüalifd^em 3o^9^ffl§(e ftanben 
biefe fd^metternben ©efellen toeit unter il^ren fingenben 
SBrübem; baS geQenbe Überfd^nappen ber S>ampf pfeife unb 
baS ©c^nauben ber äTZafd^ine mag fie mufifalifd^ üertoöl^nt 
l^aben. 3lber toer mag eine ftttlid^ unb forial fo erfreu» 
lid^e (Srfd^einung nad^ reiner Intonation unb ©timmung 
tajrieren? Unfere ©timmung ift ftetS bie aQerbefte, toenn 
toir fo(d^ einen fonntäglid^en SlrbeiterauSftug, bei bem 
nic^t blog gefd^rieen unb gejec^t toirb, beobad^ten. 

Sine anfprud^Slofe ®efang8probu{tion anberer Slrt 
Ratten koir furj juDor auf bemfelben ^ampffd^iffe auf ber 



166 <E^- ^ansiid. 

ga^rt t)on Sujern nad^ ®erfau erlebt. (Sd toar ein tounber« 
fd^öned luftiges äBetter, unb bie blauen SBeQen tanjten 
förmlid^ im ®tanjc ber SKotgenfonne. S)ie ipfilfte beS 
^erbedES toax bid^t angefüllt üon einer ©d^ar fleiner 9ßdb« 
d^en, toeld^e unter ber Obl^ut eined feinen jungen ®eift« 
lid^en unb breier einfarbiger ©ouüernanten einen ^rien« 
auffing über ben ©ee mad^ten, toa^rfd^einlid^ um fid^ über 
^eQd platte unb bad 9ifltli ber^eerenb ju )3erbreiten. S)ad 
toai nun ein frö^Iid^ed 2)rfingen unb Xreiben auf bem 
@d^iffe. ®d tDimmelte üon fnofpenber äBeibtid^feit, toeld^e 
für bie gute QvLä)t, toenngleid^ nid^t für bie @d^ön§eit 
bed fd^tDeiaerifd^en ^aäfion6)\^ tröftlid^e SluSft^t eröffnete. 
Unermüblid^ liefen bie 9Rdbd^en treppauf treppab öom 
S^erbedE in bie Stajjüten unb toieber aud ben Kajüten aufd 
^erbedE, ein bunteS, beUiegted Seben. S)a fammelte ftd^ 
enblic^ tuieber auf einen SBint bed Se^rerS bie SD^e^rjal^t 
ber fleinen @d^iffd[d^n)ärmerinnen, rüdEte regelred^t auf 
ben 8&nfen jufammen unb ftimmte ein ^eiterei^ S^orlieb 
an. Site unmittelbare unb bod^ geregelte ^ugerung ge« 
meinfamer gröl^Ii^feit roirlte biefer ^enfionotä * ®efang 
erfreulid^, mufifalifd^ ttang er jiemlid^ berb unb unrein. 
S)ie 9)!&bd^en fangen ol^ne feinere ^onempfinbung, aQed 
gleidE) ftarl. S)ie gragc, ob bie ungemeine Seöorjugung 
beg S^orgefangeS in unferer QÄt (in ©deuten, Vereinen 
unb ^onjerten) nid^t eine nad^teilige SRüdEtoirtung auf ben 
©ologefang übe, l^atte fid^ mir oft aufgebrdngt, unb bie 
alte 3Ba^rnc^mung, bafe bie ©d^toeij, bicfe fleifeigfte SBer!* 
ftdtte beS ©l^orftngenS, fo feiten einen auSgeäcid^neten ©olo* 
fdnger ]^ert)orbringt, flod^t fid^ mir naturgemdfe in jene 
grage ein. 3n biefem Sanbe, too jefet jeber ©onntag 



St^weiscr inupfetlebntjfe. 167 

irgenb ein ©ängcrfeft brinßt, ju tocld^em ja^Irdd^c Ilctnc 
S]^ott)crcinc juftrömcn, toie öäd^Icin in bcn @cc, mufetc 
tc^ bcr trefflichen Söcmerf ungen geben! en, loeld^e ber SBicner 
©pecialift 5ßrofeffor Dr. ©törl in feiner örofd^üre 
^©pret^en unb ©ingen" über biefen 5ßunft öorbringt @r 
nennt ben ß^orgefang ^bet ©timme ftd^erften Main, fo« 
tool^I für fiinber afö für ©rtoa^fenc'', unb erflftrt ftinber 
Don ad^t bi8 jtoölf Sauren für unfähig, längere Qdt, gar 
eine ganje ©tunbe lang, unbefd^abet ber Seiftungdf&^igfeit 
il^rer jarten Jte^Ifopf^äßu^htlatur gu fingen. Sin ))aQr 
©tunben onftrengenben (S^^orgefangd in ber ©d^ule fann 
bie befte ©timme für aDe 3"^^ft ruinieren. D^nc ben 
muftfalifd^n 9tu$en unb ben gemütlid) üerebeinben Sinffug 
bed ©ingend in ber ©d^ule gu leugnen, be^QU|)tet bod^ 
©tör!, boJ5 ba^felbe für fpötere 3ci*cn auf bie eigentlid^ 
muftf alifd^e Kudbilbung im®efang t)on fd^äblid^fter SSirfung 
fei, unb rfit, man möge ©d^üler, bei benen fidö befonberS 
günftige Einlagen für ben ®efang geigen, fel^r balb mit 
bem ©d^ulgcfang aufl^ören laffen. SBenn ©törf fd^Iiefe* 
lid^ ben (Sl^orgefang, toie er eben in ber ©d^ule geübt 
toirb, ald bad rid^tigfte aJHttel begeid^net, um bad ©el^ör 
für feine mufifalifd^c SBa^mel^mungen abguftumpfen unb 
bie Snbitjibualifierung be^ ®efange8 gu toerl^inbern, fo 
!ann ber 9ßuftfer leiber nid^t uml^in, baS l^erbe SBort bed 
?[rgte8 gu unterfd^reiben. 

©nblid^ lanbete unfer mufifatifd^eiJ ©ampffd^iff an 
ber (Snbfpi^ bei^ ©eed, in f^Iüelen, bon tt)o und ein 
rafd^eS ^ul^rtoerf balb auf ftaubiger Sanbftrage nad^ 3llt« 
borf brad^tc. S)ic poetifd^c Änbad^t, mit ber toir ben 
©oben bon SeH« «pfelfd^ufe unb äff bie übrigen ©tStten 



168 ^^- ^cMsWd. 

in ben Utfatttonen betreten, ja bie Uo%tn 92amen fo 
mand^er 9)ergf)ri^en, ©etoSffer, Ortfd^aften ^ier berne^men, 
ift bai^ eigenfte SBer! @^illeri^; er ^at und boS 
©(i^tDeijerlanb, baS er niemaö felbft gefeiten, juerft er* 
fd^Ioffen unb üer^rrltd^t, unb toanbelt l^ier, jebent üon 
uns ein unftd^tbarer t^ül^rer, begifidtenb jur @eite. 2)iefe 
t)erfI5renbe, ungemeffene ^opularitfit, tpeld^e ein ®ebi(!^t, 
©d^tUerd „%^W, einem ganjen fianbe üerliel^en ^at, ift 
ol^ne 83eif))iel in ber Sitteroturgefd^id^te. !S)ie ©d^iDeij 
f)at baS anerfannt unb burd^ ein S)en{mal auSge^prod^en, 
ba^ in feiner (Sinfad^l^eit ju ben fd^önften unb rü^renbften 
gel^ört. @d ift ein ouS bem @ee auffteigenber mäd^tiger 
f^Ublod, auf beffen üorberer geglätteter t^&d^e bie golbene 
Snfd^rift Jjrangt: S)em ©finger lellö — ^Jriebrid^ Don 
©d^ilter — bie Urfantone. — Ältborf, auf bem ftd^ bie 
ben^egtefte @cene beS ©d^iQerfd^en S)rQmQS aufbaut, foDte 
uns l^eute burd^ eine Opemt)orfteQung intereffant toerben. 
3d^ erful^r balb, bag bie auf ben Slnfd^Iagjetteln genannte 
^X]^eater«@e[eafd^aft'' feineStoegS auS Stänftlem t)om ^d^, 
fonbem burd^weg au8 3)ilettanten befte^t — Drd^efter, 
S§or unb @5nger — , toel^e ja^rlid^ eine bis jtoei 93or« 
fteHungen l)eranftalten, in mufttalifd^en aRigja^ren aud^ 
gar feine. SHe feltfame STKttagSftunbe l^atten fte getufi^It, 
um aud^ ben entfernteren Slntool^nem unb fremben 
2:ouriften ben 93efud^ ber Oper ^u erleid^tern. Seiber 
abforbierte baS gleid^jeitige „©bgenöffifd^e Scftfd^iefeen" in 
Sujem ein grogeS $ublifum unb liejs bem „SBaffenfd^mieb'' 
in tßtborf nur ein Heine«. 2)ie SSorfteHung fanb in 
einem tt)eiggetünd^ten, mfigig großen ®ale beS ®emeinbe« 
l^aufeS ftatt, in toeld^em brei äBanblampen mit bem ein« 



Sd^vm^tt Xnnfirerlebntffe. 169 

fc^teid^enben XageiStid^te fid^ ju einer petroleumbuftigen 
^tmnerung vereinigten. Sßor einer anfel^nlic^en 3^^^ 
l^0(jemer JBänte er^o6 ftd^ bie SBü^ne, tief genug für bie 
Stnfantmlung eineS 2)ugenb (S^l^oriften unb gerabe fo f^oä), 
bag bie ©dnger nid^t mit bem ftopfe oben anfliegen. @d 
fc^tug 12 U^r, unb ju meinem großen ©d^redCen gab ber 
ItopeUmeifter fofort bad 3^^^^^^ h^^ Duüerture. S)enn 
ic^ genxil^rte in bem befd^eibenen Drd^efter; in tuelc^em 
QUd^ ein junges 9Räb(^en tapfer mitgeigte, iDeber eine t^0te, 
nod^ ein t^gott, nod^ ein SßioIonceH. 3d^ fc^meid^Ie nic^t 
gern, aber biefe Drd^efterleiftung gel^örte ju ben grau« 
famften. Sin f^ember neben mir, ber befd^mid^tigenb 
äußerte, ,,fflr Sltborf' fei biefed Drc^efter boc^ ganj gut^ 
^te t)erbient, tuegen SBeleibigung biefer ®tabt ange{(agt 
ju tDerben. 3"^ ®tfide gingen bie meiften ber gegeigten 
Übelt^aten in bem ^flUenfeuer ber SBIec^mufif rafd^ unter. 
SReine SBeforgnii^, tDie benn bie ganje Dper mit biefem 
ceDo^, flöten« unb fagottlofen, fiberl^upt gottlofen Drd^efter 
tDerbe burc^jubringen fein, emrieS fid^ jebod^ a(8 flberflüffig, 
benn nad^ ber Sntrobuttion mit bem (S^or ber ©c^miebe 
legte ber ftapeDmeifter bie Partitur gelaffen beifeite unb 
cccon^xignierte aUe folgenben Srien, 2)uette unb Xerjette 
auf bem ^anino, um erft toieber bei bem jmeiten f^inale 
bie Drd^ftermfid^te ju entfeffeln. 2)iefe8 $ianino toar 
hai ^Rettungsboot ber Oper. 2)er ftapeUmeifter, $err 
Slngeta, fteuerte baSfelbe ganj üortrefflid^ unb t)erbient 
überl^upt ffir feine SBe^errfc^ung fo brangüoDer $er« 
^ttniffe baS aufric^tigfte Sob. ®t toar bie mufifalifd^ 
@eele biefeS ungeberbigen ftftrperS unb l^at bai^ SBerbienft, 
bag tegterer nirgenbd gerabeju t)erfagte ober in feine 



170 <Hb. fjansitcf. 

Sltomc jcrfici. SBaö btc ©oliftcn Betrifft, fo bcl^auptctc 
bcr ©arficacr bc« SBaffcnfc^micbe», ein fflttborfcr ffiauf«» 
mann, burc^ feine rec^t frei be^anbelte, fraftDoHe S^ag« 
ftimme eine groge Übertegenl^eit über bad gefamte ^erfonal 
unb braci^te auc^ fd^aufpielerifc^ bie be^bige f^gur an« 
gemeffen ^erauiS. SBeniger glfidlid^ toax ber 2)arfteIIer 
beÄ rittertid^cn unb galanten ®rafen Siebenau — ein 
ftattlid^er, bartumtoalbeter Ingenieur ber ©ottl^arbba^n, 
ber gen)ig bei ben gefä^rßd^ften Xunnelfprengungen me^r 
gaffung gejeigt ^at, afö ^eute in ber Optt. 3)er SKann 
fang mit einer ängftlici^ gequetfc^ten ©timme unb ging 
babei in lurjem ^rab, gefeniten Jtopfed, furd^tfam ^in unb 
^er, toie ein öerbriefelid^er Sär im Äfifig. @r toar fort* 
tofi^renb in fo graufamer SBertegen^eit, ba| man il^n ffir 
bie (eibenbe Unfd^ulb in ber J¥om5bie galten mochte unb 
l^erjlid^ bebauerte. SBie biefer ®raf Siebenau, fo l^atten 
aud^ fein Jhtappe ®eorg, ber 9litter Sbelbert unb bie 
beiben ^amen t)on ber fonft ate gütig befannten SRutter 
3latvix fe^r toenig @timme erhalten unb aud^ nur eben« 
fot)ieI Talent. Sin ben rec^t gefälligen unb too^t er« 
l^altenen Aoftfimen frappierte mic^ ein frembartiged unb 
bod^ toieber n)o^IbeIannted (Stiuad, bai^ id^ mir anfangt 
nid^t red^t ju erttären tt)u|te. @ie paßten offenbar nic^t 
rec^t in biefe Cper. 933ie fommt ed, bag Siebenau, ganj 
gegen fein Snfognito, aü ©d^miebgefelle ein rotfammtene« 
SBam« mit toeifeen 5ßuffen trägt ber anbere angebtid^e 
©d^miebgefelle ®eorg ein fd^toarjfammteneS mit ®otbbortcn, 
toä^renb il^r §err unb SWeifter, ber reiche SBaffenfd^mieb, 
in unfd^einbarem 5;uc^f leibe auftritt? 3a, ic^ täufd^e mic^ 
faum, e« finb ffoftfime au« ^SBil^elm Seil*. Äann 



5c^ipet3er muftferlebniffe. 171 

man gerabe Slltborf eine erflfirlid^e SSorliebe für biefed 
ftoftüm unb einen gefc^id^tlic^en Stnfpntd^ barauf abfprec^en? 
@mx^, biefer SBaffenfc^mieb ift bcr leibhafte 3Bemcr 
©taufad^er, feine ®efellen fiiebenau unb ®eorg ftnb U(ric^ 
Don Stuben} unb äReld^tl^Ql, unb felbft bie futd^tbare rote 
i^ber auf bem ^au^te beiS fd^toäbelnben ftomiferg üer^ 
fünbet laut bie @c^redendmär t)on ®eg(er8 $ut 

^ro^ i^rer UnjuIängKd^teit, t^ieSeici^t gerabe burd^ 
biefe(6e, erregte bie ^tborfer 2)ilettanten«0per unfer leb« 
l^fteS Sntereffe. @ie jeigte t)on neuem in)eierlei: juerft, 
toie t)iel baju ge^0rt, fid^ aud^ nur bie nottoenbigfte Xec^nif 
beS X^eoterfpielenS anzueignen, fobann toie mü^fam gerabe 
bie 2)eutfd^en mit biefer ©c^toierigleit fämpfen. ©trenge 
Strititer foQten mitunter burc^ fold^e S)i(ettanten«S3or« 
fteQungen fic^ in (Erinnerung bringen, bag eS fd^on eth)a8 
bebeuten n^ill, auf ber 93ü^ne anftänbig ge^en unb fte^n^ 
t)oIIenbd ftc^ mtmifc^ auSbrüden ju fönnen. @8 biribt 
eben rine Äunft, beren ÄS© gelernt fein mufe. An 
richtigem SBerftfinbnid ber 9{oIIe fehlte ed gett)i| {einem 
unferer Slltborfer, aDed toar üerftanben, aSei^ ftubiert 
mit l^eigem 93emfi^n, aber nid^td t)on bem allen kDoQte 
an bie Oberfl&ci^e treten, nid^ti^ bie fd^n)ere 2)ede t>on 
SBerlegen^it burd^bred^en ^iefeS fd^äd^terne, red^t eigent« 
lid^ öerfd^ämte SBefcn, biefei^ 3n*fic^*§inrinfpielen unb 
S3or«ft^^er«fprec^en ift t)or aQem ein (S^arafterjug ber 
^eutfd^en. ®ie SItborfer 2)ilettanten (mit Ausnahme 
beS SBaffenfd^miebd) fal^n immer auS, ali ob fte fic^ 
fd^ämten, ettoaS anbered als fid^ felbft t)orfteIIen ju foDen. 
Seber fc^ien ftd^ ^eimlid^ jujuffüftern, bag ed fid^ für i^n, 
ben ^Beamten, ben Se^rer, ben Ingenieur, ben Kaufmann 



? «;.♦*' 



.V- ~ 






1^ 



172 



Cb. FfansM. 



nid^t fd^idc, in öffentlicher SScrfammlung fid^ auf ben an* 
mutiflen SSerfü^rcr ober ben bummbreiften ffierl ju [pielen. 
^ie 2)amen üoQenbS, fittfame SBfirgerStdd^ter, bringen eS 
nid^t über fid^, auf ber SBü^ne ^erj^aft lufKg ober (eiben<> 
fd^aftlic^ üerßebt ju fein. 3n mand^en äRomenten fd^einen 
fie fd^on tDiüeni^, auS ftc^ l^rauSjuge^en, toenigfteniK mit 
^albgeflKinnten @egeln einmal aui» il^rem bflrgerlid^en 3d^ 
in bie offene @ee ber 2)ic^tung aui^julaufen, aber fofort 
tDeic^en fie koie $am(et fd^eu t)or bem toirflid^en SBageftüdE. 
3m SSortrage tofetter ober fomifd^er %rien, iDelc^e gleid^* 
jeitig eine begagierte äJJimif verlangen, toirb man junge 
2)i(ettantinnen nod^ jagl^after finben ald im S^ragifd^en; 
fie Verleugnen ba felbft bo8 bigd^en Temperament, bad fie 
befi^n. ®ie meiften Anfängerinnen, toenn fie nid^t avA» 
gefproc^ened @pielta(ent befi^n, mad^en eS in fold^en 
i^äQen, toie bed äBaffenf c^miebS Xdd^terlein ober il^re SJ^u^me 
Srmentraut in Altborf, XDÜä)t beibe tt)fi^renb i^rer Slrien 
ftetS mit fleinen ©(^ritten taftmägig auf unb nieber gingen 
unb ba}U mit ber rechten $anb eine furje, periobifc^ 
toieberte^renbe SBetoegung mad^ten. Stud^ brad^ten eS beibe 
in ber Wümit nid^t über einen unt)er&nber(id^ gteid^ültigen 
®efid^tdau8brudE unb fe^en bod^ ju $aufe getoijs red^t 
frd^Kc^ ober nad^ Umftänben traurig auS. Unfere beutfd^en 
2)ilettanten finb nid^t b(og geniert in il^rer 9toIIe, bad 
©fielen felbft geniert fie. 2)er @üb(finber ift t)on $au8 
au8 frei t)on biefem A(p ber SBerfd^ämt^eit; er jie^t nid^t 
fofort bie (^fll^I^örner ein bei leifefter SBerül^rung mit ber 
£)ffentlid^feit. 3m ©ommer pflegen fleine italienifd^ 
@&ngergefeQfd^aften t)on bier biit fec^S $erfonen über ben 
©ott^rb l^rfiber)ufommen unb ftd^ ju probujieren. SD'Kt 



Sd^wtiitt Znufiferlebniffe. 173 

einer ober jtoet ©uitarren [teilen fte ftc^ im ^auSflur ober 
oor ben Rotels ouf unb fingen Slrien, 2)uette, aud^ ganje 
@cenen ani italienifd^en Opern, o^ne jeglid^en tl^eatralifc^en 
Separat, in il^rem fd^fibig flotten SlUtagdgen^anb. Dbtoo^t 
nid^t auf ber ©cene, »erfcn fie fic^ bod^ fofort in öoHe 
bramatifd^ Stftion, fingen unb fpielen mit jenem offenen 
geuer, mit jener »Disinvoltura«, toetd^e bie natürliche 
SRitgift bed 9tomanen ift. üJHt Slu^nal^me etkoa eineS 
älteren audgefungenen S^enoriften ober einer üerblül^ten 
@opraniftin, n^elc^e mit ben 9teften einer befferen ©efangi^*» 
bilbung bai» lärmenbe Ungeftüm bed SnfembleiS abbämpft, 
befte^t biefeS aui^ lauter jungen ro^en 9laturaliften. @ie 
fte^en an muftfalifd^er unb allgemeiner SBitbung getoig tief 
unter unferen beutfd^en Dilettanten t>on SHtborf unb 
anberdtoo, aber koie ^od^ übertreffen fie biefe in natürlid^er 
Sebenbigfeit unb angeborenem bramatifc^en Xrieb! SBie 
bringt bei il^nen jeber ®ebanfe, jebe Smpfinbung g(eic^ 
finnenfäQig an bie Oberft&c^e, ro^ aber beutlid^! ^bei 
toelc^e (^reube am eigenen frifd^en ftomdbienfpiel, koeld^e 
ItBoHuft ber ^reSfomalerei! $aben biefe fal^renben ©ftnger 
aud SBelfd^Ianb ^inreid^enb bie Suft erfd^üttert unb i^r 
Honorar eingel^eimft, bann üerabfd^ieben fte fic^ mit einer 
grajidfen @d^toenfung bed $uted, mit einer ti)eitau8(abenben 
t)erbinblid^en $anbben)egung, toie fie mand^er beutfd^e 
Opernfänger jeittebenS nid^t erlernt. 

%xo^ aDer feiner SRängel t)er(ieg id^ ben äRufentempet 
im ©emeinbel^aufe ju SKtborf mit bem ®efü^Ie ber ©^mpat^ie 
itnb ^d^tung für bie toadferen ^Bürger, koeld^e t)iele SBoc^en 
lang i^re freien Sbenbe bem ©tubium einer guten beutfc^en 
Oper toibmen. @ie ertt^eitern bamit i^ren ^orijont nad^ 



r 






174 <Ei. f^nslid. 

ungeahnten SEßettgegenben beS ®eifted unb Meten oielen 
t[)rer @c^tneiier SRitbücgei: ben fettenen, trieüeii^t ganj 
neuen ©enug, eine DoUftänbige Oper ju (|6ien. !Da& bie 
Seranftaltec nii^t^c^mufifec, fonbern buid)iDeg ^Dilettanten 
finb, Veipflii^tet natürlidi ben SSefu^er unb DoQenbS ben 
iBerii^terftatter ju fteunblidifter Mac^firfit. 3ur 3Io^fi(%t 
— abei auc^ jum etoigen @tiIIfd|nKigen? ^ glaube 
nit^t; benn eine Cffentlii^e ^robuftion, bie fi(^ in 3^tungen 
unb $(afaten anfünbigt unb ein @tntrittiSgeIb Don piä. 
^anU feftfe^t, barf fi(^ auc^ nii^t ne^iett gegen Cffent* 
lid^ Urteil, tPDiau8gefe|t, bag biefed billig fei, urie bie 
»ttborfer Eßoifteaung [elbft. 




IT. 2(6tei[uii9. 

^Ubnil^e unb Itfi^en. 



Bur 9^^U^ TrtnM fiibn», hubefiinluri r>iiitc Sngnd^tft 

^etbiS fttnblKit. feine SBtlbungSgeft^ii^te unb 
fiü^fte tünftlm{(^e X^tigEeit ruhten fe^r lange unlec 
einem nur feiten unb fteöeniDetfc getflfteten ©i^leiec. 
Ölomentlii^ in 33eutf^lanb unb grontreid) nol|in mon Don 
bem italienift^n 3)taeftro erft fStoti^ alfi ei mit „Ernani", 
,3igoletto" unb „D Trovatore" einen nid|t me^t anju> 
jUKifelnben gläujenben 9!amen fid| gemacht unb tmt fi6er 
Stalien ^inoUS Dcrbceitet ^tte. %vt Sbgef^ieben^ett 
feiner Dom gro^n SBeltDeiEe^r unberührten ^eimat unb 
bie etnfte ©t^weigfamteit be» SKonne« felbft hielten ge« 
meinfam fBaijt t>ox ben [leinen ©e^eimniffen feiner 
Sugenbjeit StUntfi^Kd) mugte aber bo<$ boS Sntereffe an 
ben SInfängen beS berühmten, fdion ergrauenben Xan* 
bic^terd allgemeiner unb bringenber etmac^ QaA 
greunbc unb SanbSleute SBerbiä, ©^iSlanjoni unb 



176 Cb- ^nslttf. 

Satialli, oerfiffeittli^ten juecft einige &tä^ei gatt} un* 
behnnte Suteit auS feiner Sugenb, unb ^rr Krt^ui 
$ougin, ber rü^mlicfi belannte fianjfififc^ 3Ruftf(|iftorifei:, 
brad^te neue beitrüge jur Siograp^ie SSerbiS. 3n neuefter 
3eit ift baS le^rreii^ unb fqmpat^if^ 93u^ ®ino 
SCRonalbiS [)injugefommen «®iufep)K Sßeibi unb feine 
3Berfe"(33eutfi^ »on S.§olt^of, 1898). 3)08 Sntereffontefte 
au8 btefen Mogiati^fi^n ©t^riften büifte aui^ auf bie 
Xeilna^e beutfi^ Scfer rennen. 

©iufeppc aSeibi ift toeber am 9. Oftobet 1814, nad) 
in 99uffeto geboten, uie aQe $anbbü(^ irrtiimtic^ an' 
g^en, fonbent 1813 (atfo im fetben Satire mit SRü^rb 
SBäagner), unb jluat in bem brei 3HeiIen Don öuffeto 
liegenben 3)orfe Woncole, im e^otigen §erjogtum ^nna. 
©eine ISItem (|ielten in biefem etenben !£iorfe ein bc 
fc^bened SirtSEiau'S' ^#n Srttägniä bie Sebüifniffe 
bei ffeinen j^milie nid|t ju be<!en bemux^te. <Sie er* 
nieteten beS^Ib neben biefer .Ofteria" noi^ einen tletnen 
Qaben, iDorin fie S^da, Jhiffee, ^baf, fiiqueui u. bergL 
im S)etail txifauften. 3ebe ÜBodie ging Saito Setbi, ber 
Sater, nat^ IBuffeto, um bie notncnbigen 9Jorrfite einju- 
taufen, mit benen er gu ^a^, bte beiben JlOrbe auf ben 
®d|Ultem tragenb, wiebei fieimfe^rte. 9}on [einer SKutter 
liebeboü erjogen, mar @iufep))e ein brabeS, f(^Q<!^tente2 
unbfolgfameS ftinb, boS niemals geftiaft;u)uerben brauchte, 
ülur loenn ber ^eine ben S^on einer 3)reI|orgel ^Brte, nrar 
er nid)t ju ^ufe ju Iiatten; auger [vii Oor ^ube tief 
n bem jauberifi^en 3Re(Dbien!aften nai^, fo loeit er fonnte. 
Xrte einjige JKn^ in Sloncole befag eine Drgel unb einen 
^oc^bejaEirten £)rganiften. 2)ie Sltem SBeibi«, welt^ bie 



tM 



Derbt. 177 

frfi^e iD?uftf(etbenfci^aft i^reiS ftnaben gemährten, badeten 
haxan, bag er DieHeid^t etned Xage8 ben ^o^ beS alten 
Organiften einnel^men {önnte, unb gaben il^n )u biefem 
in bie Se^re. ©tetc^iettig tt)urbe für ben kleinen ein 
alte8 kDnrmftid^tged @pinett gelauft, baS ftd^ im SBefig 
eines alten @eiftlid^n in 8)uffeto t)orfanb. ffladj brei 
Sauren äRufifunterrid^t koar ®iufe))))e fd^on fo tueit t>ox* 
gefd^ritten, bag er ben Drganiftenbienft in ätoncole t>tt^ 
fe^ fonnte. S)er SBater toünfc^te jebod^, i^nt eine beffere 
Srjie^ung, atd eS in bem Keinen ^orfe möglid^ tuar, ju 
geben, unb fd^idEte il^n nac^ SOuffeto, bantit er eine ©d^ule 
befud^ 3^^ ®^udE too^nte bort ein ^reunb beS alten 
SSerbi, ein brat^er @eifenfteber, mit bem ©^namen $ugnatta, 
tDeld^er gegen eine @ntfd§&bigung t)on 30 SentimeS für ben 
^g ben Steinen in S^oft unb Cuartier aufnahm. äJKt 
aQem Sifer befuc^te biefer bie @d^ule, ftedCte immer in 
feinen ®d§ulaufgaben unb nal^m nur feiten teil an ben 
©fnelen feiner Slameraben. Zro|bem l^atte er feine ^unftionen 
afö Organift nid^t eingefteSt; aQe @onn* unb Vertage 
koanberte er ju ($u| nad^ 9toncoIe, um feinem Stird^enbienft 
nad^jutommen. ©ein (Sinfommen tmx flein, e8 erreid^te 
— bie ^oc^jeiten, laufen unb ©egrfibniffe inbegriffen — 
^dd^ftend ^unbert f^ranfö im Sa^re. ®a}U fam jebod^, 
einem alten @e6raud^ it^folge, ber Srtrag einer 9taturat« 
(Sinfammlung, bie er aDiä^rlid^ jur QÄt ber betreibe* unb 
3Raidemte für ftc^ mad^te. 99ei einem biefer 5Krd^engftnge 
t)on JBuffeto nad^ Sloncole kDäre ber junge Organift balb 
auf eine feltfame Wct umS SkUn gefommen. @8 koar gu 
SBei^nad^ten, SSerbi foDte bie ^rü^meffe fpielen; in ber 
ginftemi» bemerfte er nid^t einen mit SBaffcr gefüllten 

^ a n 9 1 1 (f , ttu9 neuer unb neueftev B^tt. 12 



178 <£b. StansM. 

®rQben unb fie( ^tneitt SBor S&ltt erftarrt, t^ermoc^te 
er tto^ aller Snftrengung ftd^ nid^t ^erauSjuarbeiteit. 
®(fl(fIid^ertDetfe tarn eine 93&uenn bed SBegeS, ^drte fein 
®etoimmer unb lief ^erbei, um i|n and fianb ju jie^en. 
D^ne biefe Pfreic^e ^^ee kD&re ber Shtabe rettungdtod ju 
®runbe gegangen. @S toar nid^t jum erftenmal, bag 
SSerbi bem Xobe entrann. 3m Saläre 1814, beim @in« 
marfd^ ber 9tuffen unb Öfterreic^ in Stauen, famen 
rufftfc^e ©olbaten auc^ in bie ®egenb üon 9{onci)Ie. @ie 
kDüteten in graufamfter SSkife, maffafrierten bie @inn)o^ner 
unb jünbeten bereu Käufer an. ®ie geängftigten grauen 
t)on Sioncole flüchteten in bie SKrd^e, aber aud^ ba^in 
brangen bie 93arbaren unb beftedEten ben gen^eil^ten Ort 
mit bem JBIute il^rer unfc^ulbigen Opfer. 2)ie ä^utter 
SBerbid ^atte bie ®eifte8gegentDart, mit bem ©fiugling an 
ber Sruft, fd^neD eine fd^male Sreppe ju erflettem, auf 
ber fie unbemerft bid auf ben ®IodEenturm getaugte. 
$ier blieb fie t)erftedEt, bis bie ©olbaten abgezogen toaren, 
unb rettete fo i^r unb i|red 5Knbei^ Seben. 

^ad) einem n)O^Ibenfl^ten jtoeij&^rigen Aufenthalte in 
Suffeto fonnte ber Heine Sßerbi lefen, fd^reiben unb red^nen, 
o^ne feine mufifalifc^en @tubien aud^ nur einen AugenblidE 
^mad^Ififftgt ju ^aben. @r erhielt nun eine Keine Sin- 
fteHung bei bem fiiqueurfabrifanten Antonio SBarejii in 
SBuffeto, einem audgejeid^neten 2Stann unb langjährigen 
^reunbe feineS Sßaterd. Serbien Eintritt in biefed ipaud 
tDar ein ®(ädE für i^n unb entfd^ieb über feine ß^^^f^- 
@S tt)urbe i^m einer ber Dier ©tiftungSpIäge Derlie^, 
über tDeld^e bie immune JBuffeto ju ®unften armer 
Jünglinge t)erfügte, bie ftc^ ben Unit)erftt&t8ftubien, ber 



Perbi. 179 

SRuftf ober bcr SWalcrci ttribmcn tooHtcn. Sm Sa^rc 1876 
^at SBcrbi, ate berühmt unb mä) geworbener SRciftcr, fic§ 
fetner SSaterftabt baburc^ ertenntlic^ gejetgt, ba| er einen 
fünften ©tiftungi^pta^ mit jfi^rKd^ taufenb ^ranfd bort 
grünbete. S^arejji toar ein paffionierter unb tüd^tiger 
SKufilbilettant; in feinem §aufe unb unter feinem SSorfi^ 
öerfammelte fid^ regelmfifeig bie ,,$ß^iI]^armonifci^e ©e» 
feUfd^aft" beS @tabtci^en& ©erü^rt t)on bem muftfalifd^en 
Sifer beS jungen SBerbi, geftattete er biefem bie S^enfigung 
feineg 5ßianoforte8, eine» „üorjüglid^en'' SBiener Sn«» 
ftrumenteiS t>on ^ ri ^, auf koeld^em aud^ bie filtefte Sod^ter 
fleißig übte. §ier an biefem glfigcl lernte SBerbi bie junge 
3)?argaret]^e SBarejji lennen, bie fpäter feine ^rau koerben 
foQte. 9tun bot i^m aud§ ber alte Jtomponift unb ftopeU« 
meifter ber „Jß^ill^rmonifd^en ©efcttfc^aft", 5ßroöefi, 
feinen Unterricht an, ein Antrag, ben SSerbi ban!6ar unb 
freubig annahm. SRit raftlofem (Sifer betrieb er feine 
mufüalifd^en ©tubien unter Jßroöefi, ber bem lejä^rigen 
30gling balb geftattete, i^n am ^irigentenpult ber 
$^iIl^armonifc^en ®efellfd^aft ju Vertreten, ^ür biefe ®e^ 
feüfc^aft fontponierte SSerbi eine groge ^nja^I t>on ©tüden ; 
er fopierte fie felbft, fd^rieb bie ©timmen au», ftubierte fie 
bem Drc^efter ein unb birigierte fie im ffionjert. ®Ieid^- 
jeitig mugte er ^oöefi pufig afö Drganift in ber 
ffiat^cbrale fubftituicrcn. ÄUein, too toären in einer Heinen 
©tabt, koie SBuffeto, bie Elemente ber Slnregung unb ^ui^ 
bilbung, bereu ein junger, e^rgeijig aufftrebenber Sfünftler 
bebarf? ©arejji unb 5ßroöefi, bie beiben öfiterlid^en 
®önncr SSerbi«, befd^Ioffen, i^n nad^ SRailanb ju bringen, 
ber gidnjcnben mufifalifd^n SRetropoIe Ober * Stauen». 

12* 



180 ®- Qaitsluf. 

©ein @it))enbtum loitrbe Don bet @tabt Suffeto aui^ 
nol^m^toetfe Don jfi^rltd^ 300 auf 600 ^anU er^^ 
lebod^ nur für jloet Saläre (onfiott ber f^fiemtjterten tner) 
beimlligt ^ bied nod§ inuner ni^t ouSret^tc; beftritt 
Sarejit aud eigener Xafd^ bad S>ringenbfie unb li^ Seiti 
überbied eine @umnie für ben Sufentf|alt unb ben Unternc^ 
in aXailanb. 

ftaum in 9Rai(anb angelangt, eilte %erbi ind 
ftonfertHitorium, um fid^ }ur Sufna^meprufung }U metben. 
3>ireftor beS ftonfertnitoriuntd toar bamald grancedco 
{Bafit^, ein trodener, ftrenger @^ulmeifter, ol^ne fünft« 
lerifd^ f^feuer. @r koar unf&^ig, in S^erbi bad geringfte 
Xalent ju entbeden, unb kDied il^n fatrjtoeg ab ^txx^ 
SJ^angete an ntufifalifd^ ^^igfeiten'! & rxniä> i^n 
xoofil fpater bitter gereut ^aben. 3^^^^^^^ ^^^ ^ 
ntuftfalifd^ ^od^fc^ule, ber anjuge^ören fein @toIi ge« 
loefen n>are, t)ertor S^erbi bod§ feineStoegd ben Ttut. (Sx 
fud^tebenftompofiteur93incenjo Sa t) ig na, einen ehemaligen 
ßögling beS ftonferknitoriumd Don 9Ua!pd, auf, loeld^ 
bamald eine StapeUmeifterftelle im ^£§eater bella ©cala 
t)erfa^. S^üc^tiger unb gefd^icfter äRufifer, toar SaDigna 
obenbrein burd^ einige Dpttn borteil^ft befannt getoorben. 
SSerbi jeigte i^m biefelben Stompofitionen, bie er mit fo 
fibtem Srfolge bem ^rdtor SBafil^ borgelegt ^tte^ unb 
n^urbe fofort unter bie ©dualer Saoignad aufgenommen. 
Z)er fie^rer ^tte ed nid§t ju bereuen, benn SSerbi mad^te 
rapibe ^ortfc^ritte. @r U)urbe rafc^ befannt unb genannt 
in ben 9RaiI&nber mufifalifc^en Streifen, nrie folgenbe 
e^nfobe bartl^ut ©d ejiftierte bamat« eine Dilettanten* 
©efeÜfd^ft, bie ,Societ& filodrammatica' in iKaitanb, 



PerM 181 

bie jleben t^reitag eine groge 9Ruftf»$robuItü)n gab. Sm 
Saufe be8 SBinter» 1831 wollte fie bie „©d^öpfung* bon 
^a^bn aufführen; allein ber 2)irigent, üettoirrt t)on ben 
@^ttnerigfeiten ber Partitur, fant nic^t über bie erften 
groben ^inaud. 3n biefer SBebrängnie äugerte ber mit 
ber Leitung ber S§6re betraute ®efang8profeffor SRafini 
ju ben S)ireftoren, er tDügte einen jungen äßenfd^en, 
9lamend SBerbi, ber tooijjl im ftanbe kDäre, fie auS ber 
SSerlegen^it ju reiben. SJ^an ging auf ben Sßorfd^Iag ein, 
unb SBerbi birigierte ^baS Oratorium nad^bem er brei 
groben abgel^alten, ju allgemeiner 3ufi^i^i>^n^^^ ^^^ ^^'^ 
tounberung. SBelanntlic^ ^atte aud^ 9toffini feinen erften 
größeren @rfoIg ber „©c^dpfung'' t>on ^a\)hn ju banfen, 
bie er afö neunje^nifi^riger Süngling (1811) in ^Bologna 
birigierte. 3^ ^^^f^ 3^^ fomponierte SSerbi eine 3)?enge 
@ati^en, too^on jeboc^ nid^tS veröffentlicht tourbe. @inen 
ber oielen iKfirfd^e, bie SSerbi für bie i,$^t(^armonifd^e 
©efeüfd^aft'' t>on SOuffeto fc^rieb (meift jur (^ronfeid^namS^ 
$ro}effion), benügte er fpfiter atö Srauermarfc^ in ber 
Oper „Nabucco"; anbere ©tüdEe öertoertetc er gleid^falla 
in ben Dpem „Nabucco" unb „I Lombardi**. 

SBir fommen ju einem fonberbaren, bisher unbefannt 
gebliebenen B^^f^i^^f^'''^ ^"^ Sßerbid Sugenbjeit 3m 
So^re 1833 ftarb, ftebiigjd^rig, ber ftapeümeifter ©ioüanni 
^ooefi. ^De biejenigen, toeld^e für bie SuiSbttbung SBerbiS 
t^tig getoefen, Ratten i^n t)on allem Anfang jum 9tad^« 
folger ^robefiS auikrfe^en. Dbn^o^I iBerbi ein ^ö^ered 
3ie( bor 9lugen l^tte, folgte er bod^ fofort bem SBunfd^e 
feiner äBo^It^ater unb eilte bon SJ^ailanb jurüdE nac^ 
Suff eto. 2)ie Ernennung jum S(a|)eIImeifter unb Organiften 



182 €b. EJansItcf. 

l^tns ^^^ ftonfeti bed ftoaestatftifted ah, ha^, gragtentetig 
aud ©etftUti^en beftel^enb, gegen 93erbt als einen ,,profanen 
Äomponiften**, reagierte, ©ein 9iit)ale toar ein mittel* 
m&liger, aber öon jtoei Sifd^öfen toarm empfol^tener 
Drganift, SRamen» gerrari, S)iefer erhielt bie ©teile, unb 
Sßerbi, für ben bie ®emeinbe fo üiele Opfer gefirad^t, fal^ 
fid^ abgetoie[en. Sei biefer 3laä)nä)t geriet bie ^^^iQar* 
monifd^e ©efeUfd^aft* in SBut; unb i^re SKitglieber, bie fo 
üiele Sa^re ^inburd^ bei ber 5Krd^enmufi{ a(8 ©finger unb 
Spieler mitgetoirft, brangen in bie 5Krd§e, toarfcn alleS 
brüber unb brunter unb nal^men aQe il^nen gehörigen 
aRufifaßen fort S)amit brad^ in ber fonft fo cinträd^tigen^ 
frieblid^en ©tabt ein Heiner ©ürgerlrieg ani, ber mehrere 
Sa^re bauerte. S)q8 Sänbd^en teilte ftc^ in SBerbianer 
unb gerrariften; ©rftere ftanben unter ber gü^rung öon 
SSarcäji unb ber ,,5ß^il^armonifd^en ©efeUfd^aft" unb toaren 
üon ber ganjen intelligenten unb red^tfd^affenen 99et)öl!erung 
unterftü^t; le^tere beftanben aud ben ©eiftlic^en unb 
ben „frommen'' ber ©tabt. @d regnete 93eleibigungen, 
Sntriguen, Sßerleumbungen, toelc^e tt)ieber f;a ^rojeffen 
unb Verhaftungen führten; bie ©eiftlic^feit ertoirfte fogar 
ein 3)efret, burd§ »eld^eä ber „5ß^iI^armonifd§en ©efeH*« 
fd^aft** jebe ßwfömmenfunft Verboten »urbe. SBfil^renb 
biefer jahrelang ftc^ fortfc^Ieppenben ß^^ft^fit^^^n ferl^ielt 
93erbi, n^elc^er bod^ ber junäd^ft SBeleibigte toar, ftd^ ru^ig 
unb iurudEgejogen; er arbeitete fleißig unb birigierte ald 
^roüefii^ 9ta(^f olger bie ^robultionen ber ,,$^iI]^rmonifc^en 
©efeüfd^aft', n^etc^e trog aUebem unter SBarejjiS ©d^ug 
fortejiftierte. 

f&axt^x, in beffen $aud Sßerbi bamalS koo^nte, toar 



Vtxbl 183 

SBatcr einer jal^(reid^en gamilte; feilte filtefte %oä)kx, 
SRargaretl^e, seicl^nete ftti^ büxä) ®eift unb @^5nl^eit oui^. 
SSerbi ^ielt bei ©arejji um i^re §anb an; biefcr ertoiberte, 
bo| er niemals einen mittellosen, brauen jungen SJ^ann 
jurucftDeifen tDürbe, ber ein latent beft^t, tDeld^eiS jebem 
®tÜ>\ad t^orjujie^en fei. 2)er tpadere SHte ^atte fid§ 
nid^t getfiufd^t. 3tn Sa^re 1835 tourbe bie ^oc^jeit bed 
bamalS stoeiunb^n^anjigiä^rigen iBerbi gefeiert, unb bie 
ganje ,,$^i(^armonifc^e ©efeDfd^aft" tt)ol^nte bem t)on 
®IüdE unb §eiter!eit ftra^Ienben gefte bei. 3u ©uffeto 
l^atte SSerbi nid^t blog ati Jtomponift unb Ord^efter^^iri« 
gent, fonbern aud^ ali Sßirtuofe geglänjt. @r tuar bamatö 
ein brillanter Älaöierf|neler unb pflegte in jebem Äonjert 
fjtm ober brei JtlaüierftüdEe, meift t)on Rummel ober RalU 
brenner, Dorjutragen. @ein $arabepferb toar jebod^ bie 
^SBü^elm 3;eII"*Duöerture öon gtoffini, bie er fid^ felbft 
arrangiert ^atte. 

Site bie brei Sa^re borüber toaren, fär toeld^e SSerbi 
ftd^ jur Seitung ber ,,5ßl^iI^armonif(^en ©efettfd^aft" üer* 
pflid^tet l^atte, fül^tte Sßerbi, bajs er nid^t länger in ^ffeto 
bleiben fönne mit einem Sa^redge^alte ton brei^unbert 
f^ranfS. (£r t)erlieg feine ^eimat unb fiberfiebette mit 
feiner ^au unb ben il^m geborenen jtoei @5l^nlein nad^ 
äRailanb. 

88on bem ÄugenblidE an fannte SBerbi nur ein 3^^^- 
bie Oper. @r toar t)on einem toal^ren X^eaterb&mon be« 
feffen, unb bie ^olge jeigte, bag er in ber SRid^tung feineiS 
XalenteS fid^ nid^t geirrt l^atte. 3n SJ^ailanb (ernte SSerbi 
einen neunje^niäl^rigen $oeten fennen, ber bereits mit 
einem SBänbd^en ©ebic^te großen Srfolg^ errungen ^atte. 



134 £!>• ^ansUi. 

2I|emiftofIe ©oteta, ftf Ijtefe ber junfle SWc^I«, ftreWc 
fetnecfeitS bamad^, ald Sibrettift ffii boS 2^tn ju toirfen. 
Tte ßeiben junßen Seute fafeten bom erften ?luflen6Iid eine 
leibenfi^attlic^e 3unetgune ju nnanber unb i^ ^$ieunb> 
fdiaft f|at nientale getoanft SRa^bem fte i^e $Ifine unb 
Snfiditen audeetaufc^t, fc^rieb ©oleia ein Cpemtectbudi, 
bai ^eibi fofort (onit>oniecte: „Oberto, conte di San 
Bonifacio*. 3n ttKnigei ali SaEinSfrift toai baS Serf 
^«nbet, einftubiert unb mit grogem @ifo[g (1839) in bei 
iScQla gefleben. Set Sfnipiefario bie(e« Sintert (SReretli) 
lie|| !9}erbi fogtei^ einen Stontiah unteijieic^nen, tDO> 
tin ber iunge 9Kaefiro fi^ Berpffi^tete, noä) btei Dpem 
fflr bie @cala jn (dC|iet6en. Si foQte junfic^ft fein Talent 
füi baiB tomifc^e %aii Verfug, ein %aUnt, baS i^ 
gänjli^ fehlte. 3)en öenwS bafür lieferte feine lomifc^e 
Dpet: „Un giorno di regno", ttwlt^ in ber ©cala ein 
eflatanteS ^a«Eo erlebte, allein unter ineli^n furchtbaren 
<&eelenquaten nxir biedSSerf entftanben! SßerbiS heißgeliebte 
junge ®<ittin inar plb^iä) m einer ®e^imentjfinbung et« 
ftanft unb ftatb noc^ teenigen ^gen. ^ib nxi^nftnmg 
Dot @(^ntecj, mußte Sierbi bennoi^ bie angefangene Par- 
titur öollenben unb jur öeftimmten grift abliefern. Sßieber- 
gebrflcft tjon bem fc^toerften ©d|Iag, in ©i^metj unb Sitirfinen 
fönte er !|eitete SKelobien, lomif^ Wla^xl f(fyiffen! ÜRan 
mar jiemlic^ attgeniein bet SHeinung, ber SÄifeetfofg feinet 
Opera bofifa ^abe Ißetbi DoDftiInbig entmutigt unb ju bem 
(£ntf(^luffe gebto^t, nie »iebet fflt baS Xlieatet ju ft^bcn. 
3n Sa^tEieit mat et als fiünftfer nic^ leitet ju entmutigen; 
cfyxz 3li>eifel |atte i^n nur bet Sc^mei^ um ben ißerluft 
feiner ^au in jene 9bfpannung unb 93erjiagtl|eit geftürgt. 



Perbl 185 

bie i^n bomalS 6t8 jur Steftgnatton auf jebe toettere SBä^nen« 

t^ttQ!ett führte, ©ein S^rgeig fd^ien erlofd^en, feine 

Xräume tion glüdltc^er Su^tu^ft jerftdrt (£r backte nur 

an ein ftiHeS Seben in mßglid^fier SSerborgen^eit 3n 

SBuffeto, bei feinem atten @(i^tt)iegert)ater, tooütt SSerbi 

feine fräl^e befd^eibene ©teQung ali jGitigent niieber 

einnehmen, ^lad) ber Supl^rung feiner jmeiten Oper 

fud^te er Sßerelli auf, um ben jlDifd^en il^nen ^vereinbarten 

ftontraft ju Idfen. Sßar ja ber jGurc^faH üon „ün 

giomo di regno* fo kvoUftänbig getoefen, bag SSerbi an«* 

nel^men !onnte, ber Smprefario iDerbe feinen SBünfd^en auf 

l^albem Sßege entgegen!ommen. @d fam anberS; SßereDi 

^atte ein fo fefieS SSertrauen auf SBerbii^ 3^^^^ftr t>ag er 

i^m fein Sßort burd^aud nic^t jurädEgeben niollte. Umfonft 

t)erfid^rte i^m SBerbi, eS fei nic^t eine flüd^tige fiaune, 

fonbem fein tt)o^(itberIegter (Sntf(^(u| nie me^r eine 

Dp^x }u fd^reiben. Srft nad^ niieberl^oltem S)r&ngen unb 

immer fle^entKd^eren Sditten, SßereQi mfige il^m feine 

^ei§eit ünebergeben, ttviUigte biefer fiktiveren ^erjenS ein. 

^Stun tivo^I", fagte er fd^Iieglid^, ^bie ©ad^e ift abgemad^t, 

id^ entbinbe bic^ beiner SBerpflid^tung. S(ber erinnere bi(^ 

ftetö, ba% ti)enn bu einmal t)on beinem @ntfd^Iuffe jurfid« 

!ommen foQteft, mein X^eater bir immer offen ftel^en tirirb 

unb gegen biefelben SBebingungen ti)ie bid^er/ @ie brüdEten 

ft(^ freunbfd^aftltc^ bie ^nbe, unb SBerbi tverlieg Sßailanb, 

um in bem ftteinleben kvon SBuffeto )u tverfc^ti)inben — tok 

er tivä^nte, für immer. 

SBerbi ^atte in Sßailanb feine Sßdbel tvertauft unb 
nur baS Heine SSiener Stiaüier mitgenommen, bai^ feine 
^rau benu^t unb baS fein ©d^üviegerüater i^m gefd^enft 



Iiatte. 99alb aber füllte er, ba^ baS etntBntge, fleinbüiger» 
licf)e Se6en in fBuffeto einem jungen Jtünftlei nic^t me^ 
genüge, ber ba« Betoegte Seien einer (Srofeftobt (ennen 
iic[etnt fiQtte. Sr entfi^Iofe ftc^ bo^er »iebet jur 5Rüd« 
tefiT nai^ SRattanb, boi^ mit bem ißoifa{|, fti^ bort ani* 
fdilteStit^ bem aWufifuntetric^ ju niibmen. ©egen aRe- 
ic[Ii83uieben, jur Cf>em>Stom))orttion jutfidjufe^ien, blieb 
ei laitnddig taub. ^o<^ befugte et t|äufig hai X^ter 
X!^ Scald. gier traf i^n einefi 9benb8 äHereUi unb bat 
il)n, für einige Slugenblitfe i^m in fein 9ibeit£fabinett ju 
folgen. ,$0ie bie peintitfie @kf^i^te, bie mir eben pafftert", 
[lügte ber Sireftoi. „^ brauchte ein Sibietto für Otto 
^J(icoIai, ber mir bie nä(|fte Dptx fc^reiben foQ, unb be» 
aiiftragte Solera, eS ju Derfaffen. 9ticoIai finbet aBer 
bii$ Sibretto fc^Iec^t, unmufifalifc^, unmöglich, unb tmll 
fi:in SSort meE|i baoon E|ören. ^ ttünfcEK betne 3)teinung 
barübei; rniOft bu mir ben iSefaQen tt|un, boS Sibretto 
initjune^en unb eS aufmerffam ju lefen?* ItSerbt miKtgt 
ein unb mat^t fi(^ ju ^ufe gletdi an bie Seftüre bed 
Acjtbuc^e« — tS ift faa« ju .Nabucco'. ©rgriffen Don 
bir ®TOgartigfeit bed biblif^n Stoffe«, entlädt uon ben 
vüEirenben unb erfdifittemben Situationen, feftt er fxä) wie 
uiiEidnugt ans $iano unb imfmnnfiert, baS Gibretto auf 
bciri $ulte bor ft(^, bis jum äßorgengrauen. ^S er aber 
baS EBudi ju 9RereQi jurüdtrug. ^atte er feine Saltblfltig> 
feit mtebergefunben. @r erfldrte bem SJireHor, ba| er baS 
Libretto felir gut unb fe^r mufilafifd), fiingegen bie SBeige- 
ningSIicoIaiS unbegreiflich ^nbe. SWeretti, roel^ letzterem 
iiiimif^n ba« Sibretto jum „ffierbonnten" („II Proscritto' 
(tegeben, Oerfu^te nun, iSerbi )ur Aompofttion beS «Na- 



Perbt. 187 

bucco" }u ü6errcbcn. S)tcfcr toiebcr^oltc feine SSerftd^erunß, 
nie me^r eine Dp^x fd§rei6en }U tüoUm; üRereQi aber fd^ob 
i^m bad SBud^ in bie ^afc^e unb i^n felbft mit ben SSorten: 
„Slnx 3Rvit ! ©e$ bid^ ^tn unb arbeite!" }ur X^üi l^inaug. 
Otto Sticolai iDar nid^t glädtlii^ mit feinem ^Froscritto*'. 
S)ie D))er (loeld^e aud^ fpdter in SBien, beutf^, afö „^Am^ 
fe§r beS SSerbannten'' toenig @rfoIg gehabt) erlebte in ber 
@€a(a ein entfd^iebeneS ^iaSfo. Einige 9)?onate nad^^er 
melbet SSerbi bem ©ireftor, fein „Nabucco" fei fertig. 
®^ toar jje^t nur bie neue SBerlegen^eit )u fibertoinben, 
bag ber ^enor S)onieQi, urf))rüng(id^ fär ben „^abncco" 
beftimmt, bemn&d^ft }ur ©tagione nai^ SBien abreifen 
mugte. üRereHi riet, bie dloHe bei^ ^^labncco*' für IBariton 
}u arrangieren, unb jtoar für ben als ©änger unb S)ar<' 
f teuer gleid^ ausgezeichneten Sionconl SSerbi fanb bie 
Sbee k)ortreffIid^ unb getoann in ber X^at an dlonconi 
einen unüergleid^Iic^en 9ie))r&fentanten beS nniben Stebu« 
labnejar. 3n ber erften SSorfteQung beS ^Nabucco*" 
(9. aR&rj 1842) }eid^nete ftd^ neben 9ionconi eine junge 
©öngerin in ber SRoQe ber Slbigail aud: ®iufe))))ina 
©tre))))oni 3m SRailönber ftonferüatorium gebübet, 
^atte fte bereits im Sa^re 1835 mit ®(üc! in ^irieft 
bebutiert, fobann an ber italienifd^en Dptx in SBien unb 
in aSen grßgeren ©täbten Italiens gefungen. 3)ie ©trep« 
:poni, meldte \p&Ux nod^ ju bem Srfolge mand^er Serbi« 
fd^n Oper beigetragen l^at, 50g ftc^ ieboc^ balb, in ber 
i^üHe i^r ftraft, k)om ^§eater jurudE unb tt)urbe nad^ 
einigen Sauren — STOabamc SSerbl ©ie ^at fünfeig 
Saläre lang t^reub' unb Seib mit il^rem ®atten reblii^ 
geteilt. 



188 C^' ^cmslxd. 

^Oer gl&n2enbe Srfolg beS ^Nabucco'' |o6 9}erbi in 
bie Steige jener gefeierten SRetfter, iDeld^e (üne S)ontjettt, 
Forint, SD^ercabante) bamalS mit ber ftom^ofttion ber 
«Opera d'obbligo'' ffir bie gro|e ftQrnet>al8«©aifon be« 
auftragt ju iDerben pflegten. aRerelH erfl&rte, inbem er 
i^n um bie nSd^fte neue Oper anfprad^, bag nunmehr 
er, SBerbi, feine SBebingungen )u fteQen fyibt, loeld^ bie 
S)ireftion untoeigerlid^ erfüSen toerbe. SSerbi, iDeber un« 
befd^eiben, nod^ unpraftifd^ , forberte nii^t me§r no^ 
toeniger, ate toai SBellini für feine „Norma" belommen, 
ba8 nmren 6800 ^anfiS. (£r erhielt bie verlangte 
@umme unb mad^te ftc^ an bie Slrbeit. (£8 mar iDieber 
ein Sibretto k)on ©olera: „I Lombardi alla prima 
Crociata*. S)ie Dper errang (1843) feinen geringeren 
Grfolg als «Nabucco*. Sßier Sa^re fpdter 6rad§te SBerbi 
eine mit neuen SRufifftüdEen bereid^erte franjdfifd^e 99e« 
arbeitung biefer Oper, unter bem ^ite( fySerufalem", )ur 
S(ufffi^rung in ber ^arifer ®xo^tn Oper, nio fte |ebo^ 
ebenfokoenig gefiel, iDie in Stauen i^re dlüdfiberfe^ung 
ins Stalienifc^e. SSerbiS SanbSleute geben §eute nod^ 
bem alten «Lombardi* ben SSorjug. S)ie brei großen 
©rfolge t)on »Oberto*, „Nabucco* unb ,1 Lombardi* 
Ratten i^ren Sutor an bie @pi$e ber mufüalifc^en 83e» 
niegung in Staßen gefteQt ^Oer einjige ^mponift, ber 
mit i§m ritxilifieren fonnte, ^onijetti, iDar an ®eift unb 
ftdrper fd^n)er erfranft unb feinem @nbe na^e. SlSe erften 
IBfi^nen Stauend bemühten fic^ nun, eine Oper üon SSerbi 
)u befommen. @r entfc^ieb ftd^ junäd^ft für bie ^ice in 
93enebig unb fi^rieb für fte eines feiner erfolgreid^ften 
SBerfe: .Ernani*". S)ieSmaI iDar fein SD^itarbeiter ber 



Perbi. 189 

$oet $tQt)e, ber baS Sibretto bem betannten S)rQma 
SSictor ^ugoiK nac^gebilbet ^atte. „Emani* gefiel auger^ 
orbentlid^ in Sßenebig (1844). Sßfi^renb ber groben fam 
e£ ju einem 3^ttDfirfnt8 jtoifd^en 9}erbi unb ber ©fingerin 
ber (Stoxxa, ©o))l^ie SfilDe, ber fiteren f^firftin Siecl^ten« 
ftein. S)iefe begaubembe @&ngertn jeigte fid^ fe^r un< 
jufrieben mit ü^rer SRoIIe unb äußerte ftd^ borüber }u 
SSerbid bitterem Serbrug gonj unüer^o^Ien. 9118 ber @r« 
folg k)on «Emani^ jugleid^ ein Xriump^ ffir ®opfjjit 
Sfinie iDurbe, lam fte k)on il^rem 3trtume jurüd unb 
n)oQte SBerbi iDieber begütigen, tiefer ober blieb untrer« 
fd^nlid^ unb k^erlieg SSenebig, o^ne i^r ein freunblid^ed 
9Bort )u fogen. @rft nai^ Sai^r unb ^g lieg er ft(^ 
besänftigen unb beilegen, bie Hauptrolle in feiner Oper 
.Attila" für bie Sdme ju fd^reiben. 

SSerbi §Qtte bai fd^5ne, umfongreid^e Sanbgut ©ant' 
SlgQtQ angefauft $ier beenbigte er bie Partitur feiner 
für hai @an <* Sarlo <> X^eater beftimmten Oper „Luisa 
Miller" {nadj ©d^iUeri^ „ftobale unb Siebe") unb begab 
ftd^ bamit nai^ 9leapeL 3n biefer ©tabt ^atte SBerbid 
^Alzira** im Saläre 1845 eine 9HeberIage erlitten, ©eine 
abergt&ubifd^en i^reunbe in Steapel bel^aupteten fteif unb 
feft, biefei^ SRiggefd^id fei nur ber «Influenza" beS ftom« 
pofiteuri^ (Sapecelatro jujufd^reiben, ber für einen auS« 
gemad^ten „jettatore* galt. SHei^mal n)oIIten nun feine 
Sn^Snger ba8 Sßdglid^fte ober Unmögtid^fte leiften, um 
SBerbi t)ox bem bfifen SBIid be£ Sapecelatro ju fi^ü^en. 
Sl^re gute Slbftc^t brad^te SSerbi in bie !omifd^ften ©itua« 
tionen. Staum ^atte er ftc^ in Steapel einlogiert, als au(^ 
fd^on feine greunbe öor feiner Il^ür im „§ötel be SRuffie'' 



190 C^. ^ansltcf. 

bie Sßai^e bejogen unb etnanber regelm&gig oblfiften, um 
lebe ^Begegnung SSerbtö mit bem Unl^eilbringer ju Der« 
etteln. SBoHte Sctpecelatro in bem ^otel k^orfprei^en, fo 
jmang man i^n unbarml^erjig, ftc^ fort}ufd^eren. S(6er 
in biefer ^auSlDOd^e beftanb lange nic^t ber ganje S)ienft 
Don SBerbii^ unerfi^ütterlid^en ©d^u^geiftetn. ®ing ber 
SD^aefiro au8, [o toar er umringt tion einer fleinen nia^ 
famen ®ru^pe, nietete, entfd^Ioffen, i§n feinen ^ugenblid 
aSein 5U laffen, überaQl^in mitmarf d^ierte , in8 X^eater, 
jum 9{eftaurant, auf bie ^omenabe — alleS, um Sa^ 
celatro ju k)er§inbem, i^rem ©c^ügling naJ^ejufommen 
ober gar i^n )u berühren, ^flr 93erbi tt)urbe biefe 3^^ 
lic^feit oft }ur toal^ren ^^olter, aQein er fonnte ft(^ nic^t 
Reifen unb tDoQte bie ^reunbe ni^t t)er(e$en. S)ie IBe« 
mü^ungen berfe(ben tt)urben au(^ toirfli^ t)om beften @r« 
folg gehont: »Luisa Miller* fanb eine glfinjenbe Auf« 
na^me. 

JBerbi« nfid^fte Dper: „Stiffelio* öermod^te toeber in 
i^rer urfprünglic^en gorm (1850 in Sricft), nod^ in i^rer 
fpäteren Umarbeitung als «Aroldo'' burc^jugreifen. S)efto 
grdger unb allgemeiner toar bie 9Sir!ung ber brei un« 
mittelbar aufeinanberfolgenben D^m: »Bigoletto**, ,11 
Trovatore* unb ,La Trayiata". 68 ift toenig befannt^ 
bag SBerbi in ber $au|)tfad^e aud^ ber Slutor feiner Xe^t« 
bäd^er ifi fftxdjt nur tt)al^(t er immer fetbft baS @u|et 
}u feinen Opoxn, er enttoirft auc^ baS @cenarium unb 
bejeid^net bie Situationen unb bie (Sl^araftere ber $er« 
fönen fo genau, ba| ber Sibrettift nur feinen eingaben }U 
folgen unb bie SSerfe ju liefern l^at. 83eauftragt, ffir bie 
i^ice in SSenebig eine neue Dper ju fd^reiben, erinnerte 



Perbi. 191 

fid^ SSerbt bed Srfolgei^ k)on .Emani' unb toä^Ite nneberum 
einen ©toff k)on 93tctor ^ugo, nämlid^ bad S)T<una .Le 
roi s'amuse". JBerbi gab feinem 3^ejtbid^ter 5ßiQt)c bie 
nötigen Snftruftionen, ber au(^ ba(b baS Sibretto unter 
bem litel: »La Maledizione' (^S>er S^ui^*) ablieferte, 
älllein bie Senfur bereitete bem SSerfe unfSglid^e ^inber^ 
niffe: fie t)erbot fott)ol^I ben ©toff, a(8 aud^ ben (gett)ig 
ganj untierfängHc^en) Xitel. S)ie S)ireftion unb bie ©finger 
ber f^ice toaren in SSerjtoeiflung, benn SSerbi beftanb 
]^artn&({ig auf feinem ©toffe. S)a erf^ien ptfiglid^ ein 
©d^uftengel in ®eftatt eine» — 5ßoIijei*fiommiffäri^! S)iefer 
litterarifd^ gebilbete IBeamte fam eineS XageS ju $iat>e, 
gab i^m einige bie ^anblung nid^t alterierenbe unb bennoi^ 
bebeutungSDoHe |[nberungen an bie ^anb, riet i^m, ben 
»ftdnig" in einen „C^^i^iog Don üJ^antua" ju t)em)anbeln 
unb bai^ ©anje ,9iigo(etto, ber Hofnarr" ju betiteln. 
3)ie8 aQeg gefd^a^, unb SSerbi begann mit fieberhaftem 
@ifer an ber Partitur 5U arbeiten. 3n üierjig Sagen toar 
bie ganje Oper fomponiert unb tourbe am 11. SRärj 1851 
mit augerorbentlid^em IBeifaQ gegeben. Slfö man mit ben 
groben }U „Bigoletto*" beim klierten S(ft angelangt roax, 
bemerfte ber Sienorift SDlirate (ber ^arfteQer beS ^erjogd 
öon STOantua), bafe in feiner SRoHe ein SRufüftüd fc^Ie, 
bad er allein ju fingen ^abe. (£r bat barum. j,@8 l^at 
3eit^, entgegnete il^m SBerbi, „xd) merbe eS bir fc^on 
geben.'' Seben Xag tt)ieber^o(te SRirate biefelbe Sitte, 
leben %aQ erl^iett er biefelbe Slntmort. @nblid^, am Sage 
)7or ber Orc^efterprobe, brad^te SSerbi bem ungebulbig 
br&ngenben ©finger bie berühmte Sanjone: «La donna 
h mobile.* „S)u mufet mir bein ®§rentt)ort geben", fagtc 



198 <£^- £S>n^<<'- 

lEQeibi fetecli^ «tmg bu biefe aRelobie niematö ju ^onfe 
fingen, fie ni^it einmal funonen ober pfeifen Urirft, bog 
bu, mit einem Mort, fte iriemanben ^len Idgt!' SIHntte 
gelobt tS, unb Setbi gellt bem^gt feinet SBege. 3)er 
@rnnb bon Seibis @e^mtE|uetei toar fotgenber: er jfi^Ite 
mit Steigt auf bie eiitfd|Iagenbe Ortung btefer fo leichten 
unb populären SRelobie; aber eben beSl|a(b fün^tete n, 
fie Iflnnte no^ Uoc bec Sufffi^rung in ganj ißenäiig ge< 
ttüDert unb i^m am (^be gar noc^ als ein $Iagtat uor- 
gODorfen merben. fSx tanatt feine Italiener, ©dbft bei 
ber Generalprobe bat SSeriii no^ baS gonge ru>6^t<^ ^'^ 
tnuftjierenbe $eifonaI, ba8 <Stet|etmnüS gu tra^n. <E8 
imirbe betva^rt, unb bie SSJirlung ber alfo beE|üteten äRe- 
lobie mar eine augerorbentlidie. 'S)cS ^ubfttum rafte twr 
93ergnßgen, unb XagS barauf fang man in aQen ©tragen 
„Ia donna & mobile". 2>er Huge äRaeftro ^tte alfo 
nic^ Unret^t gelabt mit feiner Sßorfu^t 

2)afl Xe^tbud) )um „Trovatore" ift oon Sammacono 
nad) bem fpanifd^ Slrama ,£1 Trobador" bearbeitet, 
beffen nebje^njä^er Süerfaffer, @arcia ©uttierej, fü^ 
bon bem Ertrag ber ^ntiimen Dom SRiKtfirbienft lo^ 
gelauft unb gu einem ber fnu^tbarften, beliebleften ^^ter> 
bic^ter @panien8 aufgefc^Uungen (fot. SCm Xage bet 
elften auffli^rung t)on SßerbiS .Trovatore" in 9lom ^tte 
bet Xtbet baS gange ©tabloiettel unb a0e jum 81poQo> 
l^ter fS^renben ©tragen Oberfdimemmt. !£)emungea(|tet 
tDQien am 19. Sfanuar 1853 fi^on 9 U^r morgen« alle 3u>> 
gänge btä X^tetS belagert bon einer unabfe^baren SRenge 
a»enf(5en, »elc^, bis an bie itnöd^I im ffiaffer ftel^nb, 
ben <£in[ag jur SbenboorfteUung ermatteten, üßetbi brauchte 



Perbt. 193 

gekDd^nltd^ nxi^t mel^r ate k)ter üRonate jur Jbm^ofttion 
einer Dper. gaft jugleid^ mit bem »Troyatore* [einrieb er 
bie „Trayiata^ beten Sibretto ^at)e ber «Dame aux 
camdias" Don S)umQi^ nai^gebilbet ^atte. „La Trayiata*, 
o^ne ^roge eine ber gelungenften Sirbetten SBerbiS, erlebte 
bei i^rer erften Sluffül^rung in SSenebig (1853) — ein 
eflatanied ^aStol S)ie ©d^ulb log grögtenteite an ben 
©öngern: 93ioIetta mürbe Don einer enorm biden @&ngerin, 
S)onateIIi, bargefteQt, bie man unmögli^ffir eineSungen« 
Iranfe ^Iten fonnte; ®ra}iano al^ Sllfrebo litt bergeftatt 
am @d^nupfen, bag er faum )u fingen Dermod^te, unb ber 
SBariton SBarefi, koätenb fiber bie na^ feiner 9){einung 
}u untergeorbnete 9toQe be8 alten ®ermont, Derna^Iäffigte 
fie in jeber SEBeife, Dbenbrein fünften bie ©arfteHer fid^ 
geniert burd^ baS moberne @alon!oftäm, in koeld^em ba* 
mafö (bem Original getreu) bie ,,6ame(ien«S)ame'' gef))ielt 
tourbe. (Sin 3a^r \pättt, mit anberen ©ängem unb im 
ftoftflm fiubtt)ig8 XIII., erlebte bie Oper in SSenebig einen 
gtfinjenben unb bid l^eute nad^l^attigen (Srfolg. 

5Rad^ ber „Traviata" fd^ttneg SSerbi öier Sa^re lang. 
(£r arbeitete jum erftenmal an einem für bie ^arifer ®roge 
Oper beftimmten SBer!e: ,,S)ie ficilianif^e SSefper.* 
(£« mar bie ^ftoper fflr bie aBeltauj^fteOung 1855. S)ag 
bei biefer toie bei ber folgenben 5ßarifer Sjpofition (1867) 
fein t^ranjofe, fonbem ein ^uSlänber mit ber Aompofttion 
ber ^SSkItau8fteaungd«>0|)er'' beauftragt toarb, ift feltfam 
genug, älber no^ feltfamer erfc^eint tool^I bie SSa^I beS 
©ujetS: ein Staliener foll für bie ^ranjofen gerabe bie 
^©icilianifc^e SSef^w" bearbeiten unb an bie blutigfte 
ffipifobe ber franj8fifd^*italienifd6en Äriege erinnern! »Les 

^ a n • 1 1 (f , Kttl neuer unb neueflet 3elt 1 B 



194 &' f^nsHcf. 

vepres sicüiennes" {%^t t)Ott©crtbc unb S)ut)c^ricr) tourbcn 
1856 in bei ^Qtifer otogen Op^ mit gutem Srfolg Qt» 
geben. Sn Stauen f^at bte Senfur, mit koeld^er SBerbi ftetiS 
in ^^be lebte, bie „©icilionifi^e SSefper'^ verboten. Sßerbi 
mugte feiner Partitur ein onberei^ Sibretto unterlegen, 
bad ber portugieftfti^en ©efd^id^te im ftebje^nten 3a^r« 
^unbert entnommen tuor unb ben 2^ite( „Giovanna di 
Ouzman* erhielt. 3l^r geringer @rfo(g auf ben italieni« 
fd^en SBul^nen ift }um ^eUe biefem unglücHid^en jtoeiten 
S^e^tbuc^e, jum Xeile ber übermäßigen Sdnge ber Oper 
jujufd^reiben. @o(d^ lange Stauer ge^firt (eiber gu ben 
Qkbr&ui^n ber franjöfifd^en ®ro|en Dptt; bie Italiener 
bequemen ftc^ fd^n>er ba}u. Slud^ ber jlDeiten franjdfifc^en 
Cper SBerbi^: ^Don Carlos **, l^t biefe ermfibenbe Sfinge 
überall empfinbßd^ gefc^abet. Stuf bie ,,®ici(ianifd^e 
SSefper" folgte mit geringer SSirfung „Simon Bocca- 
negra*", bie fünfte für SSenebig gefi^riebene Dper üon 
SBerbi (1857). S)ai^ l^aarftröubenbe, ganj unb gar un» 
üerftänblid^e Sibretto umr Don $iaDe, toeld^em fid^ txoi^ 
bem Serbi }eit(eben8 an^&nglic^ unb großmütig ertoieiS. 
9[fö $iat)e 1876 ftarb, ^atte er fd^tt)erer J(flrperleiben 
n)egen bereits mehrere Sa^re lang nid^ti^ arbeiten ffinnen. 
Um feine frü^ren SHenfte ju belohnen unb i^n t)or 
üRangel ju fd^ügen, tt)arf i^m Serbi eine lebeni^tänglic^e 
diente auS, bie ftetS pünttUc^ audbeja^It tt)urbe. 92id^t 
genug; er ftiftete ein 5!apita( für bie junge ^od^ter 
$iat)ed, toeld^eS i^r famt ben aufgelaufenen Sntereffen am 
Xage i^rer ©roßjä^rigfeit eingel^nbigt tt)urbe. @o fonnte 
paoe, 3>anf ber @rfenntU(^feit SBerbiS, ru^ig fterben. 
SBerbii^ näd^fte Oper: ,11 ballo in maschera'', 



VeM. 195 

iDar ffir Steopel beftimmt unb kourbe berettö im ®an* 

(§.axto^%f)zattt probiert; bie (Senfur t)erbot jebod) bai 

®tM, unb SBerbi ging bamit na6) 9iom. $ier ma^te bie 

päpftlid^e Senfur anfangt biefelben ©d^toierigf eiten , gab 

aber fd^tieglid^ bie Oper unter ber SBebingung frei, bag 

®uftak) m. t)on ©d^koeben in einen „®ouk)erneur t)on 

©ofton" öertoanbelt tourbe. 3n biefer amerifanif^en SBcr«» 

fteibung ift bie Dper — eine ber beften öon SSerbi — 

feitl^er Derblieben unb ein Siepertoirftäc! aller IBül^nen ge« 

toorben. ,11 ballo in maschera'' koar burd^ me^r aU ein 

©ecennium bie lefete Dper, bie SSerbi ffir fein Saterlanb 

fomponierte; bie n&d^ften brei Dpern toaren audtt)&rtigen 

Söhnen beftimmt: ,La forza del destino" für 5ßeter«* 

bürg (1862), „Don Carlos* für 5ßari8 (1867) unb „ Aida* 

ffir ffiairo (1871). fiefttere Dper ift befanntli^ auf 8e* 

fteHung beS S3iie!önig8 bon %Qpten ffir bai^ italienifi^e 

SEl^eater in ftairo gefd^rieben, aber nid^t, toit man fo 

l^äufig lieft, ju beffen ©ntoei^ung, toeld^e fd^on 1869 

ftattgefunben. SBerbi l^atte bom ftl^ebi))e ein Honorar bon 

100000 grancg ffir bie 5ßartitur verlangt unb erl^ielt 

fie; perfönlid^ na^ fiairo ju !ommen, n)ar er ni^t }u 

belegen, ©d^on toierje^n Sage toor ber erftcn Slufffi^rung 

toaren aUe pä^ Vergriffen unb tourben mit ®oIb auf* 

getoogen, fo gro^ »ar bie JReugierbe be« 5ßublifumd in 

Äoiro, ba8 Reifet be« europäif^en, benn l^ö^ft feiten fielet 

man bort einen Surban im Sl^eater. 5E)ie grauen au« 

bem ^arem bed SBigefönigS nel^men bie brei erften Sogen 

im jtociten 3tang ein, ftnb aber nic^t fid^tbar, ba ein 

bid^ter STOuffeßnfd^Ieier fie ben ölidEen ber ^vi\(S)antt Der* 

birgt. 3iad§ ber „ A'ida" fonnte man nic^t onel^r bel^aupten, 

18* 



l%ß &. fymslid. 

^ertit lebe tn boUftfinbtger Stbgefi^Ioffen^t unb Stritt 
gültii^feit gegen jebe ftembe 3Rufil Einige 3a(|ie fiü^ 
mod]teit feine ©egtiet iE|m nat^fagen, ei; ^6e nü^t einmal 
bie '4>aTtttur bon „l&on ^uan" jemad getefen. Se^ tniffen 
tuir aus bei „Mda,", au8 „jOt^eno" unb »So^^ff'' ^<i6 
%erbt ft(^ fogar mit Settioj unb SSagner Dertraut ge< 
mQd)t £|at. 3wi[^n „Äida" unb „DtfjiUo" (1887) liegen 
IS 3a^te; „galftaff" erf(|itn 1893, in SSerbi« 80. 3al)te. 
"ifuf biefe legten Dpetn Sßetbiä ^ier näfjcr einjugelfen, 
liegt ni^t in bem $Ian un[ereg Suffageä. @e^i bemeifenS« 
iDCiri ift aber bas Urteil, bas SBeibiS ^eunb unb 9Jei> 
c^rci* (Sinn äRonatbi Oom nationalen @tanb))unft über 
biefe legte $^afe bei3 ßomponiften abgiebt. „Unleugbar", 
fngt ^DJpnalbi, „ift ein neuer ffierbi a]:^ biefer legten SBe« 
t^ätic|uitg {eines [ünftlerifc^en SßermbgenS ^borgegangen. 
!:Der neue ^erbi ift aber nic^t me^r ber feines fSolteS, 
bae beoi .^nmeifter ber ita[ienif(^en Stebolution" Dom 
„ü^jabucco" bis jum „^ernani", Dom «ätttila" bis jum 
„irLiubabour" unb nom „Sroubabour' bis jum ,aMa8(cn» 
tiaü" folgte. S)iefeS 5BoIt ^at, befiegt unb in entjfirfen 
ueiftUt Don bem ®eifte beS SEomtJoniften, it|n nix^ jubetnb 
bii:' ,^m „Al'da' Derfolgen lönnen. $ier angelangt aber 
mac!)ie eS ^t gfir bie @ef(^c^te bleibt bei 3RufiIer 
bcü „Ct^eHo" unb be« „2fatftaff' grofe, ja gröfeec noi^, 
ali er in ber 9}ergangenf|eit getoefen; aber für bie itBoUS» 
übeilieferung enbet ©infeppe SUerbi mit ber ^äa." . . . 
2)ie ^unft @iufeppe SSeibiS, beS im auSgeftno^ften 
©iiine italienifc^en 3^nmeifterS, beffen fünftleiifc^ ©c 
ft^iciite auf bas innigfte mit ber feines SSateifanbeS 
Aufantmen^ngt unb bei beinahe auxutjig ^re ^tn» 



k 



Berlt03. 197 

burd^ Stalten nur im Stumme fetner jhtnft f^at fortleben 
laffen, btefe jhtnft gehört in i^rer legten ^ugerung nid^t 
nte^r oui^f^Iieglid^ Stauen an. @ie ift, iDie ftetS, baS 
(SxQtbnii bed ®eifted unb ber @m^finbung bed 9Reifter8, 
aber biefer ®eift unb bicfe ®ntpfinbung ftnb einer Änbc» 
rung untertporfen tt)orben infolge einer fodmo^olitifd^en 
©enmlt, beren ffl^ne unb ftünnifd^e Snttoicfelung SBerbi 
ganj rid^tig boraui^fal^ — n)ed^aI6 er ftc^ toie früher an 
i^re ©:pi$e fteHen tooütt, um bie SBen)egung ju leiten unb 
ju regeln." 



I^ettor tißedios« 




iS iunger üRenfd^ ^tte i^ ba« ®lixd, burc^ 
mel^rcre SBod^en täglid^ mit Serlioj gu toerfe^ren — in 
$rag, too er 1846 eine Sieil^e t)on ftongerten gab. t^reunb 
Slmbroi^ unb id^ Ratten buri^ unferen jugenblid^en Sn» 
t^ufia8mug für feine SRufil balb ©erlioj' ©ertraucn gc^ 
n)onnen unb burften eines XageiS uniS too^t bie ^rage 
ertauben, ob er nii^t an bie Sbfaffung bon 9)?emoiren 
bcnfe? Serlioj anttoortetc fofort beja^cnb. (£r toolle feine 
Slutobiogra^l^ie bemnöd^ft in Angriff nel^men; bod^ n)erbe 
fte fo rfldEftc^tSloS tDaffx audfaHen, bag an i^re SSerfiffent* 
lid^ung bei feinen Sebjeiten faum gu benfen fei. IBeibeS 
^at fid§ als toal^r ertt)iefen. SBerltog begann bie Sbfaffung 
feiner „M^moires" fd^on 1848 in Sonbon unb f^Iofe fte 
om 9icuja]^r8tage 1865, alfo tner Sa^re öor feinem 3;obe. 
©rfd^ienen finb fte erft im 3a^re 1870. 



198 &' tjanslid. 

2)tefed SBuc^, eine ber mertoürbtgften Slutobtogrop^teen, 
bte tDtr Befi^en, ^at fett^er burd^ bie Sßeröffentltd^ung t>on 
99er(t02' ftorrefponbenj eine l^öd^fi banfeni^loerte unb tmd^ 
tige 9Sert)oI[ftänbigung erhalten. S)te erfie (üon S)Qnie( 
S8ernarb l^eraudgegebene) SBrieffammlung „Correspondance 
in^dite" enthält 150 ©riefe öon ©erlioj an greunbe unb 
Aunftgenoffen. Si^t folgte 1882 ein SBanb „Lettres intimes 
de Berlioz", 141 an ber ß^^I- S)iefe ftnb fomtlid^ an 
^umbert gerranb in ^arid gerid^tet, iDeld^en &l^. ®ounob 
in feinem SSortoort afö ben ücrtrauteften greunb Serüoj' 
beieic^nei 

SRan fennt ben ftom))oniften ber Oper «t^auft" ald 
einen geiftreii^en 9)?ann, ber bad SSort loie bie ^er 
k)irtuoi^ ^anb^abt. 9[fö lebhafter (Saufeur fann er l^öd^ft 
anregenb, ja bejaubemb fein, bod^ neigt er jur ^l^rafe 
unb biefe nimmt fic^ gefprod^en boc^ tt)eit beffer aui^, ali 
gebrudEt. ®ounob beginnt feine ©orrebe ju ben »JjettFes 
intimes'' mit einem ^^mnud auf SBerKoj unb einem SBann^ 
fluc^ gegen ^S)ie 9)?ajoritdten'', bie fogenannte ©olföftimme, 
n)eld^e ftd^ anmaßt ©otted ©timme ju fein. i,S)ie ®e« 
f^id^te le^rt uni^, bag uberaQ bai^ £id^t Don Snbiüibuen 
auf bie Stenge audftra^tt, nid^t ))on ber 9){enge auf bie 
SnbiDibuen, Dom SBeifen auf bie Untt)iffenben, nii^t Don 
ben Unioiffenben auf ben SSeifen, Don ber @onne auf bie 
^(aneten unb nic^t Don ben $(aneten auf bie @onne. 
R6 quoi! ®Iaubt i^r, bag 36 9Riaionen ©ßnbe ein 
^^eteffop audmad^en unb 36 SRiHionen ©d^afe einen ^irten? 
SBte! 9Sar eS bie 9)?enge, meldte bie 9iap§ael8 unb iTOic^et« 
angeloS gebilbet l^at, bie äT^ojartS unb ©eet^oDen, bie ®a* 
litei unb Ketoton? S)er ®rfoIg bei Seb^eiten ift fe§r ^fiufig 



Serlto}. 199 

nur eine ^^rage ber äßobe; er betuetft, bajs bad äBert auf 
bem 9tü)eQU fetner QAt fte^t, aber fetneStüegd, bajs eS feine 
3eit überbauem tüerbe. SBerlioj tuar, gleid^ 93eet^ot)en, 
eined ber erl^abenen Opfer beS fci^merjlic^en ^tnlegiumd: 
eine 3(udnal^me ju fein. @r §at biefe fd^toere fSttanttootU 
li^feit teuer beja^It/ SSktS ®ounob nad§ biefem oxato^ 
rifd^en ^uertnerf an perfönlid^en (Srinnerungen vorbringt, 
ift fe§r burftig unb bef^rSnft fid§ eigentli^ auf bie TüU 
teilung, bag ®ounob ald neunje^njIS^riger ©d^üler beS 
$arifer Aonferüatoriumd für Serlio; fd^todrmte unb jebe 
®elegenl^eit benfi^te, fid^ in Serlioj' Drd^efterproben ju 
fd^Iei^en. ^ier fül^Ite fi^ ®ounob befonberd t)on einer 
@teQe aud iBerlio}' 9{omeo^®^mp§onie fo bezaubert , bag 
er fte ganj im ©ebdd^tnid bel^iett unb anberen ^agd bem 
erftaunten Aomponiften audn)enbtg Dorfpielen fonnte. @ine 
fe§r rid^tige Semerfung ®ounobd ift, bajs iBerlio}' fo §art 
angefod^tene 5(ompofitionen bod§ eine %&Ut früher un« 
befannter Sffefte unb Ord^efterfombinationen in bie 3Be(t 
gen)orfen l^aben, beren felbft ^od§berü§mte äßeifter fici^ 
fpäter bemöd^tigten. 9uf bem Gebiete ber Snftrumentation 
l§at Serlio} t^atfäd^Iid^ ©d^ule gemalt Serlioj ift, nad^ 
®ounobd Sludfprud^, ,,an ber SSerfpätung feiner $opuIari« 
tat* geftorben. »uf Serlioj' le^te Oper „S)ie 2;roianer* 
anfpielenb, bie für ben Slutor eine OueSe unfäglid^er Snt* 
tftufd^ungen tourbe, f daliegt ®ounob mit bem geiftreid^en 
^mot'*: Serlioj fei, iDie fein l^elbenmfitiger 9tamen8bruber 
$ector, unter ben äRauem t)on Xroia gefallen. 

3)ie ^ublitation ber erkoS§nten jlorrefponben^en fonnte 
ju feinem gfinftigeren ß^itpuntt erfolgen, ald eben je^t, ba 
Serlioj plö^Ii^ eine populäre ®r6ge getoorben ift in 



200 ^^- ^anslid. 

feinem SSaterlanbe. Um ben fo l^g unb üergebtid^ er» 
fel^nten ^nfyax enblid^ bod§ 5U erlangen — fagt ber ^eraui^« 
geber ber „ftorrefponbenj" — ^tte Serltoj blog etoa^ 
fe§r Sinfad^ed 5U tl^un: ju fterben. 3)ad mag für ^anf« 
reid^ rtd^tig fein. 

3n ^eutf^Ianb tuar 93erIio} ali genialer Aomponift 
fd^on gefeiert iDorben 3U einer ^dt, ba man il^n in ^ran^ 
rei^ no^ ignorierte ober üerfpottete. SSieQeid^t ftnbet man 
§eute in ^utfd^Ianb toieberum bie plö^Iid^ für 93erIio} 
auf(obembe 93egeifterung ber ^ranjofen etload übertrieben 
unb geloaltfam. ®Iei^t)ieI, bie eigenartige, mad^tige $er^ 
fönlid^teit biefed 9Ranned übt auf ^utfd^e unb ^ranjofen 
bie g(eid^e Slnjie^ungdfraft, unb überaQ, loo man ftd§ für 
SKufif intereffiert, toerben iSerlioj' je^t jum erftenmal 
and fiid^t gelangenbe Sriefe mit Sntereffe gelefen toerben. 
^ebenfalls finb fte eine toefentlid^e Srgänjung feiner „M^- 
moires^ 3d§ fonnte mir ni^t t)erfagen, biefed 93ud^ |egt 
im 3ufammenl§ang mit ber „Correspondance in^dite'^ unb 
ben ^ttres intimes^' toieber Dorjune^men. STud biefen brei 
einanber ergfinjenben Sudlern, alfo burd^auS eigenen 3Sl\U 
teilungen beS berühmten ^onbid^terd, getoinnen toir ein 
t)oaftänbiged Silb feineS SebenS. 

Sßenn man an iBerlio}' @eIbftbiogra|)]^ie etload be« 
flagen barf, fo ifi ed beren übergroße, gar t)iele fiefer ab« 
fd^redEenbe Sludbe^nung. S8 gehört fd^on ein fel^r leb^afted 
Sntereffe für ben 9utor baju, um fid^ burd^ mel^r ali 
500 ©eiten größten Oftat)formated mit feiner $erfon ju 
befd^dftigen. ®a)u bie bequeme Sreite, mit toeld^er SBerlioj, 
getool^nt an ben 2on ber feuiQetoniftifd^en „Sauferie", 
mand^mal red^t uner^ebtid^e @cenen ober ®efprfid§e toieber« 



Berlios. 201 

gtebt ®ie Se&l^ofttgfett feinet Xem|)eramentö t)erlettet i^n, 
überoQ ju bramatifteren, tuoburd^ feine dtjfiijlnnQ oSer* 
bingS ben dleij ber ^^rifd^e Qttoinnt, aber an ^Itung unb 
©tetiflfeit öerliert @o ift Serlioj j. JB. nid^t im ftanbe, 
fut} )u erjfil^Ien: |,3ci^ ging tro^ toieberl^olter Abmahnungen 
meines ^eunbed nad^ ÜRe^Ian", fonbem er fü^rt bieS 
(@eite 440) ganj, als loenn er ein Sfi§nenftüdE fd^riebe, 
in einem fel^r lebhaften 3)iaIog auS, tt)eld§er bod^ nid^tS 
anbereS ent^dlt, ald bad fortiod^renb tuieber^olte: „@(e^' 
nid^t!" bed greunbeS unb iBerlioj' ftereot^p barauf ein« 
fd^Iagenbed: ^Sd^ ge^e bod^!" @ine launige 5tont)er[ation 
Serlioj* mit bem alten X^ürftel^er beS AonferDatoriumS 
ffiQt baS ganje 23. Stapitet! 

^ai aßerflDürbigfte in Serlioj^ S9iogra|)l^ie ift o^ne 
ßtpeifel feine Sugenbjeit ^ector Serlio), geboren am 
11. S^ejember 1803 in @öte:>@aint«S(nbr^, einem @töbtd)m 
)i9ifd§en S^on unb ®renobIe, ift ber @o^n eineS Derbienft^ 
DoQen, gead^teten Ar^teS bafelbfi 9Ran erjiel^t i^n natfir« 
Iid§ im fatl^oUfd^en ®Iauben, i,einer reijenben 9{eIigion, 
feitbem fie niemanben me^r berbrennt." @ie ma^te ganje 
fteben Sa^re lang feine größte @eligteit auS; fpfiter l^t 
er fid^ mit i^r fibenoorfen. ^tord JBater UKir ein fel^r auf« 
gefl&rter äRann, ber nid^tsbeftoioeniger feiner bigotten ^^tau 
fdrmlid^ üerfprod^en ^atte, ben @ol^n niemals oom ftrengen 
@Iauben abtoenbig ju mad^en. (Sr lieg i^n fogar mand§« 
mal ben Aated^iSmuS auffagen — ,,eine ©etoiffenl^aftig» 
feit", }u toelc^er fid^ fpfiter ^ctor feinem eigenen @o^ne 
gegenüber für unf&l^g erfl&rt ^ctorS 93ater unterrichtete 
ii^n mit größter ©orgfalt felbfi unb auSfd^Iieglid^, fonnte 
i^m aber niemals @(efd^madE an ben flaffifc^en @tubien 



202 €b. ^ttitsHrf, 

betBringen. hingegen fd^todrmte ber Sunge für Sanbfarten 
unb 9iei[ebefd§rei6ungen, toelti^e [einer ^^antafie ein un« 
ermejsli^ed ^(b eröffneten. @r toar jtDöIf Sa^re alt, aU 
er gleid^ieitig bie jtoei großen $Qfftonen feines Sebend 
fennen lernte: bie 9Jiufif unb bie fiiebc» ©egenftanb ber 
legteren toar ein fd^Bned ad^tjeJ^nj&^rigeiS Tt&bäftn, bad 
^ector auf bem fianbft^e feinet Onfeld, äJ^e^Ian an ber 
fak)0^if(i§en ©renje, fennen lernte. SfteQa (fd^on ber %ame 
entjädte il^n) fiottt natürlid^ nur ein mitteibigeS S&äfdn 
für bie §eftige Seibenfd^aft beS Knaben, ber feinerfeitd 
biefeg Sugenbibeal niemals öergeffen l^at. SRit ergreifenbcr 
Sßa§r§eit fd^ilbert er bie Dualen biefer (eibenfd^aftlid^en 

erften Siebe. 3n biefelbe 3^* P^^^" f^^"^ ^f*^^ ^"* 
bel^olfenen SSerfuc^e in ber ftompofttion. Sttoad frü^r 
^atte er unter Anleitung feined S^aterS bad ^Iageo(et 
unb bie glöte fpielen gelernt, hierauf aud^ bie ®uitarre. 
^ieS tt)aren bie brei erften Snftrumente, burc^ toeld^e 
iSerlioj in bie 3J?ufif eingeführt würbe, unb bie brei ein* 
jigen, bie er in feinem Seben fpielen gelernt! ©emijs ber 
feltfamfte 9lnfang unb bad bürftigfte 3Rateria( gerabe für 
ben 3J?eifter ber großen Snftrumentaleffefte unb Drd^efter* 
fombinationen! iBerlio^ freut fid^ fibrigend, bag fein Spater 
i§n nid^t im KlaDierfpiel unterrichten lieg: „^äf lodre 
fonft n)a§rfc^ein(id^ ein gefürd^teter ^ianift gen^orben, toie 
Dierjigtaufenb anbere." ©eine erften Kompofitiondüerfud^e 
trugen, unter bem (Sinfluffe ber ung(üdEIid§en Siebe t)on 
Wlttjlian, ben @tem)>e( tieffter SReland^oIie; SBerlioj l^at 
fte f&mtlic^ Demic^tet, nur bie fdCjtpermüttge ÜJ^elobie ju 
einer SRomanje aud „SfteUa" (!) tjon gtorian, rettete er 
fpfiter in ben erften @ag feiner ^^^^antaftifd^en @Qm* 



Berlios- 203 

Päonie" (1829) unDerfinbert hinüber, ^ie S3tograt)^ieett 
groger jtompontften, indbefonbere ®ivid^ unb ^a^bnd, 
bilbeten nun bie Siebling^Ieftfire bed jungen 93erIio), ber 
ben 93eruf beS Sonbtd^terd ai& bad l^öci^fte benfbore ®IM 
tr&umte. ©ein 9Sater toat anberer ^nftc^t unb entfd^Ioffen, 
aui ^ctor einen 3Rebtjtner ju mad^en. 

Um tl^n für bte mebijinifd^en ©tubten üorjubereiten, 
begann ber SSater bad rieftge ^anbbud^ ber Ofteologie 
ton ÜRunjO mit i^m burd^june^men. ^ector empfanb ben 
gröjsten SBibertoiHen bagegen, unb nur bad SSerfpre^en, 
man nerbe ifyax eine tDerttooQe ^^öte mit allen neuartigen 
Stlappen aud 2qon fommen laffen, ermutigte il^n, biefen 
äBibertDiUen t)orIfiuftg noci^ ju beffimpfen. 9Rit neunje^n 
Sauren t)erlieg er f^toeren iperjenS baS 9Saterl^au8, um in 
$arid bie mebijinifd^e @d§u(e ju bejud^en. S)er erfte Sin« 
blid ber ^erftfidelten fieid^en im ©ejierfaale erfüQte i§n 
mit fold^em ©raufen, bag er jum offenen ^nfter l^inaud* 
fprang unb lief, fott>eit il^n feine ^üge trugen, ©ein 
JtoSege unb @tubengenoffe 9tobert erfc^öpfte feine 93ereb« 
famleit, um 93erIioj balb nad^l^er ju einem jtoeiten iBe« 
fu^e beS anatomifd^en @aa(ed 5U betoegen. Unb feltfamer^» 
loeife lieg i§n ber gefürd^tete SlnblidE biedmal unerfd^fittert, 
er empfanb nic^td toeiter aU falten Sfel. ®ie mebijinifd^en 
©tubien tpurben fortgefegt, unb Serlioj getoöl^nte fid^ bt^ 
reitd an ben ©ebanfen, bie groge S^^^^ gemeinfd^blid^er 
ärjte nod^ um einen UnglüdKid^en ju Dermel^ren, — als 
' ein STbenb in ber ©rogen Dper feinen @(ebanten eine neue 
SBenbung gab. 9Ran fpielte „S)ie !£)anaiben'' Don ©alieri; 
ed nmr bie erfte Oper, n^eld^e iBerlio} §6rte. ®ie ent« 
jüdEenbe, berauf c^enbe SBirfung, toelc^e auf ben jungen 



204 €b. ^anslid. 

Wann einbrang, [tetgerte ftd^ mit jebem iBefud^e beS 
Dpeml^aufed unb erreid^te i§ren ®i|)fel bei ber Stuf* 
ffi^rung t)on ®Iu(id „Sp^igenie in XauriS''. Unter bem 
@inbru(i biefer S^orfteQung t^at SerKoj nod^ auf ber 
©d^iDeHe beS Opeml^aufeS ben ©d^tour, tro^ SSater unb 
97httter, Dnfel unb Tanten, nid^tS anbereiS ju toerben, 
ate SRuftfer. ®r öerfdEiaffte fid§ 3"*^** h^ ^^^ greifen 
Sefueur, bem berül^mtcn Äomponiften ber ,,Sarben*, 
toeld^er i^n unter feine @d^uler aufnahm unb ftetS mit 
aufrid^tigem SBol^ItPoQen be^anbelte. ^ie 9(ufffi^rung einer 
3Reffe, auf tpeld^e SSerlioj groge Hoffnungen gefegt, fd^ei« 
terte an einer $robe, toeld^e infolge fe^Ier^oft audgefd^rie« 
bener Stimmen einem @^arik)Qri gtid^. Serlioj mad^te ftd^ 
fofort an eine Umarbeitung ber SReffe unb tiertoenbete brei 
ÜRonate angeftrengter Strbeit auf bie eigen^&nbige ßopiatur 
aQer 3luf(agftimmen. ^od^ fel^Iten i^m DoUftfinbtg bie 
äRittel, eine neue ^uffül^rung ju bejahten, ©eine 93itte 
an Sl^ateaubrianb um ein ^arle^n üon jtPÖlf^unbert 
tJranfen tourbe mit einigen l^öflid^en ßciten abgelehnt. 3)er 
SSerjtoeiflung na^e, erhielt iBerlio} unertoartet ^ilfe Don 
einem cnt^ufiaftifd^en (fpäter im äujserften SIenbe öer* 
fiorbenen) ^nftfreunbe iRamend be ^onS. 3)iefer Iiel§ 
bie nötigen jtoölf^unbert granlen, unb bie ÜReffe tourbe 
mit öorjfiglid^en Jhräf ten in ber Äird^e @t. SRod^ aufgeführt. 
Snjn^ifd^en toar bie ©pannung jn^ifd^en SBerlioj unb feinen 
SItem aufd äu^erfte gebieten; ber SBater erflärte, ben ab« 
trfinnigen @o^n nid^t mel^r unterftügen ju tooQen. Um 
ben legten SBerfu^ }u toagen, eilte SBerlio} ind t>fiterlid^e 
^auS iuxü± @r fanb eine eiftge Slufnal^me. 3)er SSater 
erflSrte, $ector muffe ber äRufif entfagen unb bürfe nid^t 



Berltos. 205 

me^r nad) $Qnd ^urädE. Serltoj t)erfiel barüber in eine 
an ©tumpffinn grenjenbe bumpfe S^erjtpeiflung; er be« 
rfil^rte feine ©peife, fprad^ mit niemanbem unb brachte 
bie Sage entoeber eingefd^bffen auf feinem 3^^^^ ^^^^ 
in Sßälbern um^erirrenb ju. S)iefer Slnblic! ängftigte benn 
bod^ enblid^ ben SSater unb milberte feinen ©tarrfinn. 
$ector bärfe tuieber nad^ $arid unb ju feinen äRufif«* 
ftubien jurfid, aber nur probetpeife, für einige 3^^^! f^Q^ 
er ba feine fünfilerifd^en Srfolge, feine SInerfennung feinet 
^lenteS ju erringen Dermöd^te, muffe er untpeigerftd^ eine 
anbere fiaufbal^n einfc^Iagen. ^iefe (Sntfc^eibung foQte, 
ber ftrengen äJ'httter toegen, ©el^eimniS bleiben. 3n feinem 
^erjendjubel tiermod^te aber ipector nid^t ju fd^toeigen; er 
t)ertraute baS ®e§eimniS ber ©^tuefter an, unb biefe k)er- 
riet ed an bie ÜRutter. Se^tere, üon religiöfen ^Vorurteilen 
DoSftänbig befangen, ^ie(t i^ren @o^n auf Srben entel^rt 
unb jenfeitS üerbammt, toenn er fid§ einer mit bem 
Xl^eater fo eng Derbunbenen ßunft toibme. iRad^bem fie 
i^re ^ro^ungen mod^tlod abprallen fte^t, toirft fie ft^ 
Dor i§rem @ol§ne auf bie Shtie unb befd^loört il^n, ber 
SJhiftf ju entfagen. @r fud^t fie ju befc^toic^tigen. 3>a 
fpringt bie alte grau auf, i^m jurufenb: „@o jiel^e §in! 
^te§re beinen ißamen, töte mid^ unb beinen SBater burd^ 
ftummer unb ©d^anbe! 3c^ t)er(affe bad |)aud! S)u bift 
mein ©o§n nid^t mel^r; id^ flud^e bir! " S)amit öerfd^tpanb 
fie unb flud^tete fidC) in ein entfernte^ Sanb^aud. 3lld nn^ 
mittelbar k)or ber Trennung jpector mit feinem Spater fid^ 
ba§in begab, um ein fiebett>o§I t)on i^r ju erbitten, lief fie 
babon, fobalb fie bie beiben erblidEte. 

99erlü)2 l^at biefe entfe^Iid^e, unglaubli^e ©cene nie« 



206 ^^' QansHcf. 

mali t)ergeffen; t^r fd^retbt er jumeift ben ^ag ju, ber 
i^n fet%r gegen allen religiösen ^natiSmuS unb frommen 
Unöcrftanb erffittte. 

9laci^ $artd jurfidgetel^rt, na^m Serltoj fofort feine 
@tubien bei fiefueur toieber auf unb ttxir t>ox aSem be» 
mufft, feine @cf)ulb an be $ond fo fd^neU ald möglid^ }u 
tilgen. @r erhielt Don ^aufe nun ein ÜRonatögetb üon 
l^unbertunbjtpaniig granfen; baju fam ber befd^eibene Sr« 
trag einiger f^öten^ unb ®uitarreIe!tionen. Xro^em ge« 
lang eS iBerlio}, inbem er ftd§ bie größten perfönltd^n 
Entbehrungen auflegte, nad^ einigen äRonaten feci^iS^unbert 
^raufen 5U erfparen unb bamit bie ^Ifte feiner @d^ulb 
abjugal^Ien. S3 ift eine« ber rül^renbften unb für ©erlioj* 
S^araf ter el^rent)oIIfien SBelennfniffe, bag er, um jene ©d^ulb 
bejahten ju fönnen, eine toinjige Aammer im fünften ©tod« 
n^erle mietete unb, anftatt tok frül^er im 9{eftaurant ju 
fpeifen, fic^ monatelang Don Srot, Sßeintrauben unb 
Pflaumen nfil^rte. ^iefe 3){al^Ijeiten, ju bem greife Don 
l^öd^ftend fed^d bid ad^t @oud, Derje^rte er auf bem $ont« 
ncuff h^ Si^js^n ber ©tatue ^einrid^S be« Stierten. ®e $on«, 
Don biefen Sntbel^rungen feine« ^reunbe« unterrid^tet unb 
felbft in ®eIbDerIegen^eit, l^atte ben unglüdEIid^en (SinfaH, 
fidC) um bie SBejal^Iung ber jtoeiten ^Ifte feine« ^arlel^n« 
bire!t an $ector« 93ater ju toenben. tiefer ©d^ritt tourbe 
Der^ängni«DoQ. SSater iBerlioj fenbete itoar fofort Ue ge« 
tofinfd^ten fed^«l^unbert ^^ranfen an be $on«, erflörte aber, 
feinen ©ol^n nic^t koeiter ju unterftü^en, faQ« biefer nid^t 
unDerjüglid^ bie ftünftlerlaufba§n Derlaffe, ©er alte $err 
füllte Ifingft 9{eue über feine ißad^giebigfeit; fein @o§n 
^tte nun fünf iDtonate in $ari« jugebrad^t, ol^ne eine 



Berltos. 207 

©teHung ju erlangen, einen Srfolg ju erringen; anftatt 
ein beräumter ^omponift, toar er in ben 9(ugen beS 
SSaterd nid^tö gen^orben, ald ein (eid^tftnniger ©d^ulben« 
ma^er unb un^raftifci^er ^^antaft. ^ctor liejs ober nid^t 
mel^r ab t>on feinem Sebendibeal; er blieb in $ariS, ent^ 
fd^Ioffen, fid^ mit ^ilfe einiger Seftionen nnb groger 
©parfamteit allein fortjul^elfen. 9}2it ^uereifer tompo« 
nierte er eine grofee Dper: „Les Francs-juges" (3)ie 93e^m« 
rid^ter), unb eine ^eroifd^e Aantate auf ein @ujet beS 
gried^ifd^en ^rei^töfantpfed, loeld^er bamald aOe ®emfiter 
erregte. Wiz 93emfil^ungen bed jungen ^omponiften um 
eine 9(uffä§rung feiner 9ßer!e fd^eiterten t)oIIfi&nbig. ^er 
Sßinter fam. SBerlioj fonnte fein lufuDifd^eS SRal^I nid^t 
me^r im freien einnehmen, er brandete ^oli, Si^t, 
n^ärmere Ateiber. ©eine Seitionen, ju einem ^^ranf bie 
@tunbe, l^atten beinahe fämtlid^ aufgel^ört (Sr §at nur 
bie Sßal^I, bemfitig jum Spater jurudEiufe^ren ober JpungerS 
3U fterben. ®a giebt bie unbejä^mbare Seibenfd^aft ffir 
bie aßuftf i^m neue jtraft. Serlio} lägt ft^ ald S^orift 
im Th^ätre des Nouveaut^ engagieren, einer f leinen 
93fil^ne, toel^e ®aubet)iDed unb (eid^te fomifd^e Opern 
gab. SSrog feiner nur mittelmäßigen iBaritonftimme fiegt 
8erIio) burd§ feine mufifalif^e ©id^erl^eit bei ber 9[uf» 
na§meprobe aber feine fünf äßitbetoerber: einen Seintoeber, 
einen ^uffd^mieb, einen inüaßben ©d^aufpieler unb einen 
^rd^enfänger t)on ®aint (Sufiad^e. ©ein ^enfi begann 
unüer^figlid^ unb tourbe mit einer äRonati^gage Don fünfjig 
granfen entlol^nt. @d gelang SBerlioj, ber feinen SItern 
biefen größten (Sd^merj erfparen n^oHte, feinen neuen 
Xl^eaterbienft k)oIIftänbig geheim ju galten. ®ie erfuhren 



208 ^^* Qansitcf. 

üon biefer SJ^oriften^Starrtere i^red @o^ned erft fieben bis 
aci^t Sa^re naci^ beten Slbfd^Iug, unb jtDar burd^ Sour^ 
naU, toeld^e juerft btogra|)^ifd^e ißottjen über il^n toer« 
öffentliti^teit. 

iBerlio}, ber tnjtDifd^en bei Sleid^a ftonttctpunft ftu« 
biert ^atte, melbete ftd^ ju bem ftompofitionSoStonfurS am 
^onfert)atortum; feine Kantate ^rDrp^eujS" tourbe nati^ 
einer oberfläd^Iid^en ^fifung für ,,unaudfül^rbar'' erü&rt. 
9lQd^ fo t)telen ©d^idfaldfd^Ifigen fiel SBerlio} in eine ge« 
fdl^rlid^e 5h:anfl^eit ^a erfd^eint glüdEIid^ertueife fein Sßater, 
ben fo Diel ^ftigfeit unb @mft bod§ enblid^ befiegen 
mod^ten, unb getuöl^rte ^ector bie fräl^ere Unterfifi|ung 
loieber. 9tun tonnte er feinen (£§orifienbienft aufgeben, 
loeld^er, abgefe^n t)on ber p^^fifd^en ^nftrengung, ben 
jungen ^omponiften oerrfidft ju mad^en brol^te. „Shtr ein 
UKi^r^after äJ^uftfer", ruft er aM, „ber jugleid^ unfere 
franjBftfd^en Keinen Sühnen fennt, bermag ju begreifen, 
toai iä) bei bem Sernen unb SuSfü^ren biefer bummen 
SRufifen gelitten l^abe!" 

3n bem erfien furjen SBriefe ber „Correspondance 
in^dite" trögt ber junge Serliog bem SKufüöerleger Sgnaj 
Pe^et in ^ariS einige fonjertante Potpourris Aber italie« 
nifdCje Opemmelobien an. Sefanntlid^ l^at aud^ SKd^rb 
SBagner, gleid^ SBerlio; ein eingefteifd^ter ®egner aQer 
Unter^altungSmufif unb ^nb ber Italiener, d^nlic^ 
SlrrangementS für ^arifer ^Jerleger geliefert, um baS 
fieben ju friften. Sßarum lounbert eS unS Diel toeniger, 
toenn loir ^a^bn unb äRojart fleinlid^e fiol^narbeit tKt* 
rid^ten fe^en, ald toenn SBerlioj unb SBagner bieS t^un? 
SBeil loir jene ali bie unit^erfeQften unb jugleidC) anfprud^ 



BerKoj. 209 

lofeften aQer Stünftler fennen, benen nxäfti SRenfd^Iid^ unb 
nid^tö SRuftfalifc^ fremb getoefen. iKit il^nen t)erglic^en, 
erfd^ebteit Sßagner unb SSerttoj einfeittg in intern SbealU^« 
vxM, unbulbfam, ftolj. 

8erlü)j l^atte fein S^oriftenjod^ glücflid^ abgefd^üttelt 
unb iDibmete fid^ nun mit ganjer Straft bem @tubium ju« 
ndd^fi ber bramatifd^en SRufif. ®er 9RQnn [einer grBjsten, 
ja fd^ranfenlofen 93ett>unberung ift ®Iud; fein leibenfc^aft:» 
lic^fter $ag gehört Sloffini unb ben Slofftniften. 8ei SBor- 
fteQungen ®IudEfd^er Dpern fungierte Serlioj im parterre 
gerabeju ali S§ef einer ^anbDoS ®Iudt«@nt^ufiaften unb 
fold^r, bie er baju mad^en tooSte. 3n ben Qan\ä)znatttn 
erfidrte er i^nen bie @d§ön^eiten bed Xe^tbud^ed unb ber 
Partitur, unb toe^e bem @dnger ober Ord§efter*®irigenten, 
ber fic^ bie geringfte änberung erlaubte. „SBo bleiben bie 
^ofaunen? $ier fte^en feine Seden! Sßer unterfie^t fid^, 
<9(udE 5u forrigieren?'' fo fd^rie ber junge Sntl^uftaft ganj 
laut kDä^renb ber IBorfieHung unb erlebte meiftenS bie 
©atiSfaftion, bag ber Dirigent, auS ^urd^t t)or ber 
SBieber^oIung fold^er ©fanbate, bie gerügten Unrid^tig« 
!eiten t)er6efferte. ißeue, ungeahnte Sbeale erfd^Ioffen fid^ 
nun in rafd^er Slufeinanberfolge bem jungen Serlioj: er 
ftieg jum erften SRale auf (S. 9R. SBeber, 93eet]^ot)en unb 
©l^alefpeare. 2)er „tSrA^^fUj* entjüdfte il^n tro$ ber 
belannten SSerftfimmelung, toeld^e Saftil^SIaje, «biefer 
mufüalifd^e Xierarit", fid^ bamit erlaubt l^atte. „@ei 
t)erf[ud§t! Serjtoeifle unb ftirb!" ruft JBerlioj jebem ,,5Ber* 
befferer" eine« äReiftenoerfed ju. ®egen aRojart ffi§It 
Serlio) jeitlebend eine gemiffe SSoreingenommen^eit, koeld^ 
er ^auptfdd^Iid^ barauf jurudCffil^rt, bag er ^^on Suan" 

^anilid, aal neuer unb neueflei 3ett. 14 



210 C^. Qatisitcf. 

unb fft^igaro* in ^axxi nur in ber il^m t)er^agten italie«: 
nijd^en Dper Don Staltenern aufführen gel^ört Sbigerbem 
fann er feinen Slbf^eu t)or ber ^otoraturfteQe im SUIegro 
ber ©rief * Sttrie ©onna SlnnaS niemafe öertoinbcn; für 
biefen oQerbingS nic^t erfreulid^en ®onnen^ec! in ber 
^on 3uan=»$artitur finbet 93erIio} baS @pit^eton ^\^&ni^ 
üä)" nod^ ju ntilbe. 

@ine englifd^e ©(^aufpielertru^ipe, toeld^e im Db^on» 
Später gaftiert, ffl^rt nun eine ber beioegteften unb folgen« 
reid^ften ^erioben in Sertioj' fieben l^erbei @r fie^t jum 
erften äßale ein @^fefpearefc^ed SSrauerfpiel (^amlet) 
mit 9Rig @mit§fon aU Ophelia. ©leid^jeitig mit bem 
übemjältigenben SinbrudEe bed ©l^afefpearefc^en 3)rQmad 
trifft i^n bli^artig eine rafenbe fieibenfc^aft für bie f^öne 
©d^aufpielerin. SBer biefe $a|)itel ni^t bei Serlioj felbft 
in ben SDZemoiren ober in ben ^Briefen an ^erbinanb 
J^iKer nad^Iieft, fann fid^ !aum eine SSorfteQung mad^en 
t)on ber unbänbigen, t)ulfanifc^en 92atur feines ©emüteS. 
9{u^ige fiefer burften too^I barin übereinftimmen, bag ftd^ 
93erIioj mie ein ißarr benommen ffat @r oerliert t)on<« 
ftanbig Mn @d§Iaf, bie Seb^aftigfeit beS ©eifted, jebei^ 
Sntereffe für feine Sieblingi^ftubien, |ebe ÜJ^öglid^feit ju 
arbeiten''. Srfd^öpft oon tagelangem jiellofen Um^rirren 
in ben ©tragen unb Umgebungen k)on $arid, fd^Ifift er 
einmal im ©d^nee am Ufer ber gefrorenen ©eine, ein 
jtoeited Wtal auf freiem ^Ibe, ein britted äKal auf einem 
S^ifd^e in einem 93ouIek)arb « ^affee^auf e. iRad^ jener 
^amlet « SSorfteQung ^atte fic^ SBerlio} fefi vorgenommen, 
fid^ niemals toieber einer ä^nlid^en (Srf^utterung auS« 
jufe^n. 2)od§ fann er ber Stnjeige k)on ,,9lomeo unb 



• BerIio3. 211 

3ulia'' nid^t toibcrftcl^en. S)ic SSäirfung ip furd^tbar, 
SSom brttten Slft an öermag er — bcr übrigen^ fein 
SBott cnglifd^ öcrfte^t — faum me^r ju atmen, eine eifernc 
gauft preßt fein §crj jufammen, er fagt ftd^ auS innerfter 
Überjeugung: ^3egt bin id^ Verloren/ 93on ben ©l^afefpeare« 
SJorfteHungen ^ält er ftd^ mit einer S(rt ^beSangft fem, 
hod) grübelt er unablaffig, toie er bie SInfmerffamfeit 
9RiJ3 ©mitl^fonS erregen !6nnte, tpeld^ er bod^ niemals 
in bie 9täl^e ju fommen toagt. @d gelingt i§m, mit einer 
ffionjert * ?luff ü^rung mehrerer feiner Äompofitionen auf- 
feilen JU erregen — nur fie aQein l^at nie bat)on reben 
gel^ört (£r fd^reibt tpieber§oIt an fie, o§ne jemals eine 
3eile Don i^r ju er^Iten; enbli^ Verbietet fie il^rer 
itammerfrau, Sriefe Don biefem fd^redEIid^en äRenfd^en an« 
iunel^men. Unter bem SinbrudEe biefer Derje^renben Seiben« 
fd^aft lom^jonierte Serlioj feine „Symphonie fiantastique", 
bie (in fp&terer rabifaler Umarbeitung) juerft ben Slu^m 
bed originellen Xonbid^terd begrünbete unb über bie ©renjen 
feinet SSaterlanbeS trug. 

(Snblid^ gelingt ed i^m, ben jtoeiten unb balb barauf 
ben erften $reiS in bem muftfalifd^en Jtonfurfe bed 
fvSnftitutS'' JU erringen. Viermal §atte Serlioj um biefen 
$rei8 lonturriert unb erlangte il^n erft in feinem 27. Saläre, 
1830, burd^ bie augerorbentlid^fte SluSbauer. 3Jtxt biefem 
erften greife ifi ein fünfjfi^riged ©taatSftipenbium Don 
jd^rli^ 3000 f^ranfen Derbunben unb bie SSerpflid^tung, 
jtoei 3a§re in 9{om iujubringen. Serlioj begiebt fi^ nad^ 
9lom, too er in ^orace IBernet, bem ehemaligen ^ireftor 
ber franjöfifd^en ^abemie (in ber 93iSa 9}2ebici) einen 
too^ItooSenben IsBorgefe^ten unb Dfiterlid^en ^reunb ftnbet. 

14* 



212 ^^- Qanslicf. 

2)er Slufettt^alt in ^oxa, biefer ^öd^fte SebenStoutifd^ faft 
aUcr Äünftlcr, ift für »erlioj eine ?ßein. ®t fü^lt ^xd) in 
unertrfiglid^er ®efangenf^aft, obgleich bie franjöfifd^en 
Saureaten bort eine faft unbegrenjte f^reil^eit geniegen, 
nati^ S^elieben größere Steifen in gan^ Stauen nta^en 
bflrfen, in ber Slfabemte mit aUem ißötigen t)erforgt unb 
mit jeber ftontroQe i^rer ©tubien üerfd^ont finb. 316er 
SBerlio} §at menig ©^mpat^ie für bad Sanb unb beffen 
93eioo^ner; bie itaßenifd^e iDluftf ift il^m ein ®reuel; für 
®emfi(be unb ©tatuen intereffiert er ftc^ nid^t 2>en 
^uffta ber popftlid^en fta^eUe nennt er einen gan} un« 
t)erbtenten, ben ^rd^en^^ompofitionen $aleftrina8 geftel^t 
er jtoar „®t\äjßaxad unb ©ele^rfamfeit'' ^n, finbet ed aber 
f omif^ (une plaisanterie), t)on bem „Q^mz** bief ed 9}2eifterd 
iu fpred^en. 3n 9lom Derfel^rt iBerlio} ^ufig mit 
9RenbeUfo^n«93art^oIb^, t)on bem er jebod^ in feinen 
äJ^emoiren in auffatlenb ffil^Iem, faft gereiftem S^one fpric^t. 
9ln btefer @teQe tuirb und bie y^Correspondance inädite'^ 
fel^r iDic^tig unb erfreulid^. 3)enn ber ungemein ^erjlic^e, 
faft fc§to4rmerifd^e Zon, mit bem ©erlioj l^ier über 
iKenbelSfol^n fd^retbt, unter bem unmittelbaren Sinbrude 
i^red freunbfd^aftlic^en SSerfe^rd, ftici^t betr&d^tlid^ ab t)on 
ber !fi^Ien Qaxndffoltvitiq, bie iBerlioj in feinen 35 Saläre 
fpfiter gefd^riebenen äRemoiren über a]?enbeIdfo§n beobad^tet. 
3n feine ^römifd^e ©efangeufd^aff* fiel ber SJerfe^r mit 
Selij SWenbetefo^n toie ein ^olber Sid^tftra^I. ^3>a8 ift 
ein betounberungÄtoürbiger Sunge/ fd^reibt Serlioj 1831 
aua SRom; »fein Sleprobuftionä^Salent ift ebenfo grojj toie 
fein mufüalifd^eS ®enie, unb baS toill k)iel fagen. StUeS, 
toaS id) t)on i^m gehört, ^at mid§ entjfidt; ic^ glaube feft. 



23<rlio3. 213 

bog er eine ber I^Bd^ften muftfaltfd^en (Srfd^einungen biefet 
(Spod^e tft. @r ^t mir ^er ben Cicerone gemad^t; jjeben 
äRorgen fud^te id^ i^n auf, ba fpielte er mir eine 93eet' 
^ot)enfd^e ©onate, tt^ir fangen ®lndi .^Slrmiba'', bann 
ffil^rte er mid^ ju aQen ben berühmten 9{uinen, bie mir, 
id^ gefte^e eS, toenig SinbmdE mad^ten. iDIenbelSfol^n ift 
eine jener reinen @eelen (ämes candides), n^ie fte und nur 
^Bd^ft feiten Begegnen." Sßod^ in Diel fpdteren {Briefen 
fpri^t SBerlioj mit gleid^er SBfirme Don SRenbeföfol^n. 
„3ft SKenbettfol^n angetommen?' fragt er g. filier unb 
ffil^rt fort: „3)a8 ift ein enormeS, auBerorbentli^eS, tounber^ 
bareS Sxilent. 3d^ lann ni^t in ben SBerbad^t ber 
Samaraberie fommen, toenn i^ fo fpre^e, benn er l^t 
mir aufrid^tig gefagt, bajs er t)on meiner äßufif abfolut 
nid^tS üerftel^e. (£r ift ein burd^auS jungfrfiulid^er 
Sl^rafter unb glaubt nod§ an ettoaS; ein n^enig fü^I ift 
er im Umgange, aber id^ liebe il^n fel^r, mag er eS aud^ 
üieDeid^t nid^t t)ermuten.'' S)a8 finb fd^Bne, für beibe ^eile 
el^renDoDe Sßorte. $err ^niel 93ernarb ^ätte fid^ 
baran ein Seifpiel nehmen foHen, anftatt in feinem SSor^* 
toorte 9}2enbel8fo^n8 Sl^arafter auf bai^ untoärbigfte gu 
Derunglitfipfen. äßenbelSfo^n füllte gegen Serlio}' Stompot» 
fitionen eine entfcbiebene, unubertoinblid^e Slbneigung, bie 
jebem mit SRenbelSf ol^nd äRuftt 93ertrauten fe^r begreif lid^ 
erfd^einen mug. ^n eigentlid^en ®runb biefer 9lnti|)at§ie 
ftnbet nun $err 8emarb in bem !ünftlerifd§en ißeibe 
9)?enbeIdfo^nd, ber auf SBerlioj ,,eiferfüd^tig nne ein Xiger" 
getoefen unb gleid^too^I nid^t geahnt ^be, „ba^ Serliog 
i^m einft bie $atme mufttalifd^en 9lu§me8 ftreitig mad^en 
toerbe. SWenbeUfo^n ncibifd^, eiferfüd^tig, — unb auf 



214 ^ ^anslirf. 

öcrüoj? ®i tft ju aI6crn. Sn ©eutfd^Ianb toctg c« 
jjebemtann, bag SRenbelSfol^tt in SSa^rl^eit eine „reine 
©eele" toax, unb bie granjofen fönncn cÄ il^rem SSerlioj 
aufd äBort glauben, ^err ^Daniel Vernarb l^&tte im 
Gegenteil itoeierlei rfi^menb ^ert)or^e6en f oQen in SRenbetö^ 
fol^nS Senel^men: einmal bie foQegiate, freunbfd^aftlid^e 
SSercittoiHigfcit, bie er ftctö, in SRom toie fpötcr in Seipjig, 
S3erIioj entgegenbrad^te, fobann bie ^ufrid^tigfeit, mit ber 
er feine SIbneigung gegen bie mufüatifd^e Slid^tung beS 
l^ranjof en geftanb. @oId^ mannhafte SSa^rl^eitöliebe foUte 
in unferer 3^* ^^^ lonöentioneDen ^öflid^feit boppelt laut 
gepricfen toerben. Unb SBerlioj felbft ^at fie gepriesen, 
toenngleid^ nid^t ol^ne einen begreiflid^en bitteren ©efd^mad 
auf ber S^nQii, benn „Sßenbeföfol^n'', fd^reibt er au8 
Seipjig 1843 an einen ^arifer ^reunb, ,y^at mir über 
meine @^mp^onien unb mein 9iequiem niemals aud^ nur 
ein SBort gefagt*. 

Slud^ SerKoj toar im Snnerften eine »a^rl^afte, reb* 
lid^e fflatvix. UnglüdEIid^e S8erl^ä(tniffe 3n)angen i§n (eiber, 
afö ST^uftfEritüer beS Sournald beS Rabats feine Über* 
5eugung nid^t feiten ju maSüeren; baS ipar i^m fd^tt)er 
unb peinlid^. SRenbeldf o^n märe ed unmöglid^ gen)ef en. *) 

^l^ren tt)ir fort in SBerlioj' Siograp^ie. @r l^atte 
leine Slul^e me§r in 9!om unb ger&t in einen faum be* 
greifftd^en Subel, aU §. SBernet il^m erlaubt, feine „ä^ei«» 



*) »3c^ mödite, @{e fönnten bie neue Oper oon SBiUeta, bem 
6erü^mten englifc^en ^laDterprofeffor ^ören," {(^rtibt SBerlio^ am 
13. 92ot)ember 1857 an feinen Sfreunb %. ^ottl d^Iauben @ie 
nid^t ein fBort Don ben mächtigen Sobfprüd^en, »el^e mein ^eu« 
tiged ^eutQeton bar&ber enthält 1 3m Gegenteile, i4 mugte mir bie 
größte ®e»alt ant^un, um nur ru^ig barüber ^u ft^reiben." 



Berlioj. 215 

j&^rige ttaßetttfd^e Serbannung^ um fed^S SRonate abiu« 
fürjett unb (im @ommer 1832) nad^ ^axxi jurfidjufel^ren. 
^ter folgt er gletd^ einem untoiberfte^Iid^en Stiebe, inbem 
er fid^ gerabe gegenüber ber ehemaligen SBo^nung t)on 
W% ©mit^jon einquartiert. S)ie alte Seibenfd^aft ertoad^t 
fofort, al« er Don ber Slntoefenl^eit ber für i^n fett jtoei 
Salären SSerfd^oQenen ^ört. SBerlioj arrangiert fo fd^neU 
als mdgtid^ ein grogeS Stonjert mit ber .^^ntaftifd^en 
©^m^l^onie^ an ber @))i^e unb bringt eS burd^ 93er^ 
mittelung t)on ^reunben ba^in, bag feine angebetete 
^nriette ber ^robuftion bein^o^nt. @ie errdt rafd^ ben 
ßufammen^ang unb erlaubt il^m am folgenben Xage, fte 
}u befud^n. Um feine SRu^e loar eiS nun toieber für lange 
3eit gefd^el^en. ©otoo^t SBerlioj' @(tern , atö bie ^mUie 
ber ©mitl^fon erfifirten fid^ auf bad entfd^iebenfte gegen 
eine Serbinbung jtoifd^en ben beiben. (Sin Sal^r lang 
bauerte biefer ^amp\, to&^rten biefe Dualen, benen Serlioj 
ju unterliegen fürd^tete. fSSai feinen SSünfd^en ^ilfreid^ 
entgegenfam, loar leiber eine Sfleil^e t)on UnglüdESf&Sen, 
todijz feine beliebte trafen. Sßig ©mit^fon ^atte als 
SHrectrice ber X^eaterunternel^mung i^r ißermögen ein« 
gebüßt unb toar üon ®(&ubigem belagert; am Stbenb 
i^rer SBenefijt)orfteQung fpringt fie rajd^ aus bem 3Bagen 
unb brid^t ben ^ug. !&ie ^lung ging fe^r (angfam 
üortoartS. Snblid^, im ©ommer 1833, heiratet SBerßoj 
feine Henriette ©mit^fon. „©ie ^atte," fo crjdl^It er, „an 
unferem ^od^jeitstage nid^tS mel^r auf ber äSelt a(S 
@d§u(ben unb bie SluSfid^t, nur nod^ l^infenb bie iBü^ne 
betreten ju fdnnen; id^ felbft bejag aSeS in aSem 
300 f^anfen, bie ein ^eunb mir geliehen, unb toar üon 



l 



216 £b. Qoiuluf. 

neuem ent^toeit mit meinen Sltem. Sdletn fie biai je^t 
mein ^gen, ii^ trotzte aQem Ungematj^.* 

%üt SerKo} beginnt nun eine Qiät bet Sibeit unb 
^itbe^ning, iuglet(^ aber au^ geliAftigtei: fünftlerifi^ 
3ui>eifi^t. ®in ftongect, baS er unter äTHtttirfiing t$ranj 
Si«jt8 giebt, trägt 7000 tJi^an^ii ein, »el(^ fofort ben 
®{fiubigern feiner t^rau in bie |tdnbe fallen. (£rft mehrere 
3a^re fpäter unb unter emp^nblic^n Sntb^rungen gelang 
eS iSerlioj, biefe ©c^ulben gfinjlic^ ju tilgen. Stuf An- 
regung $aganiniS, ber für feine ^robultionen ein flonjert- 
ftüd t)Dn 83erIioy ftompofitionen tofinf^e, f(^rieb biefer 
bie ^TDlb'@pmp^onie. 99etanntli(^ burc^jie^t biefe gange 
@9mp^onie, gleti^fam beten ^Iben leprfifentterenb, eine 
@olD<!5ioIa; ^ganini fanb bie ^rtitur für feine Qtotiit 
nid^t tonjertant genug. 918 aber ^ganini ein ^afyc 
fpdter bie ^rDlb>®9m))I)Dnie unb bie ,t^ntafHque' in 
$arid unter IBerlio^ Seitung ^ötte, »ar ei fo entjüdt 
babon, bafe er bem flpm|)Dntfien am anberen SRorgen 
20000 t^Tanhn nebft einem ent^ufiaftifi^en @d^reiben JU' 
fc^idte. Säerlioj, ber hanf ju Sette lag, rief, feinet ©inne 
laum mfii^tig, ^au unb jtinb ^bei, toeld^ an feinem 
fBette auf bie Jhrie fielen unb mit greubent^tfinen @ott 
fßi bie unertmrtete ^i(fe banften. 

§iet muffen mir 8etlioj' ©tjfi^tung mit einet auf- 
IHrenben SJerii^tigung unlerbret^, bie toenigen befannt 
geiDotben unb Settioä felbft jeitlebenS unbefonnt geblieben 
ifL SlUe S}elt uar nfimli(^ erftaunt, bog ein fo fönig- 
Ii(^ ®efc^enf gerabe bon ^aganini gemad^t wotben fei, 
Don beffen @eij bie uner^örteften 8eif)>iele allgemein be* 
lonnt Bwten. 2)a« SRfitfet ift etft in neuefter 3eit uon 



BerIto3. 217 

^biitanb filier gettft koorben. 3n feinem (Sffa^ Aber 
Serlioi*) ersfi^It ^iQer, toel^e merfmürbige 9luff(firung 
jener unglaublid^en (Srogmut ^ganintS i^m SItoffini 
gegeben fyd: ySlrmanb SBerttn, ber reid^e, m&c^tige fßt^ 
ft^r beS Soumat beS ^bati, ^atte bun^ fßttlioi felbft 
))on ber fanatifd^en SBegeifterung beS berühmten @etger8 
gehört unb mad^te, ba er ben genialen Serlio) liebte, 
^aganini ben SSorfd^Iag, ftd^ ol^ne Unfoften ali ®penber 
ber genannten ©umme ju befennen. ^aganini t^t, »ie 
wxi i^m Verlangt torn^ „3ft baS benn toa^r, mSglid^, 
glauMid^?' fmg id^ SRoffini — ,,3^ »cig e8/ ertuiberte 
ber SRaeftro, mit bem feften (Smfte, ber il^m nid^t minber 
»0^1 anftanb al8 ber fd^erjenbe Junior, in bem er fic^ 
meiftend gefiel ftein Qvm^A, bag biefe S^tfad^e nod^ 
mand^en anberen befannt toar. — 9nbere mögen fie be« 
jmeifeln — id^ bin öon i^rer SBa^r^eit überjeugt" — 

^aganiniS — ober rid^tiger Sertind ©rog^erjigfeit 
fe^te iBerlio} in ben ©tanb, fid^ burd^ (dngere Qdt au^ 
fd^Ueglic^ unb forgenfrei jenem großen äBerte ju teibmen, 
in baS er feine befte Straft legen tt)oQte, um eS ^aganini 
{ujueignen: bie bramatifd^ ©^m^^onie „9lomeo unb 
Sulia'. „9lun braud^e i^ fein Feuilleton mel^r ju 
fd^rei6en!'' ift ber erfte 9udruf, mit toeld^em Serlio) baS 
unerwartete (Sefd^nf bon 20000 ^ranlen begrfigt 2)ur^ 
fein ganjed 8ud^ jie^t fi^ biefer ©ebante, — in bitteren 
Stlagen fiber bie i^m entfe^ßd^ ^tigfeit ali Stritifer, 
in lebl^aften @d^ilberungen ber peinli^en 9Rfi^e unb %n« 
ftrengung, mit toeld^er er ein f^uiUeton ffir bad Sournal 



*) ^JKlnftlerleben'' üoti ^. C^iUer {Htm 1880, bei SR. 2)uniont). 



218 ^^* C}ansltcf. 

beS ^bati fertig bringt. Sinmal erjd^It er fogar, loie 
er fid^ burd^ brei Xage in fein ßtmmer eingefd^Ioffen l^atte, 
um aber eine i§m ganj unintereffante fomifd^e Oper ein 
^uiüeton ju fd^reiben. 3)ie Dual, burd^aud feinen Hn* 
fang finben ju fönnen, brad^te i§n in fotd^e ^erjtDeiflung 
bag er fid^ bie ^aare auSrig, n)ie ein 5tinb meinte, enblid^, 
eine ^ftole ^eroblangenb, bem @eIbfimorbe na^e »ar! 
Unb bod^ Derbanite SBerlioj feinen 9lu^m unb (Sinflug in 
granlreidö jum grogen Seile feinen SoumaKritifen, bie 
i^m aud^, toxt er felbft ^erüor^ebt, glanjenb honoriert 
mürben! ®eine mieberl^olte bittere ftlage, gdnjlic^ un^ 
bebeutenbe ^unfterfd^einungen emftl^aft bef))red^en unb 
mittelm&gige ftom^oniften loben ju muffen, giebt jebenfaUd 
bie befte Suffifirung über feinen faft tranf^aften SBiber« 
miUen gegen ein t)on i^m fo rü^mlid^ ))ertretene8 ^aä). 
S3ei bem ^errfd^enben fiob« unb ftompKmentierf^ftem ber 
franjdfifd^en ^geSf ritif (toenigftend ein^imifd^en ftünftlern 
gegenüber) toar eS i^m, bem felbftprobujierenben Xon« 
tünftler, boppelt fd^toer gemad^t, feine abf&Qige 9Reinung 
unverblümt audjufpred^en. ©anj irrtümlich SSeife ^ielt 
man in 2)eutfd^(anb ^ector Serlioj für einen befonberS 
ftrengen Jtritüer. SRan brandet nur einen beliebigen 
Sct^rgang beS Journal beS ^batd aufjufd^Iagen, um ftd^ 
gar fe^r t)om Gegenteil ju überzeugen. ftom))ofitionen 
franjöftfd^er ftoSegen, meldte er in feinem ^rjen berad^tete 
unb t)erlad^te unb bie er im vertrauten ©efpräc^ gnabenlod 
mit einigen jmeifd^neibigen äBorten l^inrid^tete, ^at er in 
feinem Journal in ber Siegel erftaunlid^ milbe, fogar 
freunblid^ bejubelt. StUerbingiS getoa^rt ber Stunbige 
jttrifd^en ben 3^^!^" ^^^ !lnftrengung biefeS fritifd^en 



Berlto); 219 

(StertanjeS. 9)tan t)erg(et(i^e SBerltoj' ia^tretd^e apotogettfd^e 
Äritifcn über bcn „Qvo^tn SWctftcr SWc^crbccr" im Sournat 
b^ S)äbQtö mit ben koegkoerfenben äBorten, ipeld^e er i^m 
in ben 3Jltmomn tDibmet. SSoQfommen freien Sauf ^at 
ber geuilletonift öerlioj feiner ffinftlerifd^en Dppofition 
üteHeid^t nur in gtoei ^Uen gegönnt: gegen bie ißer« 
ftfimmler ®Iudfd^er, SBeberfd^er, SBeet^ot)enfcl^er Partituren 
unb — gegen SRid^arb SBagner, beffen Srfolge i^m hai 
^erj abfragen, ^m übrigen t)ermo(i^te er ftd^ nid^t aud 
ben ja^Kofen f^ben unb ^^bd^en (oSjumad^en, koeld^e 
ben $arifer ^uiQetoniften umn)inben unb fein Urteil, 
toenn aud^ nid^t üerfel^ren, fo bo^ untoiberfte^Iid^ nad^ 
red^td ober linfd beugen. Unb biefen QtoaxtQ mugte gerabe 
ein SDhififer Don fo ftrenger, ja unbulbfamer ©jllufiöität 
beS ®efd^madEed toie Serlio} ate ^^olterqual em))ftnbeit. 

Serlio) l^at in feine 3f{emoiren bie belannten 
,,9Rufifa(ifd^en SReifebriefe* au8 S)eutfd^(anb, JOfterreid^ unb 
SRuglanb DoQftänbig aufgenommen. Sfuf ba8 ^blifum, 
bie Stünftlerfd^ft unb bie Stritif in 3Bien unb ^ag tft 
iBerlio} fel^r gut ju fpred^en. !&ie ^ufnal^me, bie er in 
biefen @t&bten gefunben, j&^Ite er mit 9{ed^t ju ben ©lanj« 
puntten feines SebenS. 3f{and^e irrtümlid^e Angabe ober 
Sluffaffung loirb man einem bed ^eutfd^en ganjlid^ un» 
funbigen Steifenben (eic^t nac^fe^en. 3lnx eineS berührte 
mid^ peinlid^: SBerlioj' finbifd^e {Behauptung, Seet^oüend 
A-dur-®^m))^onie fei nod^ im 3a§re 1820 in SBien mit 
ber fiugerften ®eringfd^&^ung (avec le plus mortel dädain) 
be^anbelt toorben, ko&^renb man fid^ gleichseitig ju ben 
Dpem üon ©alieri brängte! Sei ber oberfläd^Iic^ften 
9tad^forfd^ung ^ätte SBerlioj erfahren muffen, bag im 




1 



»?l 



I 



c 



220 ^^. QansKcf. 

Sa^re 1820 (ättgft lein SRenfd^ me^r bon ben Opern 
©alteriS fprad^, fonbem SRofftni, SBetgt, S^erubini, 
SBotelbten, Satel unb 9]tä^ut baiS Z^ter bel^errfd^ten. 
Unb bag gerobe bte A-dur-@^m))^onte bon 9eet^ok)en 
gleid^ bei t^rer erften 9[ufffi^rung in Sßien (1813) einen 
unerhörten Xnnmpff gefeiert unb benfelben fortan bei jjeber 
Sßieberl^olung behauptet f)at, »eig in S^eutfd^Ianb ber legte 
Drc^eftergeiger. 8lber ein granjofe, fei er felbft Äomjjonift 
unb a){uftffd^riftfteller bon bem Sflange eineS {Bertioj, Ifigt 
ftd§ feine alten SCinbermdrd^en nid^t neunten. Unter biefe 
üon SBerlioj geglaubten unb neu aufgetifd^ten ^nber« 
mfird^en ge^drt ed aud^, bag & fOl. t>. Sßeb er in Sonbon 
au8 Jlrdnfung über ben äWifeerfoIg feine« ^Dberon" ge- 
ftorben fei! 3)a8 äßa^re baran ift, bog äßeber bereits 
fe^r (eibenb, ben ^beSteim in ber SBruft, nad^ Sonbon 
gereift toar, Don too er felbft ben gtänjenben, aSe feine 
Snoartungen Übertreffenben @rfoIg beS ^Dberon* in mel^r 
als einem 93rief gefd^ilbert §at. 

Über 9lic^arb äBagner unb beffen ^er^ältniS ju 
{Berlioj geben unS bie intimen 93riefe me^r Suff Ifirung als 
bie 9Remoiren. 3e koeiter unb lauter SBagnerS Sfluf ftd§ 
t)erbreitet, befto heftiger regt ftd^ bie Dppofition in ©erlioä. 
Sm Sa^re 1858 fd^reibt biefcr über ^nnS öon ©filoto: 
^©iefer junge 9Wann ift einer ber eifrigften 36flK"8^ V^^^ 
unftnnigen @d^u(e, toeld^ man in !S)eutfd^Ianb bie ber 
ßufunft nennt. ®ie geben nid^t nad^ unb kooHen burd^uS, 
bag id^ i^r ipaupt unb ^^nenträger fei. 3d^ fage gar 
nid^tS unb fd^reibe nid^tS; bie ißemünftigen tt)erben ol^ne^in 
»iffen, »aS baran ift.'' @r fd^rieb aber boc^, fd^rieb 
gelegentlid^ ber ^arifer Orc^efterfonjerte SßagnerS eine 



Berlios. 221 

jtritit, koeld^e bd aUer atterfennenben, tetltoetfe fogar 6e« 
touitbemben ^dfli^fett bod^ fe^r fd^neibig audfiel gegen 
SBogner, unb mel^r ati iiDetfd^neibig gegen bte „^nlnn^ti^ 
mu^it". SBar JBerKoj ftreng gegen SBagner, fo tft SBagner 
gegen SBerlio} graufam geniefen. 9Rit bem ©^arfblid beS 
^affeS entbedte unb ent^üQte er aUe ©d^rodd^en in Serlio}' 
9)tuftf, ttUe ißerirrungen unb SBtberfprüd^ fetneiS ftunft« 
^rinsipS. äRertoürbtg t[t in biefem litterarifc^en 3^^' 
tampl bag beibe ®egner einonber befonberS na^brüdtic^ 
biejenigen Sigenfd^aften ald SBerirrungen üomerfen, bie 
i§nen felber me^r ober toeniger anl^aften. äBenn SBerlioj 
fd^on bie «.maglod audgebe^nte" Duderture jum t^Iiegen« 
ben ^oQfinber atö 93etDeid anführt für bie falfd^e Xen« 
benj SBagnerS, toeld^e „unbefümmert um bie muftfaltfd^e 
^[taltung unb ben ftnnenfäUigen Sinbrud(, nur bie 
))oetifd^e ober bramotifd^e 3bee auSjubräden 
Irad^tet*, fo Dergi§t er, tt)ie fel^r feine eigenen Snftru* 
mentatoerfe biefe ^Xenbenj'' oerraten. äBenn feinerfeits 
nrieber SBagner an feinem ®egner bie fiberreijte ®s* 
altation tobelt unb bie oom Sugerfid^fein in (Srmattung 
jurüdtfinfenbe ^^antafie SBerlioj mit bem 3uf^<^nbe eined 
DpiumefferS bergleid^t, fo erinnern tt)ir und fofort, bag 
^nKd^eS ))on unbefangenen ftritüern aud^ über äBagnerfc^ 
äRufi! gefagt ift ^n Btoeifel, bag SBerlio^ t)on äBagnerd 
Urteil unb nod^ me^r oon beffen fteigenben (Srfolgen in 
^utfd^Ianb auf bad fd^merjüd^fte berührt toar. S(m 
3Rorgen nad^ bem berühmten ^iadfo bed „Xann^ujer" 
in ber ^arifer ®rogen Oper !ann SBerlioj in einem 
{Briefe an 9)tabame 9Raffart einen koilben Subelfd^rei 
nid^t unterbrüdEen. Unb nad^ bem unkoürbigen ©peftalel 



222 €^. ^anslicf. 

ber itoeiten Suffü^rung ruft er gletd^fam erleichtert au8: 
„aSa« mid^ betrifft, fo bin i^ furchte rli^ geräd^t'/ 
@d ift bebauerlid^, ju fe^ett, toie bie SSerbitterung über 
fein eifleneg Äünftlerlo« biefen fo fd^arfen ®eift trfibt, fein 
Urteil umnebelt. 9Kd^t nur f)at er gar feine Smpfinbung 
bafür, bag jener t)on bem Socfe^flub im „Xann^dufer'' 
Derübte ®pdtaUl t)orQu$gepIant unb eine 93fiberei tear; 
S3er(io} t)erfennt in feinem $ag gegen bie ^ßu^^nf^^^^fi^^ 
obenbrein bie unleugbare nal^e ^erkoanbtfc^aft, bie feine 
eigene 3Rn[it mit jener t)erbinbet. SnfangS toaren ^ 
SBerliog^ Drd^eftertDerfe, bie auf ben jüngeren SSagner 
einioirften, am Snbe toirb toieber, umgefe^rt, SBerlioj (in 
feiner D^v „Les Troyens") öon 858 agner beeinftugt unb 
koenn nic^t t)on SBagnerS 3f{ufif, fo bod^ getoig üon feinen 
®runbfä^en. SSerlio}' prop^etifd^ed 9(uge toar blinb für 
bie mfiglid^e B^^^^^^f* ^^^ „S^^^^ft^^i^fi^*' ^^ granfreid^. 
^^ie 3^i^ ^^ ^liegenben ^oQänber, Xann^äufer unb 
Sol^engrin toirb für ^ranlreid^ fo fidler {ommen, toie 
fie für Stauen gekommen ift. 3a, toenn 9lid^arb äBagner 
nid^t ^eute fd^on in $arid gefpielt tt)irb, fo finb lebiglic^ 
nationale unb politifc^e Antipathien baran fd^ulb. ^n^u 
talx\d) ift bem ^mponiften be8 ^annl^öufer in $ariß 
t)oIIftfinbig ber SBoben geebnet burd^ bie neufranjöfifd^e 
@d^ule unb Dor allem — burd^ ben n)ieberern)edEten 
©erlioä felbfi" ©o fd^rieb id^ im 3a^re 1880 unb ^be 
SRed^t behalten. 

JBerlioj' ©riefe »erben, feinen ©riebniff en entfprec^enb, 
je toeiter, befto trübftnniger unb groQenber. @r begräbt 
feine gkoeite t^rau (bie ©fingerin Sticio, biefelbe, bie i^n 
1846 auf feinen Äonjertreifen begleitet f)aü^), unb mu§ 



Berlioa. 223 

feinen etnjigen ©o^n, SoutS SBerUoj, überleben, ber al8 
©eemann auf fernem 3Keere fitrbt. 2)te Ie|te, groge un» 
getrfibte ^reube ^atte Serlto), feinem eigenen StuSfprud^e 
naä), SBien ju t)erbanfen. S(uf bie (Sinlabung ^erbedd 
toar SBerlioj Snbe 1866 nad^ SEBien getommen, um feine 
^ier no^ unbe!annte bromatifd^e ®^m))l^onie »i^ciuftö 
SSerbammniS" im großen SReboutenfaale ju birigieren. 
^er begeifterte Sntpfang, ben bai SEBiener ^ublitum 
i^m unb feinem »t^auff bereitete, mad^te {Berlioj ganj 
glädtlid^. 

9u^ Sonbon befud^te er koieber^olt in feinen legten 
Sauren, teo er a(d ^nftler ftetS el^renDoUfte S(ufnal^me 
unb aud^ :^funiär feine 9{ed^nung fanb. @r ift beSl^alb 
auf bie Snglänber unb i^r mufifalifd^ed SSerftänbnid nid^t 
fd^Ied^t ju f))red^en. äBo ftnbet er ba^eim ein $ubtifum 
n)ie in S)eutfd^Ianb, Snglanb ober Sluglanb? „yHdjti um 
mid^ §er ju fe^en, afö ©tumpffinn, ©leid^gültigteit, Unbanf 
ober ©d^redten — bog ift mein So8 in 5ßari8. granfreid^ 
ift Dom mufi{alifc^en ©tanbpunft nur ein Sonb Don (SretinS. 
Sn (Snglanb ift toenigftend ber SBunfd^, 9Rufi! ju lieben, 
toafyc unb nad^^Itig." 

3n ?ßari8 Dergräbt er fid^ immer tiefer in bie Über* 
jeugung, Don lauter ^nben unb Intriganten umgeben 
gu fein, ©eine Sannftfic^e gegen ftfinftler, Jtritüer, 
I^eatcr » 3)ireftoren, " Sonjertteitcr, DoHenb« gegen bie 
,,barbarifd^e Station" ber ^rangofen merben immer häufiger 
unb heftiger. 

3n feinem 61. Sa^re ergreift il^n nod^mate bie el^e« 
malige fieibenfc^aft für feine bamatö 67j|fi]^rige Sugenbliebe 
Sftella, bie er ali äBittee unb SRutter ertoad^fener ©ö^ne 



224 &' Qanslicf. 

nad^ langen Stod^forfd^ungen in S^on ttrieberfinbet fin 
biefe koürbtge alte %iavi, bte fic!^ babet fel^r tiemünftig be< 
naffm, fd^reibt nun SBerKoj ^Briefe boH finbtfd^, rofenber 
fietbenfd^aftlid^feit Stephen geller er^d^Ite mir, ttrie 
SBerlioj fic^ i^m eineS XogeS, übenodltigt üon biefer Der« 
jtDeifelten ©pätliebe, fd^Iud^jenb an bie 93ruft ttmrf. ^tter 
t)enoie8 il^m mit fanftem (£m[t fold^ Xl^or^it, bie i^n 
2Ug(eid^ unglfldlid^ unb (äd§ertid§ mad^ ,,SBaS tooUtn 
©ie?" entgegnete SBerlioj, „eS ift eine alte Srfal^rung, 
bag ber benounbete @tier fterbenb immer ju bemfetben 
ZJfOX ^inauSrennt, burd^ toeld^ er in bie Strena l^ein« 
gelommen ift." 9uf biefe ttnebergefunbene (£[tella begießen 
ftd§ bie toa^r^aft tragifd^n ©d^Iugtoorte fetner SRemoiren. 
@ie lauten : „Sd§ fd^retbe nid^tS me^r, id^ fomt^oniere nid^td 
me^r. ^ie muftfalifd^e 3BeIt t)on $ariS unb anberm&rtd, 
bie 9lrt unb SBetfe, toie bie Jtünftler gefd^dj^t rottbtn, baS 
alles erregt mir 83red^reij unb äßutanffiUe. 9[ber beulen 
mir nid^t an bie Stunft. ©teOa! ©tella! 3d^ lann |e$t 
o^e 3otn unb SKtterfeit fterben/ 

93erli02 ftarb in tiefem @roQe gegen fein 93ater(anb, 
in koeld^em er nid^t hoffte, iemald nad^ SBerbienft aner!annt 
gu koerben. hingegen baute er, in Erinnerung an feine 
frühen Xrtum))^reifen, barauf, bag feine Sßerfe in 
^utfd^Ianb ni^t nur bie gleid^ 93egeifterung ttrie e^afö 
erregen, fonbem an ißerbrettung unb ^opularitfit nod^ 
ftete tvaä^^tn tt)flrben. (£r ffat fid^ in betben 83er*: 
mutungen, jener fd^merjlid^en fott)o^(, al8 biefer freubigen, 
getäufd^t 3n t^rantreid^ ift befanntlid^ nac^ Serlioj' 
Xobe, ober nod^ prfigifer gefagt, nad^ bem beutfd^^franjO« 
ftfd^en ftriege bon 1871 ein förmlid^er 83erIioi«ShtItu8 ent* 



Berltos. 225 

ftottben, in toelc^em bte ^ranjofen i^re frühen 83er« 
f&umniffe nid^t 6(og ttad^^olen, fonbem andf fd^on über 
i^r lobenStoetteS 3^^^ ^^ ^^^^S ^inauSfci^iegen*). 3n 
S)eutfd^Ianb l^ingegen i[t bte Segetfterung ffir SBertioj o§ne 
grage Don t^rer urfprängltc^en ^5^e gefunfen^ faft bon 
bem äRomente an gefunfen, ba 93er(to)' mfid^tige ^erfdn« 
Itd^fett und ben SRucfen lehrte. SEBaS SBerlto} in feinen 
Briefen unb 9){emoiren bon ber glänjenben 9ufna^me er« 
i&^It, bie er unb feine SSerfe in ^eutfd^Ianb erfuhren, bon 
bem Snt^ufiadmud be8 ^u6(if umd, ba^ i^n aU 2)irigenten 
unb ftomponiften feierte, ift feineStoegS übertrieben. S8er 
©erlioj' Äonjerte in ben Salären 1846—1847 miterlebte, 
n)ie id^ fie in ^rog unb 3ßien miterlebt unb mitgefeiert 
^abe, ber mug bejeugen, bag nie ein gl&njenbed SfhifiE« 
pl^nomen mit mel^r Erregung unb (Snt^ufiadmuS begrübt 
toorben ift. Siod^ im Saläre 1866 »urbe ber injtoifd^en 
^albbergeffene, jum ©reife gealterte Serlioj in äBien ald 
S)irigent feiner »Damnation de Faust** genau fo über« 
fc^toänglid^ gefeiert, toie er e8 feinem greunbe §umbert 
gerranb brieflid^ melbet. SlHein bie begeifterte aufnähme 
galt mel^r ber berül^mten unb augerorbentlid^en $erfön« 
lid^feit bei^ Xonbid^terS, aU feinem SSerfe. $§nlid^ ging 
eS, teie id^ glaube, in ben meiften beutfd^en ©tobten. 2)ie 
Stompofitionen bed genialen ^ranjofen ^ben bei i^rem 
erften (Srfd^einen unter feiner ^erfdnlid^en fieitung unferem 
mufifalifc^en ^ubUfum bie lebl^aftefte Seteunberung ab« 
getoonnen, bie ftfirfften Smotionen bereitet, aber fie finb 



*) «[udfa^rlic^ered barüber enthalt ber ^uffa^ „^txlw^^vihui*' 
in meinen ^9Ruflfanf4en Stationen" (»erlin 1890, Mg. 
herein für a)eutf(^c filtteratur). 

^anSIttf, KuB neun mtb neuefter 3ett. 15 



226 &■ Qtmsliif. 

i^m fein toa^i^fteS, bteibenbeS l@ebürfntd g^^orben. Sie 
Sonjertprogramme bec It^tm 30 Sa^ie bebieifen tä. 
SÖerlioj erfc^eint feiten in unferen flonjerten unb nur mit 
nenigen ©tfiden: ber Ouberture jum M^ißntifc^en JtarneDal' , 
bet ,©9in|>^nie fantaftique" (o^ne ben legten ©aß), bei 
„^tDlbi^^mfi^ome'', enblidi gicei ^nftiumentalffigen auS 
[einer ©gmp^onifrÄantate „JRomeo unbSuIio" („See SRab" 
unb „SiebeSfcene"). %u(^ baS ^ublüum jeigt eine 
verAnberte f&^kre ^Ei^ftognomte unb enoärmt fii^ in ber 
(ä^mp^onie fantaftique Iebigli(^ ffii bte 99aUfcene unb ben 
^inric^tungSmaifc^, in ber gangen ^rolb > ©Qmp^onte 
einj^ig unb aQein für ben ^[germarfc^. 9tur biefen alten 
Sieblingfl- unb ßabinettdflQden beS SBerliogfc^en StepertoirS 
E)(tt man bte e^mafige 3un^gung bema^rt, uenn auc^ 
nic^t bie leibenfd^aftli^ Segeiftetung bon e^em. 

Sttd Serlioj im ^f)Te 1846 mit einer Steige 
gldnjenber ^njerte [vi) in ^utft^Ianb etnfülirte, ba fam 
[eine 3Ruftf nie ein feuriges SReteor übet und. ©ie tixir 
ettoaS fo Ungea^nteiS, 99IenbenbeS, Oon aQem @e^Brten [o 
ganj liBerf^iebeneS, ba§ fte ben n)e|rto8 ftaunenben $Orer 
geiabeju nteberjroang; bie einen ju [c^ianfenlofer^utbtgung, 
bie anberen ju tßblic^em §affe. Sftiemanb bfieb gleic^» 
(jöltig, niemanb neutrat. 3tur eine ganj ungett)6l|nlic^e 
^IJeifönKi^feit tonnte fo mirfen, unb ein S'^an^o[e, ber 
©qmp^onien fi^rieb, 93eetI|Oben unb ®^a!e{peare al§ 
[eine ©Otter DereE)rte, »ar an fii^ f^on ztmai ganj Un- 
genrüEinlit^ei. $[ut^ baS leffte 5{ennjetc^n einer bebeutenben 
^nfterfc^einung bttcb nii^t auS: bag fie ju ^rinjipien' 
fragen Slnlafe giebt. Sie legten ©runbbegriffe ber Xon* 
fünft, bie S<^c>9<n "«^1 tü^rm unb Sn^olt berfelben, nacE) 



Berltoj. 227 

ben ©renjen t^reS Sleid^eS, nad^ il^rem SSer^ItntS gut 
SMd^Üunft unb 9RaIeret, teurben burd^ iBerlioj aufgetofi^It; 
an SBerliog bie ererbten ©efe^e ber ^ftl^etit neu geprüft 
unb gemeffen. SBer jum erftenmale btcfer SWufif laufd^te, 
geriet in gärenbe SBeioegung. Stöbert ©d^umannin Seipjig, 
©riepenferl in Sraunfd^toeig, Dr. Sedier in SBicn — 
bie fritifd^en Drafel ber revolutionären mufifalifd^en 
Sugenb — Ratten Serlioj eine begeifterte Slufna^me in 
^utfd^Ianb bereitet; mein filterer, erfal^rener ^reunb 
StmbroS in $rag toar DdQig auger fid^ unb gen)ann burd^ 
feine ©erlioj « §t)mne bie Äufmerffamfeit unb ben ©eifaH 
SB. SR. ®ricpenferl8, bc8 gciftöollcn SBcrfaffcrS ber 
SioöeQe ^3)ie Seet^oöener" unb ber ©rofd^üre .»SRitter 
SBerlio^ in SBraunfd^toeig*. @in SJrief ®riepenfer(8 an 
Dr. Ambro« tautet: 

^^od^gee^rtefter iperr! 93 erlio j fü^rt und gufammen, 
ba8 ift ein fd^öne« Stx(S)m mit ben garben ber Qtvt. §ier 
meine ^anb! ^ören @ie mid^: id^ f^abt mit {Beetl^ot)en 
Derfe^rt, toie einer, id^ fennc ben großen Äranj feiner 
äBer{e, id^ ftürjte anbetenb Dor bicfem ®eniu8 nieber, — 
mitten in bieferSntcntion ftelle id^ Scrlioj o^ne alle 
t^rage neben SBeet^ot)en; j|a id^ glaube ftoljere SBdgen 
in ber Strd^iteftur ber äBerfe bed granjofen ju entbedCen, 
als bei bem 2)eutf(l^en. SBerlioj neben Seetl^ouen ju 
fteUen, ift bie Aufgabe ber heutigen Äritif. 3n brei 
Sauren toirb barübcr fein ß^^^f^^ ^^^^ f^^^- 
®titn ®ie mir ein 3^^^^^^ toeld^e ^(agge @ie aufjie^en, 
unb id^ fomme ju Sitten an öorb! S^r SBoIfgang 9lobcrt 
®riepen!erl m/p. SBraunfd^toeig 1846." 

^ber toeber bie näd^ften brei Saläre, nod^ bie 

15* 



228 ^^. Qonslicf. 

folgenbett bretgtg ^a6en bte ^ropl^ejetuttg beiS ejxentrifd^en 
®nepeit{erl erffiQt, t)telme^r tft ftatt bed Don il^m ge:' 
hofften Stlimai ber beutfd^en S3er(t02«83egeifterung ein 
Sntt{(tmQ£ eingetreten. 

SMe frä^ere ®arung ^atte §inretd^enb Qdt gel^abt, 
fid^ 2U Haren. ^aS Sefrembenbe^ uberraf^enbe ber 
SBerlioifd^en STIufi! ift, toenn aud^ nid^t ganj, bod^ jum 
größten Seile jurfidgetreten. @ine SRici^tung ber Ttn% 
n)ef entließ burd^ SBerlioj' SSorgang, teenngleid^ nid^t ju 
feiner f^eube, l^ert)orgerufen, geioann 9laum unb tourbe 
Don einer fontpaften ®m^pe jüngerer Xonbid^ter mit 
^nfequenj unb Srfolg fortgefe^t. ^urd^ fiidjt unb 
SB agner ift un8 bie Xenbenj ber SBerliojfd^en SRufit nä§er 
gerüdEt unb i^r ^arbenglanj in ben Derfd^iebenften ©piege« 
lungen reprobujiert, ja fteQentoeife nod^ fiberboten koorben. 

3n bemfelben SKafee, afö ber frembartige SReij feiner 
ai^ufi! uni^ gen)o^nter, ja faft fd^on gen)ö^nlid^ n)urbe, ift 
uni^ aud^ ber ß^uber Don SBerlioj' impofanter, geiftDoQer 
5ßerfßnlid^feit jur bIo§en ©rinnerung öerbtid^en. 

9Kit bem aHmä^Iid^en Serblaffen biefe« bo^pelten 
ßctuberd fprang aber mit befto fd^drferen Äonturen aUe^ 
baSjenige ind 9luge, tt)ad an SSerlio}^ Senbenj irrig, an 
feinem Xalente bürftig, an feiner Äunft unfertig »ar. 

9lobert ©d^umann, ber mit feiner ent^ufiaftifd^en 
Ärittf ber ^©^mp^onie fantafttque% ber ©rfte unb SKad^tigfte 
in ^eutfd^Ianb, ju SJerlio}' t^a^ne gefd^n)oren ^atte, pflegte 
in fpäteren Salären fe^r ffi^I, faft toibertoiQig Don feinem 
frfi^eren Siebling ju fpred^en. 3d^ fe^ nod^ baä gut* 
mfitig ironifd^e fiäd^eln, mit bem er mid^ in 2)re8ben 1847 
fragte: ^3§t ^ager toart ja ober SBerlioj ganj auS 



Betlio3. 229 

bem ^uSäftn?" 3)ie 9tec!eret burfte tc^ t^m too|I 
jurüdgcbcn mit bcr gragc: „3a, toer ^at bcnn anflcfangcn?* 

3n 2)eutfci§Ianb fd^eint man ^eute burd^ fä^Iered 
Urteil bie frühere Überfd^tDänglid^feit, in ^ranfreid^ burd§ 
Überfc^toänglid^feit bie ^älte Don e^ebem gutmad^en ju 
tooQen. 2)ie beutfd^e ^ti! fteQt ^eute nic^t me^r, toie 
®rie)>enferl get^an, SBertioj neben S3eet^ot)en; bie franjö^ 
fifd^e jeigt fiuft, i^n über SBeet^oüen ju fteQen. 

ßtoifd^en biefen in cntgegengcfefeter Sctoegung auf- 
unb nieberfteigenben Simern ber öffentUd^en SEBertfd^dgung 
bleibt Dortäufig atö fefter $unft bie augerorbentUd^e 
SnbiüibualitSt beiS geiftDoQen Xonbic^terd unb e^od^e« 
mad^enben itoloriften. 

SBad toir aud feinen eigenen 9(ufieid§nungen lernen, 
ift, bag Serlio} ali Sßenfd^ eine ebenfo abnorme, 
Dulfanifd^e 9tatur gen)efen, toie afö $om)}onift, bag er im 
Seben ebenfo magloS leibenf Aaftüd^ unb einfeitig, hierin 
aber gleid^ mutig unb aufrid^tig toor, toie in ber SRufif. 

©ein SebenSlauf ift eine Sragfibie, bie mit einer 
brangüoE ffimpfenben Sugenb beginnt, mit einem troftlofen 
9((ter fd^Iie^t unb nur auf i^rer mittleren $ö^e einige 
©cenen ber ©iegeäfreube enthält, bie — nid^t in feinem 
SBaterlanbe fpieten. 

Siac^fc^rift. 

ajieine Sefer »erben mir, id^ glaube, S)ant toiffen, 
toenn id§ l^ier eine für bie SrfenntniS t)on S9erIioj^ 
SBefen |dd§ft bejeid^nenbed, intereffanteS ©d^riftftudE mit^ 
teile. @8 ift ein SBrief, ben ber geiftt)oIIe Jtom^onift 
©tepl^en geller mir aud 9(nlag meiner $arifer 9lu8« 



230 ®. fjanslirf. 

ftcHunfl^bcrid^tc öon 1878 gcfd^ricbcn l^at. ©tcp^cn geller 
toar einer ber fe^r toentflen intimen grcunbe Serlioj^ bic 
in beffen legten fiebenäja^ren täglich mit i^m öerle^rten. 
<5r f^at Serlio}, ben Äünftler unb ben iKenfd^cn, aufrid^tig 
öere^rt unb genofe in ^ol^ ®rabe beffen 3^«cifl«wfl ^^^ 
aScrttauen. ^Her« »rief ift au8 $ßari8, 1. gebruar 1879, 
batiert unb lautet, mit §intoeglaffung einiger freunbfc^aft* 
Keiner (Singange« unb @(^Iugn)orte, toie folgt: 

„®(S)on im Sa^re 1838, ate ic^ juerft naä) $ßari8 
fam, ftanb ©erlioj ganj a^jart unter ben bortigen Äünft* 
lern. SWan fonnte il^m fc^on bamafe ben SRuf eine« 
lü^nen, na6) ©rofeem ftrebenben ffiünftlerä nid^t me^r 
ftreitig mad^en. ©eine SBerle, feine SReben, fein ganje« 
®ebaren gaben i^m ba« 2Kr eineS SRetooIutionär« vis- 
Ä-vis bem alten 5Kufih:egime, toeld^e« SBerKoj gern ate 
abgelebt betrad^tete. 3c^ toeig nic^t, ob er ®ironbin ober 
Serrorifte getoefen, aber id§ glaube too^I, bafe er nid^t ab* 
geneigt toar, bie Sioffini, S^erubini, S(uber, ^erolb, 
SBoielbieu u. f. to., biefe „ptt^" unb ^Soburgd'' ber öer- 
berbten SD^ufttoelt, ju $od§t)errätem ju erflären unb 
i^nen einen lebeni^geffi^rlic^en ^rojeg ju mad^en. S)iefe 
greuüd^en 3Rufif»?lriftofraten tourben täglich gefpieft unb 
fogen mit ber S^antiöme ba8 SKarl i^rer Untert^anen, bad 
Reifet be8 5ßubIifumÄ, au8. Aber 5ßari8 ift ber einjige 
Ort in ber SBelt, too man alle Situationen tocrfte^t, unb 
koo man ed liebt, ben feltfamen unter i^nen nad^juf puren 
unb in einem gen)iffen Wla^t S(ufmunterung unb 93eiftanb 
julommen ju laffen. SRur mu§ biefe Situation ttxoa^ ?lb- 
fonberlid^e«, eine getoiffe ^^^fiognomie, etkoa« ^at^etifd^ed 
^aben. SKit einem SBorte, e« muß fid§ um einen SWann 



Berlios. 231 

trgenb eine Segen be t)er breitet ^aben. Unb 93erIioi ^atte 
beten mehrere, ©eine unflbertoinblid^e SRuftfcJßaffton, bie 
tueber 2)ro^ungen nod^ Wcmnt t)erminbem fonnten; er, 
ber @o^n etned angefe^enen, Dermfigenben Slrjtei^ ge- 
jiDungen, S^orift in einem ber fleinften X^eater ju 
toerben, feine p^antaftifd^e Siebe ju SD^ig ©mit^fon, bie 
i^n ofö Op^elie unb als Sulie ^inrig, obgleid^ er fein 
SBort (SngKfd^ öerftanb — enblid^ feine „Sinfonie fanta- 
süque'^ meldte feine Siebe fd^ilberte, unb beren Snl^örung 
bie englifd^e @c^Qufpie(erin, n)elci§e gar nid^td Don 99?uftl 
Derftanb, bctoog, feine Siebe ju ertoibern — aQe^ bieä gab 
SSerlioj biefe Situation, bie ^ierjulanbe nötig ift, um bie 
@^mpat^ien getoiffer Snt^ufiaften ju erringen. 2)iefe S(rt 
Don Derftänbigen, jugeneigten, ju jjebem ^ienfte toiQffi^rigen, 
oft jeber S(ufopferung f&^igen 9){enfd§en ftnbet jiebed ed^te 
Talent in $arii^, üoraudgefegt, ba^ ^ fid§ in einem ge- 
toiffen Sid^te jeigt. @o fa^ ic^ benn loenige SD^onate nac^ 
meiner erften SBetanntfd^aft mit SBcrIioj, ba§ er aß §aupt 
unb @pige ber Derfannten ©enied in $ariS ju gelten an^ 
fing. @r toar berfannt, ba^ ift richtig; aber toie ein 
fold^er, an bem ju üerlennen loar. SBerlioj l^at bie 93eri> 
fennung bed Xalentd bid gu einer SBurbe erhoben; benn 
bie 9(nerfennung, ja bie SSetounberung einei^ grogen Sheifei^ 
liefe bie Sertennung fo grett unb fo unliebfam f)txH)ox^ 
treten, bafe fte SBerlioj täglid^ neue i^reunbe geloann. (Siner 
ettoaS me^r pl^ilofopl^ifd^en 9?atur ^dtte biefed ©egengetoid^t 
^ingereid^t, i^n glüdEIid^er ju mad^en. @8 beleibigte, !rän!te 
ben feinen @inn ber $arifer (id§ meine barunter eine ge« 
toiffe Älaffc t)on SWenfd^en), einen Äünftler üerfolgt, q^ 
tabelt unb in S(rmut ju fe^en, loeld^er jebenfaQd ^oben 



232 ^^. Qanslicf. 

etned ^ertiorragenben %aUnt^, eitted glu^enben Siferd 
unb l^o^en 3Jluta gegeben. Unb bte t^ranjofen begnügen 
ftd^ ntc^t, fttE |)Iatontfci§ gu lieben, einem ^reunbe alled 
®Iüd ju toflnfd^en unb bte 2)tnge loalten ju loffen, toie 
fte tooQen. @te ftnb tl^dttg, gor nic^t faul, legen tüchtig 
bte ^&nbe b'ron unb laffen ftd^ ntd^t bei aQen ^eiligen 
befd^tofiren, bod^ ben Sßunb aufjutl^un, um einige ent^ufia« 
ftifd^e SBorte jum beften eined lobbebüirftigen üetlannten 
jhinftlerd üon fid^ ju geben, ^od franjöfifd^e ©ouDerne« 
ment in ^erfon beS S){inifter8 (Srafen ®aSiparin machte 
ben !lnfang unb bef teilte bei JBerlioj ein äiequient; fpäter 
eine Xrouermuftf für bie Totenfeier ber 3uli« (gefallenen. 
SnjUnfd^en reiften ftd§ ade me^r ober loeniger begabten, 
mel^r ober loeniger t)erfannten ffiunftjlünger unb Sel^rlinge 
um i^r t)er{annte8 Oberl^aupt. @ie toaren bie t)on ber 
9?atur gegebenen Sl))ofteI, Sllienten unb ©ad^koalter 93er^ 
Iioi\ 9?amentlid§ toaren eiS bie Jiünftler anberer ^d^er, 
loeld^e fid§ nic^t immer burd^ bie 3Stix^xt, aber t)on il^ren 
poetifd^en SSortoflrfen, Don ben pittoredfen ^ogrammen 
angezogen fül^Iten. i^aft aQe 3Jlakx (bie burc^gängig für 
a){ufif @inn ^aben), ®rat)eure, Silb^auer, Slrd^iteften 
toaren !ln^dnger 83erIioj\ 3^ hxt\vx mug man Diele ber 
beften S)id§ter unb 9lomancierS )ä§len: S3. ^ugo, Samar« 
tine, 2)uma8, be ißign^, 93al)ac, bie S){aler 3)eIacroi£, 
^tt) ©d^efer, toel^e in Serlio} mit 9{ed^t einen feurigen 
$lbe)>ten ber romantifd^en ©d^ule fa^en. SlUe biefe großen 
©d^riftfteQer unb gfinjlic^ muftKofen STIenfd^en, toeld^e in 
i^ren 2)ramen bei fc^auerlid^en @cenen einen SBatjer Don 
©traug im Ord^efter f^ielen liegen, um bie ätü^rung ober 
baS Sntfe^en nod^ ju fteigem (eS ift toa|r, ber äSaljer 



»erlios. 233 

tourbe langfam, feierUc^, mit ©orbtnen unb einigem %xt» 
molo gef))telt), alle biefe Seute fc^loärmten für Serlio) 
unb 6et^&tigten i^re ®t)mpatf)xt in ©d^rift unb äBort. 
Unb enblid^ gefeEte fid^ ju aDen biefen t|&tigen S3er« 
Brettern bei$ alias Derlannten 93erIioj eine getotffe 3^^Ir 
f(ein, a6er getoid^tig, t)on ber Domel^men, ber eleganten 
9Be(t in $arid! 2)ad koaren Seute, bie auf iDOl^Ifeile Slrt 
ben 9iuf öon greigeiftem erlangen toollten. ©ie ftnb 
nic^t capable, eine ©onate bon äBanl^I ober 2)iabeIIi bon 
einer 8eet|ot)enfc^en ju unterfd^eiben. aber fte fd^rieen 
gegen ben fünblid^en Sleij ber mobernen 9)tuftf ; fte f Rotteten 
il^rer ©tammgenoff en , n)elc^e in Sße^erbeer, Siofftni unb 
§(uber fd^lDelgten, prop^ejeiten ben Untergang jener lafter« 
l^aften, ^oc^aufgefd^ür^ten Wldobim unb ben ©ieg einer 
neuen toeltenbeloegenben, ^e^ren, ekuig männlichen Jhtnft. 
^ügen @ie nod§ bie nid^t geringe 3^'^^ 8^^^^ ^"^ 
ed^ter ajtufifer ^inju, to)eld§e bas^ toirUid^ ffü^ne unb ®rog^ 
artige, bie oft kuunberfame Originalität, bie jauber^afte 
Ord^eftrierung ju t)erfte^en n)ugten, fo toerben ©ie ju« 
geben, bog Serlioj nid^t fo Dereinfamt gelebt unb gekuirft 
^at, ttne er felber ed liebte Dorjugeben. SBon 1838 an, nod^ 
me|r fpfiter, ^aben einzelne ©tudEe feiner @^m)}^onien gIfin« 
jenbe, ja allgemeine $lner!ennung gefunben. ©ie tourben 
da capo verlangt unb ftürmifd^ a))plaubiert. 3d^ miQ 
bat)on nur anführen ben ^inrid^tungSmarf d§ , ben ^ger« 
marfd^, bie ©erenabe in ben Slbrujjen (^arolb), ba8 ^eft 
ber (Sa))ulet8, ©tfide aud ber ^tud^t t)on 1Si%t)ptvx, DuDer« 
ture jum äifimif^en StameDal u. f. ku. ^ag t)ieIeS §fid§ft 
SBebeutenbe fc^mad^n (Srfolg gehabt, ift nic^t ju leugnen 
unb fd^merjlid^, ju f agen. Aber toie toiel großen, ja größeren 



234 ^' ^anslid. 

Äünfticrn ift c8 itid^t fo crflangcn? ©d^tocrlid^ toar je ein 
Slünftler fo entfernt Don aller Siefignation, biefer beutfd^en 
Xugenb, n^ie SBerKoj. grud^ttoS ntad^te id^ ben beutfc^en 
^lutard^, il^m ßüge erjfi^Ienb aud bem Seben eineS äßeber, 
STOojart, SBeetl^oöen, ©d^ubert, ©c^ifler (ben er fe^r liebte) 
unb anberer. SEBenn er fo bitter ftagte unb feine Erfolge 
öerglic^ mit benen ber ^errfd^enben Sweater *Som^)oniften, 
fo fagtc x6) i^m: Sieber greunb, ©ie tooQen ju Diel, ©ie 
n^oQen alleS. ©ie Derad^ten bad groge ^ublifum, unb 
©ie toollen Don i^m betounbert koerben. ©ie Derfd^ntä^en, 
unb jtoar mit bem 9lec^te bed eblen, originellen JiünftlerS, 
ben SBeifaQ ber SD^ajIorität unb entbehren i^n bennod^ 
fd^merjlid^. ©ie n)oQen ein fü^ner ißoDateur, ein 99al^n<» 
bred^er fein, unb jug(etd§ Don aQen Derftanben unb ge« 
toürbigt. ©ie tooHen nur ben ©belften unb ©tarfften ge* 
faQen unb järnen bem ^altftnne ber ®teic^gültigen, ber 
Unjulängtid^feit ber ©c^koac^en. SBoQen ©ie nic^t aud§ 
einfam, grog, unnahbar unb arm bafte^en, toie ein 93eet« 
l^oDen, unb jugleic^ umringt fein Don ben steinen unb 
Don ben ®ro^en biefer SBelt, befc^enft mit aQen ®(üdES« 
gütern unb Sfuäjeid^nungen, Sitetn unb Ämtern? ©ie 
^aben erlangt, toad bie 9latur S^reS XalentS unb 3^re8 
ganjen SBefend erlangen fann. S)ie SD2a|orit&t ^aben ©ie 
nid^t, aber eine geiftDoQe SD^inoritfit bemüht fid§, ©ie auf« 
red^t unb mutig ju erhalten, ©ie §aben einen ganj be^^ 
fonberen ^ßlaft in ber Sunfttoelt fid^ errungen, l^aben Diele 
begeifterte rührige greunbe — ja e« fe^It S^nen auc^ 
nid^t, ®ott fei eö gebanft, an tüd^tigen geinben, bie 3|re 
greunbe toad§ erhalten. 3^re fiugere Stiften; ift aud§ feit 
einigen Salären gefid^ert, toai nid^t ju Derad^ten ift, unb 



Berlioj. 235 

enblid^ fönnen @te mit ©id^erl^ett auf etoad ted^tten, n)Qd 
bis ^eute t)on allen 3Jltn\d)tn t)on (Seift unb $erj gefd^ägt 
toorben ift: auf eine DoQftänbige ©enugt^uung, tDd(S)z 
S^nen bie fflad)todt beloa^rt. 

fSlandimai gelang ed mir, i^n toieber aufjurid^ten, 
maS er ftetd mit freunbfd^aftlid^en unb rül^renben Sßorten 
jugeftanb. SBefonberd gern erinnere ic^ mid^ eined ber« 
artigen Srfolge«. @« toar eineS Stbenbä bei bem treff* 
liefen, nun aud§ bal^ingefd^iebenen 8. S)amdte*). 3)iefen 
unb feine ^rau, beren ^erjendgüte unb gaftlid^e 9(uf^ 
na^me ^at SBerlioj aud^ in feinen ^^Meinoires^' banfbar 
ertüä^nt. SBir toaren bort faft aQabenblid^ öerfammelt: 
Serüoj, 3. b'Drtigue, ein gelehrter SKufif* unb Sitteratur* 
^iftorifer, S^on ^reuger unb anbere. ^a tourbe geplaubert, 
fritifiert, mufijiert, fo red^t frani unb frei. S)er %o\> |at 
aud§ biefen fleinen JheiS gelid^tet; in ber legten Qtxt toaren 
nur SSerlioj unb id§ bei S)amdEed. 9ltö nun an jenem 
S(benb Serlioj toieber fein alted Sllagelieb anftimmte, ent^ 
gegnete id^ i^m in ber äBeife, toie id§ oben erjfi^Ite. Sd§ 
^atte meinen @ermon geenbigt; ed toar 11 U^r getoorben; 
eine falte S)ejembernad§t tag brausen in trauriger ginfter« 
nid. SD^äbe unb t)erbriegUd§ jünbete ic^ eine Zigarre an; 
ba fprang SBerlioj rafd^ unb jugenblid^ Dom ©ofa auf, too 
er bie ©etoo^nl^eit ^atte, ftd§ mit feinen fotbefd^mugten 
©tief ein l^injuftredEen, jum ftiQen fieibtoefen bed reinlid^en, 
orbnungSliebenben Damde: „§a!* fd^rie Serlioj auf, „geller 

*) S3ert^oIb ^amdt, ein geborener Hannoveraner, ^atte [idi, 
nacktem er t)er{(^iebene 2)irfgentenfteaen in S)eut|(^Ianb innegel^oBt, 
hn Sa^re 1840 atö Ttn^xUStxiiihi unb mußfalifd^er ^orref))onbent 
in $ari8 niebergelaffen. (Sr ftarb bafelbft 1875. 



236 ^^- f^onslicf. 

|ot rcc^t — toic? 6r ^at immer rc^t. @r ift gut, er ift 
Ilug, er ift geregt unb »eifc; id^ ttnß il^n umarmen'' — 
er lüfete mid^ auf beibe SSSangett — ,,unb bem SBeifcu eine 
2;oII|eit öorfc^Iagen.*' — ^^ gel^e auf j|ebe ein", fagte 
ic^. i,SBa8 tootten ©ie beginnen?" — „3^ toitt mit S^nen 
bei 89ignon (ein beriH^mted" Sieftaurant an ber Sde ber 
S^auffee b'!lntin) fou|)ieren ge^en. ^d) l^abe loenig ju 
SÄittag gegeffen, unb S^r ©ermon §at mir Suft jur VLn^ 
fterblid^feit unb einigen ©ugenb Äuftem gegeben.* — 
t,®nt'', ertt)iberte id^, ,,n)ir tooüm 93eet]^ot)en8 unb auc^ 
SucuQuS* @efunb|eit trinfen unb unfere ©eelenleiben in 
ebetftem ^rangloein unb angemeffenen ©dnfeleber^^afteten 
erfäufen unb öergeffen." — »Unfer SBirt", fagte SBerlioj, 
„lann ju $aufe bleiben, benn er l^at eine liebenSmürbige 
i^rau. äßir aber ^aben f einerlei i^rau, unb toir gelten 
in8 9Birtd§au8 — feine äßiberrebe! ^ai ift abgemad^te 
©ad^e." ®er alte feurige 93erIioi toar lieber tttoadft 
Unb fo fd^Ienberten kuir Slrm in Slrm, fd^erjenb unb 
lad^enb, bie lange 9lue 93tanc^e, bie ebenfo lange S^auffee 
b*!lntin hinunter unb traten in ben gldnjenb erleud^teten 
©alon bei» 9{eftaurant. @S toar ^Iil2 Ul^r, unb nur 
n)enige ^rembe toaren nod§ ba, load und fe^r lieb ttxir. 
SBir öerlangten äuftem, ©trafeburger fieberpafteten, ein 
{alteS ©eflügel, ©alat, ^rüc^te, beften S^am)}agner unb 
ed^teften SBorbeaujr. Um 1 U^r (dfd^te man baS ®ai, 
unb bie ®ar$on8 f^Ii^en gd^nenb um unS (tmr toaren 
ganj allein, bie anberen l^atten ben ©aal Derlaffen), als 
tooEten fte uni^ mal^nen, aufjubred^en. 3Jtan fd^log bie 
X^üren unb braute äßa^Iid^ter. „©arfon!" rief 83erIioj, 
„©ie toollen un8 burd§ allerlei Pantomimen glauben mad^en, 



Berlioj. 237 

ee fei f|)&t. 3^ aber bitte ©ie, und jtDei demi-tasses cafö 
ju bringen unb aud^ einige toirllid^e ^atHmna^Sigarren." 
©0 kDurbe ed 2 U^r. «rSe^t'', fagte Serlio), ^je^t tooQen 
n)ir Qufbred^en, benn um biefe QAt liegt meine ©d^toieger« 
mutter im beften @^Iafe, unb id^ ^abe bie gegrunbete 
^Öffnung, fte aufsuioeden. SBd^renb unjereS @ou:per8 
^ptatf)tn n)ir Don unferen Sieblingen: SBeet^ot)en, @|afe« 
fpeare, )8^ron, ^eine, ®ind, unb fo beim langen, (ang^ 
famen 993ege nad§ feinem ^aufe, untoeit bem meinigen 
gelegen. @S toar ber le^te l^eitere, lebenbig gefeUige Slbenb, 
ben x(S) mit i^m Verlebt; loenn id§ nid^t irre, im Saläre 1867 
ober 1868. (SS toar, glaube id^, in bemfelben Saläre, als 
er eine 9(rt t)on Seibenfd^aft |atte, einigen f^reunben 
@]^afef))eare in ber franjfififd^en fiberfe^ung borjulefen. 
3Jlan Derfammelte fid§ bei il^m abenbS 8 Ul^r, unb er lai 
und too^I fieben bis ad^t ®tüdt. @r lad gut, aber toar 
oft }u fe^r ergriffen; bei befonberd fd^önen ©teilen rannen 
i^m bie X^ränen Don ben SBangen. @r ful^r aber fort ju 
lefen unb trodEnete bie Slugen eilenbd, um fic^ nic^t ju 
unterbrechen. 93ei biefen SSorlefungen toaren nur jugegen 
2)amdEed unb jioei bid brei greunbe. @tner bon biefen, 
ein alter, betofi^rter ßamerab 93erIio}', aber toenig litte« 
rarifd^ gebilbet, übernahm aud eigenem eintriebe bie äioQe 
eined SIaqueurd. @r l^firte fe^r angeftrengt ju unb fud^te 
in ben 3^8^ ^^ SSorleferd unb ber ^u^firer ben redeten 
äRoment ju finben, too er feinen (Snt^ufiadmud {unbgeben 
fonnte. S)a er nid^t ju ap^Iaubieren toagte, erfanb er fid§ 
eine originelle ISeifaüddugerung. Sebe audgejeid^nete ©teEe, 
mit S9en)egung borgetragen unb nad^empfunben, mürbe üon 
i^m mit einem l^albleife audgefto^enen t^ud^e begleitet, mie 



238 <£)>■ f^onslitf. 

fie in ben SBoU^ftaffen unb in SItelienS ge&idui^tt^ ftitb. 
©0 ifbTtt man benn nad| ben rfl^ienbften ober ^oift^ 
ijßaffagen ^fyit^peatdi: Nom dVa nom! Nom d'une 
pipe! Sacre matin! 91a{^bem baS nun einige bu^enbmale 
ftattgefunben, fu^c plfigtii^ fBeilioj jomig auf unb, ben 
53tr8 unterbredienb, bonnerte er: „Ah! Qa, voolez tous 
bien ficher le camp avec vos nom d'one pipe !" SSorauf 
ber Stnbcre fc^ie(fengbtei(^ bie gtui^t ergriff, tcfi^renb EBei" 
lio) wieber ganj ruEtig bie 99aItonfcene tion %mto unb 
Suliette aufnahm. 

^ag, maS iä) S^nen etnft über Seiliog' geringe^ 
mufilolift^e» Oebäc^tni« gefagt, begießt ft^ ouf moberne 
äRufÜ, mit ber er toeniger oertraut tonr. aber bie SHufif, 
bie et ftubiert ^otte, toac t^m fe^r gegennürtig. 92ament> 
lief) bie Otc^efteruerfe S9eet|otieniS (loeniger bie Ouartette 
urb fllabterttierEe beSfelben), bann bie Opem Don @Iu(f, 
®pontini, eSenfo @rätr9, Wl4if)ül, ^ala^rac unb SRonfign^. 
Srot) feines Uunberlii^ @Qffe£ gegen JRoffini nur er 
ein fe^r KiarmeriSSere^cer jweter Partituren biefeS SReifterS: 
„®taf Ott)" unb ,Sarbier Bon ©eniQa". SBertioj gehörte 
ju ben eisten fiunftmenft^en, bie Don jeber in i^rer Seife 
DoQtoinmenen fßiobuftion ^ngeriffen unb bis ju X^ränen 
gerührt fein fonnten. @o Uxir iA mit i^m beim erften 
(Saftfpiel ber älbelina $attt im „^rbier*. @ie UKtben 
cg mir glauben, loenn ic!^ @ie Detfic^te, bag i^m bei ben 
^eiterften, lieben^tDürbigften ©tücEen btefer Oper bie Singen 
überquoKen. SSaS foD id) ecft bon ber ,3<^uberfI6te'' 
fagen, bie ic^ aad) in feiner ©efellfi^aft prte. Serlioj 
^atte einen etmaS finbifdien 3"^ 9'S'" ^^' ^DaiS er 
fttafbare ffionjeffionen SfJojartS nannte. f§x meinte bannt 



23erlio3. 239 

btc aric bc8 S)on Dttaöto, btc Slric ©ona «nnaS in F, 
fototc bic famofen JBraöour •Strien bcr Rfinigtn bcr SRad^t. 
(£r toar ntd^t ju 6etoegen, bie relattüe SSortrefftid^fett btefer 
QÜerbingS toentger bramati[d^en ®ö|e anjnerfennen. Slber 
n)te innig erfreut loar ic^, ben tiefen, gewaltigen Sinbrucf 
ju fe^en, ben bie „^aubtt^btt** auf i^n ntad^te. ®r l^atte 
fte oft gehört; aber fei e8 beffere Stimmung ober SBirlung 
einer öortrefflid^en Sluffü^rung, öerlioj fagte mir, nie 
toäre i^m biefe SKufif fo tief in^ §erj gebrungen. 3a, 
einigemate du^erte fid^ feine Sjraltation fo laut, bag ftd^ 
unfere ißad^barn be8 ^arfettd, toeld^e fid^ bie 3^^^^^ 
ftod^erten unb rul^ig il^r ®iner Derbauen tooQten, über 
biefen «inbiSfreten'' (Snt^uftadmuS befc^toerten. ^ned 
Stbenbd hörten loir in einem Cuartett^SSereine bad S3eet« 
^oöenfd^e Quartett in E - moll. SBir fafeen in einem ent- 
fernten SBinfel beS ©aaled. ^Jtix toar bei Sln^firung biefed 
SEBunbertoerfed n)ie etioa einem frommen ^at^olifen, ber 
bie 3Reffe l^ört, mit tiefer Slnbad^t unb Snbrunft, aber 
jugleic^ mit 9lul^e unb flarer 93efonnenl§eit: er ift mit 
biefer ^o^en @m^)finbung längft toertraut. SBerfioj fd^ien 
mir ein fpäter Singeloei^ter; er toar innigft erbaut, aber 
feiner !lnbad§t gefeilte ftd^ ettoad koie ein freubiger @c^red 
t)or bem ^eiUgfüfeen ©el^eimnig, ba8 fid^ i|m offenbarte, 
©ein ©efid^t toar toie öerjüdCt beim SJlbagio — e« toar 
toie eine SBanblung in i^m t)orgegangen. @8 tourben nocf) 
anbere gute SBerfe aufgeführt. SBir entfernten unS aber, 
unb id^ begleitete il^n an fein §auS. Sein SBort tourbe 
geioed^felt jtoifd^en und. ®ad Stbagio betete in und fort. 
3lfö id^ Don i^m Slbfd^ieb nal^m, ergriff er meine §anb 
unb fagte: „cet homme avait tout ... et nous n'avons 



240 ^- Qansitcf. 

rien." ©0 jcrlnirfd^t, fo nicbcrflcbonncrt füllte er ftc^ in 
btefer ©tunbc t)on bcr SRtcfcngrßfec bcg „Tlann^". 

@tne Heine Knefbote nod^. ffla^z beim ^aufe, toeld^ 
^Qntde bmofjntt, 9iue äßonfarb, toai auf bem Xrottoir 
ein befonberS großer unb toeifeer 5ßflafterftein eingelcilt. 
Auf biefen ©tein ftcllte fid^ Serlio} jeben Äbenb, toenn 
toir t)on ber 9lue SD^anforb lauten, um mir gute ?flaä)t 
ju fagen. Sined Slbenbd (furj t)or feiner legten ^anf« 
^eit) trennten toir uni^ eilig, benn ed loar falt, unb ein 
bicier gelber 9?ebel lag auf ben ©trafen. SBir toaren 
fd^on je^n ©d^ritte entfernt, afö id^ SSerlio) rufen ^örte: 
,§eDer! geller! SBo finb ©ie? Kommen ©ie jurüd! 3d^ 
^abe S^nen nic^t auf bem n>eigen ©teine gute 9lad^t ge« 
fagt!" SBir finben unö toieber, unb nun fud^en toir in 
ftodtfinfterer SRad^t ben unentbel^rKd^en Jßflafterftein, ber 
übrigeni^ aud§ eine befonbere gorm f)att^. 3d§ jie^ meine 
3ünb^ölid^en ^ert)or, aber fte jünben nid^t in ber feud^ten 
97ad§tluft. SBir friec^en beibe auf allen gieren auf bem 
S^rottoir ^erum — enblid^ fd^immert un8 ba8 öertoitterte 
SBeiß entgegen. ®erIioj fegt fel^r emft^aft ben gufe auf 
ben eblen ©tein unb fagt: „®ott fei gelobt, i^ fte^e 
barauf — nun gute SRad^t!'' @8 mar unfer legtet »@ute« 
nad^f* auf bem toeißen ©teine. ** 



Ci{opin. 241 




jer liebte ed nid^t, au8 ben ^ic^tungen eined $oeten 
ober äRuftferS ftd^ fiebendumftfinbe unb (S^arofterjuge 
beSfetben sufammenjuraten? 9Bir tnfid^ten bei feffeinben 
Xonbid^tungen aud^ gern jkoifd^n ben Slotenjeilen lefen, 
ttxiS kDOl^I aud bem Seben bed ^omponiften in feine äRuftf 
eingefloffen fein mag. Unb befto jtDingenber toirb ber 
9{ei) biefer 9teugierbe, j|e eigentflmli^er, bejiel^ungdreic^er, 
inbit)ibueller bie Aompofitionen flingen. Xonbic^ter Don 
fo ge^eintniSDoD anjiel^nber $^t)fiognomie n)ie (S^opin 
ntad^en und naä) biograp^ifci^er Slufflärung faft nod^ be« 
gieriger, atö jjene flaffifc^en SReifter, beren ^erfönlic^feit 
glei^fam ^nter il^ren monumentalen SBerf en Derfc^toinbet 
SBie fam S^opin ju biefer ganj einzigen S){ifd^ung t)on 
polnifc^en, franjfiftfd^en unb beutf^en (Elementen; toi^ ju 
biefem fteten ©urd^fd^immern ber Srauer burd^ bie fiuftig* 
feit, bei^ aHaffinementd burd§ bieünblid^e UtaiDetat? darüber 
^at koo^I jeber SSere^rer S^opinS 9td^ered ju erfahren 
Ifingft getoünfd^t. KQein gerabe er fehlte bisher unter 
ben 2Rufifer»Siograp]^ien, unb Don ©riefen ober Sage* 
bu^notijen S^opind fd^ien nirgenbd eine ©pur auffinb« 
bar. S)a8 Seben S^opinS fennen n^ir ber ^auptfac^e 
nac^ erft aud feiner ^arifer $eriobe, bie Sugenbjeit liegt 
im 2)unfel. Sa, fo jtoeibeutig erfc^ienen mitunter bie 
toid^tigften ®aten, bag loir nic^t feiten barüber ftreiten 
^örten, ob ber fSlamt S^opin toirffid^ franjöfijd^ audju:» 
fpred^en fei unb nid^t richtiger ^jolnifc^. 3)ie crfte Der* 

OanSIicf, Hüft neuer unb neueftec 3cit. 16 



242 ^^- QanslicP. 

I&glid^e; Qu8fü|rlt^e SebenSbefc^retbuug S^o))tn8 t)erban!en 
toir einem SanbSmanne be8[el6en, bem ffic^ftfc^eu Jtammcr^ 
muftfu« aRorife ÄarafotoSfi*) 

(S^t^opiai SSater, 9ttcoIa8 S^opin, mar i^ranjofe 
unb 1770 in ^tancQ geboren. Sine ))oInifc^e ©toroftin 
lernte i^n ba fennen unb nal^m i§n als ^ugle^rer für 
t§re ffnaben nad§ äBarfd^au mit 3m Sa^re 1787 fam 
ber junge t^ranjofe nad^ $oIen, baS er balb atö fein 
ffotit^ SSaterlanb lieb getoann. Unter S(oeciu8!o na^m 
er fogar atö S^ationalgarbift Stnteil an ben ^fim))fen für 
bie Unab^&ngigfeit $o(en8. Stac^bem bie politifd^e Sjriftens 
biefeS fßolt^ burd^ bie britte Xeilung holend üemic^tet 
toar, tooEte 9{. fSJf)opm nad) ^ronfreid^ juruäfe^ren, kourbe 
ober burd§ iDieberl^oIte Shranf^t an ber Steife t)er^inbert. 
9(te Se^rer bed jungen ®rafen ©Earbef lernte er in 
beffen ^aufe ein ^^räutein Suftine firi^jlmokuöfa 
fennen unb heiratete fte. S^rer @l^e entfproffen brei 
^d^ter unb ein ©o^n, ber nad§ feinem Taufpaten, ®raf 
^riebrid^ ©tarbef, ben 9{amen griebrid^ erhielt, i^riebrid^ 
(S 1^0)) in ift am 1. äR&rj 1809 in QtlaiotDa^^Soia, einem 
fe^8 SD^eilen bon äBarfc^au gelegenen, bem ®rafen ®tai* 
bef gehörigen ®orfe, geboren. '^) ©ein SBater, bamalS 
^uSle^rer bei ©farbef, tourbe fpfiter ^rofeffor ber fran« 
jöfifc^en ©pradje an bem fi^ceum, bann an ber SlrtiQerie« 
unb Sngenieurfd^ule in SEBarfc^au unb ftarb 1844 im SQter 



*) ^^riebri^ S^opin. @ein fieben, feine föerfe mib SSriefe." 
Broei S3änbe (S)re»ben bei gf. ffiM, 1877). 

**) Saft f&tntüc^e @4riften Aber (S^opin bringen ein unri^tiged 
(^eburtdbatum; fogar auf feinem S)enbnal auf bem ^ere^Sac^aife in 
$ari» ift baS Sa^r 1810 anftatt 1809 angegeben. 



Cliopin, 243 

Don üierunbftebiig Sauren. 2)ie äßutter, eine fromme, 

^&u8H^e i^rau, ^atte ben ©d^metj, t^ren (Satten, jloei 

(ie6en8n)ürbtge Xöd^ter unb ben |etggeltebten etniigen 

@o^n ju überleben, ©te ftarb 1861 im $aufe i|rer 

legten Xoc^ter SfabeÜa, ber ©attin bed S)ampffcl^iffal§rt« 

3)ire{tord Slnton SBarcindfi in SEBarfd^au. ^riebrid^ 

(Sl^opin genog ben ©egen einer glfidKid^en, in mufter^aftem 

gami(ienf reife verlebten Sugenb; an ben Sltern unb 

©d^toeftem ^ing er mit Q&xÜxd)Uxt Sm Älauierfpiel 

unterrichtete i^n ber 93ö|me Sbatbert 39^^^' ^^ ^^^ 

Stompofition ber S)eutfc^e Sofep^ SUner, 2)ireftor bed 

äBarfd^auer S£onfert>atoriumd. @8 n)aren bied bie beiben 

einzigen 9){uftf leerer, bie S^opin gehabt ^at. @(dner, 

in feiner beutfd^en ^eimat toenig gefannt, geno^ in $oIen 

gro^ed S(nfe^en unb ^at bis ju feinem Zobt (1854) eine 

bebeutenbe ga^I täd^tiger ^n]xUx auSgebilbet. Sl^opin, 

beffen Originalität (SlSner juerft erfannt §atte, l^ielt beffen 

9iat unb Urteil fe^r §od^ unb blieb i^m jeitlebenS in 

SSerel^rung juget^an. 3Stxt neun Sauren fpielte (Sl^opin 

jum erftenmal öffentlid^, unb jtoar ein SttaDierfonjert üon 

®^rotoe^; feine erften ßontpofitionen toaren Xänje. 9h(!^t 

nur in ber 3ßufi{, in aQen ^^ern bed Unterrid^tS ar^ 

beitete ber junge iSl^opin t)o0 ^leig unb @ifer. Stuger- 

orbentlid^e Seb^aftigfeit unb angeborener 3Bi^ liegen i^n 

nid^t ru^en; er geigte friil^ ein entfd^iebened latent für 

aEerlei @))&ge unb ©d^Imenftüde, für Xl^eaterfpiel, 3m« 

proDifation unb namentlich für bad ß^ici^nen oon Aari« 

f aturen. SSer t^n nur aud feinen f c^toermütigen 9totturno$ 

fennt, lieft mit Überrafd^ung Don ber übermütigen Reiter« 

feit unb bem ffiomifertalente bed jungen S^opin. Qa feinen 

16* 



244 ^i ?iart5lxd. 

frfil^ften unb entfd^eibenbften mufifaUfd^en (Stnbtfiden ge« 
l^örten bie {BoItSlteber bei $oIen, in86ef onbere beS fo mufif <> 
licbcnbcn ©tommc« bcr SWafurcn — er ^örtc fic jcit- 
tebenS in fetner $^Qntafie nad^fltngen unb tDurbe ntc^t 
mübe, fie in feinen ftlaDterlompofitionen bereid^ert unb 
t)ergeifttgt toieberjugeben. 

"HU bie @ttem eingenriUigt Ratten, bog i^riebrid^ ftc^ 
gan} ber äJJuftf nrtbme unb baS ftonfert^atorium befud^, 
arbeitete er mit unermfiblici^m f^Ieige. ^t^ufiaftifd^ 
Sufna^me fanb ber fiebge^nifil^rige ^ffopin bei bem ^^ürften 
Snton SHabjitpill, bem belonnten mufifalifd^en Slluftrator 
t)on ®oet^ed irt^uft" unb nebenbei (Srfinber bed „unfic^t^ 
baren Drc^efterS*' ä la Sa^reut^. ®i ift )ebo(^ üoUft&nbig 
irrig, toenn Si^gt in feiner 9)tonogra))^ie fiber (S^opin 
crjSp, ber gürft fei „ben fel^r befc^rdnften aÄitteln ber 
fjfamilie (S^opiniS ju ^ilfe gef ommen unb ^abe biefem baS 
unfd^&lbare ©efd^enf einer guten (Srjiel^ung gemacht". 
9?a(^ bcr ©arfteHung unfcred beffer informierten 8io« 
grap^n ^at S^opin bon diabiitpiU niemals eine materielle 
Unterftfigung erl^alten. 

(Sd jeigte fid^ balb baS Sebürfnid, ben jungen Jtfinftler, 
beffen S^alent in SBarfd^au bod^ tpenig Anregung unb 
91a^rung fanb, tDenigftenS für eine ßsitlang in bebeutenbere 
Umgebungen }u bringen. !£)ie (Sklegen^eit bot fid^ im 
Sa^rc 1828, atö ©^opin ben $ßrofeffor SarodCi jum SRatur* 
forfd^erfongreg nad^ Berlin begleiten burfte. Qx tommt 
bort in auSgeieid^nete Areife unb empfängt bon ber SBer« 
liner Dpcr („^erbinanb ©ortcj*, „Dpferfcft**, „Matrimonio 
segreto"), fotoic toon ber ©ingafabcmie (»ySärilicn^bc" 
t)on ^änbel) unaudlöfd^Iid^e (Sinbräde. @i^ folgt im nSd^ften 



Chopin. 245 

Sa^re ein SCuSflug nad^ SBien. Sie Briefe auS SBien 
an feine (SItem enthalten gnmr n^entg Studfprüd^ Don SBe« 
fang, ieigen aber ben liebenSmfirbtgen, offenen @inn beS 
©d^teiberS in gfinftigftem Sid^te. ISr toirb Don bem SDhtfif' 
Derleger ^aSlinger, Don bem $ianiften äBfirfel unb 
anbeten fel^r }UDorfommenb aufgenommen unb jum öffent« 
lid^en auftreten berebet „^n einem ^ge," fd^reibt 
er Dergnügt, i,Iernte id^ alle großen Huftier äBtenS 
fennen: äJJa^feber, ©Qrome^, Sad^ner, ftreu|er, ©d^uppan^ 
}ig^ :c.* 3n ber Oper entjAdfen i^n bie $einefetter 
unb ber Zenorift äBilb. ^laä) bamaliger @ttte lieg ftd^ 
Sl^opin im ft&mtnert^ort^eater in ben ß^if^^naften eined 
^Balletts l^firen; ba er fein Honorar Derlangte, unterftfi^te 
®raf ®allenberg, ber (Sl^ef bed Dpemtl^eoterS, fein Stuf« 
treten. (S^opin fpielte feine iSariationen op. 2 (toeld^e 
ipaSlinger brudEte) unb einen «,Shaf okoiaf ' , beibed gur 
grfigten ßufrieben^eit beS ^ublifumd unb ber Stritif. 2)er 
Slufent^alt in SBien ^tte il^n fel^r erfrifd^t, angeregt, be» 
reid^ert. „^6) bin jegt," fd^reibt er an feine bitten, 
,,D)enigfteni^ um Dier Sa^re flüger unb erfahrener." Sin 
itoeited 9(uftreten (abermals im Opemt^eater) ^atte nod^ 
befferen (Srfolg. abermals fpielt er eigene ftompofitionen 
unb mad^t bie mertn)firbige %ugerung: ^^iz ®e(e^rten 
unb bie poetifd^en ißaturen ^abe id^ für mic^ einge« 
nommen." JBon SBien reift er — jtoei SRfic^te unb einen 
^g lang! — nad^ $rag, Don ba nad^ 2)reiSben, ol^ne ftd^ 
iebod^ öffentlid^ ^ören gu (äffen. 3n 3)redben fteQt er ftd^ 
fd^on Dor 5 U^r an ber X^eaterfaffe auf, um ®oetl^ .^t^ciuft" 
}u fe^en, ber bort (ju ®oet^ ad^tjigftem Geburtstag) 
jum erftenmal in %\^i ^Bearbeitung aufgeführt tourbe. 



246 Cb- Sjiaiil«!- 

TUt gereiftetem Urteil unb geftfiiftem SelBftHrtrauen 
fe^rte (£E|opin Don biefer 91eife jurüd; ber <^foIg in SSien 
^atte i^n übeigeugt, .ba| et toirftic^ Xalent befi^e'. €etne 
IBriefe tragen bntd^meg bie ^tbung tugenblidter £e6eniS' 
freube unb tioUfonunener ®e|unb^eit AarafDOiäft erflärt 
ti füt eine reine @rbtd)tung, wai bie meiften ©^riftfteSet 
bon (Sl^opinfl angebotener ftrfinfli<^feit unb ^/ifW&Uji 
fabeln. 9n SiSjtS iBeliauptung, «ß^^opin I|abe fi^on in 
bet SSuflenb feine Überzeugung tton ber 9Ifi^ be8 Xobefi 
mit einer Strt 6itteter SBoQuft au^Sgefproc^en", ift nad^ 
JtarafotDäH tein toa^ SBort üBielme!^ ^at ftt^ gttebri^ 
gu jenet ^nt ,fo looI)[ befunben, une iigenb ein anberer 
junget STOann feine» StlterS". Srft je^n Solare \p&ttt be* 
gann infolge ber aufregenben SParifer fiebentoeife feine 
®efunbt|eit jn leiben; bi« ba^in hjar et ein einjige» SD?aI 
an einet Srlilltung fninf getoefen. 

3)ie intimften ©riefe ticktet ßf|opin an (einen greuub 
Situ» 9Bo^ciei!^otD»Ii, einen jungen ©ufcBbefi^ in 
bet 9}fi^e bon SBatf<^au. 3(|m unb nur i^nt allein ber« 
traut et feine erfte ^ugenblieb^ eine rü^nb ft^mfitmerifdie 
£eibenfd^aft, bte in aUen SStiefen an feinen %itxi& but^> 
Hingt. „®in ^atbeS 3a^ ift eS f(^on ^et," (^tetbt er 
im ©eptember 1829, ,ba6 i(^ mein Sbeal gefunben, treu 
unb aufrii^tig bete^, unb ic^ ^be mit i^i, bon ber i^ 
aKndc^tli^ träume, noc^ nie eine @ilbe gefpro^en! 3n 
®Aantm bei btefem ^olben SSefen fomponierte id| baS 
Sbagio in meinem neuen flonjerte." (&moU, op. 11.) 
S)iefe» Sbeal beS 3>i'<"iiisi^^"Scii ^'^'^ S^SuIein Sonftantia 
OilabtoUiefa, eine im SSatf^auer flonferbatorium ge« 
bitbete junge ©fingetin. S^Eiopin fi^reibt ganj entjQdt übet 



Cl^)pm. 247 

il^r erfted ?fuf treten tn ber Dper ^Äflnefe" ton $aer, 

S)er ©ebanfe an fte ift, tote fein SBiograpl^ und tti&fjUt, 

burd^ aUe ftompoftttonen geti^ebt, n>et(]^ (S^optn in jener 

3ett fd^rieb. @ie erfüllte feine gange @ee(e unb benahm 

t^m bie Suft, äBarfd^ou ju t^erlaffen. (Sonftantta heiratete 

im Sa^re 1852 — einen anberen unb t)erliej3 jum größten 

SBebouern aller Jhinftfenner bie SBül^ne. %l^ (S^opin ftd^ 

bennoc!^ entfc^ßegen mugte, für I&ngere Qüt ind SluSfanb 

}u reifen, gab er in SSarfd^au ein Sbfc^iebdfonjert, in 

tpeld^em feine teure (Sonftantia eine Srie t)on Stoffini 

fang. ^@ie trug ein loeigei^ ftleib unb 9tofen im ^aar 

unb koar reijenb fd^ön. @o toie biefen Kbenb ^atte fte 

noc^ nie gefungen!" Hm 3. fflot>mbtx 1830 fagte erben 

geliebten @(tern unb Sd^n^eftem unter ^ränen Sebekoo^I, 

um über SBredlau unb ^redben nad^ äBien }u reifen, unb 

toeiter ton ha nad) $ari8. Sin JtreiS bon ^^reunben, 

ber el^rtofirbige Sföner an ber @pige, begleitete il^n bid 

SSoIa (baS erfte ^orf hinter SSarfd^au), too bie ©d^üfer 

bed ftonfert)atoriumd i^n mit einer eigenS für ben Sag 

lomponierten Stantate t)on (Steuer empfingen. (Bei bem 

i^ftmal^I tourbe il^m bort ein fttberner 9ed^ überreicht, 

ber bis an ben 9tanb mit ^eimatlid^er (Srbe gefüllt n)ar. 

„äßögeft bu, too immer bu toeilen unb küanbem magft, 

niematö bein Saterlanb t)ergeffen!'' riefen fie i^m ju. @r 

l^at ^ nid^t t)ergeffen, bad SSaterlanb, todd)^ er niemals 

loieberfel^en foDte; bie polnifd^e @rbe, bie er im ftibemen 

Sec^er mitgenommen, tourbe neunjel^n 3al^re fp&ter in 

$arid mit feinem fieid^nam inS ®rab gefenft. 

S^opinS jkoeiter Slufentl^alt in äBien (1. ^ejember 
1830 bis 20. 3u(i 1831) brad^te i^m nid^t me^r fo t)iel 



248 ^^* Qanslttf. 

($reube atö ber erfte. O^ne Honorar tooUtt er titelt 
mel^r in ber Oper fpieten, unb ein eigenes ftonjert brad^te 
er nid^t ju ftanbe. „9ion aßen ©eiten ftoge id^ legt auf 
$tnbemiffe/ fd^reibt er an @l8ner, ,,nic^t nur bag eine 
iRei^e ber miferabelften ftlaüierfonjerte \>ai ^ublifum 
mi^trauifd^ mac^t, aud^ aUe&, koaS in $oIen vorgegangen 
ift, ^t ungünftig auf meine Sage eingemirft." ^ie poU 
nifd^e Sfieüolution üon 1830 ^atte aOerbingS fo toeit 
nad^gemirft, ba§ namentlid^ bie Umgebung beS ^ofed unb 
9Rettemid^ fid^ lü^I unb ablel^nenb gegen alle $oIen 
Derl^ielt; anbererfeitö toar aber aud^ (S^opin felbft Don 
biefen Sreigniffen ju fe^r niebergebrfldEt, um emftUd^ anS 
ftonjertgeben }u benfen. @eine SBriefe laffen feinen ß^f^t 
barflber, bag Sl^opin fid^ üoQftfinbig als $oIe füllte, «r^err 
a)2alfatti/ fd^reibt er, ^giebt fi^ umfonft ä^tfi^e, mid^ 
ju ü6er}eugen, bag ber ftfinftler ein Kosmopolit ift ober 
fein foQ. SBenn bad aud^ ber ^Q tofire, fo bin id^ als 
Kfinftler noc^ in ber SBiege, als $oIe aber fc^on ein 
9Rann/ ISr ^tte nid^t fibel Suft, heimzueilen unb für 
$o(enS troftlofe @ad^ ju lämpfen. „2)u gel^ft }um 
Kampfe", fd^reibt er am SReujia^rStag 1831 an einen 
($reunb, .fe^re als Oberft gurüdE! SBarum barf id^ nid^t 
tt)enigftenS (Suer 3:ambour fein!'' 2)ie (Sltern befd^tooren 
i^n natflrlid^, femjubleiben, unb S^opin begab fid^ nac^ 
$ariS. 

Sl^opinS 9teife nad) ^ariS, baS er ni(|t »lieber üer^* 
(äffen foQte, bilbet einen entfd^eibenben Sbfc^nitt in feinem 
Scben. S)icfeS fpielt fid^ nun öoüftdnbig in 5ßariS ab, 
mo (Sll^opin feinen Stu^m unb — fein ®rab fanb. @S ift 
bie 3«it feiner grdftten Srfolgf, feiner ^öc^ften ©erfi^mt* 



Cf{optn. 249 

l^eit, tro^bem aber btogTQ))^if(i^ mtnber tDu^ttg unb neu, 
a(d bte Sugenbjia^re. Stuf ben $arifer S^opin tDaren 
aOet Slugen gerid^tet; tDtr finb über i^n, über fein ganjeS 
Seben Don 1831 an, fo gtemlicl unterrichtet, jum %Al 
t)on iQuftren 3^8^^^ff^" ^^^ ^^^, ®eorge @anb, SiSjt. 
äSie fommt ed, bag au8 ben neunje^n Salären feines 
$arifer S(ufent^alt8, biefer betDegteften, glänjenbften 3^^ 
S^o))in8, nic^t ein einziger t)on feinen ja^Ireic^en ^Briefen 
an feine gamitie auf und gelangt ift? Starafon^ött ant^ 
XDovttt auf biefe ^^rage mit ber ISrjfi^Iung eined ma^rl^aft 
barbarifd^en SBorgangS, ber für bie bamaligen ß^ft^nbe 
9tufrtf(^:»$oIen8 nur ju d^aralteriftifd^ ift (£d ^atte nad) 
S^opind Sobe feine ©d^filerin SRig ©tirling ben Stac^ 
lag i^rei^ k)erg0tterten £e^rerd angefauft unb in i^rer 
fc^ottifd^en ^mat eine Slrt S^o))in«9Rufeum barauS ge» 
bUbet 3n i^rem ^ftamente tiermad^te fie biefe toertDoQe 
(Sammlung, toeld^e S^opin^ ©aloneinrid^tung, fein $iano 
unb eine äJJenge mertt^oQer Stnbenfen enthielt, ber 9)tutter 
S^opind, nad^ beren S^obe fie ber ©d^mefter Sl^opin^, f^rau 
SfabeUa SBorcinSfa in SBarfc^au jufieL 9u8 bem vierten 
©todtt^erfe beS t)on legterer beti^o^nten ^aufeS (eS tDar 
(Eigentum bed trafen 3^^^9^f^) fi^^ ^^"^ Viznbi im 
September 1863 ein ©d^ug, ate gcrabe ber Statt* 
^alter ®raf 8crg öon feiner tf^erfeffifd^en fieibgarbe um* 
geben tjorfiberfu^r. 5Der ©d^ug traf glücllid^ertoeife leinen 
Sßenfc^en, tro^em tourbe küenige SJ^inuten fpfiter baS 
^aui t)on a^Uitdr umjingelt, unb eine tDütenbe ©olbateSfa 
begann t)on ©todEmerf ju ©todmer! aQed, maS fid^ üor* 
fanb, JU jertrümmern (barunter allein fünfjc^n biSämanjig 
t(at)iere) unb au8 ben genftern auf bie ©trage l^rab* 



250 ^^- Qansitcf. 

jukuerfen. Unten ernd^teten bie ©olbaten einen ^oIjftoB 
QuS aU ben ©ad^en unb Derbrannten fingenb unb SBrannt« 
tocin trinfcnb alle SBtIbcr, ©fidler unb 5ßapterc — barunter 
jene tDertt^oHe ©ammlung t>on S^opin^9ie(tquien unb beffen 
fämtlid^e ©riefe au8 5ßart« an feine gamilie. ®in cc^t 
rufftfd^eS aSoItebegludungSbilb ! 

$arid entiüdte ben iungen Snffimmßng, aber feine 
Sage tDar bort eine S^^^^^i^fl ^^^^ miglic^ unb unfic^er. 
®Ieic^ als ftonjertgeber aufjutreten, fonnte ber noc^ gänj« 
tic^ Unberul^mte in $ari8 nid^t n^agen. @r entfd^Io^ ftd^, 
t)orerft nod^ ju lernen, unb ti)enbete fid^ an ^^riebric^ 
ftalfbrenner, ber bamafö für ben erften ^aniften (SuropaS 
galt. Sl(8 i^m (S^opin üorfpielte, mugte AaKbrenner offen« 
bar bai^ ®enie beS jungen $oIen erfennen, ber Don il^m 
!aum mel^r üiel ju lernen ^atte. Slber Aalfbrennerd Stu^m 
aU Seigrer fonnte burd^ einen fo augerorbentlid^en @d^fi(er 
nur getoinnen, unb er erflärte fid^ bal^er S^opinS SBünfd^en 
geneigt, unter ber ©ebingung, bajs biefer fid^ üerpflid^te, 
toenigften« brei 3al^rc bei i^m Unterrid^t ju nehmen. 
S^opin fonnte auf fo Tange Se^rjeit nid^t eingel^en, aud^ 
füllte er rid^tig bie ©efal^r ^erauÄ, bie l^icr feiner fünft» 
lerifd^en Originalität bro^te. „3^ toürbe mid^ getoig 
aud^ entfd^IieSen*, fd^rcibt er an feinen Seigrer (SUner 
in SSarfc^au, ,,noc^ brei Sa^re ju ftubieren, toenn i^ bie 
©etoigl^eit ^dtte, baS 3iel, toetd^ed id^ mir felbft geftedt 
^abe, bann ju erreid^en. @o toiet ift mir flar, bafe i^ nie 
eine ßopie t)on ftalfbrenner toerbe; er koirb nid^t im ftanbe 
fein, meinen t)ielleid§t fül^nen, aber eblen SSillen ju bred^n: 
eine neue Äunftfira ju fd^affcn." @o entfagte er 
benn ju feinem ^il ber Sßormunbfd^aft bei^ profaifd^en 



Cljopin. 251 

ftalfbrenner, ben er burd^ bte äBtbmung fetned E-moU- 
^onjerteS 6efänftigte. 

^adf Dielen mül^eüollen ^orbeteituttgen brad^te S^optn 
enbltd^ fein erfted Aonjert in $QriS ju ftanbe, am 26. ^^e^ 
bmar 1832 — ed bedte nid^t einmal bie Unloften! Ott 
l^atte feine ündfid^t, feine Stellung in $ariS gu Derbeffern, 
unb trug fic^ mit bem Pane, nad^ S(meri!a ju fiberftebeln. 
8U^ feine SItern biefeiS ißorl^aben mißbilligten, entflieg er 
fid^ iur ^üdUifx naä) ber ^eimat. 2)a fül^rt ein glädf« 
Kd|er ^n^aU il^m ben gürften SSoIentin SRabgitoill auf 
ber (^trage entgegen, ber il^m n)enigften8 bai^ SSerfpred^en 
abnimmt, biefen S(benb nod^ mit i^m ju Stot^fd^ilb ju 
gel^n. ^ie gange haute volde t)on $ari8 füllt bie gl&n- 
jenben @aIonS t)on äRabame Slotl^fd^ilb, meldte auf bie 
liebenSn^ürbigfte äBeife (S^opin erfud^t, ettoai^ ju fpielen. 
®r fe|}t fid^ an ben glügel unb improöifiert in glüdC* 
lid^fter ©ttmmung. ^ie Qn^bx^x betDunbem entjfidEt bied 
neuentbedte SReteor, unb no^ to&^renb ber @oir^e felbft 
erl^alt S^opin bie fc^meid^ell^aftefien (Sinlabungen, in ben 
erften Käufern öon ?ßarid Unterrid^t gu erteilen. S5He 
mit einem 3^^^^^^^8 &ttberte fi^ t)on biefem Stbenb 
feine Sage, unb Sl^opin backte nid^t me^r baran, $ari8 
JU öerlaffen. 

9Bie ber 9totl^fc^iIbfd^e ©alon an jenem entfd^eibenben 
Slbenb, fo blieb ber @aIon äber^au)rt ber eigentßd^e 
SBoben bon S^opinS Xriump^en. (Einige n>enige ^ongerte 
gab S^opin in großen Sweater« unb ftongertf Sien ; ba 
machte jebod^ fein überaus feinet, poetifd^eiS @piel nid^t 
entfernt ben tiefen Sinbrudf tok im @aIon. Stud^ tDaren 
i§m bie Bongert ^ißorbereitungen l^fid^ft peintid^, ja jebed 



252 ^^* l(anslt(f. 

öffentliche Stuftreten unangenehm. i,3(i^ Mn ntd^t ge« 
eignet", fagte er eineiS Xaged gu Sidgt, «.ftonjerte ju 
geben, ba id^ Don bem $u6Iitum fd^eu gemad^t loetbe, 
mid^ t>on feinem 0tem er f tieft, \>on feinen neugierigen 
9(iden mid^ paral^fiert fü^Ie; @ie aber, ®ie ftnb baju 
berufen; benn too @ie beS $u6Ii!um8 Siebe nic^t ge< 
n)innen, ba üermdgen @ie n)enigften8 boSfelbe }u er< 
fc^fittem unb gu betäuben." 3n ben Sauren 1834 bid 
1848 ^at (S^optn in ^ariS nur ein öffentli^ ftonjert 
gegeben; boc^ üeranftaltete er foft jebei^ Sai^r im $Ie^I«* 
fd^n ftloDierfalon eine mufifalifd^e „S^ance^S in kpeld^ 
er ftetS allein fpielte, t>üx feinen nfil^eren SBelannten unb 
SBere^rem, n^efd^e boS SBiSet mit 20 f^anlen begal^tten. 

3m Ttai 1834 mad^te &füpxn jum erftenmal einen 
SluSflug aus $ariS; er reifte mit ^binanb filier nac^ 
SCad^en, n>o 9Renbet8fo^n (bamatö 2)irettor beS pfiffe!« 
borfer Ord^fterS) boS nieberr^einifc^e SThtfiffeft birigierte. 
M» fttat)ierf)rie(er', fc^rieb ä^tenbeföfo^n bamatS, „ift 
(Ifjopxn ie^t einer ber aUererften; mac^t fo neue @ad^ 
n)ie ^aganini auf feiner ®eige unb bringt äBunberbinge 
§erbei, bie man fid^ nic^t möglich gebadet l^tte." (Sin 
ixsmttt unb (e^ter Stufent^alt S^opinS in ^eutfc^Ianb fiel 
in bad Sa^r 1836 unb ^atte gun&c^ft äßarienbab jum 
3iele, ti^ol^in i^n mel^r eine ^erjenS^fCngelegen^eit afö 
äritlid^e SSorfd^rift trieb, ^ie äBunbe ttHxr enblid^ t)er« 
narbt, toelc^e bie Verheiratung feiner Sugenbliebc (5on- 
ftantia ©labfotoSfa i^m gefd^Iagen, aU Sl^opin in $ari8 
ein reijenbeÄ polnifc^e« gräulein !enncn lernte, SWaria 
SSobj^nSfa, baS balb fein ganjed^erj befag. @r tt)u^te, 
baJ3 er STOitte Suli bie ^olbe mit i^rer 9Kutter in SKarien» 



Cl{optn. 253 

6ab finben tDfirbe, unb reifte t)oa befeligenber Hoffnung 
^n. 3)ie betben t)erIobten ftc!^ in STZarienbab, unb S^opin 
ffl^Ite fic^ auf bem ®i))fel beS ©läded. Sr f^ieb — tote 
er glaubte, nur für lurge 3^^ — ö*>« feinet Sraut, um 
aber Seipjig (too er ©c^untannS 9e!anntfd|aft machte) 
nad| $ari8 ju ge^en. $ter erl^ielt er, balb nad^ feiner 
Snfunft, bie 92a(^rid^t, bag feine SBraut aßaria eS Dor» 
gebogen ^abe, einen ®rafen ju heiraten. @d tDur bied bie 
jkDeite fd^merjlid^e Sntt&ufd^ung, bie (Sl^opin in ber Siebe 
erfuhr; eine britte, nod) härtere, foUte balb nad^folgen. 

9Bir meinen baS für i^n fo un^eifooUe SSer^dttniS 
jur ®eorge @anb. ^dfelbe lögt ftd^, nne und bünft, 
erft j|e|t üoUftänbig unb richtig beurteilen, feit burd^ bie 
neueften ^ubtifationen t)on $aul be 9D'{uf fet unb $aul 
Sinbau bie ^gendgel^id^te ber @anb mit Sllfreb be 
9D'{uffet in UHtl^r^eitSgetreuer ©c^itberung uni^ vorliegt. 
@o Derfc^iebenartig aud^ bie fingeren Umftänbe getoefen, 
baS Senel^men ber ©eorge @anb gegen 6^o)mt ftnbet fel^r 
mertoürDige Analogien in il^rem jel^n Saläre früher mit 
9}2uffet gefpielten Siebei^brama. Aein 3^^H ^% fotoo^I 
ber leibenfc^aftlid^e, maglofeSKuffet, toie ber übcrempfinb- 
Iid|e, nerüöfe, fränflic^e (S^opin als Sieb^aber oft fd^toer 
ju bel^anbeln, mitunter üieQeid^t fd^ti^er ju ertragen tuaren 
unb bie @ebulb il^rer (Seliebten auf mand^e ^obe fegten. 
^Qein in ber rüd^attlofen Sl^rlic^feit i^rer Seibenfd^aft 
erfc^einen fte und bod^ beibe f^mpatl^ifd^er afö bie füllte, 
überlegene ißerftfinbigfeit ber @anb, n)eld^e, anfangt ^uer 
unb ^amme, bie beiben bo(^ ru^ig in ben Slbgrunb 
ftürjen lägt, nad^bem fie i^rer überbrüffig getoorben. S)er 
^erjendbunb jtDifd^en (Skorge @anb unb Sßuffet bauerte 



254 C^- Qansitcf. 

nur fe(|S 9Ronate, t^re SBqie^ung }u S^opttt fiber jel^n 
Sa^re — ber ^ut^tunterfd^teb toax ^omit, bag bte fd^merj« 
Itd^e Sntt&ufd^ung 3){uffetd mit afuter ^ftigfeit auftrat, 
tD&^renb fte (S^optn aii c^romfd^ fietben langfam unter«» 
grub. 2)er erfte Stnbrud, ben bte berühmte ^^au auf 
unfereu Xonbic^ter mad^te, toar — gonj toie bei SKuffct — 
fein fe^r angenel^mer. «3^r ©efid^t", fc^reibt (S^o)rin nad^ 
ber erften ^Begegnung mit ®eorge @anb, „x\i mir nic^t 
f^mpatl^ifd^ unb l^at mir gar nid^t gefallen; ^ ift fogar 
ettpaS barin, toaS mid^ abftA^f Xro|bem ko&l^rte e8 nid^t 
lange, bafe S^o^jin — genau toie frül^er SRuffet — fld^ 
teibenfd^aftlic^ üon ber genialen ^rau angezogen, aud^ t>on 
i^rer Siebe nid^t toenig gefd^meid^elt füllte. ®eorge ®anb 
t>flegte in bem ÜJZage fü^Ier gu toerben, aU bie Seibenfc^aft 
t^rer Stnbeter toud^S; bei 3Ruffet fam bied fräl^er, bei 
(S^opin fp&ter ju tage. „Um meiften", fagt $aul Sinb au, 
ffDerlegte eS SRuffet, bag feine (SeUebte beftSnbig bad 
9D'{ütter(id^e unb ©c^toefterlid^e il^rer ßuneigung l^erau^ 
fe^rte.'' 2)a8felbe t^at fte mit S^opin, mit nod^ größerem 
9{ad^bru(!e, aber faum mit größerem Sted^te. !£)ie fc^önen, 
im 9Romente beS Sßieberfd^reibenS getoig aud^ empfunbenen 
SSorte, meld^ fie in i^ren »Sriefen einer aieifenben" für 
äKuffet ^t, finben mand^eS ©eitenftüdE in bem 13. SBanb 
i^rer ©elbfibiograp^ie, too fie i^r 3uf<^ini'^^n^^^^^ ^^^ 
S^opin fd^ilbert SBad fie ^ier toie bort t)on i^rer auf«» 
Opfernben Eingebung, i^rer ^fd^toefterlid^en' Siebe unb 
Xreue auSfagt, ftimmt nid^t immer mit ben beglaubigten 
X^atfac^en, unb über i^re (Seffi^Ie führte fie, mit ^ul 
Sinbau gu fpred^en, boppette 99ud^^altung. 9(nfangi^ fül^Ite 
fic^ S^opin in ber Siebe ber (Seorge ©anb ftolj unb glüc£> 



Cliopin. 255 

lic^. Ate ftc^ im §cr6ft 1837 jum crftenmol Stnffiße öon 
Sruftleibcn bei i^m äcigtcn, reifte S^opin mit bcr ®eorflc 
@Qnb unb beten Sünbern nad) Wla\ovca, ido fie ben reij« 
baren, ungebulbigen filranfen o^nc QxozxH mit liebeDoQer 
S(udbauer gelautet unb gepflegt ^at. äBeit günftiger aU 
biefer burd^ taufenb Unbcquemlid^feiten Verbitterte Slufent» 
f^ait im @üben tuirfte ber folgenbe ©ommer, ben Sl^opin 
mit ber @Qnb auf beren ®ute fflofjant jubrad^te, auf bad 
SBefinben beS fieibenben. 2)od^ toat i^m bie größte fRu^e 
unb Schonung geboten, eine SJorfd^rift, ber unfer Patient 
ftd^ nur tDenig fügte, ^en @ommer verlebte er nun regele 
mdgig in ^of)ant, im äBinter bejog er einen ^aviUon 
Don ©eorge @anbd äBo^nung auf bem Quai b'Orl^anS. 
©er SBinter toerfd^ümmerte in fteigenber ^ogreffton, 
toai ber ©ommer l^atbtoegd gutgemacht; vom Sa^re 1840 
an nal^m (S^opind fiungenleiben ftetig ju unb berfd^euc^te 
ba(b iebe Hoffnung auf SBefferung. 3^9^^^^ tourbe feine 
(Stimmung immer büfterer, feine ^l^antafie immer aufge^ 
regter. 

SBaS für bittere (Erfahrungen nod^ ^injutraten? S^opin 
!onnte eS fic^ nid^t me^r ber^e^Ien, bag bie ^lan, bie i^n 
burd^ bie Scibenf^aftüd^feit i^rer Siebe an fic^ gebogen, 
auf beren SBeftfinbigfcit er t$clfen gebaut, von Sag ju 
Sag fälter gegen i^n tourbe. Sr, ber fogar lebhaft ge«» 
toünfd^t l^atte, fie jum Slltar führen ju ffinnen, tx>cS bie 
93er^a(tniffe unmfiglid^ mad^ten, fa^ iebenfaQS feinen 83unb 
mit ber ©eliebten al8 einen bleibenben unb ^eiligen an: 
er ^ätte fid^ burd^ nid^tS belegen laffen, ftd^ Von i^r ju 
trennen. 2)ie @anb jebod^ füllte anberS; ber Jbranfe tt^ar 
i^r jur Saft getoorben. @ie jeigte eS il^m auf mand^erlei 



256 ^^' Qansluf. 

SEBeife. SttS ^opvn Mefe Strfinfitngen ftillfd^toeigenb ^tn" 
nal^m, o^ne an eine Trennung Don ®eorge @anb ju 
benfen, griff fie ju einem broftifc^n äRittel: gn ber 9}er« 
öffenttid^ung i^red StomanS „Lucrezia Moriani''. 92a(| 
ber fibereinftimmenben %nficf)t ber B^ttgenoffen n^or unter 
ber $elbin Sucrejia bie 9}erfafferin felbft }u erlennen; in 
ber gigur i^red tränflid^en, nerDöfen Sieb^aberS, beS dürften 
jtarl hingegen unfer (S^ot>in. Sucresia fd^itbert, nrie fte 
md) einigen Salären il^reS anfangt glfidlid^n ß^f^^nt^n^ 
lebend t)on Start immer me^r gequält tt)irb, bis i^re Siebe 
für il^n erlofd^en ift unb einem fd^tt^ereu 9D'{&rt^rertum 
$Iag mac^t. Sucrejia ^at enbtid^ i^re ^aft burd^ unaud« 
gefegte Opfer unb Seiben erfd^Spft unb ftirbt. @eorge @anb 
l^at fpäter in ber „Histoire de ma yie" aüerbingS it* 
l^auptet, fie ^abe nid^t baran gebaut, in bem genannten 
9fioman fid^ unb (S^opin ju fd^Ubem, aber bie 9(naIogien 
Agaren bod§ ju auffaUenb, unb felbft bie Stinber ber ®eorge 
@anb fragten eined Saged, mit bem'9ioman in ber ipanb: 
„^tn (S^opin, n^iffen @ie, bag ©ie mit bem durften 
Äorl gemeint finb?" 9tod^ immer »ar ©l^opin fo rüdf- 
fic^t8t)oII — fo fc^toad^, möd^ten toir lieber fagcn — gu 
bleiben. SSenn id^ bie f^rau, bie ic^ berel^rte unb liebte, 
jegt t)er(affe, badete er, fo mad^e ic^ ben 9fioman jur magren 
®cf^id^te unb gebe fie ber SBcrad^tung ber ©efferen prei«. 
3u Slnfang bed Sal^rei^ 1847 führte bie @anb bur^ einen 
l^eftigcn auftritt ben öoßftänbigcn Srud^ ^erbei Auf i^re 
SBonoürfc ertoiberte 6^opin nur, er tocrbe i^r $auÄ fofort 
öerlaffen unb »ünfd^c für fie nid^t mc^r ju ejiftieren. S)ie 
@anb mad^te feine (Sinn^enbungen; S^opin üertieg fie 
augenblirflic^ unb für immer. Snfotge bicfer heftigen 



^o^in. 257 

®emfltSaufregungen ertitt 6^o))tnS ©efunb^ett neuerbtngd 
eine geffil^rltd^e SBerfd^Hmmerung. fUlan riet tJ^m, im 
f^rül^ttng 1848 nad) Snglanb gu reifen, tool^in greunbe 
unb SSere^rer tl^n fo oft unb brtngenb eingelaben l^atten. 
Stur) t)or feiner Xbreife foUte er nod^ eine te|te, un< 
bennutete ^Begegnung mit ®eorge ©anb l^aben. & toar 
in einer @oiree, too fie, unbemerft ))on ben (Säften, auf 
S^opin iuging unb i^m mit bem leifen SuSruf ,,Sriebri(^!'' 
bie ^anb entgegenftredte. S^opin n>urbe totenblaß, ftarrte 
fie einen ÜJZoment an unb Derlieg fd^iDeigenb ben @aIon. 
9Bie früher nad^ i^rem SBruc^e mit äJJuffet, fo füpe bie 
®anb jle^t auc^ S^opin gegenüber 9teue, aber ^er mie 
bort fd^eiterten i^re SSerfuc^e einer äBiebert)erf0^nung. 

3n (Snglanb toirb (Sl^opin auf baS gffinjenbfte ge« 
feiert, in ©ci^ottlanb geniegt er bie iu)7orfommenbfte (Saft** 
freunbfd^aft auf bem ®ute ber ©c^koeftem ©tirling. Xro|« 
bem gef&Ut i^m ber Slufent^U nid^t; er flagt über bie 
fortmfil^renben 97ebel unb über bie unerträgliche Saft, mit 
n^elc^er bie gefeQfd^aftlid^en SBerpflic^tungen auf i^n, ben 
9Rüben unb Seibenben, brfidEen. 3"^ Aonjertgeben iioingt 
er fid^, um etioaS ju t^erbienen. „3d^ ffi^Ie mic^ fd^koäd^er," 
fd^reibt er aud ©d^ottlanb einem polnifd^en f^reunbe, „id^ 
fann nid|t fomponieren, nid^t au8 3){angel an Suft, 
fonbem auS p^tjfifd^n Urfad^en, unb toeil id^ mid^ jebe 
äBoc^e too anberS befinbe. Slber toaS foQ id^ t^un? 
äSenigftenS fpare ic^ ettoaS jum äSinter." Smmer häufiger 
ftogen toir auf «ujserungen trüber ^offnungSlofigfeit 
„^ä) em))finbe über^au))t nid^tS mel^r, id^ Vegetiere nur 
no(^ unb koarte gebulbig auf mein @nbe/ Sluc^ bie @r« 
innerungen an bie geliebte f^rau liegen i^n ni^t lod, bie 

^anilid, Sttl neuer unb neuefler 3eit. 17 



258 ^^' £?an5luf. 

®etfier entfd^tounbenm ®(ü(f8 unb fc^meistid^r 5h:dn!ungen. 
«,3d^ ^obe ntemate {emonben Derflud^t/ fd^retbt er einem 
f^reunbe, «r^bet jegt bin id^ beS SebenS f o flberbrüffig, bog 
id^ nal^ baran bin, bie Sucrejia }u tKt^ndftn, aber bort 
leibet man and), unb leibet beS^atb me^r, toeit man in 
ber SBoS^t tfiglid^ älter mirb!'' 

Snbtid^ lann er anfangs 1849 baS i^m ^^fc^redlid^e 
Sonbon" Derlaffen unb nad^ $ari8 gurQdEfel^ren. ^ier mad^t 
bie ftranf^eit ropibe ^^ortfc^ritte; feine {Berkoanbten tt^erben 
benad^rid^tigt, unb S^opind ©d^toefter Souife ei(t nac^ 
$ari8, i^m burd^ i^re Siebe unb Pflege bie testen ^ge 
gu erleid^tem. Sl^o))in ftarb am 17. Oftober 1849. Sr 
^atte, feiner SBere^rung für SRojart getreu, gebeten, man 
mdd^te ju feiner ©eelenmeffe STZojartS 9fiequiem aufful^ren. 
2)a bis bal^in bie 9D'{ittDirfung t)on ^^rauen in ber 
9}2abe(eine»Stird^e nic^t geftattet xoax, beburfte eS baju ber 
befonberen Genehmigung ber geiftlid^en SBe^firbe. ©ie 
uurbe erteilt, unb unter äJtitnrirfung t)on Sablad^e unb 
ber i8iarbot«®arcia ertfinte STZojartS 9fiequiem bei ber 
Don äJte^erbeer geleiteten Srauerfeierlic^feit ©einem 
äBunfd^e gemäg n^urbe Sl^opin auf bem $dre<Sad^aife 
begraben, unb gtoar neben SBellini, mit bem er fel^r be^ 
freunbet gekoefen. fUlan ftreute ))oInifc^e @rbe auf feinen 
©arg. (£8 nmr biefetbe Srbe, bie fic!^ (Sf^opia üor 19 
Sauren in bem 2)orfe 9BoIa gum Slnbenlen an fein SBater« 
lanb mitgenommen unb forgfam aufbekoal^rt fyiüz, bamit 
fie — foDte er nid^t in |>oInif(^er (Srbe ru^ — i^n 
tt)enigftenS in frembem SBoben bebedEe. 



€l)optn. 259 

©eitler ift SiSstS fransfifif^e» 99u^ aber ^o\>in 
in tpia^toofltt jtoeiter Sluffage bei %reitfo))f unb irrtet 
erfd^ienen. S)ied gl&nienbe ©etiKinb ift hai einzige neue 
baran; bei Sn^alt bed feit 20 Sa^en befannten S9ucl^ 
ift unDerftnbert geblieben. Sd^ l^abe, o^ne befonberen 
9ht|en, n^ieber barin gebiftttert. S)a8felbe gett)iffenf|Qft 
ganj burd^iulefen, ift nic^t ©ad^e eined jeben; baju mug 
man ein toenig S^tD&rmer fein, am beften eine 
@c^tt)ärmerin. Sidjt Verliert fi^ mitunter in ))oetif^en 
©d^ilberungen unb SHeflejrionen fo loeit Don feinem 3:^ma 
»S^opin', bag man dngftlid^ toirb, ob er toieber jurfidF« 
treffen loerbe. S(fö SDleifter in ber ftunft beS SDlobuIierenS 
ben^erffteQigt er bieS lebod^ aufd anmutigfte; nad^ langen 
I^rifd^n ^^antaften fiber bie Siebe, bie ^^auen, bie Stunft, 
bie Polinnen, bie ^rauififinnen u. f. to. lenft er bod^ immer 
toieber ju (S^o))in ein, ber alSStfinftler unb als a]?enf^ 
i^m befonberS teuer geioefen. Oi toofjll jemanb, mit SiSjtd 
®d^reibart unbefannt, erraten lofirbe, Don loem etloa baS 
S9u^ fiber (S^opin ^errfi^rt? 92ad^ ben bieten malerifd^en 
©d^ilberungen, toie fie ber ^Tutor jum S9eifpiet Don ^ol- 
nifd^en S^njen unb 92ationaItra^ten fo genau unb fauber 
auSffi^rt, mfid^te man auf einen 3Jtattt raten, fini ben 
toeitiftufigen ))^iIofo))^ifd^en StaifonnementS unb ^oetifd^ 
$^antafien iu f^Iiegen, mfigte eS ein S)i^ter fein, ein in 
Sleflesion getaud^ter fi^rifer« 9(uf einen 9Rufifer bfirfte 
man jule|t raten. @d^on rein ffugerlid^ genommen, 
nimmt baS SJhtfifafifd^e ben ffeinften Staum in biefem 
SBud^e ein, bad bod^ ein auSgesei^neter 9Rufifer fiber ben 
anberen f^reibt. Unb felbft bort, loo SiSjt bie Stom« 
pofitionen unb baS ©piel (S^ofrinS d^arafteriftert, t^ut er 

17* 



260 ^- Qansluf. 

bieS faft burd^kueg mit tnalerifd^en unb b^terif d^n SRitteln. 
@r Detjid^tet auf ]ebe8 mufifatifd^ QiAä)m unb bringt 
in bem me^r als 300 @eiten ftQr!en Sanb ni^t baS 
Keinfte 9fa)ten6eif^ieL Stlfo biefelbe aßet^obe, loie in 
Sid)t8 berül^mtent SBud^e: ,,De8 Boh&niens et de leur 
musique en Hongrie^ ÜRan erinnert ftd^ biefeS liBud^ 
unb bed ^Tuffe^S, baS eS in Ungarn erregte. 2)er ju« 
erft bon Sidjt borgebra^te unb mit einer an SenmSfraft 
grenjenben SBa^rfd^einli^feit er^ftrtete @a^ bag bie 
ungarifd^ 9lationaImuft{ bon ben 3^^^^^^ ftamme, 
^atte eine heftige, aber kool^toeiSli^ raf^ iDieber geb&mpfte 
(Erbitterung angefad^t. 3n biefem SBud^e loar mir guerft 
bie an Samartine ma^nenbe geiftreid^ empftnbfame 3ßanier 
aufgefallen, mit toetd^er SiSjt fein S^^ema gleid^fam paxa^ 
p^rafiert @o grogartige r^torifd^e SfeueriDerfe fd^ienen 
mir bo^ ftarf auf ftoften ber SBelel^rung ftattjufinben, 
bie nrir in einem Sud^ fiber beffen eigentli^en ®egen« 
ftanb fu^en. SiSjt ^tte bamafö bie ®fite, ftd^ fiber 
meine Stritif brieflid§ auSjufpred^en. ©eine 9ßorte fd^nen 
mir bebeutungSboK ffir SiS^tS gefamte litterarifd^ $ro^ 
buttion unb foSen barum ber SSergeffen^t entriffen fein. 
SHe ^ut)tftelle beS Sidatfd^n Sriefed lautet in beutfd^r 
Überfe^ung: ^^t tt)iffenfd^afttid^e @eite meinet @toffe8 
kDar in meinen |[ugen bon untergeorbneter Sebeutung; 
um i^retttnQen ^fitte id§ fd^)verlid^ eine ^^eber eingetaud^t. 
Afinftler, unb toenn @ie looUen $oet, moQte ic^ Don 
meinem (Segenftanbe nid^tS anbereS fe^en unb befd^reiben, 
ali bie ^oetifd^ unb ))f^^oIogifd^e @eite. ^ berlangte 
bon bem 3Bort, bag ed — gtoar nid^t fo feurig unb reij« 
boQ, n)ie bie SDtufit felbft, bafur aber beftimmter — bie 



Citoptn. 261 

Sinbrfide male, lueld^e, unberührt Don ©elel^rfamfeit unb 
t)on ^oletnif, Dom ^erjen fommen unb jur SinbilbungS« 
traft f))re(]^en. 2)ie befd^retbenbe poetif^e ^rofa ift in 
S)eutfd^Ianb loenig gebraud^tic^, id^ begreife ba^er, bag 
man na^ bem Seilet meines SBud^eS e^r eine SSorlefung 
ober Sb^anblung ertoarten mod^te, atö eine S)id^tung 
in $rofa. SBeld^ Keiner Seferfreid lofirbe ft^ fibrigeni 
ffir baS äSSenige intereffieren, toai ftd§ beftimmt be^au))ten 
I&gt auf biefem ®ebiete? hingegen bleibt ber SuSbrud 
ber feinften unb tiefften (Seffi^Ie, fobalb fte eine ganje 
fiunft 3U befeeten im ftanbe finb, anjie^nb genug fflr 
einen loeiteren Streik, ber nid^t b(og bie SDtuftfer, fonbem 
alle fflr SWufif emljfänglid^en SRenf^en umfd^Iiefet* — 
3n biefem @inne giebt unS SiSjt aud^ in feinem ^^S^otnu" 
mel^r ein ,,poeme en prose^, ali ein eigentlid^ mufita» 
lifd^eS SBud^. 3>ie ^erjenStDärme, toeld^e Sü^tS ©d^riften 
fiberaQ burd^bringt, k)erlei^t i^nen flbrigenS eine flber ben 
ftiliftifd^n Stei) ^inauSreid^be S(rt Don SBei^e. (Sin 
too^It^uenber ®egenfa$ ju 9lid^arb SBagner, ber in 
®alle unb f$einbfeligfeit f^loelgt, fobalb er einen mufi« 
falifd^en 3^tgenoffen beurteilt. fiiSgt ift immer DoS Siebe 
für feinen ®egenftanb, mag er flber (S^ofnu, flber 9tid^rb 
993agner, ober Stöbert f^ranj fd^reiben. SRit Segeifterung 
ffl^rt er unS in i^ren SBer!en toiz in einem @ktrten um« 
^er, Don Stume 3U Slume, unb loenn er einmal auf ein 
toeßeS ober Dem^ilberted Seet ftfigt, fo ertoä^nt er e» 
ni^t anflagenb, fonbem entfd^ulbigenb. 

92ur toer 5U lieben fft^ig ift toeig aud^ ju fd^onen. 



262 ^> QonsIM. 

S)ticltor bei S^(. ftonfertoatoriumf tn axflti^cn. 

[Wtit Briefen t>on gf. aKenbe(9fo^n«8art^o(b4, Otto Sa^n, 
aX. ^au))ttnann, ft. Se^belmann, S^nn^ Sinb u, a.] 




L 



^u (^reiburg im S^reidgau ftar6 im Suguft 1870 
ber emeritierte 2)ireftor beS SRüit^ener StonfertMitoriumd, 
^ranj Käufer, ein 9Ranit, ber als bramatifd^er @dnger, 
®efangle^rer unb gebiegener SDlufiffenner feinerjeit in koo^I« 
berbientem audgeseic^neteK 9lufe geftanben. 9Senn ein 
SNinftler, ^od^betagt, auS bem fiffentlid^en äßirfen fid§ gu« 
rüd^ie^t, um in einem ftiSen @töbtd^en feine Sage gu bt» 
fd^Iiegen, fo ^^egt er in toenigen Sauren Dergeffen ju fein. 
@tirbt er äberbieS in einer 3^t unerl^firter friegerifd^er 
unb ))oIitifd^er Aufregung, tt)ie ed jener @ommer n)ar, fo 
eilt bie üerftdrte SDlenge mit einem SBort be8 Sebauernd 
aber feine ^bednac^ric^t l^inlDeg, toel^e fonft in ber Öffent^ 
lid^feit langen unb tiefen SBieber^aQ gefunben l^ätte. 

t^anj ^ufer, ber @o^n eineS fogenannten greifaffen« 
bauerS in SBd^men, toar am 12. Januar 1794 ju ftrafo« 
kDi$ bei $rag geboren. Ob feiner ungetofi^nlid^en Stntagen 
fd^idEten i^n bie @Item mit neun Sauren nad^ $rag, too 
tt bie ®^mnafiaIo®tubien DoSenbete, einen SSerfud^ mit 
ber SuriS^rubenj mad^te unb bann bie äTiebigin ju ftu« 
bieren begann. SBei ber erften Operation, todüfn er auf 
ber Stlinif beikoo^nte, tourbe ^ufer o^nmäd^tig, unb fo 
entfd^ieb biefer SßorfaS (fi^nlid^ koie bei Serlio}) toa^r« 
fd^einlid^ feinen (Sntfc^Iug, fid^ gfinjüd^ feiner Siebtingd« 



Stani Ifdttfer. 263 

fünft, bet 9Rufi{ 3U toibmen. S)urd§ ben Sob feined SSaterS 
fa^ ber junge Raufet fid^ balb auf eigene ftraft an« 
gettriefen unb ertoarb burd§ ©tunbengeben mü^fom feinen 
Unterhalt Öfter etjApe er in fpfiteren 3(tl§ren, tt)ie ba« 
maii im ftrengen SBinter ein blauer ^radC unb 9lanfing« 
l^ofen feine einzige Stieibung maren unb loie er ftd^ g(üd(« 
lid^ f^fi^te, in ber gezeigten @tube eineS ftoSegen arbeiten 
3U bfirfen. Sei bem bamafö berühmten ftom^oniften %o^ 
maf^f ftubierte ^ufer ben ftontro^unft unb bie ftontpo« 
fttion. ^urd^ ben Sta))eIInieifter S^riebenfee Veranlagt, fid^ 
gau) bem ®efang gu iDibmen, betrat er 1817 jum erften« 
mal als @araftro bie $rager Sfi^ne^ n^eld^r er burd^ 
bie folgenben trier Sa^re als erfter S9ag unb SBariton an^ 
gel^firte. 83on ba iDurbe er burd^ @^o^r nad^ ftaffel, l^erauf 
üon S. an. ^eber nad^ 2)reSben berufen. 3m Sa^re 1828 
]^5rte il^n in granffurt t^an} Sa^ner unb engagierte i^n für 
baS JMmtnert^or^S^eater in SBien, Ido Käufer nid^t nur 
in ber beutfd^en, fonbem aud§ in ber bamalS fo berühmten 
italienifd^en Oper eine erfte ©teile einnahm. 3m ^rü^« 
ja^re 1832 ge^Srte er ju ber auSertt)ft^Iten ©ängergefeü^ 
fd^ft (@d^röber-S)et)rient ^aijinger 2c), toeld^e bie erftcn 
beutfd^n O))emk)orftellungen in Sonbon gab. 9lad^ einem 
^albjft^rigen ^Tufentl^Ite in (Snglanb toirfte er furje 3^^ 
am Seipiiger ©tabtt^eater (unter 9linge(l^rbtS SHreftion) 
unb iDurbe Don bort üon ©pontini für bie berliner $of« 
Oper engagiert SHS @Snger jei^nete il^n @d§&n^eit ber 
@timme, Snnigfeit beS SSortrageS unb DoQenbete %eä)nxt 
aus. ©ein StoHenfad^ fann man nad§ bem bamatigen Sie^ 
|)ertoire baS beS ßasso cantante nennen. ^uferS ^ifi^^^^r 
%fiart, 9iocco, ^uft, Sarbier ton @et)illa, gacob, ZOi 



264 ^- Qanslkf. 

galten für aSfufterroIIen. Sr l^tte eine fo ungeko0§nlid§ 
QuSgebilbete ftoloratnr, bog er fid^ oft mit ber Sonntag 
nedte unb in italienifd^n Opern mit i^r in Variationen 
lüetteiferte. 

3m Sa^re 1846 tourbe er Don Stfinig Subloig I. nad^ 
äßfin^ berufen, um bafelbft ba8 Stonfert^atorium ffir 
3ßuft( einjurid^ten, bem er b\i jum $er6fte 1864, alfo 
burd^ na^egtt ^toei S)ecennien, ali S^ireftor Dorftanb. Um 
bie Organifierung biefer Snftalt, inSbefonbere um baS Suf» 
blühen ber ®efang8funft bafelbft l^t jpaufer groge 93er« 
bienfte. ftti Dortreffßd^ ©finger, bur^gebilbeter äßuftfer 
unb aßann Don ®eift nmr Käufer ein (Sefangle^rer toie 
loenige. (£r ^at feine reiben (Erfahrungen unb S^eobad^« 
tungen auf biefem ®ebiete in feiner »©efangle^re ffir 
fie^renbe unb Semenbe'' (Seipjig bei SJreitfopf unb $drtel, 
1866) t)er0ffentlid^t, einem überaus le^rreid^en, faglid^ unb 
anjie^enb gefd^riebenen Sud^e.*) ©ein $aut)taugenmerf 



*) Raufet unternimmt ed barin, bie (!^efe|e ber gefamten (5^m« 
naftit bed @(efange8 bar^ufteüen unb anj^auli^ ju machen — ®e« 
fe|e, »bie auf bem IBefen bed Suftrumented unb feinen IBebingungen 
berufen, beffen Oe^anblung eine Derf^iebenartige fein fann, aber 
feine »illtürli^e fein barf, menn ))on einer n^irdi^en Se^rmet^obe 
bie 9hbe fein foU." S)ie allgemeine l^lage ilber bad Serfc^minben 
ber guten ®änger teilt ^aufer ni^t („idi ^öre fte ilber ein (albeiS 
SoQr^unbert''), no^ weniger teilt er bie übli^e iBewunberung für 
bie altitalienifc^ ®efangf(!^ule ober bie Oemil^ungen einiger Tutoren, 
biefe beraumte SRet^obe ber Oemac^i unb $iftoc4i ffir bie Se^tjeit 
toieber auszugraben. 2)ie Unterfu^ung ^auferft fiber biefed Z^ema, 
bie i^n, gegen SRamtftein ))oIemifierenb, ju bem 9%efu(tate ftt^rt, „hai 
bie gan^e d^ef^ic^te mit SSemacd^i unb feiner ®(!^u(e eine 9R^t§e 
ift", ent^filt ungemein Sntereffanted unb (f igentflmli^ed, toenn fte 
und aud^ ni^t ganj frei \)on einer lebhaften Eingenommenheit gegen 
italienifc^en Qkfang unb itattenifc^e Sänger fc^eint, auf beren l^often 
ber SSerfaffer bie S)eutf4en mitunter affau gnäbig bel^anbelt. 



^rons Qanfer. 265 

6eim Unterrid^t toax auf @ttmmMIbung imb muftfalifd^ 
SBerftftnbniS gerichtet aßed^mfd^eS ^^bnäftQu" toar üfm 
üerl^gt, aber er iDugte feinen @d^ätem ein fo anfd^aulid^ 
SBilb üon bem ©efongorgan unb beffen Munitionen gu 
geben, bag fie aSe (n)ie einer feiner ©d^üler [x6) auSbrfidt) 
,,@timmen befamen'. SBiele nam^fte ©finger t)erban{en 
i^aufer i^re SuSbilbung, tt)ie bie gefeierte Triette @onn« 
tag*), ber treffßd^ SJariton Sofe))^ jpaufer in Starföru^e, 
Stammerfftnger t). SRilbe in SBeimar, f^au Sßogt in SDlfind^en 
unb knele anbere. 9Rand^ S9erfil^t]^eit erfter ®r0ge, toie 
Senn^ Sinb, fragten gern bei ^ufer um 9iat an. Slud^ 
ä^eifter ©taubigl toar in genriffem @inne $aufer8 ©d^filer; 
er ^atte im Anfang feiner Karriere eine tüd^tige, aber nad^ 
ber $d^e fe^r begrenzte @timme, toel^e mit bem C enbigte. 
3)ie ^5^ere Sage unb il^re meifter^afte Se^anblung t)er« 
banfte ©taubigl, toie er ^fiufig felbft geftanb, ^auferS %n^ 
leitung. 

Sieben ber ^ü^rung ber S)ireftoriaIgefd^dfte, n^oju i^n 
feine unit)erfelle SBilbung befonberS befö^igte, fo bag er 
in jebem fpejiellen Unterrid^tdfati^ bie einge^enbfte SbntroQe 
auszuüben t)ermod^te, befagte fic^ ^aufer nid^t nur mit 
ber UnteriDeifung im @oIo« unb S^orgefang, fonbem 
^ufig nod^ mit bem @Iementarunterri^t, inbem er an ber 
Überjeugung feft^ielt, burd^ eine falfd^e ®runblage Idnne 
baS f^dnfte S^Ient Verloren ge^en. 92ur bie Kare unb 
feffeinbe Unterrid^tSmet^obe ^auferS ermdglid^te eS, bag 
bie fd^nrierigften fontra))un!tifd^en S^orfftge üon ©ebaftian 
Sac^ in ben (Snfembieübungen ber ©efangSf laffe mit fold^er 

*) «.^Reinem lieben alten Sfreunbe unb Sedier* fte^t unter 
entern Porträt ber Sonntag, hai i^ bei ^aufer fa^. 



266 ^' Qattsitcf. 

^r&rifton aitögeffi^rt iDurben, nrie ed im äßünd^ener fton« 
ferüatorium ber ^Q iiKir. 2)urd§ fein ©efbfttoougtfein, 
feine mitunter DieSei^t ber6e unb unbequeme (Sttabffdt, 
bie 3tt feiner feinen Überzeugungen nriberfpred^enben fton«' 
jeffton ftc^ Vergab, ^atte fid^ jpaufer in aßfin^en tnele 
^tbe gemalt. Ob auger ber ffinftlerifd^ au^ noc^ 
anbere ©egnerf^aften mitfpielten (^ufer gel^firte ber 
ftrengfat^olifd^en Stiftung an), vermag i^ ni^t ju beur« 
teilen, knie benn übttfjavüpt DieHeid^t bie feinften äßafd^en 
be8 92e|e8 Verborgen blieben, boS f^Iieglid^ bem 9Ranne 
fiber ben Stopf gejogen lourbe. 2:^tfa^e ift, bag ipaufer 
gn^ar ftebjigjd^rig, aber nod^ in erftaunlid^ geiftiger nrie 
f&rperlid^er Süfiftigfeit ))enftoniert n^urbe. 

@in mir in ^auferiB ^anbfd^rift DorliegenbeS 9Remoire 
an ben Unterrid^tSminifter, baS ^aufer aud Hntag be£ 
®erfid^te8 Don feiner beDorfte^enben ^enfionierung üerfagte, 
giebt S^nQtAi üon einer augerorbentlid^en ^^eimütigfeit 
unb einer ungefd^tt)fid^ten geiftigen Snergie. @r befftmpft 
barin junfic^ft baS balb nad§ bem 3:^ronn)e(^fet aufge« 
taufte 9leform))roieft, bod ftonferüatorium bem Steffort 
bed Unterrid^tSminifterS ju ent^iel^n unb eS ber ^ofmufif« 
Sntenbanj unterjuorbnen. „SS tt^re fd^n^ierig ju ent< 
bedEen,'' f^reibt ^ufer, ^tvai ein Snftitut, boS feinem 
inneren 9Sefen nad^ pdbagogifd^er 9tatur ift, mit einer 
^of^arge gemein ^ben unb lool^er biefe baS Striterium 
ffir bie SJeurteilung ber Se^rer unb ©d^üter entnel^men 
foUte. hinter biefem ^rojeft ftedt nid^ts anbered al8 bie 
Sbfid^t, bag baS {finiglid^e Stonfertxitorium im Sntereffe 
bed X^eaterS ba fein folle, b. ^. bag biefeS über bie Sßer« 
menbung ber Sb^linQt md) feinem SBebfirfniS Verfügen, 



^rotg £}<mfer. 267 

biefe an Stonsertaufffil^ungen u. bergL fi^ o6Iigatorif(i^ 
jtt beteiligen litten, tDobei natfirli^ bie Xl^terbtrettion 
mit ben SJegabteren naä) (Sutbfinfen unb S^^terbebfirf« 
niffen ejrperimentieren bfirfte, unb jn^ar auf ©taatsfoften.'' 
S)iefer Snft^t, fft^tt ^aufer fort, ttnnen nur biejemgen 
bei^fli^ten, iDeld^e hai SBefen bed X^eaterS gar nid^t 
!ennen. Sei ber @rünbung beS äßünd^ener Stonferüa« 
toriumS fei eine allgemeine Silbungtanftalt beabft^tigt 
getoefen, analog ber S^eftimmung anberer SBilbungSanftalten, 
nrie bie SOabemie ber bilbenben ftfinfte, bad @^mnafium, 
bie Unik)erfttät, unb feineStoegg eine Uoge i,3:^ter»S^or« 
fc^ule^. 2)ag in ben Sauren na^ ^auferS $enftoniemng 
ber (Sefangunterrid^ unb beffen Stefultate am ä^ünc^ener 
Stonferüatorium ein ra^ibed @infen loa^mel^men liegen, 
nrirb faum Don jemanbem beftritten. ^aufer maci^te ftd^ 
auc^ befonberS Derbient um bie StenntniS unb Sßerbreitung 
flafftf^er SDhtfif, inSbefonbere Sad^fd^er 993er!e, unb ^toar 
)u einer 3^/ ba baS SSerftftnbnid ffir biefen 9Reifter in 
ber mufilalifd^en 993elt faft nod^ nid^t ej^ftierte unb bie 
Pflege bedfelben nur ]§5d^ft Dereinjett loar. @d^on 5u 
Anfang ber 3^<iiti^^^ S^^^te fammette er aufS eifrigfte 
olle Sad^fi^ äBerfe, beren er ^ab^aft loerben fonnte, 
unternahm fogar Steifen, um alte S)rude unb Slbf^riften 
fid^ gu t>erfd^affen. 3m So^re 1833 tttoaxb er in Sei|)jig 
bie bebeutenbe $6Id^au^@^id^tfd^e Sammlung liBad^fd^er 
9lutogra))^e. 2)ie SJenfi^ung biefer ©d^äge geftattete er 
mit groger Siberalität, koie benn 3. 8). ber k)erftorbene 
5ßrofcffor ^if ^^of in SBien feine renommierte ®ad^-@amm- 
lung burc^ Sbf^rift be8 grfigten 2:eile8 ber jpauferfc^en 
StoIle!tion 5U ftanbe brad^te. ^ufer ^interlieg eine fom^ 



1 



388 C^ Qonfluf. 

Viette ©anunlung allec esifttemiben Sai^fd|cn SBerfe, ju 
UKl^n ei einen boUftOntitgen t^atif^ jtatalog berfagt 
fiat, mit Slngabe ber Sefttiei; ber 8(utogntt)§c, ber Hb* 
f^iiften, Originafaudgaben u. f. lo. 9n biefetn Jtataloge ^t 
Käufer beinahe 50 3al|n gearbeitet unb bie ^erauegabe 
beSfelben feinem @o^ne teftamentatifdi aufgetragen-*) 9Zii^ 
HUT in bei Sßuftt, fonbem audi in Sitteratur txrfolgte er 
eine ernfte Sflic^tung unb ftubierte mit ^oiltebe p^ilofO' 
))^if(^ ©c^riften. ®r la& bie alten ftlafftki in bei Ut> 
{fmit^ 9!ebft einei bebeutenben Wla^xtalim* unb Sfld^ 
fammlung ^interliefi ^ufei auc^ eine fc^fine Sammlung 
Don SSitbern unb 91ab{eningen alter Weifter, für ueli^ 
er grogeS ^erftänbnil befag. @in 3}Iann Don fo elfter, 
angemeinei Silbung, babei tion fi) jugenbUc^ fiifdiem ©etft, 
fo fiOftigem, tDo|(inoIIenbem ®<mQt mugte mo^I bie ^ten 
fein« 3"' ßeteinnen unb feffeln. 2Kit ben ®e6rübern 
®itmm, mit 2:ietf, Dr. SaruS, Sßrofeffor ^if^nje, ben 
jtomponiften ®po^i, & Wt. Sebei, SRenbetefoEin, ©^Ible, 
§aut)tmann, mit Otto ^atyx, mit ©eqbelmonn, Senn^ Sinb 
unb anberen geiftigen 9}otabiIitäten ftanb ei in freunb« 
jdiaftlii^em, )]erf6nli(^em unb brieflii^m fßerte^r. (Sx E|atte 
bffiS ®tüd, bis gu feiner le^n @tunbe geiftig frifc!^ unb 
tEfdttg 3u bleiben, unberß|rt bon ben ®tbn^ bed fllterö. 
infolge feiner ^enfionierung brar er 1866 oon aRftnc^en 
na^ ftatlSiu^ gejosen, »o fein @o^ 3ofe))^ als ^of» 
Opern* unb Jtanunerffinger eine auSgegei^nete Stellung 



*) San ffcoimi 9h4«i umtc ^uferS Sammlung fth bie 
tnoimmentalc Ba<l^<Vu«sabc, btc Itfl (1900) tn 45 Slnben mUttAtl 
DDr uns Hegt. (SetgL & Aieftf^maiS 8tci4cn|<^afl8bn)4t, ha 
Hiiftias bfS StrertorhimS ber 8<i4gtfc(l|4<tfl tn Sef)>gis.) 



^roiQ ^an^tx. 269 

6e^aii]ptete. ^6) bem Xoht feiner vortrefflichen ®attin 
(1867) ü6erftebelte er nad^ ^reiburg im SreiSgau, loeit 
fein lebhaftes liBebfirfniS nad^ kDiffenfc^aftlid^ 9to^rung 
unb Stnregung il^n nad^ einer UniDerftt&töftabt trieb, bie 
bo^ gugleid^ in ber fflSf^t bed geliebten ©ol^ned fein foQte. 
S)ort ftarb er am 14* Suguft 1870, o^ne Dor^ergel^enbe 
ftrQn!^t, fafi ))I6$Iid^ an einem ^imfd^Iage im ftebenunb^ 
fteb^igfien Sebendja^re. 

3d^ lernte ^aufer erft im Sa^re 1859 in SRünd^n 
fennen, U)o xä) bnrd^ jn^ei bid brei Sage tiel bei i§m toar 
unb üon feiner femigen, geiftt^oQen $erf5nlid^feit, feinem 
fd^ß^ten, l^lid^en SBefen einen unt)ergegli(i^en SinbrudE 
empfing. @eit vielen Salären auger ßufctmmen^ang mit 
feiner Dfterreic^ifd^ ^eimat, na^m er boc^ SRufifer unb 
ä^uftffreunbe aud SBien befonberS freunbßd^ auf. 3d§ 
f e^ i^n noc^ leibl^aftig Vor mir, ben 3ßann Von ftdmmigem 
Körperbau, energifc^em ®efid^t8au8brud( unb ber von bi^tem 
loeigen $aar befd^atteten 2)enferftime — eine Srfd^einung, 
bie lebhaft an S9eet^oVen erinnertem 2)er frembe fDJuftfer 
verf&umte feiten, ^ufer ju befud^n, fid^ an beffen an« 
regenbem lebhaften ®efprä^, feinen reid^en (Erinnerungen, 
feinem gemfitVoS patriard^alif d^en ^milienteben ju erfreuen, 
^er freunblid^ JpauSI^ ))f{egte bann gern baS @d^^ 
t&füein feiner SBibliot^ef ju erfd^Iiegen unb eine |[njal^( 
!oftbarer 9RanufIri))te Von ©ebaftian Sa^ ju jeigen, mit« 
unter auc^ loo^I eine groge ©ammlung von ^Briefen, loel^e 
berühmte ^reunbe an i^n gefd^rieben. SHefe ^Briefe mfiffen 
nun aud^ baS meifte unb befte t^un ffir bie l^ier Verfud^te 
ß^aralteriftif ^auferS, mit bem i^ felbft (eiber ju fpftt 
unb ju fur^ Verfe^rt l^be, um i^n auS eigener ftenntnid 



I 



i 



270 &• Qonslid. 

me^T ate btog onnfi^ernb ju [d|ilbem. Sfiet trie enoa^Rten 
Sriefe, tDelc^e mit Raufet« @o^n 3ofet>E| im Origiital 
mitteilte, mit bem auSbrüdli^en SSunft^, fie att 9}fateria[ 
^11 biefer ©tijje ju benfl^n, toerfen ein ^eOeräR unb ft^f nereS 
:L'tc^t auf t^ranj $aufer, als tu irgenb toelc^e biograp^fi^ 
S^emSIiung bermBc^te. SERan brauet nur einige bei ytlfU 
reidien IBriefe ÜRenbelSfo^nS an ^ufei ju lefen, um inne« 
junierben, yoiiä) feltenen fißnftler unb gdiiegenen S^coltet 
Tieutfc^Ionb an ^ufei tvrloien ^t Seiber ^t biefer 
|e[bft in feinet 99efc^eit)en^eit nic^t bie genngfte üuf^eic^- 
niinQ fetnei @rU6niffe gemalt, nic^t einmal fibei feine 
miebei^olten Begegnungen mit fBeet^oben unb ®oet^ übet 
fein fminbf<f|aft(it^ 3iifatnmenle6en mit Xied, SaruS, 
ben Stöbern @rimm, <S~ 8W. ffieber unb anbeten. Son 
feinen eigenen SBriefen mar ni^tS oufjutttiben; fte galten 
für fo originell unb reii^^aftig, bag SKorig ^u|>tntann, 
fetbft einer ber geiftboßften fflriefft^ttibet, bie Snhinft febeS 
^lauferf^ien EBriefeS „einen ^^fttag" nannte. 

^ gebe nun ajiS ben Briefen' bon ©e^belmann, 
SeniiQ £inb, Otto ^E|n unb SRenbelSfo^n^Bart^oIbq eine 
?luSliia|( bon ©teQen, bxlc^ mir foUo^I fQr Raufet aU 
für bie Btieffc^reibei felbft c^talteriftif^ erf^ienen, unb 
melc^ ein befonbetefi Snteteffe fi^on babun^ fstan^pta^ 
fönnen, bag fte soi mit nid^t betOffentlii^t tooiben finb. 

IL 

(Stlefc Don Scqbelmoim, goinq Stnb unb OHd So^il) 
2>er betaigmte ©diaufpieln JlatI ©e^elmann, am 
^.^raget X^tet juglei^ mit ^ufer engagiert, blieb biefem 
3eitIebenS in burmet Steunbf^aft juget^n. Sl^it ©tarnet) 



Briefe Sey^elmann^ an Qanfer. 271 

fie^t er i§n üon ^ag nad^ Staffel fiberfiebeln unb fenbet 
i^m eine Steige üon ^Briefen, beten gleid^mdgige fetnfte 
^erlfd^rift mand^mal ton bem timi berben ©d^auffrieler« 
l^umor beS Sn^alteS abftid^t. 3m Saläre 1825 finben toxi 
©e^belmann in Staffel engagiert, Don too jeboc^ ^ufer 
bereits na^ S)redben abgegangen loar. @e^be(mann ffil^It 
fi^ balb ungtüdEKd^ in Staffel, „loo aSeS StonDenienj ift, 
nid^tS StrAftigeS, nid^td ©effil^Ited, nnr aßigtrauen unb 
Stftite''. (£r fragt mieberl^olt, ob er nid^t beim 2)reSbener 
S^^eater anfommen !&nnte — ^ic^ beneibe @ie um Xiedd 
fRäfftl" 3m Saläre 1828 loar Sörne ac^t Slage lang in 
Staffel. „& l^at i^m fo gefallen,'' fd^reibt ©e^belmann, 
p,bag er mid^ aufmunterte, lieber ^eut' als morgen baoon» 
Suge^en/ $erf6nlid^ unb eine SDlenge 3:^eatergef^id^t« 
d^en füllen gumeift @e^belmann8 SBriefe;"^ too Stunfturteile 
üorfommen, finb fie emft unb ftrenge. @o fagt er Don 
bem beräumten Xenoriften ^ranj 9SiIb (1825): ^äBilb 
ift fein ftflnftler; ein feltener ©dnger, ja, aber bod^ ein 
Stomfibiant. @ein S)on Suan bered^tigt ^u bem S(u8f))rud^.'' 
©e^belmann tabelt nun baS „f^mfi^Ii^e Sßerfa^ren'' 8BUb8, 
bie ä^elobien }u finbem, ju t)erung(impfen, obenbrein in 
ber t^enfterfcene ein Slriettd^n einzulegen. 92ur ali Othello 
finbet er äßilb ^inreijsenb. 9Zo^ ftrenger erfd^eint und 
©e^belmannd Urteil über bie grojje ©^aufpielerin @o))^ie 
@d^r0ber — ein Urteil, baS febod^ gu oiel S^reffenbed 
ent^dlt unb ^u el^reuDoDed 3^9"^^ 8^^^^ f^t ben fettenen 
@mft pon ©e^belmannS Stunftanfd^auung, als bag eS ber 



*) ®o enbet ein langer 8rief ®e)^belmannS (l^affel 1825) mit 
ber 92a(4{4rift: ^Um «otteSviOen! %>a (dtte i4 (alb baS IBi^tigfte 
))erge{{en: Subioig S5toe ge^t mit 'nem Sc^nnnbart ^eruml'' 



272 ^^- Qanslirf. 

SBergeffen^t an^ettn^ufallen t)erbtente. @r \ä)mbt an 
^ufer Aber bie im Sa^re 1825 in Staffel gaftierenbe 
SBtener $offd^auf)neIenti: «Suc^ aßabame ©d^röbec ift 
{eine Stfinftlerin. 2)aS Hingt nun freitid^ ganj entfe^i^ 
iDenn man t)on biefer loeltbebinnten S)ame f))n^t. 9Ri(i^ 
ffinnen aber anberer äßeinungen nid^t gut üerbififfen. 
Sigenfd^aften, ftflnftlerin ju fein, finb bei toeitem nic^t bie 
@ad^ felbft, unb SRabame ©d^rSber ^Vi berfftumt, feltene 
®aben fünftterif^ )u bilben unb ju einen. S)ag fte in 
ber 9teil^ beutfd^r @d^auf))ielerinnen, bie mit i^r in einem 
t$a^ iDirfen, al8 bie beffere, atS bie befte meinetmegen 
bafte^t, fann il^r boc^ unmfigtid^ fd^on baS $r&bifat ber 
Stünftlerin ertt)erben ; in bief em ^K to&r' \a ber Sin&ugige 
unter ben SBIinben ein DdQig ®efunber. äßabame ©d^rfiber 
ift nid^tS afö eine glfidlid^e, eine feltene 9laturaliftin. 
@e(tened Organ, feltene ftraft unb Stauer, l^igeS fßlnt 
(unb nid^t ®emfit!), ®efd^d( im Suffinben unb ^infteQen 
fogenannter ShtaQeffefte, ein ungef&^i:e8 ^^ffen i^rer Stuf** 
gäbe, ^in unb toieber au^ ein feiner 3^8* ^^^ ^f^'^^ ^^'^^ 
ic^ au8 i^rem @pkU erfannt. 3beat finb il^re Seiftungen 
mir feineiSmegS erfd^ienen: ed belebt fte eine ftraft (bie 
übrigens tt)eit me^r Dom Teufel als Don Oben ftammtOr 
fid^ über bie SQIt&glic^feit ju l^ben; bod^ gilt bied nur 
Don |[ugenblid(en — biefe Sugenblicfe nun Derbiflffen unb 
— ^)futfd§I finb bie Äenncr (!) toie bie Saien. SWir aber 
gelten berlei Sugenblicfe nid^tS, gar ni^tS, toenn fie fid^ 
5um Übrigen Der^alten, toie ber Settelfad( jur furfärftlidg 
^effif^en ©d^agfammer. (Sin mittelm&jsigeS ©anjed — 
mug eS und nid^t lieber fein, ati ein Slafaelfd^r ftopf 
auf einem miferablen Stumpf? An einem fd^önen Äunft» 



Briefe von K. Seybelmanns. 273 

geMIbe barf ni^tö unfc^fin fein, unb toenn i^ nun ein 
angepriefened ftunftoerf jener l^o^gepriefenen S^u gefe^en 
]§atte, fo tonnte id^ mit i^r nur groQen, bag fo f^fine 
®aben glei^lDOl^t terf^ioenbet finb/ — ©e^belmann fd^ien 
eS nid^t befd^ieben ju fein, irgenblDO bauembe SBefriebtgung 
)u ftnben; in feinen f))äteren ^Briefen flagt er über aßann« 
^eim unb Stuttgart, toie frül^er Aber Stoffel. Stö ®runb, 
iDQrum er 1832 f^on jum jtDeitenmoI um feine (Sntlaffung 
üom Stuttgarter ^oft^ter gebeten, nennt er ,,bie über« 
l^nbnel^menbe ©d^ärsen^errfd^ft" einer bamalS berühmten, 
bem t)erftorbenen StSnig fe^r na^efte^enben Stünftlerin, 
Slmalie ©tubenrauc^. ,^9limmerme§r fann id^ biefer SBirt« 
f^ft ^utbigen. Unb baS fd^Iimmfte Don biefem dffent* 
li^en ©e^eimniS ift: man barf '8 nid^t nriffen!" äBien l^ieg 
Don ie|t an bie ©e^nfud^t ©e^belmannS, loie Dorbem 
Bresben ©einem ^reunbe ^aufer mar ed üergDnnt, mo« 
nad^ ©e^belmann fo lange Dergebli^ ftrebte, eine mürbige 
©tfitte feiner S^&tigfeit juerft in S^reiSben, bann in SBien 
}u finben. 

@e^r intereffant, d^arafteriftifd^ ffir bie ©d^reiberin 
mie für ben @m^f&nger, finb bie ^Briefe Senn^ SinbS 
an Käufer. @d f))rid^t barauS jened tiefe f^unbfd^aftS« 
gefügt, jene bid jum gerben ftrenge äBa^r^aftigfeit unb 
9RoraI, toeld^e mir an biefer Stünftlerin fennen. SBir be« 
greifen, mie treu i^r j[eber anfing, ben fie einmal in i^r 
^erj gefd^Ioffen, mä^renb faum jemanb, bem nur ein ober^ 
flä^Iid^r SSerfe^r mit 3enn^ Sinb Dergfinnt mar, fie 
„(iebendmürbig' gefunben l^t. ^mnt) Sinb brad^te bei 
i^rer erften Stunftreife na^ äBien einen Empfehlungsbrief 
Don 9Renbeföfo]§n an Käufer unb Derfe^rte Diel unb gern 

^anilid, Vttl neuer unb ncuefter 3eU. 18 



274 ^« Qansltcf. 

mit le^terem. SBalb na^ il^rer SCbreife t>fm 9Bien beginnen 
i^re SBriefe, beten gtoge ungefüge Soteinf^rift in nic^t 
aüffi, leferlid^n Q^%tti unb nid^t aHju forteftem 2)eutf(^ 
eigentümlid^ ju un8 f priest i^Sc^ ^be oft, feitbem id^ 
t)on Sßten fort bin, an @ie gd^d^t'', fc^bt fie cui 
S9remen im Suni 1845, „unb oft im ®ebanfen an ©ie 
gefd^rieben — aber nun !ommt eS auf einmal koieber 
fo mit ©enmlt über mid^, bag mu^ 3§nen fprec^en mit 
ein fd^Ie^ten t^er, fc^Iimmed $a|)ier unb in beutfc^ 
©prac^e! Sber toai fc^abet bad %IIed, toenn man an einen 
aRenfd^ f^reibt Sä) §abe toaS auf'8 ^rj, unb boS nrill 
ic^ 3§nen otbentlic^ etjä^Ien, aber ju aUererft: ic^ ban!e 
3§nen für bie 3^^ ^^^ ^ ^^ SSien toar! i^ banfe 
Sinnen bann au8 ))onftem ^erjen für bie O^teunbfd^aft, bie 
@ie mir gegeben unb beioiefen. 3d^ banfe S^nen, bag @ie 
mir er!annt, ic^ meine, bag fte gleich auf ber @telle be« 
mertt, bag auc^ mir ber liebe ®ott ein ^^erj gegeben! unb 
nun fommt meine Srjä^Iung: id^ §abe @ie innig l^erilid^ 
lieb getoonnen unb fü§Ie mit SBeftimmt^eit, bag ic^ @ie 
nie in meinem Seben loerbe ^ergeffen fönnen, unb bag @ie 
ju benen (ge)§dren, für bie i^ toof)l ein großes Opfer 
mad^n fdnnte, toenn eS barauf föme! ®o, nun bin ic^ 
gleich leidster ju Wtntff^ ©tauben @ie nur nic^t, bag ic^ 
irgenb ein SBrief ober Slntioort Verlange, ober bag @ie 
eine Sorrefponbenje auf bem ^Ife befommen l^aben. Stein, 
bad ift |a nid^t nfit^ig, aber bod^ mS^te ic^ boc^ einmal 
^örcn, nrie eS 3§nen aOe ge§t! @ie ftnb boc^ too^t in 
SSien näd^ftcn SBinter? 3)enn loie foQ ed benn gel^n, 
toenn id^ nic^t 3^r freunblic^eS ®eftc^t auf ber Sül^ne 
jumeilen ju fe^en !riege, ober 3§ren ü&terlid^n 9Iat^ ober 



Briefe von Jenny finb. 275 

bcrglcid^n? «m K^cin toar eS fd^ön! Die 3ett ift fe^r 
fel^r fc^neK ))oräber gegangen, aber fie lebt bod^ in frifc^en 
färben in mein banfbared ^erj. S)enn baS größte ®Iü(f 
bleibt boc^: Steine (Sble 9ßenfd^n§erien ju finben. 9d^! 
baS Seben ift fc^fin, ha& Seben ift reic^. Z)aS ^[nbere 
(3enfeitS) mu^ aber tttoai ruhiger unb länger koetben, 
fonft bleibe ic^ lieber ^er! ®ott befc^ü^e @ie! $ür immer 
Sl^rc treu ergebene Senn^ ßinb." 3)ie näd^ften ©riefe finb 
fc^on nad^ iTOünc^en gericbtet, tDO ^aufer S)ireftor beS 
ffionferüatoriumS getoorben toar. ^©inb ®ie noc^ franf ?** 
fragt Senn^ ßinb. „3a, \a — hai ift eine bfife ftranf* 
^t, loenn man fic^ nad^ irgenb tttoa^ fe^nt, befonberS 
nac^ bem 93ater(anbe! fiä^ toarum finb bie meiften 
äRenfd^n enttoeber bumm, boS^aft, neibifc^ ober o§ne bie 
geringfte ^uffaffung? SBarum §aben alle nic^t fo ein 
®ebirgegemüt^ toie }. S. ®affer, für beffen ®effi^le unb 
^eugerungen i^ nieberfnieen fönnte, fo rein unb §imme(d« 
blau fommen fie alle \fmini\*) SSie neugierig bin ic^, 
ju fe^n, loie ber liebe ®ott bie ÜRenfd^ clafftren toerbe 
einmal. ^ gibt'8 eine fc^öne @efc^ic^te. D ^^ebe! D 
ftiSe jurüdEgejogene ^äudlid^Ieit! SBann Koerb' id^ in beine 
3:^ure eingelaffen !" 

S)er l^erilid^e freunbfd^aftlid^e Xon bleibt ftc^ immer 
gleich, aud^ in folgenben Briefen, bie Senn^ Sinb ju 9n« 
fang beS Sal^reS 1847 au8 äBien an f^aufer fd^reibt. „fftan 
fc^reiben unr alfo 1847! ^a, aUed ge^t in ber SSelt — 
unb @iebenunb))ieriig toirb tooljli aut^ gelten. iIRfigen @ie 
fro|, gefunb unb glfidKic^ bleiben, unb mögen @ie über« 

^u^t ed fo ^aben, tvie id^'8 S^nen loünfd^. Slber Sie 

« 

*) (Sd ift bei SSUb^ouei ^annd (S^affec gemeint. 

18* 



276 ^' QonsKcf. 

iDtffen jJQ, man !ann nur boS Sefte für feine ^unbe 
^offen unb loünfd^, boS Seiben lann man bennixi^ nid^t 
immer ))orbeugen! SBol^n loerben a6er bie Sßtener jule^t 
fommen, befter ^ufer? di ift ju toH 3d^ toar geftem 
im Jt&mt^nertl^or (ober nne fd^reibt man baS SBort) unb 
l^firte Stöbert nun ed ging f o f^ftnblic^, bag id^ toeig feine 
SBorte baffir. '2)ie ^affelt^SBart^ fang Slicel unb bie 3err 
bie ^rinjeffin, o bu mein ^immell unb boS publicum 
f^at geraft! 3d^ jittere nod^ l^te, koenn ici^ an bieS 
Xremulanbo ^on biefen beiben S)amen benfe. Z)a8 ift 
unf're je^tge ftunft! & ift inel beffer in 3Rfind^, unb 
fogar bei ^ofom^*) ift eS tnel beffer. ®ott fei S)anf , id^ 
bleibe nid^t lange.'' 

am 20. f^ebruar 1847 fd^reibt Senn^ Sinb fe^r auf« 
geregt über bie burd^ Sola äßonte} §eraufbefd^loorenen 
Unruhen in äJ'Nlnc^en, üon loeld^ ^ufer i^r eben 9{ad^ 
rid^t gegeben: ^^ !ann Sinnen ni^t befd^reiben", ruft fie 
avä, „toie mic^ bie @ad^n aufgeregt! 3ft benn aSe 83er« 
nunft auSgeftorben? unb fann man benn fo eine ganje 
Station loegloerfen! & ift traurig. ®ebe ®ott, bag ba 
balb toai gefc^iei^t — aber balb — unb bag @ie in toller 
9hi^ bort bleiben Unnen, unb ba^ irgenb eine 8er« 
finberung eintreffe unb @ie n^ieber t>x^6äft nad^ SSien 
fdmen — fo |>affen Sie mal auf (toie ber S)effauer immer 
fagt), bann l^eirat^e id^ ^er in 9Sien, bamit unr jufammen 
bleiben, ©onberbar, n)ie eS nur in ber Ie|ten QAt fonber« 
bar gel^t! @o ))iel ©pectafel in Sonbon, bag id^ lieber ic^ 
toeig nid^t toai t^ue, al8 ^injugei^en, unb nac^ Tt&n^Sfm 
ju ge^n nnrb ie|t bc^benllic^. ®ott behüte @ud^ t)or 9te« 

*) Syheftor M ^S^eaterd an ber SBien". 



Briefe von 3ennY £mb. 277 

t)oItttU)n; bie @qc^ tft ju \cabtbi unb fotbert gtoge 
Opfer, e^ eS nrieber gut gel^n tonn. 3ft benn fo un« 
mdglid^, bieS t)etIorene SSefen toegsubruig^n, tobt ober 
lebenbtg — einerlei? 9{etn, boS ift toal^r, ettooS %e^nlid^ 
^t man nie erlebt; !eine 3^^ f<> fc^Ied^t fie aud^ toar, 
t>ermag etnxtS 9el§nfic^e8 aufjun^eifen !" Son ber ^olittf ge|t 
bie SBrieffieHerin nun jur ftunft fiber unb berid^tet t)on ber 
erften «ufffi^rung ber „®ic«a* im ©iebener Sweater.*) 
py^e Oper ift fe^r gut aufgenommen toorben unb 
aRe^rbeer ftfirmifd^ empfangen. ^ l^atte eine fold^e 
Stngft, bag id^ ftodE^eifer toar, unb begreife nid^t, bag man 
mid^ nic^t auiSgepftffen f)at ^e Oper enthält t)iel ©d^öneS, 
etnxtS lang — aber je mei^r man fte ^firt, befto me§r t)^^ 
ffil^nt man ftd^ bamii ®ag' id^, ba^ bie Oper fär bie 
SBiener fo etgentlid^ pa§t, fo Ifige id^, aber fie ftnb Sdle 
in fold^er Slufregung, bag Ifie nod^ nic^t loiffen, loie eS 
jufammenl^ngt 83on V2II U^r an mar ber ©d^aupla^ 
beinahe gefüOt, unb alfo beinah breigel^n ©tunben finb bie 
9ßenfc^en bagefeffen! Oh Dieuü 3d^ fe^ne mid^ fo nac^ 
bem t^rül^Iing unb üon ber 83fi^ne! 9lad^ jeber Sor«* 
fteHung nimmt biefer 9Bunfc^ bei mir ju. 2)ie Sntriguen 
in Sonbon toiH id^ nic^t mitmad^en; in biefeS SIenb 
l^injüge^en, fäSt mir nic^t ein, benn eS toarb gettri^ 
um mi^ gefd^e^en, bied Sdled fann mein %aUxA nic^t 



'') ,,!BieI!a'' ift mit leidet gefinbettem %ttt biefelbe SRe^erBeerf^e 
0))er, bie ald ^gfelblager in ©^lefien" ^uerft 1848 in »erUn 
einigemal gegeben toorben mar. ©omo^I «,8iel!a'' (in SBien 1846 
mit ber ^tnn\) Sinb aufgeführt), mie boS »Sfelblager in ©Rieften" 
mürben balb t>om Ibmponiften jurfidgegogen unb pi ber breiattigen 
Oper ^S)er 9{orbftern'' umgebilbet, meiere (mit Zti^ t>on ®cribe) 
i6re erfte 9(uP(rung in $arid (16. gfebniar 1854) erlebte. — 



278 ^' ^cmslid. 

tragen! §cutc ift »ieber bic ,,a3iclfa" — ®ott ftc^ und 
»Den bei!- 

3)iefe Slbneigung gegen Sonbon t)er!e^rte ftd^ bolb in 
hai (Skgenteil, benn nod) im felben 3a§re (Huguft 1847) 
fc^reibt Senn^ Sinb t)on bort an ^ufer: „^ä) ^be eine 

fc^öne 3^^^ ^^^^^ u^ ^^ ^fi ^^ gelungen baS ganje 
Sweater auf meinen ©d^ultem ju tragen unb baS ift 
meine einjige (Sntfd^ulbigung ttmrum id^ nid^t gefc^rieben. 
3ci^ l^abe fe^r t)iel gearbeitet unb bin au^ reic^Iid^ be« 
lol^nt, benn baS ^iefige ^blicum be^anbelt mid^ n)ie i^r 
Shnb! unb id^ finbe bie (£ngI5nber baS banfbarfte $ubli« 
cum baS ejHftirt. 9J{it ber 9{ad^ttoanbIerin §ab' i^ be« 
fonberS ®IädE gemad^t unb tuir l^ätten biefe Optt aUein 
geben (fdnnen) bie gange @aifon. ^I>ie ftfinigin ift fe^r 
gnäbig unb lieb gegen mi^ geloefen, bie SRutter ®rift 
aber — fie mag mir gar nic^t leiben." 

(Sine lebhafte Aorref^onben) t)on burd^auS emftem, 
meift muft{n)iffenfd^aftlid^em 3n§alte berbanb ^aufer mit 
bem trefflid^n iD2o2art«$Bii)gra|)§en ^rofeffor Otto 3a§n. 
(Sin ^ädd^en 93riefc t)on le^terem liegt un8 t)or, fie reid^en 
Dom Sa^re 1853 bi8 1868 — immer biefelben unberänbert 
feftcn, fauberen ßüflc, bie engfte, fleinfte, oufred^tfte^enbfte 
aUer Stabenfeberfd^riften! @ebaftian SBa^ unb bie Mu^ 
gäbe feiner äßerfe burd^ bie „9ad^®efeIIfd^ft'' bilben ben 
@toff ber erften, noc^ auS 3a^nS Seipjiger 2[ufent§alt 
ftammenben SBriefe. ^aufer toax, tok fd^on erlo&^nt, im 
iBefige ja^Ireic^er fe^r u^ertüoQer unb feltener i^SBad^ica"; 
ed loirb t)on @eite ^affni um iTOitteilung berfelben ffir bie 
„95ad^®efcIIfd^aft'' gebeten, auc§ um SRat in betreff einjelner 
Sac^'Sbitionen unb S(utogra|>l^e. Sal^ng Briefe bleiben 



\ 



Briefe von ©tto Jaljn. 279 

meifiend ftreng bei ber @Qd^ bixi^ eittl^Iteit einige boüon 
aHd^ mond^ ttriHfontmene Slbfc^ioeifung unb feine felbft&n« 
bige Semerfung: ^rSßenn @ie nici^t ein fo lebenderfal^tener 
SKcnn ttAx^n", a)ooftro))]^ett er einmal feinen ^reunb 
ißaufer, ,,tDurbe id^ 3|nen eine fd^ne Sntfd^ulbigung f^n* 
fe|en, ipanim ic^ erft je^t fd^reibe: fo ober itt)eif{e ic^ nit^t 
im minbeften, bag @ie genau tviffen, nne ed juge^t, bag 
man ju j^m alle feine IBriefe in ®ebanfen, aber leinen 
mit ber ^^er f^reibt SBarum ffat man nod^ feinen ®e« 
banfen'XeIegra|)^en erfunben? äJi^an mirb ed gen^ig, aber 
l^offenttic^ erleben toir eS nid^t me^r, loo foSte man üor 
lauter ®ebanfen ^in?'' SSä^renb 3a^n nod^ an feinem 
^^aRojart" arbeitete, befd^ftigte i|n befanntlid^ fd^on ber 
Pan einer fpäter ju t)erfaffenben 99eet^ot)en«99ii)gra))l^ie. 
2)arauf bejie^t fid^ folgenbe ©teSe au8 einem SBrief« Sa^nS 
t)om 19. 3uni 1858: „^ai @ie fiber bad SSerl^ItniS 
9J{o)artd unb 99eet^oüen8 anbeuten, interefftert mid^ leb« 
l^aft unb ^at mid^, loie @ie beulen ffinnen, lange unb 
lebhaft befd^&ftigt 3n SDJojart fann id§ fte faft ganj 
umgeben unb t§ue eS abfid^tlid^, loeil id^ fo loeitgreifenbe 
t^ragen nid^t gern abftraft, fonbem t)om Jtonfreten aud 
unb in il^rem ganjen (ebenbigen ßufammen^ange bejuble; 
bei Seet^üen liegt bie t^rage notioenbig t)orp unb mir 
graut bat>ox, nic^t meil id^ mid^ fürd^te, offen ^eraud» 
jureben, fonbem n^eil fo ettt^ad nid^t blog ©d^loeig, fon« 
bern ^erjblut foftet 3^re ®egenfä^: Stalienifd^ — beutfd^, 
afabemifc^ — nid^t afabemifc^ ftnb geurig treffenb, aber id^ 
meine, man mu^ nod^ weiter hineingehen, unb id^ ipei§ 
nid^t, toie loeit @ie mitgel^en. Wtix fd^eint, ber alte nie 
enbenbe Jtam^f um bie ^rei^eit bed 3nbit)ibuum8, ben ber 



280 ^« ^an§lxd. 

^ttmaniiSmuS, bie Sieformatton, bte SteDoIution u. f. to. an 
anbeten ©teSen ber geifitgen ^siftenj begonnen ^aben, ben 
^at Seetl^ot^en in ber äRuftf aufgenommen. Wt (Smft 
unb 993a|rl^t untemel^men baS nur groge Staturen, unb 
nod^ l^at eS feiner get^n, o§ne bie ®efa^ren aufjubedten, 
bie eS il^m unb feinen 9lac^fa§ren bringt 3d^ glaube, 
feine ®r0ge unb feine ®äjitoSiä)m liegen in biefem Aeime 
notn^enbig befd^Ioffen, barum jeugen auc^ feine ®äjiaAä)tn 
für feine ®rfige. Statfirli^ trauen @ie mir nid^t ju, ba§ 
ic^ i^n ffir einen 91abifalen in Sleligion, ^olitif, $|iIo« 
fo^^e, nebenbei auc^ in 9Rufif l^alte, Une man je^ ju 
fd^magen Hebt, id^ fpred^e t)on feiner innerften funftlerifd^en 
Statur. 9ber, befter ^reunb, baS ift ein Wtwc auSjutrinfen 
unb nic^t» für einen ©rief/ 

3e§n Saläre fpdter (1868) forrefponbieren bie beiben 
^reunbe über bie ^rauSgabe einer SuSUKi^I Oon Tt. 
Hauptmanns {Briefen. ?flaäf bem ^be biefeS berühmten 
aßuftt-X^eoretiferd ^atte 3a^n fld^ entfd^Ioffen, eine S(uS< 
ma^I t)on Hauptmanns IBriefen ju Derfiffentlid^n. «3c^ 
benfe, baS fann unb .foQ ein ^t^ toerben, loie eS nid^t 
üiele giebt!" Hauptmann bat mitunter feine treffenbften 
Urteile, feine geiftreic^ften KuSfü^rungen in freunbfc^aft« 
li^en 99riefen niebergdegt unb t)ieneid^t feine foftbarften 
©riefe n^aren an H^ufer gerichtet'*') 

Sa^nS legter f urger ©rief an H^ufer (au8 Sonn, ben 
15. Suni 1869) mac^t einen tiefloel^mütigen SinbrudE. ^©ie 



*) «rSciefe t)on 9Roiifr ^aufitmann, J^antor unb Vtu[\U 
bhreftoi an ber 2:i§oma8f(iuIe in fieit)5ig, an gfran^ Raufet'', 
(herausgegeben t)on Dr. Wfreb Sd^öne. ßnei Sfinbe. Sit\pii\q, 
fßxt\tfop\ & ©ftrtel, 1871.) 



Briefe von (f. menbelsfof^n. 281 

mad^ f^äi", 6egümt et, ^eine falfd^e SSorfteQung ))on 
meiner (Stefunb^, lieber t^reunb, txmin @ie ntid^ auf 
etitem 9Rufiffeft ))enmtten. @eit melieren Surren l^aBe 
ic^ mi^ ^on allem focialen unb uriffenfd^aftlid^ Umgang 
unb SeiAel^r ganj surficigegogen nnb lebe gan) ifoliert. 
3Rn[ü ^abe ic^ feit brei Salären leinen Xon gei^firt unb 
n^erbe feinen urieber ^ören. SBefonberS in biefem Sa^re ift 
mein 99eftnben fo gef unfen, ba^ ic^ mit SRu^e ben $flic^ten 
be8 9[mted nad^fomme. 3)a fte^t eS nid^t gut mit ^u^t« 
mannS 99riefen avA, bie t^rifd^e unb ^^rei^eit unb Sh:aft 
t)erlangen; loxtSUxd^t §ilft ber ©ommer nixi^ ttmi nac^" 
S)er @ommer ffot leiber nid^t nad^ge^olfen: ber unoergeg» 
lid^e unb unerfe^lid^ iDtonn ftarb u^enige SBod^n nac^ 
jjenem Briefe. 

in. 

(SSriefe t>on gr- fOttnhM\o^n.) 

3u ben anjiel^bften, rfi^renbften Of^eunbfd^ftSkier^ 
§ältniffen 5ttnfd^ ftunftlem gel|firt ba8 SBfinbniS ^ufer8 
mit ^ijr 9Renbel8fo§n«SBart§oIb9. 83on ben mir im 
Original t^orliegenben 47 SBriefen SDtenbelSf ol^nS an ^ufer 
ift ber erfte t)om 16. Kpril 1830 batiert, ber le^te t)om 
27. ®e)>tem6er 1846, alfo furj t>ox bem 2j)be beS ©d^reiberS. 
Snner^alb bief er langen 3^*^ in n^elc^er ben Beiben ^^reunben 
nur feiten unb für loenige Sage ein SEßieberfe^en gegfinnt 
UHir, ftrfimt faft ununterbrod^n ber l^erjlid^fte IBrieftoed^fel. 
SBie aßenbetöfo^nS Sriefe bie ganje Siebendtvfirbigfeit 
unb feine S9i(bung beS ©d^reiberS atmen, fo f{figen fte 
auc^ für ben @m})f&nger ben n^drmften Stnteil, ia ben 
grfigten 9{ef))eft ein. 



282 ^* Qanslicf. 

3netft tft ed ©ebaftian »a^ ber muftfaltf^e Stbgott 
beiber ^eunbe, iDotion 9Renbel8j[ol^n (SerKn 1830) [treibt, 
jim&d^fi mit SSejug auf bie äRattl^ifd^e ^fftonSmuftf, 
ani tDdd^er ^ufer Sinjelned in SBien auffuhren ^firte. 
»SBirb beim/ fragt STOenbcÖfo^n, ^bort nie eine üoH* 
ftänbigc «up^ntng ju ftanbc lommcn?-*) ^3m «n* 
fang tootttc (in SBcrIin) feiner baran, fie meinten, e8 fei 
}u t^ertmrrt nnb ganj unfinnig fc^loer. S)o^ fci^on nod^ 
einigen groben ipar baS aOeS onberi^ geioorben, nnb fie 
fangen mit einer %nba^t, aß ob fie in ber ftird^e aären^ 
©0 gingen benn aud^ bie beiben erften Äuffü^ngen 
ganj l^errlid^, unb e8 jeigte fid^ loieber, bag ba8 ^blifum 
immer gut ift, loenn man ii^m nur bai^ ®nte giebt^ 99alb 
nad^ bicfem ©riefe fam SKcnbetefol^n, auf ber Steife nad^ 
Stauen, felbft nac§ SBicn unb too^ntc bei Käufer in ber 
^Särenmül^Ie* auf ber SReuen SBiebcn. S)iefer Aufenthalt 
bei ^aufer ift i§m unberge^Iid^. ,,®ie l^aben mir toieber", 
fd^reibt üRenbelgfo^n au8 Slom (1831), „einen göttßd^en 
S^oral t)on SBad^ gefd^idEt nnb felbft gefd^rieben, unb bad 
®anje fie§t fo jierlic^ unb nett unb boc^ geleiert auS, n)ie 
mein ß^ii^ni^ ^n ^^^ „Särenmfi^Ie!' Unb auS ®enua 
l^ei^t eS einige 9Ronate \p&ttt: „@ie glauben nid^t, tine 
id^ tftgßd^ mit 2)anfbarfeit an bie S^age benfe, bie id^ bei 
3^nen im Sfid^er^immer mit t)ier (jfenftem loo^nte! @ie 
^aben mir eine fe^r fro^ 3^^ gemad^t, unb fo lange 
mir bie Erinnerung baran bleibt, fo lange loerbe ic^'d 
S^nen banfen. ^aS mfid^te id^ aber gar ju gern lieber 
einmal mfinblic^ t^un unb mfid^te n^ieber einmal einen 

*) S)iefer 3Bunf4 tourbe erft 82 ^a^re ]p&iti erfüSt, burc^ bie 
erftc ©lener ?luffü^rung ber ^SRatt5äu«=$affion" im ^o^re 1862. 



Briefe von 5* 2neit5eIsfoi{n. 283 

orbentlid^en SDtenfc^en fe^n, eine otbentlid^e @tiinme 
^ten ttitb otbentltd^ 9ßufi! machen fönnen. ^ter im 
falten Stolien giebt eS bergleid^en nic^t SBettiunberung 
nnb SSerel^tung ^at man tioKauf t)on ben SDtenfd^en, aber 
!eine ^^renbe. @ie ftnb ^erabgefunlen ober tnelmel^r fie 
finfen täglid^, unb baS ift ein Sammer mit anjufel^en. 
S)ag fie !eine Sßa^rl^t unb leinen ^elbenfinn l^aben, 
tt)ugf iä) fc^on Tfingft. 96er ber greSe Sßiberfprud^ eined 
nxinnen, blü^enben, |>l^ntaftifd^ fci^önen SanbeS über aSe 
Sänber, mit falten, trodenen, firmlid^ ))^Uifter]^aften9ßenfd^en, 
nnter allen anberen SBSIfern, bad l^ätt' id^ mir nid^t fo 
arg gebadet. Sßenn man mit einem Keinen Sungen fpric^t 
t)ber ftinber nur anfielt unb ba nod^ baS alte ^tatt, ben 
alten ®eift unb bie fiebenbigfeit ^erüorfprfi^en fte^t, unb 
bann bie filteren^ benen aQe Slid^tung, aJk ©efinnung fei^It, 
bie fo burc^ unb burc^ fittlid^, alfo aud^ geiftig t^erborben 
finb — man möchte juttieilen traurig barüber loerben, unb 
bann feigen SBerge, SBoume, SReer unb Snfeln fo läc^elnb 
b'rüber l^erein unb blidEen fo ^ter mtb fo fd^n, tro| 
aOem @Ienb um fie l^erum; ed ift ein fonberbareS S3i(b. 
3)aS erflfirt auc^, n^arum eS el^emalS bad Sanb ber ftunft 
toar; bie ^Ät ift Ifingft t)orfiber, unb ob fie n^ieberfommt, 
toeig feiner tion und. @oQten @ie aber toiol^I beuten, bag 
id^ eine unglaublid^e ©e^nfuc^t nad^ irgenb einem gefunben 
Xon, einem fd^önen ftlang §a6e? SBad boS Slolf l^ier 
fingt, ift fo entfe^Iid^ barbarifc^, bie Stimmen fo unrein 
unb gemein rol^, bag man geioig benft, ^ier fommt ein 
SBetrunfener, ber taumelt, bis man merft, ber 9Rann fei 
ganj nfi^tem unb finge eine ber berühmten SSarcaroIen." 
d^nlid^ jtlagen, ftetS abloed^felnb mit ^lid^en 



284 ^' ^anslid, 

©d^Uberungen ttaliemfd^r (Scgenben, tmeber^Ien ft^ in 
ben {Briefen onS ^Hom, ^on um avA 9Renbetefo^n unter 
anbetem ^ufer tmberrSt, ein (Engagement in Stoßen 
an^unel^en. ^2>ag fein 9Renf(i^ |ier eine X^nnng Don 
S^nen ^6en fonn, bobon bin id^ fibetjengt ^baS SBefte, 
xoai (Sie ^aben, t)erfte^t l^er !einer, unb baju ift boS 
Slepertoire fo unglaublid^ flein, fo nur auf SeUini be^ 
fcl^rSn!t, bog eS S^nen unntfiglic^ auf einige 3^ nur er« 
tr&glid^ fein fona SSiffen @ie n)O^I nixi^/ fc^Iiegt 
aRenbelSfo^n einen {Brief avA 9tom t)om Ttixi 1831, „bag 
ic^ an Syrern ftlatrier einmal eine ©teile a\a ®oet^ 
«rSrfter 9BaI))urgidnac^t'' fom))onierte: „Sbo^ ift ed Sag, 
fobalb man mag ein reineS ^erj bir bringen/ unb bag 
iäi ®ie na^^er fe^r bamit qu&Ite, inbem id^ eS S^nen 
immer Uneber t)orf^ieIte? SDtir baut fit^ ba8 ^ng nun 
Sufammen, unb id^ toerbe ba8 gange ®ebi(i^t a\i eine neue 
©orte t)on Stantate Iom))onieren, für (S^re unb gro^ 
Drd^efter; ed fann bunt genug loerben, benn ed ftnb prd^ 
tige Elemente bann." Sntereffant ift au^ bie 9RitteiIung 
9J{enbe(8fol^n8, ba^ et ein neu lom^^onierteS Sieb an ^aufer 
fd^en looSte, aU U)vx gum ®IädEe einfiel, i,bag aKe 
SBriefe, bie ic^ auS ober nad^ Öfterreid^ gefd^rieben l^tte, 
mit Stoten barin, nid^t angelommen finb. @ie galten e8 
ffir S^iffren; ed ift toa^rlid^ ju abgefc^madEt, aber nod^ 
neulich ift mir ein SBrief an ben alten @ir ®eorge ©mart, 
bem id^ einen fianon fd^idEte, tt)ieber aufgefangen loorben 
unb nic^t angefommen." 

93on Sujem auS (Sbtguft 1861) t)erabrebet Tltnbdi» 
fo§n ein ßufammentreffen mit ^aufer in äRfind^en, baS 
aud^ glfidKid^ gu ftanbe fommt unb ben ^reunbf^aftSbunb 



Briefe oon (f. IReitbelsfoitn. 285 

no^ enger faifi^ft. $Bon ba an erfd^nt in i^ren (Briefen 
boS „^ü" an ©teile bed frül^eren ^Sie". SBon einem 
Inrjen Sufentl^alte in S)üffeIborf auf ber Steife nad^ $ari8 
(3)esember 1831) melbet 9RenbelSfo§n cäi bie ^S^fcoipt^a^*', 
ba§ Smmermann i^m einen Opemtest fd^reiBe, unb itoax 
nad§ @^f))eare8 «@tunn*, loorin bie Stolle beS Saliban 
^ufer iugebad^t fein foQ. Dpemprofefte beginnen nun 
immer an^Itenber 9RenbeIdfo§n ju 6ef(!^ftigen; tn>n $ari8 
aus er!unbigt er ftd^ genau bei ^aufer, une triel beutfd^ 
X^terbirettionen ffir einen Opemtest ju jal^Ien ))flegen. 
äRenbelSfol^ntDill in 3mmermannd92amen mit berSRfind^er 
7.^terbireftion t)er^nbeln nnb ,,mOd^te nid^t, bag Smmer^ 
mann ju turj läme bei feiner noblen S(rt, bie ganje 
@ad^ 3U nehmen', ^ni $arid fd^bt ajtenbeßfol^n 
manche feine SBemerfung Aber ftunft unb Seben, hierauf 
aus 99erKn meiftend ®efd^ftlid^e8, SSerlegerangelegen^eiten 
unb bergleid^ 3)ie ^rren 83er(eger jeigten ft^ ^ufig 
fel^r nac^Iäfftg im S(ntn)orten unb fe^r btidterig in il^ren 
Angeboten, fflad) einer fold^ Srfa^rung fd^reibt äRenbetS« 
fo§n, ^bag ic^ mir ben ^ufel brauS mad^ ob mein fton« 
jert in S)eutfd^Ianb erfd^nt ober nid^t. S8enn id^ ftumpf 
ober tot bin, loerben fte mic^ loben/ 

Sticht ol^ne ©d^ttnerigleit unb eifrigfte SBemfi^ung ge* 
lingt eS 9Renbetefo^, bem f^eunbe einen t^ematifd^ 
ftatalog aller in SBerlin beftnblid^ ftom))ofttionen 99a d^d 
}u k)erfd^ffen. ^3d^ ^offe, bu n^irft mid^ loben," fd^reibt 
er an Käufer, ,,unb ic^ fage mit 9ngou(6me, als er oon 
irgenb einem laufigen S^^sug jurfidSam: ,Mon ptee, je 
suis content de moL^ 3n biefem unb in folgenben 
{Briefen (auS SBerlin 1838) vertieft ftc^ äJtenbetefo^n in 




286 ^^' Qatisitcf. 

2)etail8 aber Sad^f^e äRanuffripte in fiugetft intereffanter 
SSeif^ ^obet ber unbefangene, lebenbtge ffiunftfinn ftetS 
bte Dberl^anb bel^ält fiber blog antiqucrifd^ Sntereffe. 
@o jioeifelt er leinen Stugenbßd an ber Uned^t^t einer 
t)ermetntlid^ SBaci^fd^ $affion8nutftf nad^ bent (Sbangelinm 
Suf aS. «(SS tl^ut mir leib, bag bu für bie ,,^ffton @t SuEa»" 
fo t>\d ®etb gegeben §aft; jn^ar ate unbeskoeifelteS äßanu« 
fiript ifi e8 ni^t ju teuer bcgal^It, aber ebenf o genug ift biefe 
9J{ufif aud^ nic^t t)on i^m." Unb im n&^ften (Briefe 
fä^rt er fort: „^n fragft, au8 koeld^em ©runbe ber Sufa8 
ni^t t)on ©ebaftian )8a^ fein foU? %\ii inneren. @8 
ift jUmr fatal, bag id^'8 be^upten mug, benn fie gei^ört 
bir, aber gucF einmal ben S^oral ober, loie eS f onft ^ei|t, 
i,Xröfte mid^ unb mac^ mic^ fatf an; loenn baS t>on Se« 
baftian ift, f o laff ' id^ mid^ fingen, unb boc^ iff 8 unleug" 
bar feine ipanbfd^rift %ber eiS ift ju reinlic^, er l^at ^ 
abgeft^rieben. 83on toem fonft? fragft bu. SBon Xelemann 
ober Tl. fRad) ober fiocateQi ober fUtnidEel ober 3ung« 
niiiel ober 9lidel fd^Ied^ttoeg, tooä toeig id^? Xber nic^t 
^on bem." SBeil&ufig taucht il^ (in Berlin 1833) loieber 
ber ®eban!e auf, ^ieHeid^t im @ommer nad^ SSien ju 
fommen. «^ort giebt ed bod^ nod^ luftige SDtenfd^en nnb 
fruchtbares Sanb unb fd^öne äßfib^en. $ier ift nichts 
bergleid^en, unb n^aS baS fc^Iimmfte ift, bie Seute ftnb 
feit ben Ie|ten brei Salären fte^n geblieben, baS ffA^t 
Surüdtgegangen; baju finb bie 3R&b^en fo gebitbet unb fo 
^^i4 bag es ein Slenb ifi" 

993ie biefe ^Berliner SBriefe, fo finb aud^ bie barauf« 
folgenben ^flffelborfer auS ben Salären 1834 uub 1835 
nad^ Seipjig abreffiert, ttio^in ^aufer injtoifd^ fiberftebelt 



Briefe ©ort ^. ZITenbelsfolin. 287 

mar. äluf ^uferS SBunfc^ na^ neuen Siebem t)on 
äRenbeföfol^n antoortet biefer: ,,3cl^ tt)tll in feinem ^^Qe 
je^tgerabe einSieberl^eftioieberebieren, ic^ fd^Iage mid^ ttrieber 
auf eine SBeile inS (Smft^afte, fonft ^ält mid^ bad Suntpen« 
gefinbel für i^reSgleid^en unb freuen fi^ über meine 
»»„fliegenbe'"' ©d^reibcrt, ein äBort, bai xä^ nid^t ausfielen 
fann." %u8 S)affe(borf, tt)o äRenbetSfol^n 6e!anntKc^ eine 
Qugerorbentlid^e 2:§ätigleit enüDidelte, erhält er ^aufer 
ftetd in ^nntniS t)on feinen $(&nen, Slrbeiten unb Srieb« 
niffen- S)ie D|>er befd^ftigt i§n fe§r, unb er toflnft^t 
^aufer für ein (Saftf^iel nad^ S)üffeIborf gu gewinnen, 
^ür einen )8rief ^ufer8 aber bie Duoerture: ^Tlttx^ 
ftiUe unb glflcKid^e ^l^rt" banlt a}2enbel8fol^n mit be^ 
fonberer äEB&rme: ^^Skig ®ott, todä)^ ^^i^eube ed mir 
mad^t, n^enn eu^ orbentlic^en äßufifem lool^I ein @tfidE 
t)on mir gefdQt, tuie bu mir bad t)on ber äJteeredftille 
fd^eibft (mit eud^ meine id^ ^ier bid^, fonft niemanben). 
9ttc^ ift'd mir lieb, txmin id^ abgebe, cii SJ^alutatur, tDenn'd 
nur ge§t 3d^ lefe eigentlid^ toenig @Qd^en mit me^r 
Sntereffe, ald bad ißotenpapier, n^orin ©imrodt unb anbere 
il^e ©enbungen einfd^Iagen, unb benle, „«bieSeute l^aben 
i^ @tüdE auä) lieb ge^bt unb mug i^nen nun fo ge^en!"'' 
unb benfe, baS arriviert mir and)." @o erfreut äRenbeld« 
fo^n Aber bie ß^f^^i^^ns befreunbeter äßufifer ift, fo 
gteid^gültig lägt i^n bai^ Urteil ber aRufifjeitungen, t)on 
benen er fe^r befpeltierlic^ fprid^t: ^Sm (Smft, foQ ic^ 
bai ®lQtt lefen?" fragt er ^ufer mit iBejug auf eine 
neue äßufifseitung , ^toai bu mir aud) raten magft fo 
lefe iäfi boc^ nic^t. 3)ie einzige muftfalif^e B^^^Si ^^^ 
id^ (iebe, ift ber ®alignani SReffenger, n)eil er Sieben ))on 



288 C^* fiansM. 

Sorb ®x&) unb SBroug^am k. entölt, bie iDeIt|tftonfc^ 
f^fin ftnb. SBie bie Seute fpred^ unb benfen, loenn man 
baS lieft, benetbet man bie (Sngtftnber toneber etoaS, benit 
bie beutfd^ Station fyit ^ute niemanben, ben fie gegen 
SBroug^m [teilen (ann, ali Otoa äteSftab, nnb faunt" 

3m ©eptember 1834 feiern bie beiben S^unbe ein 
iutsed äBieberfel^ in Set^jig unb ft^Iiegen einen form« 
lid^ SSertrag, ba^ f^aufer am 15^ aO'lenbelSfo^n am 1. 
jeben äRonatd fd^eiben foH Kuf bem 9{fldtoeg Dertoeilt 
9Renbel8fol^n in Staffel, too bamali Wt. Hauptmann (ber 
f^ter berfil^mt geworbene X^eoretifer unb ftantor an ber 
Xl^omaSfd^uIe ju Seidig) lebte. «$au)rtmann fuc^te iä^ 
gleici^ SDtorgenS auf, unb ju meiner f^reube lann id^ bir 
fagen, bag er mir in allen Sejie^ungen eine fo angenehme, 
ttiol^Itl^uenbe Srfd^einung tvar, Une id^ lange nid^t gefe^en. 
(&t ift erftlic^ burd^ unb burd^ gut unb emft^ftunb 
ein UKtl^ äRuftfer, unb bann ^at fein SSkfen eine ge* 
uriffe 9{u^ o§ne fi&Ite, 93omel^m§eit o§ne allen S)ünfel, 
iDie ic^'d liebe. 3c^ ffi§(te mic^ fo red^t be^glic^ mit i^m; 
tt)o ttiir einer äßeinung nxiren, freute mid^'S, unb too ttnr 
auSeinanber gingen, nxtr mir'S uneber intereffant — !urj 
bu ^aft mir getoig nic^t 5U triel Oon i§m gefagt, unb ic^ 
banfe bir für ben fro^ 3^g, ben id^ mit i§m jugebrad^t 
l^abe. 9hir einS l^t mit leib getrau an i§m, ba8 ift eine 
gennffe Stefignation in feinem 993efen, namentlich ^nfid^t^ 
lic^ ber Jtomt^ofitionen, bie mir nur burd^ ben iD^angel 
an anregenber, teilne^menber Umgebung, nic^t aud tieferen 
®rfinben ^erjuftammen fc^ien; aber barum t^at eS mir 
boppelt leib, unb ic^ gfibe nxtS brum, loenn ic^ Ifinger mit 
i§m ^fitte jufammen fein Eönnen, um bem mel^r nad^iu« 



Briefe von 5. znenbelsfol^n. 289 

fpüren. S)enn als tovc ü6er feine aReffe \pta(l^n unb ic^ 
i^m Qufrid^ttg angab, toa& mir bcrin fel^r jufagte unb 
toai ni^t, unb ali id^ i^n bat, eine neue, nodi beffere ju 
mad^n, bie bie t^^Ier nid^t l^ätte, an benen er fic^ flieg 
unb bie il§n felbft me^r ftörten, als bie anberen iDol^I, 
ba tourbe er lebenbiger, al8 ob ed i^m neu tDdre, bag ein 
üRuftler an ben ©ad^en be8 anberen ^lid^en 8(ntei( 
nehmen lann, unb er t)erfprad^ mir, eine neue SJteffe ju 
fc^reiben, unb id^ glaube, an bem Sage badete er emftlid^ 
baran. 9ber ic^ furd^te, n>enn bie Qmü^d bann n>ieber 
fommen, ol^ne bag fie einer n>egleugnet unb t)ertreibt, unb 
)oenn bie Umgebungen n^ieber er!filten, ftatt anjuregen, 
bann loirb er toenig mel^r in biefe ©timmung jurfid« 
!ommen ober bie ganje @ad^e gar t)ergeffen. S)od^ fc^reibe 
i^ i^m ndd^ftenS unb erinnere i^n an fein SSerfpred^en ; 
baS foQte fc^On fein, tt)enn ic^'d toirflid^ ba}u brfid^te, bag 
€r bie aReffe f triebe." 3d^ lonnte mir'iS nid^t t)erfagen, 
biefe ganje, ben 93efud^ bei Hauptmann betreffenbe Stelle 
^u8 ÜRenbelSfo^nS 93rief ^ier mitzuteilen, toeil fie t)on ber 
83efd^eibenl§eit, SBfirme unb SiebenStofirbigfeit aRenbe{8fol§n8 
€in beutli^reS SBilb giebt, aÜ fpaltenlangeS fiob. 

Sntereffant ift aud^ SRenbeldf ol^nS aRitteilung über eine 
Soiree in ftaff el, in toeld^r er fpielen mugte. „^ fteUte 
mid^ ungebärbig genug an, eS gelang mir aud^ f^Ied^t. 
<SinmaI mag id^ nun üor ^ofmarfc^aQinnen nid^t fpielen, 
id^ paffe ba nid^t ^in, unb bann mad^te mid^ @pol^r be^ 
fangen. @r ^tte mir ben aRorgen fein neued Oratorium 
t)orgefungen, ol^ne bag mir toarm babei gen>orben toäre, 
unb ba benle ic^ immer, ed mugle i^m bei meinen @ad^n 
nod^ fd^Iimmer ge^en, fie mügten il§m mißfallen, ^enn 

^anSIicf, Vul neues unb neuefier 3cit. 19 



290 C^- Qansitcf. 

er f^reibt boäf feine ÜBetieugnng ^in, bai tnug toa^r 
fein, unb Iflgt nid^t bem $u6Ufum guliebe; barum bin id^ 
i^m auc^ gut, ob US) gleid^ baS tDenigfte t)on feiner 
ftird^enmufif unb gar leine en^armonif^ 93ertDed^8lung 
leiben fann.^ 

3n 2)flffeIborf ^atte befanntlidg äRenbelSfol^nS an«« 
fdnglid^e SBegeifterung für baS Sweater unb feine Harmonie 
mit Smmennann balb ein (SnDe: bie {alte Stealitfit t)er« 
fd^eud^te erbarmungSlod bie ibealiftifd^n SrSume. 

Sm 2. 2)eiem6er 1834 fc^reibt er an ^ufer: ^@eit 
i^ baS S^eatertoefen über 83orb getporfen ^obe, ift mir 
faun)ol^I. Suriod, Smmermann unb einige anbere nehmen 
mir'8 fd^redEIid^ frumm unb l^alten iDenig auf mid^, unb 
fo UKid ennuyiert mid^ fonft ftarf ; biedmol aber glitfd^t eS 
ab, n)ie SBaffer bon einem SBad^Stud^^ut, unb i^ ft^ bar« 
unter im Xrodenen/ 

®egen ^reiSauSfd^reibungen ^atte äRenbettfo^n 
einen eingefteifd^ten SEBibertoiHen. ,,3n SBien,** fd^rcibt er 
(1835) an ^aufer, ^^ben fte für bie befte ®\)nOfyomt 
einen $rei8 üon 50 S)u{aten ausgefegt, unb ©e^frieb, 
Umlauf unb ftonrabin ftreujer unb ftonforten foDen'8 
entfd^iben, lauter 5(erfö, bie feine ®9m))^onie sufammen*" 
bringen fOnnen, unb n^enn fie fid^ brei Saläre fafteiten. 
SB&f e8 ein Aomitee t)on ben beften 5(omponiften ber 
SBelt, fo mfid^f id^ aud^ um leinen $rei8 fonfurrieren; 
ber bloge ®eban{e, bag ic^ eine ^eidmuftl fomponierte, 
machte mid^ fo unmuftlalifd^ n)ie Umlauf unb @e^frieb 
gufammengenommen. Unb ^tte id^ eine ©^ntp^onie 
fertig liegen, fo toürbe id^ mid^ pten, bie ^injufd^iden, 
benn ba fönnen bie anbern Seute brfiber urteilen, unb 



Briefe von g, Xltenbelsfottn. 291 

am (Snbe ftnbet fid^'8 boc^, 06 fie toai taugt ober nid^t 
SMS ift fo eine Srt XreibJ^oudfuItur, unb bie 50 2)ulQten 
finb boS 9^ftbeet, ob a6er eine ftQftu8f^m))^onie f)ttaui* 
{ommt, ift bie groge f^rage.* 

%\iä) mit feinem c^ronifd^en Sibrettofd^merj n^enbet 
ftc^ äRenbelSfo^n um Stot an Raufet. ^SBenn id^ nur 
(fc^reibt er au« ^flffelborf 1835) einen redeten Xejrt 
{riegen fOnnte, l^ungrig genug bin id^ barauf, unb tooDte 
nid^t übel barüber Verfallen. 9[ber ftlingemann t^ut gar 
nid^tS unb mad^t mir feinen fßzxi, unb fonft lenne id^ 
feinen orbentlid^ 2)id^termenfd^en. Se^t mug id^ barüber 
lad^n, bag id^ ed einmal mit Smmermann ^atte t)erfud^n 
n>oDen. 83ei biefen j[e^igen X^eater^Kugelegen^eiten ^be 
id^ ben äRann unb feinen mir kuibrigen S^arafter red^t 
fennen gelernt, unb fel^e nun, toie bumm baS t)on mir 
toar, fo im aDgemeinen an einen beutf^en ^id^ter unb 
an beffen ^fc^e gu glauben. SMS ge^t aDed in S3or« 
ne^migfeit unb ©elbftbetougtfein unter; loenn einer je^t 
too^I einen SJerS mad^t, ben bie Journale loben I0nnen, 
ober gar toirflid^ed Xalent ^at, fo friegt er gleid^ fo t)er^ 
teufelt Diel @eIbftbetougtfein, bag er gar nid^tS anbered 
me^r toei^, unb ftatt fid^ munter um^ergutummeln unb 
fid^'S fauer loerben gu laffen, rul^t er gleich auf ben Sor^ 
beeren, bie er nod^ lange nic^t ^t ®ott beffere eS; finb 
bod^ bie 9}htfi{er ebenfo. 9[ber bie äRaler ^ier, bie mug 
man loben; baS finb orbentlid^e äRenfc^n, unb fleißig 
unb freuen ftc^ i^red SebenS/ 

^aä) einigen f^ranffurter unb ^Berliner SntermeggoS 
folgen nun bie {Briefe faft ununterbrod^en au8 Seipgig, 
tt^o äRenbelSfol^n feften O^itB 8^f<^B^ ^^^ ^^^ animiert 

19* 



292 ^^* QansHcf. 

er 1843 ^oufer, na^ Seif^ig ju bmmen, nad^bem er 
jtoet Sü^re früher i^m abgerebet, ein Sitgcgement in 
SBerlin an fu^ *) 3)er aSunfd^, iKenbelSfo^n in äBien 
ju fe^en, üeranlagt ^oufer ju einer Art Scrmittlerrotte 
jkmfd^ biefem unb ber ©efeüfd^aft ber Ofterreid^ifc^en 
SDhtf^nnbe, toeld^e ben p,$auInS'' gern unter iKenbelS« 
fo^nS ))erf0nli(^ 2)ireftion gegeben ^dtte. SluS ber 
Steife n>ttrbe betanntlid^ nichts; äRenbelSfo^n, anfangs ge« 
neigt, gu lommen, füllte ftd^ jeboc^ burci^ baS tDenig 
torreite unb n^enig rüdfid^tSboDe SBene^men ber «®efell« 
fd^aft" baß) 5unt entgegengefe^ten @ntfd^Iuffe veranlagt, 
©eine auSf fi^rlid^en 93riefe über biefen $unlt finb für bie 
früheren SD^ufifoer^&Itniffe in 993ien unb namentlid^ für 
bie gebadete p,®efeafd^aft' nid^t eben rüMid^- ^uf ha» 
angelegentlid^fte em^fiel^It aRenbetefo^n im Saläre 1846 
feinem f^eunbe ^ufer bie Senn^ Sinb. «3d^ bilbe 
mir ein, eS mug bir mit i^r fo ge^en, toie mir, bem fie 
eigentlid^ niemals eine ^rembe, fonbem eine p,bon ben 
Unfrigen" (pon ber unfic^tbaren Sir^e, über bie bu mir 
fonft gulDeilen fc^riebft) erfd^ienen ifi ®ie jie^t mit unS 
aUen, bie toir'd mit ber Shtnft reblid^ meinen, einen 
@trang, beult an baSfelbe, ftrebt nad^ bemfelben, unb bar^ 
um ift aUeS ®ut^ toaS il§r in ber Sßelt toiberf&^rt, mir 
genau fo fdgmeid^eC^ft, als n>enn'S mir felbft loiberffi^re, 
unb ^ilft mir unb und aQen ebenfo gut toeiter. Unb bir, 



♦) 3)lefer »rief, bbo. öerlhi, 12. OftoBcr 1841, ift fdtfamer« 
koeife bad einzige an Raufet geri^tete ©d^reiBen SRenbeldfo^n«, totlö^t» 
in bie gebrudte ©ammlung aRenbeldfo^njd^ec S3riefe (2. 99anb, 8. 806) 
aufgenommen tourbe. Unb bod^ ^at Raufet bem ^erouSgeber ben 
ganzen reid^en S3rieff^at jur S)i9))orttion gefieüt! 



Briefe von 5* nten^eIsfottn. 293 

bem ©Anger, mug eS nod^ gar eine bef onbete ^reube fein, 
biefe SSereinigung üon glfidtlid^fter Slnloge, tiefftem ©tubiunt 
unb inncrfter iperjlid^leit einmal cnblic^ ju finben/ — 
3n ben legten SBtiefen ÜRenbelSfo^nS tritt fein SBunfci^, 
nac^ SBien ju tommen, immer beftimmter auf. ,393a^r<* 
^aftig, iäi mu§ einmal nad^ Sßien," fc^reibt er im SD^ai 
1846 an Käufer; „läf ^flre boc^ gar ju Diel re(^t8 unb 
lintö bat)on erjfil^Ien, unb i^r fagt mir aQe fo biel 
f^eunblid^ über meine 9RuftI unb fo biel Stugerorbent«* 
lid^ed aber il^re Sueffi^rung bort, bag mir ber ÜRunb 
fe^r tt^Afferig toirb. SBieQeid^t bring' id^ ben lySIiaS" an, 
n>enn er ganj neu ift, fo gegen ben SBinter, ober xä) UKirte, 
big xäi einen Cpernftoff gefunben unb {omponiert ^abe 
unb bis bie Senn^ Sinb toieber einmal ba ift — unb baS 
Ie|tere toäre mir ba8 liebfte — aber auf irgenb eine Art 
^offe id^ mir bod^ eure ftaiferftabt einmal felbft anjufe^en, 
unb bann gel^ id^ guerft nid^t nad^ bem @te))^an8turm, 
auc^ nid^t gum @perl, fonbem in bie SArenmü^Ie. 9[ber 
ba too^nft bu freiließ nid^t me^r — alfo ba^in, too bu 
too^nft'/ — Seiber ift biefer Pan, auf beffen SRealifierung 
^ufer ftd^ toxt ein Stinb gefreut, burc^ ben frühen %ob 
iDJenbettfo^nS in traurigfter SBeife t)ereitelt toorben. 
SBä^renb fid^ in SBien aDeS gum froren Sm^^fange bei^ 
SKeifter« unb jur erften «uffü^rung be« „eiiaÄ" rfiftete, 
fam ganj unernnirtet bie 9tad^ri(^t t)on feinem 2i)be, am 
4. SRoüember 1847. ©einen legten SBrief an ^aufer fd^rieb 
9Renbel8fo^n am 27. ©eptember 1846, !urg nad^ feiner 
StfidSe^r auS (Snglanb. 3)er Reiter fd^ergenbe @d§Iug ift 
tmt entfernt t)on jeber Sl^nung, ba§ eS ber le^te 93rief an 
ben ^reunb, ber le^e ®rug im Seben fei! 3)iefer ©^lug 



294 ^' Qansitcf. 

lautet: „^Uib mir gut, beinern alten, fe^r ttnt)eränber« 
Itd^en, a6er fe^r eiligen, aber fe^r t)ergnügten, bie ©einigen 
fel^r n^o^I angetroffen ^abenben, fe^r faulen, bie 3)einigen 
taufenbmal grügenben, einen miferablen SBriefftil fd^rei« 
benben, mit feinen ffinf ftinbem faft tSglid^ fpa^ieren 
fa^renben, i^nen St\x(S)tn faufenben, fte mfiglic^ft erjie^enben 
itnb bennod^ faft gelbfd^näblic^en, burfd^ifofen unb bie t)er« 
fluchten $^i(ifter t)on ganger @eele per^orreScierenben, 
n)o^IbeIannten t^Iif 9)^enbeIdfol§mS3art^oIb^ m. p.'' 



[3um ^unbertifi^rigen ®eBurt8tag.] 
[1899.] 




;i(]^t immer fd^figt S^auüiniSmuS t)or 93erge§Iid^« 
feit. Sor längerer QAt erinnerte ber ©enior ber 5ßarifer 
aRuftOritif, Slrt^ur $ougin, baran, bag auf ben 27. SRai 
b. 3. ber 100. Geburtstag be8 ^onbic^terS $al^t)^ f&Ut. 
aRit anflagenbem SBebauem fügte er l^inju, bag n^eber bie 
®roge Op^ nod^ bie ftomifd^ irgenb toeld^e SSorbereitungen 
ffir biefe ®ebenffeter treffe. Unb boc^ ^aben ^Mt)^ 
Dpmt iVL bem Sflu^m unb bem SBo^Iftanb biefer beiben 
Sweater fel^r toefentlic^ beigetragen! Sluger ber «.Sübin", 
toeld^e fiber 550 SSieber^oIungen erlebt l^at, em))ftng bie 
®roge Oper t)on ^al^t)^ ^3)ie ^nigin t)on Supern", 
,,®uibo unb (Sinebra*, ,,ffiarl VL" unb anbere erfolgreid^e 
SSerle. 3)ie Op^ra Somique befi^t nic^t toeniger al8 
18 Opern Don ^al^o^, n>orunter Diele beif&Qigft aufge^ 



gu Qoleoys ({unbertflem (Seburistag. 295 

nommene unb oft n>ieber^oIte, tote „^er 93(i^', «SHe 
aRuSfettere ber ^nigin", ^3)ad X^I üon Stnborra'', ^^te 
Sflofenfee*. 9ber fett md^reren Sauren l^at letneS biefer beiben 
$arifer £)))eminftttute aud^ nur ein einsigeS SBerf $al^t)^8 
gegeben — eine SSergeglic^Ieit, bie l^ort an Unbonf ftreift. 
©elbft „^xz Sübin'', tt>elci^e in 2)eutfd^lQnb unb Italien 
jahraus jahrein ein banfbareS $ubli{um erfreut, fe^It auf 
bem Stepertoire ber ^rifer ®rogen Oper feit bem SSranbe 
beS alten Opem^aufeiB. .3)iefe nur ju berühmte ^uerS« 
brunft/ fagt $ougin, ^ift ein bequemer SSorlDanb geworben, 
um gennffe Dpmx beifeite ju f d^ieben, U^eld^e ben SBagner« 
fdgen ettoa fd^aben Iflnnten/ 3)ie Sentenarfeier ^aUr)\)i 
bot f eitler ben fd^Onften Slnlag, bie verbrannten 3)efora« 
tionen jur ,,3übin'' n>ieber^erftellen ju laffen. S)edgleid^en 
)Ddre ed $^id^t ber Dp^ra Somique geu^efen, eine forg* 
fdltige S(uffu^rung be« M^^*' ober ber «aRuSletiere ber 
Königin" t)or2ubereiten. 9lid^t8 Don aDebem. %n einer 
einjigen @telle ^at fid^ ber ®eban{e geregt, iit befd^ibener 
SBeife ben 100. Geburtstag eined fifinftlerS )U feiern, ber 
ju bem muftfalifc^en SRul^m ^ranfreid^d ^er))orragenb bei« 
getragen unb beffen 993erfe allein fid^ neben ben SJZe^er« 
beerfd^en in ber ®rogen Oper erhalten ^aben. @8 ift bie 
^©efeOfd^aft ber Xonbid^ter" in $arid, n>e(d^e baS Slnbenlen 
$al^t)^ in einer 8(benbfi^ng feierte mit ber 8(ufffi^rung 
einiger ©efangftüde t)on i^m unb einem SSortrage aber 
fein Seben unb SBirfen. 

^I6t»i toax am 27. Ttax 1799 in $ariS geboren, 
©ein SSater, ein ^eutfd^er auS f^ärt^ bei iRümberg, ftanb 
als l^brdifd^er ^i^ter unb Gelehrter in ^o§em Snfe^en 
unb genog inSbefonbere bie to&rmfte ^reunbfd^aft unb 



296 ^' QansHcf. 

äBertfd^^ung beS berfil^inien Crientaliften @^It)eftre be 
®ac^. @rin toQ^rer Slame )par S^D^. Snfolge beS ®t^ 
fe^ üom So^te 1807 über bie ^miltennamen ber Suben 
fe^te er bie ben Vrttfel erfegenbe @ilbe hal (bae aroBifd^e al) 
t)or feinen bieder geffil^rten Slamen. 2)a8 mufifatifd^e 
Talent be8 @o^ne8 berriet fic^ frü^jeitig. (Sr {am 1809 
an bod JtonfertKitoriunt, tonrbe ©d^filer S^ernbinii^ unb 
3R6f)nli in ber ftompofition unb erhielt 1819 ben grand 
prix de Borne. 2)em ®efeg, rid^tiger bem alten ß^^Pf 
gemfi^, begab er ftd^ für brei 3ül§re nad^ ber Stoigen ©tabt 
(Sr litt unter biefem, ffir mufifalifd^e SluSbilbung fo un« 
ergiebigen 8(ufentl§alt nid^t toeniger, als feine Ütad^folger 
SBerlioj, S^^omaS, ®ounob unb arbeitete bort ebenfotoenig 
tDie biefe. Sluf ber Stüdreife Derföeilte ^alSot) mel^rere 
2Ronate bed 3a^red 1822 in 993ien, too er emftere ©tubien 
betrieb, auc^ eine üier^dnbige @onate, ein 9tonbo unb 
Capriccio bei 3)iabeQi üeröffentlid^te. fRadf äRitteilungen 
feined SBruberS S^on l^at er l^ier Seet^oben fennen ge« 
lernt, ben er 0fter befud^te unb bem er lebenslang eine 
Iiebet)olIe, ben>unbernbe Erinnerung bettnil^rt l^t. (3n feiner 
SBeetl^oDen^SBiograp^ie ftnbet fic^ eine @m)5^nung ^al^D^S, 
n)eld^er bamalS freilid^ ein nod^ unbefannter junger äRann 
toax,) 3n $ariS fibernal^m er eine 5(Iaffe im ftonferüa« 
torium, gab Unterrid^tSftunben unb bemül^te ftd^, tok aUt 
bie unglfidEIid^en fiaureaten t>on Stom, um £))>emte£te. 
(Snblid^ g(üdten i^m einige Heinere lomifd^e Opern, bie 
mit me^r ober tt^eniger (Srfolg aufgeführt tDurben, ol^ne 
über bie ©renken f^anfreid^S }u bringen. ^teS ift il§m 
erft 1855 mit ber p^Sübin" gelungen, toeld^e balb alle 
euro))fiifd^en Sfi^nen erobert unb ^al^ü^S Siu^m begrfinbet 



gtt QoIeDys. l{ttnbert{lem (Sebnrtstag. 297 

ffat %)(S) am ©d^Iuffe bedfeI6en Sal^red (rad^te ^I^D^ 
feine lomifc^e Dper ,,3)er Sli^'' auf bte ©cene. Ungea^tet 
großer ©d^On^eiten ^aben feine fpdteren Opern einen fo 
ungeteilten, an^altenben @rfoIg toie „%At ^Übva" unb «3)er 
Sli^'', namentlic]^ in S)eutfd^lanb, nidgt errungen. Sßad^ 
Sonbon berufen, brad^te ^qI^D^ bort 1850 bie Dptt „La 
tempesta* jur SEuffä^rung. @r l^otte bamit ebenfotoenig 
®Ifid, n>ie fp&ter Stmbroife Stomas, beffen le^tem SBerfe 
gleid^folls ©^alefpeareS «©turnt" ju ®runbe liegt SDKt 
„La Magicienne'', tt)el^e an ber grogen Dptt üiele 
Slupl^rungen erlebt ^at, befd^Io§ ^aUtt) 1858 feine Sauf* 
ba^n ate bramatifd^er ftom))onift. ^[^t)^, ber faft fein 
ganjeS arbeit8t)oIIe8 Seben ununterbrod^en in $ari8 ju« 
gebrad^t ^t, mugte fd^Iieglid^ fd^toer leibenb fid^ nac^ 
SKjga begeben. 3)ort ift er am 17. iKdrj 1862 geftorben. 
@ine Don i^m unüoDenbet ^interlaffene Dptt ^^oal^" 
begeid^net ein feltfameS SreigniS in ber X^tergefd^id^te. 
@ie ^at ndmlid^ i^re erfte Slup^rung nid^t in f^ranfreic^, 
fonbern in 2)eutf(^Ianb erlebt, unb jnmr am Jtartöru^er 
^oft^eater 1885. $al^t)^ ^atte bie Partitur feiner grogen 
0))er «9toa]^ ober: 2Me ©änbflut'' im Sa^re 1858 un» 
DoQenbet l^nterlaffen. 3)a ertoieS fein ©d^toiegerfo^n 
®eorge SBijet il§m für ben „^ocdf" benfelben SiebeSbienft, 
ben einft ^Ut)t) als junger SD^ann bem fiom))oniften 
^erolb geleiftet ^atte, inbem er beffen unDoHenbete Oper 
«Subot)ic'' in fe^r gefd^idter äBeife t)ert)oIIftdnbigte. 9lun 
ift aud^ SBijet feit gtoanjig Sauren tot, unb nod^ immer 
l^rrt bie Oper ^^Umf)" in $ari8 il^rer SCuferfte^ung. 3m 
Sa^re 1870 n)ar bort eine Slup^rung beS ^^odi*' ge* 
plant, ieboc^ angeblid^ burd^ ben StuSbrud^ beS AriegeS 



208 ^^- £{ansH(f. 

t)ereitelt. 3)q griff ber fo lebl^ft für franaSfif^e SRuftE 
eingenommene ^eti; 3)?ottI bel^erjt ju unb brad^te ben 
t)on $utli| ins S)eutf(^e übertragenen „^oaf)" in 5(arl8« 
ru^e jur aUererften Slufffil^rung. ^ai Sßerf oermod^te 
übrigens ben an bie 92amen ^al4)Dt) unb SJijet ge« 
{nüpften (Snoartungen nid^t gu entft)red^en unb ^t bon 
JiarlSrul^e au8 feine n>eiteren ^eife gegogen. 

93on $al^t)98 Opern ^aben fid^ auf ber beutfd^en 
83ül§ne bis ^eute gu^ei erhalten: „3)ieSübin'' unb ,,S)er 
»Iife^ ^®ie gübin" wirb ftet» afe fein SKeiftertoerf 
gelten; ald badjenige, n>eld^ed bie Snbiüibualitdt beS Son« 
bid^terS am prSgnanteften offenbart, bie aRfingel unb 
^rten feinet 2^a(ent8 am reic^ften mit SBIüten bebedEt 
@cribed Sibretto tt^eift „2)ie Sfibin'' unter jene ec^t fran-* 
gfiftfd^en @c^redendbramen ber 2)reigiger Sa^re, n>eld^e ben 
SHüdf^Iag ber romantif^en @^ule auf bie Cpemmufif 
augenf&Qig bart^un; ein grelied S3Ub religiOfen $affed 
unb f^anatiSmud. %vii biefem bunflen ®runbe erblühen 
aber Situationen bon gartefter Smpftnbung unb l^rgend« 
tearme SRelobien, toie fie ^al6ot) nur feiten fo übergeugenb 
gefungen l§at. 3d^ braud^e l^ier nid^t audbrüdEIid^ an 
SHed^aS feelenDoQe Stomange „n reviendra', an (SIeagarS 
rü^renbe Srie im üierten Slft, an baS ®ebet unb bie 
93rottoei^ung im britten ^t gu erinnern. 3)a8 nationale 
jübifd^e (SIement in ^I^t)t), baS (n)ie bei äRe^erbeer) aud^ 
mand^eS 93igarre, raffiniert Sered^nete erlldren l^ilft, ge« 
bie^ gerabe biefem äBerf gu eigenartigem SSorteiL 93or 
aQem bie toei^et)oQe @cene ber Ofterfeier trägt ein fo 
ec^ted Gepräge, bag toir und in baS $au8 eineS ber alten 
biblifd^en ^atriard^en berfe^t glauben. S)ie beiben ^aupU 



ga f^aleoys ({nnbertjiem (Sebnristag. 299 

geftaften (Sleajar unb Steci^a toerben ftetö bie ©eele bed 
(Sm^^fangenben im Snnerften aufregen unb l^ben Ui 
ffmtt ben bebeutenbften 3)arfteQem lo^nenbe Aufgaben 
geliefert 3)ei feltfame (SinfoQ, ben (Sleajar, eine ))at^e« 
tifd^e SSäterroDe, bem Xenor iu}utei(en, entflammt einer 
ganj :perf0nlid^en SBegie^ung. ^alfo^ ^atte bie StoQe nu 
fprünglid^ für ben Saffiften Seöaffeur gebaut S)er 
Xenorift 9louxxxt, ber SRed^aS Siebl^aber fingen foQte, 
betDOg jebo^ ben Stom))oniften ju bem SBagftüd, bie 9toQe 
beS Suben für i^n ju fd^reiben. 3)iefer geiftt)olIe brama^ 
tifc^e ©dnger toar ed überbrüfftg gen)orben, lauter fenti« 
mentale, j&rtlid^ girrenbe Siebl^ber ju fingen. 3)ied ift 
aud^ mand^em ber beften beutfd^en Xenoriften n)iberfa^ren; 
Sid^atfd^ef, 9{iemann, SSad^tel, ©ont^eim unb 
anbere jaulten ben (Sleagar ju il^ren ©lanjroDen. Sluf 
ben 9tat filouxnti fd^Iog aud^ ^al6t>t) ben vierten Slft 
mit ber SCrie (SleajarS, tod^renb frül^r ein gro^ed S^or^ 
finale beabfi^tigt toar. 93danntlid^ ift ti aud^ 9{ourritS 
SJerbienft, bag SD^e^erbeer, tt^eld^er ben vierten Sft ber 
^^ugenotten" mit ber SBaffentoei^e fd^Iie^en n)oQte, bad 
groge fiiebedbuett ^injulomponiert ^at, bie $erle ber gangen 
Cper. 92ourritS geiftiger (Sin^ug toar fe^r grog; bie 
nam^afteften ftomponiften f ud^ten unb befolgten gern feinen 
SRat, ber faft immer richtig toar, freißd^ aud^ immer barauf 
bebad^t, bie üolle @tr0mung bed (SffettS auf feine eigene 
äRü^Ie 5U leiten. 

S3on ben l^ert^orragenben äBerfen, toeld^e ^al^OQ für 
bie $arifer ®roge Dptt gefd^rieben, finb in SSien auger 
ber ^Sübin" nur nod^ jwei jur Aufführung gelangt: 
,,®uibo unb ©ineüra, ober: 3)ie $eft in ^ioxtni** 



300 ^* £{anslt(f. 

(1844) unb 1852 bie yftfintgin t)on (S.t^ptxn*' . Steine 
t)on beiben l^at bie !finftletifd^e Sebeutung, nod^ aud^ ben 
duneren (Srfolg ber ^Sfibin'' ereid^L @ie gel^flren beibe ju 
jenen ja^Iteid^en ffinfaftigen Dpem, koeld^e baS ^iftorifd^, 
alfo eine nottoenbige Shtnfttid^tung ber ^At, als fDtoht* 
fad^e be^anbeln unb ffir dugerttd^en ^ßrun{ ausbeuten. 
SOS bramatifd^e Unterlage ffir aQ bie blenbenben Stu^fige, 
äR&rfd^e, SBaQette unb beloratiben Überrafd^ungen luerben 
^fil^ft getoalttl^&tige Seibenf d^aften unb aufregenbe ©itua« 
tionen gel^uft @o in .®uibo unb ©ineüra" baS 993fiten 
ber $eft, @^eintob, Seid^enraub unb aDed ba^in ®e^0rige. 
Sine einjige gemfitt)oDe, melobidS reijenbe 9htmmer ift 
mir barauS erinnerlid^: bie Des-dor-Stomanje ®uibo8 im 
erften %ft. @8 fe^It biefer Oper, auf toel^e ^al^ü^ U^ 
fonbere aRfi^e t)ertDenbet ^atte, aud^ fonft nid^t an effe!t« 
üoDen 3Jhtfi!ftfiden; bag fie tro^em auf aQen SBfil^nen 
nur ein lurjeS Seben friftete, ertl&rt fid^ großenteils auS 
ber uns abftogenben, me^r troftloS traurigen als tragifd^en 
^nblung. 3loä) äugerlid^er, muftfalifd^ unerquidCtid^r 
berührt unS ^3)ie ftfinigin t)on fS.tfpzxn*'. 3n Sßien 
ift fie erft jUKinsig Sa^re nad^ i^rer $arifer kremiere 
(mit ^avL (Sjillag^ in ber SitelroQe) erf ^ienen. Um baS 
Sibretto toar anfangs heftig |)oIemiftert unb f^rojefftert 
iDorben; ber ^d^ter ®aint«®eorgeS ^atte eS als ^Satarina 
Somaro'' ffir granj Sa^ner gefd^rieben, tro^bem aber aud^ 
an ^aU\)r) üerfauft. 3)aburd^ mar bie aStgemeine Stuf« 
mer!fam{eit erregt, aber baS Xejrtbud^ nid^t beffer getoorben. 
9tiemals ^abe id^ eine Oper mit fold^em Su£uS unb fo 
malerifd^er ^ad^t auffahren gefe^en, Une biefe „Beine de 
Chypre" im ^arifer Sßeuen Opernl^auS; aber alle ©amt* 



Su QoIeDys l{nnberiflem (Sebnrtstag. 30I 

gelo&nber unb oergolbeten SRfiftungen t)ermi)d^ten bte 
traurige 91% biefer iKuftf nid^t ju t)erbe(fen. ^al^ü^ 
8[bft(]^tltd^!ett ift baritt fo üorfd^Iagenb, bag eS i^tn faft 
unmöglid^ )Dtrb, einen breiten einfad^en S^or ju fd^retben. 
3n bem großen (Snfemble erfd^nt aUed Der^tmdEt, ju einer 
Originalit&t geqndit, bie burd^ !eine aRfl^enniltung erreid^t 
n^irb. 3)a3nnfd^en begegnen toir toieber einzelnen ruhiger 
^inf[iegenben (Befangftüden (n>ie baS erfte 2)uett ©^rarbd 
mit Katarina), toeld^e burd^ il^re SBeid^^eit unb ^^Ud^feit 
uberrafd^. @ie toeifen barauf ^in, bag ^Utytß ur^ 
fprfinglid^ Statur i^n eigentlid^ me^r ffir baS S^rif^ 
als für genxiltfame ^antatif, me^r ffir ben Sinjetgefang 
a(d ffir a^affentoirfungen eignete. SBir ftnben bieS faft 
fiberaü beftfitigt, too fein Xejrt einen ebenen ©d^ritt ge^t, 
toQi freilid^ bei biefen großen, aufgeregten ©toffen feiten 
ber f^all ift 8Cm nteiften ffnrid^t ffir unfere Slnfid^t 
^Ut)tfi einfad^fte unb gemfittioDfte Oper „S)er Sli^'. 
Sm $of opemt^ter ift fie 1849 nad^ ttienigen ißorfteDungen 
t)erfd^n)unben unb tourbe erft 32 Sa^re fpäter, unter 
^rdtor 3a^n aufiJ forgfditigfte neu ftubiert, tmeberauf« 
geninnmen. Sluc^ ba ^t fie jjebod^ nid^t ben SBeifaO ge« 
funben, ber i^r anbertofirtS fo treu geblieben. 2)a8 lag 
ni(^ fotDo^I an bem 9Ber!e felbft als an jtoei nrid^tigen 
99ebtngungen ber Sufffi^rung. „^zt SBIi^" brandet ein 
üeineS intimeS 2^ter unb fe^r getoanbte, temperament«« 
üoOe S)arftener. Sine ftonüerfationdoper, bie nur für 
itm ©oprane unb jtoei 2^ore gefd^rieben ift, o^ne {Ba§> 
ftimme, o^ne S^or. @S ift faum tobtüxd^ ju nehmen, bag 
^So\), biefer peinlid^ emft^afte ftfinftler, ftd^, toie man 
er^dl^It, burd^ eine SBette ju fold^ äBageftfid l^abe be* 



302 C^- Qonsltcf. 

fitmmett laffeit. Sie ^nblung ift bei aller &n^aä)f)dt 
gut erfunben unb gefd^idEt geführt; fte leibet nur an über« 
mäßiger 93erjögerung beS SludgangS. Sine auf fo bfirfttge 
ftunftntittel gefteUte Oper gerät in ©efa^r, tangtoetlig 
5U koerben, fobalb fte lang toirb. ^al6t)t)& 3)?uftf jum 
„SBIi^" erfreut burd^ SIeganj, Slnmut unb ®eift, gau} 
befonberS aber burd^ eine glänjenbe ted^nifd^e ®eUKtnbt« 
l^eit. 3)ag mand^eS barin veraltet, einer früheren äRobe 
t^erfaUen ift, barf unS l^ute, nac^ einem l^alben Sa^r« 
l^unbert, nic^t SSunber nehmen. Unb franjöfif^e 0|)em« 
ja^re j&^Ien faft bo))peIt, toie ftriegelal^re. 3^ ^^ ^* 
blid^enen äRoben ge^Oren junt Seifpiel befd^reibenbe groge 
Strien, toie bie beS S^onel, toeld^er baiS ©eemanndleben, 
bie Abfahrt, baS 8(bfd^iebne^men, bie ©eefd^Iad^t, bie 
glfidEIid^e ^mle^r, aUeS im 3)etail fc^ilbert. Sin @eiten«> 
ftüd ba}u bilbet bie minutiöfe @d§ilberung einer grogen 
Sagb, toeld^e in ben ,,3)>htöteiieren ber j^finigin" OliDier 
in einer enblofen 9(rie gum beften giebt Smmerl^in bleibt 
$al^t)^8 Mxi' ein «eine» SReifterftfidt — too^Igemerlt, 
für ein fleineS Sweater. 3)em „W^" ^at {Beul^ in 
feiner alabemifd^en ©ebäd^tniSrebe auf ^aUt»^ einige 
treffenbe Sßorte getoibmei „Sßeld^ed ift baS befonbere 
SSerbienft biefeS ä8er!e8?'' fragt ber 9lebner be« 3nftitute& 
^3ft es baS Somif^e, baS ber Xitel angulfinbigen fd^nt? 
9tein, benn man ftnbet l^er toeber bie lebhafte nod^ bie 
ettoaS boshafte t^rö^Iid^feit, toeld^e bem franjöfifd^en ®eifte 
eigen ift, nod^ baS unerfd^fi))flid^e, bem ®egtoitfd^er ber 
830gel gleid^enbe Sad^en, bad eine italienifd^e Partitur er^ 
ffiUt Hlut iBerDe ber 3)arftellung, ®ang ber ^nblung, 
intereffanter Sufpu^ unb eine getoiffe Somit, bie ftd^ au8 



Stt C^dleoys l{unberi{lem (Sebnrtstag. 303 

ben mit augerorbentlid^er ©efd^icflid^fett gefd^affenen muft^ 
falifd^en SBerbütbungeit ergtebt, foDen Sniag sunt Sad^en 
bieten. ^q8 iSraelitifd^e SSoIf lad^t koenig; e« ift ebenfo zm^t 
tDie bie anbeten femitifd^en Stoffen, ^ie an ben äBeiben üon 
SBab^Ion aufgehängten ^rfen ftnb baS @innbilb aller 
aRufi{ be8 Orients, bie flagenb unb träumerifd^ ift. @o ift 
im ®runbe aReland^oIie bie l^rrfc^enbe @timmung im «ySSIi^" ; 
barin beftel^t eigentlid^ feine bramatifd^ Sin^eit 2)ie lieb* 
lid^en iDJelobien atmen s^gleid^ tttoai t)on Xraurig!eit unb 
3art^eit 3Mc Seibenfd^aft ift öor^anben, aber üerfd^leiert, 
abgefd^n>&d^t bis ju bem, n^aS man inniges ®efül§I nennt* . . . 
83on ^al^o^S {omifc^en Opern ^aben auger bem 
»ölift-' einjig ^5Dic 3Ru8feticre ber Äfinigin" fid^ 
eine jeitlang beliebt erhalten auf beutfd^en SBül^nen. SBeniger 
originell unb melobiöS als ber ^^1^$"/ aber bramatifc^ 
ben)egter, farbenreid^er, ftd^ert il^nen in ^ranfreid^ i^re in 
®alanterie unb 9iitterlid^feit fc^toelgenbe ^nblung noc^ 
mand^e SBieber^oIung. Sm äBiener ^ofopernt^eater finb 
bie ^aJZuSfetiere' 5ule|t 1863 lieber aufmarfd^iert, um 
balb lieber abju}ie^en 9^ne flingenbeS @piel unb f[iegenbe 
fja^nen. S)ic SKufif ift t)on ju geringem unb jtocifcl« 
^aftem äßert, um burd^ eigene Sraft bie SBirfung biefer 
Oper 2U fid^ern; oberflSd^Iid^ tSnbelnbe äRelobien, toeld^e 
weniger ben Stern als bie le^te S^^xb^ einer lebenSüoQen, 
geiftrcid^en S)arftellung ju bitten l^abcn. S)iefe «nfd^uung 
ift ben granjofen ganj eigentümlid^ unb beftimmt fe^r 
wefentlid^ ben E^aratter i^rer Op^ra comique. SBer bie 
^STOuSfettere" in 5ßariS gefe^en, begreift, aud^ o^nc be* 
fonbcrer SBere^rer $aKü^S ju fein, ben jiemlic^ anhalten* 
ben unb lebhaften (grfolg berfelben. gür ein beutfd^eS 



304 ^^' QintfUcf. 

$u6Iif um finb ein ^fanteS 3Rarf(i^tI|ema unb ein ^übfd^eS 
S)ttett nod^ {eine Dper. 

2)a8 SBilb $aMt)^ bliebe unüoUftänbig, tDoSte man 
feine SBerbienfte ali ©^riftfteUer übergelien. ^Utt) toar 
über fein fpejieQeS ^^ ^inaud ein äRann t)on umfaffen« 
ber, gränblid^r SBUbung unb audgejeic^neter ©tilifi Um 
biefer SBorjfige toiUen rofüjüt i^n bie Sfabemie ber fd^dnen 
Stflnfie }u intern Secr^taiie perpetuel, ein Smt, baS nie 
}Ut)or ein SRufifer innegel^abt. Unter bem S^itel „Souvenirs 
et portraits^' ift eine lefenSkuerte ILnStoafjH feiner ©ebfi^t« 
niSreben (Eloges) unb mufifalif^en XuffA^ in jlDei 
SB&nben bei SRid^el 26t>^ erfd^ienen. @benfo gennffen^aft 
unb erfolgreid^ t)erfa^ ipaUt)^ bie ^ofeffur ber ftontpo* 
fitionele^re am ftonferüatorium als SZa^foIger Don t^^tiS. 
©eine ©^fller — unter loeld^ ®ounob, SBiftor 9Raff^, 
%. SBajin, Rotier — betiHxl^rten i^m ftetS ein banfbareS, 
^erjIid^eS 9nben!en. ©einem ftedenlofen (S^arafter f onnte 
83er(eumbung ni^t beifommen; tro^bem l^tte ^Utt) 
geitlebene Diel ©e^fifftgteit unb feinbfelige ®eringfcl^|ung 
gu trogen. 3n $ari8 niftete fd^on üor 2)re^fu8 ein Keiner 
Sft^fd^-'fritifd^ ®eneralftab, tt)eld§er ben äRann, ben 
man ni^t auf bie S^ufelSinfel fd^iden lonnte, ttienigftenS 
3U aSen Teufeln tofinfd^te. @8 ^at feinem Snbenlen nid^t 
gef c^abet. ^al^D^d ^b toar, na^ bem B^^S^^^ff ^ $ougin8, 
eine allgemeine Xrauer ffir ^anfreid^, bai in i^m nid^t 
blo^ einen großen äßufifer unb geiftDoHen ©d^riftfteQer, 
fonbem au^ einen Dortrefflid^n 3ßenfd^ Don ibealem 
©treben, raftlofem t^eige unb eblem S^^arafter Derloren ^t 



Sogann ^ttau0 (t 1899). 



J^fö tDtr t)or ffinf jig Sauren ben filteren Solenn 
@traug begruben^ f^Iog t^ einen SRa^ruf mit ber ftlage, 
SBien l^be feinen talentüollften ftom^oniften Verloren. 2)a8 
Sßort t^erbrog aSerlei äRufifer unb Saien, bie ni^t begreifen 
mollten, bag ein fd^ulgeretlted, ^t^^^ftognomielofed Stird^en« 
ober ^njertftüd n^eniger S^alent, bai ^ei^t geringere 
9latur!raft offenbare, ali ein melobienreid^, origineller 
SBaljer. 3n biefent @inne mfiffen toir aud^ ^eute, am 
®rabe beS jüngeren Sodann @traug, bie ftlage tineber^olen, 
eS fei mit i^m hai urf^t^rfingli^fte SDhtfiftalent in Sßien 
hinübergegangen. @eine melobifd^e (Srftnbung quoll fo 
!dftli^ toie unerfd^d^t^fli^; feine 9l^^t^mi{ pulfierte in 
lebenbigem Sßed^fel; Harmonie unb ^^orm ftanben rein unb 
aufredet y^SiebeSlieber" nannte er eine feiner fd^dnften 
SBaljer^iartien. ©ie aQe ^fitten fo feigen bürfen: Keine 
^erjenSgefd^i^ten Don f d^ü^temem SBerben, f^mfirmerifd^er 
Steigung, jubelnbem ®Iüd(8gef ü^(, bajttrif^en au^ ein ipau^ 
lei^tgetrdfteter Sße^mut SBer fflnnte aud^ nur bie reijenbften 
))on @traug' ja^Irei^en S^anjftüden aufj&^Ien! ©d^abe 
nur, bag jebe SaQfaifon fd^onungSloS toie Jhonod i^re 
eigenen Stinber auf jel^rt, um na^folgenben ^a^ ju ma^en. 
@o tennen koir t^tffid^Iid^ bie frü^ften, beften SBaljer Don 
©traug l^eute fo koenig, ali flammten fie au8 ber 3^ 
äJ^aria X^erefiaS. ©ie finb nid^t Veraltet, nur Derbr&ngt 
unb Dernad^Ififfigt. @ine 3BaI)er))artie au8 ^unberten toill 

4>anllt(t, Kul neuer itnb neuefler Seit. 20 



» 



306 ^- Eiansliif . 

übet geiobc ^eute ouSbtüctti^ genannt unb geifl^mt fein, 
ukU fie eüoad tme monumentale Sebeutung eclangt [|at*. 
J&n ber [(^ftnen blauen ^onau.' Qc& brauet nur — fo 
f(^neb i^ baoon bot Sauren — irgenbteo baS StnfangS« 
motu) auf ben biet ©taffein beS B-dur-^reinangeS empor- 
juftetgen, fo fdcbt EBegeifterung aUe ÜBangen. fHi^i blog 
eine beif^Hofe ißopularit&t, ber i{)onauliia[jet ^t au^ 
eine ganj eiitjige 89ebeutung erlangt; bte EBebeutung eineS 
Sitate«, eineB S^IagUocteB für aQea, toaS tS ©c^öneB, 
Siebes unb SuftigeS in Sien gicbt @n {xitriotif^ 
iSoIfelieb o^ne Sorte. 9teben ^a^bnS iBon^^mne, meiere 
ben Aaifer unb boS ^ei^äftt^aa» feiert, ^efif^ Utr in 
@trauft' .EBIauer S^onou" eine anbere ißoltS^^mne, loet^e 
unfei Sanb unb IBoIf befingt. So immer in uieiter ^tmt 
Cfteireii^ ft^ jufannnenfinben, ba ift biefe uiortlofe 
griebenS'VtarfeiQaife i^r iSunbeSlieb unb ISrfennungd- 
jei^. So immer bei einem tM^ma^U ein Xoaft auf Sien, 
auf Cfterreü^ ausgebracht toirb, ffiHt bai Orc^tei fofort 
mit ber ^^^Bnen blauen ^onau" ein. Unb baS ift bie 
benfu&ibige SJebeutung, toetc^ biefe StontpoTttion, jdKin 
EBoRsIieb jum %vo^ aümfi^li^ erlangt ^t: i^re SRelobie 
uirft nie ein Sitat 

Unfer Sodann ©traug [|at ben »on feinem SBater ge> 
fi^ffenen Siener Saljer enoeitert, bereichert, mobemtfteit 
@traug ^t @^ule gemalt, unb fie ift faft jum unUtber' 
fte^lidien ^toatiQ getoorben. SaS f)eutt in Saljerform 
ertlingt, ift meift nur burd|tÖnenber ©tiaug. Unfere 
Ofieretten'SCompomften mfigen fic^ no^ fo fe^r jufammen- 
neEjmen, na^ ein paar Satten im Sal^ertempo ^ben fie 
untoiQfärß^ @ttaug topiert S)a8 ^tige Sien ift ber 



3ol{ann Strang. 307 

Xanjinufif abgünftig. 93i8 \>ox toemgeit Sagen ftanb fie 
nod^ auf jtDet Kugen; fettbem biefe fid^ gef^bffen^ ^aben 
mir itt^t nur unferen beften, ttni ^aben unferen einjtgen 
Wal^xiompom^tm verloren. 

92a(^bem ©traug burd^ t^oHe 25 So^re feine äRelobien^ 
fülle üerfd^koenberif^ ali Xanjfomponift audgeftrflntt, füllte 
er fi^ bod^ ettooS emtäbet unb unbefriebigt ))on fo enger 
^orm. (Sx ))erfud^te ed mit bem S^^ater unb f^rieb 1871 
feine erfie D))erette ^Snbigo''. 3)er Übergang jur bra« 
niatifd^en ftom))ofttion fiel xf^m ni^t lei^L 2)er regele 
nt&gige äSaljer« unb ^olfa^SH^^t^mud ftecite i^nt no^ ju 
feft im Stute. ,r3nbigo* ftro^te bon SKelobien, aber man 
merfte i^nen an, bag fie ni^t auS bem Ze^t ^eraud ge« 
boren toaren. @trau^ felber ^at mir geftanben, ba^ meine 
Vermutung ri^tig getoefen unb bag fein Xe^tbid^ter ju 
meift fertigen 3ßuft{ftfidCen na^tr&glid^ bie Sßorte gut ober 
fibel unterlegen mugte. 9}on biefer bilettantifd^en äßet^obe 
^at ©traug in feinen fpdteren Operetten fid^ grfl^tentetfö 
befreit — nid^t ol^ne einige Änftrengung. ®r blieb bod^ ieber* 
seit mel^r ber rein mufifalif^ erfinbenbe, ali ber bramatifd^ 
fd^affenbe Dtiemfomponift. (Sin UngIflS für r^Subigo" 
nntr baS unglaubli^ alberne, orbinSre Xejrtbu^, ein Un« 
glüdE, baS in ©traug' Sü^nenlaufbal^n leiber nid^t allein 
geblieben ift. ©traug Derfu^r in ber Sludkoa^I feiner 
Sibrettod ju nad^fid^tig unb ju unfelbft&nbig, l^firte koiSig 
auf Derf^iebene Statgeber, beren le^ter bann meiftenS red^t 
bel^ielt. 83on feinen fünfje^n Operetten finb man^e ibrem 
fd^Ied^ten Xe^tbud^e jum Opfer gefaSen unb tro^ ffiffU 
reifer muftfalif^er ©d^dnl^eiten rafd^ Don ben SBü^nen 
))erf^kounben. Sßie loenig bead^teten biefe Xejrtbi^ter bie 

20* 



308 ^^' C^ansltcf. 

f^jiftfd^e Statur t)on @trau^' Xalent, bad burc^auS fettere, 
lebenSDoQe ©toffe brandete unb am freteften atmete in 
l^etmatlid^ Suft ©tatt beffen br&ngten fte il^n in e^otifd^e 
Slbenteuer, auf italienif ^en, fpanif^en, franjdfif d^en 99oben. 
©traug* äReiftettoer! ^3)ief$Ieberinau8'' Derbanft i^ren 
anlialtenben, augerorbentli^en (Srfolg getoig jumeift ber 
reiit)oQen äRufif, aber biefe toax nid^t benibar ol^ne bie 
bürdend luftige, auf SSiener SBoben übertragene ^anblung. 
2)ie t^ut ber ©traugfd^en 3ßeIobie ftrfimt ))a in einem 
engen 8ette, aber fie f äHt eS bis an ben Stanb. SBo, toie 
in ber i^f^ebermaue'', ©d^erj unb gro^finn ben ganjen 
©toff burd^bringt unb ^njr^^tl^men emit'^üoa^fen I&gt, 
ba f^nbet ©traug fein 99efte8 unb S^tefteS. 3n fenti« 
mentalen ober gar tragif^en ©cenen ftodt fein $ul8, unb 
er tinrb lei^t gejkoungen, unintereffant, banaL 3)a8 be« 
toeift mand^eS ©tüdC im „S^Qznntthaxon", n&d^ft ber 
^^ebermauS'' koo^I feiner beliebteften O^t^erette. jDaS Xqrt« 
bud^ bringt einige neue ^arafteriftifd^e t$iguren unb inter« 
effante Situationen; bie SKufif ift öortreffli^, fo lange fte 
ni^t in ©entimentalitat ober gar in tragif^er Seiben« 
f^aft fi^ ergebt toie im jkoeiten ^^inale. 83on ben früheren 
D^ieretten f^einen mir „^aS ©i^^i^ntuc^'' unb ^^S>^ luftige 
^rieg'' bod^ gar ju fd^neS au8 bem Stepertoire befeitigt, 
))on ben fp&teren ber ^993aIbmeifter'^ 2)er Zjtgt beS le^« 
teren ift, bei aller 2)ürftigteit ber ^anblung, burd^koeg 
l^eiter unb ^armloS, a(fo gerabe red^t für ©traug, ber eine 
fe^r anmutige, loenngleic^ ni^t überaQ auf frül^erer ^fi^e 
fte^enbe SOtuftf baju gefpenbet ^at. 3Bad felbft in feinen 
loeniger erftnbungSrei^en DpnMm ben muftfalif d^en $0rer 
feffelt unb erfreut, ift bie ed^t mufifalifd^e (Sm^iftubung, 



3ol{anit SttQu%. 309 

ber natürlid^ f^Iu^ beS ®efaitge£, enblid^ ber ^errli^e 
Dtd^efterflang. 3n ber ^etnt^re beS f^SSalbmeifter" äugerte 
Stamms ju mir, hai @trau^f(|e Ord^efter erinnere i^n 
an äRojart. 

©egen Snbe fetner Saufba^n ffil^Ite ftd^ ©traug bon 
bem fe^r begretfli^en, aber un^foollen SJ^rgetje Qt> 
ftad^elt, ein grflgere» SBerf für bie SBiener $ofot)er ju 
f^affen. (£r nal|m einen getoaltfamen Snfd^koung unb 
fom^onierte ben breiaftigen ir^litter $ajman''. S)e8 
SBiener ^blifumd toax er ftd^ unb auf bie luftigften 
feiner Operetten burfte er ftolj fein. %[ber iebe äRad^t ift 
an eine D^nmad^t gebunben. ©eine äRad^t lag in ben 
Reinen f^ormen, ben ^n^r^^t^men, bem f^ro^ftnn; feine 
O^nma^t in ben breiten SnfembleS, ber bramatif^en 
6:^arafterifttf, bem (eibenf^aftlid^en ®efü^l8au8brudf. 3ßerf* 
li^ reagierte feine ^totur gegen bie matte, lont^entioneHe 
j^anblung, bie lauter emft^afte ^erfonen in fentimentalen, 
oft and Xragifd^ ftreifenben Situationen ju einanber 
ffi^rt. Unfer Sodann ©traug mugte fi^ verleugnen, ftd^ 
umstoingen — unb baS ffi^rt feiten ju gutem Snbe. 9Rit 
einer toirflid^ lomifc^en Oper älterer ^^orm, toie etioa „Sjar 
unb S^ii^^^^^^^^r tDürbe ©trau^ au^ im $ofo))ern« 
t^eater burd^gebrungen fein. Slber bie langgeftredEten, burd^ 
feine 9{ecitatit)e ober ^rofafteQen unterbrod^enen, burd^aui» 
gef ungenen 83erfe jtoangen ben ftomponiften ju einem fort« 
laufenben Slriofo, ani bem abgerunbete 9Rufi{ftüdEe ftd^ nur 
feiten fd^rf herausgeben. 9Ran betounberte bie ©efd^idSid^«» 
feit, toomit ©trau^ in biefen i^m bisher ganj fremben 
©til unb fremben Xon fi^ hineingearbeitet ^tte. Sber 
baS ift nic^t unfer ©traug! ^firte man toS^renb ber jtoet 



310 ^^- Qansitcf. 

«rften Slfte im $u6Itfum murmeln. 2)a {am gegen (£nbe 
beS britten SKteS etoad UnertDatteteS: eine :t)r&^tige 99aIIett« 
muftf, bie tDeit^in gl&njenbe $erle beS ©anjen! Wt ben 
elften halten beS ^aUtkti f^einen ©traug plb^li^ bie 
lauget ju toad^f en ; mit jlugenbKd^er Sraft unb ^^reubigf eit 
fd^koingt er fic^ in bie Süfte; Xe^tbud^ unb SHcl^ter t>er« 
fd^nnnben ))or feinen Singen — ^ie^t bin id^ allein ^err!" 
SHefe föftli^e SBaSettmufit erneuerte in mir einen alten, 
tDieber^oIt flffentli^ auegef:t>^o^enen Sßunf^: @trau^ 
mdd^te ein DoQftfinbiged SSaQett ffir bie $ofo))er fd^reiben, 
er, ber einjige beutfd^e ftomponift, ber bieS mit ftarfer 
SBirfung unb f))ie(enber Sei^tigfeit t>ttmo^k: Sänge tooSte 
er ni^tS baüon ^firen. Ski, toenige äJ^onate ))or feinem 
^be, fd^ien er fi^ pldglid^ mit bem ®ebatt!en ju be« 
freunben. ^aft ali tooQe er ft^ felbft jebe Umte^r ab« 
f d^neiben, fc^rieb er einen bebeutenben $rei8 au8 ffir baS 
befte Sibretto gu einem ^eiteren Ballett 3d§ ^ege ein burd^ 
Erfahrungen DoUauf begrfinbeteS STJigtrauen gegen $reüS« 
auSfd^reibungen. @ie foften üiel ®elb, mad^ unf&gli^e 
äRu^e unb bringen feiten ben gerefften ©d^ag ju Xage. 
^ne ©intflut Don fieben« bid a^tl^unbert 8aIIettentto)urfen 
ergog fi^ Der^eerenb in bie Sgetgaffe. %[ud ben retatit) 
beften kofi^Ite ©traug ein inS 3ßobeme übertragenes 
^^[fd^enbrfibel'', bad toenigftenS im legten %[ft (einem JBoII* 
feft) feiner glänjenben ©t)erialitdt entgegenfam. ^ier, 
glaubte id^, ^5tte ©trau^ ben Snla^ unb baS 9ted^t ge« 
^abt, eine Slnja^I feiner ^albk)ergeffenen f^finften ^nje 
JU neuem, er^fi^tem Seben ju ertoedten. 83erbanlt bod^ bad 
fiberaud fiegreid^ SBaUett „SBiener SBalger'' feinen (Srfolg 
jumeift ben eingeflod^tenen alten SBaljem t)on Sanner unb 



3o^ann Strottg. 311 

ben beiben ©traug. 9Barum foQte er, ber Srfinber, ntd^t 
felber t^un, toai ein frember S^earbetter t^uit burfte? 3^ 
benfe, ba^ ©traug, mit bem id^ in 3f^I unb jule^t in 
Sßien einge^nb fiber baiS neue Sauet fprad^, fd^Iieglid^ 
feine ®fxuJpd tt>egen fold^er Sluffrifd^ungen übemunben 
^dtte. Srfl^Ii^ machte er fi^ an ben Einfang feines legten, 
luftigften SBerfeS — ba ftopfte i^m, toie man auf alten 
Silbern fte^t, ber %ob mit bem f^ebelbogen auf bie @^ulter. 
5E)a8 Seben ein %ani — ba8 Seben ein Iraum.*) 

aRit So^nn ©traug ift ni^t blog ein gl&njenbeS 
Xalent, ein ^olb beS SBiener mufilalifd^en 9iu^me8 t)i>n 
und gefd^eben, fonbem au^ ein fiberaud liebenStoerter, 
tDo^rl^after unb koo^tooHenber aj^enfd^. @8 ift nid^t mdg« 
lid^, befd^eibener t)on fid^ felbft ju f))red^n unb ju beuten, 
als ©traug eS tl^t. ©eine bon ben Sauren ungebeugte, 
elaftifd^e @eftalt mit bem boUen ^aarbuf d^ unb ben bligenben 
Singen, fie toirb in 3Bien f^merjU^ bermi^t tt)erben. (Sin 
legtet 9Ba^rjeid^en au8 fr0I|Ii^en, gemütlid^en S^gen, baS 
l^erfiberleud^tete in unfere unfroI|e, jerKfiftete ©egenkoart. 

3Bir lefen eben bon bem ^rojeft eines 2)o))):>elben{^ 
maleS ffir £anner unb S[It«©traug. Unf er Solenn ©trau^ 
barf barauf nid^t fel|len; er erft toirb ben l^eQen 2)reiflang 
boQft&nbig mad^en. Sänge 3^^ ^^^ ^^ ^^^ ^^ ®^ 



*) S){e üon 3. Sttaug üeröffentltc^ten ftom|)ofttionen erreichen 
(feine 16 »fi^nentDetfe n^t mit gegfi^It) bie Sa^I 477. (üne faft 
unglaubliche ^ni^tbarfeit! Seine Sii^nemoeife fUib, ci^ronologiid^ 
gereift, bie folgenben: Snbigo, S)eT ftameDal t>on 9bm, 3)ie ^leber^ 
maud, (Saglioftxo, ^et^ufalem, Slinbefu^, ^ad ©pit^entud^ ber 
5^önigin, 3)er luftige Meg, (Sine fftad^t in IBenebig, 3)er Sigeuner» 
baron, @im))IiciuS, fiftitter $aj|mann, if^inetra, S)aS Stpfelfeft, 
^olbmeifier, 2)ie (S^dttin ber IBemunft. 



312 ^^' C^ansltcf. 

famtbenimal ffir ^\)bn, aRojart unb 8eet^o))en geplant; 
ed jid^terte, loenn t^ nid^t irre, an ber ted^ntf d^n ©d^tmerig« 
{ett, 3U ben 2)reien fpdter aud^ nod^ ®d^u6ert ju gefeQen. 
98&re fi^nltd^ 99eforgni8 benlbar für ein 9Ronument 
SannerS mit ben beiben ©traug? jteine %(ngft; eS toirb 
fein 83ierter fommen! 




V. Abteilung. 

J0, % bun Üßafleletn^f. 

[9)Ht tmgcbntdttn Bde|en t»n Slaia Scgumann.] 
[1898,] 



^Ditt ©elbft&iogTop^ erwarten mir, bag er ent> 
mtKr EBebeutenbeS gefc^ffen, ober bag er 8ebeutenbe8 
erle&t ^abe; am liebften beibeS. SBDÜte man btefen 
Stnfpruc^ mit fiugetftei ©tienge ergeben, [o gingen unS 
frei{td| ja^Ireic^ ?Iutobiogni|)^ten Dertoren, tKläje in 
bef(^eUienen ®rengen biel Sel|rrei^ unb Snjie^enbeS 
bringen. ^llnSlvfonbere SRufifei-EBiograp^ten unb ftKcieQ 
auc| bie unS Borliegenbc SBa^eletuSK E|at atö tü^tig« 
SktQer unb Ordiefter-SHiigcnt burc^ na^u 40 Sa^ie im 
beutf^en SJIuftlleben berbienftnoQ gewirlt, nebenbei alS 
©c^ri^fteQer einige arbeiten ton anerfanntem ffiert ge» 
Tiefert ©eine ßeigig gufammensefiellte ,®ef^(^te ber 
$}toIine unb beiS SHoIinffnete" Derbient f^on als bie erfte 
auSfüfirlii^ ^anblung biefeS ®egenftanbe8 ben Zunl 




314 ^^- Qansltcf. 

aller SRuftffreunbe. 2)er einige Saläre ^p&ttt nad^gef^idte 
fd^lD&^ere 8anb, ^®efd§i(l^te beS a3il)lonceU8^ l^tte ftd^ 
tDO^l beffer in ben ßufammen^ang feines erfien eingeffigt 
2)ie Sntoidelung beS SSioIonceQbaueS ge^t ja mit jener 
ber @eige (KtroIIel, unb bie berü^mteften Geigenbauer ^aben 
aud^ bie beften SSioIonceQe t)erfertigt Snblid^ ift bie ß^i'^t 
ber l^erborragenben SBiolonceÜ « 93irtuofen unb ber au8« 
f^Iiegn^ ffir biefeS Snfirument t^fitigen jtom^onifien faum 
grog genug, um einen eigenen 8anb ju füllen. SBafieletoSfid 
befannteS unb toid^tigfieS 8ud^ ift feine @^umann<« 
^lygcapfiit, auf bie koir \p&ttt jurfidßommen. 

993. 3. t). SBafieletDSfi (geboren 1822 bei S)aniig, ge« 
ftorben 1897 in ©onberS^aufen) I|at feine mir Dorliegenben 
„SebenSerinnerungen'' (1897. 2)eutfd^e 83erlag8anfta(t 
in Stuttgart unb Sei^jig) in fp&ten Sauren nieber** 
gefd^rieben. (Sr entgel^t babei ni^t ganj ber getod^nlid^en 
83erfud^ung, auSfä^rßd^ eine 9Renge SMnge ju erj&^Ien, 
toeld^e i^n unb feine f^milie, f eine8tt>eg8 aber einen grfl^eren 
Seferf reis tntereffieren. SSenn toir ba nad^ einer ^iftorif d§en 
(Sinleitung über bie ©tabt S)anjig auSffi^rlid^ ju lefen 
befommen, koie ber Keine SBafteleMfi ftd^ mit SBoIfSmil^ 
baS ®efi^td§en t^erbrannt ^t, koie er beim 8aben einmal 
faft ertrunfen to&re, toie ein anbermal i^m ein lofer 
^fterflfigel auf ben ^p^ fiel unb berglei^en, fo blättern 
tDir ungebulbig toeiter. 2)ergleid§en erj&p man gelegentli^ 
feinen Slnge^drigen, aber bruden I&gt man'S ni^t ^nlid§ 
t)erf&]^rt ber Serfaffer mit ben ©^ilberungen feiner @r« 
I|o(ungSreifen nad^ 9tom, 3l^apü, 99rflffel, Sonbon, $ariS. 
Sßer ^te t>on ben 9Rerfkofirbig{eiten biefer @tfibte ni^tS 
iReueS, (SigeneS ju berid^ten ^at, mag unS beruhigt ber 



W. 3. von IDafielemsü. 315 

p^rung SfibeferS überlaffeit 92ur bem f^ad^mann in 
mi[\i, «rc^ttcftur, SRoIerei, öoIfÄtotrtfd^aft, ober bcm 
$oeten ^flren toir l^eute no^ ju, toenn er Don Stallen ober 
^rantret^ er j&^It. 

Seb^afteS Sntereffe getoA^rt unS I|ingegen ber breite 
mittlere 2:eil beS SBud^eS, koorin 9BafteIetDSfi feine mufi* 
ialifd^en Stf^x* unb äBanberja^re fc^ilbert unb ben 83er« 
!e^r mit fo Dielen bebeutenben Xonfflnftlem. B^^^f^ ^^^ 
Seipjiger 3^ w®* S^^^t in S^eutfd^Ianb, DieÜeid^t in ber 
S33ett leinen beffercn Drt für einen Jungen SRufüer al8 
S^i^fr'' f^tieb Stöbert ©^umann im Sa^re 1846. 
äRenbelSfo^n, ©^umann unb beffen ®attin, SRori^ ^au^t* 
mann, gerbinanb 3)aDib, filier, ®abe unb 9Rofd§eIe8 
nnrften bort; neben i^nen belebten in ben ®etoanb^ud« 
ftonjerten immer neue frembe ftänftler unb ftfinftlerinnen 
baSflffentlid^eaßuftftreiben. ^er 21i&^rige9ßafieIekDeIi,ber 
fd^on als Stnabe im D&terli^en ^ni [xä^ als talentvoller 
©eiger belo&^rt l^tte, trat nun als ©d^filer inS Seipjiger 
ftonferbatorium. UnDergegli^ ftnb i^m 9RenbelSfo^nS 
Seftionen in ber ftom))ofttion unb im Snfemblef^eL 83on 
SRenbelSfo^n glaubt er baS SBefie gelernt ju ^ben, koaS 
im ftonferbatorium über^u))t ju lernen toar. 3)tenbelS« 
fo^n befag eine feltenfte ®abe, ft^ o^ne Umfd^toeife fiber 
aUe beim Unterri^t in Srage fommenben fünfte furj, flar 
unb beftimmt auSjufpred^en. 2)er gel&utertfte ©efd^mad 
Derbanb fid^ bei i^m mit ftetS jutreffenbem UrteiL %[uf 
bie Srage eineS ratlofen @d^fiIerS, tone eS anjufangen fei, 
einen Ouartettfa^ ju tom))onieren, anttoortete SRenbelS» 
fol^: i,92e^men @ie ein Duartett Don $a^bn Dor unb 
bilben @ie bie t$orm nad^. ©0 l^at eS au^ mein Se^rer 



316 ^' Qanslicf. 

3e(ter mit mir gehalten." 3m @elDanb^au8fonjert kotrfte 
iKenbelSf o^n iti^t Uo^ burd^ feine eminente 2)ire!tion8ga6e, 
fonbem au^ burd^ hai getftige ÜbergelDic^t fetner liebend«» 
toürbigen $erffinlid§feit. SOIe aJKtttrirfenben faulten ben 
l^ngebenben Srnft unb bie ^fti^ttreue biefeS äRanneS, aQe 
orbneten fid^ i^m gern unb unbebingt unter. Ttan tfyit 
nid^t b(og feine @d^u(bigfett, fonbem Umr mit Suft unb 
Siebe bei ber @a^e. 3m ©egenfage ju äßenbelSfo^n lebte 
9t. ©d^umann in merflid^er QnxüifialtnnQ Don ber 
Öffentlid^feit. {Befanntli^ m^ielt er f!d§ in ®efellf^aft 
anberer fe^r fc^toeigfam unb in ft^ tierfunfen. %[ber ein 
l^fibfd^ @d^itDort koei^ SBafieleMfi bod^ t)on il^m ju 
erj&^Ien. 2)er q(8 ftonjertmeifter ^od^gefd^&^te f$eri)inanb 
2)at)ib, ber gern aud^ ald ftom^onift fic^ bemerlbar ge« 
ma^t l^&tte, ft)ielte eines ^geS ivm erftenmal 2SttttM&^ 
fol^nS SBioIin^ftonjert ,,@ie^ft 2)u, lieber ^SXüorb", fagte 
©d^umann, i^m freunblid^ auf bie ©d^ultem flopfenb, 
ybaS ift fo ein ^njert, koie 2)u immer lom^onieren 
tDoSteft' SRit f^ranfenlofer, gefüllter SBere^rung fprid^t 
SBafieleMK an ben berfd^iebenften ©teilen feines SBud^S 
t)on f^rau Stlora ©d^umann. ^993ie eine ^efterin/ 
fd^reibt er, «^UKiItet fie i^reS Berufes, ©ie ge^drt ju ber 
Slriftolratie il^ SuSertodl^Iten, toel^e, o^ne eS ju kooSen, 
i^errf^aft Aber bie ®emüter auSfiben." 3n (iebet^oS 
d^arafterifierenben ©d^ilberungen jiel^en aud^ aQe übrigen 
l^erüorragenben SDi^ufifer beS bamaligen Seipjig an unS 
vorüber: ber geiftt)oQe, fd^koeigfame S^^eoretifer SRori^ 
Hauptmann, ber rührige ftonjertmeifter 2)ak)ib, ber 
mfirbige 9Utmeifter Sgnaj äRofd^eleS, ber raf^ beliebte, 
blonbgelodte 2>fine 9Kel8 ®abe, ber farfaftif^e JtapeQ« 



VO. 3. von XDafititwsfi. 3 17 

metfter Suliud 9tte^, ber radEfic^tölofe ftritifer C^trf c^bac^ 
unb anbete. 

(Sine bebeutungSt^oHe SEBenbung in ber Saufba^n 
aBafieleiDSfiiS tritt mit bem Sa^re 1850 ein. 3m $erbft 
biefeS Saures l^tte @^umann bie ©te&e eines ftfibtif^en 
SDtttfifbireltorS in 2)fiffeIborf angenommen unb bort 
bad Engagement SßafielekodfiS a(8 ^mfpieler im 
Drd^efter bur%efe^L y2)ie 2)ireftion ber ftonjerte,' fd^reibt 
er an biefen, i^toirb aSeS t^un, ba^ koir @ie l^ier^ be^ 
fommen, unb toie eS und, mid^ unb meine f^rau, freuen 
koürbe, braud^n koir S^nen nid^t ju fagen.'' S)ie 2)fiffeIborfer 
®efeQigfeit, inSbefonbere in ben äRalerfreifen, bot tAd %[n« 
regenbeS. 9lber ^bie innerlid^ befriebigenbften unb koertt)oQften 
Sriebniffe'' Inü))ften fi^ für SBafteleMfi an ben regen 83er« 
fe^r mit htm ©d^umannfd^en ftfinftler^iaar. ©c^umann fa^ 
ed gern, toenn SBafieletoSfi tSglid^ gegen 12 UI|r bei il|m 
t>ox^piaäi, um il^n ju einem ©it'^iiergang abju^olen. SBenn 
SBafielekodfi SSormittagS Der^inbert toar, fo ^olte er bad 
SSerf&umniS jnnfd^en 5 unb 6 U^r na^, bis ju loeld^er Qdt 
@d^umann ju arbeiten ))flegte, unb blieb bann ein 
@tünbd^n bei i^m. 99ei einer (Sigarre teilte (S^umann 
bem jüngeren ®enoffen mand^erlei auS feinem StUti mit. 
S)er t&gli^e intime SSerfe^r im ©d^umannfd^en i^ufe 
brad^te SßafieletoSfi aud§ ^rau ftlara perfflnli^ n&^. @r 
pxÄ\t fie als eine „augerorbentlid^e Srfd^einung, ni^t nur 
als ftfinftlerin, fonbem au^ als forgenbe ®attin, 9Rutter 
unb mufter^afte Steprfifen tantin il^rer ^AuSlid^leit''. 2)er 
Snt^ufiaSmuS, ben i^re Seiftungen jjeberjeit hervorriefen, 
erfreute fie too^I, geto&^rte tl^r aber an ftd^ allein feine 
toirflid^e 8efriebigung. @S gab ffir fie nod^ eine ^D^re 



318. ^* QansUcf. 

Snftanj, unb btefe Snfiart} toar i^r ®atte. (Srft toenn 
berfelbe itad§ beenbigtem SSortrage i^r freunblt^ junidFte 
ober ju i^r fam, entpfanb fie trotte ©enugt^uung. S3er« 
^ielt ftd§ (Sd^umann aber einmal ^ffit), fo bemfi^tigte fid^ 
i^rer gro^e Stiebergef d^Iageit^eit unb fte lonnte bann S^^r&nen 
Dergiegen. 3nt Sa^re 1852 folgte 3BafteIeio8fi einem 9btfe 
na^ 8onn, too er einen grfigeren 3BirIung8trei8, nament^ 
lid^ aiS 2)irigent, t)orfanb. ©d^umann t)erIor i^n fe^r 
ungern. %[u^ Don f^rau ftlara erhielt äBafieletoSfi einen 
fe^r freunblid^en SBrief, koorin fte i^r unb i^reS ®atten 
99ebauern über feine Wbreife auSf^irad^. @ie fügte l^nju, 
ba^ fie um ©d^umannd SBiSen gern aud^ ^üffelborf t)tt^ 
laffen mOd^te, benn fd^on toar bem SReifter ber Stufent^alt 
bort verleibet @r fa^ fic^ bereits um eine anbere ©teQung 
um unb erfunbigte fid§ brieflich bei bem SEapeQmeifter 
^ermann in ©onberS^aufen nad^ ben bortigen SSer^&Itniffen. 
®Ieid§jeitig f^rieb er an fötntfd: ^^aä) SBSien mfid^te 
id^ gern, toenn fid^ bort irgenbn)ie ein S)irigenten«»3Birfung8« 
frei* Dorfänbe.'' ©d^umann Wieb inbeffen in 3)üffeIborf, 
ba ftd^ i^m feine SluSftd^t auf eine anbere ©te&ung er« 
Öffnete. 3Bar ed bod^ nur ju 6a(b befannt getoorben, ba^ 
©d^umannS ftiEeS, tr&umerifd^edSßefen nid^t jum 3)irigenten 
tauge. Dbenbrein fteigerte fein 9lert)enleiben fi^ in fo 
befingftigenbem ®rabe, bag ©d^umann in bie ^lanftalt 
ju @nbenid§ gebrad^t loerben mu^te. 83on bort fam und 
bie erf^ütternbe S^rauerfunbe bon feinem 2)a^infd^eiben am 
26. Suli 1856. 

Sßafieletodfi toar f^on frü^ mit bem ®ebanfen um« 
gegangen, eine ^ogra|)^ie ©d^umannd ju f^reiben. 3^ 
Don ©d^umann eigen^&nbig gefd^riebene $efte mit biogra* 



W. 3. von WafitUwsfl 319 

|)§tfd^en Sufseid^nungen fyxt er Don biefem feI6ft ein))fangen. 
93on ©d^umannS SSemanbten, 3ugenbi> unb @tubienfreunben 
erhielt er nun aud^ eine groge W^ifl^l Don ^Briefen 
©d^umannS unb fonftigeS äßateriaL @o lonnte er benn 
6a(b btefen reid^Iid^ angefammelten @toff ju feiner 
@d^umann«)8iogra|)§ie Verarbeiten, toelc^e rafd^ brei 
Sluflagen erlebte. @ie ift bie erfte getoefen unb bxi ^eute 
unentbe^Iid^ geblieben }ur 5hnntni8 ©d^umannS. 

SBalb nad^ bem @rfd^nen Don SBafteleMtie SBuc^ 
fd^rieb id^ barfiber jtoei ^uilletonS unb vcffklt Don $rau 
©d^umonn, bie injnrifd^en in SBien eingetroffen toar, nad^^« 
ftel^nbeiS Dom 15. Sanuar 1859 batierteS SiQet: «®eel^rter 
^rr S)oftor! SBoQen @ie freunblid^ entfd^uQ)igen, nienn 
id^ @ie ^ierburd^ bitte, mir einige Sl^rer fd^önen Srtifel 
fiber meinen äßann, Don benen man mir fo Diel er^d^It, 
Sufommen ju taffen. @iS toürbe mir eine f^reube fein, fte 
ju lefen, unb Uieig id^ auf anbere SBeife nic^t, fte )u be« 
lommen, ali burd^ ®ie felbft. ^rr D. ^oltei in ®ra} 
Derfid^rte mid^, bag ®ie meine SSitte nid^t unbefd^iben 
finben toürben. 3d^ too^ne in ber «Staiferin Slifabet^", 
äBei^burgftrage unb bleibe nod^ bis 18. ober 20. ^ier. 
äRit freunblid^ ®rug Derbleibe id^ 3^re ergebene Stlara 
©d^umann.'' 

3d^ beeilte mid^, i^r bie beiben S(uff&^ ju fiber^ 
reid^en, nid^t a^nenb, bag fte in mein SSer^&ItniS gu ber 
Dere^rten grogen $(ünftlerin einen äßigton bringen lofirben, 
toeld^r lange nad^jitterte. ißiemalS ^tte id^ an bie äRdglic^« 
!eit gebaut, fte ju Derle^n. 3ft mir bo^ §Sufig ju Die( 
^tt^uftoSmuS ffir ©d^umann Dorgeloorfen toorben, niemals 
ju toenig. SCud^ jjene Strtilel koaren mit unDer§o|Iener Siebe 




320 ^^- Qansluf. 

gefd^riebeiL 3n ben t^tf&d^Iid^en S(nga6en freilid^ mugte 
id^ mid^ gekoiffenl^aft an SBafieletPSfi galten, ber \a fo genau 
mit ©d^umannS legtet ^eriobe unb mit ben S)fiffe(borfer 
SSerl^ältniffen vertraut loar. @o citierte id^ benn tudrtlid^ 
ben ®a^, bag mit 9tüd(ftd^t auf ©d^umannS |ebe S)irigenten« 
X^tig!eit Id^menbeS 92ert)enleiben feine (Sntl^ebung Don ber 
Stonjert^S^ireftion im ^bfte 1853 befd^Ioffen loorben toax. 
^an ©d^umann fc^rieb mir barüber (auS Sßrfinn, 19. Sanuar 
1859) folgenben ©rief: 

,,®eel^rter ^err S)oItorI @ie lounbem ftd^ getoig, Don 
^ier aus biefe ßeilen Don mir ju erhalten; ba id^ febod^ 
in 38ien aud^ nid^t fo batb ©elegenl^ finben bürfte, @ie 
ju f|)red^en, fo miK ic^ fo fd^neU toie mfiglid^ mein ^erj 
erteid^tem. 

3d^ §a6e S^ren S(uffa$ über meinen äJ^ann gelefen, 
bem man bie freunblid^e ®efinnung für ben ©ereloigten 
IDO^I anffil^Ien fann, um fo mel^r aber erfäQte eS mic^ mit 
©d^merj, eine Untoa§r^ barin ju finben, bie ®ie aUer* 
bingS nic^t toiffen tonnten, |ebod^ als ^eunb beS Steuern 
nid^t §fttten toiebergeben foden, beDor ®ie nid^t genauere 
@r(unbigungen barfiber eingebogen. ^^ meine bie @telle, 
too @ie Don ber 3Birffam!eit beSfelben afö S)irigent f)nred^en 
unb bamit fd^Iiegen, bag man i^n feiner ©teile enthoben. 
@8 ift bied burd^auS untoa^r. SJ^ein äßann ging bamit 
um, bie ©teile freiwillig niebergulegen, als i§n bie traurige 
fif anf^t ereilte, aber felbft nad^ bem ftanb man in Staffel* 
borf lange an, einen anbern S)irigenten anjuftellen, toeil 
man immer hoffte, er toerbe toieber genefen unb bann f&^ig 
fein, loieber feine ^unftionen ju Derfe§en. SJ^ir jal^Ite man 
fogar ben ®el^alt fort, getoiffermagen um mir ju jeigen. 



W. 3. von lüafielewsfi. 32 1 

bag man fid^ [einer butc^auS nic^t ju entfiugem ben!t. äSar 
ed auc^ toatfr, bag fein ganjeS äSefen ein ju tief innerlid^ed 
toar, um ein auj^ge^eid^neter S^irigent fein ju fönnen, fo 
tDfirben @ie bod^ genauere SZad^forfd^ungen über feine 
äSirffamieit atd fold^er fiberjeugen mfiffen, ba% man no^ 
jegt mit Sntl^ufiaSmud t)ie(er @enüffe gebenft, bie feine 
Segeifterung bem ^ublifum in ben erften ^[a^ren, too er 
nod^ fr&ftig unb ni^t burd^ gemeinfte Sntriguen tief ge« 
fr&nft, gefd^affen. ©olc^e Sntriguen aber tuurben fc^on 
früher gegen 9)?enbeföfo^n berubt, fönnen alfo fär bie 
^l^igfeiten beS S)irigenten feineiStoegS maggebenb fein. Sd) 
tt^eig ni^t, ob Sinnen biefe Errungen burdö äSafteten^dti gc' 
fommen, benn id^ lad bad S9ud^ nie, n^eil id^ ber Über« 
jeugung bin, bag ein S^ara!ter toie äSafteletüSK, bem mein 
geliebter aJJann in feiner unauSfpred^Iid^en äJKIbe unb 
@)ute nur gar ju Diel traute, nie auc^ nur eine Sl^nung 
^aben fönne Don folc^ ^errlid^em ©emfite, no^ Don feiner 
fc^ö|)ferif^en ^aft, bie ju begreifen er Diel ju geringe 
mufüalifd^e Begabung unb ju toenig Stenntniffe ^at ni^t 
ju gebenfen bed mangeinben ®efü^Ied. 3d^ glaube, fo tt)ie 
id^ ®ie fenne, !eine ^el^Ibitte ju t^un, toenn ic^ @ie bitte, 
bie ©ad^e in einer iRotij ju berichtigen; ift Sinnen mein 
SBort ni^t genügenb, fo bin iä) bereit, 3^nen fd^riftlidöe 
Setoeife Don 5)üffelborf ju liefern, freilid^ leibet bann mein 
^rj länger ben fd^merjlid^en S)rudE, ben teueren SRann 
mit einer Unehre behaftet ju toiffen, bie i^m, bem ^immel 
fei S)anf , nie toiberf a^ren. ©ie begreifen, bag jebe ©äumni«, 
bieg JU listen, mir fd^toer auf ber ©cele laftet unb ent* 
f^ulbigen bal^er mein drängen. 

Über mand^e« anbere in S^rem «uffa^e gelcgcntlid^ 

^ a n 8 n (f , Vu8 neuer unb ncucfter 3ctt. 21 



322 ^- ^anslid. 

mit Sinnen ju f|)red^en, lodre mir ertpfinf^t, id^ meine, ed 
mügte mir gelingen, @ie einiger anberer Heiner Ungered^tig« 
leiten ju üfiern^eifen. ®Iau6en @ie mir, id^ loar nie Minb 
für meinen 9Rann aU ^nftler, toaS ic^ todfjH am beut« 
tid^ften baburd^ betneife, bag ic^, bem Umfange nad^, be« 
beutenbe SBer!e aud bem iRad^Iaffe, tro| allen S)rfingend 
ber SSerleger jurfidE^alte, bennoc^ bin i^ ber Überzeugung, 
bag i^m oft Unred^t gefc^ie^t, n^enn man feine britte 
©d^affenSperiobe eine ^erabfinlenbe nennt — mir 
fd^eint fte nur eine l^ie unb ba abn)eic^enbe — bod^ id^ 
uerliere mid^ ju n)eit; lieber laffen ©ie und einmal in 
Slu^e baräber fpred^en — rid^ten freili^ !ann nur bie 
3eit! SBitte geben Sie mir nur ein paar SBorte Äntmort 
betreffs meines S(nfud^enS unb feien @ie freunblic^ gegrügt 
t)on S^rer ergebenen ftlara Schümann/ 

Unberjfiglid^ Deröffentlid^te id^ bie Don ^rau ©c^umann 
gen)finfc^te äSerid^tigung, unb jtoar mit bem S3eifügen, bag 
id^ i^re Slutorität in allen ©c^umann betreff enben Z^at« 
fad^en als entfc^eibenb anfe^e. Sd^ fonnte bie Semerfung 
ni^t unterbruden, n)ie gut eS toäre, toenn fie baS nur Dom 
^örenfagen il^r befannte S3u4 äßafteIen)SfiS jur ^anb 
nehmen unb, toaS unrichtig barin, mir anjeid^nen n)oIIte. 
QktD\% n)erbe man bann in ftrittigen ^Qen il^rem SluS« 
fprud^ glauben. SlQe SSerel^rer ©d^umannS mfigten il^r 
!S)anf bafür toiffen, bag fte bem Anbeuten i^reS hatten 
iuliebe i^re Sße^Ieibigfeit fibertoinbe unb enbli^ baS ^nd) 
felbft bur^Iefe. ©iefe 3«n^wt"ng unb ber DieHeic^t un* 
gtücflic^ getoä^Ite SluSbruci „SBe^Ieibigfeit*' — iä) toü&te 
au^ ^eute !einen anberen — ^at leiber ^au ©^umann 
in heftige Aufregung berfe^t. S)aS tourbe mir Don i^ren 



W. 3. von XOafielewsfv. 323 

^reunben fe^r nad^btüdEßd^ mttgetetlt. 2)er \o f^met^Iid^ 
geprüften eblen $rau eine Ungereci^tigfett auS Siebe Der« 
fibeln ju tDoQen — bon biefer nod^ f^Iimmeren Un« 
gered^tigfeit tpugte i^ niid^ frei Xro|bem burfte id^ 
fürd^ten, mein S9efud^ n)erbe i^r jegt nid^t loiQfommen 
fein. 9Zur meine )8erid^te über i^re gleichseitig in SBien 
gegebenen Stonjerte foQten fie überjeugen, bQ§ id^ in ber 
SSerel^rung ffir ©^umann unb für fte felbft niemanbem 
nad^fte^e. S)a8 mochte fie milber geftimmt unb ju nac^« 
fte^enbem Briefe an mid^ (Dom 7. ^bruar 1859) Deranlagt 
^aben: 

^©ee^rter f)err S)oItor! 83on f)enn D. ©^mutter« 
me^er erfahre id^ ^eute, bag äßigDerft&nbniffe Derfc^iebener 
Srt ftd^ glDif^en und gefteüt. ©old^ auf fi^ berul^n ju 
laffen, ift ni^t meine Xrt: id^ fpred^e mid^ lieber offen 
aus, toie id^*8 meine. @ie ^aben fid^ über mein @d^reiben 
Don 93rünn au8 gefrdnft — id^ glaubte S^nen burd^ baS«^ 
felbe einen SetoeiS meinet SSertrauenS ju geben. 3d^ fd^eb 
Sinnen über 9ßafie(en«{i, ic^ jeigte Sinnen mein f)er} DoH 
beS ©c^merjed über bie bem Steueren toiberfa^rene Un« 
gered^tig!eit, unb Sie anttoorten mir — unb nannten meine 
(Smpfinbungen ^rSBe^Ieibigfeit". S3ei ruhiger Überlegung 
muffen @ie bod^ jugeben, bag bieg Derlegenb für mid^ fein 
mugte unb mir ^öd^ft unertoartet f&me, toeit id^ mid^ ber 
^od^f^fi^ung S^rerfeitd Derfic^ert ^ielt, toenngtei^ @ie fic^ 
immer ferne Rieften, toai mir aufri^tig leib t^at, unb um 
fo me^r, al8 au^ mein teurer äßann ®ie fo l^od^fd^^e. 
$aben @ie Don meiner @eite mel^r Slufforberung, mid^ }u 
befuc^cn, ertoartet, fo toar ed fidler nur 3urüdE^ltung, bie 
man einer grau too^t Dcrjei^en fann. §abe i^ mic^ nic^t 

21* 



324 ^^- f^ansHcf. 

banlenb gegen @ie auSgef|)rod^en, bag @ie ftd^ immer fo 
mo^tooHenb ü6er mic^ gefiugert, fo toar aud^ bieS ßurüd«* 
^Itung, iä) l^&tte S^nen meine t^eube barflber gerabeju 
am btitten Drte ani^pveSfm mfiffen. S)Qg id^ aber S^re 
®eftnnung für mid^ lannte unb toert ^ielt, bettneS ic^ burc^ 
meinen borigen Srief, unb biefer mag 3^nen ein SBetoetd 
fein, toie fe^r id^ fiber^eugt bin, bag @ie mir ni^t §aben 
toe^ t^un toollen. ^tte ic^ ®ie jutoeilen bei mir gefe^en, 
tocß mir eine toa^re ^reube getoefen n^fire, id^ glaube, ^ 
to&xt aUed nid^t fo gefommen. Offenbar §aben aud^ Seute 
fid^ bemüht, S^nen eine fold^e 3bee Don mir beijubringen, 
ttrie eS folc^e [a genug ^ier giebt SSieÜeid^t fpred^e i^ 
©ie einmal in 9iu^e, unb id^ benfe, toaS nod^ jtDifc^en 
uns irrtümliches toaltet, toirb bann balb gefc^Iid^tet fein. 
@ie freunbli^ft grfigenb t)erbleibe id^ 3^re ergebene Stlara 
©d^umann." 

S)anf bar ergriff id^ bie Derfd^nenb mir gereid^te ^nb 
unb l^abe fettiger ^rau jUara, ber ju begegnen mir noc^ 
oft t)ergönnt n)ar, ftetS gleid^ freunbf^aftlid^ gefunben bis 
an il^r (Snbe. 3^te Briefe §abe id^ ^ier mitgeteilt, toeil 
fie mir jur ©efd^id^te Stöbert unb Stlara @d^umannS ju 
ge^dren fc^einen. @ie fönnen l^eute, na^ 40 Sauren, 
niemanben me^r t)erlegen. (Sbenfo toenig t)ermögen fte 
bte anerfannten SSorgüge ber ©d^umann « SSiograpl^ie t)on 
9BafieIetoSfi ju tilgen ober ju t)erminbem. @eine nad^ 
gelaffenen i^SebenSerinnerungen^ enthalten, toie toir gefel^n, 
fo oiele neue f^öne Semeife feiner pet&t unb SBerel^rung 
für ©d^umann, bag fte too^I auc^ grau SIKara ju ©unften 
be^ SBerfafferS umftimmen fonnten, toenn fie baS fSnä) 
no£^ erlebt ^ätte. 



Btüt ^Mitt üfitt 1Ci^3t unb Jjäagner« 




r. !S)aDib @traug in fetner ^xogtapl^k Ulrtd^d 
öon §utten unb ^riebric^ Sifd^er in feiner Äritif biefe^ 
SBud^ed ^ben gejeigt, bog ein S3iograp(, bei aller SBdrme 
fär feinen f)elben, bod^ nic^t blinblingd unb lopfloS in 
i^m aufgel^n bfirfe. @r mfiffe mit ruhigem Stute unb 
toeifer ,,3ronie'' aber feinem ©egenftanb fte^en. ©egen 
biefeS ®efeg Derftogen jumeift bie SRufilers^^iogra^^en; 
nic^t bie älteren, tuie Dtto Sal^n, Z^o^r, SJ^q; t), SSeber 
XDofjll aber bie neueften. SBenn mir be^au^ten, bag SiSjt 
unb Sßagner Don il^ren Siogra^^en ju Halbgöttern er« 
l^oben iDerben, fo fagen toir tnirflid^ nur bie l^atbe SBa^r« 
^eit S)ie SSergötterung arbeitet natfirli^ am ^anb* 
greif lic^ften nad^ ber ©eite ^in, too ber $etb fie am 
nötigften l^at. Sllfo bei Sßagner nod^ ber rein menf^ 
lid^en, bei SiSjt nad^ ber f^ö|)ferif^en. äSagnerS SRul^m 
ald Sionbic^ter ift ju feft begrfinbet, als bag feine SSer« 
teibigung §eute eineS befonberen firaftauftDanbeS bebfirfte; 
bafär tpirb bie ©d^önfärberei feinet S^arafterS mit 
^eu^terifd^er (Smfigfeit betrieben unb Sßagner als ber un« 
eigennügigfte aJJenfd^, ber ^ilfreid^fte ^Qege, ber treuefte 
®atte, ber t)erlägli^fte ^reunb gefd^ilberi S)ie SiSjt« 
SBiograp^en arbeiten in entgegengefe^ter SHi^tung. Sin 
SiSjtS eblem S^arafter nagt !ein Qtm^A ; tner ie mit il^m 
l^rfönlic^ ober aud^ nur mit feinen gefammelten Jßriefen 
Derfe^rt ^at, ber fennt unb Derel^rt i^n als ftetS l^ilf« 
reid^en, felbftlofen, tparm^erjigen äßenf^en. S)a mug 



326 ^- Qanslicf. 

benn in ber 83ergötterung8«S9togra|)§te bie anbete SBag« 
fetale QUdretd^nb behaftet unb Std^t afö einer ber größten 
Xonbic^ter aKer ßeiten bargefteQt tuerben. 2)a^in ftrebt 
unter anberm hai neuefte bon ^tttn (Sb. 9teu§ berfagte 
^nä).*) Zl^atfäd^Iid^ ffltn^ ^aben tuir nid^t baraud tx^ 
fahren, über SiiSjtd SebenSgang, inSbefonbere jeine glorreid^e 
93irtuojen^£aufbal^n, benü^t ber SBerfaffer bie befannten 
DueQen; aud Sigenent [penbet er un8 jeine f darauf enio je 
83ekDunberung ber SiSitfd^en ^ont^ofitionen. ^ai ift fein 
gutes äted^t, fo lange er nur feine perfönlid^e a)7einung 
äugert. Stber ungerecht unb obenbrein gefd^madlod ift t&, 
menn er in 83auf^ unb S9pgen jebe abtneic^enbe 9lnftd^t 
über SiSjtS ftomt)ofitionen ali S3omiert^eit unb ge^äffige 
$artetlic^feit branbmarÜ ®Ieic^ in bem SSortDort f^I&gt 
er einen gereift polemifc^en %on an unb !(agt, bag SiS^tS 
ebelfte ^Ibfid^ten berfannt, fein l^od^bebeutenbeS ©d^offen 
uer^ö^nt tnerben. 3d^ tDeig nid^t, loorauf gerabe ^tti 
9teug ben Slnfprud^ auf Unfel^Ibar!eit grfinbet, gegenüber 
äR&nnern loie f^rbinanb filier, Stiert, $au|)tmann, Dtto 
3i|n, gr. ^inrid^ unb fo bielen anbeten, toeld^e ^erfön^ 
K^ ^reunbe unb 93ere§rer bed ^ntponiften, aber nic^t 
fetner Stont^ofitionen tuaren. (SS ift unfinnig, ba bon 92eib 
unb ^nbfelig!eit )u fpred^en* Staum l^at je ein Stfinftler 
fo günfiiged SSorurteil, fo entl^uftaftifd^e @Qni|)at^ie fär fid^ 
gehabt ttne ^^ranj SiSjt, ba er nad^ feiner unbergleid^Iid^ 
^3irtuofen«Sauf6a^n mit großen jDrd^fter« unb SJ^ortoerfen 
^dortrat. SOIe ^onjertoereine beeilten ftc^, biefelben 



*) irSfrana SiSat." <Sin Sebendbilb )?on (Sbuarb fReug. 
^fünfter SBanb bed SammeUoerled <,9R5nner ber 3^^^*. S)redben unb 
Sdpaig, 1898. 



Ztene Bfid^er übet £133^ nnb ZPagner. 327 

iDürbtg aufiufü^ren; boS ^ublifum, überall nur auS 93e'> 
iDunberem äx^ti befte^nb, lauf^te il^nen mit froher (£r« 
toartung. äBenn glei^lDO^I bte ^om))ofttu)nen beS qU« 
gemeinen SieblingS nur laue S(ufna^me fanben unb tro^ 
ber „fii*jt«ajercine* immer feltener auf ben ^ogrammen 
erj^ienen, \o mug bie ©^ulb bod^ nid^t allein an bem 
^ublifum unb ber Jbritif gelegen ^aben. 

@e^r irrtümli^ red^net ed i^err 9ieug ju ben 6e« 
f onberen ißerbienften £iSitö, bag er „ffir bie Stontpofitioneu 
S^opinS unb ©d^umannd, bie nod^ faum bem SRamen na^ 
befannt tnaren (!), getpirft unb biefe bamit t)or bem ^luc^e 
beS ^erfanntlDerbenS ju i^ren Seb^eiten betoa^rt l^abt." 
S^^opin ^t für feinen Stu^m am beften felbft geforgt, unb 
toad ©c^umann betrifft, fo ift er bon SiS^t total ignoriert 
n)orben. S)ad ^at fiidjt felbft mit rü^men8n)erter Sluf^ 
ri^tigfeit öffentlid^ unb reuig eingeftanben. @benfo falf^ 
ift SReug' SBe^auptung, bag glei^ anfangs aQe „europfiifc^en 
Stonjerttl^üren fic^ Dor SiSjtS SBer!en Derfd^Ioffen ^aben, 
tpeil feine bisherigen guten ^reunbe, benen er ju grog 
gen)orben, gegen i^n auftraten''. 

S)ie 93etounberung beS SSerfafferS beginnt natürlich 
gleid^ bei SiSjtS DpvS 1 (ben 24 (Stuben) unb fteigert fic^ 
mä^tig bei ben „Apparitions", bereu britte Plummer be^ 
fanntlic^ einem föftli^cn SSaljer bon ©d^ubert i^ren Steij 
Derbanft. „993o^I |aben bie Stäben, bie (Sulen unb bie ©eier" 
(9ieug möchte auc^ ben milben ©^umann baju jä^Ien) 
„2\iit umfoeift unb mit gieriger Sßut auf feine SSer« 
nid^tung getnartet, aber auS bem @taube, in bem er n)ie 
einft Wta^^pa nieberftürjen foQte, ^at er ftd^ erl^oben als 
5{0nig u. f. to.** SRatürlic^ mug ^err Steug aud^ einen 



328 ^^ QartsItcF. 

@tein auf bie unglüdHc^e ®räfin b'SlgouIt toerfen, luie 
bteS bei ben ^Qpnottfierten Sx^U%nbtttm äRobe getoorben. 
ißon i^r, bie alleS Derlaffen ^Qt, um in Ieiben[c^aftlid^r 
Eingebung fiiSjt ju folgen, ^eigt eS: i,©ie Derftanb i^m 
burc^ i^r meland^otijd^ed SBefen eine ©d^Iinge ju (egen, in 
bie er l^ineingeraten ntugte. fiiSjtS ßu^u^^^^^^^S ^^i^^ 
bie ®rdftn, biegen Eroberer ber ganzen SÜunftoelt gu il^ren 
gu§en jU ^aben." 

2im ^Qt für feine ^onjertoorträge birtnofe S£lQt)ier« 
ftürfe gefd^rieben, bie man cffcftüoH, gWnjenb, intereffant 
nennen !ann, benen aber !ein Sinfi^töDoIIer eine bleibenbe 
^o^e SBebeutung iuf^ri^t Um bie groge SRe^rga^I berfe(ben 
f ümmert ftd^ t^utf fic^üd^ !ein äRenfc^ me^r, feitbem fie nic^t 
me^r SiSjt felber fpielt. Slber nieteten Opferrauch entjänbet 
§en 9?eufe toor ber Stobert^^^ß^antafte! SWc^t SKetjerbeer, 
fonbern erft ßiöjt l^abe ben 2;^emcn „i^re rid^tige tiefe Sc«' 
beutung gegeben unb ben ganjen bämonifd^en QavAa ^er« 
öorgerufen, ben ber Stöbert felbft nid^t entl^filt". 3)er SSer* 
f affer cntbccft barin „ein SKeifterftüdC f ontropunltifd^er Sunft, 
loie ein foId^eS bie größten £ontrapun!ttIer nid^t 
beffer gef daneben l^aben*. Unb biefer blinbbegeiftcrte Sidjt* 
@c^n)ärmer !(agt über ^^bie blinbe SBegeifterung Dito Sa^nS 
für SRojart"! 

@prid^n)örtlidj toar ber anS ^nbifd^e grengenbc 2\&iU 
(Sntl^ufiaSmug ber Serfincr im Sa^re 1842. 3)iefe tolle 
@c^n)ärmerei mu^te enblid^ einen 9tüdEfc^Iag erfahren unb 
t)on bem ruhigen Seite ber treffe beläd^elt toerben. ^aä) 
§errn 9ieu§ ^at biefe 5ßreffe, toelc^e ben ^Berlinern i^re 
n)armen ®efu^Ie für SiSjt gule^t Derleibete, ftc^ einen un> 
^eilüoUen ^^e^Ier ju f^ulben fommen laffen. ;,@ie vereitelte, 



Ztene Bfl(^er nber iis^i unb Warnet. 329 

bag ^Berlin ber SfuSgangS^unlt für bte (SnttDtdelung ber 
ÜRufif in ber jtoeiten f)ä(fte biefed Sa^r^unbertS gelDorben 
tft/ tiefer SluSfprud^ ift bejetd^nenb für bte gefd^id^tltd^e 
9luffaffunfl bed f>errn SRcufe. fflaä) feiner Segeifterung 
über SiSitS Stlaüierftüde fann man fid^ ungefähr ausmalen, 
n^elc^eS S)elirium ben Stator angefic^tS ber f^m^^onifc^en 
SDic^tungen beffiüt. Tlan lefe ben Slbfd^nitt über bie 
[$auft^@9m^^onie unb fpecieU über ben britten @ag, ben 
„Wlef^x^to" , toü6)tv bie X§emen gauftö unb ©rettend 
^ö^nijd^ öerunftaltet— einunmufilalifd^eg, toibermuftfalif^eS 
SSerfa^ren, toenn eS je eines gab. !S)iefer britte ©ag bilbet 
nac^ S. 9teug ^ni^t blog ein, fonbern baS äßeifiern^erf 
mufifalif^er S^^arafterjeid^nung; eS giebt fein anbereS, 
baS i^m an bie Seite gefteHt toerben fönnte*'. ©elbft* 
t)erftänblid^ fann $err 9ieug fid^ nid^t entgelten laffen, 
neben SiSjtS @9m|)^onie „bie als ©anjeS unb nament« 
Kd^ im ©d^Iufe^or ganj berfe^Ite gauft^SRufif 
©d^umannS" ju öertoerfcn. ®ounob8 gauft öoHenbS 
^abe ,, no^ üiel f^IimmereS Unheil a(S ber ©^umannf ^e 
angerid^tet*. 

S(ud^ $annS t)on SüIoU), ber bod^ me^r als irgenb 
ein anbercr ftünftler für bie SSerbreitung SiSjtfc^er fiom- 
^ofitionen getrau, befommt am @nbe beS S3ud^eS no^ eine 
fd^Iec^te 9Zote, „toeil er, anftatt feine ©teQung in $annot)er 
3U benü^en, um feine alten ©laubenSffi^e tneiter ju üer« 
fünbigen, ben t)erglimmenben ^unfen ber Sra^mS« 
SSerel^rung ju einer neuen i^amme angefad^t ^at". ^rr 
9ieug beitoeifett fogar, bag )8ü(on)S Eintreten für SBra^mS 
ganj e^rtid^ unb aufrid^tig gemeint tnar. S3er aud^ nur 
einige bon S9üIon)S intimen S3riefen an Sral^mS unb über 



330 ^^* £^ansH(f. 

SBra^mS gelegen fyit, Efinnte ben SSerfaffer über biefen 
$ttn{t DoQftänbig berul^tgen. S)ie äSenbung t)om £i8j{t<« 
5tultu8 ju 83ra^m8 ift itur ju leicht erflärlid^. Umgefe^rt 
toirb matt aber jc^tuerKc^ einen ^erüorragenben äRuftfer 
eitleren fönnen, ber t)on SJra^md ftd^ ju Q\&it befe^rt fyit. 

Sßenben n)ir und Don bem jfingften fii8it«@d^tt)ärRier 
JU bem neueften 993agner«@nt]^ufiaften. S)te ^eQenXrom|)eten'' 
ftöfee, mit toeld^en 3Wr. X^obor be SB^jcioa*) [eine 
(ange ^b^anblung erßff net, gelten aber nid^t Sßagner, f onbern 
beffen Siogra^l^en unb SluSleger f)errn ^oufton 6^ am ber« 
lain. Die beiben erften Äapitel ftnb gfinjlid^ ber SSer»« 
^errü^ung S^amberlaind getpibmet. 3)ad erfpart und 
eigentlich, tueiter ju lefen, n^aS 9){r. be SS^jetoa felbft Aber 
Sßagner Vorbringen toerbe. S)er $oIe unb ber Snglänber, 
fie ftnb einS in grenjenlofer STnbetung SEBagnerS. 3n 
Stuerbac^g ffeHer, fiei|)jig 1884, treffen fid^ bie beiben 
äSa^reut^pUger, je^nSa^re beüor S^ambertain, nad^ äB^jetoad 
Serfic^erung, ;,in ganj (Suropa ber unbeftrittene äReifter 
ber Sßagner^Sitteratur gen)orben''. S^amberlaind 93ud^ ^Le 
drame Wagnörien" fei na^ 3a^re8frift bereits Ilaffif c^ 
gen)orben in 2)eutfd^Ianb unb ^abe alle anberen SSkrfe 
über SBagner überftüffig gemad^t. (Ärmer ®Iafena|)p!) 
,,9Benn i^r Sßagnerd Sßerfe nid^t !ennt, G^^amberlain allein 
n^irb fie eu^ fennen lehren; unb n)enn i^r fie fd^on fennt, fo 
wirb S^amberlain eure ffenntniS boHenben." Statfirlid^ 
feiert ber JBerfaffer ben „S;riftan*«ffomponiften atefpecififd^en 
Dramatifer. ^IQein in n^eld^e äSiberfprüd^e gerfit ein 



*) Teodor de Wyzewa, ^^Beetboven et Wagner". (Parii, 
1898. librairie academique.) 



Hene Bfid^er.nber £t53t nnb ZPagner. 331 

bilettantifd^er ©d^iDfirmer! äS^jeloa gefte^t (pag« 125), ba% 
eine SBeet^oüenfd^ ©onate — Don einer Tlo^xt\ä^n Op^ 
ober Uon ^gibelio" ganj äu.fd^toeigen — i^m einen ftärferen 
bramatifc^en Sffeft mac^e, als bie ^^äßeifterfinger" ! (Sr 
finbet in jjenen ^me^r toa^reS Seben unb tiefere fieibenf^aft''. 
3m nfi^ften Sto^itel 6e[prid^t ber SJere^rer S^amberlainS 
beffen jloeiteSSSud^: «Stid^arbäSagner." (1896), ein toa^red 
geftgefd^enf mit eben fo Diel SQuftrationen als Xejrt unb 
jn^anjig SBagner :> ^orträts. SJergleid^t man bie früheren 
SBQgner«S3iIbniffe fienbad^ Don 1874 mit ben legten Don 
1883, jo loerbe man inne, .bag ber ^Ib ein ©Ott ge« 
toorben''. äSenn ober Sßagner ein ®ott ift, jo Derftel^t 
ed fic^ Don fet6[t, bog feine Sünger ^lige loerben. 9(fo. 
}um Seifpiel f)err Don SBoIjogen, toelc^em ein eigene^ 
Kapitel gen)ibmet ift i^SßoIgogen nimmt in ber äBagner* 
f^en Air^ eine äl^nlic^e @teQe ein, n)ie ber aufertoedtte 
2a^xM in ber erften ^rd^e S^fu. @r ift hai lebenbe 
3eugni8 für bad Sßunber. SSon SBagner ift er ertoedtt 
n)orben, nid§t Dom ^obe, aber auS ber fc^Iimmeren 
^infternid bed Sinti « SBogneriSmuS. @r ftanb auf, 
toanberte gegen S3QQreut^, unb ben ganjen SBeg entlang 
prieiS er ben neuen ®ott, ber i^n gerufen, ©eine @Item, 
feine Sugenbfreunbe, fogar bie ^^ilologie §at er Derlaffen, 
um fid^ in SJa^reut^ neben SBagnerS ^aufe anjuftebeln. 
S)a »urbe er bei» äßeifterS getreuer Spoftel unb rief beffen 
Degetarianifd^e fie^re inS toirflid^e Seben." (3)a8 ^eigt: er 
nA^rte ftd^ unb feine SRita^oftel Don ©emüfe, lo&^renb ber 
äßeifter unentn^egt bis an fein Snbe t^Ieifd^ ag.) ,,äSoIiogen 
rü^rt ftd^ ni^t n^eg Don 83aQreut^, fo DßQig Derfunfen ift 
er in ben SbAtni feine« ^eilanbdl" 3)aS ift ja aUeS 




332 ^^- Qanslicf. 

^öc^ft erbaulid^. 96er einige 3^^^f^t ftreic^en bennoc^ über 
iperrn äStjelDaS Glauben an ben etoigen Seftanb feiner 
Stird^e. @r üagt, bag bie ![be):ten ber äBagnerfd^en JüriJ^e, 
iperr Don Sßoljogen mag tl^un, toai er toiU, Don ^g ju 
7ag feltener nierben. @^on bilben bie iRorbomerifaner bie 
^Qjorit&t in SSo^reut^, balb toerben ed bie ©übanterifaner, 
unb id^Iie^Iic^ toirb ber reine %fjüi oor einem parterre 
Don ißegem fingen! 

SluS SßoIiogenS 99u^ citiert ber SSerfaffer einen ^öc^ft 
QuffaQenben SluSfpntd^ äSagnerS: „^6) bin in ber 3n« 
ftrumentierung ein 9leQftionär; i^ ge^e nid^t toeiter aU 
SSeet^oDen." @oIIte SBogner toirflic^ f o gef^rod^en l^aben, fo 
finb feine SBorte bnrd^ bie ^^at toiberlegt. äJ^an benle nur 
an baS Drc^efter beS 2BaI!flrenritte8, bed f^uerjauberd, an bie 
fec^d iparfen im Si^eingolb, an bie Don SBagner eingeführten 
Xuben u. f. U). ^ein SSemänftiger n)irb i^m barau^ einen 
aSormurf mad^en; eine fortgef^rittene QAt braucht größere 
Stattet unb eine !ompIijiertere Xed^nif. ä8enn SBagner 
blenbcnbe bramatifd^e SBir!ungen, toie ben ^geuerjauber* 
erreid^en tooUte, f o f onnte er ni^t bei Seet^oDen« Drd^eftcr 
[teilen bleiben, ©ntfd^eibenb ift, bafe er ben getooUten über* 
toältigenben Sffeft toirlli^ enei^t l^at mit ben neuen 3RitteIn. 
Slud^ SKojart ift über bie ©ludfd^e Snftrumentierung, Seet* 
^oDen über ipa^bniS toeit hinausgegangen. @benfo äBagner 
über ba« Drd^efter ni^t bloß ®eet^oDen8, fonbern fogar 
über bad Don SBerlioj. 

3)a8 3ntereffantefte an bem 83ud^e unfereS SBagner* 
fd^toftrmerg ift ba8 ©d^Iufefapitel: ein ip^mnu« auf — 
SÄojart! 3m 3o^re 1897 (baä Satum ift toi^tig) ^fift 
SS^ietoa in $ariS einen Vortrag unb eröffnet i§n mit bem SBe« 



ZTeue Bnd?er über £t53i ntib XPagner. 333 

fenittnid, er fei in ber Tlu.% in ber TlaltxA unb ein tuenig 
au^ in ber Sitteratur ^profond^ment, passionn^ment 
röactionnaire*. SWic^t alS ob er tl^eorctijd^ bie SJer* 
bienfte ber gegenmartigen äRufif leugnen looQe; aber er 
IjaU für bie neuen )8eftre6ungen aQed Sntereffe berloren; 
felbft äSogner übe nid^t me^r auf i^n bie frühere ftarfe 
äBirfung. i,®ie ißerüofitäten S^riftaniS unb SfoIbenS rühren 
mid^ nid^t me^r tpie einft, nod^ mag ic^ mir burc^ Dier 
Slbenbe ^intereinanber Don je^n ^erfonen bie ©ef^ic^te bon 
einem 9iing, jtoei S^tx^^n unb einem grogen @^Iog er^ 
jä^Ien laffen. SBaS mi^ ^eute nod^ an äBagnerS SD?ufif 
rä^rt, baS ift eigentli^ bie Erinnerung an meine eigene 
Sugenb, an 10, 15 Saläre meines fiebenS, in nielc^en 
SBagner mic^ entjücft ^at. 3lod) bor tpenigen SSo^en 
n>ar ic^ in SSa^reut^. ®Iei^ t)ielen Don ben früheren 
greunben fül^Ite i^ mic^ bort enttäufd^t, obtoo^I bie 
@änger unb baS Drc^efter eben fo gut niaren toie früher. 
SBoran lag bie @^ulb? 3(^ ^abe mid^ in flaffif^e äRuftf 
vertieft unb bin je^t unfähig, eine anbere ju lieben, 
fflio^art!" S)er SSerfaffer betitelt feinen «uffafe: nUn 
Mozart inconnu'' unb toiti bamit fagen, bag (mit einziger 
SluSna^me bed ^.^on Suan") SJ^ojart in $arid fo gut n^ie 
unbekannt, au8 bem mufifalifc^en ©efid^tSfreiS ber gran jo jen 
t)erfd^n)unben fei. S)a SD^ojart aQgemein anerCannt unb be» 
rü^mt ift fo bemüht fic^ niemanb, i^n aufjufü^ren; er, ber 
größte aUer Sonbic^ter, fei ^eute DieQeic^t ber unbelanntefte. 
„3c^ aber/ fc^Iiefet ber SSerfaffer, ,,t)crmag e8 gar nic^t 
auSjubrüden, n)el^e unerfd^öpfli^e Quelle bon Zroft unb 
fü|em SBergeffen biefe SRufif für mid^ getoorben feit bem 
S:age, ttjo ein toa^re« SBunber fie mir entbedEt ^at.'' 



334 ^^- ^anslid. 

SRr. be äS^jeioa ift nic^t ber erfte, nod^ toentger ber 
le^te, betti eS alfo ergaitgen ift ^a& äBort: »on revient 
toujours h ses premiers amours* gilt nic^t immer für 
ben a72ufi{freunb. dtid^arb SBagner l^ieg bie erfte Siebe 
äB^jetoad unb too^I ber meiften [einer 3rit9^offcn; "ic^t 
ju i^r fe^ren fie in fpäteren Salären gurüä, fonbern gu 
ber Siebe il^rer 83&ter: ju äRojart unb 93eetl^ot)en, Sßeber 
unb ®d)nbttt 

Site eine mit gefpannter 9?eugterbe entartete 
9?ot)itdt nennen toir fd^IiegUd^ bie 93riefe ^^ranj SiSjtS 
an bie JJö^fti" Äaroline SBittgenftcin. (Seijjjigr 
93reit{opf & ^drtel, 1899.) @d ift ber vierte 99anb 2\iiU 
93riefe, ben toir bem ©ammelfleig ber Sa 3Jlaxa l^erbanfen. 
äBer in beif pielloS beloegtem, |q gehegtem Seben eine f o riefige 
SSorrefponbenj loie Sidgt geführt ^at, Don bem fönnen ber 
in^altreid^en, bleibenb toertDoHen Briefe nur toenige fein. 
(Sd^on an ben 93riefen ^annd b. 93üIon)S mugte x6) bie 
maglofe SSerfd^toenbung in ber Verausgabe t)on intimen 
a72ittei(ungen beflagen, t)on benen l^eute fd^on bie $&lfte 
niemanbcn intereffiert — unb erft in jtoanjig, in öierjig 
Sauren! SSon Si^itS 93riefen — eS ftnb bereit« tym 93&nbe 
erfd^iencn — fd^einen mir gcrabc biefe an bie gö^f*^^^ 
gerid^teten am n^enigften geeignet, einen ernften Sefer an« 
^altenb gu feffeln, mag biefer nod^ fo fel^r eingenommen 
fein t)on üxiiti SKünftlenu^m unb geiftüoUer $erfßnlid^teit 
aSicI bebeutenber ift fein Sricftoec^fet mit SBagner, mit 
^üloto, mit ber ungenannten ygreunbin* unb anberen. 
Unb bod^ urteilte fcinergeit §erman Orimm: ^3n ben 
unenbUd^en SD'^itteUungen, bie jtoifc^en SiSjt unb feinem 
SieblingSfd^aier (SBüIoU)) l^in unb l^er fliegen, ^abe ic^ 



tleue Sfic^er über £155! nnb IDagner. 335 

ittd^tö gefunben, toaS mel^r als bte 3)auer iDeniger Stugen« 
blide beanfprud^te.'' 3)ie t)orIiegenbe (Sammlung t)on 
361 93riefen umfagt bie 3ett Dort 1847 bis (Snbe 1850, 
bürfte alfo, ba fiidjt unb bie f^urfttit noc^ ein 83iertel* 
ja^rl^unbert länger gelebt unb gefc^rieben ^aben, audgiebige 
^ortfegungen erlitten. Sluger bem beutfd^en S^itelblatt unb 
bem SSottDort Don Sa SD'^ara ift baS ganje Sud^ in ^xan}fi^ 
fifc^er ©^jrac^c 3)cr Snfyxtt öon £i8jt8 ©riefen — bie 
Jtnttoorten ber gurftin fehlen Iciber — ift burd^aug tage* 
bud^artig, ap^oriftifd^. 3n fliegenber @ile berid^tet er, mad 
er ben Sag über getrau ober erlebt, toen er befud^t ober 
empfangen f)aiK, n)ie fein le^ted Stonjert audgefatten, UKinn 
unb too bai n&d^fte ftatifinbet, n)eld^e Journale il^m günftig, 
toeld^e ungünftig finb u. f. to., o^ne ein Slteml^olen gu 
rul^igem Urteil ober be^aglid^er @d^i(berung. Über biefe 
(Silfertigfeit unb iRad^I&ffigfeit feines @d^reibend entfd^ulbigt 
er fic^ felbft bei ber gürftin: „Impossible de relire 
mes lettres!'' ^aS ^ragmentarifd^e, Überftürjte t)on 
Sii^itd STZitteilungen ift alfo fe^r begreifUd^. Unbegreiflid^ 
aber, toie eine feingebilbete ©c^riftftellerin n)ie Sa äßara 
biefe ©riefe in il^rem ©ortoorte ,,ein fd^riftfteüerifd^d 
ftunfttoerl" nennen lann! gür bie gürftin SBittgcnftein 
loaren fie getoig unfd^ä^bar. 3)ie 3&rtI^I^it unb ©d^tofir^ 
merei, mit toeld^ ber heißgeliebte ju il^r f priest, l^at 
ettoad 9iä^renbeS: 

»Je me meto ä genoux pres de toui, et y resterai.* „Laisaez- 
moi m^abimer en voas et m'y repoaer, c'eat ma seule deatinee et 
eile sera glorieoae avec la benediction de Diea.* „Soyez et ma 
gr&ce et mon salot!*' „Voua 3tes pour moi Tange de la miseri- 
corde coleste et deflormaia je mourrai en paiz, en beoiaaaot votre 
nomi" „Bonjoor mon bon ange! Oa toub aime et yous adore du 
matin an soir et du soir au matin." „Tout oe qne j'ai de coeur 



33G ^^' ^anslid. 

et d'äme, de foi et d'eepoir n*e8t qn'en tous, par Tons et ä voas. 
Pniase Tange de Seigneur yous conduire, d tous qui §tes ma ra- 
dieose etoile du matinl** „Je baise tos chera petita pieds!" „Mon 
äme se fond en la vötre, briaee et ddlatee dana Tinfiai de ramonr» 
de l'adoratioD, de Teztase!" 

Unb [o ge^t ^ fort, faft in allen anfangs« unb 
©c^Iufejcilcn an [eine „trös infiniment chöre TJnique". 
— (Sin SRofcnbcct, auf tocld^cn Stopfen bon SBei^toaffcr 
glänjen. 



apffltotö üfict jaaufiß. •) 




ein fleineS DpuS ift l^offentlic^ fein RUd& auf 
meinen d^irurgifd^en iRamen. ^ai ^ublifum fennt t)iele 
^nber auS meiner legitimen @§e unb ^at fie über mein 
unb i§r SBcrbienft gütig aufgenommen; öietleid^t toirb c& 
neugierig fein, auc^ bied ^inb meiner SKterdlaune an« 
jufe^en.'' ^iefe fo befd^eiben unb ^umoriftifd^ auSgefprod^ene 
©rtoartung ®iarot^8 f)at ftc^ jefet fc^on reic^Kc^ erfüllt. 
S)ie allgemeine 3«öerftd^t, öon bem berühmten ?lrjt aud^ 
über a72ufi{ 93ebeutenbe8 ju ^ören, l^at burd^ fein nad^« 
gelaffened 93ud^ feine (Snttäufc^ung erfahren, obgleich ed 
eigentlid^ ein Sorfo geblieben ift SBeld^ intenfto mufi- 
falifd^e SRatur ©iUrot^ getoefen, bad toeig man freilid^ 
nirgenbg fo gut toie in SBien. SD?an mufete i^n felbft 
ffilaüier fpielen ^ören, i^n bei feinen ^äuSlid^en Ttn^xU 



•) ^©cr Ift munfalil^?" Siac^gclaffcnc ©t^rift Don 
X^eobor SBtllrot^. herausgegeben k>on @b. ^anSItct, Serlin, 
bei ©ebrüber $aete(, 1896. 3tueite tCufloge. 



Sittfotf{ fiber mnfif. 337 

afcenben ober im ftonjertfaal beobachtet, feiitem treffeitbeit 
Urteile gelaufc^t l^ben, um fofort ju f fll^Ien, bog man nid^t 
einem 3)i(ettanten gegenfiberftanb. iBiUrot^S SBerl^Itnii^ 
gur SRuftf reichte loeit ^inaitS fiber baS frö^Iid^e (Seniegen 
unb talentt)0lle äteprobu^ieren. @ein energifd^r, in ftreng 
natumriffen[d^aft(ici^er iTOetl^obe gef^ulter ®eift begnügte 
fid^ auc^ in ber Xonlunft nid^t mit oberfl&d^Iid^em @r^ 
fennen. 3)urc| feine ^oppelfteQung ali grfinblid^er SRuftfer 
unb genialer $^^ftoIog f^ien er aud^ in ganj einziger 
SBeife berufen, baS ge^eimni8t)oIIe ©renjgebiet ju beleud^ten, 
auf toeld^em mufifalifd^e 9S3irfungen mit unferem SterDen« 
leben juf ammenftogen. 3n ben Ie|ten SebenSjal^ren br&ngte 
ed i^n, feine oft burd^bac^ten Sbeen fiber STZufif gu orbnen 
unb }u fixieren. 3m ^rbft 1890 begann SKUrotl^ feine 
i,9(natomifc^ * pl^^fiologifd^en 9[p]^ori8men fiber SRufif '^ 
nieberjufd^reiben, n>A^m er f d^tieglid^ ben Xitel „Sßer ift 
muftfalifd^?" gab. 3)ie Arbeit, toA(t)t immer nur ftöd«» 
loeife, in ben UniDerfit&t8«^rien, loieber aufgenommen 
tt^erben lonnte, l^atte einen fe^r r^apfobifd^en f^ortgang. 
^aS legte Stapitel fc^rieb 83iIIrot]^ furj Dor feinem %s3bt, 
anfangt Sanuar 1894, in 9bbajia. @8 toar il^m nid^ 
Vergönnt, bem JBuc^e jene SSoUftänbigleit unb formale 
9[brunbung ju geben, bie er o^ne 3^^!^^ ^^ @inne 
l^tte. 9{ur bie beiben erften Jta^itel l^at er felbft als 
brudfertig bejeid^net; ba8 britte, tnerte unb ffinfte fielen 
i^nen jebod^ in feiner SBeife nad^, ja fte fd^einen mir noci^ 
reid^eren Sn^alt« unb frifd^er, lebenbiger in ber ÄuÄf ü^rung. 
S)ie beiben legten Äa^jitel finb „©Kjien* — ©fijjen üon 
genialer $anb. 

ai8 JBittrot^ ft(§ bie ^rage ftettte: ^SBer ift muft- 

^an%lid, 0uS neuer unb neuefker 3eit. 22 



338 ^^' Qansitcf. 

latifd^ ?^ n)ugte er aud^, bag eine grünblic^e ^ntmort jtem« 
tic^ toeit jurüdgreifen muffe ju ben duetten unferer Xon« 
empftnbungen fiber]^au))t. ®ie beiben erfien ßa)ritel feiltet 
Slbl^Qitblung finb bentnad^ Domiegenb p^^ftologifd^en unb 
anatomifd^en Snl^altö; fie bilben bie ^fide jit beit im 
engeren @inne mufifalifd^en 93etrQcl^tungen ber fp&teren 
Kapitel. Sillrot^ be^anbelt juerft ben ^^\)tf)mni aU 
ein mef entlid^eS, mit unferem DrganislmuS innig üerbunbeneS 
(SIement bed STZuftfalifd^en. äU^^t^mifd^e 93emegnngen ge^ 
l^6ren ju ben n^id^tigfien, jum Seben nötigften @igenfd^aften 
unfered ^rperd: ber SR^^tl^muS bed HtmenS, bed $erj« 
fd^IageiS. ^^aS ^rj fd^Iägt t)on bem erften STZoment feiner 
S^^&tigfeit an ben %att gu bem Srauermarfd^, ber und 
hai ganje Seben ^inburd^ jum @rabe leitet'' ^ie giem« 
lid^ allgemein t)erbreitete 9[nna^me, bag je bem äJZenfc^en 
baS @effi^I für Sü^^t^mud angeboren fei, ^ölt SBiQrot^ 
für irrig; er n)eig aui Srfa^rung, bag eS SD^^enfc^en giebt, 
benen baS r^^t^mifd^e 972arfd^ieren ebenfon^enig beizubringen 
ift, toie baS rl^^tl^mifd^e ©ingen.'*') SKenfc^en, benen bad 
rl^^tl^mifc^e ©efül^I nid^t angeboren unb aud^ nic^t bei« 
anbringen ift, muffen abfolut unmufifalifc^ fein, benn 
bie t^&^igfeit, bie rl^^t^mifd^e ©lieberung ber Xöne gu 
einer SKcIobie aufgufaffen, ift bie crftc Sebingung gum Sr* 

*) S)a8 beftfitigen toerf^tebene ton S3iQrotI| mitgeteilte S3er!(^te 
k)on Offtcieren beutfc^er, Bd6mi[(^er, ungorifc^er nnb )>oInif(^er SRegi- 
menter. @ie ftimtnen in ber ^auptfoc^e badn überein, bag ed !Re= 
fruten giebt, bfe nie im Zcdt marfd^ieren lernen; biefe finb nur oli^ 
SBfirter, ßanbmerfer u bergl. gu toermenben ober totxhtn gur ^atooQerie 
transferiert. €8 giebt fe^r Ungefc^idte, mel^e erft in ad^i bis 
^e^n %Bu(^en, Unge[(!^i(tte, toHd^t erft in k)ier bid fe(!^8 S3o(^en 
marf(^ieren lernen, ober in ber Gruppe immer old \ifikdit marfd^ierenb 
lenntli^ pnb unb biefelbe t)erunftalten. @d pnb ungef&^r 20 biS 30 
^rocent, j^umat unter ben @oIbaten ouS ben Ü^ebirgSIänbem. 



StICrotf} fiber Dlafif. 339 

faffen Don äRufi{. S)Qburc|, bog baS aufmerffame 83er« 
folgen t)on r^^t^mif d^en ©el^örd« nnb^efid^tSloa^me^mungen 
nnb bte r^^t^mi[d^e 9)ett)egnng beiS eigenen StßrperS ben 
nteifien SKenfd^en SSergnfigen bereitet, toirb ber 9i^^tl^mu8 
}u einem n^id^tigen Aft^etifd^en, gumat muftfalifd^en (Sie« 
ment Sßir {önnen i^n mit brei ©innen jugleic^ tDaf)x* 
nehmen: toir {önnen il^n l^ören, fe^en unb in unferen 
STZuSfeln füllen. 83iIIroi^ gel^t bann auf bie Slnatomie unb 
^l^^fiologie be8$öra))paratd beS STZenfd^en über nnb ge« 
langt ju bem ©c^Iug, bag jn^ar hai SBefen bed 3Jtn[iU 
finnig im ©e^irn liegt, bag aber auf aUe ^äDe ein gefunbeS 
^e^6rorgan eine niefentlid^e 99ebingung ift für bieSnts 
n)iäelung ber Sonempftnbungen, bed STZufttfinnS. @e^r 
frü^ Sßerluft beS ©e^örd mug ben STZufüfinn nac^ unb 
nad^ DoQft&nbig ertöten. 83eim Srlöfd^en beS ©e^örS im 
fp&teren SebenSalter ift, toenn bad @piel mit ben auf« 
genommenen klangen einigermaßen lebhaft unb intenfit) 
toax, bie SDZenge ber feft eingeprägten SrinnerungSbilber 
eine fo große unb bai^ n)in{ür(id^e hervorrufen berfelben 
ein fo leidet unb rafd^ Dor fid^ ge^enber ^rojeß, baß eS 
ber Don außen angeregten Sontoa^me^mungen nid^t Be« 
barf, um eDentueH neue Kombinationen Don Sonbilbern gu 
geftalten. (SBeet^oDen.) 

93on ben p^^fiologifd^en SBetrad^tungen fül^rt unS bai^ 
britte Jtapitel gum eigentlid^ SDZufilalifd^en, jur Sonlunft 
Sine fd^arfe ©renge läßt ft^ ba freilid^ ebenfoioenig loie 
jtoifc^en Äörper unb ©eele gießen. 3)ie Seele ift nad^ 
nnferen heutigen ^nfd^auungen Dom Jtörper nid^t gu trennen, 
unb bie Sßor gange auf i^rem ©ebiete bilben fomit einen 
fe^r toef entließen Seil ber ^ß^^fiotogie. 3)ie Seele ift 



340 C^. f^anslicf. 

Q6^&ngiger Dom ftörper, atS ber ftflrper Don ber @eele. 
SßaS toir SEBa^mel^mett, 3)enfen, SSorfteHen, Setougtfem 
nennen, fann o^ne ®e^tm nid^t entfte^en, nid^t befielen. 
9I8 bie pl^^ftologifd^en ©runbbebingungen für baS, toaS 
ttrir je^t ^mitftlaltfd^'' nennen, ))räctfiert fSiUxot^: baS ®t* 
ffll^I für Slil^^t^mud unb bie 9Ba^rne^mung8f&^igfett Don 
Derfd^tebenen S^on^ö^en, 2on{(fingen unb Xonfi&rlen, fomie 
bie Unterfd^eibungSfäl^tgfeit biefer ^ne bei rafd^em SBe^fel 
unb beim 3itf ^t^inenlüngen. Slber nic^t jeber 3)2enfd^, ber 
biefe Sigenf^ften beft^t, ifi beSl^alb fd^on als „mufifalifd^' 
ju bejeid^nen. SBaS baS r^^tl^mifd^e ®efül^I betrifft, fo 
giebt eS äßenfd^en, toenn aud^ bei ^IturüöHem feiten, 
benen eS gdnjlid^ fel^It 83iet häufiger finbet man SRenfd^en, 
benen eS nid^t möglid^ ift, einen borgefungenen Xon genau 
nad^juftngen; aud^ fold^e, bie felbft für grOgere Son^ 
interüaüe, ia fogar bafür, ob ein S^on im SSer^&Itnid ju 
einem anberen ^öl^er ober tiefer ift, leine betougte @m« 
pfinbung ^aben. 3a ed giebt eine DoDfommen pf^d^ifd^e 
®teid^gültigfeit gegen alle Sonu^a^mel^mungen, jumal gegen 
ßufammenflänge, eine SIrt ^armonifd^en 9til^ili8mu8, eine 
l^armonifd^e Saub^eit 93iIIrot^ belegt biefe 93e^auptung 
mit einigen mertoürbigen Seifpielen auS feiner eigenen 
Srfa^rung. @r erj&^It: „Sinem meiner f^reunbe, ber gern 
@(ef(fng l^firt unb ber feine mufifalifd^e ^rau aud^ n^ol^I 
guioeilen in ein Jtonjert begleitet, fe^It |ebe Smpfinbung 
für baS Slngenel^me ober Unangenel^me beS ß^f^^^^^'' 
KangeS bon Xönen. @r l^at feinen anbem (SinbrudE Don 
bem 9(nfd^Iagen eineS 3)rei!Ianged, ald Don bem gleid^« 
jcitigen Slnfd^Iagen fünf nebeneinanber liegenber ^ne. 
3d^ fpielte t^m bie STZelobie: „Sßir n^inben bir ben 



Stflrotl) fiber ZTlafif. 341 

Sungfemfratt}'' in Fis-dur auf bem fttot^ter t)ox unb U» 
gleitete fie mit ber linfen ^anb iit F-dur. ^^q8 ift ani 
bem t^reijid^ü^/ fagte er; x6) behielt nun bie F-93egIeitung 
in ber tinfen ^anb bei unb fpielte bie äßelobie in G-dur. 
«Semerlen ©ie feinen Unterfd^ieb?* fragte id^. (£r befann 
fid^ unb fagte: ^Sd^ glaube, baS erfteäßal ^at eS mir beffer 
gefallen.'' — SBenn man bebenft, bag eS in einem großen 
^njertfaale ^unbert ober nod^ me^r 3^^^^^ ^^^ 3"'' 
l^örerinnen giebt, tod6^ auf biefem ©tanbpunft fte^en, unb 
bag eS no^ Diel mel^r äßenfd^en giebt, nield^e bis auf eine 
Xerg aUeS ffir einen %on Italien, fo bag eS für fte inner« 
^alb einer DftatK l^öd^ftenS der teiblid^ unterfc^bare, 
Z6nt, ein unrein ©pielen ober @ingen fiberl^aupt nid^t 
giebt, fo ift baS loo^I ein ettoaS fc^auerlic^eS ©effi^I — 
für bie Jtünftler: SSerlorene SiebeSmü^'. Sei meinem 
^reunbe n)ar bod^ ein mufifalifc^eS 972oment üor^anben, 
ndmlic^ baS ©ebfid^tnid für baS äl^^t^mifd^e: er erlannte 
bie STZelobie, als auS bem vt^reifd^ül'' entnommen, lieber. 
Sber aud^ bieS @eb&d^tni8 lann ganj fehlen, unb boc| 
loirb Stlat)ier gefpielt. @in jungeS SRAbd^en, baS f^on 
jmei Sa^re lang Jtlatrierftunben gehabt ^atte, übte feit brei 
Sßod^n ein ©tüdE Don SD'^ojart unb ^atte eS fo toeit er« 
lernt, bag fte eS nun bem £e^rer Dorfpieten foHte. @ie 
fam ettoaS ju f:pät jur @tunbe unb fanb ben Se^rer am 
Jtlabier fi^enb unb ffnetenb. 9IS er ftd^ nid^t ftören lieg, 
fragte fie: »SBaS fpielen @ie benn ba?'' jDer Se^rer mn^ 
bete ftc| Derlounbert um unb fagte: „^S ift \a baS @tüdE, 
toeld^eS @ie mir l^eute üorf^nclcn foUcn.* — «@o, fo!'' 
@ie f)nette nun baS ©tüdE ol^ne t^^Ier Dor, unb bie 
@tunben lourben fortgefe|t. 



342 C^. Qansltcf. 

SBer ift mufifaltfc^? SiarotU^fte^ bagbieSCnt^ 
iDort auf biefe f^nbar fo einfach S^age eine f(l^n)ten8e 
unb ^öd^ft fom^tijierte ift @8 giebt t)erf(^tebeite ®rabe 
(ober ^^rten'') bed aRuftfalifd^feittS, »eil bte Xonfunft 
ans t)erfci^iebenen tERomenten jufammengefegt ifi, aud bent 
ätl^^t^mifd^en, bent SD'^elobifci^en unb bent ^armontf^, 
unb in jebent biefer SRomente loieber rein Xec^nifd^eü unb 
eigentlich ^ft^ifd^ed liegt. 3e mel^r man barflber gru« 
belt, um fo Dertoiäelter toirb baS, toai man ^eute unter 
äThiftf Derfte^t. Sillrot^ toill ber fißfung nd^er fommen, 
inbem er unterfud^t, loie unfere heutige S^onfunft entftanben 
ift SSHr muffen ^ier über bie intereffanten Unterfud^ungen 
^inn^egeilen, n^eld^e JBiUrot^ über bie Sntfte^ung unfered 
SRufUf^ftemS, fiber Dur- unb Moll-Sonarten, über bie (SnU 
toidEelung ber ^ol^p^onie, enblic^ über bie Segriffe Jton« 
fonon) unb 3)iffonQnj aufteilte. ^aS vierte Kapitel (,,Sn 
todöjti äBeife toirft bie SRufif auf unS?") betoegt ftd^ in« 
mitten unferer tebenbigen SKufif. @8 c^araherifiert t)er* 
fd^iebene Sonbic^tungen unb bie l^erDorragenbften 5tom))o« 
niften, bürfte ba^er baS größere muftfliebenbe ^ublifum 
am meiften intereffieren. ^nä) tritt und 93iIIrot^, ber 
SKenfd^, ^ier am perfönlid^ften gegenüber, j. 8. toenn er 
fagt: „S)ie reine @c^ön^eit einer Snftrumentalmuftt fann 
auf einen mufifalifd^en SRenfd^en ol^ne irgenb toetc^e 
Äffociation8*S8orgfinge berart förperlid^ toirfen, bafe er, 
loie ettoa bei rü^renben @cenen im Sl^eater, nid^t me^r 
im ftanbe ift, ju fpred^en, bis S^l^rfinen il^n aud biefem faft 
peinlichen 3uft^ni> ^^^ ^ö^ften ®Iüä8gefü^l8 erlöfen. 
3d^ ^abe ba8 oft an mir erfahren unb mic| im Stonjert 
k)or meinen 9lad§bam biefer 3Beid^lic|{eit gefc^ämt, bie id^ 



Siarotf{ Aber muri?. 343 

bod^ Qud^ tDteber ntc^t mtffen möchte; man loei§ eigentlid^ 
ntd^t, ifi ed $reub ober Selb, toai man babet empfinbet/ 
$ter fommt 8iSrot^ auf bie ^rogramm^SRufif }tt 
fpre^en, auf bie gebruiiten Ü6erfd^riften unb I&ngereit @r« 
{f&rungeu, toeld^e ben ^Snl^att'' eines XonfiüdeS auSetuanber« 
fe^en feilen. „%Ut nid^t mufifalif^ ®e6tlbeten unb felbft 
bie Unmuftfaßfd^en fommen burd^ biefe 9le6entt)irfungen 
ber Tlnfxt in eine getoiffe 93e5ie^ung gu berfelben; fte ^aken 
einen SBerfil^rungSpunft mit einer ftunft gefunben, bie i^nen 
fonft unüerftänblic^, unintereffant, [a unerfreulid^ erfd^ien; 
fte fangen an, fid^ boc^ aud^ für muftfalifd^ jn l^alten, 
unb füllen fid^ nid^t me^r aU ^ariaS unter ben Sin« 
getoei^ten. ®o ift ed too^I gefommen, bag bie STZe^rja^I 
ber a)?enf^en, loeld^e überhaupt ®elegenl^eit l^aben, fom« 
plijiertere Drdjeftermufif gu ^ören, bie Auf faff ung getoinnen, 
STZuftf l^abe überhaupt ben ^totd, tttoai barjufteUen ober 
ju bebeuten, unb ba% fte nod^ mel^r ®enug bat)on l^aben 
loürben, n^enn man i^nen immer bor^er fagen tooUte, n)aS 
bie ju ^örenbe SDZuftf bebeuten foQte. 3)iefe Suffaffung 
l^abe id^ bei unmufifalifc^en, bo^ fonft fe^r gebilbeten 
3)2enfd^en oft gefunben/ 

972uftf ift im allgemeinen emftl^aft ober Reiter. Slber 
eS giebt ftreng genommen n)eber eine tragifd^e, noc^ eine 
fomifd^e, noc^ eine f))ecififd^ religiöfe iD7uft{. Über bie 
Kaffifd^e äRufif, bie baS @tammlapita( unferer heutigen 
jtongerte bilbet, folgen einige treffenbe Semerfungen. „Wt 
§a^bn, aWojart, Seet^oöen/ fagt Siürotl^, ^ift bie ®enc- 
ration, ber id^ angehöre, auferjogen. 3^re Sßerfe n^aren 
unfere Sugenbnal^rung , fte bilben ben STZagftab, mit 
loeld^em toir bemugt ober unbetougt meffen. fKi^bn unb 



344 C^- Btanslid. 

^Oiaxt treten bereits ftarf in ben ^intergrunb. ^e 
lüngfte (Senerotton, bie i^re eigenen ©tubien mit )8eet« 
^ot)en, @(i^u6ert, (Sd^umonn, 93ral^mS, 933agner, mand^mal 
nur mit bem le^teren beginnt, mug ft^ itton^t in eine 
Srt ^iftorifd^er S(nem))finbung üerfegen, um bei ^^bn unb 
Tloiott überhaupt aufjumerlen; fie finb i^r faum n&i^r 
als ^odf unb ^dnbel, benn nad^ rüdto&rtS gefe^en, t>tc* 
fürten fid^ bie (Sntfernungen genmittg rafd^. (SS ift nid^t 
unmöglid^, bag man in nid^t ju langer ^At alle 93 or« 
99eet^o)}en[c|e STZufif als nic^t interef[ant genug beifeite 
fe^t. Slud^ bie 8eet^ot)en'$eriobe mit i^ren Epigonen 
tDirb einft üergeffen [ein." 93iIlrot^ erjfi^It nun, »ie er 
bie i^m anfangs unf^m))at^ifd^e 3Rufif @c|umannS erft 
fpöter Derftel^en unb lieben gelernt ^at @benfo erging eS 
i^m mit 8ra§mS. 3(n feinem eigenen 93eifpie( jeigt er 
uns, n)ie fid^ 972ufi{freunbe in neuere STZufit hineinleben. 
SBor aSem gehört baju ein (ebl^afteS Sntereffe an ber STZufif 
überhaupt, bei einigermaßen fefter ®runblage muftfaßfc^er 
ä3ilbung. 3e nad^ bem SSertrauen unb ber ©^mpat^ie, 
meldte man ju biefem ober jenem ftfinftler ober $unft« 
lenner ^at, tDixb man unbetougt beeinflußt Tlan toirb 
geführt unb fü^rt anbere, unb toenn man auc^ nic^t auS 
ber $aut §erauS fann, bie unS angeboren ift unb bie fid^ 
t)on Sugenb an um unb mit unS be§nt, fo dnbert man 
bod^ feinen ®ef^madE im Saufe eineS I&ngeren SebenS 
üielfad^, loie man |a aud^ feine Slnfic^ten über S)inge unb 
aRenfd^n finbert. Über älid^arb äSagner finben n)ir fol^ 
genbe 93emerfung: „3n Hebbels ,,9KbeIungen'' entn)id!elt 
fid^ aQeS ju bramatif d^em fieben ; beiäBagner ffießt aUeS 
fiel felbft er^äl^Ienb ^in, ol^ne ^bfd^nitte, auger ben 3tt)ifd^^ 



J 



Btflroiii über mnfit 345 

alten. Seber ®ott unb jeber $elb fprid^t in glei^r SBei[e; 
bie mufifaüfc^e 3c^nung ber S^oraftere ift auf« 
gegeben; ftatt beffen l^at |ebe t^tgur ein fogenannted Seit* 
ntotit), toelc^eS faum me|r bebeutet al8 i^r Jtoftfinu %xo1i 
^eigeftem S9emfi§en, biefen neuen ©til acceptabel ju finben, 
üermiffe \d), an ber immer pat^etifd^ ba^ertpanbelnben, 
breiten unb biden, toenn aud^ mand^mal fel^r fc^&nen 
Wtu[xt, meift ben 3u[cintmen^ang jn^ifd^en Drd^efter unb 
(Sängern. 3)er ©ejiang ift ba nid^t bie ^auptfad^e, unb 
bemnac^ treten bie @dnger in ben ^intergrunb; fie nmd^fen 
n^eber aus bem Dr^efter ^erauS, noc^ in badfelbe hinein, 
fonbern fie fielen nur breitbeinig auf bem Drd^efterteppic^. 
Unb bann ber äugerft feltene, burc^ S^&re unb Snfembled 
unterbrod^ene Sinjetgefang; ed ift nod^ fd^Iimmer, ate Diele 
Strien nad^ einanber. 3)a2U bie enblofen S&ngen!'' 

^aS SBer^ältniS beS ftunftterS jum ^ublifum 
beftimmt JSiQrotl^ mit folgenbem rid^tigen STuSfprud^: 
«SSiffeufd^aft unb Shtnft I&nnen fid^ im eingelnen o^ne 
Xeilua^me toeber entn)idEeIn nod^ fortbefte^en. S)er £ünftler 
lann nad^ unb nad^ baS $ubli!um ^u fic^ ergeben, hoä) 
er mug fid^ toenigftenS auf einen Xeil beSfelben ftü^en 
fönnen. 3)ie @ntn)idEeIung Don ftunft unb äSiffenfc^aft, 
tod^t Sleifd^ iinb 99ein Dom äRenfd^en finb, ift eine 
organifc^e, feine ftr^ftaHifation um beliebig au8gen)orfene 
Äör^jer/ 

9?ad^ biefem I&ngften jta))ite(, in toü^tm 93iSrotl^ 
am perf&nUc^ften ^erDortritt, bejubelt ba8 fofgenbe (als 
„^tx^" bejeid^nete) baS SSer^ältniS ber SRufif ju ben 
übrigen S(ünften. ^ai @d§lugfa^itel enblid^ greift mit 
Derbop^Iter (Energie ju ber X^eftS bed ©anjen jurfid: 



346 C^- f^ansHcf. 

«SBer ift mufifaltjici^?'' ^5)ic ^raflc mufe ciflcnttic^ 
lauten: 9Boran erfennt man, bag jemanb muftlafifc^ 
veranlagt unb bag er muftfaßfd^ gebtibet ift? 3)er 
9)egriff iTOufif ift ein fc^r loeiter; er beginnt mit bem 
monotonen SR^^t^muS unb reid^t bis jur ©^mpl^onie. S)ie 
9)egabung nur fflr Slil^^tl^muS n)irb man faum für eine 
fperieQe, mufifalif^e gelten laffen, fonbem erft bei bem 
fpontanen %uff äffen unb 93e]^a(ten einer äßelobie. SßaS 
man unter bem ^SBerftel^en'' eined üJ^ufifftüdeS begreift, 
ift n^efentlid^ bie (SrfenntniS ber 9lrt, n)ie unb ani loeld^en 
©tfiden ed jufammengefe^t tourbe. 3^^ üJ^omente finb 
babei bon ber allergrößten 9S3icl^tigfeit, nSmlic^ baS ®e« 
b&c^tniS für baS SBorfibergesogene unb für bie SIrt 
feines ^n^ammtnfjanQt^. Sine lurge 9)?eIobie immer 
n)ieber ju erlennen unb fte fummenb ober pfeifenb rid^tig 
iu re})robuiieren, ift ber erfte ®rab bed SBerftänbniffeS 
bon SRuftf. SBer baS nid^t Vermag, ber ift unmuftlalifd^. 
Sei einem ^ß^eren ®rabe n)erben aud^ längere 9Re(obien 
bel^alten, beim ^fid^ften aud^ bie I&ngften. SBir fSnnen 
ein SBerf nur baburd^ öerftel^en, ba§ toir bie Seile unter* 
fd^eiben lernen, aui toeld^en ftc| baS Sßerf jufammenfe^t, 

ba8 als etn^aS 3uf^i>^^^"^^^8^"^^^ ^^ ^^^ t)orüberjie^t, 
unb baS toix bod^ ali ©anjed empfinben. 3)ie fogenannte 
mufifalifd^e ©ilbung beftel^t in ber Srienntni» biefer 
formen. 3)ie mufifalifd^e 93i(bung fül^rt gum fpeci« 
fifd^en mufüalif^en ©efül^Ie, toaS t)on bem übrigen 
®efü]^(e baburc^ Derfd^ieben ift, bag le^tered fid^ immer ju 
etloaS anberem toenbet. äßufifaßfd^e ©d^ön^eit ift ein 
SMng für fid^, nur auS ben S^önen a(8 Xonerfd^nung 
auf uns loirfenb. ^aS ®efü^I bafür ift ein rein äft^etifd^cS, 



BtlTrotf} nber mafif. 347 

angeboren in ber äfnlage. ^^^er in feinet mufifalifclen 
93ilbung fte^en Gebliebene loirb bie ^reube an feiner 
Sugenbrnufif, fagen loir an ^^bn unb SD^ojart, nid^t 
t)erneren, boc| ©d^umann unb fdxa^m^ tuerben i^m un« 
üerft&nblid^ fein; er geniest Don aQem unS (Srfreuenben 
nieniger als toir, bod^ bieS fd^medt \f)m um fo beffer; er 
t)er(angt nid^t me^r unb ift mit bem, xoai er f)at, glädlid^, 
unb baS ift bod^ tok bei allem menfc^Iid^en ®eniegen bie 
$au})tfad^e in unferem SSerl^ältniffe jur jiunft ^reilid^ 
ift bie |^reubenem})finbung auSgebe^nter, |e me^r t)on Jtunft 
n)ir oerftel^en lernen, fie toirb aber nid^t intenfiDer. Ob 
ic^ baS ^ß^fte &lvid bei einer Sad^fd^en @arabanbe, einem 
STZojartfd^en anbaute empfinbe, ober bei einem 93eet^ot)enfd^en 
9(bagio, einem Siebe t)on SBra^mS, ift fc^lieg(i(| badfelbe; 
benn über baS für un8 ^Sd^fte ®(üd(8gefü^I fann ba8 
©ubjeft nic^t §inau8. @8 ift pf^ologifd^ intereffant bag 
ber 972enfd^ im ftanbe ift, in bem reinen Sonfpiele ben 
^öd^ften ®enug ju finben, ein ©(üädgefü^I, über boS 
^inauS eS fein I^B^ereS me^r giebt, baS in getoiffer Se« 
jie^ung gegenftanbdloS ift. Ttan fprid^t ba^er tool^I t)on 
überirbifd^em ®Iüd in ber fOlu^xt, ein ®Vxd, loetd^eS in 
(Sparen liegt, bie anberen STZenfd^en nid^t erreid^bar finb, 
ein ®lüd, loeld^eS ftd^ burc| baS ©tubium ber formen 
fteigert" 

äRit biefem SluSfprud^, ber unS fo red^t empfinben 
Kfet, toie innig ©iUrot^ in ber aJJufif lebte unb toebte, 
f daliegen feine Setrad^tungen. ST^fibe Don n&d^tlic^er 9[rbeit, 
Don anl^altenbem 3)enfen unb ©d^reiben, fd^eint ber bereits 
fd^n^er Seibenbe ^ier bie t^ber auS ber ^nb gelegt ju 
^aben. ®t ergreift fie nur n^ieber, um ein fur^eS, unf&glid^ 



348 ^^- Bfanslid. 

rül^renbed ©d^IuglDort 6ei2uffigen, baS in ft^rer %obQi^ 
a^nung toenige ^ge \)ox feinem @nbe gefd^rieben ift. @8 
tautet: ^Sbbajia, ^ad^ti 3 Ul^r, 1894. Stad^t tffd; fd^on 
lange lautlofe ©tiHe um mic^; nun toxxVi auc^ in mir 
ftiU. 9Rein (Seift beginnt ju toanbem. @in St^erblauer 
^immel toölbt ftd^ über mir. 3d^ fd^toebe IBrperloS 
em^or. @8 Hingen bie fc^önften Harmonien )}on unfid^t^ 
baren S^ßren, in fanftem Sßed^fel gleid^ bem 9tem ber 
Stpigfeit! 9(uc^ ©timmen nel^m' id^ tnal^r, bie 9Borte finb 
ein leife raufc^enb Stlingen: Jtomm^ müber üJ^ann, tnir 
machen glüdEIi^ bid^. 3n biefer (Sphären 3^^^^ befreien 
loir bid^ Dom ^enfen, ber ^öc^ften 9S3onne unb bem tiefften 
©d^merg ber a)tenfd^en. 3)u fü^Iteft bic^ aU Seil beS Wi&, 
fei nun im ganjen SlH verteilt, baS ©anje ju empfinben 
m&d^tig.* 



I^ann^ b. tSüIota^ ^defr. 




4e t)or mir liegenbe ©ammlung 93ülon)fd^er Sriefe 
ift ganj eigentlid^ eine Slutobiograpl^ie in Jtorrefponbenj« 
form.*) QtDÜ ftarfe Orofeoltaöbftnbe öon je 500 unb 400 
©eiten — unb bod^ nur bie 3^^^ bon SüIotoS 11. bis gu 
feinem 25. 3fa^re umfaffenb! Slfo feine Äinber^ ße^r* 
unb erften Sßanberial^re. (Srft bie folgenben 93finbe foHen 



*) ^^annS )). SSüIoto: Briefe unb Schriften." herausgegeben 
t>on SRarie t>. lefiloto. 8tt)ei »finbe. (Seipaig, SreÜlopf & ^ttctel, 
1895.) 



^anns v. BMows Briefe. 349 

t)on feiner lünfilerifd^n Steife fpre^en unb t)on feinem 
Stumme. $annd t). SBfiloto l^t muftfalifd^ in breifad^er 
@igenfd^aft getoirft: atö 5tom|)onift, ate 5tlQt)iett)irtuofe 
unb old S)itigent. @ein fd^öpferifd^eS SSermfigen, tpeber 
reid^ nod^ eigenartig, fonnte xf)m einen $(q^ in ber 3Jtn\xU 
gefd^id^te nid^t erobern; bie loenigen gebrudEten Stompofi* 
tionen SBütoiod finb ISngft bergeffen unb ^aben niematö 
lebenbig getoirlt. S((d SSirtuofe hingegen unb ali S)irigent 
entfaltete er ein glfinjenbeS Xalent unb eine beiounberungS« 
n)firbige X^tigleit 9uf biefem (Gebiete einer ber aUer^» 
erften getoefen ju fein, reid^t ba8 l^in, toirb man fragen, 
5U einem fo ))^ramiba(en (itterarifd^en S)enfma( n)ie biefe, 
nur ben Stnfang bitbenben jtoei SBSnbe? ®erabe an 
erftaunlid^en Stiabierbirtuofen unb genialen ^Dirigenten ift 
unfere Qtxt nid^t arm; fie ift baran reid^er, ald irgenb 
eine frühere $eriobe. SBeld^e StuSna^mefteQung gebührte 
alfo SBfiloto gegenüber feinen gefeiertften StoQegen? S)ie 
einer geiftüoQen, ^od^gebilbeten, in aQen SebenSdugerungen 
energifd^en unb intereffanten $erfön(id^feit Unb barum 
lefen tpir feine SBriefe mit lebhaftem SlnteiL SBüIotpS 
SSittoe (eine geborene SSienerin, atö grSuIein ©d^anjer 
ein l^ert)orragenbe8 äRitglieb beS äReininger ^oft^eaterd) 
l^at burd^ bie Verausgabe ber Briefe toie burd^ i^re 
t)ortreff(id^en biograpl^ifd^en (Erläuterungen baju ftd^ ein 
unleugbares SSerbienft em)orben, nid^t b(og um ba8 S(n« 
benfen i^reS ®atten, fonbem aud^ um bie muftfalifd^e 
©pecialgefd^id^te ber legten 45 Sa^re. @8 ift an biefen 
SSänben t)ie( ju loben unb ju lernen, {(ber ein nid^t ju 
unterbrüdEenbeS SSebenfen rid^tet fid^ gegen bie enorme 
STuSbe^nung unb Überfälle ber SBrieffammlung. 3^^ f^ 



350 ^^* QansHcf. 

btdEe SB&ttbe, unb baS odei» nur Briefe ani Saiotod erften 
25 Sauren! S)ad ^eigt bo(|, um ein SBort @^Qfef)}eared 
anjuloenben, „to make the service greater, than the 
god*. 2)ie ^Briefe aud SüIotoS Jhtabenja^ren ^fitten toofjH 
loegbletben bürfen; fte tntereffteren bod^ nur feine ^amiße. 
SD^an fe^e bie Briefe an feine ©c^toefter 3fa, mit aU ben 
finbifd^en t^ragen unb äRitteilungen fiber bod fteine ^finb« 
d^en, bie Sirf uSüorfteQungen unb bergleid^en ; man lef e bie 
neun ^rudEfeiten füQenbe 9teife6efd^rei6ung beS leifi^rigen 
^ann8 an feine äRutter, bie einge^enben SBerid^te fiber bie 
Jhant^eit be8 ,,IIeinen Ämolbd^en" u. f. to. Aber oud^ 
bie f))&teren ^Briefe Rotten eine ftrengere 8(u8tDal^( üer«* 
tragen. SBüIoto fd^itbert n&mlid^ biefelben @rle6niffe oft 
in 5tt)ei, aud^ brei berfd^iebenen Briefen: an feinen Später 
(in ber ©d^tpeij), an bie äRutter unb bie ©d^toefter (in 
Bresben), an bie t^reunbe 9taff, U^Iig, Sorneliui^; in 
festerer 3^^^ ^^ S^^i^ ^^^ ^^ ^^^ üßutter. ©d^reibt er 
bod^ felbft einmal aud äBeimar an feine ©d^tuefter: i,®u 
l^aft feinen 93egriff, toie gröglid^ eS ift, 5toeimaI baSfelbe 
fagen ju mfiffen, jubem toenn man aber einen langtoeiligen 
©egenftanb üJKtteilungen mad^t." 

SBid^tiger unb intereffanter toerben bie ^Briefe t)on 
1848 big 1849. S)a finben tüir ben jungen ©ülo» ate 
©tubiercnben ber SuriSJjrubenj an ber Uniüerfität Seipjig. 
@8 loar me^r ber äBiUe ber @(tem al& fein eigener äBunfd^, 
tpa« i^n 5ur Surifterei führte, ^atte er bod^ bereitiJ 
^oben einer ungetoö^nlid^en SRufifbegabung abgelegt, fo« 
gar in Stuttgart fd^on 1845 öffentlid^ fonjertiert. Slllein 
feine @(tern fonnten fid^ mit bem ®ebanfen nid^t befreun» 
ben, ba§ il^r ©ol^n bie fo unfid^ere, obenbrein für ben 



Qanns v, Bfiloms Briefe. 351 

%x&Qtv eined altabeligen 92Qmen8 unpaffenbe 93trtuofen« 
lQuf6a^tt emSI^Ie. ®r l^atte ei^ ü6rigend ntd^t ju bereuen, 
fiel eine S^^^t^i^S ^^^ 3urtS)}rub€nj , $§t(ofop^te unb 
©prad^en befaßt gu ^aben — @tubten, benen er bte ®r« 
Weiterung fetneiS geiftigen ^origontö unb bamit bte Über« 
legenl^eit aber bte ntetften feiner t^ad^genoffen üerbantte. 
S)er Stufent^alt in fiet))2tg tt)&^renb bed SfieüoIutionSja^reS 
1848/49 brad^te i^m petnüoQe ©tunben. SSälolo tpar t)on 
^erjen bentolratifd^ gefinnt, fo gern er in feinem gefeH« 
fd^aftlid^en Auftreten ben „ÄaDalicr" nierlen liefe. §ielt 
er eS bod^ tro^ feiner äRitteKoftgtett für unfd^icflid^, Don 
gtDei Dorne^men tarnen in Weimar Honorar angune^men 
für ben i^nen erteilten Silaüierunterrid^t; er l^abe „großen 
SBibertoiQen gegen biefen unobeligen Slft". Slber in ber 
S(d^tunbt)iergiger«93eloegung ftanb er mit aQen feinen ®\)m^ 
))Qt^ien auf @eite bed SSoIfeS unb mufete täglid^ fd^toei^ 
genb, tnirfd^enb anhören, tt)ie feine ^od^tonferüatiüen Ser«» 
loanbten, bei benen er too^nte, jebe frei^eitlid^e 9tegung 
Derbammten. 92QtärIid^ tDurbe ba aud^ Stid^arb SSSagner 
toegen feiner Xeilna^me an ber 9tet)oIution ^eftig gefd^m&^t, 
er, ben ber junge 99üIott) fd^toärmerifd^ Dere^rte. „^ä) 
loollte bir ettoai^ üerfd^n^eigen,'' fd^rieb er nad^ bem ®reS^ 
bener 9Raiaufftanbe an feine äRutter, „allein e8 ift mir 
unmdglid^, td^ mug bamit l^erauS: id^ fann eS in biefem 
^aufe nic^t me^r aushalten, benn ic^ bin ein 9Renfc^ unb 
leine 5IKafd^tne. Scbe ©tunbe l^ier ift eine Dual. S)ie 
beutlic^ auSgef prod^ene ®eringfd^5gung, ja SSerbfic^tigung 
in ben legten Sagen ift nid^t mel^r ju ertragen. 3d^ 
tooQte, id^ toäre fein 3ßenfd^, fonbern ein bummeS, unüer^ 
nünftigeS Xier, um nid^t bte (Smpfinbungen ju fügten, bie 



362 C^. QonsUcf. 

mtd^ burd^))ettfd^€n! 3d^ bitte btd^ fCe^ntltd^, fd^tcf mt(^ 
anberätoo ^in — trodEcneS JBrot toärc mir lieber!* ©ein 
fieipiiger dpi bauerte nid^t lange, ^aä) einem ffir SBütoto 
fe^r tiric^tigen 9(u8f[ug nad^ Sßeimar, too er SiSjt fennen 
lernte, fiberfiebelte er 1849 nad^ ^Berlin, um an ber bor^ 
tigen Unit)erfit5t feine ©tubien fortsufe^en unb in 3Jtn\xU 
Leitungen ali ent^uftaftifd^er it5m))f er für Stid^arb Sßagner 
aufzutreten. S)iefer UKtr fein 3bea( in allem unb febem; 
er toe^rt fid^ l^eftig bagegen, bag man „bie ^eiligfeit 
aBagner«" antaftc. Über biefe „ipeiligfeit- ^atte SBüIoto 
in fp&teren Sauren freiließ red^t fd^merjlic^e Erfahrungen 
am eigenen £eib ju mad^en. 3n SBerlin ^ört er ^uerft 
t)on ber geplanten ^uffü^rung beS «So^engrin" unter 
SiSjtS Seitung in SBeimar. „St&mt e8 ju ftanbe, fo mfigte 
Sßeimar bie $au))tftabt ber SSelt toerben!'' 3latüxlxä) 
reift 93üIoto gu biefer Sufffi^rung nad^ SBeimar, too bie 
mufifalifd^en SinbrüdEe, inSbefonbere aud^ ber täglid^e 9}er^ 
fe^r mit Sidgt, ben entfd^eibenben 933enbe))un{t in feinem 
Scben vorbereiten. 

^e ©e^nfud^t, gang ber 9Ruftf ju leben, tofid^ft immer 
heftiger in i^m, im felben 2Ra§e bie Unjufrieben^eit jnit 
bem ^greulid^en SBerlin". SBa« bie ®emütst)erfaffung be8 

jungen SRanneS boQenbd trüben mugte, toar ber offen« 

< 

funbig hervorgetretene 3^^^fP^t^ itoifd^en feinen SItern. 
3)er SSater toie bie SRutter, fie beibe toaren in i^rer Art 
vortreffliche SD^enfd^en, aber burc^auS nid^t l^armonifd^ ju« 
fammcngeftimmt. Sbuarb v. SBüIom liefe fid^ von feiner 
t^rau fc^eiben unb heiratete eine Sßertoanbte, Suife V. SBüIoto. 
3Äit biefer übcrficbelte er in bie ©d^toeij, too er ein Keine« 
@d^(ofe; £)t(i8^aufen im X^urgau, angefauft ^atte. ^annd 



Qanns o. Buloms Briefe. 353 

t). SBüIoto« SKutter unb fein ©d^tocfterd^n 3[a blieben in 
S)re8ben jurfid. @r felbft begab ftd^ noc^ DtliS^aufen ju 
SSefuc^ bei feinem Sätet unb fd^ien bort anfangs too^Iauf 
nnb jufrieben. SineS SRorgenS aber loar $ann8 Der» 
fd^tounben. @r fehlte jum grü^ftüdt, jn Sifd^e, jum 
8lbenbeffen. Stfle SRac^fragen blieben erfolgloä. S)er SSater 
äußerte fe^r balb: §ann8 ift ßetoiß ju SBagner nac^ 3^^^ 
gegangen. @o n^ar e8 aud^. ®r ^atte in ber n&d^ften 
©tation, Storfd^ac^, bie $oft genommen unb fic^ nad^ 
3ürid^ getoenbet Slnbem S^agS fam er jurüdC, fe^r er^ 
griffen unb aufgeregt ®r fiel bem Sater ju ^ügen unb 
bat, i^n äßufifer loerben ju laffen. 2)er Sater gab nad^, 
unter bem Sorbe^alt, bag auc^ bie 9Rutter einwillige. 
2)ie beiben Sriefe SüIotoS an feine äRutter, tnorin er 
feinen fiebenSpIan aui^einanberfe^t unb il^re ß^f^n^n^i^ng 
erbittet, gel^ören ju ben fd^önften 3^wfl"iff^w f*^ f^^"^ ^^^' 
lid^e Siebe toit ffir bie Sfieife feineS SerftanbeS unb S^a^ 
rafter». „3c^ berfprac^ bix," fd^reibt er ber SRutter im 
©eptember 1850, «SuriSt^rubenj ju ftubieren, unb bin 
aud^ ^eute nod^ gefonnen, mein Serfpred^en ju l^alten. 
S(ber Der^^Ien fann id^ eS bir nic^t länger: eS mangelt 
mir ebenfotool^I Talent afö fiuft unb Siebe, um ein guter 
9ted^t8gele^rter, ein aßann ber SBiffenfd^aft ju toerben. 
3um ©taatSbienft ift e8 mir rein unmöglid^, mic^ ju ent« 
fd^Iiegen, id^ ))affe ju toenig in biefeS mir unbefd^reiblid^ 
ber^agte Gebiet" SßenigftenS ein „^robe^albja^r möge 
fte i^m betoiSigen, um unter äSagnerd Seitung in 3^^^ 
fic^ jum ))raftifd^en üßufifer auSjubilben". 9(8 bie äRutter 
auf il^rer SBeigerung ber^arrte, fd^rieb Sülolo i^r einen 
jtoeitcn, langen, rü^renb liebevollen ©rief: 

(^anfltdC, Hub neuer unb neuerer Stit. 23 



354 ^* ^anslid. 

„Sänge ^abe xä) gefc^toanft unb gejaubert, btr ju 
fd^retben, benn xäj ^abe bir gegenüber ein böfeä ®en^iffen; 
tc^ ^abe eine geioaltfame SSerle^nng aller Knblid^en ^fCic^ten 
gegen bid^ begangen unb bin mir beffen üoQfommen be« 
n)ugt, ba nid^t Seid^tfinn mid^ bet^ört unb leine Über^ 
ftfirjung ftattgefunben §at, benn fonft toSre i^r ja bie 
9teue auf bent gu^e nad^gefolgt, unb id^ loSre nid^t mel^r 
l^ier unb unfer SSer^öItnid ju einanber nic^t gebrod^n 
ober geftdrt ^6) bereue jjebod^ bie %f)(d, bie bom @tanb* 
))unlte meiner l^eißgen ^ic^ten gegen bid^ bertserflid^ ju 
nennen ift, nid^t unb färd^te nun, bein geredeter ^oin 
l^abe fiber bie 9RutterIiebe ben @ieg baüongetragen; id^ 
fürd^te — unb Sl^ränen fielen mir bei biefer fc^merj» 
lid^ften aller Seforgniffe in ben Sugen — bu lönnteft 
t)on beinem @o^ne, ber fid^ t)on feiner iDhttter felbft ge« 
trennt, nid^tö me^r ttriffen tooQen; bu erfenneft i^n nid^t 
mel^r a(d fold^en an; bu loerbeft t)ielleid^t auc^ jebed Don 
i^m gefommene ©d^reiben ungelefen üemid^ten. 3d^ gab 
mid^ feiner mitben Xäufd^ung l^tn; id^ mad^te ed mir ftar, 
bag baS alles natflrß^ fein loürbe, bag id^ aUein bie 
@d^u(b trage unb eS nid^t anberd Derbient ^abe. Unb 
benno^ !onnte ic^ mic^ nic^t barein ergeben, fonnte ed 
nid^t faffen, unb bie t^urd^t, bie traurige, unfelige ®en)i^« 
l^eit ju erlangen, bag bem fo fei, ^ie(t mid| Dom ©c^retben 
ab. SBefte^t nun aud^ ^eute biefelbe t^ntd^t noc^ in DoUem 
9)'7age, fo I&gt eis mir boc^ leine SRu^e unb brSngt mid^, 
ben SSerfuc^ ju mad^en, bid^ ju fragen, ob eS toirflid^ toal^r 
fei, bag ic^ unfer SSerl^fittnid untoiberruflid^ aufgelöft, ba^ 
id^ mir bie SRutterliebe burd^ meine %f^at rebeüifd^en Un^ 
ge^orfamS auf immer oerfd^erjt f^abt, ^6) üermag nid^t 



Qanns o. Sfiloos Briefe. 355 

5u glauben, bag eS lotrfttd^ fo fein fönne, bag betne un« 
beftegbare Slnti))at§te gegen ben 3){ann, ben x6) fo l^oc^ 
bereite unb ber burc^ bte iDarme, ^erjtic^e Xeilnal^me, 
burd^ bte D&terltd^e ^^üi^o^S^ fut mtd^ ftc^ bte grflgten 
Stnfprfld^e auf meine Siebe unb S)anfbatfeit erioorben §at, 
fo aQmad^tig fein tonnte, bir ben @o^n ganj aud bem 
^erjen iu teilen. . . . @8 ift meine Seftimmung, bie 
entfd^ieben ftc^ an ben Xag legenbe Xenbenj meiner ftr&fte 
unb Anlagen, Sßagner nad^juftreben, ol^ne fflaüifd^e, !in« 
bifd^e 92a(^a^mung. ^ä) fage je^t: beffer fetbft ein mittel« 
mäßiger äßufifer atö ein guter fogenannt tüchtiger Surift. 
SBagner glaubt, ic^ tt)erbe ein guter 3Ruftfer, ein beben« 
tenber ftfinftler: e8 ift an mir, fein SSertrauen im Saufe 
ber Qdt ju rechtfertigen. 3)iefen Sßinter abfoloiere x6) 
^offentlid^ mein Srotftubium, ic^ loerbe ein guter, routi^^^ 
nierter 2)irigent, looju id^ — nad| SßagnerS Sßorten — 
bie entfd^iebenfte Stniage burd^ meine ^in^eit beS muft« 
!alifd^en D^reS, burd^ bie Seid^tigfeit meiner Sluffaffungd« 
gäbe, meiner fc^neQen Überftd^t, meines fertigen Xla'oitx* 
fpield beft^e. 91(8 Dirigent toerbe id^ bann fiberall mein 
S3rot üerbienen fönnen unb in ben @tanb gefegt fein, o^ne 
Sßal^rungSforgen ju probujieren.'' 

@ott)o^I 91 SBagner toie SiSjt fuc^ten in ffo^^ 
intereffanten, auSf fi^rlid^en ^Briefen (loeld^e bem erften SBanbe 
beigebrudEt ftnb) SBfilotoS @(tem ju uberjeugen, loie un« 
red^t fie traten, toenn fte i^ren f genial angelegten @o^n 
feiner natflrltd^en Seftimmung, ber äßuftf, entjie^en n^oüten. 
St. SSagner erflSrt ber SD^utter 99fiIoio8 unumtounben, bag 
er i^ren SBunfd^, ^ann8 mdd^te feine juribifd^en ©tubien 
fortfegen, für mberblid^ ^alte. ^$Jerberb(id^ ffir bie fernere 

•23* 



356 €b, ^ansWa. 

Sntundelung be8 dfyxxatttti unb ber X^&tigfeit Sl^reS 
@o^ne8, Derberblid^ für bte (Sr^altung eines gebei^Kd^n, 
ungeftfirt nebet)oIIen SSer^&ItntffeS itoi\6)m äRutter unb 
©ol^n. . • . ®eben @te toWxQ, gern unb fd^neQ baju S^te 
ßuftimmung, bag 3^r @ol^n nt(^t einen Sugenblid me^r 
im ßtoange gegen feine tool^Ibegrünbete unb geprüfte 
Steigung lebe!'' 2)ie iTOutter fBülüto» blieb ungerührt; ber 
SSater gab enblid^ nad^, als ^nnS burd^ 9Bagner8 ®er« 
mittlung eine 9(rt jUieiier StapeUmeifterftelle in Qixxxäi 
erhielt SHefe ^errlid^feit tsAffitt freilid^ nur jloei ^o* 
nate. fflaä^ einem fd^arfen SSortoed^fel SSfilotsS mit bem 
®atten ber 3^^^^ $rimabonna erfl&rte biefe, unter ber 
fieitung IBüIotoS nid^t me^r auftreten ju looHen. SMe 
©fingerin tnar bem 3)ireItor unerfe^Iid^, unb f o mugte ber 
junge StapeQmeifter ba8 ^tb rfiumen. SDZit beiben ipfinben 
ergriff er bie i^m angebotene 5ta)}eSmeifterfteIIe an bem 
fleinen Sweater in @t ®allen. Sßa8 ^atte er ba alleS 2U 
leiften unb ju erbulben! 3)a8 fteine, ungeübte Drd^efter 
beftanb au8 lauter ^Dilettanten, bie fe^r fd^Ied^t fpielten, 
aber fe^r ^6f(id^ be^anbelt fein tooUten. 3la6j ber erften 
$robe fommt SSfiloto „faff ju ber Überjeugung, bag mit 
biefen fieuten abfolut nid^tS anzufangen fei: ^^ ging nid^t 
einmal infam, e8 ging gar nid^t". ©eine JBriefe erjagten 
^öd^ft ergö^Iic^e ©etaifö au8 feiner ÄapcHmeifterei in 
@t. ©allen, ^ebenfalls ^at er bort burd^ bie unbarm« 
^erjige 5ßrap8 biet gelernt; er nrirb frü^ ein eminenter 
^Dirigent, ©ei bem ©tubium be8 »Sreifd^fi^* gelangt 
SBüIoto ju ber fortan bon i^m feftge^altencn ©inftd^t unb 
9Ret^obe: bie gJartitur grünblid^ burd^ftubieren l^eigt fte 
auStoenbig lernen. ,,®rft toenn man e« mit einer Op^x 



Qanns o. Bnlows Briefe. 357 

fo loett gebrad^t ^at, baS ^etgt mit einer guten D|)er, too 
jebe 9?ote, jebe S^uonce, febeS Snftrument feine 6efonbere 
SBeftimmung unb 93ebeutung l^at, glaube ic^, ift man im 
ftanbe, fte gut einjuftubieren unb ju birigieren, UiaS nur 
gefd^e^en fann, toenn man nid^t nötig l^at, in bie Partitur 
^ineinjublidEen." 

S(u8 biefem quatooU beengenben SBirfungSfreiS erUft 
i^n 2x^t, ber, im einberftänbniffc mit ©ülott« ®ltcm, 
i^n in SSeimar bei ft(^ aufnimmt unb |)erf0nlid^ feine 
loeiteren SRufifftubien leitet 2)ie SSkimarer ^eriobe (1851 
bid 1853) tpurbe für 99ä(otPd Sludbilbung jum AlaDier^ 
üirtuofen ber tuid^tigfte Slbfc^nitt feines SebenS. SiSjt 
ertoieS fid^ i^m ba ald genialer ^u^er unb ate bäter« 
lid^er ^^ceunb. 3n SiSitS SSo^nung auf ber SUtenburg 
fällte ftd^ SSüIoU) balb ^eimifd^, gen^ann aud^ bie fpejieüe 
Zuneigung t)on fiiSjtd ^reunbin, ber ^urftin Sßittgenftein. 
®i ift eine feine 93emerfung t)on 9S. SBibmann, Mß man 
aQe biefe ^erfonalien mit t)erbo)}))eIter £eilna^me lieft, 
toeil man ft^ t)ergegentt)&rtigt, toeld^e inneren SBanbe biej[e 
genialen aßenfd^en fp&ter nod^ enger Derfnüpfen foUten 
unb tpeld^e fd^idfalSDoSen Sejie^ungen biefe SSer^filtniffe 
bann burc^ SBagner erl^ielten. 3)er Sefer geniegt ^ier 
einmal baS SSergnügen einer aUuiiffenben SSorfe^ung, loeld^ 
bie gegenio&rtigen Sejiel^ungen ber ^anbelnben ^erfonen 
gugleid^ mit ber ftenntniS i^rer i^nen felbft nod^ t)tt^ 
borgenen jufünftigen ©d^idEfale überblidEt. 3)ie S9riefe aud 
SBeimar finb ganj befonberS d^arafteriftifd^ ffir Suloto, 
ben el^rlic^en, ^od^begabten, aber rüdfic^tslofen unb nic^t 
feiten anmagenben jungen äJ^ann. @r lebte nad^ feiner 
2)etrife »honnSte et exaJt^*. ©eine äßutter berid^tet nad^ 



358 C^- f^anslicf. 

einem Sefud^e in SSeimar fi6er i^n: ,ripann8 ift fe^r fleißig, 
a6er in beftdnbiger Aufregung; er toürbe fe^r t)iel leiften, 
a6er leibet toibmet er feine nteifte Qtit ber SSer^errlic^nng 
SSagnerS; er ift fanatifiert unb op^ttt ftd^ g&njlid^ auf, 
fe^t ftc^ nnb alle feine 3^^^ ^intan beS^alb.'' ^ie ®;al« 
tation für Sßagner mac^t i^n au^ (gan} l^d^ieben t)on 
SiSjt) ungered^t gegen jebe anbere Stid^tung. 2)a^ 9uberd 
g^xa ^iat)oIo' in S)eutfd^Ianb noc^ gern gehört toerbe, 
finbet er Ifid^erlic^, ba bod^ biefe Dp^v in t$ran!reid^ felbft 
I&ngft befeitigt fei %ber „^xa ^xa'oolo'* ift ^eute nod^ ein 
SieblingSftfid im Sftepertoire ber Dp^ra Somique. Sr üer« 
findet „bie tpa^r^aft unermeßlich t)erberblid^en Sßirfungen, 
loeld^e ber franjöftfd^e unb italienifd^e @d^unb feit ber 
3u(i«9fiet)o(ution auf allen beutfd^en Sühnen au8geflbt l^at". 
S(te er in einem Orc^efterftüdEe feines ^^eunbeS 91 äff bie 
Raufen fd^ISgt, ärgert ed i^n nad^trSgßd^, tpeil er erf&l^rt, 
SR e^ er beer ^abe einmal S^erubini benfelben 3)ienft er« 
n)tefen. ®egen Henriette ©onntag fd^reibt er einen fulmi« 
nanten S(rtifel, „ber fid^ getoafd^en ^at''; ^auptffid^Iid^ 
tt)egen i^rer „fd^fibigen Sßa^I'' (9{egiment8tod^ter, SRart^a) 
unb n^egen ber SenoerfUd^feit beS StoloraturgefangeS fiber« 
l^aupt. SHefe «öon grcd^^eit pla^enbe'' SRecenfion über 
eine ber berü^mteften fiünftlerinnen ^mad^te ©fanbal'', 
n)ie SBüIoto felbft nid^t o^ne SBefriebigung borauSfagte. 
^iKeine Unjjopularität ift ^ier grenjenio«/ fd^reibt er au« 
SSeimar im Tlax 1852 an feine SRutter; ^ic^ freue mid^ 
^5d|(id^ft barfiber, ba fie eine git{aI^Un))o))u(arit5t ber 
SiSjtfc^en ift unb baS qu'ils me haissent, pourvu qu'ils 
me craignent ^ier antoenbbar ift" 

Sßad^bem SBfiloto in äBeimar (in Soad^imS Quartett« 



^anns o. 3fiIoiPS Briefe. 359 

@otree), bann 6et bem äJ^uftlfefte ju SaÜenftebt als Alotner« 
fpieler großen SBeifaH geerntet, entiDtrft er mit Stöjt ben 
Pen jur Stunftreife. ^d ßiel berfelben tft SBien. 
„iKeitte etgentltd^ Stbfid^t in Sßien/ f(^ret6t er bem SSater, 
„befte^t barin, fo t)iel ®elb als mfiglid^ ju machen, 
benn eine ruhige Unab^ängigfett tft mir üor allem für ein 
fiünftlerleben unb SBirfen, loie id| ed mir toünfd^e, üoQ« 
fommen unentbe^rKd^.'' SSeld^ bittere Snttfiufd^ung ^arrte 
feiner! ®egen @nbe ber ©aifon fommt 99ü(otD nad^ SBien 
unb giebt am 15. unb 19. SDZSrj jtoei Aonjerte. „SD^ein 
erfteS itonjert brachte neben ber S(u8gabe t)on 133 f[. 19 fr. 
bie @inna^me t)on 28 fl. 3c^ ^atte alfo 105 f[. barauf ^u 
jaulen! Ttit biefer Unfumme ^atte ic^ baS SReti^t erfauft, 
meinen Flamen in me^r afö einem 2)ugenb SBIfittern auf 
bai^ unfinnigfte ^eruntergeriffen ju fe^en ..." fd^reibt 
SöIoU) an feine SD^utter. Si82t8 Empfehlungen Ratten i^m 
nid^tS genügt, 9?amen unb Sefanntfd^aften befag er nod^ 
nid^t . . . bafür befanb er ftc^ troft Sigjt« (Senerofitfit — 
biefer ^atte i^m 200 fl. üorgeftredt — fd^on nad^ ein paar 
Xagen feiner ^ntuefen^eit in fc^n)eren ®elb{alamitäten. 
Sr fie^t fid^ t)on lauter ^einben umringt, «c^nifc^" unb 
^tuienerifd^'' bfintt i^m badfelbe, bad Sßiener 5t(ima ,,rui« 
nierenb", er ftnbet, bag in biefer @tabt „bie Sommobitä 
be8 artcr« ift^ . • . lurj, in SBien ift alle» fd^Ied^t, ah- 
fc^eulid^, mtferabel. SMe Sßorte: «. . . ic^ ^dtte am liebften 
n)5^renb be8 @pie(e8 abbred^en, einige @tü^Ie bem ^Uu 
fum ind ®eftd^t fc^Ieubern mögen," jeid^nen fo jiemlid^ 
feine ©timmung. 

3n Debenburg, ^egburg unb SBubapeft erringt er 
ehrenvollen 89eifa0, aber fo loenig ®elb, bag er auf Unter« 



\ 






360 <2^ ^atislirf. \ 

\ 

ftügung t)on $Qufe angetotefen bleibt !Den ®Iauben an 

feinen SBeruf vermag aber au baS SRiggefc^id nid^t ju 

erfd^fittem. @r fc^reibt an bie SRutter: „3d^ mad^e mir 

einerfeitö ©omfirfc unb ®ctoiffen8biffe, baft id^ bir f o öicl 

n^irllid^ teures ®elb fofte, to&^renb anbererfeiiS baS @e« \ 

toußtfein meine« — ic^ barf e8 nad^ ben bitteren @r=» 

fa^rungen, na6) ben tiefen Entmutigungen tool^t fagen — 

Qugergetofi^nlid^n Stents mid^ n^ieber äRut faffen I&gt 

unb mir bie Hoffnungen giebt, bod^ einmal gur Geltung 

unb }U ®elb ju fommen.'' 3n SBerlin unb Hamburg 

fpielt SSüIolo mit großem fünftlerifc^en Erfolg; aber ber 

Hingenbe Sol^n loiQ fid^ aud^ ba nod^ nid^t einfteQen. 

Äein SBunber, toenn feine ®riefe au8 biefer 3^^* «^^ 

gereiftes unb Verbittertet ©emfit offenbaren. 9uf einer 

biefer Äunftreifen lernt er ©ra^mä lennen, beffen ®r* 

fd^einen er anfangs unter bem (SinbrudEe ber befannten 

^rop^egeiung ©d^umannS migtrauifc^ beobad^tet ^atte. 

Se^t fc^reibt er (au8 §annot)er, 6. Sanuar 1854) an bie 

SRutter: i 

i,S)en 9tobert ©d^umannfd^en jungen ^rop^etenSBral^md 
^abe ic^ jiemlid^ genau fennen gelernt; er ift feit gn^ei | 

Sxigen §ier unb immer mit un8. Sine fe^r liebenSloürbige, 
canbibe Statur unb in feinem Talent toirHid^ ettoaS ®otted:' 
gnabentum im guten ©inne!'' 

Unb toieber einen 3ßonat fp&ter melbet er ber äRutter 
aud Hamburg (28. ^bruar 1854), bag er im morgigen 
Stongert „einen @ag au8 ber @onate Don 83ral^m8'' fpielen 
toerbe. ®a8 ift, ben ©riefen nac^, ber Anfang ber 8e* 
gie^ungen ©ülolod gu bem abritten B', baS in jenem 
fpäteren SluSfprud^e SBülon^S: „3Rit ben brei B*i gebenfe 



\ 



Bfanns v. Bulovs Briefe. 361 

id^ an meinem fieben8a6enb audjufommen" — ne6en SBqc^ 
unb S9eetl^t)en gemeint ift. 

Sine entfd^eibenbe 99efferung in Sütotoi^ 93er^ältniffen 
' trat erft ein, atö er an bad ©temfd^ AonfetDatorium in 

^Berlin als erfter ft(at)ierle^rer berufen tourbe. 83on ba aui 
Verbreitete fid^ immer loeiter unb nachhaltiger fein 9}u^m- 
Stud^ feine SRutter, mit toeld^er er in SerGn nac^ lang^ 
jähriger Trennung lüieber jufammenleben lonnte, l^atte nun 
i^r früheres SBiberftreben ubertounben unb iDurbe eine über« 
jeugte, rüdE^altlofe iBetounbererin i^red geliebten ©ol^neS. 

„^ann^ ^at DoQenbet gefpielt/ fd^reibt fie im Sa^re 
1855, »ganj unirbifd^ fd^toebt ber Xon in ber Suft, unb 
feine Sluffaffung unb SuSfü^rung giebt ein 2)rama. 9Rit 
fBlid unb Xon ioei§ er baS ^ublifum ju bannen, bag eS 
nid^t ju atmen tuagt . . . 3n biefer ^errfc^aft, bie er 
über bie $örer ausübt, liegt für i^n ber Sleij beS dffent« 
lid^en ©pielenS. . . . @8 ift in ber X^at ein eminentes 
3:alent! (Stmad 2)ämonifd^e8! äRöge i^m enblid^ %n* 
erfennung unb bie Stellung loerben, bie i^m gebührt!" 

äRit biefen äSorten Don SBüIolod äßutter fd^Iiegt ber 
jtueite SBanb ber un8 Dorliegenben SBrieffammlung. 3n 
biefen beiben SSänben finben tt)ir bie marfanteften @igen<> 
tümlid^feiten ber 93ü(otofd^en SnbiDibualität ftarf unb un« 
Derfonnbar auSgepr&gt „Sin in tiefem SBa^r^eUd^ unb 

brang begrünbeteS leibenfd^aftlid^eS SSerlangen, 
ebeutenben ^nftlererfc^einung ju i^rem DoUen 9ted^t 
ju Derl^fen, unb jiDar lange beüor ftd^ eine i^r günftige 
(Strömung in ber Dffentlic^feit bemerfbar mac^t, unb im 
ßufammen^ange bamit bie rüdEftd^tdlofe 99ef5m))fung bon 
allem, bad fid^, betonet ober unbetougt, biefem 9ted^t ent« 




362 ^^ Qansltcf. 

gegenfe^t; ber ))erf0nltc^e S)?ut, in fold^em S(am))fe feine 
@d^n)ierigfeit ju fennen, feinen SuSbntd unb feinen barand 
ettoa für i^n ju re[ultierenben Siad^teit ju fd^encn" — 
fo bejeic^net ^^an 3Ratie t). SBüIoio bie gl&njenbe unb 
f^nt))atl^tfd^ ^erffinltc^feit i^reS hatten. 

Steine Sebenfen gegen bie enorme 9u8be^nung unb 
Überfülle ber ^tpei erften SSnbe fteigem fid^ nod^ mit bem 
britten ©anb .*) 3)erfcI6e entölt 240 ©riefe Süloto«, btofe 
aud ben Sauren 1855 bis 1864. Unb man barf an« 
nehmen, bag bereu nod^ brei^ 6i8 biermal fo üiel nac^« 
folgen Uierben. S)er QMefn^ed^fel jtoifd^en ©c^ider unb 
®oet^e fäQt nur jtoei mäßige SBdnbe. S^agegen brei bide 
SBSnbe, bie nur 93riefe t)on SBfiloto unb erft bie eine ip&Ifte 
feines Sebend enthalten! @(etoig n^&re bem Stnbenfen IBu« 
lotoÄ unb feinem anfe^nlid^en ßeferfreiS beffer gebient ge« 
toefen mit einer gefc^idten ^uSloa^I. SSteQeid^i )Denigcr 
amüfant, aber in^altreid^er unb für 93üIoio8 ^nftler^ 
laufba^n toic^tiger ald bie beiben früheren S&nbe erfd^eint 
un8 ber britte. (Sr unterrid^tet und über S3ü(otoS ©teUung 
al8 5ßrofeffor am ©erliner Äonferüatorium, eine 3^* ^^^ 
(Entbehrungen unb R&mp^t, babei beS unermüblid^ften t^eigeS. 
,,(£ine unprobuftiüe fieftionSmafd^ine'' nennt er fid^ felbft 
unb t)ertDfinfd^t in ^unbert SBariationeh feinen Stufent^alt 
in 5ß^iIiftro|)oIiS, toie er SBertin betitelt* 3n biefem S)unfct 
tröften i^n jmei ©terne, ju benen er anbetenb aufblidEt: 
SRid^arb SBagner, „ben man toie einen ®ott üere^ren 
muft**, unb Siäjt, ^ber gang öoHfommcne SRenfd^.* ©eine 
befte Sr^olung ftnbet SBütoto in einigen Stunftreifen. ©tolj 

*) ^e. t>. »ü(oto'd ertefe" 8. IBanb. 1898. 2tip^x^ »reit« 



^arms a. 3fiIoips Briefe. 368 

machen t^n 1860 feine Erfolge in SBien, loo er fieben 
Solare iu\)or nur geringe Xeilna^nte gefunben. „@ieg! 
©ieg! SBoUftänbige SRcband^ für 1853!" berid^tet er freubig 
feiner SRutter. Smmer tl^fitig al8 9(gitator fär fiiSjt unb 
SBagner, ift SBfilon? bie ©eele ber ganjen muftfalifd^en 
Dppofitiondpcrtei, i^r fd^Srffted ©d^toert in Angriff unb 
Slbtue^r. „Apage (Snt^ufiadmuS; Fanatismus l^gt je^t 
bie ^ßarole!** ermal^nt er SBronfart. Unb ]p&ttt: ^SBaS 
toxi braud^en, ift ein muftfalifd^er ^Despotismus, eine 
furchtbare Sutoritfit, toeld^e bie ®emeinl^eit ber SnbiDibuen 
nid^t auffommen lägt/ «IS ber 5I»ufiffriHfer ®uftat) 
Sngel, einer ber grünblid^ften unb Dome^mften feineS 
^ad^eS, ein abfälliges, aber burd^auS fad^Iid^eS Urteil aber 
SiSjtS H-inoll-@onate brudEen lieg, fc^rieb i^m 93fiIoto 
einen impertinenten SBrief, ber mit einer jiemlid^ unüer«- 
blümten ^erauSforberung fd^Iog. @tatt jeber Stnttoort 
Deröffentlid^te ®ngel ben ©rief in feiner 3«it"^^fl ^^^ bnx^it 
über baS Urteil ber Sefer beruhigt fein. SBüIotoS Briefe 
im britten S3anb ftro^en t)on ^ftigen STuSffiQen gegen 
aQe mufifalifd^ ^(nberSbenfenben; leibenfd^aftlid^e ©ereijt« 
^eit iDed^felt mit luftigen SBorttoigen, in benen SBüIom 
ein unerfc^öpflic^er SBirtuofe toar. SRofd^eleS' belannteS 
2)uo „Hommage k Händel^ nennt er „Fromage k 
Händel **; auS 3RenbeISfo^nS Variations s^rieuses loer« 
ben „ennyeuses**, auS ^binanb ^^ßferbinanb" $iDer, 
aus Chef ,,@d^0pS'' d'orchestre u. f. lo. Unermüblid^ 
arbeiten feine S(a(auer aud^ gegen 9Renbe(Sfo^n, ben er 
balb ^SRenbelSbruberS SReffe**, balb .SRenbelSöaterS ©nfel* 
tituliert. SRit Sntereffe burd^bWttern toir bie »riefe, in 
loeld^en SBüIoU) mit lounberlic^er ©elbftironifierung feine 



364 ^^- Siansixa. 

SSermä^Iung mit Sofima Stöjt beit ^reunben Qitjeigt. 3m 
@ommer 1862 trifft bai junge S^epaar in SSiebrid^ mit 
Stid^arb SBagner jufammen, ber aud^ ben er^o(ungdbe« 
bürftigen iBüIoto fofort unter feine SSotm&gigfeit jtoingt 
^^u ^aft feine Sl^nung bat^on/ fd^reibt biefer an 
Sßoijl, ,,toie inet id^ ^ier in ©ad^en SBagnerS ju t^un 

^abe Sben ^abe id^ eine jto|)ie ber ,3Reiftet:« 

finger* ju ftanbe gebrad^t, 145 Duartfeiten; l^be fünf 
Sage ju ad^t ©d^reibftunben baran in grfigßd^fier ipi^e 

bie (Ringer gefteift. 3Reine ©timmung mug bir 

unerflärlid^ fein, üieüeid^t gar erfünftelt erfd^einen. 2)u 
meigt eben nid^t, n^aiS alleS um mid^ unb in mir t)or«> 
gegangen ift. 3c^ ^abe mid^ felbft, meine Snbiüibuaßtfit 
burd^ ftete Eingabe an fo unb fo t)ie(e ^erfonen t)er« 
loren — ber reblid^c ginber »irb gebeten u. f. to." S)er 
Sefer gen^al^rt fd^on ^ier bie ©d^atten fommenber Sreig« 
niffe. 9US im näd^ften t^rfl^ja^r SRaff anfragt, ob SBüIon) 
nid^t n)ieber am St^ein Srl^olung fud^en toerbe, entpfinbet 
biefer bie ^rage aU Sronie, ja ate bitteren ipo^n. ,,®o 
fflat)ifd^ id^ mid^ untertl^an ffi^Ie allen ben SBerfen, bie 
mir ^od^ unb ^eißg fte^en: einen getpiffen ^rei^eitSbrang 
in 99ejug auf meine $erfon l^abe id^ nod^ nid^t unter« 
brfidEen ffinnen. 3Bo ic^ b^m merbe ju feinem SRed^te t)er« 
Reifen Unnen, ba^in n^anbre id^, menn id^ n^anbre — alfo 
nid^t in bie iRä^e eined Wod'DtgnOf. ^eutlid^er fann id^ 
mid^ ni^t audbrüdEen/ %ber ber ©ommer 1864 fül^rt 
il^n n)ieber an bie ©eite bed Ol^m^^ierS. SBagner, \)on 
bem jungen Stfinig Subtoig nad^ SBa^ern berufen, l^atte t)on 
biefem SBfilotod Slnfteüung afö ,,$}orf|)ieIer'' mit bem ©e*- 
l^alt t)on 2000 fl. ertoirft. 3m 3uli öertoeilten Süloto 



^anns v, Snloips Briefe. 365 

ititb feine ^rau Bei SBagner in beffen SSiQa am ©tarn« 
berger ©ee; im SRot)enibcr fiberfiebelten fie Don Scrlin 
na^ äRünd^en, äRit biefem folgereid^en SBenbepunft in 
Süroto« fieben fd^liefet ber britte Sßanb unferer JBrief* 
fantnttung. SBir ^aben allen ®runb, und auf bie folgen« 
ben SBfinbe }u freuen, befonberS toenn [ie nid^t fo t)iele 
ge^eimni^DoUe ©ebanfenftrid^e unb fd^toeigfame $unlt« 
reiben auftoeifen mie ber britte. 

SBüIotod Briefen fte^t ergfinjenb unb erfifirenb eine 
Slu8toa^I feiner ©d^riftcn jur ©ette, beren ©ammlung 
unb iperaudgabe toir gleid^faUd i^rau 3Jtam t). SBüIotp 
toerbanlen.*) SSiele biefcr Äritifen über toerfd^oUene Äom» 
|)ofitionen unb längft t)ergeffene JSon^erte entbehren l^eute 
be8 SteijeS ber Slftualitfit; aber Sfilotod ^uergeift belebt 
fie alle, ^e ©ammlung fd^Iiegt mit ber beräumten Stebe 
über JBeet^ot)en8 iperoifd^e ©^mpl^onie, „S33ir toibmen fie," 
ruft SBfiloto, ^bem SBruber 93eetl^ot)eni^, bem 8eet^ot)en ber 
beutfc^cn ^olitil, bem dürften Siämarcf!" 

tiefer einfädle SSibmungd^anbftreic^ SBüIonid ^at aber 
einem jüngeren mufifalifd^en Sigmardtoercl^rcr offenbar 
nid^t genfigt, i^n üielmel^r angefpornt, bad SBalten S9id^ 
mardES in ber 1803 fomponierten ^elbenf^m^^l^onie bid ind 
(Sinjelne nad^}utoeifen. @8 ift bieS iperr äRorij SBirtl^, 
ben Slejranber 3Jto^totoSii in einem migigen Feuilleton 
fd^led^tttjcg „ben ^eHfid^ttgcn" nennt, offenbar toeil er 
3)inge fielet, too unb n)ie fein anberer ©terblid^er fie ma^r«» 
nimmt. Übcrbieä fanb SK. ©irtl^ in SBagner» SKuftf* 
bramen abfolut nid^td mel^r }u erlöutem; er l^atte in ja^t«* 

*) $. r>. S3aiotD. S(uSgen>a^Ite 8(^Ttften (1850-1892). fietpstg» 
1896, bei ^xt\itop\ & ^ärlel. 



3G6 <Sb. Qanslkf. 

reichen 93or(e)ungen jebe SBagnerfd^e iDtc^tung bereits bii 
auf boS legte 3Bort burd^Ieu^tet, SSagnerS ^(ben unb 
ipelbtnneit aQe Ifingft bis aufü $emb ausgelegt.'^) ^a gab 
eS für t^n fein Problem me^r, unb fo toenbete fid^ ber 
^nftd^tige ju SBeet^ot^en unb fiberrafd^te bie 993elt mit 
feiner bei äBilb in Seif^jig t^erfiffentlid^ten Slb^anblung: 
«SBidmarc!, f^m|)l^onifd^e ^id^tung DonSBeetl^oüen." 
®arin erfl&rt er: «,3d^ fpred^e eS ^iemit ani, ber jtueite 
@Qg ber 99onaparte«@Qm))l^onie ift 9eet^ot)en8 SKSmard^ 
äRufif." Um baS ju betoeifen, jitiert er mehrere ©teilen 
au8 S9ufd^i^ befanntem 93ud^e ^©raf SBiSmardE unb feine 
Seute" unb f^tiegt: „Sufd^S Sßorte gel^ genau auf 
baiSjelbe, toai und SBeetl^ot^en burd^ feine 3Rufif ol^ne 
iebe ipaile fe^en (figi'' SBeS^alb ^at aber Seet^ot^en biefen 
<Sa$ Marcia funebre betitelt? Unfer ^^^rfd^er ftnbet bie 
Sfifung n)ieber in SBufd^: SQS nfimti^ ber SBertrag fiber 



*) «tö Seifptel zitieren loir baS $rogcamm, toelc^S ^oxx^ 
®irt^ feiner fünften SSorlefung Ü6er ben ^runbgebanfen ber ^fS^^"' 
bic^tung ^agnetft )u ®runbe gelegt ^at: S^er einheitliche Ur^uftanb 
ber Strafte. 9)ie Urfc^ufb. gnbit^ibuationen: ®otan unb gfrida, bie 
übrigen (Götter unb bie anberen ni^tmenf^Iic^en ^erfonen. @rba 
unb bie 9{omen. Serftanb unb fSiÜe. Sleilung bed fSillenft in 
®uted unb IBöfeS; SIrennung bed ^erftanbed oom tBiden. Übergang 
t>om ^^lo^oi^mud jum ^ed^aniSmu«. grortfe^ung ber Urf^utb alft 
SufaQ bur4 ha^ ^rama. ^ie $erfu(^e beft 93erftanbe9, ben SBiber« 
ftrtit bed ^iUend }u bänbigen. S)er IBertrag^fpeer. S)er fBanberer; 
Srünn^ilbe unb @iegfrieb. Srflärung bed ^angeld in ^iegfriebd 
@terbefcene. S)ie (frlöfung. S)ie Un^ulängli^reit im SBefen beS 
Qöfen: ^Iberic^, ^\mt, ©untrer, ^agen; ber lebenbige 9(nn beft 
toten Siegfrieb. ^ie toad^fenbe Läuterung int ®efen bed deuten: 
Botan, @iegmunb, @iegfrieb. %>\t Cfr!3fennnen ^xida, Sieglinbe, 
Srünn^ilbe. ^ie jungen ©ötter unb bie neue (Srbe beS VZ^t^uft in 
ber ©(^lugfcene bed ©iegfrteb: ^iberlegung bed Optimidmui^ %>it 
loirÜic^e (Silöfung bur^ hai SBeltinbioibuum ^otan: iRirtoana. 



Htc^arb Wa^Mt nnt> WtnMxn XPetgl^etiner. 367 

Srrid^tung bed beutf^en Steid^ed mit SSa^ern abgefd^Ioffen 
toar, f)abt SBidmarc! eine leife 91 ü Irrung gegeigt, fei itad^«' 
benllid^ unb bann beforgt geioefen, toai bie 3^tungen ju 
ben iBebingungen fagen mürben. S)iefe t)on S9ufd^ erjfi^Ue 
S^atfad^e, erflart ber ipeUfid^tige, „ffinnte faft loörtlid^ 
aU Xe{t unterläge für ben ©d^tugfa^ beS SonftüdEeS 
bienen". @d mugte ^rn SBirt^ fe^r befrembet l^aben, 
bag atic^arb SBagner, fonft fein Slbgott unb Drafet, in 
feiner befannten Srt&uterung ber @roica mit leiner @i(6e 
auf ben Steid^dfanjler ^inioeifL @r burd^fd^neibet aber alle 
JBebenfen mit bem üernic^tenben ^uSfprud^e, „t& erfd^eine 
nad^ allebem bie t^rage gered^tfertigt, n)ie toeit SBagner 
JBeetl^oüen fiberl^aupt t)erftanben ^abe". iRun, toenn 
felbft SBagner iBeetl^ot^en nid^t t)erftanben ^at, bann ®nabe 
@ott aQen anberen! 



Hifgatb D^agner unb ü^enbelin D^eiggeimer. 



In einem eben erfd^icnenen Sud^e öon öierl^unbert 
©eiten er jdl^It un8 ber Äomponift unb SWuftIbiref tor SBenbelin 
SBeife^eimer feine ©rlebniffe mit SRtd^arb JBagner.*) SRan 
fcnnt ben SBerfaffer ate einen ber toerft^ätigften Snl^nger 
unb SBetounberer bed SReifterS üon SBa^reutl^. £ro|bem 
toirb fein ungemein intereffante« Sud^ bie SBagnerianer 

♦) ^@rIeBniffe mit 81. ©agner, St«at unb ölctcn anbeten 
Scitgcnoffcn ncBft beten »riefen.* TOlt gacfimtle« öon »riefen 
©agnet«, 2\^ii unb »aiomd. »on ©. ©ei^l^eintet. (^eutf^e 
SBeriagdanftalt in Stuttgart. 1898. Smeite 9(uflage.) 



368 <^^• Qansitcf. 

üerbriegen, tozU eS S^l^atfad^eit enthält, bte toieber einmal 
ein unerfrenlid^ed Sid^t auf SBagnerS Sl^arafter loerfen. 
SBarum, fo fragen n)ir, l^t ber SSerleget bad JBud^ nid^t 
einftampfen laffen, tote iBreitIo|)f & ^firtel ^rbinanb 
^rägerd ^SBagner, n)ie id^ il^n fannte"? ^oS toar ja 
bie einfad^fte, ^anblid^fte äRetl^obe, einen JBerid^t auS ber 
SBelt ju fc^affen, ber UngünftigeS, angebKd^ SrrigeiS über 
ffiagner enthielt. S)ie litterarifd^ forreltefte, noBelfte Art 
ber SBiberlegung ift baS freilid^ faum. 92id^t einmal bie 
üorteill^af tefte. 3)ad SBagner^S^nbif at mit ST^r. S^amberlain 
an ber ®p\^t ^ätte bodf beffer get^an, alle Unric^tigfeiten 
in ^rfigerS 8ud^ ftanb^aft }u n^iberlegen unb bad @nb' 
urteil bem $ub(ifum ju überlaffen. SSarum ein SBud^ 
mit ber ©tam^fmfil^Ie üemid^ten, toenn man ed mit ber 
geber üermod^te? Untoillfürlidö beulen toir an |)einc8 
Stiage: i,@c^liegli(i^ fto|)ft man mir ben äRunb mit einer 
^nb Doli erbe — «ber ift ba8 eine Stnttoort?'' 

$err SBeigl^eimer n^ar aÜ ©tubent in ^armftabt burd^ 
bie 9luffü§rungen üon Sannl^öufer unb So^engrin i,in 
ein t)öllige8 3Bagner^^e(irium geraten''. 9^ur fd^U)er er« 
langte er bie 3i*[ttni^i*^9 \^^^^^ ®Item, fic§ ganj ber 
SWuftf toibmen ju bürfen. SRad^ abfolöiertcn ©tubien am 
Sei^jjiger Äonferöatorium reifte er im ©ommer 1858 mit einer 
©mpfe^Iung ©d^inbelmeiffer« ju SBagner nad^ Qünd). 3«"^ 
le^tenmal ^at er SBagner im Suni 1868 in äRünd^en in 
ber ÄönigSloge be8 ipoftl^caterg gefe^en. S)€n Sn^alt biefer 
jel^n Saläre bilbete für SBeife^eimcr bie unermübtid^fte, faft 
au8f d^Iieglid^e 2;i^atigfcit im Sntereffe SBagner«. SBir tooHen 
§ier in ^ürje unb möglid^ft Wortgetreu ba^ SBid^tigfte au^ 
SBeife^cimerg ©ricbniffcn mit SBagner nad^erjS^fen. 



\ 



Htc^arb Warnet unb IDenbeltn 2Petgi{etmer. 369 

ßunfid^ft Beginnt äBeig^eimer feine Xl^&tigfett mit 
einer SRei^e Don Slnfffi^en über »S^riftan unb Sfolbe" für 
SBrenbelS aRufifieitfd^rift. ^ann §ilft er bem üon ^arig 
nad^ S)eutf(i^(anb jurüdgefel^rten SBagner bei beffen Uber« 
fieblung t>on SRainj nad^ SBiebrid^. S)aS n^ar teine Jtleinigf eit, 
benn eine ganje SBagenburg tarn angefal^ren mit SBagnerS 
^ften unb fioffern. iRid^t bie ^filfte bation fanb Staum 
in SBagneri^ aud brei ß^^i^^^^^ beftel^enber äBol^nung. 
3m ganjen ipaufe toar lein $Iq^, unb fo brad^te benn 
SSeig^eimer mit ipilfe bed SBirted bie Aiften in einem be« 
nad^barten geräumigen Aelter^aud unter. SBagner lieg 
)Don einem Sctpejierer bie ^^nfter feiner SBo^nung mit SBor^» 
^fingen unb bie Sl^üren mit ^orti^ren Derfe^en, fd^Iüpfte 
in einen feiner berühmten ©amtfd^tafrfidEe, fe^te ein baju 
paffenbed SSarett auf unb begann an ben »äßeifterfingem'' 
ju arbeiten. 9Ritten in biefer erregten ^obuftionSjeit 
tpurbe er burd§ ben JBefud^ feiner grau überrafd^L 2>ie 
gute 3Rinna nioUte i^m eine ^reube mad^en unb lam un« 
t)ermutet auS S)reSben an, loo er feit einiger 3^^ f^^ ^ 
Xid^atfd^efS untergebrad^t ^atte. SSagner Derl^e^Ite nid^t, 
nne ungelegen biefer gutgemeinte Überfall i§m fomme. 
fSSai bei ber großen SSerfd^iebenartigfeit beiber (S^e^&Iften 
t)orau8iufel^en toar: fd^on nad^ SBerlauf einer SBod^e reifte 
i^rau äJKnna toieber jurücf nad^ 3)reiSben, um fic^ nie 
nrieber fe^en gu taffen. 3n äRaing beforgt äBeigl^eimer 
alle erbenflid^en SSommiffionen für SSagner, ber in ^af^U 
reid^en JBriefd^en i^n ftet« mit Siebfter SBenbelin, Siebfter 
f^reunb, anrebet. SSSeig^eimer arbeitet für SBagner einen 
öier^änbigcn ÄlaDierauäjug bc« ,r3Keiftcrfingcr*'*SSorfpiete 
au8, begleitet bei bem SBefud^ beS @&nger8 ©d^norr bie 

4> a n f ( i (f , 9u8 neuer unb neuefier Qtit 24 



370 ^^- Qanslicf. 

3:rtftQn«®cene auS ber Partitur unb toa^ eS fonft nod^ 
gab an murrfatifd^cn grcunbfd^aftsbicnftcn. Aber bicfc 
toorcn nod^ bic gcringftcn. SBagner bcfanb fid^ fort» 
tofil^renb in ©elbüerlegenl^eit, toad il^n freiltd^ ittd^t ^inberte, 
(S^am))agner aufjutifd^en, bem ^tfc^er fär eine ©pojier« 
fa^rt einen SoniSbor ju geben n. f. U). Sdd SBagner 
nad^ SSart8rn§e reifte, um bort bem ®rogl^jog bie 
9J{eifterftnger«»^id^tung üorjulefen, fd^üttet il^m SSeigl^eimer 
beim @infteigen üorfid^tS^alber ben ganjen Sn^alt feinet 
Portemonnaie^ in ben |)ut. 3)er SSerteger ©d^ott n)ar 
beiS etoigen SSorauSsa^Iend mübe getoorben, unb SBagner 
fag batb auf bem XrodEenen. SBeig^eimer, ber il^m toieber» 
l^olt mit fleineren SBetr&gen ausgeholfen, foUte eS nun mit 
einer größeren ©umme. .«SBagner toünfd^t eine ©eneraU 
anleite Don 5000 fl." ^3undd^ft, lieber ^reunb/ fd^reibt 
er an SBeigl^eimer, ^bebarf id^ auf baS ^ringenbfte 1500 f[. 
@e^en @ie, toai^ ©te über S^ren lieben SSater bermögen! 
©trengen ©ie ba« Äufeerfte an!** SBeifel^eimer reift ciligft 
na^ Oftl^ofen ju feinem SSater, bann nad^ SBormS )U 
feinem Onfel; beibe tonnen bieSmal nid^t aushelfen. Snblid^ 
er^It er jum ®lüd baS ®en)ünfd^te t)on bem SBanüer 
iBamberger unb eilt nad^ äßainj jurüdE, too bereite SBagner 
ungebulbig im Saf^ $ari8 feiner ^arrt SBei Empfang 
bed ®elbed fäUt er feinem jungen greunbe toeinenb um ben 
^fö. 3^^^^f^ mugte SBagner feine SBol^nung in JBiebrid^ 
bejal^ten, benn o^ne 3^^^^i^S burfte er in biefelbe nid^t 
toieber hinein. Aber jebe ©ummc 5errann in SBagnerg 
^änben. ^aum ad^t Sage fpäter bringt er in SBeig^eimer, 
i^m um ipimmefön^iUen noc^ etn)a 300 fl. bor^uftreden; 
aud^ SBfilon) foll ein paar l^unbert ®u(ben auftreiben. 



Hid^arb IPagner nnh WenMtn IPetgljetmer. 371 

SBeigl^etmer reifte nad^ SBtedbaben ju k9o]^I]^a6enben greunben 
(^ill^elm^ unb Stofentrfiger), toeld^e geneigt f d^ienen, SSagner 
gu Reifen, faQS er nid^t }u ^o^e 2[nf orberungen fteQen tofirbe. 
;,(SinmaI in SSieSbaben," berid^tet SBeig^eimer, ..toonte id^ 
ed nid^t t^erfäumen, aüeS aufzubieten unb auf gut ®lüd 
für SBagncr fogar auf ben — Settel gu ge^en." ®o 
fc^toer eS il^m tourbe, SBeig^eimer fprac^ in ber 9?fil^e beS 
^r^aufed aUerl^nb btftinguiert auSfel^enbe $erfönlid^(eiten 
gu ®unften Sßagnerd an — l^olte ftd^ aber lauter SSfirbe. 
|)terauf fagt er bie Sbee gu einer iRationaI'>©ub« 
ff ription für Sßagner unb forrefponbiert barflber eifrig 
mit SBfiloto. iDiefer t^er^el^It fid^ nid^t bie Helen SBebenl« 
lid^feiten ber ©ad^e, fte^t aber bod^ feinen anberen %uSt9eg 
nnb berfprid^t feine 9J2ittmrf ung. SngtDifd^en ^itf tSBeig^einter 
immer lieber auS. p,@ie finb toal^rlid^ ber (Singige, " fd^retbt 
il^m Sßagner, «ber fidt; nod) um mic^ befümmert! @ctbft 
ipannS (SfiloU)) fd^einfS aufgegeben gu^aben.'' Se^terer l^atte 
i^n feineStoegS aufgegeben, ftanb aber ben unaufhörlichen 
®etbforberungen SSagnerS ratlod gegenüber unb nennt 
eS unglaublid^, Xoai 3Bagner in üierge^n Sagen an 
®elb fonfumieren fann! ,,$aben @ie benn feine Sbee/ 
fragt SBüIoto, „too er baS ®elb, baS er fid^ immer im 
Siotfalle gu üerfd^affen toeifc fo fd^nell Einbringt?'' SBeife- 
Reimer geftel^t, eS nidtjt gu begreifen, ipeute fei Sßagner 
im SBefi^ t)on mehreren ^unbert @ulben, unb im ^anb« 
umbre^en feien fie fort, ©eine SSunft im ®e(bau$geben fei 
ratfel^aft. «Unb mir ift rfitfel^aft/ ffi^rt ©üloto fort, 
«ba^ er fid^ allemal bad 9Utigfte loieber gu t)erfd^affen toeig. 
9[m (Snbe ift er ein nod^ größeres f^nanggenie, ali er 
3Md^ter:= unb SKufifgenie ift.'' 3unäd^ft er|)robt [xt^ ba^ 

24* 



372 €b. fjanslirf. 

f^tnanigenie aUerbtngd toieber an SBeig^etmer. J3Jta(S)zn @ie 
3§re ©Qd^en gut," fd^retbt i^m SBagner, „erleid^tern @te 
mein iperj nnb befd^tDeren @ie meinen iBeutel!" ^utd^ 
äBeig^eimer, ber feinen SSater neuerbingS für SBagner an« 
|)um))t, erl^&It er fd^neQ Igunbert Sl^aler, mit benen er nad^ 
Sei^jig abreift, jur $}eranftaltung einei^ ^onjerteiS anfangt 
SRoöember 1862. 

fflvLxt folgt als intereffante (Spifobe SBagnerS SBefuc^ 
in SBien. §ier gilt e8, bie Sluffü^rung öon „Iriftan unb 
Sfolbe" unb gleid^5eitig ein |)aar Drd^efter * Äongerte im 
Sweater an ber Sßien borjubereiten. SSagner brandet ®elb 
nnb immer toieber ®elb! ÄU8 bem ipotel „Äaiferin 
(Stifabet^" fd^reibt er an SBeig^eimer, ber in Sei|))ig bie 
^o|)iaturen für i^n beforgt: ,,®etb fann id^ bid bal^in 
nid^t }ur JBegal^Iung ber fto|)iften fd^idEen. @e§en @te 
bod^ um bed ^immeld toillen, toie @ie baS machen!" 
Sßenbeltnd Spater mug abermals @elb fd^affen, unb ber 
@o^n reift @nbe 2)egember 1862 felbft nad§ Sßien, um 
SBagner üon frü^ bis abenbS be^Uflid^ gu fein. (£r 
ftubiert tägßd^ mit Snber bie Partie beS Sriftan unb 
gugleid^ ^imßd^ mit SBalter; benn SCnberS fd^toanlenbe 
®efunb§eit mad^te eine 2)oppeIbefegung nottoenbig, t)on 
nield^er er aber nid^tS erfahren bürfe. Slud^ mit^rabanel 
ftubiert er ben Shtrüenal unb foll S3edE in ben ^nig äßarfe 
eintoei^en. SedE a^nt aber, ba§ au8 ber „3;riftan''* Sluf* 
fül^rung nid^td tDÜrbe, unb ift nie gu $aufe ober td|t 
fid§ Verleugnen. S)ie beiben JSongerte SBagnerS erregten 
unbefd^reibtid^en Subel unb brauten i§m eine (Sinna^me 
t)on 3000 ®utben. Slugerbem fd^idte il^m bie ftaiferin 
auf SSeranlaffung Dr. ©tanbl^artnerS 1000 ©utben. Unb 



Htc^arb IPagner unb XOevbüin IDetgi^etmer. 373 

immer jammert er itod^: ^,3^ armer, geplagter SKaitn!" 
S5a SCnberä ©rlranfung ben ^^Sriftan" iitf Unbcflimmte 
^inau^fd^ob, reifte SBagner nai) Petersburg, too feine Stuf« 
fül^ntngen t)on glänjenbftem fünftlerifd^en unb ))efumären 
(Srfolg gefront toaren. S(ud^ SBagiterd Stonjerte in $rag 
unb in 5ßeft (er felbft rül^mt i^ren ^^unglaublid^en @r* 
foIg'O Ratten groge ©ummen eingebracht. i,%ber eine 
@umme, mit toeld^er jeber anbere einige ^f^xt forgenfrei 
leben unb fd^affen fonnte, toarb t)on SBagner in wenigen 
Sßod^en üerbraud^t." S^on ^eteriSbnrg toenbet fic^ SSagner 
toieber na^ SBien ober genauer: nad^ $enjing. 3)ort 
mietet er bie leerftel^enbe SBilla beS 8arond Sftod^otD unb 
täfet fie üoCftdnbig neu einrid^ten. Snstoifd^en ift ber 
treue SSenbelin unauSgefe^t für i§n t^ätig, in ^ranffurt, 
in 2)armftabt, in SRotterbam, um in SBorbereitung t)on 
^on}erten ben SBoben für SBagner ju ebnen. iRod^ 
toa^nt er biefen in ^enjing rul^ig bei ber Slrbeit, als i^n 
(in Seipjig) ein ^legramm 3BagnerS |)Ugtid§ nad^ 
Stuttgart beruft 3Bagner niar im fOt&xi 1864 l^eimlid^ 
t)on $enjing geflfid^tet 2>en äßietjinS, bie f oftfpietige ^n^ 
ric^tung unb fonftige ©d^ulben für i^n ju bejal^Ien, fiberlie| 
er o^ne tpeitereS feinen a^nungdlofen ^reunben, bie, toie 
j. SB. Start SEaufig, ffir i^n Sürgfd^aft geteiftet l^atten. 
Sßon ba an toirb bie ®efd^id^te immer romanl^after; bie 
^Begebenheiten fiberftfirjen fid^ in immer fd^neüerem Xempo. 
Sßagner eitt üon Sßien junäd^ft nad^ S^xiä) ju ^au SBiUe, 
t)on ba nad^ Stuttgart Sl^m nad^ — nid^t feine ®I&ubiger, 
fonbem fein SRetter: ber ba^rifd^c ^offefretfir t). 5ßfifter* 
meifter, ber im auftrage bei^ jungen fiSnigS Subtoig n. 
SSagner audftnbig mad^en unb nad^ 9J{ünd^en bringen foH 



374 Co. ^anslid. 

(Sr fud^t ben glüd^tKitg Vergebend in Sßien, t^ergebenS in 
3üri^; enblid^ erl^afd^t er i^nin ©tuttgart, gerabe atö SBeig« 
Reimer i^m bie fioffer padvx ^ilft jur rafd^en 3Beiterreife. 
„3c^ bin am (Snbe/ fagt SBagner, „x6) mu^ irgenbtDO üon 
ber Sßelt t)erfd^n)inben. ^finnen ©ie mid^ nid^t bat^or be« 
tDQ^ren?" S)ie8ma( ift ed SBeigl^etmer ju feinem Seibmefen 
unmöglid^, ba er nod^ nid^t in bem SBefi^ feineS ju er« 
tDQrtenben SSermfigenS unb fein 93ater ber t)ie(en 0|)fer 
mfibe gen)orben toar. ri^iun, fo mug ic^ auf einige 3^t t)er« 
fd^tDinbeit, aber @ie mflffen mid§ begleiten!" SBenbelin fagt 
bieS 3u; 3Bagner mOge unter allen Umftfinben auf i^n 
red^nen. JRun fo berfd^toinben toir in bie Sftaul^e 911b !" 
— S)a erfd^eint als rettenber (Snget ber Unigßc^e Sbgefanbte 
unb nimmt 9EBagner fofort nad^ SRünd^en mit 3lo6) in ber 
^[bfd^iebdftuube Vermag Sßenbelin il^m einen legten 3)ienft 
3U eriDeifen. SBagner toar nämlid^ eiligft in ben SBaggon 
eingeftiegen, o^ne eine ^l^rfarte gelfift ju l^ben; ba rennt 
Sßenbelin jur ftaffe, I6ft bad iBillet nad^ 9Rfind^en unb 
reid^t eS nod^ red^tjeitig SSagner burd^S SSaggonfenfter. 
SSir finben SBagner afö allmfid^tigen @unftling beS 
jungen JtfinigS niieber. iRun fytt er bie teufte feinet treuen 
SSenbelin nid^t mel^r nötig, unb fo ift benn aud^ fd^neQ 
t^ergeffen, toai^ biefer burd§ oolle jel^n 3a^re in unermüb« 
lid^r 9[ufo|)ferung für if)n geteiftet. 9US SBenbetin feinen 
93efud^ in ©tarnberg anjeigt, antn^ortet il^m SBagner, er 
(0nne il^n nid^t aufnehmen, ba feine ®afträume in ben 
nad^ften Sagen befe^t fein iDÜrben. 3^ SBei^^meri^ ^od^jeit 
t)erfprid^t SEBagner nad^ SugSburg ju fommen; \a er tmS 
nad^ ber S^rauung fogleid^ mit bem jungen S^e^Ktare nad^ 
9J{flnd^en fal^ren unb il^m ^ier baS ^od^jeitsbiner geben. 



\ 
t 



Hic^arb Waqintt nnb IPenbelm lDetgI{eimer. 375 

SBenbelin ift entjüdt über btefe SlitSjeid^nung, er^&It aber 
im legten Sugenblide ein Setegramm t)on SSagner, bag er 
ntd^t fommen ffinne unb bag aud^ baS t^erfprod^ene ipod^^ 
jettsbiner in SJZünd^en unmOgtid^ fei. €0 fd^mergtid^ SSeig« 
l^einter biefe graufame fiberrafd^ung treffen mugte, er unter« 
brüdEt jebe Smpfinblid^feit, ^offt er bod^, SBogner n^erbe il^nt 
tuenigftenS einen einjigen, für feine ganje 3^^^^!^ ^^^"^ 
fd^eibenben ^reunbfd^afti^bienft nid^t Derfogen. @S l^anbette 
fid^ um bie Snna^me feiner Oper ^X^eobor ftörner'' am 
SRünd^ener ^oft^eater. Sine einfädle (£m|)fe^(ung SSagnerS 
^ätte l^tngereid^t, um bom ßfinig btn getDünfd^ten {[uftrag 
3U ertoirlen. @in SBort t)on SBagner Xoax genügenb, um 
Sßeigl^eimer menigftenS eine Slubienj beim ftdntg ju t)er« 
f (Raffen. SBagner ^at beibeS abgelel^nt. 3a, er lie^ ftd^ 
nid^t einmal ^erbei, fid^ Don SBeigl^eimer einige ^anpU 
Partien ber Dper Dorfpielen ju laffen. 9hir in baS 
Xejrtbud^ l^atte er @infid^t genommen unb beffen „reDo« 
lutionäre ^nbenj'' getabelt. Unb bod^ mug Sßagner, 
toie ja^Ireid^e ©teilen in feinen iBriefen benieifen, t)on bem 
Talent SBeig^eimerd eine fe^r günftige 9J{einung gehegt 
l^aben. Vi& Sidjt bie Oper auf ba^ niärmfte an bie 
JBertiner ©enerat^Sntenban) empfiehlt, fd^reibt SSagner am 
15. Sanuar 1868: „iperjüd^en ^an!, lieber SBenbelin! 
^lUi ®lvid fei mit Sinnen unb Sl^rem Römer. 
@S fann ein fe^r glüdttid^er ^aU fein unb — id^ l^offe eä!" 
@elbft rül^rte er aber feinen t^inger für feinen früheren 
SBo^It^äter. Sßir tooQen l^ier nid^t bem ganjen SeibeniS« 
toeg beS immer üon neuem l^ingel^altenen unb getöufd^ten 
armen SBenbcIin fd^ritttoeife nac^gc^en — genug, bafe er 
nac^ unfägU^er aJ2ü^ unb ß^tüerluft bon ^rau (S^ofima 



376 €b. ^anslirf. 

fd^ßegnci^ bte gn&bige Sittfd^eibung em))fiitg: SBagner loerbe, 
falls ber Afintg bte Sufffi^ruttg ber Dper aud freien 
©tfiden betDiUtgen follte, nid^t ba gegen f|)re(i^en! 
X^Qtfad^e ift, bag Sßeig^interd äBerl, baS an einer anbem 
SBü^ne einen guten Srfolg errungen, in ST^ünd^en nid^t 
jur Slup^rung gelangt ift. ^^ alfo nnir ber So^n ffir 
Sßeig^merS je^ni&^rige unerniflblid^e 9ufo|)ferung. (£r 
fa§ nunmel^r ein, bag t)on bem mächtig getoorbenen 
3Bagner burd^auS nid^tS ju l^offen fei, unb t)erlieg 
äßünd^en, um eine fiapellmeifterftelle in Slugdburg, bann 
in ©erlitt (bei ÄroH), in S)fiff elborf unb SBurjburg anju* 
nehmen. 3n ieber biefer Stellungen galt fein f c^finfter (Sifer 
ber Sluffül^rung t)on SSagnerS Dp^m. 93on 3Bagner felbft 
empfing er nie toieber ein Seben8geic^en, feit er biefen jule^t 
1868 f[fid^tig in 3ßünd§en gefe^en — neben bem jtflnig in 
ber ipofloge bei ber 5ßremifere ber „SKeifterfinger''. 

SSerfd^iebene Shitifer rfigen an Sßeig^eimer, bag er aud§ 
t)on feinen eigenen Aompofttionen f))rid^t unb t)Ott ber 9n« 
erfennung, meldte SRdnner toie SiSjt, JBüIotD, ^ufig, 
Someßud, S)rfife(!e unb Verfaß i^nen gesollt ^aben. @d 
ift i^m, nad^ meiner Smpfinbung, biefe einzige befc^bene 
®enugt^uung t)on ^rjen ju gfinnen;*) ja, bie ^Berufung 
auf baS Sob ber genannten SSünftler n^ar faft notn)enbig, 
um ben £efer t)or bem Srrtum }u betoa^ren, SSeig^eimer fei 
eben nid^t mel^r unb nid^tS anbereS getoefen, atö in einer 
$erfon ber So^nbiener unb ber ©elbgeber Sßagnerd. 2>ie 



*) (Sine aneite £ptx SBeig^eimecd, „^tl^itt a^artm unb feine 
(Sefenen", ^at in fSfranffurt a. 97^. einen giogen (Srfolg errungen 
unter ber fieitung ^e ff off 8, ber bie S^otoität feinet^eit ongeiegent« 
Itc^ft aur ${ufffi^rung in SBien enit>fa]^I.