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Hu 2174 M
Ruswahl
Deutſcher Gedichte
—
—
XE 2076:
Auswahl
Deutiber Gedichte
für
höhere Schulen
Theodor Echtermeyer.
Einunddreißigfte Auflage,
herausgegeben von Aermann Mafius.
Balle a. $.,
Derlag der Buhhandlung des Waifenhaufes.
| 1893.
Vorwort zur erfien Auflage.
Der Unterricht in der Mutterfprache fol auf Gymnaſien weniger bie Ten-
denz haben, den Schüler mit dem materiellen Beitand und dem grammatiichen
Formalismus derjelben befannt zu machen, ald ihn in die geiftige Welt feines
Volkes einzuführen und den ideellen Reichtum desfelben ihm nad) und nad) zum
Bewußtſein zu bringen.
Die Beſchäftigung mit vaterländifher Poejie wird aber hierzu das geeig-
netjte Mittel fein, menn man anders die Kunſt als diejenige Form und Weile
zu betrachten Hat, in der fih das innere Leben der Bölfer am unmittelbarften
und vernehmlichjten dem jugendliden Gemüte offenbart.
Für die unteren Klaſſen der Gymnaſien nun, die ich zunädit im Auge
habe, dürfte fich jene Disziplin am ſchicklichſten mit den fogenannten Deflamier-
übungen verbinden, iobald man nur bei diefen nicht das Konventionelle des
äußeren Vortraged zur Hauptſache macht, fondern vor allen van darauf
bedadt fein will, dab Sinn und Peritändnis für Poeſie an einer Reihe wahr-
Haft dichteriicher Produktionen ſtufenweiſe — und gebildet werde.
In dieſem Sinne iſt nachſtehende Sammlung deutſcher Gedichte veran⸗
ſtaltet. Neben ſorgfältiger Erwägung des poetiſchen und ſittlichen Gehaltes der
aufzunehmenden Stücke, ließ ich es mir angelegen ſein, die geiſtige Sphäre des
Alters, dem meine Arbeit gewidmet iſt, me aus dem Auge zu verlieren, und
durch möglichſt geſchickte Anordnung des gewonnenen Material® dafür zu ſor⸗
gen, daß ſich im ganzen und einzelnen ein allmählicher Fortgang vom Leichteren
zum Schwereren ergebe. Hierbei glaubte ich nicht bloß auf die innere Kon-
ſtruktion und den Bedankeninhalt ber Gedichte, fondern auch auf die profobifchen
Berhältniffe Rüdficht nehmen zu müſſen, indem ich die Erfahrung gemacht, wie
ed einer allmählichen Gewöhnung an höhere und funftreichere Formen der Metrik
bedarf, wenn dem jugendlichen Sinn durd) fremdartigen Rhythmus und neue
Reimverbindungen nicht das Eindringen in das Innere eines poetifchen Erzeug-
niſſes erſchwert oder wohl gar unmöglich gemacht werden foll.
Was die am Ende der —— gegebenen biographiſchen und litterari-
ihen Notizen betrifft, jo halte ich e8 für ımnötig, etwas zu ihrer Empfehlung
zu jagen, und habe zuletzt nur noch zu erflären, daß die hochdeutichen Terte der
alemannifchen Lieder von Hebel, mit Ausnahme des Gedichts vom Abend-
tern, da8 der Berfafier jelbft in die Schriftfpradhe übertragen, von mir her⸗
rühren, doch fo, dab die Vorarbeiten von Adrian (Stuttgart und Tübingen
bei Cotta 1824) und Frh. v. Budberg (Heidelberg 1826) nicht umbenußt
geblieben find. Daß ich aber diejen liebenswürdigen Sänger nicht fogleich in
einer urfprünglichen Seftalt der Jugend vorgeführt, wird man mir, wie ich hoffe,
ebenfowenig zum Vorwurf machen, als dab ich bei einigen wenigen Gedichten,
aus Gründen, die von felbft einleuchten müflen, wenn man die Bejtimmung
ee Buches erwägt, eine oder bie andere Strophe wegzulaſſen mir erlaubt
abe.
Halle, September 1836.
Th. Echtermeyer.
a*
— 1— —
Vorbemerkung zur fiebzehnten Auflage.
Nachdem mein verehrter Freund Profeſſor Dr. Edjtein infolge gehäufter
litterarifcher Arbeiten von der Herausgabe diefer Unthologie, welcher er nahezu
ein yore! die muſterhafteſte Sorgfalt gewidmet, zurückgetreten ijt, babe ich
auf ich der Berlagshandlung die Redaktion übernommen. Konnte und kann
die mir damit zugefallene Aufgabe nur die fein, den Schag, an defien Samm-
lung fi die Namen dreier unjerer vorzüglichſten Schulmänner und feinfinnigiten
Ritteraturkenner knüpfen, auch ferner im Geiſte derfelben zu pflegen, fo weiß ich
andererſeits bi wohl, daß gerade Schulbücher diefer Art der kundigen Mithilfe
anderer gang efonder8 bedürfen. Iſt doch ſchon bie Gleichheit der Schreibung,
die Genauigkeit der Glofjare, die Vollſtändigkeit der Litterarhiftoriichen Angaben
faft nur auf ſolchem Wege in genügender Weile zu erreihen. Ich erlaube mir
Daher die vertrauende Bitte auszuſprechen, dab die Gönner des Buches und
namentlich diejenigen, welche es im Unterricht benußen, mir ihre deöfallfigen
Wahrnehmungen und Wünſche freundlichit mitteilen möchten, indem ich bemerke,
daß ich felbftverftändlidh bereits bei der jegigen — äußerſt raſch gedrudten —
Auflage auf die betreffenden Punkte Bedacht genommen habe. Außerdem find
Giftorifähe Notizen zu einzelnen Gedichten Hinzugefügt worden und die lirterte
möglichſt genau vergliden, bie Nachweiſe der Erläuterungsfchriften vermehrt
und endlich einige wenige Nummern (Nrr. 31. 215. 253. 320) durch andere
erjegt worden. Darauf beſchränkt fih, was ich im Augenblide thun konnte;
doch werden Fünftige Auflagen deutlicher zeigen, wie es mir eine Herzensſache
U, mit Necht hochgeſchätzte Buch nicht Hinter feinem altverdienten Rufe
zu eibe.
Leipzig, 1. Oftober 1870.
Hermann Mafius,
Bur zwanzigſten Auflage.
Die vorliegende Ausgabe ift fo erheblich verändert worden, daß ich mich
u einer eingehenden Rechtfertigung verpflicgtet Halten würde, wenn nicht zuleßt
—* die Sache ſelbſt für ſich zu ſprechen hätte. Ich beſchränke mich deshalb auf
einige allgemeine Andeutungen.
Es iſt der Zweck dieſer Sammlung, die Jugend einzuführen in die ideale
Welt unſeres Volkes, wie diefelbe in den Schöpfungen der Haffiichen Dichter
emen fo vollendeten als herzbewegenden Ausdruck gefunden Hat. Darf daher
nur dag wirklich Muftergültige und Nationale hier zugelafjen werden, fo ver:
Steht fich doch gleichertveife von jelbft, daß eine ſolche Einführung nur allmählich
don Einfacherem und Fahlicherem fortichreite zu tieferen, reicheren und funft-
volleren Kompofitionen. Beides find, wie gejagt, ——— Forderungen,
und die bisherigen Herausgeber waren am weileſten davon entfernt, ſie außer
acht zu laſſen. Dennoch wird es nicht befremden, wenn in den mannigfachen
Wandlungen, welche das Buch binnen einer Zeit von faſt vier Jahrzehnten er⸗
fuhr, jeweilig auch andere, an ſich nicht unberechtigte Geſichtspunkte mit eſtimmend
hervortraten und über die Simplizität der urſprünglichen Anlage hinausführten.
Ja indem man in anerkennenswertem Eifer aus dem immer wachſenden Schatze
unferer Dichtung immer von neuem fchöpfte, konnte es allmählich wohl ſelbſt
ben Anjchein gewinnen, als ſolle eine gewifje litterargejchichtliche Bollftändigkeit
— v —
der Sammlung erzielt werden. Damit aber würde ſchließlich der eigentlich päda⸗
gogiihe Grundzug ded Buches angetaftet worden fein.
So begann denn ſchon Prof. Editein, ala er nad) Hiedes Tode 1862 die
Redaktion übernahm, einzelne Stüde auszuſcheiden und fernere Ausſcheidungen
anzuliimdigen. Und auch ich felbit bin auf diefem Wege weitergegangen. Nach
wiederholter Sichtung habe ich jetzt eine längere Reihe von Gedichten preiögegeben,
fei es dab fie zu fchwierig oder zu wenig charalteriftiich, fei es daß fie nur
i Big oder aus irgend einem anderen Grunde bedenklich erſchienen. Ob
ih dabei in jedem einzelnen Falle das Rechte getroffen, iſt mehr als fraglid;
doch hoffe ich im ganzen auf die Zuftimmung einfichtiger Beurteiler. Anderer⸗
ſeits aber iſt fo manches Reue binzugelommen. Dichter, die bisher ganz fehlten,
haben ihre Stelle gefunden, während andere bereitö aufgenommene reicher als
bisher vertreten find. Dabei galt es zugleich weſentlich einer Verſtärkung des
epiihen ſowohl als des milden Elemented, und auch die patriotifche Lyrik
forderte entſchiedene Beachtung. j
Bielleicht noch durchgreifendere Änderungen find durch die Umgeftaltung der
Neihenfolge, namentlich aber des „Anhangs“ herbeigeführt worden. Derſelbe
enthielt auf mehr als anderthalb Hundert Seiten eine bejondere Auswahl aus
Elopftock, Goethe, Schiller, Hölderlin und Novalis, denen noch einige der
„Barden“ aus der Klopftodichen Periode beigefellt waren. Allein objchon für
die beiden größten unjerer Dichter jede Muſterſammlung, welche nicht bloß die
elementare Stufe vor Augen bat, breiteften Raum gewähren wird, fo bleibt
doch eine foldhe ifolierte Gruppierung immerhin eine äußerliche, zumal wenn fie
in ſich ſelbſt jo wenig gegliedert ift, ald e8 der Anhang war. Für Namen aber
wie Ramler, Gleim, Lavater u. f. w. konnte meines Erachtens die ihnen zu:
ewiefene Sonderftellung um jo weniger gerechtfertigt werden, je bedingter ihre
Bufäffigfeit überhaupt iſt. Ich Habe daher den — ohnehin vielbeftrittenen* —
„Anhang“ bejeitigt und den größeren Teil der hier re ae Ge⸗
dichte in methodiſcher Verbindung mit anderen als eine vierte Abteilung in den
Organismus des Ganzen zu verweben geſucht.
Konnte ih mir nun allerdings nicht verhehlen, daß durch Änderungen fo
einfchneidender Art der Gebrauch früherer Auflagen einigermaßen erſchwert werde,
jo ſchien doch ratjamer eine einmalige gründliche Ummälzung vorzunegmen, als
mit zager Hand one Aufhören notdürftig zu beffern. Überdies wird das forg-
fältige Regiſter, welches Herr Yaltor Bobardt in Halle anzufertigen die Güte
batte, genũgende Nachweife geben, da es ftet3 auf jene älteren Ausgaben Bezug
nimmt. Nicht minder aber hoffe id auf entjchuldigende Nahfiht, wenn bei der
außerorbentlichen Beſchleunigung des Drudes einzelne Verſehen untergelaufen
find. Dahin gehört z. B., daB Hebel Gedicht „Die Wieſe“ (Nr. 407) wiederum
wie früher als Fragment abgedrudt wurde. Die nächſte Auflage wird das köſt⸗
liche Idyll ohne jede Verkürzung bringen. Ebenfo follen da diejenigen aleman-
niſchen Lieder, welche bisher nur in hochdeutſcher Überjegung vertreten waren,
auch im Original mitgeteilt werden, während endlich alles, was jet etiva noch
vom bloßen Mittelgut rüdjtändig bfieb, verſchwinden fol.
Möge denn jomit dad Buch in feiner geneuerten Form ſich die alte Gunft
bewahren, und fchließlih bem Herausgeber geftattet fein, die Bitte um mohl-
wollenden Beirat fundiger Schulmänner vertrauend zu wiederholen.
Leipzig, Dftern 1874.
9 M.
* 6 bedarf wohl kaum ber autbrüdiichen Sefigerung: daß ich die mir befannt gewor⸗
denen Rezenfionen des Buches dankbar benutzte, und erwähne fiir diesmal befonders die ebenſo
woßlmeinende als zutreffende Beurteilung von Prof. Dr. Schreiber im 6. Jahrgang der Blätter
für bayriihes Symnaflalweilen , wie Ich auch andererfeit? manchem bedeutfanten Wink des Herrn
Schulrat Dr. Todt in Magdeburg verpflichtet bin.
— vi — —
Der dreiundzwanzigſten Auflage
habe ich nur die Bemerkung hinzuzuſügen, daß dieſelbe die bereits in einem
früheren Vorworte angekündigten Vervollſtändigungen enthält. Es ift der hoch⸗
deutichen Überſetzung Sehelicer Gedichte überall dad alemannifche Original bei⸗
gegeben und die berühmte Verherrlihung der „Wieje” und des Wiefenthales
(Nr. 399) nunmehr in unverkürzter Gejtalt mitgeteilt worden.
Wenn dagegen andererfeitd einige wenige Gedichte ausgeſchieden morden
find, io hoffe ich, e8 werde mir auch dafiir die Zuſtimmung der alten Freunde
des Buches nicht verjagt bleiben.
Leipzig, Oſtern 1877.
Hermann Mafius,
Die vierundzwanzigſte Auflage
ift nur infofern eine vermehrte zu nennen, als vielfach ausgeſprochenen Wün-
ihen zufolge die Abhandlung über Balladen» und Romanzenpoefie, welche
Echtermeyer bereit3 der zweiten Auflage (1839) beigab, von neuem abgedrudt
worden ift. Zwar kann die von ihm aufgeftellte Scheidung zwiſchen Ballade
und Romanze mindeſtens nicht für eine durchgreifende gelten — man vergleiche
namentlich) Fr. Viſchers Äſthetit (III. ©. 1361 ff.) und W. Wadernagels
Poetik (S. 98 ff.) — allein jene geiftvollen Erörterungen find damit nichts
weniger als entwertet, und die Aphoridmen und Charafteriftifen, mit welchen
Echtermeyer alsdann die ganze Reihe Schillerſcher und Goetheicher Balladen
begleitet hat, enthalten einen wahren Schatz feinfinniger Betrachtung. Hier
liegt meine8 Erachtens der unantaftbare Kern der Abhandlung, und hier wird
im ganzen auch ein gereifterer Schüler dem beredten Manne ohne Dolmetſch
folgen können. 2
Dennod fehienen fich für den vorliegenden Neudrud einige nen zu
empfehlen. Und fo ift außer einzelnen polemifchen Epifoden und Bemerkungen
(gegen W. v. Schlegel, Nüdert u. a.) aud) der einleitende Abſchnitt über Die
deutiche Epik ausgejchieden worden, und ebenfo hat der von philofophiicher Ter-
minologie durchwachſene Ausdrud jezumweilen behutſame Bereinfahung erfahren.
Ob babei anbererjeit diejenige Pietät bewahrt worden, welche Schule und Haus
dem Andenten Echtermeyers jchulden, darf ich der Enticheidung des Leſers an-
heim geben, wie ich denn wohl faum noch zu verjichern braude, daß mid) bei
alle diefen Umgeftaltungen nicht bloß die Sorge um Raumerfparnis geleitet hat.
Reipzig, Oſtern 1878.
9. M.
Unfere Balladen- und Romanzen-Poefie.
Abhandlung bon TH. Echtermeyer.
(Gekürzt.)
1. Ballade, Märe, Romanze.
Die Lyrik tritt ein, wo der Dichter, anftatt fein Denken und
Empfinden in die Welt außer ihm zu verſenken und deren Intereſſen,
Zuftände und Berwidelungen darzuftellen, ſich in ſich jelbft zurüd-
wendet und bie Darftellung feiner Innerlichkeit zum lebten Ziel nimmt,
fo daß er fi auf das Reich der Außendinge nur einläßt, infofern
ihr Sein und Gefchehen fein Gedanken- und Gefühlsleben erregt und
Innerhalb ihres Gebiets entwidelt fih aber die Lyrik mejentlich
in drei Grundformen. Dieje find:
1) Die epiſche Lyrik, die es noch mit einem objektiv Gegebenen,
einem realen Stoff, einem äußeren Geſchehen zu thun hat.
2) Die didaktiſche Lyrik, in welcher die Wahrheit einſeitig in
das Wiſſen des dichtenden Subjekts gelegt wird. Das Ich tritt der ob⸗
jektiven Welt, als einer unwahren, in Wahn und Irrtum befangenen,
gegenũber, hält ihr ſeine Einſicht als Geſetz und Regel vor, macht ſich
zum Spiegel ihrer Häßlichkeit, oder läßt in epigrammatiſcher Pointe ihre
Verkehrtheit in nichts zerſtieben.
3) Die eigentliche oder meliſche Lyrik. Sie hält ſich höher
und allgemeiner, indem ſie frei iſt ſowohl von dem äußerlichen Stoffe,
von dem die epiſche Lyrik ausgeht, als von dem bloß ſubjektiven Denken
der didaktiſchen Lyrik.
Um nun auf die epifche Lyrik, mit ber wir es hier allein zu thun
haben, näher einzugehen, jo ift in ihrer bereits allgemein bezeichneten
Sphäre wiederum ein breifaches Verhältnis zu unterſcheiden, analog den
drei Formen des beutfchen Epo8, die wir ald Mythus, als heroifches und
ala romantiſches Epos charakterifieren dürfen.*
Die erfte Gattung, für die ich die Bezeichnung Ballade in
Anfpruch nehme, entipriht dem mythiſchen Kreiſe; die zweite, Die
ih Märe oder Rhapſodie nennen will, dem heroiſchen Epos; bie
» Als myjthiſche Epen find die Edden zu betrachten, als heroiſche Die
Kibelungen, Gudrun u. |. w., als romantifche die freien Schöpfungen deö Kle⸗
rus und der höfiſch gebildeten Sänger, wie Lamprecht? Alegander, Wolframs
PBarrival u. f. w.
dritte, die Romanze, dem Kunſtepos oder der romantischen Epopde
des Klerus und der höfiſchen Sänger.
Die Ballade ift das Igrifche Fortleben des pezififchen Volksgenius.
Sie fteht auf dem natürlichen Urgrunde des Volksgeiſtes, der durch
alle gefchichtliche Bewegung hindurch fich erhält, und wodurch dieſes Volk
dieſes iſt und bleibt, von andern ſich ewig unterfcheivet. Man fann
den Geiſt des Volks nach diefer Seite auch das Vollsgemüt oder den
Naturgeift des Volles nennen. Es iſt die in fich gefehrte Seele Des
Volks, die Nachtjeite des Bewußtſeins. Daher entfaltet fich diefer Geift
nicht handelnd und denkend, fondern er verhält fich leidend, empfindend,
pathologiſch — Das Element der Ballade, um das Gefagte näher zu
beitimmen, ift ſomit der Geift in feiner Naturbebingtheit, wie er ent-
weder den Wirkungen und Erjcheinungen der äußeren Natur als höhe—
ren Gewalten unterliegt, oder wie er als natürlicher Wille — im
Gegenjag gegen den freien fittlihen Willen — den dunfeln Trieben
und müften Leidenfchaften der Furcht, des Zorns, der Rache u. f. mw.
anheimfällt und von ihnen verfchlungen wird.
Das Element der Märe oder Rhapſodie ift die Welt kühner
Thaten und energiücher Charaktere. Hier wehet bereit8 ber. Odem ber
Geſchichte; es ift der Geift eines männlichen klaren Wollen! und Han=
delns, der bier zum Ausdrud fommt. So wie die Ballade düſter und
tragifh, fo ift die Märe, auch wo fie den Untergang darftellt, hell
und Mar, und gehört der Licht- und Tagesfeite des Geiftes an,
welche ſich ſodann
drittens in der Sphäre der Romanze noch mehr entfaltet. Hier
beruht das Intereſſe nicht mehr auf der That als ſolcher und der naiven
Energie naturkräftiger Charaktere, und nicht mehr auf einem beſtimm⸗
ten Volksgeiſt, ſondern das, worauf es der Romanze ankommt, iſt das
ideale Selbſtbewußtſein, die im Innern waltende Macht der freien
Sittlichkeit, der gebildete Geiſt und ſeine Verherrlichung.
Dieſer ſittliche Zug bildet den eigentlichen Grundzug und führt
zur didaktiſchen Lyrik weiter, durch Legende, Parabel u. ſ. w. hindurch.
Eine nähere Beſtimmung für den Unterſchied der drei Gattungen
ergiebt ſich aus der Betrachtung ihres Verhältniſſes zum realen
Stoff, durch welchen fie eben noch epiſch find, und ſodann der Form
der Darftellung, in welcher diefer Stoff fi gliedert und Fünftlerifch
geftaltet.
Die Ballade, wie fie den Naturgeift, der fi) in der Mythe
entfaltet, zur Grundlage ihres Begriffe hat, gebt auch ſachlich auf
den Mythus zurüd, und ift gleichfam die Fortfehung diefer Tradition,
diefer Welt uralter Vorftellungen und Phantafieen. Die Natur und
ihre elementarifhen Mächte, die ſich dem heibnifchen Bewußtſein ver-
förperten und in dem Volksaberglauben zum Teil noch fortleben
als Niren, Elfen u. ſ. w, da8 Wunderbare, das Dämoniſche
— - IX —p
bilden einen weſentlichen Beſtandteil der Ballade. Nur daß die Welt,
in der dieſe Elemente wurzeln, als ſolche untergegangen iſt und nur
noch in einzelnen Ahnungen und Nachklängen ſich erhält, die des⸗
halb eine eigentümliche Erregung erfordern, eine beſondere Stellung des
Subjekts der allgemeinen Bildung gegenüber, eine aus der Gewohnheit
des Lebens und dem gegenwärtigen Bewußtſein heraustretende, ano⸗
male Stimmung des Geiftee. Überall aber, mag fie nun an jene
Tradition ſich anfchließen oder nicht, bewegt fich die Ballade in einer
engen, gegebenen Sphäre, fie bleibt in der Natürlichfeit der Gemüts-
welt beichlofien und auf einen beftimmten Kreis von Anfchauungen,
Empfindungen u. ſ. w. beichräntt.
Die Rhapfodie, ald der bewegten Welt des Handelns ange-
börend, bat dagegen über einen weit reichern Stoff und eine weit
größere Mannigfaltigleit von Motiven zu gebieten. Sie wird jedoch
vorzugsweiſe an die Geſchichte des Volks, in welchem fie entiteht, fich
anfchließen und durch Darftellung folder Thaten und Helden, die ein
beimatliches Gepräge tragen und das Gemüt patriotifch erregen, ein
nationales Intereſſe gern bewahren.
Die Romanze ift der äußeren Begrenzung nad nicht mehr an
ben Spiritus familiaris der einzelnen Nationalität gebunden, denn fie
geht von der Allgemeinheit menfchlicher Bildung, von univerfellen Ge:
danken und Wahrheiten aus. Das Prinzip der Freiheit ift ihre Seele,
und dem unerfchöpflichen Inhalt entipricht die unendliche Dlannigfaltig-
feit der Geftaltung. Auch hierin ift fie dem romantischen Epos ana-
Iog, welches die ganze, dem Mittelalter bekannte Welt in jeinen Dar-
ſtellungen fich ſpiegeln lieh.
Es bleibt mir nun noch übrig, von der Form der drei Gat-
tungen zu ſprechen.
Bon der Ballade bat ſchon Goethe gejagt, daß ihr eine „myſte⸗
riöfe“ Behandlung zufomme. Ihre Form hat der inneren Gedrungen⸗
beit, dem bumpfen Weben des in fich beichlofienen, von der Natur
noch nicht befreiten Geiftes zu entiprechen und durch verwandte Mittel
der Darftellung diefe pathologifhen Zuſtände finnlich herauszugeſtal⸗
ten. Die Ballade will lieber gehört als gelejen fein und bebarf, um
vollfommen zu wirken, der mufilalifhen Begleitung.
Die Märe oder Rhapſodie dagegen erfordert den Haren und
ruhigen Fluß der epiichen Darftellung; fie muß die That und deren
Motive auseinanderlegen und die Charattere fich plaftiich und lebens⸗
voll entfalten laſſen. Die Märe ift deshalb nicht einmal an eine ftreng
einheitliche Umrahmung gebunden, jondern Tann ihren Stoff jo ver:
teilen, daß in einer zufammengehörenden Reihe von Dichtungen die
That mit ihren Motiven, ihrem Verlauf, ihren Folgen ſich entwidelt,
oder der Charakter des Helden von verfchiedenen Seiten, in mannig-
faltigen Situationen und Konflikten fich darftellt. Sie eignet fich nicht
b
— —
für die muſikaliſche Kompoſition und bedient ſich ſelbſt der metriſchen
und proſodiſchen Mittel nur ſo weit, als nötig iſt, um ſich von der
proſaiſchen Darſtellung zu unterſcheiden und aus den Niederungen der
unmittelbaren Wirklichkeit in das heitre Reich des ſchönen Scheins
erhoben zu werden. Sie wendet ſich an das helle Auge der Seele,
und hat daher alles zu vermeiden, was die Vorſtellung zu ſehr in
das Gefühl hinüberziehen und dadurch trüben und verdunkeln könnte.
Der Reim hat ſich daher nicht hervorzudrängen, ſondern nur die ein⸗
fache Rhythmik zu unterſtützen, ja in kleinen Erzählungen, die auf
lauter Plaſtik ausgehen, wird er ſogar ganz fehlen dürfen.
Die Romanze endlich verbindet nach der Seite der Form die
Bedingungen der Ballade und der Märe. Subjektiver als die Märe,
geht ſie wieder mehr auf lyriſche Weiſen und Versmaße aus und iſt
durch die Einheit des Gedankens auf dieſelbe Geſchloſſenheit der
äußern Geſtaltung angewieſen, welche die Einheit der Empfindung
bei der Ballade erfordert; aber innerhalb der ſo bedingten Form läßt
ſie nunmehr den klaren Tagesgeiſt des Selbſtbewußtſeins ſich entfalten
und auseinander legen, indem ſie zugleich (um in ihrer Gedanken⸗
mäßigkeit nicht in Didaktik oder gar in Proſa zu verfallen) die Idee
in eine reiche äußere Welt hineinbildet, ſo daß dieſe ein ſelbſtändiges
Intereſſe zu erregen im ſtande iſt. Je allgemeiner, je abſtrakter der
Grundgedanke, deſto kunſtreicher und wirkſamer muß die Metrik, deſto
ſchwungvoller und farbenreicher muß die Sprache ſein.
2. Uhland, Schiller, Goethe.
Um nun die bisher gegebenen allgemeinen Andeutungen veran⸗
ſchaulichend zu beleben, iſt nur eine Charakteriſtik unferer erſten Dich⸗
ter, die dieſes Feld betreten, nötig. Sie bietet fich jegt um fo zu:
gänglicher dar. Für die mittlere Gattung, die Rhapſodie, hat fid
in neuerer Zeit ein bejonderes Intereſſe geregt, und viele Dichter haben
fich ihr zugewendet. Sie fcheint leicht; denn ein reicher Stoff liegt in
unferer Geſchichte mit ihren großen Thaten und bedeutenden Charaf-
teren ausgebreitet da, und die einfache metriſche Form, welche derfelben
eignet, und die Bequemlichkeit des aphoriftiichen Verfahrens, wenn der
Stoff nicht jogleih in einem Rahmen zufammenzufaflen ift, verführen
auch den Mittelmäßigbegabten, fich in diefem Gebiete zu verſuchen. In
Wahrheit aber ift gerade ein feltenes Talent dazu erforderlich, fich in
diefer einfachen Form über die Darftellung des proſaiſchen Erzählens
zu erheben, während andererſeits die Macht des ftofflihen Sinterefles
eine reiche Phantafie und ein tiefes Gemüt in Anſpruch nimmt, damit
der Dichter, ftatt ſich profaiih vom Sachlichen beitimmen zu laflen,
dieſes vielmehr in freier Schöpferfraft künſtleriſch bemältige und ver-
kläre. Unter den Deutichen wüßte ich feinen zu nennen, ber in dieſem
— UI —
Genre der epifhen Lyrik mit To glüdlihem Erfolg fich verfucht hätte
wie 2. Uhland. „Graf Eberhard der Rauſchebart“ dürfte obenan
itehen; „Taillefer“, „König Karla Meerfahrt”, „Klein Roland“, „ver
Schenk von Limburg” und andere jchließen ſich würdig an. Die „ſchwä⸗
bilde Kunde“ bildet ſchon den Übergang zur Schnurre und Anekdote,
die fih zur Rhapſodie verhält, wie dad Märden zur Ballade, die
Parabel zur Romanze: Gattungen und Formen, in benen fich bie
Grenzen der Proja und Poefie berühren.
In der erften und dritten Gattung, der Ballade und Ro-
manze, find Goethe und Schiller die entichiedeniten Metiter, fo
dag andere nur mit einzelnen Leiftungen eines glüdlihen Wurfs an
te heranlommen. Und zwar hat Schiller in der lyriſchen Epik aus-
ihließlid Romanzen, Goethe vorzugsweife Balladen gebichtet,
wenigſtens pflegen feine Romanzen nicht fo hoch angefchlagen zu wer⸗
den.* Daß aber Goethe und Schiller auf diefe Weiſe gerade die beis
den äußerften Seiten ber epifchen Lyrik repräfentieren, ift nichts Zu-
tälliges, jondern dem allgemeinen Verhältniſſe beiver Dichter entiprechend.
Sie wiederholen nämlich in ihrer Stellung zu einander den mittelalter-
lichen Gegenſatz zwiſchen Volks- und Kunftpoefie, indem Goethe meift
von einem Gegebenen, Unmittelbaren, von außen an ihn Herandrin-
genden angeregt wurde, Schiller dagegen von einer gemußten, durch
den Gedanfen vermittelten dee den Ausgang zu nehmen pflegte, in
weldem Sinne man aud den einen als ben realen und objeftiven,
den andern ald den idealen und fubjettiven Dichter zu bezeichnen
ih gewöhnt Hat. Man darf freilich jene Analogie nicht zu meit ver-
folgen wollen, wie denn vor allem feitzuhalten ift, daß Goethe und
Schiller in berfelben Zeit wurzeln und innerhalb derfelben Kunft-
bildung ftehn, daß aljo ihre Auffaffung nicht durch verfchiedene hifto-
riſch abgegrenzte Stufen des Bemwußtfeind und geſellig bedingte Kreiſe
gegeben ift, fondern auf individueller Anlage und freier Selbitbeftim-
mung beruht.
Der imerfte Puls der Schillerſchen Romanzen it die im
denfenden Selbftbewußtiein vom Dichter erkannte Idee der Freiheit.
Sie beruhen faft alle auf ethiſchen Maximen. Ihre Welt ift der fitt-
lihe Geift und der Sieg und Triumph diefes Getites über die unfreien
Triebe und Leidenfchaften des Menſchen: ein Verlauf, der entweder
als bloß innerlicher, rein im Subjekt fich vollziehender Prozeß ſich dar-
itelft, oder durch ein Äußeres Geſchehn und in der Gegenüberitellung
verjchiedener Charaktere vermittelt wird, jo jedoch, daß in ihren Er-
folgen den Perfonen ihr Recht geſchieht, — daß, um mit Novalis zu
* Wie die Dichter felbft ihre hierhergehörenden Produktionen bezeichnen,
ift nicht zu berückſichtigen, da fie dabei ganz willfürlich und ganz nach Laune
verfahren zu fein fcheinen. Auf die Etymologie und die Geſchichte dieſer Be⸗
zeichnungen ift ebenfall® nicht® zu geben.
b*
XI —
reben, fih Schidfal und Gemüt nur als verjchiedene Namen eines und
desfelben Begriffs offenbaren. Die einzelnen Romanzen Schillers find
faft alle von hohem Werte und lebendiges Eigentum ded ganzen Vol⸗
tes, ja fchon der Jugend vertraut, was vielleicht den Übelftand mit
fih bringt, daß viele, die bei der eriten Belanntjchaft mit ihnen nicht
duch Die gereifte Einfiht eines Alteren unterftübt wurden, bis in
fpätere Sabre den oberflächlichen, meiſt durch ftoffliches Intereſſe beding⸗
ten Eindrud der Kinderjahre bewahren, und nur wenige dazu kommen,
fih mit dem Ernft eines durchgebildeten Sinne von neuem in Diele
Dichtungen zu vertiefen. Der Stoff aber, wie dies bei der Romanze
fein foll, das Faktiſche, ift bier durchaus Nebenſache, und das wahre
tiefere Intereſſe an den Schillerſchen Romanzen beruht auf dem ihnen
zu Grunde liegenden fittlichen Gehalte und defjen äfthetifcher Belebung.
Die Handlung ift bier nicht wichtig, als infofern fie eine fittlich = große,
die Verwirklichung eines freien energiſchen Willens ift und der Held
nicht etwa als ein Hiftorifch merfwürdiger und fich plaftifch hervorheben⸗
der Charakter, jondern infofern er der Träger diefer Handlung ift
und gleihjam ganz in ihrer Idealität aufgeht. Nun aber ift eg bewun⸗
derungsmürdig, wie Schiller auf diefem. Boden innerlider Vorgänge
den Fünftlerischen Anforderungen und poetifchen Intereſſen in jo hohem
Grabe genugthut; und zwar dadurch, daß er mit dem Haupimotiv, bei
dem er bie Idee praftifch erfaßt, in der Regel ein oder mehrere Neben-
motive organiich zu verbinden, und den dadurch gewonnenen Reichtum
individueller Beziehungen und Situationen mit ebenfoviel Kraft als
Einfiht in den Grenzen eines im fich abgefchlofienen Gebildes zu⸗
jammenzufafien veritebt.
Nehmen wir nun dazu die Kunft der äußern Form, die Verfinn-
lihung dieſes Lebens in Sprade, Metrum und Reim, welche Meifter-
ſchaft Hat auch hierin Schiller bewährt, mit welcher Genialität hat er aud)
bier den rechten Ton, die rechten Weifen getroffen? Wir haben zunächſt
einen großen Reichtum ſtrophiſcher Zuſammenſetzungen, von dem Dichter
jelbft gejchaffen und den inneren Bedingungen der Gedichte faft durchweg
in hohem Grade entiprechend. — In den Schillerſchen Romanzen wird
ung, wie wir erlannt, nicht eine Welt natver Charaktere, jondern eine
Idealwelt aufgethan; deshalb genügt hier nicht eine fchlichte Sprache und
eine ruhige Bewegung in Maß und Reim, fondern die Lyrit muß über
den dienenden epilhen Stoff auch in der Form die Herrichaft behaup-
ten; dieſe muß überall den innern Sinn ergreifen, und zwar jo, daß
mit dem ethifchen Pathos der Gefinnung fich der äfthetiiche Genuß auf
das innigfte verbindet. Dadurch erſt gefchieht der Poeſie ihr volles
Recht, und bei Schiller erfcheint dies in den Romanzen niemals ver-
fümmert: reiche und prächtige Formen, tvealer Schwung Ber Nebe!
Sp, um nun auf einzelne Beifpiele zu fommen, gleih m Gra-
fen von Habsburg, den ich zuerit aufſchlage. Und meld goldene
— Vi —
Früchte in der kunſtreichen Schale! Welches Zuſammenwirken und In⸗
einandergreifen der ſchönſten Motive! Die weltliche Macht und die
Energie des Charakters zuerſt in fanfter Demut vor dem Heiligen, und
jodann in freundlicher Verehrung der Kunft, die mit „Süßen Klange
und göttlich erhabenen Lehren die Bruft bewegt‘, und ihres Prieſters,
der „in des größeren Herrn Pflicht Steht” und mit wunderbarer Ge-
walt über die Tiefe der Herzen gebietet, wohin der Wille des mäch—
tigften Herrichers nicht dringt. Und dann der Verlauf! Wie die Demut
vor dem Göttlichen zum Gipfel irdiſcher Macht und Herrlichkeit führt
(fieben Fürften „stehen gefchäftig um ben Herrfcher der Welt, die Würde
des Amtes zu üben“), fo belohnt ſich unmittelbar die der Kunſt ermie-
jene Ehre, indem durch fie nun die jhöne That auch auf die fchönfte
Weife und zur ſchönſten Zeit an den Tag kommt und bie poetifche Ver⸗
berrlihung des Helden die Krönumgsfeier ſelber würdig krönt:
„Und alles blidte den Kaiſer an
Und erlannte den Grafen, der das geiban,
Und verehrte dad göttlihe Walten.“ |
Im Drachenkampf haben wir zuerit den mit bejonnener Lift
und „EHuggewandtem Sinn” vollbrachten Sieg über die natürliche Über-
macht des Ungeheuerd, und fodann den höheren der Demut und des
Gehorfams über den innern Stolz und Aufruhr des Herzens, der in
dem von der tobenden Menge gefeierten Helden ſich regen konnte.
Wer sleht den lewen? wer sleht den risen?
wer überwindet jenen und disen?
daz tuot jener, der sich selber twinget
und alliu siniu lit in huote bringet
üz der wilde in staeter zühte habe.
Endlih der Sieg, den die Anerkennung des tapfern Mutes und ber
freien Eittlichleit über das ftarr gebieterifche und darum unfreie Gefet
zuletzt Davon trägt, giebt einen Abjchluß der Handlung und eine Voll-
endung der Idee, die nicht genug bewundert werden kann, der geift-
reichen Anorbnung, der Wirkſamkeit der durchdachteſten Kompofition
und des intereflanten Detaild gar nicht zu gedenken.
Der Gang nah dem Eifenhammer läßt fi auf die in ihrer
profaifchen Faſſung trivial klingenden Sprüche zurüdführen: „Wer
andern eine Grube gräbt, fällt felbit hinein” und „Der Herr ift mit
den Eeinen.” Und doch ift eine ſchöne und wahrhafte Dichtung daraus
gemorden, eben durch die Verknüpfung diefer Mariımen und dadurch,
daß das, mas als äußere Fügung erfcheint, durch die fittlihe Richtung
des Handelnden innerlih bebingt if. Der Süngling entgeht der Ge-
fahr durch die „Furcht des Herrn”, indem er Gott vor allem dient
und „ihm nicht ausweiht, wo er ihn auf dem Wege findet“, der
andere geht zu Grunde durch die Ungeduld feiner tückiſchen Natur,
ber „Ichwarzen Seele, die von böfer Schadenluft” erfüllt if. Die
Herzend- und Sinnesreinigung des Grafen und das um fo inniger
und vertrauensvoller wieberhergeftellte Verhältnis derer, welche die
Bosheit hatte trennen wollen, fchließt verllärend daB Ganze.
Sm Handſchuh gejellt fih zu der befonnenen Kühnheit des
Maltefers im Drachenkampfe der fi im Moment keck zufammenneh-
mende, der refolute Mut des Ritters, der fo felbitbemußt den
aufgeregten Beſtien entgegengeht, Daß biefe gleihfam durch das fitt:
liche Übergewicht der geiftigen Energie in Schranken gehalten werben.
Zugleich befreit diefe Prüfung den Tapfern von dem falſchen Wahne
einer einfeitigen Liebe, indem er fie als eimfeitig erfennt und, auch
bier Schnell ſich fafiend, die unwürdigen Bande zerreißt, in denen er
den Launen eines falten und unmweibliden Gemüts zum graujamen
Spielzeug werben ſollte. So wird zu gleicher Zeit Die gefährdete Ehre
des Mannes gerettet, während die Ehre des Ritters eine glänzende
Genugthuung erfährt, denn
„Es ſchallt ihm fein Lob aus jedem Munde.“
Das fpezififh Poetifche diefer Romanze befteht in der unübertreff-
lichen Meifterfchaft, mit welcher das Auftreten der Beltien geſchildert
und dadurch Zug für Zug die Phantafie erregt, das Gemüt gejpannt
wird. Und doch ift diefes Detail auf das innigfte mit dem Ganzen
und der Grundidee verbunden, denn die Gefahr, welcher die Dame
den Nitter ausfegt und diefer kühn fich unterzieht, befommt eben ba-
durch die gegenftänblichite Wirklichkeit. Will man erfahren, wie fich
Poefie zu Proja verhält, fo vergleihe man mit dem Handichuh die ala
Anekdote nicht ſchlecht erzählte „Xiebesprobe“ von Langbein:
Ein Tiergefeht zog einjt sum Känıpferplane
Zahlloſes Bolt * eeresſand.
Und als ſchon kühn, mit nn — Zahne,
Der Tiger vor dem Löwen ſi
Da ſchwebte ſchnell ein —28 vom Altane
Aus eines ſchönen Fräuleins Hand.
Ihn trug der Wind tief in den Kreis der Schranken.
Die Dame lacht' und ſagte laut
Zum Ritter, der mit Worten und Gedanken
hr Eigner war: „Herr Ritter, ſchaut
en Handſchuh dort. Kiebt ihr mid ohne Wanten,
So gebt und bringt ihn eurer Braut!“
Stumm ließ er fi) aufd Feld des Todes ſchicken;
Er Hob zwei Schritt vom Tigertier
Den Handſchuh auf, reicht ihn mit kalten Blicken
Der Dam' und ſprach kein Wort, als: „Hier!“
Dann kehrt er ſtolz der Frevilerin den Rüden
Und jchied auf Lebenszeit von ihr.
Im Taucher erliegt zmar äußerlich der Held den Elementen, aber
nichtsdeftomeniger wird auch bier der Sieg des fittlichen Geiſtes gefeiert.
„Sit feiner, der ſich hinunter wagt!?“
ei ER —
Diefer Heraußforderung kann der „hochherzige Jüngling“ nicht mider-
ftehen. Beſcheiden und kühn tritt er hervor aus der zagenden Menge,
und bald „Ichließt fich geheimnisvoll der Rachen des grundlofen Höllen-
raums über dem mutigen Schwimmer.“
„Und würfft du die Krone felber hinein
Und fprähft: Wer mir bringet die Kron’,
Er fol fie tragen und König fein!
Mic) gelüftete nicht nach dem teuern Lohn.
a3 die heulende Tiefe da unten verhehle,
Das erzählt feine lebende glückliche Seele.“
So der ängſtlich harrende Chor am Rande ber Tiefe. Doc die Götter
find mit den Kühnen. Er ringt fih durch —
— „er iſt's, und hoch in feiner Linken
Schwingt er den Becher mit freudigem Winken.“
„Und atmete lang und atmete tief
Und begrüßte das himmliſche Licht.“
So Furdtbares er erlebt und fo nahe er dem entjeglichiten Tod ge-
weien, er ift feines Geiftes Herr geblieben und hat der „purpurnen
Finſternis“ und ihren Schrednifien mit wachen Sinnen in das Auge
geichaut. — Das Wagnis von neuem zu beftehen, hieße „die Götter
verſuchen“, gält’ ed nur den Mut noch einmal zu bewähren; aber jebt
tritt Die Liebe an die Stelle der Ehre, und zu ihr ber Preis, mit ber
Königstochter an die Seite des Herrfchers gerüdt und fo auf einmal
über all die Ritter und Großen binausgehoben zu werden, aus deren
Mitte er ein unbelannter Knappe noch eben getreten.
„Da e u ihm die Seele mit Himmelögewalt, .
Da treibt’3 ihn, den köftlichen Preis zu erwerben,
Und er ftürzet himmter auf Leben und Sterben.
Wohl hört man die Brandung, er fehrt fie zurüd,
Sie verkündigt der donnernde Schall;
Da büdt fih’3 hinunter mit liebendem Blid.
E83 fommen, es kommen die Waſſer all;
Sie raufchen herauf, fie rauſchen nieder,
Den Züngling bringt feines wieder.‘
Der Heldenmut des Jünglings hatte das edle Gemüt der hohen Jung⸗
frau gewonnen; er war geliebt und mußte fich geliebt, denn er hörte
fie bitten für ihn „mit zartem Erbarmen” und „ſah erröten die fchöne
Geftalt und erbleihen und finten.” — Das ift im Gegenjat gegen
die Romanze vom Ritter Delorges der verfühnende und verflärende
Abſchluß dieſer Dichtung.
Freundſchaft und Treue ſind die ſittlichen Mächte der Bürgſchaft,
und zwar treten dieſe hier ſo beſtimmt hervor, daß es überflüſſig wäre,
die Idee der Romanze im ganzen zu entwickeln. Nur darauf will ich
aufmerkſam machen, wie geſchickt es angedeutet wird, daß der bürgende
Freund „den freudigen Glauben“ zuverſichtlich bewahrt, und wie die
Schilderung der ſich häufenden Hinderniſſe, die der andere zu beſtehen
— KV —
hat, einmal den eigentlichen poetiſchen Leib des Ganzen ausmachen,
zugleich aber dazu dienen, die feſte Treue ins vollſte Licht zu ſetzen.
Sie verleiht dem Wanderer übermäßige Kraft, um zur rechten Zeit —
in den Tod zu gehen, damit ſich das Heiligtum des ſittlichen Geiſtes
ſiegreich über die Mahnungen der Selbſtſucht und die höhnenden Zweifel
des Verſtandes bewähre. Und ſo feiert denn die Treue den Triumph,
daß die Seele des Tyrannen, deſſen Grauſamkeit Veranlaſſung der That
geweſen, in deren Folge ſich doppelſeitig die Größe der Freundſchaft
offenbaren konnte, zuletzt von der ſittlichen Macht mit ergriffen wird
und dadurch eine Reinigung der Leidenſchaft erfolgt, die an den Schluß
der Romanze von Fridolin erinnern kann.
Das Versmaß iſt ſehr kunſtreich konſtruiert, und wenn es ſchon
im ganzen dem Charakter der Romanze entſpricht, indem die Spannung,
die ſich mit der dritten Zeile der Strophe gewöhnlich zuſammenzieht,
in den folgenden ſich löͤſt, um dann in der neuen Strophe zu neuer
Spannung zu führen: fo dient die Bewegung des Metrums nicht fel-
ten auch im. einzelnen zur glüdlichiten Belebung der indivibuellen Lage
und Situation, 3. B. in folgender klaſſiſch vollendeten Strophe:
„Und horch! da fprudelt es ſilberhell
Ganz nahe, wie riefelndes Raufchen,
Und Stille hält er zu laufen. —
Und fieh, aus dem Felſen, geſchwätzig fchnell,
Springt murmelnd hervor ein lebendiger Duell,
Und freudig büdt er fich nieder
Und erfrifchet die brennenden Glieder.“
Die Kraniche des Ibykus. Unſere Poeſie dürfte wenig Kom⸗
poſitionen aufzuweiſen haben, die in-jo engem Raume fo viel gediege⸗
nen Gehalt fo künſtleriſch geftaltet zufammendrängten. — Aus allge=
meinen Gedanken hatte der Dichter ſchon acht Jahre früher die Grund-
idee der Romanze in folgenden Zeilen der „Künſtler“ ausgeſprochen:
„Vom Eumenidenchor geichredet,
Zieht ſich der Mord, auch nie entdecket,
Das Los des Todes aus dem Lied.“
Zu welchem Reichtum poetiſcher Bilder und Beziehungen hat ſich aber
hier dieſer Gedanke auseinander gelegt, und mit welch bewußter Klar⸗
beit und welcher Energie des Willens ift dann wieder die Mannig-
faltigleit zu innerer und äußerlicher Einheit zufammengenommen! Aber
diefe Romanze ift auch das Werk langer angeftrengter Arbeit, und
mit tiefer Einfiht find dabei die trefflihen Winke Goethes, ber das
Gedicht veranlapt Hatte und mit großem Intereſſe es entitehen fab,
benugt worden. — Der Sänger, der Götter Freund und Liebling
der Menſchen, fällt ala Opfer ruchlofer Habfucht, aber über dem „von
Wunden entitellten nadten Leichnam“ maltet um fo freier die Macht
jeineß Geiſtes:
— xım —
„Ganz Griechenland ergreift der r Schmerz;
Berloren bat ihn jedes Herz“
und fomit erfteht er im lebenbigften Andenken eines ganzen begeiter-
ten Volles. Noch mehr fodann wird er verberrlicht durch den Anteil
der Himmlischen, welche die Offenbarung feines Todes vollbringen und
feine Rache beſchleunigen. Und das ift nun wieder die eigentliche Seele
des Gedichts, daß die wunderbare Yügung zugleich als ein natürlicher
Berlauf in der Wiederkehr der ziehenden Kraniche ſich darftellt und die
Entdedung der Verbrecher einmal an bie fittlihe Potenz bes böfen
Gewiſſens ih anknüpft und fodann an den geiftigen Zauber der Kunft,
indem das dem Mörder dämoniſch „entfahrene Wort” eben dadurd To
plöglid und folgereih zündet, daß der „teure Name” Ibykus jede .
Bruft in wacher Rührung erhielt und, jo wie er genannt wurde,
eleftrifch alles erregte. —
Nirgends ift der große Tote bewundernswürdiger als in feinen
Romanzen!
3% Habe gejagt: Schiller hat ausfchlieglih Romanzen, Goethe
neben den Balladen auch Romanzen gedichtet. Che ich Daher dieſe
Gattung verlafle, will ih noch über ein paar hierher gehörende Ge-
dichte Goethes ſprechen, einmal damit innerhalb desielben Kreifes das
Verhältnis der beiden Dichter fich veranſchauliche und ſodann, damit
fih zeige, wie Goethe felbit in der Ballade ein ganz anderer ift,
als in der Romanze. Ich wähle dazu den „Sänger” und den „Gott
und die Bajadere.‘ |
Es ift bereits ausgeſprochen, wie Handlung und Charaltere in
der Romanze nur Träger der Idee find und ihr ala objektive Unter:
lage nur dienen. Bei Schiller hatten wir troß dem eine reiche Ver⸗
fettung interefjanter Situationen und Ereigniffe. Im Sänger dagegen
ift Die Handlung fo gut wie feine und die auftretenden Perfonen, König
und Dichter, erjcheinen nur als allgemeine Repräjentanten ihrer Stände.
Aber den äußeren Vorgang vertritt der innere Verlauf, und die Charafte-
riſtik wird erfegt durch das anfchaulichfte Hervortreten des Weltzuftandes
und der beftimmten Scene, auf welcher diefer Verlauf fich darftellt. Diefe
lebendige Bergegenwärtigung ift ed auch, was das Gedicht der epifchen
oder objektiven Lyrik zumeift. Die Romanze wäre vollendet, wenn die
legte Strophe nicht etwas abfiele. — Um nun auf das Nähere einzu-
gehn, fo berubt der bezeichnete innere Verlauf, das ethiſche Motiv des
Vorgangs, auf dem Gegenfate zwiſchen der Macht und dem Reichtum
des Königs und der greilen Armut des wandernden Sängers. Aber
diefer Gegenfag ift in feinem fchroffen Abftand ein bloß äußerlicher
und endlicher, und beide Seiten werben innerli zu einander Bingezogen.
Der König, will er feiner Macht recht froh werden, bedarf des Sängers:
„Wohl glänzet das Feſt, wohl net dad Mahl,
Mein königlich Herz zu entzliden;
— XMm —
Doch den Sänger vermiſſ id, den Bringer der Luſt,
Der mit ſüßem Klang mir bewege die Bruft
Und mit göttlich erhabenen Lehren.“
Schillers Gr. v. Habsburg.
Der Sänger aber bebarf wiederum ber fürftlichen Burg und ihrer Fefte,
um an würdiger Stelle und vor einem gebildeten Kreiſe die Schätze
feines Innern auszubreiten und mit neuen, den Sinn erhebenden An⸗
Ihauungen die Phantaſie zu bereichern. Hier wird felbft das Bebürf:
nis verflärt und der finnlihe Genuß ein ideales Moment, wenn der
perlende Wein in golbenem Pokale gereicht wird. Denn der Wein ift
das Herrlichfte, was die Sonne reift, und das Gold ift das unter-
irdifhe Symbol der Sonne felbft, und durch beide wird der, den fie
beglüden, über bes Lebens Not und Beichränfungen erhoben. — Aber
den eigenen Befit bes Goldes verſchmäht der Sänger; ihm ift der
Reichtum eine Laft, die goldene Kette eine Feſſel, die an das Irdiſche
bindet.
„IH finge, wie der Bogel fingt,
Der in den Zweigen wohnet;
Das Lied, dad aus ber Kehle dringt,
Sit Lohn, der reichlich lohnet.“
Seine Welt ift nicht diefe Welt, und um frei zu fchalten in feinem
Reiche, verfchließt er Die Augen vor dem unmittelbaren Andringen
der äußern Pracht und Herrlichkeit. Er Steht in eines „höheren Herm
Pflicht” als der Kanzler, dem die goldene Kette Lohn und Zierde ijt
— ja er ift in feiner Welt mächtiger als der König felbit, denn,
wohin defien Wille nicht dringt, über die Seelen der Menfchen gebie-
tet er:
„Und wenn fein Lied aus den Innern ſchallt,
Erwedt es der dunkeln Gefühle Gewalt,
Die im Herzen wunderbar ſchliefen.“ —
Und fo erfcheinen Fürft und Sänger, wie fie äußerlich zu einander
gezogen werben, nun auch beide innerlich verwandt, als bie freiften
PVerjönlichkeiten, jener durch die Macht, feinen Willen am unbeſchränk⸗
teften im Irdiſchen zu verwirklichen, diefer Durch die Herrfhaft im Reiche
der Ideale, welches alle Große und Schöne in verllärtem Scheine zufam:
menfaßt. — Betrachten wir nun den Weltzuftand und die Situation,
durch welche dieſe ethifchen Motive zur Darftellung kommen und bie
Form des äußeren Geſchehens gewinnen. Wir werben in die ibeale
Zeit des Mittelalters verfebt, „wo die Schrift das lebendige Wort noch
nicht verdrängte, die Gerichte von den Thoren der Städte ſich noch
nicht in das Innere der Häufer gezogen Hatten, und die Paläſte ber
Könige noch nicht geſchloſſen waren” — da Dichtkunft und Gefellig-
feit noch wirkſam fi) verbanden, von dem Sänger „ein zierlich Denken,
füß Erinnern” auf die Hörer, von diefen die Ermiderung bes Dankes
und der Anerkennung auf den Sänger unmittelbar überging, der Fürſt
— IR —
aber und jein Hof noch einen lebenkigen Mittelpuntt des Rechts, fo
wie der Kunft und der ſchönen Gejelligfeit bildeten. — Und wie an-
ſchaulich und beftimmt und bo in wie wenigen Zügen tritt diefe
Welt in dem engen Rahmen bes Gedicht? uns entgegen, wie merben
wir mitten in fie bineingezogen! Die erfte Strophe ſchildert mit glück⸗
lichfter Anordnung des Rhythmus und der Rede die fchöne Offentlid-
fett des Hoflebens, und in der eilenden Gejchäftigleit des Pagen deren
heitere Bewegung — dann öffnen fih Thor und Thür, und der König
ſtellt fih dar in „Pracht und Herrlichkeit; ihm zur Seite der Kanz⸗
ler, der die Laſt des Herrfchers teilt, und rings her ein reicher Him-
mel fchöner Frauen, „Stern bei Stern”, und eine glänzende Runde
ritterlicher Helden, „vor deren kühnem Angeficht der Feinde Lanzen
fplittern.” Ja ſelbſt das Lieb des Sängers glauben wir zu verneh-
men. Wie er „Ichlägt in vollen Tönen“ —
„Da ſchau'n die Ritter mutig drein,
Und in den Schoß die Schönen.“
Was konnte diefe Wirkung anders hervorbringen, als die Verherrlichung
der Frauen-Huld und Schönheit und das Lob ritterliher That und
Ehre? Gewiß, „er fang von der Minne Sold und pries das Höchſte,
das Beite.” — Segnend jcheibet der Sänger vom Hofe. Welche Macht
aber in ſolchem Segen ruht, lehrt die Romanze vom Grafen von Habs»
burg, die auch hierin als die fchönfte Ergänzung des Lieds vom Sänger
fih erweiſt. — Je anſchaulicher und gegenftändlicher nun aber bie
Darftellung in unferem Gedichte ift, fo daß faft jede Strophe für ſich
als ſelbſtändiges und abgerundetes Gemälde vor das innere Auge tritt,
um fo glüdlicher ift auch in diefer Beziehung die Scene in das Mittel-
alter verlegt, das ſchon in Architeltur, Kleiderpracht u. ſ. w. fo viel
farbenreicher erjheint und die Phantaſie fo viel freundlicher anregt als
die moderne Gegenwart.
Der Gott und die Bajadere hat die mit dem Sänger gemein,
daß auch hier nur wenig geſchieht und die Handlung mehr eine innere
Bermittelung geiftiger Zuftänbe tft. Und wie dort wird auch bier dieſer
Mangel an epifcher Stofffülle durch die anfchaulichite Bergegenwärtigung
ber inbifchen LZebensverhältnifie und der Scenen, die auf diefer Bühne
vor uns vorübergehen, reichlich erſetzt. Das kunſtreich erfundene Metrum
thut auch bier das Seinige. Das in den Worten: „ift Gehorfam im
Gemüte, wird nicht fern die Liebe fein‘ ausgeiprochene tiefe Prinzip
it gleichfam die Angel, um welche fich die fittliche dee des Gedichts
zu dem jchönen Schluffe ſich bewegt:
„E3 freut ſich die Gottheit der reuigen Sünder;
Unfterblicde heben verlorene Kinder
Mit feurigen Armen zum Himmel empor.“
Wenden wir uns nun zu Goethes Balladen, fo ift es, als
träten wir plößlich in eine ganz andere Welt. Hier haben wir nit
mehr die nad) bewußten Prinzipien handelnde Sittlichfeit, fondern die
überwiegende Naturfeite des Geiſtes. “Der Geift verfällt in feiner Un-
freiheit der ihm fremd, geheimnisvoll und dämoniſch gegenüberftehenven
Natur, oder er wird von dunfeln und unwilllürlicden Seelenregungen,
von Furcht, Schred, Liebe u. |. w. fo übermältigt, daß er aus ben
Umftridungen dieſer Mächte nicht wieder zu ſich felbft, nicht zu freiem
Wiffen und Wollen zu fommen vermag.
So erliegt im Erlkönig das noch unentwidelte Bewußtſein bes
Kindes der durch die Naht und ihre Phantasmagorieen aufgeregten
Einbildung, während der Bater, defien Verſtand fich gegen den Trug
behauptet, durch die zunehmende Angft und den Tod des Kindes zu-
legt jelbit mit in das Graufen hineingezogen wird. Diefer Gegenfat
zwilchen dem freien Bemußtjein und der überwältigenden Pbantafte, und
der Übergang von einer gewiſſen Luft, die den Beginn jedes Schauers,
der allmählich an uns herankommt, zu begleiten pflegt, zum endlichen
Gipfel der Angft, der Übergang von den ſüßen Verheißungen des Elfen
zu feinen erjtidenden Drohungen — Died find Die bewegenden Mo-
mente, der lebendige Pulsſchlag des Gebichte.
Der Fifherinabe dagegen verfinnlicht die lockende einfchmeichelnde
Gewalt des liftigen Elements, das auf feiner glatten Fläche den Himmel
mit den Geftienen fpiegelt und unfer „eigen Angeſicht“ in freundlichem
Miederichein uns entgegenftrahlt, und doch auf immer den Unbejonnenen
der Licht: und Tageswelt entrüdt, der fich ohne Wideritand in den
„ewigen Tau” binabziehen läßt — ein Gleichnis der finnlichen, der
bloß natürlichen Liebe, die, wie das „feuchte Waſſerweib“, ven,
der ſich willenlos ihr ganz zu eigen giebt, mit ihren Lockungen um
feine Seele bringt. Nun erinnere man fi) einmal wieder des Tauchers
von Schiller, um den Unterfchied der Gattungen, denen beide Gedichte
angehören, recht lebhaft zu empfinden.
Der Totentanz ſodann dreht ſich wieder um dämoniſchen Spuk
und nächtliche Gefpenfter. Der „Schalt, der Berjucher‘ verleitet Den
Türmer, fih nedend in die geifterhafte Runde zu milchen, aber er tt
doch dem Gelüfte nicht gewachſen, und faum bat er den Frevel aus⸗
geführt, jo flüchtet er Hinter „geheiligte Thüren“. Wie er nun aber
doch dem beraubten Gefpenit damit nicht entwichen ift, und dieſes von
Zinne zu Sinne kletternd ihm immer näher rüdt — „da iſt's um den
Armen, den Türmer geſchehn“, „da erbleicht er, da hat er am läng-
ften gelebt.” Aber mit dem Anbrud des neuen Tages hat der dämo⸗
nifde Trug und Spuk .ein Ende:
„Die Glode fie tönet ein mächtiges Eins,
Und unten zerichellt daß Gerippe.“
Man bat eine merkwürdige Ballade von G. Schwab — „Der
Reiter und der Bobenfee” — die, ohne alle Anknüpfung an das
Wunderbare und das übernatürlihe Element, doch hierher gehört, ba
— —
fie in echt balladenmäßiger Form die Gewalt des Schreckens über das
Gemüt darftellt, indem das plögliche Erkennen einer ohne Wiflen über-
ftandenen großen Gefahr mit ertötender Gewalt in die Seele einfchlägt.
Indem nun aber Goethe bei feinen ‚Balladen von älteren Tradi-
tionen auszugehen und fie an die Wunder: und Dämonenwelt des
Bolfsaberglaubens anzufnüpfen liebt, beiteht das Bedeutende biejer
Dichtungen in der Gemalt der Tunftreihen Darftellung, welche uns
zwingt, in der Phantafie und Empfindung Zuftände zu durchleben,
denen wir mit unferer Bildung entwachfen find und die feine that-
fähliche Wahrheit für uns haben. „Märchen no fo wunderbar,
Tichterfünfte mahen’3 wahr” — fo lautet das Motto, welches
Goethe an die Spitze feiner epifchen Lieber gejebt hat. Dieſe Dichter:
fünfte beſtehen aber vorzüglich in einer finnlichen Bergegenmärtigung
des Darzuftellenden, erftens durch einen echt dramatiſchen Dialog,
ohne Vermittlung des epifchen: er ſprach, fie ermwiderte u. ſ. w. (ih
erinnere an den Erlfönig), und fodann dur ein glüdliches Eingrei-
fen der Naturelemente der Sprade und der Metrit, durch bilpliche
Worte, frappanten Rhythmus, wirkſame Laut- und Tonverbindungen,
welche die wunderbare, unferm Bewußtſein entfremdete Welt in der
Anſchauung fchnell eritehen laffen und das Gemüt in eine momentane
Mitleidenihaft, in einen unmittelbaren Anteil an ihren Zuſtänden,
Erſcheinungen und Vorgängen verfegen. Damit aber der myſtiſchen
Grundlage der Ballade auch die von Goethe geforverte „myſteriöſe“
Form entipredhe, ift diefer Dichtungsart ferner die aphoriftiihe Kürze
einer nur andeutenden Behandlungsweife genehm, welche dem refleltie-
renden Berftande nicht geitattet ſich auszubreiten; ja es fteht ihr an und
ziemt ihr, die ftreng logifchen und grammatifchen Geſetze der profaischen
Rede zu verlegen, und in poetiichen Lizenzen, der Tautologie u. |. w.,
den Verftand auch wohl ganz leer ausgehen zu laflen, um deſto nad-
drüdlicher umd unmittelbarer auf die Empfindung zu wirken.
„Der Mond und nod) immer er jcheinet jo hell“
für das profaifche: und noch immer ſcheint der Mond fo hell (f. Totentanz).
„Und horch! und horch! den Pfortenring
Ganz loſe, leife, klinglingling!“
Bürgers Leonore.
„Die Glocke Glocke tönt nicht mehr,
Die Mutter hat gefackelt!
Doch welch ein Schrecken hinterher!
Die Glocke kommt gewackelt.“
So in der wandelnden Glocke von Goethe. Durch die Wie—
derholung des Wortes Glocke wird hier eine Tonfolge hervorgebracht,
welche eine myſtiſche Stimmung anregt und den Hörer auf etwas
Ungewöhnliches innerlich vorbereitet. Die plaſtiſchen Reime „wackelt
und gefackelt“ machen die Bewegung der auf dem Klöppel einherwan⸗
— —
delnden Glocke jo anſchaulich und gegenwärtig, daß der märchenhafte
Vorgang eine Wahrheit in der PBhantafie erhält, welde die reale
Wahrheit zu erfegen im ftande tft. Und in diefen Künften beiteht der
Wert der ganzen anſpruchsloſen Dichtung.
Viel gewöhnlicher als jene Wiederholung in „Glocke Glocke“, aber
von ähnlicher Wirkung auf die Empfindung ift eine Yorm, die man
Annomination nennt und die darin befteht, daß man ſtammver⸗
wandte und darum zufammenklingende Wörter aneinander bringt, wie
e8 im Erlfönig beißt:
„Du liebes Kind, fomm’, geb mit mir,
Gar ſchöne Spiele fpiel’ ich mit dir.“
oder im Liebe vom Berge:
„Wenn ich, liebe Lili, dich nicht liebte.“
Hier ſchließt fih als verwandt auch der Gebrauch an, die blafien und
abftrakten Verbindungen und Übergänge der Profa dadurch zu vermei-
den, daß mit einem regierenden Worte oder einem michtigen Redeteile
von neuem eingefegt wird, eine Weiſe, die poetiſch belebt und ver-
gegenmwärtigt, und von der ſich abermals bei Goethe, namentlih in
den Balladen, wiederholte Beiipiele finden. So allein im Fiſcher:
„Da8 Waller raucht, das Waſſer ſchwoll“ x.
„Und wie er fibt, und wie er lauft” x.
„Sie fpra zu ihm, fie fang zu ihm;
Da war's um ihn geichehn.
Halb z0g fie ihn, Halb ſank er bin
Und ward nicht mehr gejehn.“
Im letzten Beifpiele zeigt fi auch fehon das, maß man den zufam-
mengefegten Reim nennt, wenn nämlid ein Vers nicht nur mit
einem anderen, fondern zugleich in fich felbft reimt, oder wenn neben
den Enbreimen andere innerhalb der Zeilen ihr freies felbftändiges
Spiel treiben.
„Was Klang dort für Gejang und Klang?
Was flatterten die Raben?
Horh Glockenklang! Horh Totenjang:
Laß und den Leib begraben.“
Bürgers Lenore.
„Das Kind es denkt: die Glocke hängt
Da droben auf dem Stuhle.
Schon hat's den Weg ins Feld gelenkt,
Als lief es aus der Schule.”
Die zweite Art miederholt fich öfter8 in Goethes Fieblihem Märchen
von dem Grafen und den Zwergen:
„Dann folget ein fingendes, on Chor” x.
„Da piſpert's und fnijtert’3 und flijtert’2 und ſchwirrt“ x.
„Das koſet und tojet jo fange“ x.
„Run dappelt's und rappelt's und klappert's im Saal“ x.
— xuU —
In diefen Berfen haben wir neben den gehäuften Reimklängen zugleich
Beilpiele der Onomatopdie, die Anwendung folder Wörter und Zu⸗
fammenftellungen nämlid, die, nahahmend durch Ton und Schall,
ihon an fich eine eigentümlich finnlihe Wirkung hervorbringen.
Mit großem Effelt iſt dieſe Form befonder8 von Bürger in ber
Zenore häufig angewendet worden, 3. B. St. 26:
„Und das Gefindel, huſch, huſch, huſch!
Lam Binten nadhgeprajjelt,
Wie Wirbelwind am Haſelbuſch
Durch dürre Blätter raſſelt.
Und weiter, weiter, hopp, hopp, hopp!
Ging's fort in jaujendem Galopp,
Daß Roß und Reiter Ichnoben
Und Kies und Funken jtoben.”
ferner Str. 13:
„Und außen, horch! ging's trapp, trapp, trapp,
Al wie von Roſſeshufen;
Und klirrend jtieg ein Reiter ab
An des Geländer Stufen;
Und horch, und horch! den Bfortenring
Ganz loje, leije, Hinglingling!
Dann lamen dur die forte
Vernehmlich diefe Worte.“
Durch den vorhergehenden Auftritt im Innerſten erregt und gefpannt,
ift es nun, als börten mir den verhängnisvollen Reiter mwirklih nahen
und abjteigen, ala hörten wir dur) die Stille der Nacht den ge-
ipenfterbaften Glockenzug ſchrillend verhallen.
Die Unomatopdte Tann aber zur leeren Spielerei werden, wenn
tie nicht durch den Charakter und die Stimmung des Gevichts bedingt
ft, und Bürgern felbft ift der fpätere Mißbrauch diefer Form nicht
mit Unrecht vorgeworfen worden, mie denn überhaupt jein fchönes
Talent vielfältig darunter gelitten hat, daß er, ohne ſich je wieder zu
einer fo tiefen und großartigen Schöpfung, wie die Lenore, erheben
zu können, doch nicht müde wurde, durch Anwendung derfelben äußeren
Mittel, die fih dort aus dem mächtigen Durchbruch der ihn in tieffter
Seele erregenden dee wie von jelbft ergeben Hatten, gleich ergreifende
Wirkungen bervorbringen zu wollen.
Um nun alle diefe Verhältniffe noch einmal in einem Prinzip
wufammenzufafien und von diefem aus über den Heim als ſolchen
und feine Geltung in ber epifchen Lyrik einige nachträgliche Bemer:
fungen abzuleiten, will ich einer Analogie mich bedienen, die, mie
viele3 andere, was ich über die formellen Elemente der poetiſchen Dar-
ftellung bier beibringe, durch K. Poggels geiftreiches Büchelchen über
den Reim und bie Gleichllänge* zuerſt ift angeregt worden.
* Grundzüge einer Theorie des Reims und der Gleichklänge mit bejon-
derer Rüdficht auf Goethe. Bon Kaſpar Poggel. Münſter, 1836.
— —
Ich habe im Vorhergehenden den Ausſpruch gethan, daß die
Ballade der Nachtſeite des Geiſtes eigne und auch äußerlich die düſtern
Schrecken und die gaukelnden Erſcheinungen des Dunkels und der Däm-
merung gern ergreife, die Märe und Romanze dagegen dem Tage
der Gedichte und dem Lichte des Geiſtes angehöre. Nun entipricht
nah Poggel dem Dunfel der Ton, dem Ton das Gehör, und dem
Gehör — als Drgan der Seele das Gefühl; dem Licht dagegen die
Form, der Form das Auge, und dem Auge ala inneres Vernehmen
Phantafie und Anfhauung. — Wenden wir diefe Beitimmung auf den
Reim und feine Bedeutung in der epifchen Lyrik an, fo werben Die
Gleihllänge in der Ballade mehr mufitalifch dur den Ton, in
der Romanze mehr ardhiteltonifch durch ſymmetriſche Folge
wirten. Der mufilaliihe Reim tft aber tiefer und muß aus dem
Innern geboren werden, ja er tft, für fih genommen, der allein
wahre und volllommene Reim. Noch bat er feinen Dichter fo begün-
ftigt wie Goethe, der dieſer Meifterfchaft in dem muſikaliſchen Elemente
der Sprache den großen und eigentünlichen Eindrud vieler Xieder einem
guten Teil nach zu verdanfen hat.
Zu diefem mufilalifchen, ſelbſtändig auf die Empfindung mirfen-
den Reime gehört nun, daß die reimtragenden Wörter fo viel als
möglich bildliche Fülle haben, daß fich der finnliche Anhalt des Ge-
dankens, den fie begleiten, in ihnen gleihfam verdichtet und daß end⸗
lich auch äußerlich der Lefeton von felbft nach den Gleichklängen fich
bindrängt. Durch dieſes Vormalten des unmittelbaren Elements der
Eprade werben die abftraften und rein gebanlenmäßigen Beftanbteile
überboten und das „Begrifflihe” der Darftellung in die Empfindung
bineingezogen.
„Kennit bu bag Land, wo die Eitronen blühn,
Im dunfeln Laub die Goldorangen glühn,
Ein janfter Wind vom blauen Himmel weht,
Die Myrte jtill und hoch der Lorbeer ſteht?“
Anftatt unzähliger anderer Beifpiele aus Goethe will ich bier nur noch
einmal an die „wandelnde Glode“ erinnern, von der ich audgegangen:
„Die Glode Glocke tönt nicht mehr,
Die Mutter bat gefadelt;
Doch welch ein Schreden hinterher!
Die Glocke kommt gewadelt!“
Und weiterhin:
„Do nimmt es richti Jemen Huſch,
ünd mit gewandter Schnelle
Eilt es durch Anger, Feld und Buſch
Zur Kirche, zur Kapelle.“
Nichts aber geht in dieſer Art über den Chor der Geiſter im Fauſt:
„Schwindet ihr dunkeln
Wölbungen droben!
— RRV —
Reizender ſchaue
Freundlich der blaue
Ather herein.
Wären die dunkeln
Wolken zerronnen!
Sternelein ſunkeln,
Mildere Sonnen
Scheinen darein“ u. ſ. w.
Treten nun aber zu dem vollen Gleichklange des Reims die Ele—
mente desſelben, Aſſonanz und Allitteration, innerhalb des Verſes
noch unterſtützend hinzu, ſo thut dies bei geſchickter Anwendung eine
außerordentliche Wirkung. So in dieſen Zeilen des Totentanzes:
„Nun hebt ſich der Schenkel, es wackelt das Bein,
Gebärden da giebt es vertrackte;
Dann klippert's und pp mitunter binein,
Als ſchlüg man die Höfzlein zum Takte.“
Hter waltet neben dem Reime vornehmlih die Affonanz, wie in fol-
gender Strophe des Erlkönigs vornehmlich die Allitteration.
„Du liebes Kind, fomm geh mit mir!
Gar ſchöne Spiele ſpiel' id) mit dir;
Mand) bunte Blumen find an dem Strand,
Meine Mutter hat mand) gülden Gewand.”
In der Romanze, die, im Gegenſatz gegen die volkstümliche
Ballade, auf ein gebildete Bemußtfein gerichtet ift, und Die Durch Die
fünftleriihe Form hindurch die Gefinnung ergreifen und dag Denken
anregen will, hat Reim, Aſſonanz u. dgl. nicht dieje ſelbſtändige Be⸗
deutung, und tft die finnlihe Fülle und Prägnanz des Tones und
der Gleichllänge wenig erforderlich. Der Reim ordnet fih da mehr
den übrigen Mitteln der kunſtreichen Gejtaltung unter, und indem er
die reihe Architeltonit des ſymmetriſchen Strophenbaues begleitet
und hebt, wirkt er auf den äfthetifchen Sinn im allgemeinen. So
läßt man es fich gefallen, wenn ber Reim in untergeordnete Wörter,
in Wörter abftrafter Bedeutung oder in Eigennamen fällt, wie 3. B.
im Gang nad dem Eifenhammer:
„Ein frommer Knecht war Fridolin
Und in der Furt ded Herin
Ergeben der Gebieterin,
Der Gräfin von Savern.“
oder im Sänger von Goethe:
„Ergeht's euch wohl, jo denft an mic,
Und danfet Gott, jo warm ala ich
Für diefen Trunk euch) danke.“
Wenn aber in der Strophe desſelben Gedichts:
„Die goldne Kette gieb mir nicht u. ſ. w.
Gieb fie dem Kanzler, den du haft,
Und laß ihn noch die goldne Laſt
Zu andern Laſten tragen.”
— SAXV: —
die vorletzten Zeilen etwas Mißfälliges haben, ſo liegt dies weniger
an dem bedeutungsloſen Reim, der ins Hilfsverbum fällt, als an der
müßigen Umſchreibung, die durch dasſelbe gebildet wird.
So mag e3 in der Romanze auch gejchehen, daß Reim und Xele:
ton nicht aufammentreffen, wie z.B. in Folgendem:
„zu Dionys, dem Tyrannen ſchlich
Möros, den Dolch im Gewande;
Ihn ſchlugen die Häſcher in Bande.
Was wollteft du mit dem Dolche? ſprich!“ u. ſ. w.
und ebenſo im Gang nach dem Eiſenhammer:
„Drauf Robert zum Geſellen ſpricht
Mit falſchem Heuchelſchein:
Friſch auf, Geſell, und ſäume nicht!
Der Herr begehret dein.“
Und dieſen Verhältniſſen entſprechend hat die Romanze, der Ballade
gegenüber, noch manche Eigentümlichkeiten in der äußern Form, die
ſie mehr oder weniger mit allen von dem Gedanken ausgehenden Dich—
tungen teilt. Ohne ſie indeſſen weiter zu verfolgen, will ich hier nur
noch vorübergehend mit ein paar Worten eines Reimverfahrens ge:
denken, welches die volle und wahre Wirkung des Gleichklanges nicht
nur ſchwächt und herabſetzt, fondern denjelben jo behandelt, daß er
jogar den feinem Begriff entgegengeſetzten Eindruck bervorbringt, und,
anftatt die nüchterne Neflerion an dem Tone abgleiten und gleichfam
verllingen zu laflen, den Verſtand des Hörers herausfordert und an
den Versenden gewaltſam feithält. Dies gefchiebt, wenn der Reim
gegen Sinn und Accent des Gedanfens und der Wortfolge fih fteifend
und volltonig ins Ohr fallend, ohne doch innere bilblihe Fülle zu
haben, den Einn als etwas Gemachtes, Fremdartiges und von außen
Kommendes überraſcht, während der echte Reim durch feine Natür-
lichkeit und Notwendigkeit zu unmittelbarer Erregung in die Seele fid
einfhmeichelt. Diefe Art zu reimen, die in dem Sinngedidhte mitunter
von fehlagender Wirkung fein kann, und die ich Deshalb den epi-
grammatiſchen Reim nennen möchte, beruht fonit überall auf dem
gröbſten Verkennen dieſes unſchätzbaren Elements der modernen Poefie.
Inhalt.
— ı-._
Seite
Gedidie. . .- een a ee nt ERBE
Verzeichnis derſelben
nach der laufenden Nummerr........ . 885—897
nad den Dihtem . . . . nn. 898— 904
Biographiſche Nachrichten über die Dichter a 905 — 912
Angabe vor Erläuterungen zu den men, Gedichten i im
ganzere und einzelnen. . . . 913 — 921
Erffärungen zu den aud Hebel —— alemennifhen
Gedichten. . . . 922 — 925
Erllärungen zu den aus Groth Au Stöim Aufoenbinmenen
plattdeutjchen Gedichten . . . na. E97
Erläuterungen zu Smmermanng „Hirihjagb“ Tr 928
Erſte Abteilung.
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1. Einlehr.
i Hei einem Wirte mundermilb,
Da war ih jüngft zu Gafte;
Ein goldner Apfel war fein Schild
An einem langen Alte.
2. Es war der gute Apfelbaum,
Bei dem ich eingelehret;
Mit füßer Koft und friſchem Schaum
Hat er mich wohl genähret.
3. Es famen in fein grünes Haus
Biel leichtbeſchwingte Bäfte;
Ste fprangen frei und hielten Schmaus
Und fangen auf daß befte.
4. Ich fand ein Bett zu füßer Ruh
Auf weichen, grünen Matten;
Der Wirt, er dedte felbit mich zu
Mit feinem Fühlen Schatten.
5. Nun fragt’ ih nad der Schulvigfeit,
Da fehüttelt er den Wipfel.
Geſegnet ſei er allezeit
Bon der Wurzel bis zum Gipfel!
£. Ubland. (1811.)
2. Der Kirſchbaum.
Il. Wlemannifd.
1. Der Liebgott het zum Frühling gjeit:
„Gang, dei im Würmli au fi Tiſch!“
Druf bet der Chriesbaum Blätter treit,
Biel tuufig Blätter grün und friic.
2. Und ’3 MWürmli ujem Ei verwacht's,
's bet gichlofe i fim Winterhuus,
Es ftredt fi und fperrt 's Mült uf
Und ribt di blöden Augen u3.
1 **
zn ‚de go
3. Und druf fe het's mit ftillem Zahn
Am Blättli gnagt enander no
Und gfeit: „Wie ifch das Gmües fo guet!
Mer chunnt fchier nümme weg dervo.“
4. Und wieder bet der Liebgott gieit:
„Dei jez im Immli au fi Tiſch!“
Druf bet der Chriesbaum Blüete treit,
Viel tuufig Blüete wiiß und friſch.
5. Und 's Immli fieht’3 und fliegt druf hi
Früeih in der Sunne Morgeſchin.
Es denkt: „Das wird mi Kaffe fi,
Sie hend doch choſper Porzelin.
6. Mie fufer fin die Chälchli gſchwenkt!“
Es ftredt fi troche Züngli bri,
Es trintt und fett: „Wie fchmedt’3 fo ſüeß!
Do mueß der Zuder mwohlfel ft.”
7. Der Liebgott het zum Summer gieit:
„Bang, ded im Spägli au fi Tiſch!“
Druf bet der Chriesbaum Früchte treit,
Viel tuufig Chriefi rot und frifch.
8. Und 's Späsli feit: „Iſch das ber Bricht?
Do fit me zue und frogt nit lang.
Das git mer Chraft in Mark und Bei
Und ftärkt mer d'Stimm zu neuem Gfang.“
9. Der Liebgott bet zum Spötlig gfeit:
„Ruum ab, fi ben jez alli aha!“
Druf bet e chüele Bergluft gweiht,
Und's bet ſcho chline Riife gha.
10. Und v’Blättli werde gel und rot
Und fallen eis em andre no;
Und was vom Boden obfi hunnt,
Muß au zum Bode nidſi goh.
11. Der Liebgott bet zum Winter gfeit:
„Ded weibli zu, mas übrig iſch!“
Druf bat der Winter Flode oftreut.
p. Bebel.
Bun a
U SHodbdeutid.
1. Zum Frühling ſprach der liebe Gott:
„Seh, ded dem Würmlein feinen Tiſch!“
Darauf der Kirihbaum Blätter trug,
Biel taufend Blätter grün und friich.
2. Und ’3 Würmlein — aus dem Ei erwacht's
Nach langem Schlaf im Winterhaus.
Es ftredt fi, jperrt fein Mäulchen auf
Und reibt die blöden Augen aus.
3. Und drauf jo nagt’3 mit ftilem Zahn
Am zarten Blättlein hier und dort
Und ſpricht: „Wie ift 's Gemüs fo gut!
Man kommt ſchier nimmer wieder fort.”
4. Unb aber fprad) ber liebe Gott:
„Ded’ jetzt dem Bienlein feinen Tiſch!“
Darauf der Kirfhbaum Blüten trug,
Biel taufend Blüten weiß und friſch.
5. Und bei der Sonne Morgenlicht
Schaut 's Bienlein, und es fliegt heran
Und denkt: „Das wird mein Kaffee fein,
Sie haben foftbar Porzellan.
6. Wie fauber fehn die Keldhlein aus!“
So ftedt’3 fein Süngelchen binein
Und trinkt und fagt: „Wie ſchmeckt's fo ſüß!
Der Zuder muß doch mohlfeil fein.“
7. Zum Sommer |pradh der liebe Gott:
„Deck' auch dem Späglein feinen Tiſch!“
Darauf der Kirſchbaum Früchte trug,
Viel taufend Kirfchen rot und friſch.
8 Und 's Spätlein jagt: „Iſt's jo gemeint,
Da nimmt man Pla und fragt nicht lang’.
Das giebt mir Kraft in Mark und Bein
Und flärkt die Kehle zum Gefang.“
9. Zum Spätling ſprach der liebe Gott:
„Räum’ ab, fie haben alle jest!“
Drauf kam die fühle Bergesluft,
Und fchon hat's Heinen Reif geſetzt.
zen, 6. jun
10. Die Blätter werben gelb und rot
Und fallen bei des Windes Wehn,
Und was vom Boden aufwärts kommt,
Muß auch zum Boden abwärts gehn.
11. Zum Winter ſprach Gott zum Beſchluß:
„Ded’ wader zu, was übrig ift!“
Da ftreut’ er Schnee im Überfluß.
(Überfegt von Edptermener.)
3 Vom Bäumlein, das andere Blätter hat gewollt.
1. Es ift ein Bäumlein geftanden im Wald,
In gutem und fchlehtem Wetter;
Das bat von unten bis oben
Nur Nadeln gehabt ftatt Blätter;
Die Nadeln, die haben geitochen,
Das Bäumlein, das hat geſprochen:
2. „Alle meine Kameraden
Haben ſchöne Blätter an,
Und ich Habe nur Nadeln;
Niemand rührt mich an!
Dürft’ ih wünſchen, wie ich wollt,
Wünſcht' ih mir Blätter von lauter Gold.“
3. Mies Nacht ift, ſchläft das Bäumlein ein,
Und früh iſt's aufgemadt;
Da hatt' es goldene Blätter fein,
Das war eine Pradt!
Das Bäumlein ſpricht: „Nun bin ich ftolz;
Goldne Blätter hat Fein Baum im Holz.“
4. Aber wie es Abend warb,
Ging der Yude dur den Wald,
Mit großem Sad und großem Bart.
Der ſieht die goldnen Blätter bald;
Er ſteckt fie ein, geht eilends fort
Und läßt das leere Bäumlein dort.
5. Das Bäumlein ſpricht mit Grämen:
„Die goldnen Blätter dauern mid;
Ich muß vor den andern mich ſchämen.
Ste tragen ſo ſchönes Laub an fid;
Dürft ih mir wünfchen noch etwas,
So wünſcht' ih mir Blätter von hellem Glas.“
Zu u
6. Da fchlief das Bäumlein wieder ein,
Und früh ift’3 wieder aufgewadt;
Da hatt’ es glafene Blätter fen,
Das war eine Pracht!
Das Bäumlein jpriht: „Run bin ich frob;
Kein Baum im Walde gligert fo.“
7. Da kam ein großer Wirbelmind
Mit einem argen Wetter,
Der fährt durch alle Bäume gejchwind
Und kommt an die glafenen Blätter;
Da lagen die Blätter von Glaſe
Zerbroden in dem Grafe.
8. Das Bäumlein ſprach mit Trauern:
„Mein Glas liegt in dem Staub,
Die andern Bäume dauern
Mit ihrem grünen Laub.
Wenn ih mir noch was wünſchen foll,
Wünſch' ih mir grüne Blätter wohl.“
9. Da fchlief das Bäumlein wieder ein,
Und wieder früh ift’3 aufgemadt;
Da hatt’ e8 grüne Blätter fein.
Das Bäumlein lacht
Und ſpricht: „Run hab’ ich doch Blätter aud,
Daß ih mich nit zu ſchämen brauch'.“
10. Da kommt mit vollem Euter
Die alte Geiß geiprungen;
Sie fuht ih Gras und Kräuter
Für ihre Jungen;
Sie fieht dad Laub und fragt nicht viel,
Sie frißt es ab mit Stumpf und Stiel.
11. Da war das Bäumlein wieber leer,
Es jpra nun zu fich felber: |
„Ich begehre nun Feiner Blätter mehr,
Meder grüner, noch roter, noch gelber!
Hätt’ ich nur meine Nadeln,
Ich wollte fie nicht tadeln.“
12. Und traurig fchlief das Bäumlein ein,
Und trawig ift es aufgewacht;
Da befieht es fih im Sonnenſchein
Und lacht und lacht!
Alle Bäume lachen's aus,
Das Bäumlein macht fih aber nichts draus.
—
13. Warum hat's Bäumlein denn gelacht,
Und warum denn ſeine Kameraden?
Es hat bekommen in einer Nacht
Wieder alle ſeine Nadeln,
Daß jedermann es ſehen kann.
Geh 'naus, ſieh's ſelbſt, doch rühr's nicht an!
Warum denn nicht?
Weil's ſticht. Sr. Rücert. (Weihnacht 1813.)
4. Vom Bäumlein, Das ſpazieren ging.
1 Das Bäumlein jtand im Wald
In gutem Aufenthalt.
Da fanden Bufh und Straud
Und andre Bäumlein aud;
5 Die ftanden dicht und enge,
Es war ein recht Gebränge;
Das Bäumlein mußt’ ſich büden
Und fih zujfammendrüden.
Da bat das Bäumlein gedacht
10 Und mit fih ausgemacht:
Hier mag ich nicht mehr ftehen;
Ich will wo anders geben -
Und mir ein Ortlein fuchen,
Wo weder Bir!’ noch Buchen,
15 Wo weder Tann’ nod) Eichen
Und gar nichts desgleichen;
Da will ich allein mich pflanzen
Und tanzen.
Das Bäumlein, das geht nun fort
20 Und kommt an einen Dirt,
m ein Wiefenland,
Wo nie ein Bäumlein fand;
De bat ſich's hingepflanzt
Und bat getanzt.
25 Dem Bäumlein hat's vor affen
An dem Örtlein gefallen.
Ein gar ſchöner Bronnen
Kam zum Bäumlein geronnen;
War’ dem Bäumlein zu heiß,
30 Kühlt’3 Brünnlein feinen Schweiß.
Schönes Sonnenlicht
War ihm auch zugericht't;
35
40
45
50
60
65
70
Br
War's dem Bäumlein zu kalt,
Wärmt' die Sonn’ es bald.
Auch ein guter Wind
Mar ihm hol» gefinnt;
Der half mit feinem Blafen
Ihm tanzen auf dem Raſen.
Das Bäumlein tanzt’ und fprang
Den ganzen Sommer lang,
Bis es vor lauter Tanz
Hat verloren den Kranz.
Der Kranz mit den Blättlein allen
Iſt ihm vom Kopf gefallen;
Die Blättlein Tagen umber,
Das Bäumlein bat feines mehr.
Die einen lagen im Bronnen,
Die andern in der Sonnen,
Die andern Blättlein geſchwind
Flogen umber im Wind.
Wie’ Herbit nun war und alt,
Da fror’8 das Bäumlein bald;
Es rief zum Brunnen nieber:
„Gieb meine Blätilein mir wieder,
Damit ih doch ein Kleid
Habe zur Winterszeit!“
Das Brünnlein prad: „Ich kann eben
Die Blättlein dir nicht geben;
Ich babe fie alle getrunfen,
Sie find in mid verſunken.“
Da fehrte von dem Bronnen
Das Bäumlein fih zur Sonnen:
„Gieb mir die Blätter wieder,
€3 friert mih an die Glieder!“
Die Some ſprach: „Nun eben
Kann ich fie dir nicht geben;
Die Blättlen find längft verbrannt
In meiner heißen Hand.“
Da ſprach das Bäumlein geihwind
Zum Wind:
„Sieb mir die Blättlein wieder,
Sonft fall’ ich tot danieder!“
Der Wind fprah: „Ach eben
Kann dir die Blättlein nicht geben;
75
80
85
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95
100
105
110
115
Be I ee
Sch Hab’ fie über die Hügel
Geweht mit meinem Flügel.“
Da fprad das Bäumlein ganz ftill:
„Run weiß ich, was ih will;
Da haußen ift mir’3 zu alt,
Ich geh in meinen Wald,
Da will ich unter die Heden
Und Bäume mid verfteden.“
Da macht fih’8 Bäumlein auf
Und kommt in vollem Lauf
Zum Wald zurüdgelaufen
Und will ſich ftel’n in den Haufen.
's fragt gleich beim erften Baum:
„Haft du feinen Raum?”
Der Sagt: „Ach habe feinen!“
Da fragt das Bäumlein noch einen,
Der hat wieder feinen;
Da fragt das Bäumlein noch einen,
Es fragt von Baum zu Baum;
‚Aber fein einz’ger hat Raum.
Sie ftanden ſchon im Sommer
Eng in ihrer Kammer;
est im Falten Winter
Stehn fie noch enger dahinter.
Dem Bäumden kann nichts frommen,
Es Tann nit unterlommen.
Da geht es traurig weiter
Und friert, denn es hat feine Kleider;
Da kommt mittlerweile
Ein Mann mit einem Beile,
Der reibt die Hände ſehr,
Thut auch, ala ob's ihn frör'.
Da denkt das Bäumlein mader:
Das iſt ein Holzhader,
Der kann den beiten Troft
Mir geben für meinen Froft.
Das Bäumlein ſpricht fchnell
Zum Holzhader: „Geſell,
Dich friert's fo ſehr wie mid,
Und mid fo fehr wie dic).
Vielleicht Fannft du mir
Helfen, und ih dir.
120
125
130
135
le IT, dan
Komm, bau mi um
Und trag mid in beine Stub’n,
Schür ein Feuer an
Und leg’ mich dran;
So wärmft du mid,
Und ih did.“
Das deucht den Holzhacker nicht fchledt;
Er nimmt fein Beil zurecht,
Haut’3 Bäumlein in die Wurzel, —
Umfällt's mit Gepurzel.
Nun hadt er’3 Hein und kraus
Und trägt das Holz nah Haus
Und legt von Zeit zu Zeit
In den Dfen ein Scheit.
Das größte Scheit von allen
Iſt uns fürs Haus gefallen.
Das joll die Magd ung holen,
So legen wir's auf die Kohlen;
Das foll die ganze Wochen
Uns unfre Suppen fochen.
Oder willſt du lieber Brei?
Das ift mir einerlei.
Ir. Rülert. (Weihnacht 1813.)
5. Die wandelude Glinde.
1. Es war ein Kind, das wollte nie
Zur Kirche fi bequemen,
Und Sonntags fand es ftets ein Wie,
Den Weg ins Feld zu nehmen.
2. Die Mutter fprah: „Die Glode tönt,
Und fo ift dir's befohlen;
Und baft du dich nicht hingewöhnt,
Sie kommt und wird dich holen.“
3. Das Kind, es denkt: Die Glode hängt
Da droben auf dem Stuble.
Schon hat’3 den Weg ins Feld gelenft,
Als lief’ e8 aus der Schule.
4. Die Glode Glode tönt nicht mehr,
Die Mutter hat gefadelt.
Dod wel ein Schrecken hinterher!
Die Glode kommt gemwadelt.
— —
5. Sie wackelt ſchnell, man glaubt es kaum;
Das arme Kind im Schrecken,
Es läuft, es kommt, als wie im Traum;
Die Glocke wird es decken.
6. Doch nimmt es richtig ſeinen Huſch,
Und mit gewandter Schnelle
Eilt es durch Anger, Feld und Buſch
Zur Kirche, zur Kapelle.
7. Und jeden Sonn⸗ und Feiertag
Gedenkt es an den Schaden,
Läßt durch den erften Glodenjchlag,
Nicht in Perſon fich laden.
W. v. Goethe. (22. Mai 1813.)
6. Ber Knabe im Erdbeerichlag.
I Alemanniſch.
1. € Büebi lauft, es goht in Wald
Am Sunntig Nomittag;
Es chunnt in d'Hürſt und findet bald
Erbbeeri Schlag an Schlag;
Es günnt und ißt fi halber z'Tod
Und denkt: „Das if mi Obebrod.“
2. Und wie nes ißt, je ruuſchts im Laub;
Es chunnt e ſchöne Chnab.
Er bet e Rod, wie Silberſtaub,
Und treit e goldne Stab.
Er glänzt wie d'Sunn am Schwizer Schnee;
Si Lebelang het3 nüt fo gſeh.
3. Druf rebt der Chnab mi Büebli a:
„Was ißiſch? i halts mit!“
„He, nüt!“ ſeits Büebli, luegt en a
Und lüpft ſi Chäppli nit.
Druf ſeit der Chnab: „He, ißiſch nüt,
Du grobe Burſt, ſe battets nüt!“
4. Verſchwunden iſch mi Chnab, unds ſtöhn
Die nächſte Hürſt im Duft;
Drus fliegt en Engeli wunderſchön
Uf in die blaue Luft.
ER, ER
Und 's Büebli ftoht und Iuegt em no
Und dragt im Hoor und lauft dervo.
5. Und fieber iſch kei Sege meh
Im Beeri-Effe gfi.
J ha mi Lebtig nüt fo gſeh,
Sie bſchießen ebe nie.
Iß Hampflevoll, fo viel de mitt,
Sie jtillen eim de Hunger nit!
6. Was gibi der für Lehre dri?
Was feilh derzue? Mer mueß
Bor fremde Lüte fründli fi
Mit Wort und Red und Grueß
Und ’3 Chäppli lüpfe z'rechter Bit,
Suft bet me Schimpf und chunnt nit mit.
D. Bebel.
U. Hochdeutſch.
1. Ein Bube läuft, er geht zum Wald
Am Sonntag Nachmittag,
Kommt ins Gebüfh und findet bald
Erbbeeren Schlag auf Schlag;
Er pflüdt und ißt fih Halb zu Tod’
Und dentt: Das ift mein Abendbrot.
2. Und wie er ißt, da rauſcht's im Laub;
Es kommt ein ſchöner Knab'.
Er hat ein Kleid wie Silberſtaub,
Trägt einen goldnen Stab.
Wie Alpenſchnee im Sonnenlicht
Erglänzt des Knaben Angeſicht.
3. Drauf fpriht er meinen Buben an:
„Was ifieft du?" Der fpricht:
„Ei nichts!" und blickt ihn feitmärts an
Und Iupft fein Käppchen nicht.
Drauf fagt der Knab': „Ei, ift du nichts,
Du grober Burſch, jo nüst’s auch nichts!“
4. Verſchwunden ift mein Knab', es ftehn
Die nächſten Büſch' in Duft;
Draus fliegt ein Englein wunderſchoͤn
Auf in die blaue Luft.
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a TR je
Der Bube fteht und ſchaut ihm nad
Und läuft davon und fühle Schmad).
5. Seitdem will auch Fein Segen mehr
Sm Erbbeerefien fein.
Dergleihen ſah ich nimmermehr,
Sie mögen nicht gebeihn;
Iß Hände voll, fo viel du willſt,
Und fieh, ob du den Hunger ftillft!
6. Was geb’ ich dir für Lehren drein?
Mas meint du wohl? Man muß
Bor fremden Leuten freundlich fein
Mit Mort und Web’ und Gruß
Und ’3 Käppchen ziehn zur rechten Seit;
Sonft dat man Schimpf und kommt nicht weit.
(Überfegt von Echtermener.)
7. Kruecht Ruprecht.
Von drauß', vom Walde komm' ich her;
Ich muß euch ſagen, es weihnachtet ſehr!
Allüberall auf den Tannenſpitzen
Sah ich goldene Lichtlein ſitzen;
Und droben aus dem Himmelsthor
Sah mit großen Augen das Chriſtkind hervor.
Und wie ich ſo ſtrolcht' durch den finſtern Tann,
Da rief's mich mit heller Stimme an:
„Knecht Ruprecht“, rief es, „alter Geſell,
Hebe die Beine und ſpute dich ſchnell!
Die Kerzen fangen zu brennen an,
Das Himmelsthor iſt aufgethan,
Alt' und Junge ſollen nun
Von der Jagd des Lebens einmal ruhn;
Und morgen flieg' ich hinab zur Erden,
Denn es ſoll wieder Weihnachten werden!“
Ich ſprach: „O lieber Herre Chriſt,
Meine Reiſe faſt zu Ende iſt;
Ich ſoll nur noch in dieſe Stadt,
Wo's eitel gute Kinder hat.“
— „Haft denn das Säcklein auch bei dir?“
IH ſprach: „Das Säcklein, das ift hier;
Denn Apfel, Nuß und Mandellern
Freſſen fromme Kinder gern.“
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— „Halt denn die Rute auch bei dir?“
Ih ſprach: „Die Rute, bie ift bier;
Doh für die Kinder nur, die fchlechten,
Die trifft fie auf den Teil, den rechten!“
Chrifttindlein ſprach: „So ift es recht;
So geh mit Gott, mein treuer Knecht!“
Bon drauß’, vom Walde fomm ich ber;
Ich muß euch jagen, es mweihnadtet fehr!
Nun ſprecht, wie ich's hierinnen find’!
Sind's gute Kind’, ſind's böfe Kind’?
Ch. Storm.
8 Winters Ilucht.
Dem Winter wird der Tag zu lang,
Ihn ſchreckt der Vögel Luftgefang;
Er horcht und hört's mit Gram und Neid,
Und was er fieht, das wedt ihm Leid.
Er flieht der Sonne milden Scein,
Sein eigner Schatten macht ihm Bein,
Er wandelt über grüne Saat
Und Gras und Keime früh und fpat:
„Wo ift mein filberweißes Kleid,
Mein Hut mit Demantftaub beftreut?“
Er ſchämt fih wie ein Bettelmann
Und läuft, was er nur laufen ann.
Und binterdrein fcherzt jung und alt
In Luft und Wafler, Feld und Wald;
Der Kibieg fchreit, die Biene ſummt,
Der Kudud ruft, der Käfer brummt;
Doch weil's noch fehlt an Spott und Hohn,
So qualt der Froſch vor Dftern fon.
D. 4. Poffmann v. Sallersieben.
9. Die Sperlinge.
1 Altes Haus mit deinen Löchern,
Geiz’ger Bauer, nun ade!
Sonne ſcheint, von allen Dächern
Tröpfelt luftig ſchon der Schnee!
— 6,
5 Draußen auf dem Zaune munter:
Wesen unfre Schnäbel wir,
Durch die Heden "rauf und "runter,
In dem Baume vor der Thür
Tummeln wir in hellen Haufen
10 Uns mit großem SKriegsgefchrei,
Um die Liebfte ung zu raufen,
Denn der Winter ift vorbei!
I. 9. Gichendorff.
10. Schwalbenlied.
1. Aus fernem Land,
Dom Meeresitrand,
Auf hoben, Iuftigen Wegen
Fliegſt, Schwalbe, du
Ohne Raft und Ruh
Der lieben Heimat entgegen.
2. O ſprich, moher
Über Land und Meer
Haft du die Kunde vernommen,
Daß im Heimatland
Der Winter ſchwand,
Und der Frühling, der Frühling gekommen?
3. Dein Liebchen ſpricht:
„Weiß felber nicht,
Moher mir gefommen die Mahnung;
Doch fort und fort,
Von Ort zu Ort
Lockt mich die Frühlingsahnung.
4. So ohne Raft,
In freudiger Haft,
Auf hohen, Iuftigen Wegen
lieg’ ih unverwandt
Dem Heimatland,
Dem lenzgeſchmückten entgegen!”
Jul, Sturm.
een, SIT
11. Das Frühlingsmahl.
1. Wer hat die weißen Tücher
Gebreitet über das Land?
Die weißen, duftenden Tücher
Mit ihrem grünen Rand?
2. Und bat darüber gezogen
Das hohe, blaue Zelt?
Darunter den bunten Teppich
Gelagert über das Feld?
3. Er ift es felbft gemweien,
Der gute, reihe Wirt
Des Himmels und der Erden,
Der nimmer ärmer wird;
4. Er bat gebedt die Tiſche
In feinem weiten Saal
Und ruft, was lebt und webet,
Zum großen Frühlingsmahl.
5. Wie ftrömt’3 aus allen Blüten
Herab von Straub und Baum!
Und jede Blüt’ ein Becher
Bol ſüßer Düfte Schaum!
6. Hört ihr des Wirtes Stimme?
„Heran, was kriecht und fliegt,
Was geht und fteht auf Erden,
Was unter den Wogen fih wiegt!
7. Und du, mein Himmelspilger,
Hier trinle trunken dich
Und finke felig nieder
Aufs Knie und dent an mid!”
mild. Müller.
12, Morgenlied.
1. Wer fchlägt fo raſch an die Fenfter mir
Mit Ihwanten, grünen Zweigen?
Der junge Morgenwind ift bier
Und will ſich luſtig zeigen.
er, IR, ee
2. „Heraus, heraus, du Menſchenſohn!“
So ruft der kecke Gejelle;
„Es ſchwärmt von Frühlingswonnen ſchon
Bor deiner Kammerjchmelle.
3. Hörft du die Käfer ſummen nicht?
Hörft du das Glas nicht klirren,
Menn fie, betäubt von Duft und Licht,
Hart an die Scheiben ſchwirren?
4. Die Sonnenftrahlen ftehlen fich
Behende durch Blätter und Ranken
Und neden auf deinem Lager dich
Mit blendendem Schweben und Schmanten.
5. Die Nadtigall ift beifer fait,
So lang’ hat fie gefungen;
Und meil du fie gehört nicht haft,
Sit fie vom Baum geiprungen.
6. Da ſchlug ih mit dem leeren Zweig
An deine Fenſterſcheiben:
Heraus, heraus in des Frühlings Reich!
Er wird nicht lange mehr bleiben.“
mild. Müller.
13. Morgenlied.
1. Die Sterne find erblichen
Mit ihrem güldnen Schein;
Bald ift die Nacht entwichen,
Der Morgen bringt herein.
2. Noch maltet tiefes Schweigen
Im Thal und überall,
Auf friſch betauten Zweigen
Singt nur bie Radtigall.
3. Sie finget Xob und Ehre
Dem hohen Herren der Welt,
Der über Land’ und Meere
Die Hand des Segens hält.
4. Er bat die Nacht vertrieben:
Ihr Kindlein fürdtet nichts!
Stets kommt zu feinen Lieben
Der Bater alles Lichte.
Doffmanı v. Sallersieben.
14. Ber Bauer und jein Kind,
1. Der Bauer fteht vor feinem Feld
Und zieht die Stirne kraus in Falten:
„sh hab’ den Ader wohl beftellt,
Auf reine Ausfaat ftreng gehalten;
Nun feh” mir eins das Unkraut an!
Das bat der böfe Feind gethan.“
2. Da kommt fein Knabe hochbeglüdt,
Mit bunten Blüten reich beladen;
Sm Felde bat er fie gepflüdt,
Kornblumen find ed, Mohn und Raden;
Er jaudzt: „Sieh’, Vater, nur die Pracht!
Die hat der liebe Gott gemadt.“
Jul. Sturm.
15. Ber Schuͤtz.
1. Mit dem Pfeil, dem Bogen,
Durch Gebirg und Thal
Kommt der Schüb gezogen
Früh am Morgenftrahl.
2. Wie im Reich der Lüfte
König ift der Weih, —
Durch Gebirg und Klüfte
Herrſcht der Schütze frei.
3. Ihm gehört das Weite,
Mas fein Pfeil erreich
Das ift feine Beute,
Mas da kreucht und fleugt.
Se. v. Schiller. (Wilhelm Tel. 1804.)
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16. Der weißze Hirſch.
1. Es gingen drei Jäger wohl auf die Birſch,
Sie wollten erjagen den weißen Hirſch.
2. Sie legten ſich unter den Tannenbaum,
Da hatten die drei einen ſeltſamen Traum.
Der erſte.
3. „Mir hat geträumt, ich klopf' auf den Buſch,
Da rauſchte der Hirfch Heraus, huſch huſch!“
Der zweite.
4. „Und als er ſprang mit der Hunde Geklaff,
Da brannt’ ih ihm auf das Fell, piff paff!“
Der dritte.
5. „Und als ih den Hirſch an der Erde fah,
Da ftieß ich luftig ins Horn, trara!”
6. So lagen fie da und ſprachen, die drei;
Da rannte der weiße Hirich vorbei.
7. Und eh’ die drei Jäger ihn recht geſehn,
So mar er davon über Tiefen und Höh'n.
Huſch Huf! piff paff! trara!
£. üblaub. (1811.)
17. Unterm Baum.
1. Unterm Baum im Sonnenftrable
Liegt ein rotes, träges Kind,
Schläft fo lange, bis zum Mahle
Früchte abgefallen find.
2. Einer hängt der ſchweren Äſte
Faſt herab in fein Geficht,
Beut ihm ftill der Früchte beite,
Doch fie pflüden mag es nidt.
3. Flink vom fernen Bergeögipfel
Eilt der Mittagswind daher,
Scüttelt leife und vom WWipfel
Fällt e8 gelb, wie Gold, und fchwer.
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— 21 —
4. Daß das Bübchen, nun die Spende
Aus dem Graſe winkt, erwacht,
Setzt auf eine ſeiner Hände
Sich die Heinfte Mücke ſacht.
Sr. Bebbel.
18. Der Zimmeriprud.
Das neue Haus ift aufgeridt't.
Gededt, gemauert ift es nicht,
Noch können Regen und Sonnenſchein
Bon oben und überall herein;
Drum rufen wir zum Meifter der Welt,
Er wolle von dem Himmelszelt
Nur Heil und Segen gießen aus
Hier über dieſes offne Haus.
Zuoberft wol’ er gut Gebeihn
In die Kornböden uns verleihn,
In die Stube Fleiß und Frömmigfeit,
In die Kühe Maß und Reinlichkeit,
In den Stall Gefundheit allermeift,
Sn dem Keller dem Wein einen guten Geift;
Die Fenfter und Pforten woll’ er weihn,
Daß nichts Unfelig’3 komm' herein,
Und daß aus diefer neuen Thür
Bald fromme Kindlein ſpringen für.
Nun, Maurer, dedet und mauert auß!
Der Segen Gottes ift im Haus.
g. Ubland.
— — — — —
19. Des Schmiedes Lied.
1. Fein Rößlein, ich
Beſchlage dich.
Sei friſch und fromm,
Und wieder komm.
2. Trag deinen Herrn
Stets treu dem Stern,
Der ſeiner Bahn
Hell glänzt voran!
(1812.)
3. Bergab, bergauf
Mad’ flinken Lauf,
Leicht wie die Luft
Durch Strom und Kluft!
4. Trag auf dem Ritt
Mit jedem Tritt
Den Reiter du
Dem Himmel zu!
5. Nun, Röplein, ich
Beichlagen dic,
Sei friih und fromm,
Und wieder komm!
20. Der Wegweiſer.
I Alemanniſch.
1. Weiſch, wo der Weg zuem Mehlfaß iſch,
Zuem volle Faß? Am Morgerot
Mit Pflueg und Charft dur's Weizefeld,
Bis Stern und Stern am Himmel ftoht.
2. Me badt, jo lang’ der Tag eim hilft,
Me Iuegt nit um und blibt nit ſtoh;
Druf gobt der Weg dur's Schüre-Tenn
Der Chuchi zue, do hemmers io!
3. Weiſch, wo der Meg zuem Gulden if?
Er goht de rote Chrüzere no,
Und wer nit uffe Chrüzer Iuegt,
Der wird zuem Gulbe ſchwerli co.
4. Wo iſch ber Weg zur Sunntig⸗Freud?
Gang ohni G’fohr im Werdtig no
Dur d'Werkſtatt und dur's Aderfeld!
Der Sunntig mird jcho felber cho.
5. Am Samstig ifh er nümme mit,
Was det er echt im Chörbli zue?
Den? wol e Pfündli Fleifch ins Gmües,
's da fy, ne Schöpli Wi derzue.
————
6. Weiſch, wo der Weg in d'Armet goht?
Lueg numme, wo Taffere fin;
Gang nit vorbei, ’3 iſch guete Wi,
's fin nagelneui Charte d’rin!
7. Im letzten Wirtshuus hangt e Sad,
Und wenn de furt gohſch, henk en a!
„Du alte Zump, wie ftoht der nit
Der Bettelfad jo zierlih a!“
8. „Es iſch e hölze G'ſchirrle d'rin,
Gib Achtig druf, verlier mer's nit!
Und wenn de zueme Waſſer chunnſch
Und trinke magſch, je ſchöpf dermit!“
9. Wo iſch der Weg zue Fried und Ehr,
Der Weg zuem gueten Alter echt?
G'rad fürſi gohts in Mäßigkeit
Mit ſtillem Sinn in Pflicht und Recht.
10. Und wenn de amme Chrüzweg ſtohſch
Und nümme weiſch, wo's ane goht,
Halt ſtill, und frog di G'wiſſe z'erſt,
3 cha dütſch, Gottlob, und folg ſi'm Rot.
11. Wo mag der Weg zuem Chilchhof ſy?
Was frogſch no lang? Gang, wo de witt!
Zuem ftille Grab im chüele Grund
Führt iede Weg, und 8’ fehlt fi nit.
12. Doch wandle du in Gottis-Furdt!
J rot der, was i rote cha.
Sel Plägli bet e g’heimi Thür,
Und's fin noch Saden ehne dra.
D. Bebel.
D. Hoddeutid.
1. Weißt, wo der Weg zum Meblfaß geht,
Zun vollen Faß? Am Morgenrot
Mit Pflug und Karft durchs Weizenfeld,
Bis Stern bei Stern am Himmel steht.
2. Man ſchafft, weil’ Tag ift, ohne Ruh,
Schaut fih nit um, bleibt nimmer ftehn;
Drauf geht’3 durch Scheun’ und Tenne fort
Dem Brotſchrank in der Küche zu.
——
3. Weißt du den Weg zum Gulden? Sieh,
Er geht dem roten Kreuzer nach.
Und wer nicht um den Kreuzer ſorgt,
Der bringt es auch zum Gulden nie.
4. Wo geht's zur frohen Sonntagszeit?
Folg' immerdar dem Werkeltag
Hier durch die Werkſtatt, dort durchs Feld!
Dann iſt der Sonntag auch nicht weit.
5. Am Samstag iſt er vollends nah.
Was deckt er wohl im Körbchen zu?
Ich denk', ein Pfündchen Fleiſch ins Mus,
Wohl auch ein Schöppchen Wein iſt da.
6. Wo geht der Weg zur Armut hin?
Schau nach den Wirtshausſchildern nur;
Geh nicht vorbei, der Wein iſt gut
Und nagelneu die Karten drin.
7. Im lebten Wirtshaus hängt ein Sad,
Und gehſt du fort, häng’ dir ihn um!
„Du alter Zump, mie fteht fo gut,
So zierlih dir der Betteljad!“
8. „Und drin von Holz das Becherlein —
Nimm's wohl in act, verlier’ es nicht!
Und wenn du zu dem Waſſer kommſt
Und trinten magft, fo fchöpfe drein!“
9. Wo geht's zum frohen Alter? Spredt,
Mo ift der Weg zu Ehr' und Ruh?
G'rad' vor dir hin in Mäßigfeit,
Mit ftilem Sinn in Pfliht und Recht.
10. Und führt zum Kreuzweg dich die Spur,
Und weißt du nit den rechten Pfad,
So frage beim Gemifien an,
Es Tann ja deutih — ihm folge nur!
11. Wo ift der Weg zum Leichenftein?
Ad, frage niht! Geh, wo du willſt!
Zur ftilen Gruft im kühlen Grund
Führt jeder Weg, kannſt ficher jein.
12. In Gottesfurdt nur wandle hier!
Das rat’ ich dir, fo viel ich kann.
Ein heimlich Pförtchen hat das Grab,
Und manches zeigt es jenfeits dir.
(Überfegt von &chtermener.)
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21. Die Herrgottslinder.
Bon oben fieht der Herr darein,
hr dürft indes der Ruhe pflegen;
Er giebt der Arbeit das Gedeihn
Und träuft herab den Himmelsfegen.
Und wenn dann in Blüte die Saaten jtehn,
So läßt er die Lüftlein darübergehn,
Auf daß fi die Halme zufammenbeugen
Und friſch aus der Blüte das Korn erzeugen,
Und bält am Himmel hoch die Sonne,
Daß alles reife in ihrer Wonne.
Da ftünd’ e8 den Bauern wohl prädtig an,
Das alles in ihre Scheuern zu laden!
Gott Vater hat auch feinen Teil daran!
Den will er vergaben nach jeiner Gnaden.
Da ruft er die jüngften Kinder fein;
Die nährt er felbft aus feiner Hand,
Die Rehlein, die Häslein, die Würmlein Hein
Und alles Getier in Luft und Land;
Das flattert herbei und kreucht und fpringt,
Iſt fröhlich all zu Gottes Ehr’,
Und all genügjam, was er bringt.
Des freut fi der Herrgott mächtig fehr,
Er breitet weit die Arme aus
Und fpricht in Liebe überaus:
„Al, was da lebet, fol fich freun,
Seid alle von den Stindern mein;
Und will eud drum doch nicht vergeifen,
Daß ihr nichts könnt als fpringen und frefien.
Hat jedes feinen eignen Ton!
Ihr ſollt euch tummeln frifh im Grünen;
Doch mündig tft der Menſch, mein Sohn;
Drum mag er felbft fein Brot verdienen!“
ch. Storm.
22. Schwert und Pflug.
1. Eimft war ein Graf, To geht die Mär’,
Der fühlte, daß er fterbe;
Die beiden Söhne rief er ber,
Zu teilen Hab’ und Erbe.
2. Nah einem Pflug, nach einem Schwert
Nief da der alte Degen;
Das braten ihm die Söhne wert,
Da gab er feinen Segen:
3. „Mein erfter Sohn, mein ftärkfter Sproß,
Du ſollſt das Schwert behalten,
Die Berge mit dem ftolzgen Schloß,
Und aller Ehren walten.
4. Dod dir, nit minder Liebes Kind,
Dir fer der Pflug gegeben;
Ym Thal, wo ftile Hütten find,
Dort magft du friedlich leben.“
5. So ftarb der lebensmübe Greis,
Als er fein Gut vergeben;
Die Söhne hielten das Geheiß
Treu dur ihr ganzes Leben.
6. Doch fpredt, was ward denn aus dem Stahl?
Dem Schloffe und dem Krieger?
Was ward denn aus dem ftillen Thal,
Was aus dem ftillen Pflüger? —
7. D fragt nit nad) der Sage Ziel!
Euch fünden rings die Gauen:
Der Berg ift wüft, das Schloß zerfiel,
Das Schwert ift längft zerhauen.
8. Do liegt dad Thal voll Herrlichkeit
Im lihten Sonnenſchimmer,
Da wächſt und reift es weit und breit;
Man ehrt den Pflug noch immer.
Wolfg. Müller. (1847.
23. Das Schwert.
1. Zur Schmiede ging ein junger Held,
Er hatt! ein gutes Schwert beftellt.
Doch ala er’3 wog mit freier Hand,
Das Schwert er viel zu ſchwer erfand.
2. Der alte Schmied den Bart fidh ſtreicht:
„Das Schwert ift nicht zu ſchwer noch leicht,
Zu ſchwach ift Euer Arm, ih mein’;
Doch morgen fol geholfen fein.“
er ON gu
3. „Nein, beut! bei aller Ritterfchaft!
Dur meine, nicht durch Feuers Kraft.“
Der Süngling ſpricht's, ihn Kraft durchdringt,
Das Schwert er hoch in Lüften fchmingt.
£. Ubland. (1809.)
24. Siegfrieds Schwert.
1. ung Siegfried war ein flolger Knab',
Ging von des Vater Burg berab.
2. Wollt’ vaften nit in Vater Haus,
Wollt' wandern in alle Welt hinaus.
3. DBegegnet’ ihm manch Ritter wert
Mit feftem Schild und breitem Schwert.
4. Giegfrieb nur einen Steden trug;
Das war ihm bitter und leid genug.
5. Und als er ging im finftern Wald,
Kam er zu einer Schmiede bald.
6. Da fah er Eiſen und Stahl genug;
Ein luſtig Feuer Flammen fchlug.
7. „O Meifter, Tiebfter Meifter mein,
Laß du mich deinen Gefellen fein!
8. Und lehr' du mich mit Fleiß und Act,
Wie man die guten Schwerter macht!”
9. Siegfried den Hammer wohl ſchwingen kunnt',
Er ſchlug den Amboß in ven Grund.
10. Er fchlug, daß weit der Wald erflang
Und alles Eifen in Stüde fprang.
11. Und von der legten Eifenftang'
Macht er ein Schwert fo breit und lang.
12. „Nun bab’ ich geſchmiedet ein gutes Schwert,
Nun bin ich wie andre Ritter wert.
13. Run fchlag’ ich wie ein andrer Held.
Die Niefen und Draden in Wald und Feld.“
£. Mbland. (1812.)
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25. Klein Roland,
1. Frau Bertha ſaß in der Telfenkluft,
Sie Hagt’ ihr bittres Los;
Klein Roland Spielt’ in freier Luft,
Des Klage war nicht groß.
2. „D König Karl, mein Bruder hehr!
D daß ich floh von bir!
Um Liebe lieh ih Pracht und Ehr',
Nun zürnft du ſchrecklich mir.
3. O Milon, mein Gemahl fo ſüß!
Die Flut verfchlang mir did.
Die ih um Liebe alles ließ,
Nun läßt die Liebe mich,
4. Klein Roland, du mein teures Kind,
Nun Ehr’ und Liebe mir!
Klein Roland, komm herein geſchwind!
Mein Troft fommt all von bir.
5. Klein Roland, geh zur Stadt hinab,
Zu bitten um Speif’ und Tranf;
Und wer dir giebt eine Heine Gab’,
Dem wünſche Gottes Dank!“
6. Der König Karl zur Tafel ſaß
Im goldnen Ritterſaal;
Die Diener liefen ohn' Unterlaß
Mit Schüſſel und Pokal.
7. Von Flöten, Saitenſpiel, Geſang
Ward jedes Herz erfreut;
Doch reichte nicht der helle Klang
Zu Berthas Einſamkeit.
8. Und draußen in des Hofes Kreis
Da ſaßen der Bettler viel;
Die labten fich an Trank und Speif
Mehr, als am Saitenipiel.
9. Der König fchaut in ihr Gedräng'
Wohl durch die offne Thür,
Da drüdt fih dur die dichte Meng’
Ein feiner Knab' herfür.
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10. Des Knaben Kleid iſt munderbar,
Vierfarb zufammengeftidt;
Doch meilt er nicht bei der Bettlericher,
Herauf zum Saal er blidt.
11. Herein zum Saal Hein Roland tritt,
Als wär's fein eigen Haus.
Er hebt eine Schüffel von Tiſches Mitt’
Und trägt fie ſtumm hinaus,
12. Der König denkt: „Was muß ich fehn?
Das tft ein fondrer Braud.”
Doch weil er’3 ruhig läßt geichehn,
Eo laflen’3 die andern aud).
13. Es ftund nur an eine Feine Weil’,
Klein Roland ehrt in den Saal.
Er tritt zum König hin mit El’
Und faßt feinen Goldpofal.
14. „Heida! halt an, du kecker Wicht!“
Der König ruft e3 laut.
Klein Roland läßt den Becher nicht,
Zum König auf er ſchaut.
15. Der König erft gar finfter ſah,
Doch laden mußt’ er bald:
„Du trittft in die goldne Halle da,
Wie in den grünen Wald;
16. Du nimmft die Schüflel von Königs Tifch,
Wie man Äpfel bricht vom Baum;
Du Holft, wie aus dem Brunnen frifch,
Meines roten Weines Schaum.“ —
17. „Die Bäurin ſchöpft aus dem Brunnen frild,
Die bricht die Äpfel vom Baum;
Meiner Mutter ziemet Wildbret und Fiſch,
Ihr roten Weines Schaum.“
18. „St deine Mutter fo edle Dam’,
Wie du berühmft, mein Kind,
So Hat fie wohl ein Schloß luſtſam
Und ſtattlich Hofgefind’?
19. Sag an, wer iſt benn ihr Truchſeß?
Sag an, wer ift ihr Schenk?“ —
„Meine rechte Hand ift ihr Truchleß,
Meine linke, die ift ihr Schen“ —
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20. „Sag an, wer find die Wächter tren?“
„Mein’ Augen blau allitund.” —
„Sag an, wer ift ihr Sänger frei?" —
„Der tft mein roter Mund.” —
21. „Die Dam’ bat madre Diener, traun!
Doch liebt fie jondre Livret,
Wie Regenbogen anzufchaun,
Mit Farben mancherlei.“ —
22. „Ich hab' bezwungen der Knaben acht
Von jedem Viertel der Stadt,
Die haben mir als Zins gebracht
Vierfältig Tuch zur Wat.“ —
23. „Die Dame hat, nach meinem Sinn,
Den beſten Diener der Welt.
Sie iſt wohl Bettlerkönigin,
Die offne Tafel hält.
24. So edle Dame darf nicht fern
Von meinem Hofe ſein:
Wohlauf, drei Damen! auf, drei Herrn!
Führt ſie zu mir herein!“
25. Klein Roland trägt den Becher flink
Hinaus zum Prunkgemach;
Drei Damen auf des Königs Wink,
Drei Ritter folgen nach.
26. Es ſtund nur an eine kleine Weil',
Der König ſchaut in die Ye’,
Da kehren ſchon zurüd mit Eil’
Die Damen und die Herm.
27. Der König ruft mit einemmal:
„Hilf Himmel! ſeh' ich recht?
Ich Hab’ verjpottet im offnen Saal
Mein eigenes Geſchlecht.
28. Huf Himmel! Schmefter Bertha, bleich,
Im grauen Pilgergemand!
Hilf Himmel! in meinem Prunffaal reich
Den Betteljtab in der Hand!“
29. Frau Bertha fällt zu Füßen ibm,
Das bleiche Frauenbilb.
Da regt fi plöglih der alte Grimm,
Er blidt fie an fo mild.
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30. Frau Bertha ſenkt die Augen fchnell,
Kein Wort zu reden fi traut.
Klein Roland hebt die Augen bel,
Den Ohm begrüßt er laut.
31. Da ſpricht der König mit mildem Ton:
„Steh auf, du Schwefter mein!
Um dieſen deinen lieben Sohn
Soll dir verziehen fein.“
32. Frau Bertha hebt fich freudevoll:
„Lieb Bruder mein, mwohlan!
Klein Roland dir vergelten fol,
Was du mir Gut’3 gethan.
33. Soll werden feinem König gleich),
Ein hohes Heldenbild;
Soll führen die Farb’ von manchem Reich
Sn feinem Banner und Schild.
34. Soll greifen in mandes Königs Tiſch
Mit feiner freien Hand;
Soll bringen zu Heil und ‚Ehre friſch
Sein ſeufzend Mutterland.“
£. Uhland. (1808.)
26. Roland Schildträger.
1. Der König Karl ſaß einft zu Tiſch
Zu Aachen mit den Fürften;
Man ftelte Wildbret auf und Fiſch
Und ließ auch feinen dürften.
Biel Goldgeſchirr von klarem Schein,
Manch roten, grünen Edelſtein
Sah man im Saale leuchten.
2. Da mad Herr Karl, der ftarle Held:
„Was ſoll der eitle Schimmer?
Das befte Kleinod dieſer Welt,
Das fehlet und noch immer.
Dies Kleinod, hell wie Sonnenfcein,
Ein Rieſe trägt's im Schilde fein,
Tief im Ardennerwalde.”
3. Graf Richard, Erzbiſchof Turpin,
Herr Haimon, Naims von Bayern,
Milon von Anglant, Graf Garin,
Die wollten da nicht feiern.
Sie haben Stahlgewand begehrt
Und ließen fatteln ihre Pferd’,
Zu reiten nad dem Rieſen.
4. ung Roland, Sohn des Milon, ſprach:
„Lieb Vater! hört, ich bitte!
Vermeint Yhr mich zu jung und ſchwach,
Daß ich mit Riefen ftritte,
Doch bin ich nicht zu winzig mehr,
Euch nadhzutragen Euren Speer
Samt Eurem guten Schilde.“
5. Die ſechs Genofien ritten bald
Bereint nach den Ardennen;
Doch als fie famen in den Wald,
Da thäten fie ſich trennen.
Roland ritt hinterm Vater ber;
Wie wohl ihm war, des Helden Speer,
Des Helden Schild zu tragen!
6. Bei Sonnenidein und Mondenlicht
Streiften die fühnen Degen;
Doch fanden fie den Rieſen nicht
In Felſen und Gehegen.
Zur Mittagsftund’ am vierten Tag
Der Herzog Milon ſchlafen Iag
An einer Eiche Schatten.
7. Roland ſah in der Yerne bald
Ein Bligen und ein Leuchten,
Davon die Strahlen in dem Wald
Die Hirſch' und Reh’ aufſcheuchten;
Er ſah, e8 kam von einem Schild,
Den trug ein Rieſe groß und wild,
Bom Berge nieberfteigend.
8. Roland gedacht’ im Herzen fein:
„Was tft das für ein Schreden!
Soll ih den lieben Vater mein
‘m beiten Schlaf ermeden?
Es wachet ja fein gutes Pferd,
Es wacht fein Speer, fen Schild und Schwert,
Es wacht Roland, der junge.“
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9. Roland das Schwert zur Seite band,
Herrn Milons ftarles Waffen;
Die Lanze nahm er in die Hand
Und thät den Schild aufraffen.
Herrn Milons Roß beftieg er dann
Und ritt ganz jachte durch den Tann,
Den Bater nicht zu weden.
10. Und als er kam zur Felfenwand,
Da ſprach der Rief’ mit Lachen:
„Was will doch diefer Fleine Yant
Auf ſolchem Roſſe machen?
Sein Schwert ift zwier jo lang als er,
Bom Roſſe zieht ihn fchier der Speer,
Sein Schild will ihn erbrüden.“
11. ung Roland rief: „Wohlauf zum Streit!
Dich reuet noch dein Neden!
Hab’ ich die Tartiche lang und breit,
Kann fie mich befier deden;
Ein Heiner Mann, ein großes Pferd,
Ein kurzer Arm, ein langes Schwert,
Muß eins dem andern helfen.”
12. Der Rieſe mit der Stange ſchlug,
Auslangend, in die Weite;
Yung Roland fchwentte fchnell genug
Sein Roß noch auf die Seite.
Die Lanz’ er auf den Rieſen ſchwang,
Doch von dem Wunderſchilde ſprang
Auf Roland ſie zurücke.
13. Jung Roland nahm in großer Haſt
Das Schwert in beide Hände;
Der Rieſe nach dem ſeinen faßt',
Er war zu unbehende;
Mit flinkem Hiebe ſchlug Roland
Ihm unterm Schild die linke Hand,
Daß Hand und Schild entrollten.
14. Dem Rieſen ſchwand der Mut dahin,
Wie ihm der Schild entriſſen;
Das Kleinod, das ihm Kraft verliehn,
Mupt’ er mit Schmerzen miſſen.
Zwar lief er gleich dem Schilde nad,
Doh Roland in die Knie ihn fach,
Daß er zu Boden ftürzte.
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15. Roland ihn bei den Haaren griff,
Hieb ihm das Haupt herunter;
Ein großer Strom von Blute lief
Ins tiefe Thal hinunter,
Und aus des Toten Schild hernach
Roland das lichte Kleinod brach
Und freute fih am Glanze.
16. Dann barg er’3 unterm Kleide gut
Und ging zu einem Quelle;
Da wuſch er fih von Staub und Blut
Gewand und Waffen helle.
Zurüde ritt der jung’ Roland
Dahin, wo er den Bater fand
Noch ſchlafend bei der Eiche.
17. Er legt’ fih an des Vaters Seit’,
Bom Schlafe felbft bezwungen,
Bis in der fühlen Abendzeit
Herr Milon aufgeiprungen:
„Wach auf, wach auf, mein Sohn Roland!
Nimm Schild und Lanze ſchnell zur Hand,
Daß wir den Rieſen ſuchen!“
18. Sie ftiegen auf und eilten jehr,
Zu ſchweifen in der Wilde;
Roland ritt hinterm Vater her
Mit deflen Speer und Schilde.
Sie kamen bald zu jener Stätt',
Wo Roland jüngft geftritten hätt’;
Der Riefe lag im Blute.
19. Roland kaum feinen Augen glaubt”,
Als nicht mehr war zu fchauen
Die linke Hand; dazu das Haupt,
So er ihm abgehauen,
Nicht mehr des Riefen Schwert und Speer,
Auch nicht fen Schild und Harniſch mehr,
Nur Rumpf und blut’ge Glieder.
20. Milon befah ven großen Rumpf:
„Mas ift das für 'ne Leiche?
Man fieht noch am zerhaunen Stumpf,
Mie mächtig war die Eiche.
Das ift der Niefe! frag’ ich mehr?
Verfchlafen hab’ ih Sieg und Ehr',
Drum muß ich ewig trauern.“
———
21. Zu Aachen vor dem Schloſſe ſtund
Der König Karl gar bange:
„Sind meine Helden wohl geſund?
Sie weilen allzulange.
Doch ſeh' ich recht, auf Königswort!
So reitet Herzog Haimon dort,
Des Rieſen Haupt am Speere.“
22. Herr Haimon rt in trübem Mut,
Und mit gejenttem Spieße
Legt’ er das Haupt, beiprengt mit Blut,
Dem König vor die Füße:
„Ich fand den Kopf im wilden Hag,
Und fünfzig Schritte weiter lag
Des Riefen Rumpf am Boden.”
23. Bald aud der Erzbifhof Turpin
Den Rieſenhandſchuh brachte,
Die ungefüge Hand noch drin;
Er 308 fie auß und ladte:
„Das tft ein ſchön Reliquienjtüd!
Ich bring’ es aus dem Wald zurüd,
Fand es ſchon zugehauen.“
24. Der Herzog Naims von Bayerland
Kam mit des Riefen Stange:
„Schaut an, was ih im Walde fand!
Ein Waffen, ftart und lange.
Wohl ſchwitz' ich von dem ſchweren Drud;
Hei! bayriſch Bier, ein guter Schlud,
Sollt’ mir gar köſtlich munden!“
25. Graf Richard kam zu Fuß daher,
Ging neben feinem Pferde;
Das trug de3 Rieſen fchwere Wehr,
Den Harniſch famt dem Schwerte:
„Wer juchen will im wilden Tann,
Manch Waffenftüd noch finden fann,
Iſt mir zu viel gemejen.“
26. Der Graf Garin thät ferne ſchon
Den Schild des Rieſen ſchwingen.
„Der bat den Schild, des iſt die Kron’,
Der wird das Kleinod bringen!“
„Den Schild hab’ ih, ihr lieben Herrn!
Das Kleinod hätt' ich gar zu gern;
Doch das ift ausgebrochen.”
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27. Zuletzt thät man Herm Milon fehn,
Der nad dem Schloſſe lenkte;
Er ließ das Rößlein langſam gehn,
Das Haupt er traurig fenkte.
Roland ritt hinterm Vater ber
Und trug ihm feinen ftarlen Speer
Zufamt dem feiten Schilde.
28. Doch als fie famen vor das Schloß
Und zu den Herrn geritten,
Macht er von Vaters Schilde los
Den Zierat in der Mitten;
Das Rieſenkleinod ſetzt' er ein,
Das gab fo munderllaren Schein,
Als wie die liebe Sonne.
29. Und als nun dieje helle Glut
Im Schilde Milons brannte,
Da rief der König frohgemut:
„Heil Milon von Anglante!
Der bat den Rieſen übermannt,
Ihm abgeſchlagen Haupt und Hand,
Das Kleinod ihm entriffen!“
30. Herr Milon hatte fih gewandt,
Sah ftaunend al’ die Helle:
„Roland! fag an! du junger Fant!
Mer gab dir das, Gejelle?“
„Um Gott, Herr Vater! zürnt mir nit,
Daß ich erihlug den groben Wicht,
Dermeil hr eben fchliefet!“
£. Nbland. (1811.)
— — — ——
27. Legende vom Hufeiſen.
1 Als noch, verkannt und ſehr gering,
Unſer Herr auf der Erde ging
Und viele Jünger ſich zu ihm fanden,
Die fehr felten fein Wort veritanden,
5 Liebt' er fih gar über die Maßen
Seinen Hof zu Halten auf der Straßen,
Weil unter des Himmels Angeficht
Man immer beffer und freier Spricht.
Er ließ fie da die höchſten Lehren
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Aus feinem heiligen Munde hören;
Beſonders dur Gleichnis und Exempel
Macht’ er einen jeven Markt zum Tempel.
So ſchlendert' er in Geiſtesruh
Mit ihnen einſt einem Städtchen zu,
Sah etwas blinken auf der Straß’,
Das ein zerbrochen Hufeifen mas.
Er fagte zu Sankt Peter drauf:
„Heb doch einmal das Eifen auf!“
Sankt Peter war nicht aufgeräumt;
Er batte eben im Gehen geträumt
So mas vom Regiment der Welt,
Was einem jeden mohlgefällt;
Tenn im Kopf hat das Feine Schranten;
Das waren fo feine liebften Gedanken.
Nun war der Fund ihm viel zu Klein,
Hätte müſſen Kron’ und Scepter fein;
Aber wie follt’ er feinen Rüden
Nach einem halben Hufeifen büden?
Er alſo fi zur Seite kehrt
Und thut, als hätt’ er's nicht gehört.
Der Herr, nad feiner Langmut, drauf
Hebt felber das Hufeifen auf
Und thut auch weiter nicht dergleichen.
Als fie nun bald die Stadt erreichen,
Geht er vor eines Schmiedes Thür,
Nimmt von dem Mann drei Pfennig dafür,
Und als fie über den Markt nun geben,
Sieht er daſelbſt ſchöne Kirſchen ftehen,
Kauft ihrer jo wenig ober fo viel,
Als man für einen Dreier geben will,
Die er jodann nach feiner Art
Ruhig im Ärmel aufbewahrt.
Nun ging’s zum andern Thor hinaus
Durch Wie’ und Felder ohne Haug,
Auch war der Weg von Bäumen bloß;
Die Sonne fdhien, die Hit’ war groß,
Sp daß man viel an folder Stätt'
Für einen Trunk Waffer gegeben hätt’.
Der Herr geht immer voraus vor allen,
Läßt unverjehens eine Kirſche fallen.
Sankt Peter war gleich Dahinter her,
Als wenn es ein goldener Apfel wär’;
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Das Beerlein ſchmeckte jenem Gaum.
Der Herr nah einem Tleinen Raum
Ein ander Kirfchlein zur Erde jchidt,
Wonach Sankt Peter jchnell fih büdt.
So läßt der Herr ihn feinen Rüden
Gar vielmal nad den Kirchen büden.
Das dauert eine ganze Zeit;
Da Iprad der Herr mit Heiterkeit:
„Thät'ſt du zur rechten Zeit dich regen,
Hätt’ft du's bequemer haben mögen.
Mer geringe Dinge wenig adht't,
Sih um geringere Mühe madt.“
m. v. Goetbe. (17%.)
28. Sanlt Martinus.
Als Kaifer Theodofius
Regierte mit Arcadius,
Einem Reiter aus Pannonia,
Mit Namen Martin, dies geſchah:
Er kam in Sturm und Schnee einſt mitten
Zu einem Ort hinein geritten;
Da fleht' alsbald ein armer Mann
Um eine kleine Gab' ihn an.
Der Mann war elend, nackt und bloß,
Der Wind ging auf die Haut ihm los.
Herr Martin hätt' ihm für ſein Leben
Gern Koller, Rock und Wams gegeben;
Allein ihr wißt wohl, ein Soldat
Sehr wenig zu verſchenken hat.
Doch hielt er an auf hohem Roß,
Worauf der Regen niederfloß,
Und ſprach: „Der Mann iſt nackt und bloß;
Es muß ja grad' auch Geld nicht ſein,
Ich will ihm dennoch was verleihn.“
Sein Schwert drauf mit der Fauſt gefaßt,
Haut er von ſeinem Mantel faſt
Des einen Zipfels Hälft' herab,
Die er dem armen Manne gab.
Der Arme nimmt das Stück ſogleich
Und wünſcht dafür das Himmelreich
Dem guten, frommen Reitersmann,
Der ſich nicht lange drauf bejant.
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Wie der gejagt fein Gratias,
So reitet dieſer auch fürbaß
Zu einer armen Witwe Thür
Und legt daſelbſt ſich ins Quartier,
Nimmt Speiſ' und Trank ein wenig ein —
Es wird nicht viel geweſen ſein.
Nachdem er alſo trunken, geſſen
Und das Gebet auch nicht vergeſſen,
Legt er ſich nieder auf die Streu,
Ob's eins geweſen oder zwei,
Das hat die Chronik nicht gemeld't;
Drum laß ich's auch dahingeſtellt.
Alsbald begiebt ſich's in der Nacht,
Daß er von einem Schein erwacht;
Der zwingt das Aug’ ihn aufzuichliegen.
Da Steht ein Mann zu feinen Füßen,
Sein Haupt trägt eine Dornenfron’:
Er iſt's, er ift’8, des Menfchen Sohn!
Mit taufend Engeln, die ihm dienen,
Iſt plötzlich unfer Herr erjchienen
In aller feiner Herrlichkeit;
Und mit dem Mantel, melden heut
Der Martin von Pannonia,
Der deſſen gar ſich nicht verfah,
Geſchenkt dem armen Bettelmann,
Iſt unfer Heiland angethan.
Und fo der Herr zu Petrus ſpricht:
„Siehft du den neuen Mantel nicht,
Den ich bier auf den Schultern trage?“
Auf des Apofteld meit’re Frage,
. Wer ihm den Mantel denn gefchentt,
Dos Aug’ auf Martin hingeſenkt,
Mit einem fanften Himmelston
Fährt alfo fort des Menſchen Sohn:
„Der Martin bier, der ift e8 eben,
Der diefen Mantel mir gegeben.
Ermuntre did! Steh auf, mein Knecht,
Den ich ermählt, du bift gerecht!
Du warft bisher ein blinder Heide;
Das Schwert, das Ste’ nun in die Scheibe!
Ein Streiter Gottes joll auf Erben
Mein frommer Bischof Martin werden.”
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70 Als dieſes Wort der Herr gejagt,
Sp Träht der Hahn, der Morgen tagt.
Ein Engel küßt des Manteld Saum,
Und Martin ift ermaht vom Traum,
Denkt nach, Flopft an ein Klofter an
75 Und ift, getreu nad Chrifti Worten,
Aus einem milden Reitersmann
Ein großer, frommer Bifhof worden.
J. Salt.
29. Die Einladung.
Ein frommer Landmann in der Kirche faß;
Den Tert der Pfarrer aus Johanne las
Am Oftermontag, wie der Heiland rief
Bom Ufer: „Kindlein, habt ihr nichts zu eſſen?“
Das drang dem Landmann in die Seele tief,
Dos er in ftiler Wehmut dageſeſſen.
Drauf betet er: „Mein liebiter Jeſu Chrift!
Sp fragteft vu? D wenn du hungrig bift,
So fei am nädjften Sonntag doch mein Gaft
Und halt’ an meinem armen Tiihe Rait!
Ich bin ja wohl nur ein geringer Mann,
Der nicht viel Gutes dir bereiten Tann;
Doch deine Huld, die di zu Sündern trieb,
Nimmt auch an meinem Tiſche wohl fürlieb. —“
Er wandelt heim und ſpricht fein Herzlich Wort
An jedem Tag, die ganze Woche fort.
Am Samstag läßt's ihn nimmer ruhn:
„grau“, hebt er an, „nimm aus dein beſtes Hubn,
Bereit’ es kräftig, fege Flur und Haus,
Stel’ in die Stub’ aud einen ſchönen Strauß!
Denn wife, daß du einen hohen Gaft
Auf morgen mittag zu bewirten haft!
Putz' unfre Kinderlein, mad’ alles rein! —
Der werte Gaft will wohl empfangen jein.“
Da Springen alle Kinderlein beran:
„O Bater, wer? wie beißt ber liebe Mann?“
Die Mutter fragt: „Nun, Vater, fage mir,
Gar einen Herren ludeſt du zu dir?“
Der Bater aber lächelt, jagt es nicht,
Und Freude glänzt in feinem Angefict.
Am Sonntag ruft der Morgengloden Hall;
Zum lieben Gotteshaufe ziehn fie al’,
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Und immer feufzt der Vater innerlich:
„D liebfter Sefu, komm, beſuche mich!
Du haft gehungert; — ad, jo möcht' ih gern
Tih einmal ſpeiſen, meinen guten Herrn!“
Mie die Gemeinde drauf nad Haufe gebt,
Die Mutter bald am Herde wieder fteht.
Das Huhn ift wei, die Suppe did und fett;
Sie deckt den Tiſch, bereitet alles nett,
Trägt auf und denkt beim zwölften Glockenſchlag:
Mo doch der Gaft jo lange bleiben mag!
Es ſchlägt auf eind; da wird's ihr endlich bang:
„Sprich, lieber Mann, wo weilt dein Gaft fo lang’?
Die Suppe fiebet ein, die Kinder ftehn
So Bungrig da, — und noch iſt nichts zu jehn.
Wie heißet denn der Herr? Ich glaube faft,
Daß du vergeblih ihn geladen haſt.“
Der Bater aber winkt den Kinderlein:
„Seid nur getroft! er fommt nun bald herein.“
Drauf wendet er zum Himmel das Geficht
Und faltet zum Gebet die Hände, ſpricht:
„Herr Zefu Chrifte, fomm, ſei unfer Gaft
Und fegne und, was du befcheret haft!“
Da klopft e8 an die Thüre. Seht! ein Greis
Blickt matt herein, die Locken filberweiß:
„Geſegn' euch's Gott! Erbarmt euch meiner Not!
Um Chriftt willen nur ein Stüdlein Brot!
Schon lange bin ich hungrig umgeirrt;
Vielleicht, daß mir bei euch ein Biſſen wird.“
Da eilt der Bater: „Komm, du lieber Gaft!
Mie du fo lange doch geſäumet Haft!
Schon lange ja dein Stuhl dort oben fteht.
Komm, labe did, du kommſt noch nicht zu ſpät.“ —
Und alſo führet er den armen Mann
Mit hellen Augen an den Tifh Hinan.
Und „Mutter, fieh doch! feht, ihr Kinderlein,
Den Heiland lud ich vor acht Tagen ein.
Ich wußt' e8 wohl, daß, wenn man Jeſum läd't,
Er einem nit am Haus vorübergeht!
D Kinder, feht! in diefem Armften ift
Heut unfer Saft der Heiland Jeſus Chrift.“
A. Anapp. (16. Februar 1884.)
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30. Graf Richard ohne Furcht.
Graf Richard von der Normandie
Erſchrak in feinem Leben nie.
Er ſchweifte Tag wie Nacht umher,
Manchem Gefpenft begegnet’ er;
Doch bat ihm nie mas Graun gemadt,
Bei Tage noh um Mitternadt.
Meil er jo viel bei Nacht thät reiten,
So ging die Sage bei den Leuten:
Er ſeh' in tiefer Nacht To Licht,
Als mander mohl am Tage nicht.
Er pflegte, wenn er fchmeift’ im Land,
So oft er wo ein Münfter fand,
Wenn's offen mar, hineinzutreten,
Mo nicht, Do außerhalb zu beten.
So traf er in der Nacht einmal
Ein Münfter an im öben Thal;
Da ging er fern von feinen Leuten,
Nachdenklich, ließ fie fürbaß reiten.
Sein Pferd er an die Pforte band,
Im Innern einen Leichnam fand.
Er ging vorbei hart an der Bahre
Und fniete nieder am Altare,
Warf auf nen Stuhl die Handſchuh' eilig,
Den Boden füßt’ er, der ihm eilig.
Noch hatt’ er nicht gebetet lange,
Da rührte Hinter ihm im Gange
Der Leichnam fih auf dem Geftelle.
Der Graf ſah um und rief: „Gefelle!
Du feift ein Guter oder Schlimmer,
Leg’ dich aufs Ohr und rühr' dich nimmer!“
Dann erſt er fein Gebet beichloß,
Weiß nicht, ob’3 Klein war oder groß;
Sprad dann ſich fegnend: „Herr! mein’ Seel’
Zu deinen Händen ih empfehl’.“
Sein Schwert er faßt” und wollte gehen;
Da fah er das Geſpenſt aufftehen,
Sich drohend ihm entgegenreden,
Die Arme in die Weite ftreden,
Als wollt’ e8 mit Gewalt ihn faflen
Und nicht mehr aus der Kirche laflen.
Richard befann fich Turze Weile,
Er ſchlug das Haupt ihm in zwei Teile:
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Ich weiß nicht, ob es wehgeſchrien,
Doch mußt's den Grafen laſſen ziehn.
Er fand jein Pferd am rechten Orte;
Schon iſt er aus des Kirchhofs Pforte,
Als er der Handſchuh' erſt gedenft.
Er läßt fie nicht, zurüd er Ienft,
Hat fie vom Stuhle weggenommen;
Wohl mancher wär’ nicht wieberlommen.
£. Nhland. (1810.)
31. Schwäbiidhe Kunde.
Als Kaiſer Rotbart Iobefam
Zum heil'gen Land gezogen kam,
Da mußt er mit dem frommen Heer
Durh ein Gebirge, wüſt und leer.
Daſelbſt erhub ſich große Not;
Biel Steine gab’3 und wenig Brot,
Und mander deutihe Reitersmann
Hat dort den Trunk fi abgethen;
Den Pferden war's fo ſchwach im Magen,
Faft mußt’ der Reiter die Märe tragen,
Nun war ein Herr aus Schwabenland,
Bon hohem Wuchs und ftarfer Hand,
Des Röplein war jo frank und ſchwach,
Er 308 es nur am Baume nad;
Gr hätt’ es nimmer aufgegeben,
Und koſtet's ihn dag eigne Leben.
So blieb er bald ein gutes Stüd
Hinter dem Heeredzug zurüd;
Da fprengten plöglih in die Quer
Fünfzig türkiſche Reiter daher,
Die huben an auf ihn zu fchießen,
Nah ihm zu werfen mit den Spießen.
Der wadre Schwabe fordt fi nit,
Ging feines Weges Schritt vor Schritt,
Ließ fih den Schild mit Pfeilen ipiden
Und thät nur fpöttlih um ſich bliden,
Bis einer, dem die Beit zu lang,
Auf ihn den krummen Säbel ſchwang.
Da wallt dem Deutſchen auch jein Blut,
Cr trifft des Türken Pferb fo gut,
Er Haut ihın ab mit einem Streid
Die beiden Vorderfüß' zugleich.
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Als er das Tier zu Fall gebracht,
Da faßt er erit fein Schwert mit Macht;
Er ſchwingt es auf des Reiters Kopf,
Haut dur bis auf den Sattelfnopf,
Haut auch den Sattel noh in Stüden
Und tief no in des Pferdes Rüden:
Zur Rechten fieht man wie zur Linken
Einen halben Türken berunterfinten.
Da padt die andern kalter Graus,
Sie fliehn in alle Welt hinaus,
Und jedem ift’3, ald würd’ ihm mitten
Durch Kopf und Leib hindurchgeſchnitten.
Drauf kam des Wegs ne Chriftenfcher,
Die au zurüdgeblieben war;
Die fahen nun mit gutem Bedacht,
Was Arbeit unfer Held gemadit.
Bon denen hat's der Kaiſer vernommen,
Der ließ den Schwaben vor ſich fommen;
Er ſprach: „Sag an, mein Ritter wert!
Mer hat dich ſolche Streich’ gelehrt?“
Der Held bedacht” ſich nicht zu lang’:
„Die Streiche find bei und im Schwang,
Sie find befannt im ganzen Reiche;
Man nennt fie halt nur Schwabenftreiche.“
g. Nbland.
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32. Wichher.
Fern von des Rheines Heimatſtrand
Zog ins gelobte heilige Land
Mit Gottfried Bouillon ſchlecht und recht
Wickher, ein deutſcher Lanzenknecht.
Durch Paläſtinas Berg' und Thale
Ward's manchem heiß im Sonnenſtrahle.
Die Rüſtung, die der Recke trug,
Drückt' ihn und ſeinen Gaul genug;
Da dacht' er an den grünen Rhein
Und ſeinen kühlen, goldnen Wein.
Und wie er dachte, wie er träumte,
Kam's, daß er hinter dem Zuge ſäumte.
Er ſprach: „Die Hitze drückt zu ſehr,
Zur Nachtzeit hol' ich ein das Heer!”
Und legt fi) in die hohe Heibe.
Das Pferd erlabt fich auf der Weibe.
(1814.)
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Doch will ihn kaum der Schlaf umhüllen,
Da ſtöret ihn ein furchtbar Brüllen,
Und ſieh! es ſtürzt ein mächtig Tier
Aufs Rößlein aus dem Waldrevier.
Der wackre Deutſche war nicht faul,
Er liebte ſeinen treuen Gaul,
War gleich bereit, mit Schild und Schwert
Zu kämpfen für das gute Pferd.
Kaum ſieht das Tier den kecken Dann,
Läßt es das Roß und fällt ihn an.
Da fieht er wehn die langen Mähnen,
Dazwiſchen den weiten Rachen gähnen;
Die Augen bligen wie euer heil,
Der Leib ift ſtark, die Füße ſchnell;
Es jpringt an den Schild mit der Krallentabe.
„Ei“, rief der Knecht, „verfluchte Hape!“
Und rüftig ſpaltet er jogleich
Des Tieres Haupt mit einem Streid.
Bol Schmerzen brüllt's zum letztenmal,
Und rödelnd jtürzt e8 dann zu Thal.
Der Deutiche fieht’3 mit Taltem Blut,
Da fcheint der Pelz ihm gar fo gut;
Er trennt ihn fauber mit dem Schwert
Und legt ihn Hinten auf das Pferd.
Der Abend kam indes heran,
Und weiter 30g der deutfhe Mann.
Sp kam er in ein Dorf geritten,
Da liefen die Leute aus den Hütten
Und ftaunten an die zottige Haut,
Riefen ihm zu und jubelten laut,
Sagten, nun wäre die Gegend frei,
Er hab’ erlegt den großen Leu.
Als er die Männer höret jagen,
Daß er der Tiere König erichlagen,
Bon defien Mut und milder Stärke
Man ihm erzählt viel Wunderwerke,
Da wendet fih der Knecht fürbaß,
Der längft den harten Strauß vergaß,
Befieht die Haut fih für und für:
„Eine gelbe Kate ſchien e8 mir.
Längſt hätt’ ich gern den Leu gejehn!
Nun iſt's mir hier im Traum gefchehn,
Daß ich gar einen hab’ erichlagen!“
Und ritt voran mit gutem Behagen.
Wolfgang Mäller.
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38. Zu Bierd! zu Pferd!
Zu Pferd! zu Pferd! Es fauft der Wind!
Schneefloden, büftre, jagen!
Die ſchütten nun den Winter aus!
Zu Pferd! zu Pferd! Durh Saus und Braus
Die heiße Bruft zu tragen!
Mit Fraufen Nüſtern prüft das Roß
Die Luft, dann wiehert’3 mutig;
Nur wie ich berriche, dient das Tier;
Ein Drud — von dannen fliegt’3 mit mir,
Als wär’ mein Sporn ſchon blutig.
In meinem Mantel mwühlt der Wind,
Er raubt mir faft die Müge;
Ich Hab’ ihn gern auf meiner Spur,
An feiner Wut erprob’ ich's nur,
Wie feft ih oben fiße.
Ir. Debbel.
— — — — —
34. Lied eines dentſchen Knaben.
1. Dein Arm wird ftard und groß mein Mut;
Sieb, Vater, mir ein Schwert!
Verachte nicht mein junges Blut;
Ich bin der Väter wert.
2. Ich finde fürder feine Ruh’
Im weichen Knabenitand;
Ich ſtürb', o Vater, ſtolz wie du,
Den Tod fürs Vaterland!
3. Schon früh in meiner Kindheit war
Mein täglich Spiel der Krieg;
Im Bette träumt' ich nur Gefahr
Und Wunden nur und Sieg.
4. Mein Feldgeſchrei erweckte mich
Aus mancher Türkenſchlacht;
Noch jüngſt ein Fauſtſchlag, welchen ich
Dem Baſſa zugedacht!
5. Da neulich unſrer Krieger Schar
Auf dieſer Straße zog
Und, wie ein Vogel, der Huſar
Das Haus vorüberflog;
10
30
zer. dT
6. Da gaffte ftare und. freute ſich
Der Knaben froher Schwarm;
Ich aber, Vater, härmte mich
Und prüfte meinen Arm.
7. Mein Arm iſt ſtark und groß mein Muth;
Gieb, Vater, mir ein Schwert!
Berachte nicht mein junges Blut;
Sch bin der Väter wert.
8.£.». Stolberg. (1774.)
35. Der Meine Hydriot.
Ich war ein Kleiner Knabe, ftand feſt kaum auf dem Bein,
Da nahm mich ſchon mein Vater mit in das Meer hinein
Und lehrte leicht mich ſchwimmen an feiner fihern Hand
Und in die Fluten tauchen bis nieder auf den Sand.
Ein Silberftüdchen warf er dreimal ind Meer hinab,
Und dreimal mußt” ich’3 holen, eh’ er's zum Lohn mir gab.
Dann reiht” er mir ein Ruder, hieß in ein Boot mich gehn;
Er jelber blieb zur Seite mir unverdrofien ftehn,
Wied mir, wie man die Woge mit fharfem Schlage bricht,
Wie man die Wirbel meidet und mit der Brandung ficht.
Und von dem kleinen Kahne ging's flugs ins große Schiff;
Es trieben und die Stürme um mandes Felfentiff.
Ich ſaß auf hohem Mafte, ſchaut' über Meer und Land,
Es jchwebten Berg’ und Türme vorüber an dem Strand.
Der Vater hieß mich merken auf jedes Vogels Flug,
Auf aller Winde Wehen, auf aller Wollen Zus;
Und bogen dann die Stürme den Maft bis in die Flut,
Und fpristen dann die Wogen hoch über meinen Hut,
Da ſah der Vater prüfend mir in das Angefiht, —
Ich ſaß in meinem Korbe und rüttelte mi nicht.
Da ſprach er, und die Wange ward ihm mie Blut fo rot:
„Glück zu, auf deinem Mafte, du kleiner Hybriot!“
Und heute gab der Pater ein Schwert mir in die Hand
Und weihte mich zum Kämpfer für Gott und Vaterland.
Er maß mid mit den Bliden vom Kopf bis zu den Zeh'n;
Mir war's, ala thät’ jein Auge hinab ins Herz mir jehn.
Ich hielt mein Schwert gen Himmel und jhaut’ ihn ficher an
Und deuchte mih zur Stunde nicht fchledhter als ein Mann.
Da fprah er, und die Wange warb ihm wie Blut jo vot:
„Glück zu, mit deinem Schmwerte, du Heiner Hydriot!“
mild. Müller.
— AB.
36. Des Kuaben Berglies.
1. Ich bin vom Berg der Hirtenfnab’,
Seh’ auf die Schlöfjer all’ herab;
Die Sonne ftrahlt am erſten hier,
Am längften weilet fie bei mir:
Sch bin der Knab’ vom Berge!
2. Hier ift des Stromes Mutterhaug,
Ich trink' ihn friſch vom Stein heraus;
Er brauft vom Fels in wilden Lauf,
Ich fang’ ihn mit den Armen auf:
Ich bin der Knab' vom Berge!
3. Der Berg, der ift mein Eigentum,
Da ziehn die Stürme rings herum;
Und heulen fie von Nord und Süd,
So überſchallt fie doch mein Lieb:
Ich bin der Knab' von Berge!
4. Sind Blitz und Donner unter mir,
So fteh’ ih bo im Blauen bier;
Ich kenne fie und rufe zu:
Laßt meines Vaters Haus in Ruh!
Ich bin der Anab’ vom Berge!
5. Und wann die Sturmglod’ einſt erichallt,
Manch Feuer auf den Bergen wallt,
Dann jteig’ ich nieder, tret' ins Glied
Und ſchwing' mein Schwert und fing’ mein Lied:
Ich bin der Knab’ vom Berge!
— — — — —
£. Ubland. (1806.
37. Das Spinnlein,
Il Alemanniſch.
1. Nei, lueget doch das Spinnli a,
Wie's zarti Fäde zwirne cha!
Bas Gvatter, meinſch, chaſch's au ne jo?
De wirſch mers, traui, blibe lo.
Es machts ſo ſubtil und ſo nett,
J wott nit, aßi 's z'hasple hätt.
2. Wo hets di fine Riſti g'no,
Bi wellem Meiſter hechle lo?
Meinſch, wemme 's wüßt, wohl mengi Frau,
——
Sie wär ſo gſcheit und holti au!
Jez lueg mer, wie's ſie Füeßli ſetzt,
Wie's d'Ermel ſtreift und d'Finger netzt.
3. Es zieht e lange Faden us,
Es ſpinnt e Bruck ans Nochbers Hus,
Es baut e Landſtroß in der Luft,
Morn hangt fie ſcho voll Morgebuft,
Es baut e Fueßweg nebe dra,
's iſch, aß es ehne dure cha.
4. Es ſpinnt und wandlet uf und ab,
Potz taufig, im Galopp und Trab! —
Jez gohts rings um, mas heich, mas giſch!
Siehſch, wie ne Ringli worden iſch!
Jez ſchießt es zarti Fäden i,
Wirds öbbe Tolle gwobe ſy?
5. Es iſch verjtuunt, es haltet ftill,
Es weiß nit recht, wo 's ane will.
's gobt weger z'ruck, i fieh’3 em a:
’8 mueß näumis rechts vergefle ha.
Zwor denkt es: „Sell prejjiert io nit,
3 Halt mi nummen uf dermit.“
6. Es fpinnt und mwebt, und het kei Raft,
So gliichlig, me verluegt fi faft.
Und ’3 Pfarrers Chriftoph het no gieit,
’8 feig iede Fade z'ſemme gleit.
Es mueß ein gueti Auge ha,
Wers zehlen und erchenne da.
7. Jez putzt es fint Hänbli ab,
Es ſtoht und haut der Faden ab.
Jez ſitzt es in ſi Summerhus
Und luegt in die lange Stroßen us.
Es ſeit: „Me baut ſi halber z'Tod,
Doch freuts ein au, wenn 's Hüsli ſtoht.“
8. In freie Lüfte wogt und ſchwankts,
Und an der liebe Sunne hangts;
Sie ſchint em frei dur d’Bemli dur,
Und 's ich em wohl. In Feld und Flur
Sieht 's Müdli tanze iung und feiß;
's denkt bi nen felber: „Hätti eis!“
9. D Tierli, wie hefch mi verzüdt!
Wi biſch fo chlei und doch fo gſchickt!
— 50 —
Wer het di au die Sache glehrt?
Denk wol, Der, wonis alli nährt,
Mit milde Händen alle git.
Bis z’frieden! Er vergißt di nit.
10. Do chunnt e Fliege! Nei wie dumm!
Sie rennt em ſchier gar ’3 Hüsli um,
Sie fchreit und winflet Weh und Ad!
Du armer Cheter heſch di Sad!
Heſch keini Auge bi der g’ha?
Mas göhn di üfi Sachen a?
11. Lueg, 's Spinnli merkts enanderno,
Es zudt und fpringt und bet fie fcho.
Es denft: „J ha viel Arbet g'ha,
Jez mueßi au ne Brotis hal“
J ſags io: Der, wo alle git,
Wenns Zit iſch, er vergißt ein nit.
p. Debel.
ID. Hochdeutſch.
1. Nein, ſeht mir doch das Spinnlein an,
Wie's zarte Fäden zwirnen Tann!
Gelt, Bafe, das verftehft du nicht?
Ich ſag' es breift dir ins Gefidt.
Es macht's jo niedlih und fo nett;
Möcht' nit, daß ich's zu haſpeln hatt’.
2. Wo nahm’3 den Flachs jo zart und fein?
Bet wen mag er gehedhelt fein?
Gar mande rau, das glaube mit,
Ging’ aud dahin, wenn man's erführ. —
Jetzt fieh nur, wie's fein Füßchen ſetzt,
Den Ärmel ſtreift, die Finger netzt!
3. Jetzt zieht's den langen Faden aus,
Zieht eine Brüd’ an Nachbars Haus,
Baut eine Landftraß’ in die Luft,
Die morgen hängt voll friſchem Duft,
Baut einen Fußweg neben dran,
Daß bier und da es wandeln kann.
4. Es fpinnt und wandelt auf und ab,
Voß taufend im Galopp und Trab! —
Seht geht's rings um — mo an, wo aus? —
Nun bildet fih ein Ringlein draus!
Zu.
Seht ſchießt es zarte Fäden ein;
Sollt's etwa gar gewoben fein?
5. Jetzt iſt's erftaunt, jetzt hält es ftill
Und weiß nicht recht, wohin es will;
Es geht zurüd, man fieht’3 ihm an,
Was Wicht'ges fehlt ihm noch daran.
Do denkt's: „Es bat damit nit Ei,
Ich Halte mich nur auf derweil'.“
6. Es fpinnt und mebt ohn’ Ruh und Raſt,
So gleichwmeg; man vergudt fi faft.
Des Pfarrer Hans jagt obendrein,
Zehnfach ſoll jeder Faden fein;
Doch glaub’ ich's nicht; derm fagt mir an,
Wes Aug’ es fehn und zählen kann!
7. Set pubt es feine Händchen ab,
Steht fill und reißt den Faden ab;
Jetzt ſitzt's in feinem Sommerhaus,
Schaut auf die lange Straß' hinaus
Und ſpricht: „Man baut ſich halb zu Tod';
Doch ſteht das Haus, iſt all' die Not!“
8. Es wogt und ſchwankt in freier Luft,
Im Sonnenlicht, im weichen Duft,
Und jeder Strahl umſpielt es frei —
Dem Spinnlein iſt ſo wohl dabei.
Es fieht dem Tanz der Mücklein zu
Und denkt ſich: „Käm' doch eins herzu!“
9. O Tierlein, haſt mein Herz entzückt;
So klein und dennoch ſo geſchickt!
Wer hat dich ſolche Kunſt gelehrt?
Ich denk', Er, der uns alle nährt,
Der mild und gnädig alle liebt
Und, glaub's, auch dir dein Teilchen giebt.
10. Sieh da die Fliege! Nein, wie dumm!
Sie rennt ihm faſt das Häuschen um.
Nun fleht und ſchreit ſie Weh und Ach!
Ja, Ketzerin, du treibſt's danach!
Mit offnen Augen muß man ſehn
Und nie in fremde Grenzen gehn.
11. Schau nur! das Spinnlein merkt's geſchwind,
Es zuckt, es ſpringt — hat's wie der Wind
4*
us 359 Set
Und denkt: „Ich hatte Muh' und Not,
Nun ſchmeckt mir auch mein Abendbrot.“
Drum fag’ ih ja: „Zur rechten Friſt
Sorgt Gott, der Teinen je vergibt.“
(Überfegt von Echtermexer.)
38. Sonutagsfräße.
1. Alemanniſch.
1. Der Samstig het zum Sunntig gieit:
„Jez hani alli fchlofe gleit; _
Si fin vom Schaffe her und hi
Gar ſölli müc und fhlöhig gſi,
Und ’3 goht mer fchier gar felber Io,
Ich cha faft uf kei Bei me ftoh.“
2. So feit er, und wo's zwölfi ſchlacht,
Se ſinkt er aben in d’Mitternadit.
Der Sunntig feit: „Jez iſch's an mir!“
Gar ftil und heimli bſchließt er d'Thür.
Er düfelet hinter d’Sterne no
Und da ſchier gar nit obfi cho.
3. Doch endli ribt er d'Augen us,
Er chunnt der Sunn an Thür und Hus;
Sie ſchloft im Stille Chämmerli;
Er pöpperlet am Lädemli,
Er rüeft der Sunne: „D’Zit iſch do!“
Sie fett: „I dumm enanderno.” —
4. Und lisli uf de Zeeche goht
Und heiter uf de Berge ftoht
Der Sunntig, und ’3 jchloft alles no;
Es fieht und Hört en niemes goh;
Er chunnt ind Dorf mit jtilem Tritt
Und winkt em Guhl: „Verrot mi nit!“
5. Und wemmen endli au verwacht
Und gſchlofe het die ganzi Nacht,
So ftoht er do im Sunneſchi
Und Iuegt eim zu de Fenftern i
Mit finen Auge, mild und guet,
Und mitten Meyen uffem Huet.
6. Drum meint er’3 treu, und mas 1 fag,
Es freut en, wemme ſchlofe mag
Und meint, es feig noch dunkel Nacht,
Wenn d'Sunn am heitre Himmel ladıt.
Drum ih er au fo lisli cho,
Drum ſteht er au fo liebli do.
7. Wie gligeret uf Gras und Laub
Vom Morgetau der Silberftaub!
Wie weiht e friſche Maieluft,
Bol Chriefiblueft und Schleecheduft!
Und d'Immli ſammle flink und friſch,
Sie wüſſe nit, aß 's Sunntig iſch.
8. Wie pranget nit im Gartenland
Der Chriſiebaum im Maigewand!
Gelveieli und Tulipa
Und Sterneblueme nebe dra
Und gfüllti Zinkli, blau und wiiß!
Me meint, me lueg ins Paradies!
9. Und 's iſch ſo ſtill und heimli do,
Men iſch ſo rüeihig und ſo froh!
Me hört im Dorf kei Hüſt! und Hott!
E Guete Tag! und Dank der Gott!
Und 's git gottlob e ſchöne Tag!
Sich alles, was me höre mag.
10. Und ’3 Bögeli feit: „Frili io!
Pot taufig, io, do ich er ſcho!
Er dringt io in fiim Himmelsglaft
Dur Blueft und Laub in Hurft und Naft!“
Und 's Diſtelzwigli vorne dra
Het 's Sunntigröckli au ſcho a.
11. Sie lüte weger ’3 Zeiche ſcho,
Der Pfarrer, ſchint's, will zitli cho.
Gang, brech mer eis Aurilli ab,
Verwüſchet mer ber Staub nit drab;
Und Chüngeli, leg di weibli a,
De mueſch derno ne Meye ha!
D. Rebel.
U. Hodbeutid.
1. Der Samstag hub zum Sonntag an:
„seht ruhn fie alle, Nachbarsmann!
Sie find vom Schaffen her und hin
Gar weiblich müb’ an Seel’ und Sim;
zen Bi Ze
Mir felbft will's bald nicht beſſer gehn,
Kann kaum no auf den Beinen jtehn.“
2. Er ſpricht's, und von der Mitternacht
Wird er nun aud ins Bett gebradt.
Der Sonntag fpridt: „Jetzt iſt's an mir!“
Gar heimlich ſchließt er feine Thür.
Schlaftrunken noch und gar gemad)
Schwankt er den Sternlein hinten nad).
3. Doc jebt reibt er die Augen aus
Und fommt der Sonn’ an Thür und Haus;
Sie ſchläft im ftillen Kämmerlein.
Er Hopft und pocht am Yenfterlein
Und ruft ihr zu: „'s ift an der Zeit!”
Die Sonne fagt: „Bin auch bereit.”
4. Und leife auf den Zehen gebt
Und heiter auf den Bergen fteht
Der Sonntag. Und das Thal entlang
Schläft alles no; mit ftilem Gang
Tritt er ind Dorf Binein und ſpricht
Zum Hahne: „Du, verrat’ mich nicht!“
5. Wenn alles endlich iſt erwacht,
Geſchlafen hat die ganze Nacht,
So ftebt er da im Sonnenjcein,
Gudt zu den Yenftern uns herein
Mit ſeinen Augen, mild und gut,
Und mit dem Sträußchen auf dem Hut.
6. Drum meint er's treu, und was ich ſag',
Es freut ihn, wenn man ſchlafen mag
Und meint, es fei noch dunkle Nadt,
Wann längft die Sonn’ am Himmel lacht.
Drum fam er aud fo leis beran
Und fieht jo lieblich jebt uns an.
7. Wie gligert rings auf Gras und Laub
Vom Morgentau der Silberjtaub!
Wie weht jo friſche Matenluft
Bol Kirſchenblüt' und Schlehenduft!
Und’s Bienlein jammelt ohne Friſt;
Es weiß nicht, daß es Sonntag ift.
8 Mie prangt nicht in dem Gartenland
Der Kirſchenbaum im Maigewand!
ee HRBr
Und blaue Beilden, Tulipan’ .
Und Sternenblümchen nebendran
Und Hyacinthen, daß man traun
Meint, in das Paradies zu ſchaun!
9. Umnd's ift fo Still und heimt uns fo,
Man ift fo ruhig und jo froh.
Man hört im Dorf kein Hüft! und Hott!
Nur guten Tag und Danf euch Gott!
Und Gott fei Lob! ein Tchöner Tag!
Iſt alles, was man hören mag.
10. Und's Vöglein fagt: „Ei freilich ja!
Potz tauſend, ja, er ift ſchon ba!
Er dringt mit feinem Himmelsftrahl
Durch Blüt' und Laub in Berg und Thal!“
Und’s Diftelfinlchen vorne an
Hat's Sonntagsröckchen angethan.
11. Wie? Läuten fie nicht da ſchon ein?
Der Pfarrer muß heut eilig fein.
Geh, brich ein paar Aurifeln ab;
Doch wiih mir ja den Staub nicht ab,
Und prangft du, Gundel,* in dem Staat,
Halt’ ih ein Sträußchen dir parat!
(Überfegt von Echtermeyer.)
39. Des fremden Kindes Heiliger Chriſt.
1. Es läuft ein fremdes Kind
Am Abend vor Weihnachten
Durch eine Stabt geſchwind,
Die Lichter zu betrachten,
Die angezündet find.
2. Es fteht vor jedem Haus
Und fieht die hellen Räume,
Die drinnen ſchaun heraus,
Die lampenvollen Bäume;
Weh wirb’3 ihm überaus.
3. Das Kindlein weint und |pridt:
„Ein jedes Kind hat heute
Ein Bäumden und ein Licht
Und Bat dran feine Freude,
Nur bloß ich armes nicht.
Gundel, Bertiemerungsform von Kunigunde.
— 56 —
4. An der Geichwifter Hand,
Als ich daheim gejeflen,
Hat es mir auch gebrannt;
Doch hier bin ich vergeflen,
In diefem fremden Land.
5. Läßt mich denn niemand em
Und gönnt mir au ein Fledchen?
In all’ den Häuferreihn
Iſt denn für mid) Tein Eckchen,
Und mär’ e8 noch fo Hein?
6. Läßt mich denn niemand ein?
Ich will ja felbit nichts haben;
Ich will ja nur am Schein
Der fremden Weihnachtsgaben
Mid laben ganz allein.“
7. Es Hopft an Thür und Thor,
An Fenfter und an Laden;
Doch niemand tritt hervor,
Das FKindlein einzuladen;
Sie haben drin Fein Ohr.
8. Ein jeber Vater lenkt
Den Sinn auf feine Kinder;
Die Mutter fie beſchenkt,
Denkt fonft nichts mehr, nichts minder;
Ans Kindlein niemand denft.
9. „OD lieber heil’ger Chrift,
Nicht Mutter und nit Vater
Hab’ ih, wenn du's nicht bift!
O fei du mein Berater,
Weil man mich hier vergißt!“
10. Das Kindlein reibt die Hand,
Sie ift von Froft erftarret;
Es kriecht in fein Gewand
Und in dem Gäßlein harret,
Den Blid hinaus gewandt.
11. Da fommt mit einem Licht
Durchs Gäßlein hergemallet,
Im weißen Kleide fchlicht,
Ein ander Kind; — mie fchallet
Es lieblich, da es ſpricht:
m. 5 Zee
12. „„Ich bin der heil'ge Chrift!
War auch ein Kind vorbefien,
Wie du ein Kinblein bift;
Sch will dich nicht vergeffen,
Wenn alles dich vergißt.
13. Ich bin mit meinem Wort
Bei allen gleichermaßen;
Ich biete meinen Hort
So gut hier auf den Straßen,
Wie in den Zimmern dort.
14. 35 will dir deinen Baum,
Fremd Kind, bier laſſen fchimmern
Auf diefem offnen Raum,
So ſchön, daß die in Zimmern
So ſchön fein Sollen kaum.““
15. Da deutet mit der Hand
Chriftfindlein auf zum Himmel,
Und droben leuchtend ftand
Ein Baum voll Sterngewimmel,
Bieläftig ausgeſpannt.
16. So fern und dod fo nah,
Wie funtelten die Kerzen!
Wie mard dem Kinblein da,
Dem fremden, ftill zu Herzen,
Da's feinen Chriftbaum fah!
17. €3 ward ihm wie ein Traum;
Da Iangten bergebogen
Englein herab vom Baum
Zum Kindlein, das fie zogen
Hinauf zum lihten Raum.
18. Das fremde Kinblein ift
Zur Heimat nun gefehret
Bei feinem beil’gen Chrift;
Und mas hier wird beicheret,
Es dorten Feicht vergißt.
3. Rücert.
— BR —
40. Das kraule Kind.
1. Die Gegend lag ſo helle,
Die Sonne ſchien ſo warm;
Es ſonnt ſich auf der Schwelle
Ein Kindlein, krank und arm.
2. Geputzt zum Sonntag heute
Ziehn ſie das Thal entlang;
Das Kind grüßt alle Leute,
Doch niemand ſagt ihm Dank.
3. Viel Kinder jauchzen ferne,
So ſchön iſt's auf der Welt!
Ging' auch ſpazieren gerne,
Doch müde ſtürzt's im Feld.
4. „Ach Vater, liebe Mutter,
Helft mir in meiner Not.“ —
Du armes Kind! die ruhen
Ja unterm Graſe tot.
5. Und ſo im Gras alleine
Das kranke Kindlein blieb,
Fragt' keiner, was es weine,
Hat jeder ſein's nur lieb.
6. Die Abendglocken klangen
Schon durch die ſtille Welt,
Die Engel Gottes ſangen
Und gingen übers Feld.
7. Und als die Nacht gekommen
Und alles das Kind verließ,
Sie haben’3 mitgenommen,
Nun ſpielt's im Paradies.
I. v. Cichendorf.
41. Ried eines Armen,
1. 35 bin fo gar ein armer Mann
Und gehe ganz allein;
Sch möchte wohl nur einmal nod
Recht frohen Mutes fein.
2. In meiner lieben Eltern Haus
War ih ein frohes Kind;
— 9—
Der bittre Kummer iſt mein Teil,
Seit fie begraben find.
3. Der Reichen Gärten ſeh' ich blühn,
Sch ſeh' Die goldne Saat;
Mein ift der unfruchtbare Mes,
Den Sorg’ und Mühe trat.
4. Dod weil’ ich gern mit ftilem Web
Sn froher Menſchen Schmarm
Und wünſche jedem guten Tag,
So herzlich und fo warm.
5. O reicher Gott! du ließeſt doch
Nicht ganz mich freudenleer:
Ein füßer Troft für alle Welt
Ergießt ſich himmelher.
6. Noch ſteigt in jedem Dörflein ja
Dein heilig Haus empor;
Die Orgel und der Chorgeſang
Ertönet jedem Ohr.
7. Noch leuchtet Sonne, Mond und Stern
So liebevoll auch mir,
Und wann die Abendglocke hallt,
Da red' ich, Herr, mit dir.
8. Einſt öffnet jedem Guten ſich
Dein hoher Freudenſaal;
Dann komm' auch ich im Feierkleid
Und ſetze mich ans Mahl.
£. Udland. (1806.)
Frau Hitt.
1. Wo ſchroff die Straße ſchwindlig⸗ jäh
Hernieder leitet zum Inn,
Dort ſaß auf ber mächtigen Bergeshöh'
Am Weg eine Bettlerin.
2. Ein nacktes Kindlein lag ihr im Arm
Und ſchlummert' in ſüßer Ruh,
Die zärtliche Mutter hüllt' es warm
Und wiegt’ es und ſeufzte dazu:
— 60 —
3. „Du freundlicher Knabe, du liebliches Kind,
Dich zieh' ich gewiß nicht groß,
Biſt ja der Sonne, dem Schnee und dem Wind
Und allem Elend bloß.
4. Zur Speiſe haſt du ein hartes Brot,
Das ein andrer nimmer mag,
Und wenn dir jemand ein Äpflein bot,
Sp war e8 dein befter Tag.
5. Und blidt doch, du Armer, dein Auge Hold,
Wie des Junkers Auge fo Kar,
Und ift doch dein Haar fo reines Gold,
Wie des reichiten Knaben Haar!“
6. So Hagte fie bitter und meinte ehr,
Als Lärmen ans Ohr ihr fchlug;
Mit Jauchzen trabte die Straße einher
Ein glänzender Reiterzug.
7. Boran auf falbem, ſchnaubendem Roß
Die herrlichſte aller Frau'n,
Im Mantel, der ftrahlend vom Naden ihr floß,
Wie ein fchimmernder Stern zu ſchaun.
8. Die ftrahlende Herrin war rau Hitt,
Die Reichite im ganzen Land,
Doch auch die Ärmſte an Tugend und Sit’,
Die rings im Lande man fand.
9. hr Goldroß hielt die Stolge an
Und hob fih mit leuchtendem Blid
Und ſpähte hinunter und ſpähte Binan
Und mandte fih dann zurüd:
10. „Blidt rechts, blickt links hin in die Yern’,
Blidt vor: und rückwärts herum!
So meit ihr überall fchaut, ihr Herrn,
Sit all mein Eigentum.
11. Biel tapfre Vafallen gehorhen mir,
Beim erften Win bereit;
Fürwahr, id bin eine Fürftin bier,
Und fehlt nur das Purpurkleid!“
12. Die Bettlerin hört's und rafft ſich auf
Und Steht vor der Schimmernben ſchon
Und hält den weinenden Knaben hinauf
Und fleht in kläglichem Ton:
e-BE
13. „OD febt dies Kind, des Jammers Bild,
Erbarmet, erbarmet Euch fein,
Und hüllet da3 zitternde Würmlein mild
In ein Stückchen Linnen ein!“
14. „„Weib, bift du raſend?““ zümt die rau,
„„Wo nähm’ ich Linnen her?
Nur Seid’ iſt al’, was an mir ich ſchau',
Bon funlelndem Golde jchmer.” “
15. „Gott büte, daß ich begehren follt’,
Was fremde mein Mund nur nemnt!
D, fo gebt mir, gebet, was Ahr wollt,
Und was Ahr entbehren könnt!“
16. Da ziehet Frau Hitt ein hämiſch Geficht
Und neigt fi zur Seite hin
Und bricht einen Stein aus der Felſenſchicht
Und reiht ihn der Bettlerin.
17. Da ergreift die Verachtete wütender Schmerz,
Sie ſchreit, daß die Felswand dröhnt:
„O würdeſt du ſelber zu hartem Erz,
Die den Jammer der Armen höhnt!“
18. Sie ſchreit's, und der Tag verkehrt ſich in Nacht,
Und heulende Stürme ziehn,
Und brüllender Donner rollt und kracht,
Und ziſchende Blitze glühn.
19. Den ſtutzenden Falben ſpornt Frau Hitt —
„Ei, Wilder, was biſt du fo faul?”
Sie treibt ihn durch Hieb’ und Stöße zum Nitt,
Doch fühllos fteht der Gaul.
20. Und plötlich fühlt fie ſich ſelbſt erichlafft
Und gebroden den Teden Mut;
In jeglicher Sehne ftirbt die Kraft,
Sn den Adern ſtockt das Blut.
21. Herunter will fie fich Schwingen vom Roß,
Doch verfagen ihr Fuß und Hand!
Entjegt will fie rufen den Rittertroß,
Doh die Zunge ift feit gebannt!
22. Ihr Antlig wird fo finfter und bleich,
Ihr herriſches Aug’ erftarrt,
Ihr Leib, ſo glatt und zart und weich,
Wird grau und rauh und hart.
— 760: Aa
23. Und unter ihr fireden fih Felſen hervor
Und heben vom Boden fie auf
Und wachſen und fteigen riefig empor,
In die ſchaurige Nacht hinauf.
24. Und droben figt, ein Bild von Stein,
Frau Hitt im Donnergeroll
Und fchaut, umzückt von der Blige Schein,
Ins Land fo graufenvoll.
Egon Ebert.
43. Ber getrene &dart.
1. „OD wären wir meiter, o wär’ ih gu Haus!
Sie kommen, da kommt fon der nächtliche Graus!
Sie find’3 die unholdigen Schweitern.
Sie ftreifen beran, und fie finden uns bier,
Sie trinfen das mühſam geholte, das Bier,
Und laſſen nur leer und die Krüge.“
2. So Sprechen die Kinder und drüden ſich ſchnell.
Da zeigt fih vor ihnen ein alter Geſell:
„Nur ftile, Kind! Kinderlein, ſtille!
Die Hulden fie Tommen von durftiger Jagd;
Und laßt ihr fie trinten, wie's jeder behagt,
Dann find fie euch hold die Unholden.“
3. Geſagt, fo geichehn! und da naht fi der Graus
Und fiehet jo grau und fo fchattenhaft aus,
Doch ſchlürft es und fchlampft e8 aufs beite.
Das Bier tft verſchwunden, die Krüge find leer;
Nun fauft e8 und brauft e8, das wütige Heer,
Ins weite Gethal und Gebirge.
4. Die Kinderlein ängftlich gen Haufe fo fchnell,
Gefellt fih zu ihnen der fromme Gefell:
„Ihr Püppchen, nur feid mir nit traurig!" —
„„Wir Triegen nun Scelten und Streich' bis aufs Blut.““ —
„Nein keineswegs, alles geht berrlih und aut;
Nur ſchweiget und horchet wie Mäuslein!
5. Und der ed euch anrät und der es befiehlt,
Er ift es, der gern mit ben Kindelein fpielt,
Der alte Getreue, der Edart.
en. @0; ee
Vom Wundermann bat man euch immer erzählt,
Nur bat die Betätigung jedem gefeblt;
Die habt ihr nun Föftlih in Händen.“
6. Sie kommen nah Haufe, fie feßen den Krug
Ein jedes den Eltern beſcheiden genug
Und Barren der Schläg’ und der Schelten.
Doch fiehe! man koſtet: „Ein herrliches Bier!“
Man trinkt in der Runde ſchon dreimal und vier,
Und noch nimmt der Krug nicht ein Ende.
7. Das Wunder es dauert zum morgenden Tag;
Doch fraget, mer immer zu fragen vermag:
Wie ift’3 mit den Krügen ergangen?
Die Mäuslein fie lächeln, im ftillen ergößt;
Sie ftammeln und ftottern und fchwagen zuleßt,
Und gleich find vertrodnet die Krüge.
8 Und wenn euch, ihr Kinder, mit treuem Geficht
Ein Bater, ein Lehrer, ein Aldermann fpricht,
So horchet und folget ihm pünktlich!
Und liegt auch das Zünglein in peinliher Hut,
Berplaudern ift ſchädlich, verjchweigen iſt gut;
Dann füllt fih das Bier in den Krügen.
m. v. Goethe. (1813.)
44. Hochzeitlied.
1. Wir fingen und fagen vom Grafen fo gern,
Der bier in dem Schloffe gehaufet,
Da wo ihr den Entel des feligen Herrn,
Den heute vermäbhlten, befchmaujet.
Nun Hatte fih jener im heiligen Krieg
Zu Ehren geftritten durch mannigen Sieg;
Und ala er zu Haufe vom Röſſelein ftieg,
Da fand er fein Schlöfielein oben,
Doch Diener und Habe zeritoben.
2. Da bift du nun, Gräflein, da bift du zu Haus,
Das Heimifche findeft du ſchlimmer!
Zum Fenfter da ziehen die Winde hinaus,
Sie fommen durch alle die Zimmer.
Was wäre zu thun in der herbftlihen Nacht?
So hab’ ich doch manche noch Schlimmer vollbracht,
— 64 —
Der Morgen hat alles wohl beſſer gemacht.
Drum raſch bei der mondlichen Helle
Ins Bett, in das Stroh, ins Geſtelle.
3. Und als er im willigen Schlummer ſo lag,
Bewegt es ſich unter dem Bette.
Die Ratte die raſchle, ſo lange ſie mag!
Ja, wenn ſie ein Bröſelein hätte!
Doch ſiehe! da ſtehet ein winziger Wicht,
Ein Zwerglein ſo zierlich mit Ampelenlicht,
Mit Rednergebärden und Sprechergewicht
Zum Fuß des ermüdeten Grafen,
Der, ſchläft er nicht, möcht' er doch ſchlafen.
4. „Wir haben ung Feſte hier oben erlaubt,
Seitdem du die Zimmer verlaffen;
Und meil wir dich in der Ferne geglaubt,
So dadten wir eben zu praffen.
Und wenn bu vergönneft und wenn dir nicht graut,
So ſchmauſen die Zwerge behaglich und laut,
Zu Ehren der reichen, der niedlichen Braut.“
Der Graf im Behagen des Traumes:
„Bedienet euch immer des Raumes!“
5. Da kamen brei Reiter, fie reiten hervor,
Die unter dem Bette gehalten;
Dann folget ein fingendes, klingendes Chor
Poſſierlicher, kleiner Geftalten
Und Wagen auf Wagen mit allem Gerät,
Daß einem ſo Hören und Sehen vergeht,
Wie's nur in den Schlöſſern der Könige ſteht;
Zuletzt auf vergoldetem Wagen
Die Braut und die Gäſte getragen.
6. So rennet nun alles in vollem Galopp
Und kürt fih im Saale fein Plägchen;
Zum Drehen und Walzen und Iuftigen Hopp
Erliefet fich jeder ein Schätchen.
Da pfeift e8 und geigt es und Flinget und klirrt,
Da ringelt’3 und fchleift e8 und raufhet und wirtt,
Da piſpert's und kniſtert's und flüftert'8 und ſchwirrt;
Das Gräflein, es blicket hinüber,
Es dünkt ihn, als läg’ er im Fieber.
7. Nun dappelt’3 und rvappelt’3 und klappert's im Saal
Bon Bänken und Stühlen und Tischen,
Da will nun ein jeder am feftlihen Mahl
2, 6b
Sich neben dem Liebchen erfriichen.
Sie tragen die Würfte, die Schulen jo Hein
Und Braten und Fiſch und Geflügel herein;
Es kreiſet beftändig der köſtliche Wein;
Das tofet und koſet jo lange,
Verſchwindet zulett mit Gejange.
8. Und follen wir fingen, was meiter gefchehn,
So ſchweige da8 Toben und Tofen;
Denn was er fo artig im Heinen gefehn,
Erfuhr er, genoß er im großen.
Trompeten und klingender, fingender Schall
Und Wagen und Reiter und bräutlicher Schwall,
Sie fommen und zeigen und neigen ſich al”,
Unzählige, jelige Leute.
So ging es und geht es noch heute. |
m. v. Goethe. 11802 )
45. Das Rieienipielzeng.
1. Burg Nieded ift im Elfaß der Sage mwohlbelannt,
Die Höhe, mo vorzeiten die Burg der Rieſen ftand;
Sie felbft ift nun verfallen, die Stätte wüft und leer,
Zu frageft nach den Riefen, du findeft fie nicht mehr.
2. Einft fam das Riefenfräulein aus jener Burg hervor,
Erging fih fonder Wartung und fpielend vor dem Thor
Und flieg hinab den Abhang bis in das Thal Binein,
Neugierig zu erfunden, wie's unten möchte fein.
3. Mit wen’gen raſchen Schritten durchkreuzte fie den Wald,
Erreihte gegen Haslach das Land der Menfchen bald,
Und Städte dort und Dörfer und das beftellte Feld
Eridienen ihren Augen gar eine fremde Welt.
4. Wie jetzt zu ihren Füßen fie ſpähend nieberfchaut,
Demerkt fie einen Bauer, der feinen Ader baut;
Es kriecht das Heine Weſen einher fo fonderbar,
E3 gligert in der Sonne der Pflug fo blank und klar.
5. „Ei! artig Spielding!* ruft fie, „das nehm’ ich mit nad Haus!“
Sie fnieet nieder, fpreitet behend ihr Tüchlein aus
Und feget mit den Händen, was ſich da alles regt,
Zu Haufen in das Tüchlein, das fie zufammenfchlägt,
5
— 66 —
6. Und eilt mit freud'gen Sprüngen — man weiß, wie Kinder ſind
Zur Burg hinan und ſuchet den Vater auf geſchwind:
„Ei Vater, lieber Vater, ein Spielding wunderſchön!
So Allerliebſtes ſah ich noch nie auf unſern Höhn.“
7. Der Alte ſaß am Tiſche und trank den Fühlen Wein,
Er fchaut fie an behaglich, er fragt das Töchterlein:
„Mas Bappeliges bringit du in deinem Tuch herbei?
Du büpfeft ja vor Freuden; laß jehen, was es fei.“
8 Sie fpreitet aus das Tüchlein und fängt behutfam an
Den Bauer aufzuftellen, den Pflug und das Geipann;
Wie alles auf dem Tifche fie zierlich aufgebaut,
So klatſcht fie in die Hände und fpringt und jubelt laut.
9. Der Alte wird gar ernfthaft und wiegt fein Haupt und |pricht:
„Was haft du angerichtet? Das ift Fein Spielzeug nicht!
Wo du es bergenommen, da trag es wieder Bin!
Der Bauer ift fein Spielzeug; was kommt dir in den Sinn?
10. Solft gleih und ohne Murren erfüllen mein Gebot;
Denn wäre nicht der Bauer, fo hätteft du Fein Brot!
Es ſprießt der Stamm der Riefen aus Bauernmarkt hervor,
Der Bauer ift Fein Spielzeug, da fei uns Gott davor!“
11. Burg Niebed ift im Elfaß der Sage mwohlbelannt,
Die Höhe, wo vorzeiten die Burg der Riefen ftand;
Sie jelbft ift nun verfallen, die Stätte wüſt und leer,
Und fragft du nad den Riefen, du findeft fie nicht mehr.
4. v. Ehbamtiffo. (1831.)
46. Des Leinen Volles Überfahrt.
1. „Steh auf, fteh auf! Es pocht and Haus!“
„ „Tipp, tipp!" * „Mer mag das fein?”
Der alte Fährmann geht hinaus;
„„Tipp, tipp!" * „Mer mag das jein?“
Nichts fieht er — halb nur fcheint der Mond;
Die Sade deucht ihm ungewohnt.
Da flüftert es fein:
„„O Fährmanı mein,
Mir find ein winzig Völkelein
Und haben Weib und Kindelein.
Fahr’ über uns, die Müh’ iſt Hein,
Und jedes zahlt fein SHellerlein.
Es lärmt zu fehr im Lande,
Wir wollen zum andern Strande.
D
ine OT
Unheimlich wird’3 an biefem Drt,
Es gellt bier zu viel Hammerfchlag
Und ſchießt und teommelt fort und fort,
Die Gloden läuten Tag für Tag!” “
Der Fährmann fteigt in feinen Kahn:
„Ich will euch fahren, kommt heran!
Werft ohne Betrug
Das Geld in den Krug!“ —
O welden Lärm vernahm er da,
Obwohl er nichts am Ufer fah!
Er wußte nidt, wie ihm gefchah,
Es Hang wie fern und war doch nah,
Zehntaufend Heine Stimmen,
Viel feiner als die Immchen.
Der Schiffer ruft dem Knechte fein;
Er kommt. Die Meinen Weſen ſchrein:
„„Zertritt una nicht, wir find fo Hein!““ —
Da mußt’ er wohl behutſam fein.
Tück, Tück! fiel's in den Krug binab,
Wie jeder feinen Heller gab.
Pirr! trippelt’8 heran
Und jtapft zum Kahn
Und ächzt wie mit Kiften und Kaſten ſchwer,
Rückt, drüdt und fchiebt fi bin und Her,
Meint, ruft und zankt ſich überquer:
„„Fahr' ab, der Kahn will finten!
Hort! eh wir al’ ertrinten!“ “
Der Schiffer ftößt vom Ufer los;
Und als er jebo drüben war,
Geht an das Schiff mit leichtem Stoß.
„Au!“ ſchrie die ganze Heine Schar.
In Ohnmacht fiel da mande Frau,
Das börte man am Ton genau.
Nun dappelt’3 hinaus
Mit Kay’ und Maus,
Mit Kind und Kegel und Stuhl und Tiich,
Mit Kiften und Kaften und Federwiſch.
Es war ein Lärmen und ein Gemiſch
Bon Ruf und Zank und Stilgezifch!
Nichts fieht man; doch am Schalle
Hört man: hinaus find alle. —
5 *
Br pe
5. Noch holt er wieber neue Schar.
Die lärmt Hinaus; er fährt zuräd.
Als dreißigmal gefahren war,
Läßt nah im Krug das Tüd tüd tüd!
Er fährt den legten Teil zum Strand,
Der Mond geht unter am Himmelörand.
Doch dunkelt es nicht —
Was glänzt ſo licht?
Am Strand gehn tauſend Lichter klein
Wie von Johanniswürmelein...
Da rafft der Knecht vom Uferrain
Erdboden in den Hut hinein,
Seht auf — und kann nun ſchauen
Die Männlein und die Frauen.
6. D melde Wunder er nun fah!
Der ganz Strand war all bededt;
Sie liefen mit Laterndhen da,
Don Gras und Blumen oft veritedt,
Und trugen Kindlein wunderhold
Und Edelſtein und rotes Gold.
Hei, denkt der Knecht,
Das kommt mir recht!
Und langt begierig aus dem Kahn
Am Uferrande weit hinan.
Da mertet ihn ein Zleiner Mann,
Der fängt ein Zeterichreien an.
Bub, puh! find aus die Lichte,
Verſchwunden alle Wichte!
7. Drauf flog es ber wie Erbſen fein;
Es modten kleine Steinden fein.
Die warfen fie mit großer Pein
Und ächzten mühlam binterdrein! —
„Es fprühet immer mehr, wie toll!
Fort, fort von bier! der Kahn wird voll!“
Sie wenden geſchwind
Herum, wie der Wind,
Und ftoßen eilig ab vom Land
Und fahren in Angft fi feit im Sand,
Bald rechter Hand, bald Linker Hand,
Und immer ruft ed noch vom Strand:
„„Das Fliehn war euer Glüde,
Sonft famt ihr nit zurücke!““ —
a. Ropiſch.
— - um
— 69 —
47. Die Heinzelmänuden,
1. Wie war zu Köln es doch vorbem
Mit Heinzelmännden fo bequem!
Denn, war man faul, ... . man legte ſich
Hin auf die Bank und pflegte ſich;
Da kamen bei Nacht,
Ch’ man's gedacht,
Die Männlein und ſchwärmten
Und klopften und lärmten
Und rupften
Und zupften
Und Bupften und trabten
Und pußten und ſchabten.
Und eb’ ein Yaulpelz noch erwacht,
War all fein Tagewerk bereits gemacht!
2. Die Bimmerleute ftredten fi
Hin auf die Spän’ und reckten fid.
Indeſſen kam die Geifterichar
Und ſah, was da zu zimmern war,
Nahm Meißel und Beil
Und die Säg' in Ei’;
Sie jägten und ftachen
Und bieben und bracden,
Berappten
Und Tappten,
Bifierten wie Fallen
Und fetten die Ballen.
Eh’ fih’3 der Zimmermann verjah,
Klapp! ftand das ganze Haus fchon fertig da!
3. Beim Bädermeifter war. nit Not,
Die Heinzelmännden badten Brot.
Die faulen Burſchen legten ſich,
Die Heinzelmännden regten fid
Und ächzten daher
Mit den Säcken ſchwer!
Und kneteten tüchtig
Und wogen es richtig
Und hoben
Und ſchoben
Und fegten und backten
Und klopften und hackten.
Die Burſchen ſchnarchten noch im Chor;
Da rüdte ſchon das Brot, das neue, vor!
— 70 —
4. Beim Fleiſcher ging es juſt ſo zu:
Geſell und Burſche lag in Ruh.
Indeſſen kamen die Männlein her
Und hackten das Schwein die Kreuz und Quer.
Das ging ſo geſchwind,
Wie die Mühl' im Wind!
Die klappten mit Beilen,
Die ſchnitzten an Speilen,
Die ſpülten,
Die wühlten
Und mengten und mifchten
Und ftopften und wifchten.
That der Gejell die Augen auf,
Wapp! Bing die Wurft da ſchon zum Ausverkauf!
5. Beim Schenken war es fo: es tranf
Der Küfer, bis er niederſank.
Am hohlen Yafle jchlief er ein;
Die Männlein forgten um den Wein
Und fchmwefelten fein
Alle Fäfjer ein
Und vollten und hoben
Mit Winden und Kloben
Und ſchwenkten
Und ſenkten
Und gofjen und panfchten
Und mengten und manſchten.
Und eh’ der Küfer noch erwacht,
Bar ſchon der Wein geihönt und fein gemacht!
6. Einit hatt! ein Schneider große Bein:
Der Staatsrod Sollte fertig fein!
Warf hin das Zeug und legte fich
Hin auf das Ohr und pflegte fich.
Da fchlüpften fie friſch
Sin den Schneibertiich
Und fchnitten und rüdten
Und nähten und ftidten
Und faßten
Und paßten
Und ftriden und guckten
Und zupften und rudten;
Und eb’ mein Schneiderlein erwacht,
Mar Bürgermeifters Rod bereit? gemacht!
Fe
7. Neugierig war bed Schneiders Weib
Und madt ſich dieſen Zeitvertreib:
Streut Erbſen hin die andre Nacht.
Die Heinzelmännchen kommen ſacht;
Eins faͤhrt nun aus,
Schlägt hin im Haus,
Die gleiten von Stufen
Und plumpen in Kufen,
Die fallen
Mit Schallen,
Die lärmen und ſchreien
Und vermalebeien!
Sie fpringt hinunter auf den Schall
Mit Licht: huſch huſch huſch Huf! — verſchwinden all’!
8. D meh! nun find fie alle fort,
Und keines ift mehr hier am Ort!
Man kann nicht mehr wie fonften ruhn,
Man muß nım alles ſelber thun!
Ein jeder muß fein
Selbft fleißig fein
Und fragen und fchaben
Und rennen und traben
Und fchniegeln
Und bügeln
Und klopfen und baden
Und foden und baden.
Ah, daß es no wie damals mär’!
Doch kommt die fchöne Zeit nicht wieder her!
' A. Ropiſch
48. Tomte i Garden.
Dänifche Sage.
1 Beit Rik führt Korn in den Hof hinem,
Da feucht Hein Tomte hinterdrein.
Der Tomte i Garden ift Hein wie ein Kind
Und trägt mit Müh’ einen Halm im Wind,
5 Er hat ein rot Käppchen und freundlich Geficht
Und fagt: „Verihmäh dody mein Hälmchen nicht.“ —
Beit Rik aber lenkt in die Scheuer und fpridt:
„Mas Hilft mir ein Hälmchen, du kröpliger MWicht?
Geh Hin, wo du will. Das wär' mir genehm,
10 Das wär’ eine Hilfe, wenn die Art käm'!“
20
30
Bu, MO: den
Der Tomte i Garden blieb nicht ftehn,
Man fah ihn zu Rikeburs Nachbar gehn.
Dem bracht' er die Ähre, der nahm fie gern,
Da bradt’ ihm Tomte noch mehr von fern.
Der Tomte i Garden ſchleppt Naht und Tag,
Bis voll des Nachbars Scheuer lag;
Er lieft auch die Körnlen, am Wege verſtreut,
Womit er die Hühner des Hofes erfreut;
Holt Moo8 und verftopfet die Rigen im Stein,
Läßt Fein kalt Lüftchen ins Haus hinein;
Die Hölzlein und Zweiglein lieft er zuhauf
Und zündet damit das Feuer auf;
Er wäſcht die Kindlein und kämmt ihr Haar,
Es glänzt wie die lite Sonne fo Har;
Er duldet Fein Fledchen, er fcheuert die Bank,
Er pust auch das Vieh, das wird fo blant.
Sein Näpfhen. Mich und ein Stüd grau Tuch,
Das war ihm zum ganzen Lohne genug;
Und alles geht wohl und alles gedeiht.
Veit Rik, der fieht e8 am Ende mit Neid,
In Rikes Haus war's. kalt, nicht warm;
Veit Rik hieß nun gar bald Veit Arm:
Er hatte den Tomte i Garden verſchmäht,
Durch den es gut im Hauſe ſteht.
2. Ropiſch.
49. Der Prozeß.
1 Sa, ja, Prozeffe müſſen fein!
Geſetzt, fie wären nicht auf Erden,
Wie könnt’ alsdann das Mein und Dein
Beitimmet und entſchieden merben?
Das Streiten lehrt und die Natur;
Drum, Bruder, vet’ und ftreite nur.
Du fiehft, man will dich übertäuben;
Doch gieb nicht nach, ſetz' alles auf
Und laß dem Handel feinen Lauf;
10 Denn Redt muß doch Recht bleiben.
Was ſprecht Ihr, Nachbar? Diefer Rain
Der follte, meint Ihr, Euer fein?
Nein, er gehört zu meinen Hufen.“
„Richt doch, Gevatter, nicht, Ihr irrt;
oO
15 Ich will euch zwanzig Zeugen rufen,
Bon denen jeder jagen wird,
30
35
40
50
or
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60
ns, I Sen
Daß lange vor der Schwebenzeit —“
„Gevatter, Ihr ſeid nicht gefcheit!
Verfteht Ahr mid? Ich will Euch's lehren,
Daß Rain und Gras mir zugehören.
Ich will nicht eher fanfte ruhn;
Das Recht, das foll den Ausſpruch thun!“
So faget Kunz, ſchlägt in die Hand
Und rüdt den fpiten Hut die Duere.
„sa, eh’ ich diefen Rain entbehre,
So meid’ ich lieber Gut und Land." —
Der Zorn bringt ihn zu jchnellen Schritten,
Er eilet nad) der nahen Stabi.
Allein Herr Glimpf, fein Advokat,
War kurz zuvor ins Amt geritten;
Er läuft und Bolt Herrn Glimpfen ein.
Wie, ſprecht ihr, Tann das möglich fein?
Kunz war zu Fuß, und Glimpf zu Pferde. —
So glaubt ihr, daß ich lügen werde?
Ich bitt' euch, ftellt das Neben ein,
Sonft werd’ ich, diefen Schimpf zu rächen,
Gleich felber mit Herrn Glimpfen fprechen.
Ich ſag' es noch einmal, Kunz holt Herrn Glimpfen ein,
Greift in den Zaum und grüßt Herrn Glimpfen.
„Herr!“ fängt er ganz erbittert an,
„Mein Nachbar, der infame Mann,
Der Schelm, — id will ihn zwar nicht Ihimpfen —
Der, denkt nur! jpricht, der ſchmale Rain,
Der zwiſchen unſern Feldern lieget,
Der, ſpricht der Narr, der wäre fein!
Allein den will ich fehn, der mich darum betrüget.“
„Herr“, fuhr ex fort, „Herr, meine befte Kuh,
Sechs Scheffel Haber noch dazu!
(Hier wicherte das Pferd vor Freuden.)
D, dient mir wider ihn unb helft die Sad’ entſcheiden!“
„Rein Menſch“, verfeht Herr Glimpf, „dient freudiger als ich.
Der Nachbar Hat nichts einzumenden,
Ihr habt das größte Recht in Händen;
Aus Euren Reden zeigt ed fi.
Genug, verklagt den Ungeftümen!
Ich will mich zwar nicht felber rühmen,
Dies tut Fein ehrlicher Juriſt;
Doch dieſes könnt Ihr leicht erfahren,
Ob ein Prozeß feit zwanzig Jahren
Von mir verloren worben ift?
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Ich will Euch Eure Sache führen;
Ein Wort, ein Mann! Ihr ſollt fie nicht verlieren." —
Glimpf reitet fort. „Herr“, ruft ihm Kunz noch nad,
„Ich halte, was ih Euch veriprad.” —
Wie hikig wird der Streit getrieben!
Man Ries Papier wird vollgeichrieben;
Das halbe Dorf muß in das Amt!
Man eilt, die Zeugen abzuhören,
Und fünfundzwanzig müflen ſchwören,
Und diefe ſchwören insgeſamt,
Daß, wie die alte Nachricht lehrte,
Der Rain ihm gar nicht zugehörte.
Ei, Kunz, das Ding geht ziemlich ſchlecht!
Ich weiß zwar wenig von dem Rechte;
Doch im Vertraun gered’t, ich dächte,
Du bätteft nicht das größte Recht.
Manch widrig Urteil fommt; doch laßt es widrig klingen!
Glimpf muntert den Klienten auf:
„Laßt dem Prozeſſe feinen Lauf,
Sch ſchwör' Euch, endlich durchzudringen;
Doch —“
„Herr, ich hör' es ſchon; ich will das Gelb gleich bringen.“
Kunz borgt mand Kapital. Fünf Jahre währt der Streit.
Allein warum fo lange Zeit?
Dies, Leſer, Tann ich dir nicht jagen,
Du mußt die Rechtsgelehrten fragen.
Ein lettes Urteil fommt. D feht doch, Kunz gewinnt!
Er hat zwar viel dabei gelitten;
Allein was thut’s, daß Haus und Hof verftritten
Und Haus und Hof fhon angefchlagen find?
Genug, daß er den Rain gewinnt!
„DO!“ ruft er, „lernt von mir den Streit aufs höchſte treiben!
Ihr ſeht ja, Net muß doch Recht bleiben!“
50. Maley und Malone,
1. Auf einer Infel im Meere
Da lebten der Hirten zwei,
Der eine hieß Malone,
Der andre hieß Maley.
2. Sie hatten eine Herbe
Bon Schafen bein’ ererbt;
$. Gellert.
10.
11.
12,
FE.
Die Erbichaft Hat Malomen
Sowie Maleyn verberbt.
Einft trieben fie zufanmen.
Doch wie im Kriege ging's;
Der wollte rechtshin treiben,
Der trieb dann wieder links!
Und endlich kam's zum Teilen,
Da blieb zuletzt ein Schaf;
Der Zank um diefes brachte
Sie erft um Ruh und Schlaf.
Malone wollt’ es ſchlachten:
„Wir hau’n ed dann entzwei!“
„„Erſt fol es Wolle geben!“ '
Behauptete Maley.
Maley bedurfte Strümpfe:
„„Komm, fcheren wir es heut!“ “
Malone meint, e8 wäre
Zum Scheren nicht die Zeit.
„„So fcher’ ich meine Seite,
Scher' du die andre dann!“ ”
Malone wollt's nicht leiden;
Doch hat's Maley gethan. —
Nun fiel das Schaf vom Winde
In einen Felfenfpalt,
Man 308 es vor am Morgen,
Da war es tot und alt.
„Maley, da8 Schaf erfror da,
Weil du's gefchoren haft!“
„„Nein““, ſprach Maley, „„es flürzte,
Weil es der Sturm gefaßt.
Hätt'ſt du es auch geſchoren,
So faßte Sturm es nicht;
Und, faßt' er's auch, — es hielt ſich
Doch mehr im Gleichgewicht!““
Sie gehen vor die Richter
Und klagen mit großem Schall;
„Ei“, ſagten da die Herren,
„Welch intereſſanter Fall!“
Sie ſchlugen nach die Bücher,
Man zankte manch ein Jahr,
Bis Maley und Malone
Ohne Schaf' und Wolle war.
A. Ropil.
a
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40
— 6 ne
51. Blau⸗ Beilchen.
Ein kleines Blau⸗Veilchen
Stand eben erſt ein Weilchen
Unten im Thal am Bach,
Da dacht' es einmal nach
Und ſprach:
„Daß ich hier unten blüh',
Lohnt fih kaum der Müh';
Muß mid überall büden
Und drüden,
Bin fo ins Niedre geitellt,
Sehe gar nichts von der Welt.
Drum wär’ es ganz gefcheit gethan,
ch ftieg’ ein bißchen höher hinan.“
Und wie gejagt, jo gethan.
Aus dem Wiejenland
Mit eigner Hand
Zieht es ein Beinen nad dem andern
Und begiebt fih aufs Wandern.
„Drüben der Hügel wär’ mir ſchon recht.
Wenn ich den erreihen möcht’,
Könnt’ ich ein Stüdchen weiter fehn;
Dahin will ich gehn.“
Und fo im bebenden Lauf
Steigt das Veilchen den Hügel hinauf,
Pflanzt fi dort oben ein
Im ſchönſten Sonnenidein.
Kaum aber hat e8 hier einen Tag geftanden,
Meint e8: „Bon allen Landen
Sieht man hier oben Fein großes Stüd,
Man bat keinen freien Blick;
Aber auf jenem Berge dort,
Das wär’ ein Drt,
Wo ih wohl möchte ftehn,
Um in die weite Welt zu fehn.
Drum wär’ es noch geicheiter gethan,
Ich flieg’ ein bißchen höher hinan.“
Und mie gedadt, fo gethan.
Aus dem Hügel, wo es ftand,
Zieht es mit eigner Hand
Ein Beinden nad) dem andern
Und begiebt fih aufs Wandern.
Doch den Berg hinauf
Geht es nicht in fo raſchem Lauf,
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Es muß ſich verpuſten, muß öfter ruhn.
Endlich mit niedergetret'nen Schuh'n
Auf beſchwerlicher Bahn
Kommt's Veilchen oben an,
Pflanzt ſich dort wieder ein
Im hellen Sonnenſchein.
„Ei“, ſpricht es, „bier iſt's ſchön;
Aber alles kann man doch nicht ſehn.
So ein Berg
Iſt doch nur ein Zwerg!
Auf der Alp da droben,
Das wär' eher zu loben;
Da möcht' ich wohl fein!
Da gudt’ ih bis in den Himmel binem,
Hörte die Engelein mufizieren,
Säh’ unfern Herrgott die Welt regieren!“
Und aus dem Berge, wo es Stand,
Zieht es wieder mit eigner Hand
Ein Beinden nad) dem andern,
Begiebt fih noch einmal aufs Wandern.
Die Reife macht diesmal viel Befchwer;
Kein Weg, fein Steg war ringd umher.
Dem Veilchen flimmert’3 vor dem Blid,
Es jhwindelt, es Tann nicht wieder zurück;
Da ſetzt es die letzte Kraft noch daran,
Zum Tode ermattet kommt's oben an.
Ach! da war der Boden von Stein,
Kann mit den Füßchen nicht hinein.
Der Wind, der bläſt ſo hart,
Das Veilchen vor Froſt erſtarrt,
Es zappelt mit allen Würzlein,
Bedeckt ſich mit den grünen Schürzlein,
Friert ſehr an Händen und Beinen;
Da fängt's bitterlich an zu weinen.
Die blauen Bäckchen werden weiß,
Die Thränen gefrieren darauf zu Eis.
„Ach! wär' ich geblieben im Thale dort!“
Das war Blau⸗Veilchens letztes Wort.
Drauf ſank es um
Unb blieb ftumm.
Haft du im Thal ein ſichres Haus,
Dann wolle nie zu Hoch hinaus!
nn nn iD — —
3. Sorſter.
en I Sr
52. Die Finger.
1. Noch hatte mich mit Mohn beftreut
Morpheus, der Friedensbringer,
Da weckt' auf einmal mid ein Streit,
Ein lauter, meiner Finger;
Ein jeder wollte befjer fein
Und nütlicher fich machen;
Sch that, als ſchlief' ich wieder ein,
Bu hören, was fie fprachen.
2. Der Daumen fing zu reden an:
„Könnt ihr es wohl vergefjen?
Durch meine Hilfe fchreibet man,
Nah mir pflegt man zu meſſen!
Der ftärkfte bin ich unter euch,
Drum fest man mich aufs Auge;
Herrn Plutus dien’ ich auch zugleich,
Da ih zum Zählen tauge.”
3. „Still!* fiel der Zeigefinger ein,
„Sonft lehr' ich gleich dich ſchweigen.
Befehlen darf nur ich allem,
Da Feitigleit mir eigen;
Beweg' ich fo mich hin und ber,
Werd’ ich euch Zweifel fünden;
Was Menfchen jelbft nicht wiſſen mehr,
Das lehr' ich fchnell fie finden.“
4. Nun trat der Mittelfinger vor,
Sprach: „Nicht geprahlt, mein Lieber!
Verſchon' er ſeines Nachbars Ohr,
Sonſt fett es Nafenftüber!
So mand Geheimnis wüßt' ich gleich,
Doch mag ich mich nicht plagen;
Sch bin der größte unter euch,
Mehr brauch’ ih nicht zu jagen.“
5. Golbfinger lachte vor fi bin
Und ſprach: „Ihr follt euch ſchämen!
Daß ich allzeit der erfte bin,
Das wird mir niemand nehmen;
Da feht ein bichen nur auf mid,
Ich bin der Sohn der Weihe;
An meinem Leib’ prangt fihtbarlich
Das Unterpfand der Treue.“
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6. Nun fing der Heine Finger an
Mit jeinem Schmud zu prahlen:
„Seht ber, die Edelſteine kann
Bon euch wohl Feiner zahlen;
Wißt ihr, warum mit gläub’gem Sinn
Der Menſch mid alfo ſchmücket?
Weil ich ein Herenmeifter bin,
Der in die Zukunft blidet.“
7. „Halt!“ vief ich jäh, „was giebt es ba?
Was fol der Zank bedeuten?
Ihr feid fo wie die Menſchen ja,
Die auh um nichts ſich ftreiten.
Stil! der Prozeß ift beigelegt,
Sch fenne eure Fünfte;
Der Hand allein, die euch bewegt,
Gebühren die Berdienfte!“ —
8. Ihr Helden! die ihr im Berein
Yürs deutſche Land gefrieget,
D fraget nicht, ob der am Rhein,
Der an der Aub’ gefieget;
Euch allen danft das Baterland;
Doch denlet, Feindeszwinger:
Ihr fiegtet nur durch Gottes Hand
Ihr war't nur feine Finger.
Ir. Gaftelli.
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58. Der güldene Ring.
1 Der Herberg’ mancher Gilden, der Burfchen Burg und Ruh,
Der wanderte ſpät abends ein Corps Gejellen zu.
Der Drang war groß, die Thür war Ilein,
Und jeder wollte erſter fein
Im Haus.
Der Herbergsvater gudt hinaus
Und fpridt den Gruß: „Woher zu wandern?
Könnt ihr nicht alle Mann der erfte fein,
So fei e8 einer nad) dem andern.
10 Wie's Handwerk folgt, jo ſprechet ein!“
Nun will erſt recht ein jeber erſter fein.
Der Schufter fpriht: „Wenn ich nicht wär',
Wo kämen Stiefeln zum Wandern ber?“
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„Vom Leder!“ fiel der Gerber ein. —
„Rein, von der Haut!“ ſchlug Mebger drein.
„Was Stiefel! bade ich Fein Brot,
So ſeid ihr auch in Stiefeln tot.”
„And mahl’ ih nicht, fo bädit du Stroh;
Dann, mein’ ih, wär' es auch noch fo.”
„Und fchmieb’ ich Teinen Pflug,
So mahlt’ der Müller Wind;
Dann find wir juft fo klug.“ —
„Klug bin, Hug ber — der Maurer muß voraus!
Mo wär’ die Herberg’ bier, bau’ ich fein Haus!“
„Wie aber, Bruder, willſt ind Haus hinein,
Bringt nit der Schlofjer erſt den Schlüffel ’rein?*
„Pah, ohne Schlüffel bau’ ich erft’ und letztes Haus!“
Fuhr, wie fein Hobelipan, der Schreiner 'raus.
„Und, Bruder, haft dein letztes fertig Du,
Dann komm' ih, Nagelſchmied, und fchließe zu!“
Allein, ganz fir nähnadelfein
Bügelt der Schneider hinterbrein:
„ft Leut’ begraben eine Kunft?
Nein, Leute machen, das ift ein’.“
„Du machſt doch Feine, Kleiner Schneider?“
„Nein, ich nicht, aber meine Kleider.”
Mit Gunft!
Ter Heine Schneider war hinein.
Doc feſt, als thät' er einen Ballen faffen,
So griff der lange Zimmermann ’mal aus:
„Für'n Schneider hab’ ich juft das Loch gelaffen.
Kopf weg!" und warf den Schneider wieder 'naus.
„Sadt, Kinder, immer fact!“
Ruft Herbergävater fteuernd jest hinaus:
„Den Fehler bier hab’ ich gemacht!“
Und hebt die Thüre famt der Angel aus:
„So wahr mein Haus bier fteht in Gottes Hand
Und ift zum güldnen Ringe zubenannt,
So jollet ihr berein mitfammen wandten;
Habt ihr doch Wert erft einer Durch den andern!
Denn alle Gilden find ein güldner Kranz,
Drin jedes Blatt hat feinen Wert und Glanz.
zare> KOT. —
Jedwedes Reis, wo ed auch Play genommen,
Zum güldnen Ringe ift eg gleich mwilllommen;
55 Drum fommt mir alle Mann zugleich herein,
Soll feiner erfter oder Tester fein.“
Eh. Sr. Scherenberg.
— — — —
54. Die Sonne und die Tiere.
1 „D Sonne, fcheine nicht fo heiß!
3b muß vor Mattigleit und Schweiß
Bei meiner Arbeit faſt erliegen.“
So rief der Eſel. —
„Dank für deinen heitern Schein,
D Sonne!“ rief die Schlange. „Mit Vergnügen
Leg’ ih mich ftundenlang hinein.” —
Die Eule ſchrie: „Verſchone mein Geficht
Mit deinem mir verhaßten Licht,
10 D Sonne! Kann ih doch Fein Schlupfloh finden,
Wohin dein Strahl nicht dringt; ich werde noch erblinden.“
„Wohlthät’ge Sonne, ſei mir ſtets geneigt!“
Hub eine Feldmaus an. „Es reifen meine Ähren,
Bollauf kann ich mich nähren.“
Die Sonne hört es an, ſcheint fort und — ſchweigt.
Job. Gottl. Willamon.
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55. Fuchs uud Pferd.
1 Einft wurden Fuchs und Pferd
In einem Käfig eingeiperrt.
Das Pferd fing weiblich an zu treten
Bor Ungebuld und trat
5 Den armen Rein’te Fuchs, der nichts an Füßen hat.
Da ſprach der endlich ganz empört:
„Das nun hätt’ ich mir wohl verbeten,
Tret’ er mich nit, Herr Pferd!
Ich will ihn auch nicht treten.“
Mm. dlaudins.
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56. Fuchs uud Bär.
Kan einit ein Fuchs vom Dorfe her
Früh in der Morgenitunde
Und trug ein Huhn im Munde,
Und es begegnet ihm ein Bär.
„Ach, guten Morgen, gnäd’ger Herr!
Ich bringe bier ein Huhn für Sie;
Ihr' Gnaden promenieren ziemlich früh;
o geht die Reife hin?“
„Was heißeſt du mich gnäbig, Vieh?
Wer fagt dir, daß ich's bin?“
„Sah Dero Zahn, wenn ich es jagen darf,
Und Dero Zahn ift lang und fcharf.“
Mm. Elaudins.
54. Die RNutzlichen.
„Unkraut feid ihr“, iprachen Ähren
Zu der Korn und Yeuerblume;
„Und ihr bürfet euch vermefien
Selbft von unferm Boden nähren?“
„Wir find freilich nicht zum Eſſen,
Wenn das einzig bilft zum Ruhme“,
Sagten dieje Wohlgenuten;
„Aber wir erblühn hieneben,
Euer Einerlei, ihr Guten,
Mannigfarbig zu beleben.“
En. Iröpiid.
58. Einträglichites.
„Was trägt dein Singen ein?”
Bemerkt die reiche Maus
Bor ihrem vollen Haus
Dem muntern Pögelein.
„Das“, ſagt's, „hab' ich davon,
Was Blumen von dem Glanz,
Was Well’ und Wind vom Tanz:
Die Freude ift mein Lohn
Und Frohfinn, aller Güter Kron’!“
Em. Sröplid.
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59. Stedileben.
1 „Lerche, komm in unfre Gaſſen!“
Sagt das Spätzchen, „vor den Thoren
Geht ja dein Geſang verloren;
Hier in den belebten Straßen
5 Hören dich die feinſten Ohren;“ —
„Kritteln mich die ſchärfſten Zungen“,
Hat die Lerch’ ihm zugefungen,
„Und id fänd' im Stadtgemimmel
Keine Saaten, keinen Himmel.“
Em. Iröplid.
60. Turnen.
„Schwing’ mir die Buben und ſchwing' fie mir ſtark!“
Ruft dem Winde der Wald;
„Klagen fie gleih in müdem Geftöhn,
Laß mir nit ab fo bald!
Alfo nur wurzelt ihr Zug, und mit Marl
Füllet ih Arm und Brut;
Und fie wachſen zu ftolzen Höhn,
Mir eine Herzenäluft.
Denn ich haſſe die Zmergenart,
So die fumpfige Kluft
Immer in Stubenluft
Eingewindelt vor Wetter bewahrt.
Fahl und kahl in des Frühlings Saft,
Hat ſchon ein Lüftchen fie umgerafft!“
\ Em. Sröplic.
61. Ellengröße,
1 Die Bappel fpriht zum Bäumchen:
„Was machſt du dich fo breit
Mit den geringen Pfläumchen? *
Es fagt: „Sch bin erfreut,
5 Daß ih nicht bloß ein Holz,
Nicht eine leere Stange!“
„Bas!“ ruft die Pappel ftol;,
„sh bin zwar eine Stange,
Dod eine lange, lange!”
MER E Em. Sröplid.
6*
62. Die Zaunrebe und der Alee.
1. Zum lee die Zaunrebe ſprach:
„Nachbar, komm mir doc nad!
Stiegen wir doch zugleih aus den Schollen,
Warum haft du nicht mit mir wollen?“
2. Lächelnd erwibert der Klee:
„Darfit auf die ftattlihe Höh
Eben fo trogig nicht pochen;
Sch ſtehe, du bift gefrochen.“
M. Arndt.
68. Die Fröſche.
1 Ein großer Teih war Augefroren;
Die Fröfchlein, in der Tiefe verloren,
Durften nicht ferner quafen noch Springen,
Verſprachen fi aber im halben Traum,
5 Fänden fie nur da oben Raum,
Mie Nactigallen wollten fie fingen.
Der Taumind kam, dag Eis zerihmolz,
Nun ruderten fie und landeten ftolz
Und faßen am Ufer weit und breit
10 Und — qualten wie vor alter Zeit.
m. v. Geoetbe.
— — nn — —
64. Jamilienfeſt.
1. Der Vater ging auf die Jagd in den Wald;
Ein gutes Wild erfah er fich bald.
2. Er legte mohl an, er drüdte los,
Der Sperling fiel auf das weiche Moos.
3. Die Brüder Iuden zu Schlitten den Fang
Und fchleiften ihn beim und jubelten lang’!
4. Die Töchter fchnell das Teuer geichürt,
Sie rupften und ſengten ihn, wie fich’8 gebührt.
5. Die Mutter briet und ſchmort' ihn gleich,
Der Braten war köftlih und ſchmackhaft und weich.
6. Geihäftig trugen die Schweitern ihn auf;
Es kamen die fröhlichen Gäfte zuhauf.
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7. Ste ſetzten zu Tiſch fih und ſaßen feit
Und thaten fich gütlich beim weiblichen Feſt.
8. Sie jchmauften den Sperling in guter Ruh’
Und tranken drei Fäſſer des Bieres dazu.
A. v. Ebamifle.
65. Der Mänteturm.
1. Am Mäufeturn um WMitternadt
Des Biſchofs Hatto Geift erwadt;
Er flieht um die Zinnen im Höllenfcein
Und glühende Mäuslein binter ihm brein!
2. Der Hungrigen haft du, Hatto, gelacht,
Die Scheuer Gottes zur Hölle gemacht.
Drum warb jedes Körnlein im Speicher bein
Berlehrt in ein nagendes Mäufelein!
3. Du flohft auf den Rhein in den Snfelturm;
Doch Hinter dir raufchte der Mäufefturm.
Du fchlofjeft den Turm mit eberner Thür;
Sie nagten den Stein und drangen berfür.
4. Sie fraßen die Speije, die Lagerftatt,
Sie fragen den Tiſch dir und wurden nidt fatt;
Sie fragen dich felber zu aller Graus
Und nagten den Namen dein überall aus. —
5. Fern rudern die Schiffer um Mitternacht,
Wenn ſchwirrend dein irrender Geift ermadt;
Er flieht um die Zinnen im Höllenſchein
Und glühende Mäuslem hinter ihm drein.
A. Ropild.
66. Willegis.
(975— 1011.)
1. Es ſahn am Tum zu Mainz die adeligen Herm
Den Willegis ala Biſchof nicht allerwege gern.
Der war ein Wagnerfohn;
Sie malten ihm zum Hohn
Mit Kreide Räder an bie Wand.
Die fah er, wo er ging und Stand;
Do es nahm Willegis
An dem Schimpf fein Ärgernis.
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Denn als der fromme Biſchof die Räder da erſehn,
So ließ er ſeinen Knecht nach einem Maler gehn.
„Komm, Maler, male mir
Ob jeder Thür dahier
Ein weißes Rad im roten Feld;
Darunter ſei die Schrift geſtellt:
Willegis, Willegis,
Denk, woher du kommen fis!*
Nun wurde von den Herren im Tum nicht mehr geprahlt;
Man fagt, fie wilchten felber hinweg, was fie gemalt.
Sie fahn, dergleichen thut
Bei weilem Mann nicht gut.
Und was dann für ein Bifchof kam,
Ein jeder das Rad ind Wappen nahm.
Alſo ward Willegis’
Glorie das Ärgernis!
A. Ropiſch.
67. Druins’ Tod.
(Sm Sabre 9 vor Chr.)
1. Drufus ließ in Deutſchlands Forſten
Goldne Römerabler horiten,
An den heil'gen Göttereichen
Klang die Art mit frevlen Streichen.
2. Siegend fuhr er durch die Lande,
Stand Ihon an der Weſer Strande,
Wollt' hinüber jet verwegen,
Als ein Weib ihm trat entgegen.
3. Übermenfhlih von Gebärbe,
Drobte fie dem Sohn der Erbe:
„Kühner, den der Ehrgeiz blenbet,
Schnell zur Flut den Fuß gemenbet!
4. Sene Marken unfrer Gauen
Sind dir nicht vergönnt zu ſchauen,
Steht am Markitein deines Lebens;
Deine Siege find vergebens.
5. Säumt der Deutiche gerne lange,
Nimmer beugt er fich dem Zwange!
Schlummernd mag er wohl fidh ftreden; |
Schläft er, wird ein Gott ihn meden.“
te RT ee
6. Drufus, da fie fo gejprochen,
Eilends ift er aufgebrochen,
Aus den Schauer beuticher Haine
Führt er fchnell das Heer zum Rheine.
7. Bor den Augen fieht er’3 flirten,
Deutihe Waffen hört er klirren,
Saufen hört er die Geſchoſſe,
Stürzt zu Boden mit dem Roffe.
8. Hat den Schenkel arg zerichlagen,
Starb den Tod nad dreißig Tagen.
Alſo wird Gott alle fällen,
Die nah Deutſchlands Freiheit ftellen!
R. Sinro@. 11866.
68. Gelimer.
(Im Jahre 534 nad) Chr.)
1. Wo ift dein Reich, o Gelimer,
Das große Bandalenreich?
Dein Heer, e8 irrt zerftreut umber;
Wo fliehft du Hin fo bleich?
2. Und als er zu den Maurufiern kam,
Die hatten nit Brot, nicht Wein;
Wie man die Ähren vom Felde nahm,
Sp mußten fie Speije fein.
3. Auf einem Berge wohnet’ er,
Da war an Wafler Not;
Auch nahete der Griechen Heer
Und droßete rings mit Tod.
4. Und einen Boten ſandt' er hin
Zum Feind, als nah er Tam,
Und bat um eine Laute für ihn,
Um ein Brot und einen Schwamm.
5. Pharas, des Heeres Hüter, fragt:
„Sonſt ſprach es nichts dabei? —
Er ſoll fie haben; aber fagt,
Wozu will er die drei?“
ut RR, wie
6. „„Das Brot will eſſen Gelimer,
Meil feines er geſehn,
Seitdem mit wunben Füßen er
In die Berge mußte gehn.
7. Den Schwamm mit Wafler will er dann,
Zu waſchen die Augen fein!
Es kam ſchon lange fein Wafler daran,
Als feine Thränen allein.
8. Die Laute foll ein Troft ihm fein
In Diefer ſchweren Zeit;
Drauf will er fpielen und fingen darein
Ein Lied von feinem Leid.” “
A. Ropiid.
69. Harmoſan.
(637 nad) Chr.)
1. Schon war gefunfen in den Staub der Saſſaniden alter Thron,
Es plündert Mosleminenhand das fchägereihe Ktefiphon;
Schon langt am Oxus Dmar an nah manchem durchgelämpften Tag,
Wo Chogrus Enkel Jesdegerd auf Leichen eine Leiche Ing.
2. Und als die Beute muftern ging Medinas Fürft auf weitem
lan
Ward ein Satrap vor ihn geführt, der hieß mit Namen Harmofan,
Der legte, der im Hochgebirg dem kühnen Feind ſich widerſetzt;
Doch ad, die fonft jo tapfre Hand trug eine ſchwere Fette jegt!
3. Und Omar blidt ihn finfter an und fpridt: „Erkennſt bu
nun, wie jehr
Vergeblich ift vor unferm Gott der Göhendiener Gegenwehr? “
Und Harmofan erwidert ihm: „In deinen Händen ift die Macht.
Wer einem Sieger wiberfpricht, der widerſpricht mit Unbebacht.
4. Nur eine Bitte mag’ ich no, abwägend dein Geſchick und
mein’:
Drei Tage focht ich ohne Trunk, laß reichen einen Becher Weins! “
Und auf des Feldherrn leifen Wink fteht ihm jogleich ein Trunk bereit;
Doch Harmofan befürdtet Gift und zaubert eine Heine Zeit.
5. „Was zagit Du?“ ruft der Sarazen, „nie täufht ein Moslem
ſeinen Gaft.
Nicht eher jollft du fterben, Fremd, als bi3 bu dies getrunfen haft!“
Da greift der Berfer nach dem Glas und, ftatt zu trinken, ſchleudert hart
Zu Boden er’3 auf einen Stein mit rafcher Geiſtesgegenwart.
— 89 —
6. Und Omars Mannen ſtürzen ſchon mit blankem Schwert auf
ihn heran,
Ju ſtrafen ob der Hinterliſt den allzuſchlauen Harmoſan;
Doch wehrt der Feldherr ihnen ab und ſpricht ſodann: „Er lebe fort!
Wenn was auf Erden heilig iſt, ſo iſt es eines Helden Wort.“
A. v. Platen. (1880.)
70. Die Schule der Stutzer.
(Karl d. Gr. 768 — 814 n. Chr.)
1. „In ſolchem Staat, ihr Herrn vom Rat,
Mit Seide, Gold und Bändern?
Wohl ziemt der Glanz zu Spiel und Tanz,
Zum Reihen oder Ländern; |
Zu erniten Dingen ziemt er nicht.
Drum halt’ ich heute fein Geridt;
Auf, laßt uns fröhlich jagen!”
2. Das Hifthorn ſchallt im grünen Wald,
An Seilen bellt die Meute.
Dem Freudenihall erjauchzen all’
Die flinken Jägersleute.
Der Kaiſer weiſt ſie manchen Pfad,
Wo ſich viel Wilds verborgen hat:
„Nur zu durch Dick und Dünne!“
3. Ihm folgen gern die ſchmucken Herrn;
Wie ließen ſie ſich mahnen?
Doch mancher Dorn nimmt fie aufs Korn
Und zerrt an ihren Fahnen.
Viel bunte Flitter flattern fort,
Ein Läppchen hier, ein Läppchen dort,
Sie müſſen Wolle laſſen.
4. Im ſchlichten Rock hat manchen Bock
Der Kaiſer abgefangen.
Sie trafen nie, ſtets blieben ſie
An einem Dornbuſch hangen.
Der Kaiſer lacht: „Ach, wie zerfetzt!
Ihr wurdet heute ſelbſt gehetzt;
Ein andermal ſeid klüger!“
%. Simrod.
er ON re
41. Das Pferd als Mäger.
1. Sn jenen Seiten, die wir preifen,
Davon noch gern die Sage fpridht,
Da hielt mit König Karl, dem Weiſen,
Als Schöffe mander Held Geridt.
2. Ein Glödlein hing im Walbesichatten,
Man hört’ im Schloſſe, wenn es Fang;
Da kamen, die zu klagen hatten,
Und zogen an ber Glode Strang.
3. „Wohlauf! das Glöckchen hör’ ich fchallen;
Laßt fchauen, wer Gericht begehrt!“
Sie traten aus des Schlofjes Hallen,
Da zog den Strid ein lahmes Pferd.
4. „Das ift ein wunderlicher Stläger!
Mer will dem Stummen Rede leihn?
Der Armen und der Waiſen Pfleger,
Du Edbart, ſollſt fein Anmalt fein.“
5. „„Der beiten Redner bin ich Feiner,
Eckhart ift allem Hader feind.
Hier Eurer Ritter ift e8 einer,
Den dieſes Tieres Klage meint.
6. Es Hat ihn feurig einft getragen:
Bon Schlacht zu Schladht, von Sieg zu Sieg;
Man ſah es ftolz die Scholle fchlagen,
Wenn er’3 im Waffenſchmuck beitieg.
7. Die Ehre danft er hohem Streben,
Er dankt den Ruhm dem tapfern Arm;
Dem Roſſe ſchuldet er das Leben:
Es trug ihn aus der Yeinde Schwarm.
8 Da gab er ihm viel Schmeichelnamen -
Und Lederbiflen mannigfalt;
Doh Jahre gingen, Zahre kamen,
Das edle Roß ward ſchwach und alt.
9: Nun lahmt fein Fuß zu raſchem Laufe,
Blind ſchwankt es an der Grube Rand;
Da gönnt er ihm vor feiner Kaufe,
Bor feiner Krippe feinen Stand.
10. Es int, aus feinem Stall verwiefen,
Umber und ſucht ein Hälmden Stroh,
Und niemand ift auf Feld und Wieſen
Des ungebetnen Gaftes frob.
2. GE 2
11. Geſcheucht, geworfen und gefchlagen,
Lief es hierher und fand den Strang;
Der Hunger trieb’3, ihn zu benagen,
Bis dieſe Glode fi erſchwang.
12. Das Erz, es fühlte mit dem Armen,
Der Glode war der Undent leid;
Zum Himmel rief fie um Erbarmen,
Zum König um Gerectigfeit.
13. Ihr weilen Richter mögt erfennen,
Was diefem edlen Tier gebührt;
Den Ritter will ich nicht benennen,
IH warn’ ihn nur, daß er’3 vollführt.“ *
- 14. Da rief der lette wie der erfte,
Da rief der ſchuld'ge Ritter aud:
„Bis an den Bauch in goldne Gerite,
In goldnes Korn bis an den Bauch!“
%. Simrod.
72. Die Beichte.
1. Eine ſchwere Sünde begangen
Hatte Karl der Große.
Man ſah ihm zittern und bangen,
Er forgte, daß Gott ihm verftoße.
2. Er wollte fie niemand beichten,
Er wollte darin erfterben.
Die Gnabenmittel reichten
Richt Hin, ihm Heil zu erwerben.
3. Da kam der Einfiedel
St. Egidius nad) Aachen,
Bon dem die Blinden zur Fiedel
Sangen in allen Sprachen.
4. Da Iniete vertrauend nieder
Der Kaifer vor dem Heiligen;
Er hoffte beichtend ſich wieder
An Gottes Reich zu beteiligen.
5. Buerft befannt’ er die leichtern;
Doch als er jetzt von der ſchweren
Gedachte das Herz zu erleichtern,
Da wehrten e8 Ströme von Zähren.
— 92 —
6. Die Zähren begannen ſo häufig
Ihm aus den Augen zu brechen;
Sonſt war ihm Reden geläufig,
Seht konnt’ er nicht reden noch ſprechen.
7. Er wollte, Gott zu verföhmen,
So gern die Sünden befennen;
Doch Schluchzen ließ ihn und Stöhnen
So große Unthat nit nennen.
8. Der Heilige ſprach: „Was feh’ ih?
Du meinft glei einem Weibe;
Biſt du der Worte nicht fähig,
So nimm eine Feder und ſchreibel“ —
9. „St. Egidius, laß dir Hagen,
Ich Tann nicht fchreiben, nicht Iefen!
D wär’ ih in jungen Tagen
Zu lernen fleiß’ger gewefen!
10. Da wollt’ ih mit Jägern und Schalten
Das Wild zu Tode nur begen,
Da Batt’ ih an Hunden und Fallen
Und Roſſen mein einzig Ergößen.
11. Da wollt’ ich nur friegen und raufen;
Das nimmt ein Ende mit Schreden!
Nun mögen die Hunde verjchnaufen,
Im Stall fih ruhen die Schecken.“
12. Egidius ſprach: „Es jet ferne,
Das edle Weidwerk zu tadeln!
Mas Hänschen nicht lernte, das lerne
Noh Hans; es lann ihn nur adeln.
13. Sonſt wer die Mühe geringer,
Mit größerer geht es noch heute,
So beichten deine drei Finger,
Was der Mund zu beichten fich fcheute.
14. Bum Schreiben dienen drei Finger,
Drei Finger dienen zum Schmwören;
Nicht ſchreiben follten drei Finger,
Was drei Finger nicht mögen beichmwören.
15. Es ftehet geichrieben, beileibe
Solft du nit umütz ſchwören;
Biel unnüges Gejchreibe,
Das will fih auch nicht gehören.
— ni,
16. Das Sollte willen ein jeder,
Der Kaiſer wiſſ' e8 vor allen;
Nun nimm zur Hand die Feder
Und laß fie Beute nicht fallen!“
17. Er lehrt' ihn die Feber halten,
Er lehrt' ihn Striche führen,
Er lehrt’ ihn die Zeichen geftalten,
Und die Namen, die jedem gebübren.
18. Er lehrt! ihn Laute verbinden,
Silben, Wörter und Sätze,
Mie wir durch Zeilen und mwinden,
Zu bergen die geiftigen Schätze.
19. Erft zeigte die Hand fich fchmierig,
Nur kundig des Schwert und der Lanze,
Doch hatte fie Yernbegierig
Zuletzt begriffen das Ganze.
20. „Nun fannft du Schreiben, o Kaifer,
Die Kunft erlernteft du gründlich;
Doch erſt verſuch', es ift meifer,
Noch einmal zu beichten mündlich.“
21. Da Iniete vertrauend nieder
Der KHaifer vor dem Heiligen,
Cr hoffte beichtend fich wieder
An Gottes Reich zu beteiligen.
22. Zuerſt befannt’ er die leichtern;
Doch als er jebt von der ſchweren
Gedachte das Herz zu erleichtern,
Da wehrten ihm Ströme von Zähren.
23. Die Zähren begannen jo häufig
Ihm aus den Augen zu brechen;
Erſt war ihm Reden geläufig,
Jetzt konnt' er nicht reden noch ſprechen.
24. Er mollte, Gott zu verföhnen,
So gern die Stinde bekennen;
Doch Schluchzen Tieß ihn und Stöhnen
So große Unthat nicht nennen.
25. Der Heilige ſprach: „Aufs neue
Weinft du gleih einem Weibe;
Zu reden wehrt die Reue,
Sp nimm bie Feder und fchreibe.”
— 94 —
26. Karl ſprach: „Ich thu' es gerne!“
Und fchrieb, was er begangen;
Der Heilige ſah von ferne
Das Blatt die Zeichen empfangen.
27. Er fchrieb’3 mit wenigen Worten,
Bat Gott, ihm Gnade zu fenden.
Nun ftand Egidius dorten
Und bielt das Blatt in den Händen.
28. Er mocht' e8 wenden und drehen,
Er fand da nichts geichrieben:
„Iſt hier ein Wunder gefcheben,
Oder haft du Spott getrieben?” —
29. „Nicht hab’ ih Spott getrieben, —
Es ift ein Wunder gefchehen!
Ich hatt’ es deutlich gejchrieben,
Und nun ift nichts mehr zu ſehen.“ —
30. „Du fohriebft, ich kann es bewähren,
Und fieh! die Schrift ift verſchwunden:
Dir haben die reuigen Zähren
Im Himmel Gnade gefunden.
31. Sie haben dein Herz von Sünde,
Dies Blatt von Sünde gereinigt.
indem ich's ahnend verfünde,
Hat neue Schrift es beicheinigt.“
32. Der Kaifer ſah erfreuet,
Da ftand’3 mit himmlischen Zügen:
„Du haft die Sünde bereuet,
Gott läßt fih die Reue genügen.”
R. Simrod.
73. Wie Kaiſer Karl in Büchern Ins,
1. Als Kaifer Karl fein Heldenſchwert, die Leuchte der Germanen,
Zur Ruh gehängt im Siegesfaal famt feiner Feinde Fahnen,
Da faß der alte Held im Stuhl und hörte gern mit an,
Diemeil fein Tagewerk vollbracht, mas andere gethan.
2. Und Eginhard und Alkuin, die mußten oft ihm lefen
Bon Helden, die zuvor gelebt, von Zeiten, bie geweſen,
Und jammeln ein und fchreiben auf aus deutſchen Bolfes Mund,
Was von der Ahnen Thaten noch die Sage machte Fund.
— 95 —
3. Am Mittagstiſch bei Wild und Fiſch, die Tafel ihm zu würzen,
Um Mitternacht, wenn er erwacht, die Stunden ihm zu kürzen,
Lag ihm zur Hand manch alter Band, manch köſtlich Pergament,
Weil jugendlich der greiſe Held von Wißbegierde brennt.
4. Denn in des Volles Kindermund, in Lied und Spruch der Alten,
Da rauſcht manch friſcher Weisheitsquell wie aus Granites Spalten;
Tief wurzelt unter Stein und Moos der Eiche mächt'ger Schaft:
So gründen in der Vorzeit Schoß die Wurzeln unſrer Kraft.
5. Die Lehrerin der Könige, das iſt die Weltgeſchichte,
Sie lehrt, wie ein gerechter Gott die Groß’ und Kleinen richte,
Sie lehrt, wie in der Jahre Lauf das Nichtige vergeht,
Sie lehrt, wie in der Zeiten Sturm Das Tüchtige beiteht.
6. Und hört er fo der Ahnen Lob, da ahnt's dem alten Helden,
Daß eimft auch feines Namens Ruhm die Sagenbücdher melden,
Und Alkuin und Eginhard fie fchreiben heimlich auf
Des Kaiſers ſchlichte Lebensart und großen Heldenlauf. —
7. Bermittert ift fein Heldenleib im Kaiferdom zu Aachen,
Doch lebt fein großer Name no in aller Völker Sprachen,
Doch lebt der alte Kaiſer Karl in deutſchem Lied und Wort,
So lang’ die deutſche Zunge Klingt, bei feinen Deutſchen fort.
&. v. Gerot. (1867.)
74. Kaiſer Heinrichs Waffen.
(1065 n. Ehr.)
1. Als Heinrih Kaiſer ward im Reich,
Schickt er zum Waffenſchmied fogleidh:
Er fol dem Kaiſer jchaffen
Die kaiſerlichen Waffen.
2. Zu Goslar war's im hohen Schloß,
Da tummelt ſich der Diener Troß,
Da will der Kaiſer fühle
Ruhn in der Mittagsſchwüle.
3. Erft Bing er Schwert und Schildesrand
Zu feinen Häupten an die Wand
Und ftredt’ aufs Lager nieder
Die kaiſerlichen Glieder.
4. Da fuhr ins Schloß ein Donnerichlag
Dicht neben, wo der Kaiſer lag;
Er aber ſchlief in Yrieben,
Den Gott gejalbt hienieden.
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Die Diener ſtürzen ſchnell zuhauf;
Da wacht der Kaiſer ruhig auf,
Steht ſtaunend feine Waffen
Noch heiß und umgeſchaffen.
Er rief mit freubigem Gemüt:
„Man fchmiebe, wenn das Eifen glüht!“
Und ſchwang fogleih den Hammer,
Daß dröhnte Haus und Kammer.
Und als darauf der Schmied erfchien,
Des Kaifers Willen zu vollziehn,
Ganz feines Winks gewärtig,
Mar Schild und Schwert jdhon fertig.
Das Schwert, das er fich jelbft gemacht,
Der Kaifer ſchwang's in mander Schlacht,
Der Schild, vom Blitz geſchmolzen,
Hielt gegen Spieß und Bolzen.
Das Schwert, von Gottes Blitz geweiht,
Schwang zümend er wie Blitz im Streit,
In zwei und ſechzig Kämpfen,
Des Neiches Feind zu dämpfen.
®. 3. Gruppe.
75. Barbarofie.
1. Der alte Barbaroſſa,
Der Kaiſer Friederich,
Im unterird'ſchen Schlofie
Hält er verzaubert ſich.
2. Er iſt niemals geſtorben,
Er lebt darin noch jet!
Er bat im Schloß verborgen
Zum Schlaf fi hingeſetzt.
3. Er Hat hinabgenommen
Des Reiches Herrlichkeit
Und wirb einft wieberlommen
Mit ihr zu feiner Zeit.
4 Der Stuhl ift elfenbeinern,
Darauf der Kaifer fitt;
Der Tiſch it marmelfteinern,
Worauf fein Haupt er ftüßt.
— 97 —
5. Sein Bart iſt nicht von Flachſe,
Er iſt von Feuersglut,
Iſt durch den Tiſch gemwachfen,
Worauf fein Kinn ausrubt.
6. Er nidt ale wie im Traume,
Sein Aug’ halb offen zwintt;
Und je nad langem Raume
Er einem Knaben. winft.
7. Er fpridt im Schlaf zum Naben:
„Geh bin vor Schloß, o Zwerg,
Und fieh, ob noch die Raben
Herfliegen um den Berg.
8. Und wenn die alten Raben
Noch fliegen immerder,
So muß ih auch noch fchlafen
Derzaubert Bundert Jahr.“
Ir. Rückert. Gwiſchen 1814 und 1817.)
Heinrich der Löwe.
( 1195 n. Chr.)
1. Im Dom zu — ruhet
Der alte Welfe aus,
Heinrich der Löwe rubet
Nah manchem arten Strauß.
2. Es liegt auf Heinrihs Grabe,
Gleihwie auf einem Schild,
Ein treuer Totenwähter —
Des Löwen eh'rnes Bild.
3. Der Löwe konnt' :nicht weichen
Bon feines Herzogs Seit’,
Bon ihm, der aus den Krallen
Des Lindwurms ihn befreit.
4. Sie zogen miteinander
Durch Syriens öden Sand,
Sie zogen miteinander
Nah Braunfchweig in das Land.
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— OR
5. Wo auch der Welfe wandelt,
Der Löwe ziehet mit,
Zieht mit ihm, wie fein Schatten,
Auf jedem Tritt und Schritt.
6. Doch als des Herzogs Auge
An Todesnöten brach,
Der Löwe ftill und traurig
Bei feinem Freunde lag.
7. Vergebens fing den Lömen
Man in den Käfig ein;
Er brach die Eifenftäbe,
Beim Herren mußt’ er fein!
8. Beim Herzog ruht der Löwe,
Hält jeden andern fern,
Doch nach drei Tagen fand man
Tot ihn beim toten Herrn.
9. Drum mit des Herzogs Namen
Geht ftolz Jahrhundert’ lang
Der Löwe, mie beim Leben,
Noch immer feinen Gang.
Jul. Mofen.
70. Kater Rudolis Ritt zum Grabe,
(15. Juli 1291.)
1. Auf der Burg zu Germersheim,
Star! am Geift, am Leibe ſchwach,
Sigt der greife Kaiſer Rudolf,
Spielend das gemohnte Schach.
Und er fpridt: „Ihr guten Meifter,
Ärzte, fagt mir ohne Hagen:
Bann aus dem zerbrocdnen Leib
Wird der Geift zu Gott getragen?“
3. Und die Meifter fprechen: „Her!
Wohl noch Heut ericheint die Stunde.”
Freundlich lächelnd ſpricht der Greis:
„Meifter, Dank für dieſe Kunde!“
ID
10.
11.
12.
13.
„Auf nah Speier! auf nah Speier!“ .
Nuft er, ala das Spiel geendet;
„Wo fo mancher beutiche Held
Liegt begraben, jei’3 vollendet;
Blaft die Hörner! Bringt das Roß,
Das mich oft zur Schlacht getragen!“
Zaubernd ftehn die Diener al,
Doch er ruft: „Folgt ohne Zagen!“
Und das Schlahtroß wird gebracht.
„Richt zum Kampf, zum em’gen Frieden“,
Spridt er, „trage, treuer Freund,
Set den Herrn, den lebensmüden!“
Weinend fteht der Diener Schar,
Als der reis auf hohem Roffe,
Rechts und links ein Kapellan,
Zieht, halb Leich’, aus feinem Schloffe.
Trauernd neigt des Schlofies Lind’
Bor ihm ihre Aſte nieder;
Vögel, die in ihrer Hut,
Singen wehmutsvolle Lieber.
Mancher eilt des Wegs baber,
Der gehört die bange Sage,
Sieht des Helden fterbend Bild
Und bricht aus in laute Klage.
Her nur von Himmelsluſt
Sprit der Greis mit jenen zweien;
Lächelnd blidt fein Angefidt,
Als ritt' er zur Luft im Maten.
Bon dem hohen Dom zu Speier
Hört man dumpf die Gloden ſchallen;
Ritter, Bürger, zarte Frauen
Weinend ihm entgegenwallen.
In den hohen Kaiſerſaal
Iſt er raſch noch eingetreten;
Sitend dort auf goldnem Stuhl
Hört man für fein Volk ihn beten.
„Reichet mir den heil’gen Leib!“
Sprit er dann mit bleihem Munde;
7 *
— 10 —
Drauf verjüngt ſich fein Geſicht
Um die mitternädt’ge Stunde.
14. Da auf einmal wird der Saal
Hell von überird’schem Lichte,
Und entichlummert figt Der Held,
Himmelsruh im Angefichte.
15. Gloden bürfen’s nicht verkünden,
Boten nicht zur Leiche bieten;
Alle Herzen längs bes Rheines
Fühlen, daß der Held verichieden.
16. Nah dem Dome ſtrömt das Voll,
Schwarz, unzähligen Gewimmels;
Der empfing des Helden Leib,
Seinen Geift der Dom des Himmels.
Juf. Kerner.
78. Habsburgs Mauern. *
1. Im Aargau fteht ein hohes Schloß,
Vom Thal erreicht es Fein Geſchoß;
Mer hat's erbaut,
Das wie aus Wollen nieberjchaut?
2. Der Biihof Werner gab das Geld,
Graf Radbot hat fie Hingeftellt,
Klein aber feit,
Die Habichtsburg, das Feljenneit.
3. Der Bilhof fam und ſah den Bau,
Da fchüttelt er der Loden Grau,
Zum Bruder jpridt:
„Die Burg hat Wal und Mauern nidt.“
4. Verſetzt der Graf: „Was macht das aus?
Zu Straßburg fteht ein Gotteshaus,
Das bauteft du,
Doch Wal und Mauern nicht dazu.“ —
* Die Habsburg (d. i. Hebihtehurg) warb um 1207 gebaut. Noch
ftehen Trümmer berjelben auf dem Wülpelöberge bei Windiih (Vindoniſſa).
— 11 —
5. „Dad Münfter baut’ ih Gott dem Herm,
Dem bleiben die Zerftörer fern;
Bor Feindesfturm
Beſchützt ein Schloß nur Wal und Turm” —
6. „Wohl haft du recht, ich räum' es em,
Ja Wall und Mauern müflen fein;
Gieb morgen acht;
Ich baue fie in einer Nacht.“
7. Und Boten ſchickt der Graf ins Thal;
Die Mannen nahn im Morgenftradl,
Und fcharenmweis
Umftellen fie die Burg im Kreis.
8. Frohlockend ſtößt ins Horm ber Graf
Und wedt den Biſchof aus dem Schlaf:
„Die Mauern ftehn;
Wer bat jo fchnellen Bau gejehn?“
9. Das Wunder dunkt den Bifchof fremd,
Zum Erler fpringt er hin im Hemd
Und fieht gereiht
Der Helden viel im Eifenfleid;
10. Mit blanfem Schilde, Mann an Mann,
Steht mauergleich des Grafen Bann,
Und hoch zu Roß
Hebt au Turm fih aus dem Trof.
11. Da ſpricht der Biſchof: „Sicherlich,
An ſolche Mauer halte Dich!
Nichts ift fo feft
Als Treue, die nicht von dir läßt.
12. So fhüte Habsburg fort und fort
Lebend'ger Mauern ftarfer Hort,
Und herrlich ſchaun
Wird's über alle deutſchen Gau'n!“
%. Sturoc.
79. Der reichſte Fürſt.
1. Preiſend mit viel ſchönen Reden
Ihrer Länder Wert und Zahl,
Saßen viele deutſche Firſten
Einſt zu Worms im Kaiſerſaal.
— 102 —
2. „Herrlich“, ſprach der Flirſt von Sachſen,
„Iſt mein Land und ſeine Macht;
Silber hegen ſeine Berge
Wohl in manchem tiefen Schacht.“
3. „Seht mein Land in üpp’ger Fülle“,
Sprad der Kurfürft von dem Rhein,
„Goldne Saaten in den Thälern,
Auf den Bergen edler Wein!”
4. „Große Stäbte, reiche Klöſter“,
Ludwig, Herr zu Bayern, ſprach,
„Schaffen, daß mein Land den Euren
Wohl nicht ſteht an Schätzen nach.“
5. Eberhard, der mit dem Barte,
Mürttembergd geliebter Herr,
Sprach: „Mein Land hat Heine Städte,
Trägt nicht Berge ſilberſchwer;
6. Doch ein Kleinod hält's verborgen:
Daß in Wäldern, noch jo groß,
Ich mein Haupt kann fühnlich legen
Jedem Untertban in Schoß.”
7. Und es rief der Herr von Sachſen,
Der von Bayern, der vom Rhein:
„Graf im Bart! Ahr feid der Reichfte,
Euer Land trägt Ebelftein!“ |
Juſt. Kerner.
80. Graf Eberhard im Bart.
1. Zu Aachen jaßen die Fünfte
Beim Mahle froh geſchart
Und rühmten ihre Lande,
Ein jeder nad feiner Art;
2. Der Markgraf feine Quellen,
Der Pfalgeraf feinen Mein,
Der Böhme feine Gruben
Mit Gold und Edelgeſtein.
3. Graf Eberhard jap ſchweigend. —
„Run, Württemberg, jagt an,
— 103 —
Mas man von Eurem Lande
Wohl Köftlich’3 preiien kann?“ —
4. „Bon föftlihen Brunnen und Weinen“,
Graf Eberhard begann,
„Bon Gold und Edelſteinen
Ich nicht viel rühmen kann.
5. Dod mar ich einft verirret
Im diditen Wald allein,
Und unterm Sternenhimmel
Schlief ich ermattet ein.
6. Da war es mir im Traume,
Als ob ich geftorben wär’,
E3 brannten die Trauerlampen
In der Totengruft umher.
7. Und Männer ftanden und Frauen
Tief trauernd um die Bahr’
Und weinten ftille Thränen,
Daß ich geftorben war.
8. Da fiel aufs Herz mir nieber
Ein Tropfen heiß und groß,
Und ih erwacht! — und ruhte
In eine Bauen Schoß.
9. Vom Holzbau wollt' er -
Spät abends heimatwärts,
Und mein Nachtlager wurbe
Ein mürttembergifch Herz.“
10. Die Fürften ſaßen und horchten
Verwundert des Grafen Mär’
Und ließen hochlich leben
Des Württemberger Chr’.
m. Simmermann. (1830.)
81. Graf Eberhards Weißdorn.
1. Graf Eberhard im Bart
Vom Württemberger Land,
Er kam auf frommer Fahrt
Zu Paläftinas Strand.
— 104 —
2. Dafelbft er einſtmals ritt
Durch einen frifhen Wald,
Ein grünes Reis er fchnitt
Bon einem Weißdorn bald.
3. Er ſteckt' e8 mit Bedacht
Auf feinen Eiſenhut,
Er trug es in der Schlacht
Und über Meeres Flut.
4. Und als er war daheim,
Er's in die Erde ſteckt,
Wo bald manch neuen Keim
Der milde Frühling weckt.
5. Der Graf, getreu und gut,
Beſucht' es jedes Jahr,
Erfreute dran den Mut,
Wie es gewachſen war.
6. Der Herr war alt und laß,
Das Reislein war ein Baum,
Darunter oftmals ſaß
Der Greis in tiefem Traum.
7. Die Wölbung, hoch und breit,
Mit ſanftem Rauſchen mahnt'
Ihn an die alte Zeit
Und an das ferne Land.
£. ndland. (1868.)
82. Die Beireiung Wiens.
(12. September 1683.)
1. Ein Falle ſpäht vom Felſenneſt,
So weit, jo weit ins Land,
Er fpäht nad Oſt und fpäht nach Welt,
Hinab, hinauf den Strand.
2. Der Falle ift Graf Starbemberg
Hoch auf dem Stephansturm;
Doch Türken nur und Türken nur
Sieht nahen er zum Sturm.
— 105 —
3. Da rief er zorn⸗ und fummervoll:
„Die Not, die ag’ ich Gott,
Daß man mich fo verlaflen hat
Dem argen Türf’ zum Spott.
4. Run pflanz' ih auf den Stephansturm
Die Beil’ge Kreuzesfahn’ ;
Ihr Sinken klag' den Chriften all’,
Daß wir dem Falle nahn.
5. Und finkt die Jahn’ vom Stephansturm,
Dann ftehe Gott uns bei,
Dann bede fie ald Leichentuch
Den Starhemberger frei!“
6. Der Sultan rief dem Starbemberg:
„Dei Allah! hör’ mein Wort,
Ich werf' die Zahn’ vom Stephansturm
Und pflanz’ den Halbmond dort.
7. Ich made Wien zur Türkenftadt,
Sankt Stephan zur Mofchee;
Ich reiß' die Maid aus Mutterarın
Und bring’ dem Bruder Weh.“
8. Der Sultan unb der Starhemberg,
Die ſprachen fürder nicht,
Denn mit dem ehrnen Yeuermund
Das Feldgeſchütz nun fprict.
9. Ad Stephan, heil’ger Gottesmann,
Sie warfen dich einft tot;
Wie bringen fie num auch dein Haus
Durh manden Wurf in Not!
10. Jetzt iſt, o Wien, dein beiter Schild
Des Starhembergers Bruft; |
Wie trifft fo gut fein ſcharfes Schwert,
Wie ſchwingt er es mit Luft!
11. Und neben ihm fteht Kollonits,
Ein Biſchof gotterfült,
Des milde Hand die Schmerzen al’
Der wunden Helben ftillt.
12. Die Fahne auf dem Stepbansturm
Wohl fechzig Tage ftand,
— 106 —
Es hielt fie feſt der Starhemberg
Mit feiner treuen Hand.
13. Die Fahne auf dem Stephansturm,
Die fängt zu wanken an;
Was Hilft, ah Gott, ein Wundermann,
Wenn hundert Feinde nahn!
14. Die Fahne auf dem Stephandturm,
Die wankt, die finkt, die bricht;
„Run Heif uns Gott!“ ruft Starhemberg,
„Denn länger halt’ ich's nicht.“
15. Der Türke ruft in ftolzer Luft:
„Allah, der Sieg ift dein!
Gefallen ift die Kaiſerſtadt!
Der Kaiſerthron ift mein!“
16. Bon Hörner» und Trompetenſchall
Tönt plöglih da ein Klang:
„Heil Kollonits! Heil Starhemberg!”
So ruft ein Schlachtgefang.
17. Es tönt fo froh und .tönt fo hell,
Als ging’s zu Tanz und Wein:
Das tft die deutfche Ritterfchaft
Bon Elbe, Main und Rhein.
18. Es tönt fo ſtark und tönt fo tief,
Als zög' der Sturm herbei:
Bon Oftreich iſt's die Heldenkraft,
Von Bayern iſt's der Leu.
19. Es tönt wie wilde Meeresflut,
Die hoch ſich hebt am Strand:
Sobieski iſt's, der Polenfürſt,
Ein Held gar wohlbekannt.
20. Der Türke rauft im Grimm fein Haar,
Bon Racheluſt entbrannt,
Und mordet die Gefangnen all’
Mit Talter Mörderhand.
21. Nun eilt, ihr Helden, eilt herbei
Zum Kampf, fo hart und heiß;
Zu retten heut die Ghriftenbeit,
Das ift des Kampfes Preis!
— 107 —
22. Ein Feuer war das Ghriftenheer,
Bon heil'gem Mut entbrannt,
So brach es auf die Türken ein,
Ein Blitz von Gott gejandt.
23. Der Lotharinger ſtritt voran,
Die Polen folgten nach,
Doc keiner zählt die Helden all’
Bon jenem Ehrentag
24. Die Türken ftanden mutig .erft,
Dann wichen fie zurüd,
Dann brach das Feuer durch fie buch,
Zu Rauch warb da ihr Glück.
25. Ein weites, weites Leichenfeld
Ward rings das Donauthal;
Dort fant m Staub der Türken Stolz,
Dort fteht ihr Totenmal.
26. Bei Paufen- und Trompetenſchall
Und Freudenfeuerſchein,
So zieht geſchmückt das Chriſtenheer
Ins freie Wien nun ein.
27. Und noch ſteht auf dem Stephansturm
Das Kreuz der Chriſtenheit
Zum Zeichen, wie vereinte Kraft
Die Kaiſerſtadt befreit.
— Aus dem Seftalender.
83. Ber Schent von Limburg.
1. Zu Limburg auf der Tefte,
Da wohnt’ ein edler Graf,
Den Teiner feiner Gäfte
Jemals zu Haufe traf.
Er tried fih allermegen
Gebirg und Wald entlang,
Kein Sturm und aud Fein Regen
Berleivet’ ihm den Gang.
2. Er trug ein Wams von Leder
Und einen Zägerhut |
Mit mander wilden Geber,
Das fteht den Yügern gut;
— 108 —
Es hing ihm an der Seiten
Ein Trinkgefäß von Bud;
Gemwaltig konnt' er fchreiten
Und war von hohem Wuchs.
3. Wohl hatt’ er Knecht und Mannen
Und hatt’ ein tüchtig Roß,
Ging doch zu Fuß von bannen
Und ließ daheim den Troß.
Es war fein ganz Geleite
Ein Jagdſpieß, ſtark und lang,
Damit er über breite
Waldſtröme kühn ſich ſchwang.
4. Nun hielt auf Hohenſtaufen
Der deutſche Kaiſer Haus;
Der zog mit hellen Haufen
Einſtmals zu jagen aus.
Er rannt' auf eine Hinde
So heiß und haſtig vor,
Daß ihn ſein Jagdgeſinde
Im wilden Forſt verlor.
5. Bei einer fühlen Duelle
Da macht' er endlich Halt;
Gezieret war bie Stelle
Mit Blumen mamigfalt.
Hier dacht’ er fich zu legen
Zu einem Mittagichlaf;
Da rauſcht' es in den Hägen,
Und Stand vor ihm ber Graf.
6. Da hub er an zu fchelten:
„Treff' ich den Nachbar bie?
Zu Haufe weilt er jelten,
Zu Hofe kommt er nie!
Man muß im Walde ftreifen,
Wenn man ihn fahen will;
Man muß ihn tapfer greifen,
Sonft hält er nirgends ftill.*
7. As drauf obn’ alle Fährde
Der Graf fih niederließ
Und neben in die Erde
Die Yägerftange ſtieß,
— 109 —
Da griff mit beiden Händen
Der Kaiſer nad dem Schaft:
„Den Spieß muß ih mir pfänden;
Ich nehm" ihn mir zur Haft.
8. Der Spieß ift mir verfangen,
Des ich fo lang’ begehrt;
Du ſollſt dafür empfangen
Hier dies mein beftes Pferd.
Nicht ſchweifen im Gemälde
Darf mir ein folder Mann,
Der mir zu Hof und Felde
Viel beffer dienen kann.“
9. „Herr Kaiſer, wollt vergeben!
Ihr macht daB Herz mir fchmwer.
Laßt mir mein freied Leben,
Und laßt mir meinen Speer!
Ein Pferd hab’ ich ſchon eigen,
Yür Eures fag’ ih Dank;
Zu Roſſe will ich fteigen,
Bin ih 'mal alt und krank.““
10. „Mit dir ift nicht zu fireiten,
Du bift mir allzu Stolz.
Doch führft du an der Seiten
Ein Trinkgefäß von Holz;
Nun macht die Jagd mich dürften,
Drum thu’ mir das, Geſell,
Und gieb mir eins zu bürften
Aus diefem Waflerquell! “
11. Der Graf hat fi erhoben,
Er ſchwenkt den Becher Kar,
Er füllt ihn an bis oben,
Hält ihn dem Kaifer dar.
Der ſchlürft mit vollen Zügen
Den kühlen Trank hinein
Und zeigt ein fol Bergnügen,
Als wär's der befte Wein.
12. Dann faßt der fchlaue Becher
Den Grafen bei der Hand:
„Du ſchwenkteſt mir den Becher
Und füllteft ihn zum Rand,
— 110 —
Du bielteft mir zum Munde
Das labende Getränk:
Du bift von diefer Stunde
Des deutichen Reiches Schenk!“
£. Uhland.
84. Das Mahl zu Heidelberg.
(10. Juni 1462.)
1. Bon Württemberg und Baden
Die Herren zogen aus,
Bon Met des Biſchofs Gnaden
Vergaß das Gotteshaus;
Sie zogen aus, zu friegen,
Wohl in die Pfalz am Rhein,
Sie fahen da fie liegen
Am Sommerfonnenfdein:
2. Umfonft die Rebenblüte
Sie tränkt mit mildem Duft,
Umfonft des Himmels Güte .
Aus Ährenfeldern ruft;
Sie brannten Hof und Scheuer,
Daß heulte groß und Hein,
Daß leuchtete vom Feuer
Der Nedar und der Rhein.
3 Mit Gram von jenem Schloſſe
Sieht ed der Pfälzer Fritz,
Heißt fpringen auf bie Roſſe
Zween Manır auf einen Sit.
Mit enggebrängten Bolfe
Sprengt er dur Feld und Wald,
Doch ward vie Meine Wolle
Zum Wetterhimmel bald.
4. Sie wollen feiner fpotten,
Da find fie fhon umringt,
Und über ihren Rotten
Sein Schwert der Sieger fchmingt.
Vom Hügel fieht man prangen
Das Heidelberger Schloß,
Dorthin führt man gefangen
Die Fürften amt dem Troß.
5. Buhinterft an der Mauer
Da ragt ein Turm jo feit,
(1833.)
— 111 —
Das ift ein Si der Trauer,
Der Schlang’ und Eule Neft;
Dort follen fie ihm büßen
Im Kerker trüb und kalt,
Es gähnt zu ihren Füßen
Ein Schlund und finſtrer Wald.
6. Hier lernt vom Grimme raſten
Der Württemberger Utz,
Der Biſchof Hält ein Faſten,
Der Markgraf läßt vom Trutz.
Sie mochten ſchon in Sorgen
Um Leib und Leben fein,
Da trat am andern Morgen
Der ftolge Pfälzer ein.
7. „Herauf, ihr Herrn, geftiegen
Sn meinen hellen Saal!
Ihr ſollt nicht fürder liegen
In Finfternis und Dual.
Ein Mahl ift euch gerliftet,
Die Tafel ift gebedt;
Drum, wenn es euch gelüftet,
Verſucht, ob es euch fchmedt!“
8 Sie laufen mit Gefallen,
Wie er fo lächelnd ſpricht;
Sie wandeln durch die Hallen
Ans goldne Tageslicht.
Und in dem Saale winket
Ein herrliches Gelag,
Es dampfet und es blinket,
Was nur das Land vermag.
9. Es ſatzten ſich die Fürften;
Da mocht' es ſeltſam fein!
Sie hungern und fie dürften
Beim Braten und beim Wein.
„Run, will's euch nicht behagen?
Es fehlt doch, deucht mir, nichts!
Worüber ift zu klagen?
An was, ihr Herrn, gebricht’3?
10. Es ſchickt zu meinem Tifche
Der Odenwald das Schwein,
Der Nedar feine Fiſche,
Den frommen Trank der Rhein.
— 12 —-
Ihr habt ja fonft erfahren,
Mas meine Pfalz befchert!
Mas wollt ihr heute fparen,
Mo keiner e8 euch wehrt?”
11. Die Fürften ſahn ‚verlegen
Den andern jeder an,
Am Ende do verwegen
Der Ulrih da begann:
„Herr, fürftlich iſt dein Biſſen,
Doch eines thut ihm not,
Das mag kein Knecht vermiffen:
Wo ließeft du das Brot?”
12. „Mo ih das Brot gelaffen?“
Sprach da der alte Frib,
Er traf, die bei ihm faßen,
Mit feiner Augen Blig;
Er that die Feniterpforten
Weit auf im hohen Saal,
Da ſah man allerorten
Ins offne Nedarthal.
13. Sie fprangen von den Stühlen
Und blidten in das Land,
Da raudten alle Mühlen
Rings von des Krieges Brand;
Kein Hof ift da zu hauen,
Mo nicht die Scheune dampft,
Von Roſſes Huf und Klauen
Iſt alles Feld zerftampft.
14. „Run fpredht, von weilen Schulden
Sit jo mein Mahl beitellt?
Ihr müßt euch wohl gedulden,
Bis ihr beſä't mein Feld,
Bis in des Sommers Schmüle
Mir rveifet eure Saat,
Und bis mir in der Mühle
Sih wieder dreht ein Rab.
15. Ihr ſeht, der Weitwind fächelt
In Stoppeln und Geiträudj;
Ahr jeht, die Sonne lächelt;
Sie wartet nur auf euch!
10
15
20
30
35
2. 8, u
Drum fendet flugs die Schlüfjel
Und öffnet euren Schaf,
So findet bei der Schüſſel
Das Brot den rechten Play!“
Guſtav Schwab. (1823.)
85. Der Länfer von Glarıs.
Einft fochten die von Uri fi
Und die von Glarus bitterlich
Um ihre Landesſcheiden an,
Da ward zulekt der Spruch gethan:
„Zur Tag- und Nachtgleich' allerfrübft,
Wann kaum der Hahn den Morgen grüßt”,
Soll nad der beiden Länder Enden
Jedwedes einen Läufer jenden,
Und mo fi drauf begegnen beibe,
Da fer fortan des Landes Scheibe.“
Und ald der Morgen war gelommen
Und kaum die höchiten Alpen glommen,
Sn Uri wachte ſchon der Hahn
Und fang den Morgen luſtig an.
Der Hunger hat ihn früh gewedt;
Und wie er faum die Flügel redt,
Bricht ſchon der Urner Burtig auf
Und nimmt zur Scheibe feinen Lauf.
Indes zu Glarus Ichläft noch feft
Der Hahn in feinem warmen Neft;
Sie hatten trefflich ihn gefüttert,
Drum fchlief er fatt und unerfchüttert,
Derweil im roten WMorgenbrand
Ihn bänglich die Gemein’ umftand.
Doch endlich Hub er an zu krähen
- Und ſchlummertrunken fih zu blähen,
Und hurtig ſprang der Glarner auf
Und nahm zur Marke jeinen Lauf.
Doch als er eilte kurze Strede,
Kam droben um die Feljenede
Ins Land herein mit ftolzen Tritten
Schon der von Uri hergelchritten.
Der Glarner hielt mit nichten an,
Er fprang noch unverzagt bergan,
Daß er noch Land dem guten Rechte
Und jenem Boll gewinnen möchte.
— 114 —
Der Urner hüpft mit lautem Hohn:
„Hier ift Die Scheibe! * ruft er ſchon;
Doch will er von den Alpenmatten
40 Ein Stüdlein ihm zurüderftatten,
So weit ed ihm noch möge glüden,
Ihn fortzutragen auf dem Rüden.
Der ſchwingt ihn auf die Schulter drauf
Und klettert frifh den Steg hinauf;
45 Er atmet ſchwer, das Knie bricht ein,
Erblaſſend ftürzt er aufs Geftein.
„Hier ift Die Grenze!” ruft er jchnelle —
Sein Grabftein ift zur felben Stelle.
Da ruhe nun von deinem Lauf
50 Und atme wieder freudig auf;
Du bift, fo lang’ dein Fuß dich trug
Und bis zum legten Atemzug,
Fürs gute Recht vorangedrungen
Und haft ihm treuli Land errungen
55 Und weiter feine Mark gefebt!
Glüdfelig, wer zuguterlegt
„Hier ift die Grenze!” rufen kann.
Am Steine, den dein Mut gewann,
Den Ruhſtein du gefunden haft —
60 Du, braver Läufer, halte Raft!
Abolf Stöber. (1888.)
86. Der Trunt ans dem Stiefel.
1. Da droben faßen fie allzumal
Und zechten im alten Ritterfaal;
Die Fadeln glänzten herab vom Stein
Und ſchimmerten weit in die Nacht hinein.
2. Es ſprach der NRheingraf: „Em Kurier
Ließ jüngft mir diefen Stiefel bier;
Mer ihn mit einem Zug mird leeren,
Dem fol Dorf Hüffelsheim gehören! *
3. Und lachend goß er mit eigner Hand
Bol Wein den Stiefel bis an den Rand
Und Bub ihn mitten wohl in den reis:
„Wohlan, ihr Herren, ihr kennt den Preis!”
4. Johann von Sponnheim hielt fih in Ruh
Und wünſchte dem Nachbar Glück dazu,
— 115 —
Und diefer, Meinhart war’3 von Dhaun,
Zog ſcheu zulammen die Dunkeln Brau’n.
5. DBerlegen den Bart fih Flörsheim ſtrich,
Und Kunz von Stromberg f&hüttelte fidh,
Und jelbft der mutige Burgfapları
Sah den Koloß mit Schreden an.
6. Doch Boos von Waldechk rief von fern:
„Dir ber das Schlüdden! Zum Wohl, ihr Herrn!“
Und ſchwenkte den Stiefel und trank ihn leer
Und warf fih zurüd in den Seffel ſchwer —
7. Und fprah: „Herr Rheingraf, Tieß der Kurier
Nicht auch feinen andern Stiefel hier?
Wasmaßen in einer zweiten Wette
Auch Rörheim gerne verbienet hätte.“
8. Des achten fie alle und priefen den Boos
Und ſchätzten ihn glücklich ala bodenlos;
Doch Hüffelsheim mit Maus und Mann
Gehörte dem Ritter Boos fortan.
Guft. Pfarrins.
87. Bon deu fieben Zechbrüdern.
1. Ich kenne fieben luſt'ge Brüder,
Sie find die durftigften im Ort!
Die ſchwuren höchlich, niemals wieder
Zu nennen em gewiſſes Wort
In Teinerlei Weife,
Nicht laut und nicht leiſe.
2. Es iſt das gute Wörtlein Waffer,
Darin doch fonft kein Arges ftedt.
Wie fommt’3 nun, daß die wilden Praffer
Dies ſchlichte Wort fo mächtig ſchreckt?
Merkt auf! ich berichte
Die Wundergefchichte.
3. Einft hörten jene durft’gen Sieben
Von einem fremden Zechkumpan,
Es jet am Waldgebirge drüben
Ein neues Wirtshaus aufgethan,
Da fließen jo reine,
So würzige Weine.
8*
— 116 —
4. Um einer guten Predigt willen
Hätt’ Teiner fih vom Plat bewegt;
Doch gilt es, Gläſer gut zu füllen,
Dann find die Burſche gleich erregt.
„Auf, laflet uns wandern!“
Nuft einer dem andern.
5. Sie wandern rüftig mit dem Frühen;
Bald fteigt die Sonne drüdend heiß,
Die Zunge lechzt, die Lippen glühen,
Und von der Stirme rinnt der Schweiß —
Da riefelt fo belle
Vom Felfen die Duelle!
6. Wie trinken fie in vollen Zügen!
Doch ald fie kaum den a geftillt,
Bezeigen fie ihr Mißvergnüg
Daß bier nicht Wein, nur Waffer quillt:
„O fades Getränke!
O ärmliche Schenke!“
7. In ſeine vielverwobnen Gänge
Nimmt jetzt der Wald die Pilger auf,
Da ſtehn ſie plötzlich im Gedränge,
Verworrnes Dickicht hemmt den Lauf;
Sie irren, ſie ſuchen,
Sie zanken, ſie fluchen.
8. Derweil hat ſich in finſtre Wetter
Die ſchwüle Sonne tief verhüllt;
Schon rauſcht der Regen durch die Blätter,
Es zuckt der Blitz, der Donner brüllt,
Dann kommt es gefloſſen,
Unendlich ergoſſen.
9. Bald wird der Forſt zu tauſend Inſeln,
Zahlloſe Ströme brechen vor;
Hier hilft kein Toben, hilft kein Winſeln,
Er muß hindurch, der edle Chor.
O gründliche Taufe!
O köſtliche Traufe!
10. Vor alters wurden Menſchenkinder
Verwandelt oft in Quell und Fluß,
Auch unſre ſieben arme Sünder
Bedroht ein gleicher Götterſchluß.
Sie triefen, ſie ſchwellen,
Als würden ſie Quellen.
— 117 —
11. So, mehr geihmommen, ald gegangen,
Gelangen fie zum Wald hinaus.
Doch feine Schenke jehn fie prangen,
Sie find auf gradem Weg nah Haus;
Schon riefelt fo belle
Bom Felfen die Quelle.
12. Da iſt's, ala ob fie rauſchend fprede:
„Willkommen, faubre Brüderſchar!
Ihr habt geſchmähet, thöricht Freche!
Mein Waſſer, das euch labend war.
Nun ſeid ihr getränket,
Daß ihr daran denket.“
13. So kam es, daß die fieben Brüder
Das Waſſer fürchteten hinfort,
Und daß fie ſchwuren, niemals wieder
Zu nennen dag verwünſchte Wort
In Teinerlei Weise,
Nicht laut und nicht leiſe.
g. Uhland.
88. Der Klabautermann.
1. Flint auf! die Inftigen Segel gefpannt!
Wir fliegen wie Vögel von Strand zu Strand,
Wir tanzen auf Wellen um Klipp' und Riff,
Wir haben das Schiff nah dem Pfiff im Griff,
Wir können, was fein andrer Tann:
Wir Haben einen Klabautermann.
2. Der Klabautermann ift ein maderer Geift,
Der alles im Schiff fi rühren beißt,
Der überall, überall mit uns reift,
Mit dem Schiffskapitän flink trinkt und fpeift;
Beim Steuermann fit er und wacht die Nacht,
Und im obern Maft, wenn das Wetter Tracht.
3. Iſt's Wetter Mar und die Fahrt gelingt,
So nimmt er die Geige und tanzt und fpringt,
Und alles muß auf dem Ded ſich fchmingen,
Unzählige felige Lieber fingen.
Nicht Sturm, nicht Wurm, ihn fit nichts an:
Wir haben ven wahren Klabautermann.
= IE:
4. Hei, Mettert er! Sei die See auch groß,
Klabautermann läßt Fein Takelwerk log,
Er läuft auf den Rahen, wenn alles zerreißt,
Er thut, mas der Kapitän ihm Heißt. —
Und wißt ihr, wie man ihn rufen kann?
Courage heißt der Klabautermann.
A. Ropiſch.
89. Zieten.
1. Der große König wollte gern ſehn,
Was feine Gen'rale wußten;
Da ließ er an alle Briefe ergehn,
Daß ſie ihm gleich ſchreiben müßten,
Was jeder von ihnen zu thun gedenkt,
Wenn der Feind ihn ſo oder ſo bedrängt.
2. Der Vater Zieten, der alte Huſar,
Beſah verwundert den Zettel.
„Der König hält mich zum Narren wohl gar!“
. So flucht er, „was ſoll mir der Bettel?
Huſar, das bin ich, potz Element!
Kein Schreiber oder verpfuſchter Student“
3. Da macht er auf einen Bogen Papier
Einen großen Klecks in der Mitten,
Rechts, oben, links, unten dann Linien vier,
Die al’ in dem Kleckſe ſich fchnitten,
Und jede endete aud in 'nem Klecks.
So ſchickt er den Bogen dem alten Rer.
4. Der jchüttelt den Kopf gedankenvoll,
Fragt bei der Revue dann den Alten:
„Zum Schmwerenot, Zieten, ift Er toll?
Was fol ih vom Wiſche da halten? ”
Den Bart ftreicht jih Zieten: „Das ift bald erflärt,
Wenn Eu'r Majeftät mir Gehör gewährt.
5. Der große Klecks in der Mitte bin ich,
Der Feind einer dort von den vieren,
Der Tann nun von vorm ober hinten auf mid,
Bon rechts oder links auch marſchieren.
Dann rüd’ ih auf einem der Stridhe vor
Und bau’ ihn, wo ich ihn treffe, aufs Ohr.“
— 119 —
6. Da Hat der König laut aufgelacht
Und bei fich felber gemeinet:
„Der Bieten ift klüger, als ich gedacht,
Sein Gefchmier jagt mehr, ala es ſcheinet.
Das ift mir der befte Reiterdmann,
Der den Feind ſchlägt, wo er auch rüdet an.“
8. v. Sallet.
90. Bon des Kaiſers Bart.
1. Am Schank zur golbnen Traube
Da jagen im Monat Mai
Berbrüdert in grüner Laube
Guter Gesellen drei.
2. Em friiher Burſch mar jeber,
Der eine am Gurt dad Hom,
Der zweite am Hut die Feder,
Der dritte mit Koller und Sporn.
3. Es trug in funfelnden Kannen
Der Wirt den Mein auf den Tiich,
Luftige Reden fie ſpannen
Und fangen und tranten frifch.
4. Da war aud einer darunter,
Der grüne Jägersmann,
Vom Kaijer Rotbart munter
Hub er zu reden an:
5. „Ich babe den Herrn gejehen
Am Rebengeſtade des Rheins,
Zur Mefle wollt’ er gehen
Wohl in den Dom zu Mainz;
6. Das war ein Bild, der Alte,
Fürwahr von Kaiferart;
Bis auf die Bruft ibm wallte
Der lange braune Bart.“
7. Ins Wort fiel ihm der zweite,
Der mit dem Federhut:
„Ei, Freund, bift du geicheite?
Dein Märlein iſt nicht gut;
5
— 120 —
8 Ich habe den Kaiſer geſehen
Auf feiner Burg im Harz, -
Am Söller thät er jtehen,
Sein Bart, fein Bart war ſchwarz!“
9. Da fuhr vom Sitz der dritte,
Der Mann mit Koller und Sporn,
Und in ber Zänker Mitte
Rief er mit hellem Zorn:
10. „So gebt mir doch zur Höllen,
Ihr Lügner, Glüd zur Hei’!
Ich ſah den Kaiſer zu Köllen,
Sein Bart war weiß, war weiß!“
11. Das gab ein grimmes Zanken
Um Weiß und Schwarz und Braun,
Es fprangen die Klingen, die blanfen,
Und wurde jcharf gehaun.
12. Verſchüttet aus den Kannen
Floß der vielevle Mein,
Blutige Tropfen rannen
Aus leichten Wunden drein.
13. Und als es fam zum Wandern,
Ging jeder in zornigem Wut,
Sah feiner nad dem andern,
Und waren fi jüngft fo gut. —
14. hr Brüder, merft das eine
Bei diejer ſchlimmen Fahrt:
„Zankt, wenn ihr figt beim Weine,
Nicht um des Kaifers Bart!“
91. Bie halbe Flaſche.
Geſchlagen war die blut’ge Schlacht,
Den Walplatz räumte Schwedens Macht,
Die Dänen freuen ſich des Sieges.
Doch find der Opfer viel des Krieges,
Beifammen liegen Freund und Feind,
Der grimme Tod bat fie vereint;
Wer aber noch ein Glied mag rühren,
Den wird fein wunder Nachbar fpüren;
&. Geibel,
10
20
25
30°
35
40
50
- 121 —
Erbittert kämpfen zwiſchen Leichen
Halbtote fort, bis fie erbleichen.
Unter der heilen Sieger Zahl
Mar aud ein .alter Korporal,
Bon Ruhm bevedt und Feindesblut,
Doch ſchier verſchmachtet in der Glut
Des Tages; heiß war's bergegangen,
Und heißer Durft hält ihn befangen.
Die Zunge Hebt ihm fat am Gaum!
Umfonft durchſpäht er rings den Raum
Nah einem Labetrunt, da haut
Er neben fi und jubelt laut:
Aus eines toten Dänen Taſche
Blickt eine meingefüllte Flaſche!
Die hebt er durftig an den Mund
Und öffnet ſchon den trodnen Schlund,
Da hört er einen Schweden ſchrein,
Dem eine Kugel nahm das Bein:
„Mir ber, beim Himmel, hab’ Erbarınen!
Ich ſterb'.“ — Ihn jammerte des Armen,
Und glei, der eignen Not vergeflen,
Het er den Raum zu ihm durchmeſſen,
Reicht ihm den Trunk mit milder Hand.
Da bat der Schweb’ den Feind erfannt,
Und Grimm tritt an des Durftes Stelle.
Undankbar ſchießt der Mordgeſelle
Die Flinte nach dem Korporal,
Der ſich erbarmt hat ſeiner Qual.
Doch dieſen ſchützt ein guter Geiſt,
Der die Kugel andre Wege weiſt;
Lebendig ſteht er vor dem Feind,
Der ſich ein Kind des Todes ſcheint.
„Das haſt du nicht umſonſt gethan!“
Fährt ihn der Däne zornig an;
Die Flaſch' er raſch zum Munde hebt
Und ſchlürft und ſchlürft, bis er begräbt
Die Flaſche Halb in ſeinem Magen:
„Den Lohn haſt du davon getragen,
Siehſt du, mit deinem dummen Schießen!
Du ſollteſt ſie erſt ganz genießen,
Deinen Wunden zu einer Salbe;
Nun aber kriegſt du nur die halbe.“
— 12 —
Was von den beiden war geſchehn,
Ein Dänenhauptmann hat’3 gefehn;
Dem König eilt er es zu melden,
Bald Iohnt ein Abdelsbrief den Helden:
55 „Und eine Flaſche, bald mit Wein
Gefüllt, das fol fein Wappen fein.“
R. Simro@. (1848.)
92. Das Erleunen.
1. Ein Wanderburſch, mit dem Stab in der Hand,
Kommt wieder heim aus dem fremden Land.
2. Sein Haar ift beftäubt, fein Antlig verbrannt;
Bon wem wird der Burſch wohl zuerſt erfannt?
3. So tritt er ins Städtchen durchs alte Thor,
Am Schlagbaum lehnt juft der Zöllner davor.
4. Der Zöllner, der war ihm ein lieber Freund,
Dft hatte der Becher die beiden vereint.
5. Doch fieh, Freund Zollmann erfennt ihn nicht,
Zu fehr hat die Sonn’ ihm verbrannt das Gefict.
6. Und weiter wandert nad kurzem Gruß
Der Burſche und jchüttelt den Staub vom Fuß.
7. Da haut aus dem Fenſter fein Schägel fromm:
„Du blühende Jungfrau, viel Ihönen Willkomm!“
8. Doc fieh, auch das Mägdlein erkennt ihn nicht,
Die Sonn’ bat zu fehr ihm verbrannt das Geſicht.
9. Und meiter geht er die Straß’ entlang,
Ein Thränlein ihm hängt an der braunen Wang”.
10. Da wankt von dem Kirchſteig fen Mütterchen ber.
„Gott grüß Euch!“ fo ſpricht er und fonft nichts mehr.
11. Dod fieh, das Mütterlein ſchluchzet voll Luft:
„Mein Sohn!“ und fintt an bes Burſchen Bruft.
12. Wie fehr auch die Sonne fein Antlitz verbrannt,
Das Mutteraug’ bat ihn dod gleich erkannt.
J. A. Dogl. (1846.)
— 123 —
93. Märzlies,
1. Nun, da Schnee und Eis zerflojlen
Und des Angers Raſen ſchwillt,
Hier an roten Lindenſchoſſen
Knoſpen berften, Blätter ſproſſen,
Weht der Auferftehung Odem
Durch das Feimende Gefild.
2. Veilchen an den Wieſenbächen
Löfen ihrer Schale Band;
Primelngold bevedt die Flächen;
Zarte Saatenfpiten ftechen
Aus den Furden; gelber Krofus
Schießt aus warmen Gartenfand.
3. Alles fühlt erneutes Leben:
Die Pbalänen, die am Stamm
Der gelerbten Eiche kleben,
Müden, die im Reigen fchweben,
Lerhen hoch im Ätherglanze,
Tief im Thal das junge Lamm.
4. Seht! ermwedte Bienen ſchwärmen
Um den frühen Mandelbaum;
Froh des Sonnenſcheins, erwärmen
Sich die Greife; Kinder lärmen,
Spielend mit den Diftereiern,
Durch den weißbeblümten Raum.
5. Sprießt, ihr Keimen, aus den Zweigen,
Sprießt aus Moos, das Gräber dedt,
Hoher Hoffnung Bild und Zeugen,
Daß auch wir der Erd’ entfteigen,
Wenn des em’gen Frühlings Odem
Uns zur Auferftehung mwedt!
Job. Gandenz v. Salis. (1784.)
94. Herbſtlied.
1. Bunt find ſchon die Wälder,
Gelb die Stoppelfelver,
Und der Herbft beginnt.
Note Blätter fallen,
Graue Nebel mwallen,
Kühler weht ver Wind.
— 124 —
2, Wie die volle Traube
Aus dem Rebenlaube
Purpurfarbig ftrahlt!
Am Geländer reifen
Pfirfihe mit Streifen
Rot und weiß bemalt.
3. Sieh, wie bier die Dirne
Emſig Pfleum’ und Birne
In ihre Körbchen legt!
Dort mit leichten Schritten
Jene goldne Duitten
In den Landhof trägt!
4. Flinke Träger fpringen,
Und die Mädchen fingen,
Alles jubelt froh!
Bunte Bänder ſchweben
Zwiſchen hohen Reben
Auf dem Hut von Stroh.
5. Geige tönt und Flöte
Bei der Abendröte
Und im Mondenglanz;
Junge Winzerinnen
Winken und beginnen
Deutichen Ringeltanz.
Job. Gaudenz v. Salis. (1782.)
— — — — —
9. Ein Lied, hinterm Ofen zu fingen.
1. Der Winter ift ein rechter Mann,
Kernfeft und auf die Dauer,
Sein Fleifeh fühlt fih wie Eiſen an,
Er ſcheut nicht Süß noch Sauer.
2. War je ein Mann gejund mie er?
Er krankt und fränfelt nimmer,
Er troßt der Kälte wie ein Bär
Und fchläft im Falten Zimmer.
3. Er zieht fein Hemd im Freien an
Und läßt's vorher nit wärmen
Und fpottet über Fluß im Zahn
Und Grimmen in Gebärmen.
— 1235 —
4. Aus Blumen und aus PVogelfang
Weiß er ſich nichts zu machen,
Haft warmen Tran! und warmen Klang
Und alle warmen Sadıen.
5. Doch wenn die Flichfe bellen ehr,
Wenn's Holz im Dfen fnittert
Und an dem Dfen Knecht und Herr
Die Hände reibt und zittert;
6. Wenn Stein und Bein vor Froſt zerbricht
Und Teich' und Seeen krachen:
Das klingt ihm gut, das haft er nicht,
Dann will er tot fich lachen.
7. Sein Schloß von Eis liegt ganz hinaus
Beim Nordpol an dem Strande;
Doch bat er auch ein Sommerhaus
Im fchönen Schweizerlande.
8. Da ift er denn bald dort, bald bier,
But Regiment zu führen;
Und wenn er durchzieht, ftehen mir
Und ſehn ihn an und frieren.
M. Glandins.
96. Täglich zu fingen.
1. Ich danke Gott und freue mid,
Wie's Kind zur Weihnachtsgabe,
Daß ih bin, bin! und daß ich dich,
Schön menſchlich Antlig habe;
2. Daß ich die Sonne, Berg und Meer
Und Laub und Gras kann jehen
Und abends unterm Sternenbeer
Und lieben Monde gehen;
3. Und daß mir dann zu Mute ift,
Als wenn mir Kinder famen
Und fahen, was der heil’ge Chrift
Beicheret hatte. Amen!
4. Ich danke Gott mit Saitenipiel,
Daß ich fein König worden;
Sch wär’ gefchmeichelt worden viel
Und mär’ vielleicht verborben.
=]
10
15
— 116 —-
Auch bet’ ich ihn von Herzen an,
Daß ich auf diefer Erde
Nicht bin ein großer, reiher Mann
Und aud wohl Teiner werde.
Denn Ehre’ und Reichtum treibt und bläbt,
Hat manderlei Gefahren,
Und vielen hat's das Herz verbrebt,
Die weiland wacker waren.
Und all das Gelb und all das Gut
Gemwährt zwar viele Sachen;
Gefundheit, Schlaf und guten Mut
Kann's aber doc nicht machen.
Und die find do, bei Ya und Nein!
Ein rechter Lohn und Segen;
Drum will id mid nit groß kaſtei'n
Des vielen Geldes megen.
Gott gebe mir nur jeden Tag,
So viel ih darf zum Leben.
Er giebt’3 dem Sperling auf dem Dad,
Wie ſollt' er's mir nicht geben!
M. Elandius. (1777.)
97. Das Fener im Walde.
Zween Knaben liefen durch den Hain
Und laſen Eichenreiſer auf
Und türmten ſich ein Hirtenfeu'r,
Indes die Pferd' im fetten Gras
Am Wieſenbache weideten.
Sie freuten ſich der ſchönen Glut,
Die wie ein helles Oſterfeu'r
Gen Himmel flog, und ſetzten ſich
Auf einen alten Weidenſtumpf.
Sie ſchwatzten dies und ſchwatzten das:
Vom Feuermann und Ohnekopf,
Vom Amtmann, der im Dorfe ſpulkt
Und mit der Feuerkette klirrt,
Weil er nach Anſehn ſprach und Geld,
Wie's liebe Vieh die Bauern ſchund
Und niemals in die Kirche kam.
25
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— 127 —
Sie ſchwatzten dies und ſchwatzten das:
Vom ſel'gen Pfarrer Habermann,
Der noch den Nußbaum pflanzen thät,
Von dem ſie manche ſchöne Nuß
Herabgeworfen, als ſie noch
Zur Pfarre gingen, manche Nuß! —
Sie ſegneten den guten Mann
In ſeiner kühlen Gruft dafür
Und knackten jede ſchöne Nuß
Noch einmal in Gedanken auf.
Da rauſcht das dürre Laub empor.
Und fieh, ein alter Kriegesknecht
Wankt dur den Eichenwald daher,
Sagt: „Guten Abend!”, märmet fi
Und fest fih auf den Weidenftumpf.
„er bift du, guter alter Mann?”
Ich bin ein preußiſcher Soldat,
Der in der Schlacht bei Kunersborf
Das Bein verlor und leider Gott's
Bor fremden Thüren betteln muß.
Da ging es fcharf, mein liebes Kind!
Da faufeten die Kugeln uns
Wie Donnerwetter um den Kopf!
Dort flog ein Arm und dort ein Bein!
Wir patichelten durch lauter Blut
Im Pulverdampf! „Steht, Kinder, fteht!
Berlafjet euren König nicht!”
Nief Vater Kleiit; da ſank er Bin.
Ich und zwei Burfche trugen flugs
Ihn zu dem Feldſcher aus der Schlacht.
Laut donnerte die Batterie:
Auf einmal flog mein linkes Bein
Mir unterm Leibe weg!" — „O Gott!“
Sprach Hans und fahe Töffeln an
Und fühlte fih nach feinem Bein —
„Mein Seel’, ih werde fein Soldat
Und wandre lieber hinterm Pflug!
Da fing’ ih mir die Arbeit leicht
Und fpring’ und tanze wie ein Hirſch
Und lege, wenn der Abend fommt,
Mich hinterm Ofen auf die Bank.
Doch kommt der Schelmfranzos zurüd,
Der uns die beiten Hühner jtahl
Und unfer Heu und Kom dazu,
— 128
Dann nehm' ich meinen roten Rock
Und auf den Buckel mein Gewehr!
Dann komm nur her, du Schelmfranzos!“
„Hans“, ſagte Töffel, „lang einmal
65 Die Kiepe her, die hinter dir
Im Riedgras fteht, und gieb dem Mann
Bon unferm Käf und Butterbrot.
Ich ſamml' indefien dürres Holz;
Denn ſieh, das Feuer ſinket ſchon!“
Ehr. Bölty.
98. Des deutichen Knaben Tiſchgebet.
1 Das mar einmal ein “ubeltag!
Bei Sedan fiel der große Schlag!
Mac Mahon war ind Garn gegangen,
Der Kaiſer und fein Heer gefangen!
5 Und blisfchnell flog die Siegespoſt
Am Draht nah Süd und Nord und Dft.
Da gab's ein Jubeln ohne Maßen,
Bon Flaggen wogten alle Straßen.
Biel taujendftimmig hol Hurra,
10 Und waren noch Kanonen da,
So ſchoß man auch Viktoria.
Doch jedenfall3 „die Wacht am Rhein“
Ward angeftimmt von groß und Flein.
Und einer von den Tleinften Jungen,
15 Der hat am lautften mitgejungen;
Die bunte Mütze auf dem Ohr,
Die Höslein flott im Stiefelcohr,
Marfchiert er wader mit im Chor,
Beteiligt fih den Morgen lang
20 An jedem Schrei und jedem Sang.
So wichtig nahm’3 der Feine Wicht,
Als ging's ohn’ ihn entſchieden nicht,
War fo mit Leib und Seel’ dabei,
Als ob er ſelbſt die Rheinwacht ſei,
25 Hat drum den Glodenfchlag vergeflen
Und fam zu fpät zum Mittageffen.
Mit heißen Wangen, rotem Kopf,
Mit offner Bruft, vermehtem Schopf,
Erſcheint er endlich fiegesmatt —
30 Die andern. waren halb ſchon fatt —
35
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— 129 —
Srüßt obenhin, ſetzt fih zu Tiſch
Und greift nach feinem Löffel friſch.
Jedoch der biedre Vater ſpricht:
„Brig, ungebetet ißt man nit!“
Worauf mein Frig vom Stuhl erftebt,
Die Hände faltet zum Gebet,
Und weil fein Kopf noch ſtark zerftreut,
Giebt's wie der Geift ihm juft gebeut,
Sprit: „Liebfter Gott, magft ruhig fein,
Teft Steht und treu die Wacht am Rhein!“
R. v. Gerot. (1870.)
99. Der Stiegli.
Wenn ich fo auf mein Leben fchaw,
Erwägend, mwie’3 doch fei gekommen,
Daß Waldesgrün und Himmelablau
Und Morgenrot und Abendtau
Mir mehr als Rang und Mammon frommen,
Der Wactelichlag die Bruft erregt,
Der Blumen Schmelz mich ſüß bemegt,
Kurz, alles, was ſich fonnt im Licht,
So eng befreundet zu mir fpridt:
Da zeigt fih auch ein Vogelherd
Bor anderm meinem Herzen wert,
Zu dem ich oft, der Hut entronnen,
Mit Morgengraun den Lauf begonnen;
Da ftellt fi mir ein Hütten dar,
Das ganz am End’ des Dörfhens mar,
Geihmüdt an feinen armen Mauern
Mit Tannenreis und Bogelbauern. .
Rotkehlchen fingt, es ſchnarrt der Star,
Der Rabe heißt mich ſchön willlommen,
Dem man der Zunge Band genommen.
Dort wohnt’ ein alter Vogelfänger,
Ein Diogen in Wort und That,
Der tief im Wald die muntern Sänger
Zu reichbejegter Tafel bat;
Doch heut verzehrten fie die Beeren
Und ließen morgen fich verzehren.
Der Greis mit raubem Rod und Bart
War etwas gröblich:finftrer Art
9
30
35
40
45
50
55
60
65
70
— 130 —
Und juft fein Freund von Knabenfragen;
Ja, wenn noch vor geglüdtem Fang
Ich oft ſchon jubelte und fprang,
Erfaßt' er unfanft mich beim Kragen.
Doch ſchnitzt' er Käfige daheim,
Dann ſprach er wohl bei guter Stunde,
Den ſchwarzen Pfeifenftumpf im Munde,
Man Weidſprüchlein, mand alten Reim
Und thät mir Kriegs» und Mordgefchichten
Mit unverbroßner Müh berichten.
Einft, da's zum Glüd noch Mutterheller
In den oft leeren Taſchen gab,
Kauft’ ich dem alten Bogelfteller
Faft bettelnd einen Stieglig ab.
„Da nimm ihn!“ ſprach er, „'s ift nicht teuer;
Ich kriegte wohl noch ein’ge Dreier;
Sieh ihn nur an! o welche Pradt!
Ya, die bat Gott im Spaß gemacht.“
„Was beißt das?“ frug ih, und der Alte
Verſetzte ſchmunzelnd: „Set dich her!
So unfer einer lebt im Walde
Und hört von Jägern mande Mär;
So will ich dir’ denn wieder fagen,
Wie fih das Ding hat zugetragen.“
„Als Gott der Herr die Vöglein ſchuf,
Sch den?’ am fünften Schöpfungstag,
Da ſtanden fie jo Stuf' zu Stuf',
Wie man fie jegt noch fehen mag,
-Der Dompfaff, Rotihwanz, Meif’ und Fink,
G'nug, Adler bis zum Bitfcherling,
Doch al’ noch erdfahl, tot und ftumm,
Um feinen Arbeitsftuhl herum,
Wie mohl ein Gipsmann fie zum Kauf
Yet ftellt in feiner Werkſtatt auf.“
„Da nahm der Schöpfer Scherb’ und Topf
Und mengte bunte Yarben ein,
Bemalte dem den Hals und Kopf
Und jenem Bruft und YFlügelein.
Die Tauben malt’ er weiß und blau,
Sept! Augen in den Schweif dem Pfau,
Den Gimpel und den Goldfafan
Strih er fein rot und goldgelb an.
— 131 —
Bald waren all die Töpfe Ieer,
Und nichts gab's für den Stiegliy mehr.“
„Drauf blies der Herr den Wögelein
Alabald lebend'gen Odem ein,
75 Und ſieh! mit fein’ und grobem Sang
Purrt' alles auf zum Bergeshang,
Wie wohl, wenn deine Hand es fcheucht,
Das Spatenvoll vom Futter fleucht.“
„Der Stieglit nur blieb ſtill zurüd,
80 Erhob zum Herrn gar trüb den Blid,
Reckt' auf das Hälslein und die Zeh'n,
In jede leere Scherb’ zu fehn,
Und fprad: „Sa, die find grün und blau,
Ih armes Tier ganz afchengrau;
85 Soviel, ala not zu meiner Zier,
Wär’ wohl noch in den Töpfen bier.
Schau, Herr! bier ift noh Rot im Topf" —
Gleich gab ihm Gott ein'n Kleds aufn Kopf —
„Hier giebt’3 noch etwas Weiß vom Schwan” —
90 Gleich ftrih’3 ihm Gott am Flügel an —
„Auch 'was Bitronengelb ift bir” —
„„Du Bettler, nun, fo nimm es dir!““ —
„Da giebt’3 auch Ruß noch, ſchwarz wie Nacht,
Womit du Raben haft gemadt.” —
95 „„Du närr'ſcher Kerl!“ “ ſpricht Gott und lacht,
„„Nun, wenn du mußt von allem ban,
So kleb' ih dir auch das noch an!” *
„Sp, Kleiner, hat der liebe Gott —
's iſt wirklich wahr, fein Weidmannsſpott —
100 Mit Farb’ den Stieglitz aufgefrifcht,
An ihm die Pinfel ausgewiſcht.
Drum den?’ ich jeden Morgen dran,
Bin ich gleih nur ein armer Mann,
Bin zu gering felbft für den Spittel:
105 Sin® ih nur ſchlecht und recht ins Grab“,
(Hier zog er fromm fein Käppchen ab)
„So zieht mir Gott dort für den Kittel —
Er hat's dem Stieglig ja gethan —
Wohl aud das Kleid der Ehren an.“
Ir. Rind.
9*
— 132 —
100. Ber Wlpenfäger.
Willſt du nicht das Lämmlein hüten?
Lämmlein tit fo fromm und fanft,
Nährt fih von des Grafes Blüten,
Spielend an des Baches Ranft.
„Mutter, Mutter, laß mich gehen,
Jagen nad des Berges Höhen!“
Willſt du nicht der Herde Ioden
Mit des Hornes munterm Klang?
Lieblih tönt der Schall der Gloden
In des Waldes Luftgefang.
„Mutter, Mutter, laß mich gehen,
Schmeifen auf den wilden Höhen!“
Willſt du nicht die Blümlein warten,
Die im Beete freundlich ftehn?
Draußen ladet dich fein Garten;
Wild iſt's auf den wilden Höhn!
„Laß die Blümlein, laß fie blühen!
Mutter, Mutter, laß mich ziehen!“
Und der Knabe ging zu jagen,
Und es reißt und treibt ihn fort,
Raſtlos fort mit blindem Wagen
An des Berges finftern Ort;
Bor ihm her mit Windesfchnelle
Flieht die zitternde Gazelle.
Auf der Felfen nadte Rippen
Klettert fie mit leihtem Schwung,
Dur den Riß geborftner Klippen
Trägt fie der gewagte Sprung;
Aber Hinter ihr verwogen
Folgt er mit dem Todesbogen.
Jetzo auf dem fchroffen Zinken
Hängt fie, auf dem höchſten Grat,
Mo die Felſen jäh verfinten
Und verſchwunden ift der Pfad;
Unter ſich die fteile Höhe,
Hinter ſich des Feindes Näbe.
— 133 —
7. Mit des Sammers ftummen Bliden
Fleht fie zu dem arten Mann,
Fleht umſonſt, denn loszubrüden
Leot er ſchon den Bogen an —
Plötzlich aus der Felſenſpalte
Tritt der Geift, der Bergesalte.
8. Und mit feinen Götterhänben
Schütt er das gequälte Tier.
„Mut du Tod und Sammer jenden“,
Ruft er, „bis herauf zu mir?
Raum für alle bat die Erbe!
Was verfolgft du meine Herde?“
Sr. v. Schiller. (1804.)
101. Ber Älpler und Ber Fiſcher.
Der Alpenjäger.
1. Was machſt du da? Was tändelit du am Kahn?
Solch eitle8 Thun, ift’8 mohl der Rede wert?
Hingaufelnd auf des Sees geduld'ger Bahn,
Entfernft du did ja kaum vom fihern Herb.
2. Im Auge deine Lieben, Feld und Haus,
Das Element nur prüfend, wenn es fchläft,
Wirfft Du die leichten Nete läſſig aus
Und treibft in Frieden forglos dein Geſchäft.
3. Sieh mid! der Dämm'rung Grauen ruft mich fort,
Ein dunkler Trieb nad oben heit mich gehn;
Die Lieben laſſ' ih ohne Scheibewort,
Um niemals wieder fie vielleicht zu fehn.
4. Wetteifernd mit dem Tag Timm’ ich empor,
Tief unter mir das Thal, das Wolkenmeer;
Kühn ſchauend in des Himmels offnes Thor,
Schreit’ auf bes Todes Wegen ich einher.
5. Doc fteb’ ich droben auf der Scharte Saum,
Ro Play für mich und meinen Mut nur ift,
Und ſchau' ih weit aus in ben freien Raum,
Den felbft des Adler Auge ſchwindelnd mißt; —
— 134 —
6. Und fteb’ ih in der großen Stille da,
Die feines Gledwurms* Pfiff mehr unterbricht,
Allein mit meinem Gotte, fern und nah
Bielleiht der einz’ge rings fo hoch am Lid:
7. Dann Schaut dein Thal, ein Rafenfled, herauf,
Dein Haus — ein Vogelneft an feinem Rand,
Dein mäht’ger See — nur eine Lade drauf,
Und ftolz Iobpreif’ ich meinen Älplerſtand.
Der Fiſcher.
8. Zieh hin mit Gott, du kühner Jägersmann!
Ich falte mohlgemut die Mafchen aus;
Mit munterm Liebe geht’3 den See hinan,
Ein liebes Echo wiederholt's vom Haus.
9. Wohl fchläft auch Iauernd unter mir der Tod,
Doch frevelnd ihn zu wecken hüt' ich mid;
Und wenn er murrend aus ber Tiefe droht,
Harr' ih in Demut, bis fein Zürnen wid.
10. Auch unter mir im Wafferfpiegel ruht
Der blaue Himmel in erhabner Rub;
Und wenn fie ſich beäugelt in der Flut,
Bin ich der Sonne näher noch als du.
11. Die ſchroffen Baden, die dein Fuß verfucht,
Die Schlüft’, in deren Ohr du ſchwindelnd Hangft,
Sie bieten, ſpiegelnd in des Seees Bucht,
Mir Hochentzücken, ungetrübt von Angfl.
12. Und ftatt der Totenftill’ im Reich der Luft,
Kommt, wenn die Herden ziehn im Abendftrahl,
Der Senne johlt, das Ave-Glödlein ruft,
Der Geift der Stille trauter noch ind Thal.
13. Drum hau du immerhin von Iuft’ger Bahn
Herab aufs Thal, mein Haus und meinen See!
Ich ſchiffe Doch mit meinem leichten Kahn
Meg über deiner Alpen Eis und Schnee.
14. Weg über di, der ftolz auf fich vertraut,
Gleit' ich befcheiden in gemeßnem Lauf;
Und jener Mond, der auf dich niederfchaut,
Schaut aus dem Waſſer mild zu mir herauf.
Sabr. Seidl.
* Sledwurm offenbar eine der zahfreichen Vollsbezeichnungen für dad
Murmeltier der Alpen. 4 :
— 1355 —
102. Vergimannslied..
1. Der ift der Herr der Exbe,
Wer ihre Tiefen mißt
Und jeglicher Beſchwerde
In ihrem Schoß vergikt;
2. Wer ihrer Felſenglieder
Geheimen Bau veriteht
Und unverdroffen nieder
Zu ihrer Werkitatt gebt.
3. Er ift mit ihr verbündet
Und inniglich vertraut
Und wird von ihr entzündet,
Als wär fie feine Braut.
4. Cr fieht ihr alle Tage
Mit neuer Liebe zu
Und fcheut nicht Fleiß no Plage;
Sie läßt ihm feine Ruh.
5. Die mächtigen Geſchichten
Der längft verfloßnen Zeit
Iſt fie ihm zu berichten
Mit Freundlichkeit bereit.
6. Der Vorwelt beil’ge Lüfte
Umwehn fein Angeſicht,
Und in die Nacht der Klüfte
Strahlt ihm ein ew’ges Licht.
7. Er trifft auf allen Wegen
Ein wohlbelanntes Land,
Und gern kommt fie entgegen
Den Werten feiner Hand.
8. Ihm folgen die Gewäſſer
Hilfreich den Berg binauf,
Und alle Felſenſchlöſſer
Thun ihre Schätz' ihm auf.
9. Er führt des Golbes Ströme
In feines Könige Haus
Und ſchmückt die Diademe
Mit edlen Steinen aus.
— 136 —
10. Zwar reicht er treu dem König
Den glüdbegabten Arm,
Doch fragt er nah ihm wenig
Und bleibt mit Freuden arm.
11. Sie mögen fi) erwürgen
Am Fuß um Gut und Geld;
Er bleibt auf den Gebirgen
Der frohe Herr der Welt.
Ntovalis.
108. Müllers Wanderlied,
1. Das Wandern ift des Müllers Luft,
Das Wandern!
Das wuß ein ſchlechter Müller fein,
Dem niemals fiel das Wandern ein,
Das Wandern.
2. Vom Wafler haben wir's gelernt,
Bom Wafler!
Das bat nicht Raft bei Tag und Nadit,
Iſt ſtets auf Wanderſchaft bedacht,
Das Waſſer.
3. Das ſehn wir auch den Rädern ab,
Den Rädern,
Die gar nicht gerne ſtille ftehn
Und fih mein Tag nicht müde drehn,
Die Räder.
4. Die Steine felbit, jo ſchwer fie find,
Die Steine,
Sie tanzen mit den muntern Reih’n
Und wollen gar noch fchneller fein,
Die Steine.
5. D Wandern, Wandern, meine Luft,
D Wandern!
Herr Meifter und Frau Meifterin,
Laßt mid im Frieden weiter ziehn
Und wandern!
w. Müller.
ze 9, —
104. Wüchterrul.
Alemanniid.
Loſet, was i euh will fage!
D’Glode Het zehni gichlage.
Jez betet und iez göhnt ins Bett,
Und wer e rüeihig G'wiſſe bet,
Schlof ſanft und wohl! Im Himmel wacht
E heiter Aug die ganzi Nacht.
Loſet, was i euch will fagel
D'Glocke het ölfi gſchlage.
Und wer no an der Arbet ſchwitzt,
Und wer no an der Charte ſitzt,
Dem bieti iez zuem letztemol, —
's iſch hochi Zit — und ſchlofet wohl!
Loſet, was i euch will ſage!
D'Glocke het zwölfi gſchlage.
Und wo no in der Mitternacht
E G'müet in Schmerz und Chummer wacht,
Se geb der Gott e rüeihige Stund
Und mad di wieder froh unb gjund!
Loſet, was i euch will fage!
D'Glocke bet eis gſchlage.
Und wo mit Satans G'heiß und Rot
E Dieb uf dunkle Pfade gobt,
— % will’3 nit hoffen; aber gſchieht's —
Gang beim! Der Bimmlifh Richter ſieht's.
Loſet, was i euch will fage!
D'Glode Bet zwei gſchlage.
Und wem ſcho wieder, eh's no tagt,
Die ſchwer Sorg am Herzen nagt,
Du arme Tropf, die Schlof iſch hi!
Gott ſorgt! Es wär nit nötig gi.
Lofet, was i euch will ſage!
D’Glode Het drü gichlage.
Die Morgeftund am Himmel fchwebt,
Und wer im Friede den Tag erlebt,
Dank Gott und faß e frohe Muet,
Und gang ans G'ſchäft und — Halt di guet!
D. Bebel.
— 138 —
105. &emmierlied,
1. Blaue Berge!
Bon den Bergen ftrömt das Leben,
Keine Luft für Menfh und Vieh.
Waſſerbrünnlein fpat und früh
Müflen uns die Berge geben.
2. Friſche Matten!
Grüner Klee und Dolden ſchießen;
An der Schmehle ſchlank und fein
Glänzt der Tau wie Edelſtein,
Und die Haren Bächlein fließen.
3. Schlanke Bäume!
Muntrer Vögel Melodeien
Tönen im belaubten Reis,
Singen laut des Schöpfers Preis;
Kirſche, Bin’ und Pflaum’ gedeihen.
4. Grüne Saaten!
Aus dem zarten Blatt enthüllt fich
Halm und Ahre, ſchwanket ſchön,
Wenn die milden Lüfte wehn,
Und das Körmlein wächſt und füllt ſich.
5. An dem Himmel
Strahlt die Sonn’ im Brautgelchmeibe!
Weite MWölllern fteigen auf,
Biehn dahin im ftillen Lauf;
Gottes Schäflein gehn zur Weide.
6. Herzensfrieden, -
Wol’ ihn Gott uns allen geben!
D dann ift die Erde fchön,
In den Gründen, auf den Höhn
Wacht und fingt ein frohes Leben.
7. Schwarze Wetter
Überziehn den Himmeläbogen,
Und der Vogel fingt nicht mehr.
Winde braufen hin und ber,
Und die wilden Wafler wogen.
8. Rote Blitze
Zuden Bin und zuden wieber,
— 139 —
Leuchten über Wald und Flur,
Bange harrt die Kreatur;
Donnerjchläge ftürzen nieder.
9. Gut Gewiflen,
Mer ed Bat, und wer's bemachet,
In den Blib vom MWeltgericht
Schaut er, und erbebet nicht,
Wenn der Grund der Erbe Trachet.
106. Abendlied,
1. Der Mond ift aufgegangen,
Die goldnen Sternlein prangen
Am Himmel bel und Far.
Der Wald fteht ſchwarz und fchmeiget,
Und aus den Wieſen fteiget
Der weiße Nebel wunderbar.
2. Wie ift die Welt fo ftille
Und in der Dämm’rung Hülle
So traulih und fo Hold,
Als eine ftile Kammer,
Mo ihr des Tages Jammer
Verſchlafen und vergefien follt!
3. Seht ihr den Mond dort ftehen?
Er ift nur halb zu ſehen
Und iſt doch rund und Schön!
So find wohl mande Saden,
Die wir getroft belachen,
Weil unfre Augen fie nicht jehn.
4. Wir tollen Menſchenkinder
Sind eitel arme Sünder
Und willen gar nicht viel.
Wir ſpinnen Luftgefpinfte
Und ſuchen viele Künfte —
Und kommen weiter von dem giel.
5. Gott, laß uns bein Heil ſchauen,
Auf nichts Vergänglich's trauen,
Nicht Eitelfeit uns freun!
P. Pebel.
— 140 —
Lab uns einfältig werben
Und vor dir bier auf Erden
Wie Kinder froh und fröhlich fein!
6. Wollſt endlich fonder Grämen
Aus diefer Welt ung nehmen
Durch einen janften Tod!
Und wenn du und genommen,
Laß uns in Himmel kommen,
Du, unser Herr und unfer Gott!
7. So legt euch denn, ihr Brüder,
In Gottes Namen nieder!
Kalt ift der Abendhauch.
Verſchon' ung Gott mit Strafen,
Und laß uns rubig fchlafen
Und unfern kranken Nachbar auch!
M. Elandius.
107. Der Abendſtern.
L Alemanniſch.
1. De biſch au wieder zitli do
Und laufih der Sunne weidli no,
Du liebe, ſchöne Obeſtern!
Was gilt's, de hättſch di Schmügli gern!
Er trippelt ihre Spure no
Und da fie doch nit übercho.
2. Bo alle Sterne groß und chlei
Iſch er der liebſt und er ellei;
Si Brüderli, der Morgeftern,
Sie het en nit ums halb fo gern;
Und wo fie wandlet us und t,
Se meint fie, müeß er um fie ſy.
3. Früeih wenn fie hinterm Morgerot
Wohl ob em Schwarzwald ufe gobt,
Sie füehrt ihr Büebli an der Hand,
Sie zeigt em Berg und Strom und Land,
Sie feit: „Thue g'mach, 8’ preffiert nit fo!
Di Gumpe wirb der bald vergoh.“
4. Er fchwäht und frogt fie das und deis,
Si git em B’richt, fo guet ſie's weiß.
— 141 —
Er ſeit: „D Muetter, Iueg doch au,
Do unte glänzt's im Morgetau
Sp ſchön wie in di'm Himmelsjaal!“
„Se“, ſeit fie, „Drum iſch's Wiefenthal.“
5. Sie frogt en: „Heſch bald alles afeh?
Jez gangi und wart nümme meh.“
Druf fprmgt er ihrer Hand dervo
Und mengem wüße Wülkli no;
Doch, wenn er meint’, iez han i bi,
Verſchwunden iſch's, weiß Gott, wohi.
6. Druf wie ſi Muetter höcher ſtoht
Und alsgmach geg'n em Rihſtrom goht,
Se rueft fie 'm: „Chumm und fall nit bo!“
Sie führt en feft am Hänbli no:
„De chönntſch verlöfche, Handumchehr,
Nimm, was mers für e Chummer wär!“
7. Doch, wo fie überm Elfis ſtoht
Und alsgmach ehnen abe goht,
Wird nootno 's Büebli müed und ſtill,
’8 weiß nümme, was es made will;
’3 will nümme goh und will nit gob,
's frogt hundertmol: „Wie wit iſch's no?“
8 Druf, mie fie ob de Berge ftoht
Und tiefer ſinkt ins Oberot,
Und er afange matt und müeb
Im rote Schimmer d'Heimet ſieht,
Se loßt er fie am Fürtuch goh
Und zottlet alsgmach Hinte no.
9. In d’ Heimet wandle Herd und Hirt,
Der Vogel fitt, der Chäfer ſchwirrt,
Und 's Heimli betet bört und do
Si Iuten Obedſege ſcho.
Jez, denkt er, hani hochi Zit,
Gottlob und Dank, ’3 iſch nümme wit.
10. Und ſichtber, wiener nöcher chunnt,
Umftrablt fi au fi Gſichtli rund.
Drum ftoht fi Muetter vorem Hus:
„Chumm, weibli dumm, bu dleini Muus!“
Jez finkt er freudig niederwärts —
Jez iſch's em wohl am Muetterherz.
— 142 —
11. Schlof wohl, du ſchöner Obeftern!
’3 ich wohr, mer ben di alle gern.
Er luegt in d'Welt jo lieb und guet,
Und bichaut en eis mit jchwerem Muet,
Und iſch me müed und bet e Schmerz,
Mit ſtillem Frieden füllt er’3 Herz.
12. Die anderen im Strableg’wand,
He frili io, fin au ſcharmant.
O Iueg, wie 's flimmert wit und breit
In Lieb und Freud und Einigkeit!
's macht kein em andre 's Lebe fchwer;
Menn’3 doch donieden au fo wär!
13. Es chunnt e chüele Obebluft,
Und an de Halme hangt der Duft.
Denkwol, mer göhn iez au alsgmach
Im ftille Frieden unters Dad!
Gang, Lifeli, zünd 's Ampli a,
Mach kei fo große Dochte dra!
P. Bebet.
OD. Hodbeutid.
1. Rilllomm, willlomm! Schon wieder da?
Und fchon denfelben Bergen nah,
Du lieber fchöner Abendftern?
— Bei feiner Mutter wär’ er gern;
Er trippelt nah mit mattem Schein
Und holt fie eben doch nicht ein.
2. Bon allen Sternen groß und klein
Sit er der liebſte, er allein.
Sein Brübderlein, der Morgenftern,
D nein, fie hat ihn nicht jo gern.
Drum mo fie wandelt aus und ein,
Da muß ihr Liebling um fie fein.
3. Früh, wenn fie aus dem Schlaf ſich hebt
Und fteigend überm Schwarzwald ſchwebt,
Sie führt ihr Knäblein an der Hand,
Sie zeigt ihm Berg und Strom und Land.
Er hüpft und fpringt. Doch warnt fie ſchon:
„Der Weg ift weit! gemach, mein Sohn!“
— 143 —
4. Er [haut fih um, fragt allerlei;
Sie lehrt ihn treulih, was es fei.
„D Mutter“, ruft er, „Mutter, Schau!
Da unten ſtrahlt's im Morgentau
Schön, wie in deinem Himmelsſaal.“
„Drum“, Sagt fie, „iſt's das Wieſenthal.
5. Nun fort, mein Sohn, und folge mir,
Wir haben nicht zu ſäumen bier.“
Set Ichlüpft er — Händen aus,
Springt manchem Wölklein klein und kraus
Mit leichten Füßen nach und ſchlägt
Das Hütchen drauf — und — iſt geneckt.
6. Doch wie die Sonne höher ſteigt
Und unter ihr der Rhein ſich zeigt,
So warnt fie ihn: „Hier iſt Gefahr!“
Sie beut die Mutterhand ihm bar.
Sie knüpft ihm fchnell das Nödlein ein
Und führt ihn forglih übern Rhein.
7. Doch wie fie ob dem Elſaß fteht
Und mählich wieder abwärts geht,
Wie wird das Bürfchlein müd' und fill!
Es weiß nicht, wie fich’8 helfen will.
Sie tröftet ihn, fie fpriht ihm zu:
„Bald kommſt du heim im deine Ruh.“
8. Doch wie fie ob den Bergen jteht,
Am roten Himmel tiefer geht,
Und er von weiten, matt und müd',
Die füße liebe Heimat fieht,
Läßt er das Mütterhen voran
Und zottelt nad, fo gut er kann.
9. Zur Heimat wandeln Herd’ und Hirt,
Der Vogel ſchweigt, der Käfer ſchwirrt,
Schon tönt die ftille Flur entlang
Der Heimchen froher Nachtgefang.
„Seht“, denkt er, „hab' ich hohe Zeit.
Doch iſt's gottlob! auch nimmer weit!“
10. O ſeht ihn, wie er nieberfinkt
Und beller jest und heller blinkt!
Die Mutter fteht Schon vor dem Haus
Und firedt nad ihm die Arme aus;
Jetzt finkt er freubig niederwärts,
Jetzt ift ihm wohl am Mutterherz
— 14 —
[11. Schon ftehn Rofinlein, rein und friſch,
Und Honigkuchen auf dem Tiich.
Bald trägt fie ihn in feine Ruh,
Dedt ihn mit leichten Wolfen zu;
Sie küßt ihm Stirn und Wangen rot:
„Schlaf wohl, mein Kind, das malte Gott!“]
12. Schlaf wohl, du ſchöner Abendftern!
Das Sternlein fehen alle gern.
Er ſchaut herab jo mild und gut;
Und wer ihn fieht mit jchwerem Mut,
Dem lindert er den tiefen Schmerz,
Und ſtiller Friede füllt das Herz.
13. Die andern dort im Lichtgewand,
Ei freilih ja, find auch ſcharmant.
O feht, wie's flimmert weit und breit!
In Lieb’ und Fried’ und Einigkeit
Mird jeder feines Lebens froh.
Wär's doch hienieden auch ſchon jo!
14. Schon kühler weht die Abendluft,
Und an den Halmen hängt der Duft.
Auch wir gehn, denk' ich, allgemach
Im ſtillen Frieden unter Dach.
Geh, Lieschen, ſachte du voran
Und zünd' geſchickt das Lämpchen an!
P. Bebel.
108. Das Irrglöcllein.
Ortsſage von Seklad).)
1. Der Tag erliicht, es ſenket graufend
Die Naht vom ſchwarzen Himmel ſich,
Und Nebelminde ftreichen ſauſend
Durch Waldesgründe fchauerlich;
Das Fräulein irrt mit bangem Schweigen
Allein auf ungebahnten Steigen.
2. Sie ſchreckt das Rauſchen jedes Blattes,
Sie ſchreckt des eignen Fußes Tritt;
Es leuchtet aus der Luft kein mattes,
Kein bleiches Sternlein ihrem Schritt;
Sie irrt mit jedem neuen Schritte
Nur tiefer in des Waldes Mitte.
— 145 —
3. Da drehet fi vor ihren Bliden
Im leihten Tanz am fchwarzen Moor,
Sie mit Berderben zu beftriden,
Der Waldesgeifter veger Chor;
Sie laſſen büftre Flammen glüben,
Um täufdend fie binabzuziehen.
4. Sie ſcheinen Lichter niedrer Hütten,
Sie jcheinen fern und find ihr nah;
Sie treibt fih an mit fchnellern Schritten,
Sie fliegt Hinzu, ſchon ift fie da;
Schon ift fie da, und freudig fehen
Die Argen fie am Abgrund jtehen.
5. Schon mill fie in die Tiefe gleiten,
Da ruft fie’ an aus tiefem Wald;
Ihr ist, als wenn ein fernes Läuten
Ihr rückwärts in die Ohren fallt;
Sie wendet fih halb froh, Halb bange
Und horcht dem wunderbaren Klange.
6. Und vor dem Klang in Luft zerflogen
Sind alle Flämmlein fort im Nu;
Sie wandelt mächtig angezogen
Dem wunderbaren lange zu;
Er führt fie weit auf Meg und Stegen
Und endlich aus des Walds Gehegen.
7. Und dämmern fiehet fie die Häufer
Des Weiler aus der Ferne fchon;
Da klingt es lei” und immer leifer,
Und gar verflungen ift der Ton;
Schnell mit andädtiger Gebärbe
Senkt betend fie das Knie zur Erbe.
8 Sie wenet frommen Dankes Thränen,
Ihr Haupt verhüllend ins Gewand,
Den Rettern, die mit leifen Tönen
Site riefen von des Todes Rand;
Dann will fie freudig aufwärts ſchauen
Und fieht den Tag im Dften grauen.
9. Und fieht mit rotbeitrahlten Zinnen
Auf fernem Berg ihr nahes Schloß;
Sie rafft fih auf und eilt von binnen
In ihres bangen Vaters Schoß.
10
— 146 —
Mit Staunen aus der Tochter Munde
Hört er die wundervolle Kunde.
10. Dann baut er auf derfelben Stelle,
Alwo fein Kind fih wiederfand,
Ein Meines Türmlein und Kapelle
Mit Schieferdah und Mörtelmand;
Und in bes Turmes höchſtem Stode
Hängt hellen Klanges eine Glode.
11. Und bei des Abends erften Sternen
Schlägt hoch im Turm das Glödlein an,
Durchhallt des Waldes weite Fernen
Und ruft den irren Wanderömann;
Er folgt getroft mit ſichern Schritten
Dem Rufe zu des Wetlerd Hütten.
12. Das Glödlein hängt in der Kapelle
Dreihundert Jahr und drüber fchon,
Und immer klingt es klar und belle,
Und immer heller wird fein Ton;
Es beißt zu feiner Stiftung Kunde
Irrglöcklein bis auf diefe Stunde.
Sr. Rüdert.
109. Moſe im Ru.
(2. Mof. 2, 2—10.)
1. Matt hängt die Sylomore
Ihr Laub herab zum Nil,
Und ſchläfrig ruht im Rohre
Das träge Krokodil;
Am fchattigen Geftade
Schleicht leis die feichte Flut
Und lädt zum linden Bade
Nah beiker Tagesglut.
2. Was leuchtet Dur die Palmen
Wie weißer Schleier Wehn?
Was raufhet in den Halmen
Wie fanfter Tritte Gehn?
— 147 —
Zur Kühlung, lieblich Iabend
In lauer Wellen Schoß,
Berlodt der golpne Abend
Die Tochter Pharaos.
Ihr funtelt von der Stimme
Der königliche Reif,
Luft fächelt ihr die Dirne
Mit buntem Pfauenfchweif,
Indes den blanfen Spiegel,
Den goldnen Salbentrug,
Den Schirm vom Straußenflügel
Die Schar der Mägde trug.
Doch fieh, auf halbem Pfade
Was hält die Frau'n zurück?
Mas feflelt am Geftabe
Den überraſchten Blick?
Im hohen Uferſchilfe
Im dicht verwachſ'nen Rohr,
Da wimmert's wie um Hilfe
Ausstiefer Flut empor.
Girrt in fo niedrem Neftchen
Verlaßne VBogelbrut?
Nein, jhau! ein baftnes Käftchen
Wiegt leis Die dunfle Flut;
Ihr Mägde, bringet’3 näher
And löft des Deckels Dad!
„Ein Knäblein der Hebräer!“
So tönt ihr zärtlih Ad!
Ein Knäblein, und ein feines,
Drei Monden kaum ift’s alt,
Die Sonne fah noch Feines
Gleich Herrlih an Geftalt;
Nie königlich die Stirne,
Wie groß das Auge blidt!
Berliebt ift jede Dirne,
Die Fürftin fteht entzückt.
Sie hält das Kind umfchlungen,
Das nun ihr eignes tft,
Und herrlich ift gelungen
Der Mutter kühne Lift,
10*
— 148 —
Die binterm PBalmenftanıne
Hervortritt frohbewegt
Und ihren Sohn, ala Amme,
Zum Königsſchloſſe trägt.
8. Und kennſt du deine Beute,
D Tochter Pharaos?
Den Löwen, den du beute
Heimbringft ing Königsſchloß?
Zu feines Volles Retter
Beruft ihn einſt fein Gott
Und macht Ägyptens Götter
Dur feinen Stab zum Spott. —
9. Ja das find deine Pfade,
D Vater alles Lichts,
Die Wunder deiner Gnade,
Die alles macht aus nichts,
Die aus des Niles Schlamme
Den armen Findling hebt,
Der einft ala Gottes Ylamme
Bor feinem Volke ſchwebt;
10. Die von dee Schäferhürbe
Iſais zarten Sohn
Zur Töniglihen Würde
Beruft auf Jakobs Thron;
Die uns in Stall und Krippe
Das Kind des Himmels legt,
Das auf der füßen Lippe
Das Heil der Menfchheit trägt.
R. v. Gerot.
110. Die wiedergefundenen Söhne.
1. Was die Schickung ſchickt, ertrage!
Wer ausharret, wird gekrönt.
Reichlich weiß ſie zu vergelten,
Herrlich lohnt ſie ſtillen Sinn.
Tapfer iſt der Löwenſieger,
Tapfer iſt der Weltbezwinger,
Tapfrer, wer ſich ſelbſt bezwang. —
— 149 —
2. Placidus, ein edler Feldherr,
Reich an Tugend und Verbienft,
Beiftand war er jedem Armen,
Unterdrückten half er auf.
Die er einft den Feind bezwungen,
Wie er einft das Reich gerettet,
Rettet’ er, wer zu ihm flo.
3. ber ihn verfolgt’ das Schidfal,
Armut und der Böfen Neib.
„Laß dem Neid und und der Armut
Still entgehn!” ſprach Placidus;
„Auf! laß uns dem Fleiße dienen!“
Sprach jein Weib; „und gute Knaben,
Tapfre Knaben, folget uns!“
4. Alſo gingen fie; im Walde
Traf fie eine Räuberſchar,
Trennet Bater, Mutter, Kinder.
Zange fucht” der Held fie auf;
Placidus, rief eine Stimme
Ihm im hochbeherzten Bufen,
Dulde dich, du findeft fie.
5. Und er fam vor eine Hütte.
„Kehre, Wandrer, bei mir ein!“
Sprah der Landmann, „du biſt traurig;
Auf! und fafle neuen Mut!
Men das Schidjal drückt, ven liebt es;
Wem's entzieht, dem will's vergelten;
Mer die Zeit erharret, fiegt.“
6. Und er ward des Mannes Gärtner,
Dient’ ihm unerlannt und treu,
Pflegend tief in jeinem Herzen
Eine bittre Frucht, Geduld.
Placidus, rief eine Stimme
Ihm im tiefbebrängten Bufen,
Dulde di! du findeft fie.
7. So verftriden Jahr’ auf Jahre,
Bis ein wilder Krieg entiprang.
„Wo iſt Placidus, mein Feldherr?“
Sprach der Kaiſer, „ſuchet ihn!“
Und man ſucht' ihn nicht vergebens;
Denn die Prüfzeit war vorüber,
Und des Schickſals Stunde ſchlug.
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8. Zween Jeiner alten Diener
Kamen vor der Hütte Thür,
Sahn den Gärtner und erlannten
An der Narb’ ihn im Gefidt,
An der Narbe, die dem Feldherrn
Statt der Schäge, ftatt der Lorbeer'n
Einzig blieb als Ehrenmal.
9. Alfobald ward er gerufen;
Es erjauchzt' das ganze Heer.
Vor ihm ging der Feinde Schrecken,
Ihm zur Seite Sieg und Ruhm.
Stillen Sinns nahm er den Palmzweig,
Gab die Lorbeer'n ſeinen Treuen,
Seinen Tapferſten im Heer.
10. Als nach ausgefochtnem Kriege
Jetzt der Siegestanz begann,
Drängt mit zween feiner Helden
Eine Mutter fi hervor:
„Bater, nimm bier beine Kinder!
Feldherr, fieh bier deine Söhne,
Mid, dein Weib, Eugenia!
11. Wie die Löwin ihre ungen,
Sagt’ ich fie den Räubern ab.
Nahbarlih in diefer Hütte —
Komm und fchau! — erzog ich fie;
Glaubte dich uns längit verloren,
Deine Söhne mir ftatt deiner,
Deiner wert erzog ich fie.
12. Ws die Poft erfholl vom Kriege,
Rufend deinen Namen aus,
Auferwedt vom Totentraume
Rüſtet' ich Die Jünglinge:
Zieht! verbienet euren Vater!
Streitet unerlannt und werdet,
Merdet eures Vaters mert!
13. Und ich ſeh', fie tragen Stränge,
Ehrenkränze dir zum Ruhm,
Die du unerfannt den Söhnen,
Nicht als Söhnen, zuerlannt.
Bater, nimm jet deine Kinder!
Feldherr, fieh bier deine Söhne
Und dein Weib Eugenia!" —
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14. Was die Schickung ſchickt, ertrage;
Wer ausharret, wird gekrönt.
Placidus, der ſtillgeſinnte,
Lebet noch in Hymnen jetzt;
Chriſtlich wandt' er ſeinen Namen:
Seinen Namen nennt die Kirche
Preiſend Sankt Euſtachius.
Job. Gottfr. v. Berder. (1796?)
111. Der gerettete Jüngling.
Eine ſchöne Menfchenfeele finden
Iſt Gewinn; ein fehönerer Gewinn ift
Sie erhalten; und der ſchönſt' und ſchwerſte
Sie, die ſchon verloren war, zu reiten.
Sankt Zohannes, aus dem öden Patmos
Miederlehrend, mar, was er gemeien,
Seiner Herben Hirt. Er ordnet’ ihnen
Wächter, auf ihr Innerſtes aufmerffam.
In der Menge fah er einen ſchönen
Süngling; fröhlide Gefundheit glänzte
Vom Gefiht ihm, und aus feinen Augen
Sprach die Liebevollite Feuerſeele.
„Diefen Jüngling“, ſprach er zu dem Bilchof,
„Nimm in deine Hut! Mit deiner Treue
Stehft du mir für ihn! — Hierüber zeuge
Mir und dir vor Chrifto die Gemeine.“
Und der Biſchof nahm den Yüngling zu fidh,
Untermies ihn, ſah die ſchönſten Früchte
In ihm blühn, und weil er ihn vertraute,
Ließ er nad von feiner ftrengen Aufficht.
Und die Freiheit war ein Netz des Jünglings:
Angelodt von jüßen Schmeicheleien,
Ward er müßig, koſtete die Molluft,
Dann den Reiz des fröhlichen Betruges, .
Dann der Herrfchaft Reiz; er fammelt’ um fi
Seine Spielgefellen, und mit ihnen
Zog er in den Wald, ein Haupt der Räuber.
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Als Johannes in die Gegend wieder
Kam, die erfte Frag’ an ihren Bilchof
Dar: „Wo ift mein Sohn?" — „Er ift geitorben!”
Sprach der Greiß und fchlug die Augen nieber.
„Wann und wie?" — „Er ift Gott abgeftorben,
Iſt (mit Thränen fag’ ich e8) ein Räuber.“
„Dieſes Jünglings Seele“, ſprach Johannes,
„Fordr' ich einft von dir. Jedoch wo iſt er?“ —
„Auf dem Berge dort!“
— „Sch muß ihn jehen!“
Und Johannes, faum dem Walde nahend,
Ward ergriffen; eben diefed wollt’ er.
„Führet“, ſprach er, „mich zu eurem Führer!“
Bor ihn trat er. Und der ſchöne Jüngling
Wandte fih; er konnte diefen Anblid
Nicht ertragen. „Fliehe nicht, o Yüngling,
Nicht, o Sohn, den waffenlofen Vater,
Einen Greis. Ich habe dich gelobet
Meinem Herrn und muß für dich antworten.
Gerne geb’ ih, willſt du es, mein Leben
Für dich bin; nur dich fortan verlaffen
Kann ih nicht! ch habe dir vertrauet,
Di mit meiner Seele Gott verpfändet.“
Meinend ſchlang der Jüngling feine Arme
Um ben reis, bededete fein Antlitz,
Stumm und ftarr; dann ftürzte ftatt der Antwort
Aus den Augen ihm ein Strom von Thränen.
Auf die Kniee ſank Johannes nieder,
Küßte feine Hand und feine Wange,
Nahm ihn neugefchenket vom Gebirge,
Zäuterte fein Herz mit füßer Flamme.
Jahre lebten fie jeßt unzertrennet
Miteinander; in den fchönen Süngling
Goß fih ganz Johannes' ſchöne Seele. —
Sagt, was war ed, was daB Herz des Jünglings
Alfo tief erfannt’ und innig fefthielt
Und es wiederfand und unbezwingbar
Rettete? Ein Sankt Xohannes: Glaube,
Zutraun, eitigleit und Lieb’ und Wahrheit.
Job. Goitfr. v. Perder. (1795?)
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112. Das Umen der Steine.
(Beda Venerabilis, 672— 753 nach Chr.)
Bom Alter blind, fuhr Beda dennoch fort
Zu predigen die neue frohe Botfchaft.
Bon Stadt zu Stadt, von Dorf zu Dorfe wallte
An feines Führers Hand der fromme Greis
Und predigte dad Wort mit Yünglingafeuer.
Einft leitet’ ihn fein Knabe in ein Thal,
Das überfät war mit gemalt’gen Steinen.
Leichtfinnig mehr ala boshaft ſprach der Knabe:
„Ehrwürd'ger Bater, viele Menfchen find
Berfammelt bier und harren auf die Predigt.”
Der blinde Greis erhob ſich aljobald,
Wählt einen Tert, erllärt ihn, wandt' ihn an,
Ermahnte, warnte, ftrafte, tröftete
So herzlich, daß die Thränen mildiglich
Ihm nieberflofien in den grauen Bart.
Als er beichliepend drauf das Vaterunfer,
Wie ſich's geziemt, gebetet und geſprochen:
„Dein tft das Reich umd dein die Kraft und bein
Die Herrlichleit bis in die Ewigkeiten!“ —
Da riefen rings im Thal viel taufend Stimmen:
„Amen, ehrwürd’ger Bater! Amen! Amen!“
Der Knab' erſchrak; reumütig kniet' er nieder
Und beichtete dem Heiligen die Sünde.
„Sohn“, ſprach der Greis, „haft du denn nicht gelefen:
Wenn Menſchen jchweigen, werden Steine ſchrei'n?
Nicht ſpotte Fünftig, Sohn, mit Gottes Wort!
Lebendig ift es, kräftig, ſchneidet fcharf,
Wie kein zweiſchneidig Schwert. Und jollte gleich
Das Menſchenherz fih ihm zum Troß verfteinen,
So wird im Stein ein Menfchenherz fich regen.“
£ndw. Eheobul Rofegarten. (1816.)
113. Salomon und der Simann.
1. Im Feld der König Salomon
Schlägt unterm Himmel auf den Thron;
Da fieht er einen Sämann fchreiten,
Der Kömer wirft nah allen Seiten.
10.
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2. „Was machſt du da?“ der König fpridt,
„Der Boden bier trägt Ernte nicht.
Lab ab vom thörichten Beginnen!
Du wirft die Ausſaat nicht gewinnen.”
3. Der Sämann, feinen Arm gefenkt,
Unſchlüſſig fteht er da und denkt;
Dann fährt er fort, ihn rüftig bebend,
Dem meifen König Antwort gebend:
4. „Ih habe nichts als dieſes Feld,
Geadert hab’ ich's und beftellt;
Mas ſoll ich weitre Rechnung pflegen?
Das Kom von mir, von Gott der Segen!“
Ir. Rülert.
114. Bramaniiche Erzählung.
Der Ehrgeiz, lieber Sohn, wiegt felbft den Geiz darnieder!
Bon einem Araber berichten alte Lieder:
Ihm warb gejagt, daß man die Stut” ihm wolle rauben,
Die teurer als ſein Weib ihm war und als ſein Glauben;
Die Stute, die da war ſein Ehrgeiz und ſein Stolz,
Im Lauf uneinholbar als wie im Flug ein Bolz.
Da band er fie zur Nacht vorm Zelte mit ber Kette,
Die er durchs Zelt hinein befeftigt' an fein Bette.
Allein der Räuber fam bei Naht, ala alles fchlief,
Schlang leis die Kette los, ſchwang fih aufs Roß und rief:
„Wach auf und wiſſ': ich bin’s, der dir dein Roß geftoblen;
Verſuche felber nun, ob es ift einzuholen!“ —
Da fett’ er fih zu Roß mit feinem ganzen Stamme
Und jagt’ dem Räuber nad, als wie ein Sturm ber Flamme.
Doch als er nah daran ihn einzuholen war,
Bedacht' er zum Verluſt auch feines Ruhms Gefahr:
Hol’ ih ihn ein, fo ift die Stute einzuholen,
Und Hol’ ich ihn nicht ein, fo ift fie mir gejtohlen.
Doch lieber zehnmal fol fie mir geftohlen fein,
Als einmal, auch mir felbft, nur einzuholen fein. —
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Er wußte wohl, womit er fonft fein Roß befchwor;
Dem Räuber rief er zu: „Kneip e8 am rechten Ohr!“
Das war der Fled, wo er es mahnte, wenn er wollte,
Daß es die volle Kraft im Lauf entmwidlen follte.
Und als der Räuber flint den Wink zu nut ſich machte,
Da flog es bin, daß ihm zu folgen niemand badhte.
Allein den Araber ſchalt jeder Stammgenog: .
Warum haft du dich felbit verraten und dein Roß?
Berloren ift es Dir, du haft nur heimzufehren. —
Er fprad: „Verloren doch nicht find des Roſſes Ehren.
Sch tröfte mich, daß mir's ward von mir felbft entrifien,
Und babe den Triumph, es umbefiegt zu wiſſen.“
Ir. Rücert.
115. Ber Sailer und der Abt.
(Nah dem Altenglifchen.)
1. Ich will euch erzählen ein Märchen gar fehnurrig.
Es war "mal ein Kaifer, der Kaifer war Furrig;
Auch war 'mal ein Abt, ein gar ftattlicher Herr,
Nur Schade! fein Schäfer war klüger als er.
2. Dem Kaiſer ward's fauer in His’ und in Kälte;
Oft fchlief er bepanzert im Striegesgezelte,
Oft hatt! er kaum Wafler zu Schwarzbrot und Wurft,
Und öfter no litt er gar Hunger und Durſt.
3. Das Pfäfflen das mußte fich beſſer zu hegen
Und weiblih am Tiih und im Bette zu pflegen.
Wie Vollmond glänzte fein feiſtes Geficht,
Drei Männer umipannten den Schmerbauh ihm nidt.
4. Drob ſuchte der Kaifer am Pfäfflein oft Hader.
Einft ritt er mit reifigem Sriegesgeichmader
In brennender Hite des Sommers vorbei;
Das — ſpazierte vor ſeiner Abtei.
„Ha“, dachte der Kaiſer, „zur glücklichen Stunde!“
— grüßte das Pfäfflein mit höhniſchem Munde:
„Knecht Gottes, wie geht’3 dir? Mir deut wohl ganz recht,
Das Beten und Falten befomme nicht ſchlecht.
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6. Do deucht mir daneben, Euch plage viel Weile;
Ihr dankt mir’3 wohl, wenn ich Euch Arbeit erteile?
Man rühmet, Ihr mwäret der pfiffigfte Mann;
Ihr börtet das Gräschen faft wachen, fagt man.
7. So geb’ ih denn Euren zwei tüchtigen Baden
Zur Kurzmweil drei artige Nüffe zu Inaden.
Drei Monden von nun an beftimm’ ich zur Zeit,
Dann will ih auf diefe drei Fragen Befcheid.
8 Zum erften: Wann hoch ich im fürftlicden Rate
Zu Throne mic zeige im Kaiſer⸗Ornate,
Dann follt Ihr mir jagen, ein treuer Warbdein,
Mie viel ich wohl wert bis zum Heller mag fein?
9. Zum zweiten follt Ihr mir berechnen und fagen,
Wie bald ich zu Roſſe die Welt mag umjagen?
Um keine Minute zu wenig und viel!
Ich weiß, der Beicheid darauf ift Eu nur Spiel.
10. Zum dritten noch ſollſt du, o Preis der Prälaten,
Auf? Härhen mir meine Gedanken erraten.
Die will ih dann treulich befennen; allein
Es fol, au fein Titelhen MWahres dran fein.
11. Und könnt Ihr mir dieſe drei Fragen nicht löfen,
So feid Ihr die längfte Zeit Abt bier geweſen,
So laß ih Euch führen zu Efel durchs Land,
Verfehrt, ftatt des Baumes den Schwanz in der Hand.” —
13. Drauf trabte der Kaiſer mit Lachen von binnen.
Das Pfäfflein zerriß und zerfpliß fih mit Sinnen;
Kein armer Verbrecher fühlt mehr Schmulität,
Der vor hochnotpeinlihem Halsgericht Steht.
13. Er ſchickte nad ein, zwei, drei, vier Un’verftäten;
Er fragte bei ein, zwei, drei, vier Fakultäten,
Er zahlte Gebühren und Sporteln vollauf;
Doch löſte Fein Doktor die Fragen ihm auf.
14. Schnell wuchſen bei herzlihem Zagen und Pochen
Die Stunden zu Tagen, die Tage zu Wochen,
Die Wochen zu Monden; ſchon fam der Termin!
Ihm ward's vor den Augen bald gelb und bald grün.
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15. Num fucht er, ein bleicher, hohlwangiger Werther,
In Wäldern und Feldern die einfamften Orter.
Da traf ihn auf felten betretener Bahn
Hans Bendir, fein Schäfer, am Felſenhang an.
16. „Herr Abt”, ſprach Hand Bendir, „was mögt ihr Euch
grämen?
Ihr ſchwindet ja mahrlih dahin wie ein Schemen.
Maria und Joſeph! wie hotzelt Ihr ein!
Mein Sirhen! ed muß Euch was angethan fein.“
17. „Ach, guter Hans Bendir, jo muß ſich's wohl fchiden;
Der Kaijer will gern mir am Zeuge was fliden
Und hat mir drei Nüf’ auf die Zähne gepadt,
Die ſchwerlich Beelzebub felber wohl knackt.
18. Zum erftn: Wann Hoch er im fürftlichen Rate
Zu Throne fih zeiget im Kaiſer-Ornate,
Dann fol ih ihm fagen, ein treuer Wardein,
Wie viel er wohl wert bis zum Heller mag jein?
19. Zum zweiten fol ich ihm berechnen und jagen,
Wie bald er zu Rofje die Welt mag umjagen?
Um feine Minute zu wenig und viel!
Er meint, der Beſcheid darauf wäre nur Spiel.
20. Zum dritten, ich ärmiter von allen Prälaten,
Soll ih ihm gar feine Gedanken erraten;
Die will er mir treulich befennen; allein
Es ſoll auch fein Titelhen Wahres dran fein.
21. Und kann ih ihm dieſe drei Fragen nicht [öfen,
So bin ih die längfte Zeit Abt bier gemefen,
So läßt er mich führen zu Efel durchs Land,
Berlehrt, ftatt des Baumes den Schwanz in der Hand.“
22. „Nichts meiter?” erwidert Haus Bendie mit Lachen,
„Herr, gebt Euch zufrieden! das will ich ſchon machen,
Nur borgt mir Eu’ Käppchen, Eu’r Kreuzen und Kleid,
So will ich ſchon geben ven rechten Beſcheid.
23. Verſteh' ich gleih nicht? von lateiniſchen Broden,
So weiß ih den Hund doch vom Dfen zu loden.
Was ihre euch, Gelehrte, für Geld nicht ermwerbt,
Das Hab’ ich von meiner Yrau Mutter geerbt.“
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24. Da fprang wie ein Bödlein der Abt vor Behagen.
Mit Käppchen und Kreuzchen, mit Mantel und Kragen
Ward ftattlih Hans Bendix zum Abte geſchmückt
Und Burtig zum Kaiſer nad Hofe gefchidt.
25. Hier thronte der Kaifer im fürftlichen Rate,
Hoch prangt’ er mit Scepter und Kron' im Ornate:
„Run fagt mir, Herr Abt, als ein treuer Warbein,
Mie viel ih wohl mert bis zum Heller mag fein?“
26. „Für dreißig Neichögulden ward Chriftus verichadert;
Drum gäb’ ich, jo fehr Ahr au pochet und pradhert,
Für Euch feinen Deut mehr als zwanzig und neun;
Denn einen müßt Ihr doch wohl minder wert fein.“
27. „Hm“, fagte der Kaifer, „der Grund läßt fich Hören
Und mag den durdlaudtigften Stolz wohl befehren.
Nie hätt’ ich, bei meiner hochfürſtlichen Ehr’!
Geglaubet, daß fo fpottmohlfeil ich wär”.
28. Nun aber follft du mir berechnen und jagen,
Wie bald ih zu Roſſe die Welt mag umjagen?
Um feine Minute zu wenig und viel!
Iſt dir der Beicheid darauf auch nur ein Spiel?" —
29. „Herr, wenn mit der Sonn’ Ihr früh fattelt und reitet
Und ftets fie in einerlei Tempo begleitet,
So feß’ ich mein Kreuz und mein Käppchen daran:
In zweimal zwölf Stunden tft alles gethan!“
30. „Ha“, lachte der Kaiſer, „vortreffliher Haber!
Ihr füttert die Pferde mit Wenn und mit Aber.
Der Mann, der das Wenn und das Aber erbadt,
Hat fiher aus Häderling Gold ſchon gemacht.
31. Nun aber zum dritten, nun nimm dich zufammen!
Sonft muß ich dich dennoch zum Ejel verbammen.
Mas den!’ ih, das falſch ift? das bringe heraus!
Nur bleib mit dem Wenn und dem Aber zu Haus!" —
32. „Ihr denket, ich fei der Herr Abt von St. Gallen.“ —
„Ganz vet! und das kann von der Wahrheit nicht fallen.” —
„Sein Diener, Herr Kaifer! Euch trüget Eu’r Sinn:
Denn mwißt, daß ich Bendir, fein Schäfer, nur bin!“
33. „Was Henter! Du biſt nicht der Abt um St. Gallen?“
Nief Hurtig, ala wär’ er vom Himmel gefallen,
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Der Katjer mit frohem Erſtaunen darein;
„Wohlen denn, jo ſollſt Du von nun an es fein!
34. Ich will dich belebnen mit Ring und mit Stabe.
Dein Borfahr befteige den Efel und trabe
Und lerne fortan erfi quid iuris verftehn!
Denn wenn man will ernten, fo muß man auch ſä'n.“ —
35. „Mit Gunften, Herr Kaifer! Das laßt nur hübſch
bleiben!
Ich kann ja nicht lefen, noch rechnen und fchreiben;
Auch weiß ich kein ſterbendes Wörtchen Latein.
Mas Hänschen verfäumet, holt Hans nicht mehr ein.“ —
36. „Ad, guter Hand Bendir, das iſt ja recht ſchade!
Erbitte demnach dir ein’ andere Gnade!
Sehr bat mich ergößet dein luſtiger Schwank;
Drum fol dich auch wieder ergögen mein Dank.“ —
37. „Herr Kaifer, groß hab’ ich fo eben nichts nötig;
Do feid Ahr im Ernft mir zu Gnaben erbötig,
So will ih mir bitten zum ehrlichen Lohn
Für meinen bochwürdigen Herren Pardon.“
38. „Ha bravo! Du trägit, wie ich merle, Gefelle,
Das Herz wie den Kopf auf der richtigiten Stelle!
Drum fei der Pardon ihm in Gnaden gewährt
Und obendrein dir ein Panis-Brief befchert.
39. Wir laflen dem Abt von St. Gallen entbieten:
Hans Bendir fol ihm nicht die Schafe mehr hüten;
Der Abt foll fein pflegen nad) unferm Gebot
Umfonft bis an feinen fanftjeligen Tod.“
6. A. Bürger. (1784?)
116. Das Lie vom braven Manne.
1. Hoch Mingt das Lied vom braven Mann,
Wie Drgelton und Glodenklang.
Wer hohes Muts fih rühmen Tann,
Den lohnt nit Gold, den lohnt Geſang.
Gottlob! daß ich fingen und preijen kann,
Zu fingen und preifen den braven Mann.
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2. Der Taumind kam vom Mittagämeer
Und ſchnob durch Welihland trüb und feucht;
Die Wollen flogen vor ihm ber,
Mie wenn der Wolf die Herde ſcheucht.
Er fegte die Felder, zerbrach den Forft;
Auf Seren und Strömen das Grundeis borft.
3. Am Hochgebirge ſchmolz der Schnee,
Der Sturz von taujend Waſſern ſcholl,
Das Wieſenthal begrub ein See,
Des Landes Heerfirom wuchs und ſchwoll;
Hoch rollten die Wogen entlang ihr Gleis
Und rollten gewaltige Felſen Eis.
4. Auf Pfeilern und auf Bogen jchwer,
Aus Duaderftein von unten auf,
Lag eine Brüde brüber ber,
Und mitten ftand ein Häuschen drauf.
Hier mohnte der Zöllner mit Weib und Kind:
„O Zöllner, o Zöllner, entfleuch geſchwind!“
5. Es dröhnt’ und dröhnte dumpf heran,
Laut beulten Sturm und Wog’ ums Haus;
Der Zöllner fprang zum Dad hinan
Und blidt’ in den Tumult hinaus:
„Barmberziger Himmel, erbarme did!
Berloren! verloren! wer rettet mih?" —
6. Die Schollen rollten, Schuß auf Schuß,
Bon beiden Ufern bier und dort;
Bon beiden Ufern riß der Fluß
Die Pfeiler ſamt den Bogen fort.
Der bebende Zöllner mit Weib und Kind,
Er beulte noch lauter ald Strom und Wind.
7. Die Shollen rollten, Stoß auf Stoß,
An beiden Enden, hier und dort;
Zerborften und zertrümmert ſchoß
Ein Pfeiler nach dem andern fort.
Bald nahte der Mitte der Umfturz ſich —
„Barmberziger Himmel, erbarme did.“
8 Hoch auf dem fernen Ufer ftand
Ein Schwarm von Gaffern groß und Klein,
Und jeber fchrie und rang die Hand;
Doch mochte niemand Netter fein.
Der bebende Zöllner mit Weib und Kind
Durchheulte nah Rettung den Strom und Wind. —
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9. Bann Klingft du, Lieb vom braven Mann,
Wie Orgelton und Glodenklang?
Wohlan, fo nenn’ ihn, nenn’ ihn dann!
Bann nennft du ihn, mein ſchönſter Sarg?
Bald nahet der Mitte der Umfturz fi:
D braver Mann, braver Mann, zeige dich!
10. Raſch galoppiert ein Graf hervor,
Auf hohem Roß ein edler Graf.
Was hielt des Grafen Hand empor?
Ein Beutel war e8, voll und ftraff.
„Zweihundert Piftolen find zugefagt
Dem, welder die Rettung der Armen wagt!“
11. Wer ift der Brave? 3 der Graf?
Sag an, mein braver Sang, fag anl
Der Graf, beim höchſten Gott! war brav;
Doch weiß ich einen bravern Mann.
D braver Mann, braver Mann, zeige dich!
Schon naht das Berberben fi fürchterlich.
12. Und immer höher ſchwoll die Flut,
Und immer lauter ſchnob der Wind,
Und immer tiefer fant dr Mut. —
D Netter, Retter, komm geſchwind!
Stet3 Pfeiler auf Pfeiler zerborſt und brad,
Laut Trachten und ftürzten die Bogen nad).
13. „Hallo! Hallo! frifch auf gewagt!“
Hoch hielt der Graf den Preis empor.
Ein jeder hört's, doch jeber zagt;
Aus Taufenden tritt Feiner vor.
Bergebens bucchheulte mit Weib und Kind
Der Zöllner nach Rettung den Strom und Wind. —
14. Sieh, ſchlecht und vet, ein Bauerämann
Am Wanderftabe fchritt daher,
Mit grobem Kittel angethan,
An Wuchs und Antlit hoch und hehr.
Er hörte den Grafen, vernahm fein Wort
Und ſchaute das nahe Verberben bort.
15. Und kühn in Gottes Namen fprang
Er in den nächſten Fiſcherkahn;
Tro Wirbel, Sturm und MWogendrang
Kam der Erretter glücklich an!
Doch wehel der Nahen war allzu Klein,
Der Retter von allen zugleich zu fein
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16. Und dreimal zwang er feinen Kahn
Trotz Wirbel, Sturm und Wogendrang, |
Und dreimal fam er glüdlih an,
Bis ihm die Nettung ganz gelang.
Kaum kamen die letzten in fihern Bart,
So rollte das lekte Getrümmer fort. —
17. Mer ift, wer ift der brave Mann?
Sag an, fag an, mein braver Sang!
Der Bauer wagt' ein Leben dran;
Do that er’3 wohl um Goldesklang?
Denn fpendete nimmer der Graf fein Gut,
So wagte der Bauer vielleiht fein Blut. —
18. „Hier“, rief der Graf, „mein wadrer Freund,
Hier ift dein Preis! komm ber, nimm bin!“
Sag an, war das nicht brav gemeint?
Bei Gott! der Graf trug hoben Sinn.
Doh höher und himmlifcher, wahrlich! fchlug
Das Herz, daB ber Bauer im Kittel trug.
19. „Mein Leben ift für Golb nidt feil,
Arm bin ich zwar, doch eſſ' ich jatt.
Dem Zöllner werd’ Eu'r Geld zu teil,
Der Hab’ und Gut verloren hat!“
So rief er mit herzlichem Bieberton
Und wandte den Rüden und ging davon. —
20. Hoch klingſt du, Lieb vom braven Mann,
Mie Orgelton und Glockenklan
Mer ſolches Muts ſich rühmen Tann,
Den lohnt fein Gold, den lohnt Geſang.
Gottlob! daß ich fingen und preifen kann,
Unfterbli zu preifen den braven Mann.
Gotifr. Ang. Bürger. (1776.)
117. Johanna Sebus. *
1 Der Damm zerreißt, das Feld erbrauft,
Die Fluten Spülen, die Fläche ſauſt.
„Ich trage dich, Mutter, durch die Flut; |
Noch reicht fie nicht hoch, ich wate gut.” —
* Bum Andenken der fiebzehnjährigen Schönen, Guten aus dem |
Dorfe Brieme (nach Goethe Brienen) bei Griethaufen unfern Kleve, die am
13. Sanuar 1809 bei dem Eisgange ded Rheins und dem großen Bruche
des Dammes von Kleverham Hilfe reihend unterging.
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„Aud uns bedenke, bevrängt wie wir find,
Die Haudgenoffin, drei arme Kind!
Die ſchwache Frau! ... Du gehft davon!“ —
Sie trägt die Mutter durchs Waller fchon.
„zum Bühle da rettet euch! harret dermeil!
Gleich kehr' ich zurüd, uns allen ift Heil.
Zum Bühl iſt's noch troden und wenige Schritt;
Doch nehmt mir auch meine Ziege mit!“
Der Damm zerihmilzt, das Feld erbrauft,
Die Fluten wühlen, die Fläche ſauſt.
Sie fest die Mutter auf fichres Land;
Schön Susden, gleich wieder zur Flut gewandt.
„Wohin? Wohin? Die Breite Shwoll;
Des Waſſers ift büben und drüben vol. —
Verwegen in Tiefe willft du hinein!“
„Sie follen und müſſen gerettet fein!“
Der Damm verfhmwindet, die Welle brauft,
Eine Meereswoge, fie ſchwankt und fauft.
Schön Suschen jchreitet gewohnten Steg,
Umftrömt auch gleitet fie nicht vom Weg.
Grreiht den Bühl und die Nachbarin;
Doh der und den Kindern Fein Gewinn
Der Damm verfhmwand, ein Meer erbrauft’s,
Den Kleinen Hügel im Kreis umfauft’s.
Da gähnet und wirbelt der Ihäumende Schlund
Und ziehet die Frau mit den Kindern zu Grund;
Das Horn der Ziege faßt das ein’:
So follten fie alle verloren fein!
Schön Suschen fteht noch ftrad und gut:
Mer rettet das junge, das edelſte Blut?
Schön Suschen fteht noch wie ein Stern!
Doch alle Werber find alle fern.
Rings um fie ber ift Waflerbahn,
Kein Scifflein ſchwimmt zu ihr heran.
Noh einmal blidt fie zum Himmel hinauf —
Da nehmen die fchmeichelnden Fluten fie auf.
Kein Damm, Fein Feld! Nur bier und dort
Bezeihnet ein Baum, ein Turn den Ort,
Bededt ift alles mit Waſſerſchwall;
Doch Suschens Bild ſchwebt überall. —
11*
— 164 —
45 Das Wafler finkt, das Land erfcheint,
Und überall wird ſchön Suschen beweint. —
Und dem ſei, wer's nicht fingt und fagt,
Im Leben und Tod nicht nachgefragt!
. v. Goethe. (1809.1
118. Harras, der Lühne Springer.®
1. Noch barrte im heimlichen Dämmerlicht
Die Welt dem Morgen entgegen;
Noch erwachte die Erde vom Schlummer nidt,
Da begann ſich's im Thale zu regen.
Und es Elingt herauf wie Stimmengemirr,
Wie flüchtiger Hufihlag und Waffengellirr,
Und tief aus dem Wald zum Gefechte
Sprengt ein Fähnlein gewappneter Knechte.
2. Und vorbei mit wilden Ruf fliegt der Troß,
Wie Braufen des Sturms und Gemitter,
Und voran auf feurig ſchnaubendem Roß
Der Harras, der mutige Nitter.
Sie jagen, ala gält’ es den Kampf um die Welt,
Auf heimlihen Wegen durch Flur und Feld,
Den Gegner noch heut zu erreichen
Und die feindlihe Burg zu befteigen.
3. So ftürmen fie fort in des Waldes Nacht
Durch den fröhlich aufglübenden Morgen;
Doch mit ihm ift auch das Verberben erwacht,
Es lauert nicht länger verborgen!
Denn plöglih bridt aus dem Hinterhalt
Der Feind mit doppelt ftärfrer Gemalt;
Das Hifthorn ruft furchtbar zum Streite,
Und die Schwerter entfliegen der Scheibe.
4. Wie der Wald dumpf donnernd wieberklingt
Bon ihren gewaltigen Streichen!
Die Schwerter klirren, der Helmbuſch winkt,
Und die ſchnaubenden Roſſe fteigen.
Aus taufend Wunden ftrömt ſchon das Blut;
Sie achten's nicht in des Kampfes Gut,
* Eine alte Volksſage erzählt die kühne That dieſes Ritters, und noch
heute zeigt man bei Sichteravalbe im jähfiihen Erzgebirge bie Stelle, die
man ben —— nennt. Am Ufer ſteht jet zwiſchen zwei — gi
würdigen Eichen, der fteilen Yelfenwand gegenüber, ein Denkmal
Inſchrift: „Ritter Harras, der kühne Springer.“
— 165 —
Und feiner will fich ergeben,
Denn Freiheit gilt’3 oder Leben.
5. Dod dem Häuflein des Ritters wankt en die Kraft,
Der Übermacht muß es erlieger;
Das Schwert hat bie meiften hinmweggerafft,
Die Feinde, Die mächtigen, fiegen.
Unbezwingbar nur, eine Felſenburg,
Kämpft Harras noch und fchlägt ſich durch,
Und fein Roß trägt den mutigen Streiter
Dur die Schwerter der feindlichen Reiter.
6. Und er jagt zurüd in des Waldes Nacht,
Sagt irrend dur Flur und Gehege;
Denn flüchtig hat er des Weges nicht acht,
Er verfehlt die kundigen Stege.
Da hört er die Feinde Hinter fich drein;
Schnell lenkt er tief in den Forft hinein,
Und zmwifchen den Zweigen wird's helle,
Und er fprengt zur lichteren Stelle.
7. Da bält er auf fteiler Felſenwand,
— unten die Wogen brauſen;
Er ſteht an des Zſchopauthals ſchwindelndem Rand
Und blickt hinunter mit Grauſen.
Aber drüben auf waldigen Bergeshöhn
Sieht er feine ſchimmernde Fefte ftehn;
Sie blidt ihm freundlich entgegen,
Und fein Herz pocht in lauteren Schlägen.
8 hm ift’s, ala ob's ihn hinüberrief? —
Doch es fehlen ihm Schwingen und Flügel,
Und der Abgrund, wohl funfzig Klafter tief,
Schredi das Roß, es ſchäumt in den Zügel.
Und mit Schaudern denkt er’3 und blidt hinab,
Und vor fi und hinter ſich fieht er jein —
Er hört, wie von allen Seiten
Ihn die feindlichen Scharen umreiten.
9. Noch ſinnt er, ob Tod aus Feindes Hand,
Ob Tod in den Wogen er wähle.
Dann ſprengt er vor an die Felſenwand
Und befiehlt dem Herrn ſeine Seele.
Und näher ſchon hört er der Feinde Troß,
Aber ſcheu vor dem Abgrund bäumt ſich das Roß;
— 166 —
Doh er fpornt’3, daß die Ferſen bluten,
Und er fest hinab in die Fluten. —
10. Und der fühne, gräßlide Sprung gelingt,
Ihn beſchützen höh're Gemwalten;
Wenn auch das Roß zerſchmettert verſinkt,
Der Ritter iſt wohl erhalten;
Und er teilt die Wogen mit kräftiger Hand,
Und die Seinen ſtehn an des Ufers Rand
Und begrüßen freudig den Schwimmer. —
Gott verläßt den Mutigen nimmer!
Cheod. Rorner.
119. Schwerting, der Sachſenherzog.
(435 n. Chr.)
1. Der Schwerting, Sachfenherzog, der ſaß bei Feſtesmahl,
Da ſchäumten Weine perlend in eifernem Pokal,
Da raudten Speiſen köſtlich in eifernem Geſchirr,
Da war von Eifenpanzern ein wild und rauh Gellirr.
2. Der Dänenkönig Frotho genüber Schmerting fa,
Mit ftaunender Gebärbe die Eifenketten maß,
So diefem niederhbingen von Hals und Bruft und Hand,
Und dann die Eifenfpangen am ſchwarzen Traw’rgewand.
3. „Sagt an, was foll dies deuten? Herr Bruder, gebt mir fund,
Warum Ihr mich geladen zu folder Tafelrund’?
Als ich herabgezogen aus meinem Dänenland,
Da hofft’ ih Euch zu finden im güldenen Gewand.“
4. „Herr König, Gold dem Freien, und Eifen für den Knecht!
Das ift der Sachſen Sitte, und fo allein iſt's recht.
Ihr habt in Eifenbande der Sachſen Arm gezwängt;
Wär’ Eure Kette gülden, fie wäre längft zerjprengt.
5. Dod, mein’ ich, giebt’3 noch Mittel, zu Löfen ſolches Erz;
Ein biedrer Sinn und Glaube, ein hoch und mutig Herz.
Das muß den Arm befreien, gefeflelt hundertfach,
Das muß den Eidſchwur löſen und tilgen niedre Schmad!”
6. Als fo der Yürft gefproden, da traten in ben Saal
Zwölf ſchwarze Sadjenritter, mit Yadeln allzumal,
Die harrten ftumm und ruhig auf Schwertings leiſes Wort
Und fprangen dann in Eile, die Brände ſchwingend, fort.
— 161 —
7. Nicht lang’, da ſcholl von unten zu Herrn und Gaftes Ohr
Ein Kniftern und ein Prafieln von Feuerswut empor;
Richt lang’, da ward's im Saale gar ſchwül und ſommerheiß,
Und: „'s ift die Stund’ gelommen!“ ſprach dumpf ber ganze Kreis.
8. Der König will entfliehen, ber Herzog hält ihn ftark:
„Halt! fteh, und laß erproben bein ritterliches Mark!
Hält es dem rauhen Gegner, der unten praffelt, ftand:
Dein fei die Sachſenkrone! dein fei das Sachſenland!
9. Und heißer, immer heißer wird's in der weiten Half’,
Und lauter, immer lauter erbröhnt der Ballen Yall,
Und beller, immer heller wird rings ber rote Schein,
Die Thüre finkt in Trümmer, die Lohe ſchießt herein.
10. Da knieen betend nieder die wadern Rittersleut':
„Herr, ſei den Seelen gnäbig, die ſelber fich befreit! *
Der Herzog doc fieht ruhig der Flamme Windeslauf;
Der König ſinkt zu Boden, er reißt ihn wütend auf.
11. „Schau hin, du ftolger Sieger! erzittre, feiges Herz!
So Löft man Eifenbande, fo ſchmilzt dem mächtig Erz!“
Er ruft's, und ihn erfaflet der Flamme wild Gefaus,
Und nieder ftürzen alle, und nieder ftürzt das Haus,
R. Egou Ebert. (1820.)
120. Der Glockengußz zu Breslan.
1. War einft ein Glodengießer
Zu Breslau in der Stadt,
Ein ehrenwerter Meifter,
Gewandt in Rat und That.
3. Er hatte fon gegofien
Biel Glocken, gelb und weiß,
Für Kirchen und Kapellen,
Zu Gottes Lob und Preis.
3, Und feine Gloden Hangen
So voll, fo bell, fo rein: |
Er goß auch Lieb’ und Glauben
Mit in die Form hinein.
4. Doch aller Gloden Krone,
Die er gegofien hat,
Das ift Die Sünberglode
Zu Breslau in der Stadt.
— 168° —
5. Im Magdalenenturme
Da hängt das Meifterftüd,
Rief ſchon manch ftarre® Herze
Zu feinem Gott zurüd.
6. Wie bat der gute Meifter
So treu dag Werk bedacht!
Wie hat er feine Hände
Gerührt bei Tag und Nacht!
7. Und als die Stunde fommen,
Daß alles fertig mar,
Die Form tft eingemauert,
Die Speife gut und gar;
8. Da ruft er feinen Buben
Zur Feuerwacht herein;
„Ich laſſ' auf kurze Weile
Beim Keſſel dich allein,
9. Will mich mit einem Trunke
Noch ſtärken zu dem Guß;
Das giebt der zähen Speiſe
Erſt einen vollen Fluß.
10. Doch hüte dich und rühre
Den Hahn mir nimmer an;
Sonſt wär' es um dein Leben,
Fürwitziger, gethan!“
11. Der Bube ſteht am Keſſel,
Schaut in die Glut hinein:
Das wogt und wallt und wirbelt
Und will entfeſſelt ſein,
12. Und ziſcht ihm in die Ohren
Und zuckt ihm durch den Sinn
Und zieht an allen Fingern
Ihn nach dem Hahne hin.
13. Er fühlt ihn in den Händen,
Er bat ihn umgedreht;
Da ward ihm angft und bange,
Er weiß nicht, mas er thät;
14: Und läuft hinaus zum Meifter,
Die Schuld ihm zu geftehn,
Wil feine Knie’ umfaflen
Und ihn um Gnade flehn.
— 169 —
15. Doch wie der nur vernommen
Des Knaben erſtes Wort,
Da reißt die kluge Rechte
Der jähe Zorn ihm fort.
16. Er ftößt fein jcharfes Mefler
Dem Buben in die Bruft;
Dann ftürzt er nad) dem Keſſel,
Sein felber nit bewußt.
17. Bielleicht, daß er noch retten,
Den Strom noch hemmen fann! —
Doch fieh, der Guß ift fertig,
Es fehlt fein Tropfen dran.
18. Da eilt er abzuräumen
Und fieht, und will’s nicht fehn,
Ganz ohne Fled und Malel
Die Glode vor fich fehn.
19. Der Knabe liegt am Boden,
Er Schaut fein Werk nicht mehr.
Ah, Meifter, wilder Meifter,
Du ftießeft gar zu fehr!
20. Er ftellt fih dem Gerichte,
Er Hagt fich felber an;
Es thut den Richtern wehe
Wohl um den wadern Mann.
21. Doch kann ihn Feiner retten,
Und Blut will wieder Blut;
Er hört fein Tobesurteil
Mit ungebeugtem Mut.
22. Und als der Tag gelommen,
Daß man ihn führt hinaus,
Da wird ihm angeboten
Der legte Gnadenſchmaus.
23. „Ich dank’ euch”, fpricht der Meifter,
„Ahr Herren, lieb und mert;
Doch eine andre Gnade
Mein Herz von euch begehrt:
24. Laßt mid nur einmal bören
Der neuen Glode Klang!
Ich hab’ fie ja bereitet —
Möcht' willen, ob's gelang.“
— 170 —
25. Die Bitte ward gewähret,
Sie ſchien den Herrn gering;
Die Glocke ward geläutet,
Als er zum Tode ging.
26. Der Meiſter hört ſie klingen
So voll, ſo hell, ſo rein!
Die Augen gehn ihm über,
Es muß vor Freude ſein;
27. Und ſeine Blicke leuchten,
Als wären ſie verklärt:
Er hat in ihrem Klange
Wohl mehr als Klang gehört.
28. Hat auch geneigt den Nacken
Zum Streich voll Zuverſicht;
Und was der Tod verſprochen,
Das bricht das Leben nicht.
29. Das iſt der Glocken Krone,
Die er gegoſſen hat,
Die Magdalenenglocke
Zu Breslau in der Stadt.
30. Die ward zur Sünderglocke
Seit jenem Tag geweiht;
Weiß nicht, ob's anders worden
In dieſer neuen Zeit.
wilib. Müller.
121. Die traurige Krönung.
1. Es war ein König Mileſint,
Von dem will ich euch ſagen;
Der meuchelte ſein Bruderskind,
Wollte ſelbſt die Krone tragen.
Die Krönung ward mit Prangen
Auf Liffeyſchloß begangen.
O Irland! Irland! wareſt du ſo blind?
2. Der König ſitzt um Mitternacht
m leeren Marmorfaale,
Sieht ir’ in all die neue Pracht,
Wie trunten von dem Mahle.
— 11 —
Er fpricht zu feinem Sohne:
„Rod einmal bring die Krone!
Doch ſchau, wer bat die Pforten aufgemacht?“
3. Da kommt ein feltfam Totenſpiel,
Ein Zug mit leiſen Triiten,
Vermummte Gäfte groß und viel,
Eine Krone fchwankt inmitten;
Es drängt fih durch die Pforte
Mit Flüftern ohne Worte;
Dem Könige, dem wird fo geiſterſchwül.
4. Und aus der ſchwarzen Menge blickt
Ein Kind mit friſcher Wunde
Es lächelt ſterbensweh und nickt,
Es macht im Saal die Runde,
Es trippelt bis zum Throne,
Es reichet eine Krone
Dem Könige, des Herze tief erſchrickt.
5. Darauf der Zug von dannen ſtrich,
Von Morgenluft berauſchet,
Die Kerzen flackern wunderlich,
Der Mond am Fenſter lauſchet;
Der Sohn mit Angſt und Schweigen
Zum Vater thät ſich neigen —
Er neiget über eine Leiche ſich.
€. Mrite.
122. Der blinde König.
1. Was fteht der norb’fchen Fechter Schar
Hoch auf des Meeres Bord?
Was will in feinem grauen Haar
Der blinde König dort?
Er ruft in bittrem Harme,
Auf feinen Stab gelehnt,
Daß überm Meeresarme
Das Eiland wiedertönt:
2. „Gieb, Räuber, aus dem Felsverließ
Die Tochter mir zurüd!
Ihr Harfenipiel, ihr Lieb, fo füR,
Bar meines Alters Glück
— 112 —
Vom Tanz auf grünem Strande
Haft du fie meggeraubt;
Dir iſt e8 ewig Schande,
Mir beugt’ das graue Haupt.”
3. Da tritt aus. feiner luft hervor
Der Räuber, groß und wild;
Er ſchwingt fein Hünenſchwert empor
Und Schlägt an feinen Schild:
„Du haft ja viele Wächter,
Warum denn litten’3 bie?
Dir dient fo mancher echter,
Und feiner kämpft um fie?”
4. No ftehn die echter alle ſtumm,
Tritt Teiner aus den Reih'n;
Der blinde König kehrt fih um:
„Bin ich denn ganz allein?“
Da faßt des Batera Rechte
Sein junger Sohn jo warm:
„Bergönn’ mir's, daß ich fechte!
Wohl fühl’ ich Kraft im Arm.“
5. „D Sohn! der Feind ift riefenitarf,
Ihm bielt noch Feiner ſtand.
Und do! in dir ift edles Marl,
Ich fühl's am Drud der Sand.
Nimm bier die alte Klinge!
Sie it der Skalden Preis;
Und fällt du, fo verfchlinge
Die Flut mi armen Greis!“
6. Und horch! es ſchäumet und es raufcht
Der Nahen übers Meer.
Der blinde König ftebt und lauſcht,
Und alles fchweigt umber,
Bis drüben fi) erhoben
Der Schild’ und Schwerter Schall
Und Kampfgeſchrei und Toben
Und dumpfer Wieberhall.
7. Da ruft der Greiß fo freudig bang:
„Sagt an, was ihr erſchaut!
Mein Schwert, ich kenn's am guten Klang,
Es gab fo ſcharfen Laut!" —
— 113 —
„Der Räuber ift gefallen,
Er bat den blut'gen Lohn.
Heil dir, du Held vor allen,
Du ftarker Königsfohn! “
8. Und wieber wird es ftill umber,
Der König ſteht und laufcht:
„Was Hör’ ich kommen übers Meer?
Es rudert und es rauſcht!“ —
„Sie fommen angefahren,
Dein Sohn mit Schwert und Schild,
In fonnenhellen Haaren
Dein Töchterlein Gunild.“
9. „Willkommen!“ ruft vom hohen Stein
Der blinde Greis hinab —
„Nun wird mein Alter wonnig fen
Und ehrenvoll mein Grab.
Du legſt mir, Sohn, zur Seite
Das Schwert von gutem Klang,
Gunilde, du Befreite,
Singft mir den Grabgefang.“
£. Uhlaud. (1804 u. 1814.)
123. Graf Eberhard der Nauſchebart.
1. Iſt denn im Schwabenlande verfchollen aller Sang,
Wo einft fo bel vom Staufen die Ritterharfe Hang?
Und wenn er nicht verihollen, warum vergißt er ganz
Der tapfern Väter Thaten, der alten Waffen Glanz?
2. Dan lifpelt leichte Liedchen, man ſpitzt manch Sinngebidt,
Man böhnt die holden Frauen, des alten Liedes Licht;
Vo rüftig Heldenleben längft auf Beſchwörung laufct,
Da trippelt man vorüber und fchauert, wenn es raufct.
3. Brich denn aus deinem Sarge, fteig aus dem büftern Chor,
Mit deinem Heldenfohne, du Rauſchebart, hervor!*
Du Ichlugft dich unverwüftlich noch greife Jahr’ entlang,
Brih auch durch unfre Zeiten mit hellem Schwertesflang!
* Graf Eberhard von Württemberg, — der Greiner, auch der
Raufihebart, (f 1392) und deflen Sohn Ulrich (+ 1388) find im Chor
der Stiftöfirche zu Stuttgart beigeſetzt.
— 114 —
1.
Der Überfall im Wildbad.
(1367.)
1. In fhönen Sommertagen, warn lau die Lüfte wehn,
Die Wälder Iuftig grünen, die Gärten blühend ftehn,
Da ritt aus Stuttgarts Thoren ein Held von ftolger Art,
Graf Eberhard der Greiner, der alte Raufchebart.
2. Mit wenig Edelknechten zieht er in? Land hinaus;
Er trägt nicht Helm noch Panzer; nicht geht's auf blut’gen Strauß;
Ins Wildbad will er reiten, mo heiß ein Duell entipringt,
Der Siehe heilt und träftigt, der Greife wieder jüngt.
3. Bu Hirfau bei dem Abte da Fehrt der Ritter ein
Und trinkt bei Orgelichalle ven fühlen Klofterwein.
Dann geht’3 durch Tannenwälder ins grüne Thal geiprengt,
Wo durch ihr Felfenbette die Enz ſich rauſchend drängt.
4. Zu Wildbad an dem Markte da fteht ein ſtattlich Haus,
Es hängt daran zum Zeichen ein blanfer Spieß heraus.
Dort fteigt der Graf vom Roſſe, dort hält er gute Raſt;
Den Quell befucht er täglich, der ritterlihe Gaft.
5. Wenn er fih dann entlleivet und wenig auögerubt
Und fein Gebet geſprochen, fo fteigt er in die Flut;
Er jest fi ftet3 zur Stelle, wo aus dem Felſenſpalt
Am beißeften und vollften der edle Sprudel wallt.
6. Ein angefhoßner Eber, der fih die Wunde wuſch,
Berriet voreinft den Jägern den Duell in Kluft und Buſch;
Nun iſt's dem alten Reden ein lieber Zeitvertreib,
Zu waſchen und zu ftreden den narbenvollen Leib.
7. Da kommt einſtmals gefprungen fein jüngfter Edelknab':
„Herr Graf! e3 zieht ein Haufe das obre Thal herab.
Sie tragen fchwere Kolben, der Hauptmann führt im Schild
Ein NRöslein rot von Golde und einen Eber wild.“
8. „Mein Sohn! das find die Schlegler; die ſchlagen Fräftig
rein, —
Gieb mir den Leibrod, Junge! — das ift der Eberftein.
Sch kenne wohl den Eber, er bat fo arimmen Zorn;
Ich Tenne wohl die Rofe, fie führt fo ſcharfen Dorn.“
9. Da kommt ein armer Hirte in atemlofem Lauf:
„Herr Graf! es zieht 'ne Rotte das untre Thal herauf.
Der Hauptmann führt drei Beile, fein Rüftzeug glänzt und gleißt,
Daß mir's wie Wetterleuchten noch in den Augen beißt.” —
— 175 —
10. „Das ift der Wunnenſteiner, der gleißend’ Wolf genannt, —
Sieb mir den Mantel, Knabe! — der Glanz ift mir befannt.
Er bringt mir wenig Wonne, die Beile bauen gut, —
Bind’ mir das Schwert zur Seite! — der Wolf, der lechzt nach Blut.
11. Gin Mägplein mag man fchreden, das fi im Bade ſchmiegt,
Das ift ein Iuftig Neden, das niemand Schaden fügt;
Wird aber überfallen ein alter Kriegesheld,
Dann gilt’3, wenn nicht fein Leben, doch ſchweres Löfegeld.“
12. Da ſpricht der arme Hirte: „Des mag noch werden Rat,
Sch weiß geheime Wege, die noch fein Menſch betrat;
Kein Roß mag fie erfteigen, nur Geißen Hettern dort;
Wollt Ahr ſogleich mir folgen, ich bring’ Euch ficher fort.“
13. Sie Mimmen durch das Didicht den fteilften Berg hinan,
Mit feinem guten Schwerte baut oft der Graf fih Bahn.
Wie berb das Fliehen fchmede, noch hatt” er’3 nie vermerkt;
Biel lieber möcht’ er fechten, das Bab Bat ihn geftärft.
14. In heißer Mittagftunde bergunter und bergauf!
Schon muß der Graf ſich lehnen auf feines Schwertes Knauf.
Darob erbarmt’3 den Hirten bes alten, hohen Herrn,
Er nimmt ihn auf den Rüden: „ch thu's von Herzen gern.“
15. Da denkt der alte Greiner: „Es thut doch wahrlich gut,
So ſänftlich fein getragen von einem treuen Blut.
Im Fährden und in Nöten zeigt erft das Volk fich echt,
Drum fol man nie zertveten fein altes’, gute Recht.“
16. Als drauf der Graf gerettet zu Stuttgart fitt im Saal,
Heißt er 'ne Münze prägen ala ein Gedächtnismal;
Er giebt dem treuen Hirten manch blantes Stüd davon,
Auch manchem Herm vom Schlegel verehrt er ein? zum Hohn.
17. Bann fhidt er tücht’ge Maurer ins Wildbad alfofort,
Die follen Mauern führen ringe um den offnen Ort,
Damit in künft'gen Sommern fi) jeder greile Mann,
Von Feinden ungefährdet, im Bade jüngen fann.
2.
Die drei Könige zu Heimfen.
(1367.)
1. Drei Könige zu Heimfen, wer hätt’ e8 je gedacht!
Mit Nittern und mit Roſſen in Herrlichkeit und Pradt!
Es find die hohen Häupter der Schlegelbrüberfchaft;
Sih Könige zu nennen, das giebt der Sache Kraft.
— 1716 - —
2. Da thronen fie beifammen und halten eifrig Kat,
Bedenken und beiprechen gewalt'ge Waffenthat:
Wie man den ſtolzen Greiner mit Kriegsheer aberfallt
Und, beſſer als im Babe, ihm jeden Schlich verſtellt;
3. Wie man ihn dann verwahret und feine Burgen bricht,
Bis er von allem Zwange die Ebeln ledig fpridt.
Dann fahre wohl, Landfrieve! dann, Lehndienft, gute Nacht!
Dann iſt's der freie Ritter, der alle Welt verladt. —
4. Schon ſank die Nacht hernieder, die Kön’ge find zur Rub;
Schon krähen jeht die Hähne dem nahen Morgen zu,
Da Shallt mit ſcharfem Stoße das Wächterhorn vom Turm:
Wohlauf, wohlauf, ihr Schläfer! das Hom verkündet Sturm.
5. In Naht und Nebel draußen da wogt es wie ein Meer
Und zieht von allen Seiten fih um das Städtlein ber;
Berhaltne Männerftimmen, verworrner Gang und Drang,
Hufſchlag und Roſſesſchnauben und dumpfer Waffenklang!
6. Und als das Frührot leuchtet, und als der Nebel finkt,
Hei! wie es da von Speeren, von Morgenfternen blinkt!
Des ganzen Gaues Bauern ftehn um den Drt geichart,
Und mitten bält zu Roſſe der alte Raufchebart.
7. Die Schlegler möchten ſchirmen das Stäbtlem und das Schloß!
Sie werfen von den Türmen mit Stemen und Geſchoß.
„Nur ſachte!“ ruft der Greiner, „euch wird das Bad geheist;
Aufdampfen fol’ und qualmen, daß euch's bie Augen beizt!“
8 Rings um die alten Mauern iſt Holz und Stroh gehäuft,
In dunkler Nacht geichichtet und wohl mit Teer beträuft;
Drein ſchießt man glüh’'nde Pfeile, wie raſchelt's da im Stroh!
Drein wirft man feur’ge Kränze, wie fladert’3 lichterloh!
9. Und nod von allen Enden wird Vorrat zugeführt,
Bon all’ den rüft’gen Bauern wird emfig nachgeſchürt,
Bis höher, immer höher die Flamme ledt und fchmeift
Und ſchon mit luft’gem Praſſeln der Türme Dad) ergreift.
10. Ein Thor ift frei gelaffen, fo hat's der Graf beltebt;
Dort hört man, wie der Riegel fich leiſe, loſe Ichiebt.
Dort ftürgen wohl verzmweifelnd die Schlegler jebt heraus?
Nein! frieblich zieht's herüber, als wie ins Gotteshaus,
11. Boran brei Schlegellön’ge zu Fuß, demütiglich,
Mit unbedecktem Haupte, die Augen unter ſich;
Dann viele Herrn und Knechte, gemachſam, Dann für Mann,
Daß man fie alle zählen und wohl betrachten Tann.
— 17 —
12. „Willlomm!“ fo ruft der Greiner, „willkomm in meiner
!
Sch traf euch gut beifammen, geehrte Brüderſchaft!
So konnt' ich wieder dienen für den Beſuch im Bad.
Nur einen miſſ' ich, Freunde! den Wunnenftein; 's iſt ſchad'.“
13. Ein Bäuerlein, das treulih am Teuer mitgefacht,
Lehnt dort an feinem Spieße, nimmt alles wohl in acht:
„Drei Könige zu Heimfen“, fo fchmollt es, „das ift viel!
Erwiſcht man nocd den vierten, fo ift’8 ein Kartenſpiel.“
8.
Die Schlacht bei Reutlingen.
(1377.)
1. Zu Adalm auf dem Felſen da hauft manch kühner ui
Grof Ulrih, Sohn des Greiners, mit feiner Ritterſcha; -- -
Wild raufchen ihre Flügel um Reutlingen die Stadt,
Bald fcheint fie zu erliegen, vom beißen Drange matt.
2. Doch plößlich einft erheben die Städter fih zu Nadt;
Ins Urachthal hinüber find fie mit großer Macht.
Bald jteigt von Dorf und Mühle die Flamme blutig rot,
Die Herden weggetrieben, die Hirten liegen tot.
3. Herr Ulrich hat's vernommen; er ruft im grimmen Horn:
„Zn eure Stadt foll fommen fein Huf und aud fein Horn!“
Da ſputen fi die Ritter, fie wappnen fih in Stahl,
Sie heiſchen ihre Roſſe, fie reiten ftrads zu Thal.
4. Ein Kirchlein ftehet drunten, Sankt Leonhard geweiht,
Dabei ein grüner Anger, der fcheint bequem zum Streit.
Sie fpringen von den Pferden, fie ziehen ſtolze Reih'n,
Die langen Spieße ftarren; mwohlauf! wer wagt fich drein?
5. Schon ziehn vom Urachthale die Städter fern herbei.
Man hört der Männer Jauchzen, der Herden wild Gefchrei;
Man fieht fie fürder fchreiten, ein wohl gerüftet Heer;
Wie flattern ftolz die Banner! wie bliten Schwert und Speer!
6. Run fchließ Dich feit zufammen, du ritterliche Schar!
Wohl haſt du nicht geahnet jo dräuende Gefahr.
Die übermädt’gen Rotten, fie ftürmen an mit Schwall;
Die Nitter ftehn und ftarren wie Fels und Mauermwall.
12
— 18 —
7. Zu Reutlingen am Zwinger da ift ein altes Thor,
Längſt wob mit. Dihten Ranken der Epheu ſich davor;
Man Hat es fchier vergeflen, nun kracht's mit einmal auf,
Und aus dem Swinger ftürzet gedrängt ein Bürgerhauf.
8 Den Rittern in den Rüden fällt er mit graufer Wut,
Heut will der Städter baden im heißen Ritterblut.
Wie haben da die Gerber jo meifterlich gegerbt!
Wie haben da die Färber fo purpurrot gefärbt!
9. Heut nimmt man nicht gefangen, heut geht ed auf den Tod;
Heut jprist das Blut wie Regen, der Anger blümt fi rot.
Stet3 drängender umſchloſſen und wütender beftürmt,
Iſt rings von Bruderleihen die Nitterfhar umtürmt.
10. Das Fähnlein ift verloren; Herr Ulrich blutet ftarf;
Die noh am Leben blieben, find müde bis ins Mark.
Da haſchen fie nah Roſſen und ſchwingen fi darauf,
Sie hauen dur, fie fommen zur feiten Burg binauf.
11. „Ad Alm —!“ ſtöhnt' einft ein Ritter, ihn traf des
Mörders Stoß —
„Allmächt'ger!“ wollt!’ er rufen; man hieß davon das Schloß.
Herr Ulrich ſinkt vom Sattel, halbtot, vol Blut und Dualm;
Hätt' nit dag Schloß den Namen, man hieß’ es jet Achalm.
12. Wohl fommt am andern Morgen zu Reutlingen and “Thor
Manch trauervoller Knappe, der feinen Herrn verlor.
Dort auf dem Rathaus liegen die Toten al’ gereibt,
Man führt dahin die Knechte mit fiherem Geleit.
13. Dort liegen mehr denn fechzig, fo blutig und fo bleich;
Nicht jeder Knapp’ erfennet den toten Herrn ſogleich.
Dann wird ein jeder Leichnam von treuen Dienerd Hand
Gewaſchen und gefleidet in weißes Grabgewand.
14. Auf Bahren und auf Wagen, getragen und geführt,
Mit Eihenlaub befränzet, wie's Helden wohl gebührt,
So geht e8 nah dem Thore, die alte Stabt entlang;
Dumpf tönet von den Türmen der Totengloden Klang.
15. Götz Weißenheim eröffnet den langen Leichenzug:
Er mar e8, der im Streite des Grafen Banner trug,
Er hatt’ es nicht gelaffen, bis er erfchlagen mar;
Drum mag er mürdig führen auch noch die tote Schar.
— 1719 —
16. Drei edle Grafen folgen, bewährt im Scildesamt,
Von Tübingen, von Zollern, von Schwarzenberg entitammt.
D Zollern! deine Leiche umſchwebt ein liter Kranz;
Sahſt du vielleicht noch fterbend dein Haus im künft'gen Glanz?
17. Bon Sadjenheim zween Ritter, der Vater und der Eohn,
Die liegen til beifammen in Lilien und in Mohn.
Auf ihrer Stammburg wandelt von alters her ein Geift,
Der längft mit Klaggebärben auf ſchweres Unheil weift.
18. Einft war ein Herr von Luftnau vom Scheintod auferwacht,
Er kehrt' im Leichentuche zu feiner Yrau bei Nacht,
Davon man fein Geſchlechte die Toten hieß zum Scherz;
Hier bringt man ihrer einen, den traf der Tob ins Herz.
19. Das Lied, es folgt nicht weiter! des Jammers ift genug.
Will jemand alle wiflen, die man von dannen trug:
Dort auf den Rathausfenftern, in Farben bunt und Her,
Stellt jeden Ritters Name und Wappenſchild ſich dar.
20. Als nun von feinen Wunden Graf Ulrih ausgeheilt,
Da reitet er nah Stuttgart, er hat nicht fehr geeilt.
Er trifft den alten Bater allein am Mittagsmahl;
Ein froftiger Willkommen! fein Wort ertönt im Saal.
21. Dem Bater gegenüber ſitzt Ulrich an dem Tifch,
Er ichlägt die Augen nieder; man bringt ihm Wein und Yıld;
Da faßt der Greiß ein Meſſer und fpricht fein Wort dabei
Und fchneidet zwiichen beiden das Tafeltuch entzwei.
4.
Die Döffinger Schladt.
(1388.)
1. Am Ruheplatz der Toten da pflegt es ftill zu fein,
Man hört nur leifes Beten bei Kreuz und Leichenftein.
Zu Döffingen war's anders; dort fcholl den ganzen Tag
Ter fefte Kirchhof wieder von Kampfruf, Stoß und Schlag.
2. Die Städter find gelommen; der Bauer hat jein Gut
Zum feiten Drt geflüchtet und hält's in tapfrer Hut,
Mit Spieß und Karſt und Senfe treibt er den Angriff ab;
Wer tot zu Boden fintet, hat Hier nicht weit ins Grab.
= a
— 180 —
3. Graf Eberhard der Greiner vernahm der Seinen Not;
Schon fommt er angezogen mit ftarfem Aufgebot,
Schon ift um ihn verfammelt der beiten Ritter Kern,
Vom edlen Lömwenbunde die Grafen und die Herrn.
4. Da kommt ein reif’ger Bote vom Wolf von Wunnenftein:
„Mein Herr mit feinem Banner will Euch zu Dienfte fen.“
Der ftolzge Graf entgegnet: „Ich hab’ fein nicht begehrt;
Er bat umfonft die Münze, die ich ihm einft verehrt!“
5. Bald fieht Herr Ulrich drüben der Stäbter Scharen ftehn,
Bon Reutlingen, von Augsburg, von Ulm die Banner wehn;
Da brennt ihn feine Narbe, da gärt der alte Groll:
„Ich weiß’, ihr Übermüt’gen, wovon der Kamm euch ſchwoll.“
6. Er fprengt zu feinem Bater: „Heut zahl’ ih alte Schuld;
Will's Gott, erwerb’ ich wieder die väterliche Huld!
Nicht darf ih mit dir fpeilen auf einem Tuch, du Held!
Doch darf ih mit dir fchlagen auf einem blut’gen Feld.“
7. Sie fteigen von den Gaulen, die Herrn vom Löwenbund,
Sie ftürzen auf die Feinde, thun ſich als Löwen Fund.
Hei! wie der Löwe Ulrih fo grimmig tobt und würgt!
Er will die Schuld bezahlen, er bat fein Wort verbürgt.
8. Wen trägt man aus dem Kampfe dort auf den Eichenftumpf?
„Gott fei mir Sünder gnädig!“ — er ftöhnt’s, er röchelt's dumpf.
O königliche Eiche, dich hat der Blib zerfpällt!
O Ulrich, tapfrer Ritter, dich hat das Schwert gefällt!
9. Da ruft der alte Nede, den nichts erichüttern kann:
„Erſchreckt nicht! Der gefallen, tft wie ein andrer Mann.
Schlagt drein! die Feinde fliehen!" — er ruft's mit Donnerlaut.
Wie raufht fein Bart im Winde! hei! wie der Eber haut!
10. Die Städter han vernommen das ſeltſam liſt'ge Wort.
„Wer flieht?“ fo fragen alle; ſchon wankt es bier und bort.
Das Wort bat fie ergriffen gleich einem Zauberlied,
Der Graf und feine Ritter durchbrechen Glied auf Glied.
11. Was gleißt und glänzt da droben und zudt wie Wetter:
ſchein?
Das iſt mit ſeinen Reitern der Wolf von Wunnenſtein.
Er wirft ſich auf die Städter, er ſprengt ſich weite Bucht,
Da iſt der Sieg entſchieden, der Feind in wilder Flucht.
— 181 —
12. Im Erntemond geſchah ed; bei Gott, ein heißer Tag!
Was da der edeln Garben auf allen Feldern lag!
Bie auch fo mander Schnitter die Arme ſinken läßt!
Wohl halten diefe Ritter ein blutig Sichelfeft.
13. Roc lange traf der Bauer, der hinterm Pfluge ging,
Auf roſt'ge Degenklingen, Speereifen, Panzerring’;
Und als man eine Linde zerfägt und niederftredt,
Zeigt fi darin ein Harnifh und ein Geripp verftedt.
14. Als nun die Schlaht geichlagen und Sieg geblafen war,
Da reicht der alte Greiner dem Wolf die Rechte dar:
„Hab Dank, du tapfrer Degen, und reit mit mir nad) Haus,
Daß wir uns gütlich pflegen nach diefem harten Strauß!“
15. „Hei!“ ſpricht der Wolf mit Lachen, „gefiel Euch dieſer
Schmwanf?
Ih ftritt aus Haß der Städte und nit um Euren Dank.
Gut’ Naht und Glück zur Reife! Es fteht im alten Recht.“
Er ſpricht's und jagt von bannen mit Nittern und mit Knedt.
16. Zu Döffingen im Dorfe da bat der Graf die Nacht
Bei jenes Ulrichs Leiche, des einz'gen Sohns, verbradit.
Er kniet zur Bahre nieder, verhüllet fein Geſicht;
Üd er vielleicht im ftillen gemeint, man meiß es nicht.
17. Des Morgens mit dem frübften fteigt Eberhard zu Roß,
Gen Stuttgart fährt er wieder mit feinem reiſ'gen Troß.
De kommt des Wegs gelaufen der Zuffenhaufer Hirt:
„Tem Mann iſt's trüb zu Mute; was er uns bringen wird?“
18. „Ich bring’ Euch böfe Kunde: nächt ift in unfern Trieb
Der gleigend’ Wolf gefallen; er nahm, fo viel ihm lieb.”
Da laht der alte Greiner in feinen grauen Bart:
‚Das Wölflein holt ſich Kochfleiſch, das ift des Wölfleins Art.“
19. Sie reiten rüftig fürder; fie fehn aus grünem Thal
Tas Schloß von Stuttgart ragen, ed glänzt im Morgenftradl.
Da fommt des Wegs geritten ein ſchmucker Edelknecht:
„zer Knab' will mich bedünken, ald ob er Gutes brächt'.“
20. „Ich bring’ Euch frohe Märe! Glück zum Urentelein!
Antonia bat geboren ein Knäblein hold und fein.“
Da hebt er hoch die Hände, der ritterliche Greis:
„Ter Fink bat wieder Samen, dem Herrn fei Dank und Preis!”
£. ubland. (1815.)
— 1832 —
124. Barabein und Wätiel.
1
Bon Perlen baut fih eine Brüde
Hoch über einen grauen See;
Sie baut fih auf im Augenblide,
Und ſchwindelnd fteigt fie in die Höh.
Der höchſten Schiffe höchſte Majten
Ziehn unter ihrem Bogen hin;
Sie felber trug noch feine Laften
Und fcheint, wie du ihr nahſt, zu fliehn.
Sie wird erſt mit dem Strom, und ſchwindet,
So wie des Waſſers Flut verfiegt.
So ſprich, mo fi die Brüde findet,
Und mer fie fünftlich bat gefügt?
2.
Auf einer großen Weide gehen
Biel taufend Schafe filberweiß;
Wie wir fie heute wandeln jehen,
Sah fie der allerält’fte Greis.
Sie altern nie und trinfen Leben
Aus einem unerfchöpften Born;
Ein Hirt ift ihnen zugegeben
Mit Ihöngebognem Silberhorn.
Er treibt fie auß zu goldnen Thoren,
Er überzählt fie jede Nacht
Und bat der Lämmer keins verloren,
So oft er aud den Weg vollbradt.
Ein treuer Hund hilft fie ihm leiten,
Ein muntrer Widder geht voran.
Die Herde, Tannit du fie mir deuten?
Und aud den Hirten zeig mir an!
Kennft du das Bild auf zartem Grunde?
Es giebt fich felber Licht und Glanz.
Ein andres iſt's zu jeder Stunde,
Und immer ift es friſch und ganz.
— 183 —
Im engften Raum iſt's auögeführet,
Der Heinfte Rahmen faßt es ein;
Doch alle Größe, Die dich rühret,
Kennft du durch diefes Bild allein.
Und Tannft du den Kryftall mir nennen?
Ihm gleiht an Wert Fein Edelſtein;
Er leuchtet, ohne je zu brennen,
Das ganze Weltall faugt er ein.
Der Himmel jelbft ift abgemalet
In feinem wundervollen Ring;
Und doc ift, was er von fidh ftrahlet,
Noch ſchöner, ala mas er empfing.
4.
1. Unter allen Schlangen ift eine,
Auf Erden nicht gezeugt,
Mit der an Schnelle Feine,
An Wut fi Feine vergleicht.
2. Sie ftürzt mit furdtbarer Stimme
Auf ihren Raub fich los,
BVertilgt in einem Grimme
Den Reiter und fein Roß.
3. Sie liebt die höchſten Spißen;
Nicht Schloß, nicht Riegel kann
Bor ihrem Anfall ſchützen;
Der Harniſch — lockt fie an.
4. Sie bridht, wie dünne Halmen,
Den ftärkften Baum entzwei;
Sie kann dag Erz zermalmen,
Mie dicht und feft es fei.
5. Und dieſes Ungeheuer
Hat zweimal nie gedroht —
Es ftirbt im eignen Feuer:
Wie's tötet, ift es tot!
5.
1. Wie beißt dad Ding, das wen'ge ſchätzen?
Doc ziert’3 des größten Kaifers Hand;
Es ift gemacht, um zu verlegen,
Um nädften iſt's dem Schwert verwandt.
— 184 —
2. Kein Blut vergießt’8 und macht doc taufend Wunden;
Niemand beraubt’3 und macht doch reich;
Es hat den Erdfreis überwunden,
Es macht das Leben janft und gleich.
3. Die größten Reiche hat’8 gegründet,
Die ält'ſten Städte hat’3 erbaut;
Doch niemals hat es Krieg entzündet,
Und Heil dem Boll, das ihm vertraut!
6.
1 Sch wohn' in einem fteinernen Haus,
Da lieg’ ich verborgen und jchlafe;
Doch ich trete hervor, ich eile heraus,
Gefodert mit eiferner Waffe.
5 Erft bin ich unſcheinbar und ſchwach und Hein,
Mich kann dein Atem bezwingen,
Ein Regentropfen ſchon faugt mich ein;
Doh mir wachſen im Siege die Schwingen.
Wenn die mädht’ge Schwefter ſich zu mir gejellt,
10 Erwachſ' ih zum furchtbar'n Gebieter der Welt.
T.
1 Ein Vogel iſt es, und an Schnelle
Buhlt es mit eines Adlers Flug;
Ein Fiſch iſt's und zerteilt die Welle,
Die noch kein größres Untier trug;
5 Ein Elefant iſt's, welcher Türme
Auf feinem fchweren Rüden trägt;
Der Spinnen Friehendem Gemürme
Gleicht es, wenn es die Füße regt;
Und hat es feſt fich eingebifien
10 Mit feinem ſpitz'gen Eifenzahn,
So fteht’8 gleichwie auf feften Füßen
Und trotzt dem wütenden Orkan.
Ir. v. Schiller. (1801. 1802.)
8
1 Mer nennt mir das Klofter von feiten Stein,
Drin mohnen viel ſchöne Yüngferlein;
Ein eiferner Paladin Elopft and Haus,
Gleich fpringen drei, vier oder mehr heraus;
5 Sie tanzen um ibn, fie glühen jo rot,
Sie tanzen fi alle zujammen bald tot.
Mifes.
— 185 —
125. Sprüde und Sprucdartiges.
1.
1. Gott grüße dih! — Fein andrer Gruß
Gleiht dem an Innigkeit.
Gott grüße dich! — Kein andrer Gruß
Paßt fo zu jeder Zeit.
2. Gott grüße dich! — Wenn diefer Gruß
Eo recht von Herzen gebt,
Gilt bei dem lieben Gott der Gruß
So viel wie ein Gebet.
J. Sturm.
2.
1. Sohn, die Freundfhaft mit dem Böfen,
Mit Gleihgültigen und Guten
Sei dir ja nicht einerlei!
2. Ein Tropfe Regenmwaffer
Fiel auf ein glühend Eifen —
Und mar nicht mehr.
3. Er fiel auf eine Blume
Und glänzt’ als eine Perle —
Und blieb ein Tröpfchen Tau.
4. Er janf in eine Mufchel
Zur fegensreihen Stunde —
Und ward zur Perle jelbit.
©. v. Berder.
8.
Wozu ift Geld doch gut?
Wer's nicht hat, Hat nit Mut,
Wer's hat, bat Sorglichkeit,
Mer’3 hat gehabt, hat Leib.
I. v. Logan.
4,
Leichter träget, was er träget,
Mer Geduld zur Bürde leget.
8. v. Logan.
®,
Willſt du fremde Fehler zählen, heb an deinen an zu zählen;
I mir recht, dir wird die Weile zu den fremden Fehlern fehlen.
8.9. Logan.
— 186 —
6.
Wenn du durch den Kot der Straße mußt mit neuen Schuhen gehn,
Wirft Du, trippelnd auf den Spiten, nad den blanken Steinen jehn.
Hat fie erſt beſchmutzt ein Fleckchen, lernft du waten ficherlich.
Hüte, Kind, in deiner Seele vor dem eriten Flecken dic.
1. Müller.
7.
Iſt das Wort der Lipp' entflohen, du ergreifſt es nimmermehr,
Fährt die Reu' auch mit vier Pferden augenblicklich hinterher.
w. müter.
8.
Der Schneeball und das böſe Wort,
Sie wachſen, wie ſie rollen fort;
Eine Handvoll wirf zum Thor hinaus:
Ein Berg wird's vor des Nachbars Haus.
w. Müller.
9.
Was heißt das, über die Zeit zu klagen?
Wie jeder ſie macht, ſo muß er ſie tragen.
w. Müller.
10
Das Recht ſagt: Jedem das Seine!
Die Liebe: Jedem das Deine!
11.
Mer ift ein unbraudbarer Mann?
Der nicht befehlen und auch nicht gehorchen kann.
m. v. Goetbe.
12.
Mer ſich nicht nad) der Dede ftredt,
Dem bleiben die Füße unbebedt.
m. v. Goethe.
13.
Mo es drei Heller thun, da wende vier nicht an,
Und nicht zwei Worte, wo's mit einem ift gethan.
3. Rüdert.
14.
Der Hunger gudt dem Fleiß zuweilen wohl in Haus,
Allein die Thätigkeit wirft ihn zur Thür hinaus.
3. Rüdert.
15.
D blide, wenn den Sinn dir will die Welt verwirren,
Zum emw’gen Himmel auf, wo nie die Sterne irren.
3. Rülert.
weite Abteilung.
126. Frühlings Einzug.
1. Die Fenſter auf, die Herzen auf!
Geſchwinde! Geſchwinde!
Der alte Winter will heraus,
Er trippelt ängſtlich durch das Haus,
Er windet bang ſich in der Bruſt
Und kramt zuſammen ſeinen Wuſt,
Geſchwinde, geſchwinde.
2. Die Fenſter auf, die Herzen auf!
Geſchwinde! Geſchwinde!
Er ſpürt den Frühling vor dem Thor,
Der will ihn zupfen bei dem Ohr,
Ihn zauſen bei dem weißen Bart
Nach ſolcher wilden Buben Art,
Geſchwinde, geſchwinde.
3. Die Fenſter auf, die Herzen auf!
Geſchwinde! Geſchwinde!
Der Frühling pocht und klopft ja ſchon —
Horcht, horcht, es iſt ein lieber Ton!
Er pocht und klopfet, was er kann,
Mit kleinen Blumenknoſpen an,
Geſchwinde, geſchwinde.
4. Die Fenſter auf, die Herzen auf!
Geſchwinde! Geſchwinde!
Und wenn ihr noch nicht öffnen wollt:
Er hat viel Dienerſchaft im Sold,
Die ruft er ſich zur Hilfe her
Und pocht und klopfet immer mehr,
Geſchwinde, geſchwinde.
5. Die Fenſter auf, die Herzen auf!
Geſchwinde! Geſchwinde!
Es kommt der Junker Morgenwind,
Ein bauſebackig rotes Kind,
Und bläſt, daß alles klingt und klirrt,
Bis ſeinem Herrn geöffnet wird,
Geſchwinde, geſchwinde.
— 190 —
6. Die Fenfter auf, die Herzen auf!
Gefhwinde! Geſchwinde!
Es fommt der. Ritter Sonnenſchein,
Der bricht mit golden Lanzen ein,
Der ſanfte Schmeichler Blütenhaud
Schleiht dur die engften Riten aud,
Geſchwinde, geſchwinde.
7. Die Fenſter auf, die Herzen auf!
Geſchwinde! Geſchwinde!
Zum Angriff ſchlägt die Nachtigall,
Und horch, und horch, ein Wiederhall,
Ein Wiederhall aus meiner Bruſt!
Herein, herein, du Frühlingsluſt!
Geſchwinde, geſchwinde!
w. Müller.
127. Komm mit!
1. Komm mit, verlaß das Marktgeichrei!
Verlag den Dualm, der fi dir ballt
Ums Herz, und atme wieder frei,
Komm mit mir in den grünen Wald!
2. Wir gehn auf taubeperltem Pfad
Durch ſchlankes Gras, durch duft'ges Moos,
Durch friiher Lüfte ſtärkend Bad
Dem grünen Didiht m den Schoß;
3. Gehn in der Hallen meite Pracht,
Wo endlos Säul’ an Säule fteht
Und durh der Schatten hehre Nacht
Des Unfihtbaren Schauer weht;
4. Mir gehn hinab zum Feljenborn,
Mo fhaumgeboren, goldbeſchwingt,
Mie aus des Knaben Wunderhorn,
Ein Märden aus der Tiefe dringt,
5. Und in der Tiere Luſtrevier,
Draus unverlünftelt, unveritellt,
Sin wechſelnden Symbolen bir
Entgegentritt die eigne Welt.
— 191 —
6. Komm mit, verlaß das Marftgefchrei!
Berlaß den Qualm, der fi dir ballt
Ums Herz, und atme wieder frei,
Komm mit mir in den grünen Wald!
6. Dfarriun.
— — — — —
128. Der trene Gefährte.
1. Ich hatt’ einft einen Genofien treu;
Mo ich war, war er auch babei;
Blieb ih daheim, ging er aud nicht aus,
Und ging ich fort, blieb er nicht zu Haus.
2. Er tranf aus einem Glas mit mir,
Er ſchlief in einem Bett mit mir,
Mir trugen die Kleider nad) einem Schnitt,
Ja jelbft zum Liebchen nahm ich ihn mit.
3. Und als mich's jüngft nad den Bergen zog
Und Stab und Bündel im Arm ich mog,
Da ſprach der treue Geſelle gleich:
Mit Gunften, Freund! ich geh’ mit Euch!
4. Wir wallen ftill hinaus zum Thor,
Die Bäume ftrbeen frifch empor,
Die Lüfte bringen und warmen Gruß,
Da jchüttelt der Freund den Kopf mit Verdruß.
5. Im Äther jauchzt ein Lerchenchor,
Da hält er zugepreßt fein Ohr;
Süß duftet dort das Roſengeſträuch,
Da wird er fo ſchwindlig und totenbleich.
6. Und ala wir ftiegen den Berg hinan,
Berlor den Atem der alte Mann;
Ich wallt’ empor mit leuchtendem Blid,
Doch er blieb keuchend unten zurüd.
7. Ich aber jtand jauchzend ganz allein
Am Bergeögipfel im Sonnenjcein.
Rings grüne Triften und Blumenbuft!
Rings wirbelnde Lerhen und Bergesluft!
8 Und als ich wieder zu Thal gemallt,
Da ftieß ich auf eine Leiche bald!
D weh, er iſt's! Tot liegt er bier,
Der einft der treufte Gefährte mir!
— 192 —
9. Da ließ ich graben ein tiefes Grab
Und ſenkte die Leiche ſtill hinab,
Drauf fett’ ich einen Leichenftein
Und grub die Wort’ als Inſchrift drein:
10. „Hier ruht mein treufter Genoß im Land,
Herr Hypochonder zubenannt;
Er ftarb an frifher Bergesluft,
An Lerhenichlag und Roſenduft!
11. Sonft wünſch' ic ihm alles Glück und Heil,
Die ewige Ruh werd’ ihm zu teil;
Nur wahr mid Gott vorm Wiederjehn
Und feinem fröhlichen Auferftehn.“
2. Grün.
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129. Das treue Ro.
1. Ich hab’ mein Roß verloren,
Mein apfelgraues Roß.
Es war jo treu im Leben,
Kein treueres kann es geben
Im ganzen Zug und Troß.
2. Und als es wollte fterben,
Da blidt’ e8 mid noch an,
Als ſpräch's mit feinen Mienen:
Kann dir nicht weiter Dienen,
Ade, mein Reitersmann!
3. Und ald es mar geftorben,
Da grub ich’3 ehrlich ein,
Wohl unter grünen Matten
In eines Lindenbaums Schatten;
Da fol fein Denkmal fein.
4. Da fiten die kleinen Vögel
Und halten das Totenamt.
Ihr braucht nicht erft zu leſen,
Wie treu mein Noß geweſen;
Sie fingen’3 insgeſamt.
Beinr. Doffmann v. Salleraleben.
— — — — — ——
— 19 —
130. Der Sohn der Witwe.
(Litauiſch.)
1. Hier zogen die Schwäne mit Kriegsgeſang:
„Zu Roß, zu Roß!“ es dröhnend erklang.
2. Es reiten aus allen Höfen umher
Die jüngern Söhne zum Kriegesheer. |
3. „Es ift mit uns gar ſchlimm beftellt,
Und keiner bleibt, wenn einer fich tell t.
4. Du ziehſt, mein Bräut'gam, mein Bruder, mein Sohn,
Du ziehſt in den Krieg, das wiſſen wir ſchon.
5. Wir Frauen bedienen den Kriegesknecht,
Den Helmbuſch ſteckt die Braut dir zurecht,
6. Den Rappen führt die Schweſter dir vor,
Dir öffnet die Mutter des Hofes Thor.
7. Bann kehrſt du, mein Bräut'gam, mein Bruder, mein Kind,
Wann kehrſt du zurüd? das fag uns geſchwind.“ —
8 „„Sind Luft und Wafler und Land erft frei,
Dann ſäum' ich nicht länger, dann eil’ ich herbei.“ “
9. „Und Luft und Waller und Land find frei,
Was ſäumt er noch länger und eilt nicht herbei?
10. Wir Frauen, wir wollen entgegen ihm gehn,
Bir wollen vom Hügel entgegen ihm fehn.“
11. Dort barren die Frauen und laufchen zu Thal
Die Straße entlang im Sonnenftraßl. 2
12. Und auf und nieder die Sonne fteigt,
Kein Reitersmann dem Blide fich zeigt.
‚13. Jetzt hebt fih Staub, jetzt Tommi im Lauf
Kappe daher, — fein Reiter fist drauf.
14. Sie fangen ihn ein, fie fragen ihn aus:
„Wie kommſt du, mein Rappe, doch ledig nad) Haus?
15. Bift, ſchlechter Gaul, dem Herm du entflopn?
Wo blieb mein Bräut’gam, mein Bruder, mein Sohn?" —
16. „„Sie haben erihoffen ihn in der Schlaht,
Auf grüner Heide fein Bett ihm gemacht.
17. Mich ließen fie laufen in alle Welt,
Ich habe die Botſchaft trauernd beitellt.“ “
13
— 14 —
18. Es zogen drei Schwäne mit Klagegeſang,
Ein Grab zu ſuchen, die Heide entlang.
19. Sie ließen fih nieber, wie fie es erlahn,
Zu Füßen, zu Haupte, zur Seite ein Schwan.
20. Zu Haupte die Schweiter, zu Füßen die Braut,
Zur Seite die Mutter, hoch ergraut:
21. „D wehe, weh Berwaiften uns rein!
Mer ftimmt in unfre Klage mit ein?“
22. Dorauf die Sonne, ſich neigend, begann:
„Ich ſtimme mit ein, jo gut ih kann.
23. Neun Tage traur’ ich in Nebelflor
Und komm' am zehnten nicht Hervor.“
24. Die Trauer der Braut drei Wochen mar;
Die Trauer der Schweiter, die war drei Jahr';
25. Die Mutter hat der Trauer gepflegt,
Bis müde fie felbft ins Grab fich gelegt.
Abalb. v. Ehamifio, (1826.)
131. Bevuros und fein Pferd.
(Nah einem neugriedifhen Volksliede.)
1. Um Bardar, am Vardar, auf grünem Feld,
Lag Vevros im Sterben, ber kühne Held.
Es datt’ ihn der Tür’, im Bufche verftedkt,
Mit meuchliſcher Kugel bingeftredt;
Nun lag er ftill im Graſe.
2. Sein Rappe, fein Rappe, das treue Pferd,
Ihm war der Gebieter, er ihm fo mert;
Er ftand und wußte nicht, wie's gefchab,
Daß jo den Helden er liegen ſah;
Er magt’3 ihn anzureben:
3. „Steh auf, mein Gebieter, und hör’ mein Wort
Der Türf’ ift im Felde, wir müflen fort.
Fern find die Genoſſen, wir find allein,
Und willft du nicht hier gefangen fein,
So eile flugs von Binnen!“ —
4. Wohl möcht’ ich von hinnen, — ich kann es nicht, —
Nicht länger hau ich der Sonne Licht. —
Die Kugel, fie drang durh Mark und Bein,
Sie drang ind innerfte Leben ein; —
Nun geht's mit mir zu Ende.
— 195 —
5. Drum höre, du Treuer in Freud und Not,
Merk’ auf und höre mein lettes Gebot!
Scharr' mit dem Fuß in den tiefen Sand
Und grab’ ein Grab mir an Ufers Rand
Mit deinen ftarlen Hufen!
6. Und bat mein Auge geihhloflen ſich,
So greif mit dem Zahn am Gürtel mic,
Dann halt mich ſchwebend in der Luft
Und ſenke mi in die fühle Gruft
Und ded’ fie zu mit Erbe!
7. Und haft du getreulich das Grab beitellt,
So eile zurüd zu meinem Zelt!
Bring meinem Bruder, du edles Roß,
Bring ihm den Säbel und dies Geſchoß,
Auf daß er mein gebente!
8. Bring meinem Mädchen das bunte Tuch,
Das ich zu Ehren der Liebſten trug!
Und nimmt ſie's wieder, gedenket fie mein,
Und fließen ihre Thränen brein,
So find’ ih Ruh’ im Grabe.
9. Fahr wohl, mein Rappe! das Auge bricht!
Mach Schnell und lag mich den Türken nicht!“ —
So feufzte der Held, ihn umfing der Tod;
Der Rappe begrub ihn, nach feinem Gebot,
Am Ufer tief im Sande.
10. Und als begraben der edle Held,
Da eilte der Rappe zu Vevros' Zelt;
Er brachte die Waffen und das Geſchoß,
Das Tüclein brachte das edle Roß
Zu feiner BVielgetreuen.
11. Zu ihren Füßen er legt’ es Bin,
Sie hüllte die weinenden Augen drin,
Sie jammerte laut vor bitterm Schmerz,
Da brach dem Rappen das treue Herz,
Es brach und ſchlug nicht wieder.
Ronr. Ir. v. Schmidt- Phifelden.
13*
— 196 —
182. Turmisädhterlied.
1. Am gewaltigen Meer
In der Mitternadt,
Mo der Wogen Heer
An die Felfen Tracht,
Da Ihau ih vom Turm hinaus.
Sch erheb’ einen Sang
Aus Starker Bruft
Und miſche den Klang
In die wilde Luft,
In die Nacht, in den Sturm, in den Graus.
2. Dringe bush, dringe duch
Recht freubenvoll,
Mein Lied, von der Burg
In das Sturmgeroll!
Verkünd' es weit durch die Nadt,
Wo ſchwanket ein Schiff
Durch die Flut entlang,
Wo Ihmindelt am Riff
Des MWanderers Gang,
Daß oben ein Menſch hier wacht!
3. Ein kräftiger Mann,
Recht frifch bereit,
Mo er helfen Tann,
Zu wenden das Leib
Mit Ruf, mit Leuchte, mit Hand.
Iſt zu Schwarz die Nacht,
Iſt zu fern der Dirt,
Da fhidt er mit Macht
Seine Stimme fort
Mit Troft über See und Land.
4. Wer auf Wogen ſchwebt —
Sehr led fein Kahn —
Mer im Walde bebt,
Wo fih Räuber nahn,
Der denke: Gott hilft wohl gleich.
Men das wilde Meer
Schon hinunterſchlingt,
Wem des Räuberd Speer
In die Hüfte dringt,
Der dent’ an das Himmelreidh!
Sriedr. de la Motte Souaus.
1.
— 17 —
183. Huſarenlied.
Huſaren müflen reiten
Überall durch Stadt und Land,
Hufaren müſſen ftreiten
Mit dem Palaih in der Hand.
Wie könnten mir verzagen
Ohne Geld und ohne Brot?
Hufaren müfjen jagen
Frohen Mutes in den Tod.
Trompeten und Poſaunen
Schmettern uns jo füß und fein,
Haubigen und Kartaunen
Brummen luftig zwijchen drein.
Wie könnten wir verberben,
Treu umjerm Feldgeſchrei?
Nur fiegen oder fterben!
Kamerad, es bleibt dabei!
Beinr. Poffinann v. Sallersieben, (1881.)
134, Reiters Morgengeiang.
1. Morgenrot,
Leuchteſt mir zum frühen Tod?
Bald wird die Trompete blafen;
Dann muß ic mein Leben laflen,
Ich und mander Kamerad.
2. Raum gedacht,
Wird der Luft ein End’ gemadt;
Geftern noch auf ftolzen Roſſen,
Heute durch die Bruft geſchoſſen,
Morgen in das fühle Grab.
3. Ach, wie bald
Schwindet Schönheit und Geftalt;
Thuſt du ftolz mit deinen Wangen,
Die wie Mil und Purpur prangen?
Ach! die Roſen wellen al’.
4. Darum fill
Füg' ich mid, wie Gott es will.
Nun fo will ich wacker ftreiten;
Und follt’ ich den Tod erleiden,
Stirbt ein braver Reiterdmann.
wid. Bauff.
— 1% —
1. Die Schärpe ſchlang er um den Leib,
Die Fahne ſchwang er in der Hand;
Die Schärpe gab das fchönfte Weib,
Die Fahne gab das Vaterland.
2. So ritt er kühn voran dem Heer
Und fang manch Träft’ge Melodet,
Manch Lied von tapfrer Männer Wehr,
Manch Lied von echter Lieb” und Treu.
3. Stets ging voll Mut er ins Gefecht,
Stets ging er auß ber Schlacht voll Luft,
Die Fahne trug er hoch und recht,
Die Schärpe treu an treuer Brufl.
4. So ging er au zum lehten Sieg,
Boran das Banner und dad Band!
Geendet ift der wilde Strieg,
Gerettet ift das Vaterland.
5. Im Felde blieb der Krieger Bier,
Sein Leben brach im Tobesichmerz;
Den Helden bedet das Panier,
Die Sphärpe beit das treue Herz.
6. Da ftand ber alten Krieger Schar,
Sie weinten wie in großer Not;
Doch allen tönt’3 im Herzen Har:
Das ift des Helden ſchönſter Tod.
Molig. Müher.
136. Ber alte Soldat.
1. Ich fteh” allem in dieſer Welt
Als wie ein Fels im Meere;
Ich babe weder Gut noch Gelb,
Hab’ nichts ala meine Ehre.
2. Sturmvögel wild im Iuft’gen Kreis
Das Felſenhaupt umijchweben,
Und Sturmgedanten mid, den reis,
Berfolgen durch das Leben.
>
a
6.
7.
— 199 —
Zum Angriff Hört’ in’ mancher Schlacht
Ich Die Trompete ſchmettern
Und war in dichter Pulvernadt
Umzudt von taufend Wettern.
Den Felſen trifft ver MWetterftrahl;
Der Fels bleibt unerjchüttert.
Mich traf die Kugel ohne Wahl;
Ich habe nicht gezittert.
Beſitze weder Weib noh Kind,
Die Kameraden ftarben,
Und meine einz’gen Freunde find
Mir meine tiefen Narben.
Verſcheucht den Schlaf um Mitternacht
Das Brennen tiefer Wunden,
Dann den?’ ih froh an mande Schlacht,
An Hohe Siegesftunden.
Und hätt’ ich die Erinn'rung nicht
Bon jenen großen Tagen,
So Tönnt’ ih auch den Frieden nicht,
Den läftigen, ertragen.
Alexander, Graf von Würtemberg.
137. Der gute Kamerad.
1. Ich hatt’ einen Kameraden,
Einen beſſern find’ft du nit.
Die Trommel ſchlug zum Streite,
Er ging an meiner Seite
In gleidem Schritt und Tritt.
2. Eine Kugel kam geflogen:
Gilt's mir oder gilt es dir?
Ihn bat es mweggerifien,
Er liegt mir vor den Füßen,
Als wär's ein Stüd von mir;
3. Will mir die Hand noch reichen,
Derweil ich eben lad’:
„Kann dir die Hand wicht geben,
Bleib du im ew’gen Leben,
Mein guter Kamerad!“
£ubw. Nbland
. (1809.)
— 200 —
188. Der Teampeter.
1. Wenn diefer Siegesmarſch in das Ohr mir fchallt,
Kaum halt’ id da die Thräne mir zurüd mit Gewalt.
Mein Kamerad, der hat ihn geblajen in der Schladt,
Auch ſchönen Mädchen oft ein Ständen gebradt;
Auch zulekt, auch zulegt in Der grimmigften Not
Erſcholl er ifm vom Munde bei feinem jähen Top.
Das war ein Mann von Stahl, ein Mann von echter At;
Geben?’ ich feiner, rinnet mir die Thrän’ in den Bart.
Herr Wirt, no einen Krug von dem feurigften Wein,
Soll meinem Freund zur Ehr’, ja zur Ehr' getrunfen fein.
2. Wir hatten mufiziert in der Frühlingsnacht
Und kamen zu der Elbe, wie das Eis ſchon erkracht';
Doc fchritten wir mit Lachen darüber unverwandt,
Ich trug dad Hom und er die Trompel’ in der Hand.
Da erknarrte das Eis, und es bog, und es brad,
Ihn riß der Strom von bannen, wie der Wind fo jach!
Ich konnt’ ihn nimmermehr erreichen mit ber Hand,
Ich mußte felbft mich retten mit dem Sprung auf den Sant.
Er aber trieb hinab, auf die Scholle geftellt,
Und rief: „Nun geht die Reif’ in die meite, weite Welt!“
- 8. Drauf fest’ er die Trompet’ an den Mund und fchwang
Den Schall, daß rings der Himmel und die Erde erflang!
Er fehmetterte gewaltig mit vollem Mannesmut,
ALS gält’ es eine Jagd mit dem Eis in der Flut.
Er trompetete klar, er trompetete rein,
Als ging's mit Vater Blücher nach Paris hinein!
Da donnerte das Eis, die Scholle fie zerbrach,
Und wurde eine bange, bange Stille darnach.
Das Eis verging im Strom und der Strom in dem Meer:
Mer bringt mir meinen Kriegslameraden wieder her?
Aug. Ropiie.
139. Ber Poſtillion.
1. Lieblih war die Maiennadt,
Silberwölklein flogen,
Ob der holden Frühlingspradht
Freudig Hingezogen. .
2. Schlummernd lagen Wie’ und Hain,
Jeder Pfad verlafien;
Niemand als der Mondenſchein
Wachte auf der Straßen.
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3. Leife nur das Lüftchen ſprach,
Und es zog gelinder
Durch das ſtille Schlafgemad
AU der Fruͤhlingskinder.
4. Heimlih nur das Bächlein ſchlich,
Denn der Blüten Träume
Dufteten gar wonniglich
Durch die ftillen Räume.
5. Rauber mar mein Boftillion,
Ließ die Geißel Inallen,
Über Berg und Thal davon
Friſch fein Horn erfchallen.
6. Und von flinten Roſſen vier
Scholl der Hufe Schlagen,
Die durchs blühende Revier
Trabten mit Bebagen.
7. Wald und Flur im ſchnellen Zug
Kaum gegrüßt — gemieben;
Und vorbei, wie Traumesflug,
Schwand der Dörfer Frieden.
8. Mitten in dem Maienglüd
Lag ein Kirchhof innen,
Der den raſchen Wanderblid
Hielt zu ernftem Sinnen.
9. Hingelehnt an Bergesrand
War die bleihe Mauer,
Und das Kreuzbild Gottes ftand
Hoch in ftummer Trauer.
10. Schwager ritt auf feiner Bahn
Stiller jet und trüber;
Und die Rofje bielt er an,
Sad zum Kreuz hinüber:
11. „Halten muß bier Roß und Rad,
Mag's Euch nicht gefährden;
Drüben liegt mein Kamerad
In der fühlen Erden!
1232. Ein gar berzlieber Geſell!
Herr, 's iſt ewig ſchade!
Keiner blies das Horn ſo hell,
Wie mein Kamerade!
— 202 —
13. Hier ich immer halten muß,
Dem dort unterm Raſen
Zum getreuen Brubergruß
Sein Leiblied zu blajen!*
14. Und dem Kirchhof fandt’ er zu
Frohe Wanderfänge,
Daß es in die Grabesruh
Seinem Bruder dränge.
15. Und des Hornes beller Ton
Klang vom Berge wieder,
Ob der tote PBoftillion
Stimmt’ in feine Lieder. —
16. Weiter ging’ durch Feld und Hag
Mit verhängtem Zügel;
Lang mir noch im Ohre lag
Sener Klang vom Hügel.
NE. Conan.
140. Haus Euler.
1. „Hoch, Marthe, Draußen pocht es! geh, laß den Mann herein!
Es wird ein armer Pilger, der fi) verirrte, fein.“ —
„Grüß Gott, du ſchmucker Krieger, nimm Pla an unferm Tiſch!
Das Brot ift weiß und Ioder, der Trank ift hell und friich.“
2. „„Es ift nicht Trank, nicht Speile, wonach es not mir thut;
Doch, To Ihr fein Hans Euler, jo will ih Euer Blut!
Wißt Ihr, vor Monden hab’ ih Euch noch als Feind bedroht;
Doch datt’ ich einen Bruder, den Bruber ſchlugt Ihr tot.
3. Und als er rang am Boden, da ſchwur ich es ihm gleich,
Daß ich ihn wollte rächen, früh oder jpät, an Euch.““ —
„Und hab’ ich ihn erfchlagen, fo war's im rechten Streit,
Und fommt hr, ihn zu rächen — wohlan, ich bin bereit.
4. Doc nicht im Haufe kämpf' ich, nicht zwmifchen Thür und Wand,
Im Angefichte defien, wofür ich [tritt und ftand.
Den Säbel, — WMarthe, weißt du, womit ich ihn erſchlug;
Und foll ih nimmer kommen, — Tirol ift groß genug.“
5. Sie gehen miteinander den nahen Yels hinan;
Sein gülden Thor hat eben der Morgen aufgethen;
Der Hans voran, der Fremde recht rüftig binterdrein,
Und böber ftet8 mit beiden der liebe Sonnenfcein.
— 203 —
6. Nun flehn fie an der Spike, — da liegt die Alpenmelt,
Die wunderbare, große, vor ihnen aufgebellt:
Geſunkne Nebel zeigen der Thäler reihe Luft,
Mit Hütten in den Armen, mit Herten an der Bruft.
7. Dazwiſchen Riefenbähe, darunter Kluft an Kluft,
Daneben Wälderfronen, darüber freie Luft;
Und fihtbar nicht, doch fühlbar, von Gottes Ruh umkreiſt,
In Hütten und in Herzen der alten Treue Geilt.
8. Das fehn bie beiden droben, dem Fremden ſinkt bie ‚Sand;
Hans aber zeigt Binunter aufs liebe Vaterland:
„Kür das hab’ ich gefochten, dein Bruder hat's bedroht;
Für das bab’ ich geftritten, für das jchlug ich ihn tot.“
9. Der Fremde fieht hinunter, fieht Hanjen ind Geficht.
Er will den Arm. erheben; den Arm erhebt er nicht:
„„Und Baft du ihn erjchlagen, fo war's im rechten Streit,
Und willft du mir verzeihen, komm, Hans, ich bin bereit.“ “
Gabr. Seidl.
141. Die Lerche.
1. Gegrüßet ſeiſt du, du Himmelsſchwinge,
Des Frühlings Bote, du Liederfreundin!
Sei mir gegrüßet, geliebte Lerche,
Die beides Iehret, Gejang und Leben!
2. Der Morgenröte, des Fleißes Freundin,
Erweckſt du Felder, belebit du Hirten;
Sie treiben munter den Schlaf vom Auge,
Denn ihnen finget die frühe Lerche.
3. Du ftärfft dem Landmann die Hand am Pfluge
Und giebft den Ton ihm zum Morgenliede:
„Wach auf und finge, mein Herz voll Freude,
Wach auf und finge, mein Herz voll Dankes!“
4. Und alle Schöpfung, die Braut der Sonne,
Erwacht verjünget vom langen Schlafe;
Die ftarren Bäume, fie hören mwundernd
Gefang von oben und grünen wieder.
5. Die Zweige fprießen, die Blätter feimen,
Das Laub entfhlüpfet und horcht dem Liebe.
Die Vögel girren im jungen Neſte,
Sie üben zweifelnd die alten Stimmen.
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6. Denn bu ermunterft fie, kühne Lerche,
Beim erften Blide des jungen Frühlings,
Hoch über Beifall und Neid erhoben,
Dem Aug’ entflogen, body ſtets im Ohre.
7. Snbrünftig ſchwingſt du dich auf zum Himmel
Und ſchlupfſt beſcheiden zur Erde nieber
Demütig nifteft du tief am Boben
.
’
Und fteigft frohlodend zum Himmel wieber.
8. Drum gab, o fromme, beſcheidne Lerche,
Du über Beifall und Stolz erhobne,
Du muntre Freundin des frühen Fleißes,
Drum gab der Himmel dir auch zum Lohne
9. Die unermüdlich beherzte Stimme,
Den Ton der Yreube, den langen Yrübling.
Selbft Philomele, die Liebergöttin,
Muß deinem langen Gejange weichen.
10. Denn ad! der Liebe, der Sehnſucht Klagen
In Philomelend Gefang erfterben;
Das Lied der Andacht, der Ton der Freude,
Das Lied des Fleißes hat langen Frühling.
Job. Gettfv. v. Tberder.
142, Die Erle und die Ceder.
1 Aus dem fetten Wieſengrunde
Nah am Schmerlenbadhe wuchſen
Üppig junge Erlen; Ioder
Grünten fie empor und wuchſen
5 Schon im erften Jahr zu ſchlanken
Bäumchen auf. Am nahen Hügel
Keimten junger Cedern Sproflen
Langſam aufwärts; Sabre flogen
Hin, noch faum erfchienen höher
10 Sie, denn vormals. Höhnifch riefen
Laut die Erlen: „Ei, ihr Trägen,
Schämt euh! nad fo vielen Jahren
Noch fo ſchwach ihr! Schauet unfern
Reichtum! Wie mir berrlih grünen,
15 Starfgefüllte volle Bäume,
Bol von Zweigen, dicht von Laube!“
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Drauf erwiberten die Cedern:
„Haben wir bisher doch immer
In den feften Grund gepflüget,
Mit der Wurzel zwiſchen Felſen
Sihern Stand und zu erwerben.
Zehnmal weiter, als die Wipfel
Ihr erhebet in die Lüfte,
Dringen wir erft in die Tiefe:
Alles nah dem Wink der weile
Teilenden Natur, die euch zum
Schnellern Untergang berufen,
Uns zum dauerhaften Schmunge.
Zange werbet ihr verweſet
Sein, von euren Kindeskindern
Wird kein fpäter Enkel grünen,
Wenn wir, voller Schönheit blühend,
Mit dem Haupt die Sterne küſſen
Und, gleich grünen Pfeilern, unfre
Äfte an die Wollen lehnen
Und gleich Adlern mit der ſtarken
Wurzelkrall' die Erde tragen!“
(Maler) Iuiehr. Müller.
148. Preis der Tanne.
Süngftbin hört’ ich, wie die Rebe
Mit der Tanne ſprach und halt:
„Stolzel himmelwärts dich hebe,
Dennoch bleibit du ftarr und Kalt!
Spend’ auch ih nur kargen Schatten
Wegemüden gleich wie bu,
Führet doch mein Saft die Matten,
D wie leicht! der Heimat zu.
Und im Herbfte — melde Wonne
Bring’ ich in bes Menfhen Haus!
Schafft’ ihm eine neue Sonne,
Wann die alte löſchet aus.“
So fih brüftend ſprach die Rebe;
Doch die Tanne blieb nicht ftumm,
Säufelnd ſprach fie: „Gerne gebe
Ich die, Rebe, Preis und Ruhm.
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5. Eines doc ift mir beichieben:
Mehr zu laben als dein Wein
Lebensmübe; — welchen Frieben
Schließen meine Bretter ein!“
6. Ob die Rebe fich gefangen
Gab der Tanne, weiß ich nicht;
Doch fie ſchwieg, und Thränen bangen
Sah ich ihr am Auge licht.
Jufttu. Revuer.
144. Die Ameiſe.
Ein Müßiggänger fah die Lilie
Des Feldes blübn und Hört’ der Vögel Chor
Zobfingen. „Bin ich denn nicht mehr denn fie?“
Sprad er. „Wohlen, fo fei mein Leben auch
Blühn und Berblühen, Anfchaun und Gefang!”
Er ging zur einfam=frommen Wüſtenei
Und barrete auf Offenbarung. Da
Rief eine Stimme: „Schau zur Erd' hinab,
Simplicius!“
Er ſah. Ein wimmelnd Neft
Ameifen war vor ihm in lebender
Bewegung Diefe trugen eine Laft,
Viel größer als fie felbft. Ein andrer Hauf
Hielt Kräuterfamen in dem Munde, feft
Wie mit der Zange. jene holten Erb’
Herbei und dämmten ihren breiten Strom.
Die andern trugen für den Winter ein
Und fchroteten die Körner Fünftlich ab,
Daß ihre feuchte Wohnung nit mit Kraut
Verwüchſe. Diefe hielten einen Zug;
Sie trugen einen Toten aus der Stabt.
Und feiner ftört’ den andern; jeder wid
Beim Ein- und Ausgang feinem Nachbar aus.
Mer unter feiner Laft erlag, und wer
Die fteile Straße nicht erklimmen konnte,
Dem half man auf, man bot den Rüden dar. —
Simplicius ſah's mit Verwunderung
Und ſähe noch, hätt’ ihm die Stimme nit
Gerufen: „Bift du nicht vielmehr als fie?“
— 207 —
30 Und vor ihm ſtand ein Greis: „Berlorner Sohn!
Mie? haft du Heinen Bater? feine Mutter?
Und feinen Yreund und Armen, dem bu jeht
Beifpringen könntet? Bift vom Himmel du
Entfprofien? Teinem Menſchen auf der Welt
35 Berbunden oder wert, daß ibm ein Teil
Bon dir gehöre? — Sieh das Heine Boll
Ameifen. Jede wirket indgemein,
Und ohne Eigentum bat jede g’nug.“
Belehret kehrt! Simplicius zurüd
40 Zur munten Thätigkeit und ſah fortan
Im großen Ameishaufen diefer Welt
Die Gottesftadt, die (oft ſich unbewußt)
Im Wirken fürs Gemeine lebt und webt,
Niemand für fih, für alle jedermann.
Job. Gotife. v. Derber. (1796?)
145. Chibher.
1. Chibber, der ewig junge, ſprach:
Ich fuhr an einer Stabt vorbei.
Ein Mann im Garten Früchte brach;
Ich fragte, feit wann die Stadt hier jei?
Er ſprach, und pflüdte die Früchte fort:
„Die Stadt fteht ewig an diefem Ort
Und wird fo ftehen ewig fort.”
Und aber nah fünfhundert Jahren
Kam ich desfelbigen Wegs gefahren.
2. Da fand ich feine Spur der Stabt;
Ein einfamer Schäfer blies die Schalmet,
Die Herde weidete Laub und Blatt;
Ich fragte: „Wie lang ift die Stadt vorbei?“
Er ſprach, und blies auf dem Rohre fort:
„Das eine wächſt, wenn das andre dorrt;
Das ift mein emwiger MWeideort.“
Und aber nad fünfhundert Jahren
Kam ich desfelbigen Wegs gefahren.
3. Da fand id ein Meer, das Wellen fchlug,
Ein Schiffer marf die Nete frei;
Und als er ruhte vom ſchweren Zug,
Fragt’ ich, feit wann das Meer bier fei?
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Er ſprach, und lachte meinem Wort:
„Splang’ ala ſchäumen die Wellen dort,
Sucht man und filht man an dieſem Port.“
Und aber nad fünfhundert Jahren
Kam ich desfelbigen Wegs gefahren.
4. Da fand ich einen waldigen Raum
Und einen Mann in der Siebelei;
- Er fällte mit der Axt den Baum.
Ich fragte, wie alt der Wald bier fei?
Er ſprach: „Der Wald ift ein ewiger Hort;
Schon ewig wohn’ ih an biefem Dirt,
Und ewig madjen die Baum’ bier fort.“
Und aber nad fünfhundert Jahren
Kam ich desſelbigen Wegs gefahren.
5. Da fand ih eine Stadt, und laut
Erſchallte der Markt vom Volksgeſchrei.
Ich fragte: „Seit wann ift die Stabt erbaut?
Wohin ift Wald und Meer und Schalmei?“
Sie ſchrien, und hörten nicht mein Wort:
„So ging e8 ewig an biefem Ort
Und wird jo gehen ewig fort!”
Und aber nad fünfhundert Jahren
Will ich desfelbigen Weges fahren.
Ariedr. Rücert.
— — — —— —
146. Die Eichenſaat.
1. Wie waren die Mönde zu Dünmald fo Hug!
Sie ſuchten in den Briefen und fanden genug;
An alter Pergamente gebräunter Schrift
Zafen fie von mancher blöfenden Trift.
2. Sie zeigten auch dem Junker zu Schlebuſch eins
Sm Traufen Stile guten Kloſterlateins:
Des Kloſters feien, wie da gejchrieben ftand,
Wohl Hundert Morgen von des Junkers Land.
3. Das begriff der fchlichte, biedre Junker ſchwer:
Was er befeflen von Urvätern ber,
Worauf er geerntet folang’ und foviel,
Mie der Acer plötzlich dem Klofter verfiel.
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4. Der Prior brachte den Handel vor Geridt;
Da mußten fih die Schöffen zu raten nicht.
Der Schultheiß dingte jo manche Tagefahrt;
Der Berwidlung wurde fein Ende gewahrt.
5. Zulegt der Junker übeln Mut gewann,
Als ihm die Mönche drohten mit Acht und Bann,
Man fhürt ihm von der Kanzel die Hölle fo Beiß;
Er dacht': ich will bezahlen das Lügengeſchmeiß.
6. „Wohlan, ich biete die Hand zum Frieden dar,
Ihr ſollt befigen, was niemals euer war;
Doch weil ich ungezwungen euch Abſtand that,
So ſei mir bewilligt noch eine letzte Saat.“
7. Da ſchmunzelten die Brüder und ſchlugen ein.
Den Vergleich verbrieften die Schöffen fein,
Ihn beſtärkten beide mit heil'gem Schwur;
Jeweder zufrieden dann nach Hauſe fuhr.
8. Das währte von Weihnachten bis Hagelzeit;
Da pflegen die Gläub'gen noch jetzt weit und breit
Mit Kreuz und Fahne die Felder zu umgehn,
Den Himmel um Gedeihen der Saaten zu flehn.
9. Als ſie nun kamen an das ſtreitige Feld,
Das im Herbſt der Junker zuletzt beſtellt,
Wohl haben die Mönche neugierig hingeſchaut,
Was doch auf ihrem Acker für Frucht ſei gebaut?
10. „Zartgrüne Blättchen, buchtig ausgeſchweift —
Was iſt's, das der Ernte entgegenreift?
Es iſt nicht Korn noch Weizen — o Schmach, in der That!
Wie ſind wir betrogen! — es iſt Eichelſaat!
11. Uns wird kein Zahn mehr ſchmerzen, wenn man ſie mäht;
Ein Fuchs iſt der Junker, das ſehn wir jetzt zu ſpät.
Was hilft uns, zu verſchreien den häßlichen Streich?
Zu deutlich redet der unſel'ge Vergleich.“ —
12. Aber luſtig wuchſen die Eichen empor,
Bald knallte dort im Grünen des Junkers Rohr,
Noch fah er zur Lohe ſchälen manden Schaft,
Er trank fih noch Stärkung aus braunem Eichelfaft.
13. Als aber weiter ftürmte die Zeit im Saus,
Die Wipfel ſchauten über das Klofterhaus,
Da jahn fie grüne Gräber, wo länaft in Ruh
Abt und Prior jchliefen und die Mönche dazu.
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14. Und höber hob fich der ftolze Eichenforft;
Und als die graue Rinde verfruftend borft,
Da fchüttelten die Kronen ihr berbitlih Laub
Auf des Klofterd Mauern in Schutt und Staub.
2. Simreod.
— — — —
147. Ber betrogene Teufel.
1. Die Araber hatten ihr Feld beſtellt,
Da kam der Teufel herbei in Eil';
Er ſprach: „Mir gehört die halbe Welt,
Ich will auch von eurer Ernte mein Teil.“
2. Die Araber aber ſind Füchſe von Haus,
Sie ſprachen: „Die untere Hälfte ſei bein.“
Der Teufel will allzeit oben hinaus:
„Nein“, ſprach er, „es foll die obere fein.“
3. Da bauten fie Rüben in einem Strich;
Und als e3 an die Teilung ging,
Die Araber nahmen die Wurzeln für fi,
Der Teufel die gelben Blätter eınpfing.
4. Und als e3 wieberum ging ins Jahr,
Da ſprach der Teufel in hellem Born:
„Nun will ich die untere Hälfte fürwahr!“
Da bauten die Araber Weiz’ und Korn.
5. Und als es wieder zur Teilung fam,
Die Araber nahmen den Ährenfchnitt,
Der Teufel die leeren Stoppeln nahm
Und Beizte der Hölle Ofen damit.
Ir. Rücert.
148. Ber Tenfel in Salamanca.
1 Es giebt eine alte wahre Lehre,
Und gute Chriften glauben dran:
Der Teufel, wenn er noch fo mächtig wäre,
Hat doch dem Klugen nie maß an.
5 Mer mutig ift und fein babei,
Bleibt aller Satanskunſte frei.
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Das bat wohl mander ſchon erfahren;
Doch will ih zu Gunften ungläubiger Seelen
Als Beiſpiel noch ein Märlein erzählen.
Als einft vor vielen langen Jahren
Zu Salamanca im Sellergewölbe
Der Teufel auf dem Katheder ſaß,
Wie andre Doktoren, und berjelbe
Schwarze Kunft nach eignen Heften las,
Da hatt’ er viel Zulauf, das läßt fich denken.
Es wimmelte alle auf Tiihen und Bänken,
Denn er verftand ſich herrlich darauf;
Und ward die Magie ihm gar zu teoden,
So gab er weislich Inftige Broden
Und fpaßhafte Schwänle die Menge in Kauf.
Das war fo ganz für der Herren Magen;
Kein andres Kollegium mocht' ihnen behagen,
Und fie fahn das erftemal mit ram,
Daß auch das Halbjahr zu Ende Fam.
Das freute den Argen, und er rief jchliegli:
„Gewiß ift euch meine Weisheit erfprieglich,
Das tft euch allen ficher ſchon klar;
Drum erſuch' ih ums billige Honorar
Und bitte mir, ich ſag's grad’ heraus,
Eine von euren Seelen au.
Mer zuletzt wird aus ber Kellerthür gehn,
Dem will ih und foll ih den Hals umdrehn.
Wenn's euch gefällt, jo mögt ihr ofen.“
Da fingen die Herren an zu ofen,
Schimpften den Doktor einen argen Wicht,
Schwuren insgefamt unverhohlen,
Der Teufel folle den Teufel holen;
Aber all ihr Sträuben Half da nidt.
Sie mußten ſich endli doch bequemen,
Die fatalen Würfel zur Hand zu nehmen.
Bur Hölle verdammt war ein junger Graf,
Da er die niebrigften Zahlen traf;
Doch behielt er den Kopf auf der rechten Stelle
Und meinte: Noch gehör’ ich nicht der Hölle,
Noch bat der Teufel mid nicht in den Klauen,
Drum will ih noch menſchlicher Lift vertrauen!
Drauf ſtellt' fih der Teufel zur Kellerthüren
Und ließ einen nach dem andern paffieren,
Und als nun der Graf ala der lebte kam,
Der Teufel ihn bei der Kehle nahm.
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Der aber ſchrie: „Haft feinen Teil an mir!
Das 208 traf meinen Hintermann hier!“
Und wies auf den Schatten an der Wand,
Denn die Sonne dem Seller ſchief über ftand.
Da hielt ihn der Teufel länger nicht.
Denn er war geblendet vom Sonnenlicht,
Und padte wütend im argen Wahn
Mit feinen Klauen den Schatten an.
Der Graf fchlüpfte behend hinaus
Und lachte den armen Teufel aus.
Doch noch was MWunderbares fi fand;
Denn als er in liter Sonne ftand,
Erſchraken alle und ftaunten fehr: —
Der Graf warf feinen Schatten mehr!
Ch. Börner.
149. Böſer Marlt.
1. Einer kam vom Königsmahle
In den Park, ſich zu bewegen;
Aus dem Buſch mit einemmale
Trat ein andrer ihm entgegen;
Zwiſchen Rock und Kamiſole
Griff der ſchnell, und die Piſtole
Setzt' er jenem auf die Bruſt.
2. „Leiſe, leiſe! muß ich bitten;
Was wir hier für Handel treiben,
Mag vom unberufnen Dritten
Füglich unbelauſchet bleiben.
Wollt Ihr Uhren nebſt Gehenken
Wohl verkaufen? nicht verſchenken;
Nehmt drei Batzen Ihr dafür?“ —
3. „„Mit Vergnügen!““ — „Nimmer richtig
Iſt die Dorfuhr noch gegangen;
Thut der Küſter auch ſo wichtig,
Weiß er's doch nicht anzufangen.
Jeder weiß in unſern Tagen,
Was die Glocke hat geſchlagen;
Gottlob! nun erfahr' ich's auch.
4. Sagt mir ferner: Könnt ihr miſſen,
Was da blinkt an Euren Fingern?
Meine Hausfrau, ſollt Ihr wiſſen,
— 213 —
Iſt gar arg nad folden Dingern.
Solde Ringe, ſolche Sterne,
Wie Ahr da habt, kauf' ich gerne;
Nehmt drei Baben Ihr dafür?“
5. „„Mit Vergnügen!“ — „Habt hr Fünftig
Mehr zu handeln, laßt mich holen;
Edel feid Ihr und vernünftig,
Und ich lob' euch unverhohlen.
Gleich mich dankbar Euch zu zeigen,
Lafl’ ich jede Rückſicht Schweigen
Und verfauf’ Eu, was Ihr wollt.
6. Seht den Ring da, den ich habe;
Nur von Meffing, ſchlecht, unfcheinfam,
Aber meiner Liebften Gabe;
Ah, fie ftarb und ließ mich einfam!
Nicht um einen Goldeshaufen . . .!
Aber Ihr, wollt Ihr ihn Taufen,
Gebt mir zehn Dulaten nur!“
7. „„Mit Vergnügen!” — „Ei! mas feh’ ih?
Schöner Beutel goldgeſchwollen!
Du gefälft mir, das geſteh' ich;
Die Piftole für den vollen!
Sie ift von dem beiten Meifter,
Kuchenreuter, glaub’ ich, heißt er;
Nehmt fie für den Beutel Hin!“
8. „„Mit Vergnügen! Nun, Gefelle,
Sit Die Neih’ an mich gekommen!
Her den Beutel auf der Stelle!
Her, was du mir abgenommen!
Sieb mir das Geraubte wieder,
Gleich! ich ſchieße jonft dich nieder,
Wie man einen Hund erjchießt!” “
9. „Schießt nur, ſchießt nur, wahrlich, Schaden
Wärt Ahr fähig anzurichten,
Wäre nur das Ding geladen!
Ihr gefallt mir fo mit nichten. Ä
Unfein dürft? ich wohl Euch fchelten;
Abgeſchloßne Händel gelten,
Merkt es Euh und — gute Nacht!“
10. Ihn verlachend unummunden,
Zanggebeint, mit leichten Sägen,
— 214 —
War er in dem Buſch verſchwunden
Mit den eingetaufchten Schäten.
Jener, mit dem Kuchenreuter
Sn der Hand, ſah nicht gejcheiter
Aus als augenblid3 zuvor.
4. v. Gbamiſſo. (1883.)
150. Der rechte Barbier.
1. „Und fol ih nah Philiſterart
Mir Kinn und Wange puten,
So will ich meinen langen Bart
Den lebten Tag noch nutzen;
Sa! ärgerlih, wie ih nun bin,
Bor meinem Groll, vor meinem Finn
Soll mander noch erzittern.
2. Holla! Herr Wirt, mein Pferd! madt fort!
Ihm wird der Hafer frommen.
Habt Ahr Barbierer bier im Ort?
Laßt gleich den rechten Tommen.
Waldaus, waldein, verfluhtes Land!
Ich ritt die Kreuz und Duer und fanb
Doch nirgends noch den rechten. —
3. Tritt ber, Bartpußer! aufgefchaut!
Du follft den Bart mir fragen!
Doch Figlig ſehr iſt meine Haut,
Ich biete hundert Batzen;
Nur, mahft du nicht die Sache gut
Und fließt ein einz’ges Tröpflein Blut —
Fährt dir mein Dolch ins Herze.“
4. Das pie, Talte Eifen fah
Man auf dem Tifche bliken,
Und dem verwünfchten Ding gar nah
Auf feinem Schemel fiten
Den grinnn’gen, ſchwarzbehaarten Mann
Sm Schwarzen, kurzen Wams, woran
Noch ſchwärz're Troddeln hingen.
5. Dem Meifter wird's zu graufig faſt;
Er will die Mefjer weten,
Er fieht den Dolch, er fieht den Gaſt,
Es padt ihn das Entſetzen;
— 215 —
Er zittert wie das Eipenlaub,
Er macht fich plöglih aus dem Staub
Und fendet den Geiellen.
6. „Einhundert Baten mein Gebot,
Falls du die Kunft befigeft;
Doch, merk' es dir, dich ſtech' ich tot,
So du die Haut mir ritzeſt.“
Und der Geſell: „„Den Teufel auch!
Das iſt des Landes nicht der Brauch.““
Er läuft und ſchickt den Jungen.
7. „Biſt du der rechte, kleiner Molch?
Friſch auf! fang an zu ſchaben;
Hier iſt das Geld, hier iſt der Dolch,
Das beides iſt zu haben!
Und ſchneideſt, ritzeſt du mich bloß,
So geb' ich dir den Gnadenſtoß;
Du wäreſt nicht der erſte.“
8. Der Junge denkt der Batzen, druckft
Richt lang und ruft vermegen:
„„Nur ſtill geſeſſen! nicht gemudft!
Gott geb' euch ſeinen Segen!““
Er ſeift ihn ein ganz unverdutzt,
Er wetzt, er ſtutzt, er kratzt, er putzt:
„„Gottlob! nun ſeid Ihr fertig.““ —
9. „Nimm, kleiner Knirps, dein Geld nur hin;
Du biſt ein wahrer Teufel!
Kein andrer mochte den Gewinn;
Du hegteſt keinen Zweifel,
Es kam das Zittern dich nicht an,
Und wenn ein Tröpflein Blutes rann,
So ftach ich dich doch nieder.” —
10. „„Ei! guter Herr, fo ftand es nicht!
Ich hielt Eu an der Kehle;
Berzudtet Ihr nur das Geſicht
Und ging der Schnitt mir fehle,
So ließ ih Euch dazu nicht Zeit,
Entſchloſſen war ich und bereit,
Die Kehl Euch abzufchneiben.” “
11. „So, fo! ein ganz verwünſchter Spaß!“
Dem Herrn ward's unbehäglich,
Er wurd' auf einmal leichenblaß
11.
12,
— 216 —
Und zitterte nachträglich:
„So, jo! das hatt’ ich nicht bedacht,
Doch hat es Gott noch gut gemadt;
Ich will's mir aber merken.“
A. v. Gbamiſſo. (1888.)
151. Der Szekler Landtag.
Ich will mich für das Faktum nicht verbürgen,
ch trag' es vor, wie ich's geſchrieben fand;
Schlagt die Geſchichte nach von Siebenbürgen.
Als einſt der Sichel reif der Weizen ſtand
In der Geſpanſchaft Szekl, da kam ein Regen,
Wovor des Landmanns ſchönſte Hoffnung ſchwand.
Es wollte nicht der böſe Weſt ſich legen,
Es regnete der Regen alle Tage,
Und auf dem Feld verdarb der Gottesſegen.
Gehört des Volkes laut erhobne Klage,
Gefiel es, einen Landtag auszuſchreiben,
Um Rat zu halten über dieſe Plage.
Die Landesboten ließen nicht ſich treiben;
Sie kamen gern, entſchloſſen gut zu tagen
Und Satungen und Bräuden treu zu bleiben.
Da wurde denn, nach bräuchlichen Gelagen,
Der Tag eröffnet und mit Ernſt und Kraft
Der Fall vom Landesmarſchall vorgetragen:
. „Und nun hohmögende Genoſſenſchaft,
Weiß einer Nat? Wer ift e8, der zur Stunde
Die Ernte troden in die Scheune jhafft?“
Es herrſchte tiefe8 Schweigen in der Runde,
Doch nahm zulett das Wort ein würd'ger Greife
Und ſprach gewichtig mit beredtem Munde:
„Der Fall tft ernft; mit nichten wär' es meile,
Mit übereiltem Ratſchluß einzugreifen;
Wir handeln nicht unüberlegtermweile,
Drum ift mein Antrag, ohne weit zu ſchweifen:
Laßt uns auf nächſten Samstag uns vertagen;
Die Zeit bringt Rat; fie wird die Sade reifen.“
Beichloflen ward, worauf er angetragen.
Die Friſt verftrich bei em’gen Regenfchauern,
Hinbrüten drauf und bräudlichen Gelagen.
Der Samstag fam und fah biefelben Mauern
Umfaflen noch des Landes Rat und Hort
Und fah den leib’gen Regen ewig dauern.
13.
14.
15.
16.
17.
18.
19.
20.
21.
22.
— 217 —
Der Landesmarſchall ſprach ein ernſtes Wort:
„Hohmögende, nun thut nad eurer Pflicht!
Ihr jeht, der Regen regnet ewig fort.
Mer ift e8, der das Wort der Weisheit fpricht?
Mer bringt in unſres Sinnens büftre Nacht
Das lang erwartete, begehrte Licht?
Zur That! Ihr habt erwogen und bedadıt.
Ich wende mich zuerft an diejen Alten,
Des Scharflinn einmal ſchon uns Troft gebradt:
Ehrwürd'ger Greis, laß deine Weisheit walten.“
Der ftand und ſprach: „Sch bin ein alter Mann,
Ich will euch meinen Rat nicht vorenthalten:
Wir ſehn es vierzehn Tage noch mit an,
Und Hat der Regen dann nicht aufgehört,
Gut! regn' e8 dann! fo lang’ e8 will und kann.“
Er ſchwieg; es fchwiegen, die das Wort gehört,
Noch eine Weile ftaunend; dann ericholl
Des Beifalls Jubel⸗Nachklang ungeſtört.
„Einſtimmig“, heißt es in dem Protokoll,
„Einſtimmig ward der Ratſchluß angenommen,
Der nun Geſetzeskraft behalten ſoll.“
So ſchloß ein Szekler Landtag, der zum Frommen
Des Landes Weiſeres vielleicht geraten,
Als mancher, deſſen Preis auf uns gekommen.
So wie die Väter ſtolz auf ihre Thaten
Nach bräuchlichen Gelagen heimgekehrt,
Erſchien die Sonne, trocknete die Saaten,
Und ſchwankten heim die Wagen goldbeſchwert. —
A. v. Ghamiſſo. (1881.)
152. Seemärden.
1. Schon glänzt der Mond im Meeresplan,
Noch fern ift das Schiff vom Hafen!
Die Mitternacht bricht mählih an,
Die Paſſagiere fchlafen.
2. Die Wadt am Mafte fchielt hinein
In Mond und Sternentreife,
Bis überblendet vom Strahlenſchein
Das Aug’ fich gefchloflen leiſe.
3. Der Steuermann belauſcht zu viel
Des Meeres Plätſchern und Klingen,
Bis ihn die Wellen mit liſtigem Spiel
In Schlummer binüber fingen.
— 218 —
4. Der Kapitän gudt auch zu tief
Ins Glas nach Ankergründen,
Bis er ganz fanft im Herrn entichlief,
Bevor er fie konnte finden.
5. Meh dir, verlaßnes, armes Schiff!
Weh allen Paflagieren!
Mer wird durch Sandbanf, Sturm und Riff
Euch nun zum Hafen führen?
6. Da nahm eine loſe Welle das Wort:
Ahr Schweſtern, was kann's verjchlagen?
Mir fchieben zum Spaß am Scifflein fort,
Laßt fehen, wie weit wir’3 tragen!
7. Da dachte Boread: Faſt iſt's Zeit
Zu ruhn von dem vielen Bewegen!
Will mich einmal gemächlich breit
Zur Raft in die Segel legen.
8. Hei, wie das Schiff durch die Fluten fchoß,
Getrieben von Wind und Wellen!
Doh weh! — nun geht’8 auf den Fels dort los,
Huf Gott! nun muß es zerjchellen!
9. Den Blinden und Lahmen im Wege pflegt
Zu weichen ein Mann von Sitte!
So denkt der Feljen und bewegt
Zurüd fih um ſechs Schritte.
10. Vorbei das Schiff dur die Fluten ſchoß,
Getrieben von Wind und Wellen;
Doch nun geht's grad auf den Hafen los,
Nun wird's an der Küfte zerichellen!
11. Den Ankern warb es zeitlang fait,
Die müßig am Borbe bingen;
Da fagte einer: Ihr Brüder, laßt
Zum Bad ind Meer uns Ipringen!
12. Geſagt, gethban! Er hüpft vom Bord.
Das Boll im Schiff erwadte;
Sie liegen vor Anker mitten im Port!
Wie freundlid das Ufer lachte!
13. Sie ftiegen and Land, gar inniglich
Entzüdt von des Schiffs Regierern. —
Gott wolle meine Freund' und mid
Bewahren vor foldden Führen!
— 219 —
14. Doch woll’ er meinen Yreunden und mir
Solhe Wellen und Winde geben
Und ſolche Felfen und Anker dafür
Zur See und aud im Leben!
Anaſt. Grün.
158. Est Est.
Nomanze.
1. Hart an dem Bolfener See,
Auf des Flafchenberges* Höh
Steht ein Heiner Leichenftein
Mit der kurzen Inſchrift drein:
Propter nimium Est Est
Dominus meus mortuus est,
2. Unter diefem Donument,
Welches feinen Namen nennt,
Ruht ein Herr von deutfchen Blut,
Deutihem Schlund und deutihem Mut,
Der bier ftarb den fchönften Tod —
Seine Schuld vergeb’ ihm Gott!
3. Ws ex reift’ im welchen Land,
Vielen ſchlechten Wein er fand,
Welcher leicht wie Waſſer wog
Und die Lippen chief ihm zog;
Und er rief: „Ich halt's nicht aus!
Lieber Knappe, reit voraus!
4. Sprid im jedem Wirtshaus ein
Und probiere jeden Wein:
Wo er dir am beften ſchmeckt,
Sei für mi der Tiſch gededt;
Und damit ic find’ das Neſt,
Schreib and Thor mir an ein Est.”
5. Und der Knappe ritt voran,
Hielt vor jedem Schenthaus an,
Trank ein Glas von jedem Wein:
War der gut, fo kehrt' er ein;
War ber fchlecht, fo fprengt’ er fort,
Dis er fand den reiten Ort.
* Montefiasoone am Lago di Bolsena.
— 220 —
6. Alſo kam er nad der Stadt, ..
Die den Musfateller bat,
Der im gamzen melichen Land
Yür den beiten wird genannt.
Als von diefem trant der Knecht,
Dünkt' ein Est ihm gar zu ſchlecht.
7. Und mit feuerrotem Stift
Und mit riefengroßer Schrift
Malt’ er nach des Weins Gebühr
Est Est an der Schenke Thür;
Sa, nad) anderem Bericht
Fehlt’ Die dritte Silbe nicht.
8. Der Herr Ritter kam, fah, trank,
Bis er tot zu Boden ſank.
Schenke, Schenkin, Kellner, Knapp
Gruben ihm ein fchönes Grab
Hart an dem Boljener See,
Auf des Flafchenberges Höh.
9. Und fein Anapp, der Koftewein,
Setzt' ihm einen Leichenftein
Ohne Wappen, Stern und Hut,
Mit der Anfchrift kurz und gut:
Propter nimium Est Est
Dominus meus mortuus est.
10. Als ich nach dem Berge kam,
Eine Flafch’ ih zu mir nahm,
Und die zweite trug ich fort
Rah dem weltberühmten Drt,
Wo der deutiche Ritter Tiegt,
Der vom Est Est ward befiegt.
11. Selig preif’ ich deine Ruh,
Alter, guter Freiherr du,
Der du bier gefallen bift
Bon dem Trank, der doppelt ift,
Doppelt ift an Kraft und Glut,
Goldnes Mustatellerblut!
12. Jahr für Jahr an jenem Tag,
Wo dein Leib dem Geift erlag,
Bieht, was trinkt in Hof und Haus,
Feierlih zu dir hinaus
— 221 —
Unb begießt mit deinem Wein
Dir den Hügel und den Stein.
13. Aber jeder deutihe Mann,
Welcher Est Est trinken fann,
Denke dein bei jedem Zug;
Und fobald er hat genug,
Opfr' er fromm dem edeln Herrn,
Was er jelbft noch tränfe gern.
14. Alſo hab’ ich's auch gemacht
Und dazu dies Lieb erdadt.
Lieber fingen eins beim Wein,
Als im Grab bejungen fein.
Propter nimium Est Est
Liegt manch einer ſchon im Neft.
wild. Müller.
154. Junler Durft.
1. Als der erfte Sonnenftrahl
Heute fam zur Erde,
Saß ein Knabe fchrittlings drauf
Wie ein Mann zu Pferde;
Durch mein Fenſter fam er fo
Zu mir eingeritten,
Stieg dann ab und ftellte fich
Sn die Stube mitten.
2. Sprach: „Sch bin der Junker Durft
Und bin hergekommen,
Alter Freund, mit gutem Rat
Heute Dir zu frommen.
Fühle nur den Strahl hier an,
Mie er brennt und glühet;
Schaue nur die Sonne da,
Wie fie flammt und fprühet.
3. Willſt du heute ſicher fein
Bor jo großer Schwüle,
Sude dir ein Ortlein aus,
Sonnenlos und fühle;
Ja, wenn du im Beutel haft
Nur noch einen Heller,
Wend' ihn dran und miete dich
Ein im tiefiten Keller.“
— 22 —
Alfo fprah er und verſchwand;
Aber ich, vermeflen,
Hatte feinen guten Rat
Alfobald vergefien,
Rannte dur die ganze Stadt,
Straßen auf und nieder;
Sieh, da ftand auf eins vor mir
Junker Durft ſchon wieder.
Seo war's fein Knabe mehr,
Mar ein tücht’ger Degen,
Und er ſprach: „Du willſt mir nit
Folgen? Meinetmwegen!”
Unverjehens hatt’ er fich
An mir aufgefhmungen,
Und da ging ih nun und trug
Diefen großen Jungen.
Und er faß mit ſchwerer Wucht
Feſt mir auf dem Naden;
Endlich ftred’ ich meine Fauft,
Um ihn derb zu paden.
Aljo rangen wir. Indes
Ward er gar zum Rielen.
Was er für ein Nede war,
Hat fih bald erwieſen.
Und er gab mir Schlag auf Schlag
Schnell und immer fchneller,
Bis wir endlih im Gefecht
Nahten einem Seller.
De erſt ging er mir zu Leib,
Und ich mußt’ erliegen;
Eh’ ih mich's verſah, fo fuhr
Ich Hinab die Stiegen.
Als ih num bier unten war,
Faßt' er mich beim Schopfe,
Warf mich vor ein großes Faß,
Nahm mich dann beim Kopfe,
Lachte mich ganz freundlich an,
Sprad: „Abe, mein Kämpe!
Labe bi nah unjerm Strauß!“
Ging und zog die Krempe.
— 223 —
9. Hier nun ſitz' ich ganz in Angſt
Bei dem großen Falle,
Daß der Kerl mich wieder padt,
Komm’ ich auf die Bafle.
Lieber wart’ ih, bis es Nacht
Iſt geworden droben;
Bis dahin will ih den Wein
Mader nagelproben.
W. Wadernagel.
155. Der Totentanz.
1. Der Türmer der fhaut zu Mitten der Nacht
Hinab auf die Gräber in Lage.
Der Mond der hat alles ind Helle gebradt;
Der Kirchhof er liegt wie am Tage.
Da regt fih ein Grab und ein anderes dann;
Sie fommen hervor, ein Weib da, ein Mann,
In weißen und fchleppenden Hemden.
2. Das vedt nun, es will ſich ergögen jogleich,
Die Knöchel zur Runde, zum Kranze,
So arm und fo jung, und fo alt und jo reich;
Doch hindern die Schleppen am Tanze.
Und weil bier die Scham nun nicht weiter gebeut,
So ſchütteln fih alle, da liegen zerftreut
Die Hemdelein über den Hügeln.
3. Nun bebt fih der Schenkel, nun madelt das Bein,
Gebärden da giebt es vertradte ;
Dann Hippert’3 und klappert's mitunter binein,
Als ſchlüg' man die Hölzlein zum Tafte.
Das kommt nun dem Türmer fo lächerlich vor;
Da raunt ihm der Schalt, der Verſucher ind Obr:
Geh! hole dir einen der Lafen!
4. Gethan, wie gedacht! und er flüchtet fich ſchnell
Nun Binter gebeiligte Thüren.
Der Mond und noch immer er fcheinet fo bel
Zum Tanz, den fie ſchauderlich führen.
Doch endlich verlieret fich diefer und ber,
Schleicht eins nah dem andern gekleidet eimber,
Und huſch! iſt es unter dem Raſen.
— 24 —
5. Nur einer ber trippelt und ftolpert zuletzt
Und tappet und grapft an ben Grüften;
Doch hat fein Gefelle fo fchwer ihn verletzt;
Er wittert das Tuch in den Lüften.
Er rüttelt die Turmthür, fie ſchlägt ihn zurüd,
Geziert und gefegnet, dem Türmer zum Glüd;
Sie blinkt von metallenen Kreuzen.
6. Das Hemd muß er haben, da raftet er nicht,
Da gilt auch Fein langes Befinnen,
Den gotiihen Zierat ergreift nun der Wicht
Und Hettert von Sinne zu Binnen.
Nun iſt's um den armen, den QTürmer, gethan!
Es rudt fih von Schnörkel zu Schnörkel hinan,
Zangbeinigen Spinnen vergleichbar.
7. Dee Türmer erbleichet, der Türmer erbebt —
Gern gäb’ er ihn wieder, den Laken.
Da häkelt — jett hat er am längften gelebt —
Den Zipfel ein eiferner Zaden,
Schon trübet der Mond fi verſchwindenden Scheins,
Die Glode fie dDonnert ein mächtiges Eins —
Und unten zerfchellt das Gerippe.
w. v. Goethe. (1818.)
156. Der wilde Jäger.
1. Der Wild- und Rheingraf ftieß ins Horn:
„Halo, hallo! zu Fuß und Roß!“
Sein Hengſt erhob ſich wiehernd vorn,
Laut raſſelnd ftürzt’ ihm nach der Troß.
Laut klifft' und klafft' es, frei vom Koppel,
Durh Korn und Dorn, durch Heid’ und Stoppel.
2. Bom Strahl der Sonntagsfrühe war
Des hohen Domes Kuppel blanf;
Zum Hodamt rufte dumpf und Klar
Der Gloden erniter Feierflang;
Fern tönten lieblich die Gefänge
Der andachtsvollen Chriftenmenge.
3. Riſch raſch quer übern Kreuzweg ging's
Mit Horrido und Huſſaſſa!
Sieh da, fieh da, Fam rechts und linke
Ein Reiter bier, em Neiter da;
— 225 —
Des Rechten Roß war Silbersblinten,
Ein Feuerfarbner trug den Linken.
4. Mer waren Reiter links und rechts?
Ich ahnd' es wohl, doch weiß ich's nicht;
Lichthehr erſchien der Reiter rechts
Mit mildem Frühlingsangeſicht;
Graß, dunkelgelb der linke Ritter,
Schoß Blitz' vom Aug' wie Ungewitter.
5. „Willkommen hier zu rechter Friſt,
Willkommen zu der edeln Jagd!
Auf Erden und im Himmel iſt
Kein Spiel, das lieblicher behagt!“
Er rief's, ſchlug laut ſich an die Hüfte
Und ſchwang den Hut hoch in die Lüfte. —
6. „Schlecht ſtimmet deines Hornes Klang“,
Sprach der zur Rechten ſanften Muts,
„Zu Feierglock' und Chorgeſang;
Kehr' um! erjagſt dir heut nichts Gut's.
Laß dich den guten Engel warnen
Und nicht vom Böſen dich umgarnen!“ —
7. „Jagt zu, jagt zu, mein edler Herr!“
Fiel raſch der linke Ritter drein.
„Was Glockenklang? was Chorgeplärr?
Die Jagdluſt muß Euch baß erfreun!
Laßt mich, was fürſtlich iſt, Euch lehren
Und Euch von jenem nicht bethören!“
8. „„Ha, wohl geſprochen, linker Mann!
Du biſt ein Held nach meinem Sinn.
Wer nicht des Weidwerks pflegen kann,
Der ſcher' ans Paternoſter hin!
Mag's, frommer Narr, dich baß verdrießen
So will ich meine Luſt doch büßen!““
9. Und hurre hurre vorwärts ging's
Feldein und -aus, bergab und ⸗an.
Stets ritten Reiter rechts und links
Zu beiden Seiten nebenan.
Auf ſprang ein weißer Hirſch von ferne
Mit ſechzehnzackigem Gehörne.
— 226 —
10. Und lauter ftieß der Graf ind Horn,
Und raſcher flog’8 zu Fuß und Roß.
Und ſieh, bald Hinten und bald vorn
Stürzt’ einer tot dahin vom Troß.
„Laß ftürzen! laß zur Hölle ftürzen!
Das darf nicht Fürftenluft verwürzen.“
11. Das Wild dudt fih ins Ährenfeld
Und hofft da fihern Aufenthalt.
Sieh da! ein armer Landmann jtellt
Sich dar in Tläglicher Geftalt:
„Exrbarmen, lieber Herr, Erbarmen!
Verſchont den ſauren Schweiß der Armen!“
12. Der rechte Ritter fprengt heran
Und warnt den Grafen fanft und gut;
Doch baß hebt ihn der linke Mann
Zu ſchadenfrohem Frevelmut.
Der Graf verfhmäht des Nechten Warnen
Und läßt vom Linken fi umgarnen.
13. „Hinweg, du Hund!” fchnaubt fürchterlich
Der Graf den armen Pflüger an;
„Sonft het’ ich felbft, beim Teufel! dic.
Hallo, Gefellen, drauf und dran!
Zum Zeichen, daß ih wahr geſchworen,
Knallt ihm die Peitſchen um die Obren!“
14. Gefagt, getan! Der Wildgraf ſchwang
Sid übern Hagen raſch voran,
Und hinterher, bei Knall und Slang,
Der Troß mit Hund und Roß und Mann;
Und Hund und Mann und Roß zeritampfte
Die Halmen, daß der Ader dampfte.
15. Vom nahen Lärm emporgefcheudht,
Feldein und aus, bergab und =an
Gefprengt, verfolgt, doch unerreicht,
Ereilt das Wild des Angers Plan
Und miſcht fi, da verfhont zu werben,
Schlau mitten zwiſchen zahme Herden.
16. Doch Hin und ber, durch Flur und Wald,
Doch her und hin, durch Wald und Flur
Verfolgen und ermittern bald
Die rafhen Hunde feine Spur.
— 2217 —
Der Hirt, voll Angft für feine Herbe,
Wirft vor dem Grafen fi zur Erbe.
17. „Erbarmen, Herr, Exbarmen! lapt
Mein armes ſtilles Vieh m Ruh!
Bedenket, lieber Herr, hier graft
So mander armen Witwe Kuh.
Ihr eins und alles part den Armen!
Erbarmen, Lieber Herr, Erbarmen!“
18. Der rechte Ritter ſprengt heran
Und warnt den Grafen fanft und gut;
Doh baß heut ihn der linfe Mann
Zu fchadenfrohen Frevelmut.
Der Graf verfehmäht des Rechten Waren
"Und läßt vom Linken fih umgarnen.
19. „Berwegner Hund, der du mir wehrft!
Ha, daß du deiner beiten Kuh
Seldft um- und angewachſen märft,
Und jede Vettel noch dazu!
So follt’ es baß mein Herz ergößen,
Euch ftrads ins Himmelreich zu beten!
20. Hallo, Gefellen, drauf und dran!
So! Doho! Doho! Huflafla!” —
Und jeder Hund fiel wütend an,
Mas er zunächſt vor fi erſah:
Bluttriefend ſank der Hirt zur Erbe,
Yluttriefend Stüd für Stüd die Herde.
21. Dem Mordgemühl entrafft fih kaum
Das Wild mit immer fhmächerm Lauf.
Mit Blut befprengt, bebedt mit Schaum,
Nimmt jetzt des Waldes Naht es auf.
Tief birgt jih’3 in des Waldes Mitte
In eines Klausners Gotteshütte.
22. Rich ohne Raſt mit Peitfchentnall,
Mit Horrivoh und Huſſaſſa,
Mit Klıff und Klaff und Hörnerfhall
Verfolgt's der wilde Schwarm aud da.
Entgegen tritt mit fanfter Bitte
Der fromme Klauöner vor die Hütte.
— 2283 —
23. „Laß ab, laß ab von dieſer Spur!
Entmweihe Gottes Freijtatt nicht!
Zum Himmel ächzt die Kreatur
Und heiſcht von Gott dein Strafgerict.
Zum lettenmale laß dich warnen,
Sonft wird Verderben dich umgarnen! “
24. Der Rechte ſprengt beforgt heran
Und warnt den Grafen fanft und aut;
Doh baß hetzt ihn der linte Dann
Zu ſchadenfrohem Frevelmut.
Und wehe, troß des Rechten Warnen
Läßt er vom Linken fih umgarnen.
25. „Verderben hin, Ververben ber!
Das“, ruft er, „macht mir wenig Graus.
Und mwenn’3 im dritten Himmel wär’,
So acht' ich's Feine Fledermaus.
Mag’3 Gott und did, du Narr, verbrießen,
So will ich meine Luft doch büßen!“
26. Er ſchwingt die Peitſche, ftößt ind Horn:
„Halo, Gejellen, drauf und dran!”
Hui! ſchwinden Mann und Hütte vorn,
Und hinten ſchwinden Roß und Mann;
Und Knall und Schall und Jagdgebrülle
Verſchlingt auf einmal Totenftille.
27. Erſchrocken blidt der Graf umber;
Er ftößt ind Hom — es tönet nidt;
Er ruft — und hört fich felbit nicht mehr;
Der Schwung der PBeitiche faufet nicht;
Er ſpornt fein Roß in beide Seiten —
Und kann nit vor=, nicht rüdmärts reiten.
28. Drauf wird es büfter um ihn ber
Und immer düftrer, mie ein Grab;
Dumpf raufcht ed, wie ein ferne Meer.
Hoch über feinem Haupt herab
Ruft furchtbar mit Gemittergrimme
Dies Urteil eine Donnerftimme:
29. „Du Wütrich teufliiher Natur,
Frech gegen Gott und Menſch und Tier!
Das Ah und Weh der Kreatur
Und deine Miffethat an ihr
— 229 —
Hat laut dich vor Gericht gefodert,
Wo hoch der Rache Fackel lodert.
30. Fleuh, Unhold, fleuh, und werde jeht
Von nun an bis in Ewigkeit
Bon HöM und Teufel felbft gehetzt
Zum Schred der Fürften jeder Zeit,
Die, um verruchter Luft zu frohnen,
Nicht Schöpfer noch Geſchöpf verihonen!” —
31. Ein fchmefelgelber Wetterjchein
Umzieht hierauf des Waldes Laub;
Angft riefelt ihm durch Mark und Bein,
Ihm wird fo ſchwül, fo dumpf und taub.
Entgegen weht ibm altes Graufen,
Dem Naden folgt Gemitterfaufen.
32. Das Graufen weht, das Wetter fauft,
Und aus der Erb’ empor, Huhu!
Fährt eine ſchwarze Riefenfauft;
Sie ſpannt fih auf, fie Frallt fich zu,
Hui! will fie ihn beim Wirbel paden;
Hui! fteht fein Angefiht im Naden.
33. Es flimmt und flammt rund um ihn ber
Mit grüner, blauer, roter Glut;
Es wallt um ihn ein Feuermeer,
Darinnen wimmelt Höllenbrut.
Jach fahren taufend Höllenhunde,
Laut angehett, empor zum Schlunde.
34. Er rafft fih auf durch Wald und Feld
Und flieht, laut heulend Weh und Ad;
Doch durd die ganze weite Welt
Rauſcht bellend ihm die Hölle nad,
Bei Tag tief Durch der Erbe Klüfte,
Um Mitternadt hoch dur die Lüfte.
35. Im Naden bleibt fein Antlig ftehn,
So raſch die Flucht ihn vorwärts reißt:
Er muß die Ungeheuer jehn,
Laut angehebt vom böfen Geift;
Muß fehn das Knirſchen und das Jappen
Der Rachen, welche nah ihn ſchnappen. —
12.
13.
— 230 —
36. Das ift des wilden Heeres Jagd,
Die bis zum jüngften Tage währt
Und oft dem Wüftling noch bei Nacht
Zu Schreck und Graus vorüberfährt.
Das könnte, müßt’ er ſonſt nicht fchmeigen,
Wohl mandes Jägers Mund bezeugen.
Gottfr. Ang. Bürger. (1785?)
157. Ber Reiter und der Bodenfee.
Der Reiter reitet durchs helle Thal,
Auf Schneefeld ſchimmert der Sonne Strahl.
Er trabet im Schweiß durch den Falten Schnee,
Er will noch heut an den Bobenfee;
Noch heut mit dem Pferd in den fichern Kahn,
Will drüben landen vor Naht noch an.
Auf ſchlimmem Weg, über Dom und Stein,
Er brauſt auf rüftigem Roß feldein,
Aus den Bergen heraus ins ebene Land;
Da fieht er den Schnee fi dehnen wie Sand.
Weit hinter ihm fchwinden Dorf und Stabt,
Der Weg wird eben, die Bahn wird glatt.
In weiter Fläche fein Bühl, kein Haus,
Die Bäume gingen, die Feljen aus;
So flieget er hin eine Meil’ und zmei.
Er hört in den Lüften der Schneegans Schrei,
Es flattert das Waſſerhuhn empor,
Nicht anderen Laut vernimmt ſein Ohr;
Keinen Wandersmann ſein Auge ſchaut,
Der ihm den rechten Pfad vertraut.
Fort geht's, wie auf Samt, auf dem weichen Schnee.
Wann rauſcht das Waſſer? wann glänzt der See?
Da bricht der Abend, der frühe, herein;
Von Lichtern blinket ein ferner Schein.
Es hebt aus dem Nebel ſich Baum an Baum,
Und Hügel ſchließen den weiten Raum.
30.
31.
— 231 —
Er fpürt auf dem Boden Stein und Dom,
Dem Roſſe giebt er den ſcharfen Sporn.
Und Hunde bellen empor am Pferd,
Und es winkt im Dorf ihm der warme Herb.
„Willfommen am Fenſter, Mägdelein!
An den See, an den See, wie weit mag's fein?“
Die Maid, fie ftaunet den Reiter an:
„Der See liegt hinter dir und der Kahn.
Und deckt' ihn die Rinde von Eid nicht zu,
Ich ſpräch', aus dem Nachen ftiegeft du.“
Der Fremde ſchaudert, er atmet ſchwer:
„Dort hinten die Ebne, die ritt ich ber!“
Da redet die Magd die Arm’ in die Höh:
„Herr Gott! fo ritteit du über den See!
An den Schlund, an die Tiefe bodenlos
Hat gepocht des rafenden Hufes Stoß!
Und unter dir zürnten die Waller nicht?
Nicht krachte hinunter die Rinde dicht?
Und du wardſt nicht die Speife der ftummen Brut,
Der bungrigen Hecht’ in der Falten Flut?“
Sie rufet das Dorf herbei zu der Mär’;
Es jtellen die Knaben fi um ihn ber;
Die Mütter, die Greife fie fammeln fi:
„Blüdfeligr Mann, ja, fegne du did!
Herein zum Ofen, zum dampfenden Tiſch!
Brich mit uns das Brot und iß vom Fiſch!“
Der Reiter erftarret auf feinem Pferd,
Er hat nur das erſte Wort gehört.
Es ftodet fein Herz, es ſträubt ji fein Haar,
Dicht hinter ihm grinft noch die graufe Gefahr.
Es fiehet fein Blid nur den gräßliden Schlund,
Sein Geift verſinkt in den ſchwarzen Grund.
Im Ohr ihm donnert’3 wie krachend Eis,
Mie die Well’ umriefelt ihn alter Schweiß.
Da feufzt er, da fintt er vom Roß herab;
Da ward ibm am Ufer ein troden Grab.
6. Swab. (13%.)
158, Erllönig.
1. Wer reitet jo fpät durch Nacht und Wind?
Es iſt der Vater mit feinem Kind;
Er bat den Knaben wohl in dem Arm,
Er faßt ihm ſicher, er hält ihn warm. —
2. „Mein Sohn, was birgft du jo bang bein Geſicht?“ —
‚Siehft, Vater, du, den Erlkönig nicht?
Den Erlenkönig mit Kron’ und Schweif?“ —
„Mein Sohn, es ift ein Nebelitreif.“
3. „„Du liebes Kind, komm, geh mit mir!
Gar Schöne Spiele ſpiel' ih mit dir;
Manch bunte Blumen find an dem Strand;
Meine Mutter hat manch gülden Gewand.““ —
4. „Mein Bater, mein Vater, und böreft du nicht,
Mas Erlenkönig mir leife verfpriht?" —
„Sei ruhig, bleibe ruhig, mein Kind!
In dürren Blättern fäufelt der Wind.” —
5. „„Willſt, feiner Knabe, du mit mir gehn?
Meine Töchter follen di warten ſchön;
Meine Töchter führen den nächtlichen Reihn
Und wiegen und tanzen und fingen dich ein.” —
6. „Mein Vater, mein Vater, und fiehjt du nicht dort
Erlfönigd Töchter am düſtern Ort?" —
„Mein Sohn, mein Sohn, ich ſeh' es genau;
Es fcheinen die alten Weiden fo grau.” —
7. „Ich liebe Dich, mich reizt deine fchöne Geftalt;
Und biſt du nicht willig, fo brauch’ ich Gewalt.““ —
„Dein Bater, mein Vater, jebt faßt er mich an!
Erlfönig hat mir ein Leid's gethan!“ —
8. Dem: Bater grauſet's, er reitet geſchwind,
Er hält in den Armen das ächzende Kind,
Erreiht den Hof mit Müh und Not;
In feinen Armen das Kind mar tot.
M. v. Goethe. (1781.)
— 233 —
159. Der Fiſcher.
1. Das Waſſer rauſcht', das Waſſer ſchwoll,
Ein Fiſcher ſaß daran,
Sah nach dem Angel ruhevoll,
Kühl bis ans Herz hinan.
Und wie er ſitzt und wie er lauſcht,
Teilt ſich die Flut empor;
Aus dem bewegten Waſſer rauſcht
Ein feuchtes Weib hervor.
2. Sie ſang zu ihm, ſie ſprach zu ihm:
„Was lockſt du meine Brut
Mit Menſchenwitz und Menſchenliſt
Hinauf in Todesglut?
Ach wüßteſt du, wie's Fiſchlein iſt
So wohlig auf dem Grund,
Du ſtiegſt herunter, wie du biſt,
Und würdeſt erſt geſund.
3. Labt ſich die liebe Sonne nicht,
Der Mond ſich nicht im Meer?
Kehrt wellenatmend ihr Geſicht
Nicht doppelt ſchöner her?
Lockt dich der tiefe Himmel nicht,
Das feuchtverklärte Blau?
Lockt dich dein eigen Angeſicht
Nicht her in ew'gen Tau?”
4. Das Waſſer raufcht’, das Waſſer ſchwoll,
Net’ ihm den nadten Fuß;
Sein Herz wuchs ihm fo ſehnſuchtsvoll,
Wie bei der Liebften Gruß.
Sie ſprach zu ihm, fie fang zu ihm;
Da war's um ihn gejchehn:
Halb zog fie ihn, halb ſank er Hin
Und warb nicht mehr gefehn.
m. v. Goethe. (1778.)
160. Das Kind am Brunnen.
Romanze.
Yrau Amme, Yrau Amme, das Kind ift erwacht!
Doch die liegt ruhig im Schlafe.
Die Böglein zwitſchern, die Sonne ladt,
Am Hügel weiden die Schafe.
— 234 —
Frau Amme, Frau Amme! das Kind fteht auf,
Es wagt fich weiter und weiter!
Hinab zum Brunnen nimmt es den Lauf,
Da ftehen Blumen und Kräuter.
Frau Amme, Frau Amme, der Brunnen ift tief!
Gie jchläft, als läge fie drinnen!
Das Kind Läuft fchnell, wie es nie noch lief;
Die Blumen loden’3 von binnen.
Nun fteht e8 am Brunnen, nun tft e8 am Ziel,
Nun pflüdt e8 die Blumen fih munter;
Doch bald ermüdet das reizende Spiel,
Da ſchaut's in die Tiefe hinunter.
Und unten erblidt es ein holdes Geficht,
Mit Augen, fo hold und fo füße.
Es ift fein eignes, das meiß es noch nidt;
Biel ftumme freundliche Grüße!
Das Kindlein winkt, der Schatten geihmind
Winkt aus der Tiefe ihm wieber.
Herauf! herauf! So meint’3 das Kind;
Der Schatten: Hernieder! Hernieder!
Schon beugt e8 ſich über den Brunnenrand —
Frau Amme, du ſchläfſt noch immer!
Da fallen die Blumen ihm aus der Hand
Und trüben den lodenden Schimmer.
Berihmunden ift fie, die füße Geftalt,
Verfchludt von der hüpfenden Welle;
Das Kind durchſchauert's fremd und kalt,
Und ſchnell enteilt es der Stelle.
Sr. Bebbel. (1841.)
161. Des Fiſchers Hans,
1. Sein Haus hat der Filcher gebaut;
Es Steht dicht an den Wellen,
In der blauen Flut fich’3 befchaut,
Als ſpräch' es: Wer kann mich fällen?
10.
11.
— 235 —
Die Mauern, die find fo dicht,
Bol Korn und Wein find die Räume,
Es zittert das Sonnenlicht
Herunter durch Blütenbäume.
Und Neben winken herein
Bon grünen, ſchirmenden Hügeln,
Die laflen den Nord nicht ein,
Die umhaucht nur der Weſt mit den Flügeln.
Und am Ufer der Filcher ftebt,
Es ſpielt fein Net in den Wellen;
Umjonft ihr euch wendet und dreht,
Ihr Karpfen, ihr zarten Forellen!
Sein frevelnder Arm euch zieht
Im engen Garn and Geltabe;
Kein armes Filchlein entjlieht,
Das Tleinfte nicht findet Gnade.
Auf fteigt fein Waſſerweib,
Euch zu retten, ihr Stillen, ihr Guten!
Und Iodt mit dem feligen Leib
Ihn hinab in die Ichwellenden Fluten.
„sh bin der Herricher im See,
Ein König im Reiche der Wogen!“
So fpridt er und fchnellt in die Höh
Den ſchweren Angel im Bogen,
Und euer Leben ift aus;
Der Fiſcher mit frobem Behagen,
Er tritt in das ftattliche Haus,
An den harten Stein euch zu fchlagen.
Er legt fih auf weichen Pfühl,
Bon Gold und Beute zu träumen; —
D Nacht, jo ſicher und fühl,
Wo Hamen und Angel fäumen!
Da regt fih da8 Leben im Grund,
Da mimmelt’3 von Karpf’ und Forelle,
Da nagt's mit gefhäftigem Mund
Und ſchlüpft unters Ufer im Duelle.
Und frühe beim Morgenrot
Der Fiſcher fommt mit den Flechten;
Am Tage drohet der Tod,
Die Race Schafft in den Nächten.
12.
13.
14.
15.
— 236 —
Bon Jahr zu Sahr fie nicht ruht:
Die Alten zeigen’3 den ungen,
Bis daß die fehmeigende Flut
Iſt unter das Haus gedrungen;
Bis dag in finfender Nacht,
Wo der Filher räumt auf dem Pfühle,
Das Haus, das gewaltige, Tracht,
Berfintt in der Wogen Gemwühle.
Ausgießt ſich Korn und Wein,
Es öffnet der See den Rachen,
Er ſchlingt den Mörder hinein,
Er Hat nicht Zeit zum Erwaden.
Die Gärten, die Bäume zugleich
Sie ſchwinden, fie ſetzen fich nieber;
Es fpielen im. freien Reich
Die Fiſche, die fröhlichen, wieder.
6. Shmab. (1826.)
162. Das Glück von Edeunhall.
1. Bon Edenhall der junge Lord
Läßt ſchmettern Feſtdrommetenſchall,
Er hebt ſich an des Tiſches Bord
Und ruft in trunkner Gäſte Schwall:
„Nun her mit dem Glücke von Edenhall!“
2. Der Schenk vernimmt ungern den Spruch,
Des Hauſes älteſter Vaſall,
Nimmt zögernd aus dem ſeidnen Tuch
Das hohe Trinkglas von Kryſtall,
Sie nennen's: Das Glück von Edenhall.
3. Darauf der Lord: „Dem Glas zum Preis
Schenk roten ein aus Portugal!“
Mit Händezittern gießt der Greis,
Und purpurn Licht wird überall,
Es ſtrahlt aus dem Glücke von Edenhall.
4. Da ſpricht der Lord und ſchwingt's dabei:
„Dies Glas von leuchtendem Kryſtall
Gab meinem Ahn am Quell die Fei;
Drein ſchrieb ſie: Kommt dies Glas zu Fall,
Fahr wohl dann, o Glück von Edenhall!
— 237 —
5. Ein Kelchglas ward zum Los mit Fug
Dem freud’gen Stamm von Edenhall!
Wir ſchlürfen gern in vollem Zug,
Wir läuten gern mit lautem Schall;
Stoßt an mit dem Glücke von Gdenhall!
6. Erit klingt e3 milde, tief und voll,
Gleich dem Gejang der Nachtigall,
Dann wie des Waldſtroms laut Geroll,
Zulebt erbröhnt wie Donnerhall
Das berrlide Glück von Edenhall.“
7. „Zum Horte nimmt em kühn Geſchlecht
Sich den zerbrechlichen Kryſtall;
Es dauert länger ſchon, als recht;
Stoßt an! mit dieſem kräft'gen Prall
Verſuch ich das Glück von Edenhall!
8. Und als das Trinkglas gellend ſpringt,
Springt das Gewölb mit jähem Knall,
Und aus dem Riß die Flamme dringt;
Die Gäſte ſind zerſtoben all'
Mit dem brechenden Glück von Edenhall.
9. Einſtürmt der Feind mit Brand und Mord,
Der in der Nacht erſtieg den Wall;
Vom Schwerte fällt der junge Lord,
Hält in der Hand noch den Kryftall,
Das zeriprungene Glück von Edenhall.
10. Am Morgen irrt der Schenk allein,
Der Greis, in der zerftörten Hall’;
Er ſucht des Herren verbrannt Gebein,
Er ſucht im graufen Trümmerfall
Die Scherben des Glücks von Edenhall.
‚11. „Die Steinwand“ — fpridt er — „Ipringt zu Stüd,
Die hohe Säule muß zu Fall,
Glas ift der Erde Stolz und Glüd,
In Splitter fällt der Ervenball
Einft gleih dem Glüde von Edenhall.“
£. Nhland. (1843.)
— 238 —
163. Der Ring des Polyfrates,
(lim 350 vor Chr.)
Ballade.
1. Er ftand auf feines Daches Sinnen,
Er ſchaute mit vergnügten Sinnen
Auf das beherrſchte Samos hin.
„Died alles ift mir unterthänig“,
Begann er zu Ägyptens König,
„Öeftehe, daß ich glüdlih bin.“ —
2. „Du haft der Götter Gunft erfahren!
Die vormals deinesgleichen waren,
Sie zwingt jeßt deines Scepters Macht.
Doch einer lebt noch, fie zu rächen;
Di kann mein Mund nicht glüclich fprechen,
Solang des Feindes Auge wacht.“
3. Und eh’ der König noch geendet,
Da Stellt fih, von Milet gefendet,
Ein Bote dem Tyrannen dar:
„Laß, Herr, des Opfers Düfte Steigen,
Und mit des Lorbeers muntern Zweigen
Bekränze dir dein feitlih Haar!
4. Getroffen ſank dein Feind vom Speere;
Mich jendet mit der froben Märe
Dein treuer Feldherr Polydor —“
Und nimmt aus einem jchwarzen Beden,
Noch blutig, zu der beiden Schreden,
Ein wohlbefanntes Haupt hervor.
5. Der König tritt zurüd mit Grauen.
„Doch warn’ ich dich, dem Glück zu trauen“,
Verſetzt er mit beforgtem Blid.
„Bedenk, auf ungetreuen Wellen —
Wie leicht kann fie der Sturm zerfellen! —
Schwimmt deiner Flotte zmweifelnd Glüd.“
6. Und eh’ er noch das Wort geiprochen,
Hat ihn der Jubel unterbrochen,
Der von der Rhede jauchzend ſchallt;
Mit fremden Schäben reich beladen,
Kehrt zu den heimiſchen Geſtaden
Der Schiffe majtenreiher Wald.
— 239 —
7. Der töniglide Gaſt erftaunet:
„Dein Glüd ift heute gut gelaunet,
Doch fürchte fernen Unbeftand.
Der Kreter waffentund’ge Scharen
Bedräuen di mit Kriegägefahren;
Schon nahe find fie diefem Strand.“
8. Und eh’ ihm no das Wort entfallen,
Da fieht man's von den Schiffen mallen,
Und taufend Stimmen rufen: „Sieg!
Bon Feindesnot find wir befreiet,
Die Kreter hat der Sturm zeritreuet,
Vorbei, geendet ift der Krieg!”
9. Das hört der Gaftfreund mit Entſetzen.
„Fürwahr, ich muß Dich glücklich ſchätzen!
Doch“, ſpricht er, „zittr' ich für dein Heil.
Mir grauet vor der Götter Neide;
Des Lebens ungemifchte Freude
Ward feinem Irdiſchen zu teil.
10. Auch mir ift alles wohl geraten,
Bei allen meinen Herrfherthaten
Begleitet mich des Himmel Hulb;
Do hatt’ ich einen teuren Erben,
Den nahm mir Gott; ih fah ihn fterben,
Dem Glüd bezahlt’ ich meine Schuld.
11. Drum, willft du dich vor Leid bewahren,
So flehe zu den Unfichtbaren,
Daß fie zum Glück den Schmerz verleihn.
Noch keinen ſah ich fröhlich enden,
Auf den mit immer vollen Händen
Die Götter ihre Gaben ftreun.
12. Unb wenn's die Götter nicht gewähren,
So acht' auf eines Freundes Lehren
Und rufe felbit das Unglüd ber;
Und was von allen deinen Schäßen
Dein Herz am höchſten mag ergößen,
Das nimm und wirf's in diefes Meer!”
13. Und jener fpridt, von Furcht bemeget:
„Don allem, mas die Inſel beget,
Iſt dieſer Ring mein Ichönftes Gut.
Ihn will ich den Erinnen meihen,
Db fie mein Glüd mir dann verzeihen" —
Und wirft das Kleinod in bie Flut.
— 240 —
14. Und bei des nädjften Morgens Lichte
Da tritt mit fröhlichem Gefichte
Ein Fiſcher vor den Fürften Hin:
„Herr, diefen Fiſch hab’ ich gefangen,
Wie feiner noch ind Neb gegangen;
Dir zum Gefchenke bring’ ich ihn.“
15. Und als der Koch den Fiſch zerteilet,
Kommt er beftürzt berbeigeeilet
Und ruft mit bocherftauntem Blid:
„Sieb, Herr, den Ring, den du getragen,
Ihn fand ich in des Files Magen;
D, ohne Grenzen ift bein Glück!“
16. Hier wendet fi der Gaft mit Graufen:
„So Tann ih bier nicht ferner hauſen,
Mein Freund kannſt du nicht weiter fein.
Die Götter wollen dein Verderben;
Fort eil’ ich, nicht mit dir zu fterben.“
Und ſprach's und ſchiffte ſchnell fich ein.
Sr. v. Schiller. (Suni 1797.)
164. Der Taucher.
Ballade.
1. „Wer wagt es, Rittersmann oder Knapp',
Zu tauchen in dieſen Schlund?
Einen goldnen Becher werf' ich hinab;
Verſchlungen ſchon hat ihn der ſchwarze Mund.
Wer mir den Becher kann wieder zeigen,
Er mag ihn behalten; er iſt ſein eigen.“
2. Der König ſpricht es und wirft von der Höh
Der Klippe, die ſchroff und ſteil
Hinaushängt in die unendliche See,
Den Becher in der Charybde Geheul.
„Wer iſt der Beherzte, ich frage wieder,
Zu tauchen in dieſe Tiefe nieder?“
3. Und die Ritter, die Knappen um ihn ber
Bernehmen’3 und ſchweigen ftill,
Sehen hinab in das wilde Meer,
Und feiner den Becher gewinnen will.
Und der König zum brittenmal wieder fraget:
„Sit einer, der fich Binunter waget?“
— 241 —
4. Doc alles noch ftumm bleibt wie zuvor.
Und ein Edelknecht, fanft und Fed,
Tritt aus der Knappen zagendem Chor,
Und den Gürtel wirft er, den Mantel weg,
Und alle die Männer umber und Frauen
Auf den herrlihen Süngling verwundert fchauen.
5. Und wie er tritt an des Felſen Hang
Und blidt in den Schlund Binab:
Die Wafler, die fie hinunter fchlang,
Die Charybde jet brüllend wiedergab,
Und wie mit des fernen Donners Getofe
Entftürzen fie ſchäumend dem finitern Schoße.
6. Und es mallet und fiedet und braufet und zifcht,
Wie wenn Wafler mit Feuer ſich mengt;
Bis zum Himmel fpriget der dampfende Giſcht,
Und Flut auf Flut fih ohn’ Ende drängt
Und will fih nimmer erſchöpſen und leeren,
Als wollte das Meer noch ein Meer gebären.
7. Doch endlich da legt fich die wilde Gewalt,
Und ſchwarz aus dem weißen Schaum
Klafft hinunter ein gähnender Spalt,
Grundlos, als ging’3 in den Höllenraum,
Und reißend fieht man die brandenden Wogen
Hinab in dem ftrudelnden Trichter gezogen.
8. Seht Schnell, eh’ die Brandung wiederkehrt,
Der SZüngling fi) Gott befiehlt,
Und — ein Schrei des Entjegens wird rings gehört,
Und ſchon hat ihn der Wirbel binmweggeipült,
Und geheimnisvoll über dem kühnen Schwimmer
Schließt fich der Rachen; er zeigt fich nimmer.
9. Und ftille wird's über dem Waſſerſchlund,
In der Tiefe nur braufet es hohl;
Und bebend hört man von Mund zu Mund:
„Hochherziger Jüngling, fahre wohl!“
Und bobler und hohler hört man’s heulen,
Und es Barıt noch mit bangem, mit fchredlichem Weilen.
10. Und mwürfft du die Krone felber hinein
Und fprädjit: „Mer mir bringet die Kron’,
Er fol fie tragen und König fein!” —
Mich gelüftete nicht nach dem teuren Lohn.
16
— 2422 —
Mas die heulende Tiefe da unten verhehle,
Das erzählt Teine lebende glüdlihe Seele!
11. Wohl mandes Fahrzeug, vom Strudel gefaßt,
Schoß jäh in die Tiefe hinab;
Doch zerichmettert nur rangen fi Kiel und Maft
Hervor aus dem alles verjchlingenden Grab. —
Und heller und heller, wie Sturmes Saufen,
Hört man’ näher und immer näher braufen.
12. Und es mallet und fievet und braufet und zifcht,
Wie wenn Waſſer mit Feuer fi) mengt;
Bis zum Himmel fpriget der dampfende Gifcht,
Und Well’ auf Well’ ſich ohn’ Ende drängt,
Und mie mit des fernen Donners Getofe
Entftürzt e8 brüllend dem finftern Schoße.
13. Und fieh! aus dem finfter flutenden Schoß
Da hebt ſich's ſchwanenweiß,
Und ein Arm und ein glänzender Naden wird bloß,
Und es rudert mit Kraft und emfigem Fleiß,
Und er iſt's! und hoch in feiner Linken
Schmingt er den Becher mit freubigem Winken.
14. Und atmete lang und atmete tief
Und begrüßte das himmlische Licht.
Mit Frohloden ed einer dem andern rief:
„Er lebt! er ift da! es behielt ihn nicht!
Aus dem Grab, aus der ftrudelnden Waſſerhöhle
Hat der Brave gerettet die lebende Seele!“
15. Und er fommt, e8 umringt ihn die jubelnde Schar.
Zu des Königs Füßen er fintt,
Den Becher reicht er ihm fnieend dar;
Und der König der Tieblihen Tochter mwintt,
Die füllt ihn mit funkelndem Wein bis zum Rande;
Und der Jüngling fih alfo zum König wandte:
16. „Lang' lebe der König! Es freue fich,
Mer da atmet im rofichten Licht!
Da unten aber iſt's fürchterlich,
Und der Menſch verfuhe die Götter nicht
Und begehre nimmer und nimmer zu fchauen,
Was fie gnädig bededen mit Naht und Grauen.
— 243 —
17. Es ri mich hinunter bligesfchnell,
Da ſtürzt' mir aus felfihtem Schacht
Wildflutend entgegen ein reißender Duell;
Mich padte des Doppelitroms mütende Macht,
Und wie em Kreifel, mit ſchwindelndem Dreben,
Trieb mich’3 um, ich konnte nicht widerftehen.
18. Da zeigte mir Gott, zu dem ich rief
In der höchſten fchredlichen Not,
Aus der Tiefe ragend ein Felſenriff,
Das erfaßt’ ich behend und entrann bem Tod.
Und da Bing aud der Becher an ſpitzen Korallen,
Sonft wär’ er ing Bodenloſe gefallen.
194 Denn unter mir lag’3 noch bergetief
In purpurner Finfternis da;
Und ob’8 hier dem Ohre gleich ewig fchlief,
Das Auge mit Schaudern hinunter ab,
Wie's von Salamandern und Molhen und Drachen
Sich regt’ in dem furchtbaren Höllenrachen.
20. Schwarz wimmelten da im grauſen Gemiſch,
Zu ſcheußlichen Klumpen geballt,
Der ſtachlichte Roche, der Klippenfiſch,
Des Hammers greuliche Ungeſtalt,
Und dräuend wies mir die grimmigen Zähne
Der entſetzliche Hai, des Meeres Hyäne.
21. Und da hing ich, und war's mir mit Grauſen bewußt,
Von der menſchlichen Hilfe ſo weit,
Unter Larven die einzige fühlende Bruſt,
Allein in der gräßlichen Einſamkeit,
Tief unter dem Schall der menſchlichen Rede
Bei den Ungeheuern der traurigen Äde.
22. Und ſchaudernd dacht’ ich's; da kroch's heran,
Regte hundert Gelenke zugleich,
Will ſchnappen nad) mir; in des Schredens Wahn
Laff ich los der Koralle umklammerten Zweig;
Gleich faßt mid der Strudel mit rafendem Toben,
Doch e8 war mir zum Heil, er riß mich nach oben.“
23. Der König darob fi) verwundert fchier
Und fpridt: „Der Becher ift dein,
Und diefen Ring noch beftimm’ ich bir,
Gefhmüdt mit dem köſtlichſten Edelgeftein,
16*
— 244 —
Verfuhft du's noch einmal und bringft mir Kunde,
Was du fahit auf des Meers tiefunterftem Grunde.“
24. Das hörte die Tochter mit weichem Gefühl,
Und mit fchmeihelndem Munde fie flebt:
„Laßt, Vater, genug fein das graufame Spiel!
Er hat Euch beftanden, mas feiner beftebt;
Und könnt Ihr des Herzens Gelüften nicht zähmen,
So mögen die Ritter den Knappen beichämen.“
25. Drauf der König greift nad dem Becher fchnell,
Sn den Strudel ihn fchleudert hinein:
„Und Schafft du den Becher mir wieder zur Stel”,
So follit du ber trefflichfte Ritter mir fein,
Und ſollſt fie al8 Ehgemahl heut noch umarmen,
Die jett für dich bittet mit zartem Erbarmen.“
26. Da ergreift’8 ihm die Seele mit Himmelsgemalt,
Und es bligt aus den Augen ihm Fühn,
Und er ſiehet erröten die ſchöne Geftalt
Und fieht fie erbleihen und finten Hin —
Da treibt’3 ihn, den köſtlichen Preis zu ermerben,
Und ftürzt Hinunter auf Leben und Sterben.
27. Wohl hört man die Brandung, wohl Tehrt fie zurüd,
Sie verfündigt der donnernde Schall;
Da büdt ſich's hinunter mit liebendem Blid:
Es kommen, e3 kommen die Wafler all’,
Sie raufchen herauf, fie raufhen nieder —
Den Süngling bringt feines wieder.
Sr. v. Schiller. uni 1797.)
165. Der Schatzgräber,
1. Wenn alle Wälder fchliefen,
Er an zu graben hub,
Raſtlos in Berges Tiefen
Nah einem Schatz er grub.
2. Die Engel Gottes fangen
Dermeil in ftiller Nadt;
Wie rote Augen drangen
Metalle aus dem Schadit.
3. „Und wirft doch mein!“ und grimmer
Wühlt er und wühlt hinab —
Da ftürzen Stein’ und Trümmer
Über den Narren herab.
— 245 —
4. Hohnladen wild erfchallte
Aus der verfallnen Kluft;
Der Engelfang verhallte
Wehmültig in der Luft.
Jof. Sreih. v. Cichendorff. (1888.)
166. Das Gewitter,
1. Urahne, Großmutter, Mutter und Kind
In dumpfer Stube beifammen find;
Es fpielet das Kind, die Mutter ſich ſchmückt,
Großmutter fpinnet, Urahne gebüdt
Sitt hinter dem Dfen im Pfühl —
Wie wehen die Lüfte jo ſchwül!
2. Das Kind ſpricht: „Morgen iſt's Feiertag!
Wie will ich fpielen im grünen Hag,
Wie will ich Springen durch Thal und Höhn,
Wie will ich pflüden viel Blumen ſchön!
Dem Unger, dem bin ih hold!“ —
Hört ihr’3, wie der Donner grollt?
3. Die Mutter ſpricht: „Morgen iſt's Feiertag,
Da halten wir alle fröhlich Gelag,
Sch ſelber ich rüfte mein Feierkleid;
Das Leben e8 hat au Luft nad Leid,
Dann fcheint die Sonne wie Gold!" —
Hört ihr's, wie der Donner grollt?
4. Großmutter ſpricht: „Morgen iſt's Feiertag,
Großmutter bat keinen Feiertag;
Sie kochet das Mahl, fie fpinnet das Kleid,
Das Leben tft Sorg' und viel Arbeit;
Wohl dem, der that, was er ſollt'!“ —
Hört ihr's, wie der Donner grollt?
5. Urahne Ipriht: „Morgen iſt's Feiertag,
Am liebften morgen ich fterben mag;
Sch Tann nicht fingen und fcherzen mehr,
Ich kann nicht forgen und fchaffen ſchwer,
Was thu’ ich noch auf der Welt?" —
Seht ihr, wie der Blik dort fallt?
12.
13.
— 246 —
6. Sie hören’s nicht, fie ſehen's nicht,
Es flammet die Stube wie lauter Licht:
Urahne, Großmutter, Mutter und Kind
Bom Strahl miteinander getroffen find,
Bier Leben endet ein Schlag —
Und morgen iſt's Feiertag.
GuR. Schwab. (1828.)
167. Der Tod des Carus,
(283 nad) Chr.)
Mutig ftand an Perfiend Grenzen Roms erprobtes Heer im Feld,
Carus ſaß in feinem Zelte, der den Purpur trug, ein Held.
Verfiend Abgefandte beugten ſich vor Roms erneuter Macht,
Flehn um Frieden an den Kaifer; doch der Kaiſer wählt die
Schlacht.
Kampfbegierig ſind die Scharen, die er fern und nah beſchied,
Durch das Heer, aus tauſend Kehlen, ging das hohe Siegeslied:
„Weh den Perſern! Römer kommen, Römer ziehn im Flug heran,
Rächen ihren Imperator, rächen dich, Valerian!
Durch Verrat und Mißgeſchick nur trugſt du dein barbariſch Joch;
Über ſtarbſt bu auch im Kerker, deine Rächer leben noch!
Wenn zu Pferd ftieg Artarerres, ungezähmten Stolz im Blick,
Setzte feinen Fuß der König auf Valerians Gentd.
Ah, und Rom in feiner Schande, das vordem die Welt gewann,
Flehte zum Olymp um einen, flebte nur um einen Mann!
Aber Männer find erftanden, Männer führen uns zur Schlacht,
Scipio, Marius und Pompejus find aus ihrem Grab erwacht!
Unfer Kaiſer Aurelianus bat die Goten übermannt,
Welche deinen Wundertempel, Epheſus, zu Staub verbrannt.
Unfer Kaifer Aurelianus bat die ftolge Frau befiegt,
Welche nun im ftillen Tibur ihre Schmach in Träume wiegt.
Probus führte feine Mauer durch des Nordens halbe Welt,
Neun Germanenfürften Inieten vor dem römiſchen Kaiferzelt.
Carus, unjer Imperator, jühnt nun aud die letzte Schmad,,
Geht mit Heldenſchritt voran ung, Heldenjchritte folgen nad.“
So der Weihgefang. Und fiehe, plötlich fteigt Gewölk empor,
Finſternis bededt den Himmel, wie ein ſchwarzer Trauerflor.
— 241 —
Regen ftürzt in wilden Güſſen, graufenhafter Donner brüllt,
Keiner mehr erkennt den andern, alles ift in Nacht verhüllt.
Plöglich zuckt ein Blig vom Himmel. Viele ftürzen bang herbei,
Denn im Zelt des Imperators hört man einen lauten Schrei.
. Carus ift erfchlagen! Jeder thut auf Kampf und Wehr Verzicht,
Und es folgt des Heers Verzweiflung auf die ſchönſte Zuverficht.
Alle fliehn, das Lager feiert, wie ein unbewohntes Haus,
Und der Schmerz der Legionen bricht in laute Klagen aus:
„Götter haben uns gerichtet, Untergang ift unjer Teil;
Denn des Kapitols Gebieter jandte feinen Donnerkeil!
Untergang und Schande wälzen ihren uferlojen Strom:
Stirb und neige Di, o neige Dich zu Grabe, hohes Rom!“
Ang. Graf v. Platen. (1830.)
168. Das Grab im Buſento.
(410 nad Chr.)
. Nähtlid am Bufento liſpeln bei Coſenza dumpfe Lieder,
Aus den Waflern Schalt es Antwort, und in Wirbeln Klingt
es mieder.
Und den Yluß hinauf, hinunter ziehn die Schatten tapfrer Goten,
Die den Marich bemeinen, ihres Volles beiten Toten.
Allzufrüh und fern der Heimat mußten bier fie ihn begraben,
Während noch die Jugendlocken feine Schulter blond umgaben.
Und am Ufer des Buſento reihten fie fih um bie Wette;
Um die Strömung abzuleiten, gruben fie ein frifches Bette.
In der wogenleeren Höhlung mwühlten fie empor die Erde,
Senkten tief hinein den Leichnam, mit der Nüftung, auf dem
Pferde;
Dedten dann mit Erde wieder ihn und feine ftolzge Habe,
Daß die hohen Stromgewächſe wüchſen aus dem Heldengrabe.
Abgelenkt zum zweitenmale, warb der Fluß berbeigezogen;
Mächtig in ihr altes Bette fchäumten die Bujentomogen.
Und es fang ein Chor von Männern: „Schlaf in deinen Helben-
ehren!
Feines Römers ſchnöde Habfucht ſoll dir je dein Grab verjehren!“
Sangen’3 und die Lobgefänge tönten fort im Gotenheere;
Mälze fie, Bufentomelle, wälze fie von Meer zu Meere!
Aug. Graf v. Platen. (1820.)
— 248 —
169, Attilas Schwert.
Unterm Eichbaum auf der Heide
Liegt ein Rieſenſchwert uralt,
Dft in feiner dunkeln Scheide
Zudt e8 durch den Feljenipalt.
Heimlih warten Gnom und Elfe
Wachſam bei dem großen Schab;
Aber Eber nur und Wölfe
Wiſſen den gefeiten Platz.
Endlich finden’3 Hunnenkrieger,
Attila empfängt den Hort,
Und er ruft: „AB Weltbeſieger
Grüßt mid bier ein Götterwort.“
Spricht's und ſchwingt das Schwert der Ahnen,
Wie zum Wurf nah Weft empor,
Allen Hunnen und Alanen
Schien es mie ein Meteor.
Hoher Wiederjhein am Himmel
Dehnt ſich wie Kometenglanz;
Dur die Luft ein Schlachtgetümmel
Hört der Kaifer in Byzanz.
Hört's und ruft den Aftrologen,
Der ihm nun, wie alles fchmeigt,
Auf des Bospors dunkeln Wogen
Schwanke, blafje Sterne zeigt:
„Kaifer, Gott und Götter fchlafen,
Deine großen Feinde nahn,
Milde Gift und opfre Sklaven,
Thaten haft du nie gethan!”
DB. Lingg.
170, König Karls Meerfahrt.
1. Der König Karl fuhr über Meer
Mit feinen zwölf Genoſſen;
Zum beil’gen Lande fteuert’ er
Und ward vom Sturm verftoßen.
2149 —
2. Da fprad der kühne Held Roland:
„Ich Tann wohl fechten und ſchirmen;
Doch hält mir diefe Kunft nicht ftand
Bor Wellen und vor Stürmen.”
3. Dann ſprach Herr Holger aus Dänemark:
„sb Tann die Harfe fchlagen;
Was hilft mir das, wenn alſo ftarf
Die Wind’ und Wellen jagen?“
4. Herr Dlwer war auch nicht froh,
Er fah auf feine Wehre:
„E3 ift mir um mich felbft nicht fo,
Wie um die Altecläre.“ *
5. Dann fprad der ſchlimme Ganelon,
Er ſprach es nur verftohlen:
„Wär’ ich mit guter Art davon,
Möcht' euch der Teufel holen!“
6. Erzbischof Turpin feufzte fehr:
„Wir find die Gottesftreiter;
Komm, liebfter Heiland, über das Meer
Und führ’ und gnädig weiter!”
7. Graf Richard ohne Furt Hub an:
„Ihr Geifter aus der Hölle,
Ich hab’ euch manchen Dienit gethan,
Jetzt helft mir von der Stelle!“
8. Herr Naimes diefen Ausiprud that:
„Schon vielen riet ich heuer;
Doch ſüßes Waſſer und guter Nat
Sind oft zu Schiffe teuer.“
9. Da ſprach der graue Her Riol:
„Ih bin ein alter Degen
Und möchte meinen Leichnam wohl
Dereinft ind Trodne legen.”
10. Es war Herr Gui, ein Ritter fein,
Der fing wohl an zu fingen:
„Sch wollt’, ich wär' ein Vögelein;
Wollt’ mich zum Liebehen ſchwingen.“
* Altecläre (alta olara, Hauteclaire) hieß Olivers berühmtes Schwert.
— BU
11. Da iprad der edle Graf Garein:
„Gott helf' uns aus der Schwere!
Ich trink' viel lieber den roten Wein,
Als Wafler in dem Meere.“
12. Herr Lambert ſprach, ein Süngling friſch:
„Gott wol’ uns nicht vergefien!
Aß' Lieber felbft nen guten Fiſch,
Statt daß mich Fiſche freffen.“
13. Da ſprach Herr Gottfried lobeſan:
„Ich laſſ' mir’s halt gefallen;
Man richtet mir nicht anders an,
Als meinen Brüdern allen.“
14. Der König Karl am Steuer jap,
Der bat Tein Wort gefprocdhen;
Er lenkt das Schiff mit feftem Map,
Bis ſich der Sturm gebroden.
£. Uhland.
171 Die Glocken zu Speier.
1.
1. Zu Speier im legten Häufelein
Da liegt ein Greis in Todespein;
Sein Kleid ift jchlecht, fein Lager hart,
Biel Thränen rinnen in feinen Bart.
2. Es ‚hilft ihm feiner in feiner Not,
Es hilft ihm nur der bittre Tod.
Und ala der Tod and Herze kam,
De tönt’ auf einmal wunderfam.
3. Die Kaiferglode, die lange verftummt,
Bon felber dumpf und langſam ſummt,
Und alle Gloden groß und klein
Mit vollem Klange fallen ein.
4. Da heißt's in Speier weit und breit:
Der Kaiſer ift geftorben heut!
Der Kaifer ftarb, der Kaifer ftarb!
Weiß feiner, wo der Kaiſer ftarb?
1812.)
— 251 —
2.
1. Zu Speier, der alten Kaiſerſtadt,
Da liegt auf goldner Lagerftatt
Mit matten Aug’ und matter Hand
Der Kaifer Heinrich, der Fünfte genannt.
2. Die Diener laufen hin und ber,
Der Kaiſer röchelt tief und ſchwer; —
Und als der Tod ans Herze kam,
Da tönt’3 auf einmal wunderſam.
3. Die Heine Glode, die lange verftummt,
Die Armejünderglode jummt,
Und feine Glode ftimmet ein,
Sie fummet fort und fort allein.
4. Da heißt's in Speier weit und breit:
Wer wird denn wohl gerichtet heut?
Wer mag der arme Sünder fein?
Sagt an, wo iſt der Rabenftein?
Mar v. Ber.
Der Dichtung gegenüber fei hier bemerkt, daß weder Heinrich IV. noch Hein=-
rich V. in Speier ftarb. Jener ftarb 1106 in Lüttich, dieſer 1125 in Utrecht.
172. Spielburg.
1. Wer zum Hobenftaufen reifet und nun auf der Höhe fteht,
Mo der Geift der alten Kaifer noch in Morgenlüften weht:
2. Dunkle Wälder, Bergestetten, Städte, Thäler, Burg und Au
Sieht er prachtvoll ausgegofien unterm meiten Himmelsblau.
3. Herrlih wird es ihn durchſchauern, daß in ſolchem Strahlenrund
Deutjchlands höchſte Kaiferzinne als der goldne Leuchter ftund.
4. Aber lange ſchon erlojchen ift der wunderbare Glanz,
Zange ſchon von diejen Feljen abgeftreift der Mauerkranz.
5. Lange find die Feuergluten in dem Wetterhauch verlühlt
Und die legten Fundamente aus dem Grund herausgewühlt.
6. Kaum noch deuten leife Spuren, mo nad mandem Heldenfieg
Einfam in die Dorflapelle Barbarofia niederftieg.
7. Kaum noch dröhnt es unterm Fuße dumpf und traurig hier
und d
Ah, an tiefe Grabeshallen mahnet’3 wohl an dieſem Ort.
18.
19.
20.
21.
22,
23.
24.
a 952,
St von allen Bergeshöhen in dem weiten deutſchen Reich
Eine diefem Kaiferfelfen, diefem Totenmale gleich?
Sieben Sterne ſind's geweſen, die fo hellen Strahl verfandt;
Aber alle find gefunfen und wie Schnuppen ausgebrannt.
Holde Harfen ſind's gemefen, die hier oben weit getönt;
Aber längft an tiefes Schweigen tft der graue Feld gemöhnt. —
Liebend forſch' ih, wo die blonden Kaiſerknaben einft gefpielt,
Wo fie mit der Fleinen Armbruft nach der Scheibe ſcharf gezielt.
Sehnend frag’ ich, wo der Jüngling tummelte fein flinfes Roß,
Mo den Falken er gelafjen auf den fchnellen Reiher los.
Und der Führer deutet läſſig auf die Heide blumenleer;
Südlich drunter ftarren alte Felfenkuppen dran umber.
Dort einft war die Armbrufthütte, mo die Jünglinge turniert;
Darum auch die graue Heide noch der Name Spielburg ziert.
Graue Heide, fei gegrüßet! Sei gegrlüßet, Konradin!
D wie leife jchwebt dein Name ob den Genzianen hin!
Deine holden Jugendſpiele, deiner Blüte furzer Traum,
Ah, fie wehen mit dem Lüftchen noch um dieſen Yelfenfaum!
Sa nur als ein armer Fremdling fameft du bierher zum Schent,
Und er ließ das Kindlein fpielen, deiner Väter eingeben.
Hier auf weiße Pferdchen fteigft du, galoppiereft froh daher,
Schwingft fo zierlid und beweglich ſchon im Händchen deinen
Speer;
Nimmft den Fallen nun aufs Fäuftchen; ſchaul das Rebhuhn
ift entflohn;
Aber in den rafhen Fängen bringet dir's der Falke ſchon.
Ach, dein Pferdchen magft du tummeln, ſchwingen magft du
deinen Speer;
Aber deiner Stimme folgen Deutihlands Fahnen nimmermehr!
Ja den Fallen magft du tragen, ftreicheln ihm das weiche Haupt;
Weißeſt nicht, du armer Knabe, wer den Adler dir geraubt.
Auf der Heide magit du hüpfen, aber Südlands Bauberlicht
Schimmert dir auf Teiner Krone, lächelt deinem Auge nidt.
Ahneft nicht, indes die Mutter Dich in trauten Armen bält,
Wann dein Haupt voll goldner Locken unterm Mörberbeile fällt.
Ahneſt nicht, indes bu beteft: „Hochgelobt ſei Jeſus Chrift!“
Daß der eine hohe Name bald dein einzig Erbteil ift.
— 253 —
25. Aber in den holden Augen leuchtet mir die Klarheit jchon,
Wie du deine Hände breiteft zu Des Vaters ew'gem Sohn;
26. Wie du fleheft: „Himmelskönig, nimm mid in dein fel’ges
Haus!
Deinem Willen unterthänig, trinf ich diefen Becher aus.“
27. Sonne, gieb die Ihönften Strahlen! Lüfte, wehet milder hin!
Treibe Lilien, graue Heide! Hier einft blühte Konradin.
A. Rnapp. (1833.)
173. Max vor Knfitein.
1. Es blidte Pinzenauer von Kufſteins Rieſenwall
Mit Hohn und fihrem Trotze auf Maxens Heeresſchwall,
Wie'n Alpengeier forglos auf den Verfolger blict,
Der fern im tiefen Thale auf ihn die Büchfe zückt.
2. Es blidte Mar gen Kuffteins hochtrotzende Felfenwand,
Bol Zuverfiht und Ruhe, jo kühn und mutentbramnt,
Gleichwie zum Horſt des Geiers der Schüge blidt empor;
Erreicht ihn auch fein Fuß nicht, erreicht ihn doch fein Rohr.
3. Aus bundert Mörjern aufwärts flog donnernd Ball an Ball;
Ohnmächtig, ſpurlos prallen zurüd die Kugeln all,
Gleichwie wenn Blütenfloden auf einen ‘Banzer fielen,
Bleihwie wenn Schaumestropfen um einen Felsblock fpielen.
4. Da fah man Pinzenauern hoch auf der feiten Wand,
Ein tühtig Rutenbündel hielt er in feiner Hand;
Mo Maxens Kugeln fehlugen, da büdt’ er ſich hinab
Und fegte die Stellen höhniſch mit feinem Beſen ab.
5. „Ei, ei, du fpött’fher Vogel, fieh dich nur weislih vor,
Daß dir aus deinem Bündel ein Beil nicht fpringt empor!”
So rief nun Mar, fein Auge zudt mie ein Wetterfchlag;
Hohn fchlägt viel tiefre Wunden, als es ein Schwert vermag.
6. Den Pechkranz ließ er prafielnd jett auf zur Feſte fliegen;
Umfonft! unſchädlich blieb er auf breiten Mauern liegen.
Der Binzenauer Tochte dabei fein Mahl in Rub;
„Geduld!“ rief Mar, „ich fend’ euch ala Gaſt den Hunger zu.“
7. Drei Wochen ſchon entihwanden. Mar hielt im Zelte Raft,
Schon lub zu feinem Mahle der Hunger fih als Salt;
Verſprach er nicht, zu fenden den Gaft an Kuffteins Thor?
Man muß ja jelbft erft fennen, wer man zum Boten erfor.
— 254 —
8. Da brüllt e8 vor den Zelten, — hoho! was foll es fein?
Sieh, Hirt und Herden ziehen ins Lager drängend ein:
„Hans Pinzenau läßt grüßen und ſchickt, was er vermag,
Auf dag au ihr euch einmal macht einen guten Tag.”
9. Da wurde König Maren die Zeit wohl etwas lang,
Daß pochend jchon fein Herzihlag bis durch den Panzer klang!
Da fandt’ er gegen Innsbruck hinauf ins Waffenhaus:
„Schidt doch einmal den Wedauf mir und den Purlepaus!“
10. Der König, ftatt des Scepters, faßt nun den Luntenbrand;
Wie führt jo gut er beide mit fihrer Meifterhand!
Zu Throne ſaß fein König, an Macht und Pradt ihm gleich,
Im Schlachtfeld focht Fein Kriegsknecht, an Mut und Kraft fo reich!
11. Die Mauern Kuffteind wanken, wo feine Kugel traf;
Der MWedauf, ftatt zu wecken, fingt manden in den Schlaf,
Der Burlepaus ſchlug arimmig ins ftarle Bollwerk drein;
Hurra! die Riefenmände laut donnernd ftürzen ein!
12. Sieh, blant im Samtgewande, mit grünem Friedensreis
Ziehn aus der Burg zwei Knäblein, jo zart und blendendweiß,
Wie die zwei eriten Blüten entleimt dem Yrüblingsblid;
Doch ernſt und finfter weifet der König fie zurüd.
13. Und wieder, fieh, bernieder wallt aus der Feſte Thor
In feierlihem Zuge ein ernfter Männerchor,
Ein Heldenbild, ein Düftres, der Pinzenau voran,
Umwallt vom ſchwarzen Barte, in ſchwarz Gewand gethan.
14. He, wie auf Maxens Stirne fich finftre Wollen türmen!
Sein Antlit glühet furchtbar, wie Abendrot vor Stürmen,
Sein Auge zudt und flammet, wie Wetterleuchten wild;
Weh dem, nach deſſen Haupte des Blites Keil nun zielt!
15. Die ält’sten Krieger bebten; fo fahn fie ihn noch nie,
Mit ſcheu gefenttem Auge und fchweigend ftanden fie;
Sein Wort im bangen Kreiſe jetzt dröhnend wieberhallt, Ä
Wie von dem Wetterfchlage das Echo tief im Walb: |
16. „Auf, wett das Beil, ihr Henker! Tod fei der Schurken
Lohn!
Wie fteht das Bußkleid ſchmählich dem abermwit’gen Hohn!
Mer für fie fleht, ich ſchwör' es, dem fchreibt es meine Yauft
Wohl Hintere Ohr, daß ewig die Antwort drin ihm ſauſt!“ —
17. „Mein Fürft, nicht will ich betteln um meinen nicht’gen Leib,
Längft modern meine Schäbe, mein Vater, Kind und Weib.
Mein Kleid und Herz, fie deuten mir beid’ ins Grab hinein;
Um eins nur wollt’ ich bitten: um einen Becher Wein.“
— 255 —
18. So ſprach der Pinzenauer. Nicht bebte feine Hand,
Nicht bleichte fi fein Antlitz, als er vor Maren Stand,
Gleih einem ehrnen Kreuzbild auf einem Marmorfarg,
So traurig und jo Düfter, doch aud fo feft und Stark.
19. „Auf Euer Heil, mein König! — D daß Ihr's tief
erwägt,
Wie viel e8 heißt, wenn einer, des Haupt zum Blod Ihr legt,
Aus voller Luft Des Herzens noch zecht auf Euer Heil!“
Er ſprach's und beugte nieder fein Haupt dem roten Beil.
20. Zehn der Genoſſen folgten ihm treu in Tob und Leben.
Schon ſah man mild Erbarmen des Könige Blick umfchweben,
Echon will fein Herz begnad’gen, fein Eid verwehrt's ihm nur,
Und insgeheim verwunſcht er den argen, böfen Schwur.
21. „Halt! Fhalt,Amein Fürſt!“, rief Erich von Braunfchweig
unverzagt,
„Mag Euer Zorn mich treffen, doch fei Died Wort gewagt!
Hinmeg, ihr blut’gen Schergen! und wahrt die Beile fromm,
Die rot vom beiten Blute, das je durch Adern glomm.
22. Für Schurlenpad, doch nimmer für Heldenvolf der Schlacht
Iſt jenes Beil gefchliffen, der Schandblod ausgedacht;
Wenn Tapferkeit und Kühnheit Ihr fo zu lohnen glaubt,
Mein Fürft, dann beugt zuvörderſt dem Blod Eu'r eignes Haupt!“
23. Mar, treu dem Schmwur, gab leife ihm einen Badenitreich,
Drüdt’ ihm die Hand und ftürzte ihm an die Bruft zugleich:
„Gepriefen fei, mein Erich, dein edles, biedres Wort!
Ihr andern aber ziehet in Ruh und Frieden fort!" —
A. Grün.
174. Deutſcher Braudı.
(1495.)
1. Zur Gruft ſank Kaifer Friedrich. Gott geb’ ihm fanfte Ruh!
Mar faßt fein gülden Scepter; ei, Sonnenaar, Glüd zu!
Zu Worms nun bielt er Reichstag; auf, Yürftenfchar, herbei!
Zu raten und zu fördern, daß Recht und Licht gebeih’!
2. Einſt in dem dumpfen Ratfaal fprang Mar empor mit Haft,
Der Staub der Pergamente nahm ihm den Odem falt;
Die ſpitzen, Mugen Reben, die machten toll ihn ſchier,
Ta rief er feinen Narren: „Freund Kunze, komm mit mir!“
— 256 —
3. Den Treuen liebt’ er vor allen, wohl einem Gärtner gleich,
Der jeden Baum mit Liebe pflegt in dem Gartenreidh,
Doch einen ſich erforen, in deſſen Schattenhut
Nah ſchwüler Tagesmüh’ er am liebiten abends ruht.
4. Es wallten nun die beiden Die Straßen ein und aus,
Dort auf dem großen Marktplag ſahn fie ein ftattlih Haus.
Da rief der Kunz: „Mein König, fließt Eure Augen ſchnell!
Denn, traun, fhon lad mand einer ſich blind an diefer Stell’.
5. Franzöſiſch iſt's; Ihr wißt ja, wie's Frankreichs Söhne
treiben
Die anders ſchreiben als ſprechen, und anders leſen ala Schreiben,
Und anders fprechen als denken, und anders ſetzen als fingen,
Die groß in allem Kleinen und Klein in großen Dingen.“
6. Ein Rittersmann aus Frankreich wohnt in dem ftolzgen Haus.
Sein Wappenfchild, hellglänzend, hängt hoch zur Pfort’ heraus!
Mit Schnörkelzügen zierlih in blanfem Goldesſchein
Schrieb rings ums bunte Wappen er diefe Worte ein:
7. „Erſt Gott zum Gruß, wer's liefet! — Auf, Deuticher,
fühn und wert,
Hier harrt ein Schild des deinen, wenn fampfesfroh dein Schwert;
Und magjt du mich bezwingen nah Ritterbrauch und Recht,
Wil ich mich dir verdingen als letter Rüdenknecht.“
8 Stumm ſchritt der König fürder; doch an des Ritters Schild
Hängt bald ein Edelfnabe der Habsburg Wappenbild;
Und mit dem Frührot harrend auf fand’gem Kampfesrund
Der König gegenüber dem fränf’ihen Ritter ftund. —
9. Und höher ftieg die Sonne; der Franzmann lag im Sand;
Das Siegesſchwert, heil leuchtend, ragt hoch in Maxens Hand.
„So fchlägt ein deutſcher Ritter!” er ſprach's und ftand verklärt,
Wie Sankt Michael der Sieger mit feinem Flammenſchwert.
10. „Ihr Habt Euch mir ergeben als letzter Rüdenknecht,
Wohlan! hr follt erfahren nun meines Amtes Recht!“
Sein Schwert nun ſchwang er dreimal: „Steht auf, mein Ritter wert!
So ſchlägt ein deuticher König, — ſeid brav wie Euer Schwert!“
11. Singt's allem Land, ihr Sänger, des Fürften That und
Wort!
Neigt euer Schwert, ihr Ritter, vor eures Kaifers Hort!
Belränzt des Sieger? Schläfe, ihr ſchönſten deutichen Frau'n!
Jauchzt auf, ihr deutfchen Herzen, in allen deutfhen Gau’n! —
— 257 —
12. Biel faft’ge Trauben ſchwellen ringsher um Worms am Rhein,
„Milch unfrer lieben Frauen“, fo heißt dort jener Wein;
Saugt jene Milch, ihr Greiſe! fie macht euch wieder zum Kind!
D Herr, gieb unferm Lande viel Milch fo ſüß und Iind!
13. Aus Golpgefäßen quoll fie an Marens Abendtiſch,
Gleihwie aus goldnen Eutern, jo labend, klar und friſch.
Wie zecht an Maxens Seite der fränk'ſche Rittersmann!
Wie wärmend da der Glühborn durch Kunzens Kehle rann!
14. Der Sranzmann bob den Becher, begeiftert flammt fein Blut:
„Heil Mar dir, edler Deutjcher, fo bieder und fo gut!" —
„Hoho!“ rief Kunz halb grimmig, „jest bindet mit mir an,
Wer auf dies Wohl berzinn’ger und beſſer trinten kann!“
15. Wie Schilde Hangen die Humpen zufammen jet mit Macht,
Die Blide blisten genüber, wie Lanzen in der Schladit.
Mer fiel, wer ftand im Wettlampf? wohl kam e3 nie ans Licht;
Frug man am Morgen die beiden, fie wußten's felber nicht.
Anaſt. Grün.
175. Der Pilgrim vor St. Juſt.
(24. Yebruar 1557.)
1. Nacht ift’8, und Stürme faufen für und für;
Hiſpan'ſche Mönde, ſchließt mir auf die Thür!
2. Laßt bier mich ruhn, bis Glodenton mich weckt,
Der zum Gebet euch in die Kirche fchredt!
3. Bereitet mir, mad euer Haus vermag,
Ein Ordenskleid und einen Sarkophag!
4. Gönnt mir die kleine Zelle, weiht mid ein!
Mehr als die Hälfte diefer Welt war mein.
5. Das Haupt, das nun ber Schere ſich bequemt,
Mit mander Krone ward's beviademt.
6. Die Schulter, die der Kutte nun fich bückt,
Hat Taiferliher Hermelin geihmüdt.
7. Nun bin id vor dem Tod den Toten gleich
Und fall’ in Trümmer, mie das alte Reich.
Anguft Graf 9. Dlaten. (1819.)
17
— 258 —
176. Ber Möðnch von Heifterbadh,
1. Ein junger Mönd im SKlofter Heifterbach
Zuftmandelt an des Gartens fernftem Dirt;
Der Ewigkeit finnt tief und ftill er nad)
Und forfcht dabei in Gottes heil'gem Wort.
2. Er lieft, was Petrus, der Apoftel, fprad:
„Dem Herren ift ein Tag wie taufend Jahr’,
Und taufend Jahre find ihm wie ein Tag” —
Doch wie er finnt, e8 wird ihm nimmer Har.
3. Und er verliert ſich zweifelnd in den Wald;
Mas um ihn vorgeht, hört und fieht er nit; —
Erſt wie die fromme Befperglode ſchallt,
Gemahnt ed ihn der ftrengen Klofterpflicht.
4. Am Lauf erreidhet er den Garten Schnell;
Ein Unbelannter öffnet ihm das Thor.
Er ftugt, — jedoch die Kirche ift ſchon hell,
Und draus ertönt der Brüder heil’ger Chor.
5. Nach feinem Stuhle eilend tritt er ein,
Doch wunderbar! ein andrer fihet dort; —
Er überblidt der Mönche lange Reihn;
Nur Unbelannte findet er am Drt.
6. Der Staunende wird angeftaunt ringsum,
Man fragt nah Namen, fragt nad dem Begebr;
Er fagt’3, da murmelt man durchs Heiligtum:
„Dreihundert Jahre hieß fo niemand mehr!“
7. „Der letzte diefed Namens“, tönt ed dann,
„Er war ein Zmeifler und verſchwand im Wald;
Man gab den Namen feinem mehr fortan.” —
Er hört das Wort, es überläuft ihn alt.
8. Er nennet nun den Abt und nennt das Jahr,
Man nimmt das alte Klofterbuh zur Hand;
Da wird ein großes Gotteswunder Klar:
Er iſt's, der drei Jahrhunderte verſchwand!
9. Der Schreden lähmt ihn, plötzlich graut fein Haar,
Er finft dahin und ift dem Tod gemeiht,
Und fterbend mahnt er feiner Brüder Schar:
„Gott ift erhaben über Drt und Zeit.
— 259 —
10. Was er verhüllt, macht mir ein Wunder Har;
Drum grübelt nicht, denkt meinem Schickſal nad;
Ich weiß: ihm ift ein Tag, wie taufend Jahr',
Und taufend Jahre find ihm, wie ein Tag.“
Wolfg. Mütler.
177. Ber fremde Reiter.
1 Im Winter war ed noch, zur Faſtenzeit,
Es hatte viel geregnet und gefchneit;
Da irrten zween Gejellen ſpät umber
Bor Zenas Thoren, ob nicht wär’
5 Für wenig Gelb und gute Wort’
Zu finden wo ein gaftlih Ort.
Die beiden kamen aus dem Schweizerland,
Bon Bafel her, der Schule wohlbelannt;
Erasmus trieb, der feine, dort fein Weſen.
10 Nun hatten fie von Luther auch gelefen
Und über ihn gehört von andern;
Das trieb fie an, nah Sachſen binzumandern,
Weil man den eignen Augen befier traut,
Als was man blog mit fremden angeichaut.
15 In Wittenberg gedachten fie zu bleiben
Und Gottes Wort in Segen dort zu treiben.
Wie fie nun in der Irre gehn herum
In Jenas Straßen grad’ und Frumm,
Kommt auf fie zu ein guter Mann,
20 Der fie berichten will und kann:
„Kommt nur mit mir, ihr lieben Herm!
Ich führ’ euch in den ſchwarzen Bär'n:
's iſt vor dem Thor, nur wenig Schritt.
Er geht voran, ſie gehen mit
25 Und treten in die Herberg' ein,
Nur trüb erhellt vom Lampenfcdein.
Der Wirt beißt fie willlommen zu Speif’ und Trank:
„Da fest euch bin zur Dfenbant,
Und trodnet euch die Kleider und die Schuh’
30 Und, wenn ihr wollt, den naflen Leib dazu!”
Sie ſetzten fih und blieben auf dem Flecke;
Bornehmer ſchien der Gaſt dort in der Ede
Des vordern Tiſch's, ein Reiterömann,
Mit einem roten Schlepple an,
17*
— 260 —
Die ftolze Feder auf dem Kopf,
Die Hand geſtützet auf den Degenknopf.
Ein Büchlein auch war vor ihm aufgefchlagen.
Bald fing der Mann fie traulich an zu fragen:
„Mes Lands? wohin die Reif’? Tommt näher bei!
Es ift am Tiſch wohl Platz für unfer drei.”
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Des Mannes Freundlidfeit und Scherz
Macht offen auch der Icheuen Knaben Herz;
Die geben ihm Beſcheid, wie fih’3 gebührt:
„Bon Bafel hat der Weg uns bergeführt;
Iſt Euch vielleicht, mein Herr, befannt,
Ob Luther weile hie zu Land?
Biel Wunderliches hört man beutzutag,
Daß man nicht jedem glauben mag;
Drum möchten wir von Angeficht
Den fehn, von dem die Sage fpridt,
Und bören ihn mit eignen Ohren.
Die Mühe, denken wir, fei nicht verloren.“
Der Fremde drauf mit Ernft verſetzt:
„Zu Wittenberg ift er wohl nicht anjekt,
Das kann ich euch in Wahrheit jagen.
Nun aber laßt mich aud was fragen:
Wie fpriht man denn im Schweizerland
Bon Luther?" — „Herr, gar allerhand
Wird da gered’t, gemeint, geftritten.
Bon vielen ift er mwohlgelitten,
Sie rühmen ihn und preifen Gott den Herrn,
Mas er durch ihn geihuffen nah und fern;
Doch andre ichelten ihn als Ketzer,
Als Lügengeift und Volksverheher —“
„Ho“, ſpricht der Reiter, „merke ſchon,
Das pfeifet aus der Pfaffen Ton!“
Noch redet er viel hin und her,
Als ob er gar ein Doktor wär';
Von allem wußt' er gut Beſcheid,
Der Mann im roten Reiterkleid.
Das Büchlein auch, in dem er las,
Ein gut hebräiſch Pſalter was.
Hebräiih, Griechiſch und Latein,
Dem Reiter jchien e8 ganz gemein,
Daß drob die Jungen ger erftaunen
Und dies und das ins Ohr fich raunen.
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Und über dem tritt näher auch
Der Gaſtwirt, nach der Wirte Brauch,
Die Gäfte wohl zu unterhalten
Bon neuen Dingen und von alten.
„a“, hebt er an, „ihr lieben Jungen,
Bald euren Augen wär's gelungen,
Den Doktor Luther ſelbſt zu fchaun;
Denn heute vor zwei Tagen, traun!
Hat er an eben diefem Tiſch
Geſeſſen ganz geiund und frilch.“
Das ärgert beide fonder Maßen
Und falten ob den böfen Straßen,
Die fie fo lang’ in ihrem Lauf
Nah Sachſenland gehalten auf.
Dann tritt der Wirt noch einmal für
Und ruft den einen vor die Thür.
Dem fängt das Herz gewaltig an zu pochen,
Meint, hätt’ in Unſchuld was verbrocdhen,
Ob dem der Wirt ihn ftrafen wollt’ mit Worten;
Doch folget er ihm vor der Stube Pforten.
Der Wirt macht erft ein ſchlau Geficht,
Drauf Heimlih er zum ungen \pridt:
„Was gebt Ihr mir, mein junges Blut,
Wenn ih Euch fage kurz und gut,
Mas Ihr zur Stunde no nicht mwißt,
Daß der der Doktor Luther ift,
Mit dem Ahr drinnen ohne Scheu
Geſprochen; glaubt’3 auf meine Treu!
Doch bitt’ ich, haltet reinen Mund,
Thut feinem das Geheimnis fund!”
Das kann der Junge erſt nicht glauben
Und meint, der Wirt woll’ nur auf Schrauben
Ihm feßen den vermirrten Kopf,
Wie man e8 pfleget einem Tropf;
Doch er verſchwört ſich hoch und fehmer,
Daß eben der der Luther wär”.
Nun wurmt den ungen das Geheimnis gar,
Bis er's Tann machen offenbar.
Mohl hat er zwar veriprehen müſſen,
Es fol kein andrer darum wiſſen;
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Allein, dem Kameraden in das Ohr,
Bleibt's ein Geheimnis nach wie vor.
Der Kamerade hört's und ſtutzt.
„Haſt wohl die Ohren nicht geputzt,
Verſtehſt die Sprach' nicht hier zu Landen
Und haſt den Wirt nicht recht verſtanden!
Haſt du auch zweimal ihn gefragt?
Der Hutten hat er wohl geſagt,
Der Hutten, ja, das mag ſich paſſen,
Der Hutten iſt's, drauf kannſt Du dich verlaſſen!“
Dem andern kommt's nun ſelber vor,
Als ob getäuſchet ihn ſein Ohr.
Und beide werden eins gar bald,
Der Hutten ſei die fremde Mannsgeſtalt.
Indeſſen kommt die Eſſenszeit,
Der Wirt die Speiſen macht bereit,
Der Luther⸗Hutten ladet ein
Die Jungen, ſeine Gäſt' zu ſein.
Die laſſen ſich's nicht zweimal ſagen,
Denn hungrig worden war der Magen;
Doch hungert wahrlich ſie noch mehr
Nach all der guten, feinen Lehr',
Die ihnen zu der Seelen Heil
Soll über Tiſche werden teil.
Und ob der Wirt auch auf das beſte
Mit Speiſ' und Trank bedient die Gäſte,
Sie achten nicht des Koches Kunſt;
Verdampfen muß der Schüffel Dunſt
Umfonft; nur Ohr und Herz allein,
Die wollen heut gejättigt fein.
Und weiter fpricht der Reiter nun:
„Jetzt müßt ihr eins Beſcheid mir thun.
Fort mit dem Bier! Der Schweizermagen
Kann beiler ein Glas Wein vertragen.
Herr Wirt, gebt Wein!“ Gefagt, gethan.
„Wohlauf, ihr ungen! ftoßet an!
So laflet denn den Hutten leben,
Mein’thalb den Luther auch daneben,
Und kommt nah Wittenberg ihr 'nein,
So grüßet mir Philippum fein
Und Doltor Schurfen, den Suriften,
Samt allen andern guten Chriften!“
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Die Schweizer fehn den Reitersmann
Mit doppelt großen Augen an:
„Run wird er ung doc jagen müflen,
Bon wen wir joll’'n die Leute grüßen?“
Der aber jagt es gleichwohl nidt.
„Habt ihr den Gruß nur ausgericht't
Bon dem, der kommt, jo werden ſie's veritehn.
Lebt wohl, ihr Herren, auf Wiederſehn!“
Das war des Reiters letztes Wort;
Des andern Morgens war er fort.
Rud. Dagenbach.
178. Luther und der Jleiſcher.
Ob ſeiner lieben Bibel wacht
Der Doktor Luther Tag und Nacht,
Wohl iſt ihm trefflich ſchön gelungen,
Zu faſſen fie in deutſche Zungen;
Doch immer tiefer will er graben,
Und immer beſſer will er's haben,
Damit der heil'gen Rede Fluß
Ihm fließe recht aus einem Guß,
Damit aus deutſchem Volkesmund
Des Herren Wille werde kund
Und ſeine Gnade offenbar
So klar und wahr, ſo ganz und gar,
Als ob es ſo vom Himmel her
Auf deutſch zu uns geredet wär'.
Das iſt ſein Flehn, ſein Wunſch und Ziel;
Doch macht's ihm ſaure Arbeit viel;
Was du, mein lieber Chriſt, im Flug
Nun lieſeſt und in einem Zug,
Drob hat er oft in Schweißesdrang
Gerungen viele Monden lang.
Vergiß drum nicht in ſtolzem Wahn,
Wie er gebrochen hat die Bahn,
Auf der ſich's läuft ſo glatt und gut,
Vergiß es nicht im Übermut!
Komm, ſieh ihn da geduldig weilen
Und an den Büchern Moſis feilen!
Sieh, wie ſich der Leviticus
In deutſche Satzung fügen muß;
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Was alles ward in Israel
An Fleiſch und Blut, an Ol und Mehl
Geopfert einft zu Speiſ' und Trant,
Zur Sühne bier und dort zum Dant,
Das alles foll nun bärchentlein
Sn gutem Deutich geboten fein.
Sieh hier geichrieben das Geſetz,
Wo von der Leber und dem Web,
Den Nierenftüden und dem Fett
Des Weit’ und Breiten wird gered't.
Wem ftünde der Berftand nit fill,
Wenn er das alles nennen will
An gutem, ſchlichtem deutſchen Wort,
Daß jeder es verfteh’ ſofort?
Auch Luther lange denkt und finnt;
Und wie er denkt und wie er finnt,
Ein Schaf zu blöfen noch beginnt.
Men foll das nicht im Denken ftören?
Dem Luther half’3, wie du wirſt hören.
Frau Käthe, die, wie ſich's gebührt,
Das Amt in Küch' und Keller führt,
Damit nah mohl vollbrachtem Werke
Der Mann an Speif’ und Trank ſich ftärte,
Hat einen Schöpfen in das Haus
Gekaufet für den Abendſchmaus,
Beitellt den Metzger auch dazu,
Daß er dem Schaf nah Willen thu'.
Der kommt dem Luther mie gerufen.
Herunter flug3 der Treppe Stufen
Macht er fih auf des Haufes Flur,
Damit er ſchau' die Kreatur,
Die eben unter Fleifhers Hand
Auszieht ihr Schweres MWollgemand
Und jeden, der es will, aufs beft’
Tief in ihre Innres bliden läßt.
Der Fleifcher fchneidet und zerlegt,
Brad’ wie ein rechter Fleifcher pflegt;
Der Luther fchaut ihm fchmeigend zu,
Und endlich ſpricht er: „Höre du,
Sch möchte wohl, bei meiner Ehre,
Noch bei dir gehen in bie Lehre.“
— 265 —
70 Der Fleiſcher faſſet fih ein Herz
Und fpriht: „Wie meint Ihr ſolchen Scherz?
Herr Doktor, dad wär” wohl verkehrt,
Wenn Mebger Klaus den Luther lehrt’.“
„Du nennft mid Doktor? — wohl, es fe!
75 Doch mifle, die Anatomei
Iſt mir nicht eben fo befannt,
Wie fonft Doktoren bie zu Land;
Und weil fi dies nicht lernt im Schlaf,
Wil ich e8 lernen hie am Schaf.
80 Des armen Schülers di erbarm’
Und nenn’ ihm alles, Darm für Darm,
Und Bein für Bein, und Haut für Haut.
Milz, Leber, Magen, wie man's fchaut
Am Schafe, nenn’ mir alles laut,
85 Auch Herz und Nieren, Stüd für Stüd,
Und fag’ von jedem, wie man's drück'
Mit feinem rechten Namen aus!“
Ein ſolches thut der Fleifcher Klaus;
Er nennet alles, wie er’3 weiß.
90 Und Luther höret zu mit Fleiß
Und merkt fi alle8 wohl und gut,
Wie's kaum ein Studioſus thut.
Und als von der Anatomei
Die Lektion war bald vorbei,
95 Dankt er dem Fleiſcher freundlich gar,
Läßt reichen einen Trunk ihm dar;
Er aber ehrt zum Bibelbuch
Zurüd, damit er gleich verfuch’
Zu nennen alles härchenklein,
100 Grad’ eben wie's genannt follt’ fein,
Und fertigt den Leviticus |
Aus einem Gufje bis zum Schluß.
Rud. Pagenbach.
179. Schloß Eger.
(25. Februar 1634.)
1. Lärmend im Schloß zu Eger,
Über dem Ungarwein
Sigen die Würbenträger
Herzogs Wallenftein:
— 2166 —
Tertihla — des Feldheren Schwager,
Illo und Kinsky dazu,
Ihre Heimat das Lager,
Und die Schladt — ihre Ruh.
Zuftig fladern die Kerzen;
Aber der Tertſchka ſpricht:
„Sit mir's Nacht im Herzen,
Oder vorm Geſicht?
Dieſe Leuchter leuchten
Wie in dunkler Gruft,
Und die Wände, die feuchten,
Hauchen Grabesluft.“
Feurig funfelt der Unger;
Aber der Kinsky ſpricht:
„Draußen bei Froſt und Hunger
Scüttelte fo mich's nicht,
Hielte lieber bei Tüten
Wieder in Qualm und Rauch;
Wolle Gott uns jhüßen
Oder — der Teufel aud.“
So nur, Herz wie Kehle,
Hält er bei Laune fich,
Dicht ift feine Seele
Gegen Hieb und Stich,
Trägt ein Büffelloller
Wie fein Körper traun, —
Zuftiger und toller
War er nie zu ſchaun!
Und vom Trunte beifer
Kreiſcht er jet und lad:
„Der erft ift der Kaifer,
Wer den Kaifer macht;
Eid und Treue brechen
Schredt den Feigen allein:
Hoch, der König der Ezechen,
Herzog Wallenjtein!“
Spricht's. Da neue Bewohner,
Klirrend in Eifen und Stahl,
Buttlerfhe Dragoner
Nehmen Duartier im Saal;
10.
— 267 —
Buttler ſelbſt, im Helme,
Tritt an den Illo: „Sprich,
Seid ihr Schurken und Schelme,
Oder gut kaiſerlich?!“
Hei, da fahren die Klingen
Wie von ſelber heraus,
Von dem Pfeifen und Schwingen
Löſchen die Lichter aus;
Weiter geht es im Dunkeln,
Nein, im Dunkeln nicht:
Ihrer Augen Funkeln
Giebt das rechte Licht.
Tertſchka fällt; daneben
Kinsky mit Fluch und Schwur;
Mehr um Tod wie Leben
Ficht ſelbſt Illo nur,
Schlägt blindhin in Scherben
Schädel und Flaſchen jetzt,
Wie ein Eber im Sterben
Noch die Hauer wetzt.
Licht und Fackel kommen,
Geben düſtren Schein;
Ineinander verſchwommen
Blinken Blut und Wein;
Überall im Saale
Leihen in buntem Gemiſch;
Stumm, vor fenem Mable,
Sitzt der Tod am Tiſch.
Yuttler aber, wie Wetter,
Donnert jetzt: „Laßt fie ruhn!
Das ſind erſt die Blätter,
An die Wurzel nun!“
Bald in des Schloſſes Ferne
Hört man's krachen und ſchrein; —
Schau nicht in die Sterne,
Rette dich, Wallenſtein!
Ch. Sontane.
— 268 —
180. Ber Stielänfer.
1. „Wer Hopft fo eilig und mit Macht
An meine Thür in ſpäter Naht?
’3 mag ein verirrter Wandrer fein!
Du ärmfter Mann, tritt hurtig ein!“
Er legt die Arbeit ſchnell zur Seiten,
Ergreift den Kieferfpan mit Haft
Und eilt, ins niebre Haus zu leiten
Mit frohem Gruß den fremden Gaft.
2. Der Riegel knarrt, er tritt hinaus, —
Er fteht gelähmt vom nächt'gen Graus,
Die Leuchte feiner Hand entfällt:
Er fah vom Feind das Haus umftellt.
Schnell greifen ihn vier kräft'ge Arme
Und ziehn ihn von der Schwelle fort,
Und einer aus dem wilden Schwarme
Giebt ihm das unmwilllommne Wort:
3. „Du führft uns den verborgnen Pfad
Hoch über den Kiölengrat
Zur nädften Stadt in Norreland;
Denn wider fie ift unfre Hand.“
Doch er mit männlihem Erröten:
„Unmögliches verlanget ihr!
Wann bielt’s ein Normann mit den Schweden?
Ihr kamt nicht vor die rechte Thür.”
4. Und fie in wilder Ungebulb:
„Ob ungern oder ob mit Huld —
Das gilt uns gleich! Du Haft die Wahl
Nur zwiſchen Gold und hartem Stahl.
Ein nächt'ger Gang von wenig Meilen
Befreit dich ſchnell aus aller Not;
Bleibft du, fo ftirb! und mit dir teilen
Dein Weib und Kind den Rachetod.“
5. Zuſammen brach ber Fräft’ge Mann,
Der Schweiß von feiner Stimme rann;
Zwieſpältig ringt in ihm der Geiſt,
Bis fi) empor der Normann reißt
Und ſpricht das Wort voll Grimm und Schmerzen:
„hr Jünglinge, vergelt’ euch Gott,
Daß ihr mit eined Manned Herzen
Treibt fol unmenfhlih Spiel und Spott.
— 269 —
6. Wohlan, nit um den eignen Leib,
Nur um die Kindlein und mein Weib
Füg' ih mich eurem harten Zwang;
Den Sündenfold ih nicht verlang'!“
Er wendet fi ind Haus und bindet
Die Schneeſchuh' an den Knöcheln feit,
Ergreift den hohen Stab und zündet
Die Leuchte an dem Kohlenreſt.
7. Noch einmal fällt fein trüber Blick
Auf feine Teueren zurüd;
Sie Shlummern ohne Sorg’ und Harm
So felig, wie in Gottes Arm;
Und leife ſpricht er feinen Segen.
Dann tritt er vor den Sriegerzug,
Er fchreitet aus, und rafch entgegen
Dem Hochgebirge geht's im Flug.
8. Da fauft der Ste, da ftäubt der Schnee,
Aus braunen Nebeln ſchwankt die Höh!
Vorüber fliegt im Geifterreihn
Der Waflerfturz, der Fels, der Hain.
Sm Schwung und Sprung auf glatten Sohlen
Durdbrauft der Hauf’ die Winterflur,
€3 keucht der Sturm, ihn einzuholen,
Und tilgt die flücht’ge Menfchenfpur.
9. So durd der Schluhten Doppelnadt
Zur Höh', wo die Lawine kradt,
Und ob des Gießbachs ſchwankem Steg
Führt er fie den verborgnen Weg.
Dem matten Scheine der Laterne
Folgt Ted der raſche Kriegerhauf,
Und endlich hebt fi in der Ferne
Die fchwerbebrohte Stadt herauf.
10. Dort lag fie — einfam Turm und Thor,
Kein Lichtlein fchimmert draus hervor,
Und wie die Wolle trüb und fchwer
Lag Mitternachtsſchlaf drüber her. —
Er ſieht's mit Gram; hört die Berränger -
Jetzt kühner ftürmen durch das Feld;
Merkt, wie der Feind fich immer enger
An feine flücht'gen Ferien hält.
11. Er fhaut hinüber, jchaut zurüd,
Und alles flirt vor feinem Blick!
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Es ruft aus jedem Buſch und Rohr:
„Rormann, halt ein! was haft du vor?*
Da mußt’ er vor fich felbft erbeben,
Er feufzet, bi8 zum Tode matt:
„DO Herr, nimm bin mein fehuldig Leben,
Errette nur die gute Stadt!”
12. Ihm ift, als hab’ es Gott bejaht,
Und kühn erwächſt ihm Wil’ und Nat. —
Dort läuft den fteilen Bergeshang
Ein hoher Tannenmwald entlang.
Ein Pfad Iodt in die Waldeshalle,
Der dichtumſchattet abwärts führt
Und unverſehns in jähem Falle
Im tiefiten Abgrund fich verliert.
13. Den fhlägt er ein; die Hand aufs Herz,
Das fefte Auge bimmelmwärts,
Fliegt er des Wegs zur Fellenwand
Und ftürzt fih von des Abgrunds Rand.
Noch flammt die Leuchte im Gefträudhe,
Die Schweden folgen ihrem Schein,
Und drunten dedt des Normanns Leiche
Der Feinde zudendes Gebein.
Serd. Bäßler.
181. Froben.
(28. Juni 1675.)
1. Herr Kurfürft Friedrich Wilhelm, der große Kriegesheld,
Seht, wie er auf dem Schimmel vor den Geihügen hält!
Das war ein raſches Reiten vom Rhein bis an den Nhm,
Das war ein heißes Streiten am Tag von Fehrbellin.
2. Wollt ihr, ihr trotz'gen Schweden, noch mehr vom deutfchen
Land?
Was tragt ihr in die Marken den wüt'gen Kriegedbrand ?
Herr Ludwig von der Seine, der bat euch aufgehekt,
Daß Deutichland von der Peene zum Eljaß werd’ zerfegt.
3. Doc balt, Graf Guftav Wrangel, bier fteh nun einmal ftill !
Dort kommt Herr Friedrih Wilhelm, der mit dir reden will.
Geſellſchaft aller Arten bringt er im rafchen Ritt
Samt Fahnen und Standarten zur Unterhaltung mit.
— 271 —
4. Run Seht ihn auf dem Schimmel: ein Kriegsgott ift es
traun!
Den Boden dort zum Tanze, den will er fih befchaun.
Und unter feinen Treuen, da reitet bintenan
Zuletzt, doch nicht aus Scheuen, Stallmeifter Froben an.
5. Und wie Herr Wrangel drüben ben Schimmel nun erblickt,
Auft er den Kanonieren: „Ahr Kinder, zielt geſchickt!
Der auf dem Schimmel figet, der große Kurfürſt iſt's;
Run donnert und nun bliget! auf wen's geſchieht, ihr wißt's.“
6. Die donnern und die bligen und zielen gar nichts Schlecht's,
Und um den Herren fallen die Kugeln links und rechts.
Dem Derfflinger, dem Alten, faft wird es ihm zu warn;
Er ift fein Freund vom Halten mit dem Gewehr im Arm.
7. Und dit und immer dichter fchlägt in die Heeresreihn
Dort in des Schimmeld Nähe der Kugelregen ein —
„Um Gott, Herr Kurfürft, weiche!" Der Kurfürft hört es nicht;
Es ſchaut fein Blid, der gleiche, dem Feind ins Angeſicht.
8. Der Schimmel mocht' es ahnen, wem dieſes Feuer gilt
Er fteigt und ſchäumt im Zügel, er bebt ſich ſcheu und wild;
Die Herren alle bangen, doch ſagt's ihm feiner an;
Mär’ doc nicht rückwärts ’gangen der fürftlich große Mann.
9. D Preußen, damals wägte auf eined Auges Blid,
Auf eines Zolles Breite fi furchtbar dein Geſchick!
O Zollern, beine Krone, — o Frieberih, dein Ruhm!
Hier galt's im Ahn dem Sohne, im Hut dem Königtum.
10. Hier galt es Deutfchlands Freiheit ob nord'ſcher Übermadht;
Und wer, wenn er gefallen, wer fchlüge feine Schlacht?
Nicht Homburgs edle Hite, nicht Derfflings rauher Mut,
Nicht Grumbkows Säbelſpitze, nicht Heer noch Landfturm gut.
11. Und do, der Tod ift nahe und mäht um ihn berum,
Unb alles zagt und banget, und alles bleibet ftumm.
Die Scheibe ift der Schimmel, das merket jeder nun;
Do helfen mag der Himmel, von uns kann's Feiner thun.
12. Da reitet zu dem Fürften Emanuel Froben ber:
„Herr Kurfürft, Euer Schimmel, er fcheut fih vorm Gewehr;
Das Tier zeigt feine Launen, Ihr bringt’8 nicht ind Gefecht:
So nehmt nur meinen Braunen! ich reit’8 indes zurecht.“
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13. Der Herr fhaut ihm herüber: „Es ift mein Lieblingsroß!
Doch das verſtehſt du befier, jo reit e8 nur zum Troß.“
Sie wechſeln ftill, dann fprenget vafh, ohne Gruß und Wort,
Die Zügel lang verhänget, der edle Froben fort.
14. Und weit von feinem Herren hält er zu Roſſe nun.
Für wenig Augenblide ſcheint das Geſchütz zu ruhn;
Der Kurfürft jelber finnet, warum es jetzt verftummt,
Und: „wader war’3 geminnet!“ der alte Derffling brummt.
15. Da plötzlich donnert’3 wieder gewaltig übers eld,
Doch nur nah einem Punkte ward das Geſchiütz geftellt:
Hoch auf der Schimmel feet! Herr Froben ſinkt zum Sand.
Und Roß und Reiter netzet mit feinem Blut das Land.
16. Die Ritter alle ſchauen gar ernft und treu hinein.
O Froben dort am Boden, wie glänzt dein Ruhmesſchein!
Der Kurfürft ruft nur leife: „Ha, war daß fo gemeint?“
Und dann nad Feldherrnweiſe: „Nun vorwärts in den Yeind!“
Inl. Minding.
182. Bei Höchſtädt.
(13. Yug. 1704.)
1. Marlbrougb zieht aus zum Sriege,
Die Fahnen läßt er mehn;
Da reiht zu Kampf und Siege
Die Hand ihm Prinz Eugen.
2. Site muftern ihre Truppen
Bei Höchſtädt auf dem Plan:
„But ftehn im Brett die Puppen,
Friſch auf, wir greifen an!“
3. Und wie fie mit den Haufen
Dem Feind entgegenziehn,
Da kommt gejagt mit Schnaufen
Ein Hofkurier aus Wien.
4 Er fpringt in buntem Staate
Bom Roß und neigt fi tief:
„Vom hohen Kriegshofrate,
Durchlaucht'ger, bier ein Brief!“
— 273 —
5. Der Meine Kapuziner*
Sciebt in die Bruft ihn fact:
„Der Herrn ergebner Diener,
Das lef ih nah der Schladht.
6. Jetzt ift Fein Zaudern nütze,
Seht heißt es: Dran und drauf!
Schon ſpielen die Geſchütze
Zallards zum Kampf uns auf.“
7. Er wirft fih auf die Franzen,
Marlbrough bleibt nicht zurück;
Bei Höchſtädt an den Schanzen
Das warb ihr Meifterftüd.
8 Wohl kracht's von Wal und Turme,
Wohl finfen Roß und Mann,
Doch vorwärts geht’3 im Sturme,
Die Feldherrn hoch voran.
9. Im dichten Kugelregen,
Den Degen in der Hand,
Erklimmen fie vermegen
Des Lagers fteilen Rand.
10. Da padt den Feind ein Graufen,
Da flieht er fern und nah,
Und Binter ihm mit Braufen
Erſchallt's: Viktoria!
11. Und wie des Kaiſers Reiter
Nachraſſeln Stoß auf Stoß,
Da frommt fein Haltruf weiter,
Geworfen tft das Los!
12. Erjiegte Fahnen prangen
Zweihundert an der Zahl,
Man bringt daher gefangen
Tallard, den General.
13. Doch abends, ala die Flaſchen
Im Kreis ums Feuer gehn,
Da zieht aus feiner Tafchen
Sein Brieflein Prinz Eugen;
* So ward Prinz Eugen von feinen Soldaten genannt.
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14. Studiert's und reicht's dem Britten;
Der blidt hinein und ladt:
„Parbleu! Die Herren verbitten
In Wien fih jede Schladt.
15. Nur kluge Retirabe
Sauvir' und, meint der Wild:
Erlef'ner Senf! Nur fehade,
Für diesmal Senf nah Tiſch!“
€. Seibel. (1872.)
183. „Prinz Eugen, Der edle Ritter,“
1. gelte, Poſten, Werdarufer!
Luſt'ge Nacht am Donauufer!
Pferde ftehn im Kreis umher
Angebunden an den Pflöcken;
An den engen Sattelböden
Hangen Karabiner ſchwer.
2. Um das Feuer auf der Erbe,
Bor den Hufen feiner Pferde
Liegt das öſtreich'ſche Pikett.
Auf dem Mantel liegt ein jeder,
Von den Tſchakos weht die Feder,
Lieut'nant würfelt und Kornett.
3. Neben ſeinem müden Schecken
Ruht auf einer wollnen Decken
Der Trompeter ganz allein:
„Laßt die Knöchel, laßt die Karten!
Kaiſerliche Feldſtandarten
Wird ein Reiterlied erfreun!
4. Vor acht Tagen die Affaire
Hab' ich, zu Nutz dem ganzen Heere,
In gehör'gen Reim gebracht,
Selber auch geſetzt die Noten;
Drum, ihr Weißen und ihr Roten,
Merket auf und gebet acht!“
5. Und er ſingt die neue Weiſe
Einmal, zweimal, dreimal leiſe
Denen Reitersleuten vor;
Und wie er zum letztenmale
Endet, bricht mit einemmale
Los der volle, kräft'ge Chor:
— 2715 —
6. „Prinz Eugen, der edle Ritter!“
Hei, das Hang wie Ungemitter
Weit ins Türlenlager hin.
Der Trompeter thät den Schnurrbart ftreichen
Und fih auf die Seite fchleichen
Zu der Marketenderin.
I. Iretligrath.
184. Wie ſchön leuchtet der Morgenftern!
10
15
20
25
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Des alten Dorfichulmeifterd Liebftes Lied.
„Wie Schön leuchtet der Morgenftern!“
Hab’ doch Fein andres Lied fo gern!
Mit Thränen füllt fich jedesmal
Mein Auge, Spiel! ich den Choral.
’3 mar damals, als der alte Frig
Noch ftritt um Sclefiend Bes!
Hier in den Schluchten lag fein Heer,
Der Feind dort auf den Höhn umber.
Da ſah's im Dorf gar übel aus,
Die Scheuern leer, Fein Brot im Haus,
Im Stalle weder Pferd noch Kuh,
Und vor dem Feind die Furcht dazu!
So hatt’ ich eben eine Nacht
Mit Seufzen und Gebet durchwacht
Und ftieg beim erften Morgengraun
Den Turm hinauf, um umzuſchaun,
Wie's draußen ftünd’: ’8 war ftill umber,
Und ich fah feine Feinde mehr.
Da 309 ich ftill mein Käpplein ab,
Dem lieben Gott die Ehre gab.
Hoch! plötzlich trabt's ind Dorf herein,
Der Himmel mol’ und gnädig fein!
Ein alter Schnauzbart jagt im Trab
Nah meinem Haus, dort fteigt er ab;
Kaum bin ich unten, fchreit er: „Lauf,
Schließ mir geſchwind die Kirche auf!“
Sch bat: „„Bedenkt, 's ift Gottes Gut,
Mas man vertraut hat meiner Hut,
Und Kirchenraub beftraft ſich ſchwer.““
Doch er fchrie wild: „Mas fchwafelt er?
Flink aufgeichloflen, fonft fol ihn —!“
Schon wollt’ er feinen Säbel ziehn,
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Da dat’ ih bang an Weib und Kind
Und öffnete die Kirch' geſchwind
Und trat dann zagend mit ihn ein;
Mein Weib jhlih weinend hinterbrein.
Er ging vorüber am Alter,
Hinauf dann, wo die Orgel war;
Da ftand er ftil: „Geſangbuch ber!
Hier den Choral da fpielet er!
Und daß fie brav die Bälge tritt!
Marſch! vorwärts jebt und zögert nit!“
Ich fing mit einem Vorſpiel an,
Wie ich's mein Lebetag gethan.
Da fiel der Alte grimmig ein:
„Was fol mir das Gellimper fein?
Hab’ ich's denn nit gejagt dem Herrn:
Wie ſchön leuchtet der Morgenftern! *
„„'s tft nur das Vorſpiel!““ „Dummes Zeug!
Was Spielt er den Choral nicht gleich?“
So jpielt’ ih denn, weil er's befahl,
Ganz ohne Vorjpiel den Choral;
Der alte Schnauzbart fang das Lieb,
Ich und mein Weib wir fangen mit.
Das Lied war aus, till faß der Mann,
Ein heißer Strom von Thränen rann
Ihm übers braune Angeficht,
Die funkelten wie Demantlict.
Da ftand er auf und drüdte mir
Die Hand und ſprach: „Da, nehmt das hier!“
Es war ein großes Thalerftüd.
Ich wies das Geld befhämt zurüd;
Er aber rief: „Was fol das, Mann?
Ber Gott, es klebt fein Blut daran!
Gebt's an die Armen in dem Drt.“
Drauf gingen wir zufammen fort,
Und noch im Gehen ſprach er weid:
„Kein Lied kommt diefem Lied mir gleich;
Es hat mich in vergangner Nacht
Zum lieben Gott zurüdgebradt.
's rief geftern Abend der Major
Bor unfrer Front: Freiwill'ge vor!
's ſoll ein verlorner Boften ftehn
Dem Feinde nah, dort auf den Höhn;
Hat Feiner Luft, hat Feiner Mut?
Das trieb mir ins Gefiht das Blut:
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„Da müßten wie nicht Preußen fein!“
Sch rief's und trat raſch aus den Reihn,
Drei meiner Söhne folgten mir:
„Gehſt du, fo gehen wir mit bir!“
So zogen wir nad jenen Höhn,
Um dort die ganze Nacht zu ftehn.
Es bliste hier, e8 krachte da,
Es war der Feind uns oft fo nah,
Daß er uns ficherlich entdedt,
Wenn uns nit droben Der verftedt.
Ya, Mann, ih hab’ fo mande Nacht
Im Feld geftanden auf der Wacht,
Doch war mir nie das Herz fo ſchwer, —
’3 lam nur von meinen Jungens ber;
Ihr habt ja Kinder — nun, da mißt
‘hr felbit, was Baterliebe tft.
Drum bab’ ih auch emporgeblidt
Und ein Gebet zu Gott gefchidt!
Und wie ich noch fo ftill gefleht,
Da ward erhört ſchon mein Gebet.
Denn leuchtend ging im Dften fern
Auf einmal auf — der Morgenftern,
Und mädtig mir im Herzen Hang
Der längjt vergepne fromme Sang;
Hätt’ gern gefungen gleich das Lied,
Doch ſchwieg ih, weil's uns fonft verriet.
Zugleich fiel mir auch manches ein,
Was anders hätte follen fein,
Bor allem, daß ich dieſes Jahr
Noch nit im Gotteshaufe mar.
Das machte mir das Herz fo ſchwer,
Das war's, das trieb mich zu euch ber.“
Der Alte ſprach's, beitieg fein Pferd
Und madte munter Rechtsumkehrt.
Seht, drum hab' ich das Lied fo gern:
„Wie ſchön leuchtet der Morgenitern! “
Und ſpiel' noch heute jedesmal
Ganz ohne Vorſpiel den Choral,
Und wenn ich ſpiel', ſitzt immerdar
Mir dicht zur Seite der Huſar.
Ich höre ſeinen kräft'gen Baß,
Und da — wird mir das Auge naß.
Julius Sturm.
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185. Die Exelntion.
„Wer da wiederbringt den Deferteur,
Dreißig preuß’iche Thaler fein Douceur.”
Borgetrommelt ward’3 der Kompaneı —
Pfeifend in die Trommels Melodei
Aber macht ein jeder Kam’rab fi)
Seinen Text no 'zu abjonderlich,
Als da lautet: — Dreißig Schweben mir,
Aber ſechsmal Baflenlaufen dir —
J fo lauf, fo weit der Himmel blau!
In der Naht find alle Katzen grau!
Und alle melden, die da fommandiert:
„Der Dejerteur, Herr Hauptmann, ift 'happiert.“ —
Nur einer ſpricht: „„Ich bring’ den Deferteur!” *
Und bringet feinen eignen Bruder ber.
„Schwer Geld!“ ſpricht der Kap’tän beim Dreißigzählen,
Und jener fpridt: „Herr Hauptmann, zu befehlen.“ “
Der Bruder durch die heiße Gaſſe läuft,
Daß ihm der blut’ge Schweiß vom Leibe träuft,
Und ala er durchgelaufen dreimal fchon,
Da tritt fein Bruder in die Er’kution.
„„Herr Hauptmann“ *, fpricht er, „„halten's mir zu Gnad',
Spricht ungefragt ein Wort 'mal ein Soldat.
Ihr mwollet mich die andern dreimal Gaflen
In Gnaden für den Bruder laufen laſſen.““
„Badt, Kerl, es dich an deiner armen Seelen?“
Und jener fpridt: „„Herr Hauptmann, zu befehlen!
Herzvater jchrieb ein Schreiben an uns beid’,
Klein war der Brief, doch groß das Herzeleid:
Verſchuldet ift durch Krankheit, Not und Gram
Um ganzer dreißig Thaler mir mein Kram;
Mein Gläub’ger dränget mich aus Hof und Haus,
Zahl ich nicht ftrads ihm jenen Glauben aus.
Ich kann's doch nun und nimmermehr erwerben
Und muß an dreißig Thalern ganz verderben. —
Da daten wir in unſers Herzens Drang:
Es ift doch unſer Vater lebelang,
Und daten auch: Ein graues Leid ift hart,
Und Herz nicht haben fein’ Soldatenart;
Davon nicht laufen fol der alte Mann!
Biel lieber laufe, wer noch laufen kann.
Soll einer laufen — nun, fo laufen wir;
Wir lojen, Bruder, drum — dir oder mir —
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Und machten Loſe nad Soldatenbraud;
Zwei Stüd, ein weißes und ein ſchwarzes auch:
Weiß, der für feinen Bater läßt fein Blut,
Schwarz, der Verräter ift um ſchnödes Gut.
Und nun, Herr Hauptmann, halten’3 mir zu Gnaden!
Wie es nun weiter fam, das zu erraten
ft keine Hererei — doch, wie's mir flog
Hier unterm Kopf, als ich den Judas 309,
Das fol, mit Permiffion von Euer Gnaden,
Kein Hundsfott weiter wohl erraten.
Wie Gott will, dacht’ ih, fat’ mein Herze feit,
Daß ed mich nicht in fchwerer Not verläßt;
Nun bricht's mir doch in tauſend Stüde bin,
Dieweilen ich fein lieber Bruder bin.“ —
Der Hauptmann ſprach: „Mein Sohn, der Dejerteur
Kriegt ſechsmal — und du das Douceur; —
Wie die Artikel‘ lauten, fo geſchicht's,
Und daran ändert auch Fein Teufel nichts;
Doch hat's damit nicht allzugroße Eile.
Gemelbet werd’ der Kaſus mittlerweile
Ins Hauptquartier an Seine Majeftät,
Diemeil da Gnade gern für Necht ergeht.“
Und Seine Majeftäten rejolvieren:
„Excutiones weiter nicht zu exkutieren!
Mer für den Pater macht die Gaflen,
Wird's auch fürs Baterland nicht unterlaffen.
Und da ein gut Exempel förderlich,
Seind Korporals fie beide. — Friederid).“
8. Icherenberg.
156. Breuiiiche Feldherru.
1. Der alie Derfiling.
1. Es haben alle Stände
Sp ihren Degenwert,
Und felbit in Schneiverhände
Kam einit das Heldenſchwert.
Drum jeber, der da zünftig
Mit Nadel und mit Scher‘,
Der made jetzt und künftig
Bor Derffling fein Honneur.
2. In feinen jungen Tagen
War das ein Schneiderblut,
Doch mocht' ihm nicht behagen
So Zwirn wie Fingerbut;
Und wenn er ala Geſelle
So faß und fädelt' em,
Schien ihm die Schneiberhölle
Die Hölle ſelbſt zu fein.
3. Einft, als das Nabdelhalten
Ihm ſchier and Leben ging,
Dacht' er: Das Schäbelipalten
Sit doch ein ander Ding.
Fort warf er Maß und Elle
Vol Kriegsluſt an die Wand
Und nahm an Nadel Stelle
Den Säbel in die Hand. '
4. Sonft focht er ſtill und friedlich
Nah Handwerksburfhen- Recht,
Geht war er unermüdlich
Beim Fechten im Gefecht.
Es war der flinfe Schneider
Zum Stechen wohl geichidt;
Dft bat er an die Kleider
Dem Feinde was geflidt.
5. Er ftieg zu hoben Ehren,
Feldmarſchall ward er gar;
Es mocht' ihn wenig Tehren,
Daß er einft Schneider war;
Nur, fand er einen Spötter,
Verſtund er Teinen Spaß
Und brummte: Für Hundsfötter
Sitzt hier mein Ellenmaß.“
6. Krank lag in jeinem Schlofie
Der greile Feldmarſchall;
Keins feiner Lieblingsrofie
Kam wiehernd aus dem Stall;
Er ſprach: „Als alter Schneider
Weiß ich feit langer Zeit,
Man wechfelt ferne Kleider;
Auch hab’ ich des nicht Leid.
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7. Es fehlt ber alten Hülle
In Breite ſchon und Läng',
Der Geiſt tritt in die Fülle,
Der Leib wird ihm zu eng;
Geſegnet ſei dein Wille,
Herr Gott, in letzter Not!“
Er ſprach's und wurde ftille —
Der alte Held war tot.
2. Der alte Sieten.
1. Joachim Hans von Zieten,
Hufaren- General,
Dem Feind die Stimme bieten
Thät ex die hundertmal.
Sie haben’3 all’ erfahren,
Wie er die Pelze wuſch
Mit feinen Leibhufaren,
Der Zieten aus dem Bud.
2. Hei, wie den Feind fie bleuten
Bei Lowoſitz und Prag,
Bei Liegnig und bei Leuthen
Und weiter, Schlag auf Schlag!
Bei Torgau, Tag der Ehre,
Ritt felbft der Fritz nah Haus;
Doch Zieten ſprach: „ch kehre
Erſt noch mein Schlachtfeld aus!“
3. Sie ſtritten nie alleine,
Der Zieten und der Fritz;
Der Donner war der eine,
Der andre war ber Blik.
Es wies fich feiner träge,
Drum fchlug’8 auch immer ein;
Ob warm’, ob kalte Schläge:
Sie pflegten gut zu fein.
4. Der Friede war gefchloffen;
Doch Krieges Luft und Dual,
Die alten Schlachtgenofien
Durdlebten’3 noch einmal.
Wie Marihall Daun gezaubert,
Und Fritz und Bieten nie,
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Es ward jebt durchgeplaudert
Bei Tiih in Sanzfouct.
5. Einft mocht' es ihm nicht ſchmecken,
Und fieh, der Zieten fchlief.
Ein Höfling will ihn weden,
Der König aber rief:
„zaßt Schlafen mir den Alten!
Er Hat in mander Nacht
Für uns fih wach gehalten, —
Der bat genug gewacht!“
6. Und als die Zeit erfüllet
Des alten Helden war,
Lag einst, jchlicht eingehüllet,
Hana Zieten, der Hufar.
Wie felber er genommen
Die Feinde ſtets im Huſch,
Sp war der Tod gelommen,
Mie Zieten aus dem Buſch.
3. Seidlitz.
1. Herr Seiblig auf dem Falben
Sprengt an die Front heran,
Sein Aug’ ift allenthalben,
Er muftert Roß und Mann;
Er reitet auf und nieder
Und biidt fo luftig brein,
Da wiſſen's alle Glieder:
Heut wird ein Tanzen jein.
2. Noch weit find die Franzofen;
Doch Seidli will zu Ball.
Die gelben Lederhoſen
Sie figen drum jo prall,
Schwarz glänzen Hut und Krempe
Im Sonnenfdein zumal,
Und gar die blanfe Plempe
Blitzt ſelbſt wie Sonnenftraßl.
3. Sie brechen auf von Halle,
Die Tänzer allbereit.
Bis Gotha Hin zum Balle
Iſt freilich etwas meit;
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Doch Seidlitz, vorwärts trabend,
Sprit: „Kinder, wohlgemut!
Sch denk', ein Iuft’ger Abend
Macht alles wieder gut.“
4. Die Naht ift eingebrochen;
Zu Gotha auf dem Schloß —
Welch Tanzen da und Kochen
Sm Saal und Erdgeichog!
Die Tafel trägt das Befte
An Wein und Vi und Fiſch —
Da, ungebetne Gäfte
Führt Seiblit an den Tiſch.
5. Die Witz- und Mortjpieljäger
Sind fort in einem Satz,
Die Schwert- und Stulpenträger
Sie nehmen hurtig Plab;
Herr Seidlitz bricht beim Zechen
Den Flaſchen all’ den Hals;
Man weiß, das Hälfebrechen
Verftund er allenfalls.
6. Getrunken und gegeflen
Hat jeder, was ihm fcheint;
Dann heißt ed: „Aufgejefien
Und wieder nah — dem Feind!“
Der möchte ſich verſchnaufen
Und hält bei Roßbach an,
Doch nur um fortzulaufen
Mit neuen Kräften dann. —
7. Das waren Seiblig’ Späße.
Bei Zomdorf galt es Zorn;
Als ob's im Namen ſäße,
Nahm man fih da aufs Kom;
Das flavifhe Gelihter —
Herr Seidlitz hoffte, traum,
Noch menſchliche Gefichter
Aus ihnen zuzuhaun.
8. Des Krieges Blutvergeuben
Die Fürften kriegten's jatt;
Nur Seiblig wenig Freuden
An ihrem Frieven bat;
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Dft jagt er drum vom Morgen
Bis in die Nacht hinein;
Es können dann die Sorgen
So fchnell nicht Hinterbrein.
9. Er kam nicht hoch zu Jahren,
Früh trat herein der Tod.
Könnt' er zu Roſſe fahren,
Da hätt's noch keine Not;
Doch auf dem Lager balde
Hat ihn der Feind beſiegt,
Der draußen auf der Halde
Wohl nimmer ihn gekriegt.
Theod. Sontane.
187. Prinz Lonis Ferdinand.
(F 10. Oktober 1806.)
1. Prinz Ludwig ſitzt vorm Saitenſpiel
Im Rudolſtädter Schloſſe,
Der letzte Strahl durchs Fenſter fiel,
Und Nacht wird ſein Genoſſe.
2. „Ade, mein Preußen!“ greift voll Schmerz
Er wieder in die Taſten,
Als ſchlüg' er drein ſein wildes Herz
Mit allen ſeinen Laſten;
3. Springt auf: „Mein Pferd! mein Pferd! muß fort
Zu meinen Fahnen reiten!“
Stürmt weg, noch ehe der Accord
Verklungen aus den Saiten.
4. „„Die Pferde vor! Wir reiten mit!““
Nachſtürzen aus dem Saale
Sich Freund und Arzt zum ſpäten Ritt.
„Ich dank' euch allzumale.
5. Kein Freund, ſo viel er mir auch wert,
Kein Doktor heilt die Wunde;
Was mir an meinem Herzen zehrt,
ft Preußens ſchwache Stunde.
6. Wo bift du Friedrichs Gloria?
Verblaßt an der Misöre —
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Wir betteln! ratio ultima —
Verfederfuchſt die Ehre!“
7. Stößt feinem Schweißfuchs fort zu Thal
Den Blutiporn in die Flanken,
Als hätt! er Preußen unterm Stahl
Mit feinen Rub- Gedanten.
8. Und reitet durch diejelbe Nacht,
Ro auch in ſchlimmen Tagen
Sein großer Ohm fi aufgemacht,
Sein Hochkirch zu erjagen.
9. Auffteigen die Nebel um feinen Ritt,
Es reiten die bleihen Scharen
Gar ftil wie tote Schmabronen mit,
Herbftwinde die Yanfaren.
10. Der wilde Stern durch Wollen jagt,
Nachflüfternd fallen die Blätter,
Die Saale rauſcht, die Saale klagt,
Sie träumet ſchwere Wetter.
11. Und ala die Morgenwinde naß
Am Federbuſche ftreifen,
Die bleihen Nebel fallen ins Gras,
Und Roß und Reiter träufen,
12. Und tot der Stern, und drüber kalt
Die feuchten Burpur treiben:
Da macht der Prinz vor Saalfeld Halt
Und fpridt: „Hier muß ich bleiben.”
13. Still grüßt fein Hauf' von Brüd’ und Gaſſ',
Stil dankt er feinen Fahnen;
„Wir halten“, fpricht er, „vielen Pa,
Will durch Franzos fi bahnen.
14. Angreifen nicht, nur wehren ſich!
So lauten die Befehle —“
Befiehlt er felbft fich innerlich
Zur Rube feiner Seele.
15. Derweilen fucht fein Aug’ durchs Thal:
„Will Fein Franzoſe kommen?“ —
Die Berge glüben, ein Yanal,
Bon ihrer Sonn’ erglommen.
16. Bortänzelt ihr: „Vive l’Empereur!“
Ein Häuflein aus dem Berge,
Es ift der kleine Voltigeur. —
Er mißt die Handvoll Zwerge,
17. Mißt fie an feinem Heereshauf',
Und feine Bulfe treiben,
Der ganze Mann fteht in ihm auf:
„Und davor ruhig bleiben!? —
18. St auch verboten eine Schlacht,
Ein Sieg ift immer befohlen:
Schwadronen, drauf! 'n Choc gemacht!
Die müſſen wir uns holen.“
19. Und bei! als ritte der wilde Tob
Einher auf taufend Roſſen,
Vorſchießt der Stern ind Morgenrot,
Nach feine Reiter fchoffen.
20. Fort über Au’ und Brüde fliegt
Das raſſelnde Gemitter,
Weg fpreut das Gras, das Joch fich biegt,
Die Planken ftieben in Splitter.
21. Und „en avant!“ fpricht der Franzos,
Und hinter feinen Bergen
Vorwächſt zu Dreißigtaufend groß
Ein Riefe aus den Zmwergen.
22. Legt feine Bruft und beide Arm’
Zermalmend um die Degen,
Sie all’ au der Umarmung warm
Ins fühle Grab zu legen.
23. Prinz Ludwig aber ſchaut, als wär’
Erlöſung im Berberben:
„Und find es nun auch fo viel mehr,
Wir Tonnen nichts als fterben.“
24. Er ſpricht's und dedt mit feinem Hut
Den Stern auf feinem Kleide,
Ein Reiter frei mit feinem Blut
Zu werben auf grüner Heibe.
25. „Komm, blafje Braut, an meine Bruſt!
Dir will ih mich ergeben!
Ich liebt’ manch Kind voll Leidesluſt,
So liebt’ ich keins im Leben!“
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26. Er ftürzt mit wilder Seligfeit
In ihr verzehrend euer,
Und voll hat er die Braut gefreit,
Der ſchönſte aller Freier.
27. Und voll bat fie ihn auch empfahn,
Den Liebling aller Herzen;
Thut voll ihm auch die Liebe an
Mit allen ihren Schmerzen.
28. Hinab finft er von feinem Roß,
Zerſtochen und zerfchoflen,
Sein prachtvoll Leben ftrömend fchoß,
Daß alle Adern flofien.
29. Und wie die Nebel auf der Au
AU feine Reiter liegen,
Und wie der Weſtwind übern Tau
Die Kaiſeradler fliegen;
30. Durchs Morgenrot nad Jena fort
Sie ihre Fahnen reißen,
Aushaucht er in den Sturmaccord
Sein legt” „Ade, mein Preußen!“
8. Sherenberg.
188, Audreas Hofer.
(Auguft 1809.)
1. Als der Sandwirt von Paſſeier
Innsbruck bat mit Sturm genommen,
Die Studenten, ihm zur feier,
Mit den Geigen mittags kommen,
Laufen alle aus der Lehre,
Ihm ein Hochvivat zu bringen,
Wollen ihm zu feiner Ehre
Seine Heldenthaten fingen.
2. Doch der Held gebietet Stille,
Spridt dann ernft: „Legt hin die Geigen!
Emft ift Gottes Kriegeswille;
Wir find al’ dem Tode eigen!
Sch Tieß nicht um luſt'ge Spiele
Weib und Kind in Thränen liegen;
Weil ih nah dem Himmel ziele,
Kann ich ird'ſche Feind’ befiegen.
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3. Kniet bei euren Roſenkränzen!
Dies find meine frobften Geigen;
Wenn die Augen betend glänzen,
Wird fih Gott der Herr drin zeigen.
Betet leife für mid Armen,
Betet laut für unfern Kaiſer;
Dies ift mir das liebfte Carmen:
Gott ſchütz' edle Fürftenhäufer!
4. Ich hab’ Feine Zeit zum Beten;
Sagt dem Herrn der Welt, wie's ſtehe,
Wie viel Leichen wir bier fäten
In dem Thal und auf der Höhe,
Wie wir hungern, wie wir machen,
Und mie viele brave Schüßen
Nicht mehr ſchießen, nicht mehr lachen —
Gott allein kann uns beſchützen!“
Mar von Schenkendorf. (10. Aug. 1814.)
189, Audreas Hofer.
(20. Febr. 1810.)
1. Zu Mantua in Banden
Der treue Hofer war,
In Mantua zum Tode
Führt’ ihn der Feinde Schar;
Es bfutete der Brüder Herz,
Ganz Deutihland, ah, in Schmadh und Schmerz!
Mit ihm das Land Tirol!
2. Die Hände auf dem Rüden,
Andreas Hofer ging
Mit ruhig feſten Schritten,
Ihm fchien der Tod gering;
Der Tod, den er fo mandes Mal
Vom Iſelberg geſchickt ing Thal
Im heil'gen Land Tirol.
.3. Doch als aus Kerkergittern
Im feſten Mantua
Die treuen Waffenbrüder
Die Händ' er ſtrecken ſah,
Da rief er aus: „Gott ſei mit euch,
Mit dem verratnen deutichen Reich
Und mit dem Land Tirol!“
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4. Dem Tambour will der Wirbel
Nicht unterm Schlägel vor,
Als nun Andreas Hofer
Schritt durch das finftre Thor.
Der Sandwirt, noch in Banden frei,
Dort Stand er feft auf der Baſtei,
Der Mann vom Land Tirol.
5. Dort foll er nieverfnieen;
Er ſprach: „Das thu' ih nit!
Will fterben, wie ich ftehe,
Will fterben, wie ich tritt,
So wie ih ſteh' auf diefer Schany’;
Es leb' mein guter Kaiſer Franz,
Mit ihm fein Land Tirol!“
6. Und von der Hand die Binde
Nimmt ihm der Korporal,
Andreas Hofer betet
Allbier zum lehtenmal;
Dann ruft er: „Nun, fo trefft mich recht!
Gebt Feuer! — Ab, wie fchießt ihr fchlecht!
Ade, mein Land Tirol!“
Jul. Moſen.
190. Soldaten⸗Morgenlied.
1. Erhebt eud von ber Erde,
Ihr Schhläfer, aus der Ruh!
Schon wiehern uns die Pferde
Den auten Morgen zu.
Die lieben Waffen glänzen
So hell im Morgenrot,
Man träumt von Siegeskränzen,
Man dentt auch an den Tod.
2. Du reicher Gott in Gnaden,
Schau ber vom blauen Zelt;
Du felbft Haft uns gelaben
In dieſes Waffenfeld.
Laß uns vor dir beſtehen
Und gieb uns heute Sieg;
Die Chriſtenbanner wehen,
Dein iſt, o Herr, der Krieg.
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3. Ein Morgen foll no kommen,
Ein Morgen, mild und Har;
Sein harren alle Frommen,
Ihn ſchaut der Engel Schar.
Bald fcheint er fonder Hülle
Auf jeven deutihen Mann;
O brich, du Tag der Fülle,
Du Freibeitstag, brih an!
4. Dann Klang von allen Türmen
Und Klang aus jeder Bruſt,
Und Ruhe nad den Stürmen
Und Lieb’ und Lebensluſt!
Es ſchallt auf allen Wegen
Dann frohes Siegsgeſchrei —
Und mir, ihr madern Degen,
Wir waren auch dabei!
Mar v. Schentendorf.
191. Auf Scharnhorfis Tod,
Scharnhorſt, bei Lügen am 2. Mai 1813 ſchwer verwundet, ftarb
infolgedefjen am 28. Juni 1813 zu Prag.)
1. In dem wilden Kriegestanze
Brach die fchönfte Heldenlange,
Preußen, euer General.
Luftig auf dem Feld bei Lügen
Sah er Freiheitäwaffen bligen;
Doch ihn traf der Tobesftradl.
2. „Kugel, raffft mich doch nicht nieder!
Dien’ euch blutend, werte Brüder;
Führt in Eile mich gen Prag!
Will mit Blut um Oſtreich werben;
Iſt's beichloffen, will ich fterben,
Mo Schwerin im Blute lag.“
3. Arge Stabt, wo Helden Tranten,
Heil’ge von den Brüden ſanken,
Reißeft alle Blüten ab!
Kennen dich mit leifen Schauen —
Heil'ge Stadt, nad deinen Mauern
Zieht ung manches teure Grab.
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4. Aus dem iwbifhen Getümmel
Haben Engel in den Himmel
Seine Seele janft geführt,
Zu dem alten deutichen Rate,
Den im ritterlichen Staate
Ewig Kaifer Karl regiert.
5. „Grüß euch Gott, ihr teuren Helden!
Kann euch frohe Zeitung melden:
Unfer Bolt ift aufgewadt!
Deutſchland hat fein Recht gefunden;
Schaut, ih trage Sühnungswunden
Aus der heil’gen Opferſchlacht!“
6. Solches bat er dort verkündet,
Und wir alle ftehn verbündet,
Daß dies Wort nicht Lüge jet.
Heer, aus feinem Geift geboren,
Jäger, die fein Mut erkoren,
Wählet ihn zum Feldgefchrei!
7. Bu ben höchſten Bergesforften,
Wo die freien Adler borften,
Hat fih früh fein Blid gewandt;
Nur dem Höchften galt fein Streben,
Nur in Freiheit konnt' er leben:
Scharnhorft ift er drum genannt.
8. Keiner war wohl treuer, reiner;
Näher ftand dem König Feiner, —
Doch dem Volle ſchlug fein Herz.
Emig auf den Lippen ſchweben
Wird er, wird im Bolfe leben,
Befler als in Stein und Erz.
Mar v. Schentendorf. (Geptbr. 1813.)
192. Das Lied vom Feldmarichall.
1. Was blafen die Trompeten? Hufaren, heraus!
Es reitet der Feldmarſchall im fliegenden Saus,
Er reitet jo freudig fein mutiges Pferd,
Er jchminget jo jchneidig fein bligendes Schwert.
2. O ſchauet, wie ihm leuchten die Augen fo Har!
O fchauet, wie ihm wallet fein ſchneeweißes Haar!
So friſch blüht fein Alter wie greifender Wein,
Drum kann er auch Verwalter des Schlachtfeldes fein.
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3. Der Mann ift er geweien, als alles verjant,
Der mutig auf gen Himmel den Degen noch ſchwang;
Da ſchwur er beim Eifen gar zornig und Bart,
Den Welfchen zu mweifen die deutſcheſte Art.
4. Den Schwur hat er gehalten. Als Kriegsruf erflang,
Hei, wie der weiße Süngling in’n Sattel ſich ſchwang!
Da iſt er’3 gemefen, der Kehraus gemacht,
Mit eifernem Beſen das Land rein gemacht.
5. Bei Lügen auf der Aue er bielt folden Strauß,
Daß vielen taufend Welchen der Atem ging aus,
Daß Taufende liefen dort hafigen Lauf,
Zehntauſend entichliefen, die nimmer wachen auf.
6. Am Wafjer der Katzbach er’3 auch hat bewährt,
Da bat er die Franzofen das Schwimmen gelehrt;
Fahrt wohl, ihr Franzofen, zur Oſtſee Binab!
Und nehmt, Ohnehoſen, den Walfiſch zum Grab!
7. Bei Wartburg an der Elbe wie fuhr er hindurch!
Da ſchirmte die Franzoſen nicht Schanze no Burg;
Da mußten fie fpringen wie Hajen übers Feld,
Hinterdrein ließ erklingen fein Huſſa! der Held.
8. Bei Leipzig auf dem Plane, o herrliche Schladt!
Da brach er den Franzofen das Glück und die Macht;
Da Iagen fie ficher nach blutigem Fall,
Da warb der Herr Blüder ein Feldmarſchall.
9. Drum blafet, ihr Trompeten! Hufaren, heraus!
Du reite, Herr Feldmarſchall, wie Winde im Saus!
Dem Siege entgegen, zum Rhein, übern Rhein,
Du tapferer Degen, in Frankreich hinein!
&. M. Arndt. (1818,)
193. Bluͤcher.
1.
1. Als Blüher auf dem Feld der Schlacht
Gemaltig disputieret,
Mo Gott der Herr mit feiner Macht
Ihm ſelber präſidieret,
Hat England ihn dafür
Nach Recht und nach Gebühr
Gemacht zum Doktor juris.
— 293 —
2. Doktor vom echten Ritterrang,
Das Schwert ift deine Feder,
Die Streitſach' ift ein Waffengang,
Das Schlachtfeld der Katheder;
Da trittſt du mit Gewicht
Dem Feind vord Angeficht,
Als rechter Doktor juris.
3. Fahr’ nur in dem Prozeſſe fort,
Den du mit ihm begonnen,
Führ mit Kanonenſchall dein Wort,
Bis daß du haft gewonnen.
Lehr’ unfer deutſches Recht
Den Franzmann im Gefedt,
Held Blücher, Doktor juris!
2.
1. Als Blüher der Held und Wellington
Als Sieger zufammentraten,
Die beiden, die fih lange jchon
Gekannt aus ihren Thaten;
Da fprah zu Wellington Blücher bald:
„Du Held, fo jung von Jahren,
An Klugheit und Bedacht fo alt,
Wie ich mit grauen Haaren!“
2. Da ſprach zu Blüher Wellington:
„Du Held von ſtarker Tugend,
Bon Locken fo gealtert ſchon,
Das Herz fo frifh von Jugend!“
Da ftand der Jüngling und der Greis,
Sie gaben ſich die Hände
Und fragten, ob auf dem Erdenkreis
Noch fo ein Paar fich fände.
8.
1. Als Blücher durch die Straßen
Londons im Wagen fuhr,
Drängte fih ohnemaßen
Das Volk auf feine Spur.
2. Sie wollten all’ ihn grüßen;
Da bielt er aus dem Schlag,
— 24 —
Weil man fie wollte Füflen,
Die Hand den ganzen Tag.
3. Sie füßten auf und nieder,
Wo jeder kam dazu,
Die Hand dur alle Glieder,
Die Hand und ihren Schub.
4. Da ſprach der alte Streiter
Still zu fih mit Verſtand:
„Wenn das jo fortgeht meiter,
So fomm’ ih um die Hand.
5. Man wird fie ab mir füflen;
Und ja nicht weiß ih doch,
Ob ich fie werde müſſen
Nicht brauchen irgend noch.“
6. Drauf eine Hand von Leber
Seht’ er an jener Statt:
Da füfle nun fi jeder
Nah Luft am Leber jatt.
7. Sie fahn am Wagen baumeln
Die Hand, die fchlapp genug;
Sie füßten fie mit Taumeln
Und merkten nicht den Trug.
8. Auffiel ihr welk Geſchlotter
Doch einem von der Schar,
Der von Pudding und Porter
Genährt am beften mar.
9. „Goddam!“ ſprach er verwegen,
„Wie konnte dieſe Hand
Nur führen jenen Degen,
Der Frankreich überwand?“
4.
1. Da kamen, von dem Namen
Des deutfchen Feldmarſchalls
Gelodt, die britt'ſchen Damen
Herbei nun ebenfalls,
2. Begehrten von den Haaren
Des alten Feldmarſchalls,
As Schmud fie zu bewahren
Am Bufen, um den Hals.
— 295 —
3. De zog er ohne Stoden
Den Hut vom Haupte fein
Und zeigte, daß die Locken
Ihm audgegangen fein.
4. „Berzeihung, ſchöne Damen,
Daß ih mit ſolchem Flor
Nicht dienen Tann; es kamen
Euch andre ſchon zuvor,
5. Die mir die Loden nahmen
Und ftritten drum zumal:
Die Jahre, Ihöne Damen,
Sind’3, die mich madten Fahl.
6. Die Triegerifchen Jahre,
Sie nahmen alles ſchier,
Und dieſen Heft nur fpare
Sch noch für Deutichland bier,
7. Daß, wenn mir altem Tropfe
Wird dort ein Lorbeerkranz,
Er auf dem kahlen Kopfe
Sei ohne Halt nit ganz.“
5.
(Blücher ſtarb 77jährig, am 12. September 1819.)
1. „Bei Gott, ih muß mid zum Empfang
Des alten Helden fhiden,
Den ich verfolgt hab’ oft und lang’
Bon bier mit meinen Bliden.
2. Ich bab’ gefehn in mander Schlacht
Wohl jeine Blitzesſchnelle,
Und jegund, eh’ ich es gedacht,
Iſt er auch bier zur Stelle.
3. Weit drüben, dacht’ ich, fei er noch,
Dazwiſchen meite Klüfte;
Er aber ift Hindrüber hoch
Gefprungen dur die Lüfte.
4. Als ob im Dampf er vor fich Hab’
Den Graben einer Schanze,
ft er geiprungen übers Grab
Und ift ſchon nah im Glanze.“
— 296 —
5. Im Himmel ſprach's der alte Fritz
Und hob des Blüchers wegen
Sih von dem hohen Heldenſitz
Und ging ihm ſtracks entgegen.
6. Der Blücher fam ihm doch zuvor,
Eintrat er gleich dem Blite
Und ſenkte, fchreitend durch das Thor,
Bor ihm des Degens Spike.
7. Vorbei fchritt er dem alten Fritz
Und trat, ohn' umzuſchauen,
Hin, wo er ſah auf ihrem Sit
Die Königin der Frauen.
8. Da bradt’ er feinen erften Gruß
Der preußiichen Zuife
Und beugte vor ihr feinen Fuß,
Daß er ihr Ehr’ ermiefe.
9. Worauf er den Bericht ihr gab
Bon Grüßen, die ihr Gatte,
Sein König, für fie über Grab
Ihm anbefohlen hatte.
10. Sie dankt' ihm mit Holbfeligkeit,
Und fo, nach abgethanen
Geſchäften, trat er dienſtbereit
Zu feines Königs Ahnen.
Ir. Rüdert. (1816. 1817.)
194. Die Leipziger Schlacht.
(16.— 19. Öftober 1813.)
1. Wo fommft bu ber in dem roten Kleid
Und färbit das Gras auf grünem Plan?
Ich Tomm’ aus blutigem Männerftreit,
Sch komme rot von der Ehrenbahn;
Mir haben die blutige Schlacht geichlagen,
Drob müflen die Mütter und Bräute lagen,
Da ward ich fo rot.
2. Sag an, Gefell, und verfünde mir,
Wie beißt das Land, mo ihr ſchlugt die Schladt?
Bei Leipgig trauert das Morbrevier,
Das mandes Auge voll Thränen mad;
— 297 —
Da flogen die Kugeln wie Winterfloden,
Und Taufenden mußte der Atem ftoden
Bei Leipzig der Stadt.
3. Mie beißen, die zogen ind Todesfeld
Und ließen fliegende Banner aus?
Es kamen Völker aus aller Welt,
Die zogen gegen Franzojen aus,
Die Rufen, die Schweden, die tapfern Preußen
Und die nah dem glorreihen Dftreich heißen,
Die zogen all’ aus.
4. Wem ward ber Sieg in dem harten Streit?
Wem warb der Preis mit der Eifenhand?
Die Welſchen bat Gott wie die Spreu zeritreut,
Die Welfhen hat Gott verweht wie den Sand;
Biel Taufende deden den grünen Rafen;
Die übrig geblieben, entflohen mie Hafen,
Rapoleon mit.
5. Nimm Gottes Lohn! habe Dank, Gejell!
Das war ein Klang, der das Herz erfreut!
Das Hang wie himmlische Zimbeln hell,
Habe Dant der Mär von dem blutigen Streit!
Laß Witwen und Bräute die Toten klagen,
Wir fingen noch fröhlich in ſpäteſten Tagen
Die Leipziger Schladit.
6. D Leipzig, freundliche Lindenftadt,
Dir ward ein leuchtendes Ehrenmal:
Solange rollet der Jahre Rad,
Solange feheinet der Sonnenftrahl,
Solange die Ströme zum Meere reifen,
Wird noch der fpätefte Enkel preijen
Die Leipziger Schlacht.
&. M. Arndt. (1818,)
195. Auf die Schlacht von Leipzig.
1. Kann denn kein Lieb
Krachen mit Macht
So laut, wie die Schladt
Hat gekracht um Leipzigs Gebiet?
— 298 —
2. Drei Tag’ und drei Nacht',
Ohn' Unterlaß,
Und nicht zum Spaß
Hat die Schlacht gefradit.
3. Drei Tag’ und drei Nacht'
Hat man gehalten Leipziger Meflen,
Hat euch mit eiferner Elle gemeſſen,
Die Rechnung mit euch in? Gleiche gebradt.
4. Drei Nacht' und drei Tag’
Währte der Leipziger Lerchenfang;
Hunderte fing man auf einen Gang,
Tauſend auf einen Schlag.
5. Ei, es tft gut,
Daß fich nicht können die Ruſſen brüjten,
Daß allein fie ihre Wüſten
Tränten können mit Feindesblut.
6. Nicht im alten Rußland allein,
Auch in Meißen,
Auch bei Leipzig an der Pleißen
Kann der Franzoje geichlagen fein.
7. Die feichte Pleiß' ift von Blut gefchwollen,
Die Ebenen haben
So viel zu begraben,
Daß fie zu Bergen und werben follen.
8. Wenn fie und zu Bergen auch nicht werden,
Wird der Ruhm
Zum Eigentum
Auf ewig davon und werden auf Erden.
Sr. Rudert.
196. Der Trompeter au der Katzbach.
(26. Auguſt 1813.)
1. Bon Wunden ganz bebedet
Der Trompeter fterbend ruht,
An der Katzbach hingeſtrecket,
Der Bruft entitrömt das Blut.
— 299 —
2. Brennt auch die Todeswunde,
Doch ſterben kann er nicht,
Bis neue Siegeskunde
Zu ſeinen Ohren bricht.
3. Und wie er ſchmerzlich ringet
In Todesängſten bang,
Zu ihm herüber dringet
Ein wohlbekannter Klang.
4. Das hebt ihn von der Erbe!
Er firedt fi ftarr und wild —
Dort fit er auf dem Pferde,
Als wie ein fteinern Bild!
5. Und die Trompete fehmettert —
Feſt hält fie feine Hand —
Und wie ein Donner wettert
Biltoria in das Land.
6. Biltoria! — fo Hang es,
Viktoria! — überall,
Viktoria! — fo drang es
Hervor mit Donnerfchall.
7. Doc als es ausgeflungen,
Die Trompete ſetzt er ab —
Das Herz ift ihm zeriprungen,
Dom Roß ftürzt er herab.
8. Um ihn herum im reife
Hielt's ganze Regiment,
Der Feldmarſchall ſprach Teile:
„Das beißt ein felig End’!“
Jul. Mofen.
197. Die Trompete von Gravelotte.
(18. Yuguft 1870.)
1. Sie haben Tod und Verderben gefpie'n;
Wir haben es nicht gelitten.
Zwei Kolonnen Fußvolk, zwei Batterien,
Wir haben fie niedergeritten.
2. Die Säbel geſchwungen, die Zäume verhängt,
Tief die Lanzen und hoch die Fahnen;
So haben wir fie zufammengefprengt, —
Küraffiere wir und Ulanen.
— 300 —
3. Doch ein Blutritt war es, ein Todesritt;
Wohl wichen fie unfern Hieben,
Doh von zwei NRegimentern, was ritt und was ftritt,
Unſer zmeiter Mann tft geblieben.
4. Die Bruſt durchſchoſſen, die Stirn zerflafft,
So lagen fie bleich auf den Rafen,
In der Kraft, in der Jugend bahingerafft, —
Nun, Trompeter, zum Sammeln geblajen!
5. Und er nahm die Trompet’, und er hauchte hinein,
Da, — die mutig mit fchmetterndem Grimme
Uns geführt in den herrlichen Kampf hinein,
Der Trompete verjagte die Stimme!
6. Nur ein Hanglos Wimmern, ein Schrei voll Schnierz
Entquoll dem metallenen Munde;
Eine Kugel hatte durdhlödhert ihr Erz, —
Um die Toten Tlagte Die wunde.
7. Um die Tapfern, die Treuen, die Wacht am Rhein,
Um die Brüder, die heute gefallen, —
Um fie alle, e3 ging uns durh Mark und Bein,
Erhub fie gebrochenes Lallen.
8. Und nun fam die Naht, und wir ritten hindann;
Rundum die Wachtfeuer lohten;
Die Roſſe jchnoben, der Negen rann —
Und wir dachten der Toten, der Toten!
4. Sreiligratb. (Auguſt 1870.)
198. Die Roſſe von Gravelotte.
1. Heiß war die Jagd und blutig die Schlacht,
Kühl wird der Abend und ruhig die Nacht.
2. Droben vom Waldfaum nieder ind Thal
Dreimal fchmettert Trompetenfignal,
3. Ladet fo laut und fchmettert fo hell,
Ruft die Dragoner zurüd zum Appell.
4. Truppmweis, in Rotten, zu dreien und zwei'n,
Stellen die tapferen Reiter fich ein.
5. Aber nicht alle kehren zurüd;
Mancher liegt da mit gebrodhenem Blid,
— 301 —
6. Kam zur Reveille friih noch und rot,
Liegt beim Appell bleich, blutig und tot.
7. Ledige Roffe, den Sattel leer,
Irren verwaiſt auf der Walſtatt umber.
8. Doch der Trompete fchmetternd Signal
Tönt aus der Ferne zum drittenmal.
9. Sieh, und der Rappe dort ſpitzt das Ohr,
Miehernd wirft er die Nüftern empor.
10. Schau, und der Braune gefellt fih ihm bei,
Trabt ihm zur Seite, wie jonft in der Reih'.
11. Selber der blutige Schimmel, jo müd',
Hinkt auf drei Beinen und reiht fih ins Glied.
12. Truppweis, in Rotten, zu dreien und zmei’n,
Stellen die ledigen Roſſe fi ein.
13. Roſſe wie Reiter verftehn den Appell;
Ruft die Trompete, jo find fie zur Stel”,
14. Über breihundert hat man gezählt
Roſſe, zu denen der Reitersmann fehlt.
15. Über dreihundert — o blutige Schlacht,
Die fo viel Sättel hat ledig gemacht!
16. Über dreihundert — o tapfere Schar,
Mo bei vier Mann ein Gefallener war!
17. Über dreihundert — o ritterlih Tier,
Ohne den Reiter noch treu dem Panier!
18. Wenn ihr die Tapfern von Gravelotte nennt,
Denkt auch der Rofie vom Leibregiment.
R. v. Gesot. (Auguft 1870.)
199. Mein Baterlaud.
1. Treue Liebe bis zum Grabe
Schwör ih dir mit Herz und Hand;
Was ich bin und mas ich habe,
Danf’ ich dir, mein Vaterland.
2. Nicht in Worten nur und Liedern
Sit mein Herz zum Dank bereit;
Mit der That will ich's erwidern
Dir in Not, in Kampf und Streit.
1
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15
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— 302 —
3. In der Freude wie im Leibe
Auf ich’3 Freund’ und Feinden zu:
Emig find vereint wir beide,
Und mein Troft, mein Glüd bift du.
4. Treue Liebe bis zum Grabe
Schwör’ ich die mit Herz und Hand;
Was ich bin und mas ich habe,
Dank’ ich dir, mein Baterland.
Deiner. Doffinann von Sallersleben.
200. Parabel.
Es ging ein Mann im Syrerland,
Führt! ein Kamel am Halfterband.
Das Tier mit grimmigen Gebärden
Urplötzlich anfing ſcheu zu werben
Und that fo ganz entjeglich ſchnaufen,
Der Führer vor ihm mußt’ entlaufen.
Er lief und einen Brunnen ſah
Bon ungefähr am Wege da.
Das Tier hört’ er im Rüden fchnauben;
Das mußt’ ihm die Befinnung rauben.
Er in den Schacht des Brunnens kroch,
Er ftürzte nicht, er ſchwebte noch.
Gewachſen war ein Brombeerftraud
Aus des geborfinen Brunnens Baud;
Daran der Mann fi feit that klammern
Und feinen Zuftand drauf bejammern.
Er blidte in die Höh’ und fah
Dort das Kamelhaupt furchtbar nah,
Das ihn wollt’ oben fafjen wieder.
Dann blidt’ er in den Brunnen nieder;
Da fah am Grund er einen Drachen
Aufgähnen mit entiperrtem Rachen,
Der drunten ihm verfchlingen wollte,
Wenn er hinunterfallen jollte.
So ſchwebend in der beiden Mitte,
Da fah der Arme noch das Dritte.
Wo in die Mauerfpalte ging
Des Sträudleine Wurzel, dran er Bing,
Da fah er ftill ein Mäuſepaar,
Echmarz cine, weiß die andre mar.
Er fah die ſchwarze mit der weißen
Abwechſelnd an der Wurzel beißen.
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— 303 —
Sie nagten, zauften, gruben, mwühlten,
Die Erd’ ab von der Wurzel fpülten;
Und wie fie riefelnd niederrann,
Der Drach' im Grund aufblicdte dann,
Zu jehn, wie bald mit feiner Bürde
Der Strauch entwurzelt fallen mürbe.
Der Mann in Angft und Furcht und Not,
Umftellt, umlagert und umbroßt,
Im Stand des jammerhaften Schmebens,
Sah fih nad Rettung um vergebens.
Und da er alfo um fich blidte,
Sah er ein Zweiglein, welches nidte
Vom Brombeerftraudh mit reifen Beeren;
Da konnt' er Doch der Luft nicht mehren.
Er jah nicht des Kameles Wut
Und nit den Drachen in der Flut
Und nicht der Mäufe Tüdelpiel,
Als ihm die Beer’ ind Auge fiel.
Er ließ das Tier von oben raufchen
Und unter fih den Drachen laufen
Und neben fi die Mäufe nagen,
Griff nah den Beerlein mit Behagen.
Sie deudten ihm zu efjen gut,
AB Beer’ auf Beerlein wohlgemut,
Und dur die Süßigleit im Eſſen
War alle feine Furcht vergeſſen. —
Du fragft: Wer iſt der thöricht” Dann,
Der fo die Furcht vergefien kann?
So wiſſ', o Freund, der Mann bift du;
Bernimm die Deutung auch dazu!
Es ift der Drach' im Brunnengrund
Des Todes aufgeiperrter Schlund;
Und das Kamel, das oben droht,
Es ift des Lebens Angft und Not.
Du bift’3, der zwiſchen Tod und Leben
Am grünen Straud der Welt muß fchweben.
Die beiden, fo die Wurzel nagen,
Did ſamt den Zweigen, die dich tragen,
Zu liefern ın des Todes Madt,
Die Mäufe beißen Tag und Nacht.
Es nagt die fchwarze wohl verborgen
Bom Abend heimlich bis zum Morgen,
Es nagt vom Morgen bis zum Abend
Die weiße, wurzeluntergrabend.
80
— 304 —
Und zwiſchen diefem Graus und Wuſt
Lockt dich die Beere Sinnenluit,
Daß du Kamel, die Lebenänot,
Daß du im Grund den Draden Tod,
Daß du die Mäufe, Tag und Nacht,
Vergiſſeſt und auf nichts haft acht,
Als daß du recht viel Beerlein hafcheft,
Aus Grabes Brunnenrigen najchelt.
Sr. Rüdert. (1822.)
201. Ber heilige Lulkas.
Legende.
1. Sankt Lukas fah ein Traumgefidt:
„Geh! mach dich auf und zögre nicht,
Das ſchönſte Bild zu malen.
Bon deinen Händen aufgeftellt,
Soll einft der ganzen Chriftenwelt
Die Mutter Gottes jtrahlen.“
2. Er fährt vom Morgenfhlaf empor,
Noch tönt die Stimm’ an feinem Obr;
Er rafft fih aus dem Bette,
Nimmt feinen Mantel um und geht
Mit Farbentaften und Gerät
Und Binfel und Palette.
3. So wandert er mit ftillem Tritt;
Nun fieht er ſchon Mariens Hütt'
Und klopfet an die Pforte.
Er grüßt im Namen unfers Herrn,
Sie öffnet und empfängt ihn gern
Mit mandem Holden Worte.
4. „O Aungfrau, wende deine Gunft
Auf mein beſcheidnes Teil der Kunft,
Die Gott mich üben laſſen!
Wie hoch gefegnet wär’ fie nicht,
Wenn ich dein heil’ges Angeficht
Im Bildnis dürfte fallen!“ —
5. Sie Iprad darauf demütiglich:
„sa, deine Hand erquidte mich
Mit meines Sohnes Bilde.
— 305 —
Er lächelt mir noch immer zu,
Obſchon erhöht zu Wonn' und Ruh
Der bimmlifchen Gefilve.
6. Ich aber bin in Magpgeftalt,
Die Erdenhülle ſinkt nun bald,
Die ih auch jung verachtet.
Das Auge, welches alles fieht,
Weiß, daß ich nie, um Schmud bemüht,
Im Spiegel mich betrachtet.” —
7. „Die Blüte, die dem Herrn gefiel,
Ward nicht der flücht'gen Jahre Spiel,
Holdfeligfte der Frauen!
Du fiehft allein der Schönheit Licht
Auf deinem reinen Antlig nicht;
Dod laß ed andre fchauen.
8. Bebente nur ber Gläub’gen Troft,
Wenn du der Erde lang’ entflohft,
Bor deinem Bild zu beten!
Einft tönt dir aller Zungen Preis,
Dir lallt das Kind, dir fleht der Greis,
Sie droben zu vertreten.” —
9. „Wie ziemte mir fo hoher Lohn?
Vermocht' ich doch den teuren Soße
Bom Kreuz nicht zu entladen.
Ich beuge felber fpät und früh
In brünftigem Gebet die Anie’
Dem Bater aller Gnaden.“
10. „DO Jungfrau, weigre länger nicht!
Er jandte mir ein Traumgeficht
Und bieß mir, dich zu malen.
Bon diefen Händen aufgefteflt,
Soll vor der weiten Chriſtenwelt
Die Mutter Gottes ftrahlen.“
11. „Woblan denn! fieh beseit mich Bier.
Doch kannſt du, fo erneue mir
Die Freuden, die ich fühlte;
. ©o rufe jene Zeit zwrüd,
Als einft das Kind, mein ſuͤßes Glück
Sm Schoß der Mutter ſpielte.“
— 306 —
12. Sankt Lulas legt and Werk die Hand,
Bon feiner Tafel unverwandt
Lauſcht er nad allen Zügen.
Die Kammer füllt ein klarer Schein,
Da gaufeln Engel aus und ein
Sn wunderbaren Flügen.
13. Ihm dient die junge Himmelsfchar;
Der reicht ihm forgfam Pinfel dar,
Der rieb die zarten Farben.
Marien lieh zum zmweitenmal
Ein Jeſuskind des Maler Wahl,
Um die fie alle warben.
14. Er hatte den Entwurf vollbradt;
Nun hemmte feinen Fleiß die Nacht,
Er legt den Pinfel nieder.
„Zu der Vollendung brauch' ih Frift,
Bis alles wohl getrodnet ift;
Dann”, ſpricht er, „Tehr ich wieber.*
15. Nur wenig Tage find entflohn;
Da klopft von neuem Lukas fchon
An ihre Hüttenpforte;
Doch ftatt der Stimme, die jo füß
Ihn jüngft noch dort willlommen hieß,
Vernimmt er fremde Worte.
16. Entſchlummert war die Gottesbraut,
Wie Blumen, wann der Abend taut;
Sie wollten fie begraben.
Da ward fie in verklärtem Licht
Bor des Apofteld Angeficht
Gen Himmel aufgehoben.
17. Erftaunt und froh fchaut er umber,
Die Blid’ erreichen fie nicht mehr,
Die er nad droben jenbet.
Obſchon im Geiſt von ihr erfüllt,
Magt er die Hand nit an ihr Bilb:
So blieb es unvollendet.
18. Und mar auch jo ber Frommen Luft,
Und regt’ auch fo in jeber Bruft
Ein heiliges Beginnen.
— 307 —
Es lamen Pilger fern und nah,
Und wer die Demutsvolle ah,
Ward hoher Segnung innen.
19. Vieltaufendfältig Tonterfeit,
Erſchien fie aller Chriftenheit
Mit eben diefen Zügen.
Es mußte manch Sahrhundert lang
Der Andaht und dem Liebesdrang
Ein ſchwacher Umriß g’nügen.
20. Doch endlich Fam Sankt Rafael,
In feinen Augen glänzten bell
Die himmliſchen Geftalten.
Herabgefandt von jel’gen Höhn,
Hatt’ er die Hehre jelbft geſehn
An Gottes Throne walten.
21. Der ftellt! ihr Bildnis, groß und Har,
Mit feinem keuſchen Pinjel dar,
Vollendet, ohne Mängel.
Zufrieden, ala er das gethan,
Schwang er ſich wieder himmelan,
Ein jugendlicher Engel.
A. ID. v. Schlegel. (1798.)
202. Sant Alben,
1. €3 fteht dem Land zum Grufße
Ein Kreuz auf Berges Höh,
Leif’ wallt zu feinem Fuße
Ein bimmelblauer See.
Biel duft’ge Kräuter blühen
An diefes Waſſers Rand,
Biel fromme Pilger ziehen
Dahın aus fernem Land.
2. Wohl vor zwölffundert Jahren
Da lag dies Land gar wild,
Der Wald mit Tierefcharen,
Der See mit Gift erfüllt;
Denn an des Kreuzes Stelle
Ein ſchlimmer Felſen war,
Der ſtellt', zur Luft der Hölle,
Des Satans Bildnis dar.
20”
— 308 —
3. Kalt, wie des Mondes Strahlen,
Blidt er ins Land hinein,
Zum Fluch den Höhn und Thalen;
Statt Blumen wuchſen Stein‘,
Statt Menfchen wurden Draden,
Statt Fiichlein Schlangen im See;
Die Hölle ſah's mit Laden
Und pries das Bild der Höh.
4. Da kam vom fernen Strande
Sankt Alban, ftart und kühn,
Zu diefem wilden Lande,
Zu diefem Felſen bin.
Ihn faßt' des Landes Jammer,
Er ſprang zum Felſenwall,
Zerſchlug mit ſtarkem Hammer
Das Bild — es fiel mit Schall.
5. Dankvoll, daß ihm's gelungen,
Kniet' er dort auf den Höhn;
Der Fels, der war zerfprungen,
Ein Kreuz daraus blieb ftehn.
Und wie dasſelbe blidte
Weit in das Land hinein,
Man Roſ' und Lilie pflüdte
In lindem Maienſchein.
6. Da lagen in den Klüften
Erdrückt die Drachen all';
Da ſang in Blumendüften
So manche Nachtigall;
Viel Fiſchlein ſilberhelle
Waren im See zu ſchaun,
Und an Sandtt Albans Stelle,
Da knieten zarte Frau'n.
J. Berner, (1818.)
203. Die Gründung Krenzuachs.
1. Ein Wald im Frankenlande
Lag wild und ſchauerlich,
Ein Fluß entwand den Schatten
Der Yelfenktäfte ſich;
— 309 —
2. Und mitten auf dem Flufſe
Lag eine Inſel Hein,
Und mitten auf der Inſel
Stand hoch ein Kreuz von Stem.
3. Und wenn ber Fluß zum Steome
Durch Waflergüfle ſchwoll,
Daß rings von feinem Toſen
Gebirg und Thal erſcholl,
4. Und ſeine Hütt' in Trümmer
Der Fiſcher ſinken ſah,
Stand hoch und unerſchüttert
Das Kreuz im Strome da.
5. Der Meiſter, der's errichtet
Mit kunſtgeübter Hand,
War übers Meer gekommen
Ins fränk'ſche Heidenland!
6. War in die Nacht gedrungen
Der wüſten Barbarei,
Damit des Kreuzes Schimmer
Ein Licht im Finſtern ſei.
7. Der Fiſcher ohne Hütte
Zum fremden Meifter fleht:
„D lehr' ein Haus mich bauen,
Das gleich dem Kreuze fteht!“
8. Und jebt auf Felfenboben
Ward Stein auf Stein geſetzt;
Das Wafler ſchwoll und braufte,
Das Haus blieb unverlegt.
9. Da kamen fie zur Inſel
Gepilgert durh den Wald;
Belehrt durchs Kreuz, befehret
Zum Kreuz ward jung und alt.
10. Und eine Stadt erhob fi,
Mo einft die Hütte fand;
Vom nahen Kreuz der Inſel
Ward Kreuznach fie genannt.
GuR. Pfarrius.
— 310 —
204. Bas Steinthal,
1. Dort auf dem’ Hochfelb droben,
Im dunkeln Tannenforit,
Hat dräuend ſich erhoben
Ein alter Felſenhorſt;
Darinnen ſah man hauſen
Raubritter wild und keck,
Die Herrn von Ratſamhauſen,
Des Landes Fluch und Schreck.
2. Des ward man endlich Meiſter,
Die Feſte ward geſchleift;
Doch haben ihre Geiſter
Noch lang' das Thal durchſchweift;
Sie regten in den Bauern
Heimtückiſch Raubgelüſt. —
Ringsum ein diebiſch Lauern,
Die Felder wild und wüſt.
3. So lag in Nacht und Grauen
Dies Thal in Felſen drin,
Verwildert alle Gauen,
Verwildert jeder Sinn.
Nun iſt's ein halb Jahrhundert,
Daß Licht durchbrach die Nacht,
Und alle Welt verwundert
Die Rettung ſieht vollbracht.
4. Wo einſt verwachſne Wälder
Und Moor und ſchlimm Getier,
Da grünen Saatenfelder,
Und Herden weiden hier.
Wo zwiſchen Felſenrücken
Der Waldbach ſchießt dahin,
Da führen feſte Brücken
Und ſichre Straßen hin.
5. Wo jüngſt noch Luſt des Raubens
Und finſtre Geiſteshaft,
Da ſcheint das Licht des Glaubens,
Da wirkt der Liebe Kraft.
Wie hat ſich, was verwildert
Und wüſt und öde war,
Gelichtet und gemildert
So ſchnell und wunderbar?
— 31 —
6. Iſt wieder auferftanben
Der Heil’ge Columban,
Der einft in allen Landen
Hub Chriſti Predigt an,
Bis vor dem Kreuzesftamme
Erlagen Drad’ und Wild,
Bis vor dem Gotteslamme
Die Herzen wurden mild?
7. Sa, ſolch ein Gottesbote,
Sa, folh ein Glaubensheld
Hat jüngft aus Naht und Tode
Gerettet Volk und Feld;
Er bat das Kreuz errichtet
In feiner Wundermacht,
Bis alles war gelichtet
Und jedes Herz erwacht.
8. Und fragft du, mie geheißen,
Dem ſolches Gott befahl?
Geh Hin, das kann dir weiſen
Jedwedes Kind im Thal.
Zum ſchlichten Kicchhoffteine
Geleiten fie dich hin:
Hier liegen die Gebeine
Des Pfarrers Oberlin. Adolf Stöber.
Das Steinthal (le Ban de la Roche), unweit Schlettftadt, in rauber
Lage und ſchon dur den 30jährigen Krieg fo verheert, daß ſich um die
Mitte des vorigen Jahrhunderts faum hundert Yamilien dort dürftig nähr-
ten, bis Joh. Fr. Oberlin (1740— 1826) der aufopferade und begliidende
Bildner desfelben warb.
205. Paul Gerhardt,
1. Bu Brandenburg einft mwaltet
Der Kurfürft weit und breit;
Doch neue Lehre jpaltet
Des Glaubens Einigkeit.
Es fteuern wohl Geſetze
Berbotenem Geſchwätze,
Wie das Edikt es nennt;
Doch wird es ihm gelingen,
Den freien Geift zu zwingen
Des Sängers, der die Furcht nicht kennt?
— 312 —
2. Er ftand an heil’ger Stätte,
Der Kirche heller Stern,
Durch Lehren und Gebete
Berlündigend den Herrn.
„Und laß dir nimmer grauen;
Mußt droben dem vertrauen,
Des Name Bebaoth!
Und ob des Himmels Schranten
Und alle Feiten wanken:
Ein’ feite Burg ift unfer Gott.“
3. Der Kurfürft aber ſandte,
Da kam ber fromme Mann.
Des Fürften Auge brannte,
Und zürnend Bub er an:
„Wer nur den eignen Grillen,
Nicht des Geſetzes Willen
Zu folgen weiſe fand,
Der hat — es fei geſprochen! —
Hat Ehr’ und Amt verbrochen
Und meidet fortan Stadt und Land!“
4. Der reis verfeßt befcheiden:
„Mir ziemt's, das ftrenge Recht,
Gebieter, zu erleiden,
Mir, dem geringen Knecht.
Wie mag ich anders lehren,
Das Reich des Herrn zu mehren,
ALS wie gefchrieben fteht?
Es bleibt gerecht fein Wille,
Ich will ihm Balten ftille.*
Und drauf verneigt er ſich und geht.
5. Und wehrt daheim dem Sammer,
Und alles Iegt er ab
Und nimmt aus feiner Kammer
Die Bibel und den Stab,
Die Mutter, blaß vor Harme,
Das jüngfte Kind im Arme,
Das zweite bei der Hand —
So tritt er an die Schwelle
Und biidt Binauf ins Helle
Und meibet fröhlich Stadt und Land!
6. Wer gebt im fernen Thale
Den müden Pilgergang,
— 313 —
Im beißen Sonnenftrahle
Die flahe Heid' entlang?
Sie wallen froh im Glauben,
Als blühten ihnen Lauben,
Der fremden Erbe zu;
Und als der Tag verflofien,
Sp beut, im Wald verichloffen,
Ein gaſtlich Dad dem Häuflein Ruh.
7. D ſchau ben Haie ann
Der Kleinen auf der Ba
Ins Mutterherz der —
— Soviel es kämpfte — ſank:
„Wer wird ſich doch der Armen
Im fremden Land erbarmen
Und ihr Vorbitter ſein?
Wer wird das Herz erweichen?
Die harten Menſchen reichen
Den Hungrigen für Brot den Stein.“
8. Der fromme Dichter lächelt:
„Sie ſtehn in Gottes Hut!“
Des Glaubens Palme fächelt
Ihm Freudigkeit und Mut;
Und wo ſich ſolche Blüte
Entfaltet im Gemijlte,
ft nimmer fern das Glüd.
Er geht hinaus in Eile
Und bringt, nach Feiner Weile,
Des Troftes goldnes Lied zurüd:
9. „Befiehl du deine Wege
Und mas bein Kerze Fränft
Der allertreuften Pflege
Des, der den Himmel lenkt.“
Da deucht es ihren Sinnen,
Als ob die Furt von binnen
Und alle Sorge flöh’;
Denn kaum das Lied vernommen,
ft über fie gelommen
Der Friede Gottes aus der Höh.
10. Sie ſchwören ſtill — und Schauen
Hinaus durch Wald und Nacht
Und über dunllen Auen
Der Sterne golone Pradt; —
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Sie fchwören, ob die Wellen
Bis an die Seele jchmwellen,
Zu trauen für und für;
Und als der Schwur vollzogen
Und bimmelan geflogen,
Da fteht die Hilfe vor dev Thür.
11. Denn draußen ſcharrt im Sande
Bereits des Roſſes Fuß;
Es bringt aus Sachſenlande
Der Bote diefen Gruß:
„Dem Sänger Heil und Frieden!
Sch bin hierher beſchieden
Durh Kurfürft Chriftian;
Er will den Dulder ehren,
Den treu in Thun und Lehren
Die Engel Gottes wandeln fahn.
12. Er bat dich auserkoren,
Zu weiden eine Herd’;
Und was du dort verloren,
Sei dreifah dir gewährt! —
Wohlauf, es graut der Morgen!
Dahinten laß die Sorgen,
Gott hat die Not gewandt!
Es winken uns die Grenzen;
Eh’ wieder Sterne glänzen,
Umfängt did Freund und Vaterland!“
©e. Ph. Schmidt von Lübel.
206. Ber Gaſt.
Der Herr Jeſus vom Himmelszelt
Einmal nieverihaut auf die Welt,
Wie alles mag fo fehön beitehn,
Und fieht herfür die Sternlein gehn,
Blickt auch herab zur geliebten Erben,
Wo's eben Nacht begunte zu werben.
Da fieht er die Leut’ um die Tiſche treten,
Die Hände falten, ſich neigen und beten:
„Komm, Herr Jeſu, fei unfer Gaft
Und fegne, mas du bejcheret haft!“
Da fühlt er gerührtes Neigen, einmal
Wieder unten zu ſein im Erbenthal
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Und felber an ben Menichen zu fpüren,
Ob fie es auch redlich mit ihm führen.
Alfo aus einer Eden am Wald
Tritt er berfür in Bettlergeftalt,
Geht faht an feinem Stabe fort
Nah dem faft nahgelegnen Dirt
Und fommt an eines Reihen Haus —
War grab’ ein Felt und großer Schmaus —
Dort ftellt er fill fi vor den Saal.
Nah ihm fragt niemand allzumal;
Er bört drin laden, Klingen und ſchwatzen,
Als fei im Haus eine Herde Spatzen;
Hört reden, was feined Gemüte befjert,
Noch eines Menſchen Nut vergrößert;
Und haben's geredt, es gemahnet ihn fo,
Als dröfchen die Drefcher nur leeres Stroh.
Da er verwundert lang’ geitanden,
Sprit er zu einem ihm beihanden:
„Ihr habt den Herm Jeſum zu Tiſch gebeten,
Nun komm’ ih armer Bettler getreten
Und führ’ euch feine Worte an:
Was ihr mir thut, habt ihr ihm gethan!“
Da ſcheint's, fie werben ihn erſt gewahr;
Es fährt auf ihn ein der Diener Schar:
„Hinaus mit dir, du fchlimmer Gefelle!“
Und trieben ihn aus von Flur und Schelle.
Ja, einer thät die Hund’ auf ihn beten,
Doch die den Herren nicht verlegen.
Nun finnt er nad, wie ihm gejchehen,
Und finnt bei fih im Fürbaßgehen:
Soll er das Haus mit Feuer ftrafen?
Soll er die Sünder lafien ſchlafen?
Man kann dem Böfen nichts Argeres thun,
Als ihn im Böſen laflen beruhn;
Doch ſetzt' er ihnen noch Gnade aus.
Dann kommt er an eined Armen Haus,
Das fieht gar Hein und freunblih aus:
Eltern und Kinder um einen Tiſch,
Die efien einen gejottnen Yıld,
Der heut dem Vater ins Net gegamgen,
Und haben's fo gut nicht gehabt feit langem;
Ein Feines Hündlein hebt das Bein,
Das Hündlein will auch gefpeifet fein.
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Wie da der Herr binzugetreten
Und fanft um eine Gabe gebeten,
Das junge Weib aufiteht gewandt
Und führt den Bettler an ihrer Hand,
Zu ihrem Tiſch heißt fie ihn ſetzen,
Weil fie fih heut an mas Seltnem letzen.
Und Eltem und Kinder wurden fatt,
Weil's ihnen der Herr gefegnet hatt,
Und ſprachen: „Hab’ Dank, Herr Jeſu Chrift,
Daß du unfer Gaft gemeien biſt!“ —
Die Krumen ftreut fie hinaus zur Linde,
Damit aud das Böglein Speife finde.
Drauf fest fi) der Vater ans Kamin,
Sein junges Weib kniet zu ihm hin,
Stellt ihm fein Kleinftes auf den Schoß
Und läßt es zeigen „wie groß?“ — „fo groß!“
Und lehrt's Tieb haben den guten Mann
Und bat gar herzliche Freude dran.
Der Herr figt ſtill und fanft daneben;
Er fühlt das Herz ſich heilig heben;
Der Menihen Leben und ihre Luft
Übermältigt mit Wonnen feine Bruft.
Es wird ibm mohler, e8 wird ibm trüber,
Dem Göttlichen gehen die Augen über,
Er wendet ind Dunkle jein Angeſicht
Und wehret den quellenden Thränen nidt.
Die Knaben bringen das Quem pastores
Und zeigen auf feinen Knieen ihm vor es,
Die Hirten und Engel des Nachts auf dem Feld,
Dann, wie ihn das Kind in der Krippen gefällt,
Die Beil’gen drei König’ mit ihrem Stern,
Gold, Weihrauh und Myrrhen fie bringen dem Herm,
Den jungen Tobias mit feinem Hündlein,
Zulegt Knecht Ruprecht und Chriſtkindlein.
Nun legt die Mutter ihr Kind zu Bett,
Das Baterunfer es lehren thät;
Da fchläft es ein mit nachbetendem Mund,
Die Mutter fpriht: „Mein Kind, fchlaf gelund!”
Dann ſchafft fie dem Bettler ein Lager herzu,
Die Leuten wimſchen ihm aute Ruh
Und, vor ber kalten Nacht geborgen,
In der Hütte zu fchlafen bis zum Morgen.
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Da ruht der Herr nun ganz allein,
Es jcheint der Mond ihm hell herein.
100 Und als der Morgen begunte zu tagen,
Steht er auf, ſich hinwegzutragen,
Dieweil verlöfhen der Sterne Kerzen,
Und jcheibet, fie ſegnend in feinem Herzen:
„Bleibt immer arm, ihr guten Leut’!
105 Den Armen ift Gott nimmer weit,
Stets meih und menfchlich fühlt ihr Gemüt,
Wie felten das Herz dem Neichen glübt;
Und dulden fie manches auf Erden gleich,
Den Armen iſt das Himmelreich.“
Leop. Schefer.
20%. Seemorgen.
1. Der Morgen friih, die Winde gut,
Die Sonne glüht fo helle,
Und braufend geht es durch die Flut;
Wie wandern wir fo jchnelle!
2. Die Wogen ftürzen ſich heran;
Doch wie fie auch fih bäumen,
Den Schiff ſich werfen in die Bahn,
In toller Mühe ſchäumen:
3. Das Schiff voll froher Wanderluſt
Zieht fort, unaufgehalten,
Und mächtig wird von feiner Bruft
Der Wogendrang geipalten.
4. Gewirkt von goldner Strahlenhand
Aus dem Gefiprüh der Wogen,
Kommt ihm zur Seit’ ein Iriaband
Hellflatternd nachgeflogen.
5. So weit nad Land mein Auge fchmeift,
Seh’ ich die Flut fi dehnen,
Die uferlofe; mich ergreift
Ein ungeduldig Sehnen.
6. Daß ich fo lang’ euch meiden muß,
Berg, Wieſe, Laub und Blüte! —
Da lächelt feinen Morgengruß
Ein Kind aus der Kajüte.
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7. Wo fremd die Luft, das Himmelslicht,
Sm Falten Wogenlärme,
Wie wohl thut Menſchenangeſicht
Mit feiner Stillen Wärme!
Att. Conan.
208. Am Strande
1. Auf bochgeftapelte Ballen blickt
Der Kaufherr mit Ergößen;
Ein armer Filcher daneben flict
Betrübt an zerrifienen Neben.
2. Manch rüftig, ſtolz bemimpelt Schiff!
Manch morjches Wrad im Sande!
Der Hafen bier, und dort das Riff,
Jetzt Flut, jetzt Ebb’ am Stranbe.
3. Hier Sonnenblid, Sturmwolken dort;
Hier Schweigen, dorten Lieber,
Und Heimkehr bier, dort Abſchiedswort;
Die Segel auf und nieder!
4. Zwei Sungfrau’n fiten am Meeresitrand:
Die eine weint in die Fluten,
Die andre mit dem Kranz in der Hand
Wirft Roſen m die Fluten.
5. Die eine, trüber MWehmut Bild,
Stöhnt mit geheimem Beben:
„D Meer, 0 Meer, jo trüb und wilb,
Wie gleichft du fo ganz bem Leben!“
6. Die andre, lichter Freude Bild,
Sauchzt felig lächelnd daneben:
„D Meer, o Meer, jo licht und mild,
Wie gleichft bu fo ganz dem Leben!“
7. Fort brauft das Meer und überklingt
Das Jauchzen wie das Stöhnen;
Fort wogt dad Meer und ach! verſchlingt
Die Nofen mie die Thränen.
Auaſt. Grün.
— 319 —
209. Die Schiffersfran.
1. ir fahen dem Schiff am Ufer nad,
Bis Wind die Segel fingen,
Bis Über die See das Dunkel brach
Und die Augen übergingen;
Dann kehrten wir beim, allem und zerftreut,
Wir Frauen und Töchter der Scifferleut”.
2. Seitdem iſt's nun im zweiten Jahr,
Daß dich die Wogen treiben;
Du irrſt Durch ferne Todesgefahr,
Und ih muß Witwe bleiben,
Ich ſchaukle zu Haus in der Wiege dein Kind,
Und dich, dich fchaufelt der wilde Wind.
3. Dft fallen mir alle die Namen bei
Bon Männern, die untergegangen,
Bon denen wir oft am Abend zu zwei
Die traurigen Lieder fangen,
Bergefiene Menſchen in fremder Tracht
Beſuchen mih oft im Traume der Nadt.
4. Sie fhütteln ihr lang durchnäßtes Haar
Und grüßen wie fremde Boten,
Sie reihen einen Ring mir dar
Und Grüße von dem Toten,
Bon dir, von dir — ih erwach' und wein’
Und ſchlaf' die Nacht nicht wieder ein.
. 5. Es lechzt vielleicht dein heißer Mund,
Und ih kann dich nicht laben;
Du liegſt vielleicht im Meeresgrund
Sarglo8 und unbegraben;
Ab, daß ich felbft den Troft verlier’,
In Frieden einft zu ruhn bei dir!
Bern. Lings.
210. Die Auswanderer.
1. Ich kann den Blick nicht von euch wenden,
Ich muß euch anſchaun immerdar;
Wie reicht ihr mit geſchäft'gen Händen
Dem Schiffer eure Habe dar!
— 320 —
2. Ihr Männer, die ihr von dem Nacken
Die Körbe langt, mit Brot beſchwert,
Das ihr aus deutſchem Korn gebacken,
Geröſtet habt auf deutſchem Herd;
3. Und ihr, im Schmuck der langen Zöpfe,
Ihr Schwarzwaldmädchen, braun und ſchlank,
Wie ſorgſam ſtellt ihr Krüg' und Töpfe
Auf der Schaluppe grüne Bank!
4. Das ſind dieſelben Töpf' und Krüge,
Dft an der Heimat Born gefüllt;
Wenn am Miffouri alles fchmwiege,
Sie malten euch der Heimat Bild:
5. Des Dorfes fteingefaßte Duelle,
Zu der ihr ſchöpfend euch gebüdt,
Des Herdes traute YFeuerftelle,
Das Wandgefims, das fie geihmüdt.
6. Bald zieren fie im fernen Weſten
Des leichten Bretterhaufes Wand ;
Bald reiht fie müden braunen Gäften,
Bol friihen Trunkes, eure Hand.
J
7. Es trinkt daraus der Tſcherokeſe,
Ermattet, von der Jagd beſtaubt;
Nicht mehr von deutſcher Rebenleſe
Tragt ihr fie heim, mit Grün belaubt.
8. O ſprecht! warum zogt ihr von dannen?
Das Nedartbal bat Wein und Korn;
Der Schwarzwald fteht voll finftrer Tannen,
Im Speflart Hingt des Alplers Horn.
9. Wie wird es in den fremden Wäldern
Euch nad der Heimatberge Grün,
Nah Deutichlands gelben Weizenfeldern,
Nah feinen Rebenhügeln ziehn!
10. Wie wird dad Bild der alten Tage
Durch eure Träume glänzend wehn!
Gleich einer flillen, frommen Sage
Wird es euch vor der Seele ſtehn.
—- 321 —
11. Der Bootsmannn winkt! — zieht hin in Frieden!
Gott ſchütz' euh, Mann und Weib und Greis!
Sei Freude eurer Bruft beſchieden
Und euren Feldern Reid und Mais!
Serd. Srelliguath. (Sommer 1882.)
211. Das alte Haus.
1. Der Maurer fchreitet frifch heraus,
Er fol dich niederbrechen;
Da ift es mir, du altes Haus,
Als Hörte ich Dich Iprechen:
„Wie magſt du mich, das lange Jahr'
Der Lieb’ und Eintracht Tempel war,
Wie magft du mich zerftören?
2. Dein Ahnherr bat mich einft erbaut
Und unter frommem Beten
Mit feiner Schönen, ftillen Braut
Mich dann zuerit betreten.
Sch weiß um alles wohl Beſcheid,
Um jede Luft, um jedes Leid,
Was ihnen widerfahren.
3. Dein Vater ward geboren bier,
In der gebräunten Stube,
Die erſten Blide gab er mir,
Der muntre, fräft’ge Bube.
Er ſchaute auf die Engelein,
Die gaufeln in der Yenfter Schein,
Dann erft auf feine Mutter.
4. Und als er traurig ſchlich am Stab
Nah manden fhönen Jahren,
Da hat er fhon, wie fill ein Grab,
In meinem Schoß erfahren;
In jener Ede faß er da,
Und ftumm und hänbefaltend ah
Er fehnlich auf zum Himmel.
5. Du felbft — doch nein, das fag’ ich nicht,
Ich will von dir nicht ſprechen;
Hat dieſes alles fein Gewicht,
So laß nur immer brechen.
21
10.
Das Glück zog mit dem Ahnherrn ein,
Zeritöre du den Tempel jein,
Damit es endlich meiche.
Noch lange Jahre kann ich ftehn,
Bin feft genug gegründet;
Und ob fi mit der Stürme Wehn
Ein Wolkenbruch verbündet,
Kühn rag’ ich, wie ein Fels, empor,
Und mas ih auch an Schmud verlor,
Gewann ich's nit an Würde?
Und hab’ ich nicht fo manden Saal
Und mand geräumig Zimmer?
Und glänzt nicht feitli mein Portal
In alter Pracht noch immer?
Noch jedem hat’3 in mir behagt;
Kein Glücklicher hat fich beklagt,
Ich ſei zu klein gemefen.
Und wenn es einſt zum Letzten gebt,
Und wenn das warme Leben
In deinen Adern ftille Steht,
Wird dies bich nicht erheben,
Dort, wo dein Bater fterbend lag,
Mo deiner Mutter Auge brad),
Den letten Kampf zu ftreiten? “
Nun ſchweigt es ftil, das alte Haus;
Mir aber ift’3, als fchritten
Die toten Väter all’ heraus,
Um für ihr Haus zu bitten,
Und aud in meiner eignen Bruft
Wie ruft fo mande Kinderluft:
Laß ftehn das Haus, laß ftehen!
Indeſſen ift der Mauermann
Schon ind Gebälk geitiegen,
Er fängt mit Macht zu brechen an,
Und Stein und Ziegel fliegen.
„Stil, lieber Meifter, geb von bier!
Gern zahle ich den Taglohn dir,
Allein das Haus bleibt ftehen.“
Ir. Bebbel.
(18%.
— 33 —
212. Gode Nacht.
Niederdeutſch.
1. Over de ſtillen Straten
Geit klar der Klokkenſlag;
God' Nacht! Din Hart will ſlapen,
Und morgen is of en Dag.
2. Din And liggt in de Wegen,
Un i bin of bi di;
Din Sorgen und din Leven
38 allens um un bi.
3. Noch eenmal lat uns ſpräken:
Goden Abend, gode Nacht!
De Maand fchient op de Dälen,
Un Herrgott hölt de Wacht.
Eh. Storm.
213. Abendfreden.
Niederdeutſch.
1. De Welt iſt rein ſo ſachen,
As leeg ſe deep in Drom;
Man hört ni ween'n noch lachen,
Se's liſen as en Bom.
2. Se ſnackt man mank de Blaeder,
As ſnack en Kind in Slap,
Dat ſünd de Wegenleder
Vaer Köh und ſtille Schap.
3. Nu liggt dat Dörp in Dunkeln
Un Newel hangt dervaer,
Man hört man eben munkeln,
As keem't vun Minſchen her.
4. Man hört dat Veh int Grafen,
Un allens is m Fred,
Sogar en ſchüchtern Hafen
Sleep mi vaer de Fat.
5. Das mul de Himmelöfreden
Ahn Larm und Strit un Spott,
Dat is en Tid tum Beben —
Hör mi, du frame Gott!
Rlans Groth.
21*
— 324 —
214. Echafers Sonntagslied.
1. Das iſt der Tag des Herrn!
Ich bin allein auf weiter Flur,
Noch eine Morgenglocke nur;
Nun Stille nah und fern.
2. Anbetend knie' ich hier.
D ſußes Graun! geheimes Wehn!
Als knieten viele ungeſehn
Und beteten mit mir.
3. Der Himmel nah und fern,
Er iſt ſo klar und feierlich,
So ganz, als wollt' er öffnen ſich:
Das tft der Tag des Herrn!
£. Nbland. (1806)
— — — — —
215. Der Winter.
Alemanniſch.
1. Iſch echt do obe Baumele feil?
Sie ſchütten eim e redli Teil
In d'Gärten aben und uf3 Hus;
Es ſchneit doch au, es iſch e Gruus;
Und 's hangt no menge Wage voll
Am Himmel abe, merki wohl.
2. Und wo ne Ma vo witen lauft,
So het er vo der Baumele g’hauft;
Er treit fie uf der Achsle no
Und uffem Huet und lauft dervo.
Mas lauffch denn fo, du närrihe Ma?
De wirſch fie doch nit gitohle ha?
3. Und Gärten ab und Gärten uf
Hen alli Scheie Chäpli uf;
Sie ftöhn wie großt Here do,
Sie meine, 's heigs fuft niemes fo.
Der Nußbaum het do au fi Sad,
Und ’3 Herehus und 's Chilchedach.
F 4. Und mo me Iuegt, iſch Schnee und Schnee,
Me fieht te Stroß und Fueßweg meh.
Meng Somehörnli, chlei und zart,
Lit unterm Bode wohl verwahrt,
Und ſchnei's, fo lang es ſchneie mag,
Es wartet uf fi Oftertag.
— 325 —
5. Meng Summervögli ſchöner Art
Lit unterm Bode wohl verwahrt;
Es het kei Chummer und fei Chlag
Und wartet uf fi Oftertag;
Und gangs au lang, er chunnt emol,
Und fieder fchlofts, und 's iſch em wohl.
6. Doch wenn im Früchlig 's Schwälmli fingt
Und d'Sunnewärmi abedringt,
Potz tauſig! wacht's in jedem Grab
Und ſtreift ſi Totehemdli ab.
Wo nummen au ne Löchli iſch,
Schlieft 's Leben uſe jung und friſch. —
7. Do fliegt e hungrig Spätzli her!
E Brösli Brot wär fi Begehr.
Es luegt ein fo erbärmli a;
's bet fieber nächte nüt mehr g'ha.
Gel Bürftli, fell iſch andri Bit,
Wenn 's Chorn in alle Fure lit?
8 Do heih! Loß andern au dervo!
Biſch hungerig, chaſch wieder do! —
's mueß wohr fi, wie 's e Sprüdli git:
„Sie ſeihe nit und ernbe nit,
Sie hen kei Pflueg und ben fer Joch,
Und Gott im Himmel nährt fie doch.”
P. Bebel.
216. Fruhlingslied.
1. Der Frühling fommt in? Land herein,
Er fliegt auf Schwalbenfchwingen,
Und vor ihm ber und hinterbrein
Die Vögel alle fingen,
Und ſchweigend wohl, doch froh genug,
Umflattert ihn mit leifem Flug
Und Zug auf Zug
Ein Heer von Schmetterlingen.
2. Da wird's dem Wald fo jugendlich,
Er faßt ein neu Gemüte;
Die ältften Berge ſtecken ſich
Nun Reiſer auf die Hüte;
— 326 —
Ja wo auch nur ein ſchmaler Spalt,
Geſprengt in Felfen grau und kalt,
Da aliobald
Hängt eine frifche Blüte.
3. Die fhaut mit heiterm Angeficht
Weit über alle Thale
Entgegen da dem Morgenlicht
Und nah dem Abenbitrahle;
Und menn’s mit fühlem Taue graut,
Und wenn die Nacht bernieder taut,
So beut vertraut
Und füllt aud fie die Schale.
4. Und Erd’ und Himmel blidt verſchönt
Aus ihrem Kelche wieder,
Derweil im Walde drunten tönt
Ein maienfrob Gefieder.
Und lächelnd fchmebt in blauer Luft
Der Frühling hoch ob Berg und Schluft
Und träufelt Duft
Aus vollen Loden nieder.
2. Wadernagel. (zw. 1838 — 1841.)
217. Der Sperling am Fenſter.
Alemanniſch.
1. Zeig, Chind! Wie het ſel Spägli gſeit?
Weiſch's nümme recht? Was luegih mi a? —
„'s bet gjeit: J bi der Vogt im Dorf,
J mueß von allem b’Borles ba.“
2. Und wo ber Spötlig Seit: ’3 ifch gnueg!
Mas thuet mi Spas, wo d’Vorles het? —
„Er lit am Bode d’Brösli uf,
Suft müeßt er hungerig ins Bett.“
3. Und wo der Winter d'Felder dedt,
Mas thuet mi Spab in finer Not?
„Er pöpperlet am Fenſter a
Un bettelt um e Stüdli Brot.” —
4. „Gang, gieb em, Muetter! 's friert en ſuſt.“
Zeig, ſag mer z’erit, ’3 preiftert nit fo,
Wie chunnt's der mit dem Spätli vor?
Meinſch nit, es hönnt eim au fo goh?
5. Chind, wird's der mohl, und ’3 goht ber guet,
Sag nit: i bin ne ride Her
Und iß nit Brotis alli Tag!
3 hönnt anderft werde, Handumchehr.
6. Iß nit den drofplig Ranft vom Brot
Und loß de weiche Brojme ftoh!
— De heſch's im Bruuch — ed chunnt e Sit,
Und wenn de’3 hättſch, wie wärſch fo froh!
7. Ne blaue Möntig währt nit lang,
Und d'Wuche bet no mengi Stund,
Und mengi Wuche lauft dur’3 Dorf,
Bis jedem au fi legte chunnt.
8. Und was men in fm Früehlig lehrt,
Me treit nit ſchwer und het's emol,
Und was men in ſi'm Summer fpart,
Das chunnt eim in ſi'm Spötlig wohl.
9. Chind, dent mer dra, und halt di guet!
„O Muetter Iueg, der Spa will goh!“
Se gang er! Leng de Hirfe dört
Und ftreu em! Er wird wieder dio!
P. Debel.
218. Ber Sommerabend,
Alemanniſch.
1. O, lueg doch, wie iſch d’Sunn fo müed,
Lueg, wie ſie d' Heimet abezieht!
O lueg, wie Strahl um Strahl verglimmt,
Und wie ſie's Fazenetli nimmt,
E Wülkli, blau mit rot vermüſcht,
Und wie ſie an der Stirne wüſcht.
2. 's iſch wohr, ſie het au übel Zit,
Im Summer gar: der Weg iſch wit,
Und Arbet find't ſie überall
In Hus und Feld, in Berg und Thal.
's will alles Liecht und Wärmi ha
Und ſpricht ſie um e Segen a.
3. Meng Blüemli bet fie usſtaffiert
Und mit ſcharmante Farbe ziert,
Und mengem Immli z'trinke ge
Und gſeit: Heſch gnueg, und mitt noh me?
— 3283 —
Und 's Chäferli het hinteno
Doh au fi Tröpfli übercho.
4. Meng Somehöpfli het fie g’fprengt
Und ’8 zitig Sömli ufe g’lengt.
Hen d' Vögel nit bis z’allerlegt
E Bettles gha und d'Schnäbel g’webt?
Und feis got hungerig ins Bett,
Wo nit fi Teil im Chröpfli bet.
5. Und mo am Baum e Chriefi lacht,
Se het fie'm roti Bädli g'macht;
Und wo im Feld en Aehri ſchwankt,
Und wo am Pfohl e Rebe rantt,
Se het fie eben abe g’lengt
Und het's mit Laub und Blueft umbengt.
6. Und uf der Bleichi het fie g'ſchafft
Hüti und ie us aller Chraft.
Der Bleicher het fi ſelber g’freut,
Doch bet er nit „vergelts Gott!” gjeit.
Und bet e Frau ne Wöſchli gha,
Se bet fie trochnet druf und bra.
7. 's iſch mweger wohr, und überal,
Mo d'Sägeſen im ganze Thal
Dur Gras und Halme gangen iſch,
Se het fie gheuet froh und friſch.
Es iſch e Sad, bi miner Treu,
Anı Morge Gras und z'Obe Heu!
8 Drum if fie iez fo ſölli müed
Und bruudt zum Schlof Tei Obelied;
Kei Wunder, wenn fie ſchnuuft und ſchwitzt!
Lueg, mie fie dört ufs Bergli ſitzt!
Jez lächelt ſie zum letztemol,
Jez ſeit fie: Schlofet alli wohl!
9. Und d'runten iſch fiel Bhüet di Gott!
Der Guhl, wo uffem Chilchturn ftoht,
Het no nit gnueg; er bſchaut fie no.
Du Wundervitz, was gafſch denn fo?
Mas gilt’3, fie thuet der bald derfür
Und zieht e roten Umhang für!
10. Sie duuret ein, Die gueti Frau,
Se het ihr rebli Huschrüz au.
Sie lebt gwiß mitten Ma nit guet,
Und chunnt fie beim, nimmt er fi Huet.
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Und was i fag, iez chunnt er bald:
Dort fibt er ſcho im Fohrewald!
11. Er madt fo lang, was tribt er echt?
Me meint hier gar, er trau nit redit.
Chumm numme, fie if h nümme do,
’3 wird alles fi, fe fchloft fi ſcho.
Jez ftoht er uf und luegt ins Thal,
Und 's Möhnli grüeßt en überal.
12. Dent wohl, mehr göhn iez au ind Bett,
Und mer fei Dom im G'wiſſe bet,
Der bruucht zum Sclofen au fei Lieb;
Me wird vom Schaffe felber müed,
Und öbbe hemmer Schödhli gemacht.
Drum gebis Gott e gueti Nacht!
P. Debel.
219, Das Habermus,
I. Aemannifd.
’8 Habermueß wär ferig, fe chömmet ihr Chinder und effet!
Betet: Aller Augen — und gent mer ordeli Adhtig,
Aß nit eim am rueßige Tüpft ’3 Ermeli ſchwarz wird.
Efiet denn, und ſegnichs Gott, und wachſet und trüeihet!
D’Haberhörnli het der Aetti zwiſchen de Fure
Gſeiht mit flißiger Hand und abeg’eget im Frülihjohr.
AB es gewachſen iſch und zitig worde, für fel cha
Euen Xetti nit, fel thuet der Vater im Himmel.
Dentet numme Chinder, es fchloft im mehlige Chörnli
Chlei und zart e Chiimli; das Chiimli thuetich fe Schnäfli,
Mei, es fchloft und feit kei Wort, und ißt nit und trinkt nit,
Bis e8 in de Fure lit, im Iudere Bode.
Aber in de Furen und in der füchtige Wärmi
Wacht ed heimli uf us fim verfchwiegene Schlöfli,
Stredt Die zarte Gliedli und fuget am faftige Chörnlt,
Wie ne Mutterhind, ’3 iſch alles, aß es nit brienget.
Siederie wird’3 größer und heimli fchöner und ftärcher
Und jchlieft us de Windlen; es ftredt e Würzeli abe,
Tiefer aben in Grund und fucht fi Nahrig und find’t fie.
Jo und 's fticht’3 der Wundervitz, ’3 möcht nummen au wiſſe,
Wie 's denn witer oben iſch. Gar heimlig und furdhtiem
Güggelet's zum Boden us, Potz taufig, wie gfallts em!
Nie lieber Hergott, er ſchickt en Engeli abe:
„Bringem e Tröpfli Tau, und fag em frünbli Gottwilde!”
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Und es trintt, und's ſchmeckt em wohl, und 's ftredt fi gar ſölli.
Sieber ftrehlt fi d' Sunnen, und wenn fi gwäſchen und gftreblt ifch,
Chunnt fie mit der Stridete füre hinter de Berge,
Wandlet ihre Weg hoch an der himmliſche Lanpftroß,
Stridt und Iueget aben, a3 wie ne fründligi Muetter
No de Chindlene Iuegt. Sie lächlet gegenem Chiimli,
Und es thuet em wohl, bis tief ind Würzeli abe.
„So ne tolli rau, und doch fo güetig und fründli!“
Aber was fie ftridt? He, Gwülch us himmlische Düfte!
’3 tröpflet ſcho, ne Sprüberli chunnt, druf regnet's gar ſölli.
's Chiimli trinft bis gnueg; druf weiht e Lüftli und trochnet’s,
Und es feit: „Jez gangi nümmen untere Bode,
Um fe Pris! Do blibi, geb, mas no us mer will werde!“
Eſſet, Chindli, geſegn' es Gott! und wachſet und trüeihet!
's wartet herbi Zit ufs Chiimli. Wulken an Wulke
Stöhn am Himmel Tag und Nacht, und d'Sunne verbirgt fi.
Uf de Berge ſchneit's, und witer niede hurniglet's.
Schodeli ſchoch! wie jchnatteret iez und briegget mit Chiimli,
Und der Boden ifch zue, und ’8 bet gar chündigi Nabrig.
„Iſch denn d’Sonne gitorbe*, feit es, „aß fi nit ho will?
„der förcht fi au, es frier fie? Wäri doch bliebe,
„Woni gft bi, ftill und chlei im mehligi Chörnli
„Und debeim im Boden und in ber füchtige Wärmt.“
Zueget, Chinder, jo goht’3! Der werdet au no fo fage,
Wenn der ufe hömmt und unter fremde Lüte
Schaffe müent und reble und Brot und Blunder verdiene:
„Wäri doch deheim bi'm Müetterli, binterem Ofe.“
Tröſtich Gott! 's nimmt au en End, und öbbe wirds beſſer,
Wie's im Chiimli gangen iſch. Am heitere Maitag
Weiht's ſo lau, und d'Sunne ſtigt ſo chräftig vom Berg uf,
Und fie luegt, was 's Chiimli macht, und git em e Schmüglt,
Und iez iſch em wohl, und 's weiß nit z'blibe vor Freude.
Nootno prange d'Matte mit Gras und farbige Blueme;
Nootno duftet ’3 Chrieſiblueſt und grüenet der Pflumbaum;
Nootno wird der Rogge buſchig, Weizen und Gerſte,
Und mi Häberli ſeti: „Do blibi au nit dehinte!“
Nei, es ſpreitet d'Blättli us, — mer het em fie gmobe?
Und iez fchießt der Halm, — mer tribt in Röhren an Röhre
3 Wafler us de Wurzle bis in de faftige Spige?
Endli fchlieft en Aehri us und ſchwankt in de Lüfte —
Sag mer au ne Menſch, wer bed an ſidene Fäde
Do ne Chnöfpli ghenkt und dört mit Hünftlige Hände?
D’Engeli, wer denn fujt? Sie mandle zwiſche de Furen
Uf und ab vo Halm zue Halm und fchaffe gar ſölli.
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Jez bangt Blueft an Blueft am zarte ſchwankigen Aehri,
Und mi Haber ſtoht, ad wie ne Brüütli im Chilchftuehl.
Jez fin zarte Chömli drin und wachſen im ftille,
Und mi Haber merkt afange, mas es will werde.
D’Chäferli chömme und d’Fliege, fie chömme 3’Stubete zue’nem,
Zuege, was er madt, und fingen: Eie Popeie!
Und 's Schiwürmeli chunnt, Pot taufig! mitten Laternli,
Z'Nacht um nüni z'Liecht, menn d’Fliegen und D’Chäferli fchlofe.
Eſſet, Chinder, gejegn’ es Gott, und wachſet und trüeihet!
Sieber het me gheuet und Chriefi gunne no Pfingite;
Sieder het me Pflümli gunne hinterem Garte;
Sieder hen fie Rogge gichnitte, Weizen und Gerfte,
Und die arme Chinder hen barfis zmifchen de Stupfle
Gfallent Aehri glefen, und 's Müüsli hetene ghulfe.
Druf bet au der Haber bleiht. Voll mehligi Chörner
Het er gſchwankt und afeit: „Jez iſchs mer afange verleidet,
„Und i merk, mi Bit i8 us; was thuent ellei do,
„Zwiſche de Stupfelrieben und zwiſche de Grumbiereftude? “
Druf iſch d'Muetter ufen und 's Eferjinli und ’3 Plunni,
’3 bet ein ſcho an d'Finger afrore 3’ Morgen und z'Obe.
Endli hemmer en brot und in der ftaubige Schüre
Hen fin dröſcht von früeih um zwei bis z'Oben um viert.
Druf iſch's Müller Eſel do und beiten in d'Mühli
Gholt und wieder brocht, in chleini Chörnli vermahle;
Und mit feifteer Mil vom tunge fledige Chüeihli
Hetten 's Muetterli g'chocht im Tüpfi. — Geltet, ’3 ifch guet gſi?
Wüſchet d'Löffel ab, und bett eis: Danfet dem Herren —
Und iez göhnt in d'Schuel, dort hangt der Dfer am Simfe!
Fall mir Teis, gent Achtig und lehret, was menich ufgit!
Wenn der wieder chömmet, jo chömmetder Zibbertli über.
P. Bebel. (1801.?)
I. Hochdeutſche Üüberſetzung.
Kinder, das Habermus iſt fertig! ſo kommt denn und eſſet!
Betet: Aller Augen warten — und nehmt euch in acht hübſch,
Daß am rußigen Topf ſich keins das Ärmelchen ſchwarz macht!
So, nun eſſet, und ſegn' es euch Gott, und wachſt und gedeihet!
Seht, es hat die Haberkörnlein der Vater im Frühjahr
Zwiſchen die Furchen geſä't mit fleißiger Hand und beegget.
Aber daß ſie gewachſen und zeitig geworden, dafür kann
Euer Vater hier nicht, das thut der Vater im Himmel.
Denket nur, Kinder, es ſchläft ein Keimchen im mehligen Körnlein,
Klein geſtaltet und zart; nicht regt, noch rührt ſich das Keimchen,
Nein, feſt ſchläft's und redet kein Wort und ißt nicht und trinkt nicht,
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Bis es die Furche bebedt und der aufgeloderte Boden.
Aber ſodann in der Fury’ und in der befeuchteten Wärme
Wacht allmählih es auf aus feinem verfchwiegenen Schlafe,
Stredt die Glieverhen aus und fauget am faftigen Körnlein,
Wie an der Mutter das Kind; es fehlt nur, daß es noch meinte.
Größer wird e8 nunmehr und heimlich auch ſchöner und ftärfer,
Schlüpft ausden Windeln hervor und ſtreckt ein Würzelchen abwärts,
Tiefer hinab in den Grund, fi Nahrung ſuchend und finden.
Sa, und der Vorwitz plagt's, neugierig möcht’ es auch wiſſen,
Wie e3 nun weiter oben wohl ſei. Gar heimlich und furchtſam
Gudt’3 aus dem Boden hervor. — Pot Stern! ich glaub’, es
gefällt ihm. —
Und der liebe Gott fchielt einen Engel bernieder:
„Bring ihm ein Tröpfchen Tau undfag ihm freundlich Willkommen!“
Und es trinkt, es ſchmeckt ihm wohl, und es ftredt ſich behaglich.
Aber nun kämmt ſich Die Sonne, und ift fie gekämmt und gewaſchen,
Tritt mit dem Strickzeug fchnell fie hervor dort Hinter den Bergen,
Wandelt daher den Weg hoch auf der himmlischen Straße,
Stridt und fchauet herab, wie eine freundlide Mutter
Nah den Kinderden fieht. Sie lächelt freundlich dem Keimchen,
Und es thut ihm fo mohl bis tief hinein in das Würzlein.
„Solch eine prächtige Frau, und doch fo gütig und freundlich!”
Aber was fie wohl ftridt? Gewölke aus himmlischen Düften.
Schon ſetzt's Tropfen, ein Sprigelchen fommt, jetzt regnet es völlig.
Keimlein trinket fich fatt; drauf wehet ein Lüftchen und trocknet's;
Und es jagt: „Nicht kehr' ich zurüd jet unter den Boden,
Nicht um alles. Da bleib’ ich und ſchau', zu was ich noch gut bin.”
Efiet, ihr Kindlein, und fegn’ e8 euch Gott, und wachſt und gebeihet!
Schlimme Zeit nun fommt für das Keimlein. Wollen an Wolfen
Stehen am Himmel, bei Tag und bei Naht, und die Sonne
verbirgt ſich.
Hoch auf den Bergen da fchneit e3, und meiter unten da bagelt’3.
Hu — mie fchaubert es jetzt das Keimlein! wie bangt es und
weint es!
Und der Boden ift zu und hat gar ärmliche Nahrung.
„Iſt denn die Sonne geſtorben“, jo ſpricht's, „daß fie gar nicht
zu ſehn ift?
Oder fürchtet fie auch, fie erfrör’? a wär’ ich geblieben,
Wo ih geweſen, beſcheiden und Kein im mehligen Körnlein,
An dem heimiſchen Grund und in der befeudhteten Wärme!“
Seht, ihr Kinder, jo geht’3! Ihr fprecht mohl auch noch dereinft fo,
Wenn in die Welt ihr kommt, bei nie gejehenen Leuten
Schaffen müßt und euch rühren und Brot euch verdienen und
Kleidung:
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„Wäre daheim ich doch bei Mütterdhen hinter dem Dfen!“
Tröft’ euch Gott, es währet nicht immer, und endlich wird's beſſer,
Wie auch das Keimlein erfahren. Nun hört! Am heiteren Maitag
Dicht es fo lau, und es fteigt bie Sonne fo kräftig vom Berg auf,
Und fie Schaut, wie's dem Keimlein ergeht, und giebt ihm ein
Küpchen!
Ach wie ift’3 ihm fo wohl! es weiß nicht zu bleiben vor Freude!
Allgemach pranget die Matte mit Grad und farbigen Blumen,
Allgemach duftet Die Blüte der Kirichen, es grünet der Pflaumbaum,
Buſchiger wird das Korn und buſchiger Weizen und Gerfte.
Und mein Häberlein ſpricht: „Jetzt bleib’ ich allein nicht dahinten.“
Nein, es fpreitet die Blättchen — wer bat fie fo zart ihm gemoben?
Jetzt auch fchießet der Halm — mer treibt in Röhren an Röhren
Aus den Wurzeln dad Waſſer hinauf zur faftigen Spige?
Endlich ſchlüpft ein Ahrlein heraus und ſchwankt in den Lüften —
Sage mir dod nur ein Menſch, wer hat an ſeidene Fäden
Dort ein Knöſpchen gehängt und hier mit fünftlihen Händen? —
Himmliſche Engel; wer jonjt? Sie wandeln zwiſchen den Furchen
Auf und ab von Halme zu Halın und Ichaffen gewaltig.
Sebt hängt Blüte bei Blüt’ an der zierlichen ſchwankenden Ähre,
Und mein Häberlein fteht gleich einem Bräutlein im Kirchſtuhl.
Jetzt find zarte Körnchen darin und wachſen im ftillen,
Und mein Haber beginnt zu merten, was es will werben.
Käferhen kommt nun und Fliege; fie kommen und machen
Beſuch ihm,
Schauen, wie ed ihm geht, und fingen ihm Eia Popeia!
Und auch der Glühwurm kommt, Pot taufend! mit dem Laternchen,
Nachts um neun auf Befuch, wenn Flieg’ und Käferlein jchlafen. —
Effet, ihr Kinder, gefegn’ e8 euch Gott, und wachſt und gedeihet!
Späterhin hat man geheu’t und Kirſchen geſammelt nad) Pfingiten,
Späterhin jaftige Pflaumen gepflüdt dort hinten im Garten,
Späterhin hat man Roggen gemäht und Weizen und Gerfte,
Aber die Kinder der Armen find barfuß zwiſchen den Stoppeln
Ähren lefen gegangen, und's Mäuslein machte den Kehraus.
Drauf hat auch der Haber gegelbt; voll mehliger Körner
Hat er geſchwankt und gelagt: „Jetzt iſt's mir endlich verleibet;
Meine Zeit, ich mer!’ es, ift aus; was mad’ ich allein hier
Zwiſchen den Stoppelrüben und zwilchen dem Kraut der Kartoffeln?“
Drauf ift die Mutter hinaus mit Euphroſynchen und Lieschen,
Und ſchon fror's an den Fingern, fo kalt war's morgens und abends.
Endlih haben wir heim ihn gebracht in die ftaubige Scheune
Und ihn gebrofchen von früh um zwei bis zu Abend um viere.
Drauf hat des Müllers Efel ihn abgeholt in die Mühle
Und ihn wieder gebradt, in feine Kömlein zermahlen;
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Und mit fahniger Mich von jungen fledigen Kühen
Hat lied Mütterchen ihn gelocht, — gelt, Kinder, es ſchmeckte? —
Wiſchet die Löffel nun ab, und bet’ eins: „Dantet dem Herren!“
Und jebt geht in die Schule! dort hängt das Ränzchen am Simfe.
Falle mir keins, gebt Achtung und lernt hübſch, mas man euch
aufgiebt!
Wenn nah Haufe ihr fommt, dann giebt es gebadene Pflaumen.
Gb. Echtermeyer.
220. Wanderlied.
1. Dem Wandersmann gehört die Welt
In allen ihren Weiten,
Weil er kann über Thal und Feld
So mohlgemut Binfchreiten.
Die Felder find wohl angebaut
Für andre und von andern;
Ihm aber, der fie ſich befchaut,
Gehören fie jebt beim Wandern.
2. Durch Wiefen jchlängelt fi ein Pfad,
Wie zwifchen Blumenbeeten.
Ich weiß nicht, weſſen Fuß ihn trat;
Er ift für mich getreten.
Und neben in das Gras hinein,
Wo fie wohl Yutter holen,
Das Grün ift au beim Wandern mein,
Ein Teppich für meine Sohlen.
3. Der Baum, der hier am Wege ftebt,
Wem mag er Frucht eritatten?
Doch meil mein Weg vorübergeht,
So giebt er mir den Schatten.
Sie haben ihn hierher gejett
Wohl nicht zu meinem Frommen;
Ich aber glaube, daß er jebt
Sei eigens für mich gelommen.
4. Der Bad, der mir entgegen raufcht,
Kommt ber, mich zu begrüßen,
Durch Reden, die er mit mir taufct,
Den Gang mir zu verfühen.
Und wenn ich feiner mübe bin,
Er wartet auf mein Winlen,
Gleich wendet er fi zur Rechten hin,
Und ich zieh’ fort zur Linken. -
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5. Die Lüfte find mir dienftbar auch,
Die mir im Rüden wehen,
Sie wollen doch mit ihrem Hauch
Mid fördern nur im Gehen.
Und die in? Angefiht mich Tüßt,
Sie will mir auch nicht ſchaden:
Es ift die Ferne, die mich grüßt,
Zu fih mich einzuladen.
6. Der Regen und der Sonnenicein
Sind meine zwei Gefellen,
Die, einer hinterm andern drein,
Abwechſelnd ein fich ftellen.
Der Regen löſcht der Straße Staub,
Die Sonne madht fie troden;
Daneben wollen Gras und Laub
Sie aus dem Boden loden.
7. Und fpannt in ihrem Wechſelſpiel
Sich aus ein Regenbogen,
Komm ich, entgegen meinem Ziel,
Darunter her gezogen.
Der Bogen ift für mich gejpannt,
Weil ich darunter mwalle;
Zu Trägern find die Berg’ ernannt,
Daß er auf mich nicht falle.
8. Und wo ein Dorf entgegentritt,
Da bör’ ich Glocken läuten.
Ste meinen jelber mid) damit,
Mas könnt' es fonft bedeuten?
Sie läuten etwan einer Braut,
Vielleiht auch einem Toten;
Sch aber deut’ auf mich den Laut:
Ein Gruß wird mir geboten.
9. So zieh’ ih im Triumpbgefang
Entlang die lange Straße;
Und nie wird mir um etwas bang,
Das ih im Rüden laffe.
Wie eines hinter mir entmweicht,
So Tommt gleich her das andre;
Und nie hab’ ich das End’ erreicht
Der Welt, jo weit ih wandre.
Sr. Rüdert. (1815--1818.)
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221. Der Alpenwanderer.
Des Wandrerd Tritte wanfen
Auf ſchmaler Kiefelbahn
Durch wildverjhlungne Ranken
Den Fichtenberg hinan.
Wie bebt des Waldſtroms Brücke,
Der toſend ſich ergeußt
Und Bäum' und Felſenſtücke
Jach in die Tiefe reißt!
Jetzt flieht die Nacht der Wipfel;
Verklärt vom Sonnenſtrahl,
Grenzt an beſchneite Gipfel
Ein grünes Zauberthal.
Hier bliebe, wonnebebend,
Selbſt Hallers Muſe ſtumm.
Wie groß, wie ſeelenhebend!
Hier iſt Elyſium!
Hier, wo ein rein'rer Äther
Um Götterhaine fließt,
Aurorens Licht ſich röter
Auf hell'res Grün ergießt;
Wo Freiheit in den Hütten
Bei frommer Einfalt wohnt,
Und Kraftgefühl die Sitten
Des goldnen Alters lohnt.
Hier, wo die Herde läutend
Im Blumengraſe geht
Und, Wohlgeruch verbreitend,
Die Bergluft milder weht;
Wo, von der Genziane
Und Anemon' umblüht,
Auf ſeidnem Raſenplane
Die Alpenroſe glüht.
Hier, wo die Seele ſtärker
Des Fittichs Hülle dehnt,
Hoch über Erd' und Kerker
Empor zu ſchweben wähnt,
Geläuterter und freier
Der Sinnenwelt entflieht
Und ſchon im Ätherſchleier
An Lethes Ufern kniet.
u. BIT Sie
6. Doch, ad! der Zauber ſchwindet,
Des Traumgotts Bildern gleich;
Der enge Steinpfad mwindet
Sich zwiſchen Felsgeſträuch;
Wild ftarren, matt vom Schimmer
Der Abendfonn’ erhellt,
Geftürzter Berge Trümmer,
Wie Trümmer einer Welt.
7. Sm hohen Raum der Blitze
Wälzt die Lawine fi;
Es kreiſcht im Wollenfipe
Der Adler fürchterlich.
Dumpf donnernd, wie die Hölle
In Ätnas Tiefen raſt,
Kracht an des Bergftroms Duelle
Des Gletſchers Eispalaft.
8. Hier dämmern ſchwarze Gründe,
Wo nie ein Blümchen lacht,
Dort bergen graufe Schlünde
Des Chaos alte Nacht;
Und milder, immer wilder
Schmingt fih der Pfad empor;
Bleih wallen Todesbilder
Aus jeder Kluft hervor.
9. Kalt wehn des Grabes Schreden,
Wo dräuend der Granit
In fühngetürmten Blöden
Den Abgrund überfieht.
Erzürnte Fluten braufen
Tief unter morſchem Steg,
Und Grönlande Lüfte faufen
Am hochbeichneiten Weg.
10. Der Wandrer ftarrt von Eife,
Sein Odem friert zu Schnee;
Ein Glöckchen, dumpf und leife,
Tönt fern am Alpenfee;
Der Hohlweg ſenkt fich tiefer;
Durch Felſenzacken blickt
Des Kloſters* duntler Schiefer,
Mit weißem Kreuz geſchmückt.
Friedr. v. Mattdiſſon. (Zwiſchen 1787 — 1798.)
* Das Klofter auf dem großen St. Bernhard.
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— 13383 —
222. Berglied.
1. Am Abgrund leitet der fchwindlichte Steg,
Er führt zwifchen Leben und Sterben;
Es fperren die Riefen den einfamen Meg
Und drohen dir ewig Verberben,
Und willſt du die fchlafende Lömin* nicht weden,
Sp wandle ftil durch die Straße der Schreden.
2. Es ſchwebt eine Brüde, hoch über den Rand
Der furdtbaren Tiefe gebogen,
Sie ward nicht erbauet von Menſchenhand,
Es hätte ſich's Feiner vermogen;
Der Strom brauft unter ihr Ipat und früh,
Speit ewig hinauf und zertrümmert fie nie.
3. Es öffnet fi ſchwarz ein fchauriges Thor,
Du glaubit dich im Reiche der Schatten,
Da thut fich ein lachend Gelände hervor,
Mo der Herbft und der Frühling fich gatten;
Aus des Lebens Mühen und ewiger Dual
Möcht’ ich fliehn in dieſes glüdfelige Thal!
4. Bier Ströme braufen binab in das Feld,
Ihr Duell, der ift ewig verborgen;
Sie fließen nad) allen vier Straßen der Welt,
Nah Abend, Nord, Mittag und Morgen,
Und wie die Mutter fie vaufchend geboren,
Hort fliehn fie und bleiben fich ewig verloren.
5. Zwei Zinken ragen ins Blaue der Luft
Hoch über der Menſchen Geſchlechter,
Drauf tanzen, umjchleiert mit goldenem Duft,
Die Wollen, die himmlischen Töchter.
Sie Halten dort oben den einfamen Reihn,
Da Stellt fih Fein Zeuge, fein irdiſcher, ein.
6. Es fist die Königin hoch und Kar
Auf unvergänglidem Throne,
Die Stim umtränzt fie fi) wunderbar
Mit diamantener Krone;
Drauf ſchießt die Sonne die Pfeile von Licht,
Sie vergolden fie nur und erwärmen fie nicht!
Sriedr. v. Schiller. (1804.)
*Löwin, an einigen Orten der Schweiz der verdorbene Ausdrud für Lawine.
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223. Märchen vom Mummelfee im Schwarzwalde.
1. Im Mummelfee, im dunleln See,
Da blühn der Lilien viele,
Sie wiegen fi, fie biegen ſich,
Dem loſen Wind zum Spiele;
Doch wenn die Nacht herniederfinkt,
Der volle Mond am Himmel blinkt,
Entſteigen ſie dem Bade
Als Jungfern ans Geftabe.
. 2. Es brauſt der Wind, es ſauſt das Rohr
Die Melodie zum Tanze;
Die Lilienmädchen ſchlingen fi,
Als mie zu einem Kranze,
‚Und ſchweben leif’ umher im Kreis,
Geſichter weiß, Gewänder weiß,
Bis ihre bleichen Wangen
- Mit zarter. Röte prangen.
3. Es brauft der Sturm, es ſauſt das Rohe⸗
Es pfeift im Tannenwalde,
Die Wolken ziehn am Monde hin,
Die Schatten auf der Halde;
Und auf und ab, durchs naſſe Gras
Dreht ſich der Reigen ohne Maß,
Und immer lauter fchwellen
Ans Ufer an die Wellen.
4. Da hebt ein Arm fih aus der Bin,
Die Rieſenfauſt geballet,
Ein triefend Haupt dann, fchilfbelränzt,
Vom langen Bart ummallet,
5 Und eime Donnerftimme fchallt,
Daß im Gebirg es mwieberhallt:
„Zurück in eure Wogen,
Idhr Lilien ungezogen!”
5: Da Rodt der Tanz — die Mädchen fchrei'n
Und werden immer bläſſer:
„Der Vater ruft! puh! Morgenluft!
Zurüd in das Gewäſſer!“ —
Die Nebel fteigen aus dem Thal,
Es dämmert ſchon der Movgenftrahl,
Und Lilien ſchwanken wieber
Im Wafler auf und nieder.
Zu Aug. Schnezler.
22*
— 340 ° —
324. Mummelſees Nache.
.Glatt iſt der See, ſtumm liegt die Flut,
So til, ala ob fie fchliefe,
Der Abend ruht wie dunkles Blut
Kings auf der finftern Tiefe;
Die Binfen im Kreiſe nur leije
Flüftern verjtohlener Weiſe.
. Mer fchleicht Dort aus dem Tannenwald mit ſcheuem Tritte her?
Was fchleppt er in dem Sade nad) fo mühfam und fo ſchwer?
— Das ift der rote Dieter, der Wilderer benannt,
Dem Föriter eine Kugel hat er durchs Herz gebrannt.
Seht kommt er, in die Wogen den Leichnam zu verienten,
Doch unſer alter Mummler läßt fih fo was nicht ſchenken.
. Der Alte hat gar leifen Schlaf, ihn ftört fogar ein Stein,
Den man vielleiht aus Unbedacht ins Waſſer wirft hinein;
Dann focht es in der Tiefe, Gemitter fteigen auf,
Und flieht nicht gleich der Wandrer mit blisgefhwindem Lauf,
So muß er in den Fluten ala Opfer untergehen,
Kein Auge wird ihn jemals auf Erden wiederfehen.
. Da fteht ber Frevler an dem See, wirft feine Bürde ab
Und ftößt hinab mit einem Fluch den Sad ins naſſe Grab:
„Da jage du nun Fiſche da drunten in dem See!
Sept kann ich ruhig jagen im Forfte Hirih und Reh,
Kann mid nun ruhig wärmen an deines Holzes Gluten,
Du brauchſt ja doch Fein Feuer da brunten in den Fluten.“
. Er ſpricht's und will zurück, doch hält ein Dorngeftrüpp ihn an,
Und immer feiter zerrt es ihn mit tauſendfachem Zahn;
Da kocht es in der Tiefe, Gewitter fteigen auf,
Dumpf rollt ob dem Gebirge der Donner feinen Lauf;
Der See fteigt übers Ufer, es glühn des Hunmeld Flammen,
Und hoch fchlägt über dem Mörder die ſchwarze Ylut zujammen.
. Stumm liegt der See, ala ob die Glut
Der Rache wieder fchliefe.
Blatt ift die Flut, im Monde ruht
Die unermeßne Tiefe, —
Die Binjen im reife nur leije
Hlüftern verftohlener Weife.
Aug. Schnezler.
— 341 —
225. Die Rache.
1. Der Knecht hat erftochen den ebeln Herrn,
Der Knecht wär’ felber ein Ritter gern. Ä
2. Er bat ihn erftodden im Dunkeln Hain
Und den Leib verjenket im tiefen Rhein;
3. Hat angeleget die Rüftung blanf,
Auf des Herren Roß ſich geſchwungen franf;
4. Und als er fprengen will über die Brüd’,
Da ftußet das Roß und bäumt fich zurüd,
5. Und als er die güldnen Sporen ihm gab,
Da ſchleudert's ihn wild in den Strom hinab.
6. Mit Arm, mit Fuß er rudert und ringt;
Der Ichwere Panzer ihn nieverzwingt.
£ubw. Nbland. (1810.)
226. Der Bandit.
1. Wie bänglich und ſchwül mit verhaltnem Grollen
Im Arno⸗Thale die Donner rollen!
2. Schwarz türmt es ſich auf. Zu der gaſtlichen Hütte
Lenkt raſcher der Wandrer die müden Schritte.
3. Es erhebt ſich der Sturm. Mit verhängtem Zügel
Heim jagen die Reiter im lockern Bügel.
4. Nun wettert und leuchtet's, in grauſiger Schnelle
Folgt Dunkel der Nacht ſich und Tageshelle.
5. Laut rauſchend in Strömen ergießt ſich der Regen. —
Wer tritt dort hervor aus der Höhle verwegen?
6. „Wenn zittert der Fels, wenn die Feinde ſich hüten,
Schlägt frei und am freilten das Herz des Banbiten.
7. Hervor, mein Stilett! fo gefällig netzen
Den Stein mir die Tropfen; hervor, dich zu wegen! —
8. Wie ſcharf nun und blanf! Ha! matt nur und dunkel
Hier gegen mein Eifen ift, Blig, dein Gefunfel!“
9. Hoc hebt er den Stahl. — Huil flammt’3 dran hernieder:
Stumm tft der Bandit, und er redet nie wieder.
Bern. Befler.
— 342 —
227. Die Sonne bringt es an den Tag.
. Gemädlih in der Werkſtatt ſaß
Zum Frühtrunk Meifter Nikolas;
Die junge Hausfrau schenkt’ ihm ein,
Es war im Beitern Sonnenfdein. —
Die Sonne bringt e8 an den Tag.
. Die Sonne blinkt von der Schale Rand,
Malt zitternde Kringeln an die Wand;
Und wie den Schein er ind Ange faßt,
So ſpricht er für fi, indem er erblaßt:
„Du bringft es doch nicht an den Tag.“
. „„Wer nicht? was nicht?*” die Frau fragt gleich,
„„Was ſtierſt du jo an? Was wirft du fo bleich?““ —
Und er darauf: „Ser fill, nur ſtill;
Ich's doch nicht fagen kann, noch will.
Die Sonne bringt's nicht an den Tag.“
. Die Frau nur dringender forſcht und fragt,
Mit Schmeicheln ihn und Habern. plagt,
Mit ſüßem und mit bitterm Wort, ea
Sie fragt und plagt ihn fort und fort: —
„„Was bringt die Sonne nicht an den Tag?
. „Rein, nimmermehr!“ — „„Du fagft e8 mir noch.“ —
„Ih ſag' es nicht.” — „„Du fagft e8 mir — en
Da ward zulett er müd' und ſchwach u 4
Und gab der Ungeftümen nad.. —
Die Sonne bringt es an den Tag.
. „Auf der Wanderſchaft, ’3 find zwanzig Jahr',
Da traf e8 mich einst gar fonderbar,
Ich hatt! nicht Geld, nicht Ranzen, nod Schub,
War dungrig und durftig und zornig dazu. — —
Die Sonne bringt’3 nit an den Tag.
. Da kam mir juft ein Zub’ in die Quer',
Ringsher war's ftill und menfchenleer:
„Du hilfſt mir, Hund, aus meiner Not;
Den Beutel her! fonft ſchlag' ich Dich tot!“
Die Sonne bringt’3 nicht an den Tag.
. Und er: „„Vergieße nicht mein Blut,
Acht Pfennige find mein ganzes Gut!“ |
Ich glaubt’ ihm nicht und fiel ihn an; a
Er war ein alter, ſchwacher Mann —
Die Sonne bringt’3 nicht an den Tag.
10.
11.
12.
13.
14.
— 33 —
So rüdlings lag er blutend da,
Sein bredendes Aug’ in bie Sonne jab;
Noch bob er zudend die Hand empor,
Noch fchrie er röchelnd mir ins Ohr:
„„Die Sonne bringt ed an den Tag!“ *
Ich macht' ihn fchnell noch vollends ftumm
Und kehrt' ihm die Tafchen um und um:
Acht Pfenn’ge, das war das ganze Gelb.
Ich ſcharrt' ihn ein auf felbigem Feld —
Die Sonne bringt's nicht an den Tag.
Dann zog ich weit und weiter hinaus,
Kam bier ind Land, bin jet zu Haus. —
Du weißt nun’ meine Heimlichkeit,
So halte ven Mund und fei gefcheit;
Die Sonne bringt’8 nicht an den Tag.
Wann aber fie jo flimmernd jcheint,
Ich mer!’ es mohl, was fie da meint,
Wie fie ſich müht und ſich erboft, —
Du, ſchau nicht Hin und fei getroft: —
Sie bringt es doch nit an den Tag.“
Sp hatte die Sonn’ eine Zunge nun,
Der Frauen Zungen ja nimmer ruhn. —
„„Sevatterin, um Jeſus Chrift!
Laßt Euch nicht merken, was Ihr nun wißt!““ —
Nun bringt’3 die Sonne an den Tag.
Die Raben ziehen krächzend zumal
Nah dem Hochgericht, zu halten ihr Mahl.
Men flechten fie auf Rad zur Stund’?
Was hat er gethban? wie ward es fund?
Die Sonne bracht' ed an den Tag.
Adalb. v. Chamiſſo. (1827.)
228. Die Vergeltung.
1. Der Kapitän fteht an der Spiere,
Das Fernrohr in gebräunter Hand,
Dem fchwarzgelodten Paflagiere
Hat er den Rüden zugewandt.
we, 354;
Nah einem Wollenitreif in Sinnen
Die beiden wie zwei Pfeiler fehn;
Der Fremde Ipriht: „Was braut da drinnen?“
„Der Teufel!" brummt der Kapitän.
2. Da hebt von morfchen Balfens Trümmer
Ein Kranker feine feuchte Stirn,
Des Äthers Blau, der See Geflimmer,
Ad, alles quält fein fiebernd Hirn!
Er läßt die Blide ſchwer und düſter
Entläng3 dem harten Pfühle gehn,
Die eingegrabnen Worte lieft cr;
„Batavia. Fünfhundert Zehn.“
3. Die Wolfe fteigt; zur Mittagsftunde
Das Schiff ächzt auf der Wellen Höhn,
Geziſch, Geheul aus wüſtem Grunde,
Die Bohlen weichen mit Geſtöhn.
„Jeſus Marie! wir ſind verloren!“
Vom Maſt geſchleudert der Matroſ',
Ein dumpfer Krach in allen Ohren,
Und langſam löſt der Bau ſich los.
4. Noch liegt der Kranke am Verdecke,
Um ſeinen Balken feſt geklemmt,
Da kommt die Flut, und eine Strecke
Wird er ins wüſte Meer geſchwemmt.
Was nicht geläng' der Kräfte Sporne,
Das leiſtet ihm ver ſtarre Krampf,
Und wie ein Narwal mit dem Home
Scießt fort er durch der Wellen Dampf.
5. Wie lange jo? — er weiß es nimmer;
Dann trifft ein Strahl des Auges Ball,
Und langfam ſchwimmt er mit der Trümmer
Auf ödem, gligerndem Kryftall.
Das Schiff! — die Mannſchaft! — fie verfanten.
Doch nein! dort auf der Waflerbahn,
Dort fieht den Pafjagier er ſchwanken
In einer Kifte morſchem Kahn.
6. Armfel’ge Lade! fie wird finken!
Er ftrengt die beif’re Stimme an:
„Nur grade, Freund, du Drüdft zur Linken!“
Und immer näher ſchwankt's heran,
— 345 —
Und immer näher treibt die Trümmer,
Wie ein vermehtes Mömenneft;
„Sourage!“ ruft der kranke Schwimmer,
Mich dünkt, ich fehe Land im Weit!“
7. Run rühren fih der Fähren Ende,
Er fieht des fremden Auges Blig,
Da plöglih fühlt er ftarke Hände,
Fühlt wütend ſich gezerrt vom Sit.
„Barmherzigkeit! ich Tann nicht kämpfen.“
Er klammert dort, er Hemmt fih bier;
Ein heif’rer Schrei, den Wellen dämpfen,
Am Ballen ſchwimmt der Paflagier.
8. Dann bat er Träftig fih geſchwungen
Und fchaufelt durch das öde Blau,
Er fieht das Land wie Dämmerungen
Enttauden und zergehn in Grau.
Noch lange ift er jo geihmonmen,
Umflattert von der Möwe Schrei,
Dann hat ein Schiff ihn aufgenommen:
Viktoria! nun ift er frei!
9. Drei kurze Monde find verronnen,
Und die Fregatte liegt am Strand,
Mo mittags fi) die Robben fonnen;
Und Burfche Mettern übern Rand,
Den Mädchen iſt's ein Abenteuer,
Es zu erihaun vom fernen Riff,
Denn noch zerftört ift nicht geheuer
Das greuliche Korſarenſchiff.
10. Und vor der Stadt da ift ein Waten,
Ein Wühlen dur das Kiesgejchrill,
Da die verrufenen Piraten
Ein jeder fterben jehen will.
Aus Strandgebälfen, morſch, zertrümmert,
Hat man den Galgen, dicht am Meer,
In wüfter Eile aufgezimmert;
Dort dräut er von der Düne ber!
11. Welch ein Getümmel an den Schranten! —
„Da kömmt der Frei — der Heſſel jetzt —
Da bringen fie den ſchwarzen Franlen,
Der bat geleugnet bis zulegt.“
— 346 —
" „Sciffbrüdig fei er hergeſchwommen“,
Höhnt eine Alte; „ei, wie kühn!
Doch keiner ſprach zu feinem Yrommen,
Die ganze Bande gegen ihn.“
12. Der Paflagier, am Galgen ſtehend,
Hohläugig, mit zerbrochnem Mut,
Zu jevem Räuber flüftert flehend:
„Was that dir mein unſchuldig Blut!
Barmherzigkeit! — So muß ich fterben
Dur) des Gefindels Lügenmort!
D mög’ die Seele euch verderben!“
Da zieht ihn ſchon der Scherge fort.
13. Er fieht die Menge wogend fpalten —
Er hört das Summen im Gemühl —
Nun weiß er, daß des Himmels Walten
Nur feiner Pfaffen Gaukelſpiel!
Und als er in des Hohnes Stolze
Will ftarren nad den Ätherhöhn,
Da lieſt er an des Galgens Holze:
„Batavia. Yünfhundert Zehn.”
Ann. v. Drofe: Bülshof.
229. Arion.
(Um 600 vor Chr.)
1. Arion mar der Töne Meifter,
Die Zither lebt’ in feiner Hand;
Damit ergößt” er alle Geifter,
Und gern empfing ihn jedes Land.
Er ſchiffte goldbeladen
Seht von Tarents Gejtaden,
Zum ſchönen Hellas beimgemwandt.
2. Zum Freunde zieht ihn fein Verlangen,
Ihn liebt der Herricher von Korinth.
Eh’ in die Fremd’ er ausgegangen,
Bat der ihn brüderlich gefinnt:
„Lab dir's in meinen Hallen
Doch ruhig wohlgefallen!
Biel kann verlieren, wer gewinnt!“
3. Arion ſprach: „Ein wandernd Leben
i Gefällt der freien Dichterbruft.
Die Kunft, die mir ein Gott gegeben,
Sie fei aud vieler Taufend Luft.
— 347 —
An woblerworbnen Gaben .
Wie werd’ ich einft mich laben,
: Des weiten Ruhmes froh bewußt!“
Die Lüfte wehen lind und warm:
„D Beriander, eitle Sorgen!
Bergiß fie nun in meinem Arm:
Wir wollen mit Gefchenten
Die Götter reich. bedenken
Er fteht im Schiff am zweiten Morgen; i
Und jubeln in der Gäfte Schwarm!" —
-
„Du darfft, Arion, nicht. mehr leben.
Es bleiben Wind und See gewogen, |
Auch nicht ein fernes Wöllkchen graut;
„Er Hat nicht allzuviel den Wogen,
Den Menſchen allzuviel vertraut.
Er hört die Schiffer flüftern,
Nach feinen Schätzen Lüften;
Doch bald umringen fie ihn laut.
Begehrit du auf dem Land’ ein Grab,
So mußt du bier den Tod dir geben;
„So wollt ihr mich verderben?
‘hr mögt mein Gold erwerben,
Sch Taufe gern mein Blut euch ab!" —
„Rein, nein, wir. lafien Dich nicht wandern,
Du wärft ein zu gefährlich Haupt.
Wo blieben wir vor Beriandern,
Berrietft du, daß wir dich beraubt?’
Uns Tann. dein Gold nicht frommen,
Wenn mwieber heim zu kommen
Uns nimmermehr die Furt erlaubt.” —
: „Gewährt mir denn noch eine: Bitte,
Gilt, mich zu retten, Tein Vertrag: '
Daß ich nach Bitheripieler- Sitte,
Wie ich gelebet, fterben mag. 2
Mann ich mein Lieb geſungen,
Die Saiten ausgellungen, |
Dann fahre hin des Lebens Tag!“ :
Die Bitte kann fie nicht beihämen,
Sie denken nur an ben. Gewinn.
Doc ſolchen Sänger zu vernehmen,
Das reizet ihren wilden Sinn. |
12
1
I
. Sonft wisf dich in das Meer hinab!“ —
v RP
L
En
10.
11.
12.
13.
14.
18.
— 348 —-
„Und wollt ihr ruhig laufchen,
Loft mich die Kleider taufchen:
Im Schmud nur reißt Apoll mich Hin.“ —
Der Süngling hüllt die Ichönen Glieder
In Gold und Purpur wunderbar.
Bis auf die Sohlen wallt hernieder
Ein leichter, faltiger Talar;
Die Arme zieren Spangen,
Um Hals und Stirn und Wangen
Fliegt duftend das bekränzte Haar.
Die Zither ruht in ſeiner Linken,
Die Rechte hält das Elfenbein.
Er ſcheint erquicdt die Luft zu trinken,
Er firahlt im Morgenjonnenfcein.
Es ftaunt der Schiffer Bande;
Er fchreitet vorn zum Rande
Und fieht ins blaue Meer Binein.
Er fang: „Gefährtin meiner Stimme!
Komm, folge mir ins Schattenreih!
Ob auch der Höllenhund ergrimme,
Die Macht der Töne zähmt ihn gleich.
Elyfiums Heroen,
Dem dunkeln Strom entfloben,
Ihr friedlichen, ſchon grüß' ich euch!
Doch könnt ihr mich des Grams entbinden?
Ich laſſe meinen Freund zurüd.
Du gingſt, Eurydicen zu finden,
Der Hades barg dein ſüßes Glück.
Da wie ein Traum zerronnen,
Was dir dein Lied gewonnen,
Verfluchteft du der Sonne Blick.
Ich muß hinab, ich will nicht zagen!
Die Götter ſchauen aus der Höh.
Die ihre mich wehrlos habt erichlagen, Ä
Erblaflet, wenn ich untergeh’!
Den Gaft, zu euch gebettet,
Ahr Nereiden, rettet!“
So fprang er in bie tiefe See.
Ihn deden alfobald die Wogen,
Die ſichern Schiffer jegeln fort.
Delphine waren nachgezogen,
Als lodte fie ein Zauberwort;
16.
17.
18,
19.
20.
21.
— 349 —
Eh' Fluten ihn erſticken,
Beut einer ihm den Rücken
Und trägt ihn ſorgſam hin zum Port.
Des Meers verworrenes Gebrauſe
Ward ſtummen Fiſchen nur verliehn;
Doch lodt Muſik aus ſalz'gem Haufe
Zu frohen Sprüngen den Delphin.
Sie konnt' ihn oft beftriden,
Mit ſehnſuchtsvollen Bliden
Dem falfchen Jäger nachzuziehn.
So trägt den Sänger mit Entzüden
Das menſchenliebend finn’'ge Tier.
Er fchwebt auf dem gemwölbten Rüden,
Hält im Triumph der Leier Bier,
Und Heine Wellen fpringen,
Wie nah der Seiten Klingen,
Rings in dem bläulihen Revier.
Wo der Delphin fi fein entladen,
Der ihn gerettet uferwärts,
Da wird dereinft an Felsgeftaden
Das Wunder aufgeftellt in Erz.
Seht, Da fich jedes trennte
Zu feinem Elemente,
Grüßt ihn Arions volles Herz:
„Leb’ wohl; und könnt' ich dich belohnen,
Du treuer, freundlicher Delphin!
Du kannſt nur bier, ich dort nur wohnen;
Gemeinschaft ift ung nicht verliehn.
Did wird auf feuchten Spiegeln
Noch Galatea zügeln,
Du wirft fie ſtolz und heilig ziehn!“ —
Arion eilt nun leicht von hinnen,
Wie einſt er in die Fremde fuhr.
Schon glänzen ihm Korinthus' Zinnen,
Er wandelt ſingend durch die Flur.
Mit Lieb' und Luſt geboren,
Vergißt er, was verloren,
Bleibt ihm der Freund, die Zither nur.
Er tritt hinein: „Bam Wanderleben
Nun ruh' ih, Freund, an deiner Bruft.
Die Kunft, die mir ein Gott gegeben,
Sie wurde vieler Taufend Luft.
22.
23.
24.
26.
Nie labe Schöneß euren Mut!“
3. @. v. Schlegel.
— 850 —
Zwar falſche Räuber haben
Die wohlerworbnen Gaben;
Doch bin ich mir des Ruhms bewußt.“
Dann ſpricht er von den Munberbingen,
Daß Periander ftaunend horcht.
„Soll jenen ſolch ein Raub gelingen?
Ich hätt” umfonjt die Macht geborgt!
Die Thäter zu entdeden,
Mußt du dich hier verfteden;
So nahn fie wohl fih unbeſorgt.“ — |
Und als im Hafen Schiffer kommen,
Beſcheidet er fie zu fich her.
„Habt von Arion ihr vernommen?
Mih fümmert feine Wiederkehr.“ —
„Bir ließen vecht im Glüde
n zu Tarent zurüde.“
Da, fiehe! tritt Arion ber.
Gehüllt find feine ſchönen Glieder
Sn Gold und Purpur wunderbar.
Bis auf die Sohlen wallt hernieder
Ein leichter, faltiger Talar;
Die Arme zieren Spangen,
Um Hals und Stim und Wangen
Fliegt duftend das befränzte Haar.
Die Zither ruht in feiner Linken,
Die Rechte hält das Elfenbein.
Sie müfjen ihm zu Füßen finten,
Es trifft fie wie des Blitzes Schein.
„Ihn wollten wir ermorden;
Er ift zum Gotte worden! —
O ſchläng' uns nur die Erd' hinein!“ —
„Er lebet noch, der Töne Meiſter;
Der Sänger ſteht in heil'ger Hut.
Ich rufe nicht der Rache Geiſter,
Arion will nicht euer Blut.
Fern mögt ihr zu Barbaren,
Des Geizes Knechte, fahren! —
1797.)
— 351 —
230. Die Kraniche Des Ibylus.
(Um 530 vor Chr.)
1. Zum Kampf der Wagen und Gefänge,
Der auf Korinthus' Landesenge
Der Griehen Stämme froh vereint,
Zog Ibykus, der Götterfreund.
‘hm fchenkte des Gefanges Gabe,
Der Lieder jüßen Mund Apoll;
So wandert’ er an leihtem Stabe
Aus Rhegium, des Gottes voll.
2. Schon winkt auf hohem Bergesrüden
Akrokorinth des Wandrers Blicken,
Und in Poſeidons Fichtenhain
Tritt er mit frommem Schauder ein.
Nichts regt ſich um ihn her; nur Schwärme
Von Kranichen begleiten ihn,
Die fernhin nach des Südens Wärme
In graulichtem Geſchwader ziehn.
3. „Seid mir gegrüßt, befreund'te Scharen,
Die mir zur See Begleiter waren;
Zum guten Zeichen nehm’ ich euch,
Mein Los, es ift den euren gleich:
Bon fern her kommen wir gezogen
Und flehen um ein wirtlich Dad;
Sei und der Gaftlidhe gewogen,
Der von dem Fremdling wehrt die Schmad! “
* 4. Unb munter förbert er die Schritte
Und fieht fih in des Waldes Mitte;
Da fperren auf gebrangem Steg
Zwei Mörder plötlich feinen Weg.
Zum Kampfe muß er fich bereiten,
Doch bald ermattet finkt die Hand;
Sie hat der Leier zarte Saiten,
Doch nie des Bogens Kraft geipannt.
5. Er ruft die Menſchen an, bie Götter,
Sein leben dringt zu feinem Retter;
Wie weit er auch die Stimme fchidt,
Nichts Lebendes wird bier erblidt.
„So muß id bier verlafien fterben,
Auf fremdem Boden, unbeweint,
Durch böfer Buben Hand verderben,
Wo au fein Rächer mir ericheint!“
— 352 —
6. Und fchwer getroffen finkt er nieder;
Da rauſcht der Kraniche Gefieder.
Er hört, ſchon kann er nicht mehr fehn,
Die nahen Stimmen furdtbar krähn.
„Bon euch, ihr Kraniche dort oben,
Wenn eine andre Stimme fpricht,
Sei meines Mordes Klag’ erhoben!“
Er ruft e8, und fein Auge bricht.
7. Der nadte Leihnam wird gefunden,
Und bald, obgleich entjtelt von Wunden,
Erkennt der Gaftfreund in Korinth
Die Züge, die ihm teuer find.
„Und muß ich fo dich miederfinden,
Und hoffte mit der Fichte Kranz
Des Sängers Scläfe zu umminden,
Beitrahlt von feines Ruhmes Glanz!“
8. Und jammernd hören’3 alle Gäfte,
Verſammelt bet Poſeidons Feſte,
Ganz Griechenland ergreift der Schmerz,
Verloren hat ihn jedes Herz.
Und ſtürmend drängt ſich zum Prytanen
Das Volk, es fordert ſeine Wut,
Zu rächen des Erſchlagnen Manen,
Zu ſühnen mit des Mörders Blut.
9. Doch wo die Spur, die aus der Menge,
Der Völker flutendem Gedränge,
Gelocket von der Spiele Pracht,
Den ſchwarzen Thäter kenntlich macht?
Sind's Räuber, die ihn feig erſchlagen?
That's neidiſch ein verborgner Feind?
Nur Helios vermag's zu ſagen,
Der alles Irdiſche beſcheint.
10. Er geht vielleicht mit frechem Schritte
Jetzt eben durch der Griechen Mitte,
Und während ihn die Rache ſucht,
Genießt er ſeines Frevels Frucht.
Auf ihres eignen Tempels Schwelle
Trogt- er vielleicht den Göttern, mengt
Sich dreiſt in jene Menſchenwelle,
Die dort ſich zum Theater drängt.
— 353 —
11. Denn Bank an Banf gebränget fiten —
€3 brechen faft der Bühne Stüten —
Herbeigeftrömt von fern und nah,
Der Griechen Völker wartend da.
Dumpfbraujfend mie des Meeres Wogen,
Bon Menſchen mimmelnd, wächſt der Bau
In weiter ftet3 gefchweiften Bogen
Hinauf bis in des Himmeld Blau.
12. Wer zählt die Völker, nennt die Namen,
Die gaftlich bier zufammentamen?
Bon Thefeus’ Stadt, von Aulis’ Strand,
Bon Phocis, vom Spartanerland,
Bon Afiens entlegner Küfte,
Bon allen Inſeln kamen fie
Und horchen von dem Schaugerüfte
Des Chores graujer Melodie,
13. Der ftreng und ernft, nach alter Sitte,
Mit langſam abgemeßnem Schritte
Hervortritt aus dem Hintergrund,
Ummandelnd des Theaters Rund.
So ſchreiten Feine ird'ſchen Weiber,
Die zeugete Tein fterblih Haus!
Es jteigt das Rieſenmaß der Leiber
Hoch über menjchliches hinaus.
14. Ein ſchwarzer Mantel ſchlägt die Lenden,
Sie ſchwingen in entfleifchten Händen
Der Fadel vüfterrote Glut;
Sn ihren Wangen fließt fein Blut.
Und mo die Haare lieblich flattern,
Um Menſchenſtirnen freundlich mwehn,
Da fieht man Schlangen bier und Nattern
Die giftgefhmolnen Bäuche blähn.
15. Und fchauerlich, gedreht im Kreiſe,
Beginnen fie des Hymnus Weile,
Der dur das Herz zerreißend dringt,
Die Bande um den Sünder Ichlimgt.
Befinnungraubend, berzbethirend
Schalt der Erinnyen Geſang;
Er ſchallt, des Hörer Mark verzehrend,
Und duldet nicht der Leier Klang:
23
— 354 —
16. „Wohl dem, der frei von Schuld und Fehle
Bewahrt die kindlich reine Seele!
Ihm dürfen mir nicht rächend nahn,
Er wandelt frei des Lebens Bahn.
Doch wehe, wehe, wer verftohlen
Des Mordes ſchwere That vollbradt!
Wir beften und an jeine Sohlen,
Das furchtbare Geſchlecht der Nacht.
17. Und. glaubt er fliehend zu entipringen,
Geflügelt find wir da, die Schlingen
Ihm werfend um den flücht’gen Fuß,
Daß er zu Boden fallen muß.
So jagen wir ihn ohn’ Ermatten,
Berjöhnen kann uns keine New’,
Ihn fort und fort bi® zu den Schatten
Und geben ihn auch dort nicht frei.“
18. So fingend tanzen fie den Reigen,
Und Stille, wie des Todes Schweigen,
Liegt überm ganzen Haufe jchwer,
Ala ob die Gottheit nahe wär”.
Und feierlih, nach alter Sitte,
Ummandelnd des Theaters Rund,
Mit langjam abgemeßnem Schritte
Verſchwinden fie im Hintergrund.
19. Und zwiſchen Trug und Wahrheit ſchwebet
Noch zweifelnd jede Bruft und bebet
Und Buldiget der furchtbar'n Macht,
Die richtend im Verborgnen wacht,
Die unerforfhlih, unergründet
Des Schickſals dunkeln Knäuel flicht,
Dem tiefen Herzen fi verkündet,
Doc fliehet vor dem Sonnenlidt.
20. Da hört man auf den höchſten Stufen
Auf einmal eine Stimme rufen:
„Sieh da, fieh da, Timotheus,
Die Kraniche des Ibykus!“
Und finfter plöglih wird der Himmel,
Und über dem Theater hin
Sieht man in ſchwärzlichtem Gewimmel
Ein Kranichheer vorüberziehn.
— 355 —
21. „Des Ibykus!“ Der teure Name
Rührt jede Bruft mit neuem Grame,
Und wie im Meere Well’ auf Wel’,
So läuft's von Mund zu Munde jchnell:
„Des Ibykus? den wir beweinen?
Den eine Mörderhand erichlug?
Was ift’8 mit dem? was kann er meinen?
Was ift’3 mit dieſem Kranichzug?“
22. Und lauter immer wird die Frage,
Und ahnend fliegt's mit Blitzesſchlage
Durch alle Herzen: „Gebet acht,
Das iſt der Eumeniden Macht!
Der fromme Dichter wird gerochen,
Der Mörder bietet ſelbſt ſich dar! —
Ergreift ihn, der das Wort geſprochen,
Und ihn, an den's gerichtet war!“
23. Doch dem war kaum das Wort entfahren,
Möcht' er's im Buſen gern bewahren;
Umſonſt! der ſchreckenbleiche Mund
Macht ſchnell die Schuldbewußten kund.
Man reißt und ſchleppt ſie vor den Richter,
Die Scene wird zum Tribunal,
Und es geſtehn die Böſewichter,
Getroffen von der Rache Strahl.
Ir. v. Schiller. (Auguſt 1797.)
231. Simonides,
(559— 468 vor Chr.)
1. Im Kampf mit Wagenlauf und Ringen
Ward Skopas' tapferm Arm der Preis,
Und würdig feinen Ruhm zu fingen,
Zub er den weitberühmten Greis,
Der mit der nie verftimmten Leier
Den hohen Göttern Hymnen fingt
Und bei der Spiele heil’ger Feier
Des Siegers Ruhm den Enteln bringt.
2. Und froh begrüßen alle Gäfte
Den grauen Sänger bei dem Mahl;
Er ift die erfte Hier der Feſte
Sn Stopas’ prachterfülltem Saal.
Sein Sit erhebt fi) gleich dem Throne,
Erwartend lauſchet jedes Ohr,
233*
— 356 —
Geſchenke türmen fih zum Lohne
In goldnen Haufen hoch empor.
3. Da faßt Simonides die Leier,
Und feſtlich tönt der Saiten Klang;
Der Dioskuren hohe Feier
Erhebt begeiſtert ſein Geſang:
Die Kaſtor kühn die Roſſe zügelt
Und ihre mut'gen Schritte zwingt,
Und Polydeukes' Hand geflügelt
Den Cäftus auf den Gegner jchwingt.
4. Und wie der Preis der Götterföhne
Dom Mund des grauen Sängers fchallt,
Begeiftern ihn die eignen “Töne,
Des eignen Saitenjpiel3 Gewalt.
Und zu der Zwillingsbrüder Sigen
Shaun leudtend feine Blide auf,
Er fingt, wie ſie die Völker ſchuͤtzen
Und leiten fchneller Schiffe Lauf;
5. Wie feiner Gottheit em’ged Leben
Mit Kaftor Polydeukes teilt
Und willig, jenen zu erheben,
Bei Hades’ finftern Schatten meilt;
Mie fie, von Menſchen nicht gefehen,
Dem Liebling in der Rennbahn Kreis
Mit Göttermacht zur Seite ftehen
Und fihern ihm des Sieges Preis.
6. Doch zürmend hört er jenen fchelten:
„Du ſangſt der Götter Lob, laß dir
Die Diosfuren es vergelten;
Belohnung fordre nicht von mir!“
Da ſpricht der Sänger — ihn begeiftern
Die hohen Götterhymnen noch —:
„er darf des Dichters Werbe meiftern,
Mer zwingt die Kunſt in nievres Zoch?
7. Die Götter hauchen bie Gefänge
In ihrer Dichter Fromme Bruft
Und weden felbit die Macht ber Klänge
Dem Kiütharöden unbewußt.
Was fie gebieten, muß er fingen,
Sie öffnen ihm zum Lied den Mund,
Und wie fie mädtig ihn durchdringen,
Thut er ihr Wort den Menfchen fund.” —
— 357 —
8. „Wohl! haben Götter Dich durchdrungen,
So ehrt di gern der Erde Sohn“, —
Spricht jener; „doch die bu beiungen,
Bon ihnen forbr’ auch deinen Lohn!
Die Thaten meines Arnd zu preifen,
Lud ih den Sänger freundlich ein;
Ich ehre nun den frommen Weifen,
Doch kann ich nicht Vergelter fein.“
9. Da rötet edle Glut die Wangen
Dem grauen Sänger, und er ſpricht:
„Richt eitles Gold ift mein Verlangen,
Der Sänger braudit des Lohnes nicht.
Die Götter banden durch das Leben
Die Himmelstochter an den Staub,
Durd fie zum Himmel euch zu heben,
Begünftigte von Plutus’ Raub!
10. Mit eurem Golde follt ihr wehren,
Daß nit der Sorgen trübe Nacht
Des Sängers heitern Sinn verlehren
Und ftören kann der Götter Madıt.
Ihm konnten fie die Schäge fchenten,
Doch wollten fie den Sonnenflug
Nicht zu dem finftern Schoße lenken,
Der eure toten Götter trug.
11. Sie fefielten des Frühlings Blüte
Mit Wurzeln an ber Erde Schoß,
Und liebend zieht der Mutter Güte
Die bolden Kinder forgiam groß,
Sieht freudig jeden Keim entfalten,
Den mütterlih ihr Schoß genährt,
Und fi in blühenden Geftalten
Zu Farb’ und Leben jhön verklärt.
12. So folltet ihr der Sänger Leben
Mit eures Goldes Glanz erfreun,
Und mas die Götter euch gegeben,
Der Götter liebften Söhnen weihn.
Wähnt nicht des Sängers Lied zu lohnen, —
Belohnung ift ihm jein Gejang!
Die Bruft, die Himmlische bewohnen,
Verachtet eures Goldes Klang.
13. Ihr börtet mich, Zeus’ hohe Söhne!
Zu euch Drang mein Gejang empor,
— 3583 —
Und meiner Seiten laute Töne
Berührten euer göttlich Obr.
Ihr Lohnt den Greis mit Götterfeuer,
Das neubelebend ihn durchdringt,
Und fchübt die euch geweihte Leier,
Die eurer Gottheit Hymnen fing.“ —
14. Und kaum bat er das Wort geendet,
So tritt ein Sklave jchnell herein.
„Zwei Männer, ferne ber gefendet“,
Spridt er zum Sänger, „warten dein.
Sie wollen nicht im Haus verweilen
Und weigern ſich, dem Feſt zu nahn,
Doch bitten fie, du wolleft eilen
Und deiner Lieber Lohn empfahr.“
15. Der Sänger ftaunt bei diefen Worten,
Do folgt er fchnell dem Sklaven nad
Schon ift er durch die hohen Pforten
Und forichet in dem Borgemad).
Doch werden fie nicht mehr gefunden,
Bon feinem Menfchen mehr gejehn;
Sie ſcheinen Göttern gleich verſchwunden,
Die warnend ſchnell vorübergehn.
16. Denn wie der Sänger es verlaflen,
Erbebt das feftlihe Gemach;
Es ftürzt in ungeheuren Maflen
Herein das hochgewölbte Dad.
Die mähtigen Ruinen bauen
Den Toten, tötend, felbit das Grab,
Und Zeus’ gefei’rte Söhne ſchauen
Auf ihren Sänger milb herab.
Job. Aug. Apel.
232. Die Teilung der Erde,
„Nehmt Hin die Welt!“ rief Zeus von feinen Höhen
Den Menſchen zu; „nehmt, fie ſoll euer fein.
Euch ſchenk' ich fie zum Erb’ und ew'gen Lehen;
Doch teilt euch brüberlich darein.“
Da eilt, was Hände bat, ſich einzurichten;
Es regte ſich geſchäftig jung und alt.
Der Ackermann griff nach des Feldes Früchten,
Der Junker birſchte durch den Wald.
— 359 —
Der Kaufmann nimmt, was feine Speicher faflen,
Der Abt wählt fih den edlen Firnewein,
Der König fperrt die Brüden und die Straßen
Und ſprach: „Der Zehente ift mein.“
Ganz ſpät, nachdem die Teilung Tängjt gefchehen,
Naht der Poet, er kam aus meiter Fern’;
Ad, da war überall nichts mehr zu ſehen,
Und alles batte feinen Herrn!
„Weh mir! So foll denn ich allein von allen
Bergeflen fein, ich, dein getreufter Sohn?“
So ließ er laut der Klage Ruf erfchallen
Und warf fi Hin vor Jovis Thron.
. „Wenn du im Land ber Träume dich verweilet”,
Berjegt der Gott, „jo hadre nicht mit mir.
Wo warft du denn, ald man die Welt geteilt? —
„sh war“, ſprach der Poet, „bei dir.
Mein Auge hing an deinem Angefichte,
An deines Himmel! Harmonie mein Ohr;
Berzeih dem Geifte, der, von deinem Lichte
Beraufcht, das Irdiſche verlor!“
„Was thun?“ Spricht Zeus: „die Welt ift weggegeben,
Der Herbft, die Jagd, der Markt ift nicht mehr mein;
Willſt du in meinem Himmel mit mir leben,
So oft du kommſt, er fol dir offen ſein.“
Ir. v. Schiller. (1795.)
233. Ter Sänger.
«1. „Mas Hör’ ich draußen vor dem Thor,
Was auf der Brüde ſchallen?
Lab den Belang vor unferm Ohr
Im Saale wiederhallen!“
Der König ſprach's, der Page lief;
Der Knabe fam, der König rief:
„Laßt mir herein den Alten!”
2. „©egrüßet ſeid mir, edle Herm,
Gegrüßt ihr, ſchöne Damen!
Welch reicher Himmel! Stern bei Stan!
Wer Tennet ihre Namen?
Im Saal voll Pracht und Herrlichkeit
Schließt, Augen, euch! bier ift nicht Zeit,
Sid ftaunend zu ergögen.“
1.
— 360° —
3. Der Sänger drückt' die Augen ein
Und ſchlug in vollen Tönen;
Die Ritter ſchauten mutig drei,
Und in den Schoß die Schönen.
Der König, dem das Lieb gefiel,
Ließ ihm zum Lohne für fein Spiel
Eine goldne Kette bringen.
4. „Die golbne Kette gieb mir nicht,
Die Kette gieb den Rittern,
Bor deren kühnem Angeficht
Der Feinde Lanzen fplittern;
Sieb fie dem Kanzler, den du haft,
Und laß ihn noch die golone Laſt
Zu andern Laften tragen.
5. Ich finge, wie der Vogel fingt,
Der in den Zweigen mohnet;
Das Lied, das aus der Kehle dringt,
Iſt Lohn, der reichlich lohnet.
Doch darf ich bitten, bitt’ ich eins:
Laß mir den beften Becher Weins
In purem Golde reichen.“
6. Er fegt’ ihn an, er trank ihn aus:
„D Trank vol ſüßer Labe!
D dreimal hochbeglüdtes Haus,
Wo das ift Heine Gabel
Ergeht's euch wohl, jo denkt an mid,
Und danket Gott jo warm, als ich
Für diefen Trunk euch danke.“
.w. v. Goethe. (1782.)
234. Der Graf von Habsburg.
(31. Oftober 1273.)
Zu Aachen in feiner Kaiſerpracht,
Am altertümliden Saale
Saß König Rudolfs Heilige Macht
Beim feftlichen Krönungsmahle.
Die Speifen trug der Pfalzgraf des Rheins,
Es ſchenkte der Böhme des perlenden Weins,
Und alle die Wähler, die fieben,
Wie der Sterne Chor um die Sonne fi ftellt,
Umftanden geichäftig den Herrſcher der Welt,
Die Würde des Amtes zu üben.
— 361 —
2. Und rings erfüllte ven hohen Balkon
3.
Das Bolt in freud’gem Gebränge;
Laut miſchte ih in der Pofaunen Ton
Das jauchzende Hufen der Menge;
Denn geendigt nach langem, verderblichem Streit
War die kaiſerloſe, die fchredliche Beit,
Und ein Richter war wieder auf Erden.
Nicht blind mehr waltet der eiferne Speer,
Nicht fürchtet der Schwache, der Friedliche mehr,
Des Mächtigen Beute zu werben.
Und der Kaifer ergreift den goldnen Pokal
Und fpricht mit zufriedenen Bliden:
„Wohl glänzet das Feft, wohl pranget da3 Mahl,
Mein königlich Herz zu entzüden;
Doch den Sänger vermiſſ' ich, den Bringer der Luft,
Der mit fühem Klang mir bewege die Bruft
Und mit göttlich erhabenen Lehren.
So hab’ ich's gehalten von Jugend an,
Und was ich ala Ritter gepflegt und gethan,
Nicht will ich's als Kaiſer entbehren.“
Und fieh! in der Yürften umgebenden Kreis
Trat der Sänger im langen Talare;
Ihm glänzte die Locke filbermeiß,
Gebleiht von der Fülle der Sabre.
„Süßer Wohllaut ſchläft in der Saiten Gold,
Der Sänger fingt von der Winne Sold,
Er preijet das Höchſte, das Belte,
Mas das Herz fih wünſcht, was der Sinn begehrt;
Doch fage, mas ift des Kaiſers wert
An feinem berrlichften Feſte?“
„Richt gebieten werd’ ih dem Sänger“, ſpricht
Der Herrfcher mit lächelndem Munde,
„Er fteht in des größeren Herren Pflicht,
Er gehorcht der gebtetenden Stunde.
Pie in den Lüften ber Sturmwind ſauſt,
Man weiß nicht, von wannen er kommt und brauft,
Wie der Duell aus verborgenen Tiefen,
So des Sängers Lied aus dem Innern fchallt
Und medet der dunkeln Gefühle Gewalt,
Die im Herzen wunderbar fchliefen.“
— 362 —
6. Und der Sänger raſch in die Saiten fällt
Und beginnt fie mächtig zu fchlagen:
„Aufs Weidwerk hinaus ritt ein ebler Held,
Den flüchtigen Gemsbock zu jagen.
Som folgte der Knapp’ mit bem Zägergeicoß,
Und als er auf feinem ftattlichen Roß
Sn eine Au’ kommt geritten,
Ein Glödlein hört er erklingen fern:
Ein Priefter war's mit dem Leib des Herrn,
Boran fam der Mefner gefchrüten.
7. Und der Graf zur Erbe fih neiget hin,
Das Haupt mit Demut entblößet,
Zu verebren mit gläubigem Chriftenfinn,
Mas alle Menichen erlöfet.
Ein Bächlein aber raufchte durchs Feld,
Bon des Gießbachs reißenden Fluten gejchmellt,
Das hemmte der Wanderer Tritte;
Und beifeit legt jener das Saframent,
Bon den Füßen zieht er die Schuhe behend,
Damit er das Büchlein durchichritte.
8 Was ſchaffſt Du? rebet der Graf ihn an,
Der ihn verwundert betrachtet. —
Herr, ih walle zu einem fterbenden Mann,
Der nad der Himmelskoſt ſchmachtet;
Und da ich mich nahe des Baches Steg,
Da hat ihn der ſtrömende Gießbach hinweg
Im Strudel der Wellen gerifien.
Drum daß dem Lechzenden werbe jein Heil,
So will ih das Wäflerlein jetzt in Eil’
Durchwaten mit nadenden Yüßen.
9. Da fett ihn der Graf auf fein ritterlich Pferd
Und reicht ihm die prächtigen Zäume,
Daß er labe den Kranken, der fein begehrt,
Und die heilige Pflicht nicht verfäume.
Und er felber auf jeined Anappen Tier
Bergnüget noch weiter des Jagens Begier;
Der andre die Reife vollführet.
Und am nädften Morgen, mit dankendem Blick,
Da bringt er dem Grafen fein Roß zurüd,
Beicheiden am Zügel geführet.
— 363 —
10. Nicht wolle das Gott, rief mit Demutſum
Der Graf, dab zum Streiten und Jagen
Das Roß id befchritte —
Das meinen Schöpfer getragen
Und magft du's nicht ——— zu — Gewinſt,
So bleib’ es gewidmet dem göttlihen Dienſt!
Denn ich hab’ es dem ja gegeben,
Bon dem ih Ehre und irdiſches Gut
Zu Lehen trage und Leib und Blut
Und Seele und Atem und Leben.
11. So mög’ aud Gott, der allmädtige Hort,
Der das Flehen der Schwachen erhöret,
Bu Ehren Eud ‚bringen bier und dort,
So wie Ihr jetzt ihm geehret.
Ihr fein ein As Graf, belannt
Durch ritterlid Walten im Schweizerland;
Euch blühen ſechs liebliche Töchter.
So mögen fie, rief er begeiftert aus,
Sechs Kronen euch bringen in Euer Haus
Und glänzen die fpätften Geſchlechter!“ —
12. Und mit finnendem Haupt faß der Kaifer da,
Als dächt' er vergangener Zeiten;
Set, da er dem Sänger ins Auge ſah,
Da ergreift ihn der Worte Bedeuten.
Die Züge des Priefters erfennt er fchnell
Und verbirgt der Thränen ftürzenden Duell
Sn des Mantels purpumen alten.
Und alles blidte den Kailer an
Und erlamnte den Grafen, der das gethan,
Und verehrte das göttliche Walten.* _
Sr. v. Schitler. (1803.)
Tſchudi, der uns dieſe Busse überliefert bat, erzählt auch, daß ber ——
dent dieſes mit dem Grafen von Habs ni. nachher Kaplar bei rfüriten von
Mainz geworden, und nicht er Dal t etragen babe, bei der —— —— die
* Das — —— * anken des den Grafen von
— Fur bie, — ie Geil er jener Seit kenn en bemerfe ich noch,
Sg ich Be gut weiß, dab Böhmen fein Erzamt bei Rudolft Ratferfrönung nicht ausübte.
235. VBertrau de Born.
1. Droben auf dem fchroffen Steine
Raucht in Trümmern Autafort
Und der Burgherr fteht gefejlelt
Bor des Königs Zelte dort:
— 364 —
„Kamft du, der mit Schwert und Liedern
Aufruhr trug von Ort zu Dre,
Der die Kinder aufgemwiegelt
Gegen ihres Vaters Wort?
2. Steht vor mir, der fi gerühmet
In vermeßner Prahlerei,
Daß ihm nie mehr als die Hälfte
Seines Geiftes nötig jei?
Nun der halbe dich nicht rettet,
Auf’ den ganzen doch herbei,
Daß er neu dein Schloß Dir baue,
Deine Ketten brech’ entzweil!“ —
3. „Wie du fagft, mein Herr und König,
Steht vor dir Bertran de Born,
Der mit einem Lied entflammte
Perigord und Bentaborn,
Der dem mächtigen Gebieter
Stet3 im Auge war ein Dom,
Dem zu Liebe Königsfinder
Trugen ihres Vaters Zorn.
4. Deine Tochter ſaß im Saale,
Feſtlich, eines Herzogs Braut,
Und da fang vor ihr mein Bote,
Dem ein Lieb ich anvertraut,
Sang, was einft ihr Stolz gemejen,
Ihres Dichters Sehnfuchtlaut,
Bis ihr leuchtend Brautgefchmeide
Ganz von Thränen war betaut.
5. Aus des Dlbaums Schlummerfchatten
Fuhr dein befter Sohn empor,
Als mit zorn'gen Schlachtgefängen
Ich beitürmen ließ fein Obr.
Schnell war ihm das Roß gegürtet,
Und ch trug das Banner vor,
Jenem Todespfeil entgegen,
Der ihn traf vor Montfort® Thor.
6. Blutend lag er mir im Arme;
Nicht der Icharfe, Talte Stahl —
Daß er fterb’ in deinem Fluche,
Das war feines Sterben Dual.
— 365 —
Streden wollt’ er dir die Rechte
Über Meer, Gebirg und Thal;
Als er deine nicht erreichet,
Drüdt’ er meine noch einmal.
7. Da, wie Autafort dort oben,
Ward gebrochen meine Kraft;
Nicht Die ganze, nicht die halbe
Blieb mir, Saite nit, noch Schaft.
Leicht Haft du den Arm gebunden,
Seit der Geift mir liegt in Haft;
Nur zu einem Trauerliede
Hat er fih noch aufgerafft.“
8. Und der König ſenkt die Stimme:
„Beinen Sohn haft du verführt,
Haft der Tochter Herz verzaubert,
Haft auch meines nun gerührt.
Nimm die Hand, du Freund des Toten,
Die, verzeihend, ihm gebührt!
Meg die Feſſeln! Deines Geiftes
Hab’ ich einen Hauch verfpürt.“
£. ubiand. (1881.)
236. Des Säugers lud.
1. &3 ftand in alten Zeiten ein Schloß jo hoch und hehr,
Weit glänzt’ es über die Lande bis an das blaue Meer,
Und ring’3 von duft’gen Gärten eim blütenreicher Kranz,
Drin ſprangen friihe Brunnen im Regenbogenglanz.
2. Dort jaß ein ſtolzer König, an Land und Siegen reid,
Er faß auf feinem Throne fo finfter und fo bleich;
Denn was er finnt, ift Schreden, und was er blidt, it Wut,
Und mas er ſpricht, ift Geißel, und mas er fchreibt, ift Blut.
3. Einft zog nad diefem Schlofle ein edles Sängerpaar,
Der ein’ in goldnen Loden, der andre grau von Haar;
Der Alte mit der Harfe der faß auf ſchmuckem Roß,
Es ſchritt ihm friſch zur Seite der blühende Genoß.
4. Der Alte fprah zum ungen: „Nun fei bereit, mein Sohn!
Den? unfrer tiefiten Lieber, ftunm’ an den vollften Ton!
Nimm alle Kraft zufammen, die Luft und auch den Schmerz!
Es gilt und heut, zu rühren des Königs fteinem Herz.“
— 366 —
5. Schon ſtehn die beiden Sänger im hohen Säulenſaal,
Und auf dem Throne ſitzen der König und fein Gemahl;
Der König furdtbar prächtig, wie blut'ger Norblichtichein,
Die Königin ſüß und milde, als blidte Vollmond drein.
6. Da flug der Greis die Saiten, er flug fie wundervoll,
Daß reicher, immer reicher der Klang zum Ohre ſchwoll;
Dann ftrömte himmliſch belle des Jünglings Stinmme vor,
Des Alten Sang dazwifhen, mie dumpfer Geiſterchor.
7. Sie fingen von Lenz und Liebe, von jel’ger golbner Zeit,
Bon Freiheit, Männerwürbe, von Treu’ und Heiligkeit;
Sie fingen von allem Süßen, mad Menſchenbruſt durchbebt,
Sie fingen von allem Hohen, was Menſchenherz erhebt.
8. Die Höflingeihar im Kreife verlernet jeden Spott,
Des Königs troß’ge Krieger fie beugen fi vor Gott;
Die Königin, zerflofien in Wehmut und in Luft,
Sie wirft den Sängern nieber die Rofe von ihrer Brufl.
9. „Ahr habt mein Volk verführet, verlodt ihr nun mein Weib?“
Der König jchreit es wütend, er bebt am ganzen Leib;
Er wirft fein Schwert, das blitend des Jünglings Bruft durchdringt,
Draus ftatt der goldnen Lieder ein Blutitrahl hochauf fpringt.
10. Und wie vom Sturm zerftoben ift all der Hörer Schwarm,
Der Züngling hat verrödelt in feine® Meifters Arm;
Der Ichlägt um ihn den Mantel und feht ihn auf das Roß,
Er bind’t ihn aufrecht feite, verläßt mit ihm das Schloß.
11. Doch vor dem hohen Thore, da hält der Sängergreis,
Da faßt er feine Harfe, fie aller Harfen Preis;
An einer Marmorfäule, da hat er fie zerfchellt,
Dann ruft er, daß es ſchaurig durch Schloß und, Gärten gellt:
12. „Weh euch, ihr ftolzen Hallen! Nie töne ſüßer Klang
Dur eure Räume wieder, nie Saite noch Geſang,
Nein, Seufzer nur und Stöhnen und fcheuer Sklavenſchritt,
Bis euh zu Schutt und Moder der Rachegeiſt zertritt!
13. Web euch, ihr duft’gen Gärten im holden Maienlicht!
Euch zeig’ ich dieſes Toten entjtelltes Angeficht,
Daß ihr darob verdorret, daß jeder Duell verfiegt,
Daß ihre in kunft'gen Tagen verfteint, verödet Liegt.
14. Weh dir, verrudter Mörder, du Fluch des Sängertums!
Umjonft jei al’ dein Ringen nad Kränzen blut’gen Ruhms!
— 367° —
Dein Name fei vergefien, in em’ge Nacht getaucht,
Sei, wie ein letztes Röcheln, in leere Luft verhaudt!“
15. Der Alte hat's gerufen, der Himmel hat's gehört;
Die Mauern liegen nieder, die Hallen find zerftört;
Noch eine hohe Säule zeugt von verſchwundner Pracht;
Auch diefe, Thon geborften, Tann stürzen über Nacht.
16. Und rings ftatt duft'ger Gärten ein öbes SHeibeland;
Kein Baum verftreuet Schatten, fein Duell durchdringt den Sand;
Des König Namen meldet lein Lied, kein Heldenbud:
Verſunken und vergeilen! das ift des Sängers Ylud.
£. Npland. (1814.)
234. Das Lügenfeld.
(24. $uni 833.)
1. Bei Thann da grünen Triften voll reicher Wielenflur,
Und Iuftig rauſcht dazwiſchen die himmelblaue Thur;
Doch öde liegt inmitten der blütenreihen Welt
In meilenweiter Strede das brade Lügenfeld.
2. Da fprießen feine Saaten, da ſchallt fein Vogellied,
Nur Farrenkräuter wuchern‘ hervor aus ſchwarzem Ried.
Der Bauerämann fi Treuzet und flüchtet ſchnell vorbei;
Ein Fluch hat längft getroffen die bange Wüſtenei.
3. Einft Batte fih da brüben ein Wandersmann verirrt,
Da dröhnt’ es dur die Wildnis, ein Eiſenharniſch Hirt,
Und aus den dichten Sträuchern und aus dem tiefen Moor
Da raffelt wilden Schrittes ein Kriegesmann hervor.
4. „Was rief dich, Unglüdfel’ger, in diefe Wildnis ber?
Was trieb dich, uns zu mweden aus Träumen tief und ſchwer?
Da drunten in den Höhlen, in meilenweitem Gang,
Da Ichlafen ganze Heere viel hundert Jahr' entlang.
5. Verruchter Söhne Frevel, geſchworner Treue Bruch
Hat längft auf uns geladen des Himmels Racheſpruch.
Bernimm die graufe Kunde — du ftehft an jelber Statt,
Wo Ludewig den Frommen fein Heer verraten hat.
6. Wir fchloffen dichte Reihen bis an die Berge fern,
Gerüftet ihn zu fchirmen, den Faiferlihen Herrn;
Da 309. in blanten Waffen der Söhne Schar heran,
Bon dumpfem Raufchen dröhnte der weite Rajenplan.
— 368 —
7. So ftürmten fie berüber, die freveln Brüber vom,
An ihren Yäuften Schwerter, in ihren Bliden Zorn.
Durch unfer Lager fehlüpfte der tückiſche Lothar
Und bot uns blanfe Münze und glatte Worte dar.
8. Der beil’ge Vater felber hatt! und den Sinn bethört:
Es gelte feine Treue, die man dem Sünder ſchwört!
So ftrih er durch die Reihen und ftreute ſchlimme Saat,
Bis alle wir verblendet und fügten dem Verrat.
9. Drauf ſchlugen die Verruchten des alten Baterd Hand —
Er bot fie fhon zum Frieden — in ſchweres Eifenband,
Sie rifien ihm die Krone vom Haupte filberweiß
Und führten ihn von binnen, den mweltverlaßnen Greis.
10. Und Ludewig der Fromme das Aug’ gen Himmel jchlug:
„ft denn geihmome Treue und Kindesliebe Trug?
Weh, falſche Söldnericharen, jo feil und fo verrudt!
Weh dir, o Lügenftätte — ihr feid fortan verflucht!”
11. Der Himmel hat vollzogen des Greiſes Rachewort,
Die Bäche find vertrodinet, der Anger liegt verborrt,
Und feine Saaten jprießen, ed ſchallt fein Vogellied,
Nur Farrenkräuter fchießen empor aus ſchwarzem Nieb.
12. Und in den Höhlen drunten, in meilenweitem Gang,
Da Schlafen unfre Scharen viel hundert Jahr' entlang,
Da fchlafen auch die Brüder, die freveln Söhne drei;
Berroftet find die Schwerter, verftummt das Sieggefchrei.
13. Fleuch, Wandersmann, von binnen und fag es aller Welt,
Des Fluch in diefen Gauen uns tief im Schlummer hält!" —
Der Wandersmann ſich kreuzet und thut zur felben Stund’
Im Thanner Münfter drüben die Märe beichtend fund.
Ad. Stöber.
238. Altheffiſche Sage.
1. Im Scharfenftein gen Mitternacht ermacht ein heimlich Leben,
Wie Hufihlag und wie Schwerterklang hörſt du's tief drinnen beben;
Das rauſcht fo dumpf, das klirrt fo ſchwer und rüttelt an den Pforten,
Bis daß der Berg fi Freifend hebt und aufthut allerorten.
2. Dann ftürzen aus den Klüften flugs viel wimmelnde Gefellen,
Die fich bei bleihem Mondenlicht in lange Reihen ftellen.
Die Tuba Hingt, es bligt der Helm, die Mäntel wehn im Winde,
Und um den Führer fammelt fih das ftille Heer geſchwinde.
2.869 - —
3. Fort braufen fie ins lange Thal, daß helle Funken ſpringen;
Sie tummeln fi, fie beten füch, wie auf des Sturmes Schwingen:
„Ins Baterland! zum Tiberftrand! die Stunde hat geichlagen!
Und wenn's uns heute nicht gelingt, ſo woll’'n wir’3 nimmer wagen!“
4. Der Scharfenftein, der weiß die Mär’ aus alten Römertagen;
Da ward an feinem fteilen Fuß die beite Schlacht gefchlagen,
Da mußt’ die Erde purpurrot gar viel des Blutes trinken
Und Romas Aoler fieggewohnt in deutſchem Staube finten.
5. Barbaren hier, Barbaren dort, wie Pilze aufgeichoffen!
Bon Feind’ und Felfen allerfeit die Römer eingefchlofien!
Hei, flogen da die Hiebe nicht und flürzten nicht die Glieber!
Wie Ähren in dem Weizenfeld, mäht fie die Senfe nieder.
6. Da warf fih in der höchſten Not mit flehender Gebärbe
Der Imperator, ftolz zu Roß, hernieder an die Erde:
„So rette du, du befter Gott, du größter, und von Schande!
Berg, nimm uns auf! ein freie® Grab in dem Barbarenlande!“
7. Und ihm zur Rechten donnert’3 laut, es blikt aus Jovis
Brauen;
Im Nu zerſpaltet ſich der Berg, entſetzlich anzuſchauen;
Verſchlungen iſt ſo Freund wie Feind in dunkeln Felſenriſſen,
Und drüber ſieht man ſtarr und ſtumm den Scharfenſtein ſich ſchließen.
8. Doch unten gegen Mitternacht erwacht ein heimlich Leben,
Dann müſſen aus geborſtner Gruft die Römer ſich erheben;
Den Weg gen Süden ziehn ſie hin, ein langes Heer von Leichen,
Sie ziehn und können nimmermehr der Reiſe Ziel erreichen.
9. Und bei dem erſten Hahnenſchrei, dann kehrt von allen Orten
Der Zug zurück zum Scharfenſtein und rüttelt an den Pforten;
Die öffnen ſich, wie dazumal, mit Toſen und mit Flammen
Und thun fih ob dem legten Marm ganz totenftill zuſammen.
Sr. v. Dingelftedt.
—
239. Bollers Nachtgeſang.
1. Die lichten Sternlein funleln
Hernieder kalt und ftumm;
Bon Waffen klirrt's im Dunkeln,
Der Tod ſchleicht Draußen um.
Schweb’ hoch hinauf, mein Geigenklang,
Durchbrich Die Nacht mit Marem Sang!
Du weißt den Spuk von bannen
Zu bannen.
24
— 30 —
2. Wohl finfter ift die Stunde,
Doch Hell find Mut und Schwert;
In meines Herzens Grunde
Steht aller Freuden Herd.
O Lebensluſt, wie reich du blühſt!
O Heldenblut, wie kühn du glühſt!
Wie gleicht der Sonn' im Scheiden
Ihr beiden!
3. Ich denke hoher Ehren,
Sturmluſt'ger Jugendzeit,
Da wir mit ſcharfen Speeren
Hinjauchzten in den Streit.
Hei Schildgekrach im Sachſenkrieg!
Auf unſern Bannern ſaß der Sieg,
Als wir die erſten Narben
Erwarben.
4. Mein grünes Heimatleben,
Wie tauchſt du mir empor!
Des Schwarzwalds Wipfel weben
Herüber an mein Ohr;
So ſäuſelt's in der Rebenflur,
So brauſt der Rhein, darauf ich fuhr
Mit meinem Lieb zu zweien
Im Maien.
5. D Minne, wunderſüße,
Du Roſenhag in Bluſt,
Ich grüße dich, ich grüße
Di Heut aus tiefiter Bruft!
Du roter Mund, geven!’ ich dein,
Es macht mid ſtark, wie firner Wein,
Das follen Heunenwunden
Befunden.
6. Ahr Kön’ge, fonder Zagen
Schlaft fanft, ich halte Wacht;
Ein Glanz aus alten Tagen
Erleucdtet mir die Nacht.
Und kommt die Früh’ im blut’gen Kleid:
Gott grüß’ dich, grimmer Schwerterftreit!
Dann magft du, Tod, zum Reigen
Uns geigen!
Smannel Geibel. -
— 371 —
240. Hagens Sterbelied.
1. Nun werd' ich ſehr alleine,
Die Fürſten liegen tot —
Wie glänzt im Mondenſcheine
Der Eſtrich blutig rot!
2. Die fröhlichen Burgunden,
Wie nun fo fill fie find!
Sch höre, wie aus Wunden
Das Blut in Tropfen rinnt.
3. Es fteiget aus dem Haufe
Ein Dunft vom Blute ſchwer —
Schon kreiſchen nad dem Schmauje
Die Geier rings umber.
4. Es jchläft der König Gunther
In fieberwirrem Schlaf,
Seit ihn vom Turm herunter
Ein fpiger Bolzen traf.
5. Und Boller liegt erfchlagen,
Der lachte, wie er fiel:
„Rimm all mein Erbe, Hagen,
Nimm du mein Saitenipiel!”
6. Er trug, vor Hunnentüden
Beichiemt, die Friedel traut
Auf feinem fichern Rüden,
Den nie ein Feind erfchaut.
7. Sie ſcholl wie Nachtigallen,
Wenn Volker ſie geſpannt, —
Wohl anders wird ſie ſchallen
In meiner harten Hand.
8. Vier Saiten ſind geſprungen —
Drei haften noch daran —
Iqch habe nie geſungen,
Ich bin kein Fiedelmann.
9. Doch treibt mich's zu verſuchen,
Wie meine Weiſe geht;
Ich denk', ein gutes Fluchen
Iſt auch kein ſchlecht Gebet.
as: III zen
10. So ſei'n verfluht die‘ Weiber!
Weib ift, was falſch und jchledt,
Hie um zwei weiße Leiber
Verdirbt Burgunds Geſchlecht!
11. Und Fluch dem Wahngetriebe
Von Liebe, Pflicht und Recht!
Erlogen iſt die Liebe,
Und nur der Haß iſt echt.
12. Die Reue iſt der Narren!
Nur das iſt Atmens wert,
Zum Tode auszuharren
Beim Groll, beim Stolz, beim Schwert.
13. Und hätt' ich zu beraten
Neu meine ganze Bahn —
Ich ließe meiner Thaten
Nicht eine ungethan.
14. Und käm', der Welt Entzüden,
Ein zweiter Siegfried ber —
Sch ſtieß' ihm in den Rüden
Zum zmeitenmal den Speer!
15. Was reißt ihr, feige Saiten?
Verfagt ihr folhem Sang? — —
Ha, wer mit mächt'gem Schreiten
Kommt dort den Hof entlang?
16. Und näher — immer näher —
Ein Scatte riefenlang —
Das ift fein Hunnenjpäher —
Das dröhnt wie Schickſals Gang:
17. Auf, Gunther, jetzt erwache!
Den Schritt Tenn’ ich von fern!
Auf, auf! der Tod, die Rache
Und Dietrid kommt von Bern!
Selir Dabn.
se 313; ——
241. Sprud Weiter Hildebrauds von Bern.
1
10
15
Bon allem Klang durch Wald und Feld
ft zweierlei, fo mir beft gefällt.
Das ein’ ift Abendglodenlaut,
Menn Fried’ und Schlaf vom Himmel taut;
Das andre ift der Trompeten Pracht,
Menn’s heißt: erwacht zur Schlacht! erwacht!
Doch wenn zugleich am felben Drt
Ruft eines hier, das andre dort,
Iſt aM” ihr’ Lieblichfeit verloren,
Miplaut im Herzen und in Öbren.
Drum, Herrgott, Tieber Vater mein,
Soll dies mein ftetig Bitten fein:
Haft beide Klang in deinen Händen
Und fannit fo den als jenen fenden;
Doch paßt's in deine heil'ge Mahl,
Schick mir nur einen auf einmal.
Sriedr. de 1a Motte: Sonane.
242. Gudruus Alage.
1. Nun geht in grauer Frühe
Der ſcharfe Märzenwind,
Und meiner Qual und Mühe
Ein neuer Tag beginnt.
Ich wall' hinab zum Strande
Durch Reif und Dornen hin,
Zu waſchen die Gewande
Der grimmen Königin.
2. Das Meer iſt tief und herbe;
Doch tiefer iſt die Pein,
Von Freund und Heimatserbe
Allzeit geſchieden ſein;
Doch herber iſt's, zu dienen
In fremder Mägde Schar,
Und bat mir einft gefchienen
Die güldne Kron’ im Haar.
3. Mir ward ein guter Morgen,
Seit ih dem Feind verfiel;
Mein’ Speiſ' und Trank find Sorgen,
Und Kummer mein Geſpiel.
— 374 —
Doch berg’ ich meine Thränen
In ftolzger Einſamkeit;
Am Strand den wilden Schwänen
Allein ſing' ich mein Leid.
4. Kein Dräuen ſoll mir beugen
Den hochgemuten Sinn!
Ausduldend will ich zeugen,
Von welchem Stamm ich bin.
Und ſo ſie hold gebahren,
Wie Spinnweb acht' ich's nur;
Ich will getreu bewahren
Mein Herz und meinen Schmwur.
5. D Ortwin, trauter Bruber,
D Herwig, Buhle wert,
Mas raucht nicht euer Ruder,
Was klingt nicht euer Schwert!
Umfonft zur Meeresmwüfte
Hinfpäh’ ich jede Stund’;
Doch naht ſich diefer Küfte
Kein Wimpel, das mir fund.
6. Ich weiß es: nicht vergeflen
Habt ihr der armen Maid;
Doch ift nur kurz gemeflen
Dem fteten Gram die Zeit.
Wohl kommt ihr einft, zu fühnen,
Zu retten, ah! zu fpät, |
Wann ſchon der Sand der Dünen
Um meinen Hügel weht.
7. Es dröhnt mit dumpfem Schlage
Die Brandung in mein Wort;
Der Sturm zerreißt die Klage
Und trägt befhwingt fie fort.
D möcht’ er braufend ſchweben
Und geben euch Bericht:
Wohl laſſ' ich bier das Leben,
Die Treue laſſ' ich nicht!
Emanuel Geidel.
— 375 —
248. Das Schloßz am Meere.
1. Haft du das Schloß gejehen,
Das Hohe Schloß am Meer?
Golden und rofig mehen
Die Wollen drüber her.
2. Es möchte ſich niederneigen
In die fpiegelllare Flut,
Es möchte ftreben und fteigen
In der Abendwolken Glut.
3. „Wohl hab’ ich es gefehen,
Das hohe Schloß am Meer,
Und den Mond darüber ftehen
Und Nebel weit umher.”
4. Der Wind und des Meeres Wallen,
Gaben fie frifhen Klang?
Bernahmft du aus hohen Hallen
Saiten und Feftgefang?
5. „Die Winde, die Wogen alle
Lagen in tiefer Ruh;
Einem Klagelied auß der Halle
Hört’ ih mit Thränen zu.“
6. Saheft du oben gehen
Den König und fein Gemahl,
Der roten Mäntel Wehen,
Der golbnen Kronen Strahl?
7. Führten fie nicht mit Wonne
Eine ſchöne Jungfrau dar,
Herrlich wie eine Sonne,
Strahlend im goldnen Haar?
8 „Wohl ſah ich die Eltern beide
Ohne der Kronen Licht,
Im Schwarzen Trauerlleive;
Die Jungfrau ſah ich nicht.“
£. Udland. (1808.
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244. Die Iungiren von Athen.
Rofenfträuche thät ich pflanzen unter meinem Yenfterlein,
Und fie blühen und fie duften in die Kammer mir herein;
Und die Nachtigallen fingen in den Zmeigen Lieb’ und Luft —
Schmweigt, ihr Vöglein, noch ein Weilchen! — ft es euch denn
nicht bewußt,
Daß mein Liebiter ift gezogen in das Feld mit Lanz’ und Schwert,
Für das beil’ge Kreuz zu kämpfen und für einen freien Herd?
Saht ihr nicht, wie ih vom Halſe meine Perlenſchnüre band
Und fie gab dem beil’gen Priefter für das liebe Vaterland?
Saht ihr nicht, daß meine Haare ich ſeit Monden nicht geſchmückt?
Saht ihr wohl, daß eine Roſe ich fo lange hier gepflüdt?
Schweigt, ihr Vöglein, noch ein Weilchen, bis der Liebſte wieber-
fehrt,
Und uns neue, ſchöne Weiſen zu ber Freiheit Preife lehrt!
Blüht, ihr Roſen, no ein Weilchen, und ih bind' euch mir
zum franz,
Wenn den Siegern wir entgegenziehn mit Sang und Spiel und
Tanz!
Ah, und Tehrteft du, mein Liebfter, mit den andern nicht zurüd,
Ach, mo ſollt' ich mich verbergen vor der Freude, vor dem Glück?
Bei den Rofenfträuchen ſäß' ich, bände Dornentränze bier,
Und ein Böglein aus dem Schwarme blieb’ und Flagte wohl mit mir.
Wild. Müker.
— — —— —
245. Der Phanariot.
Meinen Bater, meine Mutter haben fie ins Meer erfäuft,
Haben ihre beil’'gen Leichen durch die Straßen bingefchleift;
Meine ſchöne Schmweiter haben aus der Kammer fie gejagt,
Haben auf dem freien Markte fie verkauft ala eine Magp.
Hör’ ich eine Woge raufchen, ift e8 mir, als ob's mich ruft;
Ja, mich rufen meine Eltern aus ber tiefen, weiten Gruft,
Rufen Rache — und ich ſchleudre Türkenköpfe im die Flut,
Bis gelättigt ift die Rache, bis die wilde Woge ruht.
Aber wenn die Abendlüfte Fühl um meine Schläfe mwehn,
Ab, fie feufzen in die Obren mir wie leifes, banges Flehn;
Ach, e3 find der Schweiter Seufzer in der Schmach der Sflaveret:
„Bruder, made deine Schmwefter aus den ſchnöden Banden frei!“
Ah, daß ich ein Adler wäre, Lönnte fchweben in den Höhn
Und mit fchnellen, ſcharfen Bliden durch Die Stäbt’ und Lande ſpähn,
Bis ih meine Schwefter fände und fie aus der Feinde Hand
Frei in meinem Schnabel trüge nach dem freien Griechenland!
wilh. Müller.
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246. Ber Mainotte.
Nie, nie hat ein Sklavenjoch meinen ſtarken Hals gebogen,
Nie hab’ ich an meinem Arm eine Kettenlaft gewogen.
Frei wie meiner Berge Strom, mie der Adler in den Lüften,
Stürz' ich braufend in die Fläche, wo die Freiheit Liegt in Grüften
Neben altem Helbenftaube, unter grauen Mauertrümmern,
Und mir ift, ala Hört’ ich fie unter mir vernehmlich wimmern.
Räuber heiß’ ich bei dem Wicht, der den Räuber nennt Gebieter,
Jenen Räuber, der ihm hat dich geraubt, du Gut der Güter,
Freiheit, Freiheit, Lebensluſt, Leibesmark und Seelenſchwinge,
Der gehört mein Herz, mein Arm, meine Büchſ' und meine Klinge,
Der ich wache, der ich kämpfe, der ich lebe, der ich ſterbe,
Die ich meinen Kindern laſſe als mein einig eignes Erbe.
Räuber nennt mich immerhin! Rauben will ich und verheeren
Herrengut und Sklavenland, und kein Paſcha wird es wehren.
Aber hört, ihr Feldbewohner, hört, der Räuber kann auch geben
Mehr, mehr als ihr habt beſeſſen al’ in eurem ganzen Leben.
Wollt ihr eure Freiheit wieder? Kommt herauf mit Icharfen
Klingen!
Von den Bergen mollen wir fie vereint herunterbringen!
With. Müker.
242. Der Mainottin Unterricht.
Biele weiße Schwäne ſchwimmen ftill auf des Eurotas Wogen,
Viele Schwarze Raben kommen kreiſchend Durch die Luft gezogen.
Weiße Schwäne, woher ſchwimmt ihr? Wißt ihr Kunde nicht
zu ſagen,
Ob mein Sohn ſich wie ein Sparter in dent flachen Land gefchlagen ?
Schwarze Raben, moher fliegt ihr? Saht ihr nicht auf euren
Zügen
Viele blut'ge Türkenſchädel in den Siegesfeldern liegen?
In den grünen Lorbeerſträuchen, die zum Fluſſe niederſchauen,
Wo die Schwäne ihre Neſter unter dichtem Laube bauen,
Hängen viele weiße Federn, die will ich zuſammenraffen
Und daraus für meinen Knaben ſchneiden ſpitze Köcherwaffen,
Wil dann oben in den Lüften zeigen ihm die ſchwarzen Raben,
Sagen: „Das find Türken, die den Vater dir gemorbet haben!“
Milp. Müller.
— — — — ——
— 378 ——
248. Breuhens Frauen.
(Aus den geharnifchten Sonetten.)
1. Frau'n Preußens, nehmt für eure Opfergaben
Das Opfer an des Liedes, das ich euch bringe,
Ihr, die ihr gabt vom Finger eure Ringe,
Sp wie ihr gabt vom Bufen eure Knaben
2. Dem Baterland! Im Erzfchrift ſei gegraben
Eu’r Preis, daß ihn fein Mund der Zeit bezwinge!
Des Ruhms, den eurer Männer blut’ge Klinge
Erfehten wird, follt ihr die Hälfte haben.
3. Denn wenn fie felbft, im Sturm des Feindes, Wunden
Erbeuteten, fo habt ihr mit dem Kleide
Bon euren Schultern ihnen fie verbunden;
4. Und wenn der Freiheit Tempel aus dem Leide
Neu fteigt durch fie, fo ſoll's die Welt erfunden,
Daß, ihn zu Schmüden, ihr gabt eu’r Gefchmeibe.
Ir. Rüdert. (1813.
249. Hurra, Germania!
1. Hurra, du ftolzges, ſchönes Weib,
Hurra, Germania!
Wie kühn mit vorgebeugtem Leib
Am Rheine ftehit du da!
Im vollen Brand der Suliglut,
Wie ziebft du riſch dein Schwert!
Wie trittft du zornig frohgemut
Zum Schuß vor deinen Herb!
Hurra, hurra, hurra!
Hurra, Germania!
2. Du dachteſt nicht an Kampf und Streit;
In Fried' und Freud' und Ruh
Auf deinen Feldern, weit und breit,
Die Ernte ſchnitteſt du.
Bei Sichelklang, im Ährenkranz
Die Garben fuhrſt du ein;
Da plötzlich, horch, ein andrer Tanz!
Das Kriegshorn überm Rhein!
Hurra, hurra, hurra!
Hurra, Germania!
— 379 —
3. Da warfſt die Sichel du ins Korn,
Den Ährenkranz dazu;
Da fuhrft du auf in hellem Zorn,
Tief atmend auf im Nu;
Schlugſt jauchzend in die Hände dann:
Willſt du's, fo mag es fein!
Auf, meine Kinder, alle Mann!
Zum Rhein, zum Rhein, zum Rhein!
Hurra, hurra, hurra!
Hurra, Germania!
4. Da rauſcht das Haff, da rauſcht der Belt,
Da rauſcht das deutſche Meer;
Da rüdt die Oder dreiſt ins Feld,
Die Elbe greift zur Wehr.
Nedar und Weſer ftürmen an,
Sogar die Flut des Maine!
Bergefien ift der alte Span:
Das deutfhe Volk ift eins!
Hurra, burra, hurra!
Hurra, Germania!
5. Schwaben und Preußen, Hand in Hand!
Der Nord, der Süd ein Heer!
Mas ift des Deutfhen Vaterland? —
Mir fragen’3 heut nicht mehr!
Ein Geift, ein Arm, ein einz’ger Leib,
Ein Wille find wir heut!
Hurra, Germania, ftolges Weib!
Hurra, du große Zeit!
Hurra, burra, hurra!
Hurra, Germania!
6. Mag kommen nun, was kommen mag;
Felt fteht Germania!
Dies ift Al-Deutichlands Chrentag;
Nun weh dir, Gallia!
Weh, daß ein Räuber dir dad Schwert
Frech in die Hand gedrüdt!
Fluh ihm! Und nun für Heim und Herd
Das deutſche Schwert gezüdt!
Hurra, hurra, hurra!
Hurra, Germania!
7. Für Heim und Herd, für Weib und Kind,
Für jedes teure Gut,
u 80:
Dem mir beftellt zu Hütern find
Bor fremdem Frevelmut!
Für deutſches Recht, für deutſches Wort,
Für deutfche Sitt’ und tt,
Für jeden heil’gen deutichen Hort
Hurra, zur Kriegesfahrt!
Hurra, hurra, hurra!
Hurra, Germania!
8. Auf, Deutſchland, auf! und Gott mit dir!
Ins Feld! der Würfel klirrt!
Wohl ſchnürt's die Bruſt uns, denken wir
Des Bluts, das fließen wird!
Dennoch das Auge kühn empor!
Denn ſiegen wirſt du ja!
Groß, herrlich, frei, wie nie zuvor!
Hurra, Germania!
Hurra, Viktoria!
Hurra, Germania!
Ferd. Sreiligrath. (1870.)
— — — — — —
250. Kriegslied.
1. Empor, mein Volk, das Schwert zur Hand,
Und brich hervor in Haufen!
Vom heil'gen Zorn ums Vaterland
Mit Feuer laß dich taufen!
Der Erbfeind beut dir Schmach und Spott,
Das Maß iſt voll, zur Schlacht mit Gott!
Vorwärts!
2. Dein Haus in Frieden auszubaun
Stand all dein Sinn und Wollen,
Da bricht den Hader er vom Zaun,
Von Gift und Neid geſchwollen,
Komm' über ihn und ſeine Brut
Das frevelhaft vergoſſ'ne Blut!
Vorwärts!
3. Wir träumen nicht von raſchem Sieg,
Von leichten Ruhmeszügen;
Ein Weltgericht iſt dieſer Krieg
Und ſtark der Geiſt der Lügen;
Doch der einſt unſrer Väter Burg,
Getroft, er führt auch uns hindurch!
Vorwärts!
Zen: BB, ae
4. Schon läßt er Kar bei Tag und Nacht
Uns feine Zeichen ſchauen;
Die Flammen hat er angefacht
sn allen deutihen Gauen;
Bon Stamm zu Stamme lodert’3 fort,
Kein Mainſtrom mehr, fein Süd und Nord!
Vorwärts!
5. Voran denn, kühner Preußenaar,
Voran durch Schlacht und Grauſen!
Wie Sturmwind ſchwellt dein Flügelpaar
Vom Himmel her ein Brauſen;
Das iſt des alten Blüchers Geiſt,
Der dir die rechte Straße weiſt!
Vorwärts!
6. Flieg, Adler, flieg! Wir ſtürmen nach,
Ein einig Volk in Waffen,
Wir ſtürmen nach, ob tauſendfach
Des Todes Pforten klaffen.
Und fallen wir: flieg, Adler, flieg!
Aus unſerm Blute wächſt der Sieg!
Vorwärts!
C. Geibel. (1870.
— [222
251. Der Man.
1. Früh morgend um vier, eh’ die Hähne noch Frähn,
Da Jattelt jein Roß der Ulan
Und reitet, den Feind und das Land zu eripähn,
Den Waffengenoflen voran.
2. SHinjagt ex durchs Blachfeld und birſcht durch den Forſt,
Hoch flattert ſein Fähnlein im Wind,
Und er lugt von der Höh, wie der Falke vom Horſt,
Und wählt ſich die Straße geſchwind.
3. In das ſonnige Städtchen da ſprengt er hinein,
Am Rathaus hält er in Ruh:
„Herr Maire, nun ſchenkt mir vom ſchäumenden Wein,
Und ein Frühſtück gebt mir dazu!
4. Und ſchafft mir die prächtigen Rinder daher,
Die am Thor auf den Weiden ich fah,
Und Hafer für zwanzig Schmadronen, Herr Maire,
Denn die Preußen, die Preußen find da!”
5. Hei, Iuftige Streife! Hei, töftliher Scherz,
Wenn der Maire feine Büdlinge macht!
Doch freudiger wächſt dem Ulanen das Herz,
Wenn die Schlaht durch die Ebene kracht;
6. Wenn, die Zügel verhängt und bie Lanz’ in der Fauft,
Das Geſchwader mit ftiebendem Huf
Auf den eifernen Rechen des Fußvolks brauſt
Unter fchallendem Hurraruf.
7. Wohl ſpei'n die Haubiten Verberben und Tod,
Wohl dedt ſich mit Leichen die Bahn,
Und die Luft wird wie Blei und die Erde wird rot,
Doch vorwärts ſtürmt der Ulan.
8. Und rinnt auch das Blut von den Schläfen ihm warm:
Durch Geknatter und Kugelgeſaus
Kühn ſetzt er hinein in den bichteften Schwarm
Und holt ſich den Adler heraus.
9. Und „Viktoria!“ ſchallt's durchs Getümmel herauf,
Schon wanken die feindliden Reihn,
Und das Wanken wird Flucht, und die Flucht wird Lauf,
Der Ulan, der Ulan binterdrein!
10. Hinterdrein durch den Fluß, wo die Brüde verbrannt,
Dur das Dorf, da8 der Bauer verlieh,
Mit Gott für König und Baterland —
Hinterdrein, hinterbrein bis Paris.
11. Dort giebt’8 einen Tanz noch im eifernen Feld,
Bis der Franzmann den Atem verliert,
Und Wilhelm der Sieger, der eisgraue Held,
Im Louvre den Frieden bilktiert.
12. Doch wenn dann die blutige Arbeit gethan
Und die Stunde der Heimkehr erichien,
Wie reitet fo ftattlih im Glied der Ulan
Am Einzugstag in Berlin!
- 13. Da fteht an den Linden die rofigite Dien’
Und fie jubelt vor Stolz und vor Luft:
„D wie lieb’ ich dich erft um die Narb’ auf der Stim
Und das eijerne Kreuz auf der Bruft!*
Em. Geibel. (1870.)
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252. Reiterlied.
1. Die bange Naht ift nun herum,
Mir reiten ftil, wir reiten ftumm
Und reiten ins Verderben.
Wie weht jo jcharf der Morgenwind!
Frau Birtin, noch ein Glas geichwind
Borm Sterben, vorm Sterben.
2. Du junges Gras, was ftehft jo grün?
Mupt bald wie lauter Röslein blühn,
Mein Blut ja fol dich färben.
Den eriten Schlud, ans Schwert die Hand,
Den trink' ich, für das Vaterland
Zu fterben, zu fterben.
3. Und fchnell den zweiten binterbrein,
Und der fol für die Freiheit fein,
Der zweite Schlud vom SHerben!
Dies Reſtchen — nun, wem bring’ ich's gleich?
Dies Neftchen dir, o römiſch Reich,
Zum Sterben, zum Sterben!
4. Dem Liebhen — doch das Glas tft leer,
Die Kugel fauft, es bligt der Speer;
Bringt meinem Kind die Scherben!
Auf! in den Feind wie Wetterſchlag!
O Neiterluft, am frühen Tag
Zu Sterben, zu fterben!
Ge. Herwegh.
253. Taillefer.
(Die Schladht bei Haftings 13. Oktober 1066.)
1. Normannenherzog Wilhelm ſprach einmal:
„Wer finget in meinem Hof und in meinem Saal?
Wer finget vom Morgen bis in die fpäte Nacht
So Tieblih, dag mir das Herz im Leibe lacht?“
2. „Das tft der Taillefer, der fo gerne fingt,
Im Hofe, wann er das Rad am Brunnen ſchwingt,
Im Saale, wann. er das Feuer fchüret und facht,
Wann er abends ſich legt, und wann er morgens erwacht.
3. Der Herzog ſprach: „Ich hab' einen guten Knecht,
Den Taillefer; der dienet mir fromm und redt:
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Er treibt mein Rad umd fchlivet mein Teuer gut
Und finget fo bell; das böhet mir den Mut.“
4. Da jprad der Taillefer: „Und wär’ ich frei,
Viel beffer wollt’ ich dienen und fingen dabei.
Mie wollt’ ih dienen dem Herzog hoch zu Pferd!
Wie wollt’ ih fingen und Elingen mit Schild und mit Schwert!“
5. Nicht lange, fo ritt der Taillefer ins Gefild
Auf einem hohen Pferd mit Schwert und mit Schild.
Des Herzogs Schweiter fchaute vom Turm ins Feld;
Sie ſprach: „Dort reitet, bei Gott! ein ftattlicher Held.“
6. Und als er ritt vorüber an Fräuleins Turm,
Da fang er bald wie ein Lüftlein, bald wie ein Sturm.
Sie ſprach: „Der finget, das ift eine herrliche Luft!
Es zittert der Turm, und es zittert mein Herz in der Bruft.“
7. Der Herzog Wilhelm fuhr wohl über dag Meer;
Er fuhr nach Engelland mit gemwaltigem Heer.
Er jprang vom Schiffe, da fiel er auf die Hand:
„Hei!“ rief er, „ich fall’ und ergreife Dich, Engelland!”
8 Als nun das Normannenheer zum Sturme fehritt,
Der edle Taillefer vor den Herzog ritt:
„Manch Jährlein Hab’ ich gefungen und Feuer gejchürt,
Manch Yährlein gefungen und Schwert und Lanze gerührt.
9. Und Hab’ ih Euch gedient und gefungen zu Danf,
Zuerft als ein Knecht und dann ala ein Ritter franf,
So laßt mid dag entgelten am heutigen Tag:
Bergönnet mir auf die Feinde den erſten Schlag!“
10. Der Taillefer ritt vor allem Normannenheer
Auf einem hohen Pferd mit Schwert und mit Speer;
Er fang jo herrlich, das Hang über Haftingsfeln,
Bon Roland fang er und mandem frommen Held.
11. Und als das Rolandslied wie ein Sturm erfholl,
Da wallete manch Panier, manch Herze ſchwoll,
Da brannten Ritter und Mannen von hohem Mut;
Der Taillefer ſang und ſchürte das Feuer gut.
12. Dann ſprengt' er hinein und führte den erſten Stoß,
Davon ein engliſcher Ritter zur Erde ſchoß;
Dann ſchwang er das Schwert und führte den erſten Schlag,
Davon ein englifder Ritter am Boden lag.
— 3885 —
13. Normannen fahen’s, die harrten nit allzu lang’;
Sie brachen herein mit Gefchrei und mit Schilverflang.
Hei, faufende Pfeile, klirrender Schwerterſchlag!
Bis Harald fiel und fein troßiges Heer erlag.
14. Herr Wilhelm ftedte fein Banner aufs blutige Feld,
Snmitten der Toten ſpannt' er fein Gezelt;
Da ſaß er am Mahle, den golpnen Pokal in der Hand,
Auf dem Haupte die Königsfrone von Engelland:
15. „Mein tapfrer Taillefer, komm, teinl mir Beſcheid!
Du Haft mir viel gefungen in Lieb’ und in Leid;
Doch heut im Haftingsfelde dein Sang und dein lang,
Der tönet mir in der Ohren mein Leben lang.“
L. Nhland. (1812.)
254. Die drei Lieder.
1. Sn der hoben Hall’ ſaß König Sifrib:
„Ihr Harfner, wer weiß mir das jchönfte Lied?“
Und ein Jüngling trat aus der Schar behende,
Die Harf in der Hand, das Schwert an der Lende:
2. „Drei Lieder weiß ich; den erften Sang,
Den haft du ja wohl vergeflen ſchon lang’:
Meinen Bruber haft du meuchlings erftochen!
Und aber: Haft ihn meuchlings erſtochen!
3. Das andre Lied, das hab’ ich erdacht
In einer finftern, ftürmifchen Nacht:
Mupt mit mir fechten auf Leben und Sterben!
Und aber: mußt fechten auf Leben und Sterben!“
4. Da lehnt’ er die Harfe wohl an den Tiich,
Und fie zogen beide die Schwerter frifch
Und fochten lange mit wildem Schalle,
Bis der König fan? in der Hohen Halle.
5. „Run fing’ ih das dritte, das fchönfte Lied,
Das werd’ ich nimmer zu fingen müd’:
König Sifrid Liegt in feim roten Blute!
Und aber: Tiegt in feim roten Blute!“
£. Nhland. (1807.)
25
IV
— 336 —
255. Korſiſche Gaitireikeit.
Die Blige erhellen die finitere Nacht,
Der Regen ftrömt, der Donner fradt,
- Der mädtige Wind im Hochwald jauft,
Der wilde Gießbach ſchwillt und brauft.
Und büfterer noch, ala der nächtliche Graus,
Starrt Rocco der Greis in die Nacht hinaus,
Er ftehet am Fenfter und fpäht und laufcht
Und fährt zufammen, mann’8 näher rauſcht.
„Der Bote muß es, ber blutige, jein.
Du bift e8, Vetter Giufeppe? — Nein! —
Die Zeit ift träg’ — es wird ſchon fpat —
Iſt ſolche Nacht Doch günftig der That.
Du, Polo, bringft uns felber dein Haupt,
Haft thöricht die Rache ſchlafend geglaubt,
Haft ber dich gewagt in unfern Bereich,
Die Rache wacht, das erfährit Du gleich.
Du kommſt dort über den Gießbach nicht.
Euch Schützen geben die Blige Licht;
Geſchmähet feid ihr — trefft ihn aut!
Waſcht rein die Schmach in feinem Blut!”
Da pocht’3 an die Thür, er fährt empor,
Er öffnet ſchnell — wer fteht davor? —
„Du, Polo? — zu mir? — zu folder Zeit?
Was willſt u? — rede!" — „Gaſtlichkeit.
Die Nacht ıft fchaurig, unmegbar das Thal,
Es lauern mir auf die Deinen zumal.“
„Ih weiß dir Dank, dag würdig du haft
Von mir gedacht! Willlommen, mein Bat!“
Er führt ihn zu den Frauen binein
Und beißt fie ihm bieten Brot und Wein;
Sie grüßen ihn ftaunend, gemefjen und Falt;
Die Hausfrau Ichafft ohn' Aufenthalt.
Sobald er am Herd fih gewärmt und gejpeift,
Erhebt fih Rocco, der folgen ihn beit,
Und führt ihn felbft nach dem obern Gemach:
„Schlaf unbeforgt, dich ſchirmt mein Dad.“
— 387 —
10. Er ftebt, wie im Oſten der Morgen graut,
Bor feinem Lager und rufet laut:
„Wach au! ſteh auf! es tft nun Seit;
Ich gebe dem Gaft ein fichres Geleit.“
11. Er reiht ihm den Imbiß und führet alsbald
Ihn längs des Thals durch den finfteren Wald
Und über den Gießbach die Schlucht hinan,
Bis oben auf den freieren Plan.
12. „Hier fcheiden wir. Nah Korjenbraud
Hab’ ich gehandelt; jo thäteft du auch.
Die Rache ſchlief; fie ift erwacht:
Nimm fürder vor mir dich wohl in acht!“
Adalb. v. Ehamiflo. (1886.)
256. Blutrache.
Nordiihe Sage in drei Balladen.
1.
1. Herr Thorftein in der Halle ist,
Der blinde Greis in Schmerzen,
Ein Entel liegt in feinem Arm
Und meinet ihm am Herzen.
2. Wo ift dein Vater, Heines Kind? —
Sein Feind bat ihn erjchlagen.
So tröfte did die Mutter dein! —
Tot ift fie von dem Klagen.
3. So Hüte doch Allvater dic,
Laſſe dich in Frieden ſchlafen
Und wachſen hoch und werden ſtark,
Bis du den Feind kannſt ſtrafen!
4. In der Halle ſitzt der blinde Greis,
Er ſegnet ſeinen Enkel:
„Mein Aug' iſt dunkel, mein Arm iſt ſchwach,
Es beben meine Schenkel.
5. D ſänke nicht die welle Hand,
Eo oft ich fie will heben!
Was Tann ieh. jo mit halbem Tod
Und du mit balbem Leben?“
25*
— 388 —
6. So figt der blinde Greis und klagt;
Da pocht es an die Pforte
Und öffnet leis und ruft herein
Zur Schwelle die flücht'gen Worte:
7. „Die Braut fie mir raubten, ed war dein Sohn
Dabei, und den hab’ ich erſchlagen;
Und willſt du ihn rächen, es werden dich
Die alten Füße nicht tragen.
8. Schnell ift mein Tritt, irr' ift mein Gang,
Dem Wolf gleich in der Wüſten,
Es foll nah meinem roten Blut
Vergebens euch gelüften.
9. Doch Buße biet' ich dir genug:
Du kannſt den Beutel nicht ſchauen,
So höre raſſeln des Silbers Klang,
Deinen Ohren magſt du trauen!“
10. Er ſchwingt den ſchweren Beutel hoch,
Steht harrend unter der Schwelle;
Doch aus den blinden Augen ſpringt
Dem Greis die zornige Quelle.
11. „Weh mir, daß ich nicht wandeln kann!
Wohl mir, daß ich nicht kann ſehen!
Es darf in meiner Halle Thor
Des Sohnes Mörder mir ſtehen.
12. Er labt den Blick an meiner Fauſt,
Die nicht mehr weiß zu ſchlagen;
Er meint, daß ich das liebſte Kind
Im Beutel müſſe tragen.
13. Aus dem Herzen, wo den Sohn ich trag',
Aus dem Herzen hol' ich die Waffen;
Die Flüche ſchick' ich nach dir aus,
Die ſollen mir Rache ſchaffen.
14. Den Fluch all' deinem Tritt und Schritt
Und deinem ſchnöden Gelde,
Ich hab' ihn längſt hinaus geſandt,
Er harret dein im Felde.
15. Er gehet um in meinem Stamm,
Er ſchreit in aller Ohren;
Du, wandle nur aus meinem Haus,
Biſt überall verloren!“
— 389 —
16. So figt der blinde Greis im Stuhl,
Rührt Feines feiner Glieder
Und fchlägt mit feiner Stimme Schall
Den Mörder doch danieber.
2.
1. Und draußen pfeift ihm zu der Sturm,
Es jpinnt ihn ein der Regen,
Es faufen ihm die Speere nad
Und klirren Schwerter entgegen.
2. An Wind und Wetter jhidt nad) ihm
Des Greifen Flüche der Norden;
Die Kämpfer hielten über ihn Tag,
Und friedlos ift er worden. -
3. Er ſchweifet in den Klüften um,
Sucht Wohnung in den Wäldern,
In ſpäter Abenddämm'rung Graun
Wagt er ſich nach den Feldern.
4. Da kehrt er bei den Kämpen ein,
Läßt Salz und Brot ſich geben,
Er deckt die Augen mit der Hand
Und ißt mit Haft und Beben.
5. Doc zündet man die Lampen an,
So fährt er auf vom Sie,
Daß nicht verratend ihm der Strahl
Ins Mörderantlit blige.
6. Entwichen ift er auf die Flur; — .
Die mit ihm Brot gebrochen,
Sie weten das Mefjer hinter ihm;
Die Schuld will fein geroden.
7. So ſcheucht's ihn in dem Land umber
Fünf Ihöne Sünglingsjahre;
Ihm kommt fein Becher mehr zur Hand,
Kein Kranz mehr in die Haare.
8. Bei feinen Feinden wohnt die Braut,
Er weiß nicht, was fie treibet;
Er weiß nicht, ob fie meint ober lacht,
Und ob fie ein anderer weibet.
— 3% —
9. Und wie das fünfte Jahr ift um,
Wankt er zu Thorfteins Schwelle;
Der blinde Greis, dort figt er noch
Am Gram auf der alten Stelle.
10. Es ftürgt der Süngling vor ihn hin:
„Bei dir tft Tein Vergeben,
Ich lege mein Haupt in deinen Schoß,
Dein Fluch läßt mich nicht Ieben.“
11. Dem Greife zudt’3 wie Jugendkraft
In feinen welfen Armen,
Die Fäuſte fafjen des Yeindes Haupt,
Sie faflen e8 ohn’ Erbarmen.
12. Doch als er hielt fo feft gebrüdt
Das Haupt an feinen Lenden,
Am warmen Leben fhaubert’3 ihn
Den Fluch doch zu vollenden.
13. Da kommt fein junger Enkel auch
In Kindezluft geiprungen,
Und um den Frembling, wie zum Schuß,
Hält er den Arm geſchlungen.
14. Jetzt will dein Alten, aufgetaut,
Die Fauft nicht länger fi ballen,
Yet läßt er über des Jünglings Haupt
Die Finger fpielend mwallen:
15. „Deine Wang’ ift weich, deine Stirn ift hoch,
Dein Haar ift lang und flachſen;
Es fit das Haupt am beften doch
Da, wo es iſt gewachſen.
16. Ja, trag es auf dem ſchlanken Hals
In meinem Hof und Garten;
Du ſollſt an Sohnes Statt mein Feld,
So lang’ ich's will, mir warten!
17. Fäll' Holz aus meinem Walde dort,
Bau dir ein Haus daneben!
Jetzt wird mir wohl und deucht mir gar,
Mein Kind ſei wieder am Leben.“
18. Der Jüngling ſchnellte fein Haupt empor,
Hat raſch ſich aufgeſchwungen;
Dem blinden Greiſe die Zähr' entquoll,
Die Thräne ſtrömte dem Jungen.
— 391 —
1. Der Enkel wächſt mit Zuft heran,
Wie Norblands Knaben blühen;
Um wenig Jahre jet es noch,
Iſt er zum Dann gebiehen.
2. Die Stunden, die flogen fchnell dahin,
Wie man ein Lieblein finget;
Das Feld gedieh, das Haus ftieg auf,
Der Greis ſaß mie verjünget.
3. Es hing ihm eine Wolle mohl
In feiner Stirne alten;
Der SZüngling fragt nicht, dient fo treu,
Bis er erfreute den Alten.
4. Doch wie die Zeit nun fchneller ging,
Sah man ihn ftille ſitzen,
Und aus den hohlen Augen war's,
Als wollt’ ein euer bliten.
5. Zulett das Schweigen doch er brad),
Das manchen Tag gedauert.
Er ſprach: „Stellt mir den Entel ber!“
Er rief's, von Schmerz durchſchauert.
6. „Großvater, laß nicht führen mid!
Auch Frühling wird's im Norden;
Du fiehſt nicht, wie ih gewachſen bin,
Ich bin ein Küngling worden.“
7. Der ſchlanke Knabe, der eilt herzu,
Ihn faßt der Greis mit Zittern.
„Sa“, ruft er, „Sommer im Norden ward's;
Ich horche den Ungemittern!
8. Weh mir, es fprofiet ihm fchon der Bart,
Es jchwellen die Glieder, die Knochen;
Er ift ein Mann geworden und hat
Den Bater noch nicht gerochen! —
9. Blutrache, Heilig alt Geſetz,
Wie unfre Götter und Eichen,
Bor dir muß unferd Haufes Fried'
Und Liebe mir heut erbleichen!
— 392 —
10. Seht ihr es nicht? mir deucht, ich ſeh's —
Und bin doch blind ſo lange —
Wie ſeine Augen funkeln wild!
Du dort, iſt dir nicht bange?
11. D weh! du haſt mir gedient jo fromm,
Haſt's wie ein Sohn getrieben!
Du follteft führen ins neue Haus
Die Braut, die dir treu geblieben.
12. Jetzt kannſt du bei mir nicht baun dein Haus,
Bei mir dein Weib nicht freien.
Wie fol in feinem Angeficht
Dir dein Geſchlecht gedeihen?
13. Nimm dir aus Kammer und Stall ein Teil,
Mas mir der Sohn follt’ erben!
So lange die Rah’ in dem Knaben jchläft,
Fleuch, fleuch! du follft mir nicht fterben!
14. Zur fernften Orkneyinſel zeuch!
Dort, binter der Fluten Walle,
Dort bau von meinem Gute bir
Eine fefte, Hohe Halle!
15. Dort lebe fiher und zeug’ ein Sind
Für deines Alters Tage!
Und feiner fei, — nimm bin den Wunſch —
Der dir den Sohn erichlage!*
6. Schwah. (1821.)
257. Der Geierpfiff.
1. „Nun ſtill! — Du an den Dohnenſchlag!
Du links an den geſpaltinen Baum!
Und bier der faule Fetzer mag
Sich lagern an der Klippe Saum;
Da feht fein offen übers Land
Die Kutſche ihr heranfpazieren —
Und Rieder dort, der Höllendrand,
Mag in den Steinbruch ſich poftieren!
2. Dann aufgepapt mit Aug’ und Ohr,
Und bei dem erften Räderhall
Den Eulenſchrei! und tritt hervor
Die Fracht, dann wiederholt den Schall;
— 393 —
Doch naht Gefahr — Patrouillen gehn —
Seht ihr die Landbdragoner ftreifen,
Dann dreimal, wie von Riffes Höhn,
Laßt ihr den Lämmergeier pfeifen.
3. Run, Rieder, noch ein Wort zu bir!
Mit Recht heit du der Höllenbrand;
Kein Stüdhen — id verbitt' e8 mr —
Wie neulich) mit der falten Hand!“
Der Hauptmann fpriht e8; durch ben Kreis
Ein Raufhen geht und feines Schwirren,
Als fie die Büchfen fchultern leis
Und in den Gurt die Meſſer klirren.
4. Seltſamer Troß! bier Riefenbau
Und hiebgeipaltnes Angeficht,
Und dort ein Bübchen wie ’ne Frau,
Ein zierlihes Spelunfenlidt;
Der drüben an dem Scheitelhaar
Sp ſachte ftreift den blanfen Finger,
Schaut aus den blauen Augen gar
Wie ein verarmter Minnefinger.
5. 's ift lichter Tag! die Bande fcheut
Bor Teiner Stunde — alles glei; .
Es iſt die rote Bande, weit
Verſchrien, gefürchtet in dem Reid;
Das Knäbchen kauert unterm Stier
Und betet, raſchelt e8 im Walde;
Und mandes Weib verichließt die Thür,
Schreit nur ein Kudud an der Halbe.
6. Die Bolten haben fich zeritreut,
Und in die Hütte fchlüpft der Troß —
Wildhüters Obdach, zu der Seit,
Als jene Trümmer war ein Schloß;
Wie Ritter vor der Ahnengruft,
Fühlt fih der Räuber ftolz gehoben
Am Schutte, dran ein gleicher Schuft
Bor Jahren einft den Brand gefchoben.
7. Und als der lebte Schritt verhallt,
Der lebte Zweig zurüdgeraufcht,
Da wirb es einſam in dem Wald,
Wo überm Aſt die Sonne lauft;
zu GOR. ere
Und als es drinnen noch geklirrt
Und noch ein Weilchen ſich geichoben,
Da ſtill es in der Hütte wird,
Vom wilden Weingerank umwoben.
8. Der ſcheue Vogel fett ſich kühn
Aufs Dach und wiegt ſein glänzend Haupt,
Und ſummend durch der Reben Grün
Die wilde Biene Honig raubt;
Nur leiſe wie der Hauch im Tann,
Wie Weſte durch die Halme ſtreifen,
Hört drinnen leiſe, leiſe man
Vorſichtig an den Meſſern ſchleifen.
— — —— — nn
9. Ja, lieblich iſt des Berges Maid
In ihrer feſten Glieder Pracht,
In ihrer blanken Fröohlichkeit,
In ihrer Zöpfe Rabennacht;
Siehſt du ſie brechen durchs Geniſt
Der Brombeerranken, friſch, gedrungen,
Du denkſt, die Centifolie iſt
Vor Übermut vom Stiel geſprungen.
10. Nun ſteht fie ſtill und ſchaut ſich um —
All überall nur Baum an Baum;
Ja, irre zieht im Walde um
Des Berges Maid und glaubt es kaum;
Noch zwei Sekunden, wo ſie ſann,
Pulſieren ließ die heißen Glieder —
Behende wie ein Marder dann
Schlüpft keck ſie in den Steinbruch nieder.
11. Am Eingang ſteht ein Felſenblock,
Wo das Geſchiebe überhängt;
Der Epheu ſchüttelt ſein Gelock,
Zur grünen Laube vorgedrängt;
Da unterm Dache lagert ſie,
Behaglich lehnend an dem Steine,
Und denkt: ich ſitze wahrlich wie
Ein Heil'genbildchen in dem Schreine.
12. Ihr iſt fo warm, der Zöpfe Paar
Sie löfet mit der runden Hand,
Und nieder raufcht ihr ſchwarzes Haar
Mie Rabenfittihes Gewand.
— 395 —
Ei! denkt fie, bin ih doch allem!
Auf fpringt das Spangenpaar am Wieder;
Doch unbemweglich gleih dem Stein
Steht hinterm Blod der wilde Nieder.
13. Er fiebt fie nicht, nur ihren Fuß,
Der tändelnd jchaufelt wie ein Schiff;
Zumweilen treibt de Windes Gruß
Auch eine Lode um das Riff;
Doch ihres heißen Odems Zug,
Samumes Hauch, glaubt er zu fühlen;
Berlorne Laute, wie im Flug
Lockvögel, um das Ohr ihm fpielen.
14. So weich die Luft und badewarm,
Beraufchend Thymianes Duft;
Sie lehnt ih, dehnt fih, ihren Arm,
Den vollen, ftredt fie aus der Kluft,
Schließt dann ihr glänzend Augenpaar —
Nicht Schlafen, ruhn nur eine Stunde —
So dämmert fie, und die Gefahr
Wächſt von Sekunde zu Sekunde,
15. Nun alles ftil — fie hat gewadt; —
Doh hinterm Steine wird's belebt,
Und feine Büchſe ſachte, facht
Der Rieder von der Schulter hebt,
Lehnt an die Klippe ihren Lauf,
Dann lodert er der Mefier Klingen;
Hebt nun den Fuß — mas hält ihn auf?
Ein Schrei feheint aus der Luft zu dringen!
16. Ha, das Signal! — er ballt die Fauſt —
Und wiederum des Geiers Pfiff
Ihm fchrillend in die Obren jauft!
Noch zögert Inirfchend er am Riff —
Zum drittenmal! — und fein Gewehr
Hat er gefaßt — hinan die Klippe!
Daß brödelnd Kies und Sand umber
Nachkollern von dem Steingerippe.
17. Und auch das Mädchen fährt empor:
„Ei, ift jo Ioder das Geftein?“
Und langfam, gähnend tritt hervor
Sie aus dem falſchen Heil’genfchrein,
— 396 —
Hebt ihrer Augen feuchtes Glühn,
Will nah dem Sonnenftande fchauen,
Da fieht fie einen Geier ziehn
Mit einem Lamm in feinen Klauen.
18. Und fchnell gefaßt, der Wildnis Kind,
Tritt fie entgegen feinem Flug:
Der kam daher, wo Menſchen find;
Das ift der Bergemaid genug.
Doc ftill! war das nicht Stimmenton
Und Räderknarren? ftill! fie laufht —
Und wirklich, durch die Nadeln ſchon
Die ſchwere Kutfche ächzt und rauſcht.
19. „He, Mädchen!” ruft es aus dem Schlag;
Mit feinem Knix tritt fie heran:
„Zeig und zum Dorf die Wege nad),
Wir fuhren irre in dem Tann!“ —
„Herr“, ſpricht fie lachend, „nehmt mich auf,
Auch ih bin irr' und führ Euch doch.“
„Nun wohl, du ſchmuckes Kind, fteig auf,
Nur friſch hinauf! du zögerft noch?“
20. „Herr, was ich weiß, tft nur gering,
Doch führt e8 Euch zu Menſchen Hin,
Und das ift fhon ein köſtlich Ding
Im Wald, mit Räuberhorden drin. .
Seht, einen Weih' am Bergeskamm
Sah fteigen ich aus jenen Gründen,
Der in den Fängen trug ein Lamm;
Dort muß ſich eine Herde finden!“ —
21. Am Abend Steht des Forftes Held .
Und flucht die Steine warm und kalt;
Der Wechsler freut fi, daß fein Geld
Er Hug gefteuert durch den Wald,
Und nur die gute, franfe Maid
Nicht ahnet in der Träume Walten,
Daß über fie jo gnädig heut
Der Himmel feinen Schild gehalten. —
A. v. Drofie:Bülspof.
— 397 — -
258. Das Herz bon Douglas,
1. „Graf Douglas, prefie den Helm ins Haar,
Gürt' um dein lichtblau Schwert,
Schnall’ an dein jchärfites Sporenpaar
Und fattle dein ſchnellſtes Pferd!
2. Der Totenwurm pickt in Scones Saal,
Ganz Schottland hört ihn hämmern,
König Robert Liegt in Todesqual,
Sieht nimmer den Morgen dämmern!“ —
3. Sie ritten vierzig Meilen faft
Und fpraden Worte nicht vier,
Und als fie famen vor Königs Balaft,
Da blutete Sporn und Tier.
4. König Robert lag im Norderturn,
Sein Auge begann zu zittern:
„sh höre das Schwert von Bannodburn
Auf der Treppe raſſeln und fehüttern!
5. Ha Gottwilllomm, mein tapfrer Lord!
Es geht mit mir zu End’,
Und du follft hören mein lettes Wort
Und fchreiben mein Teftament:
6. Es war am Tag von Bannodburn,
Da aufging Schottlands Stern,
Es war am Tag von Bannodburn,
Da ſchwur ih’3 Gott dem Herm:
7. Ich ſchwur, wenn der Sieg mir fei verliehn
Und feit mein Diadem,
Mit taufend Lanzen wollt’ ich ziehn
Hin gen Serufalem.
8. Der Schwur wird falfch, mein Herz fteht ftil,
Es brah in Müh und Streit;
Es hat, wer Schottland bänd’gen will,
Zum Pilgern wenig Zeit.
9. Du aber, wenn mein Wort verhallt
Und aus ift Stolz und Schmerz,
Sollit fchneiden auß meiner Bruft alsbald
Mein ſchlachtenmüdes Herz.
— 398 —
10. Du folft es büllen in roten Samt
Und jchließen in gelbes Gold,
Und es fei, wenn gelefen mein Totenamt,
Im Banner das Kreuz entrolit.
11. Und nehmen follft bu taufend Pferd’
Und taufend Helden frei
Und geleiten mein Herz in des Heilands Erd’,
Damit es ruhig jei!“
12. „Nun vorwärts, Angus und Lothian,
Laßt flattern den Buſch vom Haupt!
Der Douglas bat des Königs Herz,
Wer iſt ed, der’s ihm raubt!
13. Mit den Schwertern fchneivet bie Taue ab,
Alle Segel in die Höh!
Der König fährt in das ſchwarze Grab
Und wir in die ſchwarzblaue See!“
14. Sie fuhren Tage neunzig und neun,
Gen Dft mar der Wind gewandt,
Und bet dem hundertſten Morgenjchein
Da Stiegen fie an das Land.
15. Sie ritten über die Wüſte gelb,
Wie im Thale blitzt der Fluß;
Die Sonne ftah durchs Helmgemölb’
Als mie ein Bogenſchuß.
16. Und die Wüfte war ftil, und fein Lufthauch blies,
Und ſchlaff hing Schärpe und Fahn';
Ta flog in die Wollen der ftäubende Kies,
Draus flimmernde Spiten fahn.
17. Und die Wüfte ward voll, und die Luft ericholl,
Und es erhob fih Wol an Wolf’;
Aus jeder berftenden Wolle quoll
Epeerwerfendes Reitervoll.
18. Zehntaufend Lanzen funlelten rechts,
Zehntaufend funtelten linke.
Allah il Allah! ſcholl es rechts,
Il Allah! ſcholl es links. —
300
19. Der Douglas zog die Hügel an,
Und ftil ftand Herr und Knecht:
„Beim beil’gen Kreuz und St. Alben,
Das giebt ein grimmig Gefecht!“
20. Eine Kette von Gold um den Hals ihm ging,
Dreimal umging fie rund,
Eine Kapfel an der Kette hing,
Die 308 er an den Mund:
21. „Du bit mir immer gegangen voran,
Mein Herz! bei Tag und Nadt,
Drum folft du auch heut, wie du jtet3 gethan,
Borangehn in die Schlacht.
22. Und verlaffe der Herr mich drüben nicht,
Wie bier ich dir treu verblieb,
Und gönne mir noch auf das Heidengezücht
Einen chriſtlichen Schwerteshieb.“
23. Er warf den Schild auf die linke Seit’
Und band den Helm herauf,
Und als zum Streit er jaß bereit,
In den Bügeln ftand er auf:
24. „Wer dies Gefchmeid’ mir mwieber jchafft,
Des Tages Ruhm ſei fein!“
Da warf er das Herz mit aller Kraft
In die Feinde mitten hinein.
25. Sie ſchlugen das Kreuz mit dem linken Daum’,
Die Rechte den Schaft legt’ ein,
Die Schilde zurüd und los den Zaum!
Und fie ftritten drauf und brein.
26. Und es war ein Stoß, und es mar eine —
Und raſender Tod rundum,
Und die Sonne verſank in die Meeresbucht,
Und die Wüſte mar wieder ſtumm.
27. Und der Stolz des Oſtens, er lag gefällt,
In meilenweitem Kreis,
Und der Sand ward rot auf dem Leichenfeld,
Der nie mehr wurde weiß.
— 400 °—
28. Bon den Heiden allen dur Gottes Huld
Entrann nicht Mann noch Pferd,
Kurz ift die ſchottiſche Geduld
Und lang ein fhottiih Schwert!
29. Doch wo am biditen ringaumber
Die Feinde lagen im Sand,
Da batte ein faljcher Heidenfpeer
Dem Grafen das Herz durchrannt.
30. Und er fchlief mit Haffendem Kettenhemd,
Längft aus war Stolz; und Schmerz;
Doch unter dem Schilde feftgeflemmt
Lag König Roberts Herz.
M. v. Strachwitz.
259. Die Bürgſchaft. (Damon und Phintias.)
(Um 345 v. Chr.)
1. Zu Dionys, dem Tyrannen, ſchlich
Damon,* den Dold im Gewande;
Ihn fchlugen die Häfcher in Bande.
„Was mollteft du mit dem Dolce? fprich!“
Entgegnet ihm finfter der MWüterich.
„Die Stadt vom Tiyrannen befreien.“
„Das jollft du am Sreuze bereuen.“
2. „Ich bin“, fpricht jener, „zu fterben bereit
Und bitte nicht um mein Leben;
Doch willſt du Gnade mir geben,
Sch flehe di um drei Tage Zeit,
Bis ich die Schweiter dem Gatten gefreit;
ch laſſe den Freund dir als Bürgen,
Son magft du, entrinn’ ich, erwürgen.“
3. Da lädelt der König mit arger Lift
Und ſpricht nach kurzem Bedenken:
„Drei Tage will ich dir fchenfen;
Doch wifle, wenn fie verftrichen die reift,
Ch’ du zurüd mir gegeben bift, -
So muß er ftatt deiner erblaſſen,
Doch dir ift die Strafe erlafien.“
* Schiller jelbit Hat Damon für Möros geändert. (Meyer, Bei-
träge ©. 34.)
— 401 —
4. Und er kommt zum Freunde: „Der König gebeut,
Daß ih am Kreuz mit den Leben
Bezahle das frevelnde Streben;
Doch will er mir gönnen brei "Tage Beit,
Bis ih die Schmweiter dem Gatten gefreit;
So bleib du dem König zum Pfande,
Bis ich fomme, zu löfen die Bande.“
5. Und fchweigend umarmt ihn ber treue Freund
Und Tiefert fih aus dem Tyrannen;
Der andere ziehet von dannen.
Und ehe das dritte Morgenrot fcheint,
Hat er Schnell mit dem Gatten die Schwefter vereint,
Eilt heim mit forgender Seele,
Damit er die Friſt nicht verfehle.
6. Da gießt unenblicher Regen herab,
Don den Bergen ftürzen die Quellen,
Und die Bäche, die Ströme fchwellen.
Und er fommt ans Ufer mit wanderndem Stab,
Da reißet die Brüde der Strudel hinab,
Und donnernd fprengen die Wogen
Des Gewölbes krachenden Bogen.
7. Und troſtlos irrt er an Ufer Rand;
Wie weit er auch fpähet und blidet
Und die Stimme, die rufende, fchidet,
Da ftößet fein Nahen vom fihen Strand,
Der ihn ſetze an das gewünfchte Land,
Kein Schiffer Ienfet die Fähre,
Und der wilde Strom wird zum Meere.
8. Da finkt er ans Ufer und weint und fleht,
Die Hände zum Zeus erhoben:
„D bemme des Stromes Toben!
Es eilen die Stunden, im Mittag fteht
Die Sonne, und wenn fie niedergeht
Und ich kann die Stabt nicht erreichen,
So muß ber Freund mir erbleichen.“
9. Doch wachſend erneut ſich des Stromes Wut,
Und Welle auf Welle zerrinnet,
Und Stunde an Stunde entrinnet,-
Da treibt ihn die Angft, da faßt er fih Mut
Und wirft fih hinein in die braufende Flut
26
-— 402 —
Und teilt mit gewaltigen Armen
Den Strom, und ein Gott hat Erbarmen.
10. Und gewinnt das Ufer und eilet fort
Und danket dem rettenden Gotte;
Da ftürzet die raubende Rotte
Hervor aus des Waldes nächtlichem Drt,
Den Pfad ihm jperrend, und fchnaubet Mord
Und hemmet des Wanderers Eile
Mit drohend gefhmungener Keule.
11. „Was wollt ihr?* ruft er, vor Schreden bleich;
„Ich habe nichts ala mein Leben,
Das muß ich dem Könige geben!“
Und entreißt die Keule dem Nächften gleich:
„Um des Freundes willen erbarmet euch!“
Und drei mit gewaltigen Streichen
Erlegt er, die andern entweichen.
12. Und die Sonne verfendet glübenden Brand,
Und von der unendlichen Mübe
Ermattet, ſinken die Kniee.
„O baft du mich gnädig aus Räubershand,
Aus dem Strom mic gerettet ans beilige Land,
Und foll hier verfhmachtend verderben,
Und der Freund mir, der liebende, fterben!“
13. Und horch! da ſprudelt es filberhell
Ganz nahe, wie riefelndes Raufchen,
Und ftille hält er, zu laufchen;
Und fieh, aus dem Felſen, geſchwätzig, ſchnell,
Springt murmelnd hervor ein lebendiger Duell,
Und freudig bückt er ſich nieber
Und erfrifchet die brennenden Glieder.
14. Und die Sonne blidt Dur ber Zweige Grün
Und malt auf den glänzenden Matten
Der Bäume gigantifhe Schatten;
Und zwei Wanderer fieht er die Straße ziehn,
Mil eilenden Laufes vorüber fliehn,
Da bört er die Worte ſie fagen:
„Seht wird er ans Kreuz gefchlagen.“
15. Und die Angjt beflügelt den eilenden Fuß,
Ihn jagen der Sorgen Qualen;
Da ſchimmern in Abendrots Strahlen
— 403 —
Bon ferne die Binnen von Syrakus,
Und entgegen kommt ihm Philoftratus,
Des Haufes redlicher Hüter,
Der erkennet entſetzt den Gebieter:
16. „Zurüd! du rettejt den Freund nicht mehr,
So rette das eigene Leben!
Den Tod erleidet er eben.
Bon Stunde zu Stunde gewartet’ er
Mit boffender Seele der Wiederkehr,
Ihm konnte den mutigen Glauben
Der Hohn ded Tyrannen nicht rauben.“ —
17. „„Und ift es zu fpät, und Tann ich ihm nicht
Ein Retter willlommen erfheinen,
So fol mid) der Tod ibm vereinen!
Des rühme der blut’ge Tyrann fi nicht,
Daß der Freund dem Freunde gebrochen die Pflicht;
Er ſchlachte der Opfer zmeie
Und glaube an Liebe und Treue!”
18. Und bie Sonne geht unter; da fteht er am Thor
Und fieht das Kreuz ſchon erhöhet,
Das die Menge gaffend umftehet;
An dem Seile fchon zieht man den Freund empor,
Da zertrennt er gewaltig den dichten Chor:
„Mi, Henker!“ ruft er, „erwürget!
Da bin ich, für den er gebürget!“
19. Und Erftaunen ergreifet das Voll umber;
In den Armen liegen fich beide
Und weinen vor Schmerzen und Freude.
Da fieht man fein Auge thränenleer,
Und zum Könige bringt man die Wundermär';
Der fühlt ein menſchliches Rühren,
Läßt jchnell vor den Thron fie führen.
20. Und blidet fie lange verwundert an;
Drauf ſpricht er: „EB ift euch gelungen,
Ihr habt das Herz mir bezwungen;
Und die Treue, fie ift Doch fein leerer Wahn!
So nehmet auch mich zum Genoſſen an:
Sch fei, gewährt mir die Bitte,
In eurem Bunde der Dritte!
ör. v. Schiller. (1798.)
26”
10
15
20
— 404 —
260. Sprüde und Sprucdartiges,
1.
Wenn jemand fchledht von deinem Freunde fpricht,
Und ſcheint er noch fo ehrlih, glaub’ ihm nicht!
Sprit alle Welt von deinem Freunde ſchlecht,
Mißtrau der Melt und gieb dem Freunde Hecht!
Nur wer fo ftandhaft feine Freunde liebt,
Iſt wert, daß ihm der Himmel Freunde giebt.
Ein Freundesherz ift ein fo feltner Schatz,
Die ganze Welt beut nit dafür Erſatz;
Ein Kleinod ift’8-voll heil’ger Wunderkraft,
Das nur bei feitem Glauben Wunder Icafft.
Doch jedes Zweifels Hauch trübt feinen Glanz,
Einmal zerbroden mwird’3 nie wieder ganz.
Drum, wird ein folches Kleinod dir befchert,
O trübe feinen Glanz nicht, halt es wert;
Zerbrich es nit! Betrachte alle Welt
Als einen Ring nur, der dies Kleinod hält,
Dem dieſes Kleinod felbit erſt Wert verleiht,
Denn wo es fehlt, da ift die Welt entweiht.
Doch mwürdeft du dem ärmften Bettler gleich,
Bleibt dir ein Freundesherz, fo bift du reich;
Und wer den höchſten Königsthron gewann
Und feinen Freund hat, ift ein armer Mann.
Ir. Bodenſtedt.
2.
Der Rofe ſüßer Duft genügt,
Man braucht fie nicht zu brechen;
Und mer fi mit dem Duft begnügt,
Den wird der Dom nicht ftechen.
Ir. Bodenftedt.
8.
1. Die Tugend hab’ ich nie gelobt,
Die nimmer fih im Sturm erprobt.
Die Weisheit hab’ ich nie gepriefen,
Die nie im Leben fih erwieſen.
2. Wan lernt nicht fechten ohne Schwert,
Man lernt nicht reiten ohne Pferd;
Dem guten Schwimmer ftärkt die Glieder
Der Strom, den fihlechten veißt er nieber.
Sr. Sodenktedt.
— 405 —
4.
Das Schwerfte Har und allen faßlich jagen,
Heißt aus gediegnem Golde Münzen fchlagen.
Em, Geibel.
5.
Sorgen find meift von der Nefleln Art:
Sie brennen, rührft du fie zu zart;
Fafle fie nur an herzhaft,
So ift der Griff nicht fchmerzhaft.
Em. Geibel.
6.
1. Der ift fein kühner Reiter,
Wer nie den Sand gelüßt;
Der ift kein wackrer Streiter,
Wer ohne Wunden ift.
2. Und bat die Welt dir meh gethan,
So greif fie friih von neuem an,
Bis Du, trog Sturz und Wunden,
Im Kampf fie überwunden.
Juline Sturm.
7.
Lern' von der Erde, die du baueſt, die Geduld:
Der Pflug zerreißt ihr Herz, und ſie vergilt's mit Huld.
Hr. Rücert.
8.
Aus bittren Meeren zieht die Sonne ſüßes Waſſer,
So zieh auch Liebe du aus Herzen deiner Haſſer.
Ir. Rücert.
9.
Der Verſtand iſt im Menſchen zu Haus,
Wie die Funken im Stein;
Er ſchlägt nicht von ſich ſelbſt heraus,
Er will herausgeſchlagen ſein.
Ir. Rücert.
10.
Willſt du, daß wir mit hinein
In das Haus dich bauen,
Laß es dir gefallen, Stein,
Daß wir dich behauen. B
Ir. Rüdert.
— 406 —
11.
Am Abend wird man flug
Für den vergangnen Tag,
Doch niemals ug genug
Für den, der kommen mag.
Ir. Rücert.
12.
Mas du Ird'ſches willft beginnen, heb zuvor
Deine Seele im Gebet zu Gott empor;
Einen Prüfftein wirft du finden im Gebet,
Ob dein Ird'ſches vor dem Göttlichen befteht.
Ir. Rütert.
18.
Wenn du Gott mwollteit Dank für jede Luft erit fagen,
Du fändeft gar nicht Zeit, noch über Weh zu Flagen.
wilb. Müter.
14.
Frag den Grashalm, ber der Sonne
Regenſchwer entgegenzittert,
Ob er heute wünfchen möchte,
Daß es geftern nicht gemittert.
wilh. Müller.
15.
1 Gilt's nicht gleih, wie Gottes Segen
Strömt in deine Seele ein?
Db mit Krieges Donnerfchlägen,
Ob im Freudenfonnenfcdein,
5 Ob im dunkeln Thränenregen:
Immer bringt er ja Gedeihn!
Ir. de la Motte Sonane.
Dritte Abteilung.
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261. Lorelei.
1. 35 weiß nicht, was foll es bedeuten,
Daß ich fo traurig bin;
Ein Märchen aus alten Zeiten,
Das kommt mir nicht aus dem Sinn.
2. Die Luft ift kühl, und es bunfelt,
Und ruhig fließt der Rhein;
Der Gipfel des Berges funtelt
Sm Abendfonnenfcein.
3. Die ſchönſte Jungfrau ſitzet
Dort oben wunderbar,
Ihr goldnes Geſchmeide bliket,
Sie kämmt ihr goldenes Haar.
4. Sie kämmt e3 mit goldenem Kamme
Und fingt ein Lied babei;
Das bat eine wunderfame,
Gemwaltige Melobei.
5. Den Schiffer im Heinen Schiffe
Ergreift es mit wildem Web;
Er ſchaut nicht die Felſenriffe,
Er ſchaut nur hinauf in die Höh.
- 6. Ich glaube, die Wellen verfchlingen
Am Ende Schiffer und Kahn;
Und das hat mit ihrem Singen
Die Lorelei gethan. ®
Beint. Deine. (1823.)
— 410 0 —
262. Der Nein.
(Fragment.)
1. O Sohn der Alpen, in kryſtallnen Wiegen
Genährt von Gletſcherbrüſten, heil'ger Rhein,
Wenn du, dem blauen Schweizerſee entfliegen,
Did jeucigenb warfft vom fchroffen Felsgeſtein
Und glorreich nun, ein Held nad frühen Siegen,
Das Thal durchwallſt im laub’'gen Kranz von Wein
Zur Luft den Völkern und der Flur zum Segen:
Wie ſchiagt dir hoch das deutſche Herz entgegen!
2. Und traun, mit Zug! Denn deutichen Lebens Bild
Und Zeuge bift du, feit von füßen Zähren
Auf deinen Höhn der Rebſtock feurig ſchwillt;
AU um dich ber erwuchſen unfre Ehren.
Du fahft zuerft erhöht des Reiches Schild,
Des Reichs, nad dem wir fromm noch heut begehren,
Wir Waifen, nun im eignen Baterlande
Ruhmlos zerteilt, wie du zulegt im Sande.
3. Den Raifern mwarft bu wert; die Starfen zog
Der Starke, daß, was gleih, zufammenmohne;
Hier ftand der Stuhl des großen Karl; bier bog
Konrad das Haupt vor Konrad, eine Krone
Mit Lächeln miflend; hier im Feſtgewog'
Schied der im roten Bart vom ehrnen Sohne;
Siegstrunken mocht' er demen Wirbeln lauſchen,
Nicht ahnend, daß fein Tod bald ſolches Rauſchen.
4. Auf deinen Burgen borftet ein Gefchlecht
Frei, wild und mild; es wohnt’ in feinem Sinne
Bon deiner Traub’ ein Anflug, zum Gefecht
Das Herz befeuernd wie zu Sang und Minne.
Wie freudig blutet' hier der Edelknecht,
Wenn aus der Herrin Blid von hoher Zinne
Ein Gruß als erfter ach! und letter Dank
Auf fein verftrömend Leben nieberjant!
5. Und Städte fahn voll Troß in deine Welle,
Wo unterm Krummfteb Bürgerfreiheit ſproß
Und Fa’ und Kunft, und mo dann morgenbelle
Die neue Zeit ihr Kinderaug’ erfchloß.
Denn war's zu Mainz nit, wo in ftiller Zelle
Ein andrer Dädalus die Ylügel goß,
Die ſtark das Wort in alle Winde tragen?
Ward nicht zu Worms des Glaubens Schlacht geichlagen?
— 41 —
6. Und heut, wel veih Gewühl umbrauft noch heut
Die Rebenufer, mo vom breiten Riffe
Die Feſte droht und weit im Thal zerftreut
Die Efien raftlos fprühn! Mit grellem Pfiffe
Durchkeucht das Dampfgeipann des Doms Geläut,
Und durd die Fluten wandeln Feuerjchiffe,
Wie Schwarze Riefenihwäne; Flaggen winken,
Und Winzerjubel fallt, und Römer blinken.
7. Gebrochen find die Burgen. Ihre geit
Ging aus. Doc fit an ihrer Türme Scharten
Die Sage barfend noch, die Wundermaid,
Und lallt im Traum von Krimhilts Rofengarten,
Bom Dradenftein und von der Nonne Leid.
Und fließt das Mondlicht um die Felfenwarten,
Da fingt die Lorelei, und aus dem Dunfel
Der grünen Waſſer glimmt des Horts Gefunkel.
Em. Geibel. (1860.)
— — — —
263. Das Lied vom Rhein.
1. Es klingt ein heller Klang,
Ein ſchönes deutſches Wort
In jedem Hochgeſang
Der deutſchen Männer fort:
Ein alter König hochgeboren,
Dem jedes deutſche Herz geſchworen, —
Wie oft ſein Name wiederkehrt,
Man hat ihn nie genug gehört.
2. Das iſt der heil'ge Rhein,
Ein Herrſcher, reich begabt,
Des Name ſchon, wie Wein,
Die treue Seele labt.
Es regen ſich in allen Herzen
Viel vaterländ'ſche Luſt und Schmerzen,
Wenn man das deutſche Lied beginnt
Vom Rhein, dem hohen Felſenkind.
3. Sie hatten ihm geraubt
Der alten Würde Glanz,
Von ſeinem Königshaupt
Den grünen Rebenkranz.
ei, AD
In Feſſeln lag der Held gefchlagen;
Sein Zürnen und fein ſtolzes Klagen,
Wir baben’3 mande Nacht belaufcht,
Bon Geiftesfchauern hehr umraufdt.
4. Was fang der alte Held?
Ein furchtbar dräuend Lieb:
„DO, weh dir, fchnöde Welt,
Mo eine Freiheit blüht!
Bon Treuen los, und bar von Ehren!
Und willft du nimmer wiederkehren,
Mein ach! geftorbenes Geſchlecht
Und mein gebrochnes deutſches Recht?
5. O meine hohe geit,
Mein goldner Lenzestag!
Als noch in Herrlichkeit
Mein Deutſchland vor mir lag
Und auf und ab am Ufer wallten
Die ſtolzen abligen Geftalten,
Die Helden, weit und breit geehrt
Durch ihre Tugend und ihr Schwert!
6. Es war ein frommes Blut
In ferner Riefenzeit,
Bol kühnem Leuenmut
Und mild als eine Maid;
Man fingt e8 noch in ſpäten Tagen,
Wie den erfhlug der arge Hagen;
Was ihn zu folder That gelenkt,
In meinem Bette liegt’8 verfentt.
7. Du Sünder, mwüte fort!
Bald ift dein Becher voll!
Der Nibelungen Hort
Erfteht wohl, warn er foll!
Es wird in dir die Seele graufen,
Wann meine Schreden did umbraufen;
Ich habe wohl und treu bewahrt
Den Schag der alten Kraft und Art!“
8. Erfüllt ift jenes Wort:
Der König ift nun frei!
Der Nibelungen Hort
Erſteht und glänget neu.
ze. AD
Es find die alten deutſchen Ehren,
Die wieder ihren Schein bewähren:
Der Bäter Zucht und Mut und Ruhm,
Das beil’ge deutſche Kaiſertum!
9. Wir huld’gen unferm Herm,
Wir trinten feinen Wein.
Die Freiheit fei der Stern,
Die Loſung fei der Rhein!
Mir wollen ihm aufs neue fehwören;
Wir müflen ihm, er ung gehören.
Bom Felſen fommt er frei und hehr;
Er fließe frei in Gottes Meer!
M. v. Schentendorf.
264. Rheinweinlied.
Bekränzt mit Laub den lieben, vollen Becher
Und trinkt ihn fröhlich leer!
Sn ganz Europia, ihr Herren Becher,
Sit fol ein Wein nicht mehr.
Er kommt nicht ber aus Ungam nod aus Polen,
Noch wo man franzmänn'ſch ſpricht;
Da mag Sankt Veit, der Ritter, Wein ſich holen!
Wir holen ihn da nicht.
Ihn bringt das Vaterland aus ſeiner Fülle;
Wie wär' er ſonſt ſo gut?
Wie wär' er ſonſt ſo edel, wäre ſtille,
Und doch voll Kraft und Mut?
Er wächſt nicht überall im deutſchen Reiche;
Und viele Berge, hört,
Sind, wie die weiland Kreter, faule Bäuche
Und nicht der Stelle wert.
Thüringens Berge, zum Exempel, bringen
Gewächs, ſieht aus wie Wein,
Iſt's aber nicht; man kann dabei nicht fingen,
Dabei nicht fröhlich fein.
Im Erzgebirge dürft ihr auch nicht fuchen,
Wenn ihr Wein finden wollt;
Das bringt nur Silbererz und Kobaltkuchen
Und etwas Laufegold.
7.
— 414 —
Der Blocsberg iſt der lange Herr Philiſter,
Er macht nur Wind, wie ber;
Drum tanzen auch der Kudud und fein Küfter
Auf ihm die Kreuz und Quer.
Am Rhein, am Rhein, da wachſen unfre Neben!
Geſegnet jei der Nhein!
Da wachſen fie am Ufer bin und geben
Uns diefen Labewein.
So trintt ihn denn, und laßt ung alle Wege
Uns freun und fröhlich fein!
Und wüßten wir, mo jemand traurig läge,
Mir gäben ihm den Wein.
265. Rheinweinlied.
1. Wo fol ein euer noch gedeiht,
Wo folh ein Wein noch Flammen fpeit,
Da laſſen wir in Ewigkeit
Uns nimmermehr vertreiben.
Stoßt an! Stoßt an! der Rhein,
Und wär’! nur um den Wein,
Der Rhein foll deutfch verbleiben.
2. Herab die Büchſen von der Wand,
Die alten Schläger in die Hand,
Sobald der Feind dem welſchen Land
Den Rhein will einverleiben!
Haut, Brüder, mutig drein!
Der alte Vater Rhein,
Der Rhein fol deutich verbleiben.
3. Das Recht und Link, das Link und Recht,
Wie Hingt es falſch, mie Eingt es fchlecht!
Kein Tropfen fol, ein feiger Knecht,
Des Franzmanns Mühle treiben.
Stoßt an! Stoßt an! der Rhein,
Und wär's nur um den Wein,
Der Rhein fol deutich verbleiben.
4. Der iit fein Rebenblut nicht wert,
Das deutſche Weib, den deutfchen Herd,
Der nicht auch freudig fchwingt fein Schwert,
Die Feinde aufzureiben.
Mattb. Slaudins.
5.
——
Friſch in die Schlacht hinein!
Hinein für unſern Rhein!
Der Rhein ſoll deutſch verbleiben.
O edler Saft, o lauter Gold,
Du biſt kein ekler Sklavenſold!
Und wenn ihr Franken kommen wollt,
So laßt vorher euch ſchreiben:
Hurra! Hurra! der Rhein,
Und wär's nur um den Wein,
Der Rhein ſoll deutſch verbleiben.
Ge. Derwegh.
266. Die Weſer.
1. Ich kenne einen deutſchen Strom,
Der iſt mir lieb und wert vor allen,
Umwölbt von ernſter Eichen Dom,
Umgrünt von fühlen Buchenhallen.
Ihn bat nicht, wie den großen Rhein,
Der Alpe dunkler Geift beſchworen,
Ihn bat der friedliche Verein
Verwandter Ströme ftill geboren.
2. So taudt die Weſer kindlich auf,
Bon Bergen traulich eingeichloffen,
Und kommt in träumerifchem Lauf
Durh grüne Au’n herabgefloflen;
So windet fie mit leifem Fuß
Zum fernen Meere fich hernieder
Und fpiegelt mit geſchwätz'gem Gruß
Der Ufer fanften Frieden wieder.
3. Doch bat fie in der Zeiten Flug
Gar manche große Mär’ erfahren,
Und ihre ftille Woge trug
Biel Herrliches in großen Jahren.
Sie fah in ihrer Wälder Schoß
Des Ablers Siegerflügel wanfen
Und von der deutihen Arme Stoß
Der em’gen Roma Säulen ſchwanken.
4. Und als mit fefter Eifenhand
Held Karl den deutichen Scepter führte,
(1840.)
u. 6:
Da war es, wo im Weſerland
Sid manche Stimme mädtig rührte.
Da hörte man des Kreuzes Ruf
Mit hellem Klang an den Geftaben,
Und fah der Frankenroſſe Huf
Sid in den nord'ſchen Wellen baden.
5. So meldet fie dir manden Traum
Aus ihrer Vorzeit grauen Tagen
Und fieht dabei des Lebens Baum
Stets friih an ihren Ufern ragen.
Es glänzen in der lichten Flut
Der Klöfter und der Burgen Trümmer,
Des Mondes Schein, der Sonne Glut,
Der Türme und der Segel Schimmer.
6. Und meerwärts durch ihr Felſenthor,
Durch immer wechſelnde Gefilde
Strömt fie die Wellen leicht hervor,
Wie jugendlihe Traumgebilde;
In ihren Tiefen Mar und rein
Hörft du es feltfam wehn und raufchen
Und kannſt bei ftillem Abendſchein
Der Nire Wunderlied belaufchen.
sr. v. Dingelkebt.
267. WBanderluft.
1. Der Mai ift gelommen, die Bäume fchlagen aus,
Da bleibe wer Luft bat mit Sorgen zu Haus;
Wie die Wollen wandern am bimmlifchen Zelt,
Sp fteht auch mir der Sinn in die weite, weite Welt.
2. Herr Vater, Frau Mutter, daß Gott euch behüt’!
Mer weiß, wo in der Ferne mein Glüd mir noch blüht;
Es giebt jo mande Straße, da nimmer ich marſchiert,
Es giebt jo manden Wein, den ich nimmer noch probiert.
3. Friſch auf drum, friih auf im hellen Sonnenſtrahl,
Wohl über die Berge, wohl durch das tiefe Thal!
Die Quellen erflingen, die Bäume raufchen all,
Mein Herz tft wie 'ne Lerche und ftimmet ein mit Schall.
417
4. Und abends im Städtlen, da Fehr’ ich durftig ein:
„Herr Wirt, Herr Wirt, eine Kanne blanten Wein!
Ergreife die Fiedel, du Iufger Spielmann du!
Bon meinem Schab das Liedel, das fing’ ich dazu.“
5. Und find’ ich Feine Herberg’, fo lieg’ ih zu Nacht
Mohl unter blauem Himmel; die Sterne halten Wacht;
Im Winde die Linde, die raufcht mich ein gemadh,
Es küfſet in der Früh’ das Morgenrot mid mad).
6. D Wandern, o Wandern, du freie Burfchenluft!
Da mehet Gottes Odem jo frifh in die Bruft;
Ta finget und jauchzet daB Herz zum Himmelgzelt:
Wie bift du Doch fo ſchön, o du meite, weite Welt!
Em. Geibel.
268. Heimlehr.
1. Bor der Thüre meiner Lieben
Häng’ ih auf den Wanderftab;
Mas mich durch die Welt getrieben,
Leg’ ih ihr zu Füßen ab.
2. Wanderluſtige Gedanken,
Die ihr flattert nah und fern,
Fügt euch in die engen Schranken
Ihrer treuen Arme gern.
3. Was uns in der weiten Tyerne
Suden hieß ein eitler Traum,
Zeigen und der Liebe Sterne
Sn dem traulich Heinen Raum.
4. Schwalben fommen bergezogen:
Setzt euch, Vöglein! auf mein Dad!
Habt euch müde fchon geflogen,
Und noch tft die Melt nicht wach;
5. Baut in meinen Fenfterräumen
Eure Häuschen weich und warm!
Singt mir zu in Morgenträumen
Wanderluft und Wanderharm!
wie. Müller.
27
— 418 —
269. Neiteblätter.
Die Yerne.
1. Des Berges Gipfel war erichmungen,
Der trotzig in die Tiefe ſchaut;
Natur, von deinem Reiz durchdrungen,
Wie flug mein Herz fo frei, fo laut!
2. Behaglich ftredte dort das Land ſich
In Ebnen aus, weit, endlos weit,
Mit Türmen, Wald und Flur, und wand fi
Der Ströme Bier ums bunte Kleid;
3. Hier ftieg es plötzlich und entichloflen
Empor, ftet8 kühner bimmelan,
Mit Eis und Schnee das Haupt umgoflen,
Vertrat den Wolfen ihre Bahn.
4. Bald hing mein Auge freubetrunfen
Hier an den Felſen, ſchroff und wild;
Bald war die Seele ftill verfunfen
Dort in der Berne Rätfelbild.
5. Die dunkle Ferne ſandte leife
Die Sehnfudt, ihre Schweiter, mir,
Und raſch verfolgt’ ich meine Reife
Den Berg hinab, zu ihr, zu ihr:
6. Wie manden Zauber mag es geben,
Den die Natur aud dort erjann;
Wie mancher Biedre mag dort leben,
Dem ich die Hand noch drüden Tann!
Das Gewitter.
1. Noch immer lag ein tiefe8 Schweigen
Rings auf den Höhn; doch plöglich fuhr
Der Wind nun auf zum wilden Reigen,
Die faufende Gemitterfpur.
2. Am Himmel eilt mit dümpfem Slange
Herauf der finitre Woltenzug;
Sp nimmt der Zorn im heißen Drange
Den nädtlihen Gedantenflug.
— 419 —
3. Der Himmel donnert feinen Haber;
Auf feiner dunkeln Stirne glüht
Der Blit hervor, die Zornesader,
Die Schreden auf die Erde ſprüht.
4. Der Regen ftürzt in lauten Güflen; -
Mit Bäumen, die der Sturm zerbrad),
Erbrauft der Strom zu meinen Füßen;
Doch ſchweigt der Donner allgemad).
5. Der Sturm läßt feine Flügel finken,
Der Regen fäufelt milde Rub;
Da fah ich froh ein Hüttlein winken
Und eilte feiner Pforte zu.
Der Schlaf.
1. Ein Greis trat lächelnd mir entgegen,
Bot mir die Hand gedantenvoll,
Und hob fie dann empor zum Segen,
Der fanft vom Himmel niederquoll;
2. Und ich empfand es tief im Herzen,
Daß Zorn der Donner Gottes nicht;
Daß aus der Wefte leichten Scherzen
Wie aus Gemwittern Liebe fpridht.
3. Und einen Labebecher trank ich
Und ſchlich, wohn die Ruh mich vief,
Hinaus zur Scheune; müde ſank ich
Hier in des Heues Duft — und fhlief.
4. Was mich erfreut auf meinen Wegen,
Das träumt’ ih nun im Schlafe nad);
Und träumend hört’ ich, wie der Regen
Sanft niederträufelt” auf das Dad.
5. Süß träumt e8 fih in einer Scheune,
Menn drauf der Regen leife klopft;
So mag fih’s ruhn im Totenfchreine,
Auf den die Freundeszähre tropft.
fit. Conan.
27*
- — 420
270. Herbft.
1. Schon ins Land der Pyramiden
Flohn die Störche übers Meer,
Schmwalbenflug iſt längft geſchieden,
Auch die Lerde fingt nicht mehr.
2. Seufzend in geheimer Klage
Streift der Wind das legte Grün,
Und die jüßen Sommertage
Ah! fie find dahin, dahin!
3. Nebel hat ven Wald verichlungen,
Der dein ftilles Glüd gejehn;
Ganz in Duft und Dämmerungen
Will die Schöne Welt vergehn.
4. Nur no einmal bridt die Senne
Unaufhaltfam durch den Duft,
Und ein Strahl der alten Wonne
Niefelt über Thal und Kluft.
5. Und e8 leuchten Wald und Heide,
Daß man fiher glauben mag,
Hinter allem Winterleibe
Lieg’ ein ferner Frühlingstag.
ch. Storm.
— — — — —
271. Frühlingsglaube.
1. Die linden Lüfte ſind erwacht,
Sie ſäuſeln und weben Tag und Nacht,
Sie ſchaffen an allen Enden.
O friſcher Duft, o neuer Klang!
Nun, armes Herze, ſei nicht bang!
Nun muß ſich alles, alles wenden.
2. Die Welt wird ſchöner mit jedem Tag,
Man weiß nicht, was noch werden mag,
Das Blühen will nicht enden.
Es blüht das fernſte, tiefſte Thal;
Nun, armes Herz, vergiß der Qual!
Nun muß ſich alles, alles wenden.
C. Ubland.
272. Die Alpen.
1. Bon Hermelin den Mantel umgefchlagen,
Das trunfne Haupt weit über mir im Blauen,
Die Alpen — wie fo ſtolz darein fie fehauen,
Als müßten fie, daß fie den Himmel tragen!
2. Gleich leichtbeſchwingten Liebesboten jagen
Die Silberftröme bin durch Nacht und Grauen,
Dem Ozeane von den hoben rauen
Manch einen fehnfuchtsvollen Gruß zu jagen.
3. Die Herden läuten und die Adler fliegen,
Das ift ein ewig Raufchen, ewig Rinnen,
Als könnt' dag Leben nimmer bier verfiegen.
4. Läßt fi ein fchöner, fehöner Bild erfinnen?
Und doch Hab’ ich das fchönfte noch verſchwiegen:
Den frommen, ftillen Friedhof mitten drinnen.
Ge. Derwegb.
— — — — sz—
273. Wlpenicene,
Der Fiſcherknabe.
1. Es lächelt der See, er ladet zum Bade,
Der Knabe ſchlief ein am grünen Geſtade;
Da hört er ein Klingen
Wie Flöten fo ſüß,
Wie Stimmen der Engel
Im Paradies.
2. Und wie er erwachet in ſeliger Luſt,
Da ſpülen die Waſſer ihm um die Bruſt,
Und es ruft aus den Tiefen:
Lieb Knabe, biſt mein!
Ich locke den Schläfer,
Ich zieh' ihn herein.
Der Senne.
1. Ihr Matten, lebt wohl,
Ihr ſonnigen Weiden!
Der Senne muß ſcheiden,
Der Sommer iſt hin.
— 422 —
2. Wir fahren zu Berg, wir kommen wieder,
Wenn der Kudud ruft, wenn erwachen die Lieder,
Wenn mit Blumen die Erde ſich Heidet neu,
Wenn die Brünnlein fliegen im lieblichen Mai.
3. Ihr Matten, lebt wohl,
Ihr Tonnigen Weiden!
Der Senne muß jceiden,
Der Sommer ift hin.
Der Alpenjäger.
1. Es donnern die Höhen, es zittert der Steg,
Nicht grauet dem Schützen auf ſchwindlichtem Weg;
Er jchreitet vermegen
Auf Feldern von Eis;
Da pranget Fein Frühling,
Da grünet fein Reis;
2. Und, unter den Füßen ein neblichtes Meer,
Erkennt er die Städte der Menfchen nicht mehr;
Dur den Riß nur der Wollen
Erblidt er die Welt,
Tief unter den Waflern
Das grünende Feld.
Fr. v. Schiller. (Wild. Tell, 1804.)
214. Tells Top,
1. Grün wird die Alpe werben,
Stürzt die Lawin' einmal;
Zu Berge ziehn die Herden,
Fuhr erft der Schnee zu Thal.
Euch ftellt, ihr Alpenjöhne,
Mit jevem neuen Jahr
Des Eiſes Bruch vom Föhne
Den Kampf der Freiheit dar.
2. Da brauſt der wilde Schächen
Hervor aus ſeiner Schlucht,
Und Fels und Tanne brechen
Von ſeiner jähen Flucht.
Er hat den Steg begraben,
Der ob der Stäube hing,
Hat weggeſpült den Knaben,
Der auf dem Stege ging.
— 423 —
3. Und eben fchritt ein andrer
Zur Brüde, da fie brad;
Nicht ſtutzt der greife Wandrer,
Wirft fi dem Knaben nad),
Faßt ihn mit Aolerfchnelle,
Trägt ihn zum fihern Ott;
Das Kind entipringt der Welle,
Den Alten reißt fie fort.
4. Doch als nun ausgeftoßen
Die Flut den toten Xeib,
Da ftehn um ihn, ergofien
In Sammer, Mann und Weib;
Als Tracht’ in feinem Grunde
Des Rotſtocks Felsgeſtell,
Erſchallt's aus einem Munde:
„Der Tell iſt tot, der Tell!“
5. Wär' ich ein Sohn der Berge,
Ein Hirt am ew'gen Schnee,
Wär' ich ein kecker Ferge
Auf Uris grünem See
Und trät' in meinem Harme
Zum Tell, wo er verſchied;
Des Toten Haupt im Arme,
Spräch' ich mein Klagelied:
6. „Da liegſt du, eine Leiche,
Der aller Leben war;
Dir trieft noch um das bleiche
Geſicht dein greiſes Haar.
Hier ſteht, den du gerettet,
Ein Kind, wie Milch und Blut,
Das Land, das du entkettet,
Steht rings in Alpenglut.
7. Die Kraft derſelben Liebe,
Die du dem Knaben trugſt,
Ward einſt in dir zum Triebe,
Daß du den Zwingherrn ſchlugſt.
Nie ſchlummernd, nie erſchrocken,
War Retten ſtets dein Brauch,
Wie in den braunen Locken,
So in den grauen auch.
424
8. Wärft du noch jung geweſen,
Als du den Knaben fingft,
Und wärft bu nun genefen,
Wie du nun untergingft:
Mir hätten draus geſchloſſen
Auf Fünft’ger Thaten Ruhm;
Doch ſchön ift nach dem großen
Das ſchlichte Heldentum.
9. Dir hat dein Ohr gellungen
Vom Lob, das man dir bot,
Doch ift zu ihm gedrungen
Ein ſchwacher Ruf der Not.
Der ift ein Held der Freien,
Der, wann der Sieg ihn kränzt,
Noch glüht, fi dem zu weihen,
Was frommet und nicht glänzt.
10. Gefund bift du gefommen
Bom Werk des Zorns zurüd,
Im bilfereihen, frommen
Verließ dich erſt dein Glüd.
Der Himmel hat dein Leben
Nicht für em Volt begehrt;
Für dieſes Kind gegeben,
War ihm dein Opfer wert.
11. Mo du den Vogt getroffen
Mit deinem fihern Strahl,
Dort fteht ein Bethaus offen,
Dem Strafgeriht ein Mal;
Doch hier, wo du geftorben,
Dem Kind ein Heil zu fein,
Haft du dir nur erworben
Ein Shmudlos Kreuz von Stein.
12. Weithin wird lobgefungen,
Wie du dein Land befreit,
Bon großer Dichter Zungen
Bernimmt’3 noch fpäte Zeit;
Doc fteigt am Schächen nieder
Ein Hirt im Abendrot,
Dann ballt im Yelsthal wieder
Das Lied von deinem Tod.“
g. Ubland.
— 0a
(1829.)
425
245. Alagelied Kaiſer Otto des Dritten.
(Otto III. + 23 Jahr alt, 1002.)
1. D Erde, nimm den Müden,
Den Lebensmüden auf,
Der hier im fernen Süden
Beichließt den Pilgerlauf!
Schon Steh’ ich an der Grenze,
Die Leib und Geele teilt,
Und meine zwanzig Lenze
Eind raſch dahingeeilt.
2. Bol unerfüllter Träume,
Verwaiſt, in Gram verfenft,
Entfallen mir die Zäume,
Die dieſes Reich gelentt.
Ein andrer mag e3 zügeln
Mit Händen minder Ichlaff,
Bon diefen fieben Hügeln
Bis an des Nordens Haff!
3. Doch felbft im Seelenreidhe
Harrt meiner no die Schmad,
Es folgt der blaflen Leiche
Begangner Frevel nad).
Vergebens mit Gebeten
Beſchwör' ich dieſen Bann,
Und mir entgegen treten
Crescentius und Johann!
4. Doch nein! Die Stolzen beugte
Mein reuemütig Flehn;
Ihn, welcher mich erzeugte,
Ihn werd' ich wiederſehn!
Nach welchem ich als Knabe
So oft vergebens frug,
An ſeinem frühen Grabe
Hab' ich geweint genug.
5. Des deutſchen Volks Berater
Umwandeln Gottes Thron;
Mir winkt der Ältervater
Mit feinem großen Sohn.
Und während, voll von Milde,
Die frommen Hände legt
Mir auf Das Haupt Mathilde,
Steht Heinrich tief bewegt.
— 426 —
6. Nun fühl' ich erſt, wie eitel
Des Glücks Geſchenke find,
Wiewohl ich auf dem Scheitel
Schon Kronen trug als Kind!
Was je mir ſchien gewichtig,
Zerſtiebt wie ein Atom:
O Welt, du biſt ſo nichtig!
Du biſt ſo klein, o Rom!
7. O Rom, wo meine Blüten
Verwelkt wie dürres Laub,
Dir ziemt es nicht zu hüten
Den kaiſerlichen Staub!
Die mir die Treue brachen,
Zerbrächen mein Gebein:
Beim großen Karl in Aachen
Will ich beſtattet ſein.
8. Die echten Palmen wehen
Nur dort um ſein Panier;
Ihn hab' ich liegen ſehen
In ſeiner Kaiſerzier.
Was durfte mich verführen,
Zu Öffnen feinen Sarg?
Den Lorbeer anzurühren,
Der jeine Schläfe barg?
9. D Freunde, laßt das Klagen!
Mir aber gebt Entſatz
Und macht dem Leihenwagen
Mit euren Waffen Pla!
Bededt das Grab mit Roſen,
Das ih fo früh gewann,
Und legt den thatenlojen
Zum thatenreichiten Mann!
Graf A. v. Platen. (1883.)
2%6. Die Kaiſerwahl.
(8. Sept. 1023.)
1 Der fromme Kaifer Heinrih war geftorben,
Des ſächſiſchen Gefchlechtes letter Zweig,
Das glorreih ein Jahrhundert lang geherrſcht.
ALS nun die Botfchaft in das Reich erging,
5 Da fuhr ein reger Geift in alles Volk,
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Ein neu Weltalter ſchien heraufzuziehn:
Da lebte jeder längft entichlafne Wunſch
Und jede längft erloſchne Hoffnung auf.
Kein Wunder jetzo, wenn ein beuticher Mann,
Dem ſonſt fo Hohes nie zu Hirme ftieg,
Sich, heimlich forſchend, mit den Bliden maß;
Kann's doch nad deutſchem Rechte wohl gefchehn,
Daß, wer dem Kaiſer heut den Bügel hält,
Sich morgen felber in den Sattel jchwingt!
Seht dachten unſre freien Männer nicht
An Hub: und Hain-Geriht und Markgeding,
Mo man um Eich’ und Holzteil Sprache hält;
Nein, ſtattlich ausgerüftet zogen fie
Aus allen Gauen, einzeln und geſchart,
Ins Maienfeld hinab zur Kaiſerwahl.
Am ſchönen Rheinftrom zwifhen Worms und Mainz,
Ro unabfehbar fih die ebne Flur
Auf beiden Ufern breitet, jammelte
Der Andrang fih; die Mauern einer Stadt
Vermochten nicht das deutiche Voll zu faflen.
Am rechten Ufer fpannten ihr Gezelt
Die Sachſen famt der ſlav'ſchen Nachbarſchaft,
Die Bayern, die DOftfranten und die Schwaben;
Am linken Iagerten die rhein’schen Franken,
Die Ober » und die Nieder -Lothringer.
So war das Mark von Deutſchland Bier gedrängt,
Und mitten in dem Lager jeden Volks
Erhub fich ftolz das berzogliche Zelt.
Da war ein Grüßen und ein Händeſchlag,
Ein Austauſch, ein lebendiger Verkehr!
Und jeder Stamm verfchieden an Geſicht,
An Wuchs und Haltung, Mundart, Sitte, Tradıt,
An Pferden, Rüftung, Waffenfertigfeit,
Und alle doch ein großes Brüdervolk,
Zu gleihem Zwecke feftlich hier vereint!
Was jeder im befondern erft beriet,
Im büllenden Gezelt und im Gebüſch
Der Inſelbuchten, mählich war's gereift
Zum allgemeinen offenen Beſchluß.
Aus vielen wurden wenige gewählt,
Und aus den wenigen erfor man zween,.
AM beide Franken, fürftlichen Geſchlechts,
Erzeugt von Brüdern, Namensbrüber felbft,
Kunrade, längft mit gleichem Ruhm genannt.
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Da ſtanden nun auf eines Hügels Saum
Im Kreis der Fürſten, ſichtbar allem Volk,
Die beiden Männer, die aus freier Wahl
Das deutſche Volk des Throned wert erfannt
Bor allen, die der deutſche Boden nährt,
Bon allen Würdigen die Würdigften,
Und fo einander ſelbſt an Würde gleich,
Daß fürder nicht die Wahl zu ſchreiten ſchien,
Und daß die Wage ruht’ im Gleichgewicht.
Da ftanden fie, das hohe Haupt geneigt,
Den Blid gejenkt, die Wange fchamerglüht,
Bon ftolzer Demut übermwältiget.
Ein königlicher Anblid war's, ob dem
Die Thräne rollt! in mandes Mannes Bart.
Und wie nun harrend all’ die Menge ftand
Und fi des Volles Braufen jo gelegt,
Daß man des Rheines ftillen Zug vernahm, —
Denn niemand wagt’ es, diefen oder ben
Zu füren mit dem hellen Ruf der Wahl,
‚Um nidt am andern Unrecht zu begebn,
Noch aufzuregen Eiferfuht und Zwifl, —
Da ſah man plötzlich, wie die beiden Herrn
Einander herzlich faßten bei der Hand
Und ſich begegneten im Bruberfuß.
Da mard es ar, fie hegten Teinen Neid,
Und jeder ftand dem andern gern zurüd.
Der Erzbifhof von Mainz erhub fi jetzt:
„Weil doch“, fo rief er, „einer ed muß fein,
En ſei's der Alt're.“ Freudig ftimmten bei
Gefamte Fürften und anı freudigften
Der jüng’re Kunrad. Donnergleich erſcholl,
Oft wiederholt, des Bolles Beifallaruf.
Als der Gewählte drauf ſich niederließ,
Erariff er feines edlen Vetter Hand
Und 308 ihn zu fih auf den Königsſitz.
Und in den Ring der Fürften trat ſofort
Die Fromme Kaiferwitwe Kunigund’;
Glückwünſchend reichte fie dem neuen König
Die treu bewahrten Neichalleinode dar. —
Zum Feitzug aber fcharten fi) die Reihn,
Voran der König, folgend mit Gefang
Die Geiftlihen und Laien; fo viel Preis
Erfholl zum Himmel nie an einem Tag!
Wär’ Kaifer Karl geftiegen aus der Gruft,
429
Nicht freudiger hätt’ ihn die Welt begrüßt!
95 Go wallten fie den Strom entlang nah Mainz,
Mofeldft der König im erhabnen Dom
Der Salbung heil’ge Weihe nun empfing.
Men feines Volles Ruf fo hoch geftellt,
Dem fehle nicht die Kräftigung von Gott!
100 Und als er wieder aus dem Tempel trat,
Erſchien er herrlicher ala kaum zuvor,
Und feine Schulter ragt’ ob allem Volk.
£. Ubland. (Aus „Ernft von Schwaben“ 1817.)
— — — m. —
374. Kouradin.
1. Kaum iſt der Frühling im Erwachen,
Es blüht der See mit Strauch und Baum,
Es blüht der Jüngling dort im Nachen,
Er wiegt ſich in der Wellen Schaum.
2. Wie eine Roſenknoſpe hüllet
Ein junges Purpurkleid ihn ein,
Und unter einer Krone quillet
Sein Haar von güldenerem Schein.
3. Es irret auf den blauen Wellen
Sein ſinnend Auge, wellenblau;
Der Leier, die er ſchlägt, entſchwellen
Geſänge von der ſchönſten Frau.
4. Des erſten Donners Stimmen hallen,
Im Süden blitzt es blutig rot;
Er läßt ſein Lied nur lauter ſchallen,
Ihn kümmert nichts als Liebesnot.
5. Und wenn er Minne ſich errungen,
So holt er ſich dazu den Ruhm
Und herrſcht, vom Lorbeerkranz umſchlungen,
In feiner Väter Eigentum. —
6. Kind! wie du ftehft im ſchwanken Kahne,
Sp rufet dich ein ſchwanker Thron;
Bertrau dem Schatten nicht, dem Ahne,
Verlaßner, armer Königsjohn!
7. Du bift fo ſtolz und unerjchroden,
Du finteit, eh’ du es geglaubt!
Es fit die Kron’ auf deinen Loden,
Als träumte nur davon dein Haupt! —
— 430 —
8. Er höret feine Warnungäftinme,
Schwimmt finnend auf dem Abgrund hin,
Was weiß er von bes Sturmed Grimme?
Nach Lieb’ und Leben fteht fein Sinn.
9. So gieb ihm Leben, gieb ihm Liebe,
Du mwonnevolles Schwabenlanv,
Berbopple deine Blütentriebe,
Knüpf ihm der Minne fel’ged Band!
10. Es bat zu leben kurz der Knabe,
Hauch’ ihm entgegen Lebensluft,
Durchwürze jede Heine Gabe
Mit em’ger Jugend Blütenduft!
11. Mad’ ihm den Augenblid zu Jahren,
Den er an biefen Ufern lebt,
Daß er mit ungebleihten Haaren,
An Freude fatt, gen Himmel ſchwebt! —
12. Was iſt's? Er läßt Die Leier fallen,
Er ſpringt and Ufer, greift zum Schwert,
D Seht ihn über Alpen mwallen
Mit treuen Märmern, hoch zu Pferd!
13. Der Luft, der Liebe Lieder ſchweigen,
Er glüht von edlerem Gelüft;
Er will der Väter Thron befteigen —
Und wandelt auf das Blutgerüft.
14. Was willft du mit der Blumen Kranze,
Du grünes, feebeipültes Land?
Was willft du, Luft, mit blauem Glanze?
Was willft du, leerer Kahn, am Strand?
15. Ihr ſchmücktet euch zu feiner Wonne, —
Hin ift er ohne Wiederkehr!
Wirf einen Schleier um, o Sonne!
Der legte Staufen ift nicht mehr!
6. Schwab. (1826.)
— — — — —
— 431 —
208. Der ſchwarze Tod.
1. Erzittre, Welt! ih bin die Peſt.
Ich Tomm’ in alle Lande
Und richte mir ein großes Felt;
Mein Blick ift Fieber, feuerfeit
Und fchwarz ift mein Gewande.
2. Ich komme von Ägyptenland
In roten Nebeljchleiern;
Am Nilusftrand, am gelben Sand
Entſog ih Gift dem Wüftenbrand
Und Gift aus Dradheneiern.
3. Thalein und -aus, bergauf und ⸗ab,
Ich mäh' zur öden Heide
Die Welt mit meinem Wanderſtab;
Ich ſetz' vor jedes Haus ein Grab
Und eine Trauerweide.
4. Ich bin der große Völkertod,
Ich bin das große Sterben;
Es geht vor mir die Waſſersnot,
Ich bringe mit das teure Brot,
Den Krieg hab' ich zum Erben.
5. Es hilft euch nichts, wie weit ihr floht,
Mein ſauſend Roß geht weiter!
Ich bin der ſchnelle ſchwarze Tod,
Ich überhol' das ſchnellſte Boot
Und auch den ſchnellſten Reiter.
6. Dem Kaufmann trägt man mich ins Haus
Zugleich mit ſeiner Ware;
Er freut fih hoch, er lacht beim Schmaus,
Ich fteig’ aus feinem Schatz heraus
Und fixed’ ihn auf die Bahre.
7. Mir ift auf hohem Felsvorſprung
Kein Schloß zu hoch, ich komme;
Mir ift fein junges Blut zu jung,
Kein Leib iſt mir gefund genung,
Mir ift fein Herz zu fromme.
8 Wem ih nur ſchau ind Aug’ hinein,
Der mag Fein Licht mehr jehen;
Wem ich gefegnet Brot und Wein,
Den bungert nur nad Staub allein,
Den durftet’3, heimzugehen.
432
9. Im Oſten flarb der große Chan,
Auf Indiens Yimmetinfeln
Starb Negerfürft und Mufelmann,
Man hört auch nachts in Iſpahan
Beim Acad die Hunde winfeln.
10. Byzanz war eine ſchöne Stabt,
Und blühend lag Venedig;
Nun liegt das Volt wie melfes Blatt,
Und mer das Laub zu jammeln hat,
Wird aud der Mühe ledig.
11. An Nordlands legtem Feljenriff,
An einen Tleinen Hafen
Warf ich ein audgeftorbnes Schiff,
Und alles, was mein Haud ergriff,
Das mußte fchlafen, fchlafen.
12. Sie liegen in der Stabt umber,
Ob Tag’ und Monde ſchwinden;
Es zählt Fein Menſch die Stunden mehr,
Nach Yahren wird man öd' und leer
Die Stadt der Toten finden.
Derm. Cingg.
——
279. Der reihe Mann bon Köln.
1. Zu Köln ein reicher Kaufberr faß,
Der hatt’ ein Herz von Eifen;
Er lebte dahin in Saus und Braus
Und drüdte Witwen und Waiſen.
2. Er zählte fein Silber und wog fein Gold
Und lachte dazu im ftillen;
Der Richter bog um Gunft und Geld
Das Recht nad feinem Willen.
3. Da war ein Mägblein in der Stadt,
Ein Kind von jungen Jahren,
Er trieb es fort von Haus und Hof
Mit grimmigem Gebahren.
4. Und ald der Schnee im Winter fiel
Und ging der Rhein mit Eife,
Ihn jammerte nicht des Kindes Not,
Das hatte nicht Kleid noch Speife.
— 433 —
5. Und als der Frühling kam ins Land,
Die Vöglein fangen mit Schale —
Sie fanden das Mägdlein morgens tot
Auf einer Streu im Stalle.
6. Sie trugen es fort und gruben es ein
Am Friedhof auf der Wiefe;
Die Seele ging in Sankt Michaels Schoß
Hinauf zum Paradiefe.
7. Den Tag danach der Kaufmann ritt
Wohl lachend daher im Trabe,
Da ftanden drei Lilien weiß wie Schnee
Gewachſen auf dem Grabe;
8. Da ſtanden drei Lilien weiß wie Schnee,
Im Winde die Blumen gingen;
Ein Böglein ſchwang vom Hügel ſich auf,
Im Flug hubs an zu fingen:
9. „Herr Mare von Köln, Herr Mare von Köln,
Wie bleih ift dein Gefichte!
Du bift ein Mörder, Her Mare von Köln,
Ich lade dich zu Gerichte.“
10. Dem Kaufherrn mohl das Lachen verging,
Sein Mut war all verloren;
Er wandte fein Roß und jagte nach Haus,
Bom Blute troffen die Sporen.
11. Er mochte nicht nehmen Speife no Trant
Bor ängitlihen Gedanken;
Wohin er ſchaut' in Saal und Hof,
Drei Lilien jah er ſchwanken.
12. Und als er nachts auf dem Kiffen lag,
Keinen Schlaf konnt' er erzwingen;
Sobald ihm fielen die Augen zu,
Hört’ er das Vöglein fingen.
13. „Ach Helft mir, helft mir, lieber Arzt!
Ich will's euch neunfach zahlen;
Mir brennt's im Herzen wie hölliſch Feu'r;
Helft mir von diefen Qualen!“
14. Wohl ging der Arzt, mit Sorg’ und Fleiß
Manch bittern Trank zu miſchen;
Es that nicht gut, es that nicht ſchlimm,
Das Böglein fang dazwiſchen:
28
— 434 —
15. „Herr Marz von Köln, an deiner Sünd’
Wird alle Kunft zunichte,
Du bift ein Mörder, Herr Mare von Köln,
Ich lade dich zu Gerichte.“
16. Und um die dritte Mitternacht
Ging an ber Thür ein Klopfen;
Den Kranken trieb’3 vom Lager auf,
Ihm floß die Stirn von Tropfen.
17. Und als feine Hand den Riegel fchob,
Sie flog vor Angft und Schmerze;
Und als die Thür in den Angeln ging,
Ein Zug blie aus die Slerze.
18. Der draußen ftand, das war der Tod;
Er nahm Heren Mare von Köllen,
Er fest’ ihn auf fern aſchfarb Roß
Und fuhr mit ihm zur Höllen.
Em. Seidel.
280. Das Schlachtfeld bei Haftings.
(1066.
1. Der Abt von Waltham feufzte tief,
Als er die Kunde vernomneen,
Daß König Harold elendiglich
Bei Haſtings umgelommen.
2. Zwei Mönche, Asgod und Ailrik genannt,
Die ſchickt' er aus als Boten,
Sie jollten fuchen die Leiche Harolds
Bei Haftings unter den Toten.
3. Die Mönche gingen traurig fort
Und kehrten traurig zurüde:
„Hochwürdiger Vater, die Welt ift uns gram,
Wir find verlaffen vom Glüde.
4. Gefallen iſt der befl're Mann,
Es fiegte der Bankert, der fchlechte,
Gemappnete Diebe verteilen das Land
‚Und maden den Freiling zum Knechte.
5. Der Iumpigfte Lump aus ber Normandie
Wird Lord auf der Inſel der Britten;
Ich ſah einen Schneider aus Bayaır, er kam
Mit goldenen Sporen geritten.
6. Weh dem, ber jetzt ein Sachſe ift!
Ihr Sachſenheilige broben
Im Himmelreich, nehmt euch in acht,
Ihr ſeid der Schmach nicht enthoben!
. Jetzt wiſſen wir, was bedeutet hat
De große Komet, der heuer
Blutrot am nächtlichen Himmel ritt
Auf einem Beſen von Feuer.
8. Bei Haſtings in Erfüllung ging
Des Unfterns böfes Zeichen,
Wir waren auf dem Schlachtfeld dort
Und ſuchten unter den Leichen.
9. Wir fuchten bin, wir fuchten ber,
Bis alle Hoffnung verjhwunden —
Den Leichnam des toten Könige Harold,
Wir haben ihn nicht gefunden.“
10. Asgod und Ailrik ſprachen alfo;
Der Abt rang jammernd bie Hände,
Verſank in tiefe Nachdenklichkeit
Und ſprach mit Seufzen am Enbe:
„Zu Grendelfield am Barbenftein,
Juſt in des Waldes Mitte,
Da wohnet Edith Schmanenhals
In einer dürft'gen Hütte.
12. Dan bieß fie Edith Schwanenhalz,
Meil wie der Hals der Schwäne
Ihr Naden war, der König Harold,
Er liebte die junge Schöne.
13. Er bat fie geliebt, gelüßt und geherzt
Und endlich verlaflen, vergefien.
Die Zeit verflieht; wohl ſechzehn Jahr
Verfloſſen unterdeflen.
— 436 —
14. Begebt euch, Brüder, zu dieſem Weib
Und laßt fie mit euch gehen
Zurüd nah Haftings, der Blid des Weibs
Wird dort den König eripäben.
15. Nah Waltham⸗Abtei bierber alddann
Sollt ihr die Leiche bringen,
Damit wir hriftlich beitatten den Leib
Und für die Seele fingen.“
16. Um Mitternacht gelangten ſchon
Die Boten zur Hütte im Walbe:
„Erwahe, Edith Schwanenhals,
Und folge uns alsbalde.
17. Der Herzog der Rormannen bat
Den Sieg davon getragen,
Und auf dem Feld bei Haftings liegt
Der König Harold erichlagen.
18. Komm mit nad Haftings, wir fuchen dort
Den Leichnam unter den Toten
Und bringen ihn nah Waltbam- Abtet,
Wie uns der Abt geboten.“
19. Kein Wort ſprach Edith Schwanenhals,
Sie ſchürzte fi) geſchwinde
Und folgte den Mönchen; ihr greifendes Haar,
Das flatterte wild im Winde.
20. €3 folgte barfuß das arme Weib
Durch Sümpfe und Baumgeftrüppe.
Bei Tagesanbrud gewahrten fie ſchon
Zu Haftings die Freidige Klippe.
21. Der Nebel, der das Schlachtfeld bebedit
Als wie ein weißes Lailich,
Zerfloß allmählich; es flatterten auf
Die Doblen und krächzten abfcheulich.
22. Biel taufend Leihen lagen dort
Erbärmlich auf blutiger Erbe,
Nadt ausgeplündert, verftümmelt, zerfleifcht,
Daneben die Aler der Pferde.
— 431 —
23. Es watete Edith Schwanenhals
Im Blute mit nadten Füßen;
Mie Pfeile aus ihrem flieren Aug’
Die forſchenden Blide fchießen.
24. Sie ſuchte hin, fie fuchte ber,
Dft mußte fie mühfam verjcheuchen
Die fraßbegierige Rabenſchar;
Die Mönche hinter ihr keuchen.
25. Site ſuchten ſchon den ganzen Tag,
Es mar ſchon Abend — plötlich
Brit aus der Bruft des armen Weibs
Ein greller Schrei, entſetzlich.
26. Gefunden bat Edith Schwanenhals
Des toten Königs Leiche.
Sie ſprach Fein Wort, fie meinte nicht,
Sie fühte das Antlitz, das bleiche.
27. Sie Füßte die Stirn, fie Füßte den Mund,
Sie hielt ihn feſt umſchloſſen!
Sie küßte auf des Königs Bruſt
Die Wunde blutumfloſſen. —
28. Die Mönche konnten mittlerweil’
Baumſtämme zuſammenfugen;
Das war die Bahre, worauf ſie alsdann
Den toten König trugen.
29. Sie trugen ihn nach Waltham-Abtei,
Daß man ihn dort begrübe;
Es folgte Edith Schwanenhals
Der Leiche ihrer Liebe.
30. Sie fang die Totenlitanei’n
Sn kindlich frommer Weife;
Das Hang fo Ihauerlih in der Naht —
Die Mönche beteten leiſe
Beinr. Beine.
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281. Der Gandihub.
Bor feinem Lömengarten,
Das Kampfipiel zu erwarten,
Saß König Franz,
Und um ihn die Großen der Krone,
Und rings auf hohem Balkone
Die Damen in fhönem Kranz.
Und mie er winkt mit dem Finger,
Auf thut fi der weite Zwinger,
Und binein mit bedächtigem Schritt
Ein Löwe tritt,
Und fieht fih ftumm
Ringe um
Mit langem Gähnen,
Und fohüttelt die Mähnen
Und ftredt die Glieder
Und legt ſich nieber.
Und der König winkt wieber;
Da öffnet ſich behend
Ein zweites Thor,
Daraus rennt
Mit wilden Sprunge
Ein Tiger hervor.
Wie der den Löwen erfchaut,
Brüllt er laut,
Schlägt mit dem Schweif
Einen furdtbaren Reif
Und redet die Zunge,
Und im Kreife fcheu
Umgeht er den Leu,
Grimmig ſchnurrend;
Drauf ftredt er ſich murrend
Zur: Seite nieber.
Und ber König winkt wieber;
Da fpeit das doppelt geöffnete Haus
Zwei Leoparden auf einmal aus,
Die ftürzen mit mutiger Kampfbegier
Auf das Tigertier.
Das padt fie mit jeinen grimmigen Tatzen,
Und der Leu mit Gebrüll
Richtet ſich auf, da wird's fill;
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1.
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Und herum im Kreis,
Bon Mordſucht heiß,
Lagern fich die greulichen Katzen.
Da fällt von des Altans Rand
Ein Handſchuh von ſchöner Hand
Zwiſchen den Tiger und den Leu'n
Mitten hinein.
Und zu Ritter Delorges, ſpottender Weiſ',
Wendet ſich Fräulein Kunigund':
„Herr Ritter, iſt Eure Lieb' ſo heiß,
Wie Ihr mir's ſchwört zu jeder Stund',
Ei, fo hebt mir den Handſchuh auf!”
Und der Ritter in fchnellem Lauf
Steigt hinab in den furchtbar'n Zwinger
Mit feitem Schritte,
Und aus der Ungeheuer Mitte
Nimmt er den Handfhuh mit keckem Finger.
Und mit Eritaunen und mit Grauen
Sehen’3 die Ritter und Edelfrauen,
Und gelaffen bringt er den Handichuh zurüd.
Da ſchallt ihm fein Lob aus jedem Munde;
Aber mit zärtlihem Liebeshlid —
Er verheißt ihm fein nahes Glüd —
Empfängt ihn Fräulein Kunigunde.
Und er wirft ihr den Handſchuh ins Gefidht:*
„Den Dank, Dame, begeht’ ich nicht!“
Unb verläßt fie zur ſelben Stunde.
Ir. v. Schiller. (1797.)
232. Schön⸗RNohtrant.
Wie heißt König Ringangs Töchterlein?
Rohtraut, Schön-Rohtraut.
Was thut fie denn den ganzen “Tag,
Da fie wohl nicht jpinnen und nähen mag?
Thut fiſchen und jagen.
D daß ich doch ihr Jäger wär’!
Fiſchen und Jagen freute mich fehr.
— Schmeig Stille, mein Herze!
* Dafür ſchrieb Sch. 1798: Und der Ritter fich tief verbeugend ſpricht:
Später gab er jedoch bie Änderung wieder auf.
— 440 —
2. Und über eine Meine Weil,
Rohtraut, Schön-Nohtraut,
So dient der Knab’ auf Ringangs Schloß
In Jägertracht und bat ein Roß,
Mit Rohtraut zu jagen.
D daß ih do ein Königsfohn wär’!
Rohtraut, Schön⸗Rohtraut lieb ich fo fehr.
— Schweig ftille, mein Kerze!
3. Einsmal fie rubten am Gichenbaum,
De lacht Schön-Robtraut:
Mas ſiehſt mid an fo wunniglich?
Menn du das Herz haft, küſſe mid!
Ad! erſchrak der Knabe!
Doch denket er: mir ift’3 vergumnt,
Und küſſet Schön-Rohtraut auf den Mund.
— Schweig ftille, mein Herze!
4. Darauf fie vitten fchweigend beim,
Rohtraut, Schön-Robtraut;
Es jauchzt der Knab’ in feinem Sinn:
Und würb’ft du heute Kaiferin,
Mich ſollt's nicht kränken:
Ihr tauſend Blätter im Walde wißt,
Sch hab’ Schön⸗Rohtrauts Mund geküßt!
— Schmeig ftille, mein Herze!
&d. Mörite.
238. Schelm bon Bergen.
1. Im Schloß zu Düflelborf am Rhein
Wird Mummenſchanz gehalten;
Da flimmern die Kerzen, da rauſcht die Mufit,
Da tanzen die bunten Geftalten.
2. Da tanzt die ſchöne Herzogin,
Sie lat laut auf beftändig;
Ihr Tänzer ift ein fchlanfer Fant,
Gar höfiſch und behendig.
3. Er trägt eine Maske von ſchwarzem Samt,
Daraus gar freudig blidet
Ein Auge, wie ein blanter Dolch,
Halb aus der Scheide gezüdet.
4. Es jubelt die Faſtnachtsgeckenſchar,
Wenn jene vorüberwalzen.
ar
Der Drides und die Marigzebill
Grüßen mit Schnarren und Schnalzen.
5. Und die Trompeten ſchmettern drein,
Der närsifhe Brummbaß brummet,
Bis endlich der Tanz ein Ende nimmt
Und die Muſik verftummet.
6. „Durdlaudtigfte Frau, gebt Urlaub mir,
Ich muß nah Haufe gehen —“
Die Herzogin lacht: „Sch laſſ' Dich nicht fort,
Bevor ich dein Antlitz geſehen.“ —
7. „Durchlauchtigſte Yrau, gebt Urlaub mir,
Mein Anblid bringt Schreden und Grauen —“
Die Herzogin lat: „Ach fürchte mich nicht,
Sch will dein Antlis ſchauen.“
8 „Durdlaudtigfte Frau, gebt Urlaub mir,
Der Naht und dem Tode gehör’ ih —“
Die Herzogin lacht: „Ach laſſe dich nicht,
Dein Antlit zu fchauen begehr’ ich.“
9. Wohl fträubt fih der Mann mit finfterm Wort,
Das Weib nicht zähmen kunnt' ex;
Sie riß zulegt ihm mit Gewalt
Die Maske vom Antlit Berunter.
10. „Das ift der Scharfrichter von Bergen!“ fo fchreit
Entfett die Menge im Saale
Und weichet ſcheuſam — die Herzogin
Stürzt fort zu ihrem Gemable. A
11. Der Herzog ift Hug, er tilgte die Schmad
Der Gattin auf der Stelle.
Er zog fein blanles Schwert und ſprach:
„Knie vor mir nieder, Gefelle!
12. Mit diefem Schwertſchlag mach’ ich dich
Jetzt ehrlich und ritterzünftig,
Und weil du ein Schelm, fo nenne did
Herr Schelm von Bergen Tünftig.“
13. So warb der Henker ein Edelmann
Und Ahnherr ber Schelme von Bergen.
Ein ſtolzes Geſchlecht! es blühte am Rhein.
Jetzt ſchläft es in fteinernen Särgen.
Er dh nee. Yeiur. Beine.
Ze 40;
254. Das Thal des Espinge.
1. Sie zogen zu Berg, an den Bächen dahin,
Mauriſches Bolt, reifig und ftol;.
Auf Kampf mit den Franken ftand ihr Sinn,
In Fühnlein ging’3 an den Bächen dahin,
Drin Schnee der Pyrenäen ſchmolz.
2. In der feuchten Schlucht ihre Mäntel wehn,
Scharf von den Höhn tönet der Wind.
Ihre Lanzen drohn, ihre Augen ſpähn;
Kein baskiſcher Hut in den Klippen zu ſehn —
Und die Baslenpfeile fliegen gejchwind.
3. Sie reiten über den ganzen “Tag
Traurigen Pfad, haftigen Ritt,
Endlos dunkt fie der Tannenhag,
Und das Maultier braucht ſchon der Geißel Schlag,
Und das fchnaufende Roß geht müden Schritt.
4. Da neigt fih der Weg. Aus den Klüften wild,
Plötzlich gejenkt, führt er zu Thal.
Da liegt zu Füßen, ein fchimmernd Bild,
An die Berge gejchmiegt das weite Gefild;
Falter fliegen im Sonnenſtrahl.
5. Der Abend wie lau und die Wiefen wie grün!
Ulmengezweig wieget Die Luft.
Yasmin und gelbe Narziffen blühn,
Und die Halden entlang die Roſen glühn,
Die Näh' und Weite ſchwimmen in Duft.
6. Da wird den Mauren daB Herz bemegt.
Seliger Zeit gedenken fie,
Wo fie Haurans ſchlanke Gazellen erlegt,
Mo fie Märden gelaufcht und der Liebe gepflegt |
Und die Roſen gepflüdt von Engabi.
7. Und fie fteigen binab, und es löſt fih das Heer.
Lieblide Luft jäufelt fie an;
Wie in Rofenhainen von Bagdad ber,
Mo die Schwüle lindert der Hau vom Meer, |
So haucht aus dem Grund der See heran. |
8. Ihre Mugen Sorgen — wie bald fie vergehn! |
Waffen und Wehr werfen fie ab. |
— d13:
Ihre Sinne beraufcht, wie vom Wieberfehn;
Sie fchmeifen umber, wo bie Rojen ftehn,
Sie tauden zum Bad in den See hinab.
9. D Heimatwonnel — Die Wachen im Zelt
Laufen mit Neid dem Jubel umber.
So friedlih dunkt fie die fchöne Welt,
Es lockt fie in das duftige Feld,
Und die wachen folen — fie wachen nicht mehr.
10. Sie wachen nit mehr. Es wacht in der Nacht
Tüde, der Nacht lauerndes Kind!
Sie ſchleicht fich hervor aus der Waldung facht,
Sie kriecht zu den Zelten — habt at, habt acht!
Die Bastenpfeile fliegen gejchwind.
11. Zu fpät! Bu nah die grauje Gefahr!
Waffenentblößt, unter Roſen rot
Zu Boden finten fie, Schar um Schar.
D feliger Traum, der fo tüdifch war!
D Heimatwonne, du bradteft den Tod!
Panl Benfe.
285. Die Hime zu Hirſau.
1. gu Hirfau in den Trümmern
Da wiegt ein Ulmenbaum
Friichgrünend feine Krone
Hoch überm Giebeljaum.
2. Er mwurzelt tief im Grunde
Vom alten Klofterbau;
Er mölbt fi ftatt des Daches
Hinaus ind Himmelsblau.
3. Weil des Gemäuers Enge
Ihm Luft und Sonne nahm,
So trieb’3 ihn hoch und böber,
Bis er zum Lichte kam.
4. Es ragen die vier Wände,
Als ob fie nur beftimmt,
Den kühnen Wuchs zu fehirmen,
Der zu den Wollen Himmt.
ze, AU --——
5. Wenn dort im grünen Thale
Ich einfam mid erging,
Die Ulme war's, die hehre,
Woran mein Sinnen hing.
6. Wenn in dem dumpfen, ftummen
Getrümmer ich gelaufcht,
Da hat ihr veger Wipfel
Wie Windesflug geraufcht.
7. Ich fah ihn oft erglühen
Im erften Morgenitradl;
Ich fah ihn noch erleuchtet,
Dann fchattig rings das Thal.
8. Bu Wittenberg im Klofter
Wuchs aud ein folder Strauß
Und brad mit Rieſenäſten
Zum Klauſendach hinaus.
9. O Strahl des Lichts! du dringeſt
Hinab in jede Gruft.
O Geiſt der Welt! du ringeſt
Hinauf in Licht und Luft.
£. Ubland. (1826.)
286. Der Fund in der Opferbüchſe.
1. Silbern ſah ich's heute glaften*
In dem braunen Kupfermeer.
Seltner Schatz im Opferkaſten,
Gröſchlein, ei, wo kommſt du ber?
2. Weld ein ungewohnt Gepräge,
Wie man's nit in Rollen trifft!
CH’ ich dich zum andern lege,
Sprich, wes Bild und Überſchrift?
3. Was? Ein Lorbeer ſtatt der Krone
Auf dem hochgetragnen Haupt?
Du gehöreſt einem Sohne
Roms, vom Siegerkranz umlaubt?
4. Wie gebietriſch, wie allmächtig
Sehn mich Stirn und Augen an!
Und die Umſchrift wie ſo prächtig:
Imperator und — Trajan!
*) glaften = glänzen (Glaſt = Glanz).
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— 45 —
5. Du, des größten Reichs von allen
Unverwilchter, großer Held,
Mußt ald Dpferpfennig fallen
Einem andern Herrn der Welt!
6. Du, der vor des Untiers Zähne
Den Belenner werfen hieß
Und, beim Gähnen der Hyäne,
Des Jahrhunderts Milde pries,
7. Liegft du, liegft du, ftolger Sailer,
Dem Gekreuzigten zu Fuß?
Pflüden deines Lorbeers Reiſer
Deutide Bauern Ihm zum Gruß?
8. Sa, in dunkler Zeit erlofchen,
Schärft ſich wieder mein Geficht;
Und vor mir in diefem Grofchen
Hält des Menſchen Sohn Gericht!
Guſtav Shmab. (1538.)
237. Johaunes Kant.
Den kategoriſchen Amperativus fand,
Das weiß ein jedes Kind, Immanuel Kant.
Dem kategoriſchen Imperativus treu,
Zwang dur ihn wilde Seelen zu frommer Scheu
Lang’ vor Immanuel Herr Johannes Kant,
Und menige wiſſen's, wie die Sache bewandt.
Derielb’ ein Doktor Theologiä war;
Sn Schwarzer Kutte, mit langem Bart und Haar,
So ſaß er m Kralau auf dem Lebrerfig,
So ging er einher, gegürtet in Kält! und Hitz',
Ein rein Gemüt, ein immer gleicher Sinn,
Dem Unrecht dulden, nicht thun, ſtets deuchte Gewinn.
Im grauen Alter z0g ein Sehnen den Kant
Gen Schlefien, in fein altes Vaterland.
Er ſchloß die Bücher in’n Schrein, beftellt’ fein Haus,
Den Sedel nahm er und z0g in die Fern’ hinaus.
Gemächlich ritt in der ſchweren, ſchwarzen Tracht
Der Doktor durch der polniſchen Wälder Nacht.
Doch in der Seele, da wohnt ibm Lichter Schein,
Die goldnen Sprüche zogen aus und ein,
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— 46 —
Ins Herz ſchoß Strahlen ihm das göttlide Wort;
Bol innern Sonnenlichtes, jo ritt er fort.
Auch merkt’ er nicht, wie das Tier in finftrer Schlucht
Den Weg duch Abenddunkel und Didicht ſucht,
Er hört nicht vor und hinter fih Tritt und Trott,
Er ift noch immer allein mit feinem Gott.
Da wimmelt's plöglih um ihn zu Roß, zu Fuß,
Da fluht ins Ohr ihm ber Wegelagerer Gruß;
Es ftürmen auf den Beil’gen Mann fie ein,
Es blinken Meffer und Schwert im Mondenfcein.
Er weiß nit, wie ihm gejchieht, er fteigt vom Roß,
Und eh’ ſie's fordern, teilt er fein Gut dem Troß.
Den vollen Reifebeutel ftredt er bar,
Darin beim Grofhen mand blanter Thaler mar,
Vom Halfe Löft er ab die güldne Kett’,
Er reißt die ſchmucken Borten vom Barett,
Den Ring vom Finger, und aus der Tafche zieht
Das Meßbuch er mit Silberbeichläg’ und Niet;
Daß fie das Pferd abführen mit Sattel und Baum,
Der arm’ erichrodne Mann, er fieht es kaum;
Erft wie er alles Schmudes und Gutes bar,
Da flebet er um fein Leben zu der Schar.
Der bärtige Hauptmann faßt ihn an der Bruft
Und ſchüttelt fie mit derber Räuberluft.
„Gabſt du auch alles?” brüllt’s um ihn und murrt,
„Trägſt nichts verftedt in Stiefel oder Gurt?“
Die Todesangft ſchwört aus dem Doktor: „Nein!“
Und aber „Nein!” Es zittert ihm Fleifh und Bein.
Da ftoßen fie fort ihn in den ſchwarzen Wald;
Er eilt, als wär’ er zu Roſſe no, ohne Halt;
Doch fährt die Hand im Gehen ihm wie im Traum
Hinab an der langen Kutte vorderm Saum;
Mit Angit fühlt fie herum an allem Wulft,
Und emblich findet fie da die rechte Schwulft,
Mo eingenäht, geborgen und unentdedt
Der güldene Sparpfennig fi) verftedt.
Nun will dem Mann e3 werben recht fanft und leicht;
Mit al dem Gold er die Heimat mohl erreicht,
Er mag mit Gottes Hilfe vom Schreden ruhn,
Mit Freunden und Bettern fich recht gütlich thun.
Da Stand er plößlich fill, denn in ihm rief
Mit Iauter Stimme der heilige Imp'rativ:
„Zeug nicht! leug nicht! du haft gelogen, Kant!“
Das einzige Wort ihm auf ber Seele brannt’;
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Bergefien war der Heimat fröhliche Luft,
Er war allein der Lüge fi bewußt.
Und jchneller, als ihn getrieben der Freiheit Glück,
Trieb ihn der Sünde Pein nun zurüd, zurüd.
Schon winkt von ferne der unglüdjel’ge Pla;
Die Räuber teilen dort noch immer den Schatz,
Am Mondlit prüfen fie das Allerlei,
Die Pferde weiden zwifhen den Büſchen frei.
Und wie fie lagern im Gras und taufchen, tritt
In ihre Mitte der Kant mit haftigem Schritt.
Er ftellt demütig fi vor die Räuber bin,
Er ſprach: „O wiflet, daß ich ein Lügner bin!
Doc log der Schreden aus mir, darum verzeiht!“
Mit diefen Worten riß er den Saum vom Kleid,
In hohler Hand beut er ein Häuflein Gold,
Darüber des Mondicheins blinkende Welle rollt.
Weil Feiner zugreift, bittet er ganz beſchämt:
„Das hab’ ich böslich vor euch verleugnet, nehmt!“
Den Räubern aber wird's mwunderlih im Kopf,
Sie möchten laden und fpotten ob dem Tropf;
Und ihre Lippe findet doch Feinen Laut,
Und ihr vertrodnetes, ftarred Auge taut.
Und in dem bleiernen Schlummer, den er fhlief,
Regt fih in ihnen plötzlich der Imp'rativ,
Der wunderbare, das heil'ge Gebot: „Du ſollt —
Du ſollt nicht ſtehlen!“ und vor der Hand voll Gold
Aufſpringen ſie, dann werfen ſich all' aufs Knie,
Ein tiefes Schweigen waltet; denn Gott iſt hie.
Jetzt aber regt ſich emſig die ganze Schar:
Der reicht den Beutel und der die Kette dar,
Ein dritter bringt das Pferd geſattelt, gerüſt't,
Das Meßbuch reicht der Hauptmann — er hat's geküßt;
Dann helfen ſie ihm zu Roß mit willigem Dienſt,
Nichts bleibt zurück vom neuen Räubergewinſt;
Ja, mußte Herr Kant nur ſein auf ſeiner Hut,
Daß ſie ihm nicht auch ſchenkten geſtohlen Gut.
Er ſcheidet, er teilt den Segen aus vom Pferd,
Wunſcht ihnen gründliche Reu', die fie bekehrt.
Nur dacht' er traurig, als um die Ed’ er bog:
„hr armen Schelmen, ihr ftehlet — und ich log!”
Doch als er kam zum finftern Wald Hinaus,
Da war verſchwunden der Sünde ganzer Grauß.
— 448 —
Da ftand der Morgenhimmel in roter Blut,
Da ward dem frommen Wanderer froh zu Mut.
„Dein Wille gejcheh’ im Himmel und auf der Erd'!“
110 So betet der Kant und giebt die Sporen dem Pferd.
Sul. Schwab. (1883.)
288. Die Engelslirche anf Anatolilon.®
(1824.)
1. Es lacht ein Eiland mit Feigenbäumen,
Mit Rofenlauben, mit Rebenranten,
Wie fonft es Schaffen nur die Gebanten,
Wie man's nur fchauet in Morgenträumen.
2. Es regt ein Bolt fih auf feinen Hügeln,
Das Spricht Die Sprade, die alte, traute,
Die zu uns redet mit Geifterlaute;
Und Freiheit deckt es mit jungen Flügeln.
3. Es wohnt im Schute der Beil’gen Engel,
Den Cherubimen ift es vertrauet,
Bon Marmor ift ihr Haus gebauet,
Im weißen Kleide, rein, ohne Mängel.
4. Wohnt auch die Trauer in foldem Lande?
Warum verödet die Rofenlauben?
Warum Fein Liedchen beim Saft der Trauben?
Kein Taufch der Waren am regen Strande?
5. Das macht, es wimmelt dort auf den Waflern
Und birgt fi hinter den Yelfenriffen
Ein Heer von Maften, von fremden Schiffen,
Ein grimmig Heer iſt's von Chriſtenhaſſern!
6. Du Griechenvölkchen, willſt du verzagen?
Das Schwert der Väter, haſt's nicht gefhmungen? —
Haft mit der Freiheit nicht Mut errungen?
„Mut g’nug und Schwerter, fie zu erfchlagen!
7. Doc find's zu viele!“ — Haft du nidt Mauern?
Haft du nicht Schanzen, Dich Hug zu decken?
„Sa Türm’ und Wände, der Yeinde Schreden,
Die zehn Gefchlechter wohl überbauern!“
* Keine Snfelftadt am Eingange des Iepantiichen Meerbuſens.
— A
8. Und blühn nicht Früchte Die g'nug a
Kornähren, Feigen und DI die Menge?
„Mir naht fein Hunger, der mid bebränge;
Mich nährt der Sommer, nie folgt ein Winter.
9. Nur eins vergaß mir Natur zu Ipenben:
Kein Duell mir fprubelt aus ihren Brüften!
Sonft kauft’ ih Waſſer an fernen Küſten,
Jetzt wehrt der Feind mir an allen Enden!
10. Umfonft des Blutes hab’ ich veraofien, _
Ins Herz des Feindes das Blei geſendet!
Die Kraft verſieget, das Leben endet,
Er ſchickt den Durſt mir, den Bund'sgenoſſen!“
11. Da will das Auge ſich traurig ſenken —
Doch fieh! die Menge, die gläub'ge, wallet
Zum Haus der Engel, und Flehen ſchallet:
„O Gott im Himmel, du kannſt uns tränken!
13. Machſt deinen Engel zu Wind und Wolle,
Machft deine Diener zu Feuerflommen;
Da krachen Schiffe zermalmt zufammen,
Da ftürzt der Dränger vor deinem Volke!
13. Heut nach der Erde geheimfter Ader
Laß deine Geifter, die treuen, fpüren;
Wenn exft die Quellen fih um uns rühren, .
So zwingt uns nimmer des Feind's Geſchwader!
14. Erhör' uns, Retter!“ So tönt's von allen.
Hat er vernommen die fleb'nde Simme?
Warum nicht wehrt er des Feindes Grimme?
Die Schlünde donnern, die Kugeln fallen.
15. Und eine flieget mit Sturms Gefieder,
Heißt Durch des Tempels gewölbte Deden,
Des Volles Flehen verftummt in Schreden,
In feine Mitte fährt fie bernieber,
16. Schlägt in den Boden, wühlt in dem Grunde,
. Sie gräbt fo gierig in feinen Ritzen;
Da hört ihr's ſprudeln, da ſeht ihr's ſpritzen —
Da quillt ein Brunnen tief aus dem Schlunde!
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— 450 ° —
17. Erzengel Gottes, fei hoch willlommen!
Du fährft als Donner aus glüh’nden Blechen,
Springft aus den Tiefen in Waſſerbächen,
Wenn's gilt zu retten das Bolt der Frommen!
18. Da fchöpfet jever vom heil'gen Duelle,
Durch alle Glieder dringt Engelsftärke,
Sie fchreiten fürder zum großen Werke,
Fort aus dem QTempel, bin auf die Wälle.
19. Dreitaufend Kugeln ſchickt aus den Schlünden
Zur beil’gen Inſel der Yeind vergebens,
Sie all’ erlöihen im Strom des Lebens:
So muß die Freiheit ſich ewig gründen!
Guſt. Schwab.
289. Alexander Ypfilauti auf Munlacs.
Alexander Ypſilanti ſaß in Munkacs' hohem Turm.
An den morſchen Fenſtergittern rüttelte der wilde Sturm,
Schwarze Wolkenzüge flogen über Mond und Sterne hin,
Und der Griechenfürſt erſeufzte: „Ach, daß ich gefangen bin!“
An des Mittags Horizonte hing ſein Auge unverwandt:
„Läg' ih Doch in deiner Erbe, mein geliebtes Vaterland!“
Und er öffnete das Fenſter, {ab ind öde Land hinein;
Krähen ſchwärmten in den Gründen, Adler um das Yelsgeftein.
Wieder fing er an zu feufzen: „Bringt mir feiner Botjchaft ber
Aus dem Lande meiner Väter?” Und die Winper warb ihm
Ä ſchwer —
War's von Thränen? war's von Schlummer? und ſein Haupt
ſank in die Hand,
Seht, ſein Antlit wird ſo helle — träumt er von dem Vaterland?
Alſo ſaß er, und zum Schläfer trat ein ſchlichter Heldenmann,
Sah mit freudig ernſtem Blicke lange den Betrübten ax:
„Alexander Ypſilanti, ſei gegrüßt und faſſe Mut!
In dem engen Felſenpaſſe, wo geflofien iſt mein Blut,
Wo in einem Grab die Aſche von dreibundert Spartern liegt,
Haben über die Barbaren freie Griechen heut gefiegt.
Diefe Botichaft Div zu bringen ward mein Geiſt berabgefandt.
Alerander Ypfilanti, frei wird Hellas’ heil’ges Land!" —
Da erwacht der Fürft vom Schlummer, ruft entzüdt: „Leonidas!“
Und er fühlt, von Freubenthränen find ihm Aug’ und Wange naß.
Hoch, es rauſcht ob feinem Haupte, und ein Königdabler fliegt
Aus dem Tenfter, und die Schwingen in dem Mondenſtrahl
er wiegt.
Wilh. Müller.
— 41 —
290. Die Gräber zu Ottenſen.
Erftes Grab.
Zu Ottenſen auf der Wieſe
Iſt eine gemeinfame Gruft;
So traurig ift Teine wie dieſe
Wohl unter des Himmels Luft.
Darinnen liegt begraben
Ein ganzes Volksgeſchlecht,
Väter, Mütter, Brüder, Töchter, Kinder, Knaben,
Zufammen Herr und Knedt.
Die rufen Web zum Himmel
Aus ihrer ſtummen Gruft
Und mwerden’8 rufen zum Himmel,
Wenn die Drommet’ einst ruft.
„Wir haben gewohnt in Frieben
Zu Hamburg in der Stadt,
Bis uns daraus vertrieben
Ein fremder Wütrich hat.
Cr bat uns ausgeſtoßen
Im Winter zur Stabt hinaus,
Die hungernden, nadenden, bloßen;
Mo finden wir Dach und Haus?
Wo finden wir Koft und Kleider,
Wir zwanzigtaufend an Zahl? —
Die andern jchleppten fich weiter,
Wir blieben bier zumal.
Die andern nahmen die Britten,
Und andre die Dänen auf;
Wir braten mit müden Schritten
Bis hieher unjern Lauf.
Wir fonnten nicht weiter keuchen;
Erihöpft war unsre Kraft;
Froſt, Hunger, Elend und Seuchen,
Sie haben uns Hingerafft.
Ein ungeheurer Knäuel,
Zwollfhundert oder mebr;
Es zieht ſich über den Greuel
Ein dünner NRafen- ber.
29*
— 452 ° —
Der det nun unſre Blöße,
Ein Obdach er und gab;
Man merkt des Jammers Größe
Nicht an dem fleinen Grab.“
Zweites Grab.
Zu Ditenfen an der Mauer
Der Kirch’ ift noch ein Grab,
Darin des Leben? Trauer
Ein Held gelegt hat ab.
Geichrieben ift der Namen
Nicht auf den Leichenftein;
Doch er famt feinem Samen
Wird nie vergeflen jein.
Bon Braunfchweig iſt's der Alte,
Karl Wilhelm Ferdinand,
Der vor des Hirnes Spalte
Hier Ruh im Grabe fand.
Der Lorbeerkranz entblättert,
Den auf dem Haupt er trug,
Die Stirn vom Schlag zerſchmettert,
Der ihn bei Jena ſchlug;
Hat, wo er war geboren,
Nicht dürfen fterben er:
Bon feines Braunſchweigs Thoren
Kam irrend er hierher;
Umirrend mit den Scherben
Des Haupts von Land zu Land,
Das, eh’ es Tonnte fterben,
Erft allen Schmerz empfand;
Das erft noch mußte denken
Der Zukunft lange Rot,
Eh’ es fih durfte fenten
Beſchwichtigt in den Tod.
Jett bat fiß's hier gefente,
Doch hebt ſich's, wie man glaubt,
Noch aus der Gruft und denket,
Das alte Feldherrnhaupt.
10.
11.
12.
13.
14.
16.
— 453 —
Da fieht e8 die Befreiung
Nun wohl auf deutſcher Flur,
Doch au von der Entweihung
Die unvertilgte Spur.
Da fieht e8 der Zwölfhundert
Grabſtätte fich jo nah
Und ruft wohl aus verwundert:
„Ein Feldherr war ich ja!
O Feldherrnamt wie graufend!
Um mid, den Feldherrn, ber
Gelagert find die Taufend,
Ein großes Schmerzenheer.
Eud hat auf andern Pfaden
Und doch auß gleihem Grund
Der Tod bieber geladen,
Ihr jeid mit mir im Bund.
Daß ohne Totenhembe
Ihr auf den Gräbern ſitzt,
Das ſchmerzt mich, mweil der Fremde
Noch geht in Purpur ist.
Iſt Feiner mehr am- Leben,
Den Purpur auszuziehn
Dem Fremden und zu geben
Euch nadten Toten ihn?
Mit feinen dunkeln Schügen
Der Ols, mein wadrer Sohn,
Der könnte wohl euch nühen;
Doch fiel auch der nun ſchon.
Seht Tann ich feinen nennen,
Da ihn der Tod geraubt;
Und fchmerzlih fühl” ich brennen
Die Spalt’ in memen Haupt.“
Drittes Grab.
Zu Dttenfen, von Linden
Beichattet, auf dem Blan
Iſt noch ein Grab zu finden,
Dem fol, wer trauert, nahn.
10.
11.
— 44 —
Dort in der Linden Schauer
Soll lefen er am Stein
Die Inſchrift, daß die Trauer
Ihm mag gelindert jein.
Mit feiner Gattin lieget
Und ihrem Sohne dort
Ein Sänger, der befieget
Den Tod bat durh ein Wort.
Es ift der fromme Sänger,
Der fang des Heilands Sieg,
Zu dem er, ein Empfänger
Der Palm’, im Tod entftieg.
Es ift derjelbe Sänger,
Der auch bie Hermannsſchlacht
Sang, eh’ vom neuen Dränger
Gelnidt war Deutſchlands Macht.
Ich hoffe, daß in Frieden
Er ruht” indes in Gott,
Nicht ſah bei uns hienieden
Des Feinds Gewalt und Spott.
Und jo auch ruht’ im Grabe
Sein unverftört Gebein,
Als ob geſchirmt es habe
Ein Engel vorm Entweihn.
Es find der Jahre zehen,
Bol Drud und Tyrannei,
Bol ungeftümer Wehen,
Gegangen dran vorbei;
Sie haben nicht die Linden
Gebrochen, die noch mwehn,
Und nit gemacht exblinden
Die Schrift, die noch zu fehn.
Wohl bat, ala dumpfer Brodem
Der Knechtſchaft und umgab,
Ein leifer Freiheitsodem
Geweht von diefem Grab.
Wohl ift, als bier den Flügel
Die Freiheit wieder ſchwang,
D Klopftod, deinem Hügel
Enttönt ein Freudenklang.
— 455 —
12. Und wenn ein finn'ger Waller
Umher die Gräber jetzt
Beſchaut, tret' er nach aller
Beſchaun an dies zuletzt.
13. Wenn dort ein trübes Stöhnen
Den Buſen hat geſchwellt,
So iſt als zum Verſöhnen
Dies Grab hieher geſtellt.
14. Die Thränen der Vertriebnen,
Des Feldherrn dumpfe Gruft
Verſchwinden vorm beſchriebnen
Stein unterm Lindenduft,
15. Wo wie in goldnen Streifen
Das Wort des Sängers ſteht:
„Saat von Gott gefä't,
Dem Tag der Garben zu reifen.“
Sr. Rüdert. (1814. 1815.)
2391. Ruſſiſche Scene.
1. An einem Abend, als des Tobes Weh
Aus Rußlands Steppen die Franzofen trieb
Und der Koſak auf eifighartem Schnee
Erbarmungslos den Flüchtling niederhieb,
Barg fih der Oberft und fein Adjutant
Zur Nachtruh Hinter dürft’ger Hüttenwand;
Da Stand Fein Tiſch, Fein Kanapee, Tein Ofen,
Da wohnten Schweine fonft, — es war ein Kofen.
2. Die Krieger blidten in die Schauernadht,
Der thränenwerten Lagerftätte frob;
Sie dankten Gott, der fie hierher gebradit,
Für ſchmutz'ge Bretter und ein Bimdlein Stroh.
Ah, wenn das Wafler an bie Seele dringt,
Verzweiflung, QTodesnot das Herz umringt,
Da lernt man auch um arme Gaben flehen
Und preifend auf des Hödften Hände fehen! —
3. Und wie fie faum ein Stimblein dort geruht,
Kam hergeſchlichen ein Solbatentrupp.
Ein Feuer fteigt — es reiht fih um die Glut
Ein bunter, abenteuerlicder Klub.
un 6
In langen Mänteln, Pelzen, Burpurfamt,
Theaterflittern, fchaurig angeflammt
Vom kargen Feuer unterm Sternenbimmel, —
So ftand umher das jeltfame Gewimmel.
4. Zur alten kaiſerlichen Gardeſchar
Gehörten fie. Noch bitte Bell und fcharf
Ihr Auge, das in donnernder Gefahr
So folgen Blid auf Batterien warf.
„Die Garde ftirbt, doch fie ergiebt fih nicht!“ .
So ftand’3 auch bier auf bleihem Angefiht;
Und ftatt fich feig im Winterfroft zu härmen,
Begannen fie am Ruhme ſich zu wärmen.
5. „Hal weißt Du noch von Lodi, Mantua,
Und wie wir Hommen über Alpenhöhn?
Du, Kamerad, du wareft Deſaix nah, —
Wie ſank er auf Marengos Feld fo ſchön! —
Ihr dort, — ihr habt die Pyramidenſchlacht
Und Abutirs Erſtürmung mitgemacht! —
Und wie war's uns, da Mack die Fahnen ſenkte
Und Ney vor Elchingen die Maſſen lenkte!
6. Der ſchönſte Tag war doch bei Auſterlitz;
ſtiegen Frankreichs Adler in die Luft! —
Wohl mancher, den. verſchonet Eylaus Blitz,
Liegt nun verſcharrt in dieſer Eiſesgruft! — —
Und du, Sergeant, — bier käme Madrids Glut
Wohl deinen blauen Lippen auch zu gut! —
Doch du da drüben, — iſt dir nicht dein Orden
Vor Saragoſſa unter Lannes geworden?“ —
7. So tönt es durch die Reihen. — O wie alt
Ob dieſem Kriegesglanz die Sterne ziehn!
Noch lüftet’3 die verblichene Gewalt,
In alter Siegeöherrlichkeit zu glühn. —
Das Teuer brennt herab; der Scharfe Nord
Schließt an die Lippen fefter ftetd das Wort; —
Und immer leijer mwird’3 und immer ſtummer.
Die Helden überjchleicht der Todesſchlummer.
8. Bald warb es ftille. — Frühe lag ein Franz
Erftarrter Leihen um die Aſche ber;
Aus feiner Hütte ſah's im Morgenglanz
Das Kriegerpaar mit Thränen, heiß und fchwer.
— 4571 —
Dann fehritt der Oberft und fein Adjutant
Durch ihren Kreis, — die Augen unverwanbt
Geheftet auf die mächtigen Geftalten,
Die trogig fterbend noch ihre Schwert gehalten.
»
9. Dem Oberſten drang dort ein altes Wort
Durchs Herz mit unausſprechlichem Gefühl
Aus einem Buch, das an beftaubtem Drt
Er jüngft gefehn in Moskaus Graungemwühl:
„Mein Gott, ich bitte dich durch Chrifti Blut“,
Stand drin, „mad’3 nur mit meinem Ende aut!“
Und bei dem Anfchaun der Garbiftenleichen
Wollt’ ihm das Wort nicht aus der Seele weichen.
AId. Rnapyp. (1883.)
292. Das ruft jo laut!
1. D wie ruft die Trommel fo laut
Mie die Trommel ruft ins Feld,
Hab’ ich raſch mich dargeftellt,
Alles andre hoch und tief
Nicht gehört, was ſonſt mich rief,
Gar danach nicht umgeſchaut;
Denn die Trommel,
Denn die Trommel, fie ruft fo laut.
2. D wie ruft die Trommel fo laut
Aus der Thüre rief mit Ad
Vater mir und Mutter nad!
Bater, Mutter, ſchweiget ſtill,
Weil ich euch nicht hören will,
Meil ich Hör’ nur einen Laut;
Denn die Trommel,
Denn die Trommel, fie ruft fo laut.
3. D wie ruft die Trommel fo laut
An der Eden, an dem Platz,
Wo ih fonften bei ihr fa,
Steht die Braut und ruft mit Gram
„Ad, o weh! mein Bräutigam!“
Kann nicht Hören, füße Braut;
Denn bie Trommel,
Denn die Trommel, fie ruft jo laut.
— 458 —
4. D wie ruft die Trommel fo laut!
Mir zur Seiten in der Schlacht
Nuft mein Bruder: „Gute Nacht!“
Drüben ber Kartätichenichuß
Ruft mit lautem Tobdesgruß;
Doch mein Ohr iſt zugebaut;
Denn die Trommel,
Denn die Trommel, ſie ruft ſo laut.
5. O wie ruft die Trommel ſo laut!
Nichts ſo laut ruft in der Welt,
Als die Trommel in dem Feld
Mit dem Ruf der Ehre ruft.
Ruft ſie auch zu Tod und Gruft,
Hat mich nicht davor gegraut;
Denn die Trommel,
Denn die Trommel, ſie ruft ſo laut.
Ir. Rückert. (1813.)
293. Lutzows wilde Jagd.
1. Was glänzt dort vom Walde im Sonnenfdein?
Hör's näher und näher braufen.
Es zieht ſich herunter in düfteren Reihn,
Und gellende Hörner fchallen darein
Und erfüllen die Seele mit Graufen.
Und wenn ihr die ſchwarzen Geſellen fragt:
Das ift Lühoms wilde, vermegene Jagd.
2. Mas zieht dort raſch durch den finften Wald
Und ftreift von Bergen zu Bergen?
Es legt fih in nächtlichen Hinterhalt;
Das Hurra jauchzt und bie Büchfe knallt,
Es fallen die fränkiſchen Schergen.
Und wenn ihr die ſchwarzen Jäger fragt:
Das ift Lützows wilde, verwmegene ago.
3. Mo die Neben dort glühen, bort brauft der Rhein,
Der Wiütrich geborgen ſich meinte:
Da nahet es fchnell mit Gemitterfchein
Und wirft ſich mit rüftigen Armen hinein
Und fpringt ans Ufer der Feinde.
Und wenn ihr die ſchwarzen Schwimmer fragt:
Das ift Lützows milde, vermegene Jagd!
— 459 —
4. Was brauft ort im Thale die laute Schlacht,
Was Ichlagen die Schwerter zufammen?
Wildherzige Reiter ſchlagen die Schlacht,
Und ber Yunle der Freiheit ift glühend erwacht
Und lodert in blutigen Flammen.
Und wenn ihr die ſchwarzen Reiter fragt:
Das ift Lutzows wilde, vermegene Jagd.
5. Wer ſcheidet dort röchelnd vom Sonnenlidt,
Unter winjelnde Feinde gebettet?
Es zudt der Tod auf dem Angefidt,
Doch die wadern Herzen erzittern nicht;
Das Baterland iſt ja gerettet!
Und wenn ihr bie ſchwarzen Gefellen fragt:
Das war Lützows wilde, verwegene Jagd.
6. Die wilde Jagd und bie deutſche Jagd
Auf Henkersblut und Tyrannen! —
Drum, bie ihr ung liebt, nicht gemeint und geflagt;
Das Land ift ja frei, und der Morgen tagt,
Wenn wir's auch nur fterbend gewannen!
Und von Enkeln zu Enteln ſei's nachgefagt:
Das war Lükomws milde, verwegene Jagd.
Gh. Rörner.
(24. Aprit 1813.)
294. Troſt.
1. Herz! laß dich nicht zeripalten
Durch Feindes Lift und Spott.
Gott wird es wohl verwalten;
Er ift der Freiheit Gott.
2. Laß nur den Wütrich drohen,
Dort reicht er nicht hinauf.
Einft bricht in Heil’gen Lohen
Doch deine Freiheit auf.
3. Glimmend dur lange Schmerzen,
Hat fie der Tod verflärt,
Aus Millionen Herzen
Mit edlem Blut genährt;
— 460 —
4. Wird ſeinen Thron zermalmen,
Schmelzt deine Feſſeln los
Und pflanzt die blüh’nden Palmen
Auf deutſcher Helden Moos.
5. Drum laß dich nicht zeripalten
Durch Feindes Lift und Spott.
Gott wird es wohl verwalten;
Er ift der Freiheit Gott. Ch. Rörner.
(Mach bem affenftilftand v. 4. Juni 1818.)
295. Deutſcher Troft.
1. Deutfches Herz, verzage nicht,
Thu, was dein Gemiflen fpricht,
Diefer Strahl des Himmelslichts;
Thue recht und fürchte nichte,
2. Baue nit auf bunten Schein,
Zug und Trug ift dir zu fein.
Schlecht gerät dir Luft und Kunft,
Feinheit wird dir eitel Dunft.
3. Doch die Treue ehrenfeft
Und die Liebe, die nicht läßt,
Einfalt, Demut, Redlichkeit
Stehn dir wohl, o Sohn vom Teut.
4. Wohl fteht dir das g'rade Wort,
Wohl der Speer, der g’rade bobrt,
Wohl das Schwert, das offen ficht
Und von vorn die Bruft burchfticht.
5. Laß den Welchen Meuchelei,
Du fei redlich, fromm und frei;
Laß den Welſchen Sklavenzier,
Schlichte Treue ſei mit dir.
6. Deutſche Freiheit, deutſcher Gott,
Deutſcher Glaube ohne Spott,
Deutſches Herz und deutſcher Stahl
Sind vier Helden allzumal.
7. Dieſe ſtehn wie Felſenburg,
Dieſe fechten alles durch,
Dieſe halten tapfer aus
In Gefahr und Todesbraus.
— 41 —
8. Deutiches Herz, verzage nicht,
Thu, mas dein Gewiſſen fpricht,
Redlich folge jener Spur,
Redlich hält es feinen Schwur.
&. M. Arndt. (1813.)
296. Der Landſturm.
1. Die euer find entglommen
Auf Bergen nah und fern,
Ha, Windsbraut, fei willlommen!
Willkommen, Sturm des Her!
2. O zeuch durch unfre Felder
Und reinige das Land,
Durch unfre Tannenwälder,
Du Sturm, von Gott gejanbt!
3. Ihr Türme, body erhoben
An freier Himmelsluft,
So zauberiih umwoben
Bon blauem Wollenduft,
4. Wie habt ihr oft gerufen
Die andachtvolle Schar,
Wenn an des Altars Stufen
Das Heil zu finden mar!
5. Die Wetter oft ſich brachen
Bor eurem Glockenklang;
Nun führt ihr andre Sprachen,
Es klingt wie Brautgefang.
6. Das Land ift aufgeftanden,
Ein berrlih Ofterfeft!
Sit frei von Sflavenbanden,
Die hielten nicht mehr feft.
7. Wo, Tod, find deine Schreden?
D Hölle, wo dein Sieg?
Und Satan, wie dich decken
In dieſem heil’gen Krieg?
8. Beichritten ift der Grenze
Geweihter Zauberkreis,
Nicht mehr um Eichenkränze
Ficht Züngling num und reis.
— 462 —
9. Nun gilt e8 um das Leben,
Es gilt ums böchfte Gut,
Wir ſetzen dran, wir geben
Mit Freuden unfer Blut.
10. Du liebende Gemeine,
Mie fonft am Tiih des Herm
Im gläubigen Vereine,
Wie fröhlich ftrahlt dein Stern!
11. Wie lieblich klingt, wie beiter
Der Loſung Bibelton:
„Hie Wagen Gottes, Gottes Reuter,
Hie Schwert des Herm und Gideon!“
Max von Schentendorf. (1813.)
297. Bundeslied ber der Schlacht.
1. Ahnungdgrauend, tobesmutig
Bricht der große Morgen an,
Und die Sonne kalt und blutig
Leuchtet unfrer blut’gen Bahn.
In der nächſten Stunde Schofe
Liegt das Schickſal einer Welt,
Und es zittern jchon die Loſe,
Und der eh’me Mürfel fällt.
Brüder! euch mahne die dämmernde Stunde,
Mahne euch ernft zu dem beiligften Bunde:
Treu jo zum Tod, als zum Leben gefellt!
2. Hinter uns, im Graun der Nädte,
Liegt die Schande, liegt die Schmach,
Liegt der Frevel fremder Knechte,
Der die deutihe Eiche brad.
Unfre Sprade ward geichändet,
Unſre Tempel ftürzten ein;
Unfre Ehre ift verpfändet,
Deutſche Brüder, Löft fie ein!
Brüder, die Rache flammt! Reicht euch die Hände,
Daß fih der Fluch der Himmlifchen wende!
Löſt das verlorne Palladium ein!
3. Bor uns liegt ein glüdlich Hoffen,
Liegt der Zukunft goldne Zeit,
Steht ein ganzer Himmel offen,
Blüht der Freiheit Seligkeit.
— 463 —
Deutihe Kunft und deutſche Lieder,
Frauenhuld und Liebesglüd,
Alles Große lommt und mieder,
Alles Schöne kommt zurüd.
Aber noch gilt es ein gräßliches Wagen,
Leben und Blut in die Schanze zu fchlagen;
Nur in dem Opfertod reift uns das Glüd.
4. Nun, mit Gott! wir wollen’3 wagen,
Felt vereint dem Schidjal ftehn,
Unfer Herz zum Altar tragen
Und dem Tob entgegen gehn.
Baterland! dir woll’n wir fterben,
Wie dein großes Wort gebeut!
Unfre Lieben mögen’s erben,
Was wir mit dem Blut befreit.
Wade, du Freiheit der deutichen Eichen, —
Wachſe empor über unferen Leichen!
Vaterland, höre den heiligen Eid! —
5. Und nun wendet eure Blide
Noch einmal der Liebe nad);
Scheidet von dem Blütenglüde,
Das der gift’ge Süden brad).
Wird euch auch das Auge trüber —
Keine Thräne bringt euch Spott.
Werft den letzten Kuß hinüber,
Dann befehlt fie eurem Gott!
Alle die Lippen, bie für uns beten,
Alle die Herzen, die wir zertreten,
Tröfte und ſchütze fie, emiger Gott!
6. Und nun friih zur Schlacht gemendet,
Aug’ und Herz zum Licht hinauf!
Alles Ird'ſche iſt vollendet,
Und das Himmliſche geht auf.
Faßt euch an, ihr deutfchen Brüder,
Jeder Nerve fei ein Held!
Treue Herzen fehn fich wieder;
Lebewohl für diefe Welt!
Hört ihr’3? Schon jauchzt e8 uns dDonnernd entgegen!
Brüder! hinein in den bligenden Regen!
Wiederſehn in der befjeren Welt!
Ep. Römer. (Aug. 1818.)
——
— 464 —
298. Preußens Helden von 1813 und 1815.
1 Mer könnte jedem der Helden alle,
Die, wie ſich's gebührt,
Die Scharen geführt,
Mit Jubelſchalle
5 Deutihen Weines
Der kleinſten Gläfer nur eines
Zu Ehren trinten?
Er würde, gebänbigt vom Sohne des Rheines,
Zu Boden finfen.
10 Denn welche reiche Saat der Ehren,
- Seit bei Großbeeren
Sie ungern ſchluckten die großen Beeren!
Seit fie bei Nollendorf, bei Kulm
Vergeſſen zu prablen mit ihrem Ulm!
15 Seit an dem ſchönen Bach ber Kaben
Der Leu fie padte mit grimmigen Taten!
Und feit bei Dennewitz — o gutes Dennewitz!
Zermalmend fie traf der rächende Blitz!
Doh aus dem reichen Heldendhor
20 Drei Namen leuchten hell empor,
Drei Heldennamen von echtem Klang,
Unfterblih zu preifen im Hochgefang.
Zuerſt Herr Scharnhorft, der Schweigende, Weife,
Der Denker der Schlachten! Leiſe, leije
25 Hat er in engern und engeren Bogen
Die Zauberfreife
Um den Würger gezogen.
Doch als das Heer gerüftet ftand
Am redten Drt,
30 Auf Königsmwort
Zu retten Ehr’ und Vaterland,
Und als es drauf in der Lützener Schlacht
Gar wader fein großes Examen gemadht,
Da ging er gen Himmel, zu melden den Alten,
35 Daß die Jungen fih ehrlich gehalten
Und wieder verdienen zu heißen
Die alten Preußen.
Stolz braufet daher in blutigen Wettern,
Auf ſchnaubendem Roſſe, den Feind zu zerfchnettern,
40
45
50
55
60
65
70
75
80
—— 465 —
Der Bormärtötreiber,
Der alte Blücher,
Der Feind der Bücher,
Der Feind der Schreiber.
Und doch ift der Marſchall, auserlejen,
Selber ein guter Schreiber gemefen:
Seine Schrift war deutlich und leſenswert,
Seine Stahlfever war das blanke Schwert,
Sein Schreibpapier waren alle Zande
Bon Schleſien bis zum Seineftrande,
Seine Tinte gut
Rot Feindesblut;
Damit Stellt’ er im Schlachtengraus
Urkunden aus,
Die nie verweſen,
Die no in taufend Jahren zu Iefen.
Sm beißen Zome zulebt
Hat der teure Held
Auf dem Montmartre ein Punktum gefest,
Wie's feines giebt in der ganzen Welt.
Als erobert die Ehrenbraut,
Legt er murrend fi auf die Bärenhaut;
Doch als der große Korfe wieder
Reckte die eifernen Riefenglieber,
Aufipringt vom Lager der alte Held
Und ftürmt hinaus in das Schlachtenfeld.
Laut donnern und krachen die Todesgefchoffe,
Hohl bebt die Erde vom Huf der Roſſe,
Wild über ihn geht der Reiter Bahn;
Der Held fieht ruhig fein Schickſal nahn, —
Und wie fen „Vorwärts“ ihm klingt ins Ohr,
Das teure Wort,
Da rafft er fich herrlich wieder empor,
Der ftarle Hort,
Und mit freudig-gerührtem Meinen
Begrüßen ihn wieder die Seinen. —
Es hatten die Preußen nicht lange gerußt,
Bon den Schwertern zu mifchen des Feindes Blut;
Sie hatten geruht nicht lange,
Bom Blute zu reinen die Wange;
In der Nacht, da der ftrömende Regen floß,
Da rief er: „Ordnet die Scharen!
Dragoner, Hufaren,
30
85
90
95
100
105
110
115
120
125
— 46 —
Auf! zäumet das Roß!
Es Tommt von der Katzbach der Bundesgenoß!“
Bei Waterloo es donnert und bligt,
Herr Wellington auf der Erde fißt,
Und mie e8 näher und näher kracht,
Da Ipriht er: „Ich wollt’, e8 wäre Nacht,
Oder e8 käme, wie er’3 verheißen,
Herr Blücher mit feinen Preußen.”
Und er bat faum das Wort geſprochen,
Da find die Preußen hervorgebrochen,
Wetterfaufend,
Ob auch aus taufend
Blühenden Schlünden die ehernen Schlangen
Verderben fpein!
Ohne Bangen
Dringen fie ein
Sn die mörd’riihen Reihn,
Und der Feind mit Entfeten,
Als ob hölliiche Geifter ihn beten,
Fliehet wild
Atemlos durch das Kampfgefild.
Da ſprach der Marihall, zum Freunde gewandt:
„Ich gebe fie nun in deine Hand!”
Wer ift der Freund, ber dritt’ im Bunde?
D Lieb, gieb von dem dritten Kundel
Der dritt’ in der preußiichen Heldenſchau
Das iſt der Neidhart von Gneifenau.
O Gneifenau, Gneifenau! Hoher Held,
Wie ſprengteſt du ritterlih durch Das Feld! —
Wie jagteft du fie auf und auf,
Wie ftürmteft du freudig drauf und drauf! —
Die Freundin der Müden, die liebe Nacht,
Hat ihnen den Schlummer nicht gebradt;
Denn als fie entzäumet das bampfende Roß
Und ficher fi) deuchten,
Da ſprach der Mond:
„Ich bin ber Deutichen Bundesgenoß,
Ich will ihnen leuchten!“
Und fort nun rannten fie, fort und fort
Und fanden die Rub an keinem Drt.
In jener Nat
Da ward das große Wert vollbradt;
In jener Nacht,
— 467° —
Da du,
Erbfeind der Ruh,
Zum lektenmal vor una geflohn,
Napoleon,
130. Da ftürzt im Iodernden Flammen
Dein goldner Thron zufammen,
Da fprad der Herr im Donner der Schlacht:
„Das deutiche Volk hat es wohl gemacht!
Und alfo fol in Europas Mitte
135 Des deutfchen Volles Sprach’ und Sitte
Fortan beftehn,
Bis einſt der Erdball wird untergehn!“
A. Bert. (8. Jebruar 1898.)
299. Die Geifter der alten Helden.
1. Wer reitet fo fpät in ber ſtürmiſchen Nacht
Borbei am gewitternden Himmel?
Sind's Geiſtergeſchwader, entboten zur Schlacht?
Iſt's wandelndes MWollengemimmel?
Sind Geiſterſchwadronen, in dämmernden Reihn
Die Lüfte durcheilend im mondlichen Schein,
Ihr Marſchall voran auf dem Schimmel!
2. Die Tapferen ſind's aus der vorigen Zeit,
Entſtiegen den dumpfigen Grüften;
Trompeten hörten ſie werben zum Streit,
Da zwang ſie's, den Raſen zu lüften;
Sie reiten auf Wolken im mondlichen Schein
Hoch über die Berge, hinüber zum Rhein
Und reißen das Schwert von ben Hüften.
3. Es führt fie der Blücher auf braufendem Roß,
Wie flattert fein Mantel im Windel
Und Gneifenau folgt ihm, der treue Genoß,
Daß der Rat mit der That fich verbinde,
Und der finftere York und ber jchneibige Kleiſt,
Und der Schill und mas weiß ich, wie jeglicher Heißt!
Sie reiten mir viel zu gejchwinde.
4. Und der dort auf grauem, getigertem Hengſt
Gleicht Württembergs tapferem Sohne,
Als der Könige Neftor vertaufcht’ ex unlängft
‚Mit dem Sarlophage die Krone.
Nun reitet er wieder fo rüftig und froh,
Als würf' er noch einmal bei Monteran
Bonaparte® Bataillone.
30*
— 468 — —
5. Und emen nod hab’ ich mit Freuden erſchaut
7.
Auf ſchwarzem, geſpenſtiſchem Pferde,
Ans Herze drückt er die eiſerne Braut
Mit jugenbli-froher Gebärbe;
Willkommen, o Körner, mein Sänger unb Selb!
Bilt ermaht vom Schlummer auf Wöbbelind Feld?
Willkommen mit Leier und Schwerte!
Sp kommen die Geifter herüber zum Rhein
Auf jagenden Wolfen geflogen,
Tief unten da wälzt er im Mondenſchein
Am LXoreleifelfen die Wogen;
Sie ſchaun, ob die Söhne der Väter noch wert,
Sie forgen, daß nimmer das tapfere Schwert
Bon der Feder wird liſtig betrogen.
Willkommen als Helfer im heiligen Kampf,
Ihr Helden aus vorigen Tagen!
Schwebt über den Heeren im Pulverbampf,
Wenn unten die Schladten fie ſchlagen,
Die Feinde zu johreden mit Furcht und Graus,
Die Freunde zu ftärken im blutigen Strauß
Und die Toten gen Himmel zu tragen.
R. v. Gerot. (1870.)
300. Der Zauberlehrling.
1. Hat der alte Hexenmeiſter
Sich doch einmal mwegbegeben!
Und nun follen feine Geiſter
Auch nach meinem Willen Ieben.
Seine Wort’ und Werte
Merkt' ih und den Braud,
Und mit Geiftesftärfe
Thu’ ih Wunder auch.
Malle! malle
Mande Strede,
Daß zum Zwecke
Waſſer fließe
Und mit reichem, vollem Schwalle
Zu dem Bade ſich ergieße.
2. Und nun komm, du alter Beſen!
Nimm die ſchlechten Lumpenhüllen;
Biſt ſchon lange Knecht geweſen;
— 469 —
Nun erfülle meinen Willen!
Auf zwei Beinen ftehe,
Dben fei ein Kopf!
Eile nun und gebe
Mit dem Waffertopf!
Malle! mwalle
Mande Strede,
Daß zum Zwecke
Waſſer fließe
Und mit reihen, vollem Schmwalle
Zu dem Babe ich ergieße.
3. Seht, er läuft zum Fluffe nieder;
Wahrlich! ift Schon an dem Fluffe,
Und mit Bligesichnelle wieder
Iſt er hier mit raſchem Guſſe
Schon zum zmeitenmale!
Mie das Becken ſchwillt!
Wie fih jede Schale
Bol mit Waſſer füllt!
Stehe! ftehe!
Denn wir haben
Deiner Gaben
Vollgemeſſen! —
Ad, ih mer! es! Wehe! mehe!
Hab’ ich doch das Wort vergefien. —
4. Ab! das Wort, worauf am Ende
Er das wird, was er gemeien.
Ach, er läuft und bringt behende!
Wärſt du doc der alte Beien!
Immer neue Güſſe
Bringt er ſchnell herein,
Ach! und hundert Flüſſe
Stürzen auf mich ein.
Nein, nicht länger
Kann ich's laſſen;
Will ihn faſſen.
Das iſt Tücke!
Ach, nun wird mir immer bänger!
Welche Miene! welche Blicke!
5. O, du Ausgeburt der Hölle!
Soll das ganze Haus erſaufen?
Seh' ich über jede Schwelle
— 40 —
Doch Thon Waflerftröme laufen.
Ein verrudter Beſen,
Der nit hören will!
Stod, der du gemelen,
Steh doch wieder tl!
Willſt am Ende
Gar nicht laſſen?
Will dich faffen,
Wil dich halten
Und das alte Holz bebende
Mit dem fcharfen Beile fpalten.
6. Seht, da kommt er fchleppend wieder!
Wie ih mich nun auf dich werfe,
Gleich, o Kobold, liegſt Du nieder;
Krachend trifft die glatte Schärfe.
Wahrlich, brav getroffen!
Seht, er tft entzwei!
Und nun kann ich hoffen,
Und ih atme frei.
Mehe! wehe!
Beide Teile
Stehn in Eile
Schon ala Knechte
Völlig fertig in die Höhe!
Helft mir, ach! ihr hohen Mächte!
7. Und fie laufen! Naß und näffer
Wird's im Saal und auf den Stufen.
Welch entjegliches Gewäſſer!
Herr und Meiſter! hör mich rufen! —
Ach, da kommt der Meiſter!
Herr, die Not iſt groß!
Die ich rief, die Geiſter,
Werd' ich nun nicht los.
„In die Ecke,
Beſen! Beſen!
Seid's geweſen!
Denn als Geiſter
Ruft euch nur zu ſeinem Zwecke
Erſt hervor der alte Meiſter.“
m. v. Goetbe.
(1797.)
— 41 —
301. Der Sqchatzgraber.
1. Arm am Beutel, Fran! am Herzen,
Schleppt' ich meine langen Tage.
Armut iſt die größte Plage,
Reichtum ift das höchſte Gut!
Und zu enden meine Schmerzen,
Ging ih einen Schab zu graben.
„Meine Seele follft du haben!“
Schrieb ich hin mit eignem Blut.
2. Und fo zog ich Kreif’ um Kreife,
Stellte wunderbare Flammen,
Kraut und Knochenwerk zuſammen;
Die Beihmörung war vollbradit.
Und auf die gelernte Weije
Grub ih nah dem alten Schate
Auf dem angezeigten Plate;
Schwarz und ftürmil war die Nacht.
3. Unb id fah ein Licht vom meiten,
Und e8 Fam glei einem Sterne
Hinten aus der fernften Ferne,
Eben ala es zwölfe ſchlug.
Und da galt kein Borbereiten;
Heller ward's mit einem Male
Bon dem Glanz der vollen Schale,
Die ein ſchöner Knabe trug.
4. Holde Augen fah ich blinten
Unter dichtem Blumenkranze;
In des Trankes Himmelsglanze
Trat er in den Kreis herein.
Und er hieß mich freundlich trinken;
Und ich dacht': es kann der Knabe
Mit der ſchönen lichten Gabe
Wahrlich nicht der Böſe ſein.
5. „Trinke Mut des reinen Lebens!
Dann verſtehſt du die Belehrung,
Kommſt mit ängſtlicher Beſchwörung
Nicht zurück an dieſen Ort.
Grabe hier nicht mehr vergebens!
Tages Arbeit! Abends Gäſte!
Saure Wochen! Frohe Feſte!
Sei dein künftig Zauberwort.“
W. v. Goethe.
(1797.)
— 412 —
302. Die Bildſünle des Barchus.
1 Kalliithenes, ein Jüngling von Athen,
Kam einft nah einer durchgeſchwärmten Nacht,
Den melfen Epheukranz ums wilde Haar,
Hintaumelnd in der Tämmerung nad Haus,
5 Er jelber wie die Dämm’rung mwüft und bleidh.
Als nun der Diener nah dem Schlafgemad
Ihm leuchtet durch den hohen Säulengang,
Da tritt mit eins im vollen Fadeljchein
Des Bachus göttlih Marmorbild hervor,
10 Bon fchöpferifcher Meifterhand geformt:
In Jugendfülle hebt fih die Geſtalt;
Aug reihem, langhinwallendem Gelod
Erglänzt das feingewölbte Schulternpaar,
Und unterm Schatten üppigen Geflechts
15 Bon Rebenlaub und fchmellender Traubenfrucht
Erſcheint das runde, blühende Geficht.
Erſchrocken fährt Kalliſthenes zurüd
Bor der Erſcheinung Herrlichkeit und Glanz;
Ihm ift, als hätte mit dem Thyrfusftab
20 Der Gott die Stirne ftrafend ihm berührt,
Als fpräche zürnend ber belebte Mund:
„Was ſpukſt du bier, du wankendes Geipenft,
Ereb'ſcher Schatten, Traftlos, finnbetäubt?
Du haft den heil’gen Epheu mir entweiht,
25 Du nenneft frevelnd meinen Priefter dich;
Hinweg mit dir! Ich Tenne deiner nicht.
Ich bin die Fülle jchaffender Natur,
Die ſich befonders in dem edlen Blut
Der Rebe reich und göttlich offenbart.
30 Wil euer mwüftes Treiben einen Gott,
So ſucht ihn nit auf fonnigem Weingebirg,
Nein! ſucht ihn drunten in des Hades Nacht!“
Der Gott verſtummt, der Fackel Licht erlifcht;
Der Jüngling ſchleicht beihämt in fein Gemach,
35 Er nimmt vom Haupt den wellken Epheufranz,
Und fttll in des Gemütes Innerſtem
Beſchwöret er ein Beiliges Gelübb’.
£. Abland. (1814.)
10
15
20
25
30
35
— 43 —
303. Der Schiffsjunge.
L
Das milde, ſchäumende Roß,
Gejagt von der Sporen jcharfem Stoß,
Auf Frummgemwundener Reiterbahn
Mit ſeitwärts geneigtem Leibe ftürmt:
So fliegt, wie die Flut fih ſenkt und türmt,
Das Schiff die Wellen hinab, binan,
Bom mächtigen Seitenwinde gefaßt,
Mit tief borbüber geneigtem Maft.
Es brauft das Meer, es kracht und ftöhnt
Des beladenen Fahrzeugs ſchwere Wucht
Auf feiner raftlos eiligen Flucht;
Der Matroſen freudige Hurra! tönt.
Der Steuermann am Ruder jteht,
Das Rad mit gewaltigen Armen dreht,
Stets blidend ſcharf aufs zitternde Schwanken
Der Bufjole mit manderlei frohen Gedanken;
Er überzählt fein Geldchen im ftillen,
Schon hört ex am Strande die Fiedel Klingen,
Mo blühende, luftige Dirnen jpringen,
Die gern dem Seemann find zu Willen.
Vergnügt, die Heimat miederzufehn,
Am Verdeck friſch auf und nieder geht
Waghaltenden Schrittes der Kapitän,
Und lächelnd er auf in die Segel fpäht,
Die voll ihm fchwellen zur Augenlabe
Von des Windes Zöftlicher, flüchtiger Habe.
Dort Hettert ein unge gar flink und heiter
Die Sprofien hinauf der ſchwankenden Leiter;
Schon bat er erreicht in munterer Haft
Die höchſten Segel am ftolzen Mait:
Den Lüftefanger, den Wolkenraſer,
Den Mondespflüder, den Sternengrafer;
Da bricht das morſche Tau entzwei,
Woran er gefhmebt — ein banger Schrei —
Er ftürzt hinunter ins Meer,
Und über ihn ftürzen die Wellen ber.
Umfonft, Matrojen, ift euer Bemühn,
Den Züngling zu retten, er tft dahin!
— 44 —
Wie hun € Beitien ftürzen die Wellen
40 Dem Opfer entgegen, fie jchnauben und bellen;
Schon hat ihn die eine wütend verfhlungen,
Und über fie fommen die andern geiprungen,
Die um die gierige neidiſch ſchwärmen
Mit ſchäumendem Rachen und wilden Lärmen.
45 Die Sonne wiederum zum Himmel fteigt,
Da ruhn die Winde, jede Welle fehweigt,
Und trauernd fteht der feiernde Matrofe,
Nachdenkend feinem mandelbaren Loſe.
Klar blidt der alte Mörder Ozean
50 Dem Himmel zu, als hätt’ er nichts gethan.
I.
1. Aus des Frühlings warmen, weichen Armen
Riß das ſchnelle Unglück ohn' Erbarmen
hn hinunter in das tiefe Meer.
ber ihm und feinen Jugendträumen
Seht ihr nun die Falten Wogen fchäumen,
Seine Heimat grüßt er nunmermehr.
2. Oder hat der Frühling eine Kunde
Senden wollen nad) dem kühlen Grunde,
Als er diefen Jüngling fallen ließ?
Sammeln fih um ihn die Seejungfrauen,
Froherſtaunt, in der Korallenauen
Stillem, trübe dämmerndem Perließ?
3. Flechten fie ſchon freudig und erfchroden,
Schöner Frembling, in die naſſen Locken
Mufcheln dir zum weißen Roſenkranz?
Werden fie in ihren Felſenriffen
Nicht von dunkler Sehnſucht ſchon ergriffen
Nach des Erdenfrühlings beitren Glanz?
N. Lenan.
304. Bretagne.
(1798.)
1. An ben Ufern der Bretagne, horch! meld nächtlich Wieder:
en!
Aus den Wellen, aus den Wogen, hör’ ich es wie Lieber fchallen,
Und ein Glödlein tönt berüber leife wunderfamen Klang;
Doh das ift nicht Schiffägeläute, das tft nicht Matroſenſang.
— 45 —
2. An den Ufern der Bretagne wohnt ein Vol von alter Sitte,
Kreuz und Krone, Gott und König gelten hoch in feiner Mitte;
Doch der König ift gerichtet, und ben heiligen Altar
Hält mit blanfem Schwert umlagert eine morbgewohnte Schar.
3. „Unfern Sönig, den geliebten, wohl! ihr konntet ibn uns
nehmen;
Doch des Glaubens heil’ge Flamme follt ihr nimmer uns bezähmen!
Iſt doch Gott an allen Orten, in den Tiefen, auf den Höhn,
Und an allen, allen Orten hört er feiner Kinder Flehn.“ —
4. „Zeil, o leis! der Abend dämmert! Süße Naht, o jet
willlommen,
D du Balfam den Geſchlag'nen, o du Schüherin der Frommen!
Lei’, o leife! Löft den Nachen, nehmet Angel und Gerät,
Täufht die Späher, täufht die Wächter: — die Wogen zum
ebet!“
5. Flinte Ruder hör’ ich rauſchen: alle kommen, Kinder, Greife,
Weib und Mann, dem Herrn zu dienen nach der Väter frommer Weife,
Neugeborene zu taufen, einzujegnen Ehebund,
Friedenswort und Troft zu hören aus gemeihten Priefter Mund.
6. In der Mitte Schwamm der Prieiter, Kreuz und Hoftie in
den Händen,
Fiſcherbuben ihm zur Seite, ſüßen Weihrauch auszuſpenden;
Durch der Wellen dumpfes Murren ſchallte freudig der Choral,
Klang das Glöckchen, tönten Seufzer und Gebete ſonder Zahl.
7. Sprach der Alte durch die Wogen über alle ſeinen Segen,
Und ſie kreuzten ſich und neigten ſeinen Worten ſich entgegen;
Durch der Wogen wildes Brauſen ſchallte mutig der Choral,
Pfiff der Sturmwind, ſchlug der Regen, zuckten Blitze ſonder Zahl.
8. „Herr! du biſt ja allerorten, auf den Waſſern, wie auf
Erden!
Laß das Meer, das arg empörte, eine ſichre Kirche werden!“
So durch des Gewitters Donnern tönte flehend der Choral,
Krachen Bord und Maſt und Ruber, pfeifen Kugeln ſonder Zahl.
9. Umgeſchaut! Wachtfeuer glänzen, wiederſpiegelnd in ben
Wogen
Und der Feinde Kugeln kommen von dem Strande vofch geflogen.
Aufgefhaut! der weite Himmel glüht, ein einzig Flammenmeer —
Tod im Wafler, Tod am Ufer, eine Rettung rings umber!
— 4116 —
10. „Her! du bift ja allerorten, auf ben Waflern, wie auf
Erben!
Auch die in dem Meer geitorben, Herr! fie jollen felig werden!“
Alfo durch der Wogen Wüten, jo duch Kugeln fonder Zahl,
Durch der Feinde Hohngelächter Hingt, verklinget der Choral.
11. Fahret .wohl, ihr frommen Beter! — Seiner kam ans
Ufer wieder,
Die Gemeinde mit dem Prieſter ſchlang bie falfhe Welle nieder;
Nur am Morgen unter Trümmern zwiſchen Klippen und Geſtein
Schwamm das Kreuz, das wunderfel’ge, in bes Frührots golpnem Schein.
Rob. Prug.
— — — — —
305. Pharao.
(2. Moſ. 14.)
1. An dem roten Meer mit befümmerter Eeel”,
Mit der Stun im Staube lag Jorael,
Bor ihnen der See tiefflutender Born
Und Binten des Pharao Hirrender Zorn:
„Jehovah, erbarme dich meiner!“
2. Und Mofes fchlug mit dem Stab in den Schmwall,
Da türmte der Herr die Flut zum Wall,
Und das Bolt des Herrn dur die Gaſſe 309,
Und auf beiden Seiten ftand das Gewog',
Und drüben fehlte nicht einer.
3. Und Pharao kam an das Ufer gebrauft,
Auf der Lippe den Grimm, das Schwert in der Fauſt;
Sein jtrahlendes Heer meit kam's gerollt,
Und Roß und Reiter war eitel Gold!
„Nun König des Könige rette!“
4. Und hinab in das Meer mit Wagen und Troß!
Doch vornen fprengte des Todes Roß,
Und als in der Gaffe ritt Mann an Mann,
Aufbrüllten die Wogen und fchloffen fih dann
Hoch über ihr altes Bette.
5. Schwer war der Hamifch und tief Die See,
Richt No und Reiter kam wieder zur Höh',
Und Juda Iniet’, und der Herr war nah,
Und es fanden die Waller und lagen da,
Und ſtill ward's über der Glätte.
orig v. Strachwig.
ze A
306. VBeliazer.
(Daniel 5.)
1. Die Mitternacht zog näher ſchon;
In ftummer Ruh lag Babylon.
2. Nur oben in des Königs Schloß,
Da fladert’8, da lärmt des Könige Troß.
3. Dort oben in dem Königsſaal
Belfazar hielt fein Königsmahl.
4. Die Knete jagen in jchimmernden Reihn
Und leerten die Becher mit funfelndem Wein.
5. Es klirrten die Becher, es jauchzten bie Knecht';
So Hang e8 dem ftörrigen Könige red.
6. Des Könige Wangen leuten Glut;
Im Wein erwuchs ihm kecker Mut.
7. Und blindlings reißt der Mut ihn fort,
Und er läftert die Gottheit mit fündigem Wort.
8. Und er brüftet fih freh und läftert wild;
Die Knechteſchar ihm Beifall brüllt.
9. Der König rief mit ſtolzem Blick;
Der Diener eilt und kehrt zurüd.
10. Er trug viel gülden Gerät auf dem Haupt,
Das war aus dem Tempel Jehovahs geraubt.
11. Und der König ergriff mit frevler Hand
Einen Beiligen Becher, gefüllt bis zum Rand.
12. Und er leert ibn haftig bis auf den Grund
Und rufet laut mit Schäumendem Mund:
13. „Sehovah! dir fünd’ ich auf ewig Hohn, —
Sch bin der König von Babylon!“
14. Doch kaum das graufe Wort verklang,
Dem König ward's heimlich im Buſen bang.
15. Das gellende Lachen verjtummte zumal;
Es wurde leihenftil un Saal.
16. Und fieh! und fieh! an weißer Wand,
Da kam's hervor, wie Menfchenhand,
17. Und ſchrieb, und ſchrieb an weißer Wand ,
Buchſtaben von Feuer, und ſchrieb und ſchwand.
— 48 —
18. Der König ftieren Blicks da ſaß,
Mit ſchlotternden Knieen und totenblaß.
19. Die Knechteſchar ſaß kalt durchgraut
Und ſaß gar ſtill, gab keinen Laut.
20. Die Magier kamen, doch keiner verſtand
Zu deuten die Flammenſchrift an der Wand.
21. Belſazar ward aber in ſelbiger Nacht
Von ſeinen Knechten umgebracht.
Beiur. Deine.
307. Die Ozenniden.
1. Bir Meereswogen fonder Raft und Ruh,
Wir braufen fort und braujen immerzu;
Das Klingt und fingt und dringt aus allen Gründen,
Ton muß zu Ton fih und Accorden finden,
An ödem Strand, in nie befahrnem Meer, |
Ein einzig Lieb allüberall umber.
2. Wir fingen laut vom erften Schöpfungstag,
Da noch in uns ber Keim der Erde lag,
Bon Ewigkeit und ungemefiner Ferne,
Bon Sonnenaufgang, Silberglanz der Sterne, |
Bon mandem Helden, der am Felienftrand
Im Meeresarund fein einfam Bette fand.
3. Und was wir fingen in gemwalt’gem Chor,
Belaufchte nimmer noch ein menſchlich Ohr;
Zwar mander Schiffer kommt herangeſchwommen,
Doc) Feiner hat's begriffen und vernommen; Ä
Der Filherbube hört's mit ftillem Graun,
Ihn loden, denkt er, falſche Meeresfrau’n.
4. Doch fommt und Antwort hoch vom Himmel ber:
Die ew'gen Sterne fprechen mit dem leer,
Melodiſch tönt in unfer wildes Saufen
Der Klang der Sphären und der Donner Braufen;
Bon fernen Inſeln aus der Wälder Ruh
Weht uns das Rauſchen heil’ger Wipfel zu.
5. Da wird's lebendig auf der weiten See,
Da jauczen wir und hüpfen in die Höb;
— 419 —
Delphine kommen langfam angezogen
Und horchen ftill dem Zauberfang der Wogen,
Die alte Windsbraut redet auch darein,
Will auch im Chor der em’gen Sänger fein.
6. — Die Heine Welt der Menſchen treibt ihr Spiel,
Kennt auf und ab und macht des Lärmens viel;
Da kommt die Naht und hemmt dad muntre Streben,
Da tommt der Tod und löfcht das junge Leben;
Wir aber braufen fort und immerzu,
Wir Meeresmogen fonder Raſt und Rub.
Rob. Drup.
308. Gewitter auf Dem Meere.
1 Dumpf liegt auf dem Meer das Gemitter,
Und durch die ſchwarze Wollenwand
Zudt der zadige Wetterftrahl,
Raſch aufleuchtend und raſch verſchwindend,
5 Wie ein Witz aus dem Haupte Kronions.
Über das wüſte, wogende Waſſer
Weithin rollen die Donner
Und ſpringen die weißen Wellenroſſe,
Die Boreas ſelber gezeugt
10 Mit des Erichthons reizenden Stuten,
Und es flattert ängſtlich das Seegevögel,
Wie Schattenleichen am Styr,
Die Charon abwies vom nächtlichen Kahn.
Armes, luſtiges Schifflein,
15 Daß dort hintanzt den ſchlimmſten Tanz!
Heolus hit ihm die flinkſten Gefellen,
Die wild aufipielen zum fröhlichen Reigen;
Der eine pfeift, der andre bläft,
Der dritte ftreicht den dumpfen Brummbaß —
20 Und der ſchwankende Seemann Steht am Steuer
Und ſchaut beftändig nad der Buſſole,
Der zitternden Seele des Schiffes,
Und hebt die Hände flehend zum Himmel:
D rette mi, Kaftor, reifiger Held,
25 Und du, Kämpfer der Yauft, Polydeukes!
deinr. Deine.
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309. DI Blum.
1. DI Büfen liggt int wille Haff,
De Flot de keem un mwöhl en Graff.
2. De Flot de feem un fpöl un ſpöl,
Bet fe de Anfel ünnermöhl.
3. Dar blev Teen Steen, dar bleu fen Pahl,
Dat Water ſchael dat all hendal.
4. Dar meer feen Beeit, dar weer Teen Hund,
De liggt nu all in depen Grund.
5. Un allens, wat dar lev un lad,
Dat ded de See mit depe Nach.
6. Mitünner in de holle Ebb
So füht man vunne Hüf’ de Köpp.
7. Denn dudt de Torn herut ut Sand,
Als weer’t en Finger vun en Hand.
8. Denn hört man fach de Kloden klingn,
Denn hört man fach de Kanter fingn,
9. Denn geit dat Iifen daer de Luft:
„Begrabt den Leib in feine Gruft.“
Alaus Groth.
310. Der Wanderer.
Einfam ftand ih und fah in die afrikaniſchen Dürren
Ebnen hinaus; vom Olymp regnete euer berab.
Fernhin ſchlich das hagre Gebirg, wie ein mandelnd Gerippe,
Hohl und einfam und Tahl blidt’ aus der Höhe fein Haupt.
Ach! nicht fprang mit erfrifhendem Grün der quellende Wald
hier
In die fäufelnde Luft üppig und berrlih empor;
Bäche ftürzten bier nicht in melodiſchem Fall vom Gebirge,
Dur das blühende Thal fchlingend den filbernen Strom;
Keiner Herde verging am plätihernden Brunnen der Mittag,
Freundlich aus Bäumen hervor blickte Fein wirtliches Dad.
us dem Strauche ſaß ein ernfter Vogel gefanglog,
Angſtlich und eilend flohn wandernde Störde vorbei.
Richt um Waſſer rief ih did an, Natur, in der Wüfte —
Waſſer bewahrete mir treulih das feomme Kamel —
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— 481 —
Um der Haine Gefang, um Geftalten und Farben des Lebens
Bat ih, vom liebliden Glanz heimifcher Fluren verwöhnt.
Aber ih bat umſonſt; du erfchienft mir feurig und herrlich,
Aber ich hatte dich einft göttlicher, fchöner gefehn.
Auch den Eispol Hab’ ih beſucht; wie ein ftarrendes Chaos
Türmte das Meer ſich da fchredlich zum Himmel empor.
Tot in der Hülle von Schnee ſchlief hier das gefeflelte Leben,
Und der eiferne Schlaf harıte des Tages umfonft.
Ad! nicht ſchlang um die Erde den wärmenden Arm der Olymp hier,
Wie Pygmalions Arm um die Geliebte fich ſchlang;
Hier bewegt’ er ihr nicht mit dem Sonnenblide den Bufen,
Und in Regen und Tau fprach er nicht freundlich zu ihr.
Mutter Erde! rief ib, du bift zur Witme geworben,
Dürftig und kinderlos lebſt du in langſamer Zeit.
Nichts zu erzeugen und nichts zu pflegen in forgender Liebe,
Alternd im Kinde fich nicht mwiederzufehn ift der Tod.
Uber vielleicht erwärmft du dereinit am Strahle des Himmels,
Aus dem bürftigen Schlaf fchmeichelt fein Odem dich auf;
Und, wie ein Samenkorn, durchbrichſt du die eherne Hülfe,
Und die Inofpende Welt windet fih ſchüchtern heraus.
Deine gefparte Kraft flammt auf in Üppigem Frühling,
Rofen glühen, und Wein fprubelt im kärglichen Nord. —
Aber jet Fehr’ ich zurüd an den Rhein, in die glüdliche Heimat,
Und es wehen, wie eimft, zärtliche Lüfte mich an.
Und das ftrebende Herz befänftigen mir Die vertrauten
Friedlichen Bäume, die einft mich in den Armen gemiegt,
Und das heilige Grün, der Zeuge des ewigen ſchönen
Lebens der Welt, es erfrifcht, wandelt zum Süngling mich um.
Alt bin ich geworben indes, mich bleichte ber Eispol,
Und im Feuer des Süds fielen die Loden mir aus.
Do, wie Aurora den Tithon, umfängft du in lächelnder Blüte
Warm und fröhlih, wie einst, Vaterlandserde, den Sohn.
Seligeß Land! Fein Hügel in dir wächſt ohne den Weinftod,
Nieder ins fchwellende Gras regnet im Herbfte das Obſt.
Fröhlich baden im Strome den Fuß die glühenden Berge,
Kränze von Zweigen und Moos Fühlen ihr jonniges Haupt;
Und, wie die Kinder hinauf zur Schulter des herrlichen Ahnherrn,
Steigen am dunkeln Gebirg Feten und Hütten hinauf.
Friedſam geht aus dem Walde der Hirich ans freundliche Tagslicht;
Hoch in heiterer Luft fiehet der Falke fich um.
Aber unten im Thal, wo die Blume fih nährt von der Duelle,
Stredt das Dörfchen vergnügt tiber die Wiefe ſich aus.
Still iſt's hier; kaum raufht von fern die gefchäftige Mühle,
Und vom Berge herab knarrt das gefelelte Rad.
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Lieblich tönt Die gehämmerte Senf’ und die Stimme des Landmanns,
Der am Pfluge dem Stier, lenkend, die Schritte gebeut,
Lieblich der Mutter Gejang, die im Graſe figt mit dem Sößnlein,
Das die Sonne des Mais ſchmeichelt in lächelnden Schlaf.
Aber drüben am See, wo die Ulme das alternde Hofthor
Übergrünt und den Zaun wilder Holunber umblüßt,
Da umfängt mid) das Haus und des Gartens heimliches Dunkel,
Wo mit Pflanzen mich einft liebend mein Vater
Mo ich froh, wie das Eichhorn, Spielt auf den Lifpelnden Fe,
Oder ins duftende Heu träumend die Stirne verbarg.
Heimatlihe Natur, wie bift bu treu mir geblieben!
Zärtlich pflegendb, wie einft, nimmt du den Flüchtling noch auf.
No gedeihn die Pfirfihe mir, noch wachen gefällig
Mir ans Fenſter, wie fonft, köſtliche Trauben berauf;
Lockend röten fi) noch die füßen Früchte des Kirſchbaums,
Und der pflüdenden Hand reichen die Zweige fich ſelbſt.
Schmeichelnd zieht mich, wie fonft, in des Wald's unendliche Laube
Aus dem Garten ber Pfad, oder hinab an den Bad). |
Und die Pfade röteft du mir, es wärmt mich und fpielt mir
Um das Auge, wie jonft, Vaterlandsfonne, dein Licht; |
Feuer trink' ih und Geift aus deinem freudigen Kelche,
Schläfrig Läffeft du nicht werben mein alterndes Haupt. |
Die du einft mir die Bruft erwedteft vom Schlafe der Kinpheit
Und mit fanfter Gewalt höher und weiter mich triebft, |
Mildere Sonne! zu dir Fehr’ ich getreuer und weiſer,
Frieblih zu werden und froh unter den Bäumen zu ruhn.
Sriedr. Bölderlin. 11797.)
3ll. Alte Heimat.
1. Sm einem dunflen Thal
Lag jüngft ich träumend nieder,
Da fah ich einen Strahl
Von meiner Heimat wieder.
2. Auf morgenroter Au’
War Vaters Haus gelegen;
Wie war der Himmel blau!
Die Flur wie reich an Segen!
3. Wie war mein Heimatland
Bol Gold und Roſenhelle!
Doch bald der Traum verſchwand,
Schmerz trat an feine Stelle.
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4, Da irrt' ich weit hinaus
Ins öde Land voll Sehnen;
Noch irr' ih, ſuch' das Haus
Und find’ es nicht vor Thränen.
Juſtin. Rerner.
312. Die Stadt.
1. Am grauen Strand, am grauen Meer
Und ſeitab liegt die Stadt;
Der Nebel drückt die Dächer ſchwer,
Und durch die Stille brauft Das Meer
Eintönig um die Stadt.
2. Es rauſcht fein Wald, es Schlägt im Mai
Kein Bogel ohn' Unterlaß;
Die Wandergans mit hartem Schrei
Nur fliegt in Herbſtesnacht vorbei,
Am Strande weht das Gras.
3. Doch hängt mein ganzes Herz an bir,
Du graue Stadt am Meer;
Der Jugend Zauber für und für
Ruht lächelnd noch auf bir, auf bir,
Du graue Stadt am Meer.
Ch. Storm.
313. Das Schlok VBoneonrt.
1. Ich träum’ als Kind mich zurüde
Und ſchuͤttle mein greife® Haupt;
Wie fucht ihr mich Beim, ihr Bilder,
Die lang’ ich vergefien geglaubt?
2. Hoch ragt aus ſchatt'gen Gehegen
Ein ſchimmerndes Schloß hervor;
Ich kenne die Türme, die Sinnen,
Die fteinerne Brüde, das Thor.
3. Es ſchauen vom Wappenſchilde
Die Löwen ſo traulich mich an,
Ich grüße die alten Bekannten
Und eile den Burghof hinan.
31?
— 484 —
4. Dort liegt die Sphinx am Brunnen,
Da grünt der Feigenbaum,
Dort, hinter dieſen Fenſtern,
Verträumt' ich den erſten Traum.
5. Ich tret' in die Burgkapelle
Und ſuche des Ahnherrn Grab;
Dort iſt's, dort hängt vom Pfeiler
Das alte Gewaffen herab.
6. Noch leſen umflort die Augen
Die Züge der Inſchrift nicht,
Wie hell durch die bunten Scheiben
Das Licht darüber au bridt.
7. So ftebft du, o Schloß meiner Väter,
Mir treu und feit in dem Sinn,
Und bift von der Erde verſchwunden,
Der Pflug geht über dich hin.
8. Sei frudtbar, o teurer Boden!
Ich ſegne dich mild und gerührt
Und fegn’ ihn zwiefach, wer immer
Den Pflug nun über dich führt.
9. Ich aber will auf mich raffen,
Mein Saitenfpiel in der Hand,
Die Weiten der Erde durchichweifen
Und fingen von Land zu Land.
(Mbdalb. v. Ebamiſſo. 1897.)
314. Rotheuburg.
1. Der Dichter fommt mit leichtem Mut gezogen
Durch Wiefengründe und dur Korneswogen;
Da fteigt vor ihm auf wald'gem Bergeskranze
Ein Schloß empor im Abendfonnenglanze.
2. Bald ift der fteile Gipfel kühn erflommen,
Bald hat den Gaft der Burghof aufgenommen;
Dort ftehn als Wächter, eingelullt in Träume,
Die alten blütenduft’gen Lindbenbäumte.
3. Des Thores Wölbung ift in Schutt zerfallen,
Und ungehindert tritt er in die Hallen,
— 485 —
In die mit goldnem Strahl die Sonne Tchauet,
In die von oben Far der Himmel blauet.
4. Auf einen mooſ'gen Stein fett er fich jchweigend,
Er ſtützt das Haupt, e8 in die Rechte neigend,
Und läßt in freiem Spiele die Gedanken
Sich mit dem Epheu um die Trümmer ranlen:
5. „Du altes Schloß, wie bift du ftill geworben,
Und ſchollſt fo laut einft von der Luft Accorben!
Wie ift der belle Schmud dir abgefallen,
Und glänzteft einft die herrlichfte vor allen!
6. Hier fanden fonft zu Spiel und luſt'gem Feſte
In buntem Schwarm fich hundert edle Gäſte;
Kein hoher Wandrer z0g vorbei die Stätte,
Der unter deinem Dach geruht nicht hätte.
7. Nun fpielen in des Windes leifem Kofen
Holunderfträudhe nur und wilde Rofen,
Und nur der Sonne, nur des Mondes Schimmer,
In deinen Hallen rajten fie noch immer.
8. Hier ftürzte fi in rafchen Melodieen
Trompetenjubel von den Galerieen;
Die Schleppen raufhten und die Sporen klangen,
Wenn fi im Fadeltanz die Paare ſchwangen.
9. Jetzt hörſt du nur das Lieb der Nachtigallen
Aus den umbüfhten Mauerblenden fchallen;
Leuchtkäfer laſſen märchenhaft im Dunkeln
Dazu ben lichten Reigen nächtlich funfeln.
10. Einft ſchmückten Scharlachbeden diefe Wände,
Durchwirkt mit lautern Goldes reicher Spende;
Bom grauen Turme wehten bunte Fahnen,
Die ftolzen Zeichen der erlauchten Ahnen.
11. Nun läßt der Abend feine Purpurgluten
In vollen Strömen um bie Trümmer fluten,
Und von den Binnen feh’ ich Epheuranken,
Bergänglichfeit! dein grünes Wappen, ſchwanken.
12. Dort vom. Altene ſah im Abendftrahle
Des Burgherrn roſ'ge Tochter wohl zu “Thale
Und barg geheimnisvoll im reinen Sinne
Den erften ſüßen Blütenteaum der Minne.
— 486 —
13. Nun quellen Roſen aus des Söllers Spalten,
Die eben den verfhämten Kelch entfalten,
Und Schmetterlinge feh ich ftill Daneben,
Die Geifter jener Liebesträume, ſchweben.
14. Du altes Schloß, ich farm nicht um bich weinen,
Blüht holdes Leben doch aus deinen Steinen;
Wie eine Leiche hab’ ich Dich gefunden,
Der man den Sarg mit Blumen ſchön ummunden.“
15. So ſprach der Dichter, und im Spätrot ſchienen
Ihm einen Gruß zu winken die Ruinen;
Er aber ſchritt, die Bruft voll junger Lieber,
Bom alten Schloß zur goldnen Au’ hernieber.
Em. Seibel. (184 — 35.)
315. Nadowejfiers Totenlied.
1. Seht, da ſitzt er auf der Matte,
Aufrecht ſitzt er da,
Mit dem Anſtand, den er hatte,
Als er's Licht noch ſah.
2. Doch, wo iſt die Kraft der Fäuſte,
Wo des Atems Hauch,
Der noch jüngft zum großen Geiſte
Blies der Pfeife Rau?
3. Wo die Augen, fallenhelle,
Die des Renntiers Spur
Zählten auf des Graſes Welle,
Auf dem Tau der Flur?
4. Diefe Schenfel, die behender
loben dur den Schnee,
Als der Hirſch, der Zmanzigender,
Als des Berges Reh?
5. Diefe Arme, die den Bogen
Spamnten ftreng und ftraff?
Seht, das Leben iſt entflogen!
Seht, fie hängen ſchlaff!
— 47 —
6. Wohl ihm! er iſt hingegangen,
Mo fein Schnee mehr ift,
Mo mit Mais die Felder prangen,
Der von Selber Iprießt;
7. Wo mit Vögeln alle Sträude,
Wo der Wald mit Wild,
Wo mit Filhen alle Teiche
Zuftig find gefüllt.
8 Mit den Geiftern fpeift er droben,
Ließ uns bier allein,
Daß wir feine Thaten loben
Und ihn ſcharren ein.
9. Bringet her die lehten Gaben,
Stimmt die Totentlag’!
Alles fer mit ihm begraben,
Was ihn freuen mag.
10. Legt ihm unter® Haupt die Beile,
Die er tapfer ſchwang,
Auch des Bären fette Keule,
Denn der Weg ift lang;
11. Auch das Mefler, ſcharf geichliffen,
Das vom Yeindestopf
Raſch, mit drei geſchickten Griffen
Schälte Haut und Schopf;
12. Farben au, den Leib zu malen,
Stedt ihm in Die Hand,
Daß er rötlih möge ftrahlen
Sn der Seelen Land!
Ir. v. Schiller. (1797.)
316. Löwenritt,
1. Wüftentönig ift der Löwe; will er fein Gebiet burchfliegen,
Wandelt er nad der Lagune, in dem hohen Schilf zu liegen.
Wo Gazellen und Giraffen trinken, kauert er im Rohre;
Bitternd über dem Gemalt’gen raufcht das Laub der Sylomore.
2. Abends, wenn bie hellen Feuer glühn im Hottentottentraale,
Wenn des jähen Tafelberges bunte, wechjelnde Signale
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Nicht mehr glänzen, wenn der Kaffer einfam ſchweift Durch die Karroo,
Wenn im Buſch die Antilope fchlummert und am Strom das Gnu:
3. Sieh, dann fchreitet majeftätifch durch die Wüſte die Giraffe,
Daß mit der Lagune trüben Fluten fie die heiße, fchlaffe
Zunge fühle; lechzend eilt fie Dur der Wüſte nadte Streden,
Knieend fchlürft fie langen Haljes aus dem fchlammgefüllten Beden.
4. Plötzlich regt es fich im Rohre; mit Gebrüll auf ihren Naden
Springt der Löwe; welch ein Reitpferd! Sah man reihere Schabraden
In den Marftalllammern einer föniglichen Hofburg liegen,
Als das bunte Fell des Renners, den ber Tiere Fürft beftiegen?
5. In die Musfeln des Genides fchlägt er gierig feine Zähne;
Um den Bug des Niefenpferdes weht des Reiters gelbe Mähne.
Mit dem dumpfen Schrei des Schmerzes Ipringt ed aufund flieht gepeiniat;
Sieh, wie Schnelle des Kameles e3 mit Parvelhaut vereinigt!
6. Sieh, diemondbeftrahlte Fläche Ichlägt e8 mitden leichten Füßen!
Starr aus ihrer Höhlung treten feine Augen; riefelnd fließen
An dem braungefledten Halfe nieber ſchwarzen Blutes Tropfen,
Und das Herz des flücht'gen Tieres hört die ftille Wüſte Hopfen.
7. Gleich der Wolfe, deren Leuchten Iſsrael im Lande Yemen
Führte, wie ein Geift der Wüſte, wie ein fahler, Iuft’ger Schemen,
Eine fandgeformte Trombe in der Wüſte ſand'gem Meer,
Mirbelt eine gelbe Säule Sandes hinter ihnen ber.
8. Ihrem Zuge folgt der Geier ; Frächzend ſchwirrt er durch Die Lüfte;
Shrer Spur folgt die Hyäne, die Entweiherin der Grüfte;
Folgt der Panther, der des Kaplands Hürden räuberifch verheerte;
Blut und Schweiß bezeihnen ihres Königs graufenvolle Fährte.
9. Zagend auf lebend’gem Throne jehn fie den Gebieter ſitzen
Und mit fcharfer Klaue feines Sites bunte Polſter rigen.
Raftlos, bis die Kraft ihr ſchwindet, muß ihn die Giraffe tragen;
Gegen einen folden Reiter hilft fein Bäumen und kein Schlagen.
10. Taumelnd an der Wüſte Saume ftürzt fie Hin und röchelt leiſe.
Tot, bededt mit Staub und Schaume, wird das Roß des Reiters Speije.
Über Madagaskar, fern im Oſten, fieht man Frühlicht glänzen; —
Sp durchſprengt der Tiere König nächtlich feines Reiches Grenzen.
Herd. Sreiligratb. (1885.)
— 4839 —
317. Geſicht des Reiſenden.
1. Mitten in der Wüfte war es, wo wir nachts am Boden
ruhten.
Meine Beduinen ſchliefen bei den abgezäunten Stuten;
In der Ferne lag das Mondlicht auf der Nilgebirge Jochen;
Rings im Flugſand umgekommner Dromedare weiße Knochen.
2. Schlaflos lag ih; ſtatt des Pfühles — mir mein leich⸗
er Sattel,
Dem ich unterſchob den Beutel mit der — Frucht der Dattel.
Meinen Kaftan ausgebreitet hatt' ich über Bruſt und Füße;
Neben mir mein bloßer Säbel, mein Gewehr und meine Spieße.
3. Tiefe Stille; nur zuweilen kniſtert das geſunkne Feuer;
Nur zuweilen kreiſcht verſpätet ein vom Horſt verirrter Geier;
Nur zuweilen ſtampft im Schlafe eins der angebundnen Roſſe;
Nur zuweilen fährt ein Reiter träumend nach dem Wurfgeſchoſſe.
4. Da auf einmal bebt die Erde; auf den Mondſchein folgen trüber
Dämm'rung Schatten; Wüſtentiere jagen aufgeſchreckt vorüber.
Schnaubend bäumen ſich die Pferde; unſer Führer greift zur Fahne;
Sie entſinkt ihm, und er murmelt: Herr, die Geifterlaramane! —
5. Ja, fie kommt! vor den Kamelen ſchweben die geipenit’fchen
reiber;
Üppig in den hohen Sätteln lehnen fchleierlofe Weiber: ;
Neben ihnen wandeln Mädchen, Krüge tragend, mie Rebeklka
Einft am Brunnen; Reiter folgen — faufend fprengen fie nach Melle.
6. Mehr noh! — nimmt der Zug fein Ende? immer mehr!
wer kann fie zählen?
Weh! auch die zeritreuten Knochen werben mieber zu Kamelen,
Und der braune Sand, der wirbelnd ſich erhebt in dunkeln Maſſen,
Wandelt fih zu braunen Männern, die der Tiere Zügel faflen.
7. Denn dies iſt die Nacht, wo alle, die das Sandmeer ſchon
verfchlungen,
Deren fturmverwehte Aſche heut vielleicht an unfen Zungen
Klebte, deren mürbe Schäbel unfrer Roffe Huf zertreten,
Sich erheben und fi ſcharen, in der heil'gen Stabt zu beten.
8. Immer mehr! — noch find die legten nicht an und vorbeigezogen,
Und fhon kommen dort die erften jchlaffen Zaums zurüdgeflogen,
Bon dem grünen Vorgebirge nad) der Babelmandeb- Enge
Sauften fie, eh’ noch mein Neitpferd löſen konnte feine Stränge.
9. Haltet aus! bie Roſſe ſchlagen! jeder Mann zu feinem Pferde!
Zittert nicht, wie vor dem Löwen die verirte Wibberherbe!
Laßt fie immer euch berühren mit ben wallenden Talaren!
Rufet: Allah! — und vorüber ziehn fie mit den Dromedaren.
10. Harret, bis im Morgenwinde eure Turbanfedern flattern!
Morgenwind und Morgenröte werden ihnen zu Beftattern;
Mit dem Tage wieder Ajche werden dieſe nächt'gen Zieher! —
Seht, er dämmert ſchon! ermut’gend grüßt ihn meines Tiers Gewieher.
Serd. Sreiligrath. (1835.)
318. SEahara.
(Aus den „Liedern des Sturms.“)
1. Des Rordpols rauher Froſt
Hat mir das: Mark durchzogen,
Ich bin in einem Nu
Nah Afrika geflogen.
2. Die Brandung höher ſchlug
Ich auf an Nubiens Küfte |
Und bob mein Wolltenhaupt
Über der großen Wüſte.
3. Die alte Sahara jchlief.
Es zogen Karamanen
Zu des Propheten Grab
Die trügeriihen Bahnen.
4, Sie ritten ernſt dahin
In dichtgedrängten Scharen
Auf friedlichem Kamel,
Auf wilden Dromedaren.
5. Voran ein tapfrer Scheik,
Auf hohem Berberroſſe,
Gebietet ſtrengen Blicks
Dem buntgemiſchten Troſſe.
6. Furwahr ein edel Roß!
Wohl wert, daß wir begännen
Auf Leben oder Tob
Ein vielgewagtes Rennen.
— 41 —
7. I füttelte mein Haupt,
Die Pilger aufzuſchrecen
Und aus dem langen Traum
Die Wüfte zu erweden.
8. Am fernen Himmelsrand
Mit Duell ımd friſchem Grafe,
Blei einem Hafen, winkt
Die rettenbe Dafe.
9. Seht dorten euer Biel!
Dahin mögt ihre euch reiten;
Sonft hält euh Gahası feft
Mit glühend heißen Ketten.
10. Im Flug begann ich nun
Den allertollſten Reigen
Und ließ den beißen Sand
Zu hohen Wirbeln fteigen.
11. Bald wer ber lange Zug
Verhüllt in dichtem Staube,
Die Karawane fiel
Der Wüfte Brand zum Naube.
12. Der Scheit allein entflieht
Auf feinem flücht'gen Pferde —
Ein berrlih Tier! zu gut
Für dieſe fchlechte Erde.
13. Der Renmer wäre wohl
Für meine Wollenrofie
Auf fernem Himmelszug
Ein würdiger Genofle.
14. Durch weite Nültern jagt,
Still, gleich des Vogels Fluge,
Des Atems heißer Dampf
In Tanggehaltnem Zuge.
15. In ſeinen Adern rinnt
Geſchmolzner Stahl in Gluten,
Und tauſend Leben ihm
Das wilde Herz durchfluten.
— 492 —
16. Der Widerrift fo fcharf
Wie eines Schwertes Kanten,
Der Hufe reines Hom
So hart wie Diamanten.
17. Der Muskeln fchönes Spiel
Metteifert mit dem Willen,
Des Reiters wilde Haft
Durch fchnellen Lauf zu ftillen.
18. Die feinen Mähnen ihm
Das leichte Haupt ummwallen —
Sp fand ich nie zuvor
An einem Roß Gefallen!
19. In rafend fchneller Flucht
Sagt’ ich den edlen Schimmel —
Ich jagte fchneller nie
Kometen duch den Himmel
20. Es glüht fein Augenitern,
Und mie bei den Kometen
Fern Bin in Silberglanz
Des Schweifes Haare mwehten.
21. Ein’ Tiger raufcht” vorbei
Nach flüchtiger Gazelle,
Ich dedte beide zu
Mit heißer Sandeswelle.
22. Der Scheik auf feinem Rob
Sit mir davon geflogen,
In der Dafe Grün
Iſt fiegend er gezogen.
23. Ich aber ftürmte fort,
Fort durch Die heiße Wüſte,
Mit lautem Donnerwort
Den kecken Reiter grüßte.
Nler. v. Wärtemberg.
— 493 —
319, Der Schweriieger you Damasins,
1. Ein hoher Gaft trat heut in meine niedre Schmiede,
Der Fürft der Gläubigen, der tapfre Abbaſſide!
Sn mein Gewölbe fchritt der bärtige Kalif!
Sein glänzendes Gefolg’ jah man mein Haus umringen;
Er aber wählte ſich die jchönfte meiner Klingen
Mit diamantbejegtem Griff.
2. Die Waffe ließ er fih an feinen Gürtel binden
Und fprengte faufend dann die grünen Tamarinden,
Den Sonnenihiem des Marlts, entlang mit feiner Schar.
Der Staub des Weges flog, gefegt von Stutenbäuden;
Der Reiter Ferſe ſaß in den befhäumten Weichen,
Und Staunen faßte den Bazar.
3. Ich kreuzte demutooll auf meiner Bruft die Arme
Und ſah vor meiner Thür dem kriegerifhen Schwarme
Bis an die Pforte nah, die gen Aleppo führt.
„O mächtiger Prophet, beihüge deinen Entel
Und gieb, daß lange noch die Stärke feiner Schenkel
Sein Bebuinenroß regiert!
4. Und bu, mein frummer Stahl, leb wohl! Aus meiner dunkeln
Merkftatt ziehit du hinaus! In Schlachten wirft du funfeln!
Bald klirrſt du, wo dein Blitz ein Bold von Reitern lenkt!
Da ſchwärmen durch den Sand ſpießwerfende Geſchwader,
Den wilden Roſſen ſchwillt vor Kampfluſt jede Ader,
Und alle Zügel ſind verhängt.
5. Da ſiehſt du, zahllos wie der Sand, auf den ſie treten,
Des Feindes Heere nahn den Kindern des Propheten.
Durch unſre Reihen fliegt anordnend der Weſſir.
Noch wartet der Kalif. — Da ſchmettern die Fanfaren,
Und feine Linke läßt den Zaum des Hengſtes fahren,
Und feine Rechte fährt nach dir.
6. Dann ſchwelgſt im Blute du, geführt von der geballten
Kalifenfauft, und dampfft und züngelft aus den Falten
Des Ärmels, der die Hand des Mächtigen bebedtt,
Wie in Arabien und auf den öben, flachen
Sandſtrecken Soriftans aus eines Schatal® Rachen
Die biutgetränkte Zunge ledt.
— 44 —
7. Dann zudft du bimmelan, mie eine rote Flamme,
Bei deren Lodern nachts ein Dichter feinem Stamme
Bon Genien und Fee'n erzählt am roten Meer.
Und diefe Flamme, die ben Orient entzündet
Und bald im Deccident des Dftens Macht verkimdet —
Aus meiner Eſſe ftammt fie her!“
SFerd. Srelligwath.
320. Der Papagei.
1. Urwildnis! Der Schlingpflangen Lait
Bon Baum zu Baum geichlungen,
Und Affen ſchwatzen, Aft bei ft,
Und Papageienzungen.
Doch unten wohnt feit Anbeginn
Im hoben Palmendome
Ein friedfam Volk von fanften Sinn
Am ftillen, breiten Steome.
2. Da bligt, da Tracht die Donmerwehr
In ſchatt'gen Waldeshallen,
Von allen Seiten hallt es her,
Die nackten Männer fallen.
Da hielt man wohl mit Jägerluſt
Durchs Dickicht wildes Jagen,
Bis daß, geſchoſſen durch die Bruſt,
Die roten Leiber lagen.
3. Ein Greis und eine Jungfrau nur
Verbargen fich im Rohre,
Ein Papagei folgt ihrer Spur
Und horcht mit klugem Ohre.
Wohl hört er nichts als Jammerlaut
Und nichts als Angſtgeſtöhne,
Um ihren Jüngling weint die Braut,
Der Greis um feine Söhne.
4. Die Yungfrau Hub zu Hagen an,
Bis ihr der Laut verfagte,
Drauf jeufzte tief der greife Mann
Die Naht dur, bis es tagte;
Und jchwiegen beide dann gemach,
Bon Klag und Leib ermattet,
So ſprach der Vogel alles nad,
Bon Palmenkron' umfchatiet.
10.
— 45 —
Sie wankt, fie ſtirbt. Es finkt das Weib
Ins Farnkraut bei der Duelle,
Das Farnkraut überwäcft den Leib,
Das Haar Spielt in der Welle.
Der Alte figt verfteint dabei,
Das Wafler fließt und raufchet,
Zuweilen thut er einen Schrei,
Und nur der Vogel Iaufchet.
Der Vogel rebet vor ſich hin,
Hoch auf dem ſchwanken Baume,
Der Greis hört’3 mit erftauntem Sinn,
Fährt auf aus dumpfem Traume.
Gefellig läßt der Papagei
Sid zu dem Alten nieder
Und fagt ihm alles Klar und treu,
Mas er vernommen, wieder.
„Ich bin ber letzte“, ſprach der Greiz,
„Dalb wird mein Auge bredhen;
Drum will ih, Vogel, dich mit Fleiß
Die Sprache lehren fprechen,
Daß doch nicht gang verftummt ihr Laut,
Nicht ganz des Volles Namen,
Das ausgetilgt ward, wie ein Kraut,
Bis auf den legten Samen.“
Er Iehrt ihn manches Herzenswort
Und manchen Flud darunter;
Der Vogel ſpricht es nad fofort
Und horcht fo Hug und munter.
Er lehrt ihn unverbrofien,
Er lehrt ihn vieler Worte Klang,
Sein einfam öbes Leben lang,
Bis fih die Augen fchloffen.
Die Leiche liegt im Sonnenbrand,
Bon Geiern ſchwarz umflogen.
Der Papagei fliegt aus dem Land
Fort mit der Winde Wogen,
Meit über Wald, meit über Fluß,
Bis ihm Die Kraft vergangen,
Bis er ermattet finfen muß,
Und wird gar leicht gefangen.
Im Käfig ſitzt der Vogel num,
Gekrallt im blanken Reife,
— 496 —
Umher auf ſeidnen Polſtern ruhn
Die Pflanzer mit der Pfeife.
Der Vogel ſpricht; wohl lauſchen ſie
Erſtaunt den fremden Tönen —
D grübelt nicht: ihr kanntet nie
Des Herzens tiefes Stöhnen!
©. Gruppe.
821. Die Krähen.“
1. Heiß, heiß der Sonnenbrand
Drüdt vom Zenith berunter,
Weit, weit der gelbe Sand
Bieht fein Geftäube drunter;
Nur wie ein grüner Strid
Am Horizont die Föhren;
Mich dünft, man müßt’ e8 hören,
Wenn nur ein Kranker jchlich.
2. Der blafie Ather fiecht,
Ein Ruben rings, ein Schweigen,
Dem matt das Ohr erliegt;
Nur an der Düne fteigen
Zwei Fichten, Dürr, ergraut —
Wie Trauernde am Grabe —
Wo einfam fi ein Nabe
Die rupp’gen Federn kraut.
3. Da zieht's im Weiten jchwer
Wie eine Wettermolfe,
Kreilt um die Föhren her
Und fällt am Heidekolke;
Und wieder fteigt e8 dann,
Es flattert und es ächzet,
Und immer näher Frächzet
Das Galgenvolf heran.
4. Recht, wo der Sand fih dämmt,
Da lagert e8 am Hügel;
Es badet fih und ſchwemmt,
Stäubt Aſche durch die Flügel,
Big jede Feder grau;
Dann raſten fie im Bade,
Und horchen der Suade,
Der alten Krähenfrau,
* Der in Strophe 7 genannte Halberftadt er Chriſtian von Braun:
ſchweig, den am 6. Auguſt 1623 Tilly unweit Münſter befiegte.
— 41 —
5. Die fih im Sande red,
Das Bein lang auägeichoflen,
Ihr eines Aug’ gefleckt
Das andre if aeichloffen;
Zmweihundert Jahr und mehr
Gehest mit allen Hunden,
Schnarrt fie nun ihre Kunden
Dem jungen Volke her:
6. „Sa, ritterlih und kühn all fein —
Wenn er fo herftolzierte vor der Schar
Und ließ fein bäumend Roß fe drehn und ſchwenken,
Da mußt’ ich immer an Sankt Görgen denken,
Den Wettermann, der — als am Schlot ich ak,
Ließ mir die Sonne auf den Rüden brennen —
Vom Wind gebrilt mich fchlug fo Bart, daß baß
Ich es dem alten Raben möchte gönnen,
Der dort von feiner Hopfenftange ſchaut,
Als jet ein Baum er. und wir andern Kraut! —
7. Kühn war der Halberitabt, das ift gewiß!
Wenn er die Braue zog, die Lippe bih,
Dann ftanden feine Landsknecht' auf den Füßen
Wie Sperre, ſolche Blicke konnt' er jchieken.
Einſt brach fein Schwert; er riß die Koppel los,
Stieß mit der Scheide einen Mann vom Mferbe. .
Ich war nur immer froh, daß flügelles,
Ganz fonder Wig der Menſch geboren werde;
Denn nie hab’ ich gejehn, daß aus der Schlacht
Er eine Leber nur beiſeit' gebracht.
8 An einem Sommertag — heut find es grad’
Zweihundert fünfzehn Jahr, es lief die Schnat
Am Damme brüben damals bei den Fahren —
Da konnte man ein friſch Drommeten hören,
Ein Schwerterklingen und ein Felngelchrei,
Radihlagen jah man Reiter von den Roften,
Und die Kanone fuhr ihr Him zu Brei;
Entlang die Gleiſe ift das Blut gefloflen,
Granat' und Wachtel Tiefen kunterbunt
Wie junge Kiebige am fand’gen Grund.
9. Ich ſaß auf einem Galgen, wo dad Brud)
Man überihauen konnte recht mit Fug;
Dort an der Schnat bat Halberftabt geitanden,
Mit feinem Sehrohr ſtreifend durch die Banden,
32
— 498 —
Hat ſeinen Stab geſchwungen ſo und ſo;
Und wie er ſchwenkte, zogen die Soldaten —
Da plöslih aus den Mörfern fuhr die Lob’!
Es nallte, daß ich bin zu Fall geraten,
Und als Topfüber ih vom Galgen ſchoß,
Da pfiff der Halberftabt davon zu Roß.
10. Mir ftieg der Rauch in Ohr und Kehl’, ich ſchwang
Mid auf, und nad der Dualın in Strömen drang;
Entlang die Heide fuhr ich mit Gekrächze.
Am Grunde wel’ Gefchrei, Gefchnaub’, Geächze!
Die Roſſe wälzten fi) und zappelten,
Todwunde zudten auf, Landsknecht' und Reiter
Knirſchten den Sand, da näher trappelten
Schmwabronen, manche krochen winfelnd weiter,
Und mancher bat noch einen Stich verſucht,
Als über ihn der Bayer weagefludt.
11. Noch lange haben fie getobt, gelnallt,
Ich Hatte mich geflüchtet in den Wald;
Doch als die Sonne färbt’ der Führen Spalten,
Ha, meld ein köſtlich Mahl warb ba gehalten!
Kein Geier ſchmauſt, Fein Weihe je fo reich!
In achtzehn Schmärmen fuhren wir hinunter!
Das gab ein Haden, Piden, Leih’ auf Lei’ —
Allein der Halberftabt mar nicht darunter;
Nicht kam er heut, noch fonft mir zu Gefſicht,
Mer ihn gefrefien bat, ich meiß es nicht.“
12. Sie zudt die Klaue, kraut den Schopf
Und ftredt behaglich fi im Bade;
Da redt ein grauer Herr den Kopf,
Weit älter, als die Scheh’rezabe.
„Ha“, krächzt er, „dad war wüſte Zeit, —
Da gab’ nit Frauen, wie vor Jahren,
Als Ritter mit dem Kreuz gefahren
Und man die Münfter bat geweiht!“
Er huſtet, fpeit ein wenig Sand und Thon,
Dann hebt er an, ein grauer Selabon:
13. „Und wenn er fühn, fo war fie fchön,
Die beil’ge Frau im Drbenstleide!
Ihr mocht' der Weihel ſüßer ftehn,
Als andern Güldenftül und Seide.
Kaum war fie holder an dem Tag,
Da ihr jungfräulid Haar man fällte,
— 499 —
Als ich ans Kirchenfenfter jchnellte
Und ſchier Tobias’ Hundlein brach.
14. Da ſtand die alte Gräfin, ſtand
Der alte Graf, geduldig harrend;
Er aufs Barettlein in der Hand,
Sie feſt aufs Paternoſter ſtarrend;
Ehrbar, wie bronzen ſein Geſicht —
Und aus der Mutter Wimpern glitten
Zwei Thränen auf der Schaube mitten,
Doch ihre Lippe zuckte nicht.
15. Und ſie in ihrem Sammetkleid,
Von Perlen und Juwel' umfunkelt,
Bleich war fie, aber nicht von Leid,
Ihr Blid doch nit von Gram umdunkelt.
So mild hat fie das Haupt gebeugt,
Als wol’ auf den Altar fie legen
Des Haares königlichen Segen,
Vom Antlig ging ein ſüß Geleudt.
16. Doc ald nun, wie am Blutgerüft,
Ein Mann die Seidenftränge padte,
Da faßte mich ein wild Gelüft,
Ich ſchlug die Scheiben, daß es Tnadte,
Und flattert’ fort, als ob der Stahl
Nah meinem Naden wolle züden.
Ja wahrlih, über Kopf und Rüden
Fühlt’ ih den ganzen Tag mich Tahl!
17. Und fpäter ſah ih mande Stund’
Sie betend durch den Kreuzgang ſchreiten,
Ihr ſüßes Auge übern Grund
Entlang die Totenlager gleiten;
Ins Quadrum flog ich dann Binab,
Spazierte auf dem Leichenfteine,
Sang oder fuchte auch zum Scheine
Nach einem Regenwurm am Grab.
18. Wie fie geftorben, weiß ich nit;
Die Fenfter hatte man verhangen,
Ich ſah am Vorhang nur das Licht
Und hörte, wie die Schmweitern fangen;
Auch Hat man Teinen Stein geſchafft
Ins Duabrum, doch ich hörte jagen,
Daß mandem Kranlen Heil getragen
Der felgen Frauen Wunderkraft.
327
— 500 —
19. Ein Loch giebt es am Kirchenend',
Da kann man ins Gewölbe ſchauen,
Wo matt die ew'ge Lampe brennt;
Steinſärge ragen, fein gehauen,
Da ſtreck' ich oft im Dämmergrau
Den Kopf durchs Gitter, klage, klage
Die ſchlafende im Sarkophage,
So hold' wie keine Krähenfrau!“
20. Er ſchließt die Augen, ſtößt ein lang „Krahah!“
Geitredt die Zunge und den Schnabel offen;
Matt, flügelhängend, ein zertrümmert Hoffen,
Ein Bild gebrochnen Herzens fit er da.
Da ſchnarrt es über ihm: „Ihr Narren all'!“
Und nieder von der Fichte plumpt der Rabe;
„sit einer bier, der hörte von Walhall',
Bon Teut und Thor und von dem Hlmengrabe?
Sabt ihr den Opferſtein?“ — Da mit Gekrächz
Hebt fih die Schar und klatſcht entlang den Hügel.
Der Rabe blinzt, er ftößt ein kurz Geächz,
Die Federn fträubend mie ein zorn’ger gel;
Dann dudt er nieder, Traut das kahle Ohr,
Noh immer fehnarrend fort von Teut und Thor.
Ann. v. Drofte: Bälshefl.
3232. Die drei Zigeuner.
1. Drei Bigeuner fand ich einmal
Liegen an einer Weide,
Als mein Fuhrwerk mit müder Dual
Schlich durch fandige Heide.
2. Hielt der eine für fi allen
In den Händen die Fiedel,
Spielte, umglüht vom Abendſchein,
Sich ein feuriges Liedel.
3. Hielt der zweite die Pfeif’ im Mund,
Blidte nach feinem Rauche,
Froh, als ob er vom Erdenrund
Nichts zum Glücke mehr brauche.
4. Unb der britte bebaglich fchlief)
Und fein Cymbal am Baum hing,
Über die Saiten der Windhauch lief,
Über fein Herz ein Traum ging.
— 501 —
5. An den Kleidern trugen bie brei
Löcher und bunte Fliden,
Über fie boten trotzig frei
Spott den Erdengeſchicken.
6. Dreifach haben fie mir gezeigt,
Wenn das Leben und nadıtet,
Wie man's verraucht, verſchläft, vergeigt
Und es dreimal verachtet.
7.
Nach den Zigeunern lang noch ſchaun
Mut’ ih im Weiterfabren,
Nach den Gefihtern bunfelbraun,
Den ſchwarzlockigen Haaren.
10
15
20
323. Die Werbung.
Rings im Kreiſe laufcht die Menge
Bärtiger Magyaren frob;
Aus dem Kreife rauſchen Klänge:
Mas ergreifen Die mid jo? —
Ziefgebräunt vom Sonnenbrande,
Rotgeglüht von Weinesglut,
Spielt da die Bigeunerbande
Und empört das Heldenblut.
„Laß die Geige wilder fingen!
Wilder ſchlag das Eymbal du!“
Ruft der Werber, und es klingen
Seine Sporen hell dazu.
Der Zigeuner bört’s, und voller
Wölkt fein Mund der Pfeife Dampf;
Zauter immer, immer toller
Brauft der Inſtrumente Kampf,
Brauft die alte Heldenmeife,
Die vorzeiten wohl mit Macht
Friſche Knaben, welle Greiſe
Hinzog in die Türlenfhladt.
Wie des Werber Augen glühn!
Und wie all’ die Säbenarben,
Ehrenröslein purpurfarben,
Ihm auf Wang’ und Stine blühn!
Klirrend glänzt das Schwert in Funken,
Das fi oft im Blute wuſch;
Auf dem Tſchako freudetrunfen
Taumelt ihm der Federbuſch.
nit. Conan.
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— 502 —
Aus der bunten Menge ragen
Einen Süngling, ftarl und hoch,
Steht der Werber mit Behagen;
„Wäreſt du ein Reiter doch!“
Ruft er aus mit lichtern Augen,
„Soldier Wuchs und folde Kraft
Mürden dem Hujaren taugen;
Komm und trinke Brüberjchaft!“
Und es ſchwingt ber freudigrafche
Jenem zu die volle Flafche.
Doch der Jungling hört es ſchweigend,
An die Schatten der Gedanken,
Die ihn bang und füß umranten,
Still fein ſchönes Antlitz neigend.
Ihn bewegt dad eble Sehnen,
Wie der Ahn ein Held zu fein;
Doch beriefeln warme Thränen
Seiner Wangen Roſenſchein.
Außer denen, die da raufchen
In Mufit, in Werberswort,
Scheint er Hängen noch zu laufchen,
Hergeweht aus fernem Ort.
„Komm zurüd in meine Arme!“
Fleht fein Mütterlein jo bang;
Unb die Braut in ihrem Harme
Fleht: „D ſäume nimmer lang’!“
Und er fieht das Hüttchen trauern,
Das ihn begte mit den Seinen;
Hört davor die Linde fchauern
Und ben Bach vorüberweinen. —
Pochſt du lauter nah den Bahnen
Kühner Thaten, junges Herz?
Oder zieht das füge Mahnen
Dich der Liebe heimatwärts?
Alfo fteht er umentichloffen,
Während dort Gemorb’ne Ichon
Ziehn ms Feld auf flinfen Roſſen,
Zuftig mit Drommelenton.
„Komm in unsre Reiterfcharen!“
Fällt der Werber jubelnd en —
„Schönes Leben des Hufaren!
Das ift Leben, das allein!" —
Jünglings Augen flammen heller,
Seine Pulſe jagen ſchneller — —
— 503 —
Plöglih zeigt fih mir im Kreiſe
Eine finftere Geftalt,
75 Tiefen Ernftes, fchreitet letje,
Und beim Werber madt fie Halt.
Und fie flüftert ihm fo dringend
Ein geheime Wort ins Obr,
Daß er, hoch den Säbel ſchwingend,
80 Wie begeiftert lobt empor.
Und der Dämon ſchwebt zur Bande,
Facht den Eifer der Mufil
Mächtig an zum ſtärkſten Brande
Mit Geraun’ und Geifterblid.
85 Aus des Bafles Sturmgemittern,
Mit unendlich ſüßem Sehnen,
Mit der Stimmen weichem Zittern
Singen Geigen, Grabfirenen.
Und der Finftre ſchwebt enteilend
90 Dur der Lauſcher dichte Reihe,
Nur am Süngling noch verweilend,
Mie mit einem Blid der Weihe —
Bald im ungeftümen Werben
Wird der Liebe Klagelaut,
95 Wird das Bild der Heimat fterben.
Arme Mutter! arme Braut! —
Sn des Sünglings letztes Wanken
Bricht des Werbers rauhes Zanken,
Lacht des Werbers bittrer Hohn:
100 „Biſt wohl auch fein Heldenſohn!
Biſt kein echter Ungarjunge!
Feiges Herz! ſo fahre hin!“
Seht, er ſtürzt mit raſchem Sprunge —
Zorn und Scham der Wange Glühn —
105 Hin zum Werber; von der Rechten
Schallt der Handſchlag in den Lüften,
Und er gürtet, Fühn zum Fechten,
Schnell das Schwert ih um die Hüften. —
Mie beim Sonnenuntergange
110 Hier und bort vom Saatgefild
Stil waldeinwärts fchleiht das Wild,
Alfo von der Ungarn Wange
Flüchtet in den Bart herab
Stil die ſcheue Männerzähre.
115 Ahnen fie bes Jünglings Ehre?
Ahnen fie fein frühes Grab?
en St; Lenan.
— 504 —
334. Die Heideichente.
1. Ich zog durchs weite Ungarland;
Mein Herz fand feine Freude,
Als Dorf und Bufh und Baum verihwand
Auf einer ftillen Heide.
2. Die Heide mar fo ftill, fo leer,
Am Abendhimmel zogen
Die Wollen Hin, gemitterfchwer,
Und leiſe Blite flogen.
3. Da hört’ ich in der Ferne mas,
In dunkler, meilemmeiter;
Ich legte 's Ohr ans knappe Gras,
Mir war's, als kämen Reiter.
4. Und als fie kamen näherwärts,
Begann der Grund zu zittern,
Stets bänger, wie ein zage® Herz
Bor nahenden Gewittern.
5. Her tobte nun ein Pferdehauf,
Bon Hirten angetrieben
Zu raſtlos wilden Sturmeslauf
Mit lauten Geißelhieben.
6. Der Rappe peitjcht den Grund geſchwind
Zurüd mit ſtarken Hufen,
MWirft aus dem Wege fih den Wind,
Hört nicht fein ſcheltend Rufen.
7. Gezwungen iſt in firenge Haft
Des Wildfangs tolles Jagen,
Denn klammernd herrſcht des Reiters Kraft,
Um feinen Bauch gefhlagen.
8. Sie flogen Bin, woher mit Macht
Das Wetter fam gebrungen;
Berihwanden — ob die Wolkennacht
Mit einmal fie verfählungen.
9. Doch meint’ ih nun und immer noch
Zu hören und zu fehen
Der Hufe donnerndes Gepoch,
Der Mähnen ſchwarzes Wehen.
— 505 —
10. Die Mollen fchienen Roſſe mir,
Die eilend fi vermengten,
Des Himmels hallendes Revier
Im Donnerlauf durchſprengten;
11. Der Sturm ein wack'rer Roſſeknecht,
Sein muntres Liedel ſingend,
Daß ſich die Herde tummle recht,
Des Blitzes Geißel ſchwingend.
12. Schon rannten ſich die Roſſe heiß,
Matt ward der Hufe Klopfen,
Und auf die Heide ſank ihr Schweiß
In ſchweren Regentropfen.
13. Nun brach die Dämmerung herein;
Mir winkt' von fernen Hügeln
Herüber weißer Wände Schein,
Die Schritte zu beflügeln.
14. Es ſchwieg der Sturm, das Wetter ſchwand;
Froh, daß es fortgezogen,
Sprang übers ganze Heideland
Der junge Regenbogen.
15. Die Hügel nahten allgemach;
Die Sonne wies im Sinten
Mir nod von Rohr das braune Dad,
Ließ Hell die Fenfter blinken.
16. Am Giebel tanzte, wie beraufcht,
Des Weines grüner Beiger,
Und als ih freudig Hingelaufcht,
Hört’ ih Gefang und Geiger.
17. Bald kehrt' ich ein und feste mich
Allein mit meinem Kruge;
An mir vorüber drehte fich
Der Tanz in rafhem Fluge.
18. Die Dirnen waren friſch und jung
Und batten ſchlanke Zeiber,
Gar flint im Drehen, raſch im Sprung,
Die Burfde — waren Räuber.
19. Die Hände klatſchten, und im Talt
Hell flingt des Spornes Eifen;
Das Lieb frohlodet und es Hagt
Schwermütig kühne Weifen.
— 506 —
20. Ein Räuber fingt: „Wir find fo frei,
So jelig, meine Brüder!“
Am Jubeln feines Mund's vorbei
Schleicht eine Thräne nieber.
21. Der Hauptmann ug auf feinen Arm
Das braune Antlig jent
Er ſcheint entrüdt dem — Schwarm,
Wie an ſein Schickſal denkend.
22. Das Feuer ſeiner Augen bricht
Hindurd die finftern Brauen,
Wie nachts im Wald der Flamme Licht
Durch Büſche ift zu fchauen.
23. Wächſt aber Sang und Sporngellirr
Nun kühner den Genoflen,
Seh’ ich das leere Weingefhirr
Ihn Träftig niederftoßen.
24. Ein Mädel fitt an feiner Seit’,
Scheint ihn ala Kind zu ehren
Und gerne bier der Fröhlichkeit
Des Tanzes zu entbebren.
25. Auf ihren Reizen ruht fein Blid
Mit innigem Behagen,
Zugleih auf feines Kind's Geſchick
Mit heimlihen Bellagen. —
26. Stets wilder in die Seele geigt
Nun die Zigeunerbande,
Der Freude ſüßes Rafen fteigt
Laut auf zum höchſten Brande.
27. Und felbft des Hauptmanns Angeficht
Hat Freude überfommen; —
Da dat’ ich an das Hochgericht
Und ging hinaus, beilommen.
28. Die Heide war fo ftill, jo leer,
Am Himmel nur war Leben;
Ich fah der Sterne ftrablend Heer,
Des Mondes Völle ſchweben.
29. Der Hauptmann auch entfhlih dem Haus;
Mit wachſamer Gebärbe
Rings horcht’ er in die Nacht hinaus,
Dann horcht' er in die Erbe,
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30. Ob er nicht höre ſchon ben Tritt
Ereilender Gefahren,
Ob leiſe nicht der Grund verriet’
Anfprengende Hufaren.
31. Cr hörte nichts; da blieb er ftehn,
Um in die hellen Sterne,
Um in den hellen Mond zu fehn,
Als möcht’ er fagen gerne:
32. „D Mond im meißen Unfdhulbsffeib!
Ihr Sterne dort, unzählig!
In eurer ftillen Sicherheit,
Wie wandert ihr fo jelig!“
33. Er lauſchte wieder — und er fprang
Und rief hinein zum Haufe,
Und feiner Stimme Macht verfchlang
Nıplöglih das Gebraufe.
34. Und eh’ das Herz mir dreimal fchlug,
So jaßen fie zu Pferde
Und auf und davon im ſchnellſten Flug,
Daß rings erbebte die Erde.
35. Doc die Zigeuner blieben bier,
Die feurigen Gefellen,
Und fptelten alte Lieder mir
Rakoczys, des Rebellen.
nit. cenan.
325. Die Räuberbrüder.
1. „Vorüber ift der blut’ge Strauß;
Hier iſt's fo fill, nun ruh' dich aus!“
2. „„Vom Thal herüber fommt die Luft,
Horh, hörſt du niht? Die Mutter ruft.“ *
3. „Die Mutter ift ja lange tot,
Eine Glode klingt durchs Morgenrot.“
4. „„Lieb Mutter, hab’ nicht ſolches Leid!
Mein wildes Leben mich gereut. —““
5. „Was ſinkſt du auf die Knie' ing Gras?
Deine Augen dunkeln, du wirft fo blaß.“ —
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6. Es ward vom Blut der Grund jo rot,
Der Räuber lag im Grafe tot.
7. Da küßt' der Bruder den bleihen Mund:
„Dich liebt’ ich recht aus Herzensgrund.“
8 Vom Fels dann ſchoß er noch einmal
Und warf die Büchfe tief ins Thal.
9. Drauf fchritt ee durch den Wald zur Stadt:
„hr Herm, ich bin des Lebens fatt.
10. Hier ift mein Haupt; mım richtet bald,
Zum Bruder legt mi in ben j"
Jof. Aveih. v. dichendorſf.
326. Die Brüder,
Mühvoll, in der rechten Hand die Spindel,
Nährt' in böfer Zeit und Hungerjahren
Eine Mutter einft zwei liebe Knaben.
Schöne Namen thät fie ihnen geben,
Nannte den Prebrag, Nenad den andern.
Als Predrag das Roß befteigen konnte,
Roß beiteigen und die Lanze führen,
Floh das Haus er feiner greifen Mutter,
Ging ind Waldgebirge zu den Räubern.
Nur der Jüngre blieb, Nenad, der Mutter,
Der nit vom entfloh’nen Bruder wußte;
Blieb, bis er das Roß befteigen Tonnte,
Roß befteigen und die Lanze führen.
Siehe! da entfloh er auch der Mutter
In das Waldgebirge zu den Räubern.
Und er blied drei Jahre bei den Näubern.
Klug wohl ward der Jüngling und veritändig,
Und im Kampfe war das Glüd ihm günftig.
Drauf zum Hauptmann machten ihn bie andern;
Und als Hauptmann herrſchte er brei Sabre.
Da ergreift ihn Sehnfuht nad) der Mutter,
Und er ſpricht zu den Gefährten aljo:
„hr Gefährten, meine teuren Brüder!
Herzlich ſehn' ich mich nach meiner Mutter;
Zaflet, Brüber, uns das Geld drum teilen,
Daß ein jeder geh’ zu feiner Mutter!“
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Und ihm folgten gerne die Gefährten.
Als ein jeder nun fein Geld ausſchüttet,
Thun gar manden Schwur fe; dieſe ſchwören
Bei dem Bruder, jene bei ber Schweiter.
Auch Nenad, der Hauptmann, bringt fein Geld dar,
Und zu ben Gefährten fpridt er alſo:
„Ihr Gefährten, meine teuren Brüder!
Keinen Bruder hab’ ih, Feine Schweiter.
Schwören muß ich bei dem einz’gen Gotte:
Meine rechte Hand foll mir verdorren,
Meines guten Roſſes Mähne ſchwinden,
Roſten mir der fchneidend ſcharfe Säbel,
Wenn ich mehr als diefes Geld beſitze!“
Als die Räuber nun das Geld geteilet,
Schwang Nenad fih auf fein gute Rößlein
Und begab fidh zu ber alten Mutter.
Freudiglich empfing fie ihn zum ſchönſten,
Ihn mit jeglider Bewirtung abend.
Aber als fie bei der Mahlzeit fahen,
Sprach Nenad zu ihr die leiſen Worte:
„Liebe Mutter, bu verehrte Beeifin!
Brächt' es mir nicht Schande vor den Leuten,
Wär's nit Simde vor bes Herren Augen,
Fragen wird’ ich did, o meine Mutter:
Warum gabft du mir nicht einen Bruder,
Warum mir nicht eine liebe Schweiter?
Bei der Teilung unter ben Gefährten,
Jeglicher verſchwor fich hoch und teuer
Bei dem Bruder over bei der Schweiter;
Aber ich, bei meinen Waffen mußt’ ich,
Bei mir felbft und meinem Roſſe ſchwören.“
Lächelnd gab die Greifin ihm zur Antwort:
„Sprich nicht thöricht, Sohn Nenad, du Knabe!
Wohl hab’ ich nen Bruder Dir geboren,
Den Prevrag, ihn eh’r ala Dich geboren,
Bon dem geftern ich vernahm die Kunde,
Daß ein Straßenräuber er geworben,
In dem grünen Walde Garemwige,
Wo ald Hauptmann er die Bande führe.” —
Dranf entgegnete Nenad, der Knabe:
„Liebe Hutter, du verehrte Greifin,
Wolle eine neue Tracht mir fert’gen!
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Kurz fei fie und ganz von grünem Tuche,
Daß den Bäumen ih des Waldes gleiche!
Gehen will ih, meinen Bruber juchen,
Daß fih mir die inn’re Sehnſucht ftile.” —
Drauf verfegt die alte liebe Mutter:
„Sprich nicht thöriht, Sohn Nenad, du Knabe!
Mürd’ft mutwillig deinen Kopf verlieren.“ —
Doch Nenad gehorchte nicht der Mutter,
Sondern that, was ihm gebot die Seele.
Kleidete fih an, in neue Kleider,
Abgekürzt und ganz von grünem Tuche,
Daß er einem Baum des Waldes gleiche.
Drauf ein gutes Roß beftieg der Jüngling,
Ritt davon, den Bruder zu erforfchen,
Daß fih ihm die inn’re Sehnfudt ftilfe.
Und er ließ nicht hören feine Stimme,
Nicht zum Räufpern, nit dem Roß zum BZuruf;
Aber ala er kam nah Garewitza,
Rief er laut, als wie der graue alle:
„Garewika, grünes MWaldgebirge !
Birgeft du nicht einen jungen Helden,
Den Prebrag, ihn, meinen einz’gen Bruder?
Birgt dein Dickicht nicht noch andre Helden,
Die da find Gefährten meines Bruders?“ —
Nahe, unter einer grünen Tanne,
Saß Predrag, am goldnen Wein fi abend.
Als des Jünglings Stimm’ er hört! im Walde,
Sprad er aljo zu den andern Räubern:
„Ihr Gefährten, meine lieben Brüber,
Legt in Hinterhalt euh an den Heerweg,
Harret dort des unbelannten Kriegers;
Aber ſchlagt ihn nicht, noch nehmt ihm Geld ab,
Sondern führt zu mir ihn mohlbehalten!
Mer er fei: er ift mir angehörig.“
Und es gingen dreißig junge Burfchen,
Stellten an drei Stellen fi) zu zehnen.
Als er bei den eriten zehnen anlangt,
Wagt es feiner, ihm in Weg zu treten,
Ihm in Weg, dab er fein Roß anbalte.
Alle ftehn mit angelegten Bogen,
Und es fpricht Nenad, der Jüngling, alfo:
„Schießet nicht, ihe Brüder aus dem Walde!
Gott behüt' euch ewig vor der Sehnſucht,
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Wie ich fie um meinen Bruder leide,
Die mih Armen in der Welt umbertreibt!" —
Drauf in Frieden Iafien fie ihn ziehen.
115 Als er bei den andern zehmen anlangt
Und fie mit gefpannten Bogen ftehen,
Nedet abermals Nenad zu ihnen:
„Schießet nicht, ihr Brüder aus dem Walde!
Gott behüt’ eud ewig vor der Sehnſucht,
120 Wie ih fie um meinen Bruber leide,
Die mih Urmen in der Welt umbertreibt!”
Und in Frieben laſſen fie ihn ziehen.
Als er bei den dritten zehnen anlangt,
Stehn auch fie da mit gefpannten Bogen.
125 Ungeduld'ger Zorn ergreift den Süngling,
Und er Tämpft mit allen dreißig Helden.
Zehne metzelt ſchnell fein Säbel nieber,
Andre zehne ftampft fein Roß zu Boden,
Sn den Wald jagt er die dritten zehne,
130 Zn den Wald und in das alte Wafler.
Kam die Kunde eiligft zu dem Hauptmann:
„Weh! Prebrag! meh uns, o tapfrer Hauptmann!
Kommen ift ein unbelannter Krieger,
Der dir nieberhaut al’ die Gefährten.“
135 Auf die leihten Füße ſpringt Prebrag ſchnell,
Greifet ſchnell nach Pfeilen und dem Bogen,
Wirft fih in den Hinterhalt am Heermeg,
Sitet unter einer grünen Tanne nieber,
Und den Pfeil zieht er zum Schuſſe fertig.
140 Böſe Stelle traf der Pfeil im Fluge,
Böſe Stelle, traf das Herz des Helden.
Wie der graue Falle kreiſcht Nenad auf,
Lauten Schrei’3 fih an das Roß anklammernd:
„Weh dir, Weh! Held aus dem grünen Walde!
145 Lebend, Bruber, foll der Herr did firafen!
Deine rechte Hand foll dir verdorren,
Die den mörberifhen Pfeil entſendet;
Aus der Stimm dein rechted Auge fpringen,
Das mein Herz zum blut’gen Biel erjehen!
150 Nah dem Bruder quäle dich die Sehnfucht,
Wie fie mid um meinen Bruder quälet,
Die mid Armen in der Welt umbertreibt
Und mich Heut in mein Verderben ftürzte!” —
Als Predrag die Worte jetzt vernommen,
155 Bon der Tanne ſpringt er zu ihm, fragenb:
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„Sprih, mer bift du, Held, und weldes Stammes?" —
Ihm entgegnete der wunde Jüngling:
„Was doch fragſt du mich nach meinem Stamme?
Willſt du dich mit mir doch nicht verſchwägern!
160 Ich bin Held Nenad, ein armer Jüngling;
Eine alte, ganz verlaſſ'ne Mutter
Hab' ich nur und einen einz'gen Bruder,
Den Predrag, ihn, meinen ältern Bruder,
Den ich ſuchend in der Welt umherzieh',
165 Daß ſich mir die inn're Sehnſucht ſtille,
Die mich heut in Tod ſtürzt und Verderben!“
Aber als Predrag das Wort vernommen,
Heft’gen Schredes warf er fort die Pfeile,
Stürzte zu dem tobeswunden Helden,
170 Nahm vom Roß ihn, auf das Gras ihn ſetzend.
„Vie, beit du's, Nenad, mein teurer Bruder?
Ich, ih bin Predrag, bein ältser Bruder!
Doch nicht töhlich find mir deine Wunden!
Laß dies feine Hemde mich zerreißen,
175 Daß ich dich verbinde und dich heile!” —
Ihm entgegnete der wunde Süngling:
„So bift du es, o Predrag, mein Bruder?
Dank dem Herrn, daß ich dich noch erblide
Und fih mir die inn're Sehnſucht ftillet;
180 Nicht genefen kann id von den Wunden,
Doch dir fei mein blut’ger Tod verziehen!” —
Alſo rief er und zur Stel’ entfchlief er,
Auf ihn warf Predrag fih in Verzweiflung:
„DO Nenad! o meine lihte Sonne!
185 Seitig bift du mir einft aufgegangen!
Zeitiger noch bift Du untergangen!
Mein Bafılilum in grünem Gäkrtlein!
Zeitig bift bu einftmals mir erblühet,
Aber zeitiger bit du verwelfet!" —
190 Und er riß das Meſſer aus dem Gürtel,
Und ins tiefe Herz die Spitze ftoßend
Sanf er tot bei feinem Bruder nieder.
Galpi.
— — — —
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327. Piaumis und Puras.
„Wer zuerſt gefaßt den Enterhaken,
Mer zuerit in Mehons Schiff geiprungen,
Wer allein ihn in den Grund gefchmettert,
Jeder weiß es bier im Voll von Maina;
Komm nur, Pſaumis, fomm und nimm mir, nimm mir
AN die Waffen Mehons! Nimm den Säbel,
Gürt' ihn um dir! — Nimm die bunte Flinte!
Nimm das ganze Schiff mir, nimm es, nimm es,
Nimm’8 — und trag es deinem Weib ind Haus hin!
Nimm ganz Maina, wirf ed in den Schoß ihr!
Ruhig werd’ ich zufchaun, ungereget,
Ungeregt wie jener QTurm der Slippe.
Doch es wird dereinſt fih Puras rächen,
Nicht wie ſchwache Kinder, nein, wie Puras!“ —
Puras ſpricht's und wirft Die Heldenwaffen,
Die von Golb und Pradtjumelen ſchimmern,
Zu den Füßen Pſaumis; der entgegnet:
„Schmähend vor die Füße mwirflt du, Puras,
Mir die Waffen, die mit Blut erfämpften,
Die geteilt ih wollte? — Wille, Puras,
So befhmähte Schenkung nimmt Tein Pfaumis! —
Liegen mögen fie am Strand und faulen,
Faulen ſamt dem Schiff, das wir erbeutet!
Geh und droh’ mir! AU dein Droben ift mir
Wie die Welle, die vom Stein herabtrieft.
Aber wahr’ vor mir dich! Pſaumis' Feindichaft
Wird im heilen Leib das Herz dir treffen!" —
Pſaumis fpriht es. — Trauernd rings umdrängt ihn
Mainas Boll; die Krieger und die Greife
Mühn umfonft fi ab, den Haß zu fühnen.
Auseinander trennen fi) die Führer,
Scheiben ihre Krieger, ihre Schiffer;
Und die Beute dort am Ufer laſſend,
Wild die Loden fchüttelnd, wandeln jebt fie,
Der am Strand hin, der im Myrtenwalde.
Keiner denkt der Seinen, jeder finnt nur,
Mie er Leid auf Leid am höchſten türme,
Wie den andern er am tiefften kränke.
Nur gefolgt von zweien feiner Krieger,
Um den Klippenrand Bin wandelt Puras;
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Fliegt fein Blick Binauf zur Felſentreppe,
Wo aus uneinnehmbar hoher Grotte
Pſaumis' junge Gattin nieberfteiget;
Niederfteigt fie, allen Streit zu fühnen. —
Aber Puras rufet die Gefährten,
Läßt fie rauben und berabgetragen
Sn ein Boot fie fchleppen, fpringt hinein dann:
„Schnell hinüber“, ruft er, „ſchnell hinüber
Zu der Neede, zu dem Sklavenkäufer!
Schwinden wird vor Gram ber ftolge Pſaumis,
Hört er, wie fein Weib als Sklavin dienet!“
Schreien vor Entfegen will die Schöne;
Doch man hält den Dolch ihr dit and Auge,
Bis fie ftumm wird, gleih dem Bild von Marmor. —
Leicht beſchwingt von fchnellen Nuderfchlägen,
Teilt der Kiel die purpurblaue Meerflut.
Als zum Sklavenläufer fie gelanget,
Nimmt ihr Puras vom Gefiht den Schleier,
Bietet fie zum Kauf für neunzig Golbftüd”.
„Richt zu tadeln ift fie”, fpricht ber Fremde,
„Richt zu tadeln; doch von Pfaumis kauft' ich
Eben eine ſchön're für die Hälfte.“
Da erzitterten die Kniee Puras:
„Laß fie Shaun, die du gefauft von Pfaumis!“
„Schau, fie liegt am Boden bier, in Ohnmacht,
Bleih von Schreden; doch fie rötet bald ſich,
Wie das Blatt der jungen Frühlingsroſe.“ —
Als nun Puras hinſchaut, füllt fein Auge
Schwarzes Dunkel, und fein Herz erftarret,
Wie er feine Gattin fieht ala Sklavin.
Wo die Seele Puras' war, wer fagt es?
Aber zu ſich felber ſprach die Seele:
„Wahrlich, Pſaumis trifft im beilen Leibe
Dir das Herz, wie er vorhin gedrohet!“
Als die Seele Puras nun zurückkam,
Blidt’ er auf, ala fänn’ er einen Anfchlag,
Spridt zum Fremden: „Schön ift die Gekaufte,
Schön, doch die ih bringe dir, nicht minder.
Nimm fie für den Preis, den du geboten! —
Mir nit, — gieb das Gold dort meinen Leuten!" —
Als nun Pſaumis' Gattin fo verlauft war
Und entwandert in das Schiff ala Sklavin,
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Nufet Buras: „Nun, du SHavenläufer,
Auf die Segel! Flieg in alle Winde,
85 Daß von Maina dich Fein Schiff erreihe!” —
Nicht verfteht der Fremde diefe Drohung;
Aber Puras jaget nach dem Ufer,
Mit beihwingtem Ruder nah dem Ufer,
Mo bereit die Kunde fich verbreitet
90 Bon des Pjaumis That und der des Purad. —
Als er nun and Land fpringt jähen Sprunges,
Schnell entgegen fommt ihm, tritt ihm Pfaumis.
Staunend voreinander ftehn fie, ftarren
Aug’ in Aug’ fih an. Gedenkend beibe,
95 Wie fie fih vordem nur Holdes thaten,
Wie fie jebt das Bitterfte gethan fich,
Starten lange fie, bis beiver Augen
Sih mit Thränen füllen, bis fie weinen,
Bis fie finlen Herz an Herz! — Da drängt fi
100 Freudig rings herzu das Volk von Maine.
Aber Puras hebt das Haupt und rufet
„Auf nun, Pſaumis! Auf, ihe meine Freunde!
Auf, zu Schiff! Der Fremde fpannt die Segel —
Zeigen wir ihm ſchnell ein Schiff von Maina!”
105 Ha, wie rührt fih alles nun am Strande,
Auf dem Schiff, im Taumerk, auf den Maften,
Auf den Raben, alle Segel fliegen,
Und im Winde fchwebt das Schiff; wie Schwalben,
Nur der Wogen weiße Spiten rührt «8,
110 Tragend Pfaumis und den fühnen Puras.
Bald erjagen fie des Fremden Yahrzeug,
Rufen ſchnell hinüber durch das Sprachrohr:
„Nimm das Gold zurück, das du gezahlet!
Gieb heraus die Frauen, gieb heraus ſie!“
115 Doch der Überkühne! nicht mit Worten,
Mit Kanonen donnert er die Antwort. —
Ha, wie jagt da das Mainottenihiff ihm
Dicht heran mit gleichen wilden Donnern!
Es verwidelt fih mit jenes Schnabel;
120 Mutig wehrt der Feind fi; doch fein Schiff ift
Bald erflettert und zu Grund gejchmettert;
Überall Hin treiben feine Planken. —
Heimmärts mit den Weibern ziehn bie Sieger.
Subellaut empfängt am hohen Strand fie.
125 Und ein Feuer jhüren fie am Strande,
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Mächtig, übergroß und überprädtig;
Buras felbft und Pſaumis tragen Brände,
Zu verbrennen jene Feindesmaffen,
Mehons Waffen, die den Streit erreget.
A. Ropiid.
328. Des Sapiehn Radıe.
In dem niebern Steinhaus von Wilkowo
Steht der ftolze Fürſt Marecin Sapieha,
Mühſam ſchmeichleriſches Lächeln heuchelnd,
Mühſam ſeine Stirn von Falten glättend,
Mühſam nur nach milden Worten haſchend
Gegen den ergrauten Herrn Wilkowski,
Klopft den Szlacheie“ traulich auf die Schulter,
Nennt ihn edler Herr und Herzensvater:
„Fordre was du willit, es fol dir werben.
Bei der Mutter Gott’3 von Czenſtochowa
Schwör' ich's, alles will ich gern gewähren:
Silber, Gold und Ungarmein und Stiefeln,
Deinen Scheden, hörſt du's, meinen Scheden —
Nur verlaufe mir dein Gut Wilkowo.
Alles Land gehört hier dem Sapieha
Zwanzig, dreißig Stunden in der Runde,
Nur der Blumentopf, die Hand voll Dünger,
Dein Willomo nit — der Schwarze hol’ es!
Frei will ih zu Roß den Hafen heben,
Sagen — ja, fo weit der Himmel blau ift,
Will von Feinem morſchen Grenzpfahl wiſſen.
Dein Wilkowo, Brüderchen, verfauf e8.“
Rückwärts winkt Sapieha zween Heibuden.
Säbelflappernd nahen die Trabanten,
Tragend jeder zwei gewicht'ge Säcke,
Klimpern mit den ſchönen Silbermünzen,
Schütten dann die Gulden auf den Steintiſch,
Zauter blanke, neugeprägte Gulden,
Aus dem Tleinern Beutel die Dufaten
Mit der Jungfrau und dem Jeſusknaben,
Mit dem Nitter und den fieben Pfeilen.
Zuftig rollten weiß' und rote Gulden**
* Szladieic = Edelmanı.
”* Note Gulden, poln. — Dulaten.
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Bon dem Steintifh in des Zimmers Winkel.
„Brüderchen, verlaufe mir Willomo“,
Spridt Sapieha, „all das Gold ift deine.“
Den gefchornen Scheitel wiegt der Szlacheic,
Blidt zu Boden, dreht den Bart verlegen,
Räuſpert fih und lächelt, doch gezwungen,
Neigt demütig fih und küßt Sapiehas
Schnurbefegtes Kleid am tiefiten Saume,
Spridt mit blöber Stimme: „Fürft Sapieha,
Gnäd’ger Herr, behalte deine Gulden,
Laß fie wieder in die Säde jperren.
Nimmermehr vertröbl’ ich mein Willowo;
Bon dem Vater hab’ ich es ererbet,
Der von feinem, jener von dem Ahne:
Stammgut ift’s, e8 lieh und ja den Namen.
In der Kirche tauften fie den Säugling,
In der Kiche traute man ben Bräut’gam,
In der Kirche ruhen Weib und Kinder,
In der Kirche will ih felber ruhen;
Gnäd’ger Herr, behalte deine Gulden.“ —
In die Lippe beißt fih Herr Sapieha,
Böſes Zuden bligt im Mundeswinkel,
Tiefe Falten furden feine Stirne;
Doch er ſpricht Fein Wort, nidt mit dem Slopfe,
Daß die weiße Reiherfeder ſchwanket,
Wendet fih und gebt. DBegierig raffen
Die Heiduden das verftreute Silber,
Ängftlih Hilft Herr Sewerin Wilkowski.
Dftern iſt's, das Feſt der Auferftehung,
Und die lange Faftenzeit zu Ende.
In der Kirche hat ber Propft das Frühſtück
Eingeweiht, den Barszcz*, den fetten Schinken,
Hat den Gallert und den Wein beiprenget.
Zu Kozmin, im Hauptthor, unterm Wappen
Steht der ſtolze Fürft Marcin Sapieha,
Sieht mit troß’gem Lachen das Gemimmel
Seiner Gäfte in den Schloßhof fluten,
Grüßt von weiten fchon mit hellem Rufe,
Heißet die Geladenen willkommen
Und den blöden Fremdling näher treten.
* Bardzcz, polnifches Nationalgericht.
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Alle küßt er Herzlich auf die Schulter,
Küffet auch Herrn Sewerin Willowski,
Nennt ihn Bruder, vielgeliebten Nachbar,
Schilt ihn freundlich, daß er erſt dem dritten
Boten zugeſagt, der ihn geladen,
Führt die Gäſte in die räum'ge Halle.
Jedem wünſcht er Glück zum Dfterfefte,
Reicht das harte Ei, den ſcharfen Branntwein.
„Zugelangt!“ fo ruft er, „luftig, ungen!
Endlich ift die Fastenzeit vorüber,
Die den Magen uns mit DI verkleiftert
Vierzig Tage. Holt e8 nah, ihr Herren!”
Haftig drängen ſich die edlen Polen
Um den Tifch, ergreifen die Pokale,
Die Irvftallnen, voll vom Ungarweine,
Laſſen Hoch den ſtolzen Fürften leben,
Werfen raſch den Becher an die Mauer,
Daß die Scherben klingend nieberfallen.
Keine Lippe fol fie mehr entweihen,
Seit des hohen Hausheren Wohl getrunfen.
Und das Frühmahl wird zum Mittagamable,
Und das Mittagamahl beleuchten Kerzen;
Als die Kerzen aber bis zu Stümpfchen
Ahgebrannt, ruft wieder man zum Frühmahl.
Immer kreiſt der große Silberhumpen,
Der zwei Maße faßt und wohl noch drüber.
Immer tönt’s: Es ift an dir, mein Bruder!
Und der Wirt umfaßt der Läſſ'gen Kniee,
Bittet, fleht, den Ungar nicht zu fchonen,
Bittet, fleht Herrn Sewerin Wilkowski,
%a drei Tage auszuhalten,
Alle drei hochheil'gen Oftertage; |
Küßt ihn zärtlich auf den grauen Schnurrbart,
Schwört ihm Brubdertreu’ auf ew’ge Zeiten —
Und der Alte muß dem Herrn gehordhen.
Hei! das ift ein Iuft’ges Polenleben!
Paufen und Trompeten vom Altane,
Dudelſack und Geige vor dem Thore,
Neue Fäſſer den ſtets durft’gen Kehlen,
Wangen rot vom Wein und Augen funlelnd,
Küffe, Schwüre, ſcharfe Säbelhiebe,
Neue Becher, neue Brubderfüffe.
Ya, der Fürſt Sapieha ift fein Knicker,
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ft ein Pole no vom alten Schlage,
Gaftfreundichaft auf Sarmaten-WWeife.
Drei der Tage ſchmauſen die Gelabnen,
BZechen zwei der Nächte in der Halle,
Schwingen dann fi taumelnd auf bie Rofie,
Werfen fich meinfchläftig in die Briczken,
Und ihre Jauchzen tönt noch aus ber Ferne.
Naht iſt's. Schlummernd nidt der Herr Wilkowski
Mit dem grauen Haupt. Die Roffe fliegen
Hurtig, nach dem heim'ſchen Stall ſich fehnend,
Durch den meiden Sand ber Kiefermälber.
Plöglih zieht Janeczek firamm die Hügel,
Hält die Schimmel, reibt fih ftumm das Auge,
Murmelt leiſ' Gebet und laute Flüche;
Und der Herr ermadt: „Mas foll ed, Junge?
Irr' gefahren bift du. Wart’, die Peitjche
Sol dich lehren, du vertradter Dummkopfl“
„Herr, das geht nicht zu mit rechten Dingen.
Schaut doch jelbft! Hier fteht das alte Steinkreuz,
Dort die Linde, die der Blig getroffen —
Hundert Schritte ftehn fie von Wilkowo —
Und fo wahr ich meine Mutter liebe!
Kreuz und Linde feh’ id — nidt Wilkowo!“
Aus der Briczka fpringt der alte Szlacheic,
Wirft den Pelz zurüd, die Lämmermütze,
Starrt ins Dunkel, keines Wortes mächtig.
Föhren wiegen rings die dunklen Wipfell —
Alles ſtumm, fogar die Krähen ſchlafen —
Mo Willomo ftand, ift lockrer Ader.
„Heba! Hilfe AM ihr heil'gen Helfer!“
Nuft der Alte. „Jeſus und Maria!
Hilfe! Hilfe! Bin ih toll geworden?”
Und da regt ſich's furchtſam in den Büfchen.
Greiſe lauſchen fehüchtern aus den Sträudern,
Weiber mit den Kindern auf dem Arme,
Die vor Kälte zitternd leife wimmern;
Männer drängen fi um ihren Herren,
Wollen reden, doch die jalz’ge Thräne
Tröpfelt über ihre bärt'gen Wangen;
Endlih ftammeln alle durcheinander:
„Die Koſaken find ins Dorf gelommen,
Die Kofalen des Marcin Sapieha,
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Hundert Mann mit Säbeln und Piftolen.
Hütt’ und Steinhaus haben fie zertrümmert,
Unfre Herden nach Kozmin getrieben,
Uns ins Joch geipannt und, Peitſchen ſchwingend,
Uns des Dorfes Boden adern laflen
Und dann Salz gefäet in die Furchen.
Fertig wurden fie erft dieſen Abend.” —
Lautlos blidt Herr Sewerin zur Erbe,
Wiſcht fih mit dem Ballen große Tropfen
Aus dem Auge, von dem grauen Barte,
Seufzt dann leife: „Ach, mein armes Dörfchen!
Und die Kirche — und die teuern Särge —!“
Alfo rächte ſich Marcin Sapieha
Zu den Zeiten der erlauchten, freien
Republik Polonia, da man zählte
Tauſend ſiebenhundert zwei und vierzig.
3. v. Gauby.
329. Salas y Gomez.
1.
Salas y Gomez raget aus den Fluten
Des ſtillen Meers, ein Felſen kahl und bloß,
Verbrannt von ſcheitelrechter Sonne Gluten,
Ein Steingeſtell ohn' alles Gras und Moos,
Das ſich das Volk der Vögel auserkor
Zur Ruhſtatt im bewegten Meeresſchoß.
So ſtieg vor unſern Blicken ſie empor,
Als auf dem Rurik: „Land im Weiten! Land!“
Der Ruf vom Maftlorb drang zu unferm Ohr.
Als uns die Klippe nah vor Augen ftand,
Gemwahrten wir der Meeresvögel Scharen
Und ihre Brütepläte längs dem Strand.
.. Da frifher Nahrung wir bedürftig waren,
So ward beſchloſſen, den Verſuch zu wagen,
In zweien Booten an das Land zu fahren.
Es ward dabei zu fein mir angetragen.
Das Schrednis, das der Ort mir offenbart,
Sch werd’ es jegt mit fchlichten Worten jagen. —
Mir legten bei, beftiegen wohlbewahrt
Die ausgefehten Boote, ftießen ab,
Und längs der Brandung rubernd ging bie Yabtt.
— 521 —
Wo unterm Wind das Ufer Schub uns gab,
Ward angelegt bei einer Yeljengruppe,
Wir ſetzten auf das Trodne unjern Stab.
Und eine rechts, und links die andre Truppe,
Berteilten fi den Strand entlang die Mannen,
Sch aber ftieg hinan die Felſenkuppe.
Bor meinen Füßen wichen faum von bannen
Die Vögel, welde die Gefahr nicht Tannıten
Und mit geftredten Häljen fi befannen.
Der Gipfel war erreicht, die Sohlen brannten
Mir auf dem beißen Schieferftein, indeſſen
Die Blide den Gefichtöfreis rings umfpannten.
Und wie die Wüftenei fie erft ermeſſen
Und wieder erdwärts fich gefentet haben,
Läßt eines alles andre mid vergeſſen:
Es hat die Hand des Menſchen eingegraben
Das Siegel feines Geiftes in den Stein,
Worauf ich ſteh', — Schriftzeichen ſind's, Buchſtaben.
Der Kreuze fünfmal zehn in gleichen Reihn,
Es will mich dünken, dab fie lang’ beftehen,
Doch muß die flüht’ge Schrift Bier jünger fein.
Und nicht zu leſen! — deutlich noch zu ſehen
Der Tritte Spur, die fie verlöfchet faft;
Es ſcheint ein Pfad darüber bin zu geben.
Und dort am Abhang war cin Drt der Raſt,
Dort nahm er Nahrung ein! dort Eierfchalen!
Mer war, wer ift ber grauſen Wildnis Gaft?
Und fpähend, laufchend fchritt ich auf dem kahlen
Geſims einher zum andern Felfenhaupte,
Das zugewendet liegt den Morgenftrablen.
Und wie id, ber ih ganz mich einfam glaubte,
Erklomm die lebte von den Schieferftiegen,
Die mir die Anfiht von dem Abhang raubte,
Da ſah ich einen Greifen vor mir Liegen,
Wohl hundert Jahre, mocht' ich ſchätzen, alt,
Des Züge, ſchien ed, wie im Tode jchwiegen.
Nadt, Ianggeftredt die riefige Geftalt,
Bon Bart und Haupthaar abwärts zu den Lenden
Den bagern Leib mit Silberglanz umwallt,
Das Haupt getragen von des Felſen Wänden,
Im ftarren Antlit Ruh, die breite Bruft
Bedeckt mit über Kreuz gelegten Hänben.
Und wie entfeßt, mit fchauerlicher Luft,
Ich unverwandt das große Bild betrachte,
Entfloffien mir die Thränen unbewußt.
23.
24.
— 522 —
Als endlih, wie aus Starrlrampf, ich erwachte,
Entbot ih zu der Stelle die Gefährten,
Die bald mein lauter Ruf zufammenbradte.
Sie lärmend herwärts ihre Schritte Tehrten
Und ftellten, bald verftummend, fi zum Kreis,
Die fromm die Feier ſolchen Anblids ehrten.
Und feht! noch reget fi, noch atmet leif’,
Noch Tchlägt die müden Augen auf und bebt
Das Haupt empor der wunderſame Greis.
Er haut uns zweifelnd, flaunend an, beftrebt
Sih noch zu ſprechen mit erftorbnem Munde, —
Umfonft! er finkt zurüd, er bat gelebt.
Es ſprach der Arzt, bemüh’nd in diefer Stunde
Sich um den Leihnam noch: „ES ift vorbei.”
Wir aber ftanden betend in der Runde.
Es lagen da der Schiefertafeln drei
Mit eingerister Schrift; mir warb zu teile
Der Nachlaß von dem Sohn der Wüftenet.
Und wie ih bei den Schriften mich verweile,
Die rein in fpan’scher Zunge find gefchrieben,
Gebot ein Schuß vom Schiffe her uns Eile.
Ein zweiter Schuß und bald ein dritter trieben
Bon dannen uns mit Haft zu unfern Booten;
Wie dort er lag, ift liegen er geblieben.
Es dient der Stein, worauf er litt, dem Toten
Zur Nubeftätte mie zum Monumente,
Und Friede fei dir, Schmerzensfohn, entboten!
Die Hülle giebft du Hin dem Elemente,
Allnächtlich ftrahlend über Dir entzünden
Des Kreuzes Sterne fih am Yirmamente,
Und, mad du litteft, wird dein Lied verkünden.
2. Die erite Schiefertafel.
Mir war von Freud’ und Stolz die Bruft gefchwellt,
Ich ſah bereit3 im Geifte hoch vor mir
Gehäuft die Schäte der gefamten Welt.
Der Evelfteine Licht, der Perlen Bier
Und der Gewänder Indiens reichſte Pracht,
Die legt’ ich alle nur zu Füßen ihr.
Das Gold, den Mammon, diefe Erdenmadt,
An melder fih das Alter liebt zu fonnen,
Ich hatt's dem grauen Bater bargebract;
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Und felber hatt’ ich Ruhe mir gewonnen,
Gekühlt der thatendurft’gen Jugend Glut
Und war gebuldig worden und befonnen.
Sie ſchalt nicht fürder mein zu raſches Blut;
Ich wärmte mich an ihres Herzens Schlägen,
Bon ihren weichen Armen fanft umrubt.
Es ſprach der Vater Über uns den Segen,
Ich fand den Himmel in des Haufes Schranfen
Und fühlte feinen Wunſch fih fürder regen. —
Sp wehten thöricht vorwärts die Gedanken;
Ich aber lag auf dent Verdeck zu Nacht
Und ſah die Sterne dur das Tauwerk ſchwanken.
Ich ward vom Wind mit Kühlung angefacht,
Der fo die Segel fpannte, daß wir faum
Den flücht'gen Weg je ſchnellern Laufs gemacht.
Da fchredte mid ein Stoß aus meinem Traun,
Erbröhnend dur das ſchwache Bretterhaus;
Ein Wehruf hallte aus dem untern Raum.
Ein zweiter Stoß, ein dritter; Trachend aus
Den Fugen riß das Plankenwerk, die Welle
Schlug Ihäumend ein und endete den Graus.
Berlorner Schwimmer in der Brandung Schwelle!
Noch rang ich jugendfräftig mit den Wogen
Und ſah noch über mir die Sternenbelle.
Da fühlt’ ih in den Abgrund mich gezogen,
Und wieder aufwärts fühlt’ ih mich gehoben
Und jchaute einmal noch des Himmels Bogen.
Dann brach bie Kraft in der Gewäſſer Toben;
Ich übergab dem Tod mich in der Tiefe
Und fagte Lebewohl dem Tag bort oben.
De ſchien mir, daß in tiefem Schlaf ich fchliefe
Und fei mir aufzuwachen nicht verliehen,
Obgleich die Stimme mir’3 im Innern riefe.
Ich rang, mich ſolchem Schlafe zu entziehen,
Und ih befann mid, ſchaut' umber und fand,
Es babe bier des Meer mich ausgefpieen.
Und wie vom Tobesfchlaf ich auferftand,
Bemüht ich mich, die Höhe zu erfteigen,
Um zu erlunden bie mein Rettungsland.
Da wollten Meer und Himmel nur fih zeigen,
Die dieſen einfam nadten Stein ummwanden,
Dem nadt und einfam felbft ich fiel zu eigen.
Wo dort mit voller Wut die Wellen branden,
Auf fernem Riffe war dad Wrack zu fehen,
Woſelbſt e8 lange Jahre noch gejtanden:
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Mir unerreihbar! — und des Windes Wehen,
Der Strom entführen feewärts weiter fort
Des Schiffbruchs Trümmer, welcher dort gefchehen.
Sch aber date: Nicht an ſolchem Ort
Wirſt lange die Gefährten du beneiben,
Die früher ihr Geſchick ereilte dort.
Nicht alſo! — Mi, ed will nur mich vermeiden!
Der Bögel Eier reihen bin allein
Mein Leben zu verlängern und mein Leiden.
Selbander Ieb’ ich fo mit meiner Bein
Und frage mit den ſcharfen Mufchelicherben
Auf diefen mehr als ich gebuld’gen Etein:
„Ich bin noch ohne Hoffnung bald zu fterben.“
3. Die andre Sciefertafel.
Ich ſaß vor Sonnenaufgang an dem Strande;
Das Sternenkreuz verlünbete den Tag,
Sich neigend zu des Horizontes Rande,
Und noch gehüllt in tiefes Dunkel lag
Bor mir der Often; leuchtend nur entrollte
Zu meinen Füßen fi der Wellenſchlag.
Mir war, ala ob die Naht nicht enden wollte;
Mein ftarrer Blick Iag auf des Meeres Saum,
Mo bald die Sonne fi erheben follte.
Die Vögel auf den Neftern, wie im Traum,
Erhoben ihre Stimmen, blaß und blafler
Erlofh der Schimmer in der Brandung Schaum.
Es fonderte die Luft fih von dem Waſſer,
In tiefem Blau verſchwand der Sterne Chor;
Ich kniet' in Andacht, und mein Aug’ ward nafler.
Nun trat die Pracht der Somne felbft hervor,
Die Freude noch in wunde Herzen jentt;
Sch richtete zu ihr den Blid empor: —
Ein Schiff! ein Schiff! mit vollen Segeln Ienft
Es herwärts feinen Lauf, mit vollem Winde!
Noch lebt ein Gott, der meines Elends denft!
D Gott der Liebe, ja, du ftrafft gelinde!
Kaum bab ich Dir gebeichtet meine Neu’,
Erbarmen übft du fchon an beinem Kinde!
Du öffneft mir das Grab und führſt aufs new’
Zu Meniden mid, fie an mein Herz zu brüden,
Zu leben und zu lieben marm und treu.
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— 528s —
Und oben auf der Klippe höchſtem Rücken
Betrachtend ſcharf das Fahrzeug, ward ich bleich:
Noch mußte mir bemerkt zu werden glücken!
Es wuchs das hergetrag'ne Schiff, zugleich
Die Angſt in meinem Buſen namenlos;
Es galt des Fernrohrs möglichen Bereich.
Nicht Rauch! nicht Flaggentuch! — ſo bar und bloß,
Die Arme nur vermögend auszubreiten!
Du kennſt, barmherz'ger Gott, du fühlſt mein Los!
Und ruhig ſah ich her das Fahrzeug gleiten
Mit windgeſchwellten Segeln auf den Wogen
Und ſchwinden zwiſchen ihm und mir die Weiten.
Und jetzt! — es hat mein Ohr mich nicht betrogen,
Des Meiſters Pfeife war's, vom Wind getragen,
Die wohl ich gier'gen Durſtes eingeſogen.
Wie wirſt du erſt, den ſeit ſo langen Tagen
Entbehrt ich habe, wonnereicher Laut
Der Menſchenred', and alte Herz mir ſchlagen! —
Sie haben mich, die Klippe doch erſchaut?
Sie rücken an die Segel, im Begriff
Den Lauf zu ändern — Gott, dem ich vertraut!
Nah Süden — —? Wohl! fie müſſen ja das Riff
Umfahren, fern fich halten von der Brandung.
D gleite ficher, hoffnungsſchweres Schiff! —
Seht wär’ e8 an der Zeit! O meine Ahndung!
Blickt her! blickt her! Tegt bei! jet aus das Boot!
Dort unterm Winde, dort verfuht die Landung! —
Und ruhig vorwärts ftrebend ward das Boot
Nicht ausgefegt, nicht ließ es ab zu gleiten;
Es wußt' gefühllos nichts von meiner Not.
Und rubig ſah ih Hin das Fahrzeug gleiten
Mit windgeihwellten Segeln auf den Wogen
Und wachſen zwiſchen mir und ihm die Weiten.
Und als es meinem Blide ſich entzogen,
Der’3 noch im leeren Blau vergebens ſucht',
Und ich verhöhnt mich wußte und belogen,
Da hab’ ih meinem Gott und mir geflucht
Und, an den Fellen meine Stimme ſchlagend,
Gewütet finnvermirret und verrudt.
Drei Tag’ und Nächte lag ich fo verzagend,
Wie einer, den der MWahnfinn hat gebunden,
Im grimmen Zorn am eignen Herzen nagend,
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an
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12,
— 526 —
Und hab’ am dritten Thränen erit gefunden
Und endlich es vermocht mich aufzuraffen,
Vom allgewalt'gen Hunger überwunden,
Um meinem Leibe Nahrung zu verichaffen.
4. Die legte Sciefertafel.
Geduld! Die Sonne fteigt im Diten auf,
Sie fintt im Weften zu bes Meeres Plan,
Sie hat vollendet eines Tages Lauf.
Geduld! Nah Süden wirft auf ihrer Bahn
Sie jet bald wieder ſenkrecht meinen Schatten,
Ein Jahr ift um, es fängt ein andres an.
Geduld! Die Jahre ziehen ohn’ Ermatten,
Nur grub für fie fein Kreuz mehr deine Hand,
Seit ihrer fünfzig ſich gereihet hatten.
Geduld! Du harreſt ftumm am Meeresrand
Und blideft ftarr in öbe, blaue Ferne
Und laufch’ft dem Wellenichlag am Feljenftrand.
Geduld! Laß Freien Sonne, Mond und Sterne,
Und Regenſchauer mit der Sonnenglut
Abwechſeln über dir; Geduld erlerne!
Ein Leichtes ift’3, der Elemente Wut
Im hellen Tagesfcheine zu ertragen,
Bei regem Augenliht und wachem Mut.
Allein der Schlaf, darin und Träume plagen,
Und mehr die fchlaflos lange, bange Nacht,
Darin fie aus dem Hirn hinaus fi wagen!
Sie halten graufig neben ung die Wacht
Und reden Worte, welde Wahnfinn loden; —
Hinmweg! hinweg! Wer gab eu folde Madt?
Was ſchüttelſt bu im Winde deine Loden?
Sch kenne dich, Du rafcher, wilder Knabe,
ch jeh’ did an, und meine Bulfe ftoden.
Du bift ich felbjt, wie ich geitrebet habe
In meiner Hoffnung Wahn vor grauen Jahren,
Sch bin du felbft, das Bild auf deinem Grabe.
Was ſprichſt du noch vom Schönen, Guten, Wahren,
Bon Lieb und Haß, von Thatendurft? du Thor!
Sieh ber! ich bin, was deine Träume waren.
Und führeit wiederum mir diefe vor?
Laß ab, o Weib! ich babe längſt verzichtet;
Du baudft aus Aſchen noch die Blut empor!
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Nicht jo den ſüßen Blick auf mich gerichtet!
Das Licht der Augen und ber Stimme Laut,
Es hat der Tod ja alles ſchon vernichtet.
Aus deinem hohlen, morſchen Schädel fchaut
Kein folder Himmel mehr voll Seligfeit;
Verſunken ift die Welt, der ich vertraut.
Ich babe nur die allgewalt’ge Zeit
Auf diefem öden Felſen überragt
In graufenhafter Abgeſchiedenheit.
Was, Bilder ihr des Lebens, widerſagt
Ihr dem, der ſchon den Toten angehöret?
Zerfließet in das Nichts zurück, es tagt!
Steig auf, o Sonne, deren Schein beſchwöret
Zur Ruh den Aufruhr diefer Nachtgenoffen,
Und ende du den Kampf, der mich zerftöret.
Sie bricht hervor, und jene find zerfloffen. —
Ich bin mit mir allein und halte wieder
Die Kinder meines Hirns in mir verfchloffen.
D tragt noch heut, ihr altersftarren Glieder,
Mich dort hinunter, wo die Nefter liegen;
Ich lege bald zur lebten Raſt euch nieder.
Berwehrt ihr, meinem Willen euch zu fchmiegen,
Wo machtlos inn’re Qualen fid) erprobt,
Wird endlich, endlich doch der Hunger fiegen.
Es bat der Sturm im Herzen ausgetobt,
Und bier, wo ich gelitten und gerungen,
Hier hab’ ich auszuatmen auch gelobt.
Laß, Herr, dur den ich felber mich bezwungen,
Nicht Schiff und Menſchen diefen Stein erreichen,
Bevor mein letter Klagelaut verflungen.
Laß Hanglos mich und friedfam bier erbleichen!
Mas frommte mir annoch in fpäter Stunde
Zu wandeln, eine Leiche über Leichen?
Sie ſchlummern in der Erde kühlen Grunde,
Die meinen Eintritt in die Welt begrüßt,
Und längft verfchollen iſt von mir die Kunde.
Ich babe, Herr, gelitten und gebüßt, —
Do fremd zu wallen in ber Heimat — nein!
Durch Wermut wird das Bittre nicht verjüßt.
Laß weltverlaflen jterben mich allein
Und nur auf deine Gnade noch vertrauen;
Bon deinem Himmel wird auf mein Gebein
Das Sternbild deines Kreuzes niederſchauen!
Adalb. v. &hamiffe. (1829..
— 528 —
330. Der Kampf mit dem Drachen.
(Um 1330 nad) Chr.)
1. Was rennt das Voll, was wälzt fih dort
Die langen Gaſſen braufend fort?
Stürzt Nhodus unter Feuers Flammen?
Es rottet fih im Sturm zujammen,
Und einen Ritter, hoch zu Roß,
Gewahr' ih aus dem Menſchentroß;
Und Hinter ihm, welch Abenteuer!
Bringt man gefchleppt ein Ungeheuer;
Ein Drache ſcheint e8 von Geltalt
Mit weitem Krokodilesrachen,
Und alles blidt verwundert bald
Ten Nitter an und bald den Drachen.
2. Und taufend Stimmen werden laut:
„Das tft der Lindwurm, fommt und fchaut,
Der Hirt und Herden uns verfchlungen!
Das ift der Held, der ihn bezwungen!
Viel’ andre zogen vor ihm aus,
Zu wagen den gemalt’gen Strauß,
Doch keinen fah man wieberfehren;
Den kühnen Ritter foll man ehren!“
Und nad dem Klofter geht der Zug,
Mo Eanft Johanns des Täufers Orden,
Die Ritter des Spitals, im Flug
Zu Rate find verfammelt worden.
3. Und vor den edlen Meifter tritt
Der Yüngling mit befcheinnem Schritt;
Nachdrängt das Volt mit wilden Rufen,
Erfülend des Geländers Stufen.
Und jener nimmt das Wort und fpridt:
„Ich hab’ erfüllt die Ritterpflicht.
Der Drade, der das Land veröbet,
Er liegt von meiner Hand getötet;
Frei ift dem Wanderer der Weg,
Der Hirte treibe ins Gefilde,
Froh walle auf dem Felſenſteg
Der Pilger zu dem Gnadenbilde.“
4. Doch ftrenge blickt der Fürſt ihn an
Und ſpricht: „Du haſt ala Held gethan;
u HB
Der Mut ift’3, der den Nitter ehret,
Du daft den fühnen Geift bewähret.
Doch ſprich! was ift die erite Pflicht
Des Ritters, der für Chriftum ficht,
Sih ſchmücket mit des Kreuzes Zeichen?“
Und alle rings herum erbleichen.
Doch er, mit edlem Anftand, ſpricht,
Indem er fich errötend neiget:
„Gehorſam tft die erite Pflicht,
Die ihn des Schmudes würdig zeiget.“
5. „Und diefe Pflicht, mein Sohn“, verjebt
Der Meifter, „haft du frech verletzt.
Den Kampf, den das Geſetz verfaget,
Haft du mit frevlem Mut gewaget!" —
„Herr, richte, wenn du alles weißt“,
Spricht jener mit geſetztem Geift;
„Denn des Geſetzes Sinn und Willen
Vermeint' ich treulich zu erfüllen.
Nicht unbedachtſam zog ich hin,
Dad Ungeheuer zu befriegen;
Durch Lift und Huggewandten Sinn
Verſucht' ich's, in dem Kampf zu fiegen.
6. Fünf unſers Ordens waren ſchon,
Die Zierden der Religion,
Des kühnen Mutes Opfer morden;
Da wehrteft du den Kampf dem Orden.
Dod an dem Herzen nagte mir
Der Unmut und die Streitbegier,
Sa, jelbit im Traum der ftillen Nächte
Fand ich mich keuchend im Gefechte;
Und wenn der Morgen dämmernd Tam
Und Kunde gab von neuen Plagen,
Da faßte mich ein wilder Gram,
Und ich beihloß, es friſch zu magen.
7. Und zu mir felber ſprach ih dann:
Was ſchmückt den Jüngling, ehrt den Mann?
Mas leifteten die tapfern Helden,
Von denen und die Lieder melden,
Die zu der Götter Glanz und Ruhm
Erhub das blinde Heidentum?
Sie reinigten von Ungeheuern
Die Welt in kühnen Abenteuern,
Begegneten im Kampf dem Leu'n
34
— 530° —
Und rangen mit dem Minotauren,
Die armen Opfer zu befrein,
Und ließen fih das Blut nit dauren.
8. St nur der Sarazen ed wert,
Daß ihn befämpft des Chriften Schwert?
Bekriegt er nur die falſchen Götter?
Geſandt ift er der Welt zum Netter,
Bon jeder Not und jedem Harm
Befreien muß fein ftarfer Arm;
Do feinen Mut muß Weisheit leiten,
Unb Lift muß mit ber Stärke ftreiten.
So ſprach ih oft und 309 allein,
Des Raubtierd Fährte zu erkunden;
Da flößte mir der Geift es ein,
Froh rief ih aus: Sch hab's gefunden!
9. Und trat zu dir und ſprach dies Wort:
Mich zieht e8 nach der Heimat fort.
Du, Herr, willfabrteft meinen Bitten,
Und glüdlih war das Meer durchſchnitten.
Kaum ftieg ih aus am heimſchen Strand,
Gleich Tieß ich durch des Künftlers Hand,
Getreu den mwohlbemerkten Zügen,
Ein Dradenbild zufammenfügen.
Auf kurzen Füßen wird die Laft
Des langen Leibes aufgetürmet;
Ein ſchuppicht Panzerhemd umfaßt
Den Rüden, den es furchtbar fchirmet.
10. Lang ftredet fi) der Hals hervor,
Und gräßlih, wie ein Höllenthor,
Als ſchnappt' es gierig nad) der Beute,
Eröffnet fi des Rachens Weite,
Und aus dem jchwarzen Schlunde dräun
Der Zähne ftachelichte Reihn;
Die Zunge gleicht des Schwertes Spike,
Die Heinen Augen ſprühen Blike;
Sn einer Schlange endigt fi
Des Rückens ungeheure Länge,
Rollt um fich felber fürchterlich,
Daß es um Mann und Roß ſich fehlänge.
11. Und alles bild’ ich nach genau
Und kleid' e8 in ein ſcheußlich Grau;
— 531 —
Hald Wurm erfchien’s, Halb Mol und Drache,
Gezeuget in der gift’gen Lache.
Und als das Bild vollendet war,
Erwähl' ih mir ein Doggenpaar,
Gewaltig, Schnell, von flinken Läufen,
Gemwohnt, den wilden Ur zu greifen;
Die hei’ ich auf den Lindwurm an,
Erhite fie zu milden Grimme,
Zu faſſen ihn mit ſcharfem Zahn,
Und lenke fie mit meiner Stimme.
12. Und wo des Bauches weiches Vlies
Den ſcharfen Biffen Blöße ließ,
Da rveiz’ ich fie, den Wurm zu paden,
Die ſpitzen Zähne einzuhaden.
Ich ſelbſt, bewaffnet mit Geſchoß,
Beſteige mein arabiſch Roß,
Von adeliger Zucht entſtammet;
Und als ich ſeinen Zorn entflammet,
Raſch auf den Drachen ſpreng' ich's los
Und ſtachl' es mit den ſcharfen Sporen,
Und werfe zielend mein Geſchoß,
Als wollt' ich die Geſtalt durchbohren.
13. Ob auch das Roß ſich grauend bäumt
Und knirſcht und in den Zügel ſchäumt,
Und meine Doggen ängſtlich ſtöhnen,
Nicht raſt' ich, bis ſie ſich gewöhnen.
So üb' ich's aus mit Emfigkeit,
Bis dreimal ſich der Mond erneut,
Und als ſie jedes recht begriffen,
Führ' ich ſie her auf ſchnellen Schiffen.
Der dritte Morgen iſt es nun,
Daß mir's gelungen, hier zu landen;
Den Gliedern gönnt' ich kaum zu ruhn,
Bis ich das große Werk beſtanden.
14. Denn heiß erregte mir das Herz
Des Landes friſch erneuter Schmerz;
Zerriſſen fand man jüngſt die Hirten,
Die nach dem Sumpfe ſich verirrten.
Und ich beſchließe raſch die That,
Nur von dem Herzen nehm' ich Rat.
Flugs unterricht' ich meine Knappen,
Beſteige den verſuchten Rappen,
34*
un, HR
Und von dem edlen Doggenpaar
Begleitet, auf geheimen Wegen,
Wo meiner That fein Zeuge war,
Reit' ich dem Feinde friſch entgegen.
15. Das Kirchlein kennſt du, Herr, das hoch
Auf eines Felienberges Joch,
Der meit die Inſel überichauet,
Des Meifters kühner Geift erbauet.
Verächtlich Icheint es, arm und Klein,
Doh ein Mirakel ſchließt es ein,
Die Mutter mit dem Jeſusknaben,
Den die drei Könige begaben.
Auf dreimal dreißig Stufen fleigt
Der Pilgrim nad der fteilen Höbe;
Doch hat er ſchwindelnd fie erreicht,
Erquidt ihn feines Heilands Nähe.
16. Xief in den Fels, auf dem es hängt,
Iſt eine Grotte eingeiprengt,
Vom Tau des nahen Moors befeudhtet,
Wohin des Himmels Strahl nit leuchtet.
Hier haufete der Wurm und lag,
Den Raub eripähend, Naht und Tag.
So hielt er, wie der Höllendrache,
Am Fuß des Gotteshaufes Wache;
Und kam der Pilgrim bergewallt
Und Ientte in die Unglüdsftraße,
Hervorbrad aus dem Hinterhalt
Der Feind und trug ihn fort zum Fraße.
17. Den Felfen ftieg ich jest hinan,
Ch’ ich den ſchweren Strauß begann;
Hin kniet' ih vor dem Chriftusfinde
Und reinigte mein Herz; von Sünde.
Drauf gürt’ ih mir im Heiligtum
Den blanfen Schmud der Waffen um,
Bemwehre mit dem Spieß die Rechte,
Und nieder fteig’ ich zum Gefechte.
Zurüde bleibt der Knappen Troß;
Sch gebe ſcheidend die Befehle
Und ſchwinge mich behend aufs Roß,
Und Gott empfehl’ ich meine Seele.
18. Kaum feh’ ih mid im ebnen Plan,
Flugs ſchlagen meine Doggen an,
— 533 —
Und bang beginnt das Roß zu keuchen
Und bäumet fih und will nicht weichen;
Denn nahe liegt, zum Knäul geballt,
Des Feindes ſcheußliche Geftalt
Und jonnet fih auf warmem Grunde.
Auf jagen ihn die flinfen Hunde;
Doch wenden fie fich pfeilgeſchwind,
Als es den Nahen gähnend teilet
Und von fih haut den gift’gen Wind
Und winfelnd wie der Schafal heulet.
19. Doch ſchnell erfriſch' ich ihren Mut;
Sie fallen ihren Feind mit Wut,
indem ich nach des Tieres Lende
Aus ftarker Fauſt den Speer verjende;
Doch madtlos, mie ein dünner Stab,
Prallt er vom Schuppenpanzer ab,
Und eh’ ih meinen Wurf erneuet,
Da bäumet fih mein Roß und fcheuet
An feinem Bafılistenblid
Und feines Atems gift'gem Wehen,
Und mit Entjeten ſpringt's zurüd,
Und jetzo war's um mich geichehen. —
20. Da ſchwing' ich mich behend vom Roß,
Schnell ift des Schwertes Schneide bloß;
Doch alle Streiche find verloren,
Den Felſenharniſch zu durchbohren.
Und wütend mit des Schmeifes Kraft
Hat es zur Erde mich gerafft;
Schon ſeh' ih feinen Rachen gähnen,
Es haut nah mir mit grimmen Zähnen,
Als meine Hunde, mwutentbrannt,
An feinen Bauch mit grimm’gen Bifjen
Sih warfen, daß es beulend ftand,
Bon ungeheurem Schmerz zerrifien.
21. Und eb’ es ihren Biffen fich
Entmwindet, rafch erheb’ ich mich,
Eripähe mir des Feindes Blöße
Und ftoße tief ihm ins Gefröfe,
Nahbohrend bis ans Heft, den Stahl.
Schwarzquellend fpringt des Blutes Strahl!
Hin ſinkt e8 und begräbt im Yalle
Mich mit des Leibes Riejenballe,
— 534 —
Daß ſchnell die Sinne mir vergehn.
Und als ich neu geftärkt erwache,
Seh’ ich die Knappen um mid) ftehn,
Und tot im Blute liegt der Drache.“ —
22. Des Beifall lang gehemmte Luft
Bereit jet aller Hörer Bruft,
So mie der Ritter dies geſprochen;
Und zehnfach am Gewölb' gebrochen
Wälzt der vermilhten Stimmen Schall
Sich braufend fort im Wiederhall.
Laut fordern felbft des Ordens Söhne,
Daß man die Heldenftirne kröne,
Und dankbar im Triumphgepräng'
Will ihn das Bolt dem Volle zeigen;
Da faltet feine Stirne ftreng
Der Meifter und gebietet Schweigen.
23. Und fpridt: „Den Draden, der die Land
Verheert, ſchlugſt du mit tapfrer Hand;
Ein Gott bift du dem Volle worden —
Ein Feind kommſt du zurüd dem Orden,
Und einen jhlimmern Wurm gebar
Dein Herz, als diefer Drache mar.
Die Schlange, die das Herz vergiftet,
Die Zwietraht und DVerberben ftiftet,
Das ift der wiberipenft’ge Geift,
Der gegen Zucht fich frech empöret,
Der Ordnung heilig Band zerreißt;
Denn der iſt's, der die Melt zerftöret.
24. Mut zeiget auch der Mamelud,
Gehorſam ift des Chriften Schmud;
Denn wo der Herr in feiner Größe
Gemwandelt hat in Snechtesblöße,
Da ftifteten, auf heil’gem Grund,
Die Väter dieſes Ordens Bund,
Der Pflichten jchmerfte zu erfüllen,
Zu bändigen den eignen Willen.
Dich bat der eitle Ruhm bemegt;
Drum mende did aus meinen Bliden!
Denn mer des Herren Koh nicht trägt,
Darf fih mit feinem Kreuz nicht fchmüden.”
25. Da bridt die Menge tobend aus,
Gewalt’ger Sturm bewegt das Haus,
— 535 —
Um Gnabe flehen alle Brüder;
Doch ſchweigend blickt der Jüngling nieder,
Still legt er von fih das Gewand
Und küßt des Meifters firenge Hand
Und geht. Der folgt ihm mit dem Blide,
Dann ruft er Tiebend ihn zurüde
Und fpridt: „Umarme mid, mein Sohn!
Dir ift der härtre Kampf gelungen.
Nimm diefes Kreuz. Es ift der Lohn
Der Demut, die fich ſelbſt bezwungen.“
Sr. v. Schiller. (Muguft 1798.)
331. Der Gang nad dem Eiſenhammer.
1. Ein frommer Knecht war Fridolin
Und in der Furcht des Herm
Ergeben der Gebieterin,
Der Gräfin von Savern.
Sie war fo fanft, fie war fo gut;
Doch auch der Launen Übermut
Hätt’ er geeifert, zu erfüllen
Mit Freudigkeit, um Gottes millen.
2. Früh von des Tages erftem Schein,
Bis ſpät die Veiper fchlug,
Lebt’ er nur ihrem Dienjt allein,
That nimmer ſich genug.
Und ſprach die Dame: „Mach' dir's leicht!“
Da murd’ ihm gleih das Auge feucht,
Und meinte feiner Pflicht zu fehlen,
Durft’ er ſich nicht im Dienfte quälen.
3. Drum vor dem ganzen Dienertroß
Die Gräfin ihn erhob;
Aus ihrem Schönen Munde flog
Sein unerfchöpftes Lob.
Sie hielt ihn nicht als ihren Knecht,
Es gab fein Herz ihm Kindesrecht;
Ihr klares Auge mit Vergnügen
Hing an den mohlgeftalten Zügen.
4. Darob entbrennt in Robert? Bruft,
Des Jägers, gift’ger Groll,
Dem längit von böſer Schabenluft
Die Schwarze Seele ſchwoll;
— 536 —
Und trat zum Grafen, raſch zur That
Und offen des PVerführers Nat,
Als einit vom Sagen heim fie kamen,
Streut’ ihm ind Herz des Argmohns Samen.
5. „Wie feid Ahr glüdlih, edler Graf!“
Hub er voll Arglift an;
„Euch raubet nicht den goldnen Schlaf
Des Zweifels gift’ger Zahn;
Denn Ihr beſitzt ein edles Weib,
Es gürtet Scham den feufchen Leib;
Die fromme Treue zu berüden
Wird nimmer dem Verſucher glüden.”
6. Da rollt der Graf die finftern Brau’n:
„Was red'ſt du mir, Gefell?
Merd’ ich auf MWeibestugend baum,
Bemweglih wie die Well’?
Leicht Iodet fie des Schmeichlers Mund.
Mein Glaube fteht auf feiterm Grund:
Bom Weib des Grafen von Saverne
Bleibt, hoff’ ih, der Verſucher ferne.“
7. Der andre fpridt: „So denkt Ihr recht.
Nur Euern Spott verdient
Der Thor, der, ein geborner Knecht,
Ein folches ſich erfühnt
Und zu der Frau, die ihm gebeut,
Erhebt der Wünſche Lüfternheit" —
„Was?“ fällt ihm jener ein und bebet,
„Red'ſt Du von einem, der da lebet?“ —
8 „Ja doch! was aller Mund erfüllt,
Das bärg’ fi meinem Herrn?
Doch, weil Ihr's denn mit Fleiß verhült,
So unterbrüd’ ih’3 gem.” —
„Du bift des Todes, Bube, ſprich!“
Auft jener ftreng und fürchterlich,
„Wer hebt das Aug’ zu Kunigonden?“ —
„Run ja, ich fprede von dem Blonden.“
9. „Er ift nicht häßlich von Geftalt”,
Fährt er mit Arglift fort,
Indem's den Grafen heiß und kalt
Durchriefelt bei dem Wort.
„Iſt's möglich, Herr? Ihr faht es nie,
Wie er nur Augen bat für fie?
Bei Tafel Eurer felbft nicht achtet,
An ihren Stuhl gefeflelt ſchmachtet?
10. Seht da die Berfe, die er jchrieb,
Und feine Glut geſteht —“
„Geſteht!“ — „Und fie um Gegenlieb’,
Der free Bube! flebt.
Die gnäb’ge Gräfin, fanft und weich,
Aus Mitleid mohl verbarg ſie's Eud;
Mich reuet jebt, daß mir's entfahren,
Denn, Herr, was habt Ihr zu befahren?“
11. Da ritt in feines Zornes Wut
Der Graf ins nahe Holz,
Wo ihm in hoher Ofen Glut
Die Eifenftufe ſchmolz.
Hier nährten früh und jpät den Brand
Die Knechte mit geſchäft'ger Hand;
Der Funke fprübt, die Bälge blafen,
Als gält’ es, Felfen zu verglafen.
12. Des Waſſers und des Feuers Kraft
Verbündet fieht man bier;
Das Mühlrad, von der Flut gerafft,
Ummälzt fih für und für.
Die Werke Happern Naht und Tag,
Im Takte pocht der Hämmer Schlag,
Und bildfam von den mächt'gen Streichen
Muß ſelbſt das Eifen ſich ermeichen.
13. Und zweien Knechten winket er,
Bedeutet fie und jagt:
„Den eriten, den ich fende ber,
Und der euch alfo fragt:
Habt ihr befolgt des Herren Wort?
Den werft mir in die Hölle dort,
Daß er zu Aſche gleich vergehe
Und ihn mein Aug’ nicht weiter ſehe!“
14. Des freut fi das entmenfchte Paar
Mit roher Henkersluſt,
Denn fühllos, wie das Eifen, war
Das Herz in ihrer Bruft.
Und friiher mit der Bälge Haud)
Erhigen fie des Ofens Baud)
Und ſchicken ſich mit Mordverlangen,
Das Todesopfer zu empfangen.
— 5338 —
15. Drauf Robert zum Gejellen ſpricht
Mit falſchem Heuchelicein:
„Friſch auf, Gefell, und fäume nicht!
Der Herr begehret bein.“
Der Herr, der fpricht zu Fridolin:
„Must gleich zum Eifenhammer bin,
Und frage mir die Knechte dorten,
Ob fie gethban nach meinen Worten?“
16. Und jener fpridt: „EB fol geichehn!“
Und madt fi flugs bereit.
Doch finnend bleibt er plöglich ftehn:
„Ob fie mir nicht3 gebeut?“
Und vor die Gräfin ftellt er fi:
„Hinaus zum Hammer jchidt man mid;
So fag, was Tann ich dir verrichten?
Denn dir gehören meine Pflichten.“
17. Darauf die Dame von Savern
Verſetzt mit fanftem Ton:
„Die heil'ge Mefle hört’ ich gern,
Doch liegt mir Trank der Sohn;
So gehe denn, mein Kind, und ſprich
In Andacht ein Gebet für mid,
Und denkſt du reuig deiner Sünden,
So laß auch mich die Gnade finden.“
18. Und froh der viel willkommnen Pflicht,
Macht er im Flug fih auf,
Hat noch des Dorfes Ende nicht
Erreiht im fchnellen Lauf,
Da tönt ihm von dem Glockenſtrang
Hellichlagend des Geläutes Klang,
Das alle Sünder, hochbegnadet,
Zum Saframente feftlich ladet.
19. „Dem lieben Gotte weich' nicht aus,
Find’ft du ihn auf dem Weg!" —
Er ſpricht's und tritt ins Gotteshaus.
Kein Laut ift hier noch reg’;
Denn um die Ernte war's, und heiß
Im Felde glüht der Schnitter Fleiß;
Kein Chorgehilfe war erfchienen,
Die Mefle kundig zu bedienen.
20. Entihloffen ift er aljobald
Und madt den Sakriſtan;
— 539 —
„Das“, ſpricht er, „ist Fein Aufenthalt,
Mas fördert bimmelan.”
Die Stola und das Cingulum
Hängt er dem Priefter dienend um,
Bereitet Burtig die Gefäße,
Gebeiliget zum Dienft der Meſſe.
21. Und als er die mit Fleiß gethan,
Tritt er als Miniſtrant
Dem Priefter zum Altar voran,
Dos Meßbuch in der Hand,
Und fnieet vet? und knieet links
Und ift gewärtig jedes Winks,
Und als des Sanctus Worte famen,
Da ſchellt er dreimal bei dem Namen.
22. Drauf als der Priefter fromm ſich neigt
Und, zum Altar gewandt,
Den Gott, den gegenmwärt’gen, zeigt
In hoch erhobner Hand,
Da Tündet e8 der Sakriſtan
Mit hellem Glödlein Hingend an,
Und alles Iniet und ſchlägt die Brüfte,
Sich fromm befreuzend vor dem Chrifte.
23. So übt er jedes pünftlih aus
Mit fchnellgemandtem Sinn;
Was Braud ift in dem Gotteshaus,
Er hat es alles imn’;
Und wird nicht müde big zum Schluß,
Bis beim Vobiscun Dominus
Der Priefter zur Gemein’ fich wendet,
Die heil'ge Handlung fegnend endet.
24. Da jtellt er jedes wiederum
Sn Ordnung jäuberlich;
Erft reinigt er das Heiligtum,
Und dann entfernt er ſich
Und eilt in des Gewiſſens Ruh
Den Eifenhütten heiter zu,
Spridt unterwegs, die Zahl zu füllen,
Zwölf Baternofter noch im ftillen.
25. Und als er rauhen fieht den Schlot
Und fieht die Anechte ftehn,
Da ruft er: „Was der Graf gebot,
Ihr Knechte, iſt's gefchehn?“
— 540 —
Und grinfend zerren fie den Mund
Und deuten in des Ofens Schlund:
„Der tft beforgt und aufgehoben;
Der Graf wird feine Diener loben.“
26. Die Antwort bringt er feinem Herm
In fchnellem Lauf zurüd.
Als der ihn kommen fieht von fern,
Kaum traut er feinem Blid.
„Unglüdlicder! mo fommft du her?“ —
„Bom Eifenhammer.* — „Nimmermehr!
Sp haft du dih im Lauf verfpätet?“
„Herr, nur fo lang’, bis ich gebetet.
27. Denn ala von Eurem Angeſicht
Ich heute ging, verzeiht!
Da fragt’ ich erft nach meiner Pflicht
Bei der, die mir gebeut.
Die Mefle, Herr, befahl fie mir
Zu hören; gern gehorcht' ich ihr
Und ſprach der Roſenkränze viere
Für Euer Heil und für das ihre.“
28. In tiefes Staunen finfet hier
Der Graf, entfetet fi:
„Und melde Antwort wurde dir
Am Eifenhammer? fprih!” —
„Herr, dunkel war der Rede Sinn,
Zum Ofen mies man lachend Bin:
Der ıft beforgt und aufgehoben;
Der Graf wird feine Diener loben.“
29. „Und Robert?” fällt der Graf ihm ein,
Es überläuft ihn Talt,
„Sollt er dir nicht begegnet fein?
Ich ſandt' ihn doh zum Wald.“
„Herr, nicht im Wald, nit in der Flur
Sand ich von Robert eine Spur.“ —
„Run“, ruft der Graf und fteht vernichtet,
„Gott felbft im Himmel hat gerichtet!“
30. Und gütig, mie er nie gepflegt,
Nimmt er des Dieners Hand,
Bringt ihn der Gattin, tiefbemwegt,
Die nichts davon veritand:
— 541 —
„Dies Kind, kein Engel iſt ſo rein,
Laßt's Eurer Huld empfohlen ſein!
Wie ſchlimm wir auch beraten waren,
Mit dem iſt Gott und ſeine Scharen.“
Sr. v. Schiller. (1797.)
332. Lenore.
1. Lenore fuhr ums Morgenrot
Empor aus fchweren Träumen:
„Bit untreu, Wilhelm, oder tot?
Mie lange willſt du ſäumen?“ —
Er. mar mit König Friedrihd Macht
Gezogen in die Prager Schlacht
Und hatte nicht gejchrieben,
Ob er gejund geblieben.
2. Der König und die Kaiferin,
Des langen Haders müde,
Erweichten ihren harten Sinn
Und madten endlich Friede;
Und jedes Heer, mit Sing und Sang,
Mit Paufenihlag und Kling und Klang,
Geſchmückt mit grünen Reifern,
Zog heim zu feinen Häufern.
3. Und überall, all überall,
Auf Wegen und auf Stegen,
Zog alt und jung dem Yubelfchall
Der Kommenden entgegen.
Gottlob! rief Kind und Gattin laut,
Willkommen! mande frohe Braut; —
Ach! aber für Lenoren
Mar Gruß und Kuß verloren.
4. Sie frug den Zug wohl auf und ab
Und frug nad allen Namen;
Doch feiner war, der Kundichaft gab,
Bon allen, jo da famen.
Als nun das Heer vorüber mar,
Berraufte fie ihr Rabenhaar
Und warf fi Hin zur Erde
Mit mütiger Gebärbe.
— 542 —
5. Die Mutter Tief wohl bin zu ihr:
„Ad, daß fi Gott erbarme!
Du trautes Kind, was ift mit dir?“
Und ſchloß fie in die Arme.
„DO Mutter, Mutter! hin ift Hin!
Nun fahre Welt und alles Bin!
Bei Gott ift Fein Erbarmen.
D meh, o weh mir Armen!“
6. „Hilf, Gott, Hilf! Sieh ung gnädig an!
Kind, bet’ ein Baterunfer!
Mas Gott thut, das ift mohlgethan.
Gott, Gott erbarmt fih unjer!“
„DO Mutter, Mutter! Eitler Wahn!
Gott hat an mir nicht mohlgethan.
Mas half, was half mein Beten?
Nun ift’3 nicht mehr vonnöten.“ —
7. „Hilf, Gott, Hilf! Wer den Vater kennt,
Der weiß, er Hilft den Kindern.
Das hochgelobte Saframent
Wird deinen Sammer lindern.“ —
„DO Mutter, Mutter! mas mich brennt,
Das lindert mir fein Sakrament!
Kein Sakrament mag Leben
Den Toten wiedergeben.” —
8. „Hör, Kind! wie, wenn der falſche Mann
Im fernen Ungerlande
Sich feines Glaubens abgethan
Zum neuen Ehebande?
Laß fahren, Kind, fein Herz dahin!
Er bat e8 nimmermehr Geminn!
Mann Seel’ und Leib ſich trennen,
Wird ihn fein Meineid brennen.”
9. „DO Mutter, Mutter! Hin ift bin!
Berloren ift verloren!
Der Tod, der Tod ift mein Gewinn!
D wär’ ich nie geboren!
Liſch aus, mein Licht, auf ewig auß!
Stirb Hin! ftirb Bin in Naht und Graus!
Bei Gott ift fein Erbarmen.
D weh, o weh mir Armen!" —
10. „Hilf, Gott, Hilf! Geh nicht ins Gericht
Mit deinem armen Kinde!
Sie weiß nicht, was die Zunge ſpricht;
Behalt ihr nicht die Sünde!
— 543 —
Ah, Kind, vergiß dein ixdifc Leid
Und dent an Gott und Geligfeit,
So wird doch deiner Seelen
Der Bräutigam nicht fehlen.” —
11. „OD Mutter! mas ift Seligfeit?
D Mutter! was ift Hölle? —
Bei ihm, bei ihm ift Seligfeit,
Und ohne Wilhelm Hölle!
Liſch aus, mein Licht, auf ewig aus!
Stirb Hin, ftirb Hin in Naht und Graus!
Ohn' ihn mag ich auf Erden,
Mag dort nicht felig werden!” — —
12. So wütete Verzmweifelung
Ihr in Gehirn und Adern;
Sie fuhr mit Gottes Vorſehung
Vermeſſen fort zu hadern,
Zerſchlug den Bufen und zerrang
Die Hand bis Sonnenuntergang,
Bis auf am Himmelsbogen
Die goldnen Sterne zogen.
13. Und außen, horch! ging’3 trapp trapp trapp,
Als wie von Roſſes Hufen;
Und klirrend ftieg ein Reiter ab
An des Geländer Stufen.
Und horch! und horch! den Pfortenring
Ganz Iofe, leife, Hinglingling!
Dann kamen durch die Pforte
Vernehmlich diefe Worte:
14. „Holal Hola! Thu auf! mein Kind!
Schläfſt, Liebehen, oder wachſt du?
Wie bift noch gegen mich gefinnt?
Und wmeineft oder lachſt du?” —
„Ah, Wilhelm, du? . . fo fpät bei Nat?
Geweinet hab’ ich und gemacht,
Ach, großes Leid erlitten!
Wo fommft du hergeritten?“ —
15. „Wir fatteln nur um Mitternacht,
Meit ritt ich her von Böhmen.
Ich Habe fpät mich aufgemacht
Und will dih mit mir nehmen.“ —
„Ah, Wilhelm, erſt herein geſchwind!
Den Hageborn durchſauſt der Wind.
Bee 5:
Herein, in meinen Armen,
Herzliebiter, zu ermarmen!“ —
16. „Laß faufen durch den Hagedorn,
Laß faufen, Kind, laß faufen!
Der Rappe Scharrt, ed klirrt der Sporn;
Ich darf allhier nicht haufen.
Komm, fhürze, fpring’ und ſchwinge did)
Auf meinen Rappen hinter mich!
Muß heut no hundert Meilen
Mit dir ind Brautbett eilen.” —
17. „Ach! wollteſt Hundert Meilen noch
Mich Heut in3 Brautbett tragen?
Und horch, es brummt die Glode nod,
Die elf ſchon angeſchlagen.“ —
„Sieh Hin, fieh her! der Mond ſcheint hell;
Wir und die Toten reiten fchnell.
Ich bringe dich, zur Wette,
Noch heut ins Hochzeitbette.” —
18. „Sag an, mo ift dein Kämmerlein?
Mo? wie dein Hochzeitbetihen?” —
„Weit, weit von bier, . . ftill, kühl und klein, ..
Sechs Bretter und zwei Brettchen.” —
„Hat's Raum für mid?" — „Für did und mid!
Komm, fhürze, ſpring' und ſchwinge dich!
Die Hochzeitsgäfte hoffen;
Die Kammer fteht uns offen.” —
19. Schön Lieben jhürzte, ſprang und ſchwang
Sich auf das Roß behende;
Wohl um den trauten Reiter fchlang
Sie ihre Lilienhände,
Und hurre hurre, hopp Hopp Hopp!
Ging’3 fort in faujendem Galopp,
Daß Roß und Reiter ſchnoben
Und Kies und Funken ſtoben.
20. Zur rechten und zur linken Hand,
Vorbei vor ihren Blicken,
Wie flogen Unger, Heid’ und Land!
Wie donnerten die Brüden! —
„Graut Liebhen auh? ... Der Mond fcheint hell!
Hurra! die Toten reiten fchnell!
Graut Liebehen auh vor Toten?" —
„Ah nein! Doch laß die Toten!” —
— 545° —
21. Was Hang dort für Geſang und Klang?
Was flatterten die Raben?
Hoch! Glockenklangl — Hoch! Totenfang:
„zaßt uns den Leib begraben!”
Und näher zog ein Leichenzug,
Der Sarg und Totenbahre trug;
Das Lied mar zu vergleichen
Dem Unkenruf in Teichen.
22. „Nah Mitternacht begrabt den Leib
Mit Klang und Sang und Klage!
Set führ' ich heim mein junges Weib;
Mit, mit zum Brautgelage!
Komm, Küfter, bier! Komm mit dem Chor
Und gurgle mir da8 Brauflied vor!
Komm, Pfaff, und ſprich den Segen,
Eh’ wir zu Bett und legen!” —
23. StU Klang und Sang.... Die Bahre fhmwand ..
Gehorfam feinen Rufen,
Kam’3 hurre hurre! nachgerannt,
Hart hinter Rappen Hufen.
Und immer weiter hopp hopp hopp,
Ging’3 fort in jaufendem Galopp,
Daß Roß und Reiter fchnoben
Und Kies und Funken ftoben.
24. Wie flogen rechts, wie flogen Imfs
Gebirge, Bäum’ und Heden!
Wie flogen links und rechts und links
Die Dörfer, Städt’ und Fleden! —
„Graut Liebehen auh? .. Der Mond fcheint hell!
Hurra! die Toten reiten fchnell;
Graut Liebhen auch vor Toten?" —
„Ah laß fie ruhn, die Toten!” —
25. Sieh da! fieh da! am Hochgericht
Tanzt um des Rades Spindel,
Halb fichtbarlich bei Mondenlicht,
Ein luſtiges Gefindel. —
„Safa, Gefinbel, bier! Komm Bier!
Gefindel, fomm und folge mir!
Tanz’ und den Hochzeitsreigen,
Dann wir zu Bette fteigen!" '
35
— 546 —
26. Und das Gefindel huſch huſch huſch!
Kam hinten nachgeprafielt,
Mie Wirbelmind am Hafelbufch
Dur dürre Blätter raffelt.
Und weiter, weiter hopp hopp hopp!
Ging’3 fort in faufendem Galopp,
Daß Roß und Reiter ſchnoben
Und Kies und Funken ftoben.
27. Wie flog, was rund der Mond beiden,
Wie flog es in die Ferne!
Mie flogen oben über hin
Der Himmel und die Sterne! —
„Graut Liebchen auch? ... Der Mond fcheint Kell!
Hurra! die Toten reiten fchnell!
Graut Liebhen auh vor Toten?“ —
„D weh! laß ruhn die Toten!” —
28. „Rapp’! Rapp’! Mic bünkt, ber Hahn ſchon —
Bald wird der Sand verrinnen. — |
Rapp’! Rapp’! ich wittre Morgenluft —
Rapp’! tummle dih von Binnen! —
Vollbracht, vollbradht ift unſer Lauf;
Das Hochzeitbette thut fi auf!
Die Toten reiten ſchnelle!
Wir find, wir find zur Stelle.” — —
29. Raſch auf ein eifern Gitterthor
Ging’3 mit verhängtem Zügel;
Mit ſchwanker Gert’ ein Schlag davor
Zerfprengte Schloß und Riegel.
Die Flügel flogen Elirrend auf,
Und über Gräber ging der Lauf;
Es blinkten Leichenfteine
Rundum im Mondenſcheine.
30. Ha ſieh! Ha ſieh! im Augenblick —
Huhu! ein gräßlich Wunder!
Des Reiters Koller, Stück für Stück
Fiel ab wie mürber Zunder.
Zum Schädel ohne Zopf und Schopf,
Zum nackten Schädel ward ſein Kopf;
Sein Körper zum Gerippe,
Mit Stundenglas und Hippe.
—
31. Hoch bäumte ſich, wild ſchnob der Rapp’
Und ſprühte Feuerfunken;
Und hui! war's unter ihr hinab
Verſchwunden und verſunken.
Geheul, Geheul aus hoher Luft,
Gewinſel kam aus tiefer Gruft;
Lenorens Herz, mit Beben,
Rang zwiſchen Tod und Leben.
32. Nun tanzten wohl bei Mondenglanz,
Rund um herum im Kreiſe,
Die Geiſter einen Kettentanz
Und heulten dieſe Weiſe:
„Geduld! Geduld! Wenn's Herz auch bricht!
Mit Gott im Himmel hadre nicht!
Des Leibes biſt du ledig:
Gott ſei der Seele gnädig!“
Gotifr. Ang. Bürger. (1788.)
333. Der Totenſee.
1. „Drei Tag' und drei Nächte wo warſt du, mein Kind?
Dein Haar hat zerflattert der ſauſende Wind!
Ich hab' dich gerufen, ich hab' dich geſucht
Drei Tag' und drei Nächte durch Wälder und Schlucht!
Ach, kommſt du zurück?
Wie wirr iſt dein Blick!
Was haſt du, mein Kind, mein einziges Glück?“
2. „„Und bin ich bei dir denn, und bin ich zu Haus?
O Mutter, mich faßt es mit Schauder und Graus.
Drei Tag' und drei Nächt' iſt's, da ward er gebracht,
Geftürzt von der Alpe in felſigen Schacht,
Zum Tode verwund’t;
Nun liegt er im Grund.
Mein Herz wird ah! nimmer und nimmer gejund!
3. Und weinend da lag ih in Nacht und in Web,
Da rief mir's: Komm aufwärts zum Totenfee!
Dos war feine Stimme, daB war fein Gebot,
D Mutter, das trieb mich, und wär's in den Tod!
35*
— 548 —
Und fort nur und fort
Nach zog ich dem Wort,
Bis ich käme hinauf zu dem grauſigen Ort.
4. Und über die Felſen durch Abgrund und Nacht
Da ragte die Jungfrau in eiſiger Pracht,
Die zackigen Hörner ſie dräuten ſo kalt,
Es erdröhnte von fern der Lawinen Gewalt.
Und ich ſtand auf der Höh',
Wo umlagert von Schnee
Sich ſenkt in der Alpe der dämmernde See.
5. Da ſtand ich und bebte, und atmete kaum.
Wie einſam iſt's droben! da grünet kein Baum,
Nur Felſen und Eis dort in ſtarrendem Bund;
Es ſpiegelt der Mond ſich im nebligen Grund.
Und da blick' ich hinein
In den zitternden Schein —
O Mutter, mir ſchaudert's durch Seel' und Gebein!
6. Ich ſah meinen Liebſten, die Stirne voll Blut,
Er ſtieg zu mir auf aus der ruhenden Flut,
Und ringsum im Kreiſe ein ſchweigendes Heer
Durchwallte den Nebel weit um ihn her.
Und er winkt mir und winkt,
Doch das Herze mir ſinkt,
Und Angſt und Entſetzen die Bruft mir burchbringt.
7. Da fchrie ich und floh von der eifigen Höh',
Es braufte und fchäumte der Totenfee,
Mir folgte ein mwebendes nebliges Heer
Und faufte und mitterte hinter mir ber. |
Und wieder zum Grund |
Hin flog ih zur Stund’; |
Es huſchten die Schatten im felfigen Rund,
8 Es ſtürzten die Bäche der Gletſcher herab,
Es gähnten die Tiefen, ein endlofes Grab,
Ich flog und ich ftürzte und eilte aufs neu —
D wär’ ich zu Haufe, o wär’ es vorbeil
Und bin ih zu Haus?
Und fchmeigt das Gebraus?
Zurüd muß ih dennoh durch Nebel und Graus!““ —
9. „Hilf Himmel, mein Leben, mein einziges Kind,
Drei Tag’ und drei Nächte im Wetter und Wind!
1
10
— 549 —
Ich richte dein Bettlem, ich trodine dein Kleid,
Sch will mit bir weinen und teilen bein Leib!“
„„O Mütterlein, weh!
Mich umhüllt e8 wie Schnee,
Er hat mir gewinkt aus dem Totenſee!““ —
10. Die Mutter fie führt zum Kamine die Maid,
Sie richtet ihr Bettlein, fie trodnet ihr Kleid,
Sie redet ihr Troft, und fie thut fih Gemalt,
Sie fiehet erftarren die blüh’nde Geftalt.
„Run, Mutter, ade!
In Leid nicht vergeht!
Schon führt er mich aufwärts zum Totenſee.““ —
Otto Roquete.
334. Griechiſcher Heldenſinn.
Von Theſſaliens Gebirgen bricht herein der Perſer Macht,
Dumpf erſchallt der Völker Brauſen, Roſſe wiehern nach der
| Schlacht;
Aufgegangen iſt die Sonne fern im Often blutig rot,
Und der Sparter Fühne Herzen träumen ſchon von Kampf und Tod,
Zittern nicht binabzufteigen aus der Jugend friſchem Glanz
In des Hades Naht ald Schatten mit dem bleihen Lorbeerkranz.
Aber Fein verworrner Jubel giebt bie Todesweihe fund,
Und wie vormals |pielt ein mildes Lächeln um der Helden Mund.
Wie das Opfer jchwer von Golde und befränzt tritt zum Alter,
Schmücden fie, zu fterben ficher, ſorgſam fi das braune Haar.
Wie zu heil’gen Göttertänzen auf der Heimat grünen Plan,
Führt die Charis noch zum Sterben die gemweihten Scharen an.
Guftav Pfizer.
335. Griechiſche Spiele,
Harrend ftrömten die Völfer auf Elis’ Plane zufammen,
Selbft den erbittertiten Haß hemmte bie heilige Zeit.
Stärfe und Anmut rang; nicht der Stunde flühtiger Beifall
Dehnte den Atem der Bruft, ftärkte Die Sehne zu Erz,
Spornte die Ihäumenden Roſſe zum wildeften Fluge, — fie wußten,
Daß das Siegergejpann einen Uniterblichen trug.
Alle die griechiſchen Städte durchbrauſte der Name des Siegers,
Und unermeßlicher Wert wurde dem einfadhen Kranz.
— 550 —
10 Nicht verichmähte der Sänger zu weihen die irdiſche Kraftthat,
Und der gewaffnete Huf wedte die Funken des Lieds.
Alfo wurden, geihirmt von waltenden Göttern und Sängern,
Fröhliche Spiele zum Ernſt, aber das Leben war Spiel.
Gall. DRzer.
336. Diftichen aus Griechenland.
1. Ebene von Marathon.
Halb von öden Gebirgen umkränzt, ftredt Marathons beil’ge
Thalflur gegen des Meers fchimmernde Bucht ſich hinab.
Feierlich ſchweigt es umher, ftumm Freien die Adler, und einjam
Über dem weiten Gefild fchmebt der Gefallenen Ruhm.
2. Chelidono.
1 Wo die Platane fi riefig erhebt im Schatten der Walbichludt,
Ragt, in Trümmer bereits fallend, das Klofter empor;
Längft ift der Mönche Gefang in der Kirche verhallt, und es duftet
Meihrauh nimmer, des Chor ewige Lampe verlofch.
5 Aber der Duell, der fühl am Altar auffprubelt, erquidt noch
Häufig den Wandrer, er ſpricht dankend ein kurzes Gebet.
‚8. Grab des Tyemiftoltes.
1 Wo am zadigen Fels das Gewog fi brandend emporbäumt,
Sentten die Freunde bei Nacht heimlich Themiftolles’ Leib
In beimatlihen Grund. Feſtgaben und Totengefchenfe
Brachten fie dar, und es floß reichlich die Spende des Weins
5 Aber den Zorn des verblenbeten Volt Heinmütig befürchtend
Stahlen fie leiſe fich heim, ehe die Dämmrung erſchien
Denkſteinlos nun ſchlummert der Held. Doc drüben im Spätrot
Ragt ihm, ein ewiges Mal, Salamis’ Felfengeftadt’.
Em. Geibel. (18389 — 1840.)
1
10
15
20
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337. Salamis,
(480 vor Chr.)
Schmüdet die Schiffe mit. Perjertrophä’n!
Lafjet die purpurnen Segel ſich blähn!
Epheu umflattert die Maften und fliegt,
Evod, der mächtige Feind ift befiegt!
Wir zerbrahen, o Meer, wir zerbradhen das Band,
Das der perfifche Fürft um den Naden dir wand;
Du entrollft nun befreit, dich erbittert nicht mehr
Das verhaßte Geftampf von den Roflen, die ſchwer
Dein mwogender Bug,
Dein brüdengefefjelter Zorn ertrug.
Das Verhängnis kam über Zerges und ftieg
Aus den Wellen empor zum helleniſchen Sieg;
Dem Tyrannen, dem Herrn, der in Willkür thront,
Nicht erlag ihm das Voll, das am Meerftrand wohnt;
Denn es jtählte der Alte, der Herricher der Flut,
Mit unendlidem Mut
Sein geliebtes Geſchlecht für die Seeſchlacht.
Rings jeht wo entzildter die Woge vernimmt
Ein ioniſches Lied, da erbrauft fie und ftimmt
Sn den Päan mit ein; es erblühn, e8 erblühn
Nah dem berrlihden Mühn
Dithyrambiſche Tage der Freiheit.
| Derm. Lingg.
338. Alexander.
(327 vor Chr.)
1. Allen Schmud des Perferfönigs -
Werft mir in das Flammenmeer;
Aus der Glut, ein Schladhtenphönir,
Steig empor mein tapfres Heer.
2. Euren König, Griechenkrieger,
Beugt au nicht ein Blumenjoch;
Macebonier, Weltbefieger,
Alerander bin ih noch.
3. Selbft die Lieblichite der Schönen,
Babylon, die Buhlerin,
Hält mit allen Schmeicheltönen
Länger nicht den ftarken Sinn.
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4. Suſa liegt ins Knie geſunken,
Tyrus, reich von Meertribut,
Liegt im eignen Stolz ertrunken,
Und Berfepolis in Schutt.
5. Afiens erfte Überwinder!
Nun zu neuer Siegesbahn
Folget mir zum Land ber Inder,
Folget mir zum Dean!
6. Wein und Epheu rankt, Hellenen,
Auch um Meros’ Bergaltar!
Dort dem Bachus und Selenen
Bringt ein heimiſch Opfer dar!
7. Dem Triumph der Thyrfusftäbe
Folgen wir wie Götter Fühn,
Auch am Indus mit der Rebe
Wird der Lorbeer uns erbläßn.
339. Ver saerum.
1. Als die Latiner aus Lavinium
Nicht mehr dem Sturm der Feinde hielten ftand,
Da hoben fie zu ihrem Heiligtum,
Dem Speer des Mavors, flehend Blid und Hand.
2. Da ſprach der Priefter, der die Lanze trug:
„Euch künd ich ftatt des Gottes, der euch grollt;
Nicht wird er fenden günft’gen Vogelflug,
Menn ihr ihm nicht den Weihefrühling zollt.“
3. „Ihm fei der Frühling heilig!” rief dag Heer —
„Und was der Frühling bringt, fei ihm gebracht!”
Da rauſchten Fittihe, da Hang der Speer,
Da ward geworfen der Etrusker Macht.
4. Und jene zogen heim mit Siegeßruf,
Und mo fie jauchzten, warb die Gegend grün;
Feldblumen fproßten unter jedem Huf;
Wo Speere ftreiften, ſah man Bäum’ erblühn.
5. Do vor der Heimat Thoren, am Altar
Da harrten ſchon zum feftlihen Empfang
Die Frauen und der Jungfrau'n belle Schar,
Belränzt mit Blüte, welche heut entiprang.
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6. Als nun verraufht der freudige Willlomm,
Da trat der Priefter auf ben Hügel, ftieß
Ins Gras den beil’gen Schaft, verneigte fromm
Sein Haupt und ſprach vor allem Volle dies:
7. „Heil dir, der Sieg und gab in Tobesgrauß?
Mas wir gelobten, das erfüllen wir;
Die Arme breit’ ich auf dies Land hinaus
Und weihe diefen vollen Frühling dir!
8 Was jene Trift, die berbenreiche, trug,
Das Lamm, das Zidlen flamme deinem Herd!
Das junge Rind erwachſe nicht dem Pflug
Und für den Zügel nicht das mut’ge Pferd!
9. Und was in jenen Blütengärten reift,
Was aus der Saat, der grünenden, gebeibt,
Es werde nicht von Menichenhand geftreift;
Dir fei ed alles, alles dir geweiht!“
10. Schon lag die Menge auf den Knien;
Der gottgeweihte Frühling ſchwieg umber,
So leuchtend, wie fein Frühling je erjchien;
Ein beil’ger Schauer mwaltet’ ahnungsſchwer.
11. Und weiter fprach der Priefter: „Schon gefreit
Wähnt ihr die Häupter, das Gelübd' vollbracht?
Vergaßt ihr ganz die Sakung alter Zeit?
Habt ihr, was ihr gelobt, nicht vorbedacht?
12. Der Blüten Duft, die Saat im heitern Licht,
Die Trift, von neugeborner Zucht belebt,
Sind fie ein Yrühling, wenn die Jugend nicht,
Die menſchliche, durch fie den Reigen webt?
13. Mehr als die Lämmer find dem Gotte wert
Die Jungfrau'n in der Jugend erftem Kranz;
Mehr als der Füllen auch bat ex begehrt
Der Zünglinge im erften Waffenglanz.
14. O nicht *umfonft, ihr Söhne, mwaret ihr
Sm Kampfe jo von Gotteskraft durchglüht!
D nicht umfonft, ihr Töchter, fanden wir,
Rückkehrend euch jo wundervoll erblüht!
15. Ein Boll haft du vom Fall erlöft, o Mars!
Bon Schmach der Knechtſchaft hielteſt du es rein,
Und willſt dafür die Jugend eines Jahrs:
Nimm ſie! Sie iſt dir heilig, ſie iſt dein.“
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16. Und wieder warf das Volk fih auf den Grund;
Nur die Geweihten ftanden noch umher,
Bon Schönheit leuchtend, wenn auch bleih der Mund,
Und beil’ger Schauer lag auf allen ſchwer.
17. No lag die Menge ſchweigend wie das Grab,
Dem Gotte zitternd, den fie erft beſchwor;
Da fuhr aus blauer Luft ein Strahl herab
Und traf den Speer und flammt’ auf ihm empor.
18. Der Briefter Bob dahin fein Angeficht,
(Ihm wallte glänzend Bart und Silberhaar);
Das Auge ftrahlend von dem Hinmelslicht,
Verkündet er, was ihm eröffnet war:
19. „Nicht läßt der Gott von feinem Heil’gen Raub;
Doch will er nicht den Tod, er will die Kraft;
Nicht will er einen Frühling welk und taub,
Nein! einen Frühling, welcher treibt im Saft.
20. Aus der Latiner alten Mauern foll
Dem Kriegsgott eine neue Pflanzung gehn;
Aus diefem Lenz, inkräft'ger Keime voll,
Wird eine große Zukunft ihm erftehn. .
21. Drum wähle jeder Jüngling fi) die Braut,
Mit Blumen find die Locken ſchon befrängt;
Die Jungfrau folge dem, dem fie vertraut;
©o zieht dahin, mo euer Stern erglänzt!
22. Die Körner, deren Halme jekt no grün,
Sie nehmet mit zur Ausfaat in die Fern’,
Und von den Bäumen, welche jett noch blühn,
Bemwahret euch den Sprößling und den Kern!
23. Der junge Stier pflüg’ euer Neubrucdland,
Auf eure Weiden führt das muntre Lamm;
Das raſche Füllen ſpring' an eurer Hand,
Für künft'ge Schlachten ein gefunder Stamm!
24. Denn Schlaht und Sturm ift euch vorausgezeigt;
Das ift ja diejes ftarfen Gottes Recht,
Der felbft in eure Mitte nieberfteigt,
Zu zeugen eurer Könige Geſchlecht.
25. In eurem Tempel baften wird fein Speer,
Da ſchlagen ihn die Feldherrn fchütternd an,
Wann fte ausfahren über Land und Meer
Und um den Erdkreis ziehn die Siegesbahn.
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26. Ahr habt vernommen, was dem Gott gefällt;
Geht Hin, bereitet euch, gehorchet ftill!
Ahr feid das Saatlorn einer neuen Welt:
Das ift der Weihefrühling, den er will.“
£. Mhlaud. (1829.)
340. Pompeji und Herculauum.
(76—1738 n. Chr.)
Welches Wunder begiebt ſich? Wir flehten um trinkbare Quellen,
Erde, dich an, und was fendet dein Schoß uns herauf!
Lebt es im Abgrund auh? Wohnt unter der Lava verborgen
Noch ein neues Geihleht? Kehrt das entflohene zurüd?
Griehen, Römer, o kommt! o feht, das alte Pompeji
Findet fih wieder, aufs neu’ bauet fi Hercules’ Stadt.
Giebel an Giebel fteigt, der räumige Porticus öffnet
Seine Hallen, o eilt, ihn zu beleben herbei!
Aufgetban ift das weite Theater, es ftürzt durch feine
Sieben Mündungen fi flutend die Menge herein!
Mimen, mo bleibt ihe? Hervor! das bereitete Opfer vollende
Atreus’ Sohn, dem Dreft folge der graujende Chor!
Wohin führt der Bogen des Siegs? Erkennt ihr das Yorum?
Was für Geftalten find das auf dem curuliihen Stuhl?
Traget, Liltoren, die Beile voran! Den Sefjel befteige
Richtend der Prätor, der Zeug’ trete, der Kläger vor ihn.
Reinlihe Gaflen breiten fih aus, mit erhöhetem Pflafter
Ziehet der jchmälere Weg neben den Häufern fich Bin.
Schützend fpringen die Dächer hervor, die zierlihen Zimmer
Reihn um den einfamen Hof heimlich und traulich fi ber!
Öffnet die Läden geſchwind und die lange verfhütteten Thüren.
Sn die ſchaudrichte Nacht falle der Iuftige Tag!
Siehe, wie rings um den Rand die netten Bänle fich dehnen,
Mie von buntem Geftein fchimmernd das Eftrich fich hebt!
Friſch noch erglänzt die Wand von heiter brennenden Farben.
Mo ift der Künftler? Er warf eben den Pinſel hinweg.
Schwellender Früchte voll und Lieblich geordneter Blumen,
Faſſet der muntre Feiton reizende Bildungen ein.
Mit beladenem Korb jchlüpft hier ein Amor vorüber,
Emfige Genien dort feltern den purpurnen Wein;
Hoch auf fpringt die Bachantin im Tanz, dort ruhet fie
ſchlummernd,
Und der lauſchende Faun hat ſich nicht ſatt noch geſehn.
Flüchtig tummelt ſie hier den raſchen Centauren, auf einem
Knie nur ſchwebend, und treibt friſch mit dem Thyrſus ihn an.
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Knaben, was fäumt ihr? Herbei! da ſtehn noch Die Schönen Geſchirre.
Frisch, ihr Mädchen, und fchöpft in den etruriihen Krug!
Steht nicht der Dreifuß hier auf ſchön geflägelten Sphinren?
Schüret das Feuer! Geihwind, SHaven, beftellet den Herd!
Kauft, hier geb’ ih euch Münzen, vom mächtigen Titus gepräget;
Auch noch die Wage liegt hier; fehet, es fehlt fein Gewicht
Stedet das brennende Licht auf den zierlich gebildeten Leuchter,
Und mit glänzendem DI fülle die Lampe fi an!
Was verwahret dies Käftchen? D feht, mas der Bräutigam fendet,
Mädchen! Spangen von Gold, glänzende Paften zum Schmud.
Führet Die Braut in das duftende Bad, hier ſtehn noch die Salben,
Schminke find’ ich noch hier in dem gehöhlten Kryftall.
Aber wo bleiben die Männer? die Alten? Im ernften Mufeum
Liegt noch ein Föftlicher Schatz feltener Rollen gehäuft.
Griffel findet ihr Hier zum Schreiben, wächſerne Tafeln;
Nichts ift verloren, getreu hat es die Erde bewahrt.
Auch die Penaten fie ftellen fih ein; es finden fich alle
Götter wieder; warum bleiben die Priefter nur aus?
Den Cabuceus ſchwingt der zierlich geſchenkelte Hermes,
Und die Viktoria fliegt leicht aus der haltenden Hand.
Die Altäre, fie ſtehn noch da, o kommt, o zündet —
Lang ſchon entbehrte der Gott — zündet die Opfer ihm an!
Sr. v. Schtiler. (Auguſt 1796.)
341. Lied der Legionen.
1. Durch deutſchen Schnee, durch Parther- Sand
Mit immer gleihem Schritte
Mir tragen mit das Vaterland
Und Römer-Reht und -Sitte.
2. Und nah dem Sieg das Schwert gelenkt,
Und Pflug geführt und Spaten;
Dad Land, das.römifh Blut geträntt,
Wird römiſcher Penaten.
3. Denn wo der Feldherr Lager fchlug,
Da mag uns Heimat werben;
Mir folgen unfrer Adler Flug,
Und unfer ift die Exden.
4. Der Sumpf verfiegt, der Urwald fällt,
Nahn fi des Liltors Stäbe;
Mir bringen eine ſchön're Welt:
Den Dlbaum und die Rebe.
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5. Am Eupbrat und am Donauftrom
Blüht frommer Dienft der Zaren,
Und rings erfteht ein Kleines Rom
. um Staunen der Barbaren.
6. Und Sraßen bauet von Granit,
Die no in ferniten Tagen
Den eh'rnen Schritt, den Siegesjchritt
Der Shladtlohorten tragen.
7. Denn uns warb aus Dralelmund
Das Schickſ alswort verkündet:
„So ewig ſteht im Erdenrund
Das Römerreich gegründet,
8. So lange ziehn von Pol zu Pol
Die römiſchen Legionen,
Als am betürmten Kapitol
Die ew'gen Götter thronen!“
Selix Dahn.
342. Die Römerſtraßze.
1. Man ſpricht im Dorf noch oft von ihr,
Der alten drauß' im tiefen Walde,
Sie zeige ſich noch dort und hier,
Am Feldweg und am Saum der Halde.
2. Sie zieht herauf und ſteigt hinab,
Es weidet über ihr die Herde;
An ihrer Seite manches Grab:
So liegt ſie drunten in der Erde.
3. Es führt ob ihr dahin der Steg;
Der Pflüger mit dem Jochgeſpanne
Geht über ihren Grund hinweg,
Und Wurzeln ſchlägt auf ihr die Tanne.
4. Der Römer Hat fie einſt gebaut
Und ihr den Ruhm, die Pflicht, die Trauer,
Der Gräber Urnen anvertraut
Und feines Namens em’ge Dauer.
5. Und heut, aus ferner Zeiten Nacht
Beweget es mich wie nahes Wehen,
Ein Lichtſtrahl, wie von jelbft, erwacht,
Ein Augenblick wie Geiſterſehen.
Bo an. landen, Ellaven lärmen;
Der Herr des Haufes feufzt nad) Rom,
Rah Tibur und nad Bajüs Thermen.
8. Zur Gruftlapelle draußen wallt,
Mit Traueripenden ihrem Sohne
Das Grab zu Ihmüden, die Geftalt
Der tiefverfchleierten Matrone.
9. Der Prätor naht, vom Bolt umringt;
Liktoren ziehn, behelmte Reiter —
Und wie fih Bild mit Bild verfchlingt,
Am Tag traummandelnd jchreit’ ich weiter.
10. Da plöglih ruft ein Laut mich mad,
Em Erdgedröhn auf nahen Bleifen —
Ich ſteh am Kreuzweg; bier durchbrach
Den Römerpfad der Pfab von Eifen.
11. Und donnernd rollt der Wagenzug
Vorbei den alten Meilenfteinen,
Wie Blitz des Zeus und Geifterflug,
Der Erde Völler zu vereinen.
». Lings-
343. Libanon.
(Xef. 10, 18.)
1. Heilige Zebern in Libanons Hain,
Nehmt in die duftenden Schatten mich ein,
Öffnet mir eure grün dämmernde Nadit,
Beiget mir eure gepriefene Pracht!
2. Dft, wo die Eichen der Heimat geraufcht,
Hab’ ich mit heiligem Schauer gelaufcht,
Dft bei der Tanne melobifhem Wehn
Klang mir’3 wie flüfterndes Harfengetön.
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3. Aud in des Drients fengender Gut
Hab’ ih im Schatten der Palmen gerubt,
Hoch in den Lüften, jo prächtig umlaubt,
Wiegten te leife das fürftlihe Haupt.
4. Über nun fu’ ich dich heiligftes Holz,
König des Waldes, des Libanon Stolz,
Möchte die Bäume Jehovas befchauen,
Draud man die Säulen des Tempels gehaun.
5. Braufende Kronen, vom Sturme durdtoft,
Säufelnde Wipfel, vom Winde getoft,
Rauſcht ihr noch immer und grünt ihr noch heut,
Gleihwie zu Hirams und Salomos Zeit? —
6. Aber wo glänzt der fmaragdene Saal?
Libanons Feljen, wie fteht ihr fo Tabl!
Libanons Zedern, wie feid ihr dahin!
Welkte auch euer nie winterndes Grün?
7. Sparliche Stämme noch ftehen zur Wacht,
Trauernde Zeugen entſchwundener Pracht,
Alternd, im Marke vom Wurme durchhohlt,
Wenige, daß fie ein Knabe wohl zählt.*
8. König der Bäume, unfterblides Holz,
Sage, wie fiel dein unbeugfamer Stolz,
Haben did Arte der Syrer gefällt?
Haben dich Blike des Himmels zeripällt?
9. Sa ich erfenne des Irdiſchen Los!
Alles verfällt ihm, was herrlich und groß;
Ya ich verehre Jehovahs Gericht,
Welcher auch Zedern wie Halme zerbricht!
10. Mußte der Tempel in Ylammenvergehn
Dort auf Morijas geheiligten Höhn;
Trauert au Libanons königlich Haupt,
Seiner lebendigen Kroneberaubt.
11. Rimmer aus Marmor, vom Meißel behaun,
Will fih Jehovah fein Heiligtum baun,
Nimmer aus Zedern, vom Beile gefällt,
Zimmert er fich fein lebendiges Zelt.
* ef. 10, 19.
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12. Aber wie Libanond Zedern fo grün
Sollen ihm Seelen der Heiligen blühn,*
Zeile verhauchen fie bimmlifchen Duft,
Wiegen ihr Haupt in Tryftallener Luft;
13. Trotzen dem Sturme, gefund bis ins Mark,
Grünen im Alter noch g’rade und ſtark,
Shmüden ald Pfeiler im himmlischen Haus
Einftend den Tempel der Emigleit aus.
Rarl v. Gerot.
344. Am Aſchermittwoch.
1. Weg von Luſtgeſang und Reigen;
Bei der Andacht ernſtem Schweigen
Warnen Totenkränze hier,
Sagt ein Kreuz von Aſche dir:
Was geboren iſt auf Erden,
Muß zu Erd' und Aſche werden.
2. Vom Altar in die Paläſte
Dräng' es ſich zum Jubelfeſte;
Mitten unterm Göttermahl
Auf e8 in den Königsfaal:
Was den Zepter führt auf Erden,
Muß zu Erd’ und Aſche werben.
3. Mo Trophäen fich erheben,
Sieger jauchzen, Völker beben,
Tön’ es aus der Ferne dumpf
In den ſchallenden Triumph:
Was den Lorbeer trägt auf Erden,
Muß zu Erd' und Aſche werden.
4. Wie fie ringen, ſorgen, ſuchen,
Das Gefundne dann verfluchen!
Der umhergetriebne Geiſt
Felſen türmt und niederreißt!
Was ſo raſtlos ſtrebt auf Erden,
Muß zu Erd’ und Age werben.
5. Siehe durch des Tempels Hallen
Mann und Greis und Süngling malen,
* Bialm 92, 13.
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Und die Mutter, die entzüdt
Ihren Säugling an fi drückt!
Was da blüht und reift auf Erden,
Muß zu Erd’ und Aſche werben.
6. Wie fie fommen, ad! fo kamen
Biele Taufend; ihre Namen
Sind erloſchen, ihr Gebein
Dedet ein zermalmter Stein.
Was geboren iſt auf Erden,
Muß zu Erd’ und Aſche werden.
7. Über von ber Welt gefchieden,
Ohne Freud’ und ohme Frieden,
Blickt die Treue ftarr hinab
In ein modervolles Grab.
Was fo mächtig liebt auf Erben,
Soll ed Erd’ und Aſche werden?
8 In den ſchönſten Rofentagen
Füllt die Lüfte banges Klagen,
Jammert die verwaiſte Braut,
Einem Schatten angetraut.
Liebe kann nicht untergehen;
Mas verweit, muß auferjtehen.
9. Und das brüderliche Sehnen,
Abzuwiſchen alle Thränen,
Was die Hand der Armut filllt,
Haß mit Wohlthun gern vergilt —
Ewig kann's nicht untergehen!
Was verweit, muß auferftehen.
10. Jene, die gen Himmel hauen,
Ihrer höhern Ahndung trauen,
Dieſem Schattenland' entfliehn,
Vor dem Unſichtbaren knien,
O, die werden auferſtehen!
Glaube kann nicht untergehen.
11. Die dem Vater aller Seelen
Kindlich ihren Geiſt befehlen
Und, vom Erdenſtaube rein,
Der Vollendung ſchon ſich freun,
Sollten ſie wie Staub verwehen?
Hoffnung muß dem Grab entgehen.
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10.
11.
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12. Sieh an ſchweigenden Altären
Totenkränze fich verklären!
Menſchenhoheit, Erdenreiz
Zeichnet dieſes Aſchenkreuz;
Aber Erde wird zur Erde,
Daß der Geiſt verherrlicht werde.
Job. Georg Jacobi.
345. Die Kreunzſchau.
Der Pilger, der die Höhen überftiegen,
Sah jenſeits fchon das ausgeſpannte Thal
In Abendglut vor feinen Füßen liegen.
Auf duft'ges Gras, im milden Sonnenftrahl
Stredt’ er ermattet fi zur Ruhe nieder,
Indem er feinem Schöpfer fich befahl.
Ihm fielen zu die matten Augenlider;
Doch feinen machen Geift enthob ein Traum
Der ird'ſchen Hülle feiner trägen Glieder.
Der Schild der Sonne ward im Himmelsraum
Zu Gottes Angeficht, das Firmament
Zu feinem Kleid, da3 Land zu deflen Saum.
„Du wirft dem, deſſen Herz dich Vater nennt,
Nicht, Herr, im Zorn entziehen deinen Frieden,
Menn vor dir feine Schwächen er: befennt.
Daß, wen ein Weib gebar, fein Kreuz hienieden
Auch duldend tragen muß, ich meiß es lange;
Doch find der Menſchen Laſt und Leid verjchieden.
Mein Kreuz ift allzufchwer; fieh, ich verlange
Die Laft nur angemeſſen meiner Kraft;
Sch unterliege, Herr, zu hartem Zwange.“
Wie er fo ſprach zum Höchſten kinderhaft,
Kam braufend ber der Sturm, und es geſchah,
Daß aufwärts er ſich fühlte Hingerafft.
Und mie er Boden faßte, fand er da
Sih einfam in der Mitte räum’ger Hallen,
Wo ringsum fonder Zahl er Kreuze jab.
Und eine Stimme hört’ er dröhnend ballen:
„Hier aufgelpeichert ift das Leid; du haft
Zu wählen unter diefen Kreuzen allen.”
Verſuchend ging er da, unſchlüſſig faft,
Bon einem Kreuz zum anderen umber,
Sich auszuprüfen die bequem’re Laſt.
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Dies Kreuz war ihm zu groß und das zu fchwer;
So ſchwer und groß war jenes andre nicht,
Doch ſcharf von Kanten drückt' es befto mehr.
Das dort, das warf wie Gold ein gleißend Licht,
Das Iodt’ ihn, unverſucht ed nicht zu laſſen;
Dem goldnen Glanz entſprach auch das Gewicht.
Er mochte dieſes heben, jenes faflen,
Zu einem neigte noch fi jeine Wahl,
Es wollte feines, keines für ihn paflen.
Durchmuftert hatt' er ſchon die ganze Zahl —
Berlorne Müh'! vergebens war's gefchehen!
Durdhmuftern mußt’ er fie zum andernmal.
Und nun gewahrt’ er, früher überfehen,
Ein Kreuz, das leidlicher ihm ſchien zu fein,
Und bei dem eimen blieb er endlich ftehen.
Ein ſchlichtes Marterholz, nicht leicht, allein
Ihm paßlich und gerecht nach Kraft und Map:
„Herr“, rief er, „fo du willit, das Kreuz ſei mein!”
Und wie er’3 prüfend mit den Augen maß —
Es war dasſelbe, das er fonft getragen,
Wogegen er zu murren fi) vermaß.
Er lud es auf und trug’ nun fonder Klagen.
Adalb. v. Chamiffo. (1838.)
346. Die Wolle am Sternenhimmel.
1 „Welch eine Saat von goldnen Ähren
Durchwandl' ih dunkle Nactgeitalt?
Die ſchaudernd ihre Häupter Tehren
Bor meinem Atem raub und kalt.
5 Ich bin fo fremb auf diefen Auen
Und wohl aus einem andern Land,
Und möchte da mich helle fchauen,
Doch bleib ih mir fo unbekannt.
Trüb glänzt von meinem grauen Kleibe
10 Der Saum in diefer Flämmlein Schein;
Sie feiern ruhig em’ge Freude,
Da zieh’ ich ftörend mitten ein.
Ich darf nicht frei und ſicher gehen,
Bald führt mich eine leife Hand,
15 Bald reißt es mid mit Sturmeswehen
Und faßt mem flatterndes Gewand.
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Und mir begegwen dunkle Brüder,
Stumm, grau und willenlos mie ich,
Sie ſchlagen fremb die Wimpern nieder
Und ziehen bin, als flöh'n fie mid.
Wenn fchüchtern dann mein Blick fich bebet,
So fahren Flammen wild Beraus,
Und will ich ſprechen, jo erbebet
Vor meinem Ton dad fremde Haus.
Wo bin ic Arme denn geboren,
Wo wird man liebend mid empfahn?
Ich bl’, in ihr Gebiet verloren,
Fremd dieſe hohe Schönheit an. —
Doch winkt aus wunderbarer Tiefe
Mir niht ein mild Erbarmen zu,
Als ob mir eme Mutter riefe,
Mid lüd' an ihre Bruft zur Ruh?
Wie ift mir? Wehmut löft in Thränen
Hell meine graue Nachtgeftalt;
Hinab, hinab zieht all mein Sehnen
Verſöhnend Heilige Gewalt.” —
Und liebend rauſcht's der Erd’ entgegen,
Der Morgen kommt mit neuer Luft;
Blau ift die Luft, ein füßer Regen
Liegt an der Mutter Erde Bruft.
Gnf. Schwab.
347. Einem Runden.
1. Was trauerft du, mein ſchöner Junge?
Du Armer, pri, was weinft du jo?
Daß treulos dir im raſchen Schwunge
Dein liebes Vögelein entfloh?
2. Du blideft bald in deiner Trauer
Hinüber dort nah jenem Baum,
Bald wieder nah dem leeren Bauer
Blidft du in deinem Kindestraum.
3. Du legft fo jchlaff die Heinen Hände
An deines Lieblings ödes Haus
Und prüfeit rings die Sproflenwände
Und fragft: „Wie kam er nur hinaus?“
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4. An jenem Baume hörſt du fingen
Den fernen, den bein Herz verlor,
Und unaufhaltfam eilig dringen
Die heißen Thränen dir hervor.
5. Gieb adt, gieb at, o lieber Knabe,
Daß du nicht daſtehſt trauernd einſt
Und um die befte, jchönfte Habe
Des Menſchenlebens bitter weinft!
6. Daß du die Hand, die fturmerprobte,
Nicht legt, ein Mann, an deine Bruft,
Darin fo mander Schmerz dir tobte,
Dir fäufelte fo manche Luft;
7. Daß du die Hand mit wilden Krampfe
Nicht drüdeft deinem Bufen ein,
Aus dem die Unfhuld Bir im Kampfe
Entflohn, das ſcheue Vögelein.
8. Dann hörſt du flüſtern ihre leiſen
Geſänge aus der Ferne her,
Neigſt hin dich nach den ſüßen Weiſen;
Das Voglein aber kehrt nicht mehr!
fit. Conan.
348. Heimweh.
1. .D fieh die Schwalbe, Knabe mein!
Sie fit am Simfe tief befümmert,
Indes dein ſchadenfroher Stein
Das Neft, das traute, ihr zertrümmert.
2. Du wirft, mit kindlich offner Luft,
Den Stein in die gemweihten Hallen;
Sie ſchaut, mit Gram in junger Bruft,
Die teuern, lebten Trümmer fallen.
3. Sie flattert fort, fie fliegt umher
Dereinfamt auf den weiten Auen;
Du weißt es nicht, es ift fo ſchwer,
Die neue Heimat fi zu bauen.
4. Was Heimat ift, du ahnſt es Taum!
Kommt dir die Mutter nicht entgegen?
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Wird fie zu Nacht auf weihen Flaum
Dein Köpfchen nicht zum Ruhe legen?
5. Dann träumeft bu und jchlummerft feſt,
Wenn noch die Schwalbe ſchweift und irret
Ah! und um ihr zerftörtes Neft
Mit heimatlofem Flügel ſchwirret;
6. Wenn ih in büftrer Mitternacht
Bereinfamt jchweife vor den Thoren
Und an das Vaterhaus gedacht,
Das ih verlaffen und verloren.
Bari Bed.
349. Die alte Waſchfrau.
1. Du fiehit geichäftig bei den Linnen
Die Alte dort in weißem Haar,
Die rüftigfte der Wäſcherinnen
Im fehsundfiebenzigften Jahr.
So hat ſie ſtets mit ſaurem Schweiß
Ihr Brot in Ehr' und Zucht gegeſſen
Und ausgefüllt mit treuem Fleiß
Den Kreis, den Gott ihr zugemeſſen.
2. Sie hat in ihren jungen Tagen
Geliebt, gehofft und ſich vermählt;
Sie hat des Weibes Los getragen,
Die Sorgen haben nicht gefehlt;
Sie hat den kranken Mann gepflegt;
Sie hat drei Kinder ihm geboren;
Sie hat ihn in das Grab gelegt
Und Glaub' und Hoffnung nicht verloren.
3. Da galt's die Kinder zu ernähren;
Sie griff es an mit heiterm Mut,
Sie zog ſie auf in Zucht und Ehren,
Der Fleiß, die Ordnung ſind ihr Gut.
Zu ſuchen ihren Unterhalt
Entließ ſie ſegnend ihre Lieben;
So ſtand ſie nun allein und alt,
Ihr war ihr heitrer Mut geblieben.
— 5671 —
4. Sie hat geipart und Hat gelonnen
Und Flachs gefauft und nachts gewacht,
Den Flachs zu feinem Garn gejponnen,
Das Garn dem Weber bingebradt;
Der hat’3 gemwebt zu Leinemand;
Die Schere brauchte fie, die Nadel
Und nähte fih mit eigner Hand
Ihr Sterbehemde fonder Tadel.
5. hr Hemd, ihr Sterbehemd, ſie ſchätzt es,
Berwahrt’3 im Schrein am Ehrenplab;
Es iſt ihr Erites und ihr Lebtes,
Ihr Kleinod, ihr eriparter Schatz.
Sie legt es an, des Herren Wort
Am Sonntag früh ſich einzuprägen;
Dann legt ſie's mwohlgefällig fort,
Bis fie darin zur Ruh fie legen.
6. Und ih, an meinem Abend, wollte,
Ich Hätte, dieſem Weibe gleich,
Erfüllt, mas ich erfüllen follte
In meinen Grenzen und Bereich;
Ich wollt’, ich hätte fo gewußt
Am Kelch des Lebens mich zu laben,
Und könnt’ am Ende gleiche Luft
An meinem Sterbehemde haben.
Abald. v. Ebamiſſo. (1888.
350. Am Sarge eines Tagelöhners.
1. Du altes ehrliches Geficht,
Da liegft du nun und fennft mich nicht,
Du falteft deine rauhen Hände
Zur ſüßen Ruhe ohne Ende.
2. Behaglich, Alter, liegeft du,
Mie bei der kurzen Ernterub,
Wenn hinter einem Garbenhaufen
Du dich gelagert zu verjchnaufen;
3. Behaglih, wie am Nachmittag
Des Sonntags du am grünen Hag
Berfpotteteft die jungen Leute,
Die ftatt der Ruh der Tanz erfreute;
— 568 —
4. Behaglih, wie — Gott wird's verzeifn —
Du in ber Kirche fchliefeft ein
Troß deines Straußes, der den Alten
Zur Predigt follte munter halten.
5. Du treuer Knecht im Weinberg haft
Getragen mancher Jahre Laft,
Getagelohnt dein langes Leben:
Nun wird zum Lohn dir Ruh gegeben.
6. Einen Rofenftrauß ich für Dich band,
Den will ih dir in deine Hand
Mit aller Vorſicht heimlich fteden,
Um did nit aus der Ruh zu weden.
Bert. Sigiems.
351. Der König auf dem Turme.
1. Da liegen fie alle die grauen Höhn,
Die dunkeln Thäler in milder Rub;
Der Schlummer maltet, die Lüfte wehn
Keinen Laut der Klage mir zu.
2. Für alle hab’ ich geforgt und geftrebt,
Mit Sorgen trank ich den funtelnden Wein;
Die Naht ift gelommen, ber Himmel belebt,
Meine Seele will ich erfreun.
3. D du goldene Schrift durch den Sternenraum!
Zu dir ja ſchau' ich liebend empor.
Ihr Wunberllänge, vernommen kaum,
Wie befäufelt ihr fehnlih mein Ohr!
4. Mein Haar ift ergraut, mein Auge getrübt,
Die Siegeswaffen hängen im Saal,
Habe Recht geſprochen und Recht geiibt,
Wann darf ich raften einmal?
5. O felige Raft, wie verlang’ ich dein!
O berrlihe Nacht, wie fäumft du fo lang’,
Da ih fchaue der Sterne lichteren Schein
Und höre volleren Klang!
£. Upland. (1805.)
1.
— 569 —
352. Der König in Thule,
1. €3 war ein König in Thule,
Gar treu bis an das Grab,
Dem fterbend feine Buhle
Einen goldnen Becher gab.
2. 3 ging ihm nichts darüber,
Er leert' ihn jeden Schmaus;
Die Augen gingen ihm über,
Sp oft er trank daraus.
3. Und ala er fam zu ſterben,
BZählt er feine Städt’ im Neich,
Gönnt” alles feinem Exben,
Den Becher nicht zugleich.
4. Er ſaß beim Königsmahle,
Die Ritter um ihn ber,
Auf hohem Bäterfaale
Dort auf dem Schloß am Meer.
5. Dort ſtand der alte Zecher
Trank legte Lebensglut
Und warf den heil’gen Becher
Hinunter in die Flut.
6. Er fah ihn ftürzen, trinken
Und finfen tief ing Meer.
Die Augen thäten ihm finten;
Trank nie einen Tropfen mehr.
=. v. Goethe.
353. Nebo,
(5. Mof. 31, 1—7.)
Auf des Nebo Felfenrüden
Steht ein Greis geftükt am Stab,
Schaut mit tiefen Feuerblicken
Auf das weite Land hinab.
Rückwärts im Schatten, von Wollen bevedet,
Sieht er die fteinige Wüſte geftredet,
Vorwärts im abendlih jonnigen Brand
Strahlt das gelobte, das Heilige Land.
(1774.)
— 570 —
2. Mofe ift’s, der alte Streiter,
Gottes vielgeprüfter Knecht,
Seine Wange glüht noch heiter,
Seine Kraft grünt ungeſchwächt;
Hundertundzwanzig durchrungene Jahre
Furchten die Stirne und bleichten die Haare,
Aber ſie ſchwächten das Adlergeſicht,
Beugten die eiſernen Schultern ihm nicht.
3. Müder Wandrer, biſt am Ende,
Leg' ihn hin, den ſchweren Stab,
Falte fromm die hagern Hände,
Hier auf Nebo harrt dein Grab;
Aber am Ziele zum Lobe der Gnade
Muftre no einmal der Wanderſchaft Pfade,
Reich an Beſchwerde, noch reiher an Schuld,
Aber am reichten an göttlicher Huld.
4. Preiſe deines Gottes Hilfe,
Der dich wundervoll regiert,
Der dich von des Niles Scilfe
Bis zum Jordan treu geführt,
Der durch des Meeres verberbliche Wogen
Trodene Pfade dem Volke gezogen,
Der euh mit Manna vom Himmel genährt
Und aus dem Felfen euh Waſſer bejchert.
5. Doch nun vorwärts, vorwärts fchaue,
Giehe da dein Kanaan:
Eine Baradiejesaue
Slänzt’3 von Berfaba bis Dan!
D wie durchblitzen die fruchtbare Fläche
Funfelnde Burgen und fehimmernde Bäde!
D wie durchwindet das grünende Land
Silbern des Jordans gefchlängeltes Band!
6. Hier von Jerichos Palmenwäldern,
Schattenreich und früchtefchwer,
Bis zu Sarons Blumenfelvern,
Bis zum blauen Mittelmeer,
Dort von des Schwefelfees finiterem Beden,
Bis mo Tiberias' Hügel fich ftreden,
Bis zu des Libanon dämmerndem Blu —
Gelige Fluren, entzüdende Schau!
— 571 —
7. Ahnſt du Icon in biefen Räumen
Deines Gottes großes Thun?
Sieht du unter Feigenbäumen
Schon dein Boll in Frieden ruhn?
Schauft auf Morijas geheiligten Hügeln
Salomos Tempel im Geifte ſich fpiegeln,
Höreft von Zions gefürfteten Höhn
Harfengefänjel und Pfalmengetön?
8. Ahnft du den, der dieſe Gaue
Segnend einft betreten wird
Und fein Volk auf grüner Aue
Weiden als ein guter Hirt?
Dämmert von neuem, von ſchönerem Bunde
Dir noch im ſcheidenden Geifte die Kunde?
Der du die eherne Schlange erhöht,
Giehft du das Kreuz, bad auf Golgatha fteht?
9. Alter Streiter, ſchließ im Frieden
Deine grauen Wimpern zu;
Was die nimmer war beichieben,
Führt ein Größrer auß, ald du;
Bitter, am Ziele darniederzufinten,
Während fo nahe die Kränze ſchon winken,
Aber auch ſüß, noch im Sterben von fern
Schauen der Zukunft verbeißenen Stern! —
10. Soll ih einft im Tod erblaflen,
Eh’ mein Tagewerk vollbracht,
Muß ih Stückwerk hinterlaffen,
Überrafcht von früher Nacht;
Dann wie von Nebos mweittragenden Höhen
Will ich voll Dankes noch hinter mich fehen,
Will ih voll Hoffnung nah vorne noch Shaun
In des verheipenen Kanaans Au’n!
11. Gern vererb’ ih meine Waffen
Sterbend einem beflern Sohn;
Auch für Enkel giebt's zu fchaffen,
Auch der Zukunft grünt ihr Lohn;
Ob mid die Schatten des Todes umbunleln,
Seh’ ih noch drüben mein Kanaan funteln,
Höre von Zions gebeiligten Höhn
Harfengefäufel und Pſalmengetön. —
12. Auf des Nebo Felienrüden
Neigt ih Mofjes’ Haupt im Top,
Königlih mit Purpurſtücken
Dedt ihn zu das Abendrot;
Einfam im Boll iſt er lebend geftanden,
Sterbend aud iſt ihm fein Helfer vorhanden,
Aber der Herr brüdt die Augen ihm zu,
Gräbt ihn die Grube und trägt ihn zur Rub.
Rari ».
354. Der Waller.
1. Auf Galiziens Felfenftrande
Ragt ein heil'ger Gnadenort,
Wo die reine Gottesmutter
Ependet ihres Segens Hort.
Dem Verirrten in der Wildnis
Glänzt ein goldner Leitftern dort,
Dem Berftürmten auf dem Meere
Dffnet fi ein ftiller Port.
2. Rührt fih dort die Abendglode,
Halt es weit die Gegend nad;
Sn den Stäbten, in den Klöftern
Werben alle Gloden mad).
Und es ſchweigt die Meereswoge,
Die noch kaum ſich tobend brad,
Und der Schiffer niet am Ruder,
Bis er leiſ' fein Ave fprad.
3. An dem Tage, da man feiert
Der Geprief’nen Himmelfahrt,
Wo der Sohn, den fie geboren,
Sich als Gott ihr offenbart,
Da in ihrem SHeiligtume
Wirkt fie Wunder mander Art;
Wo fie fonft im Bild nur wohnet,
Fühlt man ihre Gegenmart.
4. Bunte Kreuzesfahnen ziehen
Durch die Felder ihre Bahn,
Mit bemalten Wimpeln grüßet
Jedes Schiff und jeder Kahn.
Auf dem Fellenpfade Himmen
Waller, feftlich angethan:
Eine volle Himmelgleiter,
Steigt der ſchroffe Berg hinan.
— 5173 —
5b. Doch den beitern Pilgern folgen
Andre barfuß und beitaubt,
Angethan mit härnen Hemden,
Aſche tragend auf dem Haupt;
Solche find’s, die der Gemeinſchaft
Frommer Chriften find beraubt,
Denen nur am Thor der Kirche
Hinzufnieen tft erlaubt.
6. Und nad allen keuchet einer,
Defien Auge troftlos irrt,
Den die Haare wild umflattern,
Dem ein langer Bart fh wint;
Einen Reif von roft’gem Eijen
Trägt er um den Leib geſchirrt,
Ketten auh um Arm und Beine,
Daß ihm jeder Tritt erklirrt.
7. Weil erfchlagen er den Bruder
Einst in feines Zornes Haft,
Ließ er aus dem Schwerte ſchmieden
Senen Ring, der ihn umfaßt.
Fern vom Herde, fern vom Hofe,
Wandert er und will nicht Raft,
Bis ein himmliſch Gnadenwunder
Sprenget feine Kettenlaft.
8 Trüg’ er Sohlen aud von Eifen,
Mie er mallet ohne Schub,
Zange hätt’ er fie zertreten,
Und noch ward ihm nirgend Ruh.
Nimmer findet er den Heiligen,
Der an ihm ein Wunder thu';
Alle Gnadenbilder ſucht er,
Keines winkt ihm Frieden zu.
9. Als nun der den Fels erftiegen
Und fih an der Pforte neigt,
Tönet Schon das Abendläuten,
Dem die Menge betend fchmeigt.
Nicht betritt fein Fuß die Hallen,
Drin der Jungfrau Bild fich zeigt,
Farbenhell im Strahl der Sonne,
Die zum Meere nieberfteigt.
— 5174 —
10. Welche Glut iſt auögegofien
Über Wollen, Meer und Flur!
Blieb der golbne Himmel offen,
Als empor die Heil’ge fuhr?
Blüht noch auf den Rofenwollen
Ihres Fußes lichte Spur?
Schaut die Reine felbit hernieder
Aus dem glänzenden Azur?
11. Alle Pilger gehn getröftet,
Nur der eine rührt fich nicht,
Liegt no immer an der Schwelle
Mit dem bleihen Angefidt.
Feſt noch ſchlingt um Leib und Glieder
Sich der Feſſeln ſchwer Gewidt;
Aber frei iſt ſchon die Seele,
Schwebet in dem Meer von Lidt.
£. Nbland. (1827.)
355. Petrus. —— quo vadis?
erucifigi.
Venio iterum
1. „Weil verftodt der Zube Stmon Romas Götter hat gefchmäht.
Weil verbotnen Bund er ftiftet, Zwietracht in die Geifter für,
Weil er einen Mifjethäter aller Reiche König glaubt: |
Geb ich morgen preis dem Volle an dem Kreuz fein frevelnd a
2. Kaifer Nero hat's gefprochen. Petrus kniet zu Nacht im Kerle.
Betend wächſt des Greifes Glaube, Himmelsfehnfucht regt fich ftärter:
Morgen wird das Wort erfüllet, das der Herr prophetifch ſprach:
„Fremde Hand wird einft Dich gürten; Simon, folge dann mir nad)'“
3. Da — meld leiſ' vorfihtig Klopfen? Durch die Riegel ächn
die Feile,
Und die alte Pforte weichet vor dem eingellenmten Belle —
Wird's zu lange dem Tyrannen? fenbet er die Schlächter ſchon?
Nein, es ſpricht ein fühnes Wagftüd feinem tollen Wüten Hohn
4. Freunde find’3! Die Chriften lagen im Gebet an heil’ger Stätte,
Daß den alten treuen Diener noch einmal der Herr errette.
Doch umfonft Gebet und Zähre! diesmal, ad, fein Engel naht —
Da beſchließen drei der Kühnften friih auf eigne Hand die That
5. Start wohl find die Römerkrieger, Wade baltend vor ber
Thüren,
Stärker doch der Wein von Chios, den die dreie mit fih führen
Mächtig find des Kerkers Riegel, doch dem Eifer allzuſchwach, —
Schau, mit ftolgverflärten Bliden ftehn die drei fhon im Gemad
— 575 —
6. „Rettung, Rettung, alter Bater! Stärker als der Tod ift Treue.
Unfrer Lieb’ und Chrifti Kirche ift dein Haupt geſchenkt aufs neue.
Hier nur droht der Tod dir, auf denn, gürte deine Lenden, flieh!
Schiffe, ſtets bereit zur Abfahrt, triffit du in Puteoli.“
7, Alter Jünger, kannſt du wanken, ben ber Herr den Felfen
nannte,
Der foeben in der Sehnſucht Heil’'gen Liebesflammen brannte? —
‘a, er giebt fih bin den Freunden, überraſcht und halb im Traum,
Frei Thon auf dem Forum fteht er, und er felber glaubt es Taum.
8. Eilends zu der Pforte lenken nun die vier die leifen Schritte —
Unterm Thore Turzer Abſchied, Bruderfuß nah Chriftenfitte.
Jene kehren zu den Ihren, Frohes kündend, fchnell im Lauf,
Diefen nimmt die Nacht befchirmend in den weiten Mantel auf.
9. Auf der Gräberftraße zieht er, wegeweiſend ftehn die Sterne;
Neros goldnes Haus verbämmert ſchon in nädhtlich blauer Ferne —
Aber hat die tiefe Mittnacht folcher leiſen Wandrer mehr?
Ihm entgegen fommt ein andrer auf dem fchmalen Weg daher.
10. Und es grauft dem Alten; feitwärt biegt er aus mit
ſchwankem Fuße,
Schnell vorüber an dem Fremden fchmiegt er fih mit flücht'gem Gruße;
Grüßend ſchaut ihm der ins Antlig, daß der Sternglanz auf ihn fällt —
Petrus, wie doch ſtarrſt du feltfam? Sprich, was deine Flucht verhält?
11. Auf des Mannes hoher Stimme glänzen blut’gen Schweißes
Tropfen,
Wohl nicht von des Weges Mühe mag fo bang das Herz ihm klopfen;
Bleih zum Tod das ſchöne Antlitz. — Petrus, Tennft du die Geftalt?
Schon einmal vor deinen Augen ift fie alfo bingemallt.
12. Grüßend neigt er fich zum Jünger, feiner Augen helle Sonnen
Sind von eines ftillen Grames Regenwolken mild umronnen;
Felt nun ruhn fie auf dem Flüchtling. — Petrus, kennſt den Blid dunicht ?
Schon einmal rief er dich Schwachen wieder zu vergefj’ner Pflicht.
13. Ja, das ift der Herr! So ftand er vor dem ungerechten
Heiden,
So blieb ftill und klar fein Antlig mitten in den wilden Leiden.
Und der Jünger ſinkt zur Erde, doch das Herz läßt ihm nicht Ruh,
Und er ruft: „Mein Herr und Heiland! Rede, wohin
geheft du?“
14. Und der Heiland Spricht, das Auge unverwandt auf ihn
gerichtet,
Mit dem Blick, der an der Tage letztem Falſch und Wahrheit fichtet:
„Meine Kirche fteht veröbet, meine Treuen find verirrt —
Zu der Stabt ift meine Straße, wo man neu mich freu;:
gen wird.“
15. Und der Herr verſchwand; doch eil’ger, als er erft den Te
geflohen,
Flieht der Jünger jett das Leben, dem des Meiſters Blicke drohen.
Schnell den Lauf zurüdigewendet! Über Hellas graut es ſchon,
Neros goldnes Haus erglänzet bald als goldner Sonnentbron.
16. Und die Sonne, die jet Freuden ausgiegt über allen Landen,
Trifft die Chriften laut und jubelnd, den Apoftel doch in Banden
Lauter mweinend ſah fie jene, al3 fie wieder ſank zu Thal,
Doch ein jelig-fterbend Antlig traf am Kreuz ihr lehter Strahl
Gottfr. Mintel
356. „Ave Caesar, morituri te salutant!“
(Hebr. 12, 1—4.)
1. „Heil Cäfar dir! dich grüßen, die da fterben!“
Sp ruft der Gladiatoren rauber Chor.
Gleich wird der Sand mit ihrem Blut fich färben;
Sm Tod fih noch ein Lächeln zu erwerben,
Stellt fih die Schar dem Imperator vor.
2. In weiten Rund mit vollgebrängten Sitzen
Türmt fih der Cirkus auf ind Himmelsblau,
Der Pöbel kürzt die Zeit mit blut’gen Witzen,
Und fünfzigtaufend Römeraugen blitzen
Bol Morbbegier nad der erfehnten Schau.
3. Ein Winf, da ftürzen die geübten Schlächter
Den nadten Leib ins blut’ge Schwerteripiel,
Der Zagende ftirbt unter Hohngelädhter,
Doch Beifallsdonner lohnt den Schönen echter,
Der malerifh im Todeskampfe fiel.
4. Entmenfhtes Rom! zur Wolluft ift das Morden,
Die Menichenichlächterei zur ſchönen Kunſt,
Das Sterben zum Theateripiel geworden,
Und Nero rührt in fehmelzenden Accorden
Die Zither fih zur nächt'gen Feuersbrunſt.
5. — Doc fieh, was führt man heut für Gladiatoren
Der Schaubegier des Tieben Pöbels vor?
Nicht Parther find, nicht Perfer heut erkoren,
Nicht blonde Sünglinge, am Rhein geboren;
Heut iſt's ein ungemohnter Fechterchor.
_— 57 —
6. Sind hier nit Greife, die zum Kampf fi rüſten?
Nicht Mägdlein, Hold ihr Haupt in Scham geſenkt?
Nicht Frauen mit dem Säugling an den Brüften?
Mer auf, o Rom, Heut fterben deine Ehriften,
Die Nerod Güte dir zum Schauspiel ſchenkt!
7. Still ziehn fie ein im wallenden Gewande,
Mit fanftem Schritt, gleih einer Priefterfchar;
Sie ftehn im Rund, mın fallen ihre Bande,
Sie fnieen nieder in des Cirkus Sande,
Ihr Pialm ertönet fremd und wunderbar.
8 Gie grüßen ihren Cäſar, doch nicht jenen,
Der in die Hand jein finftre Haupt dort ftüßt,
Nein, einen, der umjaudzt von Harfentönen,
Hod ob der Erde blutigen Arenen
Als Friedefürit in golbnen Wollen fit.
9. „Heil Ehrifte dir! dich grüßen, die da fterben!
Kurz ift der Kampf, und ewig ift der Lohn.
O ſelig, wer um deine Krone werben,
D Selig, wer bein himmliſch Reich darf erben,
Nimm unfere Seelen auf, du Gottesfohn!“
10. Sie ſchaun fih um — und fchauen mit Entzüden
Den edlen Zeugenkreis, der fie umringt,
Nicht jenen, der mit morbgemohnten Bliden
Im weiten Girkus, voll bis zum Erbrüden,
Wie eine Riefenfchlange fie umſchlingt, —
11. Nein, Engel find’s, die fich herniederneigen,
Ein liter Kreis, ein ftrahlenvoller Kranz;
Mit Kronen winken fie, mit Palmenzweigen,
Kopf drängt an Kopf, und Reigen fi an Reigen,
Bis er verfhwebt im goldnen Himmelsglanz. —
12. Numid'ſcher Leu, nun fchüttle deine Mähne,
Die Lämmer Chriftt fchredet nicht dein Zorn;
Spring an aus deinem Käfig, o Hyäne,
Du Königätiger, wetze beine Zähne,
Zermalme kecklich Chrifti Weizenkorn! —
13. Zehn blur'ge Leihen ſchleift man aus den Thoren,
Doch zwanzig derer, die ſie ſterben ſahn,
Sie haben morgen ſchon zum Kreuz geſchworen;
Aus Blut wird Chriſti Kirche neugeboren,
Und jeder Sturm faht friſche Flammen an.
i i Bart u, Gevot.
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857. Der Tod des Tiberins,
(37 nad) Er.)
Bei Kap Mifenum winkt’ ein fürftlih Haus
Aus Lorbeerwipfeln zu des Meeres Küften,
Mit Säulengängen, Mofaiten, Büften
Und jedem Prunfgerät zu Feſt und Schmaus.
Dft ſah es nächtlicher Gelage Glanz,
Mo Iod’ge Knaben, Epheu um die Stimen,
Mit Bechern flogen, filberfüßige Dirnen
Den Thyrfus ſchwangen in beraufhtem Tanz,
Und Jauchzen ſcholl, Gelächter, Saitenipiel,
Bis auf die Gärten rings der Frühtau fiel.
Doch Heut, wie ftumm das Haus! Nur bier und der
Ein Fenfter hell. — Und mo die Säulen büftern,
Wogt am Portal der Sklaven Schwarm mit Flüften;
Es kommen Sänften; Boten ſprengen fort;
Und jedesmal dann zudt umher im Kreife
Ein Fragen, das nur ſcheu um Antwort wirbt:
„Was jagt der Arzt? Wie fteht es?“ — Leiſe, leife!
Zu Ende geht’3; der greife Tiger ftirbt.
Ber matter Ampeln Zmielicht droben lag
Der kranke Cäfar auf den Burpurkifien.
Sein fahl Gefiht, von Schwären wild zerrifien,
Erſchien noch graufer heut, als fonft es pflag.
Hohl glomm das Auge. Durch die Schläfe wallte
Des Fiebers Glut, daß jede Ader flug;
Niemand mar bei ihm als der Arzt, der Alte,
Und Macro, der des Haufes Schlüffel trug.
Und jegt mit halberftidtem Schredenaruf
Aus feinen Deden fuhr empor der Siede,
Hochauf ih bäumend: „Schaff? mir Kühlung, Griede!
Eis! Eis! Im Bufen trag’ id den Veſuv.
D wie daß brennt! Doch grimmer brennt das Denten
Im Haupt mir; ich verfluch” es taufendmal,
Und kann's doc laſſen nicht zu meiner- Dual;
D gieb mir Lethe, Lethe, mich zu tränken! —
Umfonft! Dort mwälzt ſich's wieder ſchon heran,
Wie Rauchgewölk, und ballt fi zu Geftaltn —
Sieh, von den Wunden heben fie. die Falten
Und flarren mid gebrochnen Auges an, -
Germanicus, und Drufus, und Sejan —
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Wer rief euh ber? Kann eu das Grab nicht halten?
Mas faugt ihr mit dem Leichenblid, dem ftieren,
An meinem Blut und dörrt mir das Gebein?
's ift wahr, ich tötet? euch; doch mußt’ es fein.
Wer hieß im Würfelfpiel euch auch verlieren!
Hinweg! — Weh mir! Wann endet diefe Bein!“
Der Arzt bot ibm den Kelch; er fog ihn leer
Und ſank zurüd in tödlichem Ermatten.
Dann, aus den Kiffen, blidt’ er ſcheu umher
Und frug verftört: „Nicht wahr? Du ftehft nichts mehr?
Fort find fie, fort, die fürdterlihen Schatten. —
Vielleicht auch war's nur Dunft. — Doch glaube mir,
Sie famen oft ſchon naht, und wie fie quälen,
Das weiß nur id. — Doch fill! — Komm feh did bier
Nah, nah; von anderm will ich dir erzählen.
Auch id war jung einft, traut’ auf meinen Stern
Und glaubt’ an Menihen. Doch der Wahn ber Jugend
Berftob zu bald nur! und, ins Innre Tugend,
Berfault erfand ich alles Weſens Kern.
Da war fein Ding jo hoch und bar der Rüge,
Der Wurm faß drin; aus jeder Großthat fahn
Der Selbitfuht Züge mich verfteinernb an;
Lieb’, Ehre, Tugend, alles Schein und Lüge!
Nichts unterichied vom reißenden Getier
Dies Kotgeihlecht, ala im ehrlofen Munde
Der Falfchheit Honig und im Herzensgrunde
Die größre Feigheit und die wildre Gier.
Wo war ein Fremd, der nicht den Freund verriet?
Ein Bruder, der nit Brudermord geftiftet?
Ein Weib, das lächelnd nicht den Mann vergiftet?
Nichtswürdig alle — ſtets basfelbe Lied.
Da ward auch ich wie fie. Und weil nur Schreden
Sie zähmte, lernt’ ih Schreden zu ermeden,
Und Krieg mit ihmen führt! id. Zum Genuß
Ward ihre Dual mir, ihr verendend Röcheln.
Ich ſchritt ins Blut hinein bis zu den Knöcheln —
Doch auch das Graufen wird zum Überdruß.
Und jebt, nur noch gequält vom Strahl bes Lichts,
Matt, troftlos, reulos ſtarr' ih in das Nichts.”
Sein Wort ging tonlo® aus; er leuchte leil’
Im Kampf, von feinen Schläfen flog der Schweiß,
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Und graß verftellt, wie eine Larve, fah
Sein blutlos Antlit. Zu des Lager Stufen
Trat Macro da: „Soll ih den Cajus rufen,
Herr, deinen Enkel, den Caligula?
Du bift ſehr krank —“
Doch jener: „Schlange, falle
Mein Fluch auf dich! Was geht dich Cajus an!
Noch leb' ih, Menſch!l Und Cajus iſt mie alle,
Ein Narr, ein Schurk', ein Lügner, nur fein Mann!
Und wär’ er's, frommt’ es nicht, fein Held verjüngt
Nom und die Welt, wie er mit Blut fie düngt.
Menn’s Götter gäb’, auf diefem Berg der Scherben
Vermöcht' ein Gott felbft nicht mehr Frucht zu ziehn;
Und nun ber blöde Knab'! Nein, nein, nicht ihm,
Die Nachegeifter, welche mich verderben,
Die Furien, die der Abgrund ausgeſpien,
Sie und das Chaos ſetz' ih ein zu Erben.
Für fie dies Scepter!“ —
Und im Schlafgewand
Sach fprang er auf, und wie die Glieder flogen
Sm Todesſchweiß, rip er vom Fenſterbogen
Den Vorhang fort und warf mit irrer Hand
Hinaus den Stab der Herrſchaft in die Nacht.
Dann ſchlug er finnlos hin.
Sm Hofe ftand
In ſich vertieft ein Kriegsknecht auf der Wacht,
Blondbärtig, Hoch. Zu deflen Füßen rollte
Des Scepterd rundes Elfenbein und ſprang
Bom glatten Marmorgrund mit hellem Klang
An ihm empor, als ob's ihn grüßen mollte.
Er nahm e8 auf, unwiſſend, was es fei,
Und ſank zurüd in feine Träumerei.
Er dacht' an feinen Wald im Weferthal:
Die düſtern Wipfelleonen fah er ragen;
Er jah am Malftein die Genoflen tagen,
Blank jedes Wort, wie ihrer Streitart Stahl,
Und treu die Hand zum Sühnen wie zum Schlagen.
Und an fein liebes Weib gedacht' er dann:
Er jah fie fiten an des Hüttleins Schwelle
Im langen gelben Haar, wie fie, mit Schnelle
Die Spindel wirbelnd, in die Ferne fann,
Wohl her zu ihm; und vor ihr fpielt am Rain
Sein Knabe, der den erften Speer fi fchnigte,
Und dem jo kühn das blaue Auge biste,
— 5831 —
Als ſpräch's: Ein Schwert nur, und die Welt ift mein!
Und plöglih floß dann — wie? verftand er faum —
Ein andres Bild in feinen Heimatötraum:
125 Bor feine Seele drängt’ es fih mit Madt,
Wie er dereinft in heißen Morgenlanden
Als Wacht an eined Mannes Kreuz geftanden,
Bei deflen Tod die Sonn’ erloſch in Nacht.
Wohl lag dazwiſchen manch durdftürmter Tag,
130 Doch fonnt’ er nie bes Dulders Blick vergeflen,
Darin ein Leidensabgrund unermeſſen
Und dennoch alle8 Segen? Fülle lag.
Und nun — wie fam’s nur? — über feinen Eichen
Sah er dies Kreuz erhöht ala Siegeszeichen,
135 Und feines Volks Geſchlechter ſah er ziehn,
Unzäblig, ftromgleih; über den Gefilden
Bon Waffen wogt' ed, und auf ihren Scilven
Stand jener Mann, und Glorie ftrahlt’ um ihn.
Da fuhr er auf. Aus des Palaftes Hallen
140 Kam dumpf Geräuſch; der Herr der Welt mar tot;
Er aber ſchaute kühn ins Morgenrot
Und fah’8 wie einer Zukunft Vorhang wallen.
En. Geibel.
858. Eine Frühlingsnadt.
1. Im Zimmer drinnen iſt's fo fchmül:
Der Kranke liegt auf dem beißen Pfühl.
2. Im Fieber bat er die Naht verbradt;
Sein Herz ift mühe, fein Auge verwadt.
3. Er lauft auf der Stunden rinnenden Sand;
Er hält die Uhr in der weißen Hand.
4. Er zählt die Schläge, die fie pidt,
Er forfchet, wie der Weifer rüdt;
5. Er fragt ihn, ob er noch leb' vielleicht,
Wenn der Weiler die ſchwarze Drei erreicht.
6. Die Wartfrau fit geduldig babei,
Harrend bis alles vorüber fe. —
7. Schon auf dem Herzen drüdt ihn der Tod —
Und draußen dämmert das Morgenrot;
— 52 —
8. An den Fenftern Flettert der Frühlingstag,
Mädchen und Vögel werden wach.
9. Die Erde lacht im Liebesſchein,
Pfingitgloden läuten das Brautfeft ein;
10. Singende Burfche ziehn übers Feld
Hinein in die blühende, klingende Welt.
11. Unb immer ftiller wird es brin;
Die Alte tritt zum Kranken hin.
12. Der bat die Hände gefaltet Dicht;
Sie zieht ihm das Lalen übers Geſicht.
13. Dann gebt fie fort. Stumm wird's und leer,
Und drinnen wacht fein Auge mehr.
359. Schülers Klagelied.
1. Da droben auf jenem Berge
Da Steh ich taufendmal,
An meinem Stabe gebogen,
Und fchaue hinab in das Thal.
2. Dann folg’ ich der mweibenden Herde,
Mein Hündchen bewahret mir fie;
Ich bin herunter gelommen
Unb weiß doch felber nicht wie.
3. Da ftehet von fchönen Blumen
Die ganze Wieſe fo voll;
Ich breche fie, ohne zu willen,
Wem ich fie geben foll.
4. Und Regen, Sturm und Gemitter
Berpaff’ ich unter dem Baum.
Die Thüre dort bleibet verichlofien;
Doch alles iſt leider ein Traum.
5. Es ftehet ein Regenbogen
Mohl über jenem Haus;
Sie aber iſt weggezogen
Und weit in das Land hinaus.
Ch. Storm.
— 583 —
6. Hinaus in das Land und weiter,
Vielleiht gar über die See.
Borüber, ihr Schafe, vorüber!
Dem Schäfer ift gar fo weh.
m. v. Goethe. (1802.)
360. Straudlieder.
1. Die Möme.
Wenn der Seehund ſchläft am weichen Stranbe,
Hält bei ihm die treue Möwe Hut,
Kreift umher und fchauet nach dem Lande,
Schauet wieder in die hohe Flut.
Hört ſie's rajcheln in des Ufers Bäumen,
Kräht fie hell, — das ift ein Jägersmann;
Sieht fie's auf dem fernen Spiegel fhäumen, —
Das find Boote, — und fie fliegt ihn an.
Und der Schläfer folgt dem Loſungszeichen
Seiner immerwadhen Warnerin;
Ch’ Harpun’ und Kugel ihn erreichen,
Schlüpft er in das Meer und ſchwimmt dahin.
Lieber, ſeh' ih did vom Strande fchiffen
In die hohe, wilde Flut hinein,
Nah den Wirbeln, Bänken, Klippen, Riffen,
Möcht’ ich bei dir wie die Möme fein.
. Aber ach, wer giebt mir ihre Schwingen?
Nimm mi zu dir in dein Meines Boot!
Mit dir will ich durch die Wogen ringen,
Mit dir teilen aller Stürme Not.
. Sage nicht, ich fol im Haufe bleiben;
Bift du fort, fo muß mein Herz dir nad).
Willſt du's ohne Steuer laſſen treiben
Durch der Fluten grauſes Ungemach?
— 5834 —
2. Die Braut.
(Möndhgut auf fügen.)
Eine blaue Schürze haft du mir gegeben,
Mutter, ſchad' ums Färben, Mutter, ſchad' ums Weben!
Morgen in der Frühe wird fie bleich erfcheinen,
Will zu Nacht fo lange Thränen auf fie weinen.
Und wenn meine Thränen e8 nicht ſchaffen können,
Mie fie immer ftrömen, wie fie immer brennen,
Wird mein Liebfter kommen und mir Wafler bringen,
Wird fih Meereswafler aus den Loden ringen:
Denn er liegt da unten in de Meeres Grunde;
Und wenn ihm die Wogen raufchen diefe Kunde,
Daß ich bier fol freien und ihm treulos werben,
Aus der Tiefe fteigt er auf zur böfen Erben.
Sn die Kirche fol ih, — nun, ih will ja kommen,
Wil mich fromm gefellen zu den andern Yrommen.
Laßt mid am Altare till vorüberziehen,
Denn dort ift mein Plägchen, wo die Witwen knieen
Dit. Müker.
361. Berlarn.
1. Sin Moder geit und jammert,
Sin Vater wiſcht de Thran;
St melk de Köh und feg de Stu,
Mik lat fe ftan und gan.
2. De Nawers kamt to tröften
Un ſnackt en hartli Wort,
Un wenn fe tröft, und wenn fe weent,
Slik ik mi truri fort.
3. Des Abends inne Kamer
Bi depe büftre Nach,
Denn ween ik all de Laken natt
Bet an den hellen Dag.
4. Se hebbt je noch en annern,
Se hebbt je noch en Saen;
Ik heff je nix as bittre Thran
Un mutt ſie heemli ween.
5. Un kamt fin Kameraden
Un jfeegt, wa brav he meer,
So mutt id rut allen nan Hof
Un legg mi anne Ger.
— 585 —
6. Mi dunkt, it bör dat Scheten
Un wa de Kugeln fallt,
Mi dünkt, id hör, he vöppt, be röppt:
Min Anna, kumm man bald!
Rlans Groth.
362. Die Mähderin.
1. „Guten Morgen, Marie! So frühe ſchon rüftig und rege?
Dich, treufte der Mägde, dich machet die Liebe nicht träge.
Ja, mähft du die Wiefe mir ab von jebt in drei Tagen,
Nicht dürft’ ich den Sohn dir, den einzigen, länger verfagen.“
2. Der Pächter, der ftattlih begüterte, hat es geſprochen.
Marie, wie fühlt fie den Tiebenden Bufen ſich pochen!
Ein neues, ein kräftiges Leben durddringt ihr die Glieder,
Wie ſchwingt fie die Senfe, wie ftredt fie die Mahden danieder!
3. Der Mittag glübet, die Mähder des Feldes ermatten,
Sie fuhen zur Labe den Duell und zum Schlummer den Schatten.
Noch Schaffen im heißen Gefilde die fummenden Bienen;
Marie, fie ruht nicht, fie Schafft in die Wette mit ihnen.
4. Die Sonne verfinkt, es ertönet das Abendgeläute,
Wohl rufen die Nachbarn: „Marie, genug ift’3 fir heute!“
Mohl ziehen die Mähder, der Hirt und die Herde von Binnen;
Marie, fie dengelt die Senje zu neuem Beginnen.
5. Schon fintet der Tau, ſchon erglänzen der Mond und die Sterne,
Es duften die Mahden, die Nachtigall Schlägt aus der Yerne;
Marie verlangt nicht zu raften, verlangt nicht zu laufchen,
Stets? läßt fie die Senfe, die fräftig geſchwungene, raufchen.
6. So fürder von Abend zu Morgen, von Morgen zu Abend,
Mit Liebe fih nährend, mit feliger Hoffnung ſich labend;
Zum drittenmal hebt fih die Sonne, da ift es gefchehen,
Da jeht ihr Marien, die wonniglich weinende, ftehen.
7. „Guten Morgen, Marie! Was feh ih? D fleißige Händel
Gemäht ift die Wieje, das lohn’ ich mit reichlicher Spende;
Allein mit der Heirat — du nahmeſt im Ernſte mein Scherzen;
Leichtgläubig, man fieht es, und thöricht find liebende Herzen.“
8. Er Sprit es und gehet des Wegs; doch der armen Marie
Erftarret das Herz, ihr brechen die bebenden Kniee.
Die Sprade verloren, Gefühl und Befinnung geihmwunden,
So wird fie, die Mähderin, dort in den Mahden gefunden.
— 586 —
9. So lebt fie noch Sabre, fo ftummer, eritorbener Weiſe,
Und Honig, ein Tropfen, das iſt ihr die einzige Speife.
D haltet ein Grab ihr bereit auf der blühendſten Wiefe!
So liebende Mähderin gab es doch nimmer wie Diele.
£. Nplaud. (1815.)
363. Der Aſra.
1. Xäglih ging die wunderſchöne
Sultanstochter auf und nieder
Um die Abendzeit am Springbrunn,
Wo die weißen Wafler plätfchern;
2. Täglich ftand der junge Sklave
Um die Abendzeit am Springbrunn,
Mo die weißen Waſſer plätichern.
Täglich ward er bleich und bleicher.
3. Eines Abends trat die Fürftin
Auf ihn zu mit diefen Worten:
Deinen Namen will ich willen,
. Deine Heimat, deine Sippfchaft!
4. Und der Sklave ſprach: Ich Heiße
Mohamet, ih bin aus Yemen,
Und mein Stamm find jene Alta,
Melche fterben, wenn fie lieben.
364. Das zerbrochene Ringlein.
1. In einem fühlen Grunde
Da geht ein Mübhlenrad;
Mein’ Liebfte ift verſchwunden,
Die dort gemwohnet hat.
2. Sie bat mir Treu’ veriprocden,
Gab mir ein’n Ring babei;
Sie hat die Treu’ gebrochen,
Mein Ninglein fprang entzmwei.
3. Ich möcht” als Spielmann reiſen
Weit in die Welt hinaus
Und fingen meine Weiſen
Und gehn von Haus zu Haus.
— 587° —
4. Ich möcht’ als Reiter fliegen
Wohl in die blut'ge Schlacht,
Um ftille Feuer liegen
Am Feld bei dunkler Nacht.
5. Hör’ ich das Mühlrad gehen:
Ich weiß nicht, was ih will: —
Ich möcht' am liebften jterben;
Da wär's auf einmal ftill!
Jof. Ireib. v. Cichendorff.
365. Chriſtiane.
1. Es ftand ein Sternlein am Himmel,
Ein Sternlein guter Art;
Das thät fo Tieblich fcheinen,
So lieblih und fo zart.
2. Ich mußte feine Stelle
Am Himmel, wo e3 ftand,
Trat abends vor die Schwelle
Und ſuchte, bis ich's fand!
3. Und blieb dann lange ftehen,
Hatt’ große Freud’ in mir,
Das Sternlein anzujehen
Und dankte Gott dafür.
4. Das Sternlein ift verfchwunden;
Ich ſuche Hin und ber,
Mo ich es fonft gefunden,
Und find’ e8 nun nicht mehr. ’
Matth. Glandius.
366. Nach altdeutſcher Weiſe.
1. Es iſt beſtimmt in Gottes Rat,
Daß man, was man am liebſten hat,
Muß meiden!
Wiewohl nichts in dem. Lauf der Welt
Dem Herzen ah! jo fauer fällt,
Als Scheiden, ja Scheiben!
2. So dir geſchenkt ein Knöfplein maß,
So thu’ es in ein Waſſerglas;
Doch mille:
Blüht morgen dir ein Rößlein auf,
Es welkt wohl noch die Nacht darauf!
Das wifle, ja wiſſe!
— 588 —
3. Und bat dir Gott ein Lieb bejchert,
Und hältſt du fie recht innig wert,
Die Deine, —
Es werben wohl acht Bretter jein,
Da legſt du fie wie bald! Binein;
Dann weine, ja weine!
4. Nur mußt du mid auch recht verftehn,
Ja vecht verftehn!
Wenn Menſchen auseinander gehn,
So fagen fie auf Wieberjehn!
Ja Wiederſehn!
Eruſt von Seuchtersichen.
367. Nebeltag.
1. Nun weit er nicht mehr von der Erbe
Der graue Nebel, unbewegt;
Er dedt das Feld und deckt die Herde,
Den Wald und was im Wald fih regt.
2. Es fällt des Nachts in ſchweren Tropfen
Durchs welke Laub von Baum zu Baum,
Als wollten Elfengeifter Hopfen
Den Sommer wah aud jenem Traum.
3. Der aber jchläft, von kühlen Schauern
Tief eingehüllt, im Totenkleid —
O weld ein ftilles, ſanftes Trauern
Beſchleicht das Herz in diefer Zeit! —
4. Im Grund der Seele winkt es leiſe,
Und vom dabingefchmundnen Glüd
Beihmört in ihrem Bauberkreife
Erinnrung und den Traum zurüd.
Berm. Lingg.
868. Um Die dritte Stunde,
1. Die dritte Stunde nachmittags
Das tft die müde Stunde;
Es gebt das Zittern ihres Schlags
Wie Lähmung in die Runde.
— 589 —
2. Da liegt fie ftumm, die heiße Welt,
Verihmachtet und begraben;
Der Glutengott alleine hält
Die Fackel noch erhaben.
3. Wie MWüftenodem, tödlich drückt
Sein ſchwüles Reich die Matten,
Und von des Turmes Kuppel büdt
Sich welt der kühle Schatten.
4. Verlechzend ift auf dürrem Moos
Das Flurgeräufch entjchlafen,
Die Welle ſchlurft gedankenlos
Ums träge Schiff im Hafen.
5. Wie ein erfchlagner Rieſe ſchweigt
Die glühe Felſenflanke;
Im Menſchenhaupt hat ſich geneigt
Zum Schlummer der Gedanfe.
6. Sein Laut ergeht, fein Hauch, fein Lied
Giebt noch vom Leben Kunde,
Als ob der Erdengeift verjchied’
Um diefe dürre Stunde,
7. Die von des Mittags folgen Höhn
So fern ift abgefallen,
Wie von des Abends Luftgetön
Und feinen Nadtigallen.
Joh. Georg Stier.
369. Mittagszauber.
1. Bor Wonne zitternd bat die Mittagsfchmüle
Auf Thal und Höh in Stille fich gebreitet,
Man hört nur, wie der Specht im Tannicht fcheitet,
Und wie durchs Tobel raufcht die Sägemühle.
2. Und fchneller fließt der Bach, als ſuch' er Kühle,
Die Blume ſchaut ihm durftig nach und fpreitet
Die Blätter ſehnend aus, und trunken gleitet
Der Schmetterling vom ſeidnen Blütenpfühle.
3. Am Ufer ſucht der Fährmam fih im Nachen
Aus Weibenlaub ein Sonnendach zu zimmern
Und fieht ins Wafler, was die Wollen maden.
10
15
20
25
30
— 5% —
4. Seht ift die Beit, wo oft im Schiff en Wimmern
Den Filcher mwedt; der Jäger hört ein Lachen,
Und golden fieht der Hirt die Yelfen ſchimmern.
Berm. Linge.
370. Die ſchöne Bude,
Ganz verborgen im Wald kenn' ich ein Pläschen, da ftehet
Eine Buche, man fieht ſchöner im Bilde fie nicht.
Rein und glatt, in gediegenem Wuchs erhebt fie ſich einzeln,
Keiner der Nachbarn rührt ihr an den feidenen Schmud.
Ringe, fo weit fein Gezmeig der ftattlide Baum ausbreitet,
Grünet der Rafen, das Aug’ ſtill zu erquiden, umber;
Gleich nach allen Seiten umzirdt er den Stamm in der Mitte:
Kunftlos ſchuf die Natur felber dies lieblide Rund.
Zartes Gebüſch umkränzet es erit; hocdhftämmige Bäume,
Folgend in dichtem Gebräng’, wehren dem himmliſchen Blau
Neben der dunkleren Fülle des Eichbaums wieget die Birke
Ihr jungfräuliches Haupt ſchüchtern im goldenen Licht.
Nur wo, vervedt vom Felſen, der Fußſteig jäh ſich hinabſchlingt.
Läflet die Hellung mich ahnen das offene Feld
Als ich unlängft einfam, von neuen Geftalten de8 Sommers
Ab dem Pfade gelodt, dort im Gebüſch mich verlor,
Führt’ ein freundlicher Geift, des Hains auflaufchende Gotther
Hier mid zum erjtenmal plöglih, den Staunenden, ein.
Welch Entzüden! Es war um die hohe Stunde des Mittags,
Lautlos alles, es ſchwieg felber der Vogel im Laub.
Und ich zauderte noch, auf den zierlicden Teppich zu treten;
Feftlih empfing er den Fuß, leife befchritt ich ihn nur.
Jetzo gelehnt an den Stamm (er trägt fein breites Gewölbe
Nicht zu hoch), ließ ich rundum die Augen ergehn,
Mo den beichatteten Kreis die feurig ftrahlende Sonne,
Faſt gleich meilend umber, ſäumte mit blendendem Rand.
Aber ich ftand und rührte mich nicht; dämoniſcher Stille,
Unergründlider Ruh laufchte mein innerer Sinn.
Eingeihlofjen mit dir in diefem fonnigen Zauber»
Gürtel, o Einfamkeit, fühlt” ih und dachte nur bi!
&b. Mörite. (1842.
371. Die Eihbänme,
Aus den Gärten fomm’ ich zu euch, ihr Söhne des Berge!
Aus den Gärten; da lebt die Natur, geduldig und häuslich.
Pflegend und mieber gepflegt, mit fleifigen Menſchen zuſammen
Aber ihr, ihr Herrlichen! ſteht wie ein Voll non Titanen,
5
10
15
— 591 —
Sn der zahmeren Welt und gehört nur euch und dem Himmel,
Der euch nährt’ und erzog, und der Erde, die euch geboren.
Keiner von euch ift noch in der Menſchen Schule gegangen,
Und ihr drängt euch, fröhlich und frei, aus kräftiger Wurzel
Untereinander herauf und ergreift, wie der Adler die Beute,
Mit gewaltigem Arme den Raum und gegen die Wolfen
Iſt euch heiter und groß die fonnige Krone gerichtet.
Eine Welt ift jeder von euch; wie die Sterne ded Himmels
Lebt ihr, jeder ein Gott, in freiem Bunde zufammen.
Könnt’ ich die Knechtſchaft nur erbulden, ich neidete nimmer
Diefen Wald und fchmiegte mich gern ans gefellige Leben;
Feflelte nur nicht mehr ans gefellige Leben das Herz mid),
Das von Liebe nicht läßt, wie gern würd’ ich unter euch wohnen!
Ir. Bölderiiw. (1797.)
372. Waldweg.
(Fragment.)
1 Durch einen Nachbarsgarten ging der Weg,
Wo blaue Schleh’n im tiefen Grafe fanden;
Dann durch die Hede über ſchmalen Steg
Auf eine Wiefe, die an allen Randen
5 Ein boher Zaun vielfarb’gen Laub's umzog;
Buſcheichen unter wilden Rojenbüfchen,
Um die fi frei die Geishlattranfe bog,
Brombeergewirr und Hülfendorn dazwiſchen;
Vorbei an Farrenkräutern mob der Eppich
10 Entlang des Walles feinen dunfeln Teppid.
Und vorwärts jchreitend ftörte bald mein Tritt
Die Biene auf, die um die Diftel ſchwärmte,
Bald hörte ih, wie durch die Gräfer alitt
Die Schlange, die am Sonnenftrahl fi) wärmte.
15 Sonſt war e8 firhenftill in alle Weite,
Kein Vogel hörbar; nur an meiner Seite
Sprang fhhnaufend ab und zu des Oheims Hund.
Denn nicht allein wär’ ih um folde Zeit
Gegangen zum entlegnen Waldesgrund;
20 Mir graute vor der Mittagseinfamteit. —
Heiß mar die Luft, und alle Winde fchliefen;
Und vor mir lag ein fonnig offner Raum,
Wo quer hindurch ſchutzlos die Steige liefen.
Wohl hatt’ ich’3 fauer und ertrug es faum;
25 Doch raſcher fchreitend überwand ich's bald.
— 52 —
Dann war ein Bad, ein Wall zu überjpringen,
Dann no ein Steg, und vor mir lag der Wald,
In dem jchon herbſtlich rot die Blätter hingen.
Und drüber ber, body in der blauen Zuft,
30 Stand beutefüchtig ein gemwalt’ger Weih,
Die Flügel fchlagend duch den Sonnenbuft;
Tief aus der Holzung Scholl des Hähers Schrei.
Herbftblätterduft und Tannenharzgeruch
Duoll mir entgegen Thon auf meinem Wege,
35 Und dort im Walde jchimmerte der Bruch,
Durch den ich meinen Pfad nahm ins Gehege.
Schon ftredten dort gleih Säulen der Kapelle
Aus Laubgewölb’ die Tannenftämme fi;
Dann war’3 erreiht, und wie an Kirchenſchwelle
40 Umſchauerte die Schattenfühle mid).
Theod. Storm.
373. Ein Waldgang im NRobember.
1. Biellieber Wald, „andächt'ger Aufenthalt “
Auch „meiner Luft und Schmerzen“, lang’, ad! lang’
Haft du mir nicht geraufcht auf meinem Gang;
Nun ftreicht entgegen mir novemberkalt
2. Der Wind dur dein Gezweig, viellieber Wald,
Und fingt durch dürres Laub jo trüb und bang
Das Grablied der Natur, den Herbftgefang,
Der auch dem Menſchen fo veritändlih ſchallt.
3. Die Tanne hüllt fih in ihr ernft Gewand,
Kahl ftarrt Die Bude, nur die Eiche hält
Das Laub noch feit mit ihrer zähen Kraft,
4. Der do der Wind fchon Blatt auf Blatt entrafft. —
Ach! die Geſchlechter auch der Menfchenwelt
Wie Waldes Blätter ftreift Des Todes Hand!
Wild, Ofterwald.
374. Das Moor.
1. De Borm bemegt fit op und dal,
Als gingft du langs en böken Bahl,
Dat Water fchülpert inne Graff,
De Grasnarv bevert op und af,
— 593 —
Dat geit bendal, dat geit tohöch
So lifen a8 en Kinnerweeg.
2. Dat Moor iß brun, de Heid tft brun,
Dat Wullgras ſchint fo mitt ala Dun,
So meet a3 Sid, fo rein ald Snee;
Den Habbar reckt dat bet ant Knee.
3. Hier hüppt de Pogg in Neth hentlant
Un fingt uns abens fin Geſank;
De Voſs de brwt, de Wachtel röppt,
De ganze Welt is till und flöppt.
4. Du börft din Schritt ni, wenn du geilt,
Du börft de Rüfchen, wenn bu fteift;
Dat levt und mweot int ganze Feld,
As meer’t bi Naht en anner Welt.
5. Denn warb dat Moor fo wit un grot,
Denn warb de Menſch fo lütt to Mod;
Wull meet, ma lang be där de Heid
Noch friſch un kräfti geit!
R. Groth.
375. Abſeits.
1. Es iſt ſo ſtill! die Heide liegt
Im warmen Mittagsſonnenſtrahle,
Ein roſenroter Schimmer fliegt
Um ihre alten Gräbermale!
Die Kräuter blühn, der Heideduft
Steigt in die blaue Sommerluft.
2. Laufkäfer haſten durchs Geſträuch
In ihren goldnen Panzerröckchen;
Die Bienen hängen Zweig um Zweig
Sich an der Edelheide Glöckchen;
Die Vögel ſchwirren aus dem Kraut —
Die Luft ift voller Lerchenlaut.
3. Ein balbverfallen niedrig Haus
Steht einfam Hier und ſonnbeſchienen;
Der Käthner lehnt zur Thür hinaus,
Behaglich blinzelnd nach den Bienen;
Sein Junge auf dem Stein davor
Schnitzt Pfeifen fih aus Kälberrohr.
38
_— 594 —
4. Kaum zittert durch die Mitiagsrub
Ein Schlag der Dorfuhr, ber entfernten;
Dem Alten fällt die Wimper zu,
Er träumt von feinen Honigernten. —
Kein lang der aufgeregten Zeit
Drang no in diefe Einfamkeit.
Ch. Storm.
376. Das Hans in ber Heide.
1. Wie laufht, vom Abendſchein umzudt,
Die ftrohgededte Hütte,
— Recht wie im Neft der Vogel dudt, —
Aus dunkler Föhren Mitte!
2. Am Fenſterloche ftredt das Haupt
Die weißgeftirnte Stärke,
Bläft in den Abendduft und fchnaubt
Und ftößt and Holzgewerke.
3. Seitab ein Gärtchen, dormumbegt,
Mit reinlihem Gelände,
Mo matt ihr Haupt die Glode trägt,
Aufrecht die Sonnenwende.
4. Und drinnen niet ein ftilles Kind,
Das fcheint den Grund zu jäten;
Nun pflüct fie eine Lilie Find
Und wandelt längs den Beeten.
5. Am Horizonte Hirten, Die
Im Heidekraut ſich ftreden
Und mit des Aves Melodie
Träumende Lüfte wecken.
6. Und von der Tenne ab und an
Schallt es wie Hammerſchläge,
Der Hobel rauſcht, es fällt der Span,
Und langſam knarrt die Säge.
7. Da hebt der Abendſtern gemach
Sid aus den Föhrenzweigen,
Und g’rade ob der Hütte Dad
Scheint er fih mild zu neigen.
— 595 —
8. Es ift ein Bild, wie ftill und heiß
Es alte Meifter begten
Kunſtvolle Mönde, und mit Fleiß
Es auf den Goldarund legten.
9. Der Zimmermann — die Hirten gleich
Mit ihrem frommen Liede —
Die Jungfrau mit dem Liltenzweig —
Und rings der Gottesfriede —
10. Des Sterne wunderlich Geleudt
Aus zarten Wollenfloren —
Iſt etwa bier im Stall vielleicht
Chrifttindlein heut geboren?
Ann. v. Drofie:Bälshof.
37. Chriſtnacht.
1. Helge Naht, auf Engelichwingen
Nahſt du leife dich der Welt,
Und die Glocken hör’ ich Klingen,
Und die Fenfter find erhellt.
Selbft die Hütte trieft von Segen,
Und der Kindlein frober Dank
Jauchzt dem Himmelskind entgegen,
Und ihr Stammeln wird Gefang.
2. Mit der Fülle füßer Lieber,
Mit dem Glanz um Thal und Höhn,
Heil’ge Naht, fo kehrſt du wieder,
Die die Welt dich einft gefehn?
Da die Palmen lauter raufchten,
Und, verjentt in Dämmerung,
Erd’ und Himmel Worte taufchten,
Worte der Verkündigung;
3. Da mit Purpur übergoflen,
Aufgetdan von Gottes Hand,
Alle Himmel fih erſchloſſen,
Slänzend über Meer und Land;
Da, den Frieden zu verkünden,
Sih der Engel niederſchwang
Auf den Höhen, in den Gründen,
Die Verheißung wiederklang;
38*
— 596 —
4. Da, der Jungfrau Sohn zu dienen,
Fürften aus dem Morgenland
In der Hirten Kreis erichienen,
Gold und Moyrrhen in der Hand;
Da mit feligem Entzüden
Sich die Mutter nieberbog,
Sinnend aus des Kindes DBliden
Niegefühlte Freude fog.
Heil’ge Nacht, mit taufend Kerzen
Steigft du feierlich herauf!
D fo geh in unfern Herzen,
Stern des Lebens, geh uns auf!
Schau, im Himmel und auf Erden
Glänzt der Liebe Rofenfchein:
Friede ſoll's noch einmal werben
Und die Liebe König fein! —
a
Rob. Drug.
378. Der Dorflirchhof.
1. Friedlich Dorf, nah alter Sitte
Haft du noch dein Kirchlein ftehn
In des ftillen Hofes Mitte,
Mo zur Ruh die Toten gehn.
2. Sonntags wallet die Gemeine
Beim Geläute da hinaus;
Zwiſchen Kreuz und Leicheniteine
Zieht die Schar ind Gotteshaus.
3. Wird fie nit, um Gräber Ientend,
Schon zu tieferm Ernſt geftimmt,
Daß die Seel’, ihr End' bedenkend,
Beier Gottes Wort vernimmt?
4. Will fein Kind zur Taufe tragen
Hier ein Vater wohlgemut,
Sieht er nicht den Hügel ragen,
Wo fo mandes Kindlein ruht?
5. Flüftert nicht ein Hauch des Windes
Aus der Kleinen Gruft berauf:
Pflege doch des zarten Kindes,
Zieh es früh zum Himmel auf!
— 597 —
6. Wann beim Bellen Yeftgeläute
Naht die muntre Hochzeitichar,
Mandeln die geihmüdten Bräute
Zwiſchen Grüften zum Altar.
7. Bor der Jungfrau mit der Krone
Bebt am Kreuz der Ylitterfranz,
Mahnt zum Ernſt mit leifem Tone
Mitten durch Muſik und Tanz.
8. Aber wankt in tiefen Schmerzen
Eine Schar zum Grabesrand,
Dann für die gebrochnen Herzen
Iſt der Troft auch nah zur Hand.
9. Gleichwie fanfter ja die Kinder
Weinen in der Mutter Schoß,
So vor Gottes Haus gelinder
Ringen fi) die Thränen los.
10. Sanfter felbit die Toten ruhen
In der Kirche Hut und Acht,
Gleichwie Kinder in den Truhen,
Wo die treue Mutter wacht. —
11. Dörflein, deine Kirch’ umkränzet
Grün des Friebhofs ernft Gehen’,
Und der Totenader grenzet
Hart an deinen Lebenämeg.
12. Wenn in deine Yet’ und Freuden
Oft ein Sterbgedanke bricht,
So verflärt ſich auch dein Leiden
In des em’gen Glaubens Lidt.
A. Stöber. 1840.)
379. Ein Gang ums Thor.
1. Ich nehm' mir alle Tage vor,
Ein kleines Stück zu wandern,
Und wär's auch nur von einem Thor
Bis wieder zu dem andern.
2. So wandert' geſtern ich allein
Erſt über grüne Auen;
— 598 —
Da Ipielten frohe Kinbelein,
Recht lieblich anzufchauen.
3. Sie ſuchten Blumen in dem Gras,
Se bunter, defto lieber:
Die ſchöne Kinderzeit ift Das,
Dacht' ih, und ging vorüber.
4. Am Gärtchen kam ih dann vorbei
Mit feinen Rofenlauben,
Und flüfteern hört’ ich ihrer zwei
Bon Liebe, Treu’ und Glauben.
5. Verraten will ich wahrlich nicht,
Ihr Lieben, euer Kofen;
Ein fühlend Herz, ein froh Geſicht:
Es ift die Zeit der Roſen!
6. Zum reifen Felde Fam ich dann
Mit voller, brauner Ahre, -
Und von ber Stirn der Schnitter rann
Der Schweiß, der faure, fchwere.
7. Das ift, fo fiel e8 mir aufs Herz,
Das tft die Zeit der Mühen,
So muß des reifen Mannes Erz
Im Feuerofen glühen.
8 „Noch fleißig?“ rief ich ihnen zu,
Mit heiterm Gruß fie labend,
„Herri” fprachen — — geht zur Ruh,
Bald iſt es Feierab
9. Und eben ſenlt der letzte Strahl
Der Sonne ſich hernieder,
Noch einmal leuchtet aus dem Thal
Die milde Landſchaft wieder.
10. Da langt' ich bei dem geidhof an
Mit ſeinen ſüßen Schauern,
Daneben ſtand mir aufgethan
Die Stadt mit ihren Mauern.
Rud. Bagenbad.
— 59 —
380. Die Wurmiinger Kapelle.
1. Luftig, wie ein leichter Kahn
Auf des Hügeld grüner Welle,
Schwebt fie lächelnd himmelan,
Dort die frieblihe Kapelle.
2. Einft bei Sonnenuntergang
Schritt ih dur die öden Räume,
PVrieftermort und Feſtgeſang
Säufelten um mid wie Träume.
3. Und Marias ſchönes Bild
Schien vom Altar fih zu King:
Schien in Trauer, heilig mild,
Alter Tage zu gedenten.
4. Rötlih kommt der Morgenjdein,
Und es kehrt der Abendſchimmer
Treuli bet dem Bilde ein;
Doch die Menſchen lonmen nimmer.
5. Leiſe werd' ich hier umweht.
Von geheimen, frohen Schauern,
Gleich als hätt! ein fromm Gebet
Sich verjpätet in den Mauern.
6. Scheivend grüßet hell und klar
Noch die Sonn’ in die Kapelle,
Und der Gräber Stille Schar
Liegt fo traulich vor ber Schwelle.
7. Freundlich ſchmiegt des Herbſtes Ruh
Sich an die verlaſſ'nen Gruͤfte;
Dort, dem fernen Süden zu,
Wandern Vögel durch die Lüfte.
8 Alles fchlummert, alles ſchweigt,
Mander Hügel iſt verjunten,
Und die Kreuze ftehn geneigt
Auf den Gräben — fchlafestrunfen.
9. Und der Bann im Abendwind
Läpt fein Laub zu Boden wallen, ..
Wie ein fehlafexgriffnes Kind.
Läßt fein buntes Spielzeug fallen. .
— 600 —
10. Hier ift al mein Erdenleid
Wie ein trüber Duft zerflofien;
Süße Todesmüdigkeit
Hält die Seele bier umſchloſſen.
381. De Garn.
1. Leben — od! wa is't ni fhön!
Dod is mul fo war!
Und de Karkhof iS fo neeg,
Dit an unfe Garn.
2. Seeg if na de Krüz un Steen,
Seeg it na de Maan,
Hör ik ſach de Karkenklock
Still un truri gan.
3. Och! un dochen rückt de Blom,
Und min Hart bat fleit!
Sieh! un ünnern Appelbom,
Sieh mal, wull dar fteit!
4. Kumm, bat Leben ia fo ſchön!
Dod 18 mul en Drom.
Lat uns aewern Karkhof ſehn
Mank de Büſch un Blom’.
Rlaus Groth.
882. Blick in den Strom.
1. Sahſt du ein Glüd vorübergehn,
Das nie ſich miederfindet,
Iſt's gut in einen Strom zu fehn,
Wo alles wogt und ſchwindet.
2. O, flarre nur binein, binein,
Du wirft e8 leichter miflen,
Was dir, und follt’8 dein Liebſtes fein,
Vom Herzen warb geriflen.
3. BU’ unvermandt hinab zum Fluß,
Bis deine Thrünen fallen,
Und fieh dur ihren warmen Buß
Die Flut hinunterwallen.
— 601 —
4. Hinträumend wird Vergeficnbeit
Tes Herzens Wunde Schließen;
Die Seele fieht mit ihrem Leid
Sich felbft vorüberfließen.
Nil. Conan. (1844.)
383. Ich ging durch ftille Abenddämmerungen.
1.
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Sch ging durch ftille Abenddämmerungen;
Die ftumme Flur entichlummerte ſchon mählich;
Die Vögel hatten, da fie tauſendkehlig
Die Sonn’ im Scheiben grüßten, ausgeſungen.
Ta bat ein hoher Klang fi aufgeſchwungen
Bon Abendgloden rings im Land vielzählig;
Da fühlt” ih mich im tiefften Herzen felig,
Und Thränen find ins Auge mir gebrungen.
O Glodenton! wie du an Gott zu denken
Uns aufrufft durch den trüben Erbenabend,
Will fih der Geift fo ganz m Andacht ſenken.
Ein Ton nun klingt durchs öde Weltgetriebe,
Das fehnfuchtmüde Herz noch füßer labend:
D Hinge fort, du Huf der ew'gen Liebe!
Gottfr. Rintel-
584. Abendſonne.
Betrachte, wie in Abendſonne⸗Glut
Die grünumgebnen Hütten fchimmern!
Sie rüdt und weicht, der Tag tft überlebt,
Dort eilt fie hin und fördert neues Leben.
D! daß Tein Flügel mich vom Boden hebt,
Ihr nach und immer nach zu ftreben!
Ich ſäh' im ew'gen Abendſtrahl
Die ſtille Welt zu meinen Füßen,
Entzündet alle Höhn, beruhigt jedes Thal,
Den Silberbach in goldne Ströme fließen.
Nicht hemmte dann den göttergleichen Lauf
Der wilde Berg mit allen feinen Schluchten;
Schon thut das Meer fih mit erwärmten Buchten
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Bor den erftaunten Augen auf.
15 Doc fcheint die Göttin endlich wegzuſinken;
Allein der neue Trieb erwacht,
Sch eile fort, ihr ew'ges Licht zu trinken,
Bor mir den Tag und hinter mir die Nacht,
Den Himmel über mir und unter mir die Wellen.
20 Ein fchöner Traum, indeflen fie entweicht!
Ah! zu des Geiftes Flügeln wird fo leicht
Kein körperlicher Flügel ſich gefellen.
Do ift e8 jedem eingeboren,
Daß fein Gefühl hinauf und vorwärts dringt,
25 Wenn über uns im blauen Raum verloren,
Ihr ſchmetternd Lied die Lerche fingt,
Wenn über fchroffen Fichtenhöhen
Der Adler ausgebreitet ſchwebt
Und über Flächen, über Seeen
30 Der Kranich nad der Heimat ftrebt.
29. ». Goethe. (Bauf, 1790.)
385. Die Nacht.
Fragment.
Ringsum ruhet die Stadt, ſtill wird die erleuchtete Gafle,
Und mit Fadeln geſchmückt rauſchen die Wagen hinweg.
Satt gehn heim, von Freuden des Tags zu ruhen, die Menfchen,
Und Gewinn und Berluft wäget ein ſinniges Haupt
Wohl zufrieden zu Haus; leer fteht von Trauben und Blumen,
Und von Werken der Hand ruht der gefchäftige Markt.
Aber das Saitenſpiel tönt fern aus Gärten; vielleicht, daß
Dort ein Liebender fpielt, oder ein einfamer Mann
Ferner Freunde gedenft und der Jugendzeit; und die Brunnen,
Immerquillend und friſch, raufhen an duftendem Beet.
Stil in dDämmriger Luft ertönen geläutete Gloden,
Und der Stunden geden? rufet ein Wächter die Zahl
Set auch kommet ein Wehn und regt die Wipfel des Hains auf,
Sieh! und das Ebenbild unferer Erde, der Mond
Kommet geheim nun auch; die ſchwärmeriſche, die Nacht fommt;
Bol mit Sternen und wohl wenig belümmert um uns
Glänzt die erftaunende dort, die Fremdlingin unter den Menfchen,
Über Gebirgeshöhn traurig und prächtig herauf.
Sriehr. Yölderlin.
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386. Begrüßzung des Meeres.
1. Unermeßlich und unendlich,
Glänzend, ruhig, ahnungsſchwer,
Kiegft du vor mir audgebreitet,
Altes, heil’ges, ew'ges Meer!
2. Sol ih dih mit Thränen grüßen,
Wie die Wehmut fie vergießt,
Wenn fie trauernd auf dem Friedhof
Manch ein teures Grab begrüßt?
3. Denn ein großer, ftiller Friedhof,
Eine weite Gruft bift Du,
Manches Leben, manche Hoffnung
Dedft du kalt und fühllos zu;
4. Keimen Grabſtein wahrſt du ihnen,
Nicht ein Kreuzlein, ſchlicht und fchmal,
Nur am Strande wandelt meinend
Manch ein lebend Trauermal. —
5. Soll ih did mit Aubel grüßen,
Subel, wie ihn Freude zollt,
Wenn ein weiter, reicher Garten
Ihrem Blid ſich aufgerollt?
6. Denn ein unermeßner Garten,
Eine reihe Flur bift du,
Edle Keime dedt und Schätze
‚Dein Iryftallner Bufen zu.
7. Wie des Gartens üpp'ge Wiefen
Sit dein Plan auch glatt und grün,
Perlen und Korallenhaine |
Sind die Blumen, die dir blühn.
8 Mie im Garten ftile Wandler
Ziehn die Schiffe Durch das Meer,
Schätze fordernd, Schätze bringend,
Grüßend, Hoffend, hin und ber. —
9. Sollen Thränen, foll mein Jubel
Dich begrüßen, Ozean?
Nicht'ger Zweifel, eitle Frage,
Da ih doch nicht wählen Tann!
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10. Da doch aud) der höchſte Jubel
Mir vom Aug’ ala Thräne rollt,
Sp wie Abendſchein und Frührot
Stet3 nur Tau den Bäumen zollt!
11. Bu dem Herrn empor mit Thränen
War mein Aug’ im Dom gewandt,
Und mit Thränen grüßt” ich wieder
Süngft mein fchönes Baterland;
12. Weinend öffnet’ ich die Arme,
Als ich der Geliebten nah;
Weinend niet’ ich auf den Höben,
Wo ich Dich zuerft erſah.
Auaft. Grün. (1829.)
387. Meeresfitrand.
1. Ans Haff nun fliegt die Möwe,
Und Dämmrung bricht herein;
Über die feuchten Watten
Spiegelt der Abendfchein.
2. Graues Geflügel huſchet
Über dem Wafler ber;
Wie Träume liegen die Inſeln
Im Nebel auf dem Teer.
3. Ich höre des gärenden Schlammes
Geheimnisvollen Ton,
Einſames Pogelrufen —
So war e8 immer fchon.
4. Noch einmal fchauert leife
Und ſchweiget dann der Wind;
Vernehmlich werden die Stimmen,
Die über der Tiefe find.
ch. Storm.
388. Der Abend am See.
1. Die Sonne tauchet leiſe
Zum blauen See hinein,
Die goldnen Wellentreife
Erglühn vom Wieberfchein.
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2. Im Raden, der gelinde
Schaukelnd am Ufer liegt,
Bom ältern Fiſcherkinde
Ein jüngres wird gemiegt.
3. Die Mutter lehrt zurüde
Und jhürt des Herdes Brand,
Mit Gruß und ſüßem Blide
Hinaus zum Kahn gewandt.
4. Der junge Fiicher richtet
Die Nee mit Bebacht,
Die Tonnen ftehn gejchichtet
Zum Fange für die Nacht.
5. Großvater, dem ind Kühle
Den Lehnftuhl fie gerüdt,
Sit auf dem weichen Pfühle
Halbträumend eingenidt.
6. Vom nahen Hügel ſchwanket
Ein morjches Kreuz ind Thal,
Bon wilden Blumen umranket, —
Ein ſchlichtes Totenmal.
7. Es ſieht dem ftillen Weben
Im Thale freundlich zu;
Dort ift fo ſchön das Leben,
Und felig hier die Ruh.
Georg Scheurlin.
889. Auf Dem See.
Nun fließt die Welt in fühlem Mondenlicht,
Die Berge find im meißen Duft verfunfen;
Der See, der leif’ um meinen Kahn fich bricht,
Spielt fern Hinaus in irren Silberfunlen,
Doch fein Geftad’ erkenn' ich nicht.
Mie weit! Wie til! Da fließt in mir ein Sinn
Sih auf, das Unnennbarfte zu verftehen;
Uralte Melodieen geben
Durh meine Bruft gedämpft dahin.
Es ſinkt, wie Tau, der Ewigkeit Gedanke
Kühl ſchauernd fiber mich und füllt mich ganz, -
Und mid umflutet fonder Schrante
Ein uferloje8 Meer von weißem Glanz.
Emannel Geibel.
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390. Lied.
1. Ich wandle til den Waldespfad,
Es dunkelt die Nacht herein.
Im Grunde raufht ein Müblenrad,
Der Grillen Lied fällt ein.
2. Wie liegt fo tief, wie liegt jo weit
Die Welt im Mondespduft!
Die Stimme der Walbeinfamteit
Im Windesfäufeln ruft:
3. Wirf ab dein bang erträumtes Web,
Wirf ab die falfche Luft!
Sie fchmelzen hin wie Märzenfchnee,
Und öde bleibt die Bruft.
4. Blick auf, mo Stern an Stern entbrennt,
Und ſprich dein Herz zur Rub;
Denn ew’ger ala das Firmament,
Du feines Licht, bift du!
D. Benfe. (1868.)
391. Das Fiſchermädchen iu Burane.
- Stridt mir fleißig am Neb, ihr Schweftern! Es ſoll's der Geliebte
1 Heut noch haben, fobald im bejegelten Nachen er heimkehrt
Meshalb zaudert ex heute fo lang’? Die Lagune verfladht fid
Schon, und es legt ich der Wind; um das leuchtende hohe Venedig,
5 Wie es den Waſſern entfteigt, auöbreitet fich Abendgewölk ſchon
Dftwärts fuhren fie heut mit dem Fahrzeug gegen Altino,
Mo in den Schutt hinſank eh’mals die bevöllerte Seeſtadt.
Häufig erbeuten fie dort Goldmünzen und präcdtige Steine,
Wenn fie das Neb einziehn; die betagteren Filcher erzählen’s;
10 Möchteft du auch, o Geliebter, und recht was Köftliches finden.
Schön wohl ift e8 zu fiſchen am Abende, wann bie Lagune
Bligt und das fhimmernde Nek vom hangenden Meergras funtelt,
Jegliche Maſche wie Gold und die zappelnden Filche vergoldet;
Aber ich Liebe vor allem den Feittag, wann du daheimbleibſt
15 Auf dem befuchteren Pla dann mandelt die fräftige Jugend,
Jeder im Staat, mein Freund vor den übrigen ſchön und
beicheiden.
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Dftmals laufchen wir dann dem Erzähler, und wie er verkündigt
Worte der Heiligen und und bie Thaten des frommen Albanus,
Welcher gemalt hier fteht in der Kirche, des Orts Mohlthäter.
Doch als feine Gebeine hierher einft brachten die Schiffer,
Konnten fie nicht ans Ufer den Sarg ziehn, weil er fo ſchwer ſchien;
Zange bemühten die ftarken, gewaltigen Männer umſonſt fich,
Triefend von Schweiß, und zulett ließ jeglicher ab von der Arbeit.
Siehe, da kamen heran unmündige, lodige Kinder,
Spannten, ald wär's zum Scherz, an das Seil fi, zogen den
Sarg dann |
Leihtanden Strand, ganz ohne Beſchwerde, mit freundlichem Lächeln.
Diejes erzählt der bewanderte Greiß; dann häufig erzählt er
Weltlihe Dinge zumal und den Raub der venediihen Bräute,
Die nah Dlivolo gingen zum fröhlichen Felt der Vermählung:
Jede der Jungfrau'n trug in dem zierlihen Körbchen den Mahlſchatz,
Wie es die Sitte gebot. Ad, aber im Schiffe verborgen
Lauert ein Trupp Seeräuber; verwegene Thäter der Unthat
Stürzen fie plöglich hervor und ergreifen die bebenden Mädchen,
Schleppen ins Fahrzeug alle, mit burtigen Rudern entweichend.
Doch vom Gejchrei wiederhallt ſchon rings das entſetzte Venedig,
Schon ein bewaffneter Haufe von Sünglingen ftürmt in die Schiffe,
Ihnen der Doge voran. Bald holen fie ein die Verruchten,
Bald, nah männlihem Kampfe, zurüd im verdienten Triumpbzug
Führen fie heim in die jubelnde Stadt die geretteten Jungfrau’.
Alfo berichtet der ehrliche Greis, und es laufcht der Geliebte,
Rüftig und Schlank, wohl wert, auch Thaten zu thun wie die Vorwelt.
Dft auch rudert hinüber ins nahe Torcello der Freund mid).
Eh’mals war's, fo erzählt er, von wimmelnden Menfchen bevölfert,
Wo fih in Einſamkeit jetzt falzige Waſſerkanäle
Hinziehn, alle verfhlammt, durch Felder und üppige Reben.
Aber er zeigt mir den Dom und des Attila fteinernen Seffel
Auf dem veröbeten Pla mit dem alten zertrümmerten Rathaus,
Wo der geflügelte Löwe von Stein aus fonftigen Tagen
Ragt, als dieſe Lagunen beberrichte der Heilige Markus.
AN dies jagt mir der Freund, wie's ihm fein Vater gejagt hat.
Nubert er heimmärts mich, dann fingt er ein heimifches Lied mir,
Bald „Holpfeliges Nischen“ und bald „Sn der Gondel die Blonde.“
Alfo vergeht, ung allen zur Freude, der herrliche Feſttag.
Strickt mir fleißig am Neb, ihr Schweftern! Es ſoll's der Geliebte
Heut noch haben, fobald im befegelten Nachen er heimkehrt.
Ang. Graf v. Diaten. (18883.)
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— 60838 —
392. Frühlings Anferfichung.
Vom Eife befreit find Strom und Bäche
Durch des Frühlings bolden, belebenden Blid;
Im Thale grünet Hoffnungsglüd;
Der alte Winter in feiner Schwäche
Zog ſich in raube Berge zurüd.
Bon dorther fendet er, fliehend, nur
Ohnmächtige Schauer Fürnigen Eijes
In Streifen über die grünende Flur.
Aber die Sonne duldet fein Weißes;
Überall regt fih Bildung und Streben,
Alles will fih mit Farben beleben;
Doch an Blumen fehlt's im Revier,
Sie nimmt gepußte Menſchen dafür.
Kehre dich um, von Dielen Höhen
Nah der Stadt zurüdzufehen.
Aus dem hohlen, finftern Thor
Dringt ein großes Gewimmel hervor.
Jeder fonnt fich heute fo gern;
Sie feiern die Auferftehung des Herm:
Denn fie find jelber auferftanden
Aus niedriger Häufer dumpfen Gemädern,
Aus Handwerks: und Gemerbesbanden,
Aus dem Drud von Giebeln und Dächern,
Aus der Straßen quetſchender Enge,
Aus der Kirchen ehrwürdiger Nacht
Sind fie alle ana Licht gebradit.
Sieh nur, fieh! wie behend fi die Menge
Dur die Gärten und Felder zerichlägt,
Wie der Fluß, in Breit” und Länge,
Sp manden luftigen Nachen bemegt!
Und, bis zum Sinfen überlaben,
Entfernt fi dieſer legte Kahn.
Selbft von des Berges fernen Pfaden
Blinken uns farbige Kleider an.
Sch höre ſchon des Dorf? Getümmel;
Hier ift des Volles wahrer Himmel,
Zufrieden jauchzet groß und Klein.
Hier bin ih Menſch, bier darf ich's fein!
W. v. Goethe. (Gauft.
1790.)
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— 609 —
393. Der Frühlingsbote.
Gemälde A la Breughel.
Bon allen zwölf Monaten in dem Jahr
Geb’ ich das Kränzlein dem Februar,
Und nicht weil da, von Luft umringt,
Die tolle Faſtnacht im Reihen fpringt,
Und alles lärmt und tanzt und mwühlt
Und hubſch im ftillen fein Mütlein kühlt
Durch Butentradt und Mummerei,
Bor Tadel, Spott und Strafe frei;
Nein, darum hab’ ih den Hornung lieb
Und ihm das Ehrenkränzlein gieb,
Weil da des Winters Rinde Ipringt,
Wenn Petri Stuhlfei’r den Storch uns bringt.
Wie oft feufz” ich nach diefer Zeit,
Wenn's draußen ftürmt und eift und fchneit,
Der Reif die Yenfter überziebt,
Daß man nicht mehr auf die Straße fieht,
Kein Freudenton ind Zimmer dringt,
Kein Lied erklingt, Fein Vöglein fingt
Und nur der häßliche Rabe krächzt,
Der Boden niftert, das Wagenrad ädhzt,
Der Wandrer ſchnaubt und Huftet und ſchneuzt,
Der Froſt ihm Naſe und Ohren burchbeizt,
Die Füß' erlahmt, die Finger Frümmt
Und alle Lebensluſt benimmt!
Im Zimmer wohnt der Kummer aud
Bei Lampenqualm und Dfenraud,
Bei Marktgewäſch und Radgeſchnurr,
Bei Kabgemau und Hundsgeknurr,
Bei em’ger Nacht und Einerlei
Und Bubenläsm und Kindsgeſchrei,
Beim Quälen ver Rheumatica
Et cetera et cetera.
Da rett’ ich aus diefem Jammerpfuhl
Mich gern in meinen Sorgenftuhl
Und male mir ben feitlihen Tag,
Der all das Unheil enden mag.
Was fchallt duch alle Straßen? hd!
„Der Storch! der Storch! der Storch! der Storch!“
Und ftattlih tritt auf den Altan
Der Stabttrompeter und fängt da an
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— 610 —
Zu blajen aus wahrer Herzensluft,
Daß faft zeripringen Lung' und Bruft.
Nicht müßig bleibt fein treues Weib;
Wenn ſchon betagt und ſchwer von Leib,
So eilt fie doch im ſchnellſten Sprung,
Zu holen den Föftlichen Ehrentrunl,
Den der Stadtfeller jeit alter Zeit
Ihr für die frohe Botſchaft beut.
Bon dem Trompetenlärm geweckt,
Ein jeder den Kopf aus dem Fenſter ftedt
Und fragt: „Was fol das Tratata?”
Da beißt e8 dann: „Der Storch iſt da!”
Und wie der Sonne freundlih Licht
Mit eins durch ſchwarzes Gewölke bricht,
Blitzt in die Herzen überall
Der Freude all belebenver Strahl.
Raum bören den Lärm die Schülerbuben,
Stürzen fie aus den Marterftuben,
Laſſen den Lehrer rufen und fchrein,
Sind fhon auf der Gaſſ', und er fteht allein.
Da tritt er mit gebeugtem Sinn
Ans Fenſter, fieht au nach dem Vogel hin,
Dankt Gott, daß die nahende Oſterzeit
Ihn bald von dieſer Brut befreit.
Und in des trägen Küfters Haus
Gudt freudig fein Weib zum Fenſter hinaus,
Sie hat mit Schmerz auf den Storch gehartt,
Denn fie frühmorgens halb erftaret
Das Glödlein zog, indes, geſteckt
In warme Kiffen, ihr Mann fid ftredt.
Der Greis verläßt den Dfenfik
Und freut fi der fommenden Sommerhitz',
Um die er fih halb Frank gehärmt,
Und fühlt im Geift fih ſchon erwärmt.
Großpmütterlein wankt auch herfür!
Ihr Entelein führt fie vor die Thür;
Sie gudt; allein der Augen Licht
Iſt ſchwach, fie fieht den Vogel nicht.
Doch welt der lärmende Mufilus
Der Rüderinnerung Vollgenuß
In ihrer Seele; mit Innigkeit
Erzählt fie, wie fie fi als Kind gefreut.
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— 611 —
Mas läuft fo der Wirt in fein Kellerlein?
Er zapft im voraus Bier und Wein.
Heut Friegt er alle Tiſche voll,
Weiß nicht, wo er ſchenken und wehren fol;
Denn immer tönt’3 da: „Wirt, komm her!
Dem Storh zu Ehren ein Schöpplein mehr!”
Heut wird fein Mann vom Weib gezantt,
Wenn er aud mäandriſch zum Lager want.
Der Bettelvogt hat, wie ſich's gebührt,
Ein Hubelpad aus dem Thor geführt.
Auf einmal hält jeinen amtlihen Lauf
Das Freudengelärm des Trompeters auf;
Und während am Himmel baftet fein Blick,
Läuft pfiffig das Pad in die Stadt zurüd,
Heut bringt das Betteln reihen Gewinn;
Denn mwohnet die Freude in Herz und Sinn,
Gar willig die Hand ein Gäblein reicht.
Ah jeht! felbit Harpar drückt erweicht
Nachdem er es zehnmal falich erfand,
Das Kreuzerlein in des Blinden Hand,
Singt nad der Trompete dann vor fih ber:
„Trara! Feine Lichter, fein Heigen mehr.”
Dort wohnt ein Maler unterm Dad),
Schwenkt auch dem Vogel fein Käppchen nad.
Gebannt ins dunkle Kämmerlein,
Ward ihm ſein Pinſel bald zur Pein;
Jetzt glückt's ihm wieder im erſten Strich,
Was ängſtlich und mühſam zuſammen er ſtrich;
Malt wieder frei und zart zugleich;
Sein Kopf wird an Ideen reich,
Wenn wieder in Gottes reiner Luft
Die Blumen ihm lachen, der Finke ihm ruft.
Laut ſchlägt ſein Herz und frei und froh;
Er fingt in dulci jubilo.
Und mit ihm fingt aus Mund und Herz,
Schickt Danfgebetlein himmelwärts
So manches Weib, ſo mancher Mann,
Der wieder ſein Brot verdienen kann.
Und mein Herr Doktor X, auch du
Rufſt fröhlich dem Storch ein Vivat zu!
Es litt dein Ruhm gewaltig Not,
Ging ſchier mit deiner Kunſt kapot;
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Seht bringt der Storch dir die Panacee
Für deinen Kredit und der Kranten Web.
Und überall, wohin man fieht,
Die Freude in jeglichen Auge glüht.
Heut läßt der Advokat die Kniff',
Der Müller feinen Meiftergriff;
Der Bäder gewichtige Brote badt;
Der Mebger den Sped vom Fleiſch nicht hackt;
Der Wirt ‚vergißt den Waflerquell
Und Meifter Ziegenbart die Höll'.
Und der hochweiſe Magiftrat
Sih auf dem Rathaus verfammelt hat,
Saß eben da mit finfterm Geficht
Und bielt ein Malefizgericht.
Ward Fürzlih ein neuer Galgen erbaut,
Den männiglih mit Vergnügen beſchaut;
Doch mandem beim Borübergehn
Der Wunſch entichlüpft, ihn ftaffiert zu fehn.
Das wünſcht voraus die Wacht der Stadt,
Die ftet? den Defelt vor Augen hat,
Mit Argusaugen drum vigiltert,
Ob nichts Verdächtiges durchpaſſiert.
Da ſchlottert ein wanderndes Schneiderlein
Vor kurzem beim Zwielicht zum Thor herein,
Das ſtracks der Wächter zum Schultheiß ſchleppt,
Weil es beim Wer da? zuſammengebebt.
Das wird ſogleich in den Turm geführt
Und vom Profoſſen viſitiert;
Der findet, daß auf dem Schulterblatt
Er eine verdächtige Narbe hat.
Der glückliche Fund wird rapportiert
Und commissionaliter examiniert.
Allein das Zeichen, das da ſteht,
Gleicht keinem Buchſtab von A bis 2.
Nah langem Beraten bis tief in die Nacht,
Der Schreiber ein Fac-simile madt;
Das wird dem gelehrten Paſtor Held
Zur Unterfuhung zugeftellt.
Und er, beflifien, dem Baterland
Zu dienen, fehreibt einen dien Band,
Mie, wo, dur wen die Schrift entftand,
Und was für Züge in jedem Land
Gebräuchlich waren und find; da wand,
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Eh’ er die Arbeit vermochte zu enden,
Der Eifer der Richter fie ihm aus ben Händen,
Als er gerade die Feder ergriffen,
Um jetzt zu erklären die Hieroglyphen.
Und kaum fo viel Zeit er noch übrig bat
Am End’ vom zwölfhundert und zwölften Blatt
Auch über das quäftionierlihe Zeichen
Sein kurzes Parere einzureichen,
Dahin vermeilend, daß das Signet
Mit fyriiher Schrift in Verwandtſchaft ftebt;
Und daß fein Urteil begründet jei,
Legt er den Thesaurum linguarum bei.
Die Richter, mit diefen Bogen veriehn,
Zum Schneiderlein in den Kerker gehn.
Wo der die gewaltigen Maflen erblidt,
Er bis in das Fundament erichrict:
Es malt ihm die Angft fie als Folterftein,
Zu maertern fein armes Körperlein.
Als nun der Richter ihm näher winkt,
Er bleich und erfterbend zufammenfintt,
Und als er ein Wörtchen vom Stehlen hört,
Ihm billig ein winſelndes Ach! entfährt.
Es protofolliert nun die Kanzlei,
Daß er convict-. und confessus fei.
Und ſchnell durchläuft die ganze Stadt
Die Sage von mander gräßlihen That,
Die diefer Verbrecher bei Tag und Nacht
Graufam in allen Weltteilen vollbracht,
Und wie der Genfer im Heibenland
Ihm bundert Mond’ auf den Rüden gebrannt.
Und in der hohen Seflion
Stimmt jebt zum Tod der legte ſchon.
Und horch! es fchmettert Trompetenton!
Die Richter laufen auf den Ballon,
Hören, wie alles jubelt und ruft,
Sehen den Bogel in blauer Luft,
Fühlen des Frühlings freundlichen Kup,
Koften der Jugend reinen Genuß,
Die fie in rofigen Bildern umſchwärmt
Und Herz und Leib und Seele ermärmt.
Als man die Beratung zur Hand wieder nimmt,
Sind alle Herzen umgeſtimmt:
Das harte Urteil „ftranguliert!“
Das hat der gute Storch Faffiert.
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— 614 —
Der Delinquent wird vorgeführt
Und freundlich von neuem eraminiert;
Und als der Magiftrat vernommen,
Er fei no nie aus Schwaben gelommen,
Und wie er die leidige Narbe erhielt,
Als er eimft mit einem Zidlein fpielt,
Da ward nicht weiter inquiriert
Und er unanimiter abfolviert.
Borüber wohnt der Paftor Held;
Der bat fich geärgert und gequält,
Daß man ihm jein Opus fo. jchnöde entriß,
Sein herrliches Licht nicht leuchten ließ.
Und diefer Mangel an Reſpekt
Hat feinen Zom wie billig gewedt;
Drum er jo finiter am Pult dort figt,
Mit ſcharfem Meſſer die Feder fpikt
Und alle Palmen, wo David flucht,
Den ganzen Jeremias durchſucht
Mit bitterm Herz und gierigem Auge,
Zu finden den Tert zur tüchtigen Lauge.
Da bridt der Lärm, das laute Juchhein
Mit Macht in fein finſtres Mufeum hinein,
Und hinter den Folianten hervor
Schlüpft munter und gaufelnd ein fröhlicher Chor
Bon jugendlihen Phantasmen und fingt,
Ihn immer enger und enger umringt,
Tanzt jetzt über Pſalmbuch und Prophezei,
Und feine Stimm wird runzelfrei;
Er legt die Rute des Zorns beifett
Und wählt das Lob der Einigfeit
Zum Tert, wie man im Pſalter lieſt, (Bf. 133.)
Und alle Rachluſt rein vergißt.
Ah Gott! wo nähm’ ich Papier genug,
Zu malen, was alles mit deinem Flug,
Du lieber Vogel, und Gutes fommt
Und unferm Geift und Körper frommt!
Mann uns die Zeit dich wieder bringt,
Des harten Winters Panzer fpringt,
Dann dringen Iuftig aus Schnee und Eis
Der Hoffnung Blümlein rot und meiß;
Und wer fih die zum Sränzlein pflüdt,
Der ift durchs ganze Jahr geſchmückt.
Das fchönite von allen weit und breit
Bleibt aber das Blümlein Zufriedenheit;
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Und mißt ihr, wer uns dieſes beut?
Ein holdes Mägdlein, Genügfamteit.
Auf! laufet alle hinaus vors Thor!
Dort ſchmauſen Herz und Sinn und Ohr;
Dort fucht des Holden Mägdleins Spur;
Sie wandelt fo gerne in freier Natur.
Hinaus, hinaus im fehnelliten Sprung!
Und daß ihr fie findet, alt und jung,
Und reih und arm, fei wer es jet,
Der Kirchendiener wie der Lai,
Der Schultheiß wie der Amtöprofoß,
Ter Kaufherr wie der Pfründgenoß,
Die Freifrau wie die Höferin,
Die Stallmagd wie die Bäderin,
Die Pfarrfrau mie die Kuſteri,
Wünſcht allen
Bans Martin Ufert.
394. Ber alte Turmhahn.
Zu Cleverfulzbad im Unterland
Hundert und dreizehn Jahr' ich Stand,
Auf dem Kirchturm ein guter Hahn,
Als ein Zierat und Wetterfahn’.
In Sturm und Wind und Regennadt
Hab’ ich allzeit das Dorf bewacht.
Manch falber Blig bat mich geftreift,
Der Froft mein’ roten Kamm bereift,
Auch manden lieben Sommertag,
Da man gem Schatten haben mag,
Hat mir die Sonne unverwandt
Auf meinen goldigen Leib gebrannt.
So ward ich ſchwarz vor Alter ganz,
Und weg ift aller Glitz und Glanz.
Da haben fie mich denn zulekt
Veracht't und ſchmählich abgefekt.
Meinthalb! fo ift der Melt ihr Lauf,
Geht thun fie einen andern 'nauf.
Stolzier’, prachtier’ und dreh’ dich nur!
Dir mat der Wind noch andre Cour.
Ade, o Thal, du Berg und Thal!
Rebhügel, Wälder allzumal!
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Herzlieber Turm. und Kirchendach,
Kirchhof und Steglein übern Bad!
Du Brunnen, dahin fpat und früh
Ochslein fpringen, Schaf’ und Küh',
Hans Hinterdrein kommt mit dem Steden,
Und Baſtes Evlein auf dem Scheden!
— hr Störd’ und Schwalben, grobe Spaten,
Euch foll ih nimmer hören ſchwatzen!
Lieb deut mir jedes Dredlein ist,
Damit ihr ehrlih mich beſchmitzt.
Ade, Hohmürden, Ihr Herr Pfarr’,
Schulmeifter au, bu armer Narr!
Aus ift, mas mich gefreut fo lang’,
Geläut und Orgel, Sang und Klang.
Bon meiner Höh' jo fang ich dort,
Und hätt” noch lang’ gejungen fort,
Da kam fo ein frummer Teufelshöder,
Ich ſchätz', e8 war ber Schieferbeder,
Padt mich, kriegt nach manch hartem Stoß
Mih richtig von der Stange los.
Mein alt preßhafter Leib fchier brach,
Da er mit mir fuhr ab dem Dad
Und bei den Gloden ſchnurrt' hinein;
Die glodten ſehr verwundert brein,
Regt’ ihnen doch weiter nicht den Mut,
Dachten eben: wir bangen gut.
Set thät man mich mit altem Eifen
Dem Meifter Hufſchmied übermeifen;
Der zahlt zween Baten und meint, wunder
Wie viel es wär’ für ſolchen Plunder.
Und alſo ich ſelben Mittag
Betrübt vor feiner Hütte lag.
Ein Bäumlein — es war Maienzeit —
Schneeweiße Blüten auf mich ftreut,
Hühner gadeln um mich ber,
Unachtend, was das für ein Vetter wär”.
Da geht mein Pfarrherr nun vorbei,
Grüßt den. Meifter und lächelt: Ei,
Wär's fo weit mit uns, armer Hahn?
Andrees, was fangt ihr mit ihm an?
Ihr könnt ihn weber fieben noch braten;
Mir aber müßt’ es fchlimm geraten,
Einen alten Kirchendiener gut
Nicht zu nehmen in Schu und Hut,
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— 61T —
Kommt! tragt ihn mir gleich vor ind Haus,
Trinket ein fühl Glas Wein mit aus.
Der rußig Lümmel, ſchnell bedacht,
Nimmt mich vom Boden auf und lacht.
Es fehlt' nicht viel, ſo that ich frei
Gen Himmel einen Freudenſchrei.
Im Pfarrhaus, ob dem fremden Gaſt
War groß und klein erſchrocken faſt;
Bald aber in jedem Angeſicht
Ging auf ein rechtes Freudenlicht.
Frau, Magd und Knecht, Mägdlein und Buben
Den großen Göckel in der Stuben
Mit ſiebenfacher Stimmen Schall
Begrüßen, begucken, betaſten al’.
Der Gottesmann drauf mildiglich
Mit eignen Händen trägt er mich
Nach ſeinem Zimmer, Stiegen auf,
Nachpolteret der ganze Hauf'.
Hier wohnt der Frieden auf der Schwell'!
In den geweißten Wänden hell
Sogleich empfing mich ſondre Luft,
Bücher⸗ und Gelahrtenduft,
Gerani- und Reſedaſchmack,
Auch ein Rüchlein Rauchtabak.
(Dies war mir all noch unbekannt.)
Ein alter Ofen aber ſtand
In der Ecke linker Hand.
Recht als ein Turm thät er ſich ſtrecken
Mit ſeinem Gipfel bis zur Decken,
Mit Säulwerk, Blumwerk, kraus und ſpitz —
O anmutsvoller Ruheſitz!
Zuoberſt auf dem kleinen Kranz
Der Schmied mich auf ein Stänglein pflanzt’.
Betrachtet mir das Merk genau!
Mir deucht's ein ganzer Münfterbau,
Mi Schildereien wohl geziert,
Mit Reimen chriſtlich ausftaffiert.
Davon vernahm ich manches Wort,
Dieweil der Dfen ein guter Hort
Für Kind und Segel und alte Leut’,
Zu plaudern, wann es mwind’t und fdhneit.
Hier ſeht ihr feitwärts auf der Platten
Eines Bilhofs Krieg mit Mäuf’ und Ratten,
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Mitten im Rheinſtrom fein Kaftell.
Das Ziefer kommt geſchwommen fchnell,
Die Knecht’ nichts richten mit Waffen und Wehr,
Der Schwänze werden immer mehr.
Biel taufend gleich in diden Haufen
Frech an der Mauer auf fie laufen,
Fallen dem Pfaffen in fein Gemadj;
Sterben muß er mit Weh und Ad,
Bon den Tieren aufgefreflen,
Denn er mit Meineid fich vermeflen.
— Sodann König Belſazers feinen Schmaus,
Weiber und Spielleut’, Saus und Braus;
Zu großem Schreden an der Wand
Rätſel fchreibt eines Geiſtes Hand.
— Zuletzt da vorne ftellt fih für
Sara lauſchend an der Thür,
Als der Herr mit Abraham
Bor feiner Hütte zu reden kam... .
Seit daß ich hier bin, dünket mir
Die Winterszeit die ſchönſte fchier.
Wie fanft ift aller Tage Fluß
Bis zum geliebten Wochenſchluß!
— Freitag zu Naht, noch um die Neune
Bei feiner Lampen Troft alleine,
Mein Herr fangt an fein Prebigtlein
Studieren; anderft mag's nicht fein.
Eine Weil’ am Dfen brütend ftebt,
Unrubig Hin und dannen geht;
Sein Tert ihm fchon die Adern reget;
Drauf er fein Werk zu Faden fchläget.
Inmittelſt einmal auch etwan
Hat er ein Fenfter aufgethan —
Ah, Sternenlüftefhmall wie rein
Mit Haufen dringet zu mir ein!
Den Berrenberg ich fchimmern feh’,
Den Schäferbühel did mit Schnee!
Zu fchreiben endlich er fich fetet,
Ein Blättlein nimmt, die Feder neket,
Zeichnet fein Alpha und fein D
Über dem Exordio.
Und ih von meinem Poftament
Kein Aug’ ab meinem Herrlein wend';
Seh’, wie er, mit Bliden fteif ins Licht,
Sinnt, prüfet jedes Worts Gewicht,
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Einmal faht’ eine Priſe greifet,
Vom Dodt den roten Buben ftreifet;
Auch dann und wann zieht er vor fich
Ein Sprüdlein an vernehmentlid,,
So ich mit vorgeredtem Kopf
Begierlih bringe gleich zu Kropf.
Gemachſam kämen wir aljo
Bis Anfang Applicatio.
Indes der Wächter Elfe fchreit.
Mein Herr denkt: es iſt Schlafenszeit;
Nudt feinen Stuhl und nimmt das Licht;
Gut’ Naht, Herr Pfarr’! — Er hört es nidt.
Sm Finftern wär’ ich denn allein.
Das ift mir eben feine Bein.
Ich hör’ in der Regiſtratur
Erit eine Weil’ die Totenubr,
Lache den Marder heimlich aus,
Der ſcharrt' ſich müd' am Hühnerhaus;
Windwehen um das Dächlein ſtieben;
Ich höre, wie im Wald da drüben —
Man heißet es im Vogeltroſt —
Der grimmig' Winter ſich erboſt,
Ein Eichlein ſpalt't jähling mit Knallen,
Eine Buche, daß die Thäler ſchallen.
Du meine Güt', da lobt man ſich
So frommen Dfen dankbarlich!
Er wärmelt halt die Nacht ſo hin,
Es iſt ein wahrer Segen drin.
— Jetzt, den?’ ih, find wohl hie und dort
Spigbuben aus auf Raub und Mord;
Den!’, mas eine fchöne Sad’ es ift,
Brave Schloß und Riegel zu jeder Friſt!
Was ich wollt’ machen herentgegen,
Menn ih eine Leiter hört’ anlegen,
Und fonft mas jo Gedanken find;
Ein warmes Schweißlein mir entrinnt.
Um zwei, gotilob! und um die Drei
Glänzet empor ein Hahnenſchrei;
Um fünfe, mit der Morgengloden,
Mein Herz fih hebet unerfchroden,
Ja voller Freuden auf es fpringt,
Als der Wächter endlich fingt:
Wohlauf, im Namen Jeſu Ehrift!
Der belle Tag erichienen ift!
— 620 ° —
Ein Stündlein drauf, wenn mir die Sporen
Bereit? ein wenig fteif gefroren,
200 Raſſelt die Liſ' im Ofen, brummt,
Bis ’3 Feuer angeht, fauft und fummt.
Dann von der Küch 'rauf gar nicht übel
Die Supp’ ih wittre, Schmalz und Zwiebel.
Endlih, gewaſchen und geflärt,
205 Mein Herr fich frifh zur Arbeit kehrt
Am Samdtag muß ein Pfarrer fein
Daheim in feiner Klaufe fein,
Nicht vifiteln, herumkutſchieren,
Seine Faß einbrennen, fonft hantieren.
210 Deiner hat felten ſolch Geluft.
Einmal — ihr fagt’8 nicht weiter juft —
Zimmert' er den ganzen Nachmittag
Dem Fritz an einem Meifenichlag,
Dort an dem Tiſch, und ſchwage und ſchmaucht',
215 Mich alten Tropf kurzweilt es auch.
Jetzt iſt der liebe Sonntag da,
Es läut't zur Kirchen fern und nah.
Man orgelt ſchon; mir wird dabei,
Als ſäß' ich in der Salkriſtei.
220 Es iſt kein Menſch im ganzen Haus;
Ein Mücklein hör' ich, eine Maus.
Die Sonne ſich ins Fenſter ſchleicht,
Zwiſchen die Kaktusſtöck' hinſtreicht
Zum kleinen Pult von Nußbaumholz,
225 Eines alten Schreinermeiſters Stolz;
Beſchaut fi, was da liegt umher,
Konkordanz und Kinderlehr,
Oblatenſchachtel, Amtsſigill,
Im Tintenfaß ſich ſpiegeln will,
230 Zuteuerſt Sand und Grus beſicht,
Sich an dem Federmeſſer ſticht
Und gleitet übern Armſtuhl frank
Hinüber an den Bücherſchrank.
Da ſtehn in Pergament und Leder
235 Voran die frommen Schwabenväter:
Andreä, Bengel, Rieger zween
Samt Ötinger find da zu fehn.
Wie fie die golbnen Namen lieft,
Noch goldener ihr Mund fie Füßt,
240 Wie fie rührt an Hillers Harfenfpiel —
Hoch! klingt es nicht? fo fehlt nicht viel.
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Inmittelſt läuft ein Spinnlein zart
Un mir hinauf nad feiner Art -
Und hängt fein Net, ohn' erft zu fragen,
Mir zwiſchen Schnabel auf und Kragen.
Ich rühr mid nit aus meiner Ruh,
Schau ihm eine ganze Weile zu.
Darüber ift es wohl geglüdt,
Daß ih ein wenig eingenidt.
Nun jagt, ob es in Dorf und Stadt
Ein alter Kirchhahn beſſer hat?
Ein Wunſch im ftilen dann und mann
Kommt einen freilich wohl noch an.
Im Sommer ftünd’ ich gern da drauß
Bisweilen auf dem Taubenhauzg,
Wo dicht dabei der Garten blüht,
Man aud ein .Stüd vom Fleden fieht.
Dann in der fhönen Winterzeit,
Als zum Erempel eben heut:
Ich ſag' es g'rad' — da haben wir
Gar einen wackern Schlitten hier,
Grün, gelb und ſchwarz; — er ward verwichen
Erſt wieder ſauber angeſtrichen;
Vorn auf dem Bogen brüſtet ſich
Ein fremder Vogel hoffärtig —
Wenn man mich etwas putzen wollt',
Nicht daß es drum viel koſten ſollt',
Ich ſtünd' fo aut dort als wie der
Und macdet niemand nicht Unehr! .
— Narr! den!’ ich wieder, du haft dein Teil!
Willſt du noch jetzo werden geil?
Mich wundert, ob dir nicht gefiel’,
Daß man, der Welt zum Spott und ‚Biel,
Deinen warmen Dfen gar zuletzt
Mitfamt dir auf die Läufe ſetzt',
Daß auf dem G'ſims da um dich fäh’
Mann, Weib und Kind, der ganze Käs!
Du alter Scherb, ſchamft du dich nicht,
Auf Eitelkeit zu fein erpicht?
Geh in dich, nimm dein Ende wahr!
Wirſt nicht noch einmal hundert Jahr.
&d. Möorite. (1862.)
395. Des alten Pfarrers Woche.
Sonntag.
1. Das iſt nun fo ein ſchlimmer Tag,
Wie der April ihn bringen mag
Mit Schlacken, Schnee und Regen.
Zum drittenmal in das Gebraus
Streckt Jungfer Anne vor dem Haus
Ihr kupfern Blendlaternchen aus
Und ſpäht längs allen Wegen.
2. „Wo nur der Pfarrer bleiben faun?
Ah, fiher ift dem guten Mann
Mas übern Weg gefahren!
Ein Pfleger wohl, der Redinung madt. —
Aus war der Gottesdienft um acht!
Soll man fo ftreifen in der Nacht
Bei Gicht und grauen Haaren!“
3. Sie ſchließt die Thüre, ſchüttelt baß
Ihr Haupt und wiſcht am Brillenglas;
So gut dünkt ihr die Stube;
Im Dfen kracht's, der Lampenſchein
Hellt überm Tiſch den Sonntagswein,
Und lockend lädt der Seſſel ein
Mit ſeiner Kiſſengrube.
4. Pantoffeln, — Schlafrock, — alles recht?
Sie horcht aufs neu'; doch hört ſie ſchlecht,
Es ſchwirrt ihr vor den Ohren.
„Wie? hat's geklingelt? ei der Daus,
Zum zweitenmale! ſchnell hinaus!“
Da tritt der Pfarrer ſchon ins Haus,
Ganz blau und ſteif gefroren.
5. Die Jungfrau blickt ein wenig quer,
Begütigend der Pfarrer ber,
Wie's recht in diefem Drden.
Dann huſtet er. „Nicht Mond noch Stern!
Der lahme Yriedrih hört doch gern
Ein Kriftlih Wort am Tag bes Herrn,
Es ift mir jpät geworben!“
6. Nun finkt er in die Kiffen feft,
Wirft ab die Kleider ganz durchnäßt
— 623 —
Und jchlürft der Traube Segen.
Ah Gott, nur wer jahraus, jahrein
In andrer Dienfte lebt allein,
Weiß, was es heißt, beim Sonntagswein
Sih auch ein wenig pflegen.
Montag.
1. „Wenn ih Montags früh erwache,
Wird mir's ganz bebaglich gleich;
Montag hat fo eigne Sache
In dem Heinen Wochenreich.
Denn die Predigt liegt noch ferne,
Alle Sorgen fcheinen leicht;
Keiner kommt am Montag gerne,
Sei's zur Trauung, ſei's zur Beicht'.“
2. „Und man darf mir’3 nicht verbenten,
Will ich in des Amtes Frift
Dem ein freies Stündchen ſchenken,
Was doch auch zu loben ift.
Sp ermadt denn, ihr Gefellen
Meiner fleiß'gen Jugendzeit!
Wollt in Reih' und Glied euch ſtellen,
Alte Bilder, eingeſchneit!“
3. „Ilion will ich befriegen,
Mit Horaz auf Reifen gehn,
Will mit Alerander fiegen
Und an Memnons Säule ftehn;
Oder auch vergnügt ergründen,
Was das Vaterland gebracht,
Mih mit Kant und Wolf verbünden,
Ziehn mit Laudon in die Schladht.“
4. Auf der Bücherleiter traben
Sieh den Pfarrer, Iuftentbrannt,
Sich verfchanzen, fidh vergraben
Unter Heft und Foliant.
Blättern fieh ihn — niden — fpüren —
Ganz verfunten fiten dann,
Daß mit einer Linie rühren
Du das Buch magft und den Mann.
5. Doch was kann ihn jo bewegen?
Aufgeregt fcheint fein Gehim!
Und das Käppchen ganz vermegen
Drüdt er Haftig in die Stimm.
Nun beginnt er gar zu pfeifen,
Hoch! das Lied vom Prinz Eugen;
Seinen weißen Bufenftreifen
Seh’ ih auf und nieder gehn.
6. Ha! nun ift der Türk gejchlagen!
Und der Pfarrer fpringt empor,
Höher feine Brauen ragen,
Senkrecht fteht fein Pfeifenrohr.
Am Triumph muß er ſich denfen
Mit dem Kaifer und dem Staat,
Sieht fich felbft den Säbel fchmenten,
Fühlt ſich felber ala Soldat.
7. Über draußen klappern Tritte,
Nah dem Pfarrer fragt e8 hell;
Der, aus des Gefechtes Mitte,
Huſcht in feinen Seſſel fchnell.
„Ei! das wären faubre Kunden!
Beichtlind und Kommunilant!
Hättet ihr den Pfarr’ gefunden
Mit dem Säbel in der Hand!“
Dienstag.
1. Auf der breiten Tenne drebn
Paar an Paar fo nett;
Wo die Mufilanten ftehn,
Geig’ und Klarinett', —
Auch der Brummbaß rumpelt drein, —
Sieht man noch den Bräut’gamsfchrein
Und das Hochzeitbett.
2. Etwas eigen, etwas ſchlau
Und ein menig bleich,
Sittſam fieht die junge Frau,
Würdevoll zugleich;
Denn fie ift des Haufes Sproß,
Denn fie führt den Eh'genoß
In ihr Erb’ und Neid.
— 625 —
3. Sippſchaft ift ein weites Band,
Geht gar viel hinein;
Hundert Kappen goldentbrannt,
Kreuze funleln brein;
Mie daB drängt und wie das fchiebt!
Was fich kennt und mas fich Liebt,
Will beifammen fein.
4. Nun ein fehallend Vivat bricht
In dem Schwarme aus,
Wo fogar die Tiere nicht
Weigern den Applaus.
Ja, wie an der Krippe fein,
Brüllen Ochs und Eſelein
Ubern Trog hinaus.
5. Ganz verdutzt der junge Mann
Kaum die Flaſche hält,
Späße hageln drauf und dran,
Keiner neben fällt;
Doch er lacht und reicht bie Hand.
Nun, er iſt für feinen Stand
Schon ein Mann von Welt.
6. Alte Frauen ſchweißbedeckt,
unge Mägd' im Lauf
Spenden, was der Korb verbedt,
Reihen ab und auf.
Sieben Tiſche kann man fehn,
Sieben Kaffeeleſſel ftehn
Breit und glänzend drauf.
7. Aber freundlich, wie er Tam,
Sudt der Pfarrer gut
Drüben unter taufend Kram
Seinen Stab und Hut,
Dankt noch Schön der Frau vom Haus;
In die Dämmerung hinaus
Trabt er wohlgemut;
8. Wandelt durch die Abendrub,
Sinnend allerlei:
„Ei, dort ging es löblich zu,
Munter, und nicht frei.
Aber — aber — aber doch —
Und ein langes Aber noch
Fügt er ſeufzend bei.
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— 626 —
9. „Wie das flimmert, wie das lacht?
Kanten händebreit!“
Ah die ſchnöde Kleiderpradht
Macht ihm taufend Leid!
Und nun gar — er war nicht blind —
Eines armen Mannes Kind;
Nein, das ging zu weit.
10. Kurz, er nimmt ſich's ernſtlich vor,
Heut und bier am Steg, —
Ja, an der Gemeinde Ohr,
Wächter treu und reg’,
Wil er’3 tragen ungefcheut;
D, er findet fchon die Zeit
Und den rechten Weg.
Mittwoch.
1. Begleiteſt bu fie gern
Des Pfarrers Luft und Plagen:
Sih gleih an allen Tagen
Teiffit du den frommen Herm.
Der gute Seelenbirt!
Tritt über feine Schwelle;
Da ift er ſchon zur Stelle
Als des Kollegen Wirt.
2. In mwohlgemeinten Sorgen,
Wie er geihäftig thut!
Doh dämmert kaum ber Morgen,
Dies eben dünkt ihm gut.
Am Abend kam der Freund
Erfhöpft nah Art der Bäfte;
Nun ſäubre man aufs befte,
Daß alles nett erfcheint.
3. Schon ftrablt die große Kanne,
Die Teller bligen auf;
Noch fcheuert Jungfer Anne
Und horcht mitunter auf.
Ab, follte fie der Gaft
Im alten Jäckchen finden,
Sie müßte ganz verſchwinden
Bor diefer Schande Laſt.
— 67 —
4. Und was zur Hand thut ſtehen,
Das reizt den Pfarrer ſehr;
Die Jungfer wird's nicht ſehen,
Er macht ſich drüber her;
Die Schlaguhr greift er an
Mit ungeſchickten Händen
Und ſucht fie ſacht zu wenden,
Der übermüt'ge Mann!
5. Schleppt Foliantenbürde,
Putzt Fenſterglas und Tifch;
Fürwahr mit vieler Würde
Führt er den Flederwiſch.
Am Paradieſesbaum
Die Blätter, zart aus Knochen,
Eind bat er ſchon zerbrochen,
Jedoch man fieht es kaum.
6. Und ala er juft in Schatten
Die alte Klingel ſtellt —
Es kommt ihm mohl zu ftattn —
Da rauſcht es draußen, gelt!
Fidel ſchlägt an in Haft,
Die Jungfer ift geflüchtet,
Und ftattlih aufgerichtet
Begrüßt der Pfarr’ den Gaft.
7. Wie dem jo wohl gefallen
Die Ausfiht und das Haus,
Wie der entzüdt von allen,
Nicht Worte drüden’3 aus!
Ich fag’ es ungeniert:
Sie famen aus den Gleiſen,
Sih Ehre zu ermeilen,
Der Gaft und aud der Wirt.
8. Und bei dem Mittngeflen,
Das man vortrefflih fand,
Da warb au nicht vergefien
Der Lehr: und Ebrenftand.
Ich babe viel gehört,
Do nichts Davongetragen;
Nur dieſes mag ich fagen:
Sie ſprachen ſehr gelehrt.
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9. Und fieh nur! drüben jchreitet
Der gute Pfarrer juft,
Er bat den Gaft geleitet
Und fpricht aus voller Bruft:
„Es ift doch wahr! mein Haus,
So nett und blank da droben,
Ich muß es felber loben,
Es nimmt fih einzig aus.“
Donnerstag.
1. Winde rauſchen, Yloden tanzen,
Jede Schwalbe ſucht das Haus,
Nur der Pfarrer unerfchroden
Segelt in den Sturm hinaus.
Nicht zum beften find die Pfade,
Aber leidlich würd' es fein,
Trüg’ er unter feinem Mantel
Nicht die Äpfel und den Wein.
2. Ab, ihm ift jo wohl zu Mute,
Daß dem kranken Zimmermann
Er die längft gegönnte Gabe
Endlih einmal bieten Tann.
Immer muß er heimlich laden,
Wie die Anne Äpfel las,
Und wie er den Wein ftibitte,
Mährend fie im Keller ſaß.
3. Längs des Teiches ſieh ihn flattern,
Wie er rudert, wie er ftreicht,
Kann den Mantel nimmer zwingen
Mit den Fingern ftarr und feucht.
Ofters aus dem trüben Auge
Eine kalte Zähre bricht,
Wehn ihm feine grauen Haare
Spinnenwebig ums Geſicht.
4. Doc gottlob! da ift die Hütte,
Und nun öffnet fih das Haus,
Und nun keuchend auf der Tenne
Schüttet er die Federn aus.
Ab, wie freut ber gute Pfarrer
Sih am blanken Feuerſchein!
Wie geihäftig ſchenkt dem Kranten
Er das erfte Bläschen em!
— 629 —
5. Setzt fih an des Lagers Ende,
Stärkt ihm beitens die Gebulb,
Und von feinen frommen Lippen
Einfach fließt das Wort ber Hulb.
Wenn die abgezehrten Hände
Er fo feft in feine fchließt,
Anders fühlt fih dann der Kranke,
Meint, daß gar nichts ihn verbrießt.
6. Mit der Einfalt, mit der Liebe
Schmeichelt er die Seele wach,
Kann an jedes Herz fich legen,
Sei es kraftvoll oder ſchwach.
Aber draußen will es dunkeln,
Draußen tröpfelt es vom Dach; —
Lange ſehn ihm nach die Kinder,
Und der Kranke ſeufzt ihm nach.
Freitag.
1. Zu denken in geſtandnen Tagen
Der Sorge, die ſo treulich ſann,
Der Liebe, die ihn einſt getragen,
Wohl ziemt es jedem Ehrenmann.
Am Lehrer alt, am Schüler mild
Magſt du nicht felten e8 gewahren;
Und find fie beide grau von Haaren,
Um deſto werter ift das Bild.
2. Zumeiſt dem Priejter wird bejchieden
Für frühe Treue diefer Lohr;
Nicht einfam ift des Alters Frieden,
Der Zögling bleibt fein lieber Sohn.
Ja was eritarrt im Lauf der Zeit
Und wehrt dem Neuen einzubringen,
Des Herzens fteife Flechten Ihlingen
Sich feiter um Vergangenheit.
3. So läßt ein wenig Pub gefallen
Sih heut der gute Pfarrer gern,
Das ſpan'ſche Rohr, die Silberichnallen;
Denn heute geht's zum jungen Herrn.
Der mag in reifen Jahren }tehn,
Da ihn erwachſne Kinder ehren;
Allein das Tann den Pfarr’ nicht ftören,
Der ihn vorzeiten Hein gejehn. -
— 630 —
4. Stil wanbelnd durch des Parkes Linden,
Sin deren Schub das Veilchen blüht,
Der Alte muß es freundlich finden,
Daß man fo gern ihn Freitags fieht;
Er weiß, dem Junker find noch friſch
Die lieben längft entihwundnen Zeiten
Und feines Lehrers ſchwache Seiten,
Ein Bläschen Wein, ein guter Fiſch.
5. Schon tritt er in des Thores Halle;
Da, wie aus reifem Erbfenbeet
Der Spaten Schar, jo hinterm Walle
Hervor es flattert, lacht und kräht:
Der Heinen unter wilde Schar,
Die fill gelaufht im Mauerbogen
Und nun den Pfarrer fo betrogen,
So überrumpelt ganz und gar.
6. Das ftürmt auf ihn von allen Seiten,
Das Hammert überall fih an;
Furwahr, mühſelig muß er jchreiten
Der müde und gebuld’ge Mann.
Jedoch er bat fie allzugern,
Die ihn fo unbarmberzig plagen,
Und faft zu viel läßt er fie wagen,
Die junge Brut des jungen Herrn.
- 7. Wie dann des Haufes Wirt fih freute,
Der Mann mit früh ergrautem Haar,
Nicht wich von ſeines Lehrers Seite
Und rüdmwärts ging um dreißig Jahr;
Wie er in alter Zeiten Bann
Nur flüfternd ſprach nah Schüler Weife,
Man fieht e8 an und lächelt Ieife,
Doch mit Vergnügen fieht man’3 an.
8. Und fpäter beim Spagzierengeben
Die beiden hemmen oft den Schritt,
Nah jeder Blume muß man fehen,
Und mande Pflanze wandert mit.
Der eine ift des Amtes bar,
Nichts Hat der andre zu regieren;
Sie gehn aufs neu’ botanifieren,
Der Theolog und fein Scholar,
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9. Doch mit dem Abend naht das. Scheiben,
Man fchiebt es auf, doch kommt's heran,
Die Kinder wollen’3 gar nicht. leiden.
Am Fenfter fteht der Edelmann
Und fpinnt noch lange, lange aus
Bielfarb’ger Bilder bunt Gezwirne;
Dann fährt er über feine Stirne
Und atmet auf und ift zu Haus.
Samstag.
1. Wie funfeln hell die Sterne,
Wie dunkel fcheint der Grund!
Und aus des Teiches Spiegel
Steigt dort der Mond am Hügel
G'rad' um die elfte Stund”.
2. Da hebt vom Prebigthefte
Der müde Pfarrer fich;
Wohl war er unverdrofien,
Und endlich iſt's geſchloſſen
Mit langem Yererfirid.
3. Nun öffnet er das Fenfter,
Er trinkt den milden Duft
Und ſpricht: „Wer ſollt' es ſagen?
Noch Schnee vor wenig Tagen,
Und dies iſt Maienluft!“
4. Die ſtrahlende Rotunde
Sein ernſter Blick durchſpäht;
Schon will der Himmelswagen
Die Deichfel abwärts tragen.
„Ja, ja, es ift ſchon fpät!
5. Und als dies ee geſprochen,
Es fällt dem Pfarrer auf,
Als müſſ' er eben deuten
Auf ſich der ganz zerſtreuten,
Argloſen Rede Lauf.
6. Nie ſchien er ſich fo hager,
Nie fühlt' er ſich ſo alt,
Als ſeit er heut begraben
Den langen Moritz Raben,
Den Yörfter dort vom Wald.
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7. Am gleihen Tag geboren,
Getauft am gleichen Tag!
Das ift ein feltfam Weſen
Und läßt uns beutlich leſen,
Was mohl die Zeit vermag!
8. Der Nacht geheimes Funkeln,
Und daß ſich eben muß,
Wie Mondesftrahlen Tteigen,
Der friihe Hügel zeigen,
Das Kreuz an feinem Fuß:
9. Das macht ihn ganz beilommen,
Den ehr betagten Mann,
Er fieht den Flieder ſchwanken,
Und längs des Hügels wanken
Die Schatten ab und an.
10. Wie oft ſprach nicht der Tote
Nach feiner Weife fühn:
„Herr Pfarr’, wir alten Knaben,
Wir müflen achte traben,
Die Kichhofshlumen blühn.“
11. „So mögen fie denn blühen!“
Sprit fanft der fromme Mann;
Er bat fi aufgerichtet,
Sein Auge, mild umlichtet,
Schaut feft den Ather an.
12. „Haft Du gefandt ein Zeichen
Durch meinen eignen Mund,
Und willſt mi gnädig mahnen
An unfer aller Ahnen
Uralten ew’gen Bund;
13. Nicht läſſig ſollſt Du finden
Ten, der Dein Siegel trägt;
Tod nah dem lebten Sturme“ —
Da eben fummt’3 vom Turme,
Und zwölf die Glode ſchlägt —
14. „Sa, wenn ib bin entladen
Der Woche Laft und Bein,
Dann führe, Gott der Milde,
Das Wert nah Deinem Bilde
Sn Deinen Sonntag ein.“
Aus, v. Drofte: yülshoff.
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396. Der fiebzigfte Geburtstag.
Auf die Poftille gebüct, zur Seite des wärmenden Dfeng,
Eaß der redliche Tamm in dem Lehnftuhl, welcher mit Schnitzwerk
Und braunnarbigem Jucht voll fchmellender Haare geziert war:
Tamm, feit vierzig Jahren in Stolp, dem gefegneten Freiborf,
Organift, Schulmeifter zugleih und ehrjamer Küfter,
Der faſt allen im Dorf, bis auf wenige Greife der Vorzeit,
Einft Taufwafler gereiht und Sitte gelehrt und Erkenntnis,
Dann zur Trauung geipielt und hinweg fehon manchen gefungen.
Dft nun faltend die Händ’ und oft mit lauterem Murmeln
Las er die tröftenden Sprüch' und Ermahnungen. Aber allmählich
Starrte fein Blick, und er ſank in erquidenden Mittagsfchlummer.
Feſtlich prangte der Greis in geftreifter kalmankener ade,
Und bei entglittener Brill’ und filberfarbenem Haupthaar
Lag auf dem Buche die Müte mit violettenem Sammet,
Mit Fuchspelz verbrämt und geſchmückt mit goldener Troddel.
Denn er feierte heute den fiebzigiten frohen Geburtstag,
Froh des erlebten Heils. Sein einziger Sohn Zacharias,
Melcher als Kind auf dem Echemel geprediget und, von dem
Pfarrer
Auserſehn für die Kirche, mit Not vollendet die Laufbahn
Dur die lateinische Schul’ und die teuere Akademie durch,
Der war jebt einhellig erwähleter Pfarrer in Merlig
Und feit kurzem vermählt mit der wirtlichen Tochter des
Borfahrs.
Fernher hatte der Sohn zur Verberrlihung feines Geburtstags
Edlen Tabak mit der Fracht und ftärkende Weine gefendet,
Aud in dem Briefe gelobt, er felbft und bie freundliche Gattin,
Hemmeten nicht Hohlweg' und verfchneiete Gründe die Durchfahrt,
Sicherlich Tämen fie beide, das Feſt mit dem Vater zu feiern
Und zu empfahn den Segen von ihm und der würdigen Mutter.
Eine verfiegelte Flafche mit Rheinwein hatte der Vater
Froh fi geipendet zum Mahl und mit Mütterchen auf die
Geſundheit
Ihres Sohns Zacharias geklingt und der freundlichen Gattin,
Die ſie ſo gern noch ſähen und Töchterchen nennten und bald auch
Mütterchen, ach! an der Wiege der Enkelin oder des Enkels.
Viel noch ſprachen ſie fort von Tagen des Grams und der
Tröftung,
Und mie ſich alle8 nunmehr auflöf’ m hagliches Alter:
„Gutes gewollt, mit Vertraun und Beharrlichkeit, führet
um Ausgang!
Solches erfuhren wir ſelbſt, du Trauteſte; ſolches der Sohn auch.
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Hab’ ich Doch immer gefagt, wenn du weineteft: Frau, nur geduldig!
Bet’ und vertrau”! Je größer die Not, je näher die Rettung.
Schmer ift aller Beginn; wer getroft fortgehet, der fommt an!“
Feuriger rief es der reis und las die erbauliche Predigt
Nah, wie den Sperling ernähr’ und die Lilie kleide der Bater.
Doch der balſamiſche Trank, der altende, löfte dem Alten
Sanft den behaglihen Sinn und duftete füße Betäubung.
Mütterchen hatte mit Sorg’ ihr freundliches Stübchen gezieret,
Wo von der Schule Gefchäft fie ruheten und mit Bewirtung
Rechtliche Gäft’ aufnahınen, den Prediger und den Verwalter;
Hatte gefegt und geuhlt* und mit feinerem Sande geftreuet,
Reine Gardinen gehängt um Fenſter und Iuftigen Alton,
Mit rotblumigem Teppich gebedit den eihenen Klapptiſch
Und das beftäubte Gewächs am fonnigen Fenfter gereinigt,
Knoſpende Rof’ und Levkoj' und fpanifhen Pfeffer und Goldlack,
Samt dem grünenden Korb Maililien hinter dem Ofen.
Ringsum blinkten gefcheuert die zinnernen Teller und Schüffeln
Auf dem Gefimf’; auch hingen ein paar ſtettiniſche Krüge
Blaugeblümt an den Pflöden, die Feuerfiefe** von Mefling,
Defem*** und Mangelholz und die zierlihe Elle von Nußbaum.
. Aber das grüne Klavier, vom Greife geftimmt und beinitet,
Stand mit bebildertem Dedel und ſchimmerte; unten befeftigt
Hing ein Pedal; es lag auf dem Pult ein offnes Choralbud.
Auch den eihenen Schrank mit geflügelten Köpfen und Schnörkeln,
Schraubenförmigen Füßen und Schlüſſelſchilden von Mefling
(Ihre felige Mutter, die Küfterin, kauft' ihn zum Brautfchak)
Hatte fie abgejtäubt und mit glänzendem Wachſe gebohnet.
Oben ftand auf Stufen ein Hund und ein züngelnder Löme,
Beide von Gips, Trinkgläfer mit eingejchliffenen Bildern,
Zween Theetöpfe von Zinn und irdene Tafjen und Äpfel
Als fie den Greis wahrnahm, wie er ruht’ in atmendem
Schlummer,
Stand das Mütterhen auf vom binfenbeflochtenen Spinnftuhl,
Langjam, trippelte dann auf Inirrendem Sande zur Wanduhr
Leif’ und Inüpfte die Schnur des Schlaggewichts an den Nagel,
Daß ihm den Schlaf nicht ftöre 2 flingende Glas und ber
udud.
Jetzo ſah fie hinaus, wie die ftöbernden Floden am. Fenſter
Riefelten, und wie der Oft dort mwirbelte, dort in den Eſchen
Rauſcht' und der hüpfenden — Fußtritte verweht' an der
Scheuer.
*Uhtzlen Smit dem borſtigen Wandbeſen Staub und Spinngewebe abfegen.
** Kohlengefäß zum Erwärmen ber Füße.
oEKleine Schnelliwage.
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Zange mit ernftem Geficht, ihr Haupt und bie Hände bewegend,
Stand fie vertieft in Gedanken und flüfterte halb, was fie dachte:
„Lieber Gott, wie es ftürmt und der Schnee in den Grün-
den ſich anhäuft!
Armer, wer jebt auf Reifen hindurch muß, ferne der Einkehr!
Auch mer, Weib zu erwärmen und Kind, ausmandert nad)
Reisholz,
Hungrig oft und zerlumpt! Kein Menſch wohl jagte bei ſolchem
Wetter den Hund aus der Thür, wer feines Viehs ſich erbarmet!
Dennoch kommt mein Söhnen, das Feſt mit dem Vater zu
feiern! |
Mas er wollte, das wollt’ er, von Kind auf. Gar zu befonders
Wühlt mir das Herz. Und feht, wie die Katz' auf dem Tritte
. des Tiiches
Schnurrt und das Pfötchen ſich let, aud Bart und Naden
ih pußet!
Das bedeutet ja Fremde, nach aller Vernünftigen Urteil.”
Sprach's und trat an den Spiegel, die feftliche Haube zu .
ordnen, .
Welche der Vater verfhob, mit dem Kuß ausgleichend den
| Bmwiefpalt;
Denn er leerte das Glas auf die Enkelin, fie auf den Enkel.
Nicht ganz ſchäme fich meiner die Frau im modiſchen Kopfzeug!
Dachte fie Leif’ im Herzen und lächelte felber der Thorheit.
Neben dem Ichlummernden Greif’, an der andern Ede des
Tiſches,
Deckte fie jetzo ein Tuch von feingemodeltem Drillich,
Stellete dann die Taſſen mit zitternden Händen in Ordnung;
Auch die blecherne Doſ', und darin großklumpigen Zucker,
Trug ſie hervor aus dem Schrank und ſcheuchte die ſumſenden
Fliegen,
Die ihr Mann mit der Klappe verſchont zur Wintergeſellſchaft;
Auch dem Geſimſ' enthob ſie ein Paar Thonpfeifen mit Poſen,
Grün und rot, und legte Tabak auf den zinnernen Teller.
Als ſie drinnen nunmehr den Empfang der Kinder bereitet,
Ging fie hinaus vorſichtig, damit nicht knarrte der Drücker.
Aus der Geſindeſtube darauf, vom rummelnden Spulrad,
Rief ſie, die Thür halb öffnend, Marie, die geſchäftige Hausmagd,
Welche gehaſpeltes Garn von der Wind' abſpulte zum Weben,
Haſtigen Schwungs, von dem Weber gemahnet und eigenem
J Ehrgeiz.
Heiſer ertönte der Ruf, und gehemmt war plögli der
Umſchwung:
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„Flink, lebendige Kohlen, Marie, aus dem Ofen gefcharret,
Dit an die Platte der Wand, die den Lehnfluhl wärmet im
Rüden;
110 Daß ich friih (denn er ſchmeckt viel Träftiger) brenne den Kaffee,
Heize mit Kien dann wieder und Torf und büchenem Stammbolz,
Obne Geräufh, daß nit aus dem Schlaf aufwache der Vater.
Sinkt das Feuer in Glut, dann ſchiebe den Inorrigen Kloß nad,
Der in der Nacht fortglimme, dem leidigen Frofte zur Abwehr.
115 Siebzigjährige find nicht Fröftlinge, wenn fie im Sonimer
Gern an der Sonn’ ausruhn und am wärmenden Ofen im Winter.
Auch für die Kinderchen wohl braucht's gründlid Wärme zum
Auftaun.“
Raſch der Ermahnenden folgte Marie und ſprach im Herausgehn:
„Barſch durchkältet der Oft; wer im Sturm Iuftreifet, ift unklug;
120 Nur ein wähliges Paar, mie ” epfrige, dammelt hindurch
Wärmenden Trank auch bracht’ den srälberchen heut und
den Mil
ee Au viel wärmende Streu in das Yadı. Schönmäbcen und
Blüming
Brummten am Trog und ledten die — und ließen ſich
kraueln.“
Sprach's, und ſobald ſie dem Ofen die funkelnden Kohlen
entſcharret,
125 Legte ſie Feurung hinein und weckte die Glut mit dem Blasbalg,
Huſtend, und ſchimpfte den Rauch und wiſchte die thränenden
Augen.
Emſig ſtand an dem Herde das Mütterchen, brannte den
Kaffee
Über der Glut in der Pfann' und rührte mit hölzernem Löffel;
Knatternd ſchwitzten die Bohnen und bräunten fi), während
ein würzig
130 Duftender Dualm aufdampfte, die Küch' und bie Diele durch⸗
räuchernd.
Sie num langte die Mühle herab vom Gefimfe des Schornfteins,
Schüttete Bohnen darauf und, feft mit den Knieen fie zwängend,
Hielt fie den Rumpf in der Linken und drebete munter ben
Knopf um;
Dft auch büpfende Bohnen vom Schoß haushälteriſch jammelnd,
135 Goß fie auf graues Papier den grobgemahlenen Kaffee.
Ploͤtzlich hemmte fie nun die vaflelnde Mühl” in dem Umlauf,
Und zu Marie, die den Ofen verfpündete, ſprach fie gebietend:
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„Eile, Warie, und fperre den wachſamen Hund in das
Badhaus,
Daß, wenn der Schlitten ſich naht, das Gebell nicht ftöre Den Vater.
Denkt auch Thoms an die Karpfen für unferen Sohn und den
Ä Baftor,
Der uns zu Abend beehrt? Ahr Lieblingzeffen von alters
Hol’ er vor dunkeler Nacht, ſonſt geht ihm der kitzlige Fiſcher
Schwerli zum Hälter Hinab. Aus Borficht bring ihm den Beutel!
Wenn er auch trodenes Holz für die Bratgans, die wir geftopfet,
Splitterte! Bring ihm das Beil und bedeut' in! Dann im
Vorbeigehn
Steig auf den Taubenfhlag und 1b, ‚ ob der Schlitten nidt
ankommt.“
Kaum geſagt, ſo enteilte Marie, die geſchäftige Hausmagd,
Nehmend von rußichter Mauer das Beil und den maſchigen Beutel,
Lockte den treuen Monarch mit Geburtstagsbrocken zum Badhaus,
Fern in den Garten hinab und Schloß mit der Krampe den Kerfer.
Anfangs kratzte der Dogg’ und winjelte; aber fobald er
Wärme roh vom friihen Gebäd des feftlichen Brotes,
Sprang er behend auf den Ofen und ſtreckt ausruhen die lieber.
Jene lief in die Scheune, mo Thoma mit gewaltiger Arbeit
Häderling ſchnitt, denn ihn fror, und fie jagt’ in der Eile
den Auftrag:
„Splittere Holz für die Gans und Hol’ in dem Beutel die
| Karpfen,
Thoms, vor dunfeler Nacht; ſonſt geht dir der Figlige Fiſcher
Schwerlih zum Hälter hinab, troß unferem Sohn und dem
Paſtor!“
Thoms antwortete drauf und ſtellte die Häckerlinglad' hin:
„Splitter, Marie, und Karpfen verſchaff ich dir, früher denn
| not iſt.
Menn an dem heutigen Tage fich kitzelig zeiget der Fifcher,
Treib’ ich den Kigel ihm aus, und bald ift der Hälter geöffnet!“
Alfo der rüftige Knecht. Da rannte fie durch das Geftöber,
Stieg auf den Taubenfchlag und puftete, rieb fich die Hände,
Stedte fie unter die Schürz' und flug fie über die Schultern.
ALS fie mit ſchärferem Blid in des Schneed umnebelnden Wirbeln
Späbete, fiehe, da kam's mit verdeditem Geftühl mie ein Schlitten,
Welcher vom Berg in das Dorf herflingelte. Schnell von der
| | Leiter
Stieg fie herab und brachte der emfigen Mutter die Botſchaft,
Welche der Milch abichöpfte den Rahm zu feitlihem Kaffee:
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„Mutter, es fommt wie ein Schlitten; ich weiß nicht ficher,
doch glaub’ ich!“
Alſo Marie; da verlor die erichrodene Mutter den Löffel!
Und ihr bebten die Anie’, und fie lief mit Hopfendem Herzen,
Atemlos; ihr entfleg im haſtigen Lauf der Pantoffel.
175 Stene lief zu der Pfort’ und öffnete Näber und näher
Kam das Gelling’ und das Klatſchen der Peitſch' und ber
Pferde Getrampel.
Nun, nun lenkten herein die mutigen Rofl’ in den Hofraum,
Blankgeſchirrt, und der Schlitten mit halb fchon offnem Ber:
deckſtuhl,
Hielt an der Thür', und es ſchnoben, beſchneit und dampfend,
die Renner.
180 Mutterchen rief „Willkommen daher! Willkommen, ihr
Kindlein!
Lebt ihr auch noch?“ und reichte die Händ' in den ſchönen
Verdeckſtuhl;
„Lebt in dem grimmigen Oſt mein Töchterchen?“ Dann, für
ich ſelber
Nur zu ſorgen, ermahnt: „Laßt, Kinderchen!“ rief fie, „d
Sturmmwind
Wehret das Haus! Ich bin ja vom eifernen Kerne ber Vormelt!
185 Stet3 mar unfer Geflecht fteinhart und Verächter des Wetters!
Aber die jüngere Welt ift zart und fcheuet die Zugluft.“
Sprach's, und den Sohn, der dem Schlitten entiprang,
unarmte fie eilig,
Hüllte das Tochterchen dann aus bärenzottigem Fußſack
Und liebkoſete viel mit Kuß und bedauerndem Streicheln,
190 Zog dann beib’, in der Linken den Sohn, in der Rechten bie
Tochter,
Raſch in das Haus, dem Gefinde des Fahrzeugs Sorge vertrauend.
„Aber mo bleibt mein Vater? Er ift doch gefund am
| Geburtstag?“
Tragte der Sohn. Schnell tufchte mit mwinfendem Haupte bie
Mutter:
„Stil! das PVäterhen hält noch Mittagsihlummer im
Lehnſtuhl!
195 Laß mit kindlichem Kuß dein junges Gemahl ihn erwecken;
Dann wird wahr, daß Gott im Schlafe die Seinigen jegnet!“
Sprach's und führte fie leif’ in der Schule gefäubertes Zimmer,
Bol von Tiſch und Geftühl, Schreibzeug und bezifferten
Tafeln,
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Wo fie an Pflöck' aufhängte die nordiſche Wintervermummung,
200 Mäntel, mit Floden gemweißt, und der Tochter bemunderten
Leibpelz,
Auch den Flor, der die Wangen geſchirmt, und das ſeidene
Halstuch;
Und fie umſchloß die Enthüllten mit Krömenber Thräne ber
Inbrun
„Tochter und Sohn, willkommen! and Herz! willlommen
noch einmal!
Ihr, uns Altenden Freud’, in Freud’ auch altet und greifet,
205 Stet3 einmütiges Sinns und ummohnt von gedeihenden Kindern!
Nun mag brechen das Auge, da dich wir gefehen im Amterod,
Sohn, und dich ihm vermäßlt, du friſch aufblühendes Herzblatt!
Armes Kind, wie dad ganze Gefiht rot glühet vom Oftwind!
D bu Seelengeficht Denn ich dutze dich, weil du es forderſt!
210 Aber die Stub' iſt warm, und gleich ſoll Kaffee bereit ſein!“
Ihr um den Nacken die Arme geſchmiegt, liebkoſte die Tochter:
„Mutter, ich dutze dich auch, wie die leibliche, die mich geboren;
Alſo geſchah's in der Bibel, da Herz und Zunge vereint war;
Denn du gebarſt und erzogſt mir den wackeren Sohn Zacharias,
215 Der an Wuchs und Gemüt, wie er ſagt, nachartet dem Vater.
Mütterhen, babe mich lieb, ih will auch artiges Kind fein.
Fröhliches Herz und rotes Geficht: das hab’ ich beitändig,
Auch wenn der Oft nicht weht. Mein Väterchen fagte mir oftmals,
Klopfend die Wang’, ich würde noch Trank vor lauter Geſundheit.“
220 Jego fagte der Sohn, fein Weib darftellend der Mutter:
„Mütterhen, nehmt fie auf Glauben. So zart und ſchlank,
wie fie dafteht,
Iſt fie mit Leib und Seele vom edelften Kerne der Vorwelt.
Das fie der Mutter nur nicht das Herz abſchwatze des Vaters!
Komm denn und bring’ ald Gabe den zärtlihften Kuß zum
Geburtstag.“
225 Schalkhaft lädelte drob und fprad die treffliche Gattin:
„Richt zur Geburtstagsgabe! Was Beſſeres bring’ ich im Koffer
Unferem Vater zur Luft und dem Mütterchen, ohne bein Wiſſen!“
Sprach's und faßte dem Manne die Hand; die führende
Mutter
Offnete leiſ' die Thür und ließ die Kinder hineingehn.
230 Aber die junge Frau, voll Lieb’ im lächelnden Antlitz,
Hüpfte voraus und küßte den Greis. Mit vermunderten Augen
Sah er empor und hing in der trauteften Kinder Umarmung.
J. ». Voß. (1771.)
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307. Die Schweden in Rippoldsan.
Bor zmweihundert Jahren — wem iſt's nicht befannt? —
Ertobte der Krieg im deutihen Land;
Die Schweden und die vom Wallenitein
Schlugen einander die Schäbel ein,
Und dauerte über dreißig Jahr,
Bis die Schlachtenfurie verbraufet war.
Doch das friedliche Rippoldsauer Thal
Blieb verschont von des Krieges Gewitterſtrahl,
Und mander, dem Tranfen Leib zum Frommen,
Iſt Heilung fuchend zur Duelle gekommen.
Man lebte damals fchier jo wie jeht,
Man bat fih mit mancherlei Kurzweil ergößt,
Ein trefflicher Badwirt forgte mie heut
Für gute Herberg’ und Schnabelweid'.
Man jchlürfte Die Duelle und fprah nur wenig
Bon Papſt und Kaifer und Schwedenkönig.
Die Alten tranfen und rauchten Tabak,
Die Jungen fanden am Ballipiel Geſchmack,
Die Damen im Reifrod und hoher Kraufe
Scerzten und lachten beim Mittagsſchmauſe,
Und abends tanzte man zierlih und nett
Auch ein fteif graziöfes Menuett.
Die Badmuſik war in vorzüglicen Händen;
Sechs Mann mit verjchiedenen Inſtrumenten
Epielten rüftig und unverdroffen drauf los,
Und war fchier jeder ein Virtuos.
Da begab’3 fich im breiundvierziger Jahr,
Daß Herr Johann Petzold Baßgeiger war;
Der Bing eines Abends im Monat Auguft
Seine Geig’ auf den Rüden mit großer Luft
Und ftieg auf die Holzwälder Höhe empor,
Um unbelaufht von der Badgäfte Ohr
Ein neues Adagio einzuftubieren,
Womit er am Sonntag wollt’ ercellieren.
Denn für des Brummbafjes dröhnend Walten
Iſt's beſſer, einfame Proben halten;
Die Baßgeige lieben viele Perfonen,
Mögen doch nicht neben dem Baßgeiger wohnen.
Drum kam Herr Petzold mit Cello und Bogen
Hinauf in den luftigen Tannwald gezogen
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Und ſchaute weit in die Lande hinein
Bis zum Straßburger Münfter am gligernden Rhein.
Er ſuchte ein fchattiges Pläglein im Mooſe
Bei Farnkraut und duftiger Weidenrofe;
Hell Hang in die Waldesftille und froh
Sein funfelneues Adagio.
Doch wie’3 fo recht voll in den Saiten rauſchte,
Da ſpitzt' er auf einmal die Ohren und laufcte:
„Zum Teufel, was hör’ ih, mas hat ſich gerührt?
Sch werd’ aus der Ferne accompagniert!
Trom trom! trom trom! trari trara!
Nun Hilf uns, heil’ge Cäcilia!“
Herr Petzold Hatte in früheren Tagen
Bei Pappenheims Reitern die Pauke gefchlagen;
Seit der Lütner Affaire kannt' er den Ton:
„So trommt und trompetet der Torſtenſon!
Tom trom! trom trom! trari trara!
O heil'ge Gäcilie, der Schwed’ ift da!”
Herr Petzold hat Feine Silb’ mehr geiprochen;
Aufiprang er, wie von der Tarantel geftochen,
Er ſchultert' die Baßgeig' und ſah nicht mehr um,
Vergaß felbft fein gelb Kolophonium,
Ließ Noten zurüd und Sacktuch und Kapp'
Und fprang wie befefjen den Tannwald hinab;
„Gut Naht, Adagio und Bademuſik!
Gut Naht, der Petzold fommt nimmer zurüd!“
Sm Bad indes hatte niemand Kunde,
Was Herr Pebold erlaufht in jener Stunde;
Es famen, wie font, die Herren und Damen
Sm Speifefaal zum Souper zufammen.
Der Expeditor bracht' an Paket und Brief,
Was mit der Wolfacher Poſt einlief.
Auch von Freiburg der alte Herr Kreispräftdent
Erhielt ein gefiegelt Pergament,
Und man bemerkte, daß etwas blaß
Seine Züge wurden, als er es las;
Es ſcheint, auch in dieſer Epiſtola
Stand etwas von trom trom und trari trara!
Denn er flüſterte Frau und Tochter 'was zu
Und rief auch plötzlich den Badwirt herzu
Und ſprach: „ch verreiſe früh morgen um vier,
Belorgen Sie fchnell einen Wagen mir!“
Und wiewohl Fopfihüttelnd der Babwirt ſprach:
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„Sie haben beftellt ja für dreißig Tag’
Die Wohnung und find erft feit heut im Quartier;
Erwidert' er: „Dennoch verreif’ ich von bier!“
Des andern Morgens früb um vier Uhr
Er mit Ertrapoft von bannen fuhr.
Auch der Herr von Queſtenberg aus Wien
Nicht mehr, wie fonft, an der Quelle erſchien.
Er nahm, troß feinem feidenen Rod,
In derfelden Kutiche Plab auf dem Bod.
Um acht Uhr faß alles wie fonft beim Kaffee
Im Hof und unter der Lindenallee;
Doch die Muſik ſchlich traurig beran,
Statt ſechſen waren's nur fünf Mann,
Und was fie fpielten, mar infomplett,
Daß ſchier man fie auögepfiffen hätt’.
Drum zu den Gäften mit Hagender Miene
Sprach entihuldigend die erfte Violine:
„Wir find ruiniert, ein verftimmter Accord!
Die Baßgeig’ mitfamt dem Petzold ift fort!“
Da wurde viel geſchwatzt und geſprochen,
Ob Freund Petzold wohl feinen Hals gebrochen,
Oder ob, als leichtfertiger Mufifant,
Er ohne Abſchied von dannen gerannt.
Die Menfchheit ift tet? geneigt zum Böen,
Man machte viel boshafte Hypotheſen:
Er hab’, als Berliebter, im Schatten der Nacht
Einer Wälderin ein Baßgeigenftändchen gebradit,
Oder liege, vom fügen Weine trunken,
Wohl in jammervolle Träume verjunfen.
Nur der Flötift ſprach mit edlem Mut:
„Der Petzold ift Hug und weiß, was er thut!”
Und wieder nahte die Mittagsftunde
Und faßen die Gäfte in fröhlicher Runde,
Die Schüfleln dampften — nur auf der Tribüne
Dacht' die Muſik mit betrübter Miene:
„Bald fommt der Braten, o jchlimmes Signal,
Heut fpielen wir nur zu unferer Dual,
Wir find ruiniert, ein verftimmter Accord,
Die Bapgeig’ mitfamt dem Peztzold ift fort!“
Der Braten kam, ſchon ſchwirrten die Geigen,
Da flog durd den Saal ein bebeutungsvoll Schweigen,
Die Fenfter klirren — o bittres Defiert!
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Ein Kanonenſchuß vom Kniebis her!
Noch einer — piff, paff! — ’3 ift nimmer geheuer,
D Gott, Geſchütz- und Musketenfeuer!
Und zwifchen Binein: trom trom, trara!
Behüt’ und der Herr vor der Mufica!
Mie wenn der Blitz in ein Taubenhaus fchlägt,
Schwirrt alles verftört und bewegt und erregt... .
Dort fällt ein Stuhl — Hier zerbricht ein Teller,
Dort verfchüttet einer den Muskateller,
Die Damen fchluchzen, die Kinder fchrein, —
Der taudt fein Biskuit in den Senftopf ein —
Der fordert die Rechnung — der Roſſe — der Wagen —
Der denkt: jet hat meine Stunde gefchlagen,
Und ſpricht zur lodigen Nachbarin:
„Ich lieb’ Euch! laßt uns zufammen fliehn!“
Der ruft zum Wirt: „Abe, ſeid geduldig!
Für diesmal bleib’ ich die Zeche ſchuldig!“
Der zupft ihn am Ärmel — der tritt ihm den Fuß:
„Ein Königreich für einen Omnibus!
Auf, auf! helft, Helft! fchon hört man ganz nah
Trom trom, trom trom, — trari trara!“
D Rippoldsau, du ftilles Thal,
Wie marft Du verwandelt mit einemmal!
Eeit der Sintflut hat, in vermorrener Flucht,
Keine Geſellſchaft fo das Weite gefucht.
Hier trug ein Herr auf erhbobenem Arm
Eine ohnmädtige Dame dur den Schmarm,
Hier galoppte ein Reiter die Straße hinab,
Dort entfernte ein Hausknecht zu Fuß fih im Trab,
Sa, ein veripäteter Unglüdsfohn
Ritt auf dem Haushund Sultan davon.
Eine halbe Stunde — und till und ftumm
Lag Badhaus und Duelle und alles ringsum,
Nur auf der Gallerie der Muſik
Blieb ein einziges menschliches Weſen zurüd.
Es war der Flötift, er ftieg fröhlich und munter
An den menjchenverlaffenen Saal binunter
Und ſprach: „Wozu das unnüge Rennen!
's ift Zeit genug noch, um durchzubrennen,
Do ein Lauf mit Durft und mit leerem Magen —
Das kann fein Flötenfpieler vertragen.“
Er feste ſich an den verlafienen Tiſch
Und that ſich noch gütlih mit Braten und Fiſch,
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a; —
An Biskuit und Mandeln, am ganzen Deſſert,
Als ob fein Schwed' in der Nähe wär...
Auch ftedt er gelaflen in feine Taſchen
Zwei unverfehrte Affenthaler Ylafchen,
Bis daß auf fünfzig Schritte nah
Es von neuem Hang: „trari trara!
Trom trom, trom trom, trom trom, hurra!
Der Schwed' ift da, — der Schweb’ iſt da!“
Da griff er ruhig nah Flöte und Hut:
„Ich ſagt's ja, der Petold weiß, was er thut.
Seht no ein Glas Wein und das legte Stüd Kuchen,
... Dann will auch ich den Petzold fuchen!”
vitt. v. Schelle.
398. Der Geiſterbeſuch auf dem Feldberg.
Hani g’meint, der Denglegeift, ihr Chnabe von Todtnau.
Seig e böje Geift, iez wüßti andre B’richt z'ge.
Us der Stadt, das bini, und will's au rebli bifenne,
Mengem Chauf- Her verwandt, vo fiebe Suppe ne Tünfli,
Aber e Suntig-Chind. Wo näume luftige Geijter
Uffem Chrüzmweg ftöhn, in alte G’mölbere Hufe
Und verborge Geld mit füürigen Augen hüete,
Dber vergoße Bluet mit bittere Thräne wäſche
Und mit Grund verfchare, mit rote Nägle verchrage, |
Eieht’3 mi Aug, menn’s metterleiht. Sie wimsle gar tät
Und wo heiligi Engel mit ſchöne blauen Auge !
An der tiefe Naht in ftille Dörfere wandle,
An de Fenitere lofe und, böre fie liebligi Rede,
Gegen enander lählen, und an de Husthüre fige
Und de frumme Lüt im Schlof vor Schade bimahre,
Oder wenn fie, felb ander und dritt, uf Gräbere wandle
Und enander fage: „Do ſchloft e treui Muetter,
Do en arıne Ma, doch het er niemes betroge.
Schlofet fanft und wohl, mer wennich wede, wenn's Zit ud!
Sieht's mi Aug im Sternelieht und hört fie rebe.
Menge henni mit Name, und wemmer enander bigegne,
Biete mer i8 d'git und wechſſe Reden und Antwort:
„Grüeß die Gott! Heſch gueti Wacht?" — „Gott dank ver
fo ziemli.“
Glaubet's oder nit! ne mol, fe ſchickt mi der Better
Todtnau zue, mit allerhand verdrießlihe G'ſchäfte.
Mo mer's Kaffi trinlen und Anlewedli drin tunfe:
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„Halt er fie nienen uf, und ſchwetz er nit, was em ind Muul
chunnt“,
Rüeft mir der Vetter no, „und loß er ſi Tabatiere
Nit im Wirtshuus liege, wie's ſuſt bim Here der Bruch iſch.“
Uf und furt, i gang, und was mi der Vetter ermahnt het,
Hani richtig verſorgt. Jetz figi z'Todtnau im Adler —
Und iez gang i ſpaziere und mein, i chönn nit verirre,
Mein, i ſeig am Dorf; z’legt chrefmi hinten am Feldberg;
D'Vögel ben mi g’lodt, und an de Bächlene v’Blüemli.
Eelle Fehler hani, i da mi an allem vertbörle.
Drüber wird es chüel, und d'Vögel fiten und ſchwige.
’3 firedt jcho dört und do e Stern am düſtere Himmel
's Chöpfli ufen un Iuegt, öb d'Sunn echt aben ins Bett feig,
Ob er echt dörf ho, und rüeft den andere: „Chömmet!“
Und i ba kei Hoffnig meh. Druf leg i mi nieder.
8 iſch e Hütte dort und ich en Ärfeli Strau drin.
„D du licht Bit“, fo denti, „wenn i deheim wär!
Oder es wär ſcho Mitternadt. Es wird doch e G'ſpenſtli
Näume dohinte ſi und z'Nacht um zwölfi verwache
Und mer d'ßZit vertribe, bis früeih die himmliſche Liechter
D'Morgeluft verlöſcht, und wird mer zeige, wo's Dorf iſch.“
Und iez woni ’3 ſag und mittem vordere Finger
's Zitli frog, wo's Beigerli ftand, 's iſch z’finfter fürs Aug gſi,
Und wo's Bitli feit, 's gang ab den Olfen, und woni
3 Pfifli uſe leng und dent: ie; trinfi no Tubat,
Aß i nit verfhlof — bim Blueft! je fangen uf einmol
Ihrer zwe ne G'ſpröchli a. J mein, i ha g’lofet —
„Gel, i dumm hüt |pot? Drum ifh e Meideli g’ftorbe
Z'Mambach. 's het e Fiberli g’ha und leidigi Gichter.
’8 iih em wohl. Der Todesbecher hani em g’heldet,
AB es ringer gang! und d'Augen hani em zubrudt
Und ba g’feit: Schlof wohl! Mer wenn di wecke, wenn's Bit
iſch. —
Gang und bis ſo guet, und hol mer e wengeli Waſſer
In der ſilberne Schale, i will iez mi Sägeſe dengle.“
Dengle? hani denit, e Geiſt? und düſele'n uſe.
Woni lueg, ſo ſitzt e Chnab mit goldene Fegge
Und mit weißem G'wand und roſefarbigem Gürtel
Schön und lieblig do, und nebenem brenne zwei Liechtli.
„Alli guete Geiſter!“ ſagi; „Her Engel, Gott grüeß bil“
„Loben ihre Meiſter!“ ſeit druf der Engel, „Gott dank der!“ —
„Nüt für übel, Her Geiſt, und wenn e Frögli erlaubt iſch,
Sag mer, was heich du denn z'dengle?“ — „D'Sägeſe“, feit er.
„30, jel ſiehni“, fagi, „und ebe das möchti gern wiſſe,
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Wozu du ne Sägefe bruuchſch.“ — „Zum Weide. Was hei
g’meint?“
Seit er zue mer. Druf fagi: „Und ebe das möchti gem wife.“
Sagi zumem: „Iſch's verlaubt? — Was heſch bu denn
z'meihe?? —
„Gras, und was heſch du fo ſpot do hinte z'verrichte?
„Rit gar viel“, hani g’feit, „i trink e wengeli Tubaf;
Wäri nit verirrt, wohl wär's mer z'Todtnau im Adler.
Aber mi Red nit z’vergefle, ſe ſag mer, wenn d'witt fo quet fi,
Was du mitten Grafe witt made.“ — „Fuetere“, feit er.
„Eben und das nimmt mi Wunder, de wirſch doch, Gott will,
fe Chue ba?“
„Rei, ne Chue juft nit, doch Chalbele*, feit er, „und Eiel.
Siehſch dört jelle Stern?" Druf het er mer obe ne Stern zeigt.
„8 Wienecht⸗Chindlis Ejel und ’3 heilige Friebelis Chalble
Otme d’Sterne- Luft dört oben und warten ufs Fueter.
Und dört wachſt fei Gras! dört wachſe numme Rofinli“,
Het er g'ſeit, „und Milh und Hunig riejlen in Bäde;
Aber 's Vieh ifch ſemper, 's will alli Morge fi Gras ba,
Und e Löckli Heu! und Waſſer us irdifhe Duelle.
Dorburmille dengli iez und willi gho meihe. R
Wärſch nit der Ehre wert und feifch, de wellſch mer au helfe?“
So bet der Engel g’jeit. Druf fagt wieder zum Engel:
„Lueg, 's ich fo ne Sad. Es fott mer e herzligi Freud fi,
D’Stadtlüt wife nüt vo dem; mer rechnen und fchribe,
Zähle Geld, ſel hönne mer und meſſen und wäge;
Laden uf und laden ab und effe und trinke.
Was me bruucdht ind Muul, in Chuchi, Cheller und Chammer,
Strömt zu alli Thoren i, in Beinen und Chretze;
's lauft in alle Gallen, es rüeft in allen Ede:
Chromet Ehrifi, chromet Anke, chromet Andivi!
Chromet Ziebeli, geli Nücbe, Peterlimurze!
Schwebelhölzli! Schmebelhölzli, Bodekolrabe!
Paraplü, wer koof? Reckholderberi und Chümmi!
Alles für bar Geld und alles für Zucker und Kaffi, ..
Heſch du au ſcho Kaffi trunfe, Her Engel, wie ſchmeckts der?” —
„Schwetz mer nit fo närſch!“ feit druf der Engel und lächelt.
„Rei, mer trinke Himmelsluft und eſſe Rofinli,
Vieri alli Tag, und an ben Sunntige fünfl.
Chumm iez, wenn de mit mer mitt, iez gangi go meibe,
Hinter Todtnau abe, am Weg, an grafige Halde.“
„Jo, Her Engel, freili wili, wenn de mi mitnimmſch,
’3 wird afange chüel. J will der D’Sägefe trage.
Magih e Pfifli Tubak raude, ftoht’8 der zue Dienfte.“
Sieber rüeft der Engel: „Puhuh!“ 'ne füürige Ma ſtoht,
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Wie im Wetter, do. „Chumm, zündis abe go Todtnau!”
Seit’, und voris her marfchiert der Puhuh in Flamme,
Über Stod und Stein und Dom, e lebigi Fadle.
„Sell, es iſch chummli fo“, ſeit iez der Engel; „mas machſch echt?
Worum ſchlagſch den Füür? Und worum zündiih di Pfifli
Nit am Puhuh a? De wirſch en doch öbbe nit fürchte,
So ne Fraufafte-Chind, wie du biſch, — het er di g’frefle?”
„Rei, Her Engel, g’frefie nit. Doch mueßi befenne:
Halber hani'm numme traut. Guet brennt mer der Tubal.
Selle Yehler hani, de füürige Manne fürdti;
Lieber fieben Engel, als fo ne brennige Satan.” —
„8 th doch au ne Gruus“, feit iez der Engel, „aß d’Menfche
Sp ne Furt vor G'ſpenſtere ben, und hätte’8 nit nötig.
's fin zwee einzigi Geifter de Menſche g’fährli und furchtbar:
Irrgeiſt heißt der eint’, und Ploggeift heißt der ander;
Und der Irrgeiſt wohnt im Wi. Us Channe und Chrufe
Stigt er eim in Chopf und macht zerrüteti Sinne.
Selle Geift führt mr im Wald und Wegen und Stege,
's gobt mit eim z’unterft und z’öberft, der Bode will unter
eim breche!
D’Brude ſchwanke, d'Berg bewege fi, alles iſch doppelt.
Nimm die vorem in acht!“ Druf fagi wieder zuem Engel:
„8 iſch e Stich, er bluetet nit! Her G'leitsma, i merk di.
Nüechter bini gewis. J da en einzig Schöpli
Trunke g'ha im Adler, und frog der Adlerwirt felber.
Aber bis fo guet und fag mer, wer ifch der ander?“
„Wer der ander ifch“, feit iez der Engel, „das frogfeh mi!
Es iſch e böfe Geift, Gott well di vorem bimabre.
Wemme friteih verwacht, um viert oder um fünft,
Stoht er vorem Bett mit große, füürigen Auge,
Seit eim guete Tag mit glüchige Rueten und Zange.
's hilft kei „das malt Gott“, und hilft fei „Ave Maria!”
Wemme bete will, enanderno hält er eim's Muul zu.
Wemmen an Himmel Iuegt, fo ftreut er Äſchen in d'Auge;
Het me Hunger und it — er wirft eim Wermut in d’Suppe;
Möcht me z'Obe trinle, — er fehüttet Gallen in Becher;
Lauft me wie ne Hirz, — er au und blibt nit dahinte.
Schlicht me wie ne Schatte, fo feit er: Jo mer wen g'mach thue.
Stoht er nit in der Chilchen, und fißt er nit zue der ing Wirtshuus?
Wo de gobih und wo de ftohich, fin G'ſpenſter und G'ſpenſter.
Gohſch ins Bett, thueſch d'Auge zue, fe ſeit er: 's preffiert nit
Mittem Schlofe. Los, i will der näumis verzehle:
Weiſch no, wie de geftohle heſch und d'Waisli betroge,
So und fo und das und deis; und wenn er am End’ iſch,
Fangt er vornen an, und viel will's Schlofe nit: jage.“
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155 ©o bet ber Engel g’jeit und wie ne fülrige Suppe
Het der Puhuh g'ſprützt. Druf fagi wieder: „IS bi doch
Au ne Sunntig-Chind, mit mengem Geiftli bifrünbet,
Aber b’hüet mi Gott der Her!“ Druf lädelt der Engel:
„B'halt di G’wille rein, ’3 goht über b’fiebnen und b’fegne,
160 Und gang iez das Wegli ab, dört nieden ifh Tobtnau.
Nimm der Puhuh mit und löſch en ab in der Wieſe,
AB er nit in D’Dörfer rennt und d'Schüüre nit azünbt.
B'hüet di Gott, und halt di wohl!“ Druf fagi: „Her Engel!
B’hüet di Gott der Her, und züm nit! Wenn de in d’Stabt
chumſch,
165 In der heilige Zit, jo b'ſuech mi, 's fol mer en Ehr fi.
's ftöhn der Röfinli z' Dienſt und Hypokras, wenn er di annimmt.
D’Sterneluft ift rau, abſunderli neben der Birfig.“
Drüber graut der Tag, und rihtig chummi go Todtnau
Und gang wieber Baſel zue im lieblige Schatte.
170 Woni an Mambad dumm, fo trage ſie's Meideli ufe,
Mittem heilige Chrüz und mit der verblichene Yahne,
Mittem Chranz am Totebaum, und brieggen und fchluchze.
Hent ders denn nit g’hört! Er will's io wede, wenn's Zit iſch!
Und am Biftig druf, fe chummi wieder zum Vetter,
175 D’Tubal-Dofe hani richtig näume lo liege.
PD. Bebel. (1802.)
399. Die Wieſe.
1 Wo der Dengle-Geift in mitternädtige Stunde
Uffeme filberne G'ſchirr fi goldeni Sägefe denglet,
(Todtnau's Chnabe wüſſe's mohl,) am waldige Feldberg,
Mo mit liebligem G'ſicht us tiefverborgene Chlüfte
5 D’Wiefe luegt und chef go Todtnau aben ind Thal fpringt,
Schwebt mi muntere Blid und ſchwebe mini Gidante.
Feldberg liebligi Tochter, o Wiefe, bis mer Gottwilde!
203, ich will di iez mit mine Liederen ehre
Und mit G'ſang bigleiten uf dine freudige Wege!
10 Sm verfchwiegene Schoß der Felſe heimli gibore,
An der Wulke gfäugt, mit Duft und himmliſchem Rege,
Schlofſch e Bütjchele-Chind in di'm verborgene Stübli
Heimli wohlverwahrt. No ni ben menihligi Auge
Büggele dörfen und ſeh, wie ſchön mi Meiddeli do litt
15 Im chriftalene G'halt und in der filberne Wagle,
Und ’3 Bet no kei menſchlig Ohr fie Otmen erluftert,
Oder ft Stimmli g’hört, fi heimli Lächeln und Briegge.
Numme ftilli Geifter, fie göhn uf verborgene Pfade
Us und i, fie ziehn di uf umd lehre di. laufe,
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Gen der e freudige Sinn und zeige der nützligi Sache,
Und 's iſch au kei Wort verlore, was fie der jage.
Denn jo bald de chaſchſt uf eigene Füeßlene furtcho,
Schliefih mit ftillem Tritt us di'm chriſtalene Stübli
Barfis uſen und luegſch mit ftillem Lächeln an Himmel.
D, wie biſch fo nett, wie heich fo heiteri Augli!
Gel, do uſſen iſch's hübſch, und gell, fo heſch der's nit vorg’ftellt >
Hörſch, wie's Läubli ruuſcht, und hörſch, wie d'Vögeli pfife?
Jo, de feiih: „J hürs, doc gangi witerd und blieb nit.
Freudig ich mi Weg und alliwil ſchöner, wi witer!“
Nei fo Iueg me doch, wie ha mi Meiddeli fpringe!
„Chunnſch mi über“, ſeit's und lacht, „und witt mi, jo hol mil”
All'wil en andere Weg und allimil anderi Sprüngli!
Fall mer nit fell Reinli ab! — Do hemmer’3, i ſag's jo, —
Hant’3 denn nit g’jeit? Doch gaufelet’8 witers und witers,
Groblet uf allen Pieren und ftellt fi wieder uf d'Beinli,
Schlieft in d'hHürſt, — iez fuch mer's eis! — dört güggelet’3 ufe.
Wart, i dumm’! Druf rüeft's mer wieder hinter de Bäume:
„Rot, wo bin i iez!“ — und het fi urige Phateft.
Aber wie de gohſch, wirſch fichtli größer und fehöner.
Wo Di liebligen Otem weiht, jo färbt fi der Raſe
Grüner rechts und linie, es ftöhn in faftige Triebe
Gras und Chrüter uf, es ftöhn in frifchere G'ſtalte
Farbigi Blümli do, und d’Immli chömmen und fuge.
's Waſſerſtelzli chunnt und, lueg doch, 's Wuli vo Todtnau?
Alles will di beſchauen, und alles will di bigrüße,
Und die fründlig Herz git alli fründligi Rede:
„Chömmet, ihr ordlige Tierli, do hender, eſſet und trinket!
Witers goht mi Weg, G'ſegott, ihr ordlige Tierli!“
Rotet iez, ihr Lüt, wo üſer Töchterli hi goht!
Hender g'meint an Tanz und zu de luſtige Bube?
Z'Uzefeld vorbei goht's mit biwegliche Schritte
Zue de ſchöne Buechen und hört e heiligi Meß a.
Gut erzogen iſch's, und anders cha me nit fage.
No der heilige Meß fe ſeit's: „Jez will i mi jchide,
AB ich witerd dumm.“ — Jez fimmer ſcho vormen an Schönau,
Jez am Chaftel vorbei und allimil mwiter und miters
Zwiſche Berge und Berge im chüele, dDuftige Schatte,
Und an mengem Chrüz verbei, an menger Kapelle.
Aber wie de gohſch, wirſch allimil größer und ſchöner.
Wo di Tiebligen Otem weiht, wie färbt fi der Raſe
Grüner recht? und links, wie ftöhn in chräftige Triebe
Neui Chrüter do, wie jchießen in prächtige G’ftalte
Bluemen an Bluemen uf und gelt, faftige Wide!
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Do di'm Diem gmürzt, ftöhn roti Erbbeeri- Chöpfli
Millione do und warten am fchattige Thalmeg.
Bo di'm Diem g’nährt, fligt rechts an funnige Halbe
Goldene Lewat uf in Feldere, Riemen an Rieme.
Bo di'm Diem achüelt, fingt hinter de Hürfte verborge
Freudig der Hirte-Bueb, und d'Holz⸗-Axt tönet im Buechwald
's Mambecher Hätteli chunnt und mulligi Hält vo Zell her.
Alles lebt und webt und tönt in freudige Wiiſe;
Alles grüent und blüeiht in tufigfältige Farbe;
Alles isch im Staat und will mi Meibdeli grüße.
Roc de bifch fe Meiddeli meh, iez fag i der Meibli.
Aber an der Brudwoog, ni wit vom fteinene Chrüzli,
Chreſme H’Büebli vo Zell hoch an de felfige Halbe,
Suechen Engelfüeß und Iuegen aben und ftune.
„Zoneli*, feit der Sepli, „was bet echt d'Wieſen im Chöpfli?
Lueg doch, wie fie ftoht, und mie fie nieder an d'Stroß ſitzt
Mit vertieften Blid, und wie fie wieder in d'Höchi
Schießt und in dv’ Matte lauft und mittere jelber im Champf iſch!
Feldbergs Tochter, los, de g’falih mer numme no halber!
's goht mer wie dem Sepli. Was heich für Jeſten im Chöpfli?
Fehlt der näumis, jo ſchwetz, und hättfch gern näumis, fo ſag mer’s!
Aber wer nüt feit, biſch dul Mit ſchwankige Schritte
Zauffh mer d'Matten ab in dine tiefe Gidanke
Furt ins Wiefethal, furt gegenem Hufemer Bergwerch
Und ſchangſchirſch der Glauben und wirſch e Luthriſcher Cheter!
Hani’3 denn nit g’feit, und hani mer's echter nit vorg’ftellt?
Aber iez iſch fo, was hilft iez balgen und fchmäle!
Andere chani’3 nit, fe mwilli der lieber gar helfe!
Obbe bringſch mer doch no Freud und Beiteri Stunde!
Halt mer e wenig til, i will di iez Lutheriſch chleide;
»ß ſchickt fi nümme barfis z’laufe, wemme fo groß id.
Do fin wißi Baumeleftrümpf mit hünftlige Zwidle —
Leg fie a, wenn d'chaſchl — und Schueh und ſilberni Rinfli;
Do ne grüene Rod! Dom breit verbendlete Liibli
Fallt bis zu de Chnöblenen abe Fältli an Faltlı.
Sigt er reht? Thue d'Häftli i und nimm do das Brufttued,
Sammet und roferot. Jez flichti der chünftlige Zupfe
Us de ſchöne, fufer geftrehlte, flächjene Hoore.
Dbe vom wiißen Aden und biegfen in d’Bupfe verfchlunge,
Fallt mit beiden Ende ne ſchwarze fidene Benbel
Bis zum tiefe Rodfaum abe. G’fallt der die Chappe,
Waſſerblaue Damaft und g’ftidt mit goldene Blueme?
Zieh der Bendel a, mo in de Ridlene durgoht,
Unter de Zupfe dure, du Dotfh, und über ven Ohre
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Fürfi mitten Letſch und abe gegenem G’fiht zue!
Jez e fide Fürtuech her und endli der Hauptftaat
Zwenzi Ehle lang und breit e Mailänder Halstuech!
Wie ne luftig G'wülch am Morgenhimmel im Früehlig
Schmebt’3 der uf der Bruft, ftigt mittem Diem und ſenkt fi,
Wahlet der über d'Achſle und fallt in prächtige Zipfle
Übere Rucken abe, fi ruufche, wenn de im Wind gohſch!
Het me’3 lang, fe loßt me's henfe, hör i mi Lebtig.
D’Ermel, dent wohl, henkſch an Arm, wil's Wetter fo ſchön ifch,
Aß me's Hemd an fieht und dini gattigen Ärmli,
Und der Sciehut nimmih in d'Hand am ſidene Bendel;
D’Sunne git eim wärmer und fchint eim befier in d'Auge,
Wer en in de Hände trait, und ’3 ftoht der au hübfcher!
Jez wärſch usftaffiert, a8 wenn de hofertig ftoh wottſch,
Und de g’falih mer felber wieder, chani der fage.
Wienes fi iez freut und wies in zimpfere Schritte
Tänzelet und meint, e3 eig d'iFrau Vögtene felber,
Wie 's fi Chöpfli hebt und jeden Augenblid z’rud fchielt,
Ob me's echt au beihaut und öb men em ordeli noluegt!
%o, de biſch io hübſch, und io, du Närrli, mer Iuege,
Du Margröver-Meidli mit Diner goldige Chappe,
Mit de lange Zupfen und mit der längere Hoorjchnuer,
Mitten vierfach z'ſemmegeſetzte flattrige Halstuech!
Aber rotet iez, wo 's hofertig Jümpferli hi goht!
Denk wohl, uffe Platz, denk wohl, zuer ſchattige Linde
Oder in d'Weſerei und zue de Huſemer Chnabe?
Hender gemeint? Jo wohl! Am Bergwerch viſperlet's abe,
Lengt e wenig duren und trüllt e wengeli d'Räder,
Mas der Blosbalg ſchnufe mag, aß d'Füurer nit usgöhn.
Aber 's ifch fie Blibes nit. In d'Huſemer Matte
Schießt's und über d'Legi ab, mit große Schritte go Yarnau,
Laufſch mer nit, fo gilt’3 mer nit, durs Schopfemer Chilipel.
Aber z'Gündehuſe, wer ftoht echt an der Stroße,
Wartet, bis de chunnſch, und goht mit freudige Schritte
Uf di dar und git der d'Hand und fallt der a Bueſe?
Chennſch die Schwefterli nit? ’3 chunnt hinte füre vo Wisleth.
Uf und nieder het's di Gang und dini Gibärde.
%o, de chennſch's, worum denn nit? Mit freudigem Bruſche
Nimmſch's in d'Arm und loſch's nit goh, gieb Achtig, verbrud’s nit!
Jez goht's wieder witerd und allimil aben und abe.
Siehſch dört vorne 's Nöttler Schlog — verfalleni Mure?
In vertäfelte Stube, mit goldene Liiſte verbenblet,
Hen fuft Fürfte gwohnt und ſchöni fürftlige Fraue,
Heren und Hereg’find, und d'Freud iſch z'Röttle deheim g'ſi.
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Aber iez ifch alles ſtill. Undenklichi Site
Brenne keini Liechter in fine verrißene Stube,
Fladeret kei Füür uf finer verſunkene Yüürftet,
Goht kei Chrueg in Cheller, kei Züber aben an Brunne.
Wildi Tube nifte dörrt uf moofige Bäume.
Zueg, dört ehnen iſch Mulberg, und do im Schatte verborge,
'sFöhris Hüsli und am Berg dört d'Höllſtemer Chilche.
Steinen lömmer liege und fahre duren in dD’Matte,
Guete Weg iſch au nit um, und weidli chaſch laufe.
Wenn 's nit nidfi ging, i weiß nit, öbbi der nochläm.
Unter Steinen chunnſch mit dine bimeglicde Schritte
Wieder über d'Stroß. Jez wandle mer füren ins Nebland
Neben Hauigen aben und neben an Hagen und Nöttle.
Lueg mir e wenig ufe, wer ftobt dört oben am Fenfter
In ſi'm neue Chäppli, mit fine frünbligen Auge?
Neig di fin, zeig mie, und fag: „Gott grüßich, Her Pfarer!“
Jez goht's Thumrige zu, iez witer d’Xörecher Matte.
Siehſch das ordelig Städli mit fine Yenftern und Gieble
Und die Basler Here dört uf der ftaubige Stroße,
Wie fi riten und fahren? Und ſiehſch dört's Stettener Wirtshus?
Worum wirſch fo ftil und magſch nit dure go luege?
Gel, de ſiehſch fel Heilig Chrüz vo witem und trauſch nit,
Möchtiſch lieber z’rud, als fürfi! Loß der nit grufe!
's währt nit lang, je ftehn mer frei uf ſchwitzriſchem Bode.
Aber wie de gohih vom Bergwerch abe go Schopfe,
Bis an Stetten aben uf biner fteinige Landſtroß,
Bald am linken Bord, bald wieder ehnen am rechte
Zwiſchenem Faſchinat, wirſch allimil größer und fchöner,
Freudiger allimil und ſchaffig, was me cha jage.
Wo di liebligen Diem weiht, mie färbt fi der Raſe
Grüner recht3 und links, wie ftöhn mit chräftige Triebe
Neui Chrüter uf, mie prangen in höchere Farbe
Bluemen ohni Zahl! De Summervögle thuet d'Wahl meh.
Wechflet nit der Chlee mit goldene Chetteneblueme,
Frauenmänteli, Hafebrötli, mürzige Chümmit,
Sunneblume, Habermart und Dolden und Ruchgras?
Gligert nit der Tau uf alle Spike und Halme?
Mattet nit der Storch uf hohe Stelze derzmifche?
Zieh fi nit vo Berg zue Berg in lange Reviere
Feiſti Matte Stunde wiit und Tauen an Taue?
Und derzwiſche ftöhn Icharmanti Dörfer und Childytürn.
3 Brombeher Mummeli hunnt, e8 hömme Löreher Rößli,
Freße der us der Hand und fpringen und tanze vor Freube,
Und v0 Baum zue Baum, vo Zell bis füre go Rieche
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Halte d'Vögeli Judeſchuel und orglen und pfife.
D’Brombedher Linde lit, der Sturmwind het je ins Grab g’leit.
Aber rechts und links, wie ſchwanken an flachere Raine
Roden und Weizehalm! Wie ftöhn an funnige Halbe
Neben an Neben uf! Wie moget uf höchere Berge
Rechts und links der Buechewald und dunkleri Eiche!
O 's iſch alles fo ſchön und überall anderft und fchöner!
Feldbergs Tochter, mo de bifch, ish Nahrig und Lebe!
Neben an der ufen und neben an ber abe
Gigft der Mage, d'Geißle hlöpft, und d'Sägeſe rufchet,
Und de grüeßiſch alli Lüt und ſchwetziſch mit alle.
Stoht e Mühli näumen, en Hli oder e Ribi,
Drohtzug oder Gerfteftampfi, Sägen und Schmidte,
Lengih mit biegfemen Arme, mit g'lenkſeme Fingere dure,
Hilfſch de Müllere mahlen und hilfih de Meidlene ribe,
Spinnſch mer’3 Hufemer Iſe wie Hanf in g'ſchmeidigi Fäde.
Eicheni Plütſchi verfägih, und mwandlet 's Iſe vom Füürherd
Uffen Amboß, lüpfſch de Schmiede freudig der Hammer,
Singſch derzue und gerſch fei Dank: „Gott grüeßich, Gott b'hüetich!“
Und iſch näume ne Bleichi, ſe loſch di das au nit verdrieße,
Chuuchiſch e bizzele duren und hilfſch der Sunne no bleiche,
Aß ſie ferig wird, ſie iſch gar grüſelig langſem!
Aber ſolli eis, o Wieſe, ſage, wie 's ander,
Nu ſe ſei's bikennt! De heſch au b'ſunderi Jeſte,
's chlage's alli Lüt und ſage, es ſei der nit z'traue,
Und wie ſchön de ſeigſch, wie liebli dine Gibärde,
Stand der d'Bosget in den Auge, ſage ſie alli.
Eh men umluegt, chresmiſch näumen über d'Faſchine,
Oder rupfih fie us und bahnſch der b’fundert Fueßweg,
Bohlih de Lüte Stei uf d'Matte Jaſpis und Feldfpat.
Hen fie näume g’meiht und ben fie g'warbet und g'ſchöchlet,
Holſch's und treiſch's de Mochbere duren, Arfel um Arfel.
’3 jagen au e Teil, de feigifch glüdli im Finde
Uf d'Bänke, mo nit g'wüſcht fin, aber i glaub's nit.
Mengmol bafelierih, und 's muß der alles us Weg goh;
Obbe tenfch e Hüsle nieder, wenn's der im Weg ftoht.
Mo de gohſch und mo de ftohih, iſch Balgen und Balge.
Feldbergs Tochter, los, de biſch an Tuged und Fehler
Zitig, chunnt's mer halber vor, zum Manne, wie wär's echt?
Zeigſch, mas machſch für Augli? Was zupffch am fivene Bendel?
Stell di nit fo närrſch, du Dingli! ’3 meint no, me wüß nit,
AB es versprochen isch und aß fie enander fcho b’ftellt Ben!
Meinſch, i denn di Holderftod, di chräftige Burft, nit?
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Über hochi Felſen und über Stuuden und Hecke
240 Eis Ganges us de Schwiberberge gumpet er z'Rhineck
Aben in Bodeſee und ſchwimmt bis füre go Choftanz,
Seit: „Ih mueß mi Meidli ba, do Hilft nit und batt nüt!“
Aber oben an Stei, fo ftigt er in langfeme Schritte
Wieder uſem See mit fufer gewäſchene Füeße,
245 Tiefehofe g’fallt em nit und 'sChloſter dernebe,
Furt Schafhufe zu, furt an die zadige Felſe.
An de Felfe fett er: „Und 'sMeidli mueß mer mwerbe!
Lib und Lebe wogi dra und Chreke und Bruſttuech!“
Seit’3, und nimmt e Sprung. Jez bruttlet er abe go Rhinau;
250 Trümmlig iſch's em worbe, doch chunnt er witers und witers.
Eglisau und Chaiferftuhl und Zurzi und Waldshut
Het er ſcho im Ade, vo Waldſiadt lauft er zu Waldftadt,
Jez an Chrenzech aben in fchöne, breite Reviere,
Bafel zu. Dört wird der Hochzitzedel gefchriebe.
255 Gell, i weiß es! Biſch im Stand und leugniſch, was wohr ih?
Hätti z’rote g'ha, 's wär z'Wil e fchidlige Platz g'fi; |
’3 bet ſchon menge Briggem fi gattig Brütli go Wil g’führt,
Ufem Züribiet, vo Lieftel aben und Bafel,
Und iſch iez fi Ma, und 's chocht em d'Suppen und pflegt em
260 Ohni Widerred’ vo mine gnäbige Here.
Aber di BVertraue ftoht zum Chleihüniger Pfarer.
Wie de meinſch, je göhn mer denn dur d'Riechemer Matte!
Zueg, iſch fel nit d'Chlübi, und chunnt er nit ebe dört abe?
Jo er iſch's, er iſch's, i hör's am freudige Brufde!
265 Jo er iſch's, er iſch's, mit ſine blauen Auge,
Mit de Schwitzerhoſen und mit der ſammete Chretze,
Mit de chriſtalene Chnöpfe am perlefarbigen Bruſttuch,
Mit der breite Bruſt und mit der chräftige Stotze,
's Gotthards große Bueb, doch wie ne Rotsher vo Baſel,
270 Stolz in ſine Schritten und ſchön in ſine Gibärde.
D wie chlopft ber di Herz, wie lüpft fi di flatterig Halstuch.
Und wi fligt der d'Röti iez in die lieblige Bade,
Wie am Himmel 's Morgenrot am buftige Maitag!
Gell, de biſchem hold, und gell, de heſch der's nit vorg’ftellt,
275 Und iez wird's der wohr, was im verborgene Stübli
D’GSeifter g’funge ben und an ber filberne Wagle!
Halt die numme wohl! — J möcht ber no allerlei fage,
Aber’3 wird der windeweh! Di Kerli, di Kerli!
Förchſch, er lauf der furt, fe gang! Mit Thränen im Augli
280 Rüeft's mer: „B'hüetdi Gott!” und fallt.em freudig an Bueſe.
B’hüetdi Gott, der Her, und folgmer, was i der g’feit ha!
I. P. Bebel. (1801 oder 1802
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400. Der Felſenſtrom.
Unfterblicder Jüngling!
Du ftrömeft hervor
Aus der Feljenkluft.
Kein Sterblicher fah
Die Wiege des Starken;
Es hörte Fein Ohr
Das Lallen des Edeln im fprudelnden Duell.
Wie bift du fo fchön
In filbernen Loden;
Wie bift du fo furchtbar
Im Donner der ballenden Felfen umber!
Dir zittert Die Tanne;
Du ftürzeft die Tanne
Mit Wurzel und Haupt.
Dich fliehen die Felfen;
Du bafcheft die Felfen
Und wälzeſt fie fpottend wie Kieſel dahin.
Dich kleidet die Sonne
sn Strahlen des Rubmes;
Ste malet mit Farben des himmliſchen Bogens
Die ſchwebenden Wolken der ftäubenden Flut.
Was eilft du hinab
Zum grünlichen See?
Iſt Div nicht wohl beim näheren Himmel?
Nicht wohl im hallenden Felſen?
Nicht wohl im hangenden Eichengebüfch?
D eile nicht fo
Zum grünlicden See!
Jüngling, du bift noch ſtark wie ein Gott,
drei wie ein Gott!
Zwar lächelt dir unten die rubende Stille,
Die wallende Bebung des fchweigenden Sees,
Bald filbern vom ſchwimmenden Monde,
Bald golden und rot im weftlihen Strahl.
D Süngling, was ift die ſeidene Ruhe,
Was ift das Lächeln des freundlichen Mondes,
Der Abendfonne Purpur und Gold
Dem, ber in Banden der Knechtſchaft ſich fühlt?
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Noch ſtrömeſt du wild,
40 Mie dein Herz gebeut!
Dort unten herrfchen oft ändernde Winde,
Dft Stille des Todes im bienjtbaren See.
D eile nicht fo
Zum grünlicdden See!
45 Süngling, noch bift du ftarf wie ein Gott,
Frei wie ein Gott!
8. C. Graf zu Stolberg. (1775.)
401. Der gefeſſelte Strom.
Was ſchläfſt und träumft du, Süngling, gehüllt in did,
Und fäumft am falten Ufer, Gebuldiger,
Und achteft nicht des Uriprungs, du, des
Ozeans Sohn, des Titanenfreundes ?
Die Liebesboten, welche der Vater fchidt,
Kennt du die lebenatmenden Lüfte nicht?
Und trifft das Wort dich nicht, das hell von
Dben der wachende Gott dir ſendet? —
Schon tönt, fchon tönt es ihm in der Bruft! es quillt,
Wie da er noh im Schoße der Felſen fpielt’,
Ihm auf; und nun gedenkt er feiner
Kraft, der Gewaltige, nun, nun eilt er,
Der Zauberer, er fpottet der Feſſeln nun
Und nimmt und bricht und wirft die zerbrochenen
Im Zorne, fpielend, da und dort zum
Schallenden Ufer; und von der Stimme
Des Götterſohns erwachen die Berge rings,
Es regen fih die Wälder, es hört die Kluft
Der Herold fern, und ſchaudernd regt im
Bufen der Erde fih Freude wieder.
Der neue Frühling bämmert, es blüht um ihn;
Er aber wandelt Bin zu Unfterblichen;
Denn nirgend darf er bleiben, als mo
Ihn in die Arme der Vater aufnimmt.
Sriedr. Polderin
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402. Mahomets Gelang.
Seht den Felfenquell,
Freudehell
Wie ein Sternenblick!
Über Wollen
Nährten feine Jugend
Gute Geifter
Zwiſchen Klippen im Gebüſch.
Junglingfriſch
Tanzt er aus der Wolke
Auf die Marmorfelſen nieder,
Jauchzet wieder
Nach dem Himmel.
Durch die Gipfelgänge
Jagt er bunten Kieſeln nach,
Und mit frühem Führertritt
Reißt er ſeine Bruderquellen
Mit ſich fort.
Drunten werden in dem Thal
Unter ſeinem Fußtritt Blumen,
Und die Wieſe
Lebt von ſeinem Hauch.
Doch ihn hält kein Schattenthal,
Keine Blumen,
Die ihm ſeine Knie' umſchlingen,
Ihm mit Liebesaugen ſchmeicheln;
Nach der Ebne dringt ſein Lauf,
Schlangenwandelnd.
Bäche ſchmiegen
Sich geſellig an. Nun tritt er
In die Ebne, ſilberprangend,
Und die Ebne prangt mit ihm,
Und die Flüſſe von der Ebne
Und die Bäche von den Bergen
Jauchzen ihm und rufen: Bruder!
Bruder, nimm die Brüder mit,
Mit zu deinem alten Bater,
Zu dem ew'gen Ozean,
Der mit audgefpannten Armen
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Unfer wartet,
40 Die fi ah! vergebens öffnen,
Seine Sehnenden zu fafjen!
Denn uns frißt in öber Wüfte
Gier’ger Sand; die Sonne broben
Saugt an unferm Blut; ein Hügel
45 Hemmet uns zum Teiche. Bruder,
Nimm die Brüder von der Ebne,
Nimm die Brüder von den Bergen
Mit, zu deinem Vater mit!
Kommt ihr alle! —
50 Und nun fhmillt er
Herrlider; ein ganz Geſchlechte
Trägt den Fürften hoch empor!
Und im rollenden Triumphe
Sieht er Ländern Namen; Städte
55 Merden unter feinem Fuß.
Unaufbaltfam rauſcht er weiter,
Läßt der Türme Ylammengipfel,
Marmorhäufer, eine Schöpfung
Seiner Fülle, Hinter fid.
60 GCedernhäufer trägt der Atlas
Auf den Riefenfchultern; faufend
Wehen über feinem Haupte
Taufend Flaggen durch die Lüfte,
Zeugen feiner Herrlichkeit.
65 Und fo trägt er feine Brüder,
Seine Schätze, feine Kinder
Dem erwartenden Erzeuger
Hreubebraufend an das Herz.
m. v. Goethe. (1774)
403. Geſaug der @eifter über deu Waflern.
1 Des Menſchen Seele
Gleicht dem Waſſer:
Vom Himmel kommt es,
Zum Himmel ſteigt es,
5 Und wieder nieder
Zur Erde muß es,
Ewig wechſelnd.
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Strömt von der hohen, .
. Steilen Felswand
Der reine Strahl,
Dann ftäubt er lieblich
In Wollenmellen
Zum glatten Fels,
Und leicht empfangen,
Wallt er verfchleiernd,
Leisraufchend
Zur Tiefe nieber.
Ragen Klippen
Dem Sturz entgegen,
Schäumt er unmutig
Stufenmeife
Zum Wbgrund.
Im flachen Bette
Schleicht er das Wieſenthal hin,
Und in dem glatten See
Weiden ihr Antlitz
Alle Geſtirne.
Wind iſt der Welle
Lieblicher Buhler;
Wind miſcht von Grund aus
Schäumende Wogen.
Seele des Menſchen,
Wie gleichſt du dem Waſſer!
Schickſal des Menſchen,
Wie gleichſt du dem Wind!
W. v. Goethe.
Mach dem Beſuch des Staubbachs bei Lauterbrunn,
| im Oktober 1779.)
404. Der Eislauf.
Vergraben ift in ewige Nacht
Der Erfinder großer Name zu oft! ö
Was ihre Geiſt grübelnd entdeckt, nutzen wir;
Aber belohnt Ehre fie auch?
Wer nannte dir den fühneren Mann,
Der zuerit am Mafte Segel erhob?
Ad, verging felber der Ruhm deſſen nicht,
Welcher dem Fuß Flügel erfand!
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Und follte der unfterblich nicht fein,
Der Geſundheit und Yreuben erfand,
Die das Roß, mutig im Lauf, niemals gab,
Welche der Reih'n felber nicht hat?
Unfterblih ift mein Name bereinft!
Ich erfinde noch dem jchlüpfenden Stahl
Seinen Tanz! Leichten Schmungs fliegt er bin,
Kreifet umber, ſchöner zu fehn.
Du Tenneft jeden reigenden Ton
Der Mufil, drum gieb dem Tanz Melodie!
Mond und Wald hören den Schall ihres Horns,
Wenn fie des Flugs Eile gebeut.
D Süngling, der den Waſſerkothurn
Zu bejeelen weiß und flüchtiger tanzt,
Laß der Stadt ihren Kamin! Komm mit mir,
Mo des Kryftalld Ebne dir winkt!
Sein Licht hat er in Düfte gebüllt;
Wie erhellt des Winter werbender Tag
Sanft den See! Glänzenden Reif, Sternen gleid,
Streute die Naht über ihn auß!
Wie ſchweigt um uns das weiße Gefild!
Wie ertönt vom jungen Frofte die Bahn!
Fern verrät deines Kothurns Schall dich mir,
Wenn du dem Blid, Flüchtling, enteilit.
Wir haben doch zum Schmaufe genug
Don des Halmes Frucht? und Freuden des Weins?
Winterluft reizt die Begier nah dem Mahl;
Flügel am Fuß reizen fie mehr!
Zur Linten wende du did, ih will
Zu ber Rechten bin halbkreiſend mid drehn;
Nimm den Schwung, wie du mich ihn nehmen fiehtt:
Alfo; nun fleug fchnell mir vorbei!
So gehen wir den fchlängelnden Gang
An dem langen Ufer jchwebend hinab.
Künftle nit! Stellung, wie bie, lieb’ ich nicht,
Zeichnet dir auch Preisler nicht nad).
Mas horchſt du nad der Inſel binauf?
Unerfahrne Läufer tönen bort ber.
Huf und Laft gingen noch nicht übers Eis,
Netze noch nicht unter ihm fort.
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13. Sonſt fpäht dein Ohr ja alles; vernimm,
Wie der Tobeston wehllagt auf ber Flut!
D wie tönt's anders! wie hallt's, wenn der Froſt
Meilen binab fpaltet den See!
14. Zurück! laß nicht die ſchimmernde Bahn
Dich verführen, weg vom Ufer zu gehn!
Denn mo dort Tiefen fie dedt, ftrömt’s vielleicht,
Sprubeln vielleiht Duellen empor.
15. Den ungebörten Wogen entftrömt,
Dem geheimen Duell entriefelt der Tod!
Glittſt du auch leicht, wie dies Laub, ad dorthin,
Sänteft du doch, Jüngling, und flürbft!
Ir. Gotti. Alepttoc. (1764.)
405. Ber Tanz
Siebe, wie ſchwebenden Schritts im Wellenſchwung fid) die Paare
Drehen! Den Boden berührt kaum ber geflügelte Fuß.
Seh’ ich flüchtige Schatten, befreit von ber Schwere des Leibes?
Schlingen im Mondlicht dort Elfen den Iuftigen Reih'n?
Wie, vom Zephyr gewiegt, der leichte Rauch in die Luft fließt,
Wie fich leife der Kahn ſchaukelt auf filberner Flut,
Hüpft der gelehrige Fuß auf des Takts melodiſcher Woge;
Säufelndes Saitengetön hebt den ätberiichen Leib.
Seht, ala wollt’ e8 mit Macht durchreißen die Nette des Tanzes,
Schwingt fi ein mutiges Paar dort in den dichteften Reih'n.
Schnell vor ihm ber entfteht ihm die Bahn, die hinter ihm ſchwindet,
Wie durch magiſche Hand öffnet und fchließt fich der Weg.
Sieh, jetzt ſchwand es dem Blick; in wilden Gewirr Durcheinander
Stürzt der zierlihe Bau diefer beweglichen Welt.
Nein, dort jchwebt es frohlodend herauf, der Knoten entwirrt ſich;
Nur mit verändertem Heiz ftellet die Regel fich ber.
Ewig zerftört, e8 erzeugt ſich ewig die drehende Schöpfung,
Und ein ſtilles Geſetz lenkt der Verwandlungen Spiel.
Sprich, wie geſchieht's, daß raftlos erneut die Bildungen ſchwanken
Und die Ruhe befteht in der bewegten Geftalt?
Jeder ein Herricher, frei, nur dem eigenen Herzen gehorchet
Und im eilenden Lauf findet die einzige Bahn?
Willſt du es willen? Es ift des Wohllauts mächtige Gottheit,
Die zum gelelligen Tanz ordnet den tobenden Sprung,
Die, der Nemeſis gleih, an des Rhythmus goldenem Zügel
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Lenkt die braufende Luft und bie verwilderte zähmt.
Und dir rauſchen umfonft die Harmonieen des WWeltalls?
Di ergreift nicht der Strom dieſes erhabnen Gejangs?
Nicht der begeifternde Takt, den alle Weien dir fchlagen?
30 Nicht der mwirbelnde Tanz, ber dur den ewigen Raum
Leuchtende Sonnen fchmingt in Fühn gewundenen Bahnen?
Das du im Spiele doch ehrft, fliehft du im Handeln, das Mat
Ir. v. Schiller. (17%.)
406. Adler und Taube.
1 Ein Wlersjüngling hob die Flügel
Nah Raub aus;
Ihn traf des Jugers Pfeil und ſchnitt
Der rechten Schwinge Sennkraft ab.
5 Er ſtürzt' herab in einen Myrtenhain,
Fraß feinen Schmerz drei Tage lang
Und zudt' an Dual
Drei lange, lange Nächte Lang.
Zuletzt heilt ihn
10 Allgegenwärt'ger Balſam
Allheilender Natur.
Er ſchleicht aus dem Gebüſch hervor
Und reckt die Flügel — ach!
Die Schwingkraft weggeſchnitten —
15 Hebt ſich mühſam kaum
Am Boden weg,
Unwürd'gem Raubbedürfnis nach,
Und ruht tieftrauernd
Auf dem niedern Fels am Bach.
20 Er blickt zur Eich' hinauf,
Hinauf zum Himmel,
Und eine Thräne füllt ſein hohes Aug'.
Da kommt mutwillig durch Die Myrtenäfte
Dahergerauſcht ein Taubenpaar,
25 Läßt ſich herab und wandelt nickend
Über goldnen Sand am Bach
Und rult einander an;
a — Auge buhlt —
den Innigtrauern
30 De Zauber ſchwingt nengiergefeig fich
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Zum naben Buih und blidt
Mit Selbftgefälligkeit ihn freundlich an.
„Du trauerſt“, liebelt er;
„Set gute Mutes, Freund!
35 Haft du zur zu nahm Glückſeligkeit
Nicht all
Kannſt * dich nicht des goldnen Zweiges freun,
Der vor des Tages Glut dich ſchützt?
Kannſt du der Abendſonne Schein
40 Auf weichem Moos am Bache nicht
Die Bruſt entgegenheben?
Du wandelſt durch der Blumen friſchen Tau,
Pfluckſt ans dem Überfluß
Des Wealdgebüfches bir
45 Gelegne Speije, letzeſt
Den leichten Durft am Silberquell, —
D Freund, das wahre Glück
FM die Genügjamleit,
Und bie Genügfamleit
50 Hat überall genug.“
„D Weile!“ ſprach der Adler, und tief ernſt
Berfintt er tiefer in ſich felbft,
„D Weisheit! du red’ft mie eine Taube.“.
w. ». Goetke. (1772)
1. Begeins im Jacke.
Auf einem Pferdemarkt — vielleiht zu Haymarlet,
Wo andre Dinge noch in Ware fih verwandeln, —
Bracht' einft ein bungriger Poet
Der Muſen Roß, e8 zu verhandeln.
Hell wicherte ber Hippogryph
Und bäumte fich in prädtiger Parade;
Erftaunt blieb jeder ftehn und rief:
„Das edle, Tönigliche Tier! Nur fchabe,
Daß jenen fchlanlen Wuchs ein häßlich ga
Entftellt! Den ichönften Poſtzug würd' es
Die Rafle, fagen fie, fei var;
Doch wer wird durch die Luft Futichieren?“
Und. feiner ‚will fein Geld. verlieren.
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Ein Pachter endlih faßte Wut.
„Die Flügel zwar“, fpricht er, „die ſchaffen keinen Nutzen;
Doch die fann man ja binden ober ftuben,
Dann ift das Pferd zum Ziehen immer gut.
Ein zwanzig Pfund, die will ich wohl dran wagen!”
Der Täufcher, hoch vergnügt, die Ware Ioszufchlagen,
Schlägt Burtig ein. „Ein Mann, ein Wort!”
Und Hans trabt friſch mit feiner Beute fort.
Das edle Tier wird eingefpamnt;
Doh fühlt e8 kaum die ungewohnte Bürbe,
So vennt es fort mit wilder Flugbegierde
Und wirft, von edlem Grimm entbrannt,
Den Karren um an eined Abgrund: Rand.
„Schon gut!“ denkt Hans. „Allein darf ich dem tollen Tier
Kein Fuhrwerk mehr vertraun. Erfahrung macht ſchon Hug
Doch morgen fahr’ ich Paflagiere,
Da tell’ ih es ala Vorſpann in den Zug.
Die muntre Krabbe foll zwei Pferde mir eriparen;
Der Koller giebt fi mit den Jahren“
Der Anfang ging ganz gut. Das leihtbeichwingte Pier
Belebt der Klepper Schritt, und pfeilfchnell fliegt der Wagen
Doch was geſchieht? Den Blid den Wollen zugelehrt,
Und ungewohnt, den Grund mit feftem Huf zu fchlagen,
Verläßt es bald der Räder fire Spur
Und, treu der ftärteren Natur,
Durchrennt es Sumpf und Moor, geadert Feld und Heden:
Der gleihe Taumel faßt das ganze Poftgeipann, |
Kein Rufen hilft, fein Zügel hält es an,
Bis endlih zu der Wandrer Schreden
Der Wagen, mohlgerüttelt und zerfchellt,
Auf eines Berges fteilem Gipfel hält.
„Das geht nicht zu mit rechten Dingen!“
Sprit Hans mit fehr bedenklichem Geſicht.
„So wird es nimmermehr gelingen;
Laß ſehn, ob wir den Tollmurm nit
Durch magre Koft und Arbeit zwingen!“
Die Probe wird gemacht. Bald ift das fchöne Tier,
Eh’ noch drei Tage hingeſchwunden,
Zum Schatten abgezehrt. „Sch hab's, ich hab's gefunden!“
Auft Hand. „Seht friſch, und jpannt es mir
Gleich vor den Pflug mit meinem ftärfften Stier!“
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— 665 ° —
Gejagt, getan. In lächerlichem Buge
Erblidt man Ochs und Flügelpferd am Pfluge.
Unwillig fteigt der Greif und ftrengt die legte Macht
Der Sehnen an, den alten Flug zu nehmen.
Umſonſt, der Nachbar ſchreitet mit Bedacht,
Und Phöbus’ ftolges Roß muß fih dem Stier bequemen,
Bis nun, vom langen Wiberftand verzehrt,
Die Kraft aus allen Gliedern ſchwindet,
Dom Gram gebeugt das edle Götterpferd
Zu Boden ftürzt und fih im Staube windet.
„Verwimſchtes Tier!“ bricht enblih Hanjens Grimm
Laut ſcheltend aus, indem die Hiebe flogen.
„So bift du denn zum Adern jelbft zu ſchlimm!
Mid hat ein Schelm mit bir beirogen.“
Indem er noch in feines Zornes Wut
Die Peitſche ſchwingt, kommt flink und mwohlgemut
Ein Iuftiger Geſell die Straße hergezogen.
Die Zither Hingt in feiner leichten Hand,
Und durch den blonden Schmud der Haare
Schlingt zierlich fi ein golenes Band.
„Wohin, Yreund, mit dem wunberlihen Paare?“
Nuft er den Bau'r von weiten an.
„Der Vogel und der Ochs an einem Geile,
Ich bitte dich, welch ein Geſpann!
Willſt du auf eine Heine Weile
Dein Pferd zur Probe mir veriraun?
Gieb acht! du follft dein Wunder ſchaun!“
Der Hippogryph wird ausgeſpannt,
Und lächelnd ſchwingt fich ihm der Jüngling auf den Rüden.
Kaum fühlt das Tier des Meiftera fichre Hand,
So knirſcht es in des Zügels Band
Und ſteigt, und Blitze fprühn aus ben befeelten Bliden.
Nicht mehr das vor'ge Weſen, koniglich,
Ein Geift, ein Gott, erhebt es fi,
Entrollt mit einemmal in Sturmes Mehen
Der Schwingen Pracht, ſchießt brauſend himmelan,
Und eh’ der Blick ihm folgen Tann,
Entſchwebt e8 zu den blauen Höhen.
Ir. v. Schiller, (1706.)
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408. Wie die —— berufen wurden.
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Legend €.
Berfloffen war man Tauſend Jahr',
Seitdem bie Welt erichaffen war
In Schönheit und in rechter Pracht,
Bom Herrn mit aller Luft bebadıt.
Da jap auf einer Wolle klar
Einft eine frohe Engelſchar,
Erzählten fih vom Himmelveich,
Bon Sonn’ und Mond und fo bexgleid.
Drauf Bub von ihnen einer an
Und ſprach: „Wär' es nicht mohlgetban,
Einmal zur Erbe hinzuſehen,
Wie's da den Menfchen mag ergehen?
Das muß doch wunderbarlich fein
Zu hauen, wie fie da ſich freun
Ob all ber Herrlichkeit umber,
So Gott gemacht zu ſeiner Ehr’,
Wie fie von Herzen jubilieren
Und ein glüdjelig Leben führen!“
Und wie der Engel alfo ſpricht,
Da ſäumten auch die andern nicht,
Schwangen mit leuchtendem Gefieder
Auf einen hohen Berg fich nieber,
Bon mo ihr Auge deutlich ſah,
Mas unten in der Stabt geſchah.
D weh! jo viel fie auch geſchaut,
Sie fanden’ nichts, was fie erbaut.
Die Menſchen waren voll Beritand,
Dabei ſchlau, emfig und gewandt;
Doch wußten fie ſich nur zu plagen,
Dad namnten fie „ihr Glück erjagen.“
Da gab's ein Feilſchen, Drängen, Schrein,
Und alles nır um Mein und Dein,
Um Gelb und Gut, Madt und Gewinn.
Auf Markt und Gaffen ber und Hin
Kein ſchlicht einfältig Menſchenkind
Der Engel Blick da unten find't.
Die Leute hatten Augen zwar
Und waren blind doch ganz und gar
Für all die Schönheit und bie Pradt,
So Gott der Herr für fie gemadt:
Der König ſah nur an fein Scepter,
Grammaticam nur der Präcepter,
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Der Schufter feinen Pfriem und Leift,
Der Kriegesknecht fein Schwert zumeift.
Wie foldes nun die Engel fahn,
Schauten fie fi erichroden an.
Nah dem, was von der Menfchen Art
Auf Markt und. Gaffen fie gewahrt,
Thät ihnen alle Luft vergehn,
Die Leute näher anzufehn.
Da faßten fie denn ſchweren Groll,
Wurden gewalt'gen Zornes voll
Und flogen g'radeswegs fogleich
Zu Gottes Thron ind Himmelreich
Und riefen: „Herr, mit deiner Erben
Muß es noch Heute anders werben.
Wir bitten dich, o ſchau doch Bin,
Wie fih verkehrt der Menden Sinn!“
Der Herr mit ernftem Angeficht
In heil'ger Ruhe darauf fpricht:
„Ihr, die ihr ſo des Zornes voll,
Was meint ihr, daß geſchehen ſoll?“ —
Die Engel riefen: „Alſofort
Send' uns hinab zur Erde dort,
Tilg' alle Schönheit zu dieſer Friſt
Und laß nur ſtehen, was nützlich iſt.
Der Sonne nimm den lichten Glanz,
Den Brünnlein ihrer Wellen Tanz.
Laß alle Blumen uns abmäben,
Den Berg mit Heu und Stroh befäen.
Tem Bogel nimm jein Stimmlein zart,
Daß er nur krächz' nach Raben Art;
Und von der Menfchheit Angeficht,
Das du fo lieblich zugericht't,
Nimm jebe Zier und jeven Pus,
Daß es nur bien’ zum bloßen Nuß!
Wollen die Menichen fich jelber leben,
Brauäft du dir feine Mühe zu geben.“ —
Da lächelt ob der Engel Rat
Der Herr und ſpricht: „Sind in ber That
Auf Erden alle Menfchentinder,
Wie ihr da fagt, fo arge Sünder:
Nehmt eure Sicheln, flieget hin
Und thut fofort nad euren Sinn!" —
Die Engel hoben ihr Gefieder
Und ſchwebten zu ber Erbe nieder.
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Mit goldnen Sicheln in den Händen,
Das Amt der Richter zu vollenden.
Da lag dit vor der Stadt ein Feld,
Mit Blumen mwonniglich beftellt,
Gerade zu der Rofenblüb’,
An einem ſchönen Morgen früb.
Die Brünnlein dur die Blumen rannen,
Dabei ein Wald von Buchen, Tannen,
Drin mand ein Vogel fröhlich fang.
Das war ein Raufchen, war ein Klang,
Ein Funleln in dem Sonnenfcein,
Es konnte ja nicht Iuft’ger fein!
Und all die Schönheit follt! auf Erden
Bertilgt nun durch die Engel werden.
Schon wehten fie die Sicheln ſchnell;
Da fchauten fie zur felben Stell’
Biel Heine Buben Ted und friſch,
Die trieben Kurzweil im Gebüſch,
Am Quell und auf dem Wiefenplan.
Die Engel ſchlichen ſich Beran
Und ſahen zu der Knaben Spiel.
Da ſaßen an dem Ufer viel,
Hatten fo rechte Herzensfreud’
An diefer Erde Lieblichleit;
Mit Heinen Stäblein in der Hand
Riſſen fie nah im werden Sand,
Das fie erfhaut, mit flinler Hand:
Den fpiken Fels, den runden Hügel,
Den Vogel mit geipreiztem Ylügel,
Auch Bäum' und Blumen fehlten nit;
Sogar des Menſchen Angeficht
Mit Rai’ und Mund und fchlichten Haar
Durch Strichlein da umriffen war.
Die andern auch nicht feiern thäten,
Mübten ih ab, in Thon zu kneten,
Was ihnen vor Augen war bereit,
Wie's eben ging, mit Emfigfeit;
Konterfeiten die eignen Brüder,
Den runden Kopf, die vollen Glieder.
Noch waren da der Kinder mehr,
Die holten grüne Zweiglein ber,
Stedten fie rings in Leim und Erben,
Als ſollt' ein Häuglein Daraus werben;
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Die Aft’ gewölbet fie verjchränten,
Blum’ und Blättlein darüber henken.
Hei, wie da jauchzt die ganze Schar,
Wann folh ſchön Häuslein fertig war! —
Noch waren Knaben auf den Plan,
Die huben andre Schnurten an:
Der Brüder Art und Wien’ und Blid
Aymten fie nad mit viel Geſchick,
Stellten fih wie alte Leut',
Spraden bald närriſch, bald gejcheit.
An Tönen andre jubilierten,
Wie an den Böglein ſie's verfpürten,
Schlugen den Talt mit Schelmenbliden
Dazu einander auf den Rüden.
Auch ſaßen viele auf den Bäumen,
Und was in Erd- und Himmelsräumen
Geſchaut fie und gehöret dorten,
Mußten fie künden in hellen Worten,
Neimten zufammen „Freud“ und „Leib“,
Hatten ihr Verslein gleich bereit.
Wie ſolches Spiel die Engel fahn,
Hielten fie mit den Sicheln an;
Mupten lachen aus Herzensgrund
Über die Buben Hein und rund,
Die fie in ihrer Freudigkeit
Mit Wort und Werken ſahen bereit,
Des Herren Schöpfung nachzumachen.
Und ob dem Schaun und ob dem Laden
Kam ganz den Engeln aus dem Sinn,
Was fie geführt zur Erde Hin,
Zingen felber zu fpielen an
Mit den Buben auf grünem Plan,
Halfen da bauen und bilden und fingen
Und mandes ſchöne Wert vollbringen.
Die Knäblein aber freuten fi
Der Himmelsboten inniglich,
Ließen fich viel von ihnen fagen
Bon der Welt Schöpfung und erften Tagen.
Und als nun gar die Engel ihnen
Erzählten mit verklärten Mienen
Bon aller Simmel Herrlichkeit
Und aller Seligen Seligkeit,
Was hörten da die Buben zu!
Hatten auf Erben nicht mehr Ruh,
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Wußten nah Kindesart zu fchmeicheln
Mit Bitten und mit Händeftreicheln,
Daß ihnen zum Verſuch nur eben
Die Engel ihre Flügel gäben.
Das hat den Engeln mohlbehagt,
Haben nicht lange nachgefragt,
Nahmen die Flügel ſich vom Rüden,
Lieh’n fie den Buben mit frohen Bliden.
Die aber, alfo ausgezieret,
Mit Himmelsrüftung ausftaffieret,
Sie flogen luſtig auf und fort
Über die Erde hier und dort,
Bis in die Wollen felbit empor;
Klopften fogar and Himmelsthor,
Bis da Sankt Peter mit Vertrauen
Erlaubt, durchs Schlüflelloch zu Tchauen.
Was dort fie ſahn, fie hielten's feft
In ihrem Sinn aufs allerbei. —
Die Engel, die fie fliegen ſahn,
Sie hatten große Luft daran;
Doch ala das Spiel währt’ gar zu lange,
Ward ihnen doch auf Erben bange;
Die Schwingen hatten fie vergeben,
Wie follten fie zum Himmel ſchweben?
Umjonft fie ihren Ruf erhoben,
Die Buben hörten's nicht da oben,
Verſenkt in Luft und Sonnenjcein.
Seht fiel es erft den Engeln ein,
Was fie da alles angerichtet, °
Wie fie dem Herrn fo falfch berichtet,
Wie fie, im Eifer ganz. verblend’t,
Ihm gar gepfuſcht ind Regiment.
So fette reuig fi die Schar,
Da wo der Wald am tiefften mar,
Und faßen da und grämten ſich,
Und fahn fi an und jchämten fid.
Doch Er, der kennt Verdienft und Schuld,
Langmütig ift und voller Hulp,
Er ſah der Engel Reu’ und Bein
Und ſprach: „Euch joll verziehen fein.
Doch Tünftighin verbammet nicht;
Ich bin der Herr, mir. das Geriht!" —
Gab ihnen neue Schwingen gleich,
Drauf flogen fie ins Himmelreich.
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Unb zu den Knaben friſch und gut
Sprach er: „Bewahret euren Mut
Und ſeid erfüllt mit Himmelsglut,
Daß ihr fortan den andern Leuten
Der Erde Wunder möget deuten!
Eu’t Auge fei ein klarer Spiegel,
Darin ſich zeiget der Schönheit Siegel,
Das ich hab’ aufgebrädt der Welt,
Zu meinem Reich fie fo beftellt.
Euch aber will ich Künftler heißen,
Weil ihr der Kunft euch follt befleißen;
Erſchloſſen werd’ auch ferner euch
AN meiner Schöpfung weites Reich.
Drum follt behalten ihr die Schwingen
Zu Luft und Emft und hohen Dingen,
Draus jeglicher entnehmen mag:
Daß Menichenweisheit arm unb ſchwach,
Daß ich es bin, der dieſe Welt
Erſchuf und lenkt und fie erhält!”
Und wie der Herr gejagt ſolch Wort,
So ift e8 auch geichehn hinfort.
Mit leichten Flügeln auögezieret
Die Buben blieben ausftaffieret,
Konnten nun fliegen allerorten
Über die Erbe hier und dorten,
Sahn vieles rings auf weiter Erben,
Mas war, was ift und foll noch werben,
Schlechtes und Rechtes, Schand’ und Ruhm,
Dazu viel Schalfheit und Narrentum;
Und was fie fahn, fie ftellten’3 Hin
In ihrem Wert mit treuem Sinn. —
Alſo, Legenda uns erzählt,
Die Künftler kamen in die Welt.
Rob. Reinic.
409. Die Macht des Geſanges.
1. Ein Regenftrom aus Feljenrifien,
Er kommt mit Donner Ungeftüm,
Bergtrümmer folgen feinen Güſſen,
Und Eichen flürzgen unter ihm;
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Erftaunt, mit wolluftsollen Graujen,
Hört ihn der Wanderer und laufcht,
Er hört die Flut vom Felſen braufen,
Doch weiß er nit, woher fie raufcht:
So firömen des Gefanges Wellen
Hervor aus nie entdedten Quellen.
2. Berbündet mit den furchtbar'n Wefen,
Die fill des Lebens Faden drehn,
Wer kann des Sängers Zauber Iöfen,
Mer feinen Tönen wiberitehn?
Wie mit dem Stab bes Götterboten
Beherricht er das bewegte Herz;
Er taucht ed in das Reich der Toten,
Er hebt es ftaunend himmelwärts
Und wiegt e8 zwiſchen Ernft und Spiele
Auf ſchwanlker Leiter der Gefühle.
3. Wie wenn auf einmal in die SKreife
Der Freude mit Gigantenfchritt,
Geheimnisvoll, nach Geifterweile
Ein ungeheures Schidfal tritt;
Da beugt fi jede Erbengröße
Dem Frembling aus ber andern Welt,
Des Jubels nichtiges Getöfe
Verftummt und jede Larve fällt,
Und vor der Wahrheit mächt'gem Siege
Verſchwindet jedes Werk der Lüge:
4. So rafft von jeber eiteln Bürde,
Wenn des Gefanges Ruf erfchallt,
Der Menſch fih auf zur Geiftermürde
Und tritt in heilige Gemalt;
Den hohen Göttern ift er eigen,
Ihm darf nichts Irdiſches fih nahn,
Und jede andre Macht muß ſchweigen,
Und fein Verhängnis fällt ihn an;
Es ſchwinden jedes Kummers alten,
So lang' des Liedes Zauber walten.
5. Und wie nad hoffunungslofem Sehnen,
Nah langer Trennung bitterın Schmerz
Ein Kind mit heißen Reuetbränen
Si ftürzt an feiner Mutter Ser:
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©o führt zu feiner Jugend Hütten,
Zu feiner Unfhuld reinem Glüd
Dom fernen Ausland fremder Sitten
Den Flüchtling der Gefang zurüd,
In der Natur getreuen Armen
Bon alten Regeln zu erwarmen.
sr. v. Schiller. (17%.)
410. Mutterſprache.
1. Mutterſprache, Mutterlaut!
Mie jo monnefam, fo traut!
Erſtes Wort, das mir erichallet,
Süßes, erſtes Liebeswort,
Eriter Ton, den ich gelallet,
Klingeſt ewig in mir fort.
2. Ad, wie trüb ift meinem Sinn,
Menn ih in der Fremde bin,
Menn ich fremde Zungen üben,
Fremde Worte brauhen muß,
Die ich nimmermehr fann lieben,
Die nicht klingen als ein Gruß!
3. Sprade, ſchön und wunderbar,
Ah wie Tlingeft du fo Har!
Will noch tiefer mich vertiefen
An den Reichtum, in die Pradt;
Iſt mir's Doch, als ob mich riefen
Väter aus des Grades Nacht.
4. Klinge, klinge fort und fort,
Heldenfpradhe, Liebeswort,
Steig empor aus tiefen Grüften,
Längft verſchollnes altes Lied,
Leb aufs neu’ in heil’gen Schriften,
Daß dir jedes Herz erglüht!
5. Überall weht Gottes Haud),
Heilig ift wohl mander Braud;
Aber fol ich beten, danten,
Geb’ ich meine Liebe Fund,
Meine jeligften Gedanten:
Sprech' ich wie der Mutter Mund.
Mar v. Schentenborf.
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411. Der Hexameter.
1 Glleichwie ſich dem, der die See durchſchifft, auf offener Meerhöh'
Rings Horizont ausbehnt und der Ausblid nirgend umjchräntt ift,
Daß der ummölbende Himmel die Schar zahllofer Geſtirne,
Bei hell atmender Luft, abjpiegelt in bläulicher Tiefe:
So aud trägt dag Gemüt der Herameter; ruhig umfaflend
Nimmt er des Epos Diymp, das gewaltige Bild, in den Schoß auf
Kreifender Ylut, urväterlih fo den Geſchlechtern der Rhythmen,
Mie vom Dfeanos quellend, dem weithinſtrömenden Herricher,
Alle Gewäſſer auf Erden entriejelen oder entbraufen.
10 Wie oft Seefahrt kaum vorrüdt, mühvolleres Rudern
Fortarbeitet das Schiff, dann plöglid der Wog' Abgründe
Sturm aufmühlt und den Kiel in den Wallungen jchaufelnd
dahinreißt:
So kann ernſt bald ruhn, bald flüchtiger wieder enteilen,
Bald, o wie kühn in dem Schwung! der Hexameter, immer ſich
ſelbſt gleich,
15 Ob er zum Kampf des heroiſchen Lieds unermüdlich ſich gürtet,
Oder, der Weisheit voll, Lehrſprüche den Hörenden einprägt,
Oder geſelliger Hirten Idyllien lieblich umflüſtert.
Heil dir, Pfleger Homers! ehrwürdiger Mund der Oralkel!
Dein will ferner gedenken ich noch und andern Geſanges.
A. W. v. Schlegel. (1808.)
a
412. Der epiſche Hexameter.
Schwindelnd trägt er dich fort auf raſtlos ſtrömenden Wogen;
Hinter dir ſiehſt du, du ſiehſt vor dir nur Himmel und Meer.
Sr. v. Schiller. (17%.)
413. Das Diftichon.
Im Herameter fteigt des Springquella flüffige Säule;
Im Pentameter drauf fällt fie melodiſch herab.
Sr. v. Schiller. (1796.)
414, Bas Epigramm.
1 Bald ift das Epigramm ein Pfeil,
Trifft mit der Spibe;
Iſt bald ein Schwert,
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Trifft mit der Schärfe;
5 Iſt mandmal auch (die Griechen liebten's fo)
Ein Klein Gemäld’, ein Strahl, gefandt
Zum Brennen nit, nur zum Erleuchten.
3. 6. Rlopfiod. (1774.)
415. Der Sambe.
1 Wie raſche Pfeile ſandte mich Archilochos,
Vermiſcht mit fremden Zeilen, doch im reinften Maß,
Im Rhythmenwechſel meldend feines Mutes Sturm.
Hoch trat und feft auf dein Kothurngang, Afchylos;
5 Großart'gen Nachdruck fchafften Doppellängen mir,
Samt angefchwellten Wörterpomps Erhöhungen.
Fröhlicheren Feſttanz lehrte mich Artftophanes,
Zabyrinthifcheren; die verlarvte Schar anführend ihm,
Hin gaukl' ich zierlich in der beflügelten Füßchen Ei’.
X. W. v. Schlegel. (1808.)
416. Das Sonett.
1. Zwei Reime heiß’ ich viermal kehren wieder
Und ftelle fie, geteilt, in gleiche Reihen,
Da bier und dort zwei, eingefaßt von zweien,
Im Doppelchore ſchweben auf und nieder.
2. Dann fchlingt des Gleichlauts Kette durch zwei Glieder
Sich freier wechſelnd, jegliches von dreien.
In folder Ordnung, folder Zahl gedeihen
Die zarteiten und ftolzeften der Lieber.
3. Den werd’ ich nie mit memen Zeilen kränzen,
Dem eitle Spielerei mein Weſen dünlet
Und Eigenfinn die Fünftlichen Geſete.
4. Doc wem in mir geheimer Zauber winket,
Dem leih' ich Hoheit, ZU’ in engen Grenzen
Und reines Ebenmaß der Gegenfäte.
4. 1. v. Schlegel. (1798 — 1800.)
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417. Die achtzeilige Stanze.
Stanze, dich fchuf die Liebe, die zärtlih fehmachtende — dreimal
Flieheſt du ſchamhaft und kehrſt dreimal verlangend zurüd.
Ir. v. Schiller. (17%.:
418. Der Reim.
Mas fih zu Suchen beftimmt und zu finden im Reich der Gedanken,
Leife dem ahnenden Sinn möcht’ es bie Sprade vertraun;
Heimlih winken die Laute fih zu, mit verftohlener Sehnſucht,
Aber der Dichter allein merkt's und erwedt den Accord.
Em. Geibel. (1851.)
419. Reim und Afjonanz.
Wenn volltönig im Reim fich die Zeilen des Liedes verjchlingen,
Schließt anlautender Klang feit der Romanze Geweb'.
Jenes ergögt wie ein Strauß buntwechlelnder Blumen, e3 fefielt
Dies wie ein Kranz einfarb glühender Nelfen den Sinn.
Em. Geibel. (1854.
420. Niternelle,
1. Blüte der Mandeln!
Du fliegft dem Lenz voraus und ftreuft im Winde
Dih auf die Pfade, wo fein Fuß fol wandeln.
2. Bierlihes Glödchen!
Vom Schnee, der von den Fluren mweggegangen,
Bit du zurücdgeblieben als ein Flöckchen.
3. Beſcheidnes Beilcden!
Du fageit: „Wann ich gehe, kommt die Roſe.“
Schön, daß fie fommt; doch weile noch ein Weilchen.
4. Glänzende Lilie!
Die Blumen Balten Gottesdienit im Garten;
Du bift der Priefter unter der Familie.
5. Roſe im Dorne!
Du denkeſt, daß der Dorn dich folle ſchützen;
Allein der Dorn dient der Begier zum Sporne.
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6. O Myrtenkrone!
Dein Los iſt ſchön; du dienſt der Lieb im Leben,
Der Unſchuld dieneſt du im Sarg zum Lohne.
7. O Lorbeerzweige!
Ihr wachſt auf einem himmelnahen Gipfel,
Zu dem ich nun ſchon zwanzig Jahre ſteige.
Sr. Rüdert.
421. Der Wiexandriner.
1. Spring an, mein Wüftenroß aus Alerandria!
Mein Wildling! — Sol ein Tier bemwältiget fein Schah,
Kein Emir, und was fonft in jenen
Oftlichen Ländern fih in Fürftenfätteln wiegt;
Mo donnert dur den Sand ein folder Huf? wo fliegt
Ein folder Schweif? wo folde Mähnen?
2. Wie e8 gefichrieben fteht, jo ift dein Wiehern: Ha!
Ausichlagend, das Gebiß verachtend, ſtehſt du da;
Mit deinem lojen Stirnhaar buhlet
Der Wind; dein Auge bligt, und deine Flanke ſchäumt; —
Das it der Nenner nicht, den Boileau gezäumt
Und mit Franzoſenwitz gejchulet!
3. Der trabt bebächtig durch die Bahn am Leitzaum nur,
Ein Heerftraßgraben ift die leidige Cäfur
Für diefen feinen, ſaubern Alten.
Er weiß, daß eitler Mut ihm weder ziemt noch frommt;
So fchnäufelt er und hebt die Hüflein, fpringt und kommt
Ans andre Ufer wohlbehalten.
4. Tod dir, mein flammend Tier, ift fie ein Feljenriß
Des Sinai: — zerbrecht, Springriemen und Gebig! —
Du jagft hinan — da klafft die Nige!
Ein Wiehern und ein Sprung! Dein Hufhaar blutet, du
Schwebit ob der Kluft; dem Fels entlodt dein Eiſenſchuh
Des Echos Donner und des Kieſels Blitze!
5. Und wieder nun hinab, mühl’ auf den heißen Sand!
Vorwärts! ak tummeln dich von meiner fihern Hand!
Sch bringe wieder dich zu Ehren.
Nicht achte du den Schweiß! — fieh, wenn es dämmert, len!’
Ich langſam feitwärts dich und ftreichle dich und tränk
Dich läſſig in den großen Meeren.
Serd. Sreiligratb.
422. Geſang und Krieg.
1.
1. Wühlt jener fchauervolle Sturm aus Norden
Berftörend auch im frifchen Lieberfranze?
Sit der Gefang ein feiges Spiel geworden?
Wiegt fürder nur der Degen und die Lanze?
Muß ſchamrot abwärts fliehn der Sängerorben,
Mann Kriegerfcharen ziehn im Waffenglanze?
Darf nicht der Harfner, mie in vor’gen Zeiten,
Willkommen felbft durch Feindeslager fchreiten?
2. Bleibt Poeſie zu Wald und Kluft verdrungen,
Bis nirgends Kampf der Völker Ruhe ftöret,
Bis das vullan’fhe Feuer audgerungen,
Das ftets fi neu im Erdenſchoß empöret:
So ift bis heute noch Tein Lieb erflungen
Und wird auch Feins in Fünft’ger Zeit gehöret.
Nein, über em’gen Kämpfen ſchwebt im Liebe,
Gleichwie in Goldgewölk, der ew'ge Friebe.
3. Ein jedes weltlih Ding hat feine Zeit;
Die Dichtung lebet ewig im Gemüte,
Gleich ewig in erhabner Herrlichkeit,
Mie in der tiefen Lieb’ und ftillen Güte,
Gleich ewig in des Ernſtes Düfterbeit,
Wie in dem Spiel und in des Scherzes Blüte.
Ob Donner rollen, ob Orkane wühlen,
Die Sonne wankt nicht und die Sterne fpielen.
4. Schon rüften fi die Heere zum Verderben,
Der Yrühling rüftet fih zu Spiel und Reigen;
Die Trommeln wirbeln, die Drommeten werben,
Indes die wilden Winterftürme fchmeigen;
Mit Blute will der Krieg die Erde färben,
Die fih mit Blumen [hmüdt und Blütenzweigen;
Darf jo der ird’fche Lenz fich frei erichließen,
So mög’ auch unſer Dichterfrühling ſprießen!
2.
1. Nicht ſchamrot weichen foll der Sängerorben,
Wann Kriegerfeharen ziehn im Waffenglanze;
Noch ift fein Lied Fein jchnödes Spiel geworden,
Doch ziert auch ihn der Degen und die Lanze;
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Wohl ſchauervoll ift jener Sturm aus Norden,
Doch weht er friſch und ſtärkt zum Schwertertange.
Wollt, Harfner, ihr durch Feindeslager ſchreiten,
Noch ſteht's euch frei — den Eingang zu erftreiten.
2. Wann: „Freiheit! Vaterland!“ ringsum erjchallet,
Kein Sang tönt fchöner in der Männer Ohren;
Im Kampfe, wo foldy heilig Banner wallet,
Da wird der Sänger kräftig neugeboren.
Hat Äſchylos, des Lied vom Siege hallet,
Hat Dante nicht dies ſchönſte Los erloren?
Cervantes ließ, gelähmt, die Rechte finfen
Und fchrieb den Don Quixote mit der Linfen.*
3. Auch unſres deutſchen Lievertempels Pfleger,
Sie find den Kriegesgeifte nicht verborben;
Man hört fie wohl, die freub’gen Telynfchläger,
Und mander bat fi blut’gen Kranz erworben.
Du, Wehrmann Leo, du, o fehwarzer Jäger,
Wohl feid ihr ritterlihen Tod's geftorben!
Und Fouqus, wie mir du das Herz durchdringeſt!
Du magteft, fämpfteft — doch du lebſt und fingeft.
4. Den Frühling kündet der Orkane Saufen,
Der Heere Vorſchritt macht die Erde dröhnen,
Und mie die Ström’ aus ihren Ufern braufen,
So wogt ed weit von Deutichlands Heldenjöhnen;
Der Sänger folgt durch alles wilde Graufen,
Läßt Sturm und Wogen gleich fein Lied ertönen.
Bald blüht der Frühling, bald der goldne Friebe
Mit mildern Lüften und mit fanfterm Siebe.
£. Ubland, (1813. 1814.)
423. Tem Baterland.
1. Dem Baterland!
Das iſt ein hohes, helles Wort,
Das hallt dur unſre Herzen fort
Wie Waldesrauſchen, Glockenklang,
Drommetenſchmettern, Lerchenſang,
Das fällt ein Blitz in unſre Bruſt,
Zu heil'ger Flamme wird die Luſt!
Dem Vaterland!
* Unridtig: Cervanies warb bei Lepanto bie Linke gelähmt.
— 680° —
2. Dem Baterland!
Das Wort giebt Flügel bir, o Herz.
Flieg auf, flieg auf, ſchau niederwärts
Die Wälder, Ströme, Thal’ und Höhn;
O deutſches Land, wie bift du fchön!
Und überall Hingt Liederſchall
Und überall ein Wiederhall:
Dem Baterland!
3: Dem Baterland!
Das feinen Töchtern hat befchert
Der keuſchen Liebe ftillen Herd,
Das feinen Söhnen gab ala Hort
Die freie That, das treue Wort,
Das jeiner Ehren blanken Schild
Zu wahren allzeit ſei gemwillt,
Dem Vaterland!
4. Dem Baterland!
D hohes Wort, o helles Wort,
Du tön’ für alle Zeiten fort
Wie MWaldesraufchen, Glockenklang,
Drommetenſchmettern, Lerchenſang!
Zu heil'ger Flamme weih' die Luſt,
So lange ſchlägt die deutſche Bruft
Dem Vaterland!
Heil dir, Heil dir, du deutſches Land!
Rob. Reinid. (1887.
424. Barum ruf ih?
1. Und rufit du immer Vaterland
Und Freiheit? will das Herz nicht raften?
Und doch mie bald umrollt der Sand
Des Grabes deinen Leichenkaften!
Die nächte Ladung trägſt du ſchon
Gejchrieben heil auf weißem Scheitel;
Gedenk des weifen Salomon,
Gedenk des Sprucdes: Alles eitel!
2. Sa, darum ruf’ ih Vaterland
Und Freiheit — dieſer Ruf muß bleiben,
Wann lange unfrer Gräber Sand
Und unfern Staub die Winde treiben;
— 681 —
Warn unfrer Namen dünner Schall
Sm Zeitenfturme längft verklungen,
Sei diefes Namens Wiederhall
Bon Millionen nahgefungen !
3. a, darum, weil wir gleih dem Schein
Der Morgendämmerung verfehmeben,
Muß dies die große Sonne fein,
Worin wir blühn, woburd wir leben;
Drum müflen wir an diefem Bau
Uns bier die Ewigkeit erbauen,
Damit wir aus dem Geiflergau
Einft felig können niederſchauen.
4. D Baterland! mein Vaterland!
Tu heil’ges, das mir Gott gegeben!
Sei alles eitel, alles Tand,
Mein Name nichts und nichts mein Leben —
Du wirft Jahrtaufende durchblühn
In deutfhen Treuen, deutſchen Ehren:
Wir Kurze müfjen hinnen ziehn,
Doch Liebe wird unfterblih mähren.
M. Arndt. (1887.)
425. Bas Kind der Sorge.
1. Einft faß am murmelnden Strome
Die Sorge nieder und fann;
Da bildet” im Traum der Gedanken
Ihr Finger ein thönernes Bild.
2. „Was haft du, finnende Göttin?“
Spricht Zeus, der eben ihr nabt.
„Ein Bild, von Thone gebildet;
Beleb's, ich bitte dich, Gott!”
3. „Wohlen denn! Lebe! — Es Iebet,
Und mein fei dieſes Geſchöpfl“ —
Dagegen rebet die Sorge:
„Nein, laß es, laß es mir, Herr!
4. Mein Finger bat es gebildet“, —
„Und ich gab Leben dem Thon“, —
Sprad Jupiter. Als fie fo fprachen,
Da trat auch Tellus hinan.
— 682 —
5. „Mein iſt's! Sie hat mir genommen
Von meinem Schoße das Kind.“
„Wohlan“, fprah Supiter, „wartet!
Dort fommt ein Entſcheider, Saturn.“
6. Saturn fprad: „Habet es alle!
So will’3 das hohe Geſchick
Du, der das Leben ihm fchentte,
Nimm, wenn es ftirbet, den Geift;
7. Du, Tellus, feine Gebeine,
Denn mehr gehöret dir nicht;
Dir, feiner Mutter, o Sorge,
Wird es im Leben gefchentt.
8 Du wirft, fo lang’ es nur atmet,
€3 nie verlaflen, dein Kind;
Dir ähnlih wird e3 von Tage
Zu Tage fih mühen ins Grab.“
9. Des Shidjald Spruch ift erfüllet,
Und Menſch Heißt diefes Geſchöpf,
Im Leben gehört es der Sorge,
Der Erd’ im Sterben und Gott.
Job. Gotifr. v. Berber. (1787.)
426. Tod und Leben,
Ich ftand auf einem Berg, da hört’ ich fingen
Zur Linken plötzlich ernfte, trübe Lieder;
Ein Opfer war es für Die Erde wieder,
Ich kannte wohl der Glode dumpfes Klingen.
Zur Rechten fah ich einen Säugling bringen;
Wie eines Schmetterlinges bunt Gefieder,
Biel Iuft’ge Bänder wehten auf und nieder,
Ein Glöckchen wollt’ vor Freude ſchier zeripringen.
Die Andacht wagt’ fein Weſen rings zu ftören,
Die Herden hielten fill auf ihren Weiden,
Wie fromme Beter flüfterten die Föhren.
Als ob die Glocken fih umarmt, die beiden,
Konnt’ ich bald einen füßen Klang nur hören
Und Tod und Leben nicht mehr unterjcheiben.
GSe. Bermegt. (1840.)
— 683 —
427. Cita mors rult.
1. Der fchnellfte Reiter ift der Tod;
Er überreitet das Morgenrot,
Des Wetters rafches Bliken;
Sein Roß ift fahl und ungeſchirrt,
Die Sehne ſchwirrt, der Pfeil erflirrt
Und muß im Herze fiten.
2. Durch Stadt und Dorf, über Berg und Thal,
Am Morgenrot, im Abenbftrahl
Geht’3 fort in wilden Sagen;
Und wo er floh mit Ungeftüm,
Da fchallen die Gloden Hinter ihm,
Und Grabeslieder Tlagen.
3. Er tritt herein in den Prunfpalaft,
Da wird fo blaß der ftolze Gaſt
Und läßt von Wein und Buhle;
Er tritt zum Iuftigen Hochzeitsfchmaus,
Ein Windftoß Löfcht die Kerzen aus,
Bleich lehnt die Braut im Stuhle.
4. Dem Schöffen blidt er ins Geficht,
Der juft das weiße Stäblein bricht,
Da ſinkt's ihm aus den Händen;
Ein Mägdlein mwindet Blüt’ und Klee,
Er tritt heran; ihr wird fo meh —
Wer mag den Strauß vollenden!
5. Drum fer nit ſtolz, o Menſchenkind!
Du bift dem Tod wie Spreu im Wind,
Und magſt du Kronen tragen.
Der Sand verrinnt, die Stunde chlägt,
Und eh’ ein Haud dies Blatt bemeat,
Kann auch die deine ſchlagen.
Em. Seidel. (1835 —37.)
428. Die beiden Reiter,
1. Es jchlief ein Reiter mit jenem Roß,
Und als es begann zu tagen,
Da ſchirrt' er auf, in den Sattel er ſchoß,
Wohl Hin in den Tag zu jagen;
Und kalt und fchmweigend Hinter ihm drauf
Schirrt noch ein Reiter das Rößlein auf.
— 684 —
2. Und forglos tunmelt ber erfte ſich Hin,
Dem rofigen Morgen entgegen,
Dhn’ Zaum und Zügel binauszuziehn,
Wie's Iuftigem Nenner gelegen;
Der zweite fpurlos Hinter ihm ber,
Wie wenn er die Spur des erften wär”.
3. Der Iuftige Vordermann fah ihn nidt,
Aufjauchzend in Jubel und Wonnen,
Es tanzten vor feinem muntren Geficht
Nur goldene Wolfen und Sonnen;
Der Stille meint: du wirft mich fehn,
Wird erft die Eonne hinter dir ftehn.
4. Und als die Sonne hinter ihm ftand
Und die rofigen Wollen verflogen,
Da hat er den Schatten des Stillen erkannt,
Bor den Huffchlag Düfter gezogen;
Und ſchwer und ſchwerer blidt er ihn an,
Und um das Tummeln da war's gethan.
5. Die Zügel faßt er mit forglicher Hand,
Dem Schatten da mödt’ er entgehen,
Doh hat er den Nenner nimmer gewandt,
Den Mann des Schattens zu jehen.
Verſtohlen lenkt er in wechſelndem Schritt;
Doch mie er lenket, der Mann lenkt mit.
6. Und wie er fpornt Berg auf, Berg ab,
Den Hintermann will's nicht ermatten,
Und tiefer finfet die Sonne herab,
Und höher wachſen die Schatten;
Es fröftelt den flüchtigen Reitersmann,
Und matter jeßt er die Sporen an.
7. Und matter der Renner, und ftumpf und müd',
Wie des Reiters Künfte auch treiben,
Als ob ihn der Hintermann rüdmärts zieht,
Bis Roß und Reiter ftehn bleiben.
Zum Abendrot fhaut er heiß hinan,
Kalt über ihn reitet der Hmtermann.
hr. Sr. Ierenberi.
— 685 —
429. Der Liebe Dauer.
1. O Lieb’, jo lang’ du lieben Fannft!
O Tieb’, fo lang’ du lieben magft!
Die Stunde fommt, die Stunde kommt,
Mo du an Gräbern ftehit und klagſt.
2. Und forge, daß dein Herze glüht
Und Liebe hegt und Liebe trägt,
So lang’ ihm noch ein andrea Herz
In Liebe warm entgegenfchlägt.
3. Und wer dir feine Bruft erſchließt,
D thu’ ihm, was du Tannft, zulieb,
Und mad’ ihm jede Stunde froh,
Und mad’ ihm feine Stunde trüb!
4. Und büte deine Zunge wohl!
Bald iſt ein böſes Wort gefagt.
D Gott, e8 war nicht bös gemeint —
Der andre aber geht und klagt.
5. O lieb’, fo lang’ bu lieben kannſt!
D lieb’, fo lang’ du lieben magft!
Die Stunde fommt, die Stunde Tommt,
Wo du an Gräbern ftehit und Hagft.
6. Dann knieſt du nieder an der Gruft
Und birgft die Augen, trüb und naß,
— Gie fehn den andern nimmermehr —
Ins lange, feuchte Kirchhofgras,
7. Und fpridit: „O Schau auf mich herab,
Der bier an deinem Grabe weint!
Vergieb, daß ich gefränkt dich hab’!
D Gott, es war nicht 568 gemeint.“
8. Er aber ſieht und Hört dich nicht,
Kommt nicht, daß du ihn froh umfängft;
Der Mund, der oft dich Füßte, Ipricht
Nie wieder: „sch vergab dir längſt.“
9. Er that’3, vergab Dir lange fchon;
Doch mande heiße Thräne fiel
Um di und um bein herbes Wort.
Doch ſtill — er ruht, er tft am Ziel.
— 686 —
10. O lieb’, fo lang’ du lieben Tannft!
O Tieb’, jo lang’ du lieben magft!
Die Stunde fommt, die Stunde fommt,
Wo du an Gräbern ftehjt und Hagft.
Serd. Sreiligrath. (1890.)
430. Lied der Freundichaft.
1. Der Menſch bat nichts fo eigen,
Sp mohl ſteht ihm nichts an,
Als daß er Treu erzeigen
Und Freundfchaft halten Tann,
Wann er mit feinedgleichen
Soll treten in ein Band,
Beripricht fih, nicht zu weichen,
Mit Herzen, Mund und Hand.
2. Die Ned’ ift ung gegeben,
Damit wir nicht allein
Für und nur follen leben
Und fern von Leuten fein;
Wir follen uns befragen
Und fehn auf guten Rat,
Das Leid einander Flagen,
Sp uns betreten bat.
3. Was fann die Freude machen,
Die Einfamteit verhehlt?
Das giebt ein doppelt Lachen,
Was Freunden wird erzählt.
Der Tann fein Leid vergeflen,
Der e8 von Herzen jagt;
Der muß fi felbft auffreffen,
Der in geheim ſich nagt.
4. Gott ftehet mir vor allen,
Die meine Seele liebt;
Dann foll mir auch gefallen,
Der mir fich herzlich giebt.
Mit diefen Bundsgefellen
Verlach' ich Pein und Not,
Geh’ auf den Grund der Höllen
Und brede durch den Tod.
Sim. Dad.
— 687° —
431. Die Wise,
1. Unfcheinbar, dunfel fteht und mißgeftaltet
Die Aloe; mag Licht und Wärme loden,
In ihr fcheint jeder Lebenätrieb zu ftoden
Und mie zum Stein ihr Blätterfchmud erlaltet;
2. Bis fi ihr tiefes Herz auf einmal fpaltet
Und, erft des Gärtner, dann der Welt Frohloden,
Ein Blütenbaum mit taufend Balfamgloden
Aus ihrem Schoße duftend fich entfaltet.
3. Des Menfchen Seele gleicht der Wunderblume:
So lange fie fich jelber will genügen,
Erfindet, finnt und müht ſie fich vergebens;
4. Doch kaum läßt fie in Demut ſich befiegen
Vom Licht des Heils, fo wird zum SHeiligtume
Ihr Innerſtes und trägt den Baum des Lebens.
Melchior v. Diepenbrod.
432. Die Zwei und der Dritte,
1. Phantafie, das ungeheure Riefenweib,
Saß zu Berg,
Hatte ftehen neben fih zum Seitvertreib
Witz, den Zwerg.
Der Berftand
Seitwärts ftand,
Ein proportionierter Mann,
Sah das tolle Spiel mit an.
2. Phantafie fih halben Leib zum Himmel hob,
Einen Stern
Faßte fie und ſchwang ihn, daß es Funken ftob
Nah und fern.
Fiel der Witz
Wie ein Blitz
Drüber her und faßt' den Schein
In die kleinen Taſchen ein.
3. Phantaſie zur Wolke, die vorüberflog,
Streckt' die Hand,
Sich die Wolke purpurn um die Schultern zog
Als Gewand.
Witz verſteckt
Drunter ſteckt;
Wie ſich nur ein Fältchen ruckt,
Witz heraus mit Lachen guckt.
— 688 —
4. Phantaſie mit Donnerftuem thut auf den Mund,
Mit verjtummt;
Schmeigt die Riefin, thut fogleih der Zwerg ſich kund,
Pfeift und ſummt.
Der Beritand
Hält nicht Stand,
Geht und fpriht: „Das mag ich nicht,
Denn das fieht wie ein Gedicht.“
Sr. Rütert.
433. Freie Kunft.
1. Singe, wen Gejfang gegeben,
In dem deutſchen Dichterwald!
Das ift Freude, das iſt Leben,
Wenn's von allen Zweigen fchallt.
2. Nicht an wenig ftolze Namen
Sit Die Liederlunft gebannt;
Ausgeitreuet ift der Samen
Über alles deutſche Land.
3. Deines vollen Herzend Triebe,
Gieb fie Ted im Klange frei!
Säufelnd wandle deine Liebe,
Donnernd uns dein Zorn vorbei!
4. Singſt du nicht dein ganzes Leben,
Sing’ doch in der Jugend Drang!
Nur im Blütenmond erheben
Nachtigallen ihren Sang.
5. Kann man’s nicht in Bücher binden,
Mas die Stunden bir verleiht:
Gieb ein fliegend Blatt den Winden!
Muntre Jugend haſcht es ein.
6. Fahret wohl, geheime Kunden,
Nekromantik, Alchimie!
Formel hält uns nicht gebunden,
Unfre Kunſt heißt Poeſie.
7. Heilig achten wir die Geifter,
Aber Namen find und Dunft;
MWürdig ehren wir die Meiſter,
Aber frei ift uns die Kunft.
— 689 —
8. Nicht in kalten Marmorfteinen,
Nicht in Tempeln dumpf und tot —
In den friihen Eichenhainen
Webt und raufcht der deutſche Gott.
£. ntiand. (1813.)
434. Die Lieder der Vorzeit.
1. Als Knabe ftieg ich in die Hallen
Verlaß'ner Burgen oft hinan;
Durch alte Städte thät ich wallen
Und ſah die hohen Münfter an.
Da war ed, daß mit ftilem Mahnen
Der Geift der Vorwelt bei mir ftand,
Da ließ er. frühe ſchon mich ahnen,
Was fpäter ich in Büdern fand:
2. Daß Jungfraun dort von ew'gem Breife,
Die heil'gen Lieber, einft gewohnt
Und in der Edelfrauen Kreile
Beim Feite des Geſangs gethront.
Da kam der Krieger wild Gefchlechte
Und warf den Brand ins frohe Haus;
Die Schweitern flohn im Graun der Nächte
Nah allen Seiten zagend aus.
3. Wie mande ſchmachtet, hart gefangen,
In eines Kerkerd dunklem Grund!
Zu feinem milden Ohr gelangen
Die Kläng’ aus ihrem zarten Mund.
Ad, jene, die auf öden Wegen
Umbergeirret krank und müd',
Sie ift dem ſchweren Sram erlegen
Und fang noch einmal, eh’ fie ſchied!
4. In eined armen Mädchens Kammer
Iſt einer andern Aufenthalt;
Sie mischt fih in der Freundin Jummer,
Wann jtil der Mond am Himmel wall.
Auch mande wagt der Märterinnen
Sich in des Marktes frech Gewühl;
Sie will der Menſchen Herz gewinnen
Und finget fanft zum Saitenfpiel.
44
— 690 —
5. Getroſt! ſchon fſinken eure Bande,
Und Boten ziehn nach Oſt und Weſt,
In eine Stadt am Nedarftrande
Zu laden euch zum neuen Felt.
Ihr Heitern, kommt zu Tanzes eier,
Laßt wehn das rofige Gewand!
Ihr Erniten, wallt im Nonnenſchleier,
Die weiße Lilie in der Hand!
£. Npland. (1807.
435. Miünfterjage.
1. Am Münfterturm, dem grauen,
Da fieht man, groß und Hein,
Viel Namen eingehauen;
Geduldig trägt’8 der Stein.
2. Einft Homm die luft'gen Schneden
Ein Mufenfohn heran,
Sah aus nad allen Eden,
Hub dann zu meißeln an.
3. Bon feinem Schlage fnittern
Die hellen Funken auf;
Den Turm durchfährt ein Zittern
Vom Grundftein bis zum Knauf.
4. Da zudt in feiner Grube
Erwind, des Meifters, Staub,
Da hallt die Glodenftube,
Da raufht mand feinem Laub;
5. Im großen Bau ein Bären,
Als wollt! er wunderbar
Aus feinem Stamm gebären,
Was unvollendet war. —
6. Der Name war gejchrieben,
Bon wenigen gelannt;
Doc ift er ftehn geblieben
Und längft mit Preis genannt.
7. Wer ıft no, der fi) wundert,
Daß ihm ber Turm erbröhnt,
Dem nun ein halb Jahrhundert
Die Welt des Schönen tönt?” L. Ubland. (18%)
* Auf der Plattform des Straßburger Münfters fteht unter vielen auch |
Goethe's Name, von feinen alabemiichen Jahren ber, eingehauen.
— 691 —
436. Der Riefe von Marbach.
1. Seht ihr, wie freundli fi die Stadt
Im Nedarfluß beichauet?
Wie fie fi) ihre Berge hat
Mit Reben mohl bebauet?
Dort, wie die alte Chronif fpricht,
Hat vor viel Jahren dumpf und dicht
Ein Tannenwald gegrauet.
2. Gelegen bat ein Riefe drin,
Ein furdtbar alter Heibe,
Er bracht' in feinem milden Sinn
Das Schwert nit in die Scheibe;
Er 308 auf Mord und Raub hinaus
Und baute bier fein finftres Haus,
Dem ganzen Gau zu Xeibe.
3. Die Steine zu dem Riefenhaus,
Ganz ſchwarz und unbehauen,
Grub er fih mit den Händen aus,
Fing eilig an zu bauen;
Er warf fie auf die Erde nur,
Daß einer auf den andern fuhr,
Bis fertig war das Grauen.
4. Es fei der Riefe, jagt das Bud,
Aus Aſia gelommen,
Ein Heidengötz', ein alter Fluch,
Zum Schreden aller Frommen:
Mars oder Bachus fei das Wort,
Davon Marbach, der Schredensort,
Den Namen angenommen.
5. Die Steine längft verſchwunden find,
Der Wald ift außgereutet;
Ein Märchen ward's für Kindeskind,
Das wenig mehr bedeutet.
Doch horchet wohl auf meinen Sang,
Der nit umfonft mit feinem Klang
Es jebt zurück euch läutet.
6. Denn ob des Schloſſes Feljengrund
Verſunken ift in Schweigen,
Wird man doch drauf zu dieſer Stund’
Euch noch ein Hüttlein zeigen,
44*
— 692 —
Und feine ſechzig Jahr' es find,
Daß drin geboren ward ein Kınd,
Dem Wundergaben eigen.
7. Bon gutem Pater war’3 ein Kind,
Bon einem frommen Weibe;
Auf wuchs es und gedieh geihmind,
Kein Rieſe zwar von Leibe;
Bon Geift ein Riefe wunderſam,
Als ob der alte Heidenjtamm
Ein junges Reis noch treibe.
8. Und als er groß gewachſen war,
Da fang er wilden Mutes
Bon Räubern und von Mohren gar
Viel Arg’3 und mwenig Gutes;
Bon Trug und Mord und Lügenfpiel
Und von den Griechengöttern viel,
Als wär’ er ihres Blutes.
9. Auf einmal ward er ftiller jetzt,
Begann ein ernftes Dichten,
Er las, in fremdes Land verfett,
Tieffinnige Geſchichten;
Doh warb in des Gedankens Schoß
Er noch des Heidentumd nicht los,
Laut pries er's in Gedichten,
10. Im Geifte drauf ins ſpan'ſche Land
Hat er den Weg gefunden,
Davon gefungen allerhand
In gar großmächt’gen Kunden;
Nur den gemweihten Glaubensmut,
Des heißen Landes fromme Glut
Hatt’ er noch nicht empfunden.*
11. Da jauchzt’ ihm mohl die Menge zu
Auf feinen irren Zügen;
Er aber hatte feine Ruh,
Es mocht' ihm nicht genügen,
Es ſaß der edle Rieſengeiſt
In ſich gekehret als verwaiſt,
Und ſeine Lieder ſchwiegen.
*Geht auf Spaniens Kampf gegen Napoleon.
DD
— 693 —
12. Da plöglich fieh! erhebt er fi
Verklärt ganz und erneuet,
Der alte, ſtolze Wahn entwich,
Bom jungen Licht zeritreuet.
Es zieht vor ung fein Wallenften
Ins Leben, in den Tod hinein,
Daß es das Herz erfreuet.
13. Es feiert die Friedländerin
Ein göttlich Liebesſterben;
Maria wirft fi) büßend Bin,
Ten Himmel zu erwerben;
Und hoch im ew'gen Glanze fteht
Die Frantenjungfrau fromm erhöht
Bei allen Himmelserben.
14. Und, ad! da fommt der freie Tell
Mit feinen Eidgenoſſen;
Ihm folgt ber gute Sänger ſchnell,
Er bat ven Zug beichlofien,
Er fingt im Himmel fort und fort,
Er denkt an dich, du Heimatsort,
Aus dem die Rieſen ſproſſen.
Guft. Shmab. (1815.)
437. Um Grabe Chamiſſos.
. Mo habt ihr mir den Alten Bingebettet?
Kommt, führt mi an den engbeihräntten Port,
Darein der Weltumfegler fich gerettet!
. Shr zeigt auf jene dürre Scholle dort,
Wo heut das erfte Herbftlaub niederregnet;
Dort ruht er! jagt mir euer Trauerwort.
. ſei, du heilig Dichtergrab, gefegnet!
Du birgft ihn, dem mein Geift viel taufendmal,
Mein fterblih Auge nimmermehr begegnet.
. Ich ſah ihn nie; an feiner Blide Strahl
Hat meine Kraft ſich nie entzünden follen;
Er ftand zu hoch, ich ging zu tief im Thal.
10.
11.
12.
13.
14.
15.
16.
— 694 —
Doh in der Bruft, in der begeiftrungsvollen,
Trag' ich fein Bild wohl tiefer und getreuer,
Als fies in Wort und Farbe malen wollen.
Ich ſeh' ihn ganz: der Augen dunkles Feuer,
Die lichte Stirn, die Brauen ftolz gejchweift,
Und ftreng der Mund, als fein die Worte teuer.
So fteht er da, die Loden weiß bereift,
Und in den Floden, die die Jahre fenden,
Den Lorbeerkranz zu vollem Grün gereift.
Er felbft ein Fels mit fcheitelrechten Wänden,
Salas y Gomez, ragt er aus der Flut,
Vom Wellendrang umbrauft an allen Enden;
Doch in dem Steine ſchlägt ein Herz voll Glut,
Ein Herz, das Hält die ganze Welt umfchlungen,
Dran wie an Baterbruft die Menfchheit ruht.
Wer bat ihr Leid jo laut wie du gefungen?
Und wer wie du gen wild’ und zahme Horden
In ihrem Dienft jein Dichterfchwert geſchwungen?
Ein Fremdling warft du unferm beutf hen Norden,
In Sitt’ und Sprade andrer Stämme Sohn,
Und mer ift beimifcher als du ihm morben?
Nun Schläfft du in der fremden Erde fchon,
Und die den Wandernden nicht konnte wiegen,
Beut ihm ein Grab mit Lorbeer und mit Mobn.
Drauf fol gekreuzt fein Pilgerfteden Tiegen
Und unfer Banner, das dem Sängerheer
Voran er trug, zu kämpfen und zu fiegen.
Wir aber ftehen klagend rings umber;
Denn gönnen wir ihm die verdiente Raſt,
So gönnten wir den Führer und noch mehr.
D Zeit der Not! Es ftürzgen Stamm und Aft,
Rechts klingt und links die Art im grünen Wald,
Gefallnes Laub wird wirbelnd aufgefaßt.
Die Wolfen haben dräuend fich geballt,
Bon Sturmesfurden iſt der See gekräuſelt —
Bald hörft du nur den Herbitwind, welcher kalt
Dur kahle Forften über Stoppeln fäufelt.
Ir. Dingelfiedt. (Herb 188.)
— 695 —
438. Ludwig Uhland.
1. Es ift ein hoher Baum gefallen,
Ein Baum im deutfhen Dichterwald;
Ein Sänger fchied, getreu vor allen,
Bon denen deutfches Lied erjchallt.
Wie ftand mit feinem keuſchen Pfalter
Im jüngern Schwarm er ftolz und jchlicht!
Ein Meifter und ein Held, wie Walther,
Und rein fein Schild wie fein Gedicht.
2. Wohl Größre preift man unfer eigen,
Um deren Stirnen ewig grün
Sm Kranz, gewebt aus Eichenziweigen,
Die Lorbeern der Hellenen blühn;
Doch feiner fang in unſrer Mitte,
Der, fo wie er, unmanbelbar
Ein Spiegel vaterländ’icher Sitte,
Ein Herold deutſcher Ehren mar.
3. Drum, wenn wir feinen Weifen lauſchen,
Ummeht ed ung wie Seimatluft,
Wir Hören deutſches Waldesraufchen,
Wir atmen deutihen Maienduft.
Die Herrlichkeit verſchollner Tage
Steigt mondbeglängt vor und herauf,
Uns geht beim Walbhornruf der Sage
Das Herz in ſüßem Schauder auf.
4. Und wenn mit männlich ernitem Fodern
Sein Lied nah Freiheit ruft und Recht,
Auch das ift deutichen Geiftes Lodern,
Beharrlih, prunflos, ſtark und echt.
Es lehrt ung — mas das Schidfal fende —
Dem Weltlauf feit ind Auge ſchaun;
Es lehrt und treu fein bis and Ende
Und auf der Zufunft Sterne traun.
5. Und forfchen wir, wie vom Beginne
Der Sprache zweigend Erz gediehn,
Und was der Väter gläub’gem Sinne
Als uralt heilig Bild erfhien:
Er bat den rechten Schacht gefunden,
Er trägt auf vielgemundner Bahn
Durchs Labyrinth der Götterlunden
Die Yadel deutend uns voran.
— 69% —
6. So wob er ſchon in unfre Jugend
Des Liedes Schmud, der Sage Luft,
So reift’ er zu entichloff'ner Tugend
Den Freiheitsdrang in unſrer Bruft.
So ftand er deutihen Reichtums Wächter
In ſinnverwelſchter Zeiten Lauf,
Und huld'gend ſchauten drei Gefchlechter
Zu feiner ſtillen Hoheit auf.
7. Er ſchied; es bleibt der Mund geichloffen,
So farg im Wort, im Lieb fo klar,
Der Mund, draus nie ein Spruch gefloflen,
Der feines Volks nicht würdig wer.
Doch jegnend malte jein Gedächtnis,
Unfterblih fruchtend um uns ber;
Das iſt an uns fein groß Vermächtnis,
So treu und deutſch zu fein, wie er.
m. Geibel. (1862.)
439. Die Meersburg.
(Konradins Sig um 1262 und 1267.)
1.
1. Hoch über Felſen ift fie aufgebaut
Am Seegeitad’, daran die Wellen fchlagen;
So hoch, — mas über ihr die Wolfe braut,
Scheint fie mit grünen Zackenreihn zu tragen.
2. „snmitten fteht, den Dagobert gefekt,
Der Turm, in dem der Schild Martelld geflungen;
Ein feſt Gemäu’r, fo ftarf und unverlet,
Als ob es fein Jahrtaufend überfprungen.
3. Dur feine Scharten ſchau' ih in das Land
Weit, weit hinaus, auf fonn’ge Uferſtrecken,
Den friihen Blumenkranz ringe um den Rand
Bon diefem ungeheuren Silberbeden.
4. Die ftillen Schiffe ſeh' ich, wie fie facht
Segel und Maften unterm Winde neigen;
Wie einen Maft, daran die Wolke flaggt,
Seh’ ih das Alphorn in die Lüfte fteigen.
— 697 —
5. Und diefe Burg — ein fabelhaftes Haus,
Als ob's ein Mönd gemalt in feinen Pfalter!
Mich überwölbt die Dede diefes Baus
Mit bunten Träumen aus dem Mittelalter.
6. Ein Hornesſtoß! — es raffelt unterm Thor,
Die Sporen klirren auf den Wenbelftiegen.
Dort auf der Warte wehet hoch empor
Und ſchlägt die Lüfte, die den Habicht wiegen,
7. Des jungen Konradin Panier; es ſteht
Der Sonnenftrahl in feinen goldnen Falten.
Er Tommt! Er hat dem Reiher nachgeipäht
Und auf der Fauſt das Federſpiel gehalten. —
8. Seht auf die Zinne mit dem Arm geftübt,
Blidt er hinab, vom blauen See gefpiegelt;
Sein träumend Haupt vom Abend angehlikt,
Bom weichen Föhn Stalins umflügelt.
9. Italia! GE kommt wie Gruß geweht,
Wie laue Bergesluft der Apenninen;
War's nicht wie füßer Harzesduft, wenn ſpät
Die Sonne no den Pinienwald durchichienen?
10. Er fährt empor — ein Fall, der Beute ſieht —
Das Herz hat Flügel, und die Lüfte tragen.
Da liegt’, da glüht’s, Apuliens Gebiet, —
Und nun ein Heiß, ein Tönigliches Jagen:
11. „OD Karl von Anjou — Anjou, hüte dich!
Bon diefen Alpen fol es nieberlommen!
Wie jäher Bergſturz kommt es über dich,
Wie fturmgepeitfchte Fluten angeſchwommen.
12. Verdammt! verdammt! noch in dies blanfe Schwert
Iſt keine Scharte klingend eingehauen;
Laut wiehernd an der Krippe fteht das Pferd
Und muß am Halfter feinen Schaum zerfauen.” —
13. Er fendet glühend feine Blicke fort,
Die Alpenriefen vor ihm zu durchbrechen;
Sie aber ftehen, büftre Warner, dort,
Wie Schilde hebend ihre Gletfcherflächen,
14. Ringsum in Wetter eingehüllt, daß ſchwer
Um ihren Leib die Wollen niederhangen;
Blutrote Blitze zuden daraus ber,
Als ſei's Das Leuchten ihrer Gürtelipangen.
— 698 —
2.
1. Das war vordem. seht fchüttelt euch tie Land
Ein grauer Rittergmann und fpridt: Willlommen!
Und fragt nad jeder Burg in eurem Land
Und weiß Geſchichten, wie ihr nie vernommen.
2. Er kennt fie aM’, — der Welfenlöwe fteht
Vor feines Auges leis verhüllten Sinnen;
Er fieht des fechften Heinrichs Majeftät
Den Reichsaar pflanzen auf Palermos Binnen;
3. Die Sänger kennt er, die ihr Haus geftellt
Einft auf den Bergen hier nach allen Seiten.
Er. Tann zu ihnen hin, wie's ihm gefällt,
Und fie zu ihm zum Morgenimbig reiten.
4. Was fie gedacht, gedichtet, jedes Blatt,
Es ift ale ihr Vermächtnis ihm geblieben:
Das Buch von Barlaam und Joſaphat
Hat ihm von Ems Herr Rudolf aufgefchrieben.
5. Der alten Meifter Sälde und ihr Leid,
Sie haben’3 feinem „Liederfanl” gejungen;
Sn alten Mären iſt ihm „vil geſeit“ —
Da feht es feldft: das Buch der Nibelungen! —
6. Und fo wie einft, fo öffnet fich noch heut
Bor edlen Meiftern feiner Thore Gitter;
Und wie ein Bild aus längjtverfchollner Seit
Tritt ernft der Sänger zu dem grauen Ritter.
7. 63 ift kein Traum. — Neigt eure Stime tief
Bor diefer Stirn, die eine Welt getragen!
Mas in dem Herzen feines Volkes fchlief,
Was in der Bruft des einzelnen gefchlagen:
8. Der hat's gefühlt, gefungen und geſagt,
Der bat der Zeit ihr altes Necht gefodert,
Der hat dad Wort, das flammende, gemagt,
Das wie ein leuchtend Ofterfeu’r gelobert.
9. Süß wie das Herz, das Coucys Knabe trug,
Entftrömten die Gefänge feinem Munde,
Doch au vernichtend wie der „Sängerfluch“,
Scharf wie ein Schwerthieb feiner „Ihwäb’ichen Kunde”.
— 69 —
10. Geräufchlos und befcheiden tritt er ein,
Demütig faft, den Wanderftab zur Seiten,
Biel „fanfte Tage” Iafien ihren Schein,
Ein rofig Wehn, um feine Stimme gleiten.
11. So kennt ihr ihn, geht er auch ftill einher:
Der Uhland ift es — prunklos, ohne Flitter,
Ein hoher Gaft, doch auch ein Wirt, wie der! —
Gott fegne beide! Laßberg heißt der Ritter.
| Levin Schädling.
449. Die Hirſchjagd.
(Mus Triſtan und Iſolde.)
1. Er ftutzt' und ſtand ... es war wohl Trug?
Ach nein! da bläſt's! die Stunde ſchlug!
Er warf empor den Hals, ward flüchtig,
Dann ſtand er, rannte, dann fürſichtig
Zog vor dem Wald er.einen Kreis
Mit Vor: und Nüdwärtsrennen, Schwenten,
Um von ber rechten Fährte Gleis -
Die wilden Mörder abzulenken;
Drauf Iprang er in den grünen Wald,
Da näher Schon der Lärmen ballt!
2. Hallo und Huffa! Klaffen! Hörner!
Zu Roß die Schar durch Kom und Dörner!
Bricht da hervor ein Menſchenkopf,
Ein Hundsmaul dort, ein Pferbefchopf!
Boran die rüftigften Piqueure
Mit Rüden, zum Lancieren gut;
Da hinten bei der alten Yöhre
Die mit der Stöber- Bradenbrut;
Nebft dem Gefolg zulegt der König,
Nücbleibend in dem Trab ein wenig.
3. Borm Walde ftoppt der Hauptpiqueur,
Hebt feine Peitih’ und ruft: Derriöre!
Gleich fteht der Kopfhund, ftehn die andern,
Sie laflen nur die Augen wandern;
Es fteht die Brad’ am Föhrenbaum,
Der Stöber fteht und läßt vom Rennen.
So ftellt ein Heer fih auf ven Raum,
So ftil, wo fol die Schlacht entbrennen.
Der König trabte her zur Schau;
Sein und der Seinen Haar war grau.
— 70 —
4. Nun giebt der Hauptpiqueur das Zeichen;
Zanciert hervor die Hunde ftreichen.
Die Nafe tief am Boden, ſucht
Die Koppel nah des Hirihen Flucht.
Jetzt füllt der Didfopf in die Fährte,
Der mit dem zottigen Behang;
Wie fih der Hirſch aud ward und fehrte,
Den irrt fein Gang und Widergang,
Er zeichnet mit der Naf’ im Grafe:
D Hirſch! gefunden ift die Straße!
5. Fanfaren blafen! Jauchzen tönt!
Die Koppel vor Verlangen ftöhnt.
Die Jäger fprengen ber, in Naden
Das Horn geworfen! Stöber, Braden
Und Windipiel und der Dänenhund —
Es rennt herbei die ganze Meute!
Der König thut den Willen kund:
„Forciert Die angeiprochne Beute!“
Es ftürzt der Zug in Waldes Nacht. —
Mer weiß, mie du einft wirft gejagt,
6. D König Marl, der du zur Stunde
Den Hirfchen jagft mit Roß und Hunde! —
Der hatte ſchon gemähnet faft,
Weil's ftille ward, man ließ' ihm Haft,
Und Stand am fühlen Drt, zu laufchen;
Da hört' er fchrein! Er that fich meg!
Es knackt der Zweig, die Blätter rauchen
Auf dem durdrannten Wechſelſteg,
Er fliegt vom Wald in das Gefräute;
Der Jäger folgt, nad) Täuft die Meute.
7. Iſt er aus ihrem Angefidt,
©o fteht er immer, regt ſich nicht.
Die braunen Augen thun die Frage:
Wie fommt mir Armen folde Plage?
Vorm Kräuticht wieder aufgefpürt,
Macht ſchlau er Bogen und Retouren,
Er denkt: fo mwerbet ihr verführt,
Zu fallen in die falſchen Spuren.
Auch ſchießt die Meut' hinüber wohl
Und ſchwärmt verwirrt dur Kraut und Kohl.
— 101 —
8. Dod: Hourvari! erllingt’3 — und plötzlich
Sit fie zurecht. Sie ſpürt. Entſetzlich!
Schon wieder fand ihn ihre Müh'!
Sie fehn ihn, rufen: A la vue!
Er ftürzt zum wild'ſten Eichenforfte,
Unwegſam, alt. Hoch wie ein Mann
Wächſt drin das Farr'nkraut. Faltenhorfte
Stehn auf den Klippen. Dann und mann
Liegt ein bemoofter Stamm querüber.
Ein Pfuhl liegt mitten inn’, ein trüber.
9. Hoch ftand die Sonne ſchon. Im Forit
Da dämmert' e8 um Klipp’ und Horft.
Der Hirih fprang in die trübe Lache;
Kot ſpritzte draus hervor die Bache,
Die drin fih fühlte, grunzte dumpf
Und wies die ſcharfen, weißen Hauer!
Die Jäger ritten durch den Sumpf,
Die Bade laſſend auf der Lauer;
Nicht brächten Auerochs und Bär
Sie ab vom Hirſch, der ihr Begehr.
10. Leicht, fegt er über Stämm’ und Steifen.
Leicht, wie ein Knabe hüpft durch Reifen.
Nachſetzt die Schar! Da ftürzt ein Roß!
Der Zäger mit! Und bügellos
Wird dort ein zweiter! Blutend liegen
Das Roß, die Jäger finnebar;
Borüber aber faufend fliegen
Die andern al’; es ruft die Schar:
Nachher Verband und Salb' den Wunden!
Jetzt auf den Hirſch mit allen Hunden!
11. Er flüchtet auf die Klippen, wo
Der Falk die Jungen äbet froh.
Hoch von der Klippe Ichaut herunter
Der fihere Falk mit Augen munter.
Und ſchmerzlich blidt der Hirſch hinauf:
Ah, ſäß' ih, wo der Vogel fitet!
Dann wieder fort im ſchnellſten Lauf,
Weil dort das Horn fhon wieder blißet!
Noch hält ihn feiner Muskeln Fleiß;
Doch in die Fährte tropft ſchon Schweiß,
— 702 —
12. Zropft roter Schweiß von Schrammen, Riffen,
So Dorm und Diftel ihm gerifien.
Schon knickt er in den Läufen. Doch
Nicht feufzt der Mund des Hirfchen hoch.
Stumm trägt die Pein des Wildes Gebieter,
Und Rettung zeigt ſich, wie es fcheint.
Sm hohen Farrenktraute fieht er
Sein Rudel, zwanzig Stüd vereint;
Er ſpringt hinein. Was ihr auch jagtet,
Nun fuht, den ihre zu fällen tradhtet!
13. Doch o der Untreu! Laſſen denn
Auch Tiere den Geächteten?
Das ganze Rudel ftäubt zur Seite
Nah rechts, nah links und ſucht das Weite!
Er bleibt allein im Farrenfraut,
Verlaſſen, Hilflos, zitternd, ſchäumend — —
Hoch ob den Spiten, rotbetaut
Bon feinem Schweiß, empor fih bäumend
Schaut er nad einem Yufluchtsort,
Und ein Gehege fieht er dort!
14. Raſch wie ein Pfeil fchießt ins Geheg’ er,
Nach ſchießt der Hund, nad fegt der Jäger;
Kein Weg tft vom Geheg’ ins Frei’,
Denn e3 gehört zur Köhlerei.
Am Meiler fteht der Köhler, beuget
Sid mit dem Echürbaum zu der Lohn,
Daneben figt fein Weib und fäuget
Auf ihrem Schoß den einen Sohn;
Grad’ auf den Mann, das Weib, die Funken
Rennt los der Hirih, ald mie betrunfen.
15. Er jchlägt mit feinem Lauf den Baum
Dem Manne aus der Hand, und faum
Kann mit dem Kind die jchrei'nde Mutter
Fliehn Hinter einen Haufen Futter.
Zum Köhlerhof Hinaus der Hirſch!
Ein Thal dahinter! Er zu Thale!
Durh Hof und Menjhen nad die Birſch!
Der Fluß blinkt drin. Mit heißer Schale
Und glüh’nder Bruft fällt er hinein.
Der Hund, dad Roß fpringt Binterbrein.
16. Er ſchwimmt, fie Schwimmen; Himmt, fie klimmen;
Wohin er flieht, da find bie Grimmen.
— 7103 —
Schon läßt die Sonne von der Madit,
Bon ihrer Wut nicht ab die Jagd.
Kurz war der Schatten, der zur Seite
Ihm lief, ala er begann zu troll’n;
Nun ift er Partner durchs Gebreite
Bon einem langen, fchauervoll’'n,
Der wie ein Spottgeift mit ihm rennet,
Sih treu ftellt, feinen Schmerz nicht Tennet.
17. Duth Bauland, licht und blau von Flachs,
Durch Hügelfand, drin Jchläft der Dachs,
Durch Wiefen, wo die Rinder gehen,
Durch Birkenholz, bejegt mit Reben,
Und da, wo in der Tannenfluft
Kein Laut jemals die Stille ftöret,
Als wenn der Au'rhahn gludjend ruft
Die Hennen und nicht fieht noch höret;
Durch Letten, Moor, durch Kies und Grand
Ward er gehebt, ift er gerannt.
18. Er kann nicht mehr! — Tas Horn ift blutig
Un allen Schalen. Wild und mutig
Bergießt fein Auge eine Thrän’
In heißem Zorn. Die Flanken gehn
Bor Keuchen zitternd hin und wider.
Gicht dedt die Zung’! Und Schweiß und NA
Dringt durch die totgequälten Glieder;
Ihm bebt der Lauf, ihm fnadt die Heſſ',
Und röchelnd ftöhnt die Bruft, die wunde.
Er kann nit mehr! Nah find die Hunde.
19. Er ftelt fih, nimmt fie an. Er rümpft
Das Maul, wie höhnend. Sa, er glimpft
Jetzt nicht mit euch; ihr kennt das Zeichen!
Gefniffnen Schweifs die Stöber weichen,
Feſt aber bleiben Dän’ und Brad’.
Er beugt den Kopf entgegen diefen,
Geftenmt auf feine Läufe firad,
Die Spigen vor, fie aufzufpießen,
Und funkelnd feine Augen ſtarr'n,
Die flärkften Feinde zu erharr'n.
20. Da habt ihr’! Hei, da liegt ihr beide
Mit auögerifi'nem Eingemeide!
Nun fällt die Meut’ ihn wütend an,
Er aber kämpft, fteht feinen Mann.
— 710 —
Wil ihn em Hund an dem Gehöre
Danieder reißen auf den Kies,
Fühlt er auch ſchon die blut’ge Lehre,
In feinem Wanft des Hirihen Spieß.
So fteht er, kämpft er gegen zwanzig,
Und feiner, der ihn fällte, fand fid.
21. Bon Leichen, Blut, Geheul umringt
Steht fo der Hirſch. Der König mini.
Ein grüner Jäger fpringt vom Bügel,
Giebt feinem Nebenmann den Zügel,
Schleicht fih von Hinten facht herzu,
Zieht jacht fein Meffer, durch die Heſſen
Dem Hirſch zu fchneiden, denn im Nu
Stürzt dann der Arme. Doch indefien
Sah's diefer! Mit dem Hinterlauf
Schlägt er, verdirbt dem Feind den Kauf.
22. Der Jaäger liegt und ringt die Hände.
Fort kämpft der Hirſch, das giebt Tein Ende.
Da plöglih jpringt aus dem Gebüſch
Ein fremder Jüngling keck und fr!
Auch er trägt eine Jägerjacke,
Auch er trägt einen Weidmannsſpeer,
Auch ihm folgt eine graue Brade,
Auch ihm hängt von der Schulter quer
Ein Jägerhorn zu hellem Schalle;
Doc fieht er anders aus als alle.
23. Der alte König fchilt zornblaß
Den alten Senefhall: „Ha! wma
Für Jäger hab’ ich, die nicht mögen
Den Edelhirſch zu Grunde legen?“
Der alte Senefhall fchilt wieder
Auf einen andern alten Herrn:
„Laßt, Säum'ger, ihn doch werfen nieder!“
Der bört das Schelten auch nicht gern
Und ſchilt den Hauptpiqueur, der fchilt
Die Jäger, und die Jäger-Gild'
24. Im Chorus fhilt zuletzt Die Meute;
Auf denen bleibt der Schimpf für heute,
Da niemand war umher zu fehn,
Auf den die Hunde konnten ſchmähn.
— 705 —
Und Hund auf Hund zum Tode fchlitend,
Kämpft noch der Hirih, von Geifer naß,
Im Boden wühlenn, Moder fpritend,
Sand wirbelnd auf, zerichnittnes Gras. —
Durch Sandesftieben, durchs Gezeter,
Durh Blut und Hirn verrediter Köter
25. Springt, eingelegt ben Jägerſpeer,
Der fremde Jungling flink einher,
Flint wie ein Tänzer hüpft zur Dirne.
Der Hirſch Hat juft mit zorn’ger Stime
Gewandt zur Rechten fih; da ftößt
Links in die Bruft den Speer der Flinte
Bis in das Herz! Hervor nun flößt
Den roten Strom die wunde Linke;
Es Hagt der Hirſch! Und ſterbend fagt
Zuerft fein Mund: Ich warb geplagt!
26. Er will fih heben, fällt danieder,
Der Tod läuft über feine Glieder;
Ein Zittern geht vom Hals zur Blum’
Dem Stolz des Hains, des Rudels Ruhm!
Wie wenn ein Wurm fih, kreuchend, fräße
Den Leib hindurch mit nagenden Zahn
Und ftille in dem Herzen fäße,
Nachdem er feinen Fraß gethan:
So frißt fi emfigen Gejchrotes
Den Hirſch hindurch der Wurm des Tobes,
27. Sikt fill dann in des Herzens Haus.
Der Hirſch verendet. Es ift aus. '
Die Hunde wollen ihn zerfleiichen,
Zurüd fie dräut des Jünglings Heifchen.
Die Jäger find erftaunt, verbugt
Ob diefem guten Weidmannsſtücke;
Es ftugt der Seneſchall; es ſtutzt
Der alten Herren Schar. Boll Tüde
Schaut mander auf den Knaben, der
So thut, ala ob er Meifter wär’!
28. Der aber bleibt ganz ohne Scheue,
Ob er fie ärgre oder freue.
Er geht und beugt fein linkes Anie
Borm König, den er fah noch nie.
45
— 706 —
„Ihr ſeid“, fo fpricht er, „bier am Orte
Der erfte, fcheint’s, der Birfche Haupt;
Gebt gute Statt dem guten Worte:
Entſchuldigt, was ih mir erlaubt!
Ich babe freilich mich vergangen,
Daß Euren Hirih ich abgefangen.
29. Doch welder Weidmann bliebe faul,
Sieht er fo fteif der andern Gaul?“
Er ſenkt den Speer, er ſpricht anmutig;
Doch auch nah Wildfangsmweife mutig
Sprach es der Knab'. Aug Augen groß
Sah feine Seele ſonder Hüllen.
Er fah den König an. Das Roß,
Das alte, fieht fo an das Füllen,
Verwundert, daß es Roſſe alt
Auf Erden geb' und müd' und kalt.
30. Der alte König ſah den Jungen
Mit Lächeln an, von Luſt durchdrungen.
Er wollt' ihm etwas ſagen; doch
Schon wieder mußte der ins Joch
Der Weidmannspflicht, die er ſich ſelber
Hier aufgelegt. Ein Jäger warf
Ab ſeinen Rock, als ob es Kälber
Zu ſchlachten gäb'. Ein Meſſer ſcharf
Zog dieſer Jäger nicht mit Fuge.
„Seid Ihr denn Metzger?“ rief der kluge,
31. Der mwig’ge Jung. „Ihr al’ umzirkt
Mich, feht, wie man den Hirich zerwirkt!
Ich tadl’ euch, daß ihr dient dem König
Als Weideleut' und wißt fo menig.
Zu früh mar aud das Blafen, Schrein
Heut früh; ich hört’ es, eh’ die Fährte
Noh mochte angefprochen fein.
War das die Kunft, die man euch lehrte?
Nun tritt ala mie ein Fleifcherfnecht
Der zu dem Hirfch; ift diefes recht?
32. Ein König ift der Hirfh! Und ftarb er,
Sn feinem Schweiß fürmahr erwarb er
Den Anfprud, daß dem König gleich
Beichict er werde. Kommt zur Leich’
— 107 —
Des Königs einer wohl im Hembe?
Reißt ihm den Mantel gröblich fort?,
Muß ich euch fagen, ich, der Fremde,
Das Weidwerk jei fein wüfter Mord?
Der Jäger bleibt im Schmud, gelleibet,
Wenn er des Waldes Fürſt entlleidet,
33. Und nimmt ihm ab den Mantel rot
Nach zierliher Curée Gebot.
Das Meffer gebt! Ihr follt nun fehen
Die regelrechtſte der Curéen.“
Zum König fprengt der Senefhall
Und ruft: „Wie lange bleibt Ihr gütig ?
Der Bube böhnet ja uns all!”
Und Marke jagt: „Seid nicht jo mwütig,
Herr Senefhall! Der Knabe frei
Weiß mehr als meine Jägerei.
34. Die Sanftmut ift des Alters Tugend,
Laßt ſchäumen doch die milde Jugend.
Wer Jugend ſchilt und Jugend fcheucht,
Einfam dur mürrifches Alter kreucht.
Wir werden leider balde roftig,
Hält uns nicht muntre Jugend blant;
Iſt's nicht um mid fo kahl und froftig,
Weil einftens ich den Born nicht zwang
Auf Sünde, wie die Tugend fündet,
Und Frucht, die Jugendſünde fündet? . .
35. Drum, Senefhall, ich bitte, laßt
Mir ungelräntt den jungen Gaft!“
Im Walde grün fprach dieſes leife
Der graue Greis zum grauen Greife.
Ta trat der Wildfang keck beran,
Hielt hoch empor das blut’ge Meffer
Und rief: „Mein Werk ift nun gethan!
Wer's beſſer kann, der mad)’ es beſſer.“
Da lag der Hirſch, entſchält vom Kleid,
Dort lag die Haut, dort das Geſcheid',
36. Zerſchnitten für der Hunde Luſten;
Die Sachen lagen, wie ſie mußten.
Rot war der Hirſch, Geſcheid' und Haut;
Am Jungen wurde nicht erſchaut
45*
— 78 —
Der Leinfte Ylez auf Jack' und Wammes
Und an den Händen weiß und klein,
Der Sproß des unbelannten Stammes
Mar fäuberlich geblieben, rein,
Und zeigete, daß er verftehe
Die faubre, reinliche Euree.
37. Er bog fein Knie mit höf'ſcher Kunft
Zum zweiten, fagte:. „Gebt Vergunft,
Mein Herr, daß ich mi nun entferne!
Sch kam ala Bönhas, gebe gerne
Don dannen, weil der Zunft ih nicht
Bon Euren Jägern angehöre.
Mer fih in Zünfte brängt, der bricht
Leicht Hals und Bein! So Klang die Lehre
Von meinem Meifter, Herm Rual;
Ich käme wohl hierort? zu Fall.“
38. Der König aber ftieg vom Rappen
Und nahm die Hand bes jungen Sinappen.
Erheitert jah’ das alte Aug’,
Als wie ein Licht durch einen Rauch.
Und Marke ſprach: „Weil du gefället
Den Hirih, den Feiner fällen konnt';
Weil du vor ihn dich Haft gejtellet
Und ihn vor wüſter Schmach gaefchont;
Weil du verbliebft ein Unbeſchweißter
Sn ber Eurde: ſei Jägermeiſter!“
39. D Marke, wird der Meifter dir
Nicht jagen einftens im Revier,
In dem Revier, darin man feinen
Mag fehn mit Pfeil und Spieß erjcheinen? —
Der König Iprah: „Und weil dein Blid
So Ted, und hüpfeft gleich dem Rehe,
Und Schiltft mit Bier und Art und Schid,
Und bift jo jung vom Kopf zur Bebe,
So allerliebit, jo nafeweis,
Dreift wie ein Fant, klug wie ein Greis:
40. So ſollſt du, wenn dir's mag gefallen,
Mir nahe fein in meinen Hallen.” —
Er ſprach ed, und die Alten murr'n,
Sie murren, daß die Hunde Inurr'n.
— 709 —
Das kümmerte ben Yant nicht mächtig,
Er füpte froh des Königs Rod
Und ſprach: „Weil Ihr ein Herr bedächtig;
Weil Weisheit fpriht aus Eurer Lod’
Erbleihter Weiße; weil deswegen
Nicht Zweifel darf Eu’r Wort erregen;
41. Und weil Ihr feid fo reich bemannt,
Gewiß ein Fürft von Leuten, Land,
Vielleiht ein König, ein gepreif'ter:
Sp, topp! bin ih Eu’r Jägermeiſter. —
Auf, Jäger, legt den Hirſchen fanft
In einen Wagen, grün von Büſchen,
Und folgt damit. Zu Waldes Ranft
Sprengt ihr voran, um durch den frifchen,
Gekühlten Abend vor dem Zug
Zu blafen, bis der Herr genug
42. Des Blafens bat. Wer übrig bleibet,
Der nimmt die Hunde feit und treibet
Zur Koppel, was ſich wo verlief;
Die Toten grabt in Boden tief!
Und Ihr, mein Herr, gerubt, zu Roſſe
Zu fteigen und nad) Haus bie Kehr
Anzubefehlen! Daß zum Schloſſe
Der ägermeifter hinterher
Nicht laufen mag, befehlt desgleihen,
Mir einen Klepper darzureichen.”
43. Es murrt der Senefhall, es murr'n
Die Alten, daß die Hunde knurr'n.
Der König lachte, rief: „Die Scheden
Dem Yägermeifter gebt, dem teden!“
Er ftieg zu Roß, ihm bielt den Reif
Der Wildfang, der die wilde Stute
Dann leicht beichritt. Im Bügel fteif
Zwang er die bäumende; der gute
Weidmann mar auch ein Reiter ſtark,
Das freute fehr den König Mark.
44. Die Jäger mit den Hörnern fprengten
Zu Waldes Ranft. Die Mannen drängten
Sih um den König. Der gebot:
„Zur Rechten mir, du Knabe rot!”
— 70 —
Boran nun ritten alle Bläfer
Und bliefen Iuftig. Darauf ritt
Der König und fein Jagdverweſer;
Der Senefchall, die Alten mit,
Sie ritten hinterher; dann doppelt
Die Jäger, jo die Meut’ gefoppelt.
45. Zum letzten fuhr der Wagen nad,
Worin der Hirſch im Laube lag.
Sie ritten, fuhren durch den Abend,
Der tauig war und mild und labend.
Nichts Hang im Feld, nichts im Geflür,
Als Jägerhorn und Beteglode,
Der ſcheue Schwärmer huſcht' berfür,
Hing faugend am Ligufterftode,
Floh nicht den Zug So ftill zur Burg
Ritt Marke heim die Breiten durch.
46. Die Hörner machten eine Pauſe
Am Hügel, nah des Königs Haufe;
Am Blumenhügel, den ihr wohl
Vom Feite kennt zu Tintayol.
Da lag ein Ulmenbaum, verwittert,
Der einft geftanden hoch und Tühn,
Und Eppich drüber, falb, zerfnittert,
Das einit an ihm gebangen grün;
Ihr wißt, wer eimft davon gebrochen
Ein Blatt, und was das Blatt geſprochen.
47. Der König bielt und fagte: „Spredt,
Bon wannen fommt ihr, junger Knecht?“
„Herr“, rief der Wildfang, „ſoll's gelingen,
Muß ih die Hund’ in Keimen fingen.
Die Weifen wähnen, ungereimt
Sei unfer Leben; ih, zum Hohne
Den Weifen, babe ftet3 geleimt
In Reim auf Reim, ald müß’ge Drohne,
Was mir das Iuft’ge Leben gab!
In Neimen Ilmgt mir’3 auf und ab.
48. Ich blafe, finge dann. Ihr Jäger
Blaft den Refrain, gleich mir, nicht träger!”
„Du toller Bub’”, rief Marke, „wie
Soll'ns blafen, mas fie hörten nie?“
— 11 —
„DO“, jprach der Knab', „ein Gaflenhauer
Iſt die Begleitung zu dem Lied;
Sch mad’ e8 mir nicht eben fauer,
Reim’ ich in eins, was mir geſchieht.“
Er blies. Sie kannten Ton und Maße,
Man leiert’ es auf Markt und Straße.
49. Und ungeduldig frug der Herr:
„Run zaudre nit! Wo kamſt du her?“
Der Knabe blies und fang voll Seele
Mit goldnem Laut aus voller Kehle:
50. „Aus der Hütte des Einſiedels kam ich,
Der mir Obdad gegeben zu Nacht;
Seinen Jagdſpieß, fein Hörnelein nahm ich,
Seine Brade die folgte zur Jagd.
51. Bon der Welt, von der argen, erft neulich
Hatt’ er Fromm ſich bethan in die Klauſ';
Drum den Spieß und das Hörnelein freilid
Hatt’ er noch bei der Brad’ in dem Haus.
52. Ich ging aus, um ein Rehlein zu birfchen,
Wenn es hoch kam, ein Schmaltier etwan;
Und da kam ich zum prächtigen Hirfchen,
Traf den Hirfhen und ward Euer Mann.“
53. Er blies, das gab ein fein Gekläng,
Die Jäger bliefen nad Refrain.
Und Marke fragte ungebulbig:
„Wie kamſt zur Klauſe, Knabe huldig?“
Der Knabe blies, voll Seele fang
Die Kehle hell mit golpnem Klang:
54. „An die laufe fam aus der Wildnis
Euer Nägermeifter, Mylord;
Es kam in die grimmige Wildnis
Der Meilter der Jäger nom Bord.
55. Vom Borde im Sturm bie beforgten
Normannen ihn festen an Strand;
Der Sturm, jo wimmert ihr Forchten,
Sei zus Strafe vom Himmel gejandt.
56. Die Normannen mich hatten geftohlen
Zu Nantes im bretagnifchen Gau,
Dort boten fie Fallen und Fohlen
Auf dem Markte den Käufern zur Schau.
57. Sie lodten mit Mienen fo liftig
Mih zum Schach in die falfche Galeer',
Und als ich gewonnen ganz rüftig,
Da fuhr die Galeer’ in dem Meer.“
58. Er blies, und fo wie er, nicht träger,
Nachbliefen den Refrain die Jäger.
Und Marke rief: „Bei Eharlemagne!
Wie kamft denn, Jung’, in die Bretagne?“
Der Knabe blies und fang voll Seele
Mit goldnem Laut aus heller Kehle:
59. „Zur Bretagne nach Nantes zu dem Grafen
Mich fandte mein Meiſter Rual;
Da ſollt' ih die Künfte, die braven,
Recht üben, die zierlihen aM.
60. Er lehrte mich hornen und fingen,
Auf der Laut’, auf der Zither das Spiel,
Er lehrte mich reiten und fpringen
Und tanzen im fränkiſchen Stil.
61. Er lehrte mich alle Gebärde
Des Nitter8 bei Damen, Fräulein,
Er lehrte mich auch die Beſchwerde
Bon dem Waffenwerk groß oder Klein.
62. Und als er’3 gelehret, da ſchickte
Nah Hof mid mein Meifter bedacht;
Doch eh’ ich den Grafen erblidte,
Stahl mich die normanniſche Jacht.“
63. Er blies, das gab ein fein Gelläng,
Die Jäger blieſen nad Refrain.
Und Marte fragte ungeduldig:
„Wo traf Rual di, Knabe huldig?“
Der Knabe blies, voll Seele fang
Die Kehle hell mit goldnem Klang:
04. „Mein Meifter, der hat mich gefunden,
Einen Ring mit Steinen dabei;
Er fonnt’ .e8 ja nimmer erfunden,
Mer das Kind, das verlaflene, fei.
65. Die Leute umber um bie Stätte,.
Sie fagten: Die Mutter ift tot.
Mit dem eigenen Kinde Ylorete,
Sein Weib, ihre Bruft mir erbot.“
— 13 —
66. Er blies, und fo wie er, nicht träger,
Nachbliefen den Refrain die Jäger.
Und ungeduldig frug der Her:
„Do fage mir, wer bift du, wer?“
Der Knabe blies und fang voll Seele
Mit goldnem Laut aus voller Keble:
67. „Sch bin wie die fließende Welle,
Sch bin wie der wehende Wind,
Ich bin wie dad Wild, wie das fchnelle,
Bin ein vater- und mutterlos Kind.“
Er blies, das gab ein fein Gelläng,
Die Jäger bliefen nad) Refrain.
68. Und Marke ſchwieg. Es ſchwieg die Waife.
Sie ritten nad dem Schlofie leiſe.
Der Wildfang ſah im Dämmergrau
Der hohen Mauern Duaberbau,
Er fah den Graben, jah die Zinnen,
Die Türme und die lange Wand
Und hundert Fenſter wohl darinnen,
Und an der Brüde vielerhand
Die Diener wartend mit den Kerzen
Auf ihren Herm, dem's ſchwer im Herzen.
69. Bei Kerzenſchein, bei Fackellicht
Hielt fi der König länger nid.
Er rief: „Zeig mir den Ring, du Knabe,
Des Findelkindes einz’ge Habe!“
Der Wildfang ftreift’ ihn ab; er mußt’
Im mind’ften nicht, was damit wollte
Des Königs unruhvolle Bruft.
Es war ein Ring von purem Golbe.
Vier Steine zeigten dran ihr ®lübn,
Zwei rot, ein blauer, einer grün.
70. Zum Kerzenlicht, zum Yadeljcheine
Hob Marl empor den Ring, die Steine.
Er blidte drauf, wie auf Gewirr
Bon traufen Fäden, wüſt und irr
Verhadert auf den Hafpelitäben,
Der Meifter blidt der Weberei,
Will er daraus den Teppich weben.
Er ſuchet, mo der Anfang fei
Der Füben, findet’s nicht, bis endlich
Der doch ihm wirb im Anäuel kenntlich.
— 14 —
71. So fudte in ber Steine Kranz
Der König lang’ den Anfangglanz,
Hr Erftlingslicht, in frühen Zeiten
Einft leuchtend den PVergangenbeiten,
Rief bebend envlih: „Das ift bier
Ein Malachit; das blaue Duntel
Ein Amethyſt; in roter Zier
Blinkt der Rubin dann, der Karfunkel;
Der Maladit, der Amethyſt,
Rubin, Karfunfel — ad! das if
72. Der Reigen ja der Steine, jollenv
Bedeuten: Marl, und zeigen wollend
Der ſchönen Schwefter einft, mie heiß
Sie Mark geliebt, die Roſe weiß.
Den Ring gab einft ich Blandhefluren!
Lebt trägt das Findellind den Ring!
Den Knaben fing id auf ten Fluren,
Wo ih den Hirſch zu jagen ging;
Den Jägermeiſter ich betreffe,
Der Kägermeifter ift mein Neffe!
73. D Sägermeifter, an mein Hey!" —
Der König rief's in Wonn’ und Schmerz.
Er ſchlang um ihn die beiden Arme,
Entzüdt von Luft, gequält von Harme.
Hatt’ einen Neffen ja fo ſchön,
Wußt' au die Schweiter nun im Sarge;
Die alte Wang’ hinunter gehn
Der Thränen Fluten ihm, nicht Farge.
Er weint. Die Ritter weinten aud),
Nur nicht der Senefchall, der Gaud.
74. Ob über folher Wunder Führung
Der Wildfang fpürte ftarle Rührung,
Verſchweigt mein Lied. Noch war zur Zeit
Ihm unbelannt Empfindfamteit.
Er date mehr: 's tft immer beſſer
Zu ſchälen für den Durft die Birn’
An Könige Tiſch mit Königs Mefler,
Als troden durch die Wälder irr'n.
Doch hielt er till den Thränengüflen
Und ließ ſich herzen, ließ fich küſſen.
75. Die Thräne rann in Königs Bart:
„ie beißt du, Knabe muntrer Art?”
— 715 —
„Ich heiße Triſtan“, fagte Triftan;
„So taufte mid Rual. — Weil trift an
Mein Leben fing mit triftem Sterne,
Gab er den triſten Namen mir.
Ich aber will das Omen ferne
Mir Halten, ja das ſchwör' ich dir,
Herr Ohm! den aus dem Ötegereif
Ich find’, ala ih am Wege fchweif’!
76. Das Zeichen fagt, am Wege jehweife
Fortuna mir im Stegereife!
Ein Königsneff' aus Zufall muß
Fah'n Zufall mwärmften Liebestug!“
Er ſprach's fo mutig, ſprach's jo wader,
Daß Marken ging die Thräne aus,
Er lat’ und ließ fih vom Geflader
Der Fackeln leuten in fein Haus.
Die Alten folgten; doc der Junge
Blieb draußen noch im rechten Schwunge.
77. Er ſchuf, daß erit der Hunde Schwarm
Gethan fei in den Hundsftall warm,
Und ſchuf, daß exit die Jäger hingen
Das Birfchzeug auf an Pflod und Ringen,
Und ſchuf, daß dann gefahren ward
Der Wagen vor die belle Küchen,
Und daß der Hirih auf Fliefen hart
Gelangte von den grünen Brüchen.
Dann ſchritt vergnügt zur Pfort’ er bin
Und rief: „Wohlan! zu Haus ih bin!“
78. Im Dunkel auf der hohen Schwelle
Da ftolpert’ er und fiel, der Schnelle,
In feines Dolches Spige fcharf.
Not rann e8 von dem Arm; fo warf
Sein Blut in feines Oheims Pforte
Herr Triftan, als er Einzug hielt.
Wohl mander hätte vor dem Drte
Bei foldem Zeichen Graun gefühlt;
Triftan verband fi; leichten Mutes
Hüpft’ er zum Ohm durch Tropfen Blutes.
R. Jmmermann. (1840.)
— 716 —
441. Sprüde und Sprudartiges,
1.
1 Was verkürzt mir die Zeit?
Thätigkeit.
Mas maht fie unerträglich lang?
Müßiggang.
5 Mas bringt in Schulden?
Harren und Dulden.
Was macht gewinnen?
Nicht Lange befinnen.
Mas bringt zu Ehren?
10 Sich wehren.
2.
Sollen dich die Dohlen nicht umfchrein,
Mupt nicht Knopf auf dem Kirchturm fern.
W. v. Goethe.
m. v. Goethe.
8.
1 Alle Menſchen groß und Hein
Spinnen fih ein Gemebe fein,
Wo fie mit ihrer Scheren Spitzen
Gar zierlih in der Mitte fiben.
5 Wenn nun darein ein Befen fährt,
Sagen fie, e8 fei unerhört,
Man babe den größten Palaft zerftört.
m. v. Goethe.
4.
Sag’ ich, wie ich es denke, fo fcheint durchaus mir, es bilde
Nur das Leben ven Mann, und wenig beveuten die Worte.
m. v. Goethe.
5.
Wär’ nicht das Auge fonnenhaft,
Die Sonne lönnt’ es nie erbliden;
Läg' nit in uns des Gottes eigne Kraft,
Wie könnt' uns Göttliches entzüden!
W. v. Goethe.
6.
Prahl' nicht Beute: Morgen will
Diefes ober das ih thun.
Schweige doch bis morgen Still,
Sage dann: Das that ich nun.
Ir. Rüaert.
— 11 —
T. .
Geſell' dich einem Beflern zu,
Daß mit ihm deine befjern Kräfte ringen.
Mer felbft nicht beſſer ift als du,
Der kann dich auch nicht weiter bringen.
Hr. Rücert.
. 8,
Großer Menſchen Werke zu fehn
Schlägt einen nieder;
Doch erhebt ed auch wieder,
Daß fo etwas durch Menfchen geichehn.
Ir. Rücert.
9.
Weißt, wo es keinen Herrn und keinen Diener giebt?
Wo eins dem andern dient, weil eins das andre liebt.
Ir. Rücert.
10.
Der beſte Edelſtein iſt, der ſelbſt alle ſchneidet
Die andern, und den Schnitt von keinem andern leidet.
Das beſte Menſchenherz iſt aber, das da litte
Selbſt lieber jeden Schnitt, als daß es andre ſchnitte.
Sr. Rücert.
11.
1 Nie ftille fteht die Zeit, der Augenblid entſchwebt,
Und den du nicht benußt, den haft du nicht gelebt.
Und du aud ftehft nie ftill, der gleihe biſt Du nimmer,
Und mer nicht beſſer wird, iſt fchon geworben fchlimmer.
5 Mer einen Tag ber Welt nicht nutzt, hat ihr gefchabet,
Weil er verfäumt, wozu ihn Gott mit Kraft begnabet.
Ir. Rüdert.
12,
1 Berlier', o Jüngling, nur Geduld und Hoffnung nidt;
Richt' auf die Welt Vertraun, auf Gott die Zuverficht,
An dich die Forderung, zu fänpfen als ein Mann,
Und freue -dih am Kampf, wenn dir der Sieg entrann.
5 Wenn er dir oft entrann, wird er nicht ſtets entrinnen;
Nur wer noch nichts gewann, hat alles zu gewinnen.
Mir felber ift, was mir gelang, gar fpät gelungen,
Doch mehr nun freut mich, daß ich rang, als mas errungen.
Ich wünſche nicht, daß fie fo gar lang’ bin dich Balten,
10 Doch gut iſt's, daß fie Zeit dir gönnen zum Entfalten.
Ir. Rüdert.
— 18 —
13.
Bor jedem fteht ein Bild bes, was er werben Soll;
Eo lang’ er das nicht ift, ift nicht fein Friede voll.
Ir. Rũcert.
14.
Laß auf dich etwas rechten Eindrud machen,
So wirft du fchnell den rechten Ausdruck finden;
Und kannſt du nur den rechten Ausdrud finden,
So wirft du fchnell den rechten Eindrud machen.
Ir. Rüdert.
15.
Die ſchöne Form macht kein Gedicht,
Der fchöne Gedanke thut's auch noch nicht;
Es kommt darauf an, daß Leib und Sede
Zur guten Stunde fi vermähle.
Em. Eeibel.
16.
1 Ein gut Gedicht ift wie ein ſchöner Traum,
Es zieht dich in fih, und du merfft es kaum;
Es trägt dich mühlos fort durch Raum und Zeit,
Du ſchauſt und trinkt im Schaun Vergefienheit,
5 Und glei als hätteſt du im Schlaf gerubt,
Steigft du erfrifcht aus feiner klaren Flut.
Em. Geibel.
12.
1 Einſamkeit des Dichters Braut,
Mutter Natur ihn fo groß anfchaut,
Geſchichte, die Ahnfrau, hebt ihn hinauf
Über des Lebens gemeinen Lauf —
5 Da rauſcht das Lied aus ftarlem Bujen —
Die drei, das find die echten Mufen.
Gottfr. Rinkel.
18.
1 Wer ſich zu dichten erkühnt und die Sprache verſchmäht und
den Rhythmus,
Gliche dem Plaſtiker, der Bilder gehaun in die Luft!
Nicht der Gedanke genügt; die Gedanken gehören des Menschheit,
Die fie zerftreut und benußt, aber die Sprade dem Boll:
5 Der wird währen am längften von allen germanischen Dichtern,
Der des germaniihen Worts Meilen am beften verftand.
Auguf Graf v. Platen.
Bierte Abteilung.
1.
2.
442. Die dentiche Muſe.
Kein Auguftiih Alter blühte,
Keines Mediceers Güte
Lächelte der deutichen Kunft;
Sie ward nicht gepflegt vom Ruhme,
Sie entfaltete die Blume
Nicht am Strahl der Fürftengunft.
Bon dem größten deutſchen Sohne,
Bon des großen Friedrichs Throne
Ging fie ſchutzlos, ungeehrt.
Rühmend darf's der Deutſche fagen,
Höher darf das Herz ihm ſchlagen:
Selbſt erſchuf er ſich den Wert.
Darum ſteigt in höherm Bogen,
Darum ſtrömt in vollern Wogen
Deutſcher Barden Hochgeſang;
Und in eigner Fülle ſchwellend,
Und aus Herzens Tiefen quellend,
Spottet er der Regeln Zwang.
Ir. v. Schiller. (1800.)
443. Die beiden Muſen.
Ich ſah — o ſagt mir, ſah ich, was jetzt geſchieht?
Erblickt' ich Zukunft? — mit der britanniſchen
Sah ich im Streitlauf Deutſchlands Muſe
Heiß zu den krönenden Zielen fliegen.
Zwei Ziele grenzten, wo ſich der Blick verlor,
Dort an die Laufbahn. Eichen beſchatteten
Des Hains das eine; nah dem andern
Weheten Palmen im Abendſchimmer.
46
10.
11.
12.
— 122 —
Gewohnt des Streitlaufs, trat die von Albion
Stolz in die Schranken, fo wie fie fam, ba fie
Einft mit der Mäonid’ und jener
Am Kapitol in den heißen Sand trat.
Sie fah die junge, bebende Streiterin;
Doch diefe bebte männlich, und glühende,
Siegswerte Nöten überftrömten
Flammend die Wang’, und ihr goldnes Haar flog
Schon hielt fie mühſam in der empörten Bruft
Den engen Atem; bing fchon bervorgebeugt
Dem Biele zu; ſchon Hub der Herold
Ihr die Drommet’, und ihr trunfner Blick ſchwamm |
Stolz auf die fühne, ftolzer auf ſich, bemaß |
Die hohe Britin, aber mit edlem Blick, |
Dich, Thuiskone: „Sa, bei Barden
Wuchs ih mit dir in dem Eichenhain auf;
Allein die Sage kam mir, du feift nicht mehr!
Verzeih, o Mufe, wenn bu unfterblich bift,
Verzeih, daß ich's erit jeto lerne;
Doch an dem Ziele nur will ich's lernen!
Dort fteht es! Aber ſiehſt bu das weitere
Und feine Kron’ auh? Diejen gebaltnen Mut,
Dies ſtolze Schweigen, dieſen ik, der
Feurig zur Erde fich ſenkt, die Tenn’ ich!
Doch wäg's noch einmal, eh’. zu gefahrvoll dir
Der Herold tönet. War es nicht ich, die ſchon
Mit der an Thermopyl vie Bahn maß?
Und mit der hohen ber fieben Hügel?“
Sie ſprach's. Der ernfte, richtende Augenblid
Kam mit dem Herold näher. „Ich liebe dig!“
Sprach fchnell mit Flammenblick Teutona,
„Britin, ich Tiebe dich mit Bewundrung!
Doch dich nicht heißer, als bie Unſterblichleit
Und jene Palmen! Rühre, dein Genius,
Gebeut er’s, fie vor mir; doch faſſ' id,
Wenn du fie fafſeſt, Hann gleich die Kron' auch.
Und — o mie beb’ ih! o ihr lnfterblichen!
| Vielleicht erreich’ ich früher das hohe Biel!
Dann mag, o dann an meine leichte-
Fliegende LXode dein Atem hauen!“ —
13. Der Hexold Hang), Sie- flogen mis Mlggeil',
Die weite Laufbahn ftäubte, wie Wollen, af.
Ich ſah: vorbei der. Eicho wehie —
Dunklex der Staub, und mein Blick verlor fie!
3.6. — (1782.)
444. Unſere Sprache,
1 Daß eine, welche lebt, mit Deutfölands Sprade fi
In den zu kühnen Wetjtreit wage
Sie ift, damit ich’3 kurz mit. ihrer Kraft 28 fage,
An mannigfalter Unterlage
5 Zu immer neuer und * deutſcher Bilbung reich;
Iſt, was wir ſelbſt in jenen grauen Jahren,
Da Tacitus uns forſchte, waren,
Geſondert, ungemiſcht und nur ef jelber glei.
J 6. Aiophot. (17679)
445. Un die Eprache. |
1. Reine Sungfrau,' emig ſchöne,
Geift’ge Mutter deiner Söhrte,
Mäctige von Zauberbann,
Du, in der ich leb' und brenne,
Meine: Brüben Ienn’. unb nenne:
Und. ne je — lam!
2. Da ich aus bem Schlaf —
Noch nicht wußte, daß ich dachte,
Gabeſt du mich ſelber mir,
Ließeſt mich die Welt erbeuten,
Lehrteſt mich die Rätſel deuten
Und mic ſpielen ſelbſt mit dir.
3. Spenderin aus reichem Horne,
Schöpferin aus vollem Borne,
Wohnerin im Sternenzelt!
Alle Höhn haſt du erflügelt,
Alle Tiefen du entſiegelt
Und duschwandelt alle Welt.
46*
— 724 —
4. Durch der Eichenwälder Bogen,
Biſt du brauſend hingezogen,
Bis der letzte Wipfel barſt;
Durch der Fürſtenſchlöſſer Prangen
Biſt du klingend hergegangen,
Und noch biſt du, die du warſt.
5. Stürme, rauſche, liſpl' und fäufle!
Zimmre, glätte, hau und meißle,
Schaffe fort mit Schöpfergeift!
Dir läßt gern der Stoff fich zwingen, -
Und dir muß der Bau gelingen,
Den fein Zeitſtrom niederreißt.
6. Mach uns ſtark an Geifteshänden,
Daß wir fie zum Rechten menden,
Einzugreifen in die Reihn!
Viel Gejellen find gefebet,
Keiner wird gering gefchäßet,
Und wer kann, ſoll Meifter fein.
Ir. Rüdert. (18139
446. Das dentiche Lied,
(Schluß des „romantiichen Dedipug“.)
1 Seit ältefter Zeit hat hier es getönt, und fo oft im ermeuenden
Umſchwung,
In verjüngter Geſtalt aufſtrebte die Welt, klang auch rm
germaniſches Lied nach.
Zwar lange verhallt iſt jener Geſang, den einft des Armin
Hat
Anftimmend gejauchzt in des Siegs Feſtſchritt, auf römide
Gräbern getanzt ihn;
5 Doc blieb von der Zeit des gewaltigen Karla wohl nod m
gewaltigeß Lied euch,
Ein gewaltiges Lied von der mächtigen Frau, die erft als zarteft
Sungfrau
Daſteht und verihämt, voll ſchüchterner Huld, dem erhabme
Helden die Hand reidt,
Bis dann fie zulegt, durchs Leben geftählt, Durch glühend
Rache gehüärtet,
Graunvoll auftritt, in den Händen ein Schwert und das Hay!
des enthaupteten Bruder.
10
15
20
30
— 725 —
Auch Lifpelt um euch der melodiſche Hauch aus fpäteren Tagen
des Ruhms noch,
Als mächtigen Gangs zu des Heilands Gruft die gepanzerten
Friedriche wallten;
An den Höfen erſcholl der Geſang damals aus fürſtlichem Mund,
und der Kaifer,
Dem als Mitgift die Geſtade Homers darbrachte die Tochter
des Normanns,
Sang liebliden Ton! Kaum aber erlofh fein Stamm in dem
herrlichen Knaben,
Der, unter dem Beil hinfterbend, erlag capetingifcher teuflifcher
Untbat
n
Schwieg au der Geſang, und die göttliche Kunſt fiel unter
die Meifter des Handwerks.
Spät wieder erhub fich die heilige Kraft, ala neue befruchtende
Regung
Weit über die Welt aus Deutſchlands Gau'n der begeiſterte
ſächſiſche Mönch trug;
Doch ſtrebte ſie nun langſamer — weil blutiger Kriege
erbnis
Das entvölkerte Reich ———— Are der unends
lichen Ro
heit
Weil Wechſel des Laut erft hemmte das Sieb, da ber bibel-
entfaltende Quther
Durh männlidern Ton auf immer vertrieb die melodiſche
rheiniſche Mundart.
Doch ſollte das Wort um fo reicher erblühn, und es lehrte
zugleih es Melanchthon
Den gediegenen Klang, den einſt anſchlug die beglücktere Muſe
von Hellas;
Und ſo reifte heran die germaniſche Kunſt, um entgegen zu
gehn der Vollendung!
Lang' ſchlich ſie dahin, lang' ſchleppte ſie noch nachahmende
Feſſel und ſeufzte,
Bis Klopſtock naht und die Welt fortreißt in erhabener Oden⸗
beflüglung,
Und das Maß herſtellt, und die Sprache beſeelt und befreit von
der galliſchen Knechtſchaft,
Zwar ſtarr noch und herb und zuweilen verſteint, auch nicht
jedwedem genießbar;
Doch ihm folgt bald das Gefällige nach und das Schöne mit
Goetheſcher Sanftheit.
Manch großes Talent trat ſpäter hervor und entfaltete himm⸗
liſchen Reichtum;
— 1726 —
Doch keiner erſchien, in ver Kunſt Fortſchritt, dem unſterblichen
Paare vergleichbar:
Keuſch lehnt Klopſtock an dem Lilienſtab! und um Goethes
erleuchtete Stirne
Gluhn Roſen im Kranz. Kühn. wäre der Wunſch, zu erfingen
Ä verwandte Belohnung! ...
Augnft Graf v. Piaten. (188.
44. Die Grenze
Du Grenze? Nein, nit Grenze, du alter Rhein!
Du Lebensblut, dem Herzen Teutoniens
Entftrömend, beiden Ufern Segen
Spendend und hohes Gefühl und Freude!
Du deutfcher Urart, mächtiger Nhein! Dein Strom
Sft::groß und hehr, nicht vaufchend Dem Ohre, ſchnell
In ftiller Eile; deine Wirbel
Sprudeln nicht auf und find unaufbaltiam,
Sind tief,.wie Meer, wie Gottes Geſchoſſe, ſchnell
Und kraftvoll, doch befreundend dem flachen Floß,
Das, deinen Wogen ſich vertrauend,
Fülle des Landes den Städten zufährt.
Als Gott der Herr die, Feſte von Fluten ſchied
Und Inſeln aua der Tiefe ſich heben hieß
Und Quellen aus dem Schoß der Berge
Rief und dem Dean Grenze ftellte,
Gele dem Sturme ſprach; ala das junge Licht
Die neue Schöpfung, welcher .e8 Schöne gab,
Anſtaunte: da verweilte freundlich
Über dem Rhein und des Nheines Ufern
Sein Wonneftrahl, durchdrang mit des Urlichts Kraft
Der rhein’shen Berge Schoß. Er empfing und barg
Die Gabe, bis aus Gold und Purpur
Träufelte Labfal von deutfchen Reben,
Des Rheines wert! des Dentfhen auch wert! voll Kraft,
Zu That entflammend und zu Gefang, nit Schaum
Aufſprudelnd, lebenduftend, Helle
Strahlend dem Geiſt und das Herz durchglühend.
— 127 —
8. An beiden Ufern ranlet die Freude! glüht
Auf hohen Felſen, jpielet im Blumenthal,
Hier Kühlung aus des Alten Wogen
Saugend, fich Träftiger dort entflammenb.
9. An beiden Ufern tönet des Deutihen Sinn
Aus deutſchem Wort! dem ebeliten Weine gleich
Und dir, o Rhein, ift unfre Sprade
Reich wie dein Strom, mit geheimen Tiefen,
10. Bom eitlen Nachbar, der fih in Schaum beraufdt,
Berftanden nimmer, nimmer empfunden! Laßt
Ihm feinen Schaum im Bedher! ihm bie
Sprade, die an der Empfindung binftreift!
11. Ihn haben Schreden Gottes und deutjches Herz
Heufchreden gleich, die oft mit der Fackel Glut
Der Landmann vor fi ſcheuchet, bis ihr
Schwirrender Schwarm in den Rhein ſich ftürzet —
12. So haben Schreden Gottes und beutiches Herz
Des Drängers Horden, welcher der Herrichaft fi
Bei uns vermaß, ihn felbft, den Dränger,
Her von ber Oder bis zum Rhodan
13. Geſchreckt, verfolgt, zerftiebet! Er windet ſich
Und fleht um Frieden! Friede, ja Friede fei
Dem eitlen Bolf in alter Grenze;
Aber dem Deutichen ſei deutjche Freiheit,
14. Soweit die Sprade tönet, die trauliche,
Die fromme, hehre; fie, der Empfindung, fie,
Gefpielin des Geſangs, der frei im
Tanze wie Sphärengefang einherjchwebt!
Ceop. Graf v. Stolberg. (1814.)
448, Sansioneci,
1. Dies ift der Königspart. Rings Bäume, Blumen, Vaſen;
Sieh, wie ind Mufchelhorn die Steintritonen blafen!
Die Nymphe fpiegelt klar ſich in des Bedens Schoß;
Sieh, Hier der Flora Bild in hoher Roſen Mitten,
Die Laubengänge fieh, fo regelrecht geichnitten,
Als wären's Verſe Boileaus.
— 128 —
2. Vorbei am Iuft'gen Haus voll frember Vögelftimmen
Laß und den Hang empor zu den Terrafien klimmen,
Die der Drange Wuchs umlränzt mit falbem Grün!
Dort oben ragt, wo friſch fih Tann’ und Buche mifchen,
Das ſchmucklos heitre Schloß mit breiten Fenſterniſchen,
Darin des Abends Feuer glühn.
3. Dort lehnt ein Mann im Stuhl; fein Haupt iſt vorgefunten,
Sein blaue Auge finnt, und oft in hellen Funken
Entzündet fih’s, — fo fprüht aus dunkler Luft ein Blig; —
Ein dreigefpigter Hut bedeckt der Schläfe Weichen,
Sein Krüdftod irrt im Sand und fchreibt verworrne Zeichen; —
Nicht irrſt du: das ift König Fritz.
4. Erfitt und finnt und ſchreibt. Kannft du fern Brüten deuten?
Denkt er an Kunersborf, an Roßbach oder Leuthen,
An Hochkirchs Naht, durchglüht von Flammen bundertfad?
Wie fie fo rot geglänzt am Lauf der Feldfanonen,
indes die Reiterei mit raffelnden Schmadronen
Der Grenadiere Viered brach!
5. Schwebt ein Gefek ihm vor, mit dem er weil’ und mik
Sein ſchlachterſtarktes Volt zu fchöner Menfchheit bilde,
Ein Friedensgruß, wo jüngft die Kriegespaule ſcholl?
Erfinnt er einen Reim, der feinen Sieg verfläre,
Dder ein Epigramm, mit dem bei Tiſch Voltaire,
Der Schalk, gezüchtigt werden fol?
6. Vielleicht auch treten ihm die Bilder nah, die alten,
Da er im Mondenliht in feines Schlafrods Falten
Die fanfte Flöt ergriff, des Vaters Ärgernis;
Des treuen Freundes Geist will er heraufbeſchwören,
Dem — ab um ihn! — das Blei aus fieben Feuerröhren
Die kühne Jünglingsbruſt zerriß.
7. Träumt in die Zufunft er? Zeigt ihm den immer vollen,
Den immer kühnern Flug des Yard von Hohenzollern,
Der Thon den Doppelaar gebändigt, ein Geficht?
Gedenkt er, wie dereinft ganz Deutſchland hoffend lauſche
Und bangend, wenn daher fein ſchwarzer Fittich rauſche? —
D nein, das alles ift es nicht.
8. Er murrt: „D Schmerz, ala Held gefandt fein einem Boll,
Dem nie der Mufe Bild erſchien auf golbner Wolfe!
Auguft fein auf dem Thron, wenn fein Horaz ihm fingt!
Was hilft's, vom fremden Schwan die weißen Federn borgen!
Und doch, was bleibt uns jonft? — Erſchein', erſchein', o Morgen,
Der uns den Götterliebling bringt!“
— 129 —
9. Er ſpricht's und ahnet nicht, daß jene Morgenröte
Den Horizont ſchon küßt, daß ſchon der junge Goethe
Mit feiner Rechten faft den vollen Kranz berübtt:
Er, der das fcheue Kind, noch rot von ſüßem Schrecen,
Die deutſche Poefie aus welſchen Tarusheden
Zum freien Dichterwalde führt. Ä
dm. Seibel. 4912-48.)
449. Un Goethe,
als er den Mahomet von Voltaire auf die Bühne brachte.
1. Du felbft, der uns von falfhem Regelzwange
Zur Wahrheit und Natur zurüdigeführt,
Der, in der Wiege fchon ein Helb, die Schlange
Erftidt, die unfern Genius umſchnürt,
Du, den die Kunft, die göttliche, ſchon lange
Mit ihrer reinen Priefterbinbe ziert,
Du opferft auf zertrümmerten Altären
Der Aftermufe, die wir nicht mehr ehren?
2. Einheim'ſcher Kunft ift diefer Schauplatz eigen,
Hier wird nicht fremden Göten mehr gebient; |
Wir können mutig einen Lorbeer zeigen,
Der auf dem deutſchen Pindus felbjt gegrünt.
Selbſt in der Künfte Heiligtum zu fteigen
Hat fih der deutfche Genius erfühnt,
Und auf der Spur des Griechen und des Briten _
Sit er dem beſſern Ruhme nachgefchritten. .
3. Denn dort, wo Sklaven Inien, Deſpoten walten,
Mo fih die eitle Aftergröße bläht,
Da kann die Kunſt das Edle nicht geitalten,
Bon feinem Ludwig wird es audgefät;
Aus eigner Fülle muß es fich entfalten,
Es borget nicht von ird'ſcher Majeftät;
Nur mit der Wahrheit wird es fich vermählen,
Und feine Glut durchflammt nur freie Seelen.
4. Drum nit, in alte Feſſeln uns zu fchlagen,
Erneuerſt du dies Spiel der alten Zeit,
Nicht, uns zurüdzuführen zu den Tagen
Charafterlofer Minderjäbrigfeit;
— 70 0 —
Es wär’ ein eitel und vergeblih Wagen,
Zu fallen ins bewegte Rad der Zeit;
Geflügelt fort entführen e3 die Stunden,
Das Neue kommt, das Alte ift verfchmunden.
5. Erweitert jeßt ijt des Theaters Enge,
In feinem Raume brängt fich eine Welt;
Nicht mehr der Worte rebnerifch Gepränge,
Nur der Natur getreues Bild gefällt;
Berbannet ift der Sitten falſche Strenge,
Und menſchlich handelt, menſchlich fühlt der Held.
Die Leidenfchaft erhebt die freien “Töne,
Und in der Wahrheit findet man das Schöne.
6. Doch leicht gezimmert nur iſt Thespis’ Magen,
Und er ift gleich dem acheront’Ichen Kahn;
Nur Schatten und Idole kann er tragen,
Und drängt das rohe Leben ſich heran,
So droht das leichte Fahrzeug umzuſchlagen,
Das nur die flücht’gen Geifter faſſen kann.
Der Schein fol nie die Wirklichkeit erreichen,
Und fiegt Natur, fo muß die Kunſt entweichen.
7. Denn auf dem bretternen Gerüft der Scene
Wird eine Idealwelt aufgethan.
Nichts fei Hier wahr und wirklich als die Thräne;
Die Rührung ruht auf feinem Sinnenwahn
Aufridtig ift Die wahre Melpomene,
Sie kündigt nichts als eine Fabel an
Und weiß durch tiefe Wahrheit zu entzüden;
Die falfehe ftellt fih wahr, um zu berüden.
8. Es droht die Kunft vom Schauplat zu verſchwinden,
Ihr wildes Reich behauptet Phantafie;
Die Bühne will fie wie die Welt entzünden,
Das Niedrigfte und Höchſte menget fie.
Nur bei dem Franken war noch Kunſt zu finden,
Erſchwang er gleich ihr hohes Urbild nie;
Gebannt in unveränderliben Schranken
Hält er fie feit, und nimmer darf fie manfen.
9. Ein beiliger Bezirk ift ihm die Scene;
Verbannt aus ihrem feftlichen Gebiet
Sind ber Natur nahläffig rohe Töne,
Die Sprache felbit erhebt fih ihm zum Lieb;
— 731 —
Es ift ein Reich des Wohllauts und der Schöne,
In edler Ordnung greifet Glied in Glied,
Zum erniten Tempel füget fi das Ganze,
Und die Bewegung borget Reiz vom Tanze.
10. Nicht Mufter zwar darf uns der Franke werben!
Aus feiner Kunſt Spricht Fein lebend’ger Geift;
Des falihen Anſtands prunkende Gebärden
Verſchmäht der Sinn, der nur das Wahre preift.
Ein Führer nur zum Beflern ſoll er werden;
Er komme, wie ein abgeſchiedner Geift,
Zu reinigen die oft entweihte Scene
Zum würd’gen Sit der alten Melpomene.
Sr. v. Schiller. (1800.)
450. Zueignung.
1. Der Morgen kam; es fcheuchten feine Tritte
Den leifen Schlaf, der mich gelind umfing,
Daß ich ermaht aus meiner ftilen Hütte
Den Berg hinauf mit friiher Seele ging;
Ich freute mich bei einem jeden Schritte
Der neuen Blume, die voll Tropfen Bing;
Der junge Tag erhob fih mit Entzüden,
Und alles ward erquidt, mich zu erquiden.
2. Und mie ich ftieg, zog von dem Fluß der Wiefen
Ein Nebel fih in Streifen facht Hervor.
Er wid und wechſelte, mich zu umfließen,
Und wuchs geflügelt mir ums Haupt empor;
Des ſchönen Blicks ſollt' ich nicht mehr genießen,
Die Gegend dedte mir ein trüber Flor;
Bald ſah ih mid von Wollen wie umgoflen
Und mit mir felbft in Dämm'rung eingefchlofien.
3. Auf einmal ſchien die Sonne durchzudringen,
Am Nebel ließ fi eine Klarheit fehn.
Hier ſank er, leiſe fih hinabzuſchwingen;
Hier teilt’ er fteigend ih um Wald und Höhn.
Wie hofft” ich ihr den erften Gruß zu bringen!
Sie hofft’ ich nad der Trübe doppelt ſchön.
Der luft'ge Kampf war lange nicht vollendet,
Ein Glanz umgab mid, und ich fand geblenbet.
— 132 —
4. Bald machte mich, die Augen aufzufchlagen,
Ein inn’rer Trieb des Herzens wieder fühn;
Sch konnt' e8 nur mit fchnellen Blicken wagen,
Denn alles ſchien zu brennen und zu glühn.
Da fchwebte, mit den Wolfen hergetragen,
Ein göttlich Weib vor meinen Augen hin;
Kein ſchöner Bild fah ich in meinem Leben;
Sie ſah mi an und blieb verweilenb jchweben.
5. „Kennſt Du mich nicht?“ ſprach fie mit einem Munde,
Dem aller Lieb’ und Treue Ton entfloß:
„Erkennſt du mid, die ih in manche Wunde
Des Lebens dir den reinften Balfam goß?
Du kennſt mich wohl, an die zu ew'gem Bunbe
Dein ftrebend Herz fih feit und feiter fchloß.
Sah ih dich nicht mit heißen Herzensthränen
Als Knabe ſchon nah mir dich eifrig jehnen?“
6. „Sa!“ Tief ih aus, indem ich felig nieder
Zur Erde ſank, „Iang’ hab’ ich Dich gefühlt;
Du gabft mir Ruh’, wenn durch Die jungen Glieber
Die Leidenſchaft fich raſtlos durchgewühlt;
Du haſt mir wie mit himmliſchem Gefieder
Am heißen Tag die Stirne fanft gekühlt;
Du fchenkteft mir der Erde beite Gaben,
Und jedes Glüd will ich durch di nur haben!
7. Di nenn’ ih nit. Zwar Hör’ ich dich von vielen
Gar oft genannt, und jeder heißt dich fein;
Ein jedes Auge glaubt auf dich zu zielen,
Faſt jedem Auge wird dein Strahl zur Pein.
Ad, da ich irrte, hatt’ ich viel Gefpielen;
Da ich dich kenne, bin ich faft allein;
Ich muß mein Glück nur mit mir felbft genießen,
Dein holdes Licht verbeden und verfchließen.“
8. Sie lädelte, fie ſprach: „Du fiehft, wie Hug,
Wie nötig war's, euch wenig zu ‚enthüllen!
Kaum bift du fiher vor dem gröbften “Trug,
Kaum bift du Herr vom erften Kinderwillen,
So glaubft du dich ſchon Übermenfch genug,
Berjäumft die Pflicht des Mannes zu erfüllen!
Wie viel bit du von andern unterſchieden?
Erkenne dich, Ieb’ mit Der Welt in Frieden!“
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9. „Berzeih mir!“ vief ih aus, „ich meint’ es gut.
Sol ih umfonft die Augen offen haben?
Ein froher Wille lebt in meinem Blut,
Sch Tenne ganz den Wert von deinen Gaben!
Für andre wächſt in mir das eble Gut,
Ich Tann und will das Pfund nit mehr vergraben!
Warum fuht’ ih den Weg fo fehnfuchtsvoll,
Wenn ich ihn nicht den Brüdern zeigen fol?”
10. Und wie ich ſprach, ſah mich das hohe Weſen
Mit einem Blick mitleid’ger Nahfiht an;
Ich Tonnte mich in ihrem Auge lefen,
Was ich verfehlt und mas ich recht gethan.
Ste lächelte, da war ich ſchon genefen,
Zu neuen Freuden ftieg mein Geift heran;
Ich konnte nun mit innigem Vertrauen
Mich zu ihr nahn und ihre Nähe fchauen.
11. Da vedte fie die Hand aus in bie Streifen
Der leichten Wolfen und des Dufts umber;
Mie fie ihn faßte, ließ er fich ergreifen,
Er ließ fich ziehn: es war fein Nebel mehr.
Mein Auge konnt' im Thale wieder fchmeifen,
Gen Himmel blidt’ ich: er war hell und Hehr.
Nur ſah ich fie den reinften Schleier halten,
Er floß um fie und ſchwoll in taufend Yalten.
12. „Ich kenne dich, ich kenne deine Schwächen,
Ih weiß, mas Gutes in dir lebt und glimmt!“
So fagte fie, ich hör’ fie ewig ſprechen:
„Empfange bier, was ich dir lang’ beftimmt;
Dem Glüdlichen kann es an nichts gebrechen,
Der dies Geſchenk mit Stiller Seele nimmt:
Aus Morgenduft gewebt und Sonnenklarheit,
Der Didtung Schleier aus der Hand der Wahrheit.
13. Unb wenn es dir und beinen Freunden ſchwüle
Am Mittag wird, jo wirf ihn in die Luft!
Sogleih umfäufelt Abendwindestühle,
Umhaucht euch Blumen-Würzgeruh und Duft.
Es ſchweigt das Wehen banger Erbgefühle,
Zum Wollenbette wandelt fi die Gruft,
Belänftiget wird jede Lebenswelle,
Der Tag wird lieblih, und die Nacht wird belle.“
— 134 —
14. So kommt denn, Freunde, wenn auf euren Wegen
Des Lebens Bürde fchwer und ſchwerer drüdt,
Wenn eure Bahn ein frifch erneuter Segen
Mit Blumen ziert, mit goldnen Früchten ſchmückt;
Wir gehn vereint dem nächſten Tag entgegen!
Sp leben wir, fo wandeln wir beglüdt.
Und dann aud foll, wenn Enkel um uns trauern,
Zu ihrer Luft noch unjere Liebe dauern.
W. v. Goethe. (1754.)
451. Zu Leilings Deulmal.
1. Jeder Deutfche, wenn er Lelfing nennen böret, fühle Etol;!
Der, der Bildung Baum zu pflanzen, audgereutet faules Holz,
Deutfchen Geiftes ſprödes Erz mit männlicher Begeift’rung fchmoß,
Und wohin er immer zielte, ſtets ing Schwarze ſchoß den Bol;
2. hm ein Denkmal zu errichten braucht es nicht, er hat's gethen;
Aber wie wir ihm verpflichtet una erkennen, zeig’ e8 an:
Er hat eingefchlagen, die wir wollen gehn, der Forſchung Bahn,
Und zum Biel der Wahrheit, das wir fuchen, ging er uns voran
3. Er zuerft Bat unfer Weſen fremder Feſſel frei gemacht
Und zu Ehren vor Europas Augen unjer Boll gebracht;
Drum, folang’ in uns Gefühl der Ehre, Mut der Freiheit wacht
Als Befreiers, u, e ‚od refing, — gedacht.
‚Sr. Rüdert.
452. Kantate bei Enthällung der Steine Eqillers.
Stuttgart am 8. Mai 1839.
1. Dem Beitern Himmel ew’ger Kunſt entitiegen,
Tein Heimatland begrüßeft du,
Uab. aller — alle Herzen Leon:
O — zul
Frauen.
2. Des Lerzes friſchen Segen,
D Meilter, briugen wir,
Bethränte Kränze legen
Wir fromm zu Füßen Dir.
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Männer.
| 3. Der in bie deutfche Leier
Mit Engelftimmen fang,
Ein überirdifh Feuer
In alle Seelen ſchwang;
4. Der aus ber Mufe Blicken
Selige Wahrheit las,
In ew'gen Weltgejchiden
Das eigne Weh vergaß;
Frauen.
5. Ach, der an Herz und Sitte
Ein Sohn der Heimat war,
Stellt ſich in unſrer Mitte
Ein hoher Fremdling dar.
*
6. Doc ſtille! Horh! — Yu feierlichen Laufchen
Berftummt mit eins der Feſtgeſang: — —
Mir hörten deines Adlerfittichs Rauſchen
Und deines Bögens ſtarken Klang!
Ed. Mörite.
458. Auf das Grab voun Schillers Mutter.
Cleverſulzbach, im Mai.
Nah der Seite des Dorfs, mo jener alternde Zaun dort
Ländliche Gräber umfchließt, wall’ ih in Eimfamteit oft.
Eieh den gefunfenen Hügel! es kennen die älteften Greife
Kaum ihn noch, und es ahnt niemand ein Heiligtum hier.
Jegliche Zierde gebricht und jedes deutende Keichen;
Dürftig breitet ein Baum ſchüutzende Arme umher.
Milde Roſe! dich find’ ih allein ftatt anderer Blumen;
Ja, beihäme fie nur, brid als ein Wunder bervor!
Taufendblättrig eröffne dein Herz! entzünde dich herrlich
Am begeifternden Duft, den aus ber Tiefe du ziehft!
Eines Unſterblichen Mutter liegt Hier beftattet; es richten
Deutſchlands Männer und Frau'n eben den Marmor ihm auf.
&. Mörtte. (1889.)
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454. Seiner Grogmutier zum zweinudfiebzigften
Geburtstag.
Vieles Haft du erlebt, du teure Mutter! und ruhſt nun
Glücklich, von Fernen und Nah'n Ticbend beim Namen
genannt,
Mir auch herzlich geehrt in des Alters filberner Krone,
Unter den Kindern, die bir reifen und wachſen und blühn.
Zanges Leben bat dir die fanfte Seele gemonnen
Und die Hoffnung, die dich freundli im Leiden geführt.
Denn zufrieben bift du und fromm, wie die Mutter, die einft den
Beiten der Menſchen, den Freund unferer Erde, gebar.
Ah! fie willen es nicht, wie der Hohe wandelt’ im Volke,
Und vergeflen ift faft, was der Lebendige mar.
Menige kennen ihn doch, und oft erfcheinet erheiternd
Mitten in ftürmifher Zeit ihnen das himmliſche Bild.
Allverföhnend und ſtill, mit armen Sterblichen ging er,
Diefer einzige Mann, göttlich im Geifte, dahin.
Keins der Lebenden war aus feiner Seele geſchloſſen,
Und die Leiden der Welt trug er an liebender Bruft
Mit dem Tode befreundet’ er fih; im Namen der andern
Ging er aus Schmerzen und Mühn, fiegend zum Pater
urüd.
Und du kennſt ihn auch, du teure Mutter, und wandelſt
Glaubend und duldend und ftill ihm, dem Erhabenen, nad).
Sieh! e3 haben mich felber verjüngt die kindlichen Worte,
Und es rinnen, mie einft, Thränen vom Auge mir nod);
Und ich denke zurück an längft vergangene Tage,
Und die Heimat erfreut wieder mein einfam Gemüt,
Und das Haus, mo ich einft bei deinen Segnungen aufwuchs,
Mo, von Liebe genährt, fchneller der Knabe gedieh.
AH! wie dacht' ih dann oft, du follteft meiner Dich freuen,
Menn ih ferne mich ſah wirkend in offener Welt.
Manches Hab’ ich verſucht und geträumt und habe die Bruft mir
Wund gerungen indes; aber ihr heilet fie mir,
D ihr Lieben! und lange, wie du, o Mutter, zu leben,
Will ich lernen, es ift ruhig das Alter und fromm.
Kommen will ich zu dir; dann fegne den Enfel noch einmal,
Daß dir halte der Mann, mas er als Knabe gelobt.
Sriedr. Hölderlin. (17%.)
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455. Ber beflere Teil.
1. ung und harmlos ift die Natur, der Menſch nur
Altert, Schuld aufhäufend umher und Elend;
Drum verhieß ihm auch die gerechte Vorſicht
Tod und Erlöfung.
2. Stets von heute auf morgen vertagt die Hoffnung
Ahr Phantom. Ausmandert der Menih in fremden
Himmelsſtrich; doch taufcht er indes die Not nur
Gegen die Not aus.
3. Stets um Freiheit buhlt das Gemüt, um Kenntnis;
Doch um uns liegt rings, mie ein Reif, Beſchränkung;
Keine Kraft, felbft Tugend vermag der Zeit nicht
Immer zu trogen.
4. Manden Flug wagt menjchliches Wiſſen, das doch
Kaum ein Blatt aufihlägt in dem Buch des MWeltalls;
Bilt du je Milchſtraßen entlang gewandelt
Nach dem Drion?
5. Nein — und deshalb lehrte der Mann der Weisheit,
Den die Welt dankbar den Erlöſer nannte,
Zuverficht auf höheren Waltens Allmadht,
Lehrte den Glauben.
6. Thätigkeit Löft Rätſel und baut der Menfchheit
Schönftes Werk; doch ſchmähe fie drum ein ftilles,
Sanftes Herz nicht, weil es ermählt den befjern
Teil, wie Maria.
Augnfi Graf v. Platen.
456. Wenn ich ihn nur habe.
1. Wenn ih ihn nur habe,
Menn er mein nur ift,
Wenn mein Herz bi8 hin zum Grabe
Seine Treue nicht vergißt,
Weiß ich nichts von Leibe,
Fühle nichts als Andacht, Lieb’ und Freude.
2. Wenn ich ihn nur babe,
Laſſ' ich alles gern,
Folg’ an meinen Wanderftabe,
Treugefinnt nur meinem Herrn,
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Lafle fill die andern
Breite, lichte, volle Straßen wandern.
3. Wenn ich ihn nur habe,
Schlaf’ ich fröhlich ein;
Emwig wird zu füßer Labe
Seines Herzend Flut mir fein,
Die mit fanftem Zwingen
Alles wird erweichen und durchdringen.
4. Wenn ich ihn nur babe,
Hab’ ich auch die Welt;
Selig wie ein Himmelsfnabe,
Der der Jungfrau Schleier hält,
Hingeſenkt im Schauen,
Kann mir vor dem Irdiſchen nicht grauen.
5. Mo ich ihn nur habe,
Iſt mein Vaterland;
Und es fällt mir jebe Gabe
Mie ein Erbteil in die Hand,
Längft vermißte Brüber
Find’ ih nun in feinen Jüngern mieber.
flovalie.
451. Frieden.
Hoh am Himmel ftand die Sonne,
Bon weißen Wollen ummogt;
Das Meer war ftill,
Und finnend lag ich am Steuer des Schiffes,
Träumerifch finnend, — und halb im Wachen
Und Halb im Schlummer, ſchaute ich Chriitus,
Den Heiland der Welt.
Sm wallend weißen Gemande
Wandelt' er riefengroß
Über Land und Meer:
Es ragte fein Haupt in den Himmel,
Die Hände ftredte er jegnend
Über Land und Meer;
Und als ein Herz in. der Bruft
Trug er die Sonne,
Die rote, flammende Sonne;
Und das rote, Hammende Sonnenherz
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Goß feine Gnadenftrahlen 2
Und fein holdes, Liebjeliges Licht,
Erleuchtend und wärmend,
Über Land und Meer.
Glodentlänge zogen feierlich
Hin und ber, zogen wie Schwäne
An Rofenbändern daB gleitende Schiff
Und zogen es fpielend ans grüne Ufer,
Wo Menfchen wohnen in hochgetürmter,
Ragender Stadt.
D Friedenswunder! Wie ftill ift bie Sieb!
Es rubte dad dumpfe Geräuſch
Der ſchwatzenden, ſchwülen Gewerbe, .
Und durch die reinen, hallenden Straßen.
Wandelten Menſchen, meißgelleibete,
Palmzmweigtragende,
Und wo ſich zwei begegneten,
Sahn fie fih an, verftändmisinnig,
Und fchauernd, m Liebe und ſüßer Entfagung,
Küßten fie fi auf die Stirne
Und Ichauten hinauf
Nah des Heilands Sonnenberzen,
Das freudig verföhnend fein rotes Blut
Hinunterftrahlte,
Und dreimal=felig ſprachen fie:
„Gelobt fei Jeſus Chrijt!“
Beinr. Beine.
Der Seraph ftammelt, und die Unendkichkeit
Bebt dur den Umkreis ihrer Gefilde nad
Dein hohes Lob, o Sohn! Wer Bin ich,
Daß ih mid aud in die Jubel dränge?
Vom Staube Staub! Doch wohnt ein..Unfterblicher
Bon hoher Abkunft in. den Berweiungen
Und denkt Gedanken, daß Entzüdung
Durch die erfchütterte Nerve ſchauert!
Auch du wirft einmal mehr wie Verweſung fein,
Der Seele Schatten, Hütte, von Erd’ erbaut,
Und andrer Schauer Trunkenheiten
Werden Dich dort, wo bu fchlummerft, meiden.
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11.
12,
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Der Leben Schauplag, Feld, mo wir Ichlummerten,
Wo Adams Enkel wird, was fein Bater war,
Als er fich jegt der Schöpfung Armen
Sauchzend entrig und ein Leben daftand!
D Feld vom Aufgang bis, wo fie untergeht,
Der Sonnen letzte, heiliger Toter voll,
Wann ſeh' ih dich? wann weint mein Auge
Unter den taufendmal taujend Thränen?
Des Schlafes Stunden oder Jahrhunderte,
Fließt fchnell vorüber, fließt, daß ich auferfteh’!
Allein fie fäumen, und ih bin noch
Diesfeit am Grabe. D belle Stunde,
Der Ruh' Gefpielin, Stunde des Todes, komm!
D du Gefilde, mo der Uniterblichkeit
Dies Leben reift, noch nie befuchter
Ader für ewige Saat, wo bift du?
Laß mich dort Hingehn, daß ich die Stätte ſeh',
Mit hingeſenktem, trunkenem Blick fie ſeh'!
Der Ernte Blumen drüber ſtreue,
Unter die Blumen mich leg' und ſterbe!
Wunſch großer Ausfiht, aber nur Glücklichen!
Wenn du, die ſüße Stunde der Seligkeit,
Da wir dich wünſchen, kämſt: wer gliche
Dem, der alsdann mit dem Tode ränge?
Dann miſcht' ich Fühner unter den Throngeſang
Des Menſchen Stimme, fänge dann heiliger
Den meine Seele liebt, den Belten
Aller Gebornen, den Sohn bed Vaters!
Doch laß mich leben, daß am erreichten Ziel
Ich fterbe! daß erft, wenn es gefungen ift,
Das Lied von dir, ih triumphierend
Über das Grab den erhabnen Weg geh’!
D du mein Meifter, der du gewaltiger
Die Gottheit lebrteit, zeige die Wege mir,
Die du da gingſt, worauf die Seher,
Deine Verlündiger, Wonne fangen.
Dort ift es himmliſch! Ach, aus der Ferne Nacht
Folg' ih der Spur nad, welche bu wandelteft;
Dod füllt von deiner Strahlenhöße
Schimmer herab, und mein Auge ftebt ihn.
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14. Dann bebt mein Geift fih, dDürftet nach Ewigkeit,
Nicht jener kurzen, die auf ber Erbe bleibt;
Nach Palmen ringt er, die im Himmel
Für der Unfterbliden Rechte fprofien.
15. eig mir die Laufbahn, wo an bem fernen Biel
Die Palme wehet! Weinen erhabenften
Gedanten, lehr' ihn Hoheit! führ ihm
Wahrheiten zu, die es ewig bleiben!
16. Daß ich den Nahhall derer, die's ewig find,
Den Menſchen finge! daß mein gemeihter Arm
Vom Altar Gottes Flammen nehme,
Flammen ins Herz der Erlöiten firöme!
är. 6. Rlopfiod. (Iriedenburg 1761.)
459. Die FYrühlingsfeier.
Nicht in den Ozean der Welten alle
Will ih mich ſtürzen! ſchweben nicht,
- Mo die erften Erfchaffnen, die Jubelchöre der Söhne des Lichts,
Anbeten, tief anbeten und in Entzüdung vergehn!
Nur um den Tropfen am Eimer,
Um die Erde nur will ich ſchweben und anbeten!
Halleluja! Halleluja! Der Tropfen am Eimer
Rann aus der Hand des Allmächtigen aud!
Da der Hand des Allmächtigen
Die größeren Erden entquollen,
Die Ströme des Lichts raufchten und Siebengeftirne wurden,
Da entranneft du, Tropfen, der Hand bes Allmächtigen!
Da ein Strom des Lichts raufcht’ und unfre Sonne wurde,
Ein Wogenfturz fich ftürzte wie vom Felſen
Der Wolf’ herab und den Drion gürtete,
Da entranneft du, Tropfen, der Hand des Allmächtigen!
Mer find die taufendmal Taufend, wer die Myriaden alle,
Welche ven Tropfen bewohnen und bewohnten? und mer bin ich?
Halleluja dem Schaffenden! mehr wie die Erden, die quollen!
Mehr wie die Siebengeftirne, die aus Strahlen zufammenftrömten!
Aber du Frühlingswürmchen,
Das grünlich golden neben mir fpielt,
Du lebſt — und bift vielleicht
Ah, nicht unsterblich!
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Ich bin berausgegangen anzubeten,
Und ih meine? DBergieb, vergieb
Auch diefe Thräne dem Enblichen,
D du, der fein wird!
Du wirft die Zweifel alle mir enthüllen,
D du, der mid durch das dunkle Thal
Des Todes führen wird. Ich lerne dann,
Db eine Seele das goldene Würmchen hatte.
Biſt du nur gebilbeter Staub,
Sohn des Mais, jo werde denn
Wieder verfliegender Staub,
Dber was fonft der Ewige will!
Ergeuß von neuem du, mein Auge,
Freubenthränen !
Du, meine Harfe,
Preije den Herrn!
Ummunben wieder! mit Palmen
Iſt meine Harf’ ummunden! ich finge dem Herrn!
Hier fteh’ ih. Nund um mid
Sit alles Allmacht und Wunder alles!
Mit tiefer Ehrfurcht ſchau' ich die Schöpfung an,
Denn du,
Namenlofer, du
Schufeſt fie.
Lüfte, die um mich wehn und fanfte Kühlung
Auf mein glühendes Angeſicht hauchen,
Euch, wunderbare Lüfte,
Sandte der Herr, der Unendliche.
Aber jegt werben fie ftill, kaum atmen fie.
Die Morgenjonne wird ſchwül;
Wolfen ftrömen herauf!
Sichtbar ift, der kommt, der Emige!
Nun ſchweben fie, raufchen fie, mwirbeln die Winde!
Wie beugt fih der Wald! Wie hebt ſich der Strom!
Sichtbar, wie du es Sterblichen fein Tannit,
Ya, das bift du, fichtbar, Unenblicher!
Der Wald neigt fi, der Strom fliehet; und ich
Falle nicht auf mein Angeficht?
° Herr! Herr! Gott! barmherzig und gnädig!
Du Naher, erbarme dich meiner!
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Zürneft du, Herr,
Weil Naht dein Gewand ift?
Diefe Nacht ift Segen der Erbe.
Vater, du zürneft nicht!
Sie kommt, Erfriſchung auszufchütten
Über den ſtärkenden Halm,
Über die herzerfreuende Traube.
Dater, du zürneſt nicht!
Alles ift ftil vor dir, du Naber!
Ringe umber ift alles ftill!
Auch das Würmchen, mit Golde bededt, merkt auf.
Iſt es vielleicht nicht ſeelenlos? ift es unſterblich?
Ah, vermöcht' ich dich, Herr, wie ich dürfte, zu preifen!
Immer herrlicher offenbareft du dich!
Immer dunkler wird die Naht um did
Und voller von Segen!
Seht ihr den Zeugen des Naben, den züdenden Strahl?
Hört ihr Jehovahs Donner?
Hört ihr ihn? hört ihr ihn,
Den erichütternden Donner des Herrn?
Herr! Herr! Gott!
Barmherzig und gnädig!
Angebetet, gepriejen
Eei dein herrliher Name!
Und die Gewitterwinde? fie tragen den Donner.
Die fie rauſchen! wie fie mit lauter Woge den Wald durchftrömen !
Und nun jchweigen fie. Langſam wandelt
Die Schwarze Wolfe.
Seht ihr den neuen Zeugen des Nahen, den fliegenden Strahl?
Höret ihr hoch in der Wolfe den Donner des Herm?
Er ruft: Sehovah! Jehovah!
Und der geſchmetterte Wald dampft!
Aber nicht unfre Hütte!
Unfer Vater gebot
Seinem Berbderber,
Vor unfrer Hütte vorüberzugehn.
Ad, ſchon rauſcht, ſchon rauſcht
Himmel und Erde vom gnädigen Regen!
Nun iſt, wie dürſtet ſie! die Erd' erquickt
Und der Himmel der Segensfüll' entlaſtet.
— TA —
27. Siehe, nun kommt Jehovah nicht mehr im Wetter;
In ftilem, fanften Säufeln
Kommt Jehovah,
Und unter ihm neigt ſich der Bogen des Friedens!
Ir. 6. Rlopflod. (Kopenhagen 1759.)
460. Ber Zürcherſee.
1. Schön ift, Mutter Natur, deiner Erfindung Pracht,
Auf die Fluren verftreut; ſchöner em froh Geſicht,
Das den großen Gedanken
Deiner Schöpfung noch einmal dent.
2. Bon des fhimmernden Sees Traubengeftaben ber,
Dder, floheft du ſchon wieder zum Himmel auf,
Komm in rötendem Strahle
Auf dem Flügel der Abendluft,
3. Komm, und lehre mein Lied jugendlich heiter fein,
Süße Freude, wie du! gleich dem befeelteren,
Schnellen Jauchzen des Sünglings,
Sanft, der fühlenden Fanny gleich!
4. Schon lag hinter und weit Uto, an deſſen Fuß
Zürich in ruhigem Thal freie Bewohner nährt;
Schon war manches Gebirge
Bol von Reben vorbeigeflohn.
5. Jetzt entwölkte fi fern filberner Alpen Höh',
Und der Sünglinge Herz ſchlug ſchon empfindender,
Schon verriet es berebter
Sich der jchönen Begleiterin.
6. Hallers „Doris“, die fang, felber des Liebes wert,
Hirzels Daphne, den Kleift innig mie Gleimen liebt;
Und mir Sünglinge fangen
Und empfanden wie Hagedorn.
7. Seo nahm uns die Au in die befchattenden
Kühlen Arme des Walds, welcher die Inſel Frönt;
Da, da kameſt du, Freude,
Volles Maßes auf und herab!
8 Göttin Freude, du felbft! dich, wir empfanden dich!
Sa, du wareſt es felbit, Schmeiter der Menfchlichkeit,
Deiner Unfchuld Gefpielin, |
Die fich über uns ganz ergoß!
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— MW —
Süß ift, fröhlicher Lenz, deiner Begeifterung Haud,
Wenn die Flur Dich gebiert, wenn fi dein Odem fanft
In der Jünglinge Herzen
Und die Herzen der Mädchen gießt.
Ah, du madhft das Gefühl fiegend! es fteigt Durch dich
Jede blühende Bruft fchöner und bebender,
Zauter redet der Liebe
Nun entzauberter Mund duch dich!
Lieblih mwinfet der Wein, wenn er Empfindungen,
Beſſre, fanftere Luft, wenn er Gedanken wintt,
Sm fofratifchen Becher _
Bon der tauenden Roſ' umlränzt;
Wenn er dringt bis ins Herz und zu Entichließungen,
Die der Säufer verkennt, jeden Gedanlken wedt,
Wenn er lehret verachten,
Mas nicht würdig des Weiſen ift.
Reizvoll klinget des Ruhms lodender Silberton
In das ſchlagende Herz, und die Unfterblichkeit
Iſt ein großer Gedanle,
Iſt des Schmeißes der Edlen wert!
Durch der Lieder Gewalt bei der Urenkelin
Sohn und Tochter noch fein; mit der Entzüdung Ton
Dft beim Namen genennet,
Dft gerufen vom Grabe ber,
Dann ihr fanfteres Herz bilden und, Liebe, Dich,
Fromme QTugend, dich auch gießen ins fanfte Herz,
Iſt, beim Himmel! nicht wenig,
Iſt des Schweißes der Eblen wert!
Aber ſüßer ift noch, ſchöner und reizenber,
In dem Arme des Freunde willen ein Freund zu fein!
So das Leben genießen,
Nicht unmärbig der Emigfelt!
Treuer Zärtlichkeit voll, in den Umſchattungen,
In den Lüften des Walds, und mit geſenktem Blick
Auf die filberne Welle,
That ich jchmeigend den frommen Wunſch:
Wäret ihr auch bei uns, die ihr mich ferne liebt,
In des PVaterlands Schoß einfam von mir verftreut,
Die in feligen Stunden
Meine ſuchende Seele fanb:
— 746 —
19. D fo bauten wir bier Hütten der Freundſchaft uns!
Ewig wohnten wir hier, ewig! Der Schattenwald
Wandelt' uns fih in Tempe,
Jenes Thal in Elyfium!
Ir. 6. Riopfiod. (Zürich 17%.
461. Ber Harz.
1. Herzlich jet mir gegrüßt, wertes Cherusterland,
Land des nervigen Arms und der gefürdteten
Kühnheit, freieres Geiftes,
Denn das blache Gefild umher!
2. Dir gab Mutter Natur aus der vergeudenden
Urne männliden Shmud, Einfalt und Würde dir,
Woltenhöhnende Gipfel,
Donnerhallende Ströme dir.
3. Am antwortenden Thal wallet die goldene
Flut des Segen? und firömt in den genügjamen
Schoß des lächelnden Fleißes,
Der nicht kärglich die Garben zählt.
4. Schafe weiden die Trift, auf der gemwäflerten
Aue brüßlet der Stier, ftampft das gejättigte
Roß; die bärtige Ziege
Klımmt den zadigen Fels hinan.
5. Wie der fchirmende Forft deinem erbabenen
Naden ſchattet! Er nährt ftolzges Geweihe dir,
Dir den ſchnaubenden Keuler,
Der entgegen der Wunde rennt.
6. Dein wohlthätiger Schoß, jelten mit goldenem
Fluche ſchwanger, verleiht nützendes Eifen uns,
Das den Ader durchichneidet
5 Und das Erbe der Väter ſchützt.
7. Dir giebt veinere Luft und die teutoniſche
Keufchheit Jugend von Stahl. Moofigen Eichen gleic,
Achten filberne Greife
Nicht der eilenden Jahre Flug.
8 Dort im mwebenden Hain wohnt die Begeifterung,
Felfen jauchzten zurüd, wenn fih der Barden Sana,
Unter bebenden Wipfeln
Dur das ballende Thal ergoß.
— 747 —
9. Und dein Hermann vernahm's! Sturm war ſein Arm, ſein
Schwert
Wetterflamme; betäubt ſtürzten die trotzigen
Römeradler, und Freiheit
Strahlte wieder im Lande Teuts!
10. Doch des Heldengeſchlechts Enkel verhülleten
Hermanns Namen in Nacht, bis ihn (auch er dein Sohn)
Klopftods mächtige Harfe
Sang der hordhenden Ewigkeit.
11. Heil, Cherustia, dir! Furchtbar und ewig fteht,
Gleich dem Broden, dein Ruhm. Donnernd verkünden dich
Freiheitsſchlachten und donnernd
Dich unfterblicher Lieder Klang.
Sr. Ceop. Graf v. Stolberg. (1772.)
462. Harzreiſe im Winter,
1 Dem Geier gleich,
Der auf ſchweren Morgenwolfen
Mit fanftem Fittich ruhend
Nah Beute fchaut,
5 Schwebe mein Lieb.
Denn ein Gott bat
Jedem feine Bahn
Vorgezeichnet,
Die der Glüdliche
10 Raſch zum freudigen
Biele rennt;
Wem aber Unglüd
Das Herz zufammenzog,
Cr fträubt vergebens
15 Sich gegen die Schranten
Des ebenen Fadens,
Den die doch bittre Schere
Nur einmal löft.
In Didihts- Schauer
20 Drängt fih das rauhe Wild,
Und mit den Sperlingen
Haben längft die Reichen
In ihre Sümpfe fih gefentt.
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Leicht ift’3 folgen dem Wagen,
Den Fortuna führt,
Wie der gemächliche Troß
Auf gebeflerten Wegen
Hinter des Fürſten Einzug.
Aber abfeits wer ift’3?
Ins Gebüſch verliert fih fein Pfad.
Hinter ihm fchlagen
Die Sträude zufammen,
Das Gras fteht wieder auf,
Die Ode verichlingt ihn.
Aber wer Beilet die Schmerzen
Des, dem Balfam zu Gift ward?
Der fih Menſchenhaß
Aus der Fülle der Liebe trank?
Erit verachtet, nun ein Verächter,
Zehrt er heimlich auf
Seinen eignen Wert
In ung’nügender Selbftfucht.
Iſt auf deinem Pfalter,
Bater der Liebe, ein Ton
Seinem Ohre vernehmlich,
So erquicke ſein Herz!
Öffne den umwöllten Blick
Über die tauſend Quellen
Neben dem Durſtenden
In der Wüſte!
Der du der Freuden viel ſchaffſt,
Jedem ein überfließend Maß,
Segne die Brüder der Jagd
Auf der Fährte des Wilds
Mit jugendlichem Übermut
Fröhlicher Mordſucht,
Späte Rächer des Unbilds,
Dem ſchon Jahre vergeblich
Wehrt mit den Knütteln der Bauer.
Aber den Einſamen hüll'
In deine Goldwolken!
Umgieb mit Wintergrün,
Bis die Roſe wieder heranreift,
Die feuchten Haare,
D Liebe, deines Dichters!
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Mit der dämmernden Yadel
Leuchteſt du ihm
Durch die Furten bei Nacht,
Über grundlofe Wege
70 Auf öden Gefilden;
Mit dem taufendfarbigen Morgen
Lachſt du ins Herz ihm;
Mit dem beigenden Sturm
Trägit du ihn Hoch empor;
75 MWinterftröme ftürzen vom Felfen
In feine PBialmen,
Und Altar des lieblichſten Danks
Wird ihm des gefürdteten Gipfels
Schneebehangner Scheitel,
80 Den mit Geifterreihen
Kränzten ahnende Völker.
Du ſtehſt mit unerforſchtem Buſen
Geheimnisvoll offenbar
Über der erſtaunten Welt
85 Und ſchauſt aus Wollen
Auf ihre Reiche und Herrlichkeit,
Die du aus den Adern deiner Brüder
Neben dir wäſſerſt.
m. v. Goethe. (Tezember 1777.)
463. Ilmenan.
Am 3. September 1783.
Anmutig Thal! du immergrüner Hain!
Mein Herz begrüßt euch wieder auf das befte.
Entfaltet mir die ſchwerbehangnen Aſte,
Nehmt freundlihd mid in eure Schatten ein,
Erquidt von euren Höhn, am Tag der Lieb’ und Luft,
Mit friiher Luft und Balſam meine Brut!
Wie Febr’ ich oft mit wechlelndem Geſchicke,
Erhabner Berg! an deinen Fuß zurüde!
D laß mich heut an deinen ſachten Höhn
Ein jugendlih, ein neues Even fehn!
Ich hab’ es wohl auch mit um euch verbienet:
Ich forge ftill, indes ihr ruhig grünet.
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Laßt mich vergeflen, daß auch bier die Welt
So manch Geihöpf in Erdefeſſeln hält,
Der Landmann leichtem Sand den Samen anvertraut
Und feinen Kohl dem freden Wilde baut,
Der Knappe karges Brot in Klüften fucht,
Der Köhler zittert, wenn ber Jäger flucht.
Verjüngt euch mir, wie ihr es oft gethan,
Als fing’ ich heut ein neues Leben an.
Ihr ſeid mir hold, ihr gönnt mir dieſe Träume,
Sie ſchmeicheln mir und loden alte Reime.
Mir wieber felbit, von allen Menfchen fern,
Wie bad’ ih mid in euren Düften gern! '
Melodiſch raufcht die hohe Tanne wieder, |
Melodiſch eilt der Waſſerfall hernieder; |
Die Wolle finkt, der Nebel drüdt ins Thal, |
Und es ift Naht und Dämmrung auf einmal
Im finiten Wald, beim Liebesblid der Sterne,
Wo ift mein Pfad, den forglos ich verlor? |
Mel feltne Stimmen Hör’ ich in ber ferne?
Sie ſchallen wechſelnd an dem Feld empor.
Sch eile fat zu fehn, was es bedeutet,
Wie von des Hiriches Ruf der Jäger ftill geleitet.
Mo bin ih? Iſt's ein Zaubermärden-Lanb? ' |
Welch nächtlies Gelag am Fuß ber Zellenwand?
Bei Meinen Hütten, dicht mit Reis bedecket,
Seh’ ich fie froh and Feuer hingeſtrecket.
Es dringt der Glanz body dur den Fichtenſaal,
Am nievern Herde kocht ein rohes Mahl;
Sie ſcherzen laut, indefien bald geleeret
Die Flafche frifh im Kreiſe wieberfehret.
Sagt, wem vergleich” ich diefe muntre Schar?
Bon wannen kommt fie? um wohin zu ziehen?
Mie ift an ihr doch alles wunderbar!
Soll ih fie grüßen? fol ich vor ihr fliehen?
Sit es der Jäger wildes Geifterheer?
Sind's Gnomen, bie hier Zauberfünfte treiben?
Sch feh’ im Buſch der Kleinen Feuer mehr; |
Es ſchaudert mid, ih wage kaum zu bleiben.
Iſt's ber Agyptier verdächt'ger Aufenthalf?
Iſt es ein flücht'ger Fürft wie im Ardenner⸗Walb?
Soll ich Berirrter hier in den derfchlungnen Gründen |
Die Geifter Shafefpeares gar verkörpert finden?
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Ja, der Gedanke führt mich eben recht:
Sie ſind es ſelbſt, wo nicht ein gleich Geſchlecht!
Unbändig ſchwelgt ein Geiſt in ihrer Mitten,
Und durch die Roheit fühl' ich edle Sitten.
Wie nennt ihr ihn? Wer iſt's, der dort gebückt
Nachläſſig ſtark die breiten Schultern drückt?
Er ſitzt zunächſt gelaſſen an der Flamme,
Die markige Geſtalt aus altem Heldenſtamme.
Er ſaugt begierig am geliebten Rohr,
Es ſteigt der Dampf an ſeiner Stirn empor.
Gutmütig trocken weiß er Freud’ und Lachen
Sm ganzen Zirkel laut zu maden,
Wenn er mit ernftlihem Geficht
Barbarifch bunt in fremder Mundart ſpricht.
Mer ift der andre, der fich nieder
An einen Sturz des alten Baumes lehnt
Und jetne langen, feingeftalten Glieder
Ekſtatiſch faul nad allen Seiten dehnt
Und, ohne daß die Becher auf ihn hören,
Mit Geiftesflug fih in die Höhe ſchwingt
Und von dem Tanz der bimmelhohen Sphären
Ein monotones Lied mit großer Inbrunſt fingt?
Doch fcheinet allen etwas zu gebrecen.
Sch höre fie auf einmal leife jprechen,
Des Yünglings Ruhe nicht zu unterbrechen,
Der dort am Ende, wo das Thal fich ſchließt,
In einer Hütte leicht gezimmert,
Bor der ein lehter Bli des kleinen Feuers fchimmert,
Bom Waſſerſtrahl umraufcht, des milden Schlaf? genießt.
Mich treibt das Herz, nach jener Kluft zu wandern;
Ich jchleiche ftill und ſcheide von ben andern.
Sei mir gegrüßt, der bier in fpäter Nacht
Gedantenvoll an diefer Schwelle wacht!
Mas figeft du entfernt von jenen Freuden?
Du ſcheinſt mir auf mas Wichtiges bedacht.
Was iſt's, daß du in Sinnen bich verliereft
Und nicht einmal dein Heine Feuer fchüreft?
„O frage nicht, denn ich bin nicht bereit,
Des Fremden Neugier leicht zu ftillen.
Sogar verbitt’ ich deinen guten Willen;
Hier ift zu ſchweigen und zu leiden Zeit.
— 752 —
Ich bin dir nicht im ftande felbft zu fagen,
Woher ich fei, mer mich hierher gefandt;
Bon fremden Zonen bin ich ber verichlagen
Und durch die Freundſchaft feitgebannt.
100 Mer kennt fich jelbft, wer weiß, mas er vermag?
Hat nie der Mutige Verwegned unternommen?
Und was du thuft, ſagt erſt der andre Tag,
War es zum Schaden oder Frommen.
Lieb nicht Prometheus felbit die reine Himmeldglut
105 Auf frifhen Thon vergötternd nieberfließen?
Und konnt’ er mehr als irdiſch Blut
Dur die belebten Adern gießen?
Ich brachte reines Feuer vom Altar;
Mas ich entzündet, ift nicht reine Flamme.
110 Der Sturm vermehrt die Glut und die Gefahr;
Ich ſchwanke nicht, indem ich mich verbamme.
Und wenn ih unklug Mut und Freiheit fang
Und Redlichkeit und Freiheit fonder Zwang,
Stolz auf fih jelbit und herzliches Bebagen,
115 Erwarb ic mir der Menſchen ſchöne Gunft;
Doch ah, ein Gott verfagte mir die Kunft,
Die arme Kunft, mich künſtlich zu betragen.
Nun fig’ ich hier zugleich erhoben und gebrüdt,
Unſchuldig und gejtraft, unſchuldig und beglüdt.
120 Doch rede ſacht; denn unter diefem Dad
Ruht all mein Wohl und all mein Ungemad:
Ein edles Herz, vom Wege der Natur
Durch enges Schichſal abgeleitet,
Das ahnungsvoll nun auf der rechten Spur
125 Bald mit fich felbft und bald mit Sauberfchatten ftreitet,
Und was ihm das Geſchick durch Die Geburt geſchenkt,
Mit Müh und Schweiß erft zu erringen denkt
Kein liebevolles Wort kann feinen Geift enthüllen
Und fein Gejang die hohen Wogen Stillen.
130 Wer kann der Raupe, die am Zweige kriecht,
Bon ihrem Tünft’gen Futter Iprechen?
Und wer der Puppe, die am Boden liegt,
Die zarte Schale helfen durchzubrechen?
Es fommt die geit, fie drängt ſich felber los
135 Und eilt auf Fittichen der Rofe in den Schoß.
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Gewiß, ihm geben auch die Jahre
Die rechte Richtung feiner Kraft.
Noch ift bei tiefer Neigung für das Wahre
Ihm Irrtum eine Leidenſchaft.
Der Vorwitz lockt ihn in die Weite,
Kein Fels ift ihm zu fchroff, fein Steg zu ſchmal;
Der Unfall lauert an der Seite
Und ftürzt ihn in den Arm der Dual.
Dann treibt die ſchmerzlich überſpannte Regung
Gewaltſam ihn bald dort hinaus,
Und von unmutiger Bewegung
Ruht er unmutig wieder aus.
Und düfter- wild an beitern Tagen,
Unbändig, ohne froh zu fein,
Schläft er, an Seel’ und Leib verwundet und zerichlagen,
Auf einem harten Lager ein,
Indeſſen ich Hier ftil und atmend kaum
Die Augen zu den freien Sternen kehre
Und, halb erwacht und halb im fchweren Traum,
Mih kaum des ſchweren Traums erwehre.“
Verſchwinde, Traum!
Mie dank' ih, Mufen, euch,
Daß ihr mich heut auf einen Pfad geftellet,
Mo auf ein einzig Wort die ganze Gegend gleich
Zum ſchönſten Tage fich erhellet!
Die Wolle flieht, der Nebel fällt,
Die Schatten find hinweg. Ihr Götter, Preis und Wonne!
Es leuchtet mir die wahre Sonne,
Es lebt mir eine ſchön're Welt;
Das ängftlihe Geſicht ift in die Luft zerronnen,
Ein neues Leben iſt's, es ift fchon lang’ begonnen.
Ich fehe bier, wie man nad langer Reife
Im Vaterland fich wieder kennt,
Ein ruhig Volk in ftillem Fleiße
Benuben, was Natur an Gaben ihm gegönnt.
Der Faden eilet von dem Roden
Des Webers raſchem Stuhle zu,
Und Seil und Kübel wird in läng’rer Ruh
Nicht am verbrocdhnen Schadhte ftoden;
Es wird der Trug entdedt, die Ordnung Tehrt zurüd,
Es folgt Gedeihn und ird'ſches Glück.
So mög', o Fürſt, der Winkel deines Landes
Ein Vorbild deiner Tage ſein!
Du kenneſt lang' die Pflichten deines Standes
Und ſchränkeſt nach und nach die freie Seele ein.
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Der kann fih manden Wunſch gewähren,
Der kalt fich jelbft und feinem Willen lebt;
Allein wer andre wohl zu leiten jtrebt,
Muß fähig fein, viel zu entbehren.
Sp wandle du — der Lohn ift nicht gering —
Nicht ſchwankend hin, wie jener Sämann ging,
Das bald ein Korn, des Zufalld leichtes Spiel,
Hier auf den Weg, dort zwiſchen Domen fiel;
Nein, ftreue klug wie reih, mit männlich fteter Hand,
Den Segen aus auf ein geadert Land;
Dann laß es run. Die Ernte wird erſcheinen
Und dich beglüden und die Deinen.
m. v. Soethe.
464. Seefahrt.
Lange Tag’ und Nächte ftand mein Schiff befradhtet;
Günft’ger Winde barrend faß, mit treuen Freunden
Mir Geduld und guten Mut erzechend,
Ich im Hafen.
Und fie waren doppelt ungebulbig:
„Gerne gönnen wir die fchnellite Reife,
Gern die Hohe Fahrt dir; Güterfülle
Wartet drüben in den Welten deiner,
Wird Rückkehrendem in unfern Armen
Lieb’ und Preis dir.”
Und am frühen Morgen ward's Getümmel,
Und dem Schlaf entjauchzt uns der Matrofe;
Alles wimmelt, alles lebet, webet,
Mit dem erften Segenshauch zu ſchiffen.
Und die Segel blähen in dem Hauche,
Und die Sonne lodt mit Feuerliebe;
Biehn die Segel, ziehn die hohen Wollen,
Jauchzen an dem Ufer alle Freunde
Hoffnungslieder nad, im Yreubetaumel
Reifefreuden wähnend, mie des Einjchiffsmorgens,
Wie der eriten hohen Sternennädte.
Aber gottgefandte Wechjelminde treiben
Seitwärts ihn der vorgejtedten Fahrt ab.
Und er fcheint fich ihnen hinzugeben,
Strebet leiſe fie zu überliften,
Treu dem Zweck auch auf dem fchiefen Wege.
Aber aus der dumpfen, grauen Ferne
Kündet leife wandelnd fih der Sturm an,
Drüdt die Bögel nieder aufs Gemäfler,
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Drüdt der Menichen ſchwellend Herz danieber,
Und er fommt.
Bor feinem ftarren Wüten
Stredt der Schiffer Hug die Segel nieder;
Mit dem angfterfüllten Balle fpielen
Mind und Wellen.
Und an jenem Ufer drüben ftehen
Freund’ und Lieben, beben auf dem Feſten:
„Ah, warum tft er nicht hier geblieben!
Ad, der Sturm! Verſchlagen weg vom Glüde!
Soll der Gute fo zu Grunde gehen?
Ah, er follte, ad, er könnte! Götter!“
Doch er ftehet männlid an dem Steuer;
Mit dem Schiffe ipielen Wind und Wellen,
Mind und Wellen nicht mit feinem Herzen.
Herrſchend blidt er auf die grimme Tiefe
Und vertrauet, fcheiternd oder landend,
Seinen Göttern.
1
5
m. ». Goetbe. (11. Septbr. 1776.)
465. Meeresitille
Tiefe Stille herrſcht im Wafler,
Ohne Regung ruht das Meer,
Und befümmert fieht der Schiffer
Glatte Fläche rings umber.
Keine Luft von feiner Seite!
Todesſtille fürdterlich!
In der ungeheuern Weite
Reget feine Welle ſich.
m. v. Goethe. (1796.)
466. Glütcliche Fahrt.
1 Die Nebel zerreißen,
Der Himmel iſt belle,
Und Aolus löſet
Das ängſtliche Band.
5 Es fäufeln die Winde,
Es rührt fih der Schiffer.
Geſchwinde! Geſchwinde!
Es teilt ſich die Welle,
Es naht ſich die Ferne;
10 Schon ſeh' ich das Land!
W. v. Goetbe. (17%.)
48*
— 756 —
461. Abendphautaſie.
Bor feiner Hütte ruhigem Schatten fitt
Der Pflüger, dem genügjfamen raucht fein Herd.
Gaftfreundlih tönt dem Wanderer im
Friedlihen Dorfe die Abendglode.
Wohl kehren jetzt die Schiffer zum Hafen auch;
In fernen Städten fröhlich verraufcht des Markts
Geſchäft'ger Lärm; in ftiller Laube
Glänzt das gejellige Mahl den Freunden.
Wohin denn ih? Es leben die Sterblichen
Bon Lohn und Urbeit; wechſelnd in Müh und Ruh
Iſt alles freudig; warum fchläft denn
Nimmer nur mir in der Bruft der Stadel?
Am Abendhimmel blühet ein Yrühling auf;
Unzählig blühn die Roſen, und ruhig fcheint
Die goldne Welt. O dorthin nehmt mid,
Purpurme Wolfen! und mögen droben
In Licht und Luft zerrinnen mir Lieb und Leib! —
Doch, wie verfheudht von thörichter Bitte, flieht
Der Zauber. Dunkel wird's, und einſam
Unter dem Himmel, mie immer, bin id).
Komm du nun, fanfter Schlummer! Zu viel begehrt
Das Herz; Doch endlih, Jugend, verglühft du ja,
Du rubelofe, träumerifche!
Friedlich und heiter ift dann das Alter.
Seiebr. Bölderlin. (1801.)
468. Un den Schlaf.
1 Hoch vor allen
Gaben der Himmlifchen
Sei mir gepriejen
Du, der Seele
5 Labendes Waſſer,
Gliederlöſender,
Heiliger Schlaf.
Dich ſegn' ich abends,
Wenn ich gebeugt,
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— 17 —
Erquickung ſuchend
Herniederſteige
Zu deiner Tiefe.
Wie Meereswogen
Umfängſt du mich kühlend;
Und wie das Meer
In ſeinem Schoße
Nichts Fremdes herbergt
Und faules Gewächs,
Trümmer und Leichen
Raſtlos wieder
Ans Ufer flutet:
Spülft du die Sorgen
Alle bes Tages,
Die kranken Gedanten
Zurüd ans Geſtad'.
Did rühm’ ich morgens,
Menn mir die Seele
Verjüngt emportaudt
Aus deinen Wellen,
Friſch und ſtrahlend
Wiedergeboren,
Der meerentſtiegenen
Göttin gleich.
Ein heilig Bad
Biſt du, o Schlummer,
Würziger Kraft voll.
Mut und Erneuung
Atmet die Pſyche,
Wenn deine Woge
Sanft die bewußtlos
Schwimmende trägt
Von Leben zu Leben,
Von Strand zu Strand.
So iſt der Tod
Auch ein Bad nur.
Aber drüben,
Am anderen Ufer
Liegt uns bereitet
Ein neu Gewand.
Em. Geibel.
— 718 —
469. An den Schlaf.
(Aus dem Lateinifchen.)
Somne levis! quanquam oertissima mortis imago,
Consortem cupio te tamen esse tori.
Alma quies, optata, veni! nam sic sine vita
Vivere, quam suave est, sic sine morte mori!
Meibom.
Schlaf! ſüßer Schlaf! obwohl dem Tod wie du nichts gleicht,
Auf diefem Lager doch willlommen heiß’ ich dich!
Denn ohne Leben fo, wie lieblih lebt es fi!
So weit vom Sterben, ach, wie ftirbt es fich fo leicht!
&b. Mörike.
470. In der Frühe
1 Kein Schlaf noch fühlt das Auge mir,
Dort gehet Schon der Tag herfür
An meinem Kammerfenſter.
Es wühlet mein verftörter Sinn
5 Noch zwiichen Zweifeln ber und Bin
Und ſchaffet Nachtgeſpenſter.
— Angſte, quäle
Dich nicht länger, meine Seele!
Freu' dich, ſchon ſind da und dorten
10 Morgenglocken wach geworden.
Ed. Mörite.
471. Über ein Stündlein.
1 Dulde, gebulde dich fein!
Über ein Stündlein
Iſt deine Kammer voll Sonne,
Über den Firft, mo die Gloden bangen,
5 Iſt Schon lange der Schein gegangen,
Ging in Türmers Fenſter ein.
Wer am nächſten dem Sturm der Gloden,
Einfam wohnt er, oft erjchroden;:
Doch am frühften tröftet ihn Sonnenidein.
— 79 —
10 Mer in tiefen Gaflen gebaut,
Hütt’ an Hüttlein lehnt fih traut,
Glocken haben ihn nie erjchüttert,
Wetterftrahl ihn nie umzittert;
Aber jpät fein Morgen graut.
15 Höh’ und Tiefe hat Luft und Leid
Sag ihm ab dem thörigen Neid:
Andrer Gram birgt andre Wonne.
Dulde, gebulde dich fein!
Über ein Stünblein
20 ft deine Kammer voll Sonne.
Daul Denfe.
472. Morgengebet.
1. O munberbares, tiefe8 Schweigen!
Wie einfam iſt's noch auf der Welt!
Die Wälder nur fich leife neigen,
Als ging’ der Herr durchs jtille Feld.
2. Ich fühl” mich recht wie neu gefchaffen,
Wo ift die Sorge nun und Not?
Mas mich noch geſtern wollt’ erfchlaffen,
Ich ſchäm' mich des im Morgenrot.
3. Die Welt mit ihrem Gram und Glüde
Wil ich, ein Pilger froh bereit,
Betreten nur wie eine Brüde
Zu dir, Herr, überm Strom der Zeit!
4. Und bublt mein Lied, auf Weltgunft lauernd,
Um ſchnöden Sold der Eitelkeit;
Zerſchlag mein Saitenjpiel, und fchauernd
Schweig’ ih vor dir in Emigkeit.
Jof. Sreih. v. Cichendorff.
473. In der Radıt.
1. Das Leben draußen ift verraufchet,
Die Lichter löſchen aus,
Schauernd mein Herz am Fenſter laufchet
Stil in die Naht hinaus.
— 70 —
2. Da nun der laute Tag zerronnen
Mit feiner Not und [bunten] Luft,
Was haft du in dem Spiel gewonnen,
Was blieb der müden Bruft? —
3. Der Mond ift troftreich aufgegangen,
Da unterging die Welt,
Der Sterne heil’ge Bilder prangen
So einfam hoch geftellt!
4. D Herr! auf dunkelſchwankem Meere
Bahr’ ic im ſchwachen Boot,
Treufolgend deinem golbnen Heere
Zum em’gen Morgenrot.
Joſ. Ireip. v. Eichenderf.
474. Wandrers Nachtlied.
1 Der du von dem Himmel bift,
Alles Leid und Schmerzen ftilleft,
Den, der doppelt elend ift,
Doppelt mit Ergquidung fülleft,
5 Ab, ih bin des Treibens müde!
Was ſoll all der Schmerz und Luſt?
Süßer Friede,
Komm, a komm in meine Bruft!
20. v. Goethe.
(Am Hang des Etteräbergs, 12. Jehr- 1776.)
445. Ein gleiches,
1 Über allen Gipfeln
Sit Ruh,
In allen Wipfeln
Spürejt du
5 Kaum einen Haud;
Die Bögelein fchweigen im Walde.
Warte nur! balde
Ruheſt du auch.
W. v. Goetde.
(Auf dem Gickelhahn bei Imenau, 6. Septbr. 1700)
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476. Ber Harfenipieler.
1. Wer nie fein Brot mit Thränen aß,
Wer nie die Tummervollen Nächte
Auf feinem Bette meinend faß,
Der kennt euch nicht, ihr himmlischen Mächte!
2. Ihr führt ins Leben uns hinein,
Ihr laßt den Armen fchuldig werben,
Dann überlaßt ihr ihn der Pein;
Denn alle Schuld rächt ſich auf Erden.
2. v. Goethe. (Aus Wilh. Meifter. 1782.)
474. Mignon.
1. Kennſt du das Land, wo die Zitronen blühn,
Im dunkeln Laub die Goldorangen glühn,
Ein fanfter Wind vom blauen Himmel weht,
Die Myrte fill und Hoch der Lorbeer fteht?
Kennit du es wohl? Dabin! Dahın
Möcht' ich mit dir, o mein Geliebter, ziehn.
2. Kennft du das Haus? Auf Säulen ruht fein Dach,
Es glänzt der Saal, es jchimmert das Gemach,
. Und Marmorbilder jtehn und fehn mich an:
Mas hat man dir, du armes Kind, gethan?
Kennt du es wohl? Dahin! Dahin
Möcht' ich mit bir, o mein Beichüber, ziehn!
3. Kennft du den Berg und feinen Wollenfteg?
Das Maultier jucht im Nebel feinen Weg;
Sn Höhlen wohnt der Draden alte Brut;
Es jtürzt der Feld und über ihn die Flut.
Kennt du ihn wohl? Dahin! Dahin
Geht unfer Weg! D Vater, laßt uns ziehn!
2. ». Goethe. (1782.)
478. Sehnen.
1. Ein Fichtenbaum fteht einjam
Im Norden auf kahler Höh'.
Ihn ſchläfert; mit weißer Decke
Umhullen ihn Eis und Schnee.
2. Er träumt von einer Palme,
Die, fern im Morgenland,
Einfam und ſchweigend trauert
Auf brennender Felfenwand.
Deiur. Beine.
49. Nachllang.
1. Mir träumt’, ich ruhte wieder
Bor meines Vater Haus
Und fchaute fröhlich nieber
Ins alte Thal hinaus;
Die Luft mit Iindem Spielen
Ging dur das FYrühlingslaub
Und Blütenfloden fielen:
Mir über Bruſt und Haupt.
2. Als ich erwacht, da ſchimmert
Der Mond vom Waldesrand;
Sm falben Scheine flimmert
Um mid ein fremdes Land;
Und wie ich ringäher fehe:
Die Floden waren Eis,
Die Gegend mar vom Schneee,
Mein Haupt vom Alter weiß.
Joſ. Sreib. v. Eihendorfi.
480. Der ansgetwanderte Dichter.
(Bruchftüde eined unvollendeten Chklus.)
1. Die Tanne fäll ih, drauf die Adler horften;
Sie kracht zu Boden, Schnee vom Haupte fehüttelnd.
Ich wohne fürder einfam in den Foriten,
Die Menfchen fliehend und die Föhren rüttelnd.
2. Ich babe nicht, da ich mein Haupt hinlege;
Bon feinem Herde bin ich dort geſchieden.
Mein erftes Haus, mit Hammer und mit Säge,
Bau ich mir felber bei den Atlantiden,
3. Kunftlos und rauh; — vom Felſen reiß’ ich Yarren
Und ander Kraut, daß ich die Yugen ftopfe;
Die moof’ge Rinde laſſ' ih an den Sperren;
Dumpf dur die Schlucht bröhnt meiner Art Gellopfe.
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4. Ein leifes Wehn fpielt mit den dürren Blättern —
Geift diefer Wälder! jei mit meiner Hütte,
Daß fie Orkan und Blitze nicht zerfchmettern,
Daß fie der Schnee des Berges nicht verfchütte!
5. Daß ihr Gebälk fein feindlih Beil zerhaue,
Daß lange Zeit die Sonn’ ihr Dad vergülde,
Daß fie nicht gleich fer diefer Spur der Klaue
Des Elentieres auf dem Schneegefilde!
6. Sn einer folhen Werfftatt ift gut zimmern.
Die Waldung funtelt in des Morgens Glanze,
Die Büſche bliten und die Zmeige ſchimmern,
Und jede Tann’ ift eine ftarre Lanze.
7. Mit riefgen Naden an den Himmel ftemmen
Die Berge fi; ftill, doch belebt, die Auen.
Am Strome drüben, auf den ſchnee'gen Dämmen,
Seh’ ich den Biber feine Hütten bauen.
8. Fern aus dem Didicht ragt's gleich Renngeweihen;
Der Bifon büdt fih, daß den Schnee er lede;
Das Birkhuhn ſchwirrt, und von der Hinde fcheuen
Fußtritten Inarıt des Bodens Ylodendede.
9. Der bunte Luchs tritt dreift aus feiner Höhle;
Der Trab des Elens donnert Durch die Föhren. —
Ein neues Lied geht auf in meiner Seele;
Sch dicht’ es hämmernd — doch wer wird es hören?
10. Hinaus! hinaus! der Frühling ift gelommen.
Der Schnee bes Winters riefelt von den Kuppen,
Der Alligator ift ans Land geſchwommen
Und fonnt am Ufer feine grünen Schuppen.
11. Die Fiſche fpringen und die Vögel ſchlagen;
Die Knofpen berften und die Kräuter ſchießen;
Die Wipfel aM, auf denen Tauben Tagen,
Streun ihre Blüten flüfternd mir zu Füßen.
12. Die Hirfche wandeln thalwärts mit den Kühen;
Die Auerhähne ſchütteln ihre Kämme;
Mit ihrem Hofftaat durch die Büſche ziehen
Die Königinnen wilder Bienenftämme.
— 1764 —
13. Wird mir auch Honig von den Bäumen träufen?
Frifh in den Wald! umduftet mich, ihr Ranken,
Und letzet mid! — Ein Weifel will ich fchweifen,
Umſchwärmt von meinem Hofitaat, den Gedanken.
14. Oft wandl' ich abends auf die fteilften Höhen,
Einfam mit meiner Lieb und meinem Grimme,
Zu meinen Füßen die gemwalt’gen Seeen —
Und dann erheb’ ich meine tiefe Stimme.
15. Die werten Lieder aus ben alten Tagen,
Die ih mit Freunden bunbertmal gejungen,
In diefe Wälder hab’ ih fie getragen,
Drin nie zuvor ein deutjches Lied erklungen.
16. Wie zitierte, darauf ich lag, der Gipfel,
Wie gab mir jener froh mein Singen wieder,
Mie flüfterten der alten Bäume Wipfel,
ALS fie vernahmen Ludwig Uhlands Lieder!
17. Wie ftußeten und hoben ihre Hörner
Die Hirſch' im Thal, als auf den Bergen oben
Ich Lieber drauf von Kerner und von Körner,
Bon Schwab und Arndt und Schenkendorf erhoben!
18. O, fchmerzlich mohl Hang mandes mir, dem Wandrer:
Hier Heimatlieder! — Dennoch, als fie Fangen,
Stand ih ein Orpheus — mit den Liedern anbrer!
Zwar Steine nicht, doc tanzten wilde Schlangen.
19. Ich lag heut Nacht in füßen, ftilen Träumen
Bon meiner Heimat und von meinen Lieben.
Sch wandelte bei meiner Kindheit Bäumen,
Wo ih wohl wünfchte, daß fie mich begrüben.
20. Der Toten und der Lebenden GBeftalten,
Sie traten vor mid. „O, daß feiner zürne,
Daß ich ihn ließl“ — Da jäh von einer Falten
Hand fühlt’ ich leis berühres meine Stirne.
21. Ich fuhr empor; e3 war mein Sagbgeführte:
„Du ſchliefſt wohl tief, daß gar nichts du vernommen!
Komm! denn wir find den Bifons auf der Fährte,
Und durch den Winipeg find fie geſchwommen.“
— 7165 —
22. Sm bleihen Dften fing es an zu tagen;
Das Stromthal dampfte, eine Nebelkufe.
Mir ritten aus, das Elentier zu jagen;
Die Waldung hol vom Dröhnen unfrer Hufe.
23. Bald auch gefunden hatten wir bie Herde;
Sie barft durchs Laub, von jäher Furt ergriffen.
Mir mahten Halt, mir zügelten die Pferde,
Wir legten an, und zwanzig Kugeln pfiffen.
24. Doc feines Hornes ſchaufelförm'ge Krone
Verſank, getroffen, in des Truppes Welle;
Sie jhüttelte den Naden, mie zum Hohne,
Und ftürmte fort, verboppelnd ihre Schnelle.
25. Im Blättermeere war fie bald verſchwunden;
Allein des Graſes blut’ger Tau bewährte,
Daß eine Kugel doch ihr Ziel gefunden,
Drum ging e3 hitzig weiter auf der Fährte.
26. Wir folgten ihr auf offnen Waldespfaden;
Dann aber plötzlich teilte fich die friſche:
Zum Strome, blutlos, ging der eine Yaben;
Der andre, blutig, ſchlug fi in bie Büſche.
27. Ein einzig Tier nur war bier abgegangen.
Der Führer fann und fagte drauf den Leuten:
„Folgt ihr der Hauptipur durch das Thal der Schlangen,
Sch will mit diefem auf der Blutſpur reiten.”
28. Und fo geſchah e8; — miteinander |pornen
Die Roffe wir feitabmärts nach den Gründen;
Geknickte Gräfer, blutgefärbte Dornen
Sind und genug, die rechte Bahn zu finden.
29. Er ſprach indes: „Empfängt das Clen Wunden,
Und fühlt es nahn den Tod in feiner Herbe,
Dann flieht es fcheu die Herde der Gefunden
Und birgt im Forft fih, daß es einfam fterbe.
30. In abgelegnen, laubverhüllten Schluchten,
Auf einer dunfeln, moosbewachf'nen Stätte,
Die Feljenftäde jäh und mild umbuchten,
Da ſucht es blutend fich ein Sterbebette.
31. Siehft du den Geier über jenen Tannen?
Auf unfer Wild bald ſenkt er das Gefieber;
Es lüftet ihn das Elen der Savannen —
Dort, jollft du jehen, ſtürzt' es leblos nieder.”
— 7166 —
32. Und wahr erwies fi, mas er kaum geiproden;
Wir fanden’3 liegen, knochig, ftarfgelendet,
Die braunen Augen glanzlos und gebrochen —
Fern feinen Brüdern war e3 bier verendet.
33. Sn diefe Wildnis, die fein Beil gelichtet,
Die nie durchzudt der Sonne mildes Lächeln,
In diefe Wildnis hatt' es fich geflüchtet;
Sie nur vernahm des Elentieres Röcheln.
34. Der Führer jetzo ließ zu breienmalen
Dur die Gebüfche feinen Jagdruf tönen;
Sch dachte ſchmerzlich meiner eignen Qualen:
Hier ftarb das Tier — hier rinnen meine Thränen!
35. Ich bin nun lange drüben wohl vergeflen;
Wer jebt noch laufchte meinen erften Klängen?
Ich wäge finnend meine Wehr, indeflen
Gewappnet andre in die Nennbahn jprengen.
36. Im Geift erblid’ ich ihrer Rofie Bäumen
Und ihrer Helme Federbuſchgezitter;
Es rafjelt mi aus meinen tiefſten Träumen
Der Klang des Echmertes, das fie ſchlägt zum Ritter.
37. Nehmt Hin den Dank! — ich Hab’ ihn abgeihmworen! —
Und doch — beim Bliten eurer Harmifchzierde
Und beim Erflingen eurer goldnen Sporen
Ermadt in mir die alte Kampfbegierde.
38. Denn nicht verrojten ließ ich meine Waffen!
Ich weiß fie rüft’ger als vordem zu ſchwingen;
Noch einmal möcht ih mich zufammenraffen
Und auf dem alten Tummelplage ringen.
39. Mein Schwert geichliffen Hab’ ich in der Ode;
Bewehrt mit Liedern, ballt ſich meine Redte;
Sch bin bereit zu einer Geiftesfehde —
Wie, wenn ein Schiffer mein Kartell euch bradte? —
40. Wohlen, zum Wettſtreit meine Lenden gürt’ ich!
Ihr in den Schranfen prüfet meine Wehre!
Spredt zu den Nittern: „Er ift ebenbürtig;
Sein Tomahawk ift würdig eurer Speere!”
41. Und als wir watend durch Die Furt nun festen,
Boran den Führer, den vorficht'gen Schreiter,
Da fpornte jenfeits einen ſchaumbenetzten,
Langmähn’gen Rappen ein Savannenreiter.
42. Gedrungne Formen, Glieder wie von Erze,
Lichtblaues Jagdhemd mit ſcharlachner Franze,
Buntfarb'ges Tüchlein um des Haares Schwärze —
So kam er näher mit gefällter Lanze.
43. Im Flug nur, ſchien es, wollt' er uns betrachten;
Umſonſt hinüber ſandt' ich Ruf und Zeichen.
Er ſah mich winken, ohne drauf zu achten,
Wandte ſein Roß und trat es in die Weichen;
44. Flog dann hinan des Ufers jähe Treppe,
Daß Kies und Mergel dran herunter klirrten.
Es war ein Creek, ein Beduin der Steppe; —
Glück zul noch heute wirft du dich entgürten!
45. Dann wird dein Weib dir deine Kinder bringen,
Sie ftreiheln furchtlos deines Tieres Mähne;
Die Buben fagen: „Vater, laß es fpringen!”
Und ziehn ihm dreift den Knebel durch die Zähne,
46. Du aber wirft an deinen Herb Dich ſetzen
Und deine Gattin mit der Ferne Bildern
Und mit den Wundern deiner Züge leben,
Vielleicht Die Jäger auh im Strome ſchildern.
47. Die jeßt erreichen triefend das Geftade: —
Sieh da die Grasbahn, die dein Roß gegangen!
Wohl find’ ich Hütten, folg’ ich diefem Pfade —
Doch ach! wie dich wird Feine mich empfangen!
48. Ich fonne mich im letzten Abendftrahle,
Und leiſe fäufelt über mir die Rüfter.
Du jest, mein Leben, wandelſt wohl im Saale,
Der Teppih raufcht, und ſtrahlend flammt der Lüfter.
49. Und alles naht fi, feiernd dich zu grüßen,
Und alles huldigt deiner milden Schöne;
Sie legen alles, Herrin, dir zu Füßen,
Auf dag dein Lächeln diefen Abend kröne.
50. D, laß es dringen auch in diefe Wildnis;
Send’ e8 herüber Taufende von Meilen!
Bor meine Eeele treten laß dein Bildnis;
Zudt auch mein Herz, — es wird ja doch nicht heilen!
51. So in des Kreiſes atemlofer Stille
Mit deiner Harfe faßeft du vor Zeiten!
Das ift dein Auge! — deiner Loden Fülle
Ergießt ſich dunkel auf die lichten Saiten! —
— 168 —
52. Das ift dein Singen! Durd die prächt'gen Räume
Glühend und innig fluten meine Lieder! —
Am Abendwinde fchütteln fich die Bäume;
Schwarz auf den Urwald ſenkt die Nacht fich nieder.
53. Allein, allen! — und jo will ich genefen?
Allein, allein! — und das der Wildnis Gegen?
Allein, allen! — o Gott, ein einzig Wefen,
Um diefes Haupt an feine Bruft zu legen!
54. In meinem Dünlel hab’ ich mich vermeflen:
„Ich will fie meiden, die mein Treiben fchelten.
Mir jelbft genug, will ich dies Volk vergefien;
Fahr" bin, o Welt — im Herzen trag’ ih Welten!” —
55. Ein einzig Jahr hat meinen Stolz gebrochen;
Mein Herz ift einfam und mein Aug’ iſt trübe.
Es reuet mi, mas frevelnd ich geiprochen;
Dem Haß entfloh ih, aber auch der Liebe.
56. Allein, allein! — und jo will ich genefen?
Allein, allein! — und das der Wildnis Segen?
Allein, allein! — o Gott, ein einzig Weſen,
Um dieſes Haupt an feine Bruft zu legen!
57. Die Indianer fiten um die Flamme
Und ſchüren büfter fie, ſchweigſame Schürer.
Da plöglid — mohl der ältefte vom Stamme —
Spricht zu den andern alfo einer ihrer:
58. „sn Frieden ruh' er, den wir heut begruben
Dort, wo den Urwald füumet die Savannah;
Nie einem Weißen, diefem gleich, erhuben
Ein Mal vom Lorenz wir zum Susquehannah!
59. Er mar nicht, wie die andern feiner Farbe;
Drum zu den Roten bat er fich gejchlagen.
In unfern dunklen Reihn glich er der Garbe
Des Maiskorns, die zu Tannen man getragen.
60. Was mocht’ ihm fein? — mit feinen Sagdgeräten
Stand oft er finnend unter einem Baume,
Und hört’ er rufend in das Holz ung treten,
So fuhr er auf und folgt’ uns wie im Traume.
61. Auch fand er einfam wohl am Strome dorten;
Oft durch die Büfche fahn ihn die Genoflen.
Dann war e3, daß in fremder Sprade Worten
Ihm lange Reben von den Lippen floffen.
— 7169 —
62. Der Worte feines haben wir verftgnden,
Doch hörten gerne wir der Worte Schalen.
Es war ein Talt drin, wie wenn Kriegerbanden
Mit gleihem Schritt auf hartem Schneefeld wallen.
63. Berftanden haben wir der Worte feines,
Doch hat uns ſtets zu hören fie verlanget.
Es mar ein Klang drin, glei den Tönen eines
Schilde, der im Wind den Aft fchlägt, dran er hanget.
64. Und um fih ſchaut' er, war er nun zu Ende,
Und fah erft jebt, daß feiner ihn vernommen.
Dann drüdt’ er ftumm fein Antlit in die Hände
Und ift zum Wigwam ftill zurüdgelommen.
65. In Frieden rub’ er, den wir nicht mehr jehen!
Laßt eine Hütt’ auf feinem Grab uns bauen.
Sein Haupt liegt weitmärts, denn fein letztes Flehen
War: „Krieger, 0, nah Morgen laßt mich ſchauen!“
Serd. Sreiligrath.
481. Rücklehr in Die Heimat.
Ihr milden Lüfte, Boten Italiens,
Und du mit deinen PBappeln, geliebter Strom!
Ihr wogenden Gebirg'! o all’ ihr
Sonnigen Gipfel! fo ſeid ihr’s wieder.
Du ftiller Ort! in Thränen erfchienit du fern
Nach Hoffnungslojem Tage dem Sehnenden,
Und du, mein Haus, und ihr, Gefpielen,
Bäume des Hügels, ihr wohlbelannten!
Mie lang’ ift’3, o wie lange! Des Kindes Ruh
St bin, und hin iſt Jugend und Lieb’ und Glück, —
Doch du, mein Vaterland, du Heilig:
Duldendes, ſiehe, du bift geblieben!
Und darum, daß ſie dulden mit dir, mit dir
Sich freun, erziehſt du, teures! die Deinen auch
Und mahnſt in Träumen, wenn ſie ferne
Schweifen und irren, die Ungetreuen.
Und wenn im heißen Buſen dem Jünglinge
Die eigenmächt'gen Wünfche befänftiget
Und ftile.vor dem Schidjal find, dann
Giebt der Geläuterte dir fich Lieber.
49
— 770 —
Lebt wohl denn, Jugendtage, du Roſenpfad
Der Lieb' und all' ihr Pfade des Wanderers,
Lebt wohl! Und nimm und ſegne du mein
Leben, o Himmel der Heimat, wieder!
Stiebr. Bölderlin. (1801)
482. Un den Über.
Allewiger und unbegrenzter Ather!
Durchs Engfte, wie durchs Weitefte Ergoſſ'ner!
Bon feinem Ring des Dafeins Ausgeſchloſſ'ner!
Bon jedem Hauch des Lebens ftill Durchwehter!
Des Unerforſchten einziger Vertreter!
Sein erfter und fein würdigſter Entiproff’ner!
Bon ihm allein in tiefiter Ruh Umflofi’ner!
Dir gegenüber werd’ auch ich ein Beter!
Mein ſchweifend Auge, das dich gern umipannte,
Schließt fih vor dir in Ehrfurcht, eh’ es fcheitert;
Denn nichts ermißt der Blick, als feine Schranken.
Sp aud mein Geift vor Gott; denn er erlannte,
Daß er, umfaßt, ſich nie fo fehr erweitert,
Den Allumfafler wieder zu umranfen.
Ir. Vebbel.
483. Ber Über.
1 Hoher Gtber, hoher Äther,
Geftern fonnig, heut mit fanften
Schatten meine Schläfe kühlend,
D wie preif’ ich deine Wunder!
5 Wie ein Bater ruhig heiter
Trägft am Buſen du den Erdkreis,
Und er lädelt dir und läßt Dich
Seines Weſens Duft und Blüte,
Seine ganze Schönheit ſaugen;
10 Denn die hohen Berge atmen
Zu bir auf, die Wälder ftreun bir
Rauſchend ihren beiten Weihrauch,
Thal und Fluß und Duelle dampfen
Die ihr täglich Morgenopfer,
15 Und die Menſchen — glei ala zög' es
10
15
— 771 —
Ewig fie zu deiner Stille —
Senden bir zu jeder Stunde
Ihrer Bruft lebend'gen Odem,
Ihre Lieder, ihre Seufzer.
20 Und du nimmſt die reichen Gaben
Willig hin und ſammelſt alle;
Aber nicht für dich — in Wolken
Deine Stirn verhüllend, wandelſt
Du den Schatz in lautern Segen,
25 Und in lichten Feuerflammen
Und in Tropfen und in Güflen
Biebft du, wonniglich befruchtend,
Ihn der durft’gen Erde wieder.
Hoher Äther, hoher Äther,
30 Wie der Geift des Dichters bift bu,
Der auf Flügeln überm bunten
Farbenipiel des Lebens ſchwebend
Seine Schönheit jelig einfaugt.
Und dann wogt's in ihm, dann wölkt ſich's
35 Wunderbar, er kann die Fülle
Seiner Schäge nimmer balten,
Und, wie du in Blitz und Regen,
Steigt er nieder im Gejang.
Em. Geibel.
484. An den Äther,
Treu und freundlich, wie du, erzog ber Götter und Menfchen
Keiner, o Bater Äther! mich auf. Roc ehe die Mutter
In die Arme mich nahm und ihre Brüfte mid träntten,
Faßteſt du zärtlich mich an umd gofleft himmlischen Trank mir,
Mir den heiligen Odem zuerft in den leimenden Bufen.
Richt von irdiſcher Koft gedeihen einzig bie Weſen,
Aber du nähreft fie all’ mit deinem Nelter, o Bater!
Und es drängt fih und rinnt aus deiner emigen Fulle
Die befeelende Luft durch alle Röhren des Lebens.
Darum lieben die Weſen dich auch und ringen und ftreben
Unaufhörlih hinauf nad dir in freudigem Wachstum.
Himmliſcher! fucht nicht dich mit ihren Augen bie Pflanze,
Stredt nad dir Die ſchüchternen Arme der niedrige Strauch nicht?
Daß er dich finde, zerbricht der gefangene Same die Hülle;
Daß er belebt von dir in deiner Welle ſich babe,
Schüttelt der Wald den Schnee wie ein überläftig Gewand ab.
49”
20
25
30
35
40
45
50
— Mm —
Auch die Fiihe kommen herauf und hüpfen verlangend
Über die glänzende Fläche des Stroms, als begehrten auch diefe
Aus der MWoge zu dir; auch den edlen Tieren der Erbe
Wird zum Fluge der Schritt, wenn oft das gewaltige Sehnen,
Die geheime Liebe zu dir fie ergreift, fie hinaufzieht.
Stolz veradhtet den Boden das Roß, mie gebogener Stahl ftrebt
In die Höhe jein Hals, mit dem Hufe berührt e8 den Sand faum.
Wie zum Scherze berührt der Fuß der Hirſche den Grashalm,
Hüpft, wie em Zephyr, über den Bach, der reißend hinabſchäumt,
Hin und wieder ſchweift, kaum fihtbar, durch die Gebüfche.
Aber des Äthers Lieblinge, fie, die glüdlichen Vögel,
Wohnen und fpielen vergnügt in der ewigen Halle des Vaters!
Raum genug ift für alle. Der Pfad iſt feinem bezeichnet,
Und es regen ſich frei im Haufe die Großen und Kleinen.
Über dem Haupt frohloden fie mir, und e8 ſehnt fich auch mein Her;
Wunderbar zu ihnen hinauf; wie die freundliche Heimat
Wintt e8 von oben herab, und auf die Gipfel der Alpen
Möcht’ ih wandern und rufen von da dem eilenden Adler,
Daß er, mie einft in die Arme des Zeus den feligen Knaben,
Aus der Gefangenschaft in des Ather Halle mich trage.
Thöricht treiben wir und umher; wie die irrende Rebe,
Wenn ihr der Stab gebricht, woran zum Himmel fie aufwächſt,
Breiten wir über den Boden uns aus und fuchen und wandern
Durch die Zonen der Erd’, o Vater Äther! Vergeben;
Denn es treibt uns die Luft in deinen Gärten zu wohnen.
An die Meersflut werfen wir uns, in den freieren Ebnen
Uns zu fättigen, und e8 umſpielt die unendliche MWoge
Unfern Kiel, e3 freut fih das Herz an den Kräften des Meergotts.
Dennod genügt ihm nicht! denn der tiefere Ozean reizt ung,
Wo die leichtere Welle ſich regt — o mer bort an jene
Goldnen Küften das mandernde Schiff zu treiben vermöchte!
Aber indes ich hinaus in die Dämmernde Ferne mich fehne,
MWo:du fremde Geſtad' umfüngft mit bläulicher Woge,
Kommſt du fäufelnd herab von des Fruchtbaums blühenden Wipfeln,
Bater Äther, und fänftigeft felbft das ftrebende Herz mir;
Und ich lebe nun gern, wie zuvor, mit den Blumen der Erde.
Ir. Bölberlin. (17973
485. Spunenuntergang.
1. Wo bift du? Trunken dämmert die Seele mir
Bon aller deiner Wonne; denn eben ift'3,
Daß ich gelaufcht, wie, goldner Töne
Bol, der entzüdende Sonnenjüngling
— 13 —
2. Sein Abendlied mit himmliſcher Leier ſpielt'!
Es tönten rings die Wälder und Hügel nad;
Doch fern ift er zu frommen Böllern,
Die ihn noch ehren, hinweggegangen.
är. Bötberlin. (1800.)
486. Sage der Geres.
1. Iſt der holde Lenz erichienen?
Hat die Erde fi verjüngt?
Die befonnten Hügel grünen,
Und des Eijes Rinde Ipringt.
Aus der Ströme blauem Spiegel
Lacht der unbewölkte Zeus,
Milder wehen Zephyrs Flügel,
Augen treibt das junge Reis.
In dem Hain erwachen Lieber,
Und die Dreade fpridt:
Deine Blumen kehren wieder,
Deine Tochter Tehret nicht.
2. Ad, wie lang’ ift’3, daß ich walle
Sudend durd der Erde Flur!
Titan, deine Strahlen alle
Sandt’ ih nad der teuren Spur;
Keiner hat mir noch verkündet
Bon dem lieben Angeficht,
Und der Tag, der alles findet,
Die Berlorne fand er nicht.
Haft du, Zeus, fie mir entriffen?
Hat, von ihrem Reiz gerührt,
Zu des Orkus Schwarzen Flüſſen
Pluto fie binabgeführt?
3. Wer wird nad dem büftern Strande
Meines Grames Bote fein?
Ewig ftößt der Kahn vom Lande,
Doch nur Schatten nimmt er ein.
Jedem fel’gen Aug’ verichloflen
Bleibt das nächtliche Gefild,
Und folang’ der Styr geflofien,
Trug er fein lebendig Bild.
Nieder führen taufend Steige,
Keiner führt zum Tag zurüd;
Ihre Thränen bringt fein Zeuge
Bor der bangen Mutter Blick
— 774 —
4. Mütter, die aus Pyrrhas Stamme,
Sterbliche, geboren find,
Dürfen dur des Grabe Flamme
Folgen dem geliebten Kind;
Nur was Yovis Haus bemohnet,
Nahet nicht dem dunkeln Strand,
Nur die Seligen verfchonet,
Parzen, eure ftrenge Hand.
Stürzt mid in die Nacht der Nächte
Aus des Himmels goldnem Saal!
Ehret nicht der Göttin Rechte;
Ad, fie find der Mutter Dual!
5. Wo fie mit dem finftern Gatten
Freudlos thronet, ftieg’ ich hin,
Träte mit den leiſen Schatten
Leife vor die Herricherin.
Ad, ihr Auge, feucht von Zähren,
Sucht umfonft das goldne Licht,
Irret nad entfernten Sphären,
Auf die Mutter fällt es nicht,
Bis die Freude fie entdedet,
Bis fih Bruft mit Bruft vereint
Und, zum Mitgefühl erwedet,
Selbit der rauhe Drfus weint.
6. Eitler Wunfh! Verlorne Klagen!
Ruhig in dem gleichen Gleis
Rollt des Tages fihhrer Wagen,
Ewig fteht der Schluß des Zeus.
Weg von jenen Finfternifien
Wandt' er jein beglüdtes Haupt;
Einmal in die Naht geriffen,
Bleibt fie ewig mir geraubt,
Bis des dunkeln Stromes Welle
Bon Aurorens Farben glüht,
Iris mitten durch die Hölle
Ihren ſchönen Bogen zieht.
7. Iſt mir nichts von ihr geblieben?
Nicht ein füß erinnernd Pfand,
Daß bie Fernen fi) noch lieben,
Keine Spur ber teuren Hand?
— 1 —
Knüpfet fi kein Liebesknoten
Zwiſchen Kind und Mutter an?
Zwiſchen Lebenden und Toten
ft fein Bündnis aufgethan?
Nein, nicht ganz ift fie entflohen!
Nein, wir find nicht ganz getrennt!
Haben uns die ewig Hohen
Eine Sprache doch vergönnt!
8. Wenn des Frühlings Kinder Sterben,
Wenn von Nordes Taltem Hauch
Blatt und Blume fi entfärben,
Traurig fteht der nadte Straud,
Nehm' ich mir das höchfte Leben
Aus Vertumnus’ reihen Horn,
Dpfernd e8 dem Styr zu geben,
Mir des Samens goldnes Korn.
Trauernd fen?’ ich's in die Erde,
Leg es an des Kindes Herz,
Daß es eine Sprade werde
Meiner Liebe, meinem Schmerz.
9 Führt der gleihe Tanz ber Soren
Freudig nun den Lenz zurüd,
Wird das Tote neu geboren
Bon der Sonne Lebensblid.
Keime, die dem Auge ftarben
In der Erde kaltem Schoß,
In das heitre Reich der Farben -
Ringen fie fi freudig 108.
Wenn der Stamm zum Himmel eilet, :
Sudt die Wurzel ſcheu die Nacht;
Gleich in ihre Pflege teilet
Sich des Styr, des Athers Macht.
10. Halb berühren ſie der Toten,
Halb der Lebenden Gebiet;
Ach, ſie ſind mir teure Boten,
Süße Stimmen vom Gocyt!
Hält er glei fie felbft verſchloſſen
In dem fchauervollen Schlund,
Aus des Frühlings jungen Sprofien -
Hedet mir der holde Mund, |
— 16 —
Daß aud fern vom golbnen Tage,
Mo die Schatten traurig ziehn,
Liebend noch der Buſen fchlage,
Zärtlih noch die Herzen glühn.
11. O, fo laßt euch froh begrüßen,
Kinder der verjüngten Au!
Euer Kelch ſoll überfließen
Bon des Nektars reinitem Tau.
Tauden will ih eud in Strahlen,
Mit der Iris ſchönſtem Licht
Will ich eure Blätter malen,
Gleich Aurorens Angeficht.
In des Lenzes heiterm Glanze
Leſe jede zarte Bruft,
In des Herbftes wellem Kranze
Meinen Schmerz und meine Luft.
Se. v. Schider. (17%.
487. Das eleunſiſche Felt.
1. MWindet zum Kranze die goldenen Ahren,
Flechtet auch blaue Cyanen hinein!
Freude ſoll jedes Auge verflären,
Denn die Königin ziehet ein,
Die Bezähmerin wilder Sitten,
Die den Menſchen zum Menfchen gefellt
Und in friedliche, feite Hütten
Wandelte das bewegliche Belt.
2. Scheu in des Gebirges Klüften
Barg der Troglodyte fidh;
Der Nomade ließ die Triften
MWüfte liegen, wo er ftridh.
Mit dem Wurfipieß, mit den Bogen
Schritt der Jäger durch das Land;
Web dem Yrembling, den bie Wogen
Warfen an den Unglüdgftrand!
3. Und auf ihrem Pfab begrüßte,
Irrend nad des Kindes Spur,
Ceres die verlaſſ'ne Küfte,
Ah, da grünte feine Flur!
Daß fie bier vertraulich weile,
Iſt Tein Obdach ihr gewährt;
Keineß Tempels beitre Säule
Zeuget, dag man Götter ehrt.
— 777 —
4. Keine Frucht der ſüßen Ähren
Lädt zum reinen Mahl ſie ein;
Nur auf gräßlichen Altären
Dorret menſchliches Gebein
Ja, ſo weit ſie wandernd kreiſte,
Fand ſie Elend überall,
Und in ihrem großen Geiſte
Jammert fie des Menſchen Fall.
5. „Find' ich jo den Menſchen wieder,
Dem wir unfer Bild geliehn,
Defien fchöngeftalte Glieder
Droben im Olympus blühn?
Gaben wir ihm zum Befite
Nicht der Erde Götterfchoß,
Und auf feinem SKönigafite
Schweift er elend, beimatlos?
6. Fühlt Fein Gott mit ihm Erbarmen?
Keiner aus der Sel’gen Chor
Hebet ihn mit Wunderarmen
Aus der tiefen Schmah empor?
In des Himmels ſel'gen Höhen
Rühret fie nicht frember Schmerz;
Doch der Menfchheit Angft und Wehen
Fühlet mein gequältes Herz.
7. Daß der Menſch zum Menfchen werde,
Stift’ er einen ew’gen Bunb
Gläubig mit der frommen Erbe,
Seinem mütterlihen Grund,
Ehre das Gejek der Zeiten
Und der Monde heil’gen Gang,
Welche ſtill gemeſſen fchreiten
Im melodifchen Gefang.“
8. Und ben Mebel teilt fie leiſe,
Der den Bliden fie verhüllt;
Plöglih in der Wilden Kreiſe
Steht fie da, ein Götterbild.
Schwelgend bei dem Siegesmahle
Findet fie die rohe Schar,
Und die blutgefüllte Schale
Bringt man ihr zum Opfer dar.
— 718 —
9. Aber fhaudernd, mit Entſetzen
Wendet fie fih weg und ſpricht:
„Blut'ge Tigermahle negen
Eines Gottes Lippen nidt.
Neine Opfer will er haben,
Früchte, die der Herbft befchert;
Mit des Feldes frommen Gaben
Wird der Heilige verehrt.“
10. Und fie nimmt die Wucht des Speeres
Aus des Jägers rauher Hand;
Mit dem Schaft des Mordgewehres
Furchet fie den leichten Sand,
Nimmt von ihres Kranzes Spike
Einen Kern, mit Kraft gefüllt,
Senkt ihn in die zarte Nike,
Und der Trieb des Keimes ſchwillt.
11. Und mit grünen Halmen fchmüdet
Sich der Boden alſobald,
Und jo weit das Auge blidet,
Wogt e3 wie ein golbner Wald.
Lächelnd fegnet fie die Erde, .
Fliht der erften Garbe Bund,
Mählt den Feldftein ſich zum Herde,
Und es ſpricht der Göttin Mund:
12. „Vater Zeus, der über alle
Götter herrſcht in Ather Höhn,
Daß dies Opfer bir gefalle,
Laß ein Zeichen jetzt geichehn!
Und dem unglüdfel’gen Volke,
Das dich, Hoher, noch nicht nennt,
Nimm hinweg bed Auges Wolle,
Daß es feinen Gott erkennt!“
13. Und e8 hört der Schweſter Flehen
Zeus auf feinem hoben Sitz;
Donnernd aus den blauen Höhen
Wirft er den gegadten Blitz.
Praflelnd fängt e8 an zu loben,
Hebt fi wirbelnd vom Altar,
Und darüber ſchwebt in hoben
Kreifen fein geſchwinder Aar.
— 17 —
14. Und gerührt zu der Herrſcherin Füßen
Stürzt fih der Menge freudig Gemwühl,
Und die rohen Seelen zerfließen
Sn der Menfchlichkeit erftem Gefühl,
Werfen von ſich die blutige Wehre,
Öffnen den düftergebundenen Sinn
Und empfangen die göttliche Lehre
Aus dem Munde der Königin.
15. Und von ihren Thronen fteigen
Alle Himmliſchen herab,
Themis felber führt den Reigen,
Und mit dem gerechten Stab
Mipt fie jedem feine Nechte,
Setzet ſelbſt der Grenze Stein,
Und des Styrx verborgne Mächte
Ladet fie zu Zeugen ein.
16. Und es fommt der Gott der Efie,
Zeus’ erfindungsreider Sohn,
Bildner künftlicher Gefäße,
Hochgelehrt in Erz und Thon.
Und er lehrt die Kunft der Zange
Und der Blafebälge Zug;
Unter jeined Hammers Zwange
Bildet ſich zuerft der Pflug.
17. Und Minerva, hoch vor allen,
Ragend mit gewicht'gem Speer,
Läßt die Stimme mädtig fallen
Und gebeut dem Götterheer.
Feſte Mauern will fie gründen,
Jedem Schu und Schirm zu fein,
Die zerftreute Welt zu binden
In vertraulidem Verein.
18. Und fie lenkt die Herricherfchritte
Durch des Feldes weiten Plan,
Und an ihres Yußes Tritte
Heftet fi der Grenzgott an.
Meſſend führet fie die Kette
Um des Hügels grünen Saum;
Auch des wilden Stromes Bette
Schließt fie in den heil'gen Raum.
— 780 —
19. Alle Nymphen, Dreaden,
Die der fchnellen Artemis
Folgen auf des Berge Pfaden,
Schwingend ihren Yägerfpieß,
Alle kommen, alle legen
Hände an, der Jubel Ichallt,
Und von ihrer Arte Schlägen
Krachend ftürzt der Fichtenwald.
20. Auch aus feiner grünen Welle
Steigt der ſchilfbekränzte Gott,
Wälzt den ſchweren Floß zur Stelle
Auf der Göttin Machtgebot;
Und die leichtgefchirzten Stunden
Fliegen, ans Geſchäft geivandt,
Und die rauhen Stämme runden
Zierlih fih in ihrer Hand.
21. Auch den Meergott fieht man eilen;
Raſch mit des Tridentes Stoß
Bricht er die granitnen Säulen
Aus dem Erbgerippe los,
Schwingt fie in gewalt'gen Händen
Hoch wie einen leichten Ball,
Und mit Hermes, dem behenben,
Türmet er der Mauern Wall.
22. Aber aus den goldnen Saiten
Lockt Apol die Harmonie
Und das bolde Maß der Zeiten
Und die Macht der Melodie.
Mit neunftimmigen Geſange
Fallen die Camönen ein;
Leife nach des Liedes Klange
Füget ſich der Stein zum Stem.
23. Und der Thore weite Flügel
Setet mit erfahrner Hand
Cybele und fügt die Riegel
Und der Sclöffer feites Band.
Schnell durch raſche Götterhände
Iſt der Wunderbau vollbracht,
Und der Tempel beitre Wände
Glänzen Ihon in Feitespracht.
— 781 —
24. Und mit einem Stanz von Morten
Naht die Götterfönigin,
Und fie führt den fchönften Hirten
Zu der ſchönſten Hirtin hin.
Venus mit dem holden Knaben
Schmüdet ſelbſt das erjte Paar,
Ale Götter bringen Gaben
Segnend den Vermählten dar.
25. Und die neuen Bürger ziehen,
Bon der Götter fel’gem Chor
Eingeführt, mit Harmonieen
In das gaftlih offne Thor.
Und das Priefteramt verwaltet
Ceres am Altar des Zeus,
Segnend ihre Hand gefaltet,
Spricht fie zu des Volkes Kreis:
26. „Freiheit liebt das Tier der Wüſte,
Frei im Äther herrfcht der Gott,
Ihrer Bruft gemwalt’ge Lüfte
Zähmet das Naturgebot;
Doch der Menfh in ihrer Mitte
Soll fih an den Menſchen reihn,
Und allein durch feine Sitte
Kann er frei und mächtig fein.”
27. Windet zum Kranze die goldenen Ähren,
Flechtet auch blaue Cyanen hinein!
Freude joll jedes Auge verklären,
Denn die Königin ziehet ein,
Die und die füße Heimat gegeben,
Die den Menſchen zum Menichen gejellt.
Unfer Gefang foll fie fejtlih erheben,
Die beglüdende Mutter der Welt!
Sr. v. Schiller. . (Auguft 1798.)
488. Kaſſandra.
1. Freude war in Trojas Hallen,
Eh’ die hohe Feſte fiel;
Jubelhymnen hört man fchallen
In der Saiten goldnes Spiel;
Alle Hände ruhen müde
Bon dem thränenvollen Streit,
Weil der herrliche Pelide
Priams ſchöne Tochter freit.
— 172 —
2. Und geihmüdt mit Lorbeerreifern,
Feftlih mwallet Schar auf Schar
Nach der Götter heil’gen Häufern,
Zu des Thymbriers Altar.
Dumpf erbraufend dur die Gaffen
Mälzt fih die bacchant'ſche Luft,
Und in ihrem Schmerz verlafien
Mar nur eine traur’ge Bruft.
3. Freudlos in der Freuden Fülle,
Ungejellig und allein,
Wandelte Kaflandra ftille
In Apollos Lorbeerhain.
An des Waldes tiefite Gründe
Flüchtete die Seberin,
Und fie warf die Prieſterbinde
Zu der Erde zümend hin:
4. „Alles ift der Freude offen,
Alle Herzen find beglüdt,
Und die alten Eltern hoffen,
Und die Echwefter fteht geihmüdt.
Sch allein muß einfam trauern,
Denn mic flieht der füße Wahn,
Und geflügelt diefen Mauern
Seh’ ih das Berberben nahn.
5. Eine Fadel ſeh' ich glühen,
Aber nicht in Hymens Hand;
Nah den Wollen ſeh' ich's ziehen,
Aber nit wie DOpferbrand.
Tefte ſeh' ich froh bereiten;
Doch im ahnungsvollen Geift
Hör’ ich ſchon des Gottes Schreiten,
Der fie jammervoll zerreißt.
6. Und fie ſchelten meine Klagen,
Und fie höhnen meinen Schmerz.
Einfam in die Wüſte tragen
Muß ich mein gequältes Herz,
Bon den Glüdlichen gemieden
Und den Tröhlichen ein Spott!
Schweres Haft bu mir befchieden,
Pythiſcher, Du arger Gott!
— 17183 —
7. Dein Dralel zu verkünden,
Warum warfeft du mid hin
An die. Stadt der ewig Blinden
Mit dem aufgefhloff’nen Sinn?
Warum gabſt du mir zu ſehen,
Was ich Doch nicht wenden kann?
Das Verhängte muß gefchehen,
Das Gefürdtete muß nahn.
8. Frommt's, den Schleier aufzuheben,
Wo das nahe Schrednis droht?
Nur der Irrtum ift das Leben,
Und das Wiffen ift der Tod.
Nimm, o nimm die traur’ge Klarheit,
Mir vom Aug’ den blut’gen Schein!
Schrecklich ift e8, deiner Wahrheit
Sterbliched Gefäß zu fein.
9. Meine Blindheit gieb mir wieder
Und den fröhlid Dunkeln Sinn!
Nimmer fang ich freub’ge Lieder,
Seit ih deine Stimme bin.
Zukunft haft du mir gegeben,
Doch du nahmft den Augenblid,
Nahmft der Stunde fröhlih Leben —
Nimm dein falſch Geſchenk zurüd!
10. Nimmer mit dem Schmud der Bräute
Kränzt' ich mir das duft'ge Haar,
Seit ich deinem Dienft mich meibte
An dem traurigen Altar.
Meine Jugend mar nur Weinen,
Und ich kannte nur den Schmerz;
Jede berbe Not der Meinen
Schlug an mein empfindend Herz.
11. Fröhlich ſeh' ich die Geſpielen,
Alles um mich lebt und liebt
In der Jugend Luftgefühlen;
Mir nur ift das Herz getrübt.
Mir erfcheint der Lenz vergebens,
Der die Erde feſtlich ſchmückt;
Mer erfreute fih des Lebens,
Der in feine Tiefen blidt?
— 784 —
12. Selig preif’ ih Polyrenen
In des Herzens trunfnem Wahn,
Denn den beiten der Hellenen
Hofft fie bräutlich zu umfahn.
Stolz ift ihre Bruft gehoben,
Shre Wonne faßt fie kaum,
Nicht euch, Himmliſche dort oben,
Neidet ſie in ihrem Traum.
13. Und auch ich hab' ihn geſehen,
Den das Herz verlangend wählt;
Seine ſchönen Blicke flehen,
Von der Liebe Glut beſeelt.
Gerne möcht' ich mit dem Gatten
In die heim'ſche Wohnung ziehn;
Doch es tritt ein ſtyg'ſcher Schatten
Nächtlich zwiſchen mich und ihn.
14. Ihre bleichen Larven alle
Sendet mir Proſerpina;
Wo ich wandre, wo ich walle,
Stehen mir die Geifter da.
In der Jugend frohe Spiele
Drängen ſie ſich grauſend ein —
Ein entſetzliches Gewühle!
Nimmer kann ich fröhlich ſein.
15. Und den Mordſtahl ſeh' ich blinken
Und das Mörderauge glüh'n;
Nicht zur Nechten, nicht zur Linken
Kann ich vor dem Schrednis flichn;
Nicht die Blide darf ih wenden;
Wiſſend, fchauend, unverwandt
Muß ih mein Geſchick vollenden,
Fallend in dem fremden Land.” —
16. Und noch hallen ihre Worte,
Horch! da dringt verworrner Ton
Fernher aus des Tempels Pforte:
Tot lag Thetis’ großer Sohn!
Eris fchüttelt ihre Schlangen,
Ale Götter fliehn davon,
Und des Donners Wollen bangen
Schwer herab auf Ylion.
Sr. v. Sc iler. (Auguk 180%)
— 1785 —
489. Das Siegesieft.
1. Priams Feſte mar gefunfen,
Troja lag in Schutt und Staub,
Und die Griechen, fiegestrunten,
Reichbeladen mit dem Raub,
Saßen auf den hohen Schiffen
Länge des Hellespontos Strand,
Auf der frohen Fahrt begriffen
Nah dem fchönen Griechenland.
„Stimmet an bie froben Lieber!
Denn dem väterlihen Herb
Sind die Schiffe zugekehrt,
Und zur Heimat geht es wieder.“
2. Und in langen Reihen, Tlagend,
Saß der Trojerinnen Schar,
Schmerzvoll an die Brüfte ſchlagend,
Bleich, mit aufgelöitem Haar.
In das wilde Feſt der Freuden
Miſchten fie den Wehgeſang,
MWeinend um das eigne Leiden
An des Reiches Untergang.
„Lebe wohl, geliebter Boden!
Bon der fühen Heimat fern,
Folgen wir dem fremden Herm.
Ad, wie glüdlih find die Toten!“
3. Und den hohen Göttern zündet
Kalchas jetzt das Opfer an;
Pallas, die die Städte gründet
Und zertrümmert, ruft er an,
Und Neptun, der um die Länder
Seinen Wogengürtel jchlingt,
Und den Zeus, den Schredenfender,
Der die Agis graufend ſchwingt.
„Außsgeitritten, audgerungen
Iſt der lange, ſchwere Streit,
Ausgefüllt der Kreis der Zeit
Und die große Stadt bezwungen.“
4. Atreus' Sohn, ber Fürft ber Scharen,
Überfah der Völler Zahl,
Die mit ihm gezogen waren
Einft in des Skamanders Thal.
50
— 186 —
Und des Kummers finfire Wolle
Zog fih um des Könige Blid;
Bon dem bergeführten Volke
Bracht' er wen'ge nur zurüd.
„Drum erhebe frohe Lieber,
Mer die Heimat wieder fieht,
Mem noch frifh das Leben blüht!
Denn nicht alle kehren wieder.“
5. „Alle nit, die wiederkehren,
Mögen fih des Heimzugs freun,
An den häuslichen Altären
Kann der Mord bereitet fein.
Mancher fiel durch Feindestücke,
Den die blut'ge Schlacht verfehlt!“ *
Sprach's Ulyß mit Warnungsblide,
Bon Athenens Geilt befeelt.
„Glücklich, wen der Gattin Treue
Rein und keuſch das Haus bewahrt!
Denn das Weib iſt faljcher Art,
Und die Arge liebt dad Neue.”
6. Und des frifch erfämpften Weibes
Freut fi der Atrib’ und ſtrickt
Um den Reiz des fchönen Leibes
Seine Arme hochbeglüdt.
„„Böſes Werk muß untergehen,
Rache folgt der Frevelthat;
Denn gerecht in Himmelshöhen
Waltet des Kroniden Rat.“ “
„Böfes muß mit Böfem enden;
An dem frevelnden Gefchlecht
Rächet Zeus das Gaſtesrecht,
Wägend mit gerechten Händen.“
7. „„Wohl dem Glüdlichen mag's ziemen““,
Ruft Dileus’ tapfrer Sohn,
„„Die Regierenden zu rühmen
Auf dem hoben Himmelsthron!
Ohne Wahl verteilt die Gaben,
Ohne Billigleit das Glüd;
Denn Patroklus liegt begraben,
Und Therfites kommt zurück!““
„Weil das Glück aus feiner Tonnen
Die Geſchicke blind verftreut,
— 157 —
Freue fih und jauchze heut,
Mer das Lebenslos gewonnen!”
8. „usa, der Krieg verichlingt die Beſten!
Ewig werde dein gedadt,
Bruder, bei der Griechen Feten,
Der ein Turm war in der Schlacht.
Da der Griehen Schiffe brannten,
War in deinem Arm das Heil;
Doch dem Schlauen, Vielgewandten
Ward der ſchöne Preis zu teil“ *
„Friede deinen heil’gen Reften!
Nicht der Feind bat dich entrafft:
Ajaz fiel durch Ajar' Kraft.
Ad, der Zorn verberbt die Beiten!“
9. Dem Erzeuger jegt, dem großen,
Gießt Neoptolem des Weins:
„„Unter allen ird'ſchen Loſen,
Hoher Vater, preiſ' ich deins.
Von des Lebens Gütern allen
Mt der Ruhm das höchſte doch;
Wenn der Leib in Staub zerfallen,
Lebt der große Name noch.“ *
„Zapfrer, deines Ruhmes Schimmer
Wird unfterblich fein im Lied;
Denn das ird'ſche Xeben flieht,
Und die Toten dauern immer.”
10. „„Wenn bes Liedes Stimmen ſchweigen
Bon dem übermundnen Mann,
So will ih für Heltorn zeugen,“ ”
Hub der Sohn de Tydeus an, —
„„Der für feine Hausaltäre
Kämpfend ein Beichirmer fiel;
Krönt den Steger größre Ehre,
Ehret ihn das ſchönre Ziel!“ “
„Der für feine Hausaltäre
Kämpfend ſank, ein Schirm und Hort,
Auch in Feinde Munde fort
Lebt ihm feines Namens Ehre.“
11. Neſtor jegt, der alte Becher,
Der drei Menſchenalter ſah,
Reicht den laubumkränzten Becher
Der bethränten Hekuba:
50*
— 71758 —
„„Trink ihn aus, den Trant der Labe
Und vergiß den großen Schmerz!
Wundervoll ift Bachus’ Gabe,
Balfam fürs zerrifine Herz.“ *
„Trink ihn aus, den Trank der Labe,
Und vergiß den großen Schmerz!
Balfam fürs zerrifine Herz,
Wundervoll iſt Bacchus' Gabe.“
12. „„Denn auch Niobe, dem ſchweren
Born der Himmliſchen ein Ziel,
Koſtete die Frucht der ÄAhren
Und bezwang das Schmerzgefühl.
Denn folang’ die Lebensquelle
Schäumet an ber Lippen Rand,
Iſt der Schmerz in Lethes Welle
Tief verfenkt und feſtgebannt!““
„Denn fo lang die Lebensquelle
An der Lippen Rande ſchäumt,
Iſt der Sammer meggeträumt,
Fortgefpült in Lethes Welle.“
13. Und von ihrem Gott ergriffen,
Hub fi jetzt die Seherin,
Blickte von den hoben Schiffen
Nah dem Rauch der Heimat Hin.
„„Rauch iſt alles ird'ſche Weſen!
Wie des Dampfes Säule weht,
Schwinden alle Erdengrößen;
Nur die Götter bleiben ſtät.““
„Um das Roß des Reiters ſchweben,
Um das Schiff die Sorgen ber;
Morgen können wir's nicht mehr,
Darum laßt und heute Teben!“
Sr. v. Sqiuer. (1308)
490, Ganymed,
1 Wie im Morgenglanze
Du rings mich anglühft,
Frühling, Geliebter!
Mit taufendfacher Liebesmonne
5 Sich an mein Herz drängt
Deiner ewigen Wärme
Heilig Gefühl,
Unendlide Schöne!
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— 789 —
Daß ich dich faſſen möcht
Sn diefen Arm!
Ab, an deinem Bufen
Lieg' ich, ſchmachte,
Und deine Blumen, dein Gras
Drängen ſich an mein Herz.
Du kühlſt den brennenden
Durſt meines Buſens,
Lieblicher Morgenwind!
Ruft drein die Nachtigall
Liebend nach mir aus dem Nebelthal.
Ich komm', ich komme!
Wohin? ach, wohin?
Hinauf! Hinauf ſtrebt's.
Es ſchweben die Wolken
Abwärts, Die Wolfen
Neigen fi der fehnenden Liebe.
Mir! Mir!
In euerm Schoße
Aufwärts!
Umfangend umfangen!
Aufwärts an deinen Bufen,
Allliebender Vater!
Mm. v. Goethe. (1780?)
491. Promethens,
Bebede deinen Himmel, Zeus,
Mit Wolkendunſt
Unb übe, dem Auaben gleich,
Der Difteln köpft,
An Eichen did und Bergeshöhn;
Mußt mir meine Erde
Doch laſſen ſtehn
Und meine Hütte, die Du wicht gebaut,
Und meinen Herd,
Um deſſen Glut
Du mid beneideft!
Ach kenne nichts Ärmeres
Unter der Sonn’, ale euch Götter!
Ihr nähret kümmerlich
Bon Opferiteuern
Und Gebetshauch
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— 170 —
Eure Majeftät
Und darbtet, wären
Nicht Kinder und Bettler
Hoffnungsvolle Thoren.
Da ih ein Kind war,
Nicht wußte, wo aus noch ein,
Kehrt' ih mein verirrtes Auge
Zur Sonne, als wenn drüber wär’
Ein Obr, zu hören meine Klage,
Ein Herz, wie meins,
Sich des Bebrängten zu erbarmen.
Mer half mir
Wider der Titanen Übermut?
Mer rettete vom Tode mid),
Bon Sklaverei?
Haft du nicht alles felbft vollendet,
Heilig glühend Herz?
Und glühteft jung und gut,
Betrogen, Rettungsdank
Dem Schlafenden da droben?
Ich dich ehren? Wofür?
Haft du die Schmerzen gelinbert
Je des Beladenen ?
Haft du die Thränen geftillet
Je des Geängfteten?
Hat nicht mich zum Manne geſchmiedet
Die allmüchtige Zeit
Und das ewige Schichſal,
Meine Herren und deine?
Wähnteſt du etwa,
Ich ſollte das Leben haſſen,
In Wüſten fliehen,
Weil nicht alle
Blütenträume reiften?
Hier fi’ ih, forme Menſchen
Nah meinem Bilde,
Ein Geflecht, das mir gleich fet,
Zu leiden, zu meinen,
Zu genießen und zu freuen fi
Und dein nicht zu achten,
Wie ich!
w. ». Goethe. (1774.)
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— 791 —
492, Echichſalalied.
Ihr wandelt droben im Licht,
Auf meihem Boden, felige Genien!
Glänzende Götterlüfte
Rühren euch leicht,
Wie die Finger der Künftlerin
Heilige Saiten.
Schickſallos, wie des fchlafende
Säugling, atmen die Himmliſchen;
Keuſch bewahrt
In befcheidener Knoſpe,
Bluhet ewig
Ihnen der Geiſt,
Und die ſeligen Augen
Blicken in ſtiller,
Ewiger Klarheit.
Doch uns iſt gegeben,
Auf keiner Stätte zu ruhn;
Es ſchwinden, es fallen
Die leidenden Menſchen
Blindlings von einer
Stunde zur andern,
Wie Waſſer von Klippe
Zu Klippe geworfen,
Jahrlang ins Ungewiſſe hinab.
Sr. Bölderlin. (Aus Hyperion 1799.)
495. Das Göttliche,
1 Edel fei der Menid,
Hilfreich und gut!
Denn das allein
Unterſcheidet ihn
5 Bon allen Weſen,
Die wir Tennen.
Heil den unbelannten
Höhern Weſen,
Die wir ahnen!
10 Sein Beiſpiel lehr’ uns
Jene glauben.
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— 712 —
Denn unfühlend
Iſt die Natur:
Es leuchtet die Sonne
Über Böſ' und Gute,
Und dem Verbrecher
Glänzen, wie dem Beten,
Der Mond und die Sterne.
Wind und Ströme,
Donner und Hagel
Raufchen ihren Weg
Und ergreifen,
Vorüber eilend,
Einen um den andern.
Auch fo das Glück
Tappt unter die Menge,
Faßt bald des Knaben
Lockige Unſchuld,
Bald auch den kahlen
Schuldigen Scheitel.
Nach ewigen, ehrnen,
Großen Geſetzen
Müſſen wir alle
Unſeres Daſeins
Kreiſe vollenden.
Nur allein der Menſch
Vermag das Unmögliche:
Er unterſcheidet,
Mählet und richtet;
Er kann dem Augenblid
Dauer verleihen.
Er allein darf
Den Guten lohnen,
Den Böfen ftrafen,
Heilen und retten,
Alles Irrende, Schweifende
Nüglih verbinden.
Und wir verehren
Die Uniterblichen,
Als wären fie Menſchen,
Thäten im großen,
Mas der Beſte im Hemen
Thut oder möchte.
— ꝰ
— 73 —
Der edle Menſch
55 Sei Hilfreich und gut!
Unermübet ſchaff' er
Das Nügliche, Rechte,
Sei uns ein’ Vorbild
Jener geahneten Weien!
W. v. Goethe. (17832)
494. Heralles auf dem Deta.
1 Halt aus! Und ob's wie freſſend Feuer auch
Bis and Gebein dir zehrt; dies iſt das lebte,
Was du zu dulden haft; halt aus, mein Herz!
In Qualen noch des Todes preif’ ich dich,
5 O Vater Zeus, Erhabener; denn ich weiß,
Du haft dem Sohne, dem in Sterblichkeit
Geborenen, auch dies zum Heil verorbnet
Und ziehit durch Leid und Hige, den bu Liebit,
Meil er dich ſucht, in deine Klarheit nad.
10 Aus eitel Kampf und Mühſal webteſt bu
Mein irdiſch Los, und wie des Ringer Stunde
Am Tag der Spiele ging mein Leben Bin.
Hab’ ih nom Aufgang bis zum Niedergang
Den Erdkreis nicht bemandert? Hab’ ih nicht,
15 Der nadte Mann, gerungen bis aufs Blut
Mit all der Rieſenbrut der ſchwangern Wilbnis,
Die, aufgequollen aus dem Element,
In troß’ger Urkraft jeder Sühnung lachte,
Bis diefe Sehnen ihre Wut erbrüdt?
20 Hab’ ich nicht deines Himmels ſtolz Gewölb
Getragen auf den Schultern Bier? und bin
Hinabgeftiegen zu den Pforten drunten
Der ew'gen Naht, daß ih den Wächter dort
Mit meiner Hand, den grimmen, bänbigte?
25 Nicht reut der Arbeit mid. Im Schweiß des Kampfes
Wuchs in der Bruft der Kühnheit Blüte mir,
Des Harrens Mut, und meiner Glieder Kraft
Ward wie gefäjmiebet Erz. Doch preiſ' ih dic
Um Größeres. Denn wo bie Brüder mir
30 Troſtlos verzagten oder, eingehüllt
Sn dumpfen Trog, unwillig nur den Schill
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— 174 —
Wie einer maßlos fremden Macht fi) beugten,
Da gabft du mir's, durch alles Irrſals Graus
Das Walten deiner Segendhand zu ahnen;
Und immer, menn ich der gewalt’gen Not,
Der unbeugfamen, feit ind Auge blidte,
Zulegt erkannt’ ich in den jtrengen Zügen
Dein Antlik doch, o Bater, wie's auf mid
Auch fo Verheißung lächelnd nieberjah.
Heil mir! Denn wieder wie durch Schleier feh’ ich's
Zu diefer Stunde. Horch, ſchon rollt, ſchon rollt
Um Detas Gipfel aus entwölktem Blau
Dein naher Donner Gnade kündend ber,
Und winkend zudt wie Adlerflügelichlag
Dein Blitz herab. Hab’ Dank, hab’ Dank! Es loben
Um mid die Scheiter; über, unter mir
Schlagen der Löfung Flammen jauchzend auf,
Und wie das Staubgeborne endlich, endlich
Gleich wie ein mürb Gewand herniederflodt,
Trägt mich des Rauches blühend Goldgewöll
Hinauf, Hinauf zu dir, und ſchauernd trink' id
Sn deinem Odem, der von oben mir
Begegnet, Jugend und Unfterblichkeit.
Em. Geibel.
495. Das Mädchen aus der Fremde
1. Sm einem Thal bei armen Hirten
Erſchien mit jedem jungen Jahr,
Sobald die eriten Lerchen ſchwirrten,
Ein Mädchen, ſchön und wunderbar.
2. Sie war nit in dem Thal geboren,
Man wußte nicht, woher fie fam;
Doch ſchnell war ihre Spur verloren,
Sobald das Mädchen Abſchied nahm.
3. Beſeligend war ihre Nähe,
Und alle Herzen wurden weit;
Doch eine Würde, eine Höhe
Entfernte die Vertraulichkeit.
4. Sie brachte Blumen mit und Früdte,
Gereift auf einer andern Flur,
In einem andern Sonnenlichte,
In einer glüdlichern Natur,
— 75 —
5. Und teilte jedem eine Gabe,
Dem Frädte, jenem Blumen aus!
Der Yüngling und der Greis am Stabe,
Ein jeder ging beſchenkt nach Haus.
6. Willlommen waren alle Gäfte;
Doch nahte fich ein liebend Baar,
Dem reichte fie der Gaben befte,
Der Blumen allerfhönfte dar.
Ir. v. Schiller. (17%.)
496. Meine Göttin.
1 Welcher Unfterblichen
Soll der höchſte Preis fein?
Mit niemand ftreit’ ih;
Aber ich geb’ ihn
5 Der ewig beweglichen,
Immer neuen,
Seltfamen Tochter Jovis,
Seinem Schoßlinde,
Der Phantafie.
10 Denn ihr hat er
Ale Launen,
Die er fonft nur allein
Sich vorbehält,
Bugeftanden
15 Und Bat feine Freude
An der Thörin;
Sie mag roſenbekränzt
Mit dem Lilienftengel
Blumenthäler betreten,
20 Sommervögeln gebieten
Und leihtnährenden Tau
Mit Bienenlippen
Bon Blüten faugen;
Ober fie mag
25 Mit fliegendem Haar
Und düfterm Blide
Am Winde jaufen
Um Felfenwände
30
35
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60
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— 716 —
Und taufenbfarbig,
Wie Morgen und Abend,
Immer wechſelnd,
Wie Mondesblide,
Dem Sterblichen ſcheinen.
Laßt uns alle
Den Vater preiſen!
Den alten, hohen,
Der ſolch eine ſchöne,
Unverwellliche Gattin
Dem ſterblichen Menſchen
Geſellen mögen!
Denn uns allein
Hat er ſie verbunden
Mit Himmelsband
Und ihr geboten,
In Freud' und Elend
Als treue Gattin
Nicht zu entweichen.
Alle die andern
Armen Geſchlechter
Der kinderreichen,
Lebendigen Erde
Wandeln und weiden
In dunkelm Genuß
Und trüben Schmerzen
Des augenblicklichen,
Beſchränkten Lebens,
Gebeugt vom Joche
Der Notdurft.
Uns aber hat er
Seine gewandteſte,
Verzärtelte Tochter,
Freut euch! gegönnt.
Begegnet ihr Lieblich,
Wie einer Geliebten!
Laßt ihr die Würde
Der Frauen im Haus!
Und daß bie alte
Schwiegermutter Weigheit
Das zarte Seelchen
Ja nicht beleib’ge!
1
10
15
20
25
70,
Doch kenn' ih ihre Schwefter,
Die ältere, geſetztere,
Meine ftille Freundin:
D daß bie erft
75 Mit dem Lichte des Lebens
Sich von mir wende,
Die edle Treiberm,
Tröfterin, Hoffnung,
m. v. Goethe. (GSeptember 17%.)
491, Phantains.
Mer ift dort ber alte Mann,
Sn einer Ede feitgebunden,
Daß er fi nicht rührt und regt?
Vernunft hält über ihn Wache,
Sieht und erfundet jede Miene.
Der Alte ift verbrießlich,
Um ihn in taufend Falten
Ein weiter Mantel geichlagen.
Es #ft der launige Phantaſus,
Ein wunderlicher Alter,
Folgt ftet feiner närriſchen Laune;
Sie haben ihn feftgebunden,
Daß er nur feine Poſſen läßt,
Vernunft im Denken nicht ſtört,
Den armen Menſchen nicht irrt,
Daß er fein Tagsgefchäft
In Ruhe vollbringe,
Mit dem Nachbar verftändig ſpreche
Und nicht wie ein ‘Thor erfcheine.
Denn der Alte hat nie mas Kluges im Sinn,
Immer tändelt er mit dem Spielzeug
Und kramt es aus und lärmt damit,
So wie nur nit nad ihm gefehn wird.
Der alte Mann ſchweigt und rungelt die Stim,
Als wenn ex die Nebe ungern vernähme,
Schilt gern alles langweilig,
Was in feinen Kram nicht tangt.
Der Menſch Handelt, denkt; die Pflicht
Wird indes ftet® von ihm gethan.
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Fällt in die Augen das Abendrot hinein,
Stehn Schlummer und Schlaf aus ihrem Winkel auf,
Da ſie den Schimmer merken.
Vernunft muß ruhn und wird zu Bett gebracht,
Schlummer ſingt ihr ein Wiegenlied:
„Schlafe ruhig, mein Kind, morgen iſt auch noch ein Tag!
Mußt nicht alles auf einmal denken,
Biſt unermüdet und das iſt ſchön,
Wirſt auch immer weiter kommen,
Wirſt deinem lieben Menſchen Ehre bringen,
Er ſchätzt dich auch über alles,
Schlaf ruhig, ſchlaf ein.“ —
„Wo iſt meine Vernunft geblieben?“ ſagt der Menſch,
„Geh', Erinnrung, und ſuch' ſie auf.“
Erinnrung geht und trifft fie ſchlafend,
Gefällt ihr die Ruhe auch,
Nickt über der Gefährtin ein.
„Run werben fie gewiß dem Alten die Hände frei machen“, —
Denkt der Menſch, und fürchtet ſich ſchon.
Da kommt der Schlaf zum Alten geſchlichen
Und fagt: „Mein Befter, du mußt erlahmen,
Menn dir Die Glieder nicht frei gelöfet find;
Pflicht, Vernunft und Berftand bringen dich ganz herunter,
Und du bift gutwillig, wie ein Kind.” —
Indem macht der Schlaf ihm ſchon die Hände los,
Und der Alte ſchmunzelt: „Sie haben mir viel zu danken,
Mühfam hab’ ich fie erzogen;
Aber nun verachten fie mich alten Maun,
Meinen, ich würde kindiſch,
Sei zu gar nichts zu gebrauden;
Du, mein Liebfter, nimmſt di mein noch an,
Wir beide bleiben immer gute Kameraden.“
Der Alte fteht auf und ift der Banden frei;
Er ſchüttelt fi vor Freude,
Er breitet den weiten Mantel aus,
Und aus allen alten ftürzen wunderbare Sachen,
Die er mit Wohlgefallen anſieht.
Er kehrt den Mantel um und fpreitet ihn weit umher:
Ein Bunte Tapete iſt die untre Seite.
Nun hantiert Phantafus in feinem Zelte
Und weiß fi vor Freuden nicht zu laſſen,
Aus Glas und Kryſtallen baut er Schlöfler,
Läßt oben aus den Binnen Zwerge gucken,
Die mit dem großen Kopfe wadeln.
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Unten gehn Fontänen im Garten fpazieren,
Aus Röhren fprudeln Blumen in die Luft,
Dazu fingt der Alte ein ſeltſames Lieb
Unb klimpert mit aller Gewalt auf ber Harfe.
Der Menſch fieht feinen Spielen zu
Und freut fih, vergißt, daß Vernunft
Ihn vor allen Weſen herrlich macht,
Spridt: „Fahre fort, mein lieber Alter.“
Und der Alte läßt fih nicht lange bitten;
Schreiten Geiftergeftalten heran,
Zieht die Heinen Marionetten an Fäden
Und läßt fie aus der Ferne größer fcheinen.
Tummeln fih Reiter und Fußvollk,
Hängen Engel in Wolken oben,
Abendröten und Mondſchein gehn Durcheinander...
Ein Heer von Kobolden lärmt und tanzt,
Alte Helden fommen von Troja wieder,
Achilles, der weiſe Neftor, verfanumeln fih zum Spiel
Und entzweien fi wie die Knaben —
Ja, der Alte bat daran noch nicht genug,
Er ſpricht und fingt: „Laß deine Thaten fahren,
Dein Streben, Menſch, deine Grübelei'n!
Sieh, ih will dir goldne Segel ſchenken,
Ein ganzes Spiel, und filberne Kugeln dazu,
Männerden, die von felbft immer auf den Beinen ftehn;
Warum willſt du dich des Lebens nicht freun?
Dann bleiben wir beifammen,
Bertreiben mit Geſpräch Die Zeit;
Ich Iehre dich taufend Dinge,
Bon denen du no nichts weißt." —
Das blintende Spielwerk ftiht dem Menfchen in die Augen,
Er redt Die Hände gierig aus;
Indem erwacht mit dem Morgen bie Vernunft,
Reibt die Augen und gähnt und dehnt fi:
„Wo ift mein lieber Menfch?
Iſt er zu neuen Thaten geftärkt?* fo ruft fie.
Der Alte hört die Stimme und fängt an zu zittern,
Der Menih ſchämt fich, läßt Kegel und Kugel fallen,
Vernunft tritt ins Gemad.
„Iſt der alte Wirrwarr ſchon wieder los geworben?“
Ruft Vernunft aus, „läßt du dich immer wieder loden
Bon dem kind'ſchen Greife, der felber nicht weiß,
Was er beginnt?" —
Der Alte fängt an zu weinen;
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Der Mantel wieder umgekehrt
Ihm um die Schultern gehängt,
120 Arm und Beine feſtgebunden,
Sitzt wieder grämlich da.
Sein Spielzeug eingepackt,
Ihm alles wieder ins Kleid geſteckt;
Und Vernunft macht 'ne drohende Miene
125 Der Menſch muß an die Geſchäfte gehn,
Sieht den Alten nur von ber Seite an
Und zudt die Schultern über ihn,
„Barum verführt ihr mir den lieben Menichen?“
Grämelt ber alte Phantafus;
130 „hr werdet ihn matt oder tot noch machen,
Wird vor der Zeit kindiſch werden,
Sein Leben nicht genießen.
Sein befter Freund fit bier gebunden,
Der ed gut mit ihm meint.
135 Er verzehrt fih und möcht e8 gern mit mir halten;
Aber ihr Überflugen
Habt ihm meinen Umgang verleibet
Und wißt nicht, was ihr mit ihm wollt.
Schlaf ift weg, und keiner fteht mir bei.“
Cubw. Cie.
498. Der Neltartropfen.
1 Als Minerva jenen Liebling,
Den Prometheus, zu begünft'gen,
Eine volle Nektarſchale
Bon dem Himmel nieberbradte,
5b Gene Menſchen zu beglüden
Und den Trieb zu bolden Künſten
Ihrem Bufen einzuflößen:
Eilte fie mit ſchnellen Füßen,
Daß fie „Jupiter nicht fähe;
10 Und die goldne Schale ſchwanlkte,
Und es fielen wenig Tropfen
Auf den grünen Boden nieber.
Emfig waren drauf die Bienen
Hinterher und faugten fleißig;
15 Kam der Schmetterling gefchäftig,
Auch ein Tröpfehen zu erhaſchen;
Selbit die ungeftalte Spinne
Kroch herbei und fog gewaltig.
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Glücklich Haben fie geloftet,
Sie und andre zarte Tieren!
Denn fie teilen mit dem Menfchen
Nun das fhönfte Glück, die Kunft.
W. v. Goethe.
499. Die Muſageten.
Dft in tiefen Winternächten
Rief ih an die holden Mujen:
„Keine Morgenröte leuchtet,
Und es will fein Tag erjcheinen,
Aber bringt zur rechten Stunde
Mir der Lampe .fromm Geleuchte,
Daß es, ftatt Auror’ und Phöbus,
Meinen ftilen Fleiß belebe! “
Doc fie liegen mih im Schlafe,
Dumpf und unerquidlich, Liegen,
Und nah jebem fpäten Morgen
Folgten ungenußte Tage.
Da fih nun der Frühling regte,
Sagt’ ih zu den Nachtigallen:
„Liebe Nachtigallen, ſchlaget
Früh, o frühl vor meinem Fenſter,
Weckt mich aus dem vollen Schlafe,
Der den Jüngling mächtig feſſelt.“
Doch die lieberfüllten Sänger
Dehnten nachts vor meinem Fenſter
Ihre ſüßen Melodieen,
Hielten wach die liebe Seele,
Regten zartes, neues Sehnen
Aus dem neugerührten Buſen.
Und ſo ging die Nacht vorüber,
Und Aurora fand mich ſchlafen,
Ja, mich weckte kaum die Senne.
Endlich iſt es Sommer worden,
Und beim erſten Morgenſchimmer
Reizt mich aus dem holden Schlummer
Die geſchäftig frühe Fliege.
Unbarmherzig kehrt fie wieder,
Wenn auch oft der halb Erwachte
Ungebuldig ſie verſcheuchet,
Lockt die unverſchämten Schweſtern,
Und von meinen Augenlidern
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(1781?)
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Muß der holde Schlaf entweichen.
Rüftig ſpring' ich von dem Lager,
Suche die geliebten Rufen,
40 Finde fie im Buchenhaine,
Mich gefällig zu empfangen,
Und den leidigen Inſekten
Dont’ ih manche goldne Stunde,
Seid mir doch, ihr Unbequemen,
45 Bon dem Dichter bochgeprieien
Als die wahren Mufageten.
m. v. Goethe. (1798.)
500. Waldplage.
Sm Walde deucdht mir alles miteinander ſchön
Und nichts Mipliebiges darin, jo vielerlei
Er begen mag, e8 Frieche gwifchen Gras und Moos
Am Boden, oder jage reißend durchs Gebüſch,
Es ſinge oder kreiſche von den Gipfeln hoch
Und hacke mit dem Schnabel in der Fichte Stamm,
Daß lieblich ſie ertönet durch den ganzen Saal.
Ja machte je ſich irgend etwas unbequem,
Verdrießt es nicht, zu ſuchen einen andern Sitz,
Der ſchöner bald, der allerſchönfte, dic bebünft.
Ein einzig Übel aber bat der Wald für mid,
Ein graufames und unausweichliches beinah.
Sogleich beichreib’ ich dieſes Scheufal, daß ihr’s kennt;
Noch kennt ihr’s kaum und merkt e8 nicht, bis unverjehns
Die Hand euch und, noch fchredlicher, die Wange ſchmerzt
Geflügelt fommt es, fäufelnd, faft unhörbarlich;
Auf Füßen, zweimal dreien, ift es hoch geftellt
(Deswegen ih in Verſen e8 zu ſchmaͤhen aud
Den Haffiiden Senarium mit Fug ermählt);
Und wie es anfliegt, augenblidlich läſſet es
Den langen Rüfjel ſenkrecht in die zarte Haut;
Erſchrocken ſchlagt ihr ſchnell danach, jedoch umfonft,
Denn, graziöſer Wendung, ſchon entſchwebet es.
Und alſobald, entzündet von dem raſchen Gift,
Schwillt eu die Hand zum ungeftalten Kiffen auf
Und judt und fpannt und brennet zum Berzweifeln euch
Biel Stunden, ja zuweilen noch den dritten Tag.
So unter meiner Lieblingsfihte faß ich jüngft, —
Zur Lehne wie gebrechjelt für den Rüden, fteigt
Zwieſtämmig, nah dem Boden, fie als Gabel auf —
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Den Dichter lefend, den ich jahrelang vergaß:
An Fanny fingt er, Cidly und den Zürcher See,
Die frühen Gräber und des Rheines golonen Wein!
— O fein Geftade brütet jenes Greuels auch
Ein größeres Geſchlechte noch und fchlimmres aus;
Sch kenn' es wohl, doch böflicher dem Gafte war's.
Nun Hatte aber geigend jchon ein Kleiner Trupp
Mih ausgemwittert, den geruhig Sitzenden;
Mir um die Schläfe tanzet er in Lüfternbeit.
Ein Stih! der erftel er empört die Galle fchon.
Zerftreuten Sinnes immer ſchiel' ich übers Blatt.
Ein zweiter macht, ein dritter mich zum Rafenben.
Das holde Zwillings-Nymphen: Paar des Yichtenbaums
Vernahm da Worte, die es nicht bei mir geſucht;
Zuletzt geboten fie mir flüfternd Mäßigung:
Mo nicht, fo follt’ ich meiden ihren Ruhbezirk.
Beihämt gehorcht' ich, finnend ſtill auf Grauſamthat.
Ich hielt geöffnet auf der flachen Hand das Bud,
Das jchwebende Geziefer, wie ſich eines naht,
Mit raſchem Klapp zu töten. Ha! da kommt fchon eins!
„Du flieht! o bleibe, eile nicht, Gedankenfreund!“
(Dem hoben Mond rief jener Dichter“* zu die Wort.)
Patſch! Hab’ ich Dich, Kanaille? oder hab’ ich nicht?
Und haſtig — denn ſchon hatte meine Morbbegier
Zum ftillen Wahnfinn ſich verirrt, zum kleinlichen —
Begierig blätt’r ich: ja, da liegſt du plattgedrüdt,
Bevor du ftachft, nun aber ftichft du nimmermehr,
Du zierlih LZanggebeinetes, Sungfräuliches!
— Alfo, nicht adjtend eines fhönen Buchs Verderb,
Trieb ich erheitert lange noch die ſchnöde Jagd,
Unglüdlih oft, doch öfter glüdlichen Erfolge.
Sp mag es fommen, daß ein fünft’ger Leſer wohl
Einmal in Klopftods Oden, nicht ohn’ einiges
Verwundern, auch etwelcher Schnaken fi erfreut.
eb. Mörite.
501. Der Wein,
Heilig acht’ ih den Wein, und immer, fobald er die Lippen
Herzerfreuend mir nett, Den?’ ich des Lebens dabei.
Denn vom Lichte gezeugt und der alles ernährenden Erbe,
Grüßt in des Lenzes Beginn fehüchtern die Rebe den Tag;
* Bol. „Die frühen Gräber“, Nr. 505 biefer Sammlung.
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Und dann füßt fie der Strahl, da weint fi. Aber die Zähren
Sind no füß und allein quellenden Lebens Symbol.
Bald auch hießen die Blätter heraus in grünender Jugend,
Und allmählih am Stod drängt fi die Traube hervor.
Langſam reift fie, vom Glanze geſäugt, bis endlich im Herbſte
Bol für fchmellenden Saft purpurn den Winzer fie lodt
Wenn fih das Laub dann ſenkt und, den Tod vorahnen),
noch einmal
Prädtig in Farben erglüht, naht er mit blinfendem Erz;
Und vom Stamme gelöft und gelöft von der nährenden Mutter,
Wird die gezeitigte Frucht unter die Kelter getban.
Ab, dann duldet fie viel; der Geburt urfprünglice Reinheit
Geht ihr verloren, fie meint blutige Thränen des Leibe.
Aber das Fremde bewältigt fe nicht, und Die Straßlen der Sonne,
Die fie als Kind einfog, regen fi) mächtig in ihr,
Bis fie im gärenden Kampf bie gemeineren Stoffe bezwungen
Und als Feuer und Geiſt wiedergeboren erfcheint;
Seht, da faflet der Priefter den Wein in güldene Schalen,
Und ein geläutert Geſchenk bringt er den Göttern ihn dar.
"Em. Geibel.
502. Weinlied.
1. Auf grünen Bergen wirb geboren
Der Gott, der uns den Himmel bringt;
Die Sonne bat ihn fich erforen,
Dap fie mit Flammen ihn durchdringt.
2. Er wird im Lenz mit Luft empfangen,
Der zarte Schoß quillt Still empor,
Und wenn des Herbſtes Früchte prangen,
Springt au das golbne Kind hervor.
3. Gie legen ihn in enge Wiegen,
Ins unterirdiſche Geſchoß;
Er träumt von Feſten und von Siegen
Und baut ſich manches luft'ge Schloß.
4. Es nahe keiner ſeiner Kammer,
Wo er ſich ungeduldig drängt
Und jedes Band und jede Klammer
Mit jugendlichen Kräften ſprengt.
5. Denn unſichtbare Wächter ſtellen,
Solang' er träumt, ſich um ihn her;
Und wer betritt die heil'gen Schwellen,
Den trifft ihr Iuftummundner Speer.
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6. So wie die Schwingen fi entfalten,
Läßt er die lichten Augen ſehn,
Läßt ruhig feine Priefter fchalten
Und kommt heraus, wenn fie ihn flehn.
7. Aus feiner Wiege dunklem Schoße
Erſcheint er im Kryftallgemand;
Verſchwiegner Eintracht volle Nofe
Trägt er bedeutend in ber Hand.
8. Und überall um ihn verfammeln
Sich feine Jünger hoch erfreut,
Und taufend frohe Zungen ſtammeln
Ihm ihre Lieb’ und Dankbarkeit.
9. Er fprigt in ungezählten Strahlen
Sein innres Leben in die Welt,
Die Liebe nippt aus feinen Schalen
Und bleibt ihm ewig zugeſellt.
10. Er nahm als Geift der golbnen Zeiten
Bon jeher fih des Dichters an,
Der immer feine Lieblichkeiten
In trunfnen Liedern aufgethan.
11. Er gab ihm, feine Treu’ zu ehren,
Ein Recht auf jeden hübfhen Mund;
Und daß es feine darf ihm wehren,
Macht Gott dur ihn es allen Fund.
ovalis. (Aus Heine. von Dfterdingen, 1799.)
503. Au das Triulglas eines verſtorbenen Freundes.
1. Du berrlih Glas, nun ſtehſt du leer,
Glas, das er oft mit Luft gehoben;
Die Spinne hat ringd um dich ber
indes den büftern Flor gewoben.
2. Seht follit du mir gefüllet fein
Mondhell mit Gold der beutfhen Neben!
In deiner Tiefe heil’gen Schein
Schau ih hinab mit frommem Beben.
3. Was ich erihaw in Deinem Grund,
Iſt nicht Gewöhnlichen zu nennen,
Doch wird mir Far zu diefer Stund”,
Wie nichts den Freund vom Freund kann trennen.
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4. Auf diefen Glauben, Glas fo hold!
Trink' ih did aus mit hohem Mute.
Klar ſpiegelt fi der Sterne Gold,
Pokal, in deinem teuren Blute.
5. Still geht der Mond das Thal entlang,
Ernſt tönt die mitternächt'ge Stunde,
Leer fteht das Glas, der beil’ge Klang
Tönt nad in dem kryſtallnen Grunde.
Juftin. Zerner.
504. Au Ebert,
Ebert, mich fcheucht ein trüber Gedanke vom blinkenden Weine
Tief in die Melandholei!
Ad, bu redeſt umfonft, vordem gewaltiges Kelchglas,
Heitre Gedanken mir zu!
Weggehn muß ich und weinen; vielleicht, daß die lindernde Thräne
Meinen Gram mir verweint,
Lindernde Thränen, euch gab die Natur dem menſchlichen Elend
Weiſ' als Gefellinnen zu.
Wäret ihr nicht, und könnte der Menjch fein Leiden nicht weinen,
Ad, wie ertrüg’ er es da!
Meggehn muß ich und weinen! Mein ſchwermutsvoller Gedante
Bebt noch gewaltig in mir.
Ebert! find fie nun alle dahin, dedt unfere Freunde
Alle die heilige Gruft,
Und find wir, zween Einfame, dann von allen no übrig —
Ebert, verftummft du nicht hier?
Sieht dein Auge nicht trüb’ um fich ber, nicht ftarr ohne Seele?
So eritarb aud mein Blid!
So erbebt’ ih, ald mich von allen Gedanken der bängfte
Donuernd das erfte Mal traf!
Mie du einen Wanderer, der, zueilenb der Gattin
Und dem gebildeten Sohn
Und der blühenden Tochter, nad) ihrer in. ſchon hinweint,
Du den, Donner, ereilſt,
Tötend ihn faffeft und ihm das Gebein zu fallendem Staube
Machſt, triumphierend alsdann
Wieder die hohe Wolke durchwandelſt: ſo traf der Gedanke
Meinen erſchütterten Geiſt,
Daß mein Auge ſich dunkel verlor und das bebende Knie mit
Kraftlos zittert' und ſank.
Ach, in ſchweigender Nacht ging mir die Totenerſcheinung,
Unfere Freunde, vorbei!
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Ah, in fchmeigender Nacht erblickt’ ich die offenen Gräber
Und der Unfterbliden Schar!
Menn mir nicht mehr das Auge des zärtlichen Giſeke lächelt;
Wenn, von ber Radilin fen,
Unfer rebliher Cramer verweit; wenn Gärtner, wenn Rab’ner
Nicht ſokratiſch mehr ſpricht;
Wenn in des edelmütigen Gellert harmonischem Leben
Jede Saite verftummt;
Wenn, nun über der Gruft, der freie, gejellige Rothe
Freudegenofſen fih wählt;
Wenn der erfindende Schlegel aus einer längern Verbannung
Keinem Sreunde mehr Schreibt;
Wenn in meines geliebteften Schmidts Umarmung mein Auge
Nicht mehr Zärtlichkeit weint;
Wenn fih unfer Vater zur Ruh, ſich Hagedorn hinlegt:
Ebert, was find wir alsbann,
Mir Gemweihten des Schmerzes, die bier ein trüberes Schickſal
Länger als alle fie ließ?
Stirbt dann auch einer von und, (mich reißt mein banger Gedanke
Immer nächtlicher fort!)
Stirbt dann auch einer von uns, und bleibt nur einer noch übrig;
Bin der eine dann ich;
Hat mich dann auch die ſchon geliebt, die künftig mich liebet,
Ruht auch ſie in der Gruft;
Bin dann ich der Einſame, bin allein auf der Erde:
Wirſt du, ewiger Geiſt,
Seele, zur Freundſchaft erſchaffen, du dann die leeren Tage
Sehn und fühlend noch fein?
Oder wirſt du betäubt zu Nächten ſie wähnen und ſchlummern
Und gedanlenlos zuhn?
Aber du könnteſt ja auch erwachen, dein Elend zu fühlen,
Leidender, ewiger Geiſt.
Rufe, wenn du ermadft, das Bild von dem Grabe der Freunde,
Das nur rufe zurüd!
D ihre Gräber der Toten, ihr Gräber meiner Entichlafnen,
Warum liegt ihr zerftreut?
Warum lieget ihr nicht in blühenden Thalen beilammen ?
Oder in Hainen vereint?
Leitet den fterbenden Greis! Ich will mit wanfendem Fuße
Gehn, auf jeglihes Grab
Eine Eyprefle pflanzen, die noch nicht fchattenden Bäume
Für die Enkel erziehn,
Dft in der Nacht auf biegſamem Wipfel die himmlische Bildung
Meiner Unfterblichen jehn,
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Zitteend gen Himmel erheben mein Haupt und weinen — und
ſterben!
Senket den Toten dann ein
Bei dem Grabe, bei dem er ſtarb! nimm dann, o Verweſung
Meine Thränen und mid!
Finſtrer Gedanke, laß ab, laß ab in die Seele zu donnern!
Wie die Emigleit ernft,
Furchtbar mie das Gericht, laß ab! die verfiummende Seele
Faßt dich, Gedanke, nicht mehr.
Sr. Gotti. Rlopfiod. (Leipzig 1748.)
505. Die frühen Gräber.
Willkommen, o filderner Mond,
Schöner, ftiller Gefährt’ der Nacht!
Du entfliehft? Eile nicht, bleib, Gedankenfreund!
Sehet, er bleibt, daB Gewölk wallte nur hin.
Des Maies Erwachen ift nur
Schöner noch wie die Sommernadt,
Wenn ihm Tau, hell wie Licht, aus der Lode träuft,
Und zu dem Hügel herauf rötlih er kommt
Ihr Edleren, ad, es bewächſt
Eure Male ſchon ernſtes Moos!
D wie war glücklich ich, als ich noch mit euch
Sahe fih röten den Tag, ſchimmern die Nacht!
sr. Gottl. Rlopſtock. (Kopenhagen 1764.)
506. Elegie auf das Grab meines Vaters.
1. Selig alle, die im Herrn entfchliefen!
Selig, Bater, felig bift aud du!
Engel braten dir den Kranz und riefen,
Und du gingft in Gottes Ruh;
2. Wandelſt über Millionen Sternen,
Siehft die Hand voll Staub, die Erbe, nit,
Schwebſt im Wink durch taufend Sonnenfernen,
Schaueſt Gottes Angeficht;
3. Siehit das Buch der Welten aufgefchlagen,
Zrinfeft durftig aus dem Lebensquell;
Nächte, vol von Labyrinthen, tagen,
Und dein Blid wird himmelhell.
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4. Dod in deiner Überwinderkrone
Senkſt du noch den Baterblid auf mic,
Beteft für mich an Jehovahs Throne,
Und Jehovah höret dich.
5. Schwebe, wann der Tropfen Zeit verrinnet,
Den mir Gott aus ſeiner Urne gab,
Schwebe, wann der Todeskampf nn
Auf mein Sterbebett herab:
6. Daß mir deine Palme Kühlung wehe,
Kühlung, wie von Lebensbäumen träuft;
Daß ich fonder Graun die Thäler ſehe,
Wo die Auferftehung reift;
7. Daß mit dir ich durch die Himmel ſchwebe
Wonneftrahlend und beglüdt, wie du;
Und mit dir auf einem Sterne lebe
Und in Gottes Schoße ruh'.
8. Grün’ indefien, Straud der Rofenblume,
Deinen Burpur auf fein Grab zu jtreun.
Schlummre, wie im ftilen Heiligtume,
Hingefäetes Gebein.
Chr. Böltg. (1776.)
507. Die Sommernadt.
Menn der Schimmer von dem Monde nun herab
In die Wälder fih ergießt, und Gerüde
Mit den Düften von der Linde
Sn den Kühlungen mwehn;
So umſchatten mic) Gedanken an das Grab
Der Geliebten, und ich feh’ in dem Walde
Nur es dämmern, und es weht mir
Bon ber Blüte nicht ber.
. Ich genoß einft, o ihr Toten, es mit euch!
Wie ummehten uns der Duft und die Kühlung,
Wie verfhönt warft von dem Monde
Du, o jhöne Natur!
Sr. Gott. Rlopfiot. (Ropenfagen 1766.)
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508. Abeundbild.
1. Friedlicher Abend fenkt fi aufs Gefilde;
Sanft entfhlummert Natur, um ihre Züge
Schwebt der Dämmrung zarte Verhüllung, und fie
Lächelt, die Holbe;
2. Lächelt, ein ſchlummernd Kind in Vaters Armen,
Der voll Liebe zu ihr ſich neigt; fein göttlich
Auge weilt auf ihr, und es weht fein Diem
Über ihr Antlik.
509. Die janften Tage
1. Ich bin fo Hold den fanften Tagen,
Wann in der erften Frühlingszeit
Der Himmel, blaulich aufgeſchlagen,
Zur Erde Glanz und Wärme freut,
Die Thäler noch vom Eiſe grauen,
Der Hügel ſchon fich ſonnig hebt,
Die Mädchen fi ind Freie trauen,
Der Kinder Spiel fih neu belebt.
2. Dann jteh’ ich auf dem Berge droben
Und ſeh' es alles, ftill erfreut,
Die Bruft von leifem Drang gehoben,
Der noch zum Wunſche nicht gebeiht.
Ich bin ein Kind und mit dem Spiele
Der heiteren Natur vergnügt,
In ihre ruhigen Gefühle
Iſt ganz die Seele eingemiegt.
3. Ich bin fo hold den fanften Tagen,
Mann ihrer mild befonnten Flur
Gerührte Greife Abfchied jagen;
Dann tft die Feier der Natur.
Sie prangt nicht mehr mit Blüt' und Fülle,
AM ihre regen Kräfte ruhn,
Sie fammelt fih in ſüße Stille,
In ihre Tiefen ſchaut fie nun.
4. Die Seele, jüngft jo hoch getragen,
Sie fentet ihren ftolzen Flug,
Sie lernt ein friedliches Entfagen,
Erinnerung ift ihr genug.
— — —
Da iſt mir wohl im ſanften Schweigen,
Das die Natur der Seele gab;
Es iſt mir ſo, als dürft' ich ſteigen
Hinunter in mein ſtilles Grab.
f. Ubland.
510. Herbſtlich ſonnige Tage.
1. Herbſtlich fonnige Tage,
Mir beſchieden zur Luft,
Euch mit leiferem Schlage
Grüßt die atmende Bruft.
2. D wie waltet die Stunde
Nun in feliger Ruh!
Jede fchmerzende Wunde
Schließet leife fih zu.
3. Nur zu vaften, zu lieben,
Still an ſich felber zu baun
Fühlt fi die Seele getrieben,
Und mit Liebe zu ſchaun.
4. Und fo fchreit’ ich im Thale,
In den Bergen, am Bad,
Jedem fegnenden Strahle,
Jedem verzehrenden nach.
5. Jedem leifen Berfärben
Lauſch' ich mit ftillem Bemühn,
Jedem Wachen und Sterben,
Jedem Welten und Blühn.
6. Selig lern’ ich es fpüren
Wie die Schöpfung entlang
Geift und Welt ſich berühren
Zu harmoniſchem Klang.
7. Was da mwebet im Ringe,
Mas da blüht auf der Flur,
Sinnbild ewiger Dinge
Iſt's dem Schauenden nur.
8. Dede fproffende Pflanze,
Die mit Düften fi füllt,
Trägt im Kelche das ganze
Weltgeheimnis verhüllt.
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9. Schweigend blickt's aus ber Klippe,
Spridt im Wellengebraus,
Doch mit Beiliger Lippe
Deutet die Muf’ es aus,
Em. Geibel.
511. Im Frühling.
Hier lieg’ ich auf dem Früblingshügel;
Die Wolle wird mein Tylügel,
Ein Vogel fliegt mir voraus,
Ah ſag' mir, allzeinzige Liebe,
Wo du bleibft, daß ich bei bir bliebe!
Doch du und die Lüfte, ihr babet fein Haus.
Der Sonnenblume glei) fteht mein Gemüte offen,
Sehnend,
Sich dehnend
In Lieben und Hoffen.
Frühling, mas bift du gemillt?
Wann werd’ ich geftillt?
Die Wolke jeh’ ich wandeln und den Fluß,
Es dringt der Sonne goldner Kuß
Mir tief bis ind Geblüt hinein;
Die Augen, wunderbar beraufchet,
Thun, als fchliefen fie ein,
Nur noch das Ohr dem Ton der Biene laufchet.
Ich denke dies und denke das,
Sch fehne mich und weiß nicht recht, nach was:
Halb ift es Luft, Halb ift es Klage; |
Dein Herz, o fage, |
Was webſt du für Erinnerung
In golden grüner Zweige Dämmerung?
— Alte, unnennbare Tage!
&b. Mörite.
512. Primula veris. |
1. Liebliche Blume,
Biſt du jo Früh ſchon
Wiedergelommen?
Sei mir gegrüßet,
Primula veris!
— 83 —
2. Beifer denn alle
Blumen der Wieſe
Haft du geichlummert,
Liebliche Blume,
Primula veris!
3. Die nur vernehmbar,
Lockte das erite
Sanfte Geflüfter
Wedenden Frühlings,
Primula venis!
4. Mir aud im Herzen
Blühte vor Zeiten,
Schöner denn alle
Blumen der Liebe,
Primula veris!
1. Liebliche Blume,
Primula veris!
Holde, dich nenn’ ich
Blume des Glauben2.
2. Oläubig dem erften
Winke des Himmels
Eilft du entgegen,
Öffneft die Bruft ihm.
3. Frühling ift fommen.
Mögen ihn Fröfte,
Trübende Nebel
Mieder verhüllen;
4. Blume, du glaubft es,
Daß der erjehnte
Göttliche Frühling
Endlih gelommen,
5. Offneſt die Bruft ihm;
Aber es dringen
Zauernde Fröfte
Tödlich ind Herz dir.
6. Mag e3 verwelfen!
®ing doch der Blume
Gläubige Seele
Nimmer verloren!
sit. Conan.
— 814 —
513. Ghaſel.
Im Wafler wogt die Lilie, die blanke, Bin und her;
Doch irrſt du, Freund, fobald du fagit, fie ſchwanke hin und be.
Es wurzelt ja fo feft ihr Fuß im tiefen nd;
Ihr Haupt nur wiegt ein as Gedanke Hin und "her.
4. Graf ». Platen
514. Yu den Mond.
1. Fülleft wieder Buſch und Thal
Stil mit Nebelglanz,
Löfeft endlih auch einmal
Meine Seele ganz;
2. Breiteft über mein Gefild
Lindernd deinen Blid,
Mie des Yreundes Auge mild
Über mein Geſchick.
3. Jeden Nachklang fühlt mein Herz
Froh⸗ und trüber Zeit,
Wandle zwiſchen Freud’ und Schmerz
Sn der Einjamlett.
4. ließe, fließe, lieber Fluß!
Nimmer werd’ ich frob;
So verrauſchte Scherz und Kuß,
Und die Treue jo.
5. Ich beſaß es doch einmal,
Was fo Föftlich iſt!
Daß man doch zu feiner Dual
Nimmer es vergißt!
6. Rauſche, Fluß, das Thal entlang,
Ohne Raſt und Ruh,
Raufche, flüftre meinem Sang
Melodieen zu,
7. Wenn du in der Winternadt
Wütend überſchwillſt,
Oder um bie Frühlingspracht
Junger Knoſpen quillſt.
— 815 —
8. Gelig, wer fih vor der Welt
Ohne Haß verſchließt,
Einen Freund am Buſen hält
Und mit dem genießt,
9. Was, von Menſchen nicht gewußt
Oder nicht bedacht,
Durch das Labyrinth der Bruft
Wandelt in der Nacht.
"=. 9. Goethe. (Januar 1778.)
515. Auftrag.
1. Ihr Freunde, hänget, wenn ich geftorben bin,
Die Heine Harfe Hinter dem Alter auf,
Wo an der Wand die Totenkränze
Manches verftorbenen Mädchens fchimmern.
2. Der Küfter zeigt dann freundlich dem Reifenven
Die Heine Harfe, raufcht mit dem roten Band,
Das, an der Harfe feitgefchlungen,
Unter den goldenen Saiten finttert.
3. „Oft“, jagt er ftaunend, „tönen im Abendrot
Bon felbft die Saiten leife wie Bienenton;
Die Kinder, bergelodt vom Kirchhof,
Hörten’3 und fahn, wie die Kränze bebten.“
D. Ehr. BAltn.
516. Um Grabe Höltys,
1. Hölty! Dein Freund, der Frühling ift gekommen!
Klagend irrt er im Haine, Dich zu finden;
Doch umfonft! fein klagender Ruf verhallt in
Einfamen Schatten!
2. Nimmer entgegen tönen ihm bie Lieber
Deiner zärtlichen, ſchönen Seele; nimmer
Freuft des erften Veilchens bu dich, des eriten
Taubengegirres!
— 86 —
3. Ad, an den Hügel ſinkt er deines Grabes
Und umarmt ihn ſehnſuchtsvoll: „Mein Sänger
Tot!“ jo klagt fein flüfternder Hauch dahin durch
Säujelnde Blumen.
nit, Genau.
517. Tells Platte,
1 Hier iſt daB Felfenriff, drauf Tell aus der Barke gefprungen;
Sieh! ein ewige Mal hebet dem Kühnen fich hier.
Nicht die Kapelle dort, mo fie jährlihe Meflen ihm fingen!
Nein, des Mannes Geftalt — fiehft du, wie herrlich fie ſteht?
5 Schon mit dem einen Fuß betrat er die Heilige Erbe,
Stößt mit dem andern hinaus weit das verzweifelnde Schiff.
Nicht aus Stein ift das Bild, noch von Erz, nicht Arbeit
der Hände,
Nur dem geiftigen Blick Freier ericheinet es Har;
Und je wilber der Sturm, je höher braufet die Brandung,
10 Um fo mächtiger nur hebt fich die Heldengeftalt.
| £. Nhland. (1818.)
518. Anf den Tod Des Majors von Kleift.
(Geftorden am 25. Auguft 1759 nad) der Schlacht bei Kunerädorf.)
1. Auch Kleift ift Hin! — Laßt weit herum erfchallen,
Ihr Muſen, um den Oderſtrand:
Ein Edler iſt im Streit gefallen,
Im Streit fürs Vaterland!
2. Sein Heldenblut floß auf die goldne Leier,
Die ſonſt in ſeiner Hand erklang,
In die mit kriegeriſchem Feuer
Er nur von Tugend ſang.
3. Kleiſt iſt nicht mehr! — Laßt weit herum erſchallen,
Ihr Muſen, durch die bange Welt:
Der Muſen Liebling iſt gefallen,
Ein Menſchenfreund und Held.
4. Der Freundſchaft Schmerz, die mit beſtäubten Haaren,
Stumm über feiner Urne weint,
Rührt auch die Feinde; jelbft Barbaren
Bellagen einen Feind.
er Bl
5. Doch ewig Lob erwartet große Seelen,
Die, nur für wahren Ruhm entbrannt,
Den ſchönen Tob der Helden wählen,
Den Tod fürs Baterland.
6. Sie fliehn empor und werben aufgenommen
Mm Hütten der Glückſeligkeit,
Wo Guftan Adolf hingelommen,
Das Wunder jeder Zeit.
7. Dort ift auch Kleift! hoch über unferm Grame
Und über Sternen geht der Held
Und Graf Schwerin (ein großer Name!)
Mit Keith und Winterfelbdt.
8. Auf Friedrich fehn die Helden Friedrihs nieder,
Bewundernd mit bejorgtem Blid,
Und flehn für ihn und ihre Brüder
Um Leben und um Glüd.
9. Sie flehn zu Gott um Frieden für die Erde,
Damit in Ketten ew’ger Nacht
Die Furie gefeflelt werde,
Die Deutichland wüfte macht
10. Und, bis ihr einft der, dem die Himmel dienen,
Der Gott des Donners miberfteht,
Noch unter brennenden Ruinen
Und über Leichen geht. Job. Pet. 13.
519. Ode an die preußziſche Armee.
(Leipzig Im Mai 1756.)
1. Unüberwundnes Heer! mit dem Tod und Verderben
In Legionen Feinde dringt,
Um das der frohe Sieg die goldnen Flügel fchmingt,
D Heer, bereit zum Siegen oder Sterben!
2. Sieh! Feinde, deren Laſt die Hügel bald verfinten,
Den Erdkreis beben macht,
Ziehn gegen dich und drohn mit Dual und ew'ger Nacht;
Das Waſſer fehlt, mo ihre Roſſe trinken.
3. Der dürre, jcheele Neid treibt niederträcht’ge Scharen
Aus Weit und Süd heraus,
Und Nordens Höhlen fpei'n, fowie des Dfts, Barbaren
Und Ungeheu’r, dich zu verfchlingen, aus.
52
— 818 —
4. So tobt ein Flammenmeer, das aus Veſuvens Munde
Sich donnernd in das Feld ergießt,
Mit dem Furt und der Tod in Städt’ und Dörfer flieht;
Das Wafler flieht das Land und kocht auf heikem Grunde!
5. Berbopple deinen Wut, o Heer! Der Feinde Fluten
Hemmt Friedrih und dein ftarfer Arm,
Und die Geredhtigfeit verjagt den tollen Schwarm;
Sie bligt durch di auf ihn, und feine Rüden bluten.
6. Die Luft wird Deinen Ruhm zur ſpäten Nachwelt wehen;“
Die klugen Enkel ehren dich,
Ziehn dich den Römern vor, dem Caeſar Friederich,
Und Böhmens Felſen ſind dir ewige Trophäen!
7. Nur ſchone, wie bisher, im Lauf von großen Thaten
Den Landmann, der dein Feind nicht ift;
Hilf feiner Not, menn du von Not entfernet bift;
Das Rauben überlaß den Feinden und Kroaten.
8. Ich ſeh', ich ſehe ſchon — freut euch, o Preußens Freunde! —
Die Tage feines Ruhms fih nahn.
In Ungemittern ziehn die Wilden ftolz beran;
Doch Friedrih winket dir: wo find fie nun, die Feinde?
9. Du eileft ihnen nach und drüdft mit ſchweren Eiſen
Den Tod tief ihren Schäbeln ein
Und kehrſt vol Ruhm zurüd, die Deinen zu erfreun,
Die jauchzend dich empfahn und ihren Netter preifen.
10. Auch ich, ich werde noch — vergönn’ ed mir, o Himmel! —
Einher vor wenig Helden ziehn.
Sch ſeh' dich, ftolger Feind, den Meinen Haufen fliehn
Und find’ Ehr oder Tod im rafenden Getümmel.
Ewald v. Rei.
520. Dentiches Aufgebot.
(Aus einer Kantate.)
1 Der Kaifer faß mit Schwert und Bud
Im Stuhl, aus Erz gediegen,
Er wog das Recht und fand den Sprud,
Und Grol und Haber fchmiegen;
* An der Ausgabe von 1757 verbefjerte Kleijt die beiden erften Zeile
folgendermaßen:
Die Nachwelt wird auf dich, als auf ein Muſter feben,
Die künft'gen Helden ehren dich,
5
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— 819 —
Da ſcholl's am Thor wie Roſſeshuf,
Da Hub fih lauter Jammerruf
Im Gang und auf den Stiegen:
„E8 brach der Erzverwüſter,
Der Heide brach ins Land;
Bon feinen Pfaden düfter
Zum Himmel raudt der Brand.
Durch Hüttenfchutt und Saaten
Stürmt heulend feine Wut,
Und feine Roſſe maten
Bis an den Zaum im Blut.
Dem Greuel wie ein Rabe
Fliegt das Gerücht voraus,
Da greift entjegt zum Stabe
Das Voll und wandert aus.
Sie ſchweifen ohne Stätte,
Dem ſcheuen Wilde gleich,
O Kaiſer hilf! o rette
Vom Untergang das Reich!“
Und die Stirne des Kaiſers ward finſter wie Nacht
Und hinter ſich ſtieß er den Sefſel mit Macht,
Hinwarf er den Mantel, den roten;
Und er flug an den Schild lautdröhnenden Schalle,
Und es ftoben, den Zügel verhängt, aus der Pfalz
Nah allen vier Winden die Boten. -
Und die Gauen hindurch, wo die Donau fhmillt,
Wo die Elbe fih mälzt durh das Weizengefild,
Mo den ftrudelnden Rhein fie befahren,
Aufflammten die Feuer von Berg und von Turm
Und die Gloden erflangen und läuteten Sturm,
Und zum Heerbann ftrömten die Scharen.
Horch, von den Dünen,
Horh, aus dem Tann
Wogen die fühnen
Sadjen heran:
Rieſige Streiter
Rötlihen Barts,
Frieſiſche Reiter,
Füger vom Harz.
b2*
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80
— 8320 —
Blitzend im blanken
Panzergeſchmeid
Folgen die Franken,
Freudig zum Streit.
Helmbüſche winken,
Fahnen im Flug;
Pauten und Zinken
Führen den Zug.
Siehſt du den Leuen
Dort im Panier?
Hörft du ed dräuen:
Bayern allbier!
Trugig und bieder
Schreiten fie Bin,
Eifern die Glieder,
Eifern der Sinn.
Horh, und im taufend-
Stimmigen Chor
Subelt es braufend:
Schwaben empor!
Adlige Degen,
Städtiihe Macht,
Singend entgegen
Ziehn fie der Schlacht.
Ins Lager nun, zum Kampf geichmüdt,
Sind die Geſchwader eingerlict,
Und vor dem Zelt des Kaiſers weht
Das Banner, drin der Engel fteht.
Doh drüben, wo das breite Feld
Des Halbmonds Sichel trüb’ erhellt,
Liegt zahllos, wie ber Sand am Meer,
Ein Dradentnäul, das Ungerbeer.
Da wühlt und mimmelt Hauf an Hauf,
Bieltaufend Feuer fladern auf,
Unheimlih Dur den roten Dampf
Dröhnt Erzgeklirr und Hufgeftampf.
Roßſchweife flattern wild und fremd,
Der Stierhelm gleißt, das Schuppenhemd,
In Schädelbechern reift der Wein,
Und gelle Lieder ſchallen drein:
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— 321 —
Gefang der Ungarn.
Bei MWettergluten
Sind wir gezeugt,
Die Milch der Stuten
Hat und gefäugt.
Wie Blitz drum züden
Mir dur die Welt,
Und Roſſes Rüden
Iſt unfer Belt.
Hohuſſa, das rauchende Land zu durchftürmen,
Das Mahl für die Geier und Wölfe zu türmen,
Das iſt's, mas den Söhnen der Steppe gefällt!
Glüdflemmend tft heute
Das Opfer vollbracht,
Unendlihe Beute
Verheißt uns die Schladt.
Mit Roß denn und Wagen
Noch einmal ins Yelb!
Zum tödlichen Jagen
Die Köcher beftellt!
Hohufla, die Schwerter, die krummen geſchliffen!
Wir paden die Krone mit blutigen Griffen,
Und morgen gehört uns die zitternde Welt!
Chor der Briefter.
Der du einft mit Donnerkrachen
Dih zum Abgrund nieberfchwangft
Und die Wut des Höllendracden
Mit dem Flammenſchwert bezwangft,
Komm, vor unſrem Heer zu fchreiten,
Deutiher Waffen Kampfgefell!
Fürft des Lichtes, hilf uns ftreiten,
Hilf uns fiegen, Michael!
Geſang des deutſchen Heeres.
So ſchwören wir, getreuen Muts
In Kampf und Todeswehen
Bis auf den letzten Tropfen Bluts
Für einen Mann zu ſtehen;
Aus Weft und Dft, aus Süd und Nord:
Deutſchland heißt das Loſungswort,
Hie deutiches Reich für immer!
— 82 —
Wir fragen nicht nah Ruhm und Glanz,
125 Die find gar bald verborben;
Uns bat die Not des Baterlands,
Die Harte Not geworben.
Für Weib und Kind, für Haus und Herb
Züdten wir das ſcharfe Schwert,
130 Zu fiegen oder zu fterben.
Komm an denn, Feind, wenn deutihes Mark
Zu fpüren dich gelüftet!
Hie fteht em Volk, in Eintradt Start,
In Gottes Kraft gerüftet.
135 Schmettre, Kriegspofaunenklang!
Braufe, braufe, Schlachtgeſang:
Hie deutfches Reich für immer!
Em. Geibel.
521. Aufrui.
1. Friſch auf, mein Voll! Die Flammenzeihen rauchen,
Hell aus dem Norden bricht der Freiheit Licht.
Du follft den Stahl in Feindesherzen tauchen;
Friſch auf, mein Voll! Die Flammenzeichen rauden,
Die Saat ift reif, ihr Schnitter, zaudert nicht!
Das höchſte Heil, das legte, liegt im Schwerte!
Drüd’ dir den Speer ins treue Herz hinein:
Der Freiheit eine Gafje! — Walch’ die Erbe,
Dein deutiches Land, mit deinem Blute rein!
2. Es ift fein Krieg, von dem die Kronen wiſſen:
Es ift ein Kreuzzug, ’3 ift ein heil’ger Krieg!
Recht, Sitte, Tugend, Glauben und Gemiffen
Hat der Tyrann aus deiner Bruft geriſſen;
Errette fie mit deiner Freiheit Sieg!
Das Winfeln deiner Greife ruft: „Erwache!“
Der Hütte Schutt verflucht die Räuberbrut,
Die Schande deiner Töchter fchreit um Rache,
Der Meuchelmord der Söhne fchreit nah Blut.
3. Zerbri die Pflugichar, laß den Meißel fallen,
Die Leier till, den Webftuhl ruhig ftehn!
Berlafje deine Höfe, deine Hallen!
Bor deſſen Antlig beine Fahnen wallen,
Er will fein Bolt in Waffenrüftung fehn.
— 323 —
Denn einen großen Altar follit du bauen
In feiner Freiheit ew’gem Morgenrot;
Mit deinem Schwert ſollſt du die Steine hauen;
Der Tempel gründe fih auf Heldentod. —
4. Was weint ihr, Mädchen, warum klagt ihr, Weiber,
Für die der Herr die Schwerter nicht geftählt,
Wenn wir entzüdt die jugendlichen Leiber
Hinwerfen in die Scharen eurer Räuber,
Daß euch des Kampfes kühne Woluft fehlt?
Ihr könnt ja froh zu Gottes Altar treten!
Für Wunden gab er zarte Sorgſamkeit,
Gab euch in euren herzlichen Gebeten
Den fchönen, reinen Sieg der Yrömmigteit.
5. So betet, daß die alte Kraft erwache,
Daß wir daftehn, das alte Volt des Siegs!
Die Märtyrer der heil’gen deutſchen Sache,
D ruft fie an als Genien der Rache,
Als gute Engel des gerechten Kriegs!
Zuife, ſchwebe fegnend um den Gatten;
Geift unfers Ferdinand, voran dem Zug!
Und all’ ihr deutfchen, freien Heldenfchatten,
Mit und, mit und und unfrer Fahnen Flug!
6. Der Himmel hilft, die Hölle muß uns weichen!
Drauf, wadres Boll! Drauf! ruft die Freiheit, drauf!
Hoch ſchlägt dein Herz, hoch wachſen deine Eichen,
Mas kümmern dich die Hügel deiner Leichen?
Hoc pflanze da die Freiheitsfahne auf!
Doch ftehft du dann, mein Volk, befränzt vom Glüde,
Sn deiner Vorzeit heil’'gem Siegerglanz:
Vergiß die treuen Toten nit und ſchmücke
Auch unfre Urne mit dem Eichenkranz!
Ch. Börner. (März; 1813.)
522. Am Luiſe, Königin von Preußen.
1. Erwäg' ib, wie in jenen Schredenstagen
Still deine Bruft verichloffen, was fie litt,
Wie du das Unglück mit der Grazie Tritt
Auf jungen Schultern haft getragen,*
* Kleift ſchrieb wahricheinlich oder Hat jchreiben wollen:
Auf jungen Schultern herrlich haft A
Bgl. Michael Bernays im Morgenblatt, 1864. ©.
— 824 —
2. Wie von des Kriegs zerrifi' nem Schlachtenwagen
Selbft oft die Schar der Männer zu dir jchritt,
Wie troß der Wunde, die dein Herz durchſchnitt,
Du ſtets der Hoffnung Yahn’ uns vorgetragen:
3. O Herrjderin, die Zeit dann möcht' ich fegnen;
Wir fahn die Anmut endlos niederregnen,
Wie groß du warft, das ahndeten wir nicht.
4. Dein Haupt feheint wie von Strahlen mir umfchimmert;
Du bift der Stern, der voller Pracht erft flimmert,
Denn er durch finftre Wetterwolken bricht.
Deinri von Blei. (1810.)
523. Bor Raus Büfte der Königin Luife.
1. Du fohläfft fo fanft! — Die ftillen Züge hauchen
Noch deines Lebens jchöne Träume wieder;
Der Schlummer nur ſenkt feine Flügel nieder,
Und beil’ger Friede ſchließt die Haren Augen.
2. So ſchlummre fort, bis deines Volkes Brüder,
Wenn Flammenzeichen von den Bergen rauden,
Mit Gott verföhnt die roft’gen Schwerter brauchen,
Das Leben opfernd für die höchſten Güter.
3. Tief führt der Herr durh Nacht und durch Berberben;
Sp follen wir im Kampf das Heil erwerben,
Daß unire Enkel freie Männer fterben.
4. Kommt dann der Tag der Freiheit und ber Rache:
Dann ruft dein Boll; dann, deutihe Frau! erwache,
Ein guter Engel für die gute Sade.
Ch. Römer. (1811.)
524. Schill.
1. O eine Eiche pflanzt auf diefen Hügel!
Die grünfte fucht, fo weit die Amfel ruft!
Sie ftreue Schatten auf des Helden Gruft,
Und Lieder vaufch’ in ihr des Windes Flügel.
— 85 —
2. Denn glei dem Roß, das knirſchet in die Zügel
Und ſcharrt und ftampfet, jpürt es Morgenluft:
So wittert' er zuerft der Freiheit Duft,
Da alles ſchlief, und ſchwang fih in den Bügel.
3. Fürwahr, o Schill, du warſt ein echter Reiter,
Und fchneller als die Zeiten rittft du gern,
Mit dir, wie Blite, deine blanken Streiter.
4. Dein Sagbhorn Hang: „Der Tag tft nicht mehr fern!“
Da ging der Morgen auf fo rot und heiter;
Doch unter gingft du, Schöner Morgenitern.
Em. Geibel.
5235. Geharniſchte Sonette,
1.
1. D bag ich ftünd’ auf einen hohen Turme,
Weit fihtbar rings in allen deutſchen Reichen,
Mit einer Stimme, Donnern zu vergleichen,
Zu rufen in den Sturm mit mehr ald Sturme:
2. Mie lang’ willit du dich winden, gleih dem Wurme,
Krumm unter deines Feinds Triumphrads Speichen?
Hat er die harte Haut noch nicht mit Streichen
Dir g’nug gerieben, daß dich's endlih wurme?
3. Die Berge, wenn fie könnten, würden rufen:
„Wir felber fühlten mit fühllofem Rüden
Lang’ g’nug den Drud von eures Yeindes Hufen.“
4. Des Steind Gebuld bricht endlih auch in Stüden,
Den Götter zum Getretenfein doch fchufen —
Volt mehr als Stein, wie lang’ darf man dich brüden?
2.
1. Ihr Ritter, die ihr hauft in euren Forſten,
Iſt euch der Helmbufh von dem Haupt gefallen?
Verfteht ihr nicht den Panzer mehr zu fchnallen?
Sit ganz die Rüftung eures Muts zerborften?
2. Was figet ihr daheim in euren Horften,
Ihr alten Adler? habt ihr Feine Krallen?
Hört ihr nicht dorther die Verwüſtung fchallen?
Seht ihr das Untier nicht mit feinen Borften?
— 828 —
2. „Der ich ließ über den erftaunten Schauern
Die Sonne Gibeons nicht untergehen, —
Kann ich nicht aud fie laſſen auferftehen
Für euch aus eurer Nacht verzagtem Trauern?
3. „Der ih das Niejenhaupt der Philiftäer
Traf in die Stim, als meiner Rache Schleudern
Ich in die Hand gab einem Hirtenfnaben, —
4. „Je Höbh’r ein Haupt, je meinen Bliten näher!
Ich will aus meinen Wollen fo fie fchleubern,
Daß fällt, was fol, und ihr follt Friede haben.“
8.
1. Wir haben lang’ mit ſtummem Schamerröten
Geblidt auf und und unfres Landes Schande,
Zu dir aufbebend united Armes Bande:
„Wie lang’, Herr, willft du fie noch feiter Löten?“
2. Seht willft du Dich, o Netter in den Nöten,
Erbarmen wieder über deinem Lande;
Die Rettung fommt, fie kommt im Stäbtehrande
Bon dir, fie kommt in blut’gen Morgenröten
3. D Her, vom Schweren fann nur Schweres löſen,
Und wir find ſchwergebückt in unferm Staube!
O eile du, die Kraft uns einzuflößen
4. Zum Auferfiehn! Laß nit dem Sturm zum Raube
Uns werden in der Rettung Sturmgetöfen;
Panier fei Hoffnung, unjer Schild dein Glaube!
Se. Rükert. (1818.)
5236. Frühlingsgrußz an das Vaterland.
1. Wie mir deine Freuden winlen
Nah der Knechtſchaft, nach dem Streit!
Baterland, ich muß verfinfen
Hier in deiner Herrlichkeit.
Wo die hohen Eichen faufen,
Himmelan das Haupt gewandt,
Wo die ſtarken Ströme braufen,
Alles das ift deutſches Land.
— 80 —
2. Bon dem Rheinfall hergegangen
Komm’ ib, von der Donau Duell,
Und in mir find aufgegangen
Liebesfterne milb und hell;
Niederfteigen will ih, ſtrahlen
Soll von mir der Freudenſchein
In des Nedars frohen Thalen
Und am filberblauen Main.
3. Weiter, mweiter mußt bu dringen,
Du mein deutſcher Freiheitägruß,
Sollft vor meiner Hütte Hingen
An dem fernen Memelflup.
Wo noch deutihe Worte gelten,
Mo die Herzen, ſtark und weid,
Zu dem Freiheitsfampf fi ftellten,
Iſt auch Heil’ges deutſches Reich.
4. Alles ift in Grün gefleibet,
Alles ftrahlt im jungen Licht:
Anger, wo die Herde weidet,
Hügel, wo man Trauben bricht.
Vaterland! in taufend Jahren
Kam dir fol ein Frühling kaum;
Was die hohen Väter waren,
Heißet nimmermehr ein Traum.
5. Mber einmal müßt ihr ringen
Noch in ernfter Geiſterſchlacht
Und den legten Feind bezwingen,
Der im Innern drohend mwadıt.
Hat und Argmohn müßt ihr dämpfen,
Geiz und Neid und böfe Luft —
Dann nach fchweren, langen Kämpfen
Kannſt du ruhen, deutſche Bruft.
6. Jeder ift dann reich an Ehren,
Reich an Demut und an Madit;
So nur kann ſich recht verklären
Unſers Kaifers heil’ge Pradt.
Alte Sünden müſſen fterben
In der gottgejandten Flut,
Und an einen jel’gen Erben
Fallen das entfühnte Gut.
— 830 —
7. Segen Gottes auf den Feldern,
In des Weinftods heil’ger Frucht;
Mannesluft in grünen Wäldern,
In den Hütten frohe Zucht;
In der Bruft ein frommes Sehnen,
Em’ger Freiheit Unterpfand;
Liebe fpriht in zarten Tönen
Nirgends wie im deutſchen Land.
8. Ihr in Schlöffern, ihr in Städten,
Welche ſchmücken unfer Land,
Adersmann, der auf den Beeten
Deutihe Frucht im Garden band,
Traute, deutiche Brüber, höret
Meine Worte, alt und neu:
Nimmer wird das Reich zerftöret,
Wenn ihr einig feid und treu!
Mar v. Schentendorf. (1814.)
527. JFriedensfeier.
1. Flammt auf von allen Spitzen,
Ihr Feuer deutſcher Luft,
Und wedt mit euren Blitzen
Ein Danklied jeder Bruft.
Das graufe Spiel der Waffen
Mit Gott iſt's abgethan,
Und die das Schwert geſchaffen,
Die Palmenzeit bricht an.
2. Run ward in eins gejchmiebet,
Was eitel Stüdwer! war;
Nun liegt das Reich umfriebet
Bor Arglift und Gefahr.
Bom Alpenglühn zum Meere,
Dom Haff zur Mofel weht
Das Banner deuticher Ehre
In junger Majeſtät.
3. Wie brauft von Stamm zu Stamme
Ein Leben reich und ftelz,
Seit der Begeiftrung Flamme,
Mas ftarr fi mieb, verſchmolz
— 831 —
Und am vereinten Werke
Des Südens Flügelfraft,
Des Nordens klare Stärle .
Wetteifernd ringt und fchafft.
4. Sieh ein zu allen Thoren,
Du ftarker, deutfcher Geift,
Der aus dem Licht geboren
Den Pfad ins Licht uns meift,
Und gründ’ in unſrer Mitte
Wehrhaft und fromm zugleich,
In Freiheit, Zucht und Sitte
Dein taufendjährig Reich! Em. €eibel
528. Das Lied von der Glocke.
Vivos voco. Mortuos plango. Fulgura frango.
1
10
15
20
25
Felt gemauert in der Erden
Steht die Form, aus Lehm gebrannt.
Heute muß die Ölode werden!
Friſch, Gefellen, feid zur Hand!
Bon der Stirne heiß
Rinnen muß der Schweiß,
Soll das Werk den Meijter loben;
Doch der Segen fommt von oben.
Zum Merle, das wir ernft bereiten,
Geziemt fi) wohl ein ernjtes Wort;
Wenn gute Reden fie begleiten,
Dann fließt die Arbeit munter fort.
So laßt uns jebt mit Fleiß betrachten,
Mas durch die ſchwache Kraft entipringt;
Den ſchlechten Mann muß man veradten,
Der nie bedacht, was er vollbringt.
Das iſt's ja, was den Menfchen zieret,
Und dazu warb ihm der Verſtand,
Daß er im innern Herzen |püret,
Was er erfhafft mit feiner Hand.
Nehme Holz vom Fichtenftamme,
Doch recht troden laßt es fein,
Daß die eingepreßte Ylamme
Shlage zu dem Schwald hinein!
Kocht des Kupfer Brei,
Schnell das Zinn herbei,
. (1871.)
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Daß die zähe Glodenipeiie
Fließe nad) der rechten Weiſe!
Was in des Dammes tiefer Grube
Die Hand mit Feuers Hilfe baut,
Hoch auf des Zurmes Glodenftube,
Da wird ed von und zeugen laut.
Noh dauern wird's in fpäten Tagen
Und rühren vielee Menſchen Obr
Und wird mit dem Betrübten Tagen
Und ftimmen zu der Andacht Chor.
Was unten tief dem Ervenfohne
Das mechjelnde Verhängnis bringt,
Das Schlägt an die metallne Krone,
Die es erbaulich weiter Hingt.
Meike Blafen feh' ih ſpringen!
Wohl! die Maflen find im Fluß.
Laßt's mit Afchenfalz durchdringen,
Das befördert fehnell den Guß;
Auch vom Schaume rein
Muß die Mifhung fein,
Daß vom reinlihen Metalle
Rein und voll die Stimme fehalle.
Denn mit der Freude Feierklange
Begrüßt fie das geliebte Kind
Auf feines Lebens erftem Gange,
Den es in Schlafes Arm beginnt.
Ihm ruhen nod im Zeitenſchoße
Die ſchwarzen und die heitern Loſe;
Der Mutterliede zarte Sorgen
Bewachen feinen goldnen Morgen. —
Die Jahre fliehen pfeilgeſchwind.
Vom Mädchen reißt fich ftolz der Knabe,
Er ftürmt ind Leben wild hinaus,
Durchmißt die Welt am Wanderſtabe,
Fremd kehrt er heim ind Vaterhaus.
Und berrlih in der Jugend Prangen,
Wie ein Gebild aus Himmelshöhn,
Mit züchtigen, verfhämten Wangen
Sieht er die Jungfrau vor fih ftehn.
Da faßt ein namenlofes Sehnen
Des Junmglings Herz, er irrt allein,
Aus feinen Augen breden Thränen,
Er flieht der Brüder wilden Reihn.
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Errötend folgt er ihren Spuren
Und ift non ihrem Gruß beglückt,
Das Schönfte ſucht er auf den Fluren,
Womit er feine Liebe ſchmückt.
D zarte Sehnſucht, fühes Hoffen!
Der eriten Liebe goldne Zeit!
Das Auge fieht den Himmel offen,
Es fchwelgt da8 Herz in Seligleit;
D daß fie ewig grünen bliebe,
Die Schöne Zeit der jungen Liebe!
Mie fih Schon die Pfeifen bräunen!
Diefes Stäbchen tauch' ich ein;
Sehn wir's überglaft erfcheinen,
Wird's zum Ouffe zeitig fein.
Jetzt, Gefellen! friſch!
PPruüuft mir das Gemiſch,
Ob das Spröde mit dem Weichen
Sich vereint zum guten Zeichen.
Denn wo das Strenge mit dem Zarten,
Wo Starkes ſich und Mildes paarten,
Da giebt es einen guten Klang.
Drum prüfe, wer ſich ewig bindet,
Ob ſich das Herz zum Herzen findet!
Der Wahn iſt kurz, die Reu' iſt lang.
Lieblich in der Bräute Locken
Spielt der jungfräuliche Kranz,
Wenn die hellen Kirchenglocken
Laden zu des Feſtes Glanz.
Ach! des Lebens ſchönſte Feier
Endigt auch den Lebensmai!
Mit dem Gürtel, mit dem Schleier
Reißt der ſchöne Wahn entzwei.
Die Leidenſchaft flieht,
Die Liebe muß bleiben;
Die Blume verblüht,
Die Frucht muß treiben.
Der Mann muß hinaus
Ins feindliche Leben,
Muß wirken und ſtreben
Und pflanzen und ſchaffen,
Erliſten, erraffen,
Muß wetten und wagen,
Das Glück zu erjagen.
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Da ftrömet herbei die unendliche Gabe,
Es füllt fih der Speicher mit Töftliher Habe,
Die Räume wachen, es dehnt fih das Haus.
Und drinnen waltet
Die zühtige Hausfrau,
Die Mutter der Kinder,
Und herrſchet weile
Im häuslichen Kreife,
Und lehret die Mädchen
Und webret den Knaben,
Und reget ohn' Ende
Die fleißigen Hände
Und mehrt den Gewinn
Mit orbnendem Sinn,
Und füllet mit Schäten die buftenden Laden,
Und dreht um die fehnurrende Spindel den Yaben,
Und fammelt im reinlich geglätteten Schrein
Die Ihimmernde Wolle, den fchneeichten Lein,
Und füget zum Guten den Glanz und den Schimmer
Und ruhet nimmer.
Und der Vater mit frobem Blid
Bon des Haufe weitfhauendem Giebel
Überzählet fein blühend Glück,
Siehet der Pfoften ragende Bäume
Und der Scheunen gefüllte Räume
Und die Speicher, vom Segen gebogen,
Und des Kornes bewegte Wogen,
Rühmt fih mit ftogem Mund:
Feſt, wie der Erde Grund,
Gegen des Unglüde Macht
Steht mir des Hauſes Pracht! —
Doch mit des Geihides Mächten
Sit fein ew'ger Bund zu flechten,
Und das Unglück fchreitet fchnell.
Wohl! nun fann der Guß beginnen;
Schön gezadet ift der Bruch.
Do bevor wir's laflen rinnen,
Betet einen frommen Spruch!
Stoßt den Zapfen aus!
Gott bewahr das Haus!
Rauchend in bes Henkels Bogen
Schießt's mit fenerbraunen Wogen.
Wohlthätig tft des Feuers Macht,
Denn fie der Menſch bezähmt, ‚bewacht,
— 835 —
Unb was er bildet, was er fchafft,
Das dankt er diefer Himmelskraft;
Do furchtbar wird die Himmelskraft,
160 Wenn fie der Feſſel fich entrafft,
Einhertritt auf der eigenen Spur,
Die freie Tochter der Natur.
Wehe, wenn fie Ioßgelafien,
Wachſend ohne Widerſtand,
165 Durch die volkbelebten Gaflen
Wälzt den ungeheuren Brand!
Denn die Elemente hafjen
Das Gebild der Menſchenhand.
Aus der Wolle
170 Quillt der Segen,
Strömt der Regen;
Aus der Wolle, ohne Mahl,
Zudt der Strahl!
Hört ihr's wimmern hoch vom Turm?
175 Das ift Stumm!
Kot wie Blut
ft der Himmel;
Das ift nicht des Tages Blut!
Welch Getümmel
180 Straßen auf!
Dampf wallt auf!
Flackernd fteigt die Feuerſäule,
Durch der Straße lange Zeile
Wächſt es fort mit Windeseile;
185 Kochend, wie aus Ofens Rachen,
Glühn die Lüfte, Ballen krachen,
Pfoften ftürzen, Fenſter Hirren,
Kinder jammern, Mütter irren,
Tiere wimmern
190 Unter Trümmern;
Alles rennet, rettet, flüchtet,
Taghell ift die Nacht gelichtet.
Durch der Hände lange Fette
Um die Wette
195 Fliegt der Eimer; hoch im Bogen
Sprigen Duellen Waflerwogen.
Heulend fommt ber Sturm geflogen,
Der die Flamme braufend ſucht;
Prafſelnd in die dürre Frucht
200 Fällt fie, in des Speichers Räume,
Sin der Sparten bürre Bäume, b
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Und als wollte fie im Wehen
Mit fi fort der Erde Wucht
Reißen in gewalt'ger Flucht,
Wächſt fie in des Himmels Höhen
Riefengroß!
Hoffnungslos
Weicht der Menſch der Götterſtärke;
Müpig ſieht er feine Werke
Und bewunbernd untergehn.
Reergebrannt
Iſt die Stätte,
Wilder Stürme rauhes Bette.
In den öden Fenfterhöblen
Mohnt das Grauen,
Und des Himmels Wollen hauen
Hoch hinein.
Einen Blid
Nah dem Grabe
Seiner Habe
Sendet no der Menſch zurüd —
Greift fröhlich dann zum Wanberitabe.
Was Feuers Wut ihm auch geraubt,
Ein füßer Troft ift ihm geblieben:
Er zählt die Häupter feiner Lieben,
Und fieh! ihm fehlt Fein teures Haupt.
In die Erd’ iſt's aufgenommen,
Glücklich ift die Form gefüllt;
Wird's auch Schön zu Tage kommen,
Daß es Fleiß und Kunſt vergilt?
Wenn der Guß mißlang?
Wenn die Form zerfprang?
Ah, vielleicht, indem mir hoffen,
Hat uns Unheil ſchon getroffen.
Dem dunteln Schoß der heil’gen Erbe
Bertrauen wir der Hände That,
Bertraut der Sämann feine Saat
Und hofft, daß fie entleimen werde
Zum Segen, nad des Himmels Rat.
Noch Föftlicheren Samen bergen
Mir trauernd in der Erde Schoß
Und hoffen, daß er aus den Särgen
Erblüben ſoll zu ſchönerm Los.
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Bon dem Dome,
Schwer und bang,
Tönt die. Olode
Grabgefang.
Ernſt begleiten ihre Trauerfchläge
Einen Wandrer auf dem letzten Wege.
Ah! die Gattin iſt's, Die teure,
Ah! es ift Die treue Mutter,
Die der ſchwarze Fürft der Schatten
Megführt aus dem Arm des Gatten,
Aus der zarten Kinder Schar,
Die fie blühend ihm gebar,
Die fie an der treuen Bruſt
Wachſen ſah mit Mutterluft. —
Ah! des Haufes zarte Bande
Sind gelöft auf immerbar;
Denn fie wohnt im Schattenlande,
Die des Haufes Mutter war;
Denn e3 fehlt ihr treues Walten,
Ihre Sorge macht nicht mehr;
An verwaiſter Stätte fchalten
Wird die Fremde, liebeleer.
Bis die Glocke ſich verfühlet,
Laßt die ftrenge Arbeit ruhn!
Wie im Laub der Vogel fpielet,
Mag fich jeder gütlich thun.
Winkt der Sterne Licht,
Ledig aller Pflicht
Hört der Burſch die Veſper fchlagen;
Meifter muß fih immer plagen.
Munter fördert feine Schritte
Fern im wilden Forft der Wandrer
Nach der lieben Heimathütte.
Blökend ziehen heim die Schafe,
Und der Rinder
Breitgeftirnte, glatte Scharen
Kommen brüllend,
Die gewohnten Ställe füllend.
Schmer herein
Schwankt der Wagen,
Kornbeladen;
Bunt von Farben,
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Auf den Garben
Liegt der Kranz,
Und das junge Voll der Schnitter
Fliegt zum Tanz.
Markt und Straße werben ftiller;
Um bes Lichts gejell’ge Flamme
Sammeln fi die Hausbemohner,
Und das Stabtthor ſchließt ſich Inarrend.
Schwarz bedecket
Sich die Erde;
Doch den fihern Bürger fchredet
Nicht die Nacht,
Die den Böſen gräßlich wecket;
Denn das Auge des Geſetzes wacht.
Heil'ge Ordnung, ſegenreiche
Himmelstochter, die das Gleiche
Frei und leicht und freudig bindet,
Die der Städte Bau gegründet,
Die herein von den Gefilden
Rief den ungeſell'gen Wilden,
Eintrat in der Menſchen Hütten,
Sie gewöhnt zu ſanften Sitten
Und das teuerſte der Bande
Wob, den Trieb zum Vaterlande!
Tauſend fleiß'ge Hände regen,
Helfen ſich in munterm Bund,
Und in feurigem Bewegen
Werden alle Kräfte kund.
Meiſter rührt ſich und Geſelle
In der Freiheit heil'gem Schutz;
Jeder freut ſich ſeiner Stelle,
Bietet dem Verächter Trutz.
Arbeit iſt des Bürgers Zierde,
Segen ift der Mühe Preis;
Edrt den König feine Würde,
Ehret ung der Hände Fleiß.
Holder Friede,
Süße Eintradt,
Weilet, weilet
Freundlich über dieſer Stadt!
Möge nie der Tag erjcheinen,
Wo des rauhen Krieges Horben
Diefes ftille Thal durchtoben;
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Mo der Himmel,
Den des Abends janfte Nöte
Lieblih malt,
Bon der Dörfer, von der Städte
Wildem Brande fchredlich ftrablt!
Nun zerbrecht mir das Gebäube,
Seine Abſicht hat's erfüllt,
Daß fih Herz und Auge weide
An dem wohlgelungnen Bild.
Schwingt den Hammer, ſchwingt,
Bis der Mantel ſpringt!
Wenn die Glod’ fol auferftehen,
Muß die Form in Stüden gehen.
Der Meifter kann die Form zerbrechen
Mit weiler Hand, zur rechten Zeit;
Doch wehe! wenn in Flammenbäcen
Das glüh’'nde Erz fich felbft befreit!
Blindwütend mit des Donners Krachen
Zerfprengt es das geborftne Haus,
Und wie aus offnem Höllenraden
Speit es Berderben zündend aus.
Wo rohe Kräfte finnlos walten,
Da kann fi fein Gebild geitalten;
Wenn fi die Völker ſelbſt befrein,
Da Tann die Wohlfahrt nicht gedeihn.
Weh, wenn fih in dem Schoß der Städte
Der Feuerzunder ftil gehäuft,
Das Volk, zerreißend feine Kette,
Zur Eigenbilfe fchredlich greift!
Da zerret an der Glode Strängen
Der Aufruhr, dab fic heulend fchallt
Und, nur geweiht zu Friedensklängen,
Die Loſung anftimmt zur Gewalt.
Freiheit und Gleichheit! hört man jchallen;
Der rub’ge Bürger greift zur Wehr,
Die Straßen füllen ſich, die Hallen,
Und Würgerbanden ziehn umher.
Da werden Weiber zu Hyänen
Und treiben mit Entſetzen Scherz;
Noch zudend, mit des Panthers Zähnen,
Zerreißen fie des Feindes Herz.
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Nichts Heiliges ift mehr, es Löfen
Sich alle Bande frommer Scheu;
Der Gute räumt den Plab dem Böfen,
Und alle Lafter walten frei.
Gefährlich iſt's, den Leu zu weden,
Verberblich ift des Tigers Zahn;
Jedoch der ſchrecklichſte der Schreden,
Das ift der Menfh in feinem Wahn.
Weh denen, die dem Emigblinden
Des Lichtes Himmelsfadel leihn!
Sie ftrahlt ihm nicht, fie kann nur zünden,
Und äſchert Städt’ und Länder ein.
Freude hat mir Gott gegeben!
Sehet! wie ein golbner Stern
Aus der Hülfe, blank und eben,
Schält fi der metallne Ken.
Bon dem Helm zum Kranz
Spielt’3 wie Sonnenglanz,
Auch des Wappend nette Schilder
Loben den erfahrnen Bilder.
Herein! herein!
Gejellen alle, ſchließt den Reiben,
Daß wir die Glode taufend weihen!
Concordia fol ihr Name fein.
Zur Eintracht, zu Herzinnigem Vereine
Verſammle fie die liebende Gemeine.
Und die jei fortan ihr Beruf,
Wozu der Meifter fie erſchuf:
Hoch überm niebern Exrdenleben
Sol fie im blauen Himmelszelt,
Die Nachbarin des Donners, fchweben
Und grenzen an die Sternenmwelt,
Soll eine Stimme fein von oben,
Wie der Geftirne helle Schar,
Die ihren Schöpfer wandelnd Ioben
Und führen das befränzte Jahr.
Nur ewigen und .ernften Dingen
Sei ihr metallner Mund geweiht,
Und ftündlih mit den fchnellen Schwingen
Berühr’ im Fluge fie die Zeit.
Dem Schidfal leihe fie die Zunge;
Selbft berzloß, ohne Mitgefühl,
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Begleite fie mit ihrem Schwunge
Des Lebens wechſelvolles Spiel.
Und wie der Klang im Ohr vergehet,
415 Der mächtig tönend ihr entſchallt,
So lehre fie, daß nichts beftehet,
Daß alles Irdiſche verhallt.
Seo mit der Kraft des Stranges
Wiegt die Glod’ mir aus der Gruft,
420 Daß fte in das Reich des Klanges
Steige, in die Himmelsluft!
Biehet, ziehet, hebt!
Site bemegt fi, ſchwebt!
Freude diefer Stadt bedeute,
425 Friede fer ihr erſt Geläutel
Ir. v. Schiller. (1799.)
529. Gpilog zu Schillers Blade.
eude biefer Stabt bedeute,
ede fet ihr erft Geläute!
1. Und fo geſchah's! Dem friebenreichen Klange
Bewegte fi dad Land, und fegenbar
Ein frifches Glück erſchien; im Hochgefange
Begrüßten wir das junge Fürſtenpaar;
Im Vollgewühl, in Iebensregem Drange
Vermiſchte fih die thät'ge Völkerſchar,
Und feſtlich ward an die geſchmückten Stufen
Die Huldigung der Künſte vorgerufen.
2. Da hör’ ich fchredhaft mitternächt’ges Läuten,
Das dumpf und ſchwer die Trauertöne ſchwellt.
Iſt's möglih? fol e8 unſern Freund bedeuten,
An den fih jeder Wunſch gellammert hält?
Den Lebensmwürb’gen foll der Tod erbeuten?
Ah! wie verwirrt jold ein Verluſt die Welt!
Ach! was zeritört ein folder Riß den Seinen!
Nun went die Welt, und follten wir nicht weinen?
3. Denn er mar unſer! Wie bequem gefellig
Den hoben Mann der gute Tag gezeigt,
Wie bald fein Ernit anfchließend, mohlgefällig
Zur Werhfelrede heiter fich geneigt,
Bald raſchgewandt, geiftreich und ficherftellig
Der Lebensplane tiefen Sinn erzeugt
— 2 —
Und frudtbar fih in Nat und That ergoflen,
Das haben wir erfahren und genoflen.
4. Denn er war unfer! Mag das ftolge Wort
Den lauten Schmerz gewaltig übertönen!
Er mochte fi bei uns, im fichern Port,
Nah wilden Sturm zum Dauernden gewöhnen.
Indeſſen jcheitt fein Geift gewaltig fort
Ins Ewige des Wahren, Guten, Schönen,
Und hinter ibm in meienlojem Scheine
Lag, was uns alle bändigt, dad Gemeine.
5. Nun fohmüdt er fich die ſchöne Gartenzinne,
Bon mwannen er der Sterne Wort vernahm,
Das dem gleich ew’gen, gleich lebend'gen Sinne
Geheimnisvoll und Har entgegen kam.
Dort, fih und uns zu köſtlichem Gewinne,
Vermechfelt er die Zeiten wunderfam,
Begegnet’ fo, im Würdigſten beichäftigt,
Der Dämmerung, der Nacht, die uns entlräftigt.
6. Ihm ſchwollen der Geſchichte Flut auf Fluten,
Verfpülend, mas getabelt, mas gelobt,
Der Erpbeherricher wilde Heeresgluten,
Die in der Welt fi) grimmig auögetobt,
Im niedrig Schredlichften, im höchſten Guten
Nah ihrem Weſen deutlich durchgeprobt.
Nun ſank der Mond, und zu erneuter Wonne
Bom Haren Berg herüber ftieg die Sonne.
7. Nun glühte feine Wange rot und röter
Bon jener Jugend, die uns nie entfliegt,
Bon jenem Mut, der früher oder jpäter
Den Widerſtand der ftumpfen Welt befiegt,
Bon jenem Glauben, der fi, ſtets erhöhter,
Bald kühn bervorbrängt, bald geduldig ſchmiegt,
Damit dad Gute wirkte, wachſe, fromme,
Damit der Tag dem Edeln endlich komme.
8. Doch Bat er, fo geübt, jo vollgehaltig,
Dies bretterne Gerüfte nicht verſchmäht;
Hier ſchildert' er das Schidfal, das gewaltig
Bon Tag zu Nacht die Erdenachſe drebt;
Und mandes tiefe Werk hat veichgeftaltig
Den Wert der Kunft, des Künftler® Wert erhöht
Er wendete die Blüte höchſten Strebens,
Das Leben ſelbſt, an dieſes Bild des Lebens.
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9. Ihr kanntet ihn, wie er mit Riejenfchritte
Den Kreis des Wollens, des Vollbringend maß,
Durh Zeit und Land der Böller Sinn und Sitte,
Das dunkle Buch mit heiterm Blide las;
Doh wie er atemlos in unfrer Mitte
Sin Leiden bangte, kümmerlich genas,
Das haben wir in traurig ſchönen Jahren —
Denn er war unfer — leidend miterfahren.
10. Ihn, wenn er vom zerrüttenden Gewühle
Des bittern Schmerzes wieder aufgeblidt,
Ihn haben wir dem läftigen Gefühle
Der Gegenwart, der ftodenven, entrüdt,
Mit auter Kunft und ausgefuchten Spiele
Den neubelebten, edlen Sinn erquidt,
Und noch am Abend vor den lehten Sonnen
Ein holdes Lächeln glüdlih abgemonnen.
11. Er batte früh das firenge Wort gelefen,
Dem Leiden war er, war dem Tod vertraut.
So ſchied er nun, mie er fo oft genelen;
Nun fchredt ung das, mofür uns längit gegraut.
Doch ſchon erblidet fein verflärtes Wejen
Sich bier verllärt, wenn es hernieder fchaut.
Was Mitmwelt fonft an ihm beflagt, getabelt,
Es hat's der Tod, es hat's die Zeit geadelt.
12. Auch manche Geiſter, die mit ihm gerungen,
Sein groß Verdienſt unwillig anerkannt,
Sie fühlen ſich von ſeiner Kraft durchdrungen,
In ſeinem Kreiſe willig feſtgebannt.
Zum Höchſten hat er ſich emporgeſchwungen,
Mit allem, was wir ſchätzen, eng verwandt.
Sp feiert ihn! Denn mas dem Mann das Leben
Nur halb erteilt, fol ganz die Nachwelt geben.
13. So bleibt er uns, der vor fo manden Jahren —
Schon zehne ſind's — von uns fich weggekehrt.
Wir haben alle jegenreich erfahren,
Die Welt verdank' ihm, was er fie gelehrt;
Schon längit verbreitet ſich's in ganze Scharen,
Das Eigenfte, was ihm allein gehört.
Er glänzt uns vor, wie ein Komet entjchwindend,
Unendlich Licht mit feinem Licht verbindend.
2. v. Goethe.
(Am 10. Auguſt 1805; wiederholt und erneut am 10. Mat 1816.)
550. Märchen.
1. Ihr habt gehört die Kunde
Dom Fräulein, welches tief
Sn eines Waldes Grunde
Mandy hundert Jahre jchlief.
Den Namen der Wunderbaren
Bernahmt ihr aber nie;
Ich hab’ ihn jüngſt erfahren:
Die deutſche Poefie.
2. Zwo mädt’ge Feeen nabten
Dem ſchönen Fürftenfind,
An feine Wiege traten
Sie mit dem Angebind.
Die erfte ſprach behende:
„a, lächle nur auf mid!
Sch geb’ dir frühes Ende
Bon einer Spindel Stich.“
3. Die andre ſprach dagegen:
„sa, lächle nur auf mid!
Sch gebe dir meinen Segen,
Der heilt den Todesſtich;
Der wird dich jo bewahren,
Bis ſüßer Schlaf dich deckt,
Bis nach vierhundert Jahren
Ein Königsfohn dich weckt.“
4. Da ward ind Reich erlaflen
Ein feierlich Gebot,
Verkündet in allen Straßen,
Der Tod darauf gebrobt:
Wo jemand Spindeln hätte,
Die follte man liefern ein,
Und fie an offner Stätte
Verbrennen indgemein.
5. Nicht nah gemohnter Sitte
Erzog man diejes Kind
In dumpfer Kammern Mitte,
Noch fonft, mo Spindeln find;
Nein, in den Rofengärten,
In Wäldern friſch und Fühl,
Mit luſtigen Gefährten,
Ber freiem, kühnem Spiel.
— 845 —
6. Und als es kam zu Jahren,
Ward es die ſchönſte Frau
Mit langen goldnen Haaren,
Mit Augen dunkelblau,
In Gang, Gebärde züchtig,
In Reden treu und ſchlicht,
In aller Arbeit tüchtig,
Nur mit der Spindel nicht.
7. Biel ftolzge Ritter gingen
Der Holden Dienfte nad),
Heinrih von Ofterdingen,
Wolfram von Eihenbad;
Sie gingen in Stahl und Eiſen,
Goldharfen in der Hand;
Die Fürftin war zu preifen,
Die ſolche Diener fand.
8 Mit Degen und mit Speere
Maren fie ftet3 bereit;
Den Frauen gaben fie Ehre
Und fangen wiberftreit.
Sie fangen von Gottesminne,
Bon fühner Helden Mut,
Bon lindem Liebesfinne,
Bon füßer Maienblut.
9. Bon alter Städte Mauern
Der Wieverhall erflang,
Die Bürger und die Bauern
Erhuben frifhen Sang.
Der Senne hat gefungen,
Der über den Wollen wacht;
Ein Lieb ift aufgellungen
Tief aus des Bergmanns Schacht. —
10. In einer Mainacht blinften
Die Sterne munderfchön;
Der Fürftin war, als winkten
Sie ihr zu Turmes Höhn.
Sie ftieg Binauf zum Dadde,
Die Barte, ganz allein;
Da fiel aus einem Gemade
Ein trüber Lampenſchein.
11. Ein Weiblein, grau von Haaren,
Dort an dem Roden ſpann;
— 846 —
Sie hatte wohl nichts erfahren
Vom ſtrengen Spindelbann.
Die Fürftin, die noch nimmer
Geſehen jolde Kunft,
Sie trat in Weibleind Zimmer:
„Wer bift du, mit Vergunſt?“
12. „„Man nennt mich, fchönes Liebchen,
Die Stubenpoefie;
Denn aus dem trauten Stübchen
Verirrt' ih mich noch nie.
Ih fi’ am lieben Platze
Beim Rocken, wandellos;
Meine alte blinde Katze,
Die ſpinnt auf meinem Schoß.
13. Lange, lange Lehrgebichte,
Die jpinn’ ich recht mit Fleiß;
Slächfene Helbengebichte,
Die haſpl' ich ſchnellerweiſ'.
Mein Kater maut Tragödie,
Mein Rad hat lyriſchen Schwung,
Meine Spindel Ipielt Komödie
Mit Tanzbeluftigung.“ “
14. Die Fürftin thät exbleichen,
Als man von Spindeln ſprach;
Sie wollte flugs entweichen,
Die Spindel fprang ihr nad);
Und an der morſchen Schwelle
Da fiel das Fräulein jach,
Die Spindel auf der Stelle
Sie in die Ferſe ſtach.
15. Was war das für ein Schreden,
Als man fie morgens traf!
Sie war nicht mehr zu weden,
Sie ſchlief den Zauberſchlaf.
Ein Lager ward bereitet
Sm hohen Ritterfaal,
Goldftoffe drauf gebreitet
Und Roſen ohne Zahl.
16. So ſchlief fie in der Halle,
Die Fürftin, reich geſchmückt.
Bald Hatte die anbern alle
Der gleihe Schlaf berüdt.
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Die Sänger, ſchon in Träumen,
Rührten die Saiten bang,
Bis in des Schloſſes Räumen
Der lebte Laut verllang.
17. Die Alte ſpann noch immer
Im ftillen Kämmerlein;
Es woben in jedem Zimmer
Die Spinnen groß und Hein,
Die Heden und Ranken moben
Sih um den Fürftenbau,
Und um ben Himmel oben
Da ſpann fih Nebelgrau —
18. Wohl nach vierhundert Jahren
Da ritt des Könige Sohn
Mit feinen Jägerſcharen
Ins Waldgebirg davon:
„Was ragen doch da innen
Ob al’ dem hohen Wald
Für graue Türm’ und Sinnen
Bon feltfamer Geftalt?*
19. Am Wege ftund gerade
Ein alter Spindelmann:
„Erlauchter Prinz, um Gnade!
Hört meine Warnung an!
Romantiſche Menfchenfrefler
Haufen auf jenem Schloß,
Die mit barbarifhen Mefier
Abſchlachten Hein und groß.“
20. Der Königsfohn verwegen
Thät mit drei Jägern ziehn,
Sie Hieben mit dem Degen
Sih Bahn zum Schloſſe hin.
Geſenket war die Brüde,
Geöffnet war das Thor,
Daraus im Augenblide
Ein Hirſchlein ſprang hervor.
21. Denn in bes Hofe Räumen,
Da war es wieder Wald,
Da fangen in den Bäumen
Die Vögel mannigfalt.
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Die Jäger ohn' Verweilen,
Sie drangen mutig hin,
Wo eine Thür mit Säulen
Aus dem Gebüſch exrſchien.
22. Zween Riefen jchlafend lagen
Mohl vor dem Säulenthor,
Sie hielten, ind Kreuz gejchlagen,
Die Hellebarten vor;
Darüber rüftig jchritten
Die Jäger allzumal,
Sie gingen mit kecken Tritten
Zu einem großen Saal.
23. Da lehnten in hohen Nifchen
Geſchmückter Frauen viel,
Gemwappnete Ritter dazwiſchen
Mit goldnem Saitenfpiel:
Hochmächtige Geltalten,
Geſchloſſnen Auges, jtumm,
Grabbildern gleich zu halten
Aus grauem Altertum.
24. Lind mitten warb erblidet
Ein Lager, reih von Gold,
Da rubte, wohlgeſchmücket,
Eine Zungfrau munderhold.
Die Süße war umfangen
Mit friihen Noten dicht,
Und auch von Mund und Wangen
Schien zartes Roſenlicht.
25. Der Königsſohn, zu wiſſen,
Ob Leben in dem Bild,
Thät ſeine Lippen ſchließen
An ihren Mund ſo mild.
Er hat es bald empfunden
Am Odem, ſüß und warm,
Und als ſie ihn umwunden,
Noch ſchlummernd, mit dem Arm.
26. Sie ftreifte bie goldnen Locken
Aus ihrem Angeficht;
Sie hob, fo füRß erfchroden,
Ihr blaues Augenlict.
— 849 —
Und in den Niſchen allen
Erwachen Ritter und Frau,
Die alten Lieder hallen
Am weiten Furſtenbau.
27. Ein Morgen rot und golden
Hat und den Mai gebracht;
Da trat mit feiner Holden
Der Prinz aus Waldesnadt.
Es ſchreiten die alten Meifter
In bebrem, ftolgem Gang,
Wie viefenhafte Geiſter
Mit fremdem Wunderlang.
28. Die Thäler Ichlummertrunfen
Medt der Gefänge Luft;
Wer einen Jugendfunken
Noch begt in feiner Bruft,
Der jubelt, tief gerühret:
„Dank diefer goldnen Früh’,
Die uns zurücdgefübret
Dich, deutſche Poeſie!“
29. Die Alte fitzt noch immer
In ihrem Kämmerlein;
Das Dach zerfiel in Trümmer,
Der Regen drang herein;
Sie zieht noch kaum den Faden,
Gelahmt hat fie der Schlag;
Gott ſchenk' ihr Ruh in Gnaden
Bis über den jüngften Tag!
£. Ubland. (1811.)
531. Hans Sachſens poetiſche Sendung.
1 In feiner Werkſtatt Sonntags früh
Steht unjer teurer Meifter bie,
Sein ſchmutzig Schurzfell abgelegt,
Einen faubern Feierwams er Irägt,
b Läßt Pechdraht, Hammer und Kneipe vaften,
Die Ahl' ftedt an dem Arbeitsfaften;
Er ruht nun aud am fieb’nten Tag
Bon mandem Zug und mandem Schlag.
Wie er die Früblingsfonne ſpürt,
10 Die Ruh ihm neue Arbeit gebiert:
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Er fühlt, daß er eine kleine Welt
In ſeinem Gehirne brütend hält,
Daß fie fängt an zu wirken und zu leben,
Daß er fie gene möcht’ von ſich geben.
Er hätt! ein Auge treu und Aug
Und wär’ auch liebevoll genug,
Zu fhauen mandes Mar und rein
Und wieder alles zu machen fein;
Hätt’ auch eine Zunge, bie fi ergoß
Und leiht und fein in Worte floß;
Des thäten die Mufen fih erfreun,
Wollten ihn zum WMeifterfänger meihn.
Da tritt herein ein junges Weib,
Mit voller Bruft und rundem Leib,
Kräftig fie auf den Füßen fteht,
Grad, edel vor fi hin fie gebt,
Ohne mit Schlepp’ und Steiß zu ſchwenzen
Oder mit den Augen herum zu f&arlenzen.
Sie trägt einen Mafftab in ihrer Hand,
Ihr Gürtel ift ein gülden Band,
Hätt’ auf dem Haupt einen Kornährkranz,
Ihr Auge war lichten Tages Glanz;
Man nennt fie thätig Ehrbarkeit,
Sonſt auch Großmut, Rechtfertigkeit.
Die tritt mit gutem Gruß herein,
Er drob nicht mag verwundert ſein;
Denn wie ſie iſt, ſo gut und ſchön,
Meint er, er hätt' ſie lang' geſehn.
Die ſpricht: Ich habe dich auserleſen
Vor vielen in dem Weltwirrweſen,
Daß du ſollſt haben klare Sinnen,
Nichts Ungeſchicklich's magſt beginnen.
Wenn andre durcheinander rennen,
Sollſt du's mit treuem Blick erkennen;
Wenn andre bärmlich ſich beklagen,
Sollſt ſchwankweis deine Sach' fürtragen;
Sollſt halten über Ehr' und Recht,
In allem Ding ſein ſchlicht und ſchlecht,
Frummkeit und Tugend bieder preiſen,
Das Böſe mit ſeinem Namen heißen.
Nichts verlindert und nichts verwißelt,
Nichts verzierliht und nichts verlrigelt;
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Sondern die Welt joll vor dir ſtehn,
Wie Albrecht Dürer fie bat gefehn,
Ihr feftes Leben und Männlichkeit,
Ihre innre Kraft und Ständigfeit.
Der Natur Genius an der Hand
Sol dich führen durch alle Land’,
Soll dir zeigen alles Leben,
Der Menſchen wunderlihes Weben,
hr Wirren, Suden, Stoßen und Treiben,
Schieben, Reifen, Drängen und Reiben,
Wie funterbunt die Wirtſchaft tollert,
Der Ameishauf durcheinander kollert;
Mag dir aber bei allem geichehn,
Als thätft in einen Bauberfaften fehn.
Schreib das dem Menſchenvolk auf Erden,
Ob's ihm möcht' eine Wikung werden.
Da macht fie ihm ein Fenfter auf,
Beigt ihm draußen viel bunten Hauf,
Unter dem Himmel allerlei Weſen,
Wie ihr's mögt in feinen Schriften leſen.
Wie nun der liebe Meifter fih
An der Natur freut wunniglich,
Da ſeht ihr an der andern Seiten
Ein altes Weiblein zu ihm gleiten;
Man.nennet fie Hiftoria
Mythologie, Yabula;
Sie fchleppt mit keichend⸗wankenden Schritten
Eine große Tafel in Holz geichnitten;
Darauf feht ihr mit weiten Ärmeln und Kalten
Gott Vater Kinderlehre halten,
Adam, Eva, Paradies und Schlang’,
Sodom und Gomorra® Untergang,
Könnt au die zwölf durchlauchtigen Frauen
Da in einem Chrenfpiegel ſchauen;
Dann allerlei Blutburft, Frevel und Mord,
Der zwölf Tyrannen Schandenport,
Auch allerlei Lehr’ und gute Weil.
Könnt fehn St. Peter mit der Geiß,
Über der Welt Regiment unzufrieden,
Bon unferm Heren zurecht beſchieden.
Auch war bemalt der meite Raum
Ihres Kleid und Schlepps und auch der Saum
Mit weltlih Tugend und Lafter Geſchicht.
54*
— 82 —
Unfer Meifter das all erſicht
Und freut fi deflen wunderſam,
Denn es bient fehr in jemen Kram.
Bon wannen er ſich eignet fehr
100 Gut Exempel und gute Lehr’,
Erzählt das eben fir und treu,
Als wär’ er jelbft gefin* Dabei.
Sein Geift mar ganz dahin gebannt,
Er hätt’ fein Auge davon verwandt,
105 Hätt’ er nit hinter feinem Ruden
Hören mit Klappern und Schellen ipuden.
Da thät er einen Narren ſpüren
Mit Bocks⸗ und Affenſprüng hofieren,
Und ihm mit Schmant und Narreteiden
110 Ein Iuftig Zwiſchenſpiel bereiten.
Schleppt Hinter fih an einer Leinen
Alle Narren, groß und Kleinen,
Die und bager, geftredt und krumb,
Allzu witig und allzu dumb.
115 Mit einem großen Farrenſchwanz
Regiert er fie wie ein’n Affentanz.
Beipöttet eines jeden Yürm,**
Treibt fie ins Bad, fchneid’t ihnen die Würm
Und führt gar bitter viel Beſchwerden,
120 Daß ihrer doch nicht wollen wen'ger werben.
Wie er ſich fieht jo um und um,
Kehrt ihm das faft den Kopf herum,
Wie er wollt’ Worte zu allem finden?
Wie er möcht’ fo viel Schwall verbinden?
125 Wie er möcht’ immer mutig bleiben,
So fort zu fingen und zu fchreiben?
Da fteigt auf einer Wolle Saum
Herein zu ’3 Oberfenſters Raum
Die Mufe, heilig anzufchauen,
130 Wie ein Bild unfrer lieben Frauen.
Die umgiebt ihn mit ihrer Klarheit
Immer kräftig wirlender Wahrheit.
Sie fpridt: Ich komm', um dich zu weihn;
Nimm meinen Segen und Gebeihn!
135 Ein Beilig Feuer, das in dir rußt,
Schlag’ aus in hohe, lichte Blut!
* Sellin = geweſen; vgl. gfi im Gloffar des Anhangs.
” De San, 2 die ns nn ei Anfehen, die Art.
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— 853 —
Doch dab das Leben, das di treibt,
Immer ber bolden Kräften bleibt,
Hab’ ich deinem innern Weſen
Nahrung und Ballam auserlefen,
Daß deine Seel’ jo wonnereich,
Einer Knoſpe im Taue gleich.
Da zeigt fie ihm Hinter feinem Haus,
Heimlich zur Hintertbür hinaus,
In dem eng umzäunten Garten
Ein Holdes Mägdlein figend marten
Am Büchlein, beim Holunderftraud;
Mit abgefenktem Haupt und Aug’
Sitzt unter einem Apfelbaum
Und fpürt die Welt rings um fi Taum,
Hat Rofen in ihren Schoß gepflüdt
Und bindet ein Kränzlein ſehr geichidt,
Mit hellen Knoipen und Blättern brein:
Für wen mag wohl das Kränzel fein?
So fibt fie in fich felbit gemeigt,
In Hoffnungsfülle ihr Bufen fteigt,
Ihr Weſen ift jo ahndevoll,
Weiß nicht, was fie ſich wünſchen ſoll,
Und unter vieler Grillen Lauf
Steigt wohl einmal ein Seufzer auf.
Warum iſt deine Stirn fo trüb?
Das, mas did dränget, jühe Lieb’,
ft volle Wonn’ und Selitgfeit,
Die dir in Einem ift bereit,
Der mandes Schickſal wirrevoll
An deinem Auge fi lindern fol;
Der durch manch wonniglichen Kuß
Miedergeboren werden muß;
Wie er den ſchlanken Leib umfaßt,
Bon aller Mühe findet Raft;
Wie er ins liebe Armlein fintt,
Neue Lebenstag’ und Kräfte trinkt.
Und dir kehrt neues Jugendglück,
Deine Schalfheit Tehret dir zurüd.
Mit Neden und manden Schelmereien
Wirſt ihn bald nagen, bald erfreuen.
So wird die Liebe nimmer alt,
Und wird der Dichter nimmer kalt!
— 854 —
Wie er jo heimlich glüdlich Lebt,
180 Da droben in den Wollen ſchwebt
Ein Eichkranz, ewig jung belaubt,
Den ſeht die Nachwelt ihm aufs Haupt,
In Froſchpfuhl all das Bolt verbannt,
Das feinen Meifter je verlannt.
I. v. Goethe. (1776.)
582. Die Launiſchen.
Hör’ ich ferne mur ber, wenn ih für mich geflagt,
Saitenfpiel und Gejang, ſchweigt mir das Herz Doch gleich;
Bald au bin ich verwandelt, .
Blinkſt du, purpumer Wein! mid an.
Unter Schatten des Walde, wo die gewaltige
Mittagsfonne mir fanft über dem Laube glänzt,
Ruhig fig’ ich daſelbſt, wenn
Zürnend fchwerer Beleidigung,
Ich im Felde geirrt — zürnen zu gerne doch
Deine Dichter, Natur! trauern und weinen leicht,
Die Beglüdten; wie Kinder,
Die zu zärtlich die Mutter hält,
Sind fie mürriſch und voll herriſchen Eigenfinns.
Wandeln till fie des Wegs, irret Geringes doc
Bald fie wieder; fie reißen
Aus dem Gleife ſich fträubend bir.
Doch du rübreft fie kaum, Liebende! freundlih an,
Sind fie frieblid und fromm; fröhlich gehorchen fie.
Du lenkſt, Meifterin! fie mit
Weichem Zügel, wohin du will.
Sriedr. Bölderliu. (1800.)
533. An die jungen Dichter.
Lieben Brüder, es reift unfere Kunft vielleicht,
Da, dem Sünglinge gleich, lange fie ſchon gegärt,
Bald zur Stille der Schönkeit;
Seid nur fromm, wie ber Grieche war!
— 855 —
2. Liebt die Götter und denkt freundlich der Sterblichen!
Haft den Rauch wie den. Froft! lehrt und befchreibet nicht!
Wenn der Meifter auch ängftigt,
Fragt die große Natur um Rat!
| Sriehr. Bölberlin. (1800.)
5354. Muſen und Srazien in der Marl,
1. D wie ift die Stabt jo menig;
Laßt die Maurer künftig ruhn!
Unſre Bürger, unſer König
Könnten wohl was Beſſer's thun.
Ball und Oper wird uns töten;
Liebhen komm auf meine Flur,
Denn beſonders die Poeten,
Die verderben die Natur.
2. D wie freut es mich, mein Liebchen,
Daß du jo natürlich biſt;
Unfre Mädchen, unſre Bübchen
Spielen fünftig auf dem Mift,
Und auf unfern PBromenaden
Zeigt fih erſt die Neigung ſtark.
Liebes Mädchen, laß uns mwaten,
Waten noch durch diefen Quark.
3. Dann im Sand uns zu verlieren,
Der uns keinen Weg verſperrt!
Dich den Anger hinzuführen,
Wo der Dorn das Röckchen zerrt!
Zu dem Dörfchen laß uns ſchleichen
Mit dem ſpitzen Turme hier;
Welch ein Wirtshaus ſondergleichen!
Trocknes Brot und ſaures Bier!
4. Sagt mir nichts von gutem Boden,
Nichts von Magdeburger Land!
Unſre Samen, unſre Toten
Ruhen in dem leichten Sand.
Selbſt die Wiſſenſchaft verlieret
Nichts an ihrem raſchen Lauf;
Denn bei uns, was vegetieret,
Alles keimt getrocknet auf.
— 856 —
5. Geht es nicht in unferm Hofe
Die im Paradiefe zu?
Statt der Dame, flatt der Bofe
Macht die Henne gu! glu! glu!
Uns beichäftigt nicht der Pfauen,
Nur der Gänfe Lebenslauf;
Meine Mutter zieht die grauen,
Meine Frau die weißen auf.
6. Laßt den Wibling uns befticheln!
Glücklich, wenn ein deutſcher Mann
Seinem Freunde, Better Micheln,
Guten Abend bieten kann.
Wie ift der Gedanke labend:
Sold ein Edler bleibt ung nah!
Immer fagt man: Geftern Abend
War Doch Better Michel da!
7. Und in unfern Liedern Teimet
Silb' aus Silbe, Wort aus Wort.
Ob ich glei auf deutſch nichts reimet,
Reimt der Deutfche dennod fort.
Ob es fräftig ober zierlich,
Geht uns fo genau nicht an;
Wir find bieder und natürlid,
Und das ift genug gethan.
m. v. Goethe. (1796)
535. Die verlorene Kirche,
1. Man böret oft im fernen Walb
Bon obenher ein dumpfes Läuten,
Doch niemand weiß, von wann es hallt,
Und faum die Sage fan es deuten.
Bon der verloren Kirche fol
Der Klang ertönen mit den Winden;
Einft war der Pfad von Wallern voll,
Nun weiß ihn keiner mehr zu finden.
2. Jungſt ging ih in bem Walde weit,
Mo fein betretner Steig fi) dehnet;
Aus der Verderbnis biefer Zeit
Hatt’ ih zu Gott mich hingeſehnet.
— 857 —
Wo in der Wildnis alles ſchwieg,
Vernahm ich das Geläute wieder;
Je höher meine Sehnfucht ſtieg,
Je näher, voller klang es nieder.
3. Mein Geift war fo in fich gelehrt,
Mein Sinn vom Klange hingenommen,
Daß mir e3 immer unerllärt,
Wie ih jo hoch hinauf gekommen.
Mir ſchien e8 mehr denn hundert Jahr',
Daß ich fo hingeträumet hätte,
Als über Nebeln, fonnenflar
Sich öffnet’ eine freie Stätte.
4. Der Himmel mar fo dunkelblau,
Die Sonne war. fo voll und glühend,
Und eines Münfters ftolzer Bau
Stand in dem goldnen Lichte blühend;
Mir dünkten helle Wollen ihn,
Gleich Fittihen, emporzuheben,
Und feines Turmes Spike ſchien
Im fel’gen Himmel zu verſchweben.
5. Der Glode wonnevoller Klang
Ertönte fehütternd in dem Turme;
Doch zog nicht Menfchenhand den Strang,
Sie mard bewegt von heil’gem Sturme.
Mir war's, derfelbe Sturm und Strom
Hätt’ an mein Tlopfend Herz gefchlagen;
So trat ich in den hohen Dom
Mit ſchwankem Schritt und freud’gem Hagen...
6. Wie mir in jenen Hallen war,
Das kann ich nit mit Worten ſchildern.
Die Fenſter glühten dunkelklar
Mit aller Märt'rer frommen Bilbern;
Dann fah ich, wunderſam erhellt,
Das Bild zum Leben ſich erweitern,
Ich fah hinaus in eine Welt
Bon beil’gen Frauen, Gottesftreitern.
7. Ich kniete nieder am Altar,
Bon Lieb’ und Andacht ganz durchitrablet.
Hoch oben an der Dede war
Des Himmels Glorie gemalet;
Doch als ich wieder ſah empor,
Da war’ geiprengt der Kuppel Bogen,
Geöffnet war des Himmeld Thor
Und jede Hülle weggezogen.
8 Was ich für Herrlichkeit geſchaut
Mit ſtill anbetendem Erſtaunen,
Was ich gehört für fel’gen Laut,
Als Orgel mehr und als Pofaunen,
Das fteht nicht in ber Worte Macht;
Doh wer danach fich treulich fehnet,
Der nehme des Geläutes acht,
Das in dem Walde dumpf ertönet!
£. Upland. (1812.)
536. Alexis und Dora,
1 Ad! unaufbaltfam ftrebet das Schiff mit jedem Momente
Dur die fhäumende Flut weiter und weiter hinaus!
Langhin furdt fi die Gleiſe des Niels, worin Die Delphine
Springend folgen, als flöh’ ihnen die Beute davon.
5 Alles deutet auf glüdliche Fahrt; der ruhige Bootsmann
Ruckt am Segel gelind, das fih für alle bemüht.
Vorwärts dringt der Schiffenden Geift, wie Flaggen und Wimpel;
Einer nur fteht rüdmärts traurig gewendet am Maft,
Sieht Die Berge ſchon blau, die fcheivenden, ſieht in das Meer fie
10 Niederſinken, es ſinkt jegliche Yreube vor ihm.
Auch dir ift es verihmwunden, dad Schiff, das deinen Aleris,
Dir, o Dora, den Freund, ach! dir den Bräutigam raubt.
Auch du blideft vergebens nad mir. Noch Schlagen bie Herzen
Füreinander, doc, ach! aneinander nicht mehr.
15 Einziger Augenblid, in welchem ich Iebte! du miegeft
Alle Tage, die fonft kalt mir verſchwindenden, auf.
Ad, nur im Augenblid, im lebten, flieg mix ein Leben,
Unvermutet in dir, wie von den Göttern, herab.
Nur umfonft verflärft bu mit deinem Lichte den Ather;
20 Dein allleudhtender Tag, Phöbus, mir ift er verhaßt.
In mich Selber. kehr' ih zurüd, da will ich im ftillen
Wiederholen die Zeit, als fie mir täglich eridien.
War er möglich, die Schönheit zu fehn und nit zu empfinden?
Wirkte der himmliſche Reiz nicht auf dein ftumpfes Gemüt?
25 Klage did, Armer, nicht an! — So legt der Dichter ein Nätiel,
Künſtlich mit Worten verfchräntt, oft der Berfammlung ins Obr.
Jeden freuet die feltne, der zierlichen Bilder Verknüpfung;
Aber noch fehlet das Wort, das die Bedeutung verwahrt.
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Iſt e8 endlich entdedt, dann heitert fich jedes Gemüt auf
30 Und erblidt im Gebicht doppelt erfreulihen Sinn.
Ab, warum fo fpät, o Amor, nahmft Du die Binde,
Die bu ums Aug’ mir geknüpft, nahmſt fie zu ſpät mir
binmweg!
Zange ſchon harrte befrachtet das Schiff auf günftige Lüfte;
Endlich frebte der Wind glüdlich vom Ufer ins Meer.
35 Leere Zeit der Jugend! und leere Träume der Zukunft!
Ihr verſchwindet, es bleibt einzig die Stunde mir nur.
Ja, fie bleibt, es bleibt mir das Glück! ich halte dich, Dora!
Und die Hoffnung zeigt, Dora, dein Bild mir allem.
Öfter fah ich zum Tempel dich gehn, geſchmückt und gefittet,
40 Und das Mütterdhen ging feierlich neben bir ber.
Eilig warft du und frifh, zu Markte die Früchte zu tragen;
Und vom Brunnen, wie fühn! miegte dein Haupt das Gefäß.
Da erichien dein Hals, erichien dein Naden vor allen,
Und vor allen erſchien deiner Bewegungen Maß.
45 Oftmals hab’ ich geforgt, es möchte der Krug bir entftürzen;
Doch er hielt fih ftät auf dem geringelten Tuch.
Schöne Nachbarin, ja, jo war ich gemohnt Dich zu fehen,
Wie man die Sterne fieht, wie man den Mond Fi befchaut,
Sicch an ihnen erfreut, und innen im ruhigen YBufen
50 Nicht der entferntefte Wunſch, fie zu befigen, ſich regt.
Sabre! fo gingt ihr dahin! Nur zwanzig Schritte getrennet
Waren bie Häufer, und nie hab’ ich die Schwelle berührt.
Und num trennt und die gräßliche Flut! Du lügft nur den
Simmel,
Melle! dein herrliches Blau ift mir die Farbe der Nacht.
55 Alles rührte fih ſchon; da Fam ein Knabe gelaufen
An men väterlih Haus, rief mid zum Strande hinab.
„Schon erhebt fi) das Segel! e3 flattert im Winde“, fo ſprach er,
„Und gelichtet, mit Kraft trennt fi) der Anker vom Sand.
Komm, Aleris, o komm!“ Da drüdte der. wadere Bater
30 Wuürdig die fegnende Hand mir auf das lockige Haupt;
Sorglid reichte die Mutter ein nachbereitetes Bündel:
„Glücklich kehre zurüd!“ riefen fie, „glüdlih und reich!“
Und fo fprang ich hinweg, das Bündelchen unter dem Arme,
An der Mauer hinab, fand an der Thüre dich ftehn
5 Deines Gartend. Du lächelteft mir und fagteft: „Aleris!
Sind die Lärmenden dort beine Gefellen der Yahrt?
Fremde Küften beſuchſt du nun, umd köſtliche Waren
Handelft du ein und Schmud reihen Matronen der Stadt.
Aber bringe mir auch ein leichtes Kettchen; ih will es
0 Dankbar zahlen: fo oft Hab’ ich die Zierde gewünſcht!“
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Stehen war ich geblieben und fragte, nach Weiſe des Kaufmanns
Erft nah Yorm und Gewicht deiner Beitellung genen
Gar beſcheiden erwogit du den Preis! da blickt' indeſſen
Nah dem Halſe, des Schmucks unſerer Königin wert.
75 Heftiger tönte vom Schiff das Geſchrei; da fagteft du freundlid:
„Nimm aus dem Garten noch einige Yrüchte mit bir,
Nimm die reifften Orangen, die weißen Feigen; das Meer bringt
Keine Früchte, fie bringt jegliches Land nicht hervor.“
Und fo trat ich herein. Du brachſt nun die Früchte geichäfti,
80 Und die goldene Laft zog das geichürzte Gewand.
Ofters bat ich: e8 fei num genug! und immer noch eine
Schönere Frudt fiel dir, leife berührt, in die Hanb.
Endlih kamſt du zur Laube hinein; da fand ſich ein Körbchen
Und die Myrte bog blübend fi über uns bin.
85 Schweigend begannft du nun gefchidt die Früchte zu orbnen:
Erft die Drange, die ſchwer ruht als ein golvener Ball,
Dann die weichlihe Feige, die jeder Drud ſchon entftellet,
Und mit Myrte bedeckt warb und geziert das Gejchent.
Aber ich bob es nicht auf; ich ftand. Wir fahen einander
90 In die Augen, und mir ward vor dem Auge jo trüb.
Deinen Buſen fühlt ih an meinem! Den berrlihden Nader,
Ihn umfchlang nun mein Arm; taufendmal füßt’ ih den Hals
Mir ſank über die Schulter dein Haupt; nun Tnüpften auch deine
Liebliden Arme das Band um den Beglüdten herum.
95 Amors Hände fühlt’ ich: er drückt' uns gewaltig zufammen,
Und aus beiterer Luft donnert' es dreimal; da floß
Häufig die Thräne vom Aug’ mir herab, du mweinteft, ich weinte,
Und vor Jammer und Glüd fchien uns die Welt zu vergehen
Immer beftiger rief e8 am Strand; da wollten bie Yübe
100 Mid nit tragen, ich rief: Dora! und bift bu nicht mein?
„Ewig!” fagteit du leiſe. Da ſchienen unfere Thränen,
Wie durch göttliche Luft, Ieife vom Auge gehaudt.
Näher rief es: „Aleris!“ da blickte der ſuchende Knabe
Dur die Thüre herein. Wie er das Körbchen empfing!
105 Wie er mich trieb! Wie ih dir bie Hand noch brüdte! —
Zu Schiffe
Wie ich gelommen? Ach weiß, daß ich ein Trunkener ſchies
Und fo hielten mich auch die Gejellen, jchonten ben Stranter;
Und ſchon bedte der Hauch trüber Entfernung die Statt.
Ewig! Dora, liſpelteſt du; mir jchallt es im Ohre
110 Mit dem Donner des Zeus! Stand fie doch neben des
Thron,
Seine Tochter, die Göttin der Liebe; die Grazien ſtanden
Ihr zur Seiten! Er ift gütterbefräftigt, ber Bund!
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O fo’eile denn, Schiff, mit allen günftigen Winden!
Strebe, mächtiger Kiel, trenne die ſchäumende Flut!
115 Bringe dem fremden Hafen mich zu, damit mir der Goldſchmied
Sn der Werkftatt gleich ordne das himmliſche Pfand.
- MWahrlich! zur Kette fol das Kettchen werden, o Dora!
Neunmal umgebe fie dir, oder gewunden, den Hals!
Ferner ſchaff' ih noch Schmud, den mannigfaltigften; goldne
120 Spangen ſollen dir auch reichlich verzieren die Hand:
Da metteifre Rubin und Smaragd, der lieblihe Saphir
Stelle dem Hyacinth fih gegenüber, und Gold
Halte daB Ehelgeftein in ſchöner Verbindung zufammen.
D, wie den Bräutigam freut einzig zu fchmüden die Braut!
125 Seh’ ih Perlen, fo ben!’ ih an dich; bei jeglihem Ringe
Kommt mir der länglichen Hand ſchönes Gebild’ in den Sinn.
Tauchen will ich und kaufen; du ſollſt das Schönfte von allem
Wählen, ich widmete gern alle die Ladung nur dir.
Doch nicht Schmud und Sumelen allein verfchafft dein Geliebter;
130 Was ein häusliches Weib freuet, das bringt er dir aud.
Feine mollene Deden mit Purpurfäumen, ein Lager
Zu bereiten, das uns traulih und weichlich empfängt;
Köftlicher Leinwand Stücke. Du fibelt und näheft und kleideſt
Mich und dich und auch wohl noch ein Drittes darein.
135 Bilder der Hoffnung, täufchet mein Herz! O mäßiget, Götter,
Diefen gewaltigen Brand, der mir den Buſen durchtobt!
Aber auch fie verlang’ ich zurück, die ſchmerzliche Freude,
Wenn die Sorge fi kalt, gräßlich gelaffen mir naht.
Nicht der Erinnyen Fadel, das Bellen der böllifchen Hunde
140 Schreckt den Verbrecher jo in der Verzweiflung Gefild,
Als das gelafl’ne Gefpenft mich fchredt, das die Schöne von
fern mir
Zeiget; die Thüre fteht wirklich des Gartens noch auf!
Und ein anderer fommt! Für ihn auch fallen die Früchte!
Und die Feige gewährt ftärfenden Honig aud ihm!
145 Lodt fie au ihn nad der Laube? und folgt er? D, madt
mich, ihr Götter,
Blind, verwiſchet das Bild jeder Erinnrung in mir!
Ja, ein Mädchen ift fie! und die fich gefchwinde dem einen
Giebt, fie kehret fih auch fchnell zu dem andern herum.
Lache nicht diesmal, Zeus, der frechgebrochenen Schwüre!
150 Donnere ſchrecklicher! Triff! — Halte die Blitze zurüd!
Sende die ſchwankenden Wollen mir nah! Im nächtlichen Dunkel
Treffe dein leuchtender Blitz diefen unglüdlihen Maft!
Streue die Planten umher, und gieb der tobenven Belle
Diefe Waren, und mich gieb den Delphinen zum Raub! —
— 862 —
155 — ihr Muſen, genug! Vergebens ſtrebt ihr zu ſchildern
Wie fih Jammer und Sid wechſeln in fiebenber Bu
Heilen könnet die Wunden ihr nit, die Amor geichlagen;
Aber mn fommt einzig, ihr Guten, von euch
m. ». Goethe. (17%,
537. Der Spaziergang.
1 Sei mir gegrüßt, mein Berg mit dem rötlich ſtrahlenden Gipe
Ser mir, Sonne, gegrüßt, die ihn jo lieblich beicheint!
Dih auch grüß’ ich, belebte Flur, euch fäufelnde Linden,
Und den fröhlichen Chor, der auf den Aften fich wiegt,
5 Ruhige Bläue, dich auch, die unermeßlich fi) ausgießt
Um das braune Gebirg, über den grünenden Wald,
Auch um mid, der, endlich entflohn des Zimmers Gefänges
Und dem engen Geſprach , freudig ſich rettet zu dir.
Deiner Lüfte balſamiſcher Strom durchrinnt mic erquickend,
10 Und den burftigen Blid Iabt das energifche Licht.
Kräftig auf blühbender Au’ erglänzen die wechſelnden Farben,
Aber der reizende Streit löfet in Anmut fih auf.
Frei empfängt mich die Wieje mit weithin verbreitetem
Dur ihr freundliches Grün fchlingt fich der Ländliche Ang
15 Um mid ſummt die gefchäftige Biene, mit zweifelndem Flügel
Wiegt der Schmetterling fi über dem rötlihen Klee.
Glühend trifft mi der Sonne Pfeil, ftill liegen die Weſte,
Nur der Lerhe Gefang wirbelt in heiterer Luft. |
Doch jekt brauſt's aus dem nahen Gebüfch; tief neigen Der Erim
20 Kronen fih, und im Wind mogt das verfilberte Gras;
Mich umfängt ambrofiihe Nacht; in duftende Kühlung
Nimmt ein prächtige Dach jchattender Buchen mich ein.
In des Waldes Geheimnis entflieht mir auf einmal die Landſchaft
Und ein ſchlängelnder Pfad leitet mich fteigend empor.
25 Nur verftohlen durchdringt der Zweige laubiges Gitter
Sparfames Licht, und es blidt lachend das Blaue berein
Aber plötzlich zerreißt der Flor. Der geöffnete Wald giebt
Überrafhend des Tags biendendem Glanz mich zurüd.
Unabfebbar ergießt fi) vor meinen Bliden die Ferne,
30 Und ein blaues Gebirg endigt im Dufte die Welt.
Tief an des Berges Fuß, der jählings unter mir abflürzt,
Wallet des grünlichten Stroms fließender Spiegel vorbei.
Endlos unter mir ſeh' ich den Äther, über mir endlos,
Blide mit Schwindeln hinauf, blide mit Schaubern hinab
35 Aber zwifchen ber ewigen Höh' und der ewigen Tiefe
Trägt ein geländerter Steig fiher den Wandrer dahin.
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Lachend fliehen an mir die reichen Ufer vorüber,
Und den fröhliden Fleiß rühmet das prangende Thal.
jene Linien, fieh! die des Landmanns Eigentum ſcheiden,
In den Teppich der Flur bat fie Demeter gewirkt.
Freundliche Schrift des Geſetzes, des menſchenerhaltenden Gottes,
Seit auß ber ehernen Welt fliehend die Liebe verichwand!
Aber in freieven Schlangen durchkreuzt die geregelten Felder,
Jett verſchlungen vom Wald, jegt an den Bergen binauf
Klimmend, ein ſchimmernder Streif, die Länderverfnüpfenbe Straße;
Auf dem ebenen Strom gleiten die Flöße dahin.
Vielfach ertönt der Herden Geläut im belebten Gefilbe,
Und den Wiederhall weckt einfam des Hirten Gefang.
Muntre Dörfer befränzen den Strom, in Gebüfchen verfhwinden
Andre, vom Rüden des Berges ftürzen fie jäh dort herab.
Nachbarlich wohnet der Menih noch mit dem Acer zufammen,
Seine Felder umruhn frieblih fein ländliches Dach;
Traulich rankt fi die Reb' empor an dem niedrigen Fenſter,
Einen umarmenden Zweig Ichlingt um die Hütte der Baum.
Glückliches Volt der Gefilde! noch nicht zur Freiheit erwachet,
Teilſt du mit deiner Flur fröhlih das enge Geſetz en
Deine Wünſche beſchränkt der Ernten ruhiger Kreislauf,
Wie dein Tagewerk, gleich, windet dein Leben fih ab!
Aber wer raubt mir auf einmal den Fieblihen Anblid? Ein fremder
Geift verbreitet ſich ſchnell über Die fremdere Flur!
Spröde fondert fih ab, was kaum fich liebend noch milde,
Und das Gleiche nur iſt's, was an das Gleiche fich reiht.
Stände feh’ ich gebildet, ver Pappeln ftolzge Geſchlechter
Ziehn in geordnetem Pomp vornehm und prächtig Daher.
Kegel wird alles, und alles wird Wahl und alles Bedeutung;
Diejed Dienergefolg’ meldet den Herrſcher mir an.
Prangend verfündigen ihn von fern die erleuchteten Ruppeln,
Aus dem felfichten Kern hebt ſich die türmende Stadt.
In die Wildnis hinaus find des Waldes Faunen verftoßen,
Aber die Andacht leiht höheres Leben dem Stein.
Näher gerückt ift der Menſch an den Menſchen. ‚Enger wird um ihr,
Neger erwacht, es ummälzt vajcher fih in ihm die Welt.
Sieh, da entbrennen im feurigen Kampf die eifernden Kräfte,
Großes wirlet ihr Streit, Größeres wirket ihr Bund.
Taufend Hände belebt ein Geift, hoch fchläget in taufend
Brüften, von einem Gefühl glühend, ein einzige Herz, _:
Schlägt für das Vaterland und glüht für der Ahnen Gefete;
Hier auf dem teuren Grund ruht ihr verehrte Gebein.
Nieder fteigen vom Himmel die feligen Götter und nehmen
In dem geweihten Bezirk feitlihe Wohnungen ein;
— 864 —
Herrlihe Gaben beicherend erfcheinen fie: Gere vor allen
Bringet des Pfluges Geſchenk, Hermes den Anker herbei,
Bachus die Traube, Minerva des Olbaums grünende Reiſer,
Auch das krieg'riſche Roß führet Pofeidon heran,
85 Mutter Cybele fpannt an des Wagens Deichiel die Lömen,
In das gaftlihe Thor zieht fie als Bürgern em.
Heilige Steine! Aus euch ergoſſen fi Pflanzer der Menſchheit,
Fernen Infeln des Meers fandtet ihr Sitten und Kunſt,
Meile ſprachen das Recht an biefen- gefelligen Thoren,
90 Helden ftürzten zum Kampf für die Benaten heraus.
Auf den Mauern erſchienen, den Säugling im Arme, die Mütter,
Blidten dem Heerzug nad, bis ihn die Ferne verfchlang.
Betend ftürzten fie dann vor der Götter Altären fich nieder,
Flehten um Ruhm und Sieg, flehten um Rückkehr für eud).
95 Ehre ward eud und Sieg, doch der Ruhm nur kehrte zurüde;
Eurer Thaten Verdienft meldet ber rührende Stein:
„Wanderer, kommſt du nad) Sparta, verkündige dorten, du habeft
Uns bier liegen gefehn, wie das Geſetz es befahl.“
Ruhet fanft, ihr Geliebten! Bon eurem Blute begoffen
100 Grunet der Olbaum, es keimt Iuftig die köſtliche Saat.
Munter entbrennt, des Eigentums froh, das freie Gewerbe,
"Aus dem Scilfe des Stroms winket der bläulichte Gott.
Ziſchend fliegt in den Baum die Art, es erfeufzt die Dryabe,
Hoch von des Berges Haupt ftürzt ſich die donnernde Laſt.
105 Aus dem Felsbruch wiegt ſich der Stein, vom Hebel beflügelt;
In der Gebirge Schlucht taucht fich der Bergmann hinab.
Mulcibers Amboß tönt von dem Takt geſchwungener Hämmer,
Unter der nervigen Fauft fpriken die Funken des Stahls.
Glänzend ummindet der goldene Lein die tanzende Spindel,
110 Dur die Saiten des Garns faufet das webende Schiff.
Fern auf der Rhede ruft der Pilot, es warten bie Flotten,
Die in der Fremdlinge Land tragen den heimiſchen Fleiß;
Andere ziehen frohlodend dort ein mit ben Gaben der Ferne,
Hoch von dem ragenden Maft mehet der feſtliche Kranz.
115 Siebe, da wimmeln die Märkte, ver Krahn von fröblichem Leben,
Seltjamer Sprachen Gewirr brauft in das wundernde Ohr.
Auf den Stapel fchüttet die Ernten der Erbe der Kaufmann,
Mas dem glühenden Strahl Afrifas Boden gebiert,
Was Arabien kocht, mas die äußerfte Thule bereitet,
120 Hoc mit erfreuendem Gut füllt Amalthea das Horn.
Da gebieret das Glück dem Talente die göttlichen Kinder,
Bon ber Freiheit gefäugt wachſen die Künfte der Luft.
Mit nachahmendem Leben erfreuet der Bildner die Augen,
Und vom Meißel befeelt redet der fühlende Stein.
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125 Känftlihe Himmel ruhn auf ſchlanken joniſchen Säulen,
Und den ganzen Olymp fchließet ein Pantheon ein.
Leicht, wie der Iris Sprung durch die Luft, wie der Pfeil
von der Sehne,
Hüpfet der Brüde oc über den braufenden Strom.
Aber im ftillen Gemach entwirft bedeutende Zirkel
130 Sinnend der Weife, beichleicht forſchend den ſchaffenden Geift,
Prüft der Stoffe Gewalt, der Magnete Haflen und Lieben,
Folgt durch die Lüfte dem Klang, folgt durch ben Äther
dem Strahl,
Sudt das vertraute Geſetz in des Yufalld graufenden Wundern,
Sudt den ruhenden Bol in der Ericheinungen Flucht.
135 Körper und Stimme leiht die Schrift dem ftummen Gebanten,
Durch der Jahrhunderte Strom trägt ihn das redende Blatt.
Da zerrinnt vor dem wundernden Blid der Nebel des Wahnes,
Und die Gebilde der Nacht weichen dem tagenden Licht.
Seine Fefleln zerbricht der Menſch. Der Beglüdte! Zerriſſ' er
140 Mit den Feſſeln der Furcht nur nicht den Zügel der Scham!
Freiheit! ruft die Vernunft, Freiheit! die wilde Begierde,
Bon der heil'gen Natur ringen fie lüftern fich los.
Ab, da reißen im Sturm die Unter, die an dem Ufer
Warnend ihn hielten, ihn faßt mächtig der flutende Strom;
145 Ins Unendliche reißt er ihn hin, die Küfte verſchwindet,
Hoch auf der Fluten Gebirg wiegt ſich entmaftet der Kahn;
Hinter Wolken verlöjchen des Wagens beharrliche Sterne,
Bleibend iſt nichtö mehr, es irrt felbit in dem Buſen der Gott.
Aus dem Geſpräch verfchwindet die Wahrheit, Glauben und Treue
150 Aus dem Leben, es lügt felbit auf der Lippe der Schmur.
In der Herzen vertraulichiten Bund, in der Liebe Geheimnis
Drängt fich der Sylophant, reißt von dem Freunde den Freund.
Auf die Unfhuld fchielt der Verrat mit verfchlingendem Blicke,
Mit vergiftendem Biß tötet des Läſterers Zahn.
155 Feil ift in der gefchändeten Bruſt der Gedanke, die Liebe
Mirft des freien Gefühle göttlichen Adel hinweg.
Deiner heiligen Zeichen, o Wahrheit, hat der Betrug ſich
Angemaßt, der Natur Löftlichfte Stimmen entmweiht,
Die das bedürftige Herz in der Freude Drang fih erfindet;
160 Kaum giebt wahres Gefühl noch durch Verftummen fi fund.
Auf der Tribüne prahlet das Recht, in der Hütte die Eintracht,
Des Geſetzes Geipenft fteht an der Könige Thron.
Sahrelang mag, jahrhundertelang die Mumie dauern,
Mag das trügende Bild lebender Fülle beftehn,
165 Bis die Natur erwacht, und mit ſchweren, ehernen Händen
An das bohle Gebäu rühret die Not und die Zeit,
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— 866 —
Einer Tigerin gleih, die daB eiferne Gitter durchbrochen
Und bed numidiſchen Walbs plößlih und ſchrecklich gebentt,
Auffteht mit des Verbrechens Wut und des Elends die Menfchheit
170 Unb in der Aſche der Stadt fucht die verlorne Natur.
D, fo öffnet euch, Mauern, und gebt den Gefangenen: ledig!
Zu der verlafenen Flur kehr' er gerettet zurüd!
Aber wo bin ih? Es birgt fich der Pfad. Abſchüſſige Gründe
Hemmen mit gähnender Kluft hinter mir, vor mir den Schritt.
175 Hinter mir blieb der Gärten, der Heden vertraute Begleitung,
Hinter mir jeglihde Spur menſchlicher Hände zurüd.
Nur die Stoffe ſeh' ich getürmt, aus welchen das Leben
Keimet, der rohe Bafalt hofft auf die bildende Hand.
Braufend ftürzt der Gießbach herab durch die Rinne des Felien,
180 Unter den Wurzeln des Baums bricht er entrüftet fich Bahn.
Wild ift es bier und fchauerlih öd'. Im einfamen Luftraum
Hängt nur der Adler und knüpft an das Gewölle die Welt.
Ho herauf bis zu mir trägt feines Windes Gefieder
Den verlorenen Schall menſchlicher Mühen und Luft.
185 Bin ih wirklich allen? In deinen Armen, an deinem
Herzen wieder, Natur? ach! und es war nur ein Traum,
Der mich ſchaudernd ergriff mit des Lebens furdtbarem Bilde?
Mit dem ftürzenden Thal ftürzte der finftre hinab.
Keiner nehm’ ich mein Leben von deinem reinen Altare,
190 Nehme den fröhliden Mut boffender Jugend zurüd.
Ewig wechſelt der Wille den Zweck und die Regel, in ewig
MWiederholter Geftalt wälzen die Thaten fih um.
Aber jugendlich immer, in immer veränderter Schöne
Ehrft du, fromme Natur, züchtig des alte Geſetz!
195 Immer diefelbe, bewahrft du in treuen Händen dem Wanne,
Mas dir das gaufelnde Kind, was dir der Jüngling vertraut,
Nähreſt an gleicher Bruft die vielfach wechſelnden Alter;
Unter demjelben Blau, über dem nämliden Grün
Mandeln die nahen und wandeln vereint die fernen Geſchlechter,
200 Und die Sonne Homers, fiehe! fie lächelt aud uns.
Ir. v. Schiller. (17%6.)
538. Die vier Weltalter.
1. Wohl perlet im Glafe der purpurne Wein,
Mohl glänzen die Augen der Gäſte;
Es zeigt fi der Sänger, er tritt herein,
Zu dem Guten bringt er dad Befte!
Denn ohne die Leier im himmliſchen Seal
Iſt die Freude gemein auch beun Neltarmahl.
— 867 —
Ihm gaben die Götter das reine Gemüt,
Wo die Welt fih, die emige, fpiegelt;
Er bat alles gefehn, was auf Erben geſchieht
Und was uns die Zukunft verfiegelt;
Er ſaß in der Götter urälteftem Rat
Und behorchte der Dinge geheimfte Saat.
Er breitet es Iuftig und glänzend auß,
Das zufammengefaltete Leben;
Zum Tempel fhmüdt er das irbiihe Haus,
‘hm bat es die Muſe gegeben;
Kein Dach ift fo niedrig, feine Hütte jo klein,
Er führt einen Himmel voll Götter hinein.
Und wie der erfindende Sohn des Zeus
Auf des Schildes einfahem Runde
Die Erde, das Meer und den Sternenfreis
Gebildet mit göttliher Kunde,
So drüdt er ein Bild des unendlichen Al
In des Augenblids flüchtig verrauſchenden Schall.
Er kommt aus dem hkindlichen Alter der Welt,
Wo die Völker fich jugendlich freuten;
Er hat fih, ein fröhlicher Wandrer, gejellt
Zu allen Geſchlechtern und Zeiten.
Bier Menſchenalter hat er gefehn,
Und läßt fie am fünften vorübergehn.
Erft regierte Saturnus ſchlicht und geredt,
Da war es heute wie morgen,
Da lebten die Hirten, ein harmlos Geſchlecht,
Und braudten für gar nichts zu forgen;
Sie liebten und thaten meiter nicht® mehr,
Die Erde gab alles freiwillig ber.
Drauf kam die Arbeit, der Kampf begann
Mit Ungeheuern und Draden,
Und die Helden fingen, die Herrſcher, an,
Und den Mächtigen fuchten die Schwachen.
Und der Streit z0g in des Elamander3 Feld;
Doch die Schönheit mar immer der Gott der Welt.
Aus dem Kampf ging endlich der Sieg hervor,
Und der Kraft entblühte die Milde;
Da fangen die Mufen im himmliſchen Chor,
Da erhuben fih Göttergebilde —
Das Alter der göttlichen Phantafte,
Es ift verſchwunden, e8 Tehret nie!
65*
10.
11.
12.
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Die Götter fanten vom Himmelsthron,
Es ftürzten die herrlichen Säulen,
Und geboren wurde der Yungfrau Sohn,
Die Gebrehen der Erde zu beilen;
Verbannt warb der Sinne flüchtige Luft,
Und der Menſch griff denkend in feine Brufl.
Und der eitle, der üppige Heiz entwich,
Der die frohe Jugendwelt zierte;
Der Mönh und die Nonne zergeißelten fich,
Und der eiferne Ritter turnierte.
Doh war daB Leben auch finfter und mild,
So blieb doch die Liebe lieblih und mild.
Und einen heiligen, keuſchen Altar
Bewahrten fih ftille die Mufen;
Es lebte, was edel und fittlih war,
Sm der Frauen züchtigem Bufen;
Die Flamme des Liebes entbrannte neu
An der ſchönen Minne und Liebestreu”.
Drum fol auch ein ewiges, zarted Band
Die Frauen, die Sänger umflechten,
Sie wirten und mweben Hand’ in Hand
Den Gürtel des Schönen und Rechten.
Geſang und Liebe in ſchönem Berein,
Sie erhalten dem Leben den Jugendſchein.
Ir. v. Schiller. (1008.
539. Grenzen der Menſchheit.
1 Nenn der uralte,
Heilige Vater
Mit gelafiener Hand
Aus vollenden Wolfen
5 Segnende Blige
Über die Erde ſä't,
Küſſ' ih den letzten
Saum feines Kleides,
Kindlihe Schauer
10 Treu in der Bruft.
Denn mit Göttern
Sol fih nicht meflen
Irgend ein Menid.
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540.
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Hebt er fih aufwärts
Unb berührt
Mit dem Scheitel die Sterne:
Nirgends haften Dann
Die unfihern Sohlen,
Und mit ihm fpielen
Wollen und Winde.
Steht er mit feften,
Markigen Knochen
Auf der wohlgegründeten,
Dauernben Erbe:
Reicht er nicht auf,
Nur mit der Eiche
Ober der Rebe
Sich zu vergleichen.
Was unterſcheidet
Götter von Menſchen?
Daß viele Wellen
Bor jenen wandeln,
Ein ewiger Strom;
Uns hebt die Welle,
Verſchlingt die Welle,
Und wir verfinten.
Ein Kleiner Ring
Begrenzt unfer Leben,
Und viele Gefchlechter
Keihen fi dauernd
An ihres Dajeind
Unendliche Kette.
W. ». Goethe. (1780?)
Sprüche uud Spruchartiges.
1
1. Was paßt, das muß ſich ründen,
Was fich verfteht, fich finden,
Was gut ift, ſich verbinden,
Was liebt, zufammen fein;
Was hindert, muß entweichen,
Was krumm ift, muß fich gleichen,
Was fern ift, fih erreichen,
Was Feimt, das muß gebeihn.
1
10
10
— 80 —
2. Gieb treulih mir die Hände!
Sei Bruder mir und wende
Den Bid vor deinem Ende
Nicht wieder weg von mir!
Ein Tempel, wo wir Inieen,
Ein Drt, wohin wir ziehen,
Ein Glüd, für das wir glühen,
Ein Himmel mir und dir! evalis.
2.
1 Halte feit anı frommen Sinne,
Der des Grenzfteind nie vergaß!
Alles Heil liegt mitten inne,
Und das Höchſte bleibt das Map.
Glücklich, wen die Tage fließen
Wechſelnd zwifchen Freud' und Leid,
Zwiſchen Schaffen und Genießen,
Zwischen Welt und Einjamleit. Em. Seibel
8.
Reiteſt du bei einem Schmied vorbei,
Weißt nicht, wann er dein Pferd beichlägt;
Siehft du eine Hütte im Felde frei,
Weißt nicht, ob fie div ein Liebchen Beat;
Einem Süngling begegneft du ſchön und kühn,
Er überwindet dich fünftig ober du ihn.
Am ficherften kannſt du vom Rebſtock fagen,
Er werde für dich was Gutes tragen.
So bift du denn der Welt empfohlen;
Das übrige will ich nicht wiederholen.
W. v. Goethe.
*
Den Gruß des Unbekannten ehre ja!
Er ſei dir wert als alten Freundes Gruß.
Nach wenig Worten ſagt ihr Lebewohl,
Zum Oſten du, er weſtwärts, Pfad an Pfad.
Kreuzt euer Weg nad vielen Jahren drauf
Sih unerwartet, ruft ihr freudig aus:
Er ift ed! ja, da war’3! ala hätte nicht
Sp mande Tagefahrt zu Land und See,
So mande Sonnenkehr ſich dreingelegt.
Nun taufhet War’ um Ware, teilt Gewinn!
Ein alt Vertrauen wirke neuen Bund!
Der erite Gruß ift viele taufend wert;
Drum grüße freundlich jeden, der begrüßt!
m. ». Goethe.
— 871 —
5.
1 Im Atemholen find zweierlei Gnaden:
Die Luft einziehen, ſich ihrer entladen.
Jenes bedrängt, dieſes erfrilcht;
So wunderbar ift das Leben gemilcht.
5° Du danke Gott, wenn er dich preßt,
Und dan!’ ihm, wenn er dich wieder entläßt!
W. v. Goethe.
6.
Willft du ins Unendliche ſchreiten,
Geh' nur im Endlichen nach allen Seiten.
W. v. Goetbe.
7.
Willſt du dich am Ganzen erquiden,
So mußt du das Ganze in Kleinften erbliden.
2. v. Goetbe.
8.
1 Willſt du dir ein hübſch Leben zimmern,
Mupt dich ums PVergangne nicht belümmern,
Das wmwenigfte muß dich verdrießen;
Mupt ftet3 die Gegenwart genießen,
5 Befonders feinen Menſchen haſſen
Und die Zukunft Gott überlaflen.
2. v. Goethe.
9.
1 Gedichte find gemalte Fenſterſcheiben!
Sieht man vom Markt in die Kirche hinein,
Da ift alles dunkel und düſter;
Und fo fieht’3 auch der Herr Philifter,
5 Der mag denn wohl verbrieglich fein
Und lebenslang verdrießlich bleiben.
Kommt aber nur einmal berein!
Begrüßt die heilige Kapelle!
Da iſt's auf einmal farbig helle:
10 Geſchicht' und Zierat glänzt in Schnelle,
Bedeutend wirkt ein edler Schein;
Dies wird euch Kindern Gottes taugen,
Erbaut euch und ergößt die Augen!
1. ». Goethe.
1
— 872 —
10.
Ein Gleichnis.
1 Jüngſt pflückt' ich einen Miejenftrauß,
Trug ihn gedanfenvoll nah Haus;
Da Hatten, von der marmen Hand,
Die Kronen fi alle zur Erde gewandt.
5 Ich ſetzte fie in frifches Glas,
Und weld ein Wunder war mir daß!
Die Köpfchen hoben fih empor,
Die Blätterftengel im grünen Fler,
Und allzufammen fo gejund,
10 Als ftünden fie no auf Muttergrund.
So war mir's, ald ih wunderſam
Mein Lied in fremder Sprache vernahm.
W. v. Goethe.
11.
Geweihter Platz.
Wenn zu den Reihen der Nymphen, verſammelt in heiliger
Mondnacht,
Sich die Grazien heimlich herab vom Olympus geſellen:
Hier belauſcht ſie der Dichter und hört die ſchönen Geſänge,
Sieht verſchwiegener Tänze geheimnisvolle Bewegung.
Was der Himmel nur Herrlices Bat, was glücklich die Erbe
Reizendes immer gebar, das erfcheint dem machenden Träumer.
Alles erzählt er den Mufen, und daß die Götter nicht zürnen,
Lehren die Mufen ihn gleich beicheiven Geheimniſſe ſprechen.
W. v. Goethe.
12.
Spiegel der Muſe.
Sich zu ſchmücken begierig, verfolgte den rinnenden Bach einſt
Früh die Muſe hinab, ſie ſuchte die ruhigſte Stelle.
Eilend und rauſchend indes verzog die ſchwankende Fläche
Stets das bewegliche Bild; die Göttin wandte fich zürnend;
Doch der Bach rief hinter ihr drein und höhnte ſie: Freilich
Magſt du die Wahrheit nicht ſehn, wie rein dir mein Spiegel
fie zeiget!
Aber indeſſen ſtand fie ſchon fen, am Winkel des Seees,
Ihrer Geſtalt fich erfreuend und rückte den Kranz ſich zurechte
W. v. Goethe.
Mafler ift Körper, und Boden der Fluß. Das neufte Theater
Thut in der Sonne Glanz zwiſchen den Ufern ſich auf.
Wahrlich, es fcheint nur ein Traum! Bedeutende Bilder des Lebens
Schweben, lieblich und ernſt, über die Fläche dahın.
Eingefroren fahen wir fo Jahrhunderte ftarren,
Menſchengefühl und Vernunft ſchlich nur verborgen am Grund.
Nur die Fläche beftimmt die kreiſenden Bahnen des Lebens;
Sit fie glatt, jo vergißt jeder die nahe Gefahr.
Alle ftreben und eilen und fuchen und fliehen einander;
Aber alle beichränkt freumblich die glättere Bahn.
Durcheinander gleiten fie ber, die Schüler und Meifter,
Und das gewöhnliche Volt, das in der Mitte ſich hält.
Jeder zeigt hier, was er vermag; nicht Lob und nicht Tadel
Hielte dieſen zurüd, förderte jenen zum Ziel.
Euch, Präconen des Pfuſchers, des Meiſters Verkleinerer, wünſcht' ich,
Mit ohnmächtiger Wut ftumm bier am Ufer zu fehn.
Lehrling, du ſchwankeſt und zauderft und fcheueft die glättere Fläche.
Nur gelafien! du wirft einft noch die Freude der Bahn.
Willſt du Schon zierlich erfcheinen, und bift nicht fiher? Vergebens!
Nur aus vollendeter Kraft blidet die Anmut hervor.
Fallen ift des Sterbliden Los. So fällt hier der Schüler,
Wie der Meifter; doch ftürzt dieſer gefährlicher hin.
Stürzt der rüftigfte Läufer der Bahn, jo lacht man am Ufer,
Wie man bei Bier und Tabak über Befiegte fich hebt.
Gleite fröhlich dahin, gieb Rat dem werdenden Schüler,
Treue des Meiſters dich, und fo geniehe bes Tags.
— 814 —
Siehe, jhon nahet der Frühling; das ftrömende Wafler verzehret
Unten, der fanftere Blid oben der Sonne, das Eis.
Diefes Gefchlecht ift hinweg, zerftreut bie bunte Gefellichaft;
Schiffern und Fildern gehört wieder Die wallende Flut.
Schwimme, bu mächtige Scholle, nur bin! und fommft du als Scolk
Nicht hinunter, du kommſt doch wohl als Tropfen ins Men
w v. Goethe.
541. Aus der Weisheit des Bramanen.
I
1 Die Flamme wählt vom Zug der Luft und mehrt den Zug:
So hält ſich Leidenichaft durch Leidenſchaft im Flug.
Das Feuer fchürt der Wind und löſcht das Yeuer mwieber;
So fämpfet LZeidenfchaft die Leidenfchaft danieber.
5 Die ftil die Lampe brennt, am windbeſchirmten Drt,
So ein berubigt Herz in Andacht fort und fort.
IL
1 Wenn es dir übel geht, nimm es für gut nur immer;
Menn du es übel nimmit, jo geht es dir noch fchlimmer.
Und wenn der Freund di kränkt, verzeih’3 ihm und verfte:
Es iſt ihm felbft nicht wohl, fonft thät’ er dir nicht roch.
5 Und kränkt die Liebe dich, fei dir's zur Lieb’ ein Spom;
Daß du die Roſe haft, das merkſt du erft am Dorn.
UL
1 Sechs Wörtchen nehmen did in. Anſpruch jeden Tag:
Ich fol, ih muß, ih Tann, ich will, ich Darf, ich mag.
Sch fol, it dag Geſetz, von Gott ind Herz geichrieben,
Das Ziel, nah welchem ih bin von mir felbit getrieben.
5 Ich muß, das ift Die Schrank’, in welcher mich die Welt
Bon einer, die Natur von andrer Seite hält.
Sch kann, das ift das Maß der mir verliehnen Kraft,
Der That, der Fertigkeit, der Kunft und Wiſſenſchaft.
Ih will, die höchſte Kron’ iſt diefes, die mich ſchmückt,
10 Der Freiheit Siegel, das mein Geift fih aufgebrüdt.
Ich darf, das ift zugleich die Inſchrift von dem Siegel,
Beim aufgethbanen Thor der Freiheit auch ein Riegel.
Ich mag, das endlich ift, was zwijchen allen ſchwimmt,
Ein Unbeſtimmtes, das der Augenblid beftimmt.
15
10
15
10
— 815 —
Ich fol, ih muß, ih Tann, ich will, ich darf, ich mag,
Die ſechſe nehmen mich in Anſpruch jeden Tag.
IV.
Der große Aftronom ſprach: Alle Himmelsflur
Hab’ ich durchforſcht und nicht entdedt von Gott die Spur.
Hat er nicht recht gejagt? Bei Mond» und Sonnenfleden,
Im Sternennebel dort, tft Gott nicht zu entdeden.
Des Sehrohrs Scharfblid fieht den Unfichtbaren nicht,
Den nicht berechnen kann Zahl, Größe, Maß, Gemidt.
Wer Gott will finden dort, der muß ihn mit ſich bringen;
Nur wenn er ift in dir, fiehit du ihn in den Dingen.
V.
Es ſtrömt ein Quell aus Gott und ſtrömt in Gott zurück,
Der Einſtrom hohe Luſt, der Ausſtrom höchſtes Glück.
Er ſtrömet in dich ein durchs offne Thor der Sinnen,
Und ſtrömet aus dadurch und nimmt dich mit von hinnen.
Durchs Auge ſtrömt er ein als Licht, daß er verkläre
Dein Innres, und entſtrömt verklärt als Freudenzähre.
Den Geiſt zu wecken, ſtrömt er ein als Ton durchs Ohr,
Und ſtrömt aus deinem Mund als Danfgebet hervor.
Einftrömt er dem Gerud als Lenzduft, Sehnſuchtshauch,
Und ftrömt im Atem auf als Seufzeropferraud.
Er firömt dur den Geſchmack ins Mark und ins Gehirne,
Und ala Gedanke tritt er leuchtend aus der GStirne.
Er ſtrömt als irdifcher Empfindungen Gewühle
Sms Herz, und aus der Bruft ald himmlische Gefühle.
Du fühleft: Was du bift, ift er in dir, nicht du;
Und ftrömft in dem Gefühl dich deinem Urquell zu.
VL
Auf Erden gebeft du, und biſt der Erde Geiſt;
Die Erd’ erkennt dich nicht, die dich mit Blüten preift.
Auf Sonnen fteheft du, und bift der Sonne Geift;
Die Sonn’ erlennt di nicht, die dich mit Strahlen preift.
Im Winde weheit du, und bift der Lüfte Geilt;
Die Luft erkennt dich nicht, die Dich mit Atmen preift.
Auf Waſſern geheit du, und bift des Waſſers Geift;
Das Waſſer fennt dich nicht, mas dich mit Rauchen preift.
Im Herzen fteheft du, und bift der Liebe Geift;
Und dich erlennt das Herz, das dich mit Liebe preift.
1
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20
— 86 —
VIL
Nichts Beſſer's lann der Menſch hienieden thun, als treten
Aus ſich und aus der Welt und auf zum Himmel beten.
Es ſollen ein Gebet die Worte nicht allein,
Es ſollen ein Gebet auch die Gedanken ſein,
Es ſollen ein Gebet die Werke werden auch,
Damit das Leben rein aufgeh' in einem Hauch.
VMI
Was iſt ein Sinnbild? Was der ſchöne Name meint:
Ein Sinn mit einem Bild aufs innigſte vereint.
Ein tiefer Sinn, der in ein ſchönes Bild ſich ſenkt,
Ein ſchönes Bild, bei dem ein tiefer Sinn ſich denft.
Schön fei das Bild und Far, tief fei der Sinn und wahr,
Und miteinander eins untrennbar fei das Paar.
Ir. Rülert.
542. Uns dem Laieubrevier.
L
Der andern Gutes, o verfchweig es nicht,
Das Gute, was fie thun und mas fie find,
Das Schöne, was fie find und was fie fchaffen.
Wie? durch Verſchweigen dankeſt du dem Gott,
Der dir Gefühl für Schönes gab und Gutes?
So dankeſt du dem Menſchen, der dir's bietet
Mit frommer, mit natur-beſcheidner Seele?
Denn alfo iſt die Seele des, der Gutes
Und Schönes fo viel trug, daß er fich gleich
Dem Fruchtbaum niederbeugt, es bir zu reichen.
Des Guten Anerkennung ehrt dich felbft.
Es macht dich aut; das Schöne madıt die Seele
Dir ſchön wie jenem, der es bringt, es trägt.
Mo viel zu loben ift, da darfſt du tadeln.
Doch ſchweigen — das entehrt di! felbft den Froſch,
Der von dem Frühling fpricht, jo gut er lann.
— Ganz anders fteht der Morgenften am Himmel;
Er bat die lange Sommernacht durchzogen,
Er bat von nahem ihre Pracht gefehn,
Den höchſten Geiſt in höchſtem . Schweigen waltend,
Die faufenden Geftirne und den Üther
Bol leiten Lebens, wie den tiefen Born . . .
Und jchweigt! — Die bort au ihn gefehn, fe ſchweigen
25
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— 81 —
Allein fein funtelnd Auge, fein Geftrahl,
Das licht wie Bold weithin am Himmel fährt,
Das iſt fein Ruf! Er ſelbſt ift jene Hymne!
u
Die kleinſte Sache kannſt du gut verrichten,
Die kleinſte ſchlecht. Aus lauter Kleinen Dingen
Beiteht der Tag, beitehen alle Tage,
Beiteht daS Leben. Darum warte nicht
Mit deiner Weisheit, deiner Redlichkeit,
Bis große Dinge mit Poſaunen fommen!
An jedes wende du dein ganz Gemüt,
Die ganze Seele, alle Lieb’ und Treu.
Den Stempel, den du jedem aufgedrückt,
Den fiehft du, und er kommt dir wieder vor
Wie alte Münzen, jed' aus andrer Zeit,
Mit deinem Bildnis, und du freuft dich dran!
So wendet an ein jedes kleinſtes Blümchen
Die Sonne ihre ganze Kraft ein Weilchen,
Die Erde ihren ganzen Fleiß, wenn aud
Nur kurz, und jedes prangt ihr ſchön geſchmückt!
Und fo bezwingt fie, Tag für Tag, das Jahr.
Mer mır den Tag gewinnt, ber hat die Schlacht
Gewonnen! Du gewinne Augenblide!
Denn haft du jeden Augenblid befiegt,
Haft du das ganze Leben dir gewonnen!
Das ganze Leben dir geihmüdt! bir leicht
Die ungeheure Laſt der Zeit gemacht!
II
Die alte Silbermünge liegt vor Dir,
Die Schrift verlöicht, das Bildnis unerkennbar,
Und nur im allgemeinen rührt dich das.
Doch nun durchglüht der Forſcher fie auf Kohlen —
Und aus der unscheinbaren Fläche, fiehe,
Nun Shwillt und wächſt die alte Schrift hervor
Und fagt dir glühend ihre alten Worte.
Das Götterbild erfcheint im Feuer wieder
Erhaben ſchön; fein Auge fieht dich an,
Die Stirn entglüht, die Lippe brennt zu fprechen,
Und jelbft das Haar ſcheint niedlich aufzulodern. —
So thut der Lobende mit deinem Herzen:
Lob glüht dir alle deine Fehler auf,
Ein jedes Wort fpricht deutlich wieder zu bir,
Du hörſt fie wie aus einem Schacht herauf!
— 88 —
Was am Gepräge beines Lebens dir
Mißraten, wo das Silber falſch geweſen,
Mo du mit Leihtfinn Ernft und Fleiß verachtet,
Das fühlft du alles, glühend von dem Lob;
20 Und ein Beſcheidner ſinkt bei Lob in ſich,
Verſinnt ſich in ſich ſelbſt — und weint vielleicht
Und glüht der alten Silbermünze gleich!
Doch auch das Götterbildnis hat er wieder
Geſehn im Feuer in der alten Schönheit;
25 Sein helles Auge hat ihn angeſehn,
Ihm alles Hohe, alles Herrliche
Aufs neue angedeutet und bebeutet,
Dem je er nachgeftrebt mit Werk und Wort
Und bis in feinen Tod nacftreben will —
30 Und ein Beicheibner finkt bei Lob in fid,
Verfinnt fich in fich felbft — und meint vielleicht
Und glüht der alten Silbermünge gleich!
C. Schefer.
543. Begeiſternug.
Canzone.
1 Ein Kern des Lichts fließt aus in hundert Strahlen,
Die gottentflammte Abfunft zu bewähren,
Begeiftrung ift die Sonne, die das Leben
Befruchtet, tränkt und reift in allen Sphären!
In welchem Spiegel fih ihr Bild mag malen,
Mag fie im Liede kühn die Flügel heben,
7 Mag Herz zu Herz fie ftreben:
Sie fuht das Höchſte ftet3, wie ſie's erkennet! —
Zängft im Gemeinen wär' die Welt zerfallen,
Längſt wären ohne fie zerftäubt die Hallen
Des Tempels, wo die Himmelsflamme brennet;
Sie ift der Born, der ew'ges Leben quillet,
Bom Leben ftammt, allein mit Leben füllet.
3. &hr. v. Zedlitz
544. Epigramme, Gnomen, Parabeln.
1. Der Sämann.
Siehe, voll Hoffnung vertrauft du der Erbe den golbenen Samen
Und ermwarteft im Lenz fröhlich die keimende Saat.
Nur in die Furche der Zeit bedenkft du dich Thaten zu fireuen,
Die, von der Weisheit gefät, ftil für die Ewigkeit blühn?
Sr. v. Shiller. (17%.)
Oi
— 879 —
2. Der Kaufmann.
Wohin fegelt das Schiff? Es trägt fivoniihe Männer,
Die von dem frierenden Nord bringen den Bernftein, daß Zinn.
Trag es gnädig, Neptun, und wiegt es fchonend, ihr Winde,
Sin bewirtender Bucht rauſch' ihm ein trinkbarer Duell.
Eud, ihr Götter, gehört der Kaufmann. Güter zu fuchen
Geht er, doch an fein Schiff Tnüpfet das Gute fih an.
Ir. v. Schiller. (17%.)
3. Ddnfiens.
Ale Gewäſſer durchkreuzt, die Heimat zu finden, Odyſſeus;
Dur der Scylla Gebell, durch der Charybde Gefahr,
Dur die Schreden des feindlihen Meers, dur die Schreden
des Landes,
Selber in Aides Reich führt ihn die irrende Fahrt. .
Endlih trägt das Geſchick ihn ſchlafend an Ithakas Küfte;
Er erwacht und erkennt jammernd das Vaterland nidt.
Ir. v. Schiller. (17%.)
4. Karthago.
Ausgearteted Kind der befjern menſchlichen Mutter,
Das mit des Römers Gewalt paaret des Tyriers Lift!
Aber jener beherrſchte mit Kraft die eroberte Erde,
Dieſer belehrte die Welt, die er mit Klugheit beftahl.
Sprid, was rühmt bie Geſchichte von dir? Wie der Römer
erwirbit Du
Mit dem Eifen, was du tyriih mit Golde regierft.
Ir. v. Schiller, (1796.)
b. Eolumbus.
Steure, mutiger Segler! Es mag der Wit dich verhöhnen,
Und der Schiffer am Steu'r fenten die läffige Hand.
Immer, immer nah Weit! Dort muß die Küfte fich zeigen,
Liegt fie Doch deutlich und Liegt ſchimmernd vor deinem Verftand.
Traue dem leitenden Gott und folge dem ſchweigenden Weltmeer !
Wär’ fie noch nicht, fie ftieg’ jebt aus den Fluten empor.
Mit dem Genius fteht die Natur in ewigem Bunde:
Was der eine verfpricht, leiftet die andre gemiß.
Ir. v. Schiller. (1795.)
6. Die Sohanniter.
Herrlich kleidet fie euch, des Kreuzes furchtbare Rüftung,
Wenn ihr, Löwen der Schladt, Akkon und Rhodus beſchützt,
Durch die ſyriſche Wüſte den bangen Pilgrim geleitet
Und mit der Cherubim Schwert fteht vor dem heiligen Grab.
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10
— 880 —
Aber ein Ihönerer Schmud umgiebt eu, Die Schürze Des Wärters,
Wenn ihr, Löwen der Schlacht, Söhne des ebelften Stamms,
Dient an des Kranken Bett, dem Lechzenden Zabung bereitet
Und die niedrige Pflicht chriſtlicher Milde vollbringt.
Religion des Kreuzes, nur du verfnüpfeft in einem
Kranze der Demut und Kraft doppelte Balme zugleich!
sr. v. Schiller. (17%.)
7. Der philoſophiſche Egoiſt.
Haſt du den Säugling geſehn, der, unbewußt noch der Liebe,
Die ihn wärmet und wiegt, ſchlafend von Arme zu Arm
Wandert, bis bei der Leidenſchaft Ruf der Jüngling erwachet
Und des Bewußtſeins Blitz dämmernd die Welt ihm erhellt?
Haſt du die Mutter geſehn, wenn ſie ſüßen Schlummer dem Liebling
Kauft mit dem eigenen Schlaf und für das träumende ſorgt,
Mit dem eigenen Leben ernährt die zitternde Flamme,
Und mit der Sorge ſelbſt ſich für die Sorge belohnt?
Und du läſterſt die große Natur, die, bald Kind und bald Mutter,
Jetzt empfänget, jetzt giebt, nur durch Bedürfnis beſteht?
Selbſtgenügſam willſt du dem ſchönen Ring dich entziehen,
Der Geſchöpf an Geſchöpf reiht in vertraulichem Bund?
Willſt, du Armer, ſtehen allein und allein durch dich ſelber,
Wenn durch der Kräfte Tauſch ſelbſt das Unendliche ſteht?
Sr. v. Schiller. (1797.)
8. Sprüdje des Confucius.
I
1 Dreifach ift der Schritt der Zeit:
Zögernd kommt die Zufunft bergezogen,
Pfeilfchnell iſt das Jetzt entflogen,
Ewig ſtill fteht die Vergangenheit.
5 Keine Ungebuld beflügelt
Ihren Schritt, wenn fie vermeilt.
Keine Furcht, Tein Zweifeln zügelt
Ihren Zauf, wenn fie enteilt.
Keine Neu’, fein Zauberfegen
10 Kann die ftehende bemegen.
Möchteſt du beglüdt und weile
Endigen des Lebens Reife:
Rimm die zögernde zu Rat,
Nicht zum Werkzeug deiner That!
15 Wähle nicht die fliehende zum Freund,
Nicht die bleibende zum Feind.
— 81 —
1.
1 Dreifach ift des Raumes Maß:
Raftlos fort ohn' Unterlaß
Strebt die Länge; fort ind Weite
Endlos gießet fi die Breite;
5 Grundlos ſenkt die Tiefe fid.
Dir ein Bild find fie gegeben:
Raſtlos vorwärts? mußt du ftreben,
Nie ermüdet ftille ftehn,
Willſt du die Vollendung jehn;
10 Mußt ins Breite dich entfalten,
Soll ſich dir die Welt geftalten;
Sn die Tiefe mußt du Steigen,
Soll fih dir das Weſen zeigen.
Nur Beharrung führt zum Ziel,
15 Nur die Fülle führt zur Klarheit,
Und im Abgrund wohnt die Wahrheit.
Sr. v. Schitler. (1795 u. 1799.)
9. Das Spiel des Lebens.
1 Wollt ihr in meinen Kaften jehn?
Des Lebens Spiel, die Welt im Eleinen,
Gleih fol fie eurem Aug’ erjcheinen,
Nur müßt ihr nicht zu nahe ftehn;
5 Ihr müßt fie bei der Liebe Kerzen
Und nur bei Amors Fadel fehn.
Schaut her! Nie wird die Bühne leer:
Dort bringen fie das Kind getragen,
Der Knabe hüpft, der Jüngling ftürmt einher,
10 Es kämpft der Mann, und alles will er magen.
Ein jeglicher verſucht fein Glüd,
Do ſchmal nur ift die Bahn zum Nennen;
Der Wagen rollt, die Achien brennen,
Der Held bringt kühn voran, der Schwächling bleibt zurüd,
15 Der Stolze fällt mit lächerlihem alle,
Der Kluge überholt fie alle.
Die Frauen feht ihr an den Schranken ftehn,
Mit holdem Blid, mit ſchönen Händen
Den Dank dem Sieger auszufpenden.
SW, v. Schiller. (1802?)
10. Archimedes und der Schüler.
1 Zu Archimedes kam ein wißbegieriger Jungling.
„Weihe mich“, ſprach er zu ihm, „ein in bie göttliche Kunft“,
56
— 832 —
Die fo herrliche Frucht dem Vaterlande getragen
Und die Mauern der Stabt vor der Sambuca* beihüst!”
5 „Göttlich nennft du die Kunft? Sie iſt's“, verjeßte der Weile;
„Aber das war fie, mein Sohn, eh’ fie dem Staat noch
gedient.
Willſt du nur Früdte von ihr, die kann aud die ſterbliche
—
Wer um die Göttin freit, ſuche in ihr nicht das Weib.“
Sr. ». Sqitler. (1795.)
11. Die zwei Tugendiwege.
Zwei find der Wege, auf welchen der Menſch zur Tugend emporftrebt;
Schließt fi) der eine dir zu, thut ſich der andre dir auf:
Handelnd erringt der Glüdliche -fie, der Leidende duldend.
Wohl ihn, den fein Geſchick liebend auf beiden geführt!
Sr. v. Sailer. (1796.)
12. Das Höchſte.
Suchſt du das Höchſte, das Größte? Die Pflanze kann es dich lehren.
Mas fie willenlos ift, fei du wollend — das ift’s!
Ir. v. Schiller. (17%.)
13. Unſterblichleit.
Bor dem Tode erihridft du? Du wünſcheſt unfterblich zu leben?
Leb' im Ganzen! Wenn du lange dahin bift, es bleibt.
Ir. v. Soiller.
14. Das Kind in der Wiege.
Glücklicher Säugling! Dir ift ein unenblider Raum noch die Wiege.
Merde Mann, und dir wird eng die unendliche Welt.
Ir. v. Schiller. (17%.)
15. Das Thor.
Schmeichelnd Tode das Thor den Wilden herein zum Gejeke;
Froh in die freie Natur führ' e8 den Bürger heraus!
Ir. v. Schiller. (1796.)
16. Wiffenſchaft.
Einem ift fie die hohe, bie himmlische Göttin, dem anbern
Eine tühtige Kuh, die ihn mit Butter verforgt.
sr. v. Sailer. (1796.)
* Der Name einer Belagerungsmafdiine, deren Marcellus gegen
Syrakus bebiente. li ,
— 883 —
17. Pflicht Für jeden.
immer ftrebe zum Ganzen! Und kannſt bu felber fein Ganzes
Merden, als dienendes Glied ſchließ an ein Ganzes dich an!
Sr. v. Schiller. (1796.)
18. Aufgabe.
Keiner fer gleich dem andern, Doch gleich fei jeber dem Höchſten;
Wie das zu ann! Es ſei jeder vollendet in fid.
Sr. v. Schiller. (17%6.)
19. Der Schläffel.
Willſt du dich felber erkennen, fo fieh, wie Die andern es treiben;
Willſt du die andern verſtehn, blick' in dein eigenes Herz.
Sr. v. Schiller. (17%6.)
20. Majestas populi.
Majeftät der Menfchennatur! dich fol ich beim Haufen
Suden? Bei wenigen nur haft du von jeher gewohnt.
Einzelne wenige zählen, die übrigen alle find blinde
Nieten; ihr leere8 Gewühl hüllet die Treffer nur ein.
Ir. v. Schiller. (1796.)
21. Freund und Yeind.
Teuer ift mir der Freund, doch auch den Feind kann ich nützen;
Zeigt mir der Freund, was ich fann, lehrt mich der Feind, was
ich ſoll.
Sr. v. Schiller. (1796.)
22. Wahl.
Kannft du nit allen gefallen durch deine That und dein Kunſtwerk,
Mach’ ed wenigen redt; vielen gefallen iſt ſchlimm.
Ir. v. Schitler. (17%.)
23. Menſchliches Wirken.
An dem Eingang der Bahn liegt Die Unendlichkeit offen,
Doch mit dem engeften Kreis höret der Weifefte auf.
Ir. v. Schiller. (1796.)
24. Erwartung und Erfüllung.
An den Ozean fchifft mit taufend Maften der Jungling;
Still, auf gerettetem Boot, treibt in den Hafen der Greis.
Ir. v. Schiller. (1796.)
56*
— 834 —
25. Das Belebende.
Nur an des Lebens Gipfel, der Blume, zündet ſich Neues
Sin der organifchen Welt, in ber empfindenden an.
Sr. v. Schiller. (17%.
26. Mitteilung.
Aus der fehlehteften Hand Tann Wahrheit mächtig noch wirte;
Ber dem Schönen allen macht dad Gefäß den Gehalt.
Sr. v. Schiller. (17%.
27. Quelle der Berjüngung.
Glaubt mir, es ift fein Märchen: die Duelle der Jugend, fie rinne
Wirklich und immer. Ihr fragt, mo? In der dichtenden Kunſ
Ir. v. Shiller. (17%.)
545. Diftichen.
1.
Das ift des Lyrifers Kunft, ausſprechen was allen gemein if,
Wie er's im tiefften Gemüt neu und befonders erfchuf:
Oder dem Eigenften auch folch allverftändlich Gepräge
Leihn, daß jeglicher drin ftaunend fich felber erfennt.
2
Wechſelnd färbt, wie der Strahl des Gefühle, ſich des Lyriker:
Ausdrud,
Über des Epikers Stil fliege wie reiner Kryftall:
Klar fei jede Geftalt, und unfichtbar, mie das Licht nur,
Über dem Ganzen dahin ſchwebe des Dichters Gemüt.
1 Als ein VBergangnes erzählt dir der Vorzeit Sage Das Epos,
Aber ein werdendes 203 zeigt der Dramatifer bir;
Weit dort ftredt fih der Raum, bunt wechſeln die Helber.
und fichtbar
Tritt aus dem hohen Gewölk waltend die ewige Macht,
5 Während du bier aus der menſchlichen Bruft ureigenften Tiefe
Jegliche That aufblühn fiebft in ein einig Geſchick
Em. Geibel.
Verzeichnis der Gedichte nach der laufenden Nummer,
Die nılt * bezeichneten Aummern find mit ber 28. Auflage neu binzugelommen.
Erite Abteilung
N amen ; |Raufende Kr.
—— der Ausgaben
23- 34. Inhalt der Dichter. 17-19 |20-23
1 |Einfehr. . J— > 1| 1
2 | Der — lalemanniſch) P. Hebe — —
(hochdeutſch) Überſ. Echter
meyer. 5 2| 2
3 Vom Bäumlein, das andere
Blätter hat gewollt . . .| Fr. Rüdert . .| 6| 3| 3
4 | om Bäumlein, das Ipegieren
ging : gr. Rüdert . .ı 81 —| 4
5 | Die wandelnde Glode . . . W. v. Goethe. .| 11 4| 5
6 Der Knabe im Erbbeerichlag
(alemannif) | B. Hebel . . 121 —| —
(Hocdeutfch) | Überf. v. Echter .
myer . . .}13 5/16
7 ISKnedht Rupredt . . » - .\ Tb. Som . 14 |111| 7
8 Winters Sudt -. - . . .| Hoffutann v. Fal⸗
lersleben... 15 215 8
9 Die Sperling . - - x .J. v. Eichendorff. 15 | — 9
10 | Schwalbenlie .... . Jul. Sum . .I16 | 11| 10
11 Das —— . . . Wilh. Müller. „| 17 8 11
12 | Morgenlied . . .. Wilh. Müller. .| 17 9| 12
13 | Morgnlied . -» » » . .| Hoffmann v. Fal⸗
leröleben. . .| 18 | — | 13
14 | Der Bauer und fein en . Sul. Stumm . .|19 | 12| 14
15 |Der Shüß : — Br vd. Sdilfer .| 19 | 13| 15
16 | Der weiße Hirſch N — Ihlan 20 14 16
17 |Unterm Baum . . . .. .Fr. Hebbel. . .| 20 | 15| 17
18 | Bimmerfprud) . . .. . 8. Ublend. . .| 21 | 16| 18
19 | Des Schmiches Lied — N. Lenau . . .|21| —| 129
20 Der Wegiveiler alemanniſch) P. Hebel 22 — —
(hochdeutſch) aber} v. Eher:
mer . . 23 | 17.| 20
21 | Die Hergottälinder . . . Th. Storm. . 25 | 18| 21
22 ESchwert und Pflug. . . „| Wolfg. Müller .| 25 | —| 22
23 Das Schwert. . . . . . |. Ukfand . ...126 | 19| 23
24 | Siegfrieds Schwert . 2. Uhland . . .| 27 | 20| 24
25 Klein Roland. . JR Mland. . .128 | 21! 25
26 | Roland Schildträger. 0.18% Uhland. . .| 31 | 22| 26
27 Legende vom Hufeifen.. . .|W. v. Goethe. .| 36 | 23| 27
3 ESankt Martinud. . . . .1X0. Salt. . .)38 | 24| 28
29 |Die Einladung -. - . . .|R. Knapp. . .| 40 |. 26.29
Graf Richard Are —
Schwã en
Widher .
gu Vierb! zu
— iE Wolfg. ——
er
ied eines deutſchen Knaben .
Der Heine Hydriot . ;
Des Knaben Berglied . . .
Das Spinnlein —5*2
Sonntagsfruhe
Chriſt
Das frante Kind
Lied eines Armen
Frau Hitt .
Der getreue Edart .
—
as Rieſenſpielzeug
Des kleinen —38 ip
Die Heinzelmännden
Zomte i Garden. .
Der Prozeß
Maley und Malone
Blau: Bellden . .
Die Finger
Der
Die
Die Nüblichen
Einträglichites
Stadtleben .
TZurmen . .
Ellengröße .
Die 3
Die Fröſche
Familienſeſt
Der Mäufeturm .
Willegis
Drufuß’ Tod .
Gelimer
en 5
ie Schule ber Stuber
Das Kali ald Kläger
Die Beichte
Barbarofia .
Heinrich der Löwe .
üldne Ring
onne und bie Tiere.
Fuchs und Pferd
Fuchs und Bär .
aunrebe und d der Sie
Bie Kaifer Karl in Büchern las
Kaijer Heinrich Waffen . .
chdeutſch)
(alemannifh) |P. H
(Hocddeutfch)) Überf. v. Ener-
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v. Gichenborfi
. Uhland
..d. Chamifio .
42
43
44 322
46 33
46 4
47 35
48 36
48 —
50
52 =
53 ı 36| 3
5 | — 39
58 | — | 40
58 | 3814
59 | 39, 2
62 | 0' 43
63 | 41, 4
65 1122| 45
66 124 #6
69 125 47
71| 7118
72 | 43| 49
74 | 44| 59
76 | 46 5l
78 | 47152
79 | 48! 53
31 | 9! 54
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87 | 581 68
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Zauf.Rr. Namen — ——
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77 | Kaifer Rudolſs Ritt zum Grabe yet Kerner . 98 64| 77
78 en Dauen. . . Simtod . 100 | 65| 78
79 r reichſte Fürſt.. ..Juſt. Kemmer . 101| 66| 79
80 | Graf Eberhard im Bart . .|W. Zimmermann. | 102| 67| 80
81 | Graf Eberhards Weißbon .|2. Uhland.. . .1103| — | 81
82 > Befreiung Wiend . .! Ausd. — 104 | 68| 82
83 | Der Schent von Limburg . . 2. Uhland. . .|107| 70 83
84 | Das Mahl zu Heldelberg . .ı ©. Schwab . 110| 73| 84
85 | Der Läufer von Glarus . . A. Stöber. . 113| 78| 85
86 | Der Trunf aus dem Stiefel .| ©. Pfarrius ; 114 | 80| 86
87 | Bon den fieben Bechbrübern .| 2. Uhland . . 115| — | 87
88 | Der Klabautermann IA. Kopiih . . 117 | 721 88
89 | Bieten . . . F. v. Sallet . 118| — | 89
90 | Bon bes Kaifers Bart. .IE. Geibel . . 1989| — | 9%
91 | Die halbe Flafche . K. Simrod . 120| 82) 91
92 | Das Erkennen . 3. N. Vogl . .|122| — | 92
93 | März In . J. G. v. Sali8 .| 123) 83| 93
94 Serbitfieb % ©. v. Salid .|123| 84| 94
95 | Ein Lied, ‚Sinterm. Ofen zu
fingen . i M. Claudius . 241 —! 95
96 | Täglich zu fingen“ ... . M. Claudius. 125 |211| 96
97 Das Feuer im Walde. . .| Chr. Hölty. 126| — | 97
98 | Des —— te Fi
gebet . . . K. v. Gerok 128 — 88
99 | Der Stieglig . rn. .Fr. Rind. . 129| 92| 9
100 | Der Alpenjäger . .Fr. v. Schiller 132 | 95 100
101 | Der Älpler und der Sticer . G. Seil . 133| 96 101
102 | Bergmanndlid . . . .Novalis.. 136 — 102
103 | Müllers Banderlid . . . Wil. Müller 136 | — 103
104 | Bädhterruf IrRaND) IB. Hebel . 137| — 104
105 |Sommelid . IB. Hebel . . 138| 98 | 105
106 | Abendlid . . M. Claudius . 139| — 1
107 | Der Abenditern (afemannifch) PB. Hebel 140 | 100 | 107
(hochdeutſch) Überf. v. Eier
meyer . . 1422| — —
108 | Das ——— .... . FIr. Rückert 144 — 109
100 Moſe im N K. v. Gerok 1460 — 110
110 | Die ber haben Söhne. J. G. v. Herder .| 148 | 107 | 111
111 | Der gerettete SZüngling i 3 G. v. Herder .| 151/108, 112
112 | Das Amen der Steine . . x. Bolegarten 153 | 109 | 113
113 | Salomon und der Damen .|Fr. Rider . 153 | 110 | 114
114 | Bramanifhe Erzählun Fr. NRüdert 154| —|115
115 | Der Kaifer und der Abt . .,G. U. Bürger 155 | 42 117
116 | Das Lieb vom braven Wanne G. 9. Bürger 159 | 114 | 118
117 | Sodanna Sebuß. . . : =. dv. Goethe. 162|115|119
118 — der kühne Springer . Th. Korner 164 117 1120
119 | Schwerting, der Sacdhjjenherzog | Egon Ebert . 166 | 120 | 121
120 | Der Gtlodenguß zu Bredlau . | Wild. Müller . 167 | 121 | 122
121 | Die traurige Krönung . . .|E. Mörike. 1701 — | 123
122 | Der blinde König . . L. Uhland . 171! 69) 124
123 | ®raf Eberhard, sr Raufäe
batt . . . L. Uhland . 1731-119 | 125
Nam *
der Dichter.
. | dr. v. Schiller
.Miſes . . .
J. Stum .
21@. v. Herder.
3—5 |. v. Logau.
6-10/8. Müler..
11u.12|®. v. Goethe. | Ä
13— 15 | Fr. NRüdert. | |
125
5
*
=
3
ERBE ———
X
UNMuu
der Dichter.
. Wilh. Müller. .
.Guſtav Pfarrius.
Irühlingseinzug
Komm mit! .
128 | Der treue Geführte . .Anaſt. Srün . .|191| —
129 | Das treue Roß . . | Hoffmann v. Fal⸗
leräleben. . .)192|135| 131
130 | Der Sohn der Witwe , . A. v. Chamifio .|193 | 136 | 132
131 | Bevros und fein Pferd. .|9. SchmibtsPhifede . | 194 | 137 | 133
132 | TZurmwäditerlied . . . | 3. de la Motte Fougus 196 | 142 | 134
133 | Hufarenlied .| Hoffmenn vd. Fal-
leröieben. . .|197|149| 135
134 | Reiters eg ih. Hauff . „11971365 | 136
135 | Schönfter To ./Wolfg. Müller .|198 | 144 | 137
136 | Der alte Soldat . .| Ülex. — u
ce T 198 | 145 | 138
137 | Der gute Kamerad . on 199 | 147 | 139
138 | Der Trompeter W. Kopiſch .)200 | — 140
139 | Der Boftillon . | N. Senau . 200 | 150 | 141
140 | Hans Euler .Gabr. Seidl 202 | 268 | 142
141 | Die Lerde. . . J. G. v. Herder .|203 1151 |143
142 | Die Erle und die Zeder .Friedr. Müller .| 204 | 243 | 144
143 |Breis der Tanne . . .! Suft. Kemer .1205| — 145
144 | Die Wmeife . J. G. v. Herder .| 206153 | 146
145 | Chidder.. . s ; er Nüdert . | 207 | 154 | 147
146 | Die Eihenfaat ee . K. Simrod . | 208 | 159 | 148
147 | Der betrogen Teufel . . ..| Fr, Rüdert 210 | 155 !149
148 | Der Teufel in — .Th. Körner 210 | 157 150
149 | Böjer Marlt . . . | v. EChamiffo .|212| 158 1151
150 | Der rechte Barbier . . A. v. Chamiſſo 214| — !152
151 | Der Szefler nn . A. v. Ehamilfo .I216| — 1153
152 |; Seemärchen A .| Anaft. Grün 217! — |154
153 |Est Est. . Wild. Müller . 219 | 312 | 155
154 |Qunter Durft . 98. Badernogel 221 | 313 | 156
Namen >
Inhalt. der Dichter. 9
Der Toten tanz . W. v. Goethe. .|223
Der wilde Jager G. A. Bürger. .|224
Der Reiter und en Bobenfee G. Schwab. . 1 230
Erlfönig . . W. v. Goethe. 232
Der Ser i .W. v. Goethe 233
Das Kind am Brunnen .Fr. Hebbel. 233
Des Fiſchers Haus . . . G. wab. 234
Das Glüd von Edenhall . ‚IR. Uhland .. 236
Der Ring des Pe .! Fr. v. Schiller 238
Der Tauder . . .Fr. v. Schiller 240
Der Schabgräber . 193. Sehr. v. Eichendorff | 244
Dad Gewitter ; .1&. Schwab .1245
Der Tod ded Carus . . A. Graf. Platen 246
Das Grab im Buſento. . A. Graf. — 247
Attilas Schwert . . . ; $ Lin 248
König Karls Meerfahrt Uhland 248
Die Glocken zu Speier. Mar v. Oör 250
Spielburg . . —F . A. Knapp . . 251
Mar vor Kufftein .[Anaft. Grün . 253
Deuticher Braud. . . ; a. Grün . .|255
Der Pilgrim vor St. Juſi IN. Graf v. Blaten | 257
Der Mönd von — Bolfg. Müller 258
Der fremde Heiter . . . N. Hagenbach. 259
Luther und der Sleifcher . N Sagenbad) 263
Schloß Eger Nr TH. Fontane . 265
Die Stielufer Ferdin. Bühler 268
Sroben . Sul. Minding 270
Bei Höcftädt . E. Geibel . 272
Prinz Eugen, der edle Ritter F. Freiligrath,. 274
Wie —*— — der RO
ften . . Sul. Stum . 275
Die Erefution . : F. Scherenberg .| 278
Preußifche Feldherrn Th. Fontane . 279
Prinz Louis Ferdinand 5. Scherenber 284
Andreas Hofer M.v.Schentendorf | 287
Andreas Hofer . . . J. Moin. . . ur“
Soldaten» Morgenlied . . M. v. Schenfendorf | 289
Auf Scharmhortts Tod. . .IM.v. — 290
Das Lied vom ——— E. M. Arndt. 201
Blücher... Fr. Rückert 202
Die Leipziger Schlacht . . E. M. Arndt 296
Auf die Schlacht von Leipzig. | Fr. Rückert 297
Der Trompeter an der Katzbach J. Mofen 298
Die Trompete von Gravelotte 3 Freiligrath 299
Die Roſſe von Gravelotte. . K. v. Gerot . . 300
Mein Baterland . » . „Hoffmann v. Fal⸗
leröleben . .|301
Barabel. . Fr. Rüden . 302
Der heilige Lutas A. W. v. Shlegel 304
Sankt Alban . . .Juſt. Kerner . 307
Die Gründung Rrenznache : un Vfarrius . 308
Das Steintyal . . .|%. Stöber . .| 310
Laufende Nr.
der Audgaben
17-19 |20-28
Lauf. Ar. Namen
Ei anen
205 Paul Serharbt .|®@. a run v.
übel .
206 | Der Salt . . | Zeop. Schefer .
207 | Seemorgen . | RE. Lenau. .
208 | Am Strande . . . | Anaft. *
209 Die Schiffersfrau .| Herm
210 | Die m... . F. rege
211 | Das alte in .Fr. Hebbel. .
212 | ®ode Nadıt Gnieberbeutich) Th. Som .
213 | Abendfreden (niederdeutih) .| Klaus Groth .
214 | Schäferd Sonntagdlied . . . 2. Ubland .
215 | Der Winter (alemannifh).. . 1%. Hebel .
216 | Frühlingslied . . W. Badernagel
217 | Der Sperling a. Fenſier (alem.) B. Hebel .
218 | Der Sommerabend (alem.) . 4 En
219 | Da8 Habermus (alemannifch) | PB. Hebel
(hochdeutſch) Über‘. v. ter
meyer .
220 | Banderlied i . Fr. Rüdert . .
221 | Der Wlpenwanderer . .Fr. v. Mattbifion
222 | Berglid . Fr. dv. Schiller .
223 | Märchen vom Munmelfee im
Schwarzmwalde . A. Schnezler
224 | Mummelfees Race . . A. Schneler .
225 1 Die Rade . . . .!2. Uhland . .
226 | Der Bandit . . 9. Befler .
227 | Die Sonne bringt e8 anden Tg U. v. Chamiffo
228 | Die Vergeltung . . N elaeei Droſte⸗
shof..
229 Ario . A. W. v. Schlegel
230 Die Kraniche des Verts .Fr. v. Schiller
231 Simonides.. . J. A. Apel
232 | Die Teilung der Erde . .| $r. v. Schiller
233 | Der Sänger . . W. v. Goethe
234 | Der Graf von Bababurg . gr v. Schiller
235 | Bertran de Born . . IR. Uhland .
236 | Des Sängers Fluch ‚IR. Uhland
237 | Das Liigenfeld .A. Stöber. . .
238 | Altheffiihe Sage. . « .Fr. d. DREIER
239 | Bolterd Nachtgeſang .\E. Geibel . .
240 Hagens Sterbelied . . Felix Dahn . .
241 | Sprud Meijter didebrando Fr. de la Motte
von Bern Fouqus
242 | &ubdrund Klage . . - .!&m. Geibel
243 | Das Schloß am Meere . L. Utland .
244 | Die Jungfrau von — .Wilh. Müller.
245 | Der Phanariot .1 Wild. Müller .
246 | Der Mainotte . . Bi Müller .
247 | Der Mainottin Unterridt . .1 Wild. Müller .
248 | Preußens Yrauen .Fr. Rüde .
249 | Hurra Germania. . F. Freiligrath .
— 890
112
207
251
Die fettgedruckten Nummern ber Kusgaben 17—19 beziehen ſich auf deren! Anhang.
891
Ramen | 2 Barmen
Inhalt. der Dichter. | 9 —
Kriegsliede .! Em. Geibel 380 | — | 252
Der Ulen . .| &m. &eibel 3831| — | 253
Neiterlied . .1&. Herwegh .1383| — | 254
Taillefer . 8. Uhland 383 | 223 | 255
Die drei Lieder . .!R. Uhland 385 | — | 256
— Saftfrigeit A. v. Chamiffo . 1386| — | 257
Blutrahe . . .1&. Schwab . | 387 | 267 | 258
Der Geierpfiff . | Annette v. Drofte-
Hülshof . . 392| — |259
Das Herz von Douglas . M.Gr.v. Strachwiß 397 260
Die Bürgſchaft St. v. Schiller400 | 116 | 261
RE und Spruchart. 1:3 Fr. Bodenftett .|404| — | 262
= = 4— 5 | Em. @eibel.
⸗ = ⸗ 6 | Sul. Sturm.
= = = 7—13 Fr. Rüdert.
s ⸗ 2 14 Wild. Miller.
⸗ ⸗ ⸗ 151Fr. de la Motte
Fouque.
Dritte Wbteilung.
Laufende Nr.
der Ausgaben
Rorelei .
Der Rhein. . a
Das Lied vom Rhein
Rheinweinlied. —
Rheinweinlied .
Die Wefer .
Banderlujt
Heinlehr . . .
Neifeblätter (1. Die iserne. 2. Das
Gewitter. 8. Der sun
Der HSeblt . . .
Beiiplingäglaube i
Die Alpen .
Alpenfcene . ;
Teld Tod. .
Klagelied Kaiſer Dtto d. Dritten
Die Kaiſerwahl :
Konredin . . in Ku
Der ſchwarze od . ’
Der reihe Mann von Köln .
Das Schlachtfeld bei gang?
Der Handſchuh . -
Schön-Rohtraut . ‚|
Em. Geibel A
. M. v. Schentendorf
2 — Claudius .
Heine
G. Herwegh . .
.| Sr. v. Dingelftedt . | 415
.!&m. Seibel . .1416
Bild. Müller. 417
N. Lenau 418
. Th. Storm 420
.L. Uhland 420
G. Herwegh 421
gr v. Schiller 421
. Uhland . 422
A. Gr.v. Platen 425
L. Uhland . 426
Schwab 429
. Zingg . 431
Em. Geibel 432
5“ Heine . . 434
r. v. Schiller . 438
E. Mörite . 439
| de 1 Ale 8
17-19
20-22
233-8
— 89
Schelm von Bergen. .
Das Thal des Espingo
Die Ulme zu
ir
Der Fund An er
Johannes Kant .
au . ..
Opferblchfe
Die Engelskirche auf Anatolifon
Alerand. Ypfilantiauf Munfacs
Die Gräber zu DÖttenfen .
Auffiihe Scene . —
Das ruft ſo laut
— wilde Jagd.
Deutſcher Troft ;
Der Landfturm . .
Bunbeslied vor ber Schlaht .
Preußens Heldenv. 1813 u. 1815
Die Seifter der alten Helden .
Der BZauberlehrling .
Der Schaggräber. .
Die Bildfäule des Bachus
Der Schiffsjunge. - - -
Bretagne
Pharao .
Belſazar . .
Die Ozeaniden
Gewitter auf dem Meere
Ol Büſum een)
Der Wanderer
Alte Hetmat .
Die Stadt .
Das Schloß Boncourt .
Rothenburg
Radoweifiers Totenlied
Zömwenritt .
Geſicht des Reifenden
Sahara
Der Schwertfeger ı v. Damastus
Der Papagei .
Die Krähen .
Die drei Bigeuner
Die Werbung .
Die Heidefchenfe ;
Die Räuberbrüder
Die Brüder
I | | Ramen
| ame
Wild. Müller .
.| Fr. Rüdert
iaub Groth
v. Ehiller
F. Freingtath.
.1%. Freiligrath.
A. v. Würtemberg
iligrat
13 — grath.
. F. Gruppe. .
Annette v. Droſte⸗
Hülshof .
.|R. Lenou .
. N. Lenaou .
IN. Lenau .
Pſaumis und Buras
Des Sapieha Rache.
Salas y Gomez . .
Der Kampf mit dem Drachen
Der Gang nad d. ———
Renore . .
Der Totenfee .
A. v. Chamiſſo
Fr. v. Schiller
v. Schiller
G. N. Bürger.
‚10. Foquette A
. J. Schr. v. Siöenerf
53111181118
ww
pe
Ha
88.
28-831
Griechiſcher ale
Griechiſche Spiele
Diitihen aus Griechenland
Salami? .
Alexander .
Ver sacrum i
Bompeji und Herculanum .
Lied der Legionen
Die Römerſtraße.
Libanon . .
Am Aichermittwod) .
Die Kreuzſchau
Die Wolfe am Sternenhimmel
Einem Knaben
Heimweh .
Die alte Wafchfrau .
Am Sarge eines Ta elöhners
urme .
Der König auf dem
7 König in ur
Der Waller
Beirus .
Iutant . . >
Der Tod des Tiberius . j
Eine Frühlinggnadt .
Schäfers Klagelied .
Strandlieder .
Verlarn (nieberbeutie)
Die Mähdern . .
Der Alta . .
Das zerbrochene Ringlein
Ehriftiane . . s
Nach altdeuticher Weiſe
Nebeltag
Um die dritte Stunde . 2
Mittagszauber .
Die (ie Buche
Die Eihbäume.
— weg
Ein Waldgang im November .
.Klaus Groth .
. .Th. Storm. . .
. | Annette v. Droſte⸗
Dad Moor (niederdeutich) .
Abfeits . ;
Das Haus in der deibe 3
Chriftnacht ..
Der Dorfticchdof . AR:
Ein Gang ums Thor . .
Die Wurmlinger Kapelle .
De Garn (niederdeutich)
Blid in den Strom .
893
in Sottf. Kinfel .
Ave Caesar, morituri te sa-
.I8. v. Gerok
.Em. Geibel
. Th. Storm ..
. W. v. Goethe .
.Wilh. Müller.
u Groth .
en
: 9. Seine . .
. J. v. Eichendorff .
.Matth. Claudius.
. von Bauer
Be
Th. Storm.
W. Oſterwald i
—2
Sio er
K. R. Hagenbach
Zenau .
Klaus Groth .
. N. Lenau .
5 TRaufende Kr.
der Ausgaben
Sch ging durch ftilfe —
merungen . G. Kinkel . . 391
Abendfonne . W. v. Goethe. — 2
Die Nadit . .!$r. Hölderlin . 7 38
Begrüßung de3 Meeres . Anaſt. Grün . 388.34
Meereditrand . .1%. Stem. . — 3%
Der Abend am See. G. Schenlin . I;
Auf dem See. i .| Em. Geibel 391 3%
Lied . B. Hefe . - —
Das Fiſchermadchen in Burano A. Gr. v. Blaten . ZUR
Frühlings Auferftehung . W. v. Goethe. — 32
Der Fruͤhlingsbote — M. Uſteri. — din
Der alte Turmhahn. .|E. Mörike . — 40
Des alten Pfarrers Woche . | Annette v. Droſte⸗
Hülshof . — 4
a fiebzigfte Geburtätag . . |. 9- Bob. - 633 | 402 4
Die Schweden in Rippoldsau. | 8. v. Scheffel . 6490 1 — 4
Geifterbefuch auf dem Feldberg
(alemannifch) | P®. Hebel 644 | — +.
Die Wiefe (alemannijdh) IB. Hebel .1 648 | 368 M
Der Felfenftrom . . . . | $r. 2. ®r. v. Stolberg | 655 ı 404 iR
Der gefeflelte Strom . Fr. Hößerlin. .)656| 71. u
Mahometd Gefang . . W. dv. Goethe. 657 | 405 4.
Geſang der Seifter 2 dem
Ballen. . - . W. v. Goethe. .| 658 | 406 A:
Der Eidlauf . . F. G. Klopftod .| 659 | 409 1%:
Der Tanz . .. . Fr. v. Schiller .| 6611| 400 &
Adler und Taube .W. v. Goethe. 662 | 244 4:
Begafus im Joche Fr. v. Schiller 663 | 25 4
Wie die Künftler berufen wurden | Rob. Neinid . 666 | 246 4.
Die Macht des Seangel.: .Fr. v. Ediller 671 1230: 41°
Mutteriprade . > IM. v. Schentendorf | 673 | — 4:
Der Herameter . . .A. W. v. Schlegel. | 674 | 412 45
Der epilche Öegameter . .| Fr. v. Schiller 674 | 413 , 4:
Das Diftihon i .| Fr. v. Schiller 674 | 414 | #7.
Das Epigramm . .1%. ©. Klopftod 674 | 415 X
Der Jambe IWW. v. Schlegel . | 675 | 416 i &-
Das Sonett . .- ö n W. v. Schlegel . | 675 | 418 4°
Die achtzeilige Stange .v. Sciller 66 | — 15
Der Reim. . , Beibel . 6 — 9
Reim und aſonenz Em. Geibel. 676419 &:
Nitornelle . gr. Nidert . . | 676 | — 4.
Der Alerandriner d. Beeiligratg 677 |421 4:
Geſang und Krieg .!ı2. Ubland . 678 | 432.41
Dem Baterland | Rob. Reinid . 679 | 476 : 4:
Barum ruf’ ich? j .|M. Amdt. . .1680 | — 4—
Das Kind der Sorge ; S G. v. Herder .1681 |] 343 +.
Tob und Leben . . . .1&. Herwegh 682 | 437 5 |
Cita mors ruit . j Em. @eibel . .1683 1438. +
Die beiden Reiter .| €. Sr. Scherenberg | 683 | — +43
Der Liebe Dauer : i Serd. Sreiligrath . | 685 | 443 | 41
Lied der Yreundichaft . .| Sim. Dad. . .|686 | — it
Namen
der Dichter.
Die Aloe .
Die Zwei und der Dritte .
Freie Kımlt .
Die Lieder der Vorzeit.
Fr. Rückert
. L. Ubland .
2 Uhland . 689
Münfterfage . . . L. Ufland . 690
Der Rice, von Marbah . } ©. Schwab. . 691
Am Grabe Chamiffos . . F. v. Dingelfebt 693
Ludwig Uhland . . Em. Seibel . .|695
Die Meeröburg . a Schüding N 696
Die Hirihjagd N K. Zmmermann .| 699
Sprüche und Spruchart. 1-58. * v. Goethe. —
⸗ ⸗ ⸗ 6—14 | Fr. Rüdert.
⸗ Em. Geibel.
2 ⸗ 3 17 | GSottfr. Kinkel.
⸗ ⸗ ⸗ 18 |U. Gr. v. Platen.
EN
Die deutfhe Mufe .
Die beiden Rufen .
Unjere Sprade .
An die Sprade .
Das deutfche Lied
Die Grenze
Sangfouci .
An Goethe.
a un :
effings Denkmal ke
a bei Enthüllung der
Statue Schillers . .
Auf das Grab von Stiiers
Mutter . .
Seiner Großmutter zum zwei
— ————
Der beſſere Teil. . ;
Wenn id) ihn nur © Habe
Frieden. . .
Dem Erlöjfer . . .
Die Frühlingsfeier .
Der Hürderiee . .
Der Harz .
Harzreife im Winter
Ilmenau
Namen
der Dichter.
Seite.
Laufende Nr.
der Ausgaben
Laufende Ar.
17-19 120-223
der Ausgaben
17-19 |20-223
. Fr. v. Schiller . 721| _
.\$. ©. Klopſtock 721 au
.1F. ©. Klopftod .| 723
.| dr. NRüdert .1723| —
. A. Gr. v. PBlaten . | 724 | 461
. | $r. 2. Br. v. Stolberg | 726 | —
.| Em. Seibel .1 727 | 423
.IFr. v. Schiller .1729| 465
. W. v. Goethe. .|731| 20
.| Fr. Rückert . | 734 | 462
E. Mörite . . 1 734 | 468
E. Mörile . .1735| —
Fr. Höfderlin. .|736| 78
A. Gr. v. — 7371 —
.Novalis. . . 7137| 8
.19-. Heine . . .1738| —
.1% ©. Rlopftod .|739| 9
F. ©. Klopftod .|741| —
.1%. ©. Klopfiod .|744| 7
. | $r. 2. Gr. v. Stolberg | 746 | 18
W. v. Goethe. .1747| 39
W. v. Goethe. .|749| 883
zen :
Meeregitile . .
Südliche Yahıt -
Abendphantafie
An ben Schlaf
An den Schlaf
n ber Frühe
Über ein Stündlein .
Morgengebet .
In der Nacht.
Wandrers Nachtlied.
Em gleihe® . .
Der ——
Mignon. .
Gehnen.. .
Nachklang.
Der ausgewanderte Dichter
Rückkehr in die ——
An ben Äther
Der Über. .
An den Hther
Sonnenuntergang
Klage der Eeres
Das Eleuſiſche def.
Kaflandra . .
Das GSiegesfeft
Ganymed
Brometheus 3
Schidfalslied .
Das Böttliche .
Beratieh auf dem Öta.
dr
Em. Geibel
a8 Mädchen aus der = Grembe
Meine Göttin
Phantafus . s
Die Reltartropfen
Die Mufageten .
Waldplage .
Der Bein .
Beinlied
Ludw. Tied
. W. dv. Goethe .
.I8. v. Goethe.
.ıE. Mörtte .
.| Em. Seibel
An dag Trintglas eined ver-
jtorbenen Freundes .
n Ebert .
Die frühen Gräber . P
.Fr. G. Klopſtock
Elegie auf das — meined
aters .
Die Sommernadht
Abendbid . . .
Die fanften Tage
Herbftlich fonnige Tage
‚IR. Yhland .
.| Em. Seibel.
W
. 1W
. W. v. Goethe.
9.
J.
Heine .
Br. v. ẽichen-
dorff.
Ferd. ——
ölderlin .
. Hölderlin .
. Hölderlin .
v. Schiller
Fr. v. Schiller
®. v. Goethe.
‚1 Rovalis.
. | Suftin. Kemer.
Fr. ©. Klopftod .
x
BIBEE
— 897° —
gauf.Rr.| J——— Seufenbe Br.
der Ausg. * aben
2 Inhalt ber Dichter. 12-19 | 20-28
511 gm Srühling. -» . Ed. Mörle . .|812| — |522
512 | Primula vers . . . . [Nik Lenau. . .|812| — |523
513 | &halel . 2020200 .A. Graf v. Blaten |814| — | 524
514 |An den Mond . ....|®. v. Goethe. .|814| 87525
515 | Wuftrag . tt... CHh. Höly. . .18151 — 1526
516 | Am Grabe Höltys — * genau. . .815 — 8527
517 Tells Blatte . . 2, blend . . .|816| — |5%8
518 | Auf den Tod des Majors von
feilt . ob. Bet. U. .|816| 15529
519 Ode an die preußifche Armee wald v. Fr .1817| 181530
520 | Deutiches Aufgebot . . . Em. Seibel . .|818| — !531
521 | Aufruf .|X%. Köme . .|822| — |532
522 |%n Zuife, Königin v. Preußen | Heinr. v. Mieift .|823 | 424 | 533
523 | Vor Raus Sale der ——
Luiſe. . . Th. Römer . .|824| — 534
524 I SH . . .. . Em. @eibel . .|824 | 426 | 535
525 | ®ehamifchte Sonette . Fr. Rüdert 825 | 429 | 586
526 | Frühlingsgruß and. Baterland M.v. Schentendorf 828 | — | 537
527 | Friedengfeier . . . Em. Seibel . .|830| — | 538
528 | Das Lieb von der Slode. . Fr. v. Schiller .|831| 581539
529 * zu Schillers Glode . e v. Goethe. .|841 | 466 | 540
530 8. Uhland . . .1844 | 474 | 541
531 * Dachſens poet. Sendung W. v. Goethe. .|849 | 467 | 542
532 | Die Launikhen . . Fr. Hölderlin. „1854| 701543
533 |An die jungen Dichter . . . FIr. Hölderlin. .|854| 671544
534 | Mufen u. Grazien in der Dart v. Goethe. .|855| 21 | 545
535 |Die verlorene Kirche . 8. Upland . ....1856 | 460 | 546
536 |Aleris und Dora . . .. w. v. Goethe .1858 47 | 547
537 |Der Spaziergang . . . .|Fr. v. Schiller .|862| 54 | 548
538 | Die vier Weltalter . . . .ı Fr. v. Schiller .|866' 61549
539 — der Menſchheit.. W. v. Goethe. .868 25 | 550
540 Sprüde imB Speuharnges 1/Novalid. . . .1869| —
2| Em. Seibel . .|870| —
- 3—14|8. dv. Goethe. .| — | — 1551
541 Aus d. Waͤsheit bes Bramanen Fr. Rüdrt . .|874| — 582
542 |Au3 dem Laienbrevier . . . |. Scheferr . . .|876| — 1553
543* | Begeifterung . . J. Chr. v. Zedlitz. 878) — | —
544 | Epigramme, Onomen, Para
bein 1— 29 : . Fr. dv. Schiller .|878| 68 | 554
545 | Diftihen 1—3 Em. Geibel . .|ss4| — [555
67
898
— —
Verzeichnis der Gedichte nad) den Vichtern.
Apel, J. A.
Simonides .
Arndt, €. M.
Die Baunrebe und der Klee
Das Lied vom Feldmarichall
Die „eipaiger Schladt .
Deutscher Troſt J
Warum ruf ich?.
Bäßler, Ferd.
Die Stieläufer .
und 1815
Belfer, 9.
Der Bandit . .
Bodenftebt, Fr.
Sprüde u. Sprudart. 1-3
Bürger,
Der Raifer und der Abt .
Das Lied vom braven Mann
Der wilde Säger .
Lenore . .
Caftelli, J. F.
Die Finger. u.
Chamiſſo, A. v.
Das Rieſenſpielzeug.
Familienfeſt.
Der Sohn der Witwe B
Böfer Marlt . . .
Der rechte Barbier .
Der Szeller Landtag
DieSonne bringt es an d. Tag
Corſiſche Gaſtfreiheit.
Das Schloß Boncourt .
Salas y Some .
Die Kreuzſchau . -
Die alte Wafchfrau .
Claudius, M.
Fuchs und Pferd.
Fuchs und Bär . .
Ein Lied, Hint. Ofen zu fingen
Täglich zu fingen . —
Abendlied
Rheinweinliede.
Chriſtiane.
Nr.
231
424
Dad, Sim
Lied der ——
Dahn,
gend —
ied der Legionen
Diepenbrock, M. v.
Die Aloe..
Dingelſtedt, F. v.
—28 — Sage .
Die Weler . .
Am ®rabe Chamiffos
Drofte-Hülshof, I v.
Die Vergeltung —
Der Geierpff .
Die Kräben .
Dad Haus in der. Heide ;
"Des alten Pſarrers Woche .
Ebert, K. €.
Frau Hit
Schwerting, der Sachſenherzog
Echtermeyer, E. U.
Der Kirſchbaum (nad) Hebel)
Der Knabe im — —
(nach Hebeh)..
Der Wegweiſer (nad ebel)
Das Spinnlein (nach Hebel)
ae (nad Hebel)
Der Abenditern (nad) Hebel)
Das Habermus (nad) Hebel)
Eichendorff, J Sreib. v.
Die a J
n
Das: kranke
Der Schabgräber .
Die Räuberbrüdtr . . .
st —
er 8 &
Be adt .
Nachklang . -
Fall, J. D.
Sanft Martinus .
(Feftfalender.)
Die Beireiung Wiend " .
Feudtersleben, €. v.
Nach —“ Weile .
. Rt.
„366
— 899° —
Fiſcher, J. ©
Um die dritte Stunde . Nr. 368
Fontane, Tb.
Schloß Eger ED
Preußiſche Yeldbern. . . 186
Förfter, F
Blau Beildden . 51
Fougus, F. Barondela Motte
Furmmächterlied ; 132
Sprud Meifter Hildebrands
von Ben . 241
Sprüdeu. Sprucartiges. 15 260
Freiligratbh,
Die Trompete von Gravelotte 197
„Prinz Eugen, — 183
Die Auswanderer . . 210
Hurra Sermania . . . . 249
Zömwenritt . . . ..8316
Geſicht des Reifenden u 317
Der Ne von war
maskus . . 319
Der Alerandriner. 0.0. 421
Der Liebe Tauer. . 429
Der ausgewanderte Dichter 480
Fröhlich, Ahr. Eman.
Die Nügklihen. . . » . 57
Einträglihite® . - - . - 58
Stadtleben . . . » x. 59
Tumen . — 60
Ellengröße 61
Gaudy, F. v.
Des Sapieha Nahe. . . 328
Seibel,
Bon des Kaiſers Bart. . 90
Bei Höchftädtt . . . . . 182
Volkers Nahtgefang. . . 239
Gudruns Klage . . . . 242
Kriegslied . » >» 2... 250
Der Ulan . 251
Eprüdhe u. Sprudart. 4u.5 260
Der Rhein. . j 262
RBanderluft. . . 267
Der reihe Mann von Köln 279
Rothenburg. . 314
Diftichen aus Griechenland 336
Der Tod des Tiberiu . . 357
Auf dem Eee . . . x. 389
Der Heim . . . . . 418
Reim und Aflonanz . . . 419
Cita mors uit . . . . 427
Ludwig Uhlaend . 438
Sprüden. ——— 15u.16 441
Sanzjoud . .
An den Chlüf . . . Nr. 468
Der Ütber . . 483
— auf dem Öta . . 494
501
Herbſtlich ſonnige Tage. 510
un — 520
SH . N 524
Sriebengfeier ie 627
Cprudartiged 2 .. . 540
Diftihen. . 545
Gellert, Chr. F
Der Brozeh 49
Gerof, R. v.
Wie Kaiſer Karl in Bü, lad 73
Des an — mOeN: 98
Mofe im Nil . . 109
Die Rofie — Gravelotte . 198
Die Geifter der ann — 299
Kibanon . 343
Nebb. . . 353
AveCaesar, morituritesalut. 356
Goethe, J W. v.
Die wenbeinbe Slode . 5
Legende vom Hufeifen . 27
Der getreue Edart 43
Hochzeitlied . 44
Die Fröſche A 63
Kohanna Sebus . . 117
Sprüdeu.Sprudart. 11-12 1285
Der Totentanz . . 155
Erllöni 158
Der Fi cher 159
Der Sänger 233
Der — 300
Der —— 301
Der König in Thule. 352
Schäfers Klagelied 369
Abendfonne. . 384
ugs Wuferftehung . 392
Mahomet3 Gejang . 402
Belang der ae über dem
Ballen . © 0 ueer den 408
Adler und Taube. . 406
Sprüde u. Sprudart. 1-5 44l
Bueignung . . j . 450
Harzreije im Winter 462
Ilmenau. 463
Seefahrt.. 464
Meeresſtille. 465
Glückliche Fahrt . . 466
Wandrers Nactlied . 474
Ein gleide8 . . . 475
Der Harfenfpieler. 476
Mignon. . . 477
57*
Ganymd . . . . . Kr.
Brometheud .
Das Göttliche .
Meine Göttin. .
Die Nektartropfen
Die Mujageten
An den Mond —
Epilog zu Schillers Gloce.
vr Sachſens —— Sen⸗
ng -
Mujen umd Gragien. in "der
Dart.
Alexis und Dora. .
Grenzen der Menschheit
Sprüche u. Sprudart. 3—14
Groth, Klaus
Abendfreden
ol Blum .
Berlarn . .
Das Moor.
De Gar
Grün, Anaft.
Der treue Geführte .
Seemärden. . . .
Mar vor Kufitein
Deuticher Braud) .
Um Strande . .
Begrüßung des Meeres”
Gruppe, O. F.
Kaiſer Heinrichs —
Der Bapagei . . 3
Hagenbach, K. R
Der fremde Reiter
Luther und der Fleiſcher i
Ein Gang ums Thor
Hauff, ©.
Meiterd Morgengejang .
Hebbel, Fr.
Unterm Baum.
Zu Pferd! zu Pferd!
Das Kind am Brunnen
Das alte Haus
An den Ather.
Hebel, 3. P.
Der Kirichbaum h
Der Knabe im Eröbeeriilag
Der Wegweiſer
Das Spinnlein
Sonntagsfrübe
Wächterruf.
Sommerlied - .
Der Abenditern
Der Winter . .
Der Sperling am Senfter .
Der Sommerabend . .
Das Habermuß .
nt — auf dem
Das Schladifeld bei Haftin 8
Scelm von Bergen. . .
Belfazar. . 2
Gewitter auf dem Merre :
Der Ajra —
Die twiebergefumbenen Söhne
Der gerettete Züngling . .
Sprüche u. Sprudartiges 2 2
Die Lerche .
Die Ameife. . .
Das Kind PN Sorge
Herwegh, ©
Reiterlied . .
NhHeinweinlied .
Die Ulpen . . .
Tod und Leben .
Heyfe,
P.
es Thal bes —
Über ein Stündlein .
Hoffmannvon —
leben.
Winters Flucht
Morgenlied.. .
Das treue Roß
Hujarenlied.
Mein Baterland .
Hölderlin, J. C.
Der Wanderer.
Die Eichbäume
Die Naht . .
Der gefefielte Strom
Seimer Großmutter 3. zwei⸗
undfiebenzigften —
Abendphantaſie
Rückkehr in die eimat .
An den Äther .
Sonnenuntergang
Schidjalglied
Die Raunifchen i
An die jungen Dichter ;
. Hr. 2
15
217
218
219
38
399
Hölty, L. Ch. H.
Das Feuer im Walde .
Elegie auf das — meines
aters..
Auftrag . ..
Sacobi, J. ©.
Am Aſchermitwoch
Immermann, K. L.
Die Hirſchjagd.
Kerner, J. A.
— Ritt zum
Der reichſte Fürſt
reis der Tanne .
ankt Alban .
Alte Heimat . .
An das Trinkglas eines ver-
ftorbenen Freundes ;
Kind, J. F.
Der Stieglig ;
Kintel, ©.
Betrug 4
Ich ging durch ſtille Abend⸗
dämmerungen . .
Sprüde u. Spruchartiges 17
Kleift, Chr. Ewald v.
Dde an die preußiiche Armee
Kleift, Heint. v.
An Luiſe, Königin v. Breußen
Klopftod, F. ©
Der Eislauf
Das Epigramm .
Die beiden Mufen .
Unfere Sprache
Dem Erlöſer
Die Frůhlingsfeier
— ürcherſee
bett . . -
Die frühen Gräber .
Die Sommemadt
Knapp, U.
Die Einladung
Spielburg . .
Ruſſiſche SE
Kopiſch, U
Des Meinen Volkes Überfahrt
Die Heinzelmännden . .
Tomte i Garden . .
Malei und Malone .
Der Mäufeturm .
Willegis. —
Nr.
901
Gelimer
Der Klabautermanm.
Der Trompeter .
Pſaumis und Puras.
Körner, K. Th.
Harras der kühne Springer
Der Teufel in Salamanca.
Lützows wilde Jagd.
Kool... 2.088
Bundeslied vor der Schlacht
Aufruf
or Rauchs Büfte der Röni-
gin Luiſe
Kofegarten, L. Th.
Das Amen der Steine .
Lenau, N.
Des Schmiebes Lied
Der Boitillon . 3
Seemorgen .
Neifeblätterr. . .
Der Edhiffejunge .
Die drei Zigeuner
Die Werbung . .
Die eibefcente :
Einem In S
Die len er Rapelie A
Blid in den Strom s
Abendbild
Primula veris. .
Am Grabe Höltys
Lingg, 9.
Attilas Schwert .
‚Die Shifferäfrau .
Der ſchwarze an
Salamis.
Alerander . . .
Die Römerftraße .
Nebeltag.
Logau,
Sprüche Bi Sprugrtige
Matibif f on, F
Der ee ;
Minding, %
Sroben . . .
Mifes.
PBarabeln und Nätiel 8.
Mörike, €.
Die traurige Krönung
Schön-Rohtraut .
. Nr.
Die Ihöne Bude .
Der alte Turmbahn . .
Kantate bei Entbüllung ber
Statue Schiller . . .
Auf das Grab von ———
Mutter .
An den Schlaf
In der Frühe.
Baldplage
Am Srühling ;
Mofen, %
Heinrich der Löwe
Andreas Hofer . .
Der nn an der Rap
Waller, F. Maler).
Die Erle und die Zeder
Müller, 8. Wolfgang.
Schwert und Pflug . a
Schönfter Tod. ’
Der Mönd von Heifterbad)
Müller, Wilhelm.
Das Bee)
Morgenlied . A
Der Heine Hydriet .
Müllers Wanderlid . . .
Der Glodenguß zu Breslau
m und Sue
elißfingseingug
Die en von Aigen
Der Bhanariot :
Der Mainotte. . . .
Der Mainottin Unterricht
Sprüche u. Spruchartiges 14
eimfehr . E
lerander Opfilant auf
Munlacs. .
Strandlieder
Novalis.
Bergmannzfid .
Wenn ic ihn nur habe.
Weinlied. .
Sprüde u. Spruchariiges i
Dör, Mar v.
Die Glocken zu Speyer .
Oftermald, Wil.
Ein Waldgang im November
Pfarrius, ©.
Der Truni aus dem Stiefel
.Nr.
370
394
902 —
Die Gründung Kreuz
ie ung uznachẽ
Pfizer, G.
—*8 — Heldenfinn .
en Spiele .
Platen, A. Graf v.
garmofen ;
er Tod des Carus .
Das Grab im Bufento .
Der PBilgrim vor St. Zuft.
Klagelied Kaijer Otto des
Dritten .
— ‚Silgermäbigen in Bu-
Sprüde u. Sprudortiges 18
Das deutiche Lied .
Der beffere Teil .
SHafell . .» . .
Prutz, R. €.
Bretagne
Die Ozeaniden
Reinick, R.
Wie die Künſtler en
wurden
Dem Vaterland
Roquette, D.
Der ZTotenfee .
Rückert, F.
Vom Bäumlein, das andere
Blätter hat gewollt —
Sn an das ſpazie⸗
De — Kindes heif'ger
Shrüt- - - - 2...
Barbarofa . . .
Das Krrglödlein i
Salomon und der Sämann
Bramaniſche Erzählung . .
re NT Spare
Ghidher .
a betrogene Teufel
ücher
Auf die Schiagh vı von deipns
Barabel . . .
Wanderlied F
Preußens Frauen . .
Sn und Sprucartiges
Sie — zu Oitenſen
Das ruft ſo laut!
Ritornelle . . ;
Die Zwei und der Dritte .
. Kr.
432
N, und —
. MT.
An bie —
Zu Leſſings Denkmal
Geharniſchte Sonette
A.d. Weisheit des Vramanen
Sallet, F. -
Zieten.
Salis, J. G. Freiherr v.
Märzlied Eee
Seren
Schefer, 2
Der Salt . . F
Aus dem Laienbrevier .
Sceffel, Vikt. v.
Die Schweden in Rippold3au
Schentendorf, M. v
Andread Hofer . .
Soldaten Morgenlied
Auf Scharnhorſts Tod .
Das Lied vom Rhein .
Der Landiturm 3
Mutterfprade . .
Frubungagruß an das Vater⸗
— Ch. F.
Der H üldne Wing.
Die Erelution.. .
rinz Louis Ferdinand.
ie beiden Reiter
Scheurlin, ©.
Der Abend am Eee.
Säiller, Fr. v.
Der Shüß.. .
Der Alpenjäger . .
Barabeln und Rätfel 1—7
Der Ring des —
Der Taucher
Berglid. .
Die Kraniche des Ibylus
Die Teilung der Erde . .
Der Graf von Habeburg
Die Birgichaft j :
Alpenfcene . .
Der Handihuh .
Nadoweſſiers Totenlied .
Der Kampf mit dem Drachen
Der Gang nad) dem a
hammer . .
gompeii und Herrulanım .
Tanz . —
353 im Joche
Die Macht des Geſanges
Der epiſche Hexameter
Das Diftihon . 22.
Die achtzeilige Stanze .
Die deutiche Muſe
An Goethe. . .
Klage der Geres .
Das —— et.
Raflandra . . —
Das Siegesfeſt
Das Mädchen aus d. Fremde
Das Lied von der Blode .
Der Spaziergang .
Die vier Weltalter
Epigramme, Gnomen, —
bein 1229.
Schlegel, A. Wv.
Der heilige Lukas
Arion . i
Der Herameter
Der Jambe
Das Sonett
Vevros und fein Bierd .
Schmidt v. Lübed, ©. *
Paul Gerhardt
Schnezler, A.
Märchen vom Mummelſee im
Schwarzwalde .
Mummelſees Rade .
Schüding, &
Die oa
Schwab,
Das * zu Heidelberg .
Der Reiter und der Bodenfee
Des Fiſchers Haus . A
Das Gervitter .
Blutrache
Konradin
Der und in der Opferbüchfe
Sobannes Kant . .
Die Engelslirchen. Anatolikon
Die Wolleam Sternenhimmel
Der Rieſe von Marbach
Seidl, J.
Der Apier und der Fiſcher
Hans Euler . .
Sigismund, Berthold.
Am Sarge eines Tagelöhnerg
Simrod,
Drufus’ Tod u
Die Schule der Stuper .
Das Pferd als auge:
Die Beihte. . . ;
Nr.
Schmidt-Bhifelded,C.F.v.
— 904 —
8 bsburgs Mauern . . Nr. 78 Der blinde Ki . . Rr. 122
ie halbe Safe . . . 9 Graf Eberh. d an 123
Die Eihenfaat . . . . 146 Der gute Kamend . . . 137
Stöber, Q. Das Glück von Edendball . 162
Der Läufer von Glarus 85 Karla Meerfahrt. . 1%
Das Steinthal . . . . 204 ifers Sonntagölied . . 214
Das Lügenfeld . . . . 237 Die Nahe... 0.0. 22
Der Dorflirchhof . 378 Bertran de Bom. . . . 23
Stolberg, F. 8 Graf zu en n De ie =
Lied eines deutjchen —* 34 2 op am Meer . . 953
Der Telfenftrom . . . 400 Die de Lied SR er?
Die Grene. . . 2... 447 a a
grühlingeglaube . . . . 271
Der Har661 Tells Tod... 0.0. Did
Storm, Th. Die Kaiferwahl . . . . A
Knecht Rupredt . . . 2 7 Die Ulme zu Hirfum . . 2385
Die Herrgottäfnder . . . 21 Die Bildjänle des Bacchus 302
Sode Kadt . .» . . . 212 Ver sacruım . . 339
Herbſt.270 Der König auf dem Zurme 351
Die Stadt . . . . 312 Der Rallr . . 354
Eine grüißfingänadit 338 Die Mähdern. . . . . 382
Baldweg . . . . 372 Geſang und Krig . . . 42
Abſeits de a ee area RO Freie Kunſt 43
Meeresitrand . . . 387 Die Lieder der Bozeit. . 434
Strachwitz, Graf Moritz v. Münftefogeg . . . . 435
Das Herz von Senne . 258 Die janften Tage. . . . 509
Pharao . . .. 305 Tells Blatte . -. » . . 517
Sturm, Julius. Märden . 530
Schwalbenlied . . . 10 | Die verlorene Kirche. . . 535
Der Bauer und fein Mind. 14 | Ufteri, 9. M.
Sprüde und erunantigen 125 Der Frühling®bote 308
Wie ſchön leucht. b. Morgenft. 184 z, . 8.
Sprüche und Spruchartiges 260 Auf den Tod des Maiers
au — u an Kleift . 518
ie (= ee re ee Bo J. N.
An ; e ? * ER Eden. . ... 98
antaftı8 . » 2... Voß, J. 8.
——— d, L. Der fiebzigfte Geburtötag . 3%
eintebr . 005 I Wadernagel, W.
Der weiße Hirih . — 16 unfer Pınft 154
—— — 168 rüßlin lieh q et:
a8 Schwert . . 2... 23 x 8 Re
Siegfrieds Schwert . . . 24 | Willamo», 3. ©.
— Roland... 285 Die Sonne und die Tiere. 54
oland Schildträger. . 26 | MWürtemberg, N. an v.
Graf Richard * vurct 30 alte 8 — 136
Des Fnnben Berglieb . > 36 | zn 2
ed Knaben Berglid . .
Lied eines Armen 41 Zedlitz, J e. Breib, 2:
Graf Eberhards Weikdom. 81 | _ Begeliterung
Der Schenk von Limburg . 83 | Zimmermann, m.
Bon den fieben Zechbrädern 87 Graf Eberhard im Bart . 80
Biographiſche Nachrichten über die Dichter.
Apel, Johann Auguft, geb. 17. September 1771 in Leipzig, feit 1801 Mit-
glied des Rates in feiner Waterftadt, get. den 9. Auguſt 1816.
Arndt, Ernſt Morig, geb. 26. Dezember 1769 in Schoritz auf der Inſel
Rügen, feit Errichtung der rheinifchen Univerfität Brofefjor der neueren
Geſchichte in Bonn (1820—1840 unfreimillig in den Ruheftand verfept),
geit. am 29. Januar 1860.
Baehler, Yerbinend, geb. 1816 zu Zeit, Pfarrer zu Mefeberg bei Wolmir⸗
ftädt, dann zu Neufladt- Mag eburg, Später Profeſſor und Inſpektor an
der Sandesiente Porta, als folder geit. am 3. Februar 1879.
Bed, Karl, geb. 1. Mai 1817 zu Baja in Ungam, lernt erft mit dem
9. Zahre deutfch, wird Kaufmanır, wendet fi), durch Guſt. Kühne an—
geregt, der Dichtung zu, lebt in Wien; ftirbt in der Nacht vom
‚10. April 1879 zu Währing bei Wien.
Bercht, Auguft, geb. 1790 zu Niederwarbig bei Treuenbriegen, lämpft 1813
im Lutzowſchen reicorps, redigiert die Bremer Zeitung, dann den
Rheiniſchen Beobachter und ftirbt zu Darmftadt 1861.
Beſſer, Hermann, geb. 1807 in Zeig, preußiicher Regierungs-Affefior zuerſt
in Münfter, dann in Bofen, jeßt Regierungsrat in Potsdam.
Bodenftedt, Friedrich, geb. 22. April 1819 zu Berne im Harmöverfchen,
urſprünglich für den Handelsftand beftimmt, widmet feine Muße den
Studien, bejucht mehrere Univerfitäten, wird PBrinzenerzieher in Moskau,
bereift den Kaufafus u. |. w, wirb 1854 ala Profeſſor der orientalifchen
Ritteratur nad) München berufen, geht 1867 ala Intendant des Hof-
theater8 nad) Meiningen.
Bürger, Gottfried Auguft, geb. in der Neujahrsnacht von 1747/48 in Molmers⸗
wende am Harze, 1772 Amtmann in Altengleichen, 1784 Dozent, 1789 außer-
ordentlicher unbejoldeter Profefior in Göttingen, geft. dafelbft 8. Juni 1794.
Gafteli, Ignaz Franz, geb. 6. März 1781 in Wien, Hofoperndichter und
Redakteur bes Konverſationsblattes, auch ſtändiſcher Offizial in Wien bis
1840, dann lebte er als Privatmann auf feinem Landhaufe bei Lilien-
feld, wo er 5. Februar 1862 ftarb.
Chamiſſo, Adalbert von, (wie er fich ſelbſt nannte; eigentlich Louis Charles
Adelaide de Chamiſſo be Boncourt,) geb. 27. Januar 1781 auf dem
Schloſſe Boncourt in der Champagne, machte 1815—1818 als Natur-
forfcher die — Entdeckungs-Reiſe um die Erde am Bord des
Rurik umter dem Kapitän Dtto von Kotzebue mit, wurde 1819 Kuſtos
der botanifhen Sammlungen und fpäter Vorſteher der Herbarien in
Berlin, mo er 21. Auguft 1838 ftarb.
Claudins, Matthias, geb. 15. Auguft 1740 zu Reinfeld im Holfteinifchen,
1776 Oberlandlommiffar in Darmftadt, welde Stelle er nad) einem
Jahre wieder aufgab, um nad Wandsbek zurüdzufehren, von wo er
feit 1788 das Amt eines eriten Reviford bei der holfteinfchen Banf in
Altona verwaltete. Er ftarb in Wandsbeck am 21. Januar 1815.
Dad, Simon, geb. 1605 zu Memel, ftudiert Theslogie, wird Lehrer an
der Domſchule in- Königsberg, 1639 Profeſſor der Boefie und eins der
Häupter des Königsberger Dichterfreijes, ftarb 1659.
Dahn, Felix, geb. 9. Februar 1834 zu Hamburg, in München erzogen, ftudiert
dajelbit, 1863 Brofeffor der Rechte m Wilrzburg, feit 1872 in Königsberg.
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Diepenbrod, Melchior Freiherr v., geb. zu Bocholt in Weftfalen 6. Januar
1798, zum Prieſter geweiht 1823, 1830 Domlapitular, fpäter Dom:
dechant in Regensburg, 1845 Fürſtbiſchof von Breslau, 1850 Kardinal⸗
priefter der römischen Kirche, geft. auf feiner Nefidenz zu Sobannisberg
(Öfterr. Schlefien) am 20. Januar 1853.
Dingelftedt, Franz von, geb. 30. Juni 1814 im Halsdorf bei Marburg;
Gymnaſiallehrer in Caſſel und Yulda bis 1841, 1843 Hofrat und Biblie-
thelar des — von Württemberg in Stuttgart, 1846 Hoftheater⸗
Dramaturg dajelbit, 1851 Hoftheater- Intendant in Münden, 1857
General Intendant des großberzogl. Theaters in Weimar, dann Snten-
dant des Burgtheater8 in Wien, in den Freiherrnſtand erhoben, geil.
am 15. Mai 1881.
SHrofte-Hülshof, Annette Elifabeth *yreiin von, geb. 12. Januar 1797 auf
ülshof bei Münſter, geit. 24. Mai 1848 in Meeröburg am Bodenfee
ei ihrem Schwager, dem Treibern Joſeph von Laßberg.
Ebert, Karl Egon, geb. 5. Juni 1801 in Prag, ward 1825 bei dem Fürfien
Karl Egon von Fürftenberg Bibliothekar und Archivar in ——
1829 Rat und Archiv-Direktor, 1848 Hofrat, übernahm 1854 die Ober:
verwaltung der jämtlichen böhmifchen Domänen feines Yüriten, ließ ſich 185
in Ruheſtand verjegen, lebte jeitdem in Prag und ftarb da am 24. Okt. 1882.
Echtermeher, Ernſt Theodor, geb. 1805 in Liebenwerda, Lehrer an dem
Gymnaſium in Zeitz, (1831) an dem Pädagogium in Halle, gab nad
einer Amputation des linken Unterarmes feine Stelle auf und fiebelte
fpäter (1831) nach Dresden über, wo er am 6. Mai 1844 verfiarb.
Eichendorff, Joſeph Freiherr von, geb. 10. März 1788 auf dem loſſe
ubowitz bei Ratibor, ſeit 1841 Geh. Regierungsrat im Miniſterium der
eiſtlichen Angelegenheiten in Berlin; ſchied 1843 aus dem Staatsdienſte,
lebte hierauf litterariſchen Beſtrebungen in ſeinem Geburtsorte Lubowitz und
ſtarb am 26. Novbr. 1857 zu Neitze auf dem Gute ſeines Schwiegerſohnes.
Fall, Johann Daniel, geb. 28. Oltober 1768 in Danzig, privatifierte ſeit
1798 in Weimar, wurde 1806 zum Legationsrat ernannt und gründete 1813
einen Verein fir Bildung verwabrlofter Knaben. Er ftarb 14. Febr. 1828.
Fechner, Guſtav Theodor, (ald Dichter: Dr. Miſes), geb. 19. April 1801
zu Sroß-Stefohen in der Niederlaufiß, feit 1834 ordentlicher Profeſſor
der Phyſik in Leipzig, geit. am 18. November 1887.
Feuchtersleben, Ernſt Freiherr von, geb. 29. April 1806 zu Wien, ftudiert
Medizin, wird Dozent an der Wiener Univerfität, |päter Vizedirektor ber
mediziniſch⸗-chirur —* Studien, endlich Unterſtaatsſekretär und ſtirbt
3. Septbr. 1849.
Fiſcher, Sohann Georg, geb. 25. DOftober 1816 zu Groß-Sühen in Würt-
temberg, erit Boltsichullehrer, befuchte dann die Univerfität Tübingen und
ift ſeit 1853 Dr. phil. u. Profeſſor an der Ober- Realichule in Stuttgart.
Höriter, Friedrich, geb. 24. September 1792 in Münchengofferjtädt, folgte
1813 Körner in das Lützowſche Freicorps, wurde Hofrat und Kuſtos an
den k. Mufeen in Berlin, gen am 8. Rovember 1868.
Fontane, Theodor, geb. 30. Dezember 1819 in Neu-Ruppin, befuchte das
Gymnaſium feiner Vaterftadt und die Gewerbeſchule in Berlin, da er beab:
fihtigte Naturwiſſenſchaften, befanders Chemie zu jtudieren, 1841 —43 lebte
er in Leipzig und Dresden, dann in Berlin, London (1855 —59), von
wo er 108 Berlin zurüdfehrte, jetzt Sekretär der Kunftalademie dafelbit.
Fonqué, Friedrich Bagon de la Motte, geb. 12. $ebruar 1777 in Bran⸗
denburg, nach den Tyreiheitälriegen als Major aus der preußiichen Armee
verabjchiedet, lebte abwechfelnd in Berlin und u. feit 1831 in
Halle, bis ihn König Friedrich Wilhelm IV. nad) iin kommen lieh,
wo er am 22. Januar 1843 ftarb.
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Freiligrath, Ferdinand, geb. 17. Juni 1810 ‚in Detmold, hat als Kauf-
mann in Soeſt, Amjterdam, Barmen, St. Goar, Brüffel, Zürich, London,
Düffeldorf gearbeitet; jeit 1851 lebte er in London, feit 1868 in GStutt-
art, wo ihm feine zahlreichen Verehrer eine forgenfreie Muße jchufen,
tarb am 18. März 1876 in Gannitatt.
Fröhlich, Abrafam Emanuel, geb. 1. Februar 1706 zu Brugg im Kanton
Aargau, Dialonus und Rektor an der Bezirksjchule in Aarau, gejtorben
1. Dezember 1865.
Gaudy, Franz Freiherr von, geb. 19. April 1800 zu Frankfurt a. d. O.,
Sohn eines preußiichen General, wird Lieutenant, macht Reifen nad
Stalien, lebt ganz der Poeſie und ftirbt am 6. Februar 1840 zu Berlin.
Gerof, Karl von, geb. 30. Januar 1815 zu Vaihingen in Württemberg,
1840 Repetent am Tübinger Seminar, 1849 Brediger in feiner Vater:
ſtadt, Oberhofprediger, Prälat und geadelt, ftarb im Januar 1890.
Seibel, Emanuel, geb. 18. Oktober 1815 in Lübeck, jtubierte (1835) in Bonn
und Berlin, lebte 1838 — 40 in Athen und nad) feiner Rüdlehr in das
Vaterland an verichiedenen Orten (Lübeck, Eichenburg, St. Goar), biß er
1851 als Ehren-Brofefjor der deutichen Litteratur nad) München berufen
wurde. 1868 erhielt er jeine Entlafjung, nahm feinen Wohnfig in feiner
Vaterſtadt und wurde zum Ehrenbürger derjelben ernannt, jtarb 6. Apr. 1884.
Gellert, Chriſtian Fürchtegott, en 4. Juli 1715 zu Hainichen (Reg. Bez.
Leipzig), auf der Schule in Meißen 1729—34, ftudierte in Leipzig, habi-
litierte fich 1744, wurde 1751 außerordentlicher Brofefjor der Bhilojophie
und jtarb als folder am 13. Dezember 1769. |
Goethe, Johann Wolfgang von, geb. 28. Auguft 1749 in Frankfurt am Main,
jtudierte in Leipzig (1765) und Straßburg (1770), wo er die juriftijche
Doltorwürde erwarb, 1772 als Braltifant bei dem Reichskammergericht
in Weglar, 1775 von dem Herzog Karl Uuguft nad) Weimar berufen, 1779
Geheimer Rat, 1782 geadelt, zulegt Staatsminijter, ftirbt am 22. März 1832.
Groth, Klaus, geb. 24. April 1819 in Heibe; le auf dem Seminar
zu Zondern, erhielt er die Stelle eines Mädchenjchullehrer in Heide,
nahm 1847 jeine Entlaffung und lebte 6 Jahre zur Wiederherftellung
feiner Gejundbeit auf Femarn, feit 1853 in Kiel und Bonn, wo ihm in
Anerkennung jeiner VBerdienfte um die niederdeutiche Sprache das Diplom
. eines Doltord der Bhilojophie verliehen wurde; jpäter lebte er in Dresden.
Sept iſt er Profeſſor an der Univerfität in Kiel.
Grün, Anaſtaſius (d. i. Anton Wlerander Maria Graf von Auersperg),
geb. 11. April 1806 zu Laibach in Krain, E k. Kammerherr, Gebeimrat
und Wiener Ehrenbürger, lebte auf feinem Erbichlofie Thurn am Hart
in Krain, ftarb am 12. September 1876 in Graz.
Gruppe, Otto Friedrich, geb. 15. April 1804 in Danzig, Brofeflor an der
Univerfität und Sekretär an der Alademie der Künſte in Berlin, jtarb
am 7. Januar 1876.
Hagenbach, Karl Rudolf, geb. 4. Mai 1801 in Bafel, habilitierte ſich an der
dortigen Univerjität 1823, jeit 1828 ord. Prof. der Theol., geit. 7. Juni 1874.
Hardenberg, Friedrih von (pfeudonym Novalis), geb. 2. Mai 1772 zu
Wiederftedt in der Grafihaft Mansfeld (pr. Provinz Sachſen), 1795
Salinen-Auditor in Weihenfeld; 1800 wurde er zum Amt3- Hauptmann
in Thüringen dejigniert, konnte aber dies Amt nicht antreten, indem er
langjam binfiechte, biß er am 25. März 1801 in Weißenfels ftarb.
Hauff, Wilhelm, geb. 29. November 1802 in Stuttgart, Redakteur des
Morgenblatts, geft. 18. November 1827.
Hebbel, Wriedrih, geb. 18. März 1813 zu Wefjelburen in Ditmarfchen,
lebte, nachdem er in Heidelberg und München Philoſophie ftudiert hatte, in
Hamburg, Kopenhagen und Wien, wo er am 13. Dezember 1863 ftarb.
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Hebel, Johann Peter, geb. 10. Mai 1760 in Baſel, ftubdierte in Erlangen,
wurde 1783 Lehrer an dem Pädagogium in Lörrach, 1791 an dem Lceum
in Karlsruhe, 1805 Kirchenrat, 1808 Direktor des Lyceums, 1819 Prälat.
Er ftarb auf einer Reiſe in Schweßingen am 22. September 1826.
Seine, Heinrich, geb. 12. (13.7) Dez. 1799 zu Düfieldorf, ftud. m Bonn,
Berlin ımd Böttingen; jeit 1830 in Paris und dort nad) langen Leiden
geit. 17. ehr. 1856.
Herder, Johann Gottfried von, geb. 25. (24.) Auguft 1744 zu Mobrungen
in Oftpreußen, ftubdierte in Königsberg, wurde 1765 Lehrer an der Dom-
ſchule in Riga, 1770 Hofprediger in Büdeburg, 1776 Hofprediger und
Beneral- Superintendent in Weimar, 1789 Bizepräfident des Oberkon⸗
filtortums, ftarb daſelbſt am 18. Dezember 1803.
Herwegh, Georg, geb. 31. Mai 1817 zu sata, ftudierte in Tübingen
und lebte dann nach mandem Wechſel in der Schweiz und zulegt im
Baden-Baden, wo er am 7. April 1875 ftarb.
Heyſe, Paul, geb. 15. März 1830 in Berlin, ftudierte dort und in Bonn
Haffiiche und romaniſche Philologie, fett 1854 als Profefior in München.
Hoffmann don Fallersleben, Auguſt Heinrich, geb. 2. Mpril 1797 m
Sallersieben, 1830 — 43 Brofeffor der deutſchen Sprade und Litteratur
in Breslau, lebte dann feines Amtes entfeßt an verichiedenen Orten, bis
er 1860 von dem Herzog von Ratibor als Bibliothefar nad) Corvey in
Weftfalen berufen wurde, wo er am 18. Sanuar 1874 ftarb.
Hölderlin, Johann Ehriftian Friedrich, geb. 20. März 1770 in Lauffen am
Nedar, ftudierte in Tübingen, lebte ald Hauslehrer an verjchiedenen Orten,
wurde 1802 geiftesfranf und lebte ſeit 1806 37 Jahre lang in flillem
Wahnſinn zu Tübingen, bis ihn der Tod am 7. Juni 1843 erlöfte.
Höltg, Ludwig Heinrich Chriftoph, geb. 21. Dezember 1748 zu Martenjee
bei Hannover, fam 1768 nad) Göttingen, un Theologie zu ftudieren und
ftarb langſam hinſiechend in Hannover am 1. September 1776.
Sarobi, Johann Georg, geb. am 2. Dezember 1740 in Düfleldorf, ſtudierte
in Göttingen und Helmſtädt Theologie, 1765 ala Profefior der Philo-
fophie und Beredſamkeit nad) Halle berufen, 1769 Kanonikus in Halber⸗
itadt, 1784 Brofeffor der ſchönen Wiffenichaften in freiburg, wo er 1807
den Charakter als Hofrat erhielt und am 4. Sanuar 1814 ſtarb.
Immermann, Karl Leberecht, geb. 24. April 1796 in Magdeburg, als
Landesgerichtsrat (feit 1827) in Düſſeldorf, geſt. am 25. Auguft 1840.
Kerner, Andreas Juſtinus, geb. 18. September 1786 in Ludwigsburg, von
1819 — 51 Oberamtsarzt in Weinberg und da geitorben 22. Febr. 1862.
Kind, Johann Friedrih, geb. 4. März 1768 zu Seibgig, lebte als Hofrat
feit 1818 in Dresden und ftarb dafelbft am 25. Juni 1843.
Kintel, Johann Gottfried, geb. 11. Auguft 1815 zu Obertaftel bei Bom,
jeit 1837 Dozent und 1846 Profeſſor an der rheinifchen Uniwerſitüt zu
Bonn; 1849 bei Muggenfturm in Baden gefangen genommen und zu
lebenZlängliher Zuchthausftrafe verurteilt, entzog er ſich 1850 derſelben
durch die Flucht aus Spandau nad England, wo er Brofefior in London
wurde; feit 1866 Brofeffor an dem eidgenöſſiſchen Polytechnikum und an
der Univerfität in Zürich, jtarb am 13. November 1882.
Kleift, Ewald Chriſtian von, geb. 5. März 1715 zu Zeblin in Bonmen,
ftudierte in Königsberg die Rechte, widmete fi) aber dann dem Militär-
dienste und wurde 1736 däniſcher, 1740 preußiſcher Offizier und ala Major
in der Schlacht bei Kunersdorf anı 12. Auguft 1759 tödlich verwundet; au
diefen Wunden ftarb er am 24. Auguft 1759 in Frankfurt an der Oder.
Kleift, Heinrich von, geb. 10. Oktober 1766- in Frankfurt an der Oder, und
für den Militärftand beftimmt. Als preußifcher Junker machte er 1793
den Feldzug am Rhein mit, widmete ſich Dftern 1798 Univerfitätsftubdien
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in Yrankfurt, wurde 1800 im Finanz- Departement des Minifters Struenfee
— begann aber bald ein wanderndes Leben, bis er 1809 ſich ent⸗
ſchloß, in der öfterreichtichen Armee Dienjte zu nehmen. Der Friedens⸗
ſchluß vereitelte feine Hoffnungen, und er kehrte nad) Berlin zurüd. Am
21. November 1811 erſchoß er fich und feine Freundin Henriette Vogel
in einem Wäldchen bei Potsdam.
Klopftock, Friedrich Gottlieb, geb. 2. Juli 1724 in Quedlinburg, ſeit 1739
m Scdulpforta gebildet, bezog 1745 die Univerfität Jena und von Oſtern
1746— 48 Leipzig. Nad) einem furzen Aufenthalte in der Schweiz ging
er 1751 nad) Kopenhagen, 1776 nad) Hamburg, wo er als — er
Legationsrat und badiſcher Hofrat am 14. März 1803 ſtarb.
Knapp, Albert, geb. 25. Juli 1798 zu Tübingen, Dialonug zu Kirchheim
unter Ted, Stadtpfarrer an der Leonhardskirche in Stuttgart, wo er am
18. Zuni 1864 jtarb.
Kopiſch, Auguft, geb. 16. Mai 1799 in Breslau. In Prag und Wien zum
Maler au2gebildet, verweilte er jeit 1821 im Stalien, von wo er 1828 nad)
Deutichland zurückkehrte und als Profeſſor zuerft (jeit 1844) in Berlin, die vier
legten Sabre in Potsdam lebte. Er jtarb in Berlin am 6. Febr. 1853.
Körner, Karl Theodor, geb. 23. September 1791 in Dresden, jtubierte in
Freiberg und Leipzig, wurde dann Theaterdichter in Wien und trat am
19. März 1813 in das Lübomfche Freicorpo. Um 26. Auguit besjelben
Jahres fiel er in dem Gefechte bei Gadebuſch.
Kofegarten, Ludwig Gotthard (Theobul), geb. den 1. Februar 1758 zu Greves⸗
mühlen in Medienburg, Rektor in Wolgaſt, 1792 Propſt in Altenkirchen
auf Rügen, 1808 Profefjor der Geſchichte und griechiſchen Litteratur, 1816
Profefior der Theologie in Greifdwald, wo er am 26. Dftober 1818 ftarb.
Lenau, Nikolaus (mit jenem wahren Namen Nikolaus Franz Niembſch, Edler
von Strehblenau), geb. 13. Uugujt 1802 zu Czatad Chr. Tſchatad) im
Banat, lebte in Wien, Iſchl und Stuttgart; 1844 wurde er von einer
Geiſteskrankheit ergriffen, in deren Folge er in die Heilanjtalt zu Winnen-
thal und 1847 in die Irrenanſtalt zu Oberdöbling bei Wien gebracht
wurde, wo er am 22. Augujt 1850 ftarb.
Zingg, Hermann, geb. 22. Januar 1820 in Lindau am Bodenſee, Militär:
arzt in Augsburg und an andern Orten nahm aus Gefundheitsrüdfichten
1851 feinen Abſchied und lebt feitdem in litterariicher Muße zu Münden.
Matthifſon, Friedricd von, geb. 23. Januar 1761 in Hohendodeleben bei
Magdeburg, jtudierte in Halle, 1794 Vorleſer der Fürſtin Luiſe von Deſſau,
1812 Geheimer Legationgrat, Theaterintendant und Oberbibliothefar in
Stuttgart big 1828, ging 1829 nad) Wörlig, wo er am 12. März 1831 ftarb.
Minding, Aulius, geb. 8. November 1808 in Breslau, jtudierte dajelbft Me⸗
dizin, ward Arzt und endete durch Selbitmord am 7. Sept. 1850 in New-Vort.
Miſes fiehe Fechner.
fe, Eduard, geb. 8. September 1804 in Ludwigsburg, wurde 1834
Pfarrer zu Cleverſulzbach bei Heilbronn, dann Lehrer am Katharinenftift
zu Stuttgart (jeit 1855 mit dem Titel Hofrat), feit 1866 emeritiert und
in Lorch lebend, „gulest in Stuttgart, wo er am 4. Juni 1875 ftarb.
Moten, Jultus, geb. 8. Juli 1803 zu Marieney im Voigtlande, einige Zeit
Altuar in Kohren, 1834 Advolat in Dresden, 1844 Hofrat und Drama-
turg in Oldenburg, welde Gtelle er 1848 wegen jeiner Kränklichkeit
wieder aufgab; nad, langen Leiden geit. am 10. Oktober 1867.
Müller, Sriedrih, (genannt Maler Müller), geb. 1750 in Kreuznach, war
Maler und Kupferſtecher am Zweibrüder Hofe; 1778 ging er nad) Nom,
wo er zum Katholizismus übertrat. Er ftarb am 22. Wpril 1825.
Müller, Wilhelm, geb. 7. Oktober 1784 in Deflau, Hofrat und Bibliothekar
dajelbjt, geit. am 30. September 1827. |
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Müller, Wolfgang (von Königswinter), geb. 5. März 1815 in Königswinter,
Arzt zu Düffeldorf, Iebte feit 1853 als Schriftfteller in Köln umd ſtarb
dort am 29. Juni 1873.
Novalis fiehe Hardenberg.
Dör, Mar von, geb. 30. September 1806 auf dem Yamiliengute Rotibef
in Weftfalen, ftudierte in Bonn und Berlin, ward 1829 Neferendar kei
der Regierung zu Erfurt, nahm aber 1833 jeine Entlaffung und ftebelte
nad Arnſtadt über. Er ftarb am 9. Auguft 1846 in Erfurt.
Ofterwald, Karl Wilhelm, geb. 23. Februar 1820 zu Bretſch in ber Alt
mark, ftudiert in Halle Philologie, wird Lehrer am Pädagogium dafelbit,
dann Profeſſor am Gymnaſium zu Merjeburg, feit 1865 Rektor dei
Gymnaſiums zu Mühlbaufen i. Th., geit. am 25. März 1887.
Pfarrius, Guſtav, geb. 31. Dezember 1800 in Heddesheim bei
1834— 83 Oberlehrer und Brofeffor am yriedrid)- Wilhelms - Symnefum
in Köln, dann emeritiert und im September 1884 geftorben.
Pfizer, Guſtav, geb. 29. Yuli 1807 in Stuttgart, gebildet auf dem niedern
—— zu Blaubeuren und (1825 — 30) auf der Univerſität zu Tübingen.
1835 Privatgelehrter, 1846 Profeſſor am Gymnaſium zu Stuttgart.
Platen, Auguft Graf von Platen- Hallermmd, geb. 24. Oft. 1796 in Anz
bad), lebte ſeit 1826 meift in Stalien, gejt. am 5. Dez. 1835 in Syratu:.
Prutz, Robert Eduard, geb. 30. Diai 1816 in Stettin, jtudierte in Halle, lebte
1841—43 als Privatgelehrter in Zena, dann als Dramaturg am Stadttheater
in Hamburg, 1848 in Berlin, 1849 — 59 als Prof. der deutichen Litteratur
in Halle, dann bi8 zu feinem Tode am 21. Juni 1872 in feiner Baterftadt
Neinid, Robert, geb. 22. Februar 1805 in Danzig, in dem Atelier von
Begas in Berlin gebildet, lebte in Düſſeldorf biß 1831, in Nom bis
1838, zulegt ſeit 1844 in Dredden, wo er am 7. Yebruar 1852 flar.
Roquette Otto, geb. 19. April 1824 zu Krotoſchin in Poſen, ftudierte in Heibel-
berg und Halle, darauf Lehrer in Dresden und Berlin, feit 1869 Rrof. für
Geichichte, deutiche Sprache und Litteratur am Bolytechnitum in Darmitadt.
Nüdert, Friedrich, geb. 16. Mai 1788 zu Schweinfurt, 1811 Lehrer in Hanau,
1817 und 1818 in Stalien, dann in Koburg, 1826 PBrofeffor in Erlangen,
1841 Brofefjor und Geheimer Regierungsrat in Berlin, jeit 1849 auf-feinem
Gute in Neufeh bei Koburg, wo er am 31. Januar 1866 geftorben it.
Sallet, Friedrich von, geb. 20. April 1812 zu Neiße in Schleften, trat als
Offizier in preußifche Dienfte, nahm aber 1838 feinen Abſchied und prive-
tifierte in Breglaı. Er ftarb zu Reichau bei Nimptich am 21. Febr. 1843.
Salis, Johann Gaudenz Freiherr von Salis-Seewis, geb. 26. Dezember 1762
zu Seewid im Kanton Graubünden, Hauptmann in der Schweizergarde
zu Verſailles biß zur Revolution, jpäter als Oberft und Stadtvogt in
Chur. Er jtarb zu Malans am 28. Januar 1834.
Scefer, Leopold, geb. 30. Juli 1784 zu Muskau in der Niederlaufiß,, Tebte nad
längern Reifen auf feiner Billa bei Musfau, geſt. daſelbſt am 13. Febr. 1862.
Scheffel, Joſeph Viktor von, Hofrat, geb. 16. Febr. 1826 zu Karlarıbe,
ftudierte die Rechte, ward Dienftrevifor zu Sädingen, gab den Staatsbienit
auf, um fi) ganz der Dichtkunft zu widmen, lebte jeit 1866 in feiner Vater⸗
ftadt; dann in Radolfszell und ward am 16. Yebr. 1876 in den Adelſtand
erhoben; ftarb nad) langem Siechtum am 9. Wpril 1886 in Karlsruhe.
Schentendorf, Dar von (vollftändig Gottlob Ferdinand Marimiltan Bott:
fried), geb. 11. Dezember 1783 in Tilfit, ftudierte in Königsberg, verlor
durch ein Biltolenduell den Gebrauch der rechten — gab 1812 ſeine Stelle
ala Kammerreferendarius auf und zog nad) Karisruhe. Nach dem ruſſiſchen
ldzuge nahm er da Schwert in die inte umd wohnte der Schlacht bei
eipaig bei, dann ging er zu der Bentralverwaltung in Yranffurt a. M.
und 1815 als Regierungsrat nad) Koblenz, wo er am 11. Dez. 1817 ſtarb
= IT: ee
Scerenbderg, Chriſtian Friedrich, geb. 5. Mai 1798 in Stettin, Iernte ala Kauf⸗
mann, ward Schaufpieler, infolge feiner patriotiichen Gebichte Bibliothekar im
Kriegsminifterium zu Berlin, jtarb am 9. Sept. 1881 zu Zehlendorf b. Berlin.
Sceurlin, Georg, geb. 25. Februar 1802 zu Mainbernheim in Unterfranten,
ehrer in Ansbach, 1852 Kanzlift beim Ober- Konfiitorium in München,
1864 Geheimer Minifterial- Sekretär, geft. am 9. Juni 1872.
Schiller, Johann Chriſtoph Friedrich von, geb. 10. November 1759 in
arbach, gebildet auf der Karlsſchule zu Stuttgart, 1780 Medikus bei
einem &renadierregimente, 1782 Doktor der Medizin, Flut aus Stutt⸗
art nad) Mannheim und Bauerbad (Dez. 1782 bis Juli 1783), Aufent-
Ente in Mannheim, Leipzig (1785), Dresden, Weimar (1787 u. 1788),
1789 Brofeflor in Jena, 4 1799 Überfiedelung nach Weimar, 7. Sept.
1802 in den Adelſtand erhoben, geit. am 9. Mai 1805.
Schlegel, Auguft Wilhelm von, geb. 8. Sept. 1767 in Hannover, fhudierte
in Göttingen, 1798—1801 Profeflor in Jena, dann in Berlin, wo er
eine länger dauernde Verbindung mit Frau v. Staöl — ; 1813
reiſte er mit dem Kronprinzen von Schweden, dem er die euerung
ſeines Adels verdankte, nach Deutſchland; nach dem Kriege lebte er wieder
bei der Staöl in Coppet, bis er 1819 an der Unierfität zu Bonn als
Profeſſor angeftellt wurde. Er ftarb am 12. Mai 1845.
Shmidt- Phifelded, Konrad Friedrich von, geb. 3. Juli 1770 in Braunſchweig,
1804 Suftizrat, 1812 Etatsrat, 1813 —1818 Direktor der Reichsbank,
1829 Konferenzrat in Kopenhagen, wo er am 15. Rov. 1832 ftarb.
Schmidt von Lübeck, Georg Philipp, geb. 1. Januar 1766 in Lübeck, däniſcher
Se und (1806) Bank⸗ Direktor in Altona, trat 1829 in Ruheſtand, ftarb
daſelbſt am 28. Okt. 1849. Begraben ift er im Dttenjen in der Nähe Klopftod3.
Schnezler, Auguſt, geb. 4. Auguft 1809 zu Freiburg im Breisgau, ftudierte
in Heidelberg und München, lebte in Darmftadt, Karlsruhe und München,
wo er am 11. April 1853 ftarb.
Schücking, Levin, geb. 6. Sept. 1814 zu Clemenswerth in Weftfalen, lebte
als Erzieher und Privatgelehrter an verjchiedenen Orten, wie Augsburg,
Kö, Mondjee, Saffenburg bei Warendorf. 1864 Ehrendoktor der Bhi-
lojophie in Gießen, geft. zu Byrmont am 31. Auguft 1883.
Schwab, Guſtav, geb. 19. Juni 1792 in Stuttgart, 1818—1837 Brofefior
am dortigen Ober-Gymnaſium, dann Pfarrer in Gomaringen bei Tübingen,
1841 Bfarrer an der St. Leonhardskirche in Stuttgart, 1845 Ober-Kon-
jiftorial- und Ober-Studien- Nat, geft. am 4. November 1850.
Seidl, Johann Babriel, geb. 21. Juni 1804 in Wien, feit 1829 Gymnafial-
profeffor zu Eikti, 1840 Kuftos am Antikenkabinett in Wien, feit 1846
k. E Rat und Schagmeifter daſelbſt, geft. 1875.
Sigismund, Berthold Auguſt Richard, geb. 19. März 1819 in Stadtilm,
erſt Arzt und Bürgermeiſter in Blankenburg (Thüringen), 1850 Brofefior
am. Gymnafium zu Rudolſtadt, geft. am 13. Auguſt 1864.
Eimrock Karl Zofeph, geb. 18. Auguft 1802 in Bonn, ftudierte die Nechte
in Bonn und Berlin, 1830 aus dem preußifchen Juſtizdienſt entlafien,
lebte er als Privatgelehrter. in Bonn, biß er 1851 daſelbſt eine Unftellung
als Projeffor der deutfchen Litteratur erhielt, get. 18. Juli 1876.
Stöber, Ludwig Mbdolf, geb. 7. Zuli 1810 im Straßburg, der jüngere Sohn
des Notars und Dichters Dantel Ehrenfried Stöber (F 28. Dez. 1835),
der Bruder des ebenfalls dichterifch thätigen (und am 18. März 1884 ge-
ftorbenen) Auguft Stöber; feit 1840 Pfarrer und Ober-Schulret im
Mühlhauſen im Elijah.
Stolberg, Friedrich Leopold Graf a, geb. 7. November 1750 in Bramstedt,
ftubierte in Göttingen, 1791 Präſident der fürftbilchöflich- lübiſchen Regierung
zu Eutin, biß er im Juni 1800 mit feiner Frau zur katholiſchen Kirche über-
— 92 —
trat und nad) Münfter, 1812 nad) Tatenfeld bei Bielefeld und zuletzt nach
Sondermühlen bei Osnabrüd überfiedelte, wo er am 5. Dez. 1819 jtarb.
Storm, Theodor, geb. 14. September 1817 zu Hufum in Schleswig, trat 1853
in den preußiſchen Juſtizdienſt, zuletzt ala Kreisrichter in Heiligenftadt,
jeit 1864 Landvogt, dann Amtsrichter in Hulum; ftarb im Sommer 1889.
Strahwig, Mori Graf, geb. 13. März 1822 zu Peterwig im Schleſien,
ftarb am 11. Dezember 1847 in Wien.
Sturm, Zulius, geb. 21. Juli 1816 zu Köftrig im Fürſtentum Neuß, wurde
1850 Paſtor in Göſchitz bei Schleiz und wirft ſeit 1857 ala Baitor in Köſtritz.
Zalvi, d. 5. Thereje Ndolfine Luiſe v. Jacob, geb. 20. Januar 1797 im
Halle, 1828 vermählt mit dem Brofefior der Theologie Edward Robinjon
in New- York und jeit defien Tode am 27. Januar 1863 venwitwet, jtarb
am 13. April 1870 zu Hamburg.
Tied, Ludwig, geb. 31. Mai 1773 in Berlin, ftudierte in Halle, Erlangen und
Göttingen, jeit 1794 lebte er in Berlin, Hamburg, Zena, Dresden, Rom,
Wien (1808), Prag und feit 1819 als Hofrat und Dramaturg (1825) in
Dresden, von wo ihn König Friedrich Wildem IV. 1841 nad) Berlin berief,
um ihm ein jorgenfreied Alter zu gewähren. Er jtarb amı 28. April 1853.
Uhland, Johann — geb. 26. April 1787 in Tübingen, ſtudierte daſelbſt
die Rechte jeit 1805 und erwarb 1810 die Würde eines Doltord der Rechte;
nach einem längeren Aufenthalte in Paris trat er 1812 auf der Kanzlei des
Auftizminifteriums in Stuttgart ein, wurde Rechtsanwalt, 1829 — 33 Bro-
feſſor der deutjchen Litteratur in Tübingen, melde Stelle er aufgab, als
ihm die Regierung ben Urlaub zum Eintritt in die Kammer verweigerte.
Er blieb in Tübingen, wo er am 13. November 1862 jtarb.
U3, Johann Peter, geb. 3. Oft. 1720 in Ansbach, ftudierte in Halle die Rechte,
und jtarb in jeiner Baterjtadt ala f. preuß. Geb. Yuftizrat am 12. Mai 17986.
won, Johann Nepomuk, geb. 2. Novbr. 1802 in Wien, wo er ala Doltor der
echte jeit 1829 im Dienfte der niederöfterreichiichen Landſtände war, geit.
16. Rovbr. 1866.
Boh, Johann Heinrich, geb. 20. Februar 1751 zu Sommersdorf in Medien:
burg, ſtudierte in Göttingen, 1778 Rektor in Otterndorf, 1782 in Eutin,
von welcher Stelle er 1802 zurüdtrat und erft in Jana und dann jeit
1805 in Heidelberg lebte, wo er am 29. März 1826 ftarb.
Wadernagel, Karl Heinrich Wilhelm, geb. 23. April 1806 in Berlin, jeit
1833 Profefjor der deutichen Philologie an der Univerfität zu Bajel, und
dort am 21. Dezember 1869 gejtorben.
Willamos, Johann Gottlieb, geb. 15. Januar 1736 in Mohrungen, 1758
Profeſſor am Gymnaſium zu Thorn, 1767 Aufieher bes Inſtituts der
Wijjenichaften in Petersburg, wo er am 6. (21.2) Mai 1777 ftarb.
Würtemberg, Chriltian Friedrich Alegander Graf von, Sohn des Herzogs
Wilhelm, geb. 5. November 1801 in Kopenhagen, lebte als Oberſt zu Stutt:
gart, Wien und Ehlingen und jtarb am 7. Juli 1844 zu Wildbad.
Zedlitz, Joſeph Chriſtian Freiherr von, geb. 28. Februar 1790 zu Johannis⸗
berg in a ‚ auf einem Gymnafium in Breslau vor-
bereitet, trat 1806 in ein Hufarenregiment, nahm aber bald feinen Wb-
ſchied, um ſich feinen litterariichen Neigungen zu widmen, 1837 wurde
er zum außerordentlihen Dienſt in dag Minifterium des Aubern berufen
und 1850 zum Miniter-Refidenten mehrerer Heinen deutichen Staaten
in Wien ernamnt. Er ftarb dajelbjt am 16. März 1862.
Zimmermann, Wilhelm, geb. 2. Januar 1807 in Stuttgart, Profeflor am
Gymnaſium dajelbit, 1840 Pfarrer zu Dettingen bei Urach, 1847 Brojeflor
am Polytechnikum feiner Vaterſtadt, zulegt Pfarrer in Schnaitheim a. d. Brenz,
dort geit. am 22. Sept. 1878.
Srläuterungsichriften.
Sehr viele der in dieſer Sammlung enthaltenen Gedichte find
erläutert oder doch beleuchtet in folgenden Werfen und Schriften:
l.
. C. F. R. VBetterlein, Klopftod3 Oden und
Ferdinand Delbrück, lyriſche Gedichte mit erklärenden Anmerkun⸗
gen. Nebſt einer Unterſuchung über das Schöne und einer Abhandlung
über die Grundſätze der Erklärung und des Vortrags lyriſcher Gedichte.
Band I. Oden von Klopſtock. Berlin bei Sander, 1800. Bgl. Vie⸗
Hoffe Archiv II, 3. S. 80.
. J. G. Gruber, Klopſtocks Dden. Mit erläuternden Anmerkungen und
einer Biographie des Dichters. 2 Bde. Leipzig bei Göſchen, 1831.
Slegieen mit erflärenden
Anmerkungen und einer Einleitung von dem Leben und den Schriften
des Dichterd. Leipzig bei Lehnhold, 1833. 3 Bde.
. Sauerund Neuhofer, Borlefungen über deutiche Klaſſiker. Tübingen
bei Cotta, 1810.
. Fr. Wild. Valentin Schmidt, die beutfchen Dichter Bürger,
Stolberg, Schiller und ihre Romanzen und Balladen erklärt und auf
die urfprünglicden Quellen zurüdgeführt. Leipzig 1827. Neuer Tit. 1865.
K. 8. Kannegießer, Vorträge über eine Auswahl von Goethes
lyriſchen Gedichten. Bredlau bei Richter, 1835.
. Heinrich Viehoff, ausgewählte Stüde deutiher Dichter, erläutert
und auf ihre Duellen zuriidgeführt. Emmerich bei Nomen, 2 Teife,
1836 und 1838.
Deutſche Dichter, erläutert von M. W. Götzinger, zeipaig bet
arttnoh, 2 Teile. 1. Aufl. 1831 u. 1832. 5. Mu 1875 u. 1876.
chillers Leben, Geiltesentwidelung und Werke im Zufammenhange
von Dr. Karl Hofjmeifter. Stuttgart 1837— 39. 5 Teile.
Schillers Dihtungen nad ihren Hiltor. Beziehumgen und nad) ihrem
inneren Zufammenhange von 9. F. W. Hinrich. Leipzig bei —
richs, 1837. Erſter lyriſcher Teil. (Anregend, jedoch mit großer Vor⸗
ſicht zu gebrauchen.)
.Schillers Gedichte, erläutert von Heinrich Viehoff. Stuttgart,
1839. 5 Teile. 2. Aufl. 1854. 3. Aufl. 1859 in 3 Teilen.
Handbuch der poetiihen Nationallitteratur der Deutfchen von Haller
bis auf die neuejte Zeit. VBolljtändige — Muſterſtücken
und Dichtungsformen, nebſt Angabe der früheren Lesarten, biographi⸗
ſchen Notizen und litterariſch-äſthetiſchem Kommentar. Bon Dr. Hein⸗
rich Kurz. Zürich, 1840 — 1842. Dritte Abteilung: Kommentar.
Schillers Leben für den weiteren Kreis ſeiner Leſer von Karl Hoff⸗
meiſter. Ergänzt und herausgeg. von Heinrich Viehoff. 3 Teile.
Stutigart, Becherd Verlag, 1846.
% Hub, Deutichlands Balladen- und Romanzen- Dichter. 2 Teile.
Karlöruhe, 1864 u. 1865.
U.Nodnagel, deutſche Dichter der Gegenwart. 1.Heft: Yreiligrath.
Eichendorff. Darmitadt, 1842. 2. Heft: Rüdert. Heine. 1842.
16. &. C. Henje, deutihe Dichter der Gegenwart. Erſte Lieferung.
Sangerhaufen, 1842.
17. Th. Briebibich, deutiche Dichtungen, zunächſt für Seminarien, Real-
ſchulen und höhere Bürgerjchulen erläutert. Erſtes Heft. Erfurt und
Leipzig, 1850.
58
— 94 —
18. Goethes Gedichte, erläutert und auf ihre Veranlafjung, Quellen und
Borbilder zurüdgeführt, nebft Variantenfammlung und Nachleſe von
Heinrih Viehoff. Büfleldorf, Berlag der Bötticherichen Budh-
nl 1846— 1853. 3 Teile. Zmweite umgearbeitete Aufl. 1869.
19. Goethes Iyrifhe Dichtungen. Nach den weientlichiten Geſichtspunkten
* betrachtet von Vockeradt. Paderborn, Schöningh, 1874.
20. Goethes Leben von Heinrich Viehoff. Stutigart. Bechers Ber-
lag, 1847 — 1849.
21. Goethes Liebe und Liebesgedichte von Dr. J. A. O. 2. Lehmann.
Berlin, 1852.
22. Boelhes Iyriiche Be für gebildete Xefer erläutert von 9. Dünger.
Elberfeld, 1858. 28
23. ee unb Goethes Balladen und Romanzen, erläutert von
€. 3. Saupe. Leipzig, 1853.
24, 6. U. Bürger; fein Leben und feine Dichtungen. Bon Dr. Heinr.
Pröhle. eipzig. 1856.
25. C. Gude, Erläuterungen deuticher Dichtungen nebſt Themen zu ſchrift⸗
lichen Aufſätzen. Leipzig. Erſte Reihe. Dritte Aufl. 1870. (7. Aufl. 1881.)
Zweite Reihe. Dritte Aufl. 1871. (6. Aufl. 1879.) Dritte Reihe.
Dritte Aufl. 1874. (5. Aufl. 1878.) Vierte Reihe. (6. Aufl. 1883.)
26. Gefammelte Aufſätze zur deutichen Kitteratur von Robert Heinrid
Hiede. Herausgegeben von Dr. G. Wendt. Hamm, 1864.
27. A. W. Grube, Afthetiiche Vorträge. 2 Bändchen. Sferlohn, 1864.
1866. Das erfte Bändchen behandelt Goethes Elfenballaden und
Schillers Ritterromanzen. Das zweite den Kehrreim bei Goethe,
Uhland und Rüdert.
28. Auswahl aus Schillers Gedichten, erläutert für Schule und Haus von
FR. Hartert. 1. Abt. Caſſel u. Göttingen, 1864. Neue Ausg. 1873.
29. Schillers lyriſche Gedichte, erläutert von 8. Dünger Wenigen-
ena, 1864 ff. 8 Bändchen
30. [opftod8 Oden ımd Glegieen mit erflärenden Anmerkungen und
einer Biographie des Dichters von Dr. Bernd. Wernete. Soeft, 1866.
31. ns Gruppe, Leben u. Werke deuticher Dichter. 5 Bände. Leipzig,
187
32. — und Nacke, Einführung in die deutſche Litteraur. Drei Bände.
4. Aufl. Leipzig, "1869. Giebente Aufl. 1876. 1877.
33. Goethes ausgewählte Gedichte. Schulausgabe v. J. W. Schaefer.
34. Schillers Gedichte Schulausgabe von Denzel und Krab.
35. Schillers lyriſch-didaktiſche Dichtungen für die Schule ausgewählt
und erläutert von W. v. Sander. Breslau, 188 1885. 1%.
36. Rüderts ausgewählte Gedichte, erläutert von E. Gößinger. Arau,
Sauerländer 1877.
37. Uhlands Balladenu. Romanzen, erläutertv. 9. Dünger. deipzig 1370.
38. Ih. Kriebigich, Mufterftüde mit Erläuterungen. Glogau, 1859.
39. €. 8. Leimbad,, ausgewählte deutfche Dichtungen für Lehrer und
Sreunde der LXitter. erläutert. 4. T. 2. Aufl. Caſſel, 1879 u. 80.
Beiträge zur Erklärung einzelner Gedichte finden fi in:
49. J. A. Hartung, Themata zu deutfhen Ausarbeitungen. Leipzig, 1863.
41. Ad. Heinze, Anleitung zum Diöponieren. Leipzig, 1869.
42. R. Haym, die romantiſche Schule. Berlin, 1870.
43. —— über die deutfche Ballade. eu in Fledeiſen und Maſius,
ahrbücher für Philologie und Pädagogik 1871. IL. Abteil. S. 401 ff.
44.
45.
46.
47.
— 915 —
C. Seydel, Behandlung poetifher Sprachſtücke. Leipzig, 1870 (für
die untere Rehritufe der Gymn. und Realſch.).
Der praktiſche Schulmann. Archiv für Unterrichtömaterialien. Begrün⸗
det von Körner, fortgeführt von Lüben, ſeit 1876 von U. Richter.
K. Eberhardt, Die Boefie in der Volksſchule. Langenſalza, 1880.
Rud. Dietlein, Wold. Dietlein, Goſche u. Polack, Aus deutſchen
Leſebüchern, Dichtungen erläutert für Schule u. Haus. Berlin, 1883.
Borgenannte Schriften wurden meift nur citiert, wenn ber
Titel nit ergiebt, welche Stüde darin erflärt find. Außerdem
können für die folgenden Nummern verglichen werden:
Sit Nr. 1—3. Hiede in Biehoffs Ardiv I, 3. S. 40—55.
32.
Viehoffs Ardiv II. 3. ©. 199. Hiedes gefammelte Aufſätze ©. 42.
Lüben u. Nade, Einführung u. f. w. III. ©. 33. Gude, IV. ©. 184.
ven gefammelte Aufl. ©. 43. Körner, in dem praft. en
9. Rüben u. Wade, DI. ©. 23. Bude, IV. ©.
Hieckes gejammelte Aufi. S. 46. Kriebibſch, —8 ©. 8 ff.
J. Günther, Handbuch für den deutichen Unterricht. Halle, 1845.
S. 23ff. Lüben u. Nacke a. a.O. II. 6.309. Gude, IV. ©. 118.
. Hiedes geſammelte Aufſ. S. 49. Düntzer, Goethes lyr. Ged. J. 6. 271.
Becker in Körners prakt. ———— 1. S. 168. Lüben u. Nadel.
— Viehoffs Archiv, J. 3. S. 40 ff. Leimbach I. ©. 171.
u
Be gefammelte Aufl. ©. 44. Viehoffs Ardiv, 1. 3. S. 40 ff.
ER Mufterftüde.. ©. 30. (au in Körners ——— Sa
mann IV. ©. 422); Ullrich in Körners pralt. Schulmann
®ude, IV. ©. 147.
Gude, IV. ©. 143.
Zeimbad, IV. ©. 333.
Kriebitzſch, Muſterſtücke. S. 201. Lüben u. Nade, II. ©. 341.
Hiedes gefammelte Aufſ. ©. 5.
Kriebigfh, Mujfterjtüce mit Erläuterungen. ©. 1
Hiedea.a.D. S. 8. Hiller, Jahrbuch des —— für wiſſenſchaftl.
Pädagogik. 1. Jahrgang. ©. 109.
. Hiecke a. a. O. S.11. Gude, L ©. 242. Frid im feinen Lehrgängen
und Lehrproben. Het 3. 75.
Hiede a.a.D. ©.16. Bude, I. ©. 239. R. Foß, zur —
Gene Programm der Bictoriafhule). Berlin, 1869.
üben u. Nade, II. ©. 363. Kriebitzſch, deutfche Dicht. < J
Eichholtz, in d. Berliner un f. Symnafialwefen. 1871. Januar⸗
heft. Schleufinger, im un d. Gymn. zu Ansbach v. 1876.
Hiecke a. a. O. S. 18. Budel ©. 261. R. ok 4. Karlsſage. ©. 26.
(Rriebigfch, deutfche Dicht. ©. 22.)
5 Berlins: Lehrbuch) ber GStiliftit Bd. I. S. 126. Rüben u. —
S. 408. (Heinze, Anleitung 3. Disp. ©. 202.) Leimbach, U
& 201. (2. Aufl.)
. Keimbad, UI. ©. 140. (2. Aufl.)
; —* a. a. O. ©. 22.
iecke a. a. O. S. 23. Hiecke, ber deutſche Unterricht auf a.
ymnafien ©. 153. 154. anders, im prakt. Schumann U. ©. 218.
Lüben u. Nade, II. ©. 349. Gude, S. 263. Kriebipfh,
beutiche Dit. ©. 26. Leimbach, IV. ir 280.
®ude II. ©. 279. Leimbad, III. ©. 251.
58*
. Viehoff, audgem. Stüde
— 916 —
. Gube, II. ©. 247. Lüben u Nade, II. ©. 215.
- Bude, IT. ©. 252. üben ı. Nade, IIF. ©. 241.
\ Hiedea. 0.0. 5.6. Kriebirfdh, Mufterftiinle. S. 98 ®röe, HE
= = — äfthetifche Bertolge II. ©. 282: Lüben u: Wads,
Lüben u. Nade, II. ©. 32. Gude, IV. &185:
@ubde, I. ©. 315. (6. Auft.)
Leimbach IH. ©. 314.
Zeimbad, I ©.184. (2. Au
>
£ Die 0.0.0. S. 4. Gude, I ©: 30. Krielituich,. Wiieflerfiliik.
&.41.
: Leimbad, 1 ©. 166. (2. Aufl.)
. Beder in Körners prakt. —— L & 178. Lüben uı. Rad
IL ©4299. Leimbach, I. ©. }
. Biller in Viehoffs Archiv II. ©. 72. IE, 2. ©.57. Dinger, Gum
thes Iyr. Gedichte, I. ©. 243. — im Programm des Bios
gymnaſiums zu Rietberg. 1868. Gude, I S. 168. 3 Auuli)) Læeianæ
Ba, IL S. 120.
. ®nde, IV. ©. 126.
. ®ube, IV. ©. 285.
. Gude, IV. ©. 281.
. Gude, 1. ©.4 Lüben u. Nade, I. ©. 360.
Leimbad), i ©. 251. (2. Aufl.)
; DIE im Archiv von Herrig u. Viehoff, IR &.37U. Wire,
. Rodnagel, ©. 205. Leimbad, HE ©. 276.
E Biehoft,
Auagem. er 1. ©. 2409 und in dio IR, 1. S. 58
Lüben u. Nade, II. ©. 313. Nodnagel, a — IV.
S. 115. Gärtner, ‚im praft. Schulmenn VIE ©. 6
. Zeimbad II. ©. 8
. Hiede in Viehoffs Hirchw I, 3 S. 24 wm derſelbe ber „deutiche
Unterricht“ &. 187— 171. Kriebigih, Mufterftüde @ 45. nude,
IV. S. 172. (Heinze, Anleitung 3. Dityon. ©. 38) Peimbad,
II. ©. 83. (2. Aufl.)
. Hiede in Viehoffs Archiv I, 3. S. 24 und derfelbe, „der oe
Unterriht“ ©. 167 — 171. Bude, IV. S. 173. Leimbach, II. 8.
. Bude, I. 262. Lüben u. Nade, IH. 370. Leimbach, IV. 303.
i sn ft, in Zillers Jahrb. des Bereind für wiſſ. Päüdag. Jahrg. 1879,
81ff.
.Lüben u. Nacke, II. ©. 150. Frick in Kern und Müller, Zeitſche
f. d. Gymnafialmefen, yahrg- XXXVI. ©. 321.
©. 102 und im Archiv II, 3. & 5A
gerling, Stiliſtik J. S. 305 — 307. Wieberhing im Programm 12
ymn. zu Redlinghaufen von 1852. Bude 146. Kriebipid
Mufterftüde S. 192. Hartert, L ©. 178. Heinze, Anleitung ;
Dispon. S. 163. Gruppe, V. ©. 238
. Kriebitzſch, Mufterftüde mit Erläuterungen & S. 168. Lüben nd
105.
- — Claudius u. Hebel u. ſ. w. 1864. ©. 35. Lüben u. Nacke,
110. ;
. Gude, II. ©. sn Lüsenn Nacke, I. S. 62. Leimbad, W. S. 3.
Lüben u. Re Mm. S. 1
115.
Nacke, UI. ©. 41. Gude, IV. S. 145
Rüben u. Nacke, UI S. 53,
II. ©. 19. Bes I. ©. 130. (2. Aufl.)
Seimbad, II
Leimbach, I ©. 34.
116.
166.
167.
— 917 —
Kriebitzſch, Muſte —— S. 101. Pröhle, Bürgers Leben. S. 123.
Lüben u. Nacke, D. ©. 161. deinze, ‚girleitung 3 Dispon. ©. 72.
Gude, I. ©. 148. Reimbad, I. ©.1
. Züben u. me I. ©. 415. a aſthet. Bortr. I. ©. 219.
Leimbach, OD. ©. 174. (2. Aufl.)
. Zeimbad, I Sen. (2. Aufl.)
; a in ‚Herrigs Archiv XXXIII. ©. 21—41. — IV.
.136. Lüben u. Nacke, II. S. 445. Leimbach, II. ©. 243.
ade I. ©. 2488. (5. Aufl.) Leimbad, IV. ©. 274.
. Rüben u. Nade, III. 387. Gude, IH. 291. Reimbad, IV. 286.
A. G. Lange, vermifchte Schriften ©. 240. Züben u. Nade, ©. 663.
. Xeimbad, I. ©. 259. (2. Auff.)
Ä Henneberger in dem Archiv von derrig und Busen UL ©. 370.
riebigih, Muſterſtücke. ©. 77. Gude, IV.
: an bein, er: 5.99. Lüben u. — II. ©. 360.
. 2eimbad, IH. ©. 169. °
. Gude, D. ©. 248 (Fleckeiſen u. Maſius Zahrbücher für Bhilol. u.
Pidagogit Sergung I 1877. 1. Abteil. ©. 523.)
. Zeimbad, I
i ee nur deutſche Dichter, IL ©. 509.
Yranz Kern, zur Methodik des deutih. Unterrihts. ©. 50.
. &ude, II. S. 274. Lübenn. Nade, Il. ©. 66. Heinze, Anleitg.
4, Diöben ©. 233.
iehoff, Archiv I, 1.104. Grube, äfth. Vortr. II, 299. Rüben
u. Nade, III. 316. (Schnorr v. Garoläfeld, Archiv v. 274.)
s Rrichipic, Siebenfahen. S. 200.) Leimbad), I. ©. 72.
. Zeimbad, II. ©. 185. (2. Aufl.)
. Naud, in dem Progr. des a ge — der Neumark
von 1851. Bude, I. S. 116. Pröhle a. a.O. S 124 Lüben u.
Nade, U. ©. 180. Gruppe, II. ©. 555. Leimbad), I. ©. 47.
.Gude, IV. ©.158. üben u. NRade, II ©. 433.
. %0B$ in dem Progr. des Friedrich Wilgelms- Gymnaſ. in an bom
344.
Jahre 1849. Bude, L ©. 137. Lüben u. Nade, I.
(Gruppe, IV. ©. 303.) Zeimbad, II. ©. 140
; Nieberding in dem zu Nr. 100 an eführten — Gude, J.
©. 110. Kannegießer in dem RNeuen Jahrbuch ber Berlinifchen
Geſellſchaft für deutiche Sprache Bd. IX. ©. 213. Kriebigih, Mufter-
ftüde. ©. 122 und Beder in Körners praft. Schulmann 1. ©. 277.
Lüben u. Nade, U. ©. 335. (Gruppe, IV. ©. 303.) Leimbad,
U. ©. 177. (2. Aufl.)
. Reliner, — — auf — u he Erfurt, 1843.
©. 140. Guͤde, IV. Lüben u. Nade, III. ©. 343.
artert L ©. 64. Tüben u. Nade, U. ©. 538. Gude, II.
.51. Viehoff, aus eu: — IL S. 154. Gruppe a. a. 6. F.
©. 227. Leimbad, IV :
: Meyer in dem in = Berrig u. ®iehoff, UI. ©. 236.
üben, im praft. Schulmann III. ©. 249. Röth, ebendaf. ©. 529.
artert, I. ©. 110. ®ude, IL ©. 131. Lüben u. Nade, LI.
. 516. Sanders, im praft. Schulm. VIL ©. 94 und (aus d. All
Beitung) ebenda XXX. ©. 693. Gruppe V. ©. 228. Seine
©. 29. Guth, praft. Methobil. ©. 177.
Viehoff, Archiv I. 3. ©. 34. eicbisih, Mufterftüde ©. 110.
(au in Körners prakt. Schulmann II. ©. 493.) Xüben u. Nacke,
II. ©. 429, Gude, IV. ©. 153. Leimbad, IV. ©. 242.
Side gejammtelte Aufl. S © 51. Leimbach, II. ©. 268.
168.
229.
230.
232.
233.
234.
— 918 —
Hiede, a. a. O. &.53. Kellner, Vorbereitungen auf höheren Sprad;-
unterricht 1843. ©. 153 ff. Lüben u. Nade, II. ©. 469. Gube,
V. ©. 274. (Kriebitzſch, Siebenfaden ©. 212.) Reimbad, IN. 272.
s Bichaff ausgewählte Stüde I. ©. 261. Hieckes gefammelte Aufl.
©. 20. Foß, Karlöfage S. 10. Kriebitzſch, deuiſche Dicht. ©. 25.
(Erissibie, Siebenſachen. ©. 216. Seibert, im praft. Schulmann.
. &. Grimm, deutihe Mythologie (3. Ausg.) Bd. IL. ©. 756 — 759.
Gude, IV. ©. 341. Leimbad, II. ©. 267. (2. Aufl.)
Zriebißſch, Muſterſtücke 147. Bude, IV. 276. Zeimbad, II. 286.
. Reimbad, Il. ©. 254. (2. Aufl.)
Gude, II. ©. 293
a Leimbad, IV. = 339.
Gude, IV. ©. 94.
; Sude, IV. ©. 90.
. Lüben u. Nade, II. ©. 206. Gude, IV. ©. 44.
. Gude, IV. ©. 50.
. Zeimbad, III. ©. 238.
. Keimbad, 1. ©. 238. (2. Aufl.)
Nodnagel, S. 167. Borberger, in Fledeifen u. Mafius Jahrbücher
für BHil. u. Bid. Jahrgang 1872. II. ©. 140.
—— ſtedſue . 114.
. Gude, II. ©. 286. Leimbad, I. ©. 199
8 Side —— Aufſ. S. 4. Gude, — ©. 277. Grube, äſt.
Vorträge. II. ©. 256.
. Herling, Stiliftit. (1. ©. 206.) IL. ©. 17. ann Nade, ILS.%.
Borchert, im pralt. Schulmann XVIII. ©. 3
43.
. Rüben u. Nacke, IIl. ©.
. Llüben u. NRade, II. ©. 35. Gude, IV. ©. 198.
. Rüben u. Nade, 1. ©. 743.
. Hiede in Bichoffs Archiv I, 3. ©. 62 und geiammelte Aufl. S
; Denk, der deutfche Unterricht. ©. 155. 159. 160. Luben n. Kade,
UI. ©. 342. Rriebigfch, deutih. Dicht. ©. 63.
i Viehoff, ausgew. Stüde I. ©. 232. Henneberger in dem Archiw
von Herrig u. VieHoff Bd. III. ©. 367. Lüben u Rade, IL
©. 237. Schulblatt der evangel. Seminare Schleſiens. 1870,
ee Gude, IV. ©. 247. Leimbad I. ©. 75.
üben u. Nade, 11. ©. 137. Widmann, im praft. Schulmann
VI. ©. 522. Heinze, Anl. 3. Dispon. ©. 75. sol, —
Stücke, I. S. 133. Gude, IV. S. 11. Leimbach, IV.
viehoff, og d. Gym. 3. Emmerich. 1835. Gude, 1. 152. Weiter.
Berm. Schriften. Bd. J. 100. Hartert, I. 75. Günther, Handbud 191.
Lübenu. Nade, II. 552. riebißſch. deut. Dicht. 64. Schillers Brief:
wechfel mit Körner, IV. 109. Leimbach, IV. 104. Fertſch in Fledeifen
u. Maſius Yahrbb. für Phil. u. Päd. Jahrgang 1883. S. 139 fi.
at I. ©. 151. Heinze, Anleit. 3. Dispon. ©. 164.
iehoff in dem zu Nr. 230 angeführten Progr. S. 3 und in den audge-
wäßlten StüdenT. ©.57. Gude, I. S. 187. Kannegießer in dem zu
Nr. 159 angeführten Auff. Beder in Körners praft. Schulmann II.
&.51. Kellner, Vorbereitungen. S.116. Lübenu.Nade, II. 6.351.
Kriebitzſch, deuiſch. Dicht. S. 5. Leimbach, II ©. 165.
Bude, —— I. ©. 169. Viehoff, ausgewählte Stüde IL.
©. 213. Hartert, I. ©. 140. Kellner, Borbereitungen. ©. 122.
Günther, Handbud). S. 103. Lüben u. Rade, I. ©. 612. —
im praktiſchen Schulmann V. S. 456. Leimbach, IV. S. 1
. Hiede,
. Biehoff, ausgewählte Stüde I. S. 251 und In dem zu Nr. 230 an
— 99 —
efjamm. Auff.S.27. Gude, IT. ©. 204. Leimbach, IV. S. 315.
— Progr. ©. 13. Hiecke, in dem Progr. des Gymnaſiums zu
erjeburg vom J. 1839 und in den gefammelten Aufſätzen ©. 55.
Gude, J. ©. 177. Kellner, Borbereit. & 157. Lüben u. Nade, II.
©. 395. eleblein, Sale Dit. ©. 5. Leimbad, IV. ©. 306.
. Zeimbad, I. ©. 15
. Neimbad, I. ©. 30. (2. Aufl.)
. Bude, IV. ©. 312. Leimbach, I ©. 272.
. Viehoff, ausgew. Stüde. I. S. 248. Defer, Briefe an eine Jungfrau.
©. 150. Leimbad, IV. ©. 271.
. Qude, IV. ©. 357. Leimbach, L ©. 232. (2. Auff.)
. Bude, IV. ©. 365.
Reimbad, I. S.103. (2. Aufl.)
. C. Risler in dem Archiv dv. Herrig und Viehoff J. S. 329 — 334.
Gude, L ©. 209. Lange, R. deutiher Merfur 1808. ©. 188.
Hartert, 1 ©.102. Lüben u. Nade, II. S. 580. Schillers Brief-
wechjel mit Körner, IV. ©.124. Gruppe, V. ©. 231. Leimbad,
IV. © 38 F. Kern, zur Methodik db. deutich. Unterr. ©. 59.
. Gude, IV. ©. 208. Henneberger in Herrigs und Viehoffs Archiv.
III. ©. 365. Nodnagel, ©. 258. Leimbad, IL. ©. 300. (2. Aufl.)
. ®ude, IV. ©. 299. Leimbad, II ©. 17. (2. Aufl.)
. Rüben u. Nade, II. ©. 26. Leimbad, I. ©. 137. (2. Auff.)
. (Xeimbad, IL ©. 8.)
. Gude, II. ©. 247. Lüben u. Nade, II. ©. 337. Kriebitzſch,
Deutihe Dichtungen. ©. 58.
. Kellner, Borbereitungen. ©. 149.
. Xeimbad, IH. ©. 230. (2. Auff.)
. Kiebredt im Neuen Jahrb. d. Berlin. Gejellfch. f. deutſche Sprache
Bd. VO. ©. 419. Bude, I. ©. 196. Lübenu. Wade, II. ©. 531.
(Sruppe, a. a. O. V. S. 228.) Guth, praftiiche Methodik. ©. 184.
Marcus Landau in der Beilage zur (Augsb.) Allgem. Zeitung 1884.
Nr. 36. (Urſprung und Bedeutung von Schillers Ballade „Der
Handſchuh“.)
. (Lüben u. Nacke, II. S. 435.) Leimbach, II. ©. 30.
. (Lüben u. Wade, UI. ©. 447.) Leimbach, IL ©. 241.
(Herling, zn — 413.) Leimbach, UI. ©. 319.
- Bude, I :
. (Xüben u. Wade, II. ©. 208.)
; yon ‚I. ©. 443.
ude, IV. ©. 353.
W. Paſſows Vermiſchte Schriften ©. 108. Carol. Lud. Struve,
opuscula selecta II, p. 4222— 426. Dünper I. S. 2831. Lüben und
Nade, I. ©. 410. (Gruppe, IV. 356. Kriebitzſch, Siebenfachen,
©.197.) Xeimbad, I. ©. 158. R. Hartung, 170 Themata 3. deutic.
Auffägen. ©. 102.
. Schünlein, Mufter- und Übungsblätter. ©. 37. Beder in Kör⸗
ners praft. Schulmann I. ©. 207 und Widmann ebenda IV. ©. 309.
Leimbach, I. ©. 152.
. Dyckhoff, im Brogramm des Progymnafiums au Rietberg. 1868.
. Kriebitzſch, Mufterftüde. 48. Bude, IV. 221.
. Zeimbad, II. 35. (2. Auff.)
. (Xüben u. Nade, III. ©. 243.) Gude, IV. ©. 244. (Heinze,
eimbad, II. 291.
Anleit. 3. Dispon. S. 28.) Leimbach, S. 118. (2. Aufl.) Barthel,
Vorleſungen über deutſche Litter. S. 1002.
331.
832.
.Leimbach, I ©. 1. (2. Aufl.)
. Dyckhoff {m nn des Progymnafiumd zu Mietberg. 1868.
Leimbach, IV
. Biehoffs Kein I L. <. 102-107. Nodnagel, deutiche Dichter ber
aan! &.53—62. Kriebitzſch, Mufterftüde. ©. 204. Gude.
I. ©. 273. Lüben u. Wade, II. &. 529. — L ©. 189.
ß Bude, I. ©. 280. Leimbad, I. ©. 220. (2. Aufl.)
: (Züben u. a II. ©. 487.) Zeimbad, TI. &. 193. (2. Aufl)
Gude II. ©. 2
Chamiſſos — gen und Anfichten auf einer Entdeckungsreiſe
S. 141. (Werle Bd. II. S. 290.) Gude, IV. ©. 252. —
im praft. Schulmann XI. ©. 591. Leimbach, I. ©. 8
J. Meyer im Ardiv ven Herrig md Biehoff I. ©. 232. Bube,
J. ©. 221. Hartert, ©.125. Rochholz, der deutiche Auflag.
S. 308. Lüben u. Nadel. ©. 591. (Heinze, Anleitung
Diep. S. 46.) Schillerd Briefmechfel mit Körner, 4. Tel. ©. 1
ann in der Berliner Zeitichrift für Opnnafialweien. 1871.
1. Heft. Gruppe, V. 6.231. Leimbad, IV. ©. 1
Liebredti im Beuen ahrb. d. Berlin. Seleitänft — Sprache
Bd. VII. ©. 422 und Pfeiffer ebendaſ. Bd. IX. S. 207. Viehoffs
Archiv, I. 1. ©. 52. Franz Pfeiffer, Germania, Bierteljahrs-
chrift für beutfche Altertumdhunde, 8. III. ©. 410.437 — 440. Lũ⸗
en u. Nacke, I. ©. 566. Gude, D. ©. 221. Gruppe, V. ©. 230.
Ausland, Jahrgang 1878, Nr. 35. Leimbad, IV. ©. 91.
Wild. Badernagel, Erklärung und Beurteilung von Er er? Le
nore. Programm des Bädogoglums in Bafel 1835, wieder abgedrudt
in den altdeutſchen Blättern von Haupt und Hoffmann, Heft I.
©. 174— 204. un das Safberftädter Progr. von Bodelmann
1837.) Herlin ©. 137 — 139. Bude, Erläuterungen, L S. 9.
Nauck in dem om des Gymn. EN Königäber in der Neumart
pom Sahre 1851. Bröple, ©. 77. a u. Nacke OD. ©. 189.
Gruppe, III. ©. 550. Leimbad, I .
Ä Dean 1. = 160. Bieboff, audgem. — DO. S. 226. Leim⸗
ach, IV
— 422. Götzinger, Deutſche Dichter, II. ©. 236.
üben u. Nade, II. ©. 244 Leimbad, I. ©. 106. (2. Auft.)
en in Biehoffs Archip, II, 1. ©. 67 —72.
ude, III. ©. 231. Kellner, Vorbereitungen. S. 91—9. Lüben
u. NRade, III. ©. 233. Breibenftein, im praft. Schulmann, VIL
©. 178. Leimbach, 1. S.8
. Nauck in dem Programm * Gymnaſ. zu Königsberg in der Neu⸗
mark vom Jahre 1851. Lehmann, — — u. Liebesgedichte.
S. 153. Gude, III. S. 213. (Gruppe, IV. ©. 303.)
.Gude, IV. 2: 233.
i Seimbad, IN ©. 100.
. Zeimbad, II 'e 106. (2.
i —— — =, 324. aliebiarn, Siebenjaden. ©. 216. Leim:
bad, L
: —— 55 2 D. ae 331. Gude, II. ©. 216. Bratranel,
äfthetiiche Studien.
76.
. Wilhelm Ludw. Sallans, üiber Uhlands Gedicht „die Mähderin“.
Tübingen, 1874.
. Leim ad, I. ©. 180.
: Reimbad, I. — 128. (2. Aufl.)
. Leimbach, II. ©. 190. (2. Aufl.)
460.
462.
— 921 —
.Gude, URN, Il. ©. 76. Lüben u. NRade, D. ©. 229.
©. 352
Seimbad, IV
. Viehoff, — Stüde, 1. ©. 225. Lüben u. Rade, D. ©. 217.
. Kannegieper, Erläuter., &.19. Viehoffs Arhiv, 146.6.
Lüben u. Nade, IL ©. 324. Bratranet, äfth. Studien. ©. 105.
Fern a.a.D. ©. 92.
Rannegießer, Erläuter., ©. 24. Lüben u. Nade, I. ©. 341.
Reimbad, I. ©. 208. (2. Aufl.) Kern, z. Methodik des deutſchen
Unterrichts. ©. 94.
Betterlein, LI. ©. 100. ®ruber, I ©. 220.
. Sößinger, 1. ©. 391
Kannegießer, Bortr. S.66. Lüben u. Nade, II. ©.333. Kern,
a. a. O., = 95.
artert, l. ©. nn
üben u. Nade, I. ©. 486. SHerling, I. S 382.
& und, Deufterfiie ©. 227. (Herling, D. ©. 381.)
. Zeimbad, IV.
. Reimbad, IV. — —
. Leimbach, U. ©. 229. IV. ©. 236.
. Biehoffs Archiv, En 1. ©. 91. Leimbach, I. ©. 205.
. Kübenu.Nade, U. ©. 55. Heinze, Anleitung 3. Diepon. ©. 233.
Seimbad), II. ©. 40. (2. Al — II. S. 506. Eckardt
im prakt. Schulmann, XX. ©. itter in Frid und Richter,
Lehrproben Frginge Heft 2.
. Neimbad, I
; Nodnagel, ©. Ta — I. 2 196.
. Dfterwald, u praft. Cchulmann, I . ©. 77.
. Leimbach, IV. S. 248.
. Reimbad, L &. 154.
Leimbach, I ©. 276.
. Betterlein, I. ©. 284. — S. 119. Götzinger, deutſche
Dichter, II. ©. 82. Gude, I. ©. 3
. Küben u. Nade, II ©. 539, — IV. ©. 317
. Biehoff, ausgewählte GStüde, U. ©. 120. (Herling, 11. ©. 160.
u IV. ©. 307. Rochhoiz, deutſche Arbeitsentwürfe, T. 2.
.Leimbach, D. ©. 309. (2. Aufl.)
; Betterlein, I € 254. Gruber, L ©.102. Weickert in d. Qudauer
Progr. vom 9. 1840. &ößinger, 1. ©. 75. Zeimbad, UI. ©. 115.
. Betterlein, II. ©. 14. Dilfhneider und Billmann, I. ©. 11.
Ferd. Deibrüd, lyriſche Gedichte mit erflärenden ‚Anmertungen, J.
S. 237-258, abgedrudt in Viehoffs Archiv, II, &.87. ru:
ber, J. ©. 160. Gude, III. ©. 253. Küben u. Made I. ©. 441.
Herling, D. ©. 349. Gößinger, II. ©. 100. Edardt im praft.
Echulmann, XXL. ©, 646. Leimbach, II. S. 220. (2. Aufl.)
Klopftods Brief in: „Klamer Shmidt: Klopftod und feine Freunde“
(1810)1. ©.103. Betierlein, 1. ©. 225. Biehoff, ausgemw. Stüde II
&.1—16. Sruber, I &.83. Bude, 1. ©. 44. Wernefe, S. 117.
a d. deutfche Auffab, S.297. Herling, Il. ©. 372. Suppe,
Bößiuger, S. 63. Leimbad, III. ©. 122.
K. L. Kannegießer, über Goethes Harzreife im Winter. Progr. des
Prenzlauer Gymn. vom J. 1840 u. Vorträge ©. 34—47. Biehoff,
ausgew. Stüde I. S. 13 u. Archiv II, 4. S. 107. Abeken in Weiter:
manns Monatsh. 1864. Nov. ©. 177. Dez. S.306. Goethes Briefe
an Fr. dv. Stein.
463.
464.
465.
474.
475.
477. ©
478.
Leimbad, II. ©. 52. (2. Aufl.)
. u. 487. vergliden mit den Mythen des Witertums von Klautſzch.
516
519.
— 122 —
Gude, II ©. 165.
Goethes Brief an Lavater vom 16. Sept. 1776. ©. 22. Viehoffs
Archiv II, 4. S. 102 Kannegießer, Bortr. ©. 61.
Kannegießer, Bortr. ©. 132. Lüben u. Nade, OD. ©. 386.
Kannegießer, Bortr. ©. 139. v. d. Hagen in dem Neuen Jahrb.
der Berlin. Geſellſch. X. S. 270— 275. Lehmann, Goethes Liebes⸗
gedichte S. 187. Kriebitzſch, Muſterſtücke mit Erläuterungen ©. 127.
eimbad, Il. ©. 192. ßinß, Horazſtudien S. 348.
Goethes Bee Bb. 38. ©. 187. Viehoffs Arhiv I, 4. ©. 62.
Kannegießer, Bortr. ©. 130. re 2.0. ©. 189. Gude,
J. ©. 283. Lüben u. Nacke, D. ©. 358. Bratranek, üftgetifche
Studien ©. 62. Kriebitzſch'a. 0.D. ©. 197. Mafing, über ein
Goetheſches Lied. are, 1872. Leimbach, U. ©.194. (2. u)
ude, II. ©. 2 Rüben und Nade ©. 355. Leimbad, UI
S. 198. (2. A
— 2*— Deutſche Dichtungen. ©. 60. Leimbach, II. ©. 296.
(2. Aufl.)
Progr. ber‘ ealihule zu Brandenburg vom 3. 1857. Bindelmann
in dem Programın des Gymn. zu Salzwedel vom J. 1843. S. 30.
Hartert L 27. 52. Gude, IU. ©. 126, ebendaf. ©. 138. Süben
u. Nacke, II. S. 625 (aud im praftifchen Schulmann XII. ©. 496.)
Gobinger, I. ©. 321 u. 327. — IV. S. 157.
. ®ude, III. ©.181. Hartert, IL S.90. Götzinger, OH. ©. 432.
Leimbad IV. ©. 167.
. Naud in dem Programm des Gymn. in A in der Neumark
©. 411.
vom J. 1851. Hartert, J. S. 12. Gößinger, I
. Kannegießer, Bortr. ©. 76.
. Aus „Brometheus”, ein dramatifched Fragment vom J. 1773, vgl.
Goethes Werke. (Ausgabe in 30 Bänden. 1851.) VO. ©. 212.
KRannegießer, Bortr. ©. 71. Biehoff, audgew. Stüde L ©. 1.
Eberh. Ziengibt, dr. H. Jacobis Leben. S. 49. Leimbad, IL
©. 210. (
. Kannegießer, Bortr. S. 81. (Leimbad, IL ©. 218. 2. Aufl.)
Hartert, I. 9.154. Edardt, Anleitung dichterifche Muſterwerke zu
lefen S. 100. Roch holz, der deutfche Aufſatz, ©. 287. meienip id,
deutihe Dicht. S. 28. euling im prakt. Schulmann. VII. ©. 593.
(Herling, ID. ©. 165.) Säule rim a der Realichule von
Konftanz 1876. Leimbad, IV
. Kannegießer, Vortr. 29. line 1 379. Kern, a. a. O. 8.
. Betterlein, I. ©. 140. Gruber, I. ©. 33. Sernete ©. 9.
Gude, L S.55. Zeimbad, IN. S. 128. (2. Aufl.)
. Lehmann, im Programm des Sm zu Marienwerder, von 1843.
Gude, II. ©. 239. Zeimbad, II. ©. 113.
(Leimbad, I. ©. 127. 2. Aufl.)
; Betterlein, I. — 234. Grnber, I. ©. 236. Gude, I. ©. 241.
Leimbad, I. &. 114,
. Rannegießer, ee S. 161. Edermanns Geſpräche mit &oetbe
I. ©. 229. Lehmann, a. a. O. ©.196. Sanders, in Körners pralt.
Schulmann III. ©. 23. (Nochmals abgedrudt ebenda Bd. V. ©. 529.)
Bratranel, äfthet. Studien. ©. 80. Gude, II. ©. 182. Leim:
bad), II. ©. 189. 2. Aufl.) Plũß, Horazftubien ©. 364.
Leimbach, In. © 192. (2. Aufl.)
Bude, I ©. 2
521.
525.
526.
528.
529.
533.
534.
536.
537.
538.
539.
541.
544.
544.
— 1323 —
Bude, IV. ©.72. Leimbach II. ©. 157. Aufl.)
Gude, IV. ©. 109. Viehoffs Ardiv I, 1. S.79. Leimbad,
ID. ©. 807.
Zeimbad, IL. ©. 327. (2. Auf.)
Viehoff, ausgew. St. I. ©.65. ©. v. Leinburg, Sch. Lied von d.
Glocke. Beleuchtet u. erflärt. Frkft. a. M.1845.8. Road. Günther,
deutiche Klaſſiker Bd. 1. Sch. Lied von der Glode. Eiberfeld 1853.
Töchter- Album von Thella von Gumpert Bb.IV. ©. 419 — 426.
Dr. Wiedaſch, über den idealen Charakter, die fünftleriihe Form u
den Gedantengehalt in Sch. Ried von der Glode, in dem Progr. d
Lyceums zu ——— vom J. 1858. Gude, I. ©. 191 (auch *
prakt. Schulmann IX. ©. 231.297.) Lüben u. Nacke, II. ©. 639.
Kriebitzſch. deutſche ar S. 44. (Kolbe, in Fleckeiſen u. Maſius
neue Jahrbücher. 1868. 2. Abteil. S. 257.) Deinhardt, Beiträge,
zur Würdigung Shillerd. 1. Bd. (Heinze, Anleitung zum Dispon.
S. 135 u. 204.) Schauenburg, Schiller Glocke u. Homers Achilles⸗
ſchild, in Fleckeiſen u. Mafius Kadıb. 1872. 2. Abteil. 87. ent
Schillers Lied von der Glode. Programm des Gymn. zu Paderborn
1874. Gruppe, V. ©. 233. —— 8 der deutſchen Litter.
III, 2. S. 243. Leimbach, IV. S. 181. A. v. Sander, Sch. lyr.
didati Dichtungen. 1. Teil.
Gude, II. S. 180. Leimbach, I. S. 235. (2. Aufl.)
A. Koberſtein, zu und über G. Gedicht: Hans Sachſens poetiſche
Sendung. Naumb 1847. 8., auch in den vermiſchten Aufſätzen (1858)
S. 63 — 91 und in dem Weimariſchen Jahrb. Bd. J. = 299 — 321.
(Gruppe IV. ©. 301.) Heinze, Wnleit. 3. Disp. ©.5
Kannegießer, Bortr. ©. 177.
(Gruppe, IV. ©. 337.) Hettner, a.a.D. UI, 2. ©. 225.
Eifenfhmibd, Polymnia Bd. IV. S 24 25. Patr. Anzoletti,
——— — des Spazierg. von Sch. (Progr. von Bozen 1865.)
üben u. Nade, I. ©. 491. Gude, III. ©. 90. enpid:
deutiche Dicht. ©. 33. (Heinze, Anleitung 3. Dispon. ©. 203.) Rod-
ee Nrbeitsentwürfe. 2. Teil. S. 407. (Gruppe, V. ©. 238.)
v. Sander, Sam Iyr. dydaktiſche Dichtungen. 1. Teil.
ne II. ©. 277,
Kannegießer, Vortr. ©. 78. Leimbad, I. ©. 216. (2. Aufl.)
F. Kern, in Sledeifen und Maſius Jahrb. für Phil. und Pädagog.
Jahrgang 1879. TI. Abteil. ©. 196 ff. Derjelbe, zur Methodik des
deutſchen Unterr. ©. 103.
Über Rückerts Lehrgediht „Die Weisheit ded Bramanen.“ Won
W. U Paſſow, en des Gymn. zu Meiningen von 1840.
(5.) Leimbad, IV. ©.1
6.) Leimbad), IV. 06 Najfemann in Yrid und Richter,
ehrgänge und Rehroroben. Heft 4. ©. 83.
Erllärungen zu Hebels alemanniſchen Gedichten.
A, an.
Abe, aben, herab, hinab, nieder.
de, Naden.
Alliwil, allzeit, immer.
Nrfel, Uerfeli, ein Arm voll.
AB, daB, damit.
Balge, Borwürfe machen.
Batte, —— frommen, beſſern.
Barfis, barfuß.
Bauweie, Baumwolle.
Bieti, entbiete, melde ich.
Bis, fett!
Biſch, bift.
Blüeiht, blüht.
Biueft, Blüte,
Bohle, werfen.
Bosget, Bosheit, Mutwille.
Briegge, weineit.
Briggam, Bräutigam.
Brosme, Brofame.
Bruuch, Brauch.
Bruttle, halblaut redend fortgehn.
—— Buche, Kapelle dieſes Na-
But. Bürſtli, Burſche, Bürfchlein.
Nütfheli-Chind, Wickelkind.
Cha, chani, chaſch, kann, kann ich,
kannſt.
Check, keck.
Chilche, Kirche.
Chilſpel, Kirchſpiel.
Chlöpfe, (klopfen) knallen.
Chnödlene, Knöchel.
Chrenzech, Grenzach.
Cho, kommen, gefommen.
Chresme, klettere.
Chretze, Tragband.
Chrieſi, kleine Waldkirſche.
Chroſplig, —— — — der
Rinde des friſch gebackenen Brotes.
Chruſe, Krug.
Chuche, hauchen.
Chumm, Hunnft, chunnt, komme,
tommft, kommt.
Chummi, Kümmel.
Dengle, dengeln, durch Hämmern
ſchaͤrfen.
Denglegeiſt, Geſpenſt d. Feldbergs.
Der, der; — dir.
Di, dic; dein.
Dotſch, Ungefdidter.
Dört, dort.
Dur, duren, durd.
Echt, echter, etwa, wohl; mhd. iht.
Ehne, jenfeits, drüben.
Eis, eine.
Engelfüß, Züpfelfarn. Polypodium
vulgare. (Heilfräftige Wurzel.)
Erluftere, erlaufchen.
Faſchinat, Bufchwerk zur Einhegung
von Gewäflern. (fascis.)
Fazenetli, Schnupftuch; aus dem
itafieniichen fazoletto.
— Föhrenwald, Kiefer
Sinnen Yrauenmantel,
Sinau. Alchemilla vulg.
Hrüehlig, Frühling.
Fure, Furde.
FSurtdo, forttommen.
Füre, vor; für fi, vor fi, voms-
bin, vorwärts
Sürtud, Schürze.
Gafich, gaffft.
®ang, geh! mag geben.
Gange, gegangen.
Gangi, gehe id).
Gattig, wohlgebildet.
®e, geben, gegeben.
Gebiß, gebe und.
Beiple, auge
Gel, gelb.
@ell, gelt, nit wahr?
Gen, (wir, fie) geben.
Gere, — ehren,
S’ha,
&’ alt, ekittnis, Bimmer.
Gigſe, tnarren.
Git, giebt.
Go, gen, nad)
u, gohſch goht, gehen, gehſt,
os, gebt! (imper.)
Sottwilde, Begrübungsformel: wills
fommen! mhd. gote willekomen.
G'ſegott, ſegne Gott.
— 95 —
S’feit, gejagt. .
G'ſi, geweſen; mhd. gesin von sin
fein; vgl. ©.852 3. 102.
-Güggele, guden, deminut.
Buhl, Hahn; vgl. Nachti-gall.
Gumpe, fpringen, büpfen.
Gundel, im Original Chüngelt,
Kunigundchen.
G'wülch, Gewölk.
Ha, heſch, het, habe, haſt, hat.
[Hani, habe ih, hemmer, haben
wir, hen (wir, fie) haben, hen⸗
der, habt ihr, heig (er, fie, es)
babe] _
Habermart, Haferwurz. Scorzo-
nera hispan. (Saffeefurrogat.)
Hajebrötli, Yeldbinfe. Luzula cam-
pestris. (Süßlihe Samen.)
afelire, toben.
alde, auf= oder abfteigende Berg⸗
feite.
äli, Schaf. (Kinderausdrud.)
andumtehr, fo geihwind als man
eine Hand umlehrt, im Umjehn.
Hätteli, Name der Ziege beinı Toren
und in der Kinderiprache.
Her, Herr.
t, bin
hin.
ae Binterher.
ochi, Höhe.
Hofertig ftoh, Gevatter ftehn.
Holderſtock, Geliebter, Geliebte.
Hurft, Straud; Blur. d' Hürſt, das
Dickicht, Gebüſch.
Hüt, heute.
J, ich; ein, hinein.
Je, immer; je.
Jeſten, Launen.
mmii, Bienchen.
aufſch, Läuft.
Lehre, lernen, lehren.
Legi, Flußwehr.
Lenge, nad) etwa greifen, langen.
Letſch, (ital. laccio, fpan. lasso)
Schleife, Schlinge.
Lewat, Rübfen, Raps.
Lieſtel, LXieftal, Liesthal. (Kanton
Bafel.)
Lit, Liegt.
Lömmer, laflen mir.
Loß, Taf.
Loſe, aufhorchen, faufchen; mhb.
losen.
Luege, fohauen.
Zuepfe, Lüpfen, in die Höhe Heben.
Ma, Dann.
Mäntig, Montag.
Me, man.
Meiddelt, dem. zu Meidli; diejed
aber dem. zu Maid (Magd) Mäbd-
hen; alfo Heine Mädchen (Mä⸗
delchen.)
Meinſch, meinſt.
Meng, manch.
Menich(zuſammengezogen), man euch.
Mer, mir; wir.
Merki, merke ich.
Mi, mich; mein.
Mittere, mit ihr.
Möhnli, Unke, Maifröſchchen.
Mummeli, Lockruf und [kindliche]
Bezeichnung der Rinder.
Muul, Maul, Mund.
Nächti, Necht, in der eriten Hälfte
der vorigen Nacht
Näume, irgendwo; näumis, irgend
etwas.
Nidſi, niederwärts.
Niemes, niemand.
No, nach (nootno, nach und nach).
Numme, nur.
Nümme, nicht mehr.
Nüt, nütt, nichts.
Obe, oben; Abend.
Oebbe, etwa.
Phateſt, Laune, Poſſen.
Pfohl, Pfahl.
Plütſchi, Blöcke.
Pöpperle, Verkleinerung von pop⸗
pere, ſchnell und ſchwach klopfen.
Ranft, Rand.
Reinli, begrenzende Bodenerhöhung.
Rain
Rhinek, Rheineck.
Ribi, Reibemühle.
Rickli, Schnüre, durch welche ein
Band geht, um Kleider feſter an⸗
zuziehen.
Rieme, Streifen, Bezeichnung eines
Ackergevierts.
Riife, Reif (pruina).
Roth, Rate.
Nüeihig, ruhig.
Sad, Sache; ed iſch e Sad, es
ift feirte Kleinigkeit.
Sägeſe, Senfe.
Schaffig, geicäftig, thätig.
Schiehut, Strohhut (Schie= Schein).
Scheie, Paliſſade um die Gärten.
Säliefe, fchlüpfen; mhd. sliefen.
Schlofſch, ſchläfſt.
Schmele, dünnes,
— Grashalm.
SHögli, feine Heuhaufen; ſchö—⸗
hen, zufammenhäufen.
Shwälmli, Schwalbe.
langhalmiges
Se, ſo.
Seh, feben.
Seihe, füen.
Seiſch, Seit, ſagt ſagt.
Sell, feſ, ſolch, ies, das.
Sepli, Kofeph.
Si, fein; fi; fie.
Sider, ſeit, unterdeffen.
Simmer, find wir.
Sölli, fehr.
Spätlig, Spätjahr, Spätling. Val.
Frühling.
Stoh, ftehen.
Stoht, (er, fie, es) fteht.
Stoße, Bein, Schentel.
Strehle, ftrählen, fümmen.
Stune, ftaunen.
Sufer, fauber.
Suge, fangen.
Su, füft, fonft.
a Zeldmak = ] Morgen.
Tieif eh ofe, Dieffenhofen.
Toneli, Anton dem.
Troche, troden.
Trülle, trillen, treiben.
Trümelig, taumelig, ———
Treit, (er, ſie, es) trägt
Ub ercho belonimen, er alten.
Uffeme, auf einem.
Urig, etwa foviel wie wüſt, wild, toll.
Uje, Heraus.
Ufer, ueſer, unfer.
926
Uſſen, außen, draußen.
Visperle, flültern, plaudern, rie=
feln, plätjchern.
Bogt, Schulze, Schultheiß; Bög-
tene, Frau Bö ögtin.
Borles, Borlefe, dad Recht Wein
und Opft früher al3 andere Iejen
zu dürſen.
Wade, erwachen.
Wage, Wagen.
Wagle, Wiege.
Wahle, wallen.
Warbe, umwenden, ummerfen (das
Heu).
Waſſerſtelzli, Bachitelze.
Weger, wahrlich.
Weſerei, Rentamt und Weinſchank
bei den Eijenwerfen zu Haufen.
Weiſch, weißt.
Wide, Weide.
Wie, wie, je.
Win de w 3 (wonneweh) wohl u. weh.
Wirſch, mirft.
Witers, weiter.
Witt, willſt.
Wo, wo; — als; welcher, e, es.
BWöihli, Waſche
Wuli, Name der Gans beim Locken
und in der Kinderfprache.
Wundervitz, Neugierde, ein neu-
ieriger Menſch.
Wüffe, (wir, fie) willen.
Zeig, laß jehen!
Zimpfer, jungfräulich, jüngferlid.
itig, zeitig, reif.
itli, Tafchenuhr, Ubr.
urzi, Zurzach.
ündis, (zünde) leuchte ung.
Züber, gober Waffergefäß.
Züribiet, Züricher Gebiet.
Beſondere Bemerlung zu Nr. 399: Die Wieſe.
An dieſem Idyll feiert Hebel den Fluß feiner Heimat, bie le
unter bem Bilde eined alemanniſchen Mädchens, um fie durch alle Stufen
Kindheit und Jugend hindurch, endlich als —— Braut dem „großen Sohne
des Gotthard“, dem Rheine entgegenzu
ren. Wenn dabei der Lauf des
leßteren nur in rafchen Strichen gezeichnet worden ift — doch werden echt
epiih alle Stätten genannt, bie er nad) jeinem Austritt aus den Schweizer⸗
ber A berührt, vgl. 8. 240
ihren freudigen Wegen;
den Felſenhohen des Feldbergs im
0. —:fo Hr dagegen von vornherein im der
Aufgabe des Dichters, ‚jeden Schritt ber
iefe „mit Geſang zu begleiten auf
und fo verfolgt er fie denn von ihrem Urfprunge auf
reißgau biß zur Mündung bei Klein⸗
Hüningen unterhalb Bafel. Das liebliche Thal,
en ift mit ne Ortichaften bededt und
Des Luthertums abhängt, ohne darum glaubens n
ſchen und reformierten Nachbarn zu jein. (Bgl. V Einft
Diefe Landſchaft den Grafen von Rötteln zu, an an Geſchlecht no
heute die Trümmer bed gleichnamigen, 1678 von den Franzoſen zerftörten
Schloſſes (B. 148 ff.) und dad Dorf Rötteln erinnern, deſſen Pfarrer
Hitzig (B. 165 ff.) ein Augendfreund Hebeld war. Seht iſt der wichtigſte
Ort des Thales der Amtsſitz Lörrach (V. 169), wo Hebel als Gymnaſial⸗
lehrer wirkte; andere anſehnliche Städte find Zell (V. 70) und Schopf⸗
beim (8. 139), in deren Nähe Haufen („Hufem“) liegt, Hebeld Heimat3=,
wenn aud nicht Geburtsſtätte. Bei diefen Punkte verweilt — gleichjant
untillfürlid — das Gedicht am längjten (vgl. die Schilderung der Tracht
3. 93 fi); bier — ihm das eigentliche Wieſenthal (V. 87), zugleich
ſcheint hier zu Hebels Zeit die a Sgrenze zwiſchen den verichiedenen Kon⸗
feffionen geweſen iu fein (8. enn da8 obere, no im Abfall des
Schwarzwaldes felbft belegene —* iſt — von Katholiken bewohnt;
dorthin an die Ortichaften: Todtnau (8.5), Uzefeld (8. an: die
Eben —— (V. 52), das BR Schönau (B.55), Mam—
bah (2. 70). — Unterhalb Schopfheim bei Gündehauſen nimmt die
Wieſe a anderen Waldbach gleihes Namens auf (B. 143), und nun
zieht die zum Yluffe erwachſene, Matten und Fluren befruchtend, Eifen-
bämmer und Müblen treibend, doch jezumeilen auch die Berftörungen eines
Wildwaſſers verbreitend, auf der lebten Strede ihres Laufes noch an einer
io von Städten, „Iharmanti Dörfre und Chilchtürn“ vorliber. Es find
(vgl. B. 157 ff): Maulberg, Höllfiten, Steinen (B. 159 ein Dorf, in
deſſen Nähe Hebel3 fchwererfrantte Mutter auf freien: Felde vom Tode ereilt
wurde), Hauingen, Hagen, Rötteln, Thumringen, Lörrach, Stet-
ten, Bro mbad, Weil (der dortige Biarrer Tobias Güntert, ein alter
Freund Hebel) und Riechen.
Erklärungen zu Groths und Storms plattdeutſchen
Gedichten.
Amer, über. Bru’t, bruet, braut.
Ahn, ohne; mhd. Ääne, än. Blom, Blume.
— A die, an dem. Bün, bin
As Büfum in Hofftein, norder⸗ dithmar⸗
Bad, Dohle, Brett, Planke. N an der Weſtſee auf ber äͤußer⸗
Beven, bewen, bewern, beben. ten Südweſiſpitze einer Halbinfel
Beden, beten. gelegenes Kirchdorf, lag ehemals auf
Beet, ein Stüd Vieh, bei. Rind. einer Inſel, die erſt nach und nad)
Bet, „sie landfeit geworden iſt.
Bi, Dach, dachte.
Bi "Rural, Beder, Blatt. Daer, durd.
Blev, blieb. Dag, "Tag.
Böken, Buchen, aus Buchen. Dal, nieder; op un dal, auf und
BlöH, blübete. Dat, Dad.
Borre, Boden, Grund. nieder.
zen da.
a8 = .Nal. dee
Datsar. 8 5
Ar; did.
„ın, dein.
Doch, dodyen, doch.
Dörp, Dorf.
Drom, Traum.
Duken, tauchen.
Dun, Dune, Ylaumfeder.
Eer, Erde
Er, ihr.
Fallt, (fe fallt), fie fallen.
lot, Flut.
Fot, Blur. Föt, Sub.
Sram, fromm.
Trede, Freden, Friede.
Garn, Garten; engl. garden, franz
Jardin.
Seit, gebt.
Sraff, Stab; aber auch ®raben.
(Gradtt.)
Grasnarv, Gradnarbe, Grasdecke.
Graſen, graſen; int Graſen, beim
Graſen.
Grot, groß.
Hadbar, Storch, odebero, Heil⸗
bringer.
Haf, Bart, Meer, Toweit es das
Ufer bei der Ebbe bioßlegt, bei
der Flut bedeckt. Datwille Haff,
dad wilde Meer.
Harr, hatte.
Hart, Herz; engl. heart.
Hartli, berzlih, was von Herzen
gebt.
He, er.
Hebben, haben; fehebbt, fie haben.
Hendal, hinunter.
Holen, bolden, halten.
Holt, hohl.
Hörn, hören, hörten.
Hus, Haus.
Iſ't, ift es.
Je, ja.
Jümmer, immer.
Kamen, kommen; fe kamt, fie
fommen.
Kanter, Kantor.
Kart, Kirche.
Keem, fam, käme.
Kiken, guden, fchauen.
Kinnermeeg, Kinderwiege.
Knee, Knie.
Koh, Ruh.
Kopp, Kopf.
Krupen, friehen; engl. to creep.
Rad, ladıte.
Larm, Lärm.
Raten, laflen; engl. to let; je lat,
fie lafen.
Leew, Leev, Liebe, lieb.
Leewen, (eeven, lieben.
Rev, lebie.
Leven, leben, leben; engl. to live.
Rifen, leife.
Löppt, läuft.
Luck, Lode.
Rütt, Hein.
Maan, Draand, Mond.
Man, nur, aber; en wan; bolländ.
mar, franz. m
Mant, zwiſchen, — engl. among;
vgl. mengen.
Mark, Markt, Marktplag, Meſſe
Marten, merten, bemerken.
Mi, mir; mid.
Min, mein.
Minſch, Menid.
Mitünner, mitunter.
Mod, Moth, Mut.
Munteln, im geheim ſprechen.
Mutt, muß.
Na, nad.
Nacı, Nacht.
Nan, nach dem.
Natt, naß.
Namwer, Nachbar; engl. neighbour,
mhd. pächgebür eigentl. Rahbauer,
Nebenmohner.
Neeg, nabe; engl. nigh.
Ni, nicht.
Kir, nichts.
Och, ad! o!
Old, ol, alt. De Ole, der Alte,
Vater; de Olſche, die Alte, Mutter.
ppe, auf die, auf den.
ver, über.
Pahl, Pfahl.
Pogg, Froſch.
Her "al8 dj. bereit, engl. ready;
als. Adv. förmlich, wirklich.
Nein, ganz, gar.
Neth, Ried.
Nöppt, ruft.
NRiilen, riechen.
Rüden, Binfen.
Hut, Br hinaus.
Si, Tag
Sadıt, a, ſachen, leiſe, ftill.
Saen, Sohn.
Sgaelen, vom Abipülen der Ufer,
Wegfpülen des Landes durch Strom
und Wellen.
Schap, Schaf; engl. sheep.
Scheten, ſchießen; engl. to shoot.
Schnlpern, ſchwanken.
Seeg, ſehe, ſah.
Seggen, ſagen; ſe feggt, ſie ſagen.
Sehn, fehen, ſahen
Seide.
Slapen, ſchlafen; engl. to sleep.
Siepp, fhlüpfte.
Sleit, fchlägt.
Stiten, Tchleichen.
Slöppi ſchläft.
Snaden, plaudern, ſchwatzen; dün.
snakke, ſchwed. snacka; je fnadt,
fie plaubern.
Spöl, fpülte.
Shräten, ſprechen.
Strat, Straße; engl. street.
Strit, Streit.
Süht, fieht.
Siünd, find.
Sung, fang.
Swar, ſchwer.
Thran, Thräne.
Tid, Zeit.
Torn, Turm; mhd.
8.42. u. 6.617. 8.
Tröjten,tröften; je tröfl,
Tum, zum.
Um un bi, ergänge bi.
Unner, unter.
Unfe, ung’, unier.
Ut, aus
Vaer, vor, für.
Beh, Vieh.
Verbaſ't, bejtürzt, verftört, verwirrt.
Berbiftern, verirren, fich verwirren.
Voß, Fuchs. (De V. bruut = der
Nebel braut.)
—— heute morgen, die⸗
ſen Morgen.
Vunne, von den.
Wa, wie.
Bater, Waſſer; engl. water.
Week, weich
Weenen, weinen; fe weent, fie
iveinen.
Weer, war, wäre.
Weeten, willen.
Wege, Wieg e.
Degenled, VWwiegenlied.
Wit, weit.
Witt, weiß.
Wöohi, wühlte.
Wul, wull, wohl.
Wull, wer? (wull, weet?) wer
weiß?
59
Is
2.
s; Rancieren, (lancer le cerf)
„#
S
Stoppen
„engen zu „birſchago a
Ar. 440
Piqueurs, die Leiter d. Jagd.
den Hirſch auftreiben: aber
auch bloß: den Hund auf bie
Fahrte desfelben zu briugen
willen. Lancierhund, derjenige,
welcher bei der Hebjagd den
un zuerft „jprengt“ (vom
ager aufjagt).
Stöber find Spürhunde,
Braden dagegen Hekhunde.
Wenn ed übrigend Str. 22
heißt: „Auch ihm folgt eine
raue Brade”, jo ift diejer
Bufab nicht bedeutungslos,
denn neben den Hunden weißer
Raſſe (ſogen. Baulx oder Grof-
fiers) ſtanden die grauen wäh⸗
rend des Mittelalters in hohem
Ruf. Sie waren von Ludwig
dem Heiligen bei ber Rückkehr
aus alättine (1254) mitge:
bracht worden und jollten der
Sage nad niemalö von der
Zollwut befallen werden. In
der That aber waren fie grim⸗
mige, N Heßer.
1. ſtopfen (engl.
stop), ebenſowohl jee- ala
weidmännich: Halt machen,
die Hunde (d. Schiff) anhalten.
„ Kopfhund, der vorderfte in
der Meute (auch Leithund).
Str. 4.
„18.
„26.
„33.
„35.
„52.
Beichnet der Leithund, fo be-
rührt er die ante des Wil⸗
des mit der Naſe und bleibt
ſtehen.
.Hourvari, Zuruf bei der
Parforcejagd, wenn die Hunde
die Fahrte verloren haben ımd
fehljagen.
. Bade, weibl. Wildſchwein
: Schweiß, das Blut d. Jagd⸗
tiere.
; Schalen nennt man die bor-
nigen Zeile an den gejpaltenen
Klauen des Edelwilds.
Heffen, bie
n runggelent
Sehnen am
der Hinter:
e.
. Gehör, Ohr des Not= und
Schmwarzwildes.
. Klagen fagt man von dem
töchelnden Schrei, den der
irſch ausſtößt, wenn er die
deswunde empfängt.
Blume, der Schwanz bei
Haſe, Hirſch und Reh.
Curse (curee) ein ſchon im
MHd. (curie) üblicher Aus-
drud für das Tunftgerechte Ber:
oo (Berwirten) des Hir-
Belgeie Gedärme,
en Hirſchkuh.
Ein⸗
Halle a. S., Buchdruckerei bes Waiſenhauſes
5
mal
Hd 2174 M